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Full text of "Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung"

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THE  J.  PAUL  GEITY  MUSEUM  LIBRARY 


•l(oiO 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAÜISCHE  ALTERTÜMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


ANNALEN  1)1«  VEÜE1N8 


FÜR 


NA8SAU1SCHE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


8ECHSUNDZWANZ1USTER  BAND. 
18  9  4. 


WIESBADEN. 

VERLAG  VON  liUD.  BECUTOLÜ  &  COMP. 
1894. 


int  J.   PAUL  GETTY  CENTPP 
LIBRARY 


Ziw  Beachtunfß, 


Das  AJtei'fitnisimfsetfni  ist  vom  1.  Mai  his  31.  Oldohrv  Montags^ 
Dienstags,  Miftivochs^  Donner stays  und  Freitags  von  2—  (>  Uhr,  Son)daf/s  von 
11 — 1  Uhr  (fcöjpwf.  —  lichufs  Besichtigxng  der  Sammliutgen  zu  e'nier  anderen 
Zeit  —  .')()  Pfg.  Eintrdtsgcld  —  n-ende  man  sich  an  den  Museumsauf seher 
König  (Friedrichstr.  1  oder  Friedrichsfr.  9,   Hof  rechts). 


Das  Si'lk'retdfidt  und  die  liiJdiothch'  sind  jeden  Mittwoch  und  Sams- 
tag uaeh mittags  von  .'i—T)  Uhr  geöffnet;  an  den  übrigen  Wochentagen  nerden 
Ih'icher  nach  imrheriger  schriftlicher  Bestellung  verahfoJgt. 


Di'tfcl'saf'hen  und,  Zuschriften  heliehe  man  an  das  SeJcretariat 
(Friedrichstr.  1),  GeJdsendumjen  an  Herrn  Bechnungsrat  Begen'  (Balm- 
hofstr.  15)  SU  adressieren. 


Das  Prelsrer^eiclinis  der  noch  vorhandenen  früheren  Annalenhände  und 
sonstigen  Veröffentlichungen  des  Vereins  heßndet  sich  auf  der  siveifen  und  dritten 
J^msehlagsseite  des  vorliegenden  Jahrganges.  Bestellungen  auf  dieselben  und  auf 
dm  gegenwärtigen.  Band  werden  sowohl  vom  Sekretariat,  wie  auch  von  dir 
Firma  Eud.  BecJitold  <£•  Comp,  in   Wieshaden  rntgegengenouwien. 


Wir  machen  unsere  Herren  Mitarbeiter  darauf  aufmerksam,  dass  Uei- 
fi'äf/e  r^n  den  Aniifden,  u-elche  regelmässig  im  April  eines  jeden  Jahres 
erscheinen,  bis  .zum  15.  Dezember  des  vorhergehenden  Jahres  heim  Vorstand 
eingereicht  sein  müssen.  Spätere  Zusendungen  können  für  den  betreffenden 
Jahrgang  nicht  berücksichtigt  werden.  Die  Manuskripte  müssen  leserlich  und 
immer  nur  auf  einer  Seite  geschrieben  sein. 


Inhalts -Verzeichnis 

des    sechsundzwanzigsten    Bandes. 


Seite 

I.  Die  Geschichte  des  Hauses  Nassau.    Von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  den 

ersten  Trägern  des  Namens  Nassau.    Von  Liulvv.  (Jonrfidy 1 

II.  Der  Name  Wiesbaden.    Von  W.  Streitberg l'ü 

in.  Gigantengruppen  und  St.  Georg.    Von  O.  Tietz 1  :'•■"> 

IV.  Die  Mennoniten   und   ihre   Bedeutung  für   die  Kultur  in  Nassau.     Von 

C.  Spielmann '•'' 

V.  Alte  Topographie  des  Vereinsgebietes.    Von  A.  v.  (Jo hausen 14.j 

VI.  Der  Limes  im  Taunus.    Von  15.  Florachütz 148 

VII.  Vereins-Nachrichten. 

Bericht  des  Sekretärs  Dr.  Ritterling  (für  das  Etatsjahr  vom   1.  April  1893 

bis  :U.  März  181)4) ^'^"^ 

Darin  Vorträge: 

V.  Gehäusen:  Generalversammlung  des  Gesamtvereins  S.  156.  — 
V.  Cohausen:  ATno's  S.  156.  —  Schierenberg:  Pueblo's  in 
Centralamerika  S.  löß.  —  Flor  schütz:  Alamannisch -fränkische 
Waffen  S.  157.  —  Clouth:  Ruinen  von  Angkor  Wat  S.  157  f.  — 
Schlichen:  Wassermühlen  im  Altertum  S.  158  f.  —  v.  Cohausen: 
Volkstrachten  in  Nassau  S.  159  f.  —  Seh  lieben:  St.  Georg  als 
Drachenkämpfers.  Kil  f.  —  Spielmann:  Adolf  v.  Nassau  und  die 
luxemburgischen  Kaiser  S.  162  f.  —  Schlieben:  Braungart's  Ge- 
schichte des  Hufeisens  S.  16:'.  f.  —Florschütz:  Hochäcker  S.  164. 
-  Genth:  Aberglaube  und  Volksmedizin  S.  164  f.  —  Heuer:  Kaiser 
Sigmund  S.  165  f.  —  Düssell:  Volkstrachten  im  Goldenen  Grund 
S.  167  f.  —  Düssell:  Logbäume  S.  168. 
Bericht  des  Konservators  Oberst  von  Cohausen  über  die  Erwerbungen   für 

das  Altertums-Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  189;{  ....       168 


Die  Geschichte  des  Hauses  Nassau. 

Von  don  äUoston  /eitcMi  bis  zu  den  ersten  Trümern  des  Namens  Nassnu. 

Kin  liistoriscli-kritischcr  Vcrsucli 
von 

Ludw»  Conrady, 


Dass  die  nassauische  Hausgescliichte  eine  neue  Bearbeitung  dringend  er- 
heische, ist  für  den  ausser  Frage,  der  sich  mit  ihrer  seitherigen  Darstellung 
vertraut  gemacht  hat.  Wie  Bedeutendes  auch  —  um  nur  die  hervorragenderen 
Namen  zu  nennen  —  die  Gebhardi,  J.  M.  Krem  er  und  Wenck  des  vorigen, 
die  Hennes,  Vogel  und  Schliephake  dieses  Jahrhunderts  im  Gegensatze  zu 
den  wild  phantastischen  Versuchen  der  älteren  Zeit  geleistet  haben,  indem  sie 
den  Bau  dieser  Geschichte  auf  dem  gewachsenen  Boden  aller  Geschichtschreibung, 
auf  der  Urkunde,  aufzuführen  unternahmen,  —  schon  die  Verschiedenheit  ihrer 
Bauten  beweist,  dass  die  Grundlage  noch  nicht  zu  dem  ihr  gebührenden  Rechte 
gekommen  ist.  Dies  tritt  begreiflicherweise  am  stärksten  in  der  ältesten  Ge- 
schichte des  Hauses  hervor,  da  hier  ein  oft  mehr  als  karger  und  spröder  Ur- 
kundenstoff in  demselben  Masse  unbesonnene  Vermutungen  begünstigt,  als  er 
die  sichere  Deutung  erschwert. 

Wenn  wir  uns  deshalb  auf  den  folgenden  Blättern  der  sauren  und  öden 
Mühe  eines  Neubaues  der  ältesten  Geschichte  des  Hauses  Nassau  unterziehen, 
so  geschieht  es  nur  in  dem  wissenschaftlichen  Pflichtgefühl,  belehrt  ebensosehr 
durch  die  erfolgreiche  Arbeit*)  als  durch  das  Straucheln  der  Vorgänger,  dem 
schwierigen  Baustoff,  soviel  an  uns  ist,  zur  endlichen  Verwertung  helfen  zu  müssen. 
Unsere  Aufgabe  ist,  abgesehen  von  unseren  unzünftigen  Kräften,  um  so  weniger 
leicht,  als  es  uns  nur  in  den  seltensten  Fällen  gelungen  ist,    neue  urkundliche 


*;  Wenn  ivir  in  den  folgenden  Anmerkungen  nicht  regelmässig  die  Namen  unserer 
Vorgänger  nennen,  so  geschieht  es,  um  diese  nicht  über  Gebühr  auszudehnen.  Sie  sind  dann 
in  den  von  uns  aufgeführten  Sammelwerlen  enthalten.  Roth's  Geschichte  und  histor.  Topo- 
graphie der  Stadt  Wiesbaden.  Wiesbaden  1SS3,  wurde  nur  hier  und  da  gedacht,  da  sie  im 
wesentlichen  urteilslos  nur  die  Ergebnisse  ihrer  Vorgänger  bietet.  Von  dem  wenigen  Neuen, 
7vas  sie  bringt,  konnten  wir  um  so  jnchr  nur  eine  tms  unbekannt  gebliebene  Angabe  in  An- 
merkung 2,  S.  13  dankbar  benutzen,  als  uns  das  Buch  erst  nach  Abschluss  der  Arbeit  dicht 
vor  dem  Drucke  zugänglich  wurde. 

Aunalen,  IM.   XXVI.  ^ 


guelleu  zur  llilt'e  beranzieheu  zu  küuueu.  Für  uusero  Uarstelluug  aber  liabeu 
wir  um  so  mehr  auf  die  Ueduld  des  Lesers  zu  zählen,  als  die  notgedrungen 
kritische  Art  unserer  l'ntersuchuug,  weit  entfernt  den  an  sich  schon  reizlosen 
genealogischen  Gegenstand  zu  beleben,  noch  dazu  seine  angestrengte  Nach- 
j>rüfung  beansprucht. 


I.    Die   Hattoe.') 

1.    Vom   Worms-  /um  Köiiigssiiiulragau.     Hatto  I.— III. 

Wenn  wir  uns  in  der  Gesamtüberschrift  anheischig  machten,  die  Geschichte 
des  Hauses  Nassau  „von  den  ältesten  Zeiten"  an  zu  behandeln,  so  kann  das 
nach  dem  bereits  Gesagten  nicht  den  Sinn  haben,  den  unsere  alten  Stamm- 
baumkünstler damit  verbanden,  als  sie  kühn  in  die  Zeiten  Caesars  hinabstiegen 
und  dort  die  luftigen  Geschlechtsspinnfäden  ihrer  gelehrten  Einbildungskraft 
anknüpften.  Auch  hier  setzt  nur  die  Urkunde  den  Anfang,  aber  sie  setzt 
ihn  um  etwa  ein  Jahrhundert  früher,  als  man  bisher  annahm,  und  uns  damit 
ungewollt  gleich  von  vornherein  in  Widerspruch  mit  unseren  Yorgängern,  ob- 
schon  wir  nur  ihnen  den  Aulass  zu  dieser  Neuerung  danken.  Denn  da  wir 
uns  mit  dem  von  ihnen  gefundenen  Urahnen  des  nassauischen  Hauses,  dem 
Grafen  Hatto  des  Königssuudragaues,  nicht  zufrieden  geben  dürfen,  so  gehen 
wir  einfach,  wie  sich  alsbald  beweisen  soll,  zu  dessen  uns  noch  eben  erreich- 
baren frühesten  gleichnamigen  Vorfahren  zurück  und  lassen,  um  dies  gleich  au 
die  Spitze  zu  setzen,  die  Wiege  des  Hauses  Nassau  im  Wormsgau 
stehen,  nachdem  wir  uns  zuvor  vergewissert  haben,  dass  die  Urkunde,  die  der 
Name  dieses  Urahnen  selber  darstellt,  uns  jede  Auskunft  über  Stammesabkunft 
seines  ersten  Trägers  vorenthält,  da  derselbe  über  alle  deutscheu  Stämme  gleich- 
massig  verteilt  erscheint.^) 

Die  CJrafen  des  Namens  Hatto  sind  im  Wormsgau  durch  die  fulder  und 
lorscher  Schenkungsverzeichnisse  vom  Jahre  756  —  838  bezeugt,  doch  so,  dass 
ihre  lleihe  mehrfach  von  anderen  durchbrochen  erscheint  oder  dass  gleichzeitig 
neben  ihnen  andere  verzeichnet  werden. 

Hatto  I.,  wie  wir  ihn  mangels  früherer  Quellen  nennen  müssen,  tritt 
75G  als  „comis"  und  erster  Zeuge  einer  Urkunde  vom  25.  Juni  dieses  Jahres 
auf,  in  der  ein  gewisser  Eggiolt  das  ihm  von  Vater  und  Brüdern  „in  pago 
Vuormacinense  in  uilla  Truhtmaresheim"  hinterlassene  Erbe  an  das  Kloster 
Fulda  übergiebt.»)  Am  23.  Juli  756  aber  wird  ein  Graf  Leidrat  als  Schenker 
eines  Weinbergs  in  Deinenheim  ebendahin  genannt,  der  schon  im  Jahre  zuvor 
als  Verkäufer  eines  Ackers  in  mainzer  Markung  erscheint.    Und  nun  ist  „Voto 

'j  Man  gestatte,  dass  wir  diese  deutsclic  Mohrzalil  nn  die  Stelle  der  gewolinten  lialb- 
latcinisclion  Hattonen  setzen:  der  Anstoss  am  minderen  Wohllaut  darf  nicht  die  Spraclireinheit 
gefährden  wollen.  —  ^)  Yergl.  Förstcniahii ,  Altdeutsches  namenbuch.  Nordli.  1856.  1,  540  f., 
2.  7G5  f.  —  •')  Schanuat,  Corpus  traditionuni  l'uhlensiuni.  J.ips.  1724.  2,  Nr.  4 ;  Dronke, 
Codex  dipluniati(;u.s  fuldcuHis.    Kassel   1S50.  7,  Nr.  9. 


comis"  erster  Zeuge,  also  offenbar  Gaugraf  0,  wie  er  es  tags  zuvor  oder,  wenn 
Dronke  recht  liat,  am  22.  Juli  757,  bei  der  Schenkung  Rantulphs  in  Batcii- 
heim  in  doppelt  ausgestellter  Urkunde  war. 2)  Dem  Namen  Ilatto  begegnen 
wir  erst  lü  Jtthre  später,  707,  wenn  wir  nicht,  was  wahrsclieinlicli,  einen  ohne 
comes  bezeichneten  llatto  als  Zeugen  einer  Urkunde  vom  21.  Juni  75G  für  den 
Grafen  halten  müssen.'')  Nun  kommt  in  der  ganzen  Zwischenzeit  ausser  den 
bereits  Genannten  nur  noch  einmal  der  erstere  von  ihnen,  Leidrat,  7G5  als 
Verkäufer  eines  Gutes  „in  Castro  Pinginsie"  und  Schenker  in  Thrutmaresheim 
vor."*)  Da  er  aber  damit  nur  als  Grundbesitzer,  nicht  als  eigentlicher  wormser 
Gaugraf  gekennzeichnet  scheint,  wie  Voto,  so  ist  anzunehmen,  dass  letzterer, 
wenn  er  nicht  ein  zweiter  Graf  des  Gaues  oder  Hatto's  Stellvertreter  war,  als 
Gaugraf  während  dieses  Zeitraums  zu  betrachten  ist,  Ilatto  75(j  also  seine 
letzte  Amtshandlung  verrichtet  hatte. 

Für  diese  Annahme   glauben    wir    folgende  Vermutung   als    Stütze  bieten 
zu  können.     Am  5.  Oktober  772    schenkt  eine  „Luitsuuinda"   „39  jurnales" 
Ackerland  in  Heimradesheim  an  das  Kloster  Lorsch  mit  der  Bestimmung:   „pro 
remedio  animae  Hattonis,  filii  mei".'')     Es  ist  das  vermutlich  dieselbe,   welche 
am  6.  Juni  780  eine  „hubestat"   in  Oppenheim   au   dasselbe  Kloster  vergabt"), 
am    2G.    September    des   gleichen   Jahres     „pro   remedio   animae    meae"    einen 
„mausus"    und    „de  terra  aratoria  jurnales  XXX   in  AVaristater  marca"    eben- 
dorthin  stiftet^),   dies  am  30.  September  788  mit  allem  ihrem  Besitz  dortselbst 
wiederholt^),   hierauf  mit    ihrem  Bruder   Adelbert    am   27.    März    796    einen 
„mansus"  in  Sauuelnheim  dem  gleichen  Kloster  übergibt  und  endlich  mit  dem- 
selben   Bruder    „aream  I"    in    Teinenheim    dem   Klostor   Fulda   zuwendet    am 
25.  Mai  802.^)    Nehmen  wir  nun  an,  dass  der  Sohn  Harte,  was  nachher  weitere 
Begründung  erhalten  soll,    der  767    zum  erstenmal   auftretende  Graf  Hatte  ist, 
den  wir  von  da  an  bis  zum  Jahre  802  im  Wormsgau  genannt  finden,  so  haben 
wir,    wenn    wir    uns    auf    die    mittelalterliche    Gewohnheit    der   Vererbung    des 
Namens    vom  Vater    auf  den   Sohn   verlassen   dürfen,   iu  Luit-  oder  Liutsu- 
uinda  die  Gemahlin  Hatto's  I.  zu  erblicken  und  dürfen  ihren  Sohn  Hatto  H. 
nennen,     Dass  dieser  nicht  sofort  nach  dem  Tode  des  Vaters,    den  wir  in  das 
Ende  des  Jahres  756  setzen,  als  Graf  erscheint,  mag  darin  seinen  Grund  haben, 
dass  er  zu  dieser  Zeit  noch  minderjährig  war.    Denn  die  Erblichkeit  des  Gau- 
grafentums  ist  schon  für  diese  Zeit  mit  einiger  Sicherheit  anzunehmen. ^^)    Die 
Mutter    aber    wird    dem    Sohne    schon    so    frühe    ein    Seeleugedächtnis   gestiftet 
haben,    weil   dieser    die    Gefahren    des   Langobarden-   oder  Sachseufeldzugs    im 


')  Schannat  2,  Nr.  3,  4,  Nr.  7;  Dronke  9,  Nr.  12,  vergl.  6,  Nr.  8,  -  -)  Schannat  4, 
Nr.  6,  6,  Nr.  10;  Dronke  8,  Nr.  IIa  u.  b.  —  ^)  Schannat  5,  Nr.  5;  Dronke  kennt  die 
Urkunde  nicht.  —  *)  Schannat  12.  Nr.  22;  Dronke  16,  Nr.  26.  —  ^)  (Lamey),  Codex 
principis  olim  laureshamensis  abbatiae  diploinaticus.  Mannh.  1768.  2,  141,  Nr.  1191.  —  ^)  Cod. 
laur.  2,  239,  Nr.  1557.  -  "j  Cod.  laur.  2,  149,  Nr.  1218.  —  ')  Cod.  laur.  2,  149,  Nr.  1217. 
—  ")  Schannat  77,  Nr.  157;  Dronke  99,  Nr.  175.  —  '")  Waitz,  Deutsche  Verfassungs- 
geschichte. Kiel  1847  ff.  2,  335;  3,  328;  Schröder,  Lehrbuch  d.  deutschon  Rochtsgeschichte. 
Leipzig  1889.  129;  Kaufnuinn,  Deutsche  Geschichte  bis  auf  Karl  den  Grossen.  Leipzig  1880. 
2,  195,  351  f. 

1* 


Jahre  77o  zu  bestehen  hatte,  eine  AValirsclieiulichkeit,  die  dadurch  gewinnt, 
dass  wir  ihn  am  31.  Juli  773  selber  die  Schenkung  eines  AVeicbergs  au  das 
"•leiche  Kloster  in  demselben  Ileimradesheim  machen  sehen  und  erst  im  Jahre 
770  wieder  als  Gaugrafen  bei  einer  Schenkung  in  Harasheim  tliätig  finden.^) 
Da  Luitsuuinda  noch  im  Jahre  802,  wie  wir  sahen,  am  Leben  ist,  so  muss  an- 
genommen werden,  dass  sie  die  zweite  Gemahlin  Ilatto's  I.  und  die  Ehenach- 
folgerin  einer  grabfeldischen  Yorgäugerin  war, 

Wir  meinen  dies  aus  Folgendem  begründen  zu  dürfen.  In  den  von  Pistor 
1007  zuerst  herausgegebenen,  von  Struve^)  erneut  aufgelegten  „Traditiones 
fuldenses"  werden  „Koggo  comes,  Hatto  comes,  Nordio  frater  illorum"  neben 
.IJrunicho  comes  et  Moricho  fiater  eins,  Eggihart  et  Job  frater,  Emthild  abba- 
tissa"  als  Scheuker  der  „marca  Ratersdorf'^  (Rasdorf  bei  Hünfeld)  genannt. 
Schannat,  der  dieselbe  Urkunde  auszugsweise  wiedergibt^),  bemerkt,  dass 
sie  von  815  stamme  und  „in  litteris  amicabilis  compositionis  initae  inter  Rat- 
gerium  abbaten)  Fuldensem  et  Wolfgangum  Episcopum  Ilerbipolensem"  bestehe. 
Das  in  derselben  enthaltene  „tradiderunt"  der  von  ihm  nur  aufgeführten  „Roggo, 
llatto,  Rrunicho  Comites  et  Emehilt  Comitissa"  geht  noch  auf  die  Zeiten 
Karls  des  Grossen  zurück,  wie  eine  „vetus  membrana"  besage,  und  mag  schon 
um  800  oder  noch  früher  stattgefunden  haben,  da  in  diesem  Jahre  Emhild  mit 
ihren  Klosterschwestern  den  ihnen  zugehürenden  Grundbesitz  in  einer  ganzen 
Anzahl  Dürfer  des  Grabfelds  samt  ihrem  Kloster  Miliza  an  Fulda  übergibt.*) 
Schon  783  aber  hatte  dieselbe  Äbtissin  ihre  Güter  an  ihre  Stiftung  Miliza  ge- 
.«chenkt  und  die  darüber  aufgenommene  Urkunde  hatte  an  erster  Stelle  „roggo 
comes"  und  weiterhin  der  dort  „nordiu"  genannte  Bruder  mit  unterzeichnet.") 
Die  Zeit  steht  demnach  nicht  im  Wege,  den  Bruder  Hatto  mit  unserem  Hatto  H. 
für  dieselbe  Person  zu  erklären,  und  das  um  so  weniger,  als  er  weiter  nicht 
in  grabfeldischen  Urkunden  erscheint,  die  mit  ihm  genannten  Schenker  aber 
sich  als  wormsgauische  Eingesessene  ausweisen.  Denn  Eggihart,  Moric  und 
Brunichü  kommen  801  nebeneinander  in  einer  wormsgauer  Urkunde  vor*'), 
Bruniclio  aber  erscheint  mit  anderen  Zeugen  jeuer  Urkunde  796  und  800,  ohne 
diese  777.  806  und  813  und  zweimal  816.'')  Es  darf  also  mit  Fug  angenommen 
werden,  dass  Hatto  I.  auch  im  Grabfeld  begütert  war,  wie  sich  dies  nicht 
minder  bei  anderen  Grafen  mit  weit  entlegenem  Grundbesitz  zeigt,  beispiels- 
weise bei  den  Grafen  Manto  und  Megingoz,  die  im  Jahre  788  ihre  Güter  in 
nicht  weniger  als  sechs  Gauen  und  25  eigenen  Dörfern  an  Fulda  schenken.'') 
Was  Hatto  I.  im  Grabfeld  vermutlich  durch  königliche  Schenkungen  zu  eigen 
geworden  war,  mochte  er  durch  die  Heirat  mit  einer  grabfeldischen  Erbin 
vermehrt  haben,  sodass  er  dort  ebenso  Grossgrundbesitzer  war,  wie  im  Worms- 
gau.  Weil  nun  nach  einer  Bestimmung  des  Königs  Chlotochar  H.  vom  Jahre 
'•14    Hill-   Grossgrundbesitzer    in   einem  Gaue   zum  Grafenamt   daselbst    befähigt 

')  Cod.  laur.  2,  140,  Nr.  1188;  2,  38,  Nr.  917.  —  ^)  Rerum  germanioarura  scriptores 
3,  5ß0.  —  »)  Corp.  trad.  fuld.  371.  —  *)  Struve  3,  363  f.;  Schannat  68  f.  Nr.  140;  Dronke 
88,  Nr.  I.'i7.  -  '•)  Struve  3,  561  ff.  —  «)  Schannat  74,  Nr.  150;  Dronke  95,  Nr.  168.  — 
'l  Schannat  00,  Nr.  1.30;  08,  Nr.  139;  70,  Nr.  37;  94,  Nr.  200;  110,  Nr.  247;  120,  Nr.  283; 
121,  Nr.  280.   —   «)  Sr-hnnnat  41    f.  Nr.  83;  üronko  53,  Nr.   87, 


wareii^),  so  mag  Kof^f^o  uls  Soiiii  erster  Ehe  dort  /um  (i raten  eriianut  worden 
sein,  zumal  wenn  wir  bedenken,  dass  bei  dem  mäclitig-on  Einfluss  von  Mainz 
auf  Fulda  dem  König  und  der  Königin  diese  Ernennung  im  Grabfeld  und  der 
ganzen  Buchonia  sehr  erleichtert  war.  Hatte  IL  aber  sicherte  der  durch  seine 
Mutter  vermehrte  Grundbesitz  im  Wormsgau  das  dortige  Grafenamt  des  Yaters. 
Versichern  wir  uns  hierbei,  um  in  der  Zoitreihe  zu  bleiben,  seiner  Amts- 
handlungen, soweit  wir  von  ihnen  Kunde  haben,  so  ist  entgegen  der  Darstellung 
Andr.  Lamey's  in  seiner  „Pagi  wormatieusis,  <|ualis  sub  Carolingi«  maxime 
regibus  fuit,  descriptio"  vom  Jahre  iTßG'-^)  zunächst  zu  wiederholen,  dass  die- 
selben in  die  Zeit  von  7(57  bis  802  und  nicht  bloss,  wie  jener  will,  ins  Jahr  800 
fallen.  "Wir  haben  zu  diesem  Zwecke  nur  die  fulder  uud  lorscher  Schenkuners- 
berichte  genauer  zu  lesen  als  dieser  verdienstvolle  Herausgeber  der  letzteren. 
Es  kommt  der  Graf  Ilatto  zuerst  als  Zeuge  einer  Schenkung  Kandulfs  an 
Lorsch  in  Ibernesheim  am  30.  Mai  767  vor.^)  In  dem  alsdann  folgenden  Jahre 
771  begegnen  wir  seiner  Zeugenschaft  bei  einer  Schenkung  au  Fulda,  welche 
die  sechs  Brüder  Haguuo,  LIartnand,  Rathat,  Gebehart,  Rather  und  Illuduin  in 
Zarezanheim  und  Momonheim  am  16.  Februar  macheu.  Nicht  Graf  genannt, 
ist  er  doch  als  erster  Zeuge  in  dieser  Eigenschaft  beglaubigt,  wie  er  bei  der 
Grenzangabe  des  Weinbergs  in  Momonheim  als  Grundbesitzer  namhaft  gemacht 
wird.'*)  Das  Jahr  772  bringt  seinen  Namen  zweimal:  am  23.  Februar  schenkt 
Odagrus  mit  seiner  Frau  Hruodsuinda  und  der  Tochter  Lantsuvinda  Güter  in 
Vuacharenheim  an  Fulda,  am  3.  Mai  Hartmunt  solche  in  Truthmaresheim 
ebendahin.  Beidesmal  ist  „comes"  llatto  an  erster  Stelle  Zeuge. ^)  Seine  eigne 
Schenkung  an  Lorsch  vom  31.  Juli  773  sodann  nannten  wir  schon  vorhin. 
Weiter  bezeugt  er  am  26.  Juli  776  die  Schenkung  llarafrid's  in  „Ilarasheim 
marca"  an  dasselbe  Kloster*^),  am  19.  Februar  777  beurkundet  er  die  Schenkung 
Vto's  „pro  remedium  (!)  anime  Geilsuvindae  uxoris  meae"  „infra  Givitate  (!) 
Moguntia"  und  „in  villa  Brettonorum"  (Brezzenheim"),  am  30.  Juni  779  die- 
jenige der  Nonne  Uda,  die  ausser  im  „Rinahgowe"  ihre  Güter  in  Thornheim, 
Elimaresbach  und  Erifeldon,  wie  im  „Lobodingowe"  in  Strizzesheim  uud  Sahsen- 
heim,  solche  in  „Wormatiense"  in  Dulaheim,  Diuenheim  und  Op])onhcim  an 
Lorsch  giftet.^)  Sechs  Jahre  später  alsdann  trägt  die  Schenkungsurkunde  eines 
Priesters  Vualther  vom  22.  März  785,  der  einen  Garten  innerhalb  der  maiuzcr 
Mauer  an  Fulda  vergibt,  das  übliche  „f  signum"  seiner  schreibunkundigen 
Zeugenschaft,  ebenso  diejenige  von  dessen  Vater  Bernhar,  der  seinen  Besitz  in 
Battenheim  ebeudorthin  stiftet,  wie  die  einer  gewissen  Cremhilte,  die  ihren 
Weinberg  in  mainzer  Markung  ebenfalls  dem  Bouifatiuskloster  schenkt. **)    Drei 


')  Pertz,  Legg.  1,  13:  Ut  nuUus  judex  [comes]  de  aliis  provinciis  aut  regionibus  in 
alia  loca  ordinetur;  ut  si  aliquid  mali  de  quibuslibet  conditionibus  pcrpetravorit,  de  suis  pro- 
priis  rebus  e.xindc  quod  male  abstulcrit  juxta  legis  ordinein  debeat  restituerc.  Vcrgl.  Waitz, 
Verfassungsgeschichtc  2,  334;  Schröder,  Lehrb.  129;  Kaufmann,  Deutsche  Gesch.  2,  351. 
—  ^)  Acta  academiae  Theodoro-Palatinae  1,  289.  —  ^)  Cod.  laur.  2,  16  f  Nr.  859.  —  *)  Schan- 
nat  15,  Nr.  28.  Diese  Urkunde  kennt  Dronkc  nicht.  —  ^)  Schannat  l'J  f.  Nr.  36,  38; 
Dronkc  25  f.  Nr.  39,  40.  —  ")  Cod.  laur.  2,  38,  Nr.  917.  —  ')  Schannat  27  f.  Nr.  52; 
Dronke  unbekannt.  —  ")  Cod.  laur.  1,  302  f.  Nr.  198.  —  '■')  Schannat  36  f.  Nr.  72,  73,  74; 
Dronke  48  f.  Nr.  79,  80,  81. 


Jahre  spätor  lesen  wir  seinen  Namen  bei  der  Sclieukuug  eines  Bernachar  in 
Vuachareulieini  vom  30.  Jan.  7 SS,  nnd  am  25.  Mai  des  gleichen  Jahres  nnter- 
zeichuet  er  zwei  Urkanden.  in  welchen  die  von  Schannat  fälschlich  dafür  ge- 
haltenen Eltern  des  berühmten  Hrabauus,  Yualuranius  nnd  Vualrat  zuerst  „aream 
nnam  cum  easa  et  lum  omni  aediticio"  in  Mainz  und  sodann  ihr  ganzes  Besitz- 
tum in  Truthmaresheim  an  Fulda  zu  eigen  geben. ^)  Zwei  folgende  Urkunden 
aus  dem  Jahre  790  sind  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  den  Grafen  Ilatto  „in 
l'ago  Navinse",  dem  benachbarten  Nahegaue,  im  Dorfe  Ilrocchesheim  (Boxhoim) 
bei  einer  Schenkung  Ratboto's  und  seiner  Gattin  Hruodlind  thätig  zeigen  und 
zwar  in  der  ersten  mit  den  sonstigen  wormsgauer  Zeugen.  Diese  ist  vom 
13.  Aug..  die  zweite  ohne  Zeitangabe,  aber  wegen  der  gleichen  Schenker  und 
betretts  des  gleichen  Orts  wohl  aus  demselben  Jahre,  indes  „in  publico  concilio, 
ijuod  dicitur  Pathrafons",  ausgestellt  und,  ausser  einem,  scheint  es,  wormsischen, 
mit  uns  unbekannten  Zeugen.-)  Hatte  II.  befand  sich  damals  also  auf  einem 
Reichstag  zu  Paderborn.  Am  IS.  Dezember  792  sodann  bezeugt  er  gleichzeitig 
mit  dem  ihm  voranstehenden,  also  wohl  als  „missus  doniinicus"  wirksamen 
Grafen  Vuolfrod  eine  Schenkung  Yuolfbald's  und  seiner  Gattin  Ludabirg,  die 
sich  als  eine  solche  in  Mainz  —  die  Urkunde  selber  sagt  das  nämlich  nicht  — 
erweist,  da  dieselben  Geber  789  nnd  801  dort  als  solche  erscheinen.^)  Weiter 
am  25.  Mai  796  wird  von  ihm  die  Schenkung  der  Nonne  Hiltuvar  in  Sulzheim 
bestätigt  und  am  25.  Mai  797  ebendort  diejenige  von  deren  Mutter  Regirasuvinda.^) 
Am  21.  Februar  798  finden  -svir  seine  Unterschrift  in  einer  Güter  des  Ato  in 
Talaheim  betreffenden  Schenkungsurkunde.^)  Die  sich  dieser  unmittelbar  an- 
schliessende einer  Nonne  Burgrat  betreffs  eines  Ackergebietes  in  „Mogontiorum 
marca"  vom  25.  März  desselben  Jahres  ist  zwar  nur  mit  ,t  Ilattoni"  an  sechster 
Stelle*')  unterschrieben,  aber  da  die  anderen  Zeugen  im  wesentlichen  dieselben 
.sind,  so  kann  die  Selbigkeit  der  Person  nicht  bezw^eifelt  w^erden.^)  Die  Urkunde 
einer  gewissen  Baldsuvinda  über  ihren  Besitz  in  Habarinesheira  vom  28.  Juli 
des  gleichen  Jahres  hat  gar  erst  an  letzter  Stelle,  aber  unter  denselben  Um- 
ständen, die  genannte  Unterzeichnung^),  während  die  vom  25.  Oktober  eben 
dieses  Jahres,  die  die  Schenkung  des  Adalleicius  in  Mainz  und  ,in  Harasheimo 
marcam  (!)"  bekundet,  die  volle  Bezeichnung  an  erster  Stelle  trägt.  Wiederum 
an  letzter  Stelle  steht  ein  ,7  Ilattoni"  in  einer  Urkunde  vom  2.  Februar  799, 
in  welcher  der  schon  785  als  Schenker  genannte  Vualther  einen  Weinberg  in 
mainzer  Gemarkung  an    Fulda   gibt.^)     Am   4.  Mai  800    beglaubigt  Hatte    als 

')  Scliannat  4Ü,  Nr.  79,  43  f.  Nr.  85,  88;  Dronke  55  f.  Xr.  90,  91,  92,  122.  Das 
üleiche  hatte  nach  Will,  Regesten  zur  Geschichte  der  Mainzer  Erzbischöfc.  Innsbr,  1877,  f. 
1,  XIX  auch  Eckhart  in  „Comment.  Franciae  Orient.'"  1,  736  zu  erweisen  gesucht.  Indes, 
was  Will  nicht  einmal  hervorhebt,  die  Lebenszeit  des  Ilrabanus  Maurus  ist  einfach  dagegen, 
wenn  er  dessen  OeburUjain-  um  776  ansetzt.  —  ^)  Seh.  46  f.  Nr.  92,  93;  Dr.  57  f.  Nr.  95,  96. 

—  »)  8ch.  50,  Nr.  101,  vergl.  45,  Nr.  89  u.  74  f.  Nr.  151;  Dr.  62,  Nr.  104,  wo  das  richtige 
.Jnhr  ungogeben  ist.  —  *)  Seh.  55  f.    Nr    114,    61,  Nr.  125;    Dr.  67   f.  Nr.   114,    81,  Nr.  144. 

—  •)  Seh.  62  f.  Nr.  128;  Dr.  84,  Nr.  149.  —  «)  In  der  obengenannten  Urkunde  vom  22.  Mürz 
785,  Seh.  ;i7,  Nr.  72  kommt  selbst  „Ilatto  Comis"  an  7.  Stelle  vor;  ähnlich  anderwärts,  vgl. 
Dr.  62,  104.  —  ')  Seh.  03,  Nr.  129;  Dr.  84,  No.  1.50.  —  ")  Seh.  64,  Nr.  131;  Dr.  85, 
Nr.  152.     -    •)  Seh.  66,  Nr.  136;    Dr.  86,  Nr.  154. 


comos  sogar  vor  Laiidbort  „iiuntius  duiiiiiii"  uiul  dein  schon  796  vorgckumnicnca 
„Vuolfrad  comes"  die  Schenkung-  der  Töchter  Nordpralit'.s  Ilehnsuvind  und  Cra- 
pucha  für  des  Vaters  Seelcnlieil  in  Vuachareuheim  und  am  10.  Juni  des  gleichen 
Jahres  mit  blossem  „f  Jlatto"  diejenige  llertings  und  Odilprant's  in  Vuanes- 
heim.')  ILierauf  kommt  sein  Name  und  Amt  bei  einer  dritten  Schenkung  des 
obengenannten  Vualuram  vom  22.  Mai  802  vor,  durch  die  dieser  eine  Kirche 
in  Hofun  „in  Pago  superiori  Rinensae"  mit  allem  Zubehör  von  Gütern  und 
Hörigen,  auch  dem  in  Oppenheim  befindlichen,  und  „areas  tres",  eine  in 
mainzcr  Mark,  die  andere  in  llruodolfesheim,  die  dritte  in  Teinenheim  an 
Fulda  gibt.^)  Nun  begegnen  wir  zwar  seinem  Namen  noch  fünfmal  in  f'uldi.schen 
Schenkungen,  nämlich  805,  810  und  dreimal  813.  Da  jedoch,  wie  ein  müh- 
samer Vergleich  uns  gelehrt  hat,  die  Namen  der  Mitzeugen  wesentlich  andere 
sind  und  ausserdem  seine  Amtsbezeichnung  fehlt,  so  wagen  wir  nicht,  diese 
Ifrkunden  für  seine  Person  zu  verwerten. 

Wir  begnügen  uns  deshalb  hier,  nur  noch  festzustellen,  dass  die  in  Lamcy's 
angeführter  ,Descriptio"  versuchte  Zwischeuschiebung  anderer  Grafennamen  in 
die  von  uns  hergestellte  Reihenfolge  der  Ilatto'schen  eine  irrtümliche  ist.  Denn 
der  771  genannte  „Warnherus  coraes''  wird  in  der  betreffenden  Urkunde  nur 
als  Nachbar,  also  Grundbesitzer  aufgeführt.^)  „Cuniberctus  comes"  vom  Jahre 
779  ist  ebenfalls  nur  Grundbesitzer  in  „Sauvilenheim  in  Pago  Vuormazfeld"  und 
wird  von  Stalin  als  Graf  einer  der  fränkischen  Gaue  seiner  Heimat  beansprucht, 
wohin  überdies  alle  Ortsnamen  der  Urkunde  mit  Ausnahme  Saulheims  weisen, 
das  dieser  Gelehrte  nicht  zu  bestimmen  wusste,  weil  er  „Vuormazfeld"  ver- 
mutlich übersah.*)  „Ileimerich  comes"  mit  seinem  vermutlichen  Bruder  Ilerman 
ergibt  sich  ebenso  als  schenkender  Grundbesitzer  in  Oppenheim  nach  der 
Urkunde  von  78P)  und  ist  Graf  im  oberen  Rheingau.*'')  Hruodpraht  endlich, 
der  790,  796,  801  und  804  in  wormsfeldischen  Urkunden  erscheint,  gibt  sich 
ebenfalls  als  wormsgauer  Grossgrundbesitzer  zu  erkennen,  während  er  ebenso 
als  oberrheingauischer  Graf  bekannt  ist  und  823  mit  Erzbischof  Haistulf  missus 
dominicus  „in  Moguntina"  war.'^) 

Nehmen  wir  hiernach  den  oben  fallen  gelassenen  genealogischen  Faden 
wieder  auf,  so  haben  wir  nun  unser  obiges  Versprechen  betreffs  der  Abkunft 
llatto's  II.  von  Liutsuuinda  bei  seinen  Söhnen  einzulösen.  Wir  wenden  zu  dem 
Zwecke  unsere  Aufmerksamkeit  dem  Eintrag  eines  aller  Vermutung  nach  lorscher 
Necrologiums  aus  dem  3.  Jahrhundert  zu,  welches  sich  dem  Martyrologium  Beda's 
auf  der  Würzburger  Dombibliothek  einverleibt  zeigt.  Dort  heisst  es  zum  13. 
Mai  (841):  „Obitus  Adalberti  comitis,  fratris  Banzleib  et  Hattonis  comitis."^'') 
Nun  ist  nach  dem  diesen  Eintrag  bietenden  Crollius  gewiss,  dass  Adalbert,  den 
Nithard  zuerst  Grafen  von  Metz,  dann  Herzog  von  Austrasien  nennt  und  den 
wir   als   trierer    Grafen    oder  Legaten    der    provincia    trevirensis    kennen^),    die 

')  Schannat  71,  Nr.  143,  144;  Dronke  91  f.,  Nr.  161.  —  -)  Scli.  76  f.  Nr.  156;  Dr. 
98,  Nr.  174.  —  ^)  Cod.  laur.  2,  2,  Nr.  820.  —  *)  Wirteuibergischc  Geschichte.  Stuttgart  u. 
Tüb.  1841,  1847,  1,  332,  vergl.  312.  —  ^)  Cod.  laur.  2,  235,  No.  1539.  —  ")  Act.  Pal.  2,  179  f. 
—  ')  Act.  Pal.  2,  180  f.;  Hartzheim,  Conc.  Gcrman.  2,  32b.  —  ^)  Act.  Pal.  6,  132.  —  •')  Da 
Crollius  den  Beleg  hierfür  schuldig  bleibt,  so  ergänzen  wir  ihn  aus  dem  Capitulare  anni   823 


„Aunales  fuldenses"  a.  d.  111.  id.  Mali  (lo.  Mai)  841  aber  im  Gefecht  gefalleu 
bezeugen,  vou  Geburt  ein  Franke  aus  der  Naclibarschaft  von  Mainz  gewesen 
sei.  Ebenso  ist  nach  demselben  Gewährsmann  und  seinen  Belegen  sein  IJrudcr 
IJauzIeib  als  comes  in  Ostfalia  bezeugt,  und  endlich  erzählt  gemäss  ihm  Nithard^ 
duss  Ilatto  uacli  Adalberts  Fall  von  Kaiser  Lothar  mit  dem  Erzbischof  Otgar 
von  Mainz  zum  Schutze  des  Kheins  zurückgelassen  worden  sei.^)  Da  wir  nun 
dort  einen  Hatto  als  Gaugrafen  auftreten  sehen,  so  ist  doch  wohl  kein  Zweifel, 
dass  dieser  der  Zeitfolge  entsprechend  mit  seinen  Brüdern  ein  Sohn  liatto's  11. 
sein  rauss.  Erinnern  wir  uns  alsdann,  dass  der  Bruder  Liutsuuinda's  Adalbcrt 
geheisseu  hat,  so  haben  wir  an  der  Hand  dieses  Namens  das  gleiche  Recht. 
einen  ähnlichen  Schluss  auf  seinen  metz-trierischen  Mitträger  zu  wagen,  indem 
wir  diesen  dessen  Grossneffen  und  den  Urenkel  von  seinem  —  wir  wagen  auch 
dies  —  gleichnamigen  Vater  sein  lassen.  Dieser  Vater  aber  dürfte  dann  derjenige 
Adalbert  sein,  mit  dessen  Schenkungen  die  von  uns  so  reichlich  schon  benutzten 
.,'rraditiones  fuldenses"  anheben.  Am  25.  Januar  750  übergibt  dieser  mit  seiner 
Liemahlin  Irminsuuinda  „caso  (!)  fragilitatis"  d.  h.  als  Greis  „pro  animas  nostras  (!) 
remedium"  „arealem  I"  innerhalb  der  Mauer  von  Mainz. ^)  Am  18.  Jan.  753 
verkauf:  er  ebenso  nach  Fulda  einen  Weinberg  innerhalb  der  Stadtmauer  und 
schenkt  dazu  einen  anderen  ausserhalb  „in  uilla  nominata  Prittonorum."^)  Aller 
"Wahrscheinlichkeit  nach  ist  er,  um  auch  das  zu  berühren,  ein  Schwager  des 
obengenannten  Grafen  Leidrat.  Denn  dessen  Schwester  heisst  Irminsuuinda 
und  ist  bereits  oben  von  uns  genannt  worden.^) 

Haben  wir  damit  die  spärlichen  urkundlichen  Anführungen  nach  Kräften 
verwandtschaftlich  verwertet,  so  ist  es  nun  unsere  Aufgabe,  das  uns  so  erstandene 
dritte  Geschlecht  des  Hatto'schen  Hauses  vom  zweiten  zeitlich  abzugrenzen  und 
dieses  zugleich  noch  auf  einem  neuen  Gebiet  für  uns  zum  erstenmal  seines 
Amtes  walten  zu  sehen.  Wir  verliessen  Hatto  II.  im  Jahre  802.  Da  im  gleichen 
Jahre  seine  Mutter  Liutsuuinda  noch  am  Leben  war,  wie  wir  sahen,  so  können 
wir  ihn  unmöglich  zu  dieser  Zeit  schon  aus  dem  Leben  geschieden  denken.  Es 
verbietet  uns  die.s,  w^as  bisher  übersehen  wurde,  die  Thatsache,  dass  in  dem 
Testamente  Karls  des  Grossen  vom  Jahre  811  nach  den  Bischöfen  als  Zeugen 
seines  letzten  Willens  verzeichnet  sind  die  „Comites  Walacho,  Meginherus, 
Otulfus,  Stephanus,  Unruochus,  Burchardus,  Meginhardus,  Hatto,  Rihwiuus, 
Edo,  Bero,  Hildegerus,  Koccolfus".-"^)  Es  verbietet  uns  das  ausserdem  eine 
Urkunde  von  811),  in  der  von  Ludwig  dem  Frommen  unter  anderem  darüber  Be- 
scliwerde  geführt  wird,  dass  in  dem  durch  den  Tod  des  Königs  Adolf  berühmt 
gewordenen  Gylenheim  (Göllheim)  dem  Kloster  Hornbach  einiges  („quasdam  res") 
„interpollante  [liJAttone  rjuondam  comite"  vorenthalten  w'orden  sei.  Dies  sei 
bereits  , tempore  domini  et  geuitoris  nostri  Karoli  bonae  memoriae  piissimi  Augusti 
eo  ncm  iulteiito,  iino  pror.-3Us  nescieute"  geschehen,  genauer:    „dum  in  commune 

woselbst  OS  in  C.  25  (De  nominibus  locoruiii,  in  quibus  Missi  Dominici  legatione  funguntur) 
heisst:  „In  Trcviris  Hatto  ArcliicpiscopuR  et  Adalbertus  comes".  Ilartzheim,  Conc.  Germ.  2,  32b. 
'J  Nithard's  Historia  in  Monum.  Germ.  2,  667.  Vgl.  Will,  Regest,  1,  60,  Nr.  39.  — 
*)  .S.:liannat  1,  Nr.  1;  Dronke  1,  Nr.  2.  -  ')  .Scli.  1,  Xr.  2;  Dr.  5,  Nr.  6.  —  *)  gerniaim 
eiu8,   Seil    12,  Nr.  23;    Dr.  17,  Nr.  26.    -  ')  Einliardi    vita  Karoli  in  Mon.  Germ.  2,  463. 


a  Wanuu'io  et  Widuiic  inoiiastci'iuin  püssidcrctur".')  Von  Waniarius  oder  Werluiia 
wissen  wir  genau,  dass  er  im  Februar  des  Jahres  814  zu  Aachen  getütet  wurde.^) 
Da  aber  das  Kloster  zu  seiner  Klage  vor  Ludwig  jedenfalls  erst  den  Tod  llatto's 
abgewartet  hatte,  so  ist  dieser  erst  als  zwischen  814  und  810  erfolgt  anzusehen. 
Wir  sind  demnach  in  der  Lage,  Hatto  IL  als  einen  ungefähren  Siebenziger  dem 
öffentlichen  Gerichte,  „in  mallo  seu  judicio  publico",  am  15.  Mai  814  Vorsitzen 
zu  sehen,  in  welchem  der  Kellner  des  Klosters  Bleidenstat  Salicho  durch  Zeugen 
darthut,  dass  das  Kloster  seit  den  Zeiten  Karls  des  Grossen  im  IJesitze  eines 
Bifangs  „in  villa  seu  marca  Didelesberc"  (Diedenbergen)  sich  befunden  und 
Guntram  kein  Recht  an  diesen  anzusprechen  habe.^)  Es  wird  das  zu  um  so 
grösserer  Gewissheit,  als  der  oben  als  Bruder  des  Grafen  Heimerich  angesprochene 
Ilerman  vom  Jahre  781  die  Urkunde  unmittelbar  hinter  Hatto,  dem  Altersge- 
nossen, als  comes  unterzeichnet. 

Indem  wir  dies  die  letzte  Amtshandlung  Hatto's  IL  sein  lassen,  brechen 
wir  doppelt  mit  der  bisherigen  Überlieferung  der  nassauischen  Geschichtschrei- 
bung. Denn  die  lässt  in  dem  in  der  Anmerkung  gerügten  irrigen  Jahre  815 
ihren  „Hatto  L"  seine  erste  Amtshandlung  begehen  und  setzt  ihn  einzig  in  den 
„König-  und  Rheingau",  in  dem  sein  Geschlecht  von  den  Merowingischen  Zeiten 
an  gewaltet  habe.*)  Da  wir  nun  zu  dieser  Zeit  keine  zwei  Grafen  des  Namens 
llatto  kenneu,  so  haben  wir  uns  durch  die  vorgelegte  Urkunde  aus  dem  ersten 
(„anno  primo  regnante"  etc.)  Jahre  des  Kaisers  Ludwig,  also  814,  belehren  zu 
lassen,  dass  die  Kuningessuntara,  in  welcher  Didelesberc  lag,  mit  dem  Worms- 
gau  unter  einem  Grafen  stand,  zur  Zeit  unserem  Hatto  H.,  der  bald  darnach 
gestorben  sein  muss.  Bei  der  verhältnismässigen  Kleinheit  dieses  altnassauischen 
Gaues  kann  dies  nicht  Wunder  nehmen,  da  ähnliche  Zusammenfassungen  von 
Gauen  in  eine  Grafschaft  nichts  weniger  als  ungewöhnlich  waren.  So  erweist 
sich  beispielsweise  der  Zeitgenosse  des  alsbald  näher  zu  besprechenden  Hatto  HL, 
GrafPopo,  als  „comes  pagorum  Grabfeld,  Tullifeld,  Folkfeld,  Gotzfeld  et  Werin- 
gau."^)  Auch  wären  wir  schon  längst  über  dies  Verhältnis  aufgeklärt,  hätte 
CS  nicht  das  Missgeschick  gewollt,  dass  die  alten  Urkunden  zu  gründe  gingen. 
Ausserdem  brachte  es  das  Wesen  des  Königsgaues  mit  sich,  dass  zu  Schenkungs- 
urkunden, die  uns  darüber  Aufklärung  bringen  konnten,  wenig  Gelegenheit  war. 
Denn  der  Name  „Kuningessuntara"  besagt  bekanntlich,  dass  der  König  dort  Haupt- 
grossgrundbesitzer war,  da  das  ahd.  Femininum  „suntara"  proprium,  Besonder- 
heit bedeutet,*^)  Schenkungen  daselbst  gingen  also  der  Hauptsache  nach  von 
ihm  allein  aus.     Gleichzeitig,    das    will    auch    bedacht  sein,    gehörte    der   ganze 

1)  Act.  Pal.  6,  249.  —  -)  Act.  Pal.  6,  218.  —  ^j  Will,  Monumenta  Blideastatensia 
saec.  IX,  X  et  XI.  Innsbr.  1874.  17,  Xr.  1;  Sauer,  Xass.  Urkundenbuch.  Wiesbaden  1886. 
1,  17  f.  Die  falsche  Jahreszahl  815  bei  Vogel,  Beschr,  189  u.  Schlieph.  1,  106  f.  kommt 
von  Bodmann,  Rheing.  Altertümer  604,  —  *)  Bodm.  Rheing.  Altert.  45;  Schlieph.  1,  105, 
Anm.;  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wiesb.  7.  —  '•")  Gonno,  De  duc.  Franc.  Orient.  §  20,  p.  439 
u.  f.  nach  Act.  Pal.  3,  344.  Andere  Beispiele  verzeichnet  "Waitz,  Vertassungsgesch.  3,  324, 
7,  16,  32.  An  letzterer  Stelle  wird,  allerdings  erst  im  Ausgang  des  10.  Jahrhunderts,  ein 
lotliringischer  Graf  mit  15  Grafscliaften  genannt.  —  '•)  Haltaus,  Glossarium  1697;  Graff, 
Althochd.  Sprachschatz  6,  50.  Man  vergleiche  hierbei,  was  bei  Waitz,  Verfassungsgesch.  2, 
556  über  den  königlichen  Grundbesitz  im  allgemeinen  gesagt  wird. 


10 

nördliche  Teil  des  Gaues,  wie  dies  die  auf  den  nuiinzer  Erzbischof  Ricliolf  (786  bis 
8i:i)  /uriifkzufiihreude  GreuzbesehreibuDg  erweist,  dem  Ferrutiusstift  iu  Bleiden- 
8tat.')  Oleichwold  kauu  Einzelgrundbesitz  dortselbst  nicht  ausgeschlossen  gewesen 
sein,  wenn  wir  die  auf  uns  gekommenen  Scheukuugszeugnisse  Einzelner  in  Be- 
tracht ziehen.*)     Bedeutsam  für  uns  hier  ist  es  deshalb,  zu  sehen,  dass  auch  das 
Ilatto'sche  Haus  im  Künigsgau  begütert  war.    Wir  entnehmen  das  einer  zwischen 
8'i'J    und    839    ausgestellten    Urkunde,    in    welcher    „Adalbertus    humilis  Christi 
scrvus",  d.h.  der  vorhin  genannte  Graf  dieses  Namens  und  Bruder  Hatto's  IIL, 
der  sich,  wir  dürfen  das  ja  wohl  hervorheben,  durch  diese  auffällige  Kennzeich- 
nunjr.  wie  seine  ebenfalls  namhaft  zu  machenden  Schenkungen  au  drei  Klöster 
in   doppeltem  Sinne   als    „tidelis"   des  frommen  Kaisers    erweist,    „in    Pago   qui 
dicitur  Kunigeshundra  in    villa    nuucupata  Waldaffa    aream    vnam'^    gleichzeitig 
mit  G  Königsmansen,  einem  Weinberg  „ad  sex  Carradas  vini",    sowie  66  Man- 
cipien  und  alles  sonstige  Zubehör,  „in  oppido  Cobelence  nuncupato,  quod  Con- 
tluentia  dicitur",    an  Fulda   schenkt    und  dabei  den  Besitz  in  Walluf  ausdrück- 
lich  ,,patrimonium  meum"   nennt.^)     Dass  der  Graf  mit  letzterer  Benennung  im 
licchte  war,   wird  durch  eine  Schenkung  des  Kaisers  Ludwig  von  Attigny  aus 
am  20.  November  834  bestätigt.    Denn  da  heisst  es:  „concessimus  eidem  fideli 
nostro,    Adelberto  nomine,    ad  proprium  quasdam  res,    quas  idem  ipso   nostro 
munere  in  pago  Yuormicense  et  in  Cuniges  Sunteri  hacteuus    iure    beneficiario 
possedit,    id  est  iu  villa,    qui  dicitur  Iloragaheim  (Horchbeim)  mansum   domini- 
catum  et  alios  quinque  mansus  ad  eum  pertinentes   et  in  villa  Vualdorfa  dimi- 
dium  mansum  et  mancipia  numero  tria."*)    „Vualdorfa"  ist  dabei  offenbar  Irrtum 
des    vermutlich    romanischen    Schreibers    für    „Yualdoffa",    wie    „Sunteri"    als 
(Jenetiv  von  einem   „sunterum"    sich  als  Yerkennuug    des  deutschen    „suntara" 
ausweist.     Dürfen   wir  eine  Vermutung  wagen,    so  stammt   dies  „patrimonium" 
Adelbert's  aus   dem  Nachlasse  seines  Urgrossvaters   Adelbert.      Denn    in    einer 
fiildischen  Schenkung   des  8.  Jahrhunderts  heisst  es:   „Adelbreht  trad.  sco.  Bon. 
in  uilla  Waldaffa  aream  unam  et  X  hubas  cum  familia."^)    Nicht  minder  aber 
war   Adalbert   in   dem    Walluff  benaclibarteu  Dorfe  Rode,    dessen  Gemarkung 
nun  zu  Neudorf  gehört,  seitdem  es  ausgegangen  ist^),  begütert.     Denn  „ex  bi- 
fango    ad    Rode"    schenkt    „Adilbertus    comis"    zwei    Mausen    baubaren  Landes 


•)  Vogel,  Beschr.  190;  Will,  Mun.  Blid.  24;  Sauer,  Nass.  Urkundenbuch  1,  24  fl'.; 
Will,  Regest.  1,  48,  Xr.  19.  Da  das  Kloster  eine  Stiftung  Karls  des  Grossen  war,  so  darf 
sein  ursprüngliches  Gebiet  als  eine  Schenkung  aus  königlichem  Besitz  angesehen  werden.  Ein 
Beweis,  wie  umfangreich  dieser  war.  —  ^)  Mit  Recht  bemerkt  deshalb  Otto,  Geschichte  der 
Stadt  Wiesbaden.  Wiesbaden  1877,  67  f.:  .,Da8  eroberte  Land,  soweit  es  herrenlos  war,  ging 
in  den  Besitz  des  fränkischen  Königs  über,  dessen  üomanium  im  Lande  der  Mattiaken  aber  so 
gross  war,  dass  der  Gau  den  Namen  Kunigessundragau,  Sondergau  erhielt;  daneben  mochten 
einzelne  angesehene  Franken  oder  ältere  Einwohner  grössere  Besitzungen  erhalten  oder  be- 
halten haben;  aus  ihnen  gingen  die  späteren  Herren-  und  Adelsgeschlechter  des  Landes 
liervor.*-  —  ^J  Scliannat  179,  Nr.  447;  üronke  235,  Nr.  529;  auszugsweise  Sauer  1,  21  f. 
Nr.  53.  Die  Urkunde  liat  nur  das  Datum  VI.  idus  augusti  (8.  Aug.);  das  Jahr  840  ist  von 
Schannat  Hilgchlich  hinzugesetzt,  daher  von  Sauer  in  den  Zeitraum  822 — 39  gebessert.  — 
*)  8aucr  1,  23  f.,  woselbst  die  übrigen  Belege.  —  '■'}  Dronke,  Traditiones  et  antiquitates  ful- 
densoH.  FuMa  184  I.  1 1 1,  Xr.  214  ;  Sauer  1,  12,  Nr.  214;  Schannat  298,  Nr.  102.  —  '')  Vogel, 
Beschr.  .'i77. 


11 

samt  Wald  uiul  4  Hörigen  an  IJloiilciistat  ')  J)a/ai  zcigto  er  sich  gleichzeitig 
als  wormsgauer  Grundbesitzer.  Denn  an  das  oben  genannte  Kloster  Horubach 
verschenkt  er  im  Jahre  S27  einen  Hof  in  llesinloch,  allen  Besitz  in  Uittiles- 
heini  und  Thuiingheim  und  einen  Weinberg  in  ]\rittenheim.^)  Wir  haben  kaum 
hinzuzusetzen,  wie  sehr  die  so  erwiesene  Doppelbegütcrung  im  Worms-  und 
Königsgau  unsere  Behauptung  vom  gleichzeitigen  Grafentum  llatto's  in  beiden 
erhärtet. 

Um  sie  aber  ausser  allem  Zweifel  zu  stellen,  haben  wir  nunmehr  nur  fort- 
zufahren und  Ilatto  HL  dieselbe  vom  Yater  ererbte  Personalunion  vertreten 
zu  sehen.  Über  seine  Person  sind  wir  freilich  bisher  auch  nur  sehr  spärlich 
unterrichtet,  da  wir  ihm  ausser  in  einem  Briefe  Eginhard's  an  Kaiser  Ludwig, 
in  dem  mit  ihm  die  Grafen  Popo  und  Gebehard  als  comites  Austrasiae  be- 
zeichnet werden^),  nur  sechsmal  und  nur  in  seinen  letzten  17  Lebensjahren 
begegnen.  Aber  das  Vorhandene  genügt  unserem  Zwecke  vollauf,  und  wir 
haben  ausserdem  die  Genugthuung,  bisher  Unbekanntes  zufügen  zu  dürfen. 
Gleich  die  erste  Urkunde  vom  Jahre  837  ist  entscheidend,  wurde  aber  noch 
nicht  einmal  in  Betracht  gezogen.  Denn  in  dieser  bestätigt  der  bislang  für 
Königs-  und  unteren  Rheingau  in  Anspruch  genommene  Ilatto  einen  Güter- 
tausch zwischen  dem  Abgesandten  des  Klosters  Fulda,  Nordalaho  einer-  und 
Rühingo  und  Emhild  anderseits,  innerhalb  der  mainzer  Gemarkung.'^)  Das 
wormsgauer  Grafentum  ist  also  noch  nicht  bei  ihm  erloschen.  Und  doch  be- 
stätigt er  am  28.  Oktober  838  als  erster  weltlicher  Zeuge  das  Geschenk  des 
Erzbischofs  Otgar  von  Mainz  „in  pago  Reni  in  uilla  quae  dicitur  Gisinheim" 
an  das  Kloster  Bleidenstat.'"')  Offenbar  dasselbe,  das  vom  bleidenstater  „Sum- 
marium  et  registrum"  mit  den  Worten  geschildert  wird:  „In  Gisinheim  dedit 
nobis  Ottgarius  archiepiscopus  curtile  I  cum  agris  et  vineis  ad  VI  carradas  et 
mancipia  VI"^),  wenn  auch  hier  die  „curtis"  der  Urkunde  nach  bleidenstater 
Schätzung  zum  verkleinerten  „curtile"  wird.  Dass  aber  Hatte  in  dem  erz- 
bischöflichen Schriftstück  unmittelbar  hinter  Otgar  und  Fulco,  dem  Bischof 
von  Worms  verzeichnet  steht,  macht  ihn  unseres  Erachtens  nicht  zum  Grafen 
im  unteren  Rheingau,  der  in  der  Urkunde  ausserdem  gar  nicht  als  solcher  be- 
zeichnet ist,  wie  wir  sahen,  wenngleich  Bodmann^)  ihn  „als  den  ersten  fest- 
erweislichen Grafen  unseres  Rheingaues  anerkennen"  will.  Er  steht  vielmehr, 
wie  das  Sitte  ist,  als  Advocat  des  Klosters  Bleidenstat  hier  an  seiner  Stelle, 
zum  ersten  mittelbaren  Zeugnis  für  dies  Amt,  dessen  unmittelbare  Bezeugung 
wir  alsbald  bei  seinem  Nachfolger  finden  werden.  Das  nach  seinem  „S"  stehende 
„S.  Adilberti  comitis"  darf  wohl  seinem  Bruder  gelten,  da  der  in  einer  Schen- 
kungsurkunde des  Klosters  S.  Alban  zu  Mainz    vom    21.  Juni  847  sich   „Adil- 


»)  Will,  Mon.  Bl.  10,  Nr.  13;  Sauer  1,  35,  Nr.  13.  —  -)  Act.  Pal.  1,  195  f.  — 
=*)  Epist.  n.  LVII  in  Act.  Pal.  3,  314.  —  *)  Schannat  171,  Nr.  429.;  Droiike  109,  Nr.  205. 
Letzterer  entbehrt  allerdings  der  Jahreszahl.  —  '')  Will,  Mon.  Bl.  29,  Regest.  1,  58,  Nr.  26; 
Sauer  1,  24  f.,  Nr.  58.  Das  Jahr  846  bei  Vogel,  Besohr.  181  und  Schlieph.  1,  106  ist 
irrig.  —  «)  Will,  Mon.  Bl.  9,  9;  Sauer  1,  35,  g.;  Will,  Reg.  1,  58,  Nr.  26.  Von  diesen 
dreien  wird  als  Grundlage  des  Eintrags  die  Urkunde  von  838  ebenso  herangezogen.  — 
0  Rheing.  Alt.  603. 


12 

bert  <iuoiuluin  comes"  nennende,  also  offenbar  abgesetzte  Graf,  wie  dies  wohl 
auch  sein  Zusatz  in  der  Urkunde  „gravitatem  peccatorum  meorum  consideraus" 
als  Scheukuugsgruud  bezeugt,  nicht  in  E^etracht  kommen  wird,  wenn  er  schon 
wegen  seiner  Schenkung  ^in  pago  Xaiigowe  in  Migelinbache,  in  Simera,  in 
Riclieswilari"  etc.  benachbart  erscheinen  könnte.*)  Eine  Urkunde  aus  dem 
gleichen  Jahre  838  vom  14.  Juni  bezeugt,  dass  Hatto  III.  vier  Monate  zuvor 
am  königlichen  llotlager  in  Neumagen  („in  palatio  apud  Niomagum  oppidum 
coustituto")  sich  befand,  au  dem  neben  einer  ganzen  Anzahl  von  Grafeu 
und  ^iuuumerabiiibus  vasallis  dominicis"  auch  die  Söhne  Ludwigs,  Ludwig  und 
Karl,  nichr  fehlten.  Es  wurde  da  vor  dem  König  und  den  Grossen  des  Reichs 
ein  Handel  zwischen  dem  fuldischen  Abte  Hrabanus  und  einem  gewissen  Goz- 
bert  ausgetragen,  der  von  der  Stiftung  der  Gebrüder  Folcholt,  Burgio  und  Ilraho 
an  das  fulder  Kloster  von  dem  Bifaug  zu  Elmaha  im  Saalgau  sich  unrecht- 
mässigerweise einen  Teil  angeeignet  hatte.-)  Hinter  den  7  Erzbischöfen  und 
Bischöfen  steht  unmittelbar  Graf  Adelbert,  alsdann  erst  an  siebenter  Stelle 
Hatto  und  hinter  ihm  noch  drei  weitere  Standesgenosseu.  Bei  der  Ausfolgung 
des  vorenthaltenen  Teiles  der  Stiftung  am  darauffolgenden  16.  Juli  wird  als 
^advocatus  domini  Ilrabaui"  Leidrat  genannt,  in  dem  wir  wohl  den  Grafen  in 
der  vorhin  besprochenen,  Geisenheim  betreffenden  Urkunde  erkennen  dürfen, 
der  als  der  dritte  hinter  Hatto  und  Adelbert  erscheint.^)  Hiernach  ist  die  Ur- 
kunde vom  13.  Nov.  849  zu  nennen,  in  der  Hatto  III.  „pro  remedio  anime  mee 
et  parentum  meorum"  Güter  in  „Wilene"  (Dorfweil),  in  „Statero  marca"  (Ober- 
stetteu)  und  in  „Sulenburc"  (Seulberg)  „in  pago  Nithagowe"  an  Bleidenstat  ver- 
macht; am  ersteren  Orte  eine  „area",  die  zu  einem  der  Anlieger  „Luitfridus 
comes,  nepos  meus"^)  hat,  am  zweiten  einen  Wald,  in  dem  200  Schweine  zur 
Weide  gehen,  im  letzten  3  Mausen  mit  allem  Zubehör  —  diesmal  menschlich 
geordnet  — von  Hörigen,  Wäldern,  bebauten  und  unbebauten  Ackern,  Wiesen, 
Weiden  und  Wasserläufen.  Das  Schriftstück  ist  ausgefertigt:  „Costene  corara 
missis  domini  nostri  Ludewici  regis."^) 

Nehmen  wir  das  noch  zu  neunende  Todesjahr  und  die  von  uns  erst 
herangezogene  Urkunde  von  837  aus,  so  ist  dies  alles  der  bisherigen  nassauischen 
Geschichtschreibung  Bekannte.  Vermehren  wir  es  deshalb  nun  mit  dem  ver- 
sprochenen Neuen,  das  sich  unserem  Suchen  in  zwei  weiteren  Thatsachen  aus 
dem  Leben  Hatto's  III.  bot.  Die  Nachricht  über  die  erste  ist  freilich  viel  zu 
kurz,  um  die  seitherigen  ebenso  kurzen  durch  mehr  als  ein  neues  Lebenszeichen 
von  unserem  Grafen  übertreffen  zu  können.  Aber  sie  bestätigt  wenigstens  sein 
Leben  schon  im  Jahre  823.  Denn  in  diesem  Jahre  melden  die  wolfenbütteler 
Annalen  lakonisch,  dass  Graf  Hatto  und  der  königliche  Vasall  Peretolt  sich  in 

•)  Act.  Pal.  5,  174  f.  —  «j  Schniniat  ITü,  Xr.  434,  vergl.  S.  422;  Dronke  226,  Nr.  513. 
—  ')  Er  kommt  848  iiocli  einmal  in  dieser  Eigenschaft  vor.  Seh.  191,  Nr.  471;  Dr.  248, 
Nr.  555;  Uddmunn,  Khcing.  Alt.  603  nennt  ihn  den  ,,bcriihniten  Grafen  Loidrat".  —  *)  d.h. 
Wühl  einen  Vetter,  nicht  aber  einen  Enkel,  wie  Vogel,  Bcsclir.  1«8  und  Schlieph.  1,  106, 
Tergl.  IJodmunn,  Khcing.  Alt.  601,  annehmen.  —  •')  >Vill,  Mon.  Bl.  17,  Nr.  2;  Sauer  1, 
27,  Nr.  62. 


13 

Gegenwart  des  Königs  gegenseitig  angeklagt  liätten.')  Die  Unbekanntschaft 
mit  der  Person  Peretolts  uder  Bertholds  verbietet  uns  selbstverständlich  schon 
ein  Raten  über  den  Gegenstand  der  gegenseitigen  Anklage.  Um  so  wichtiger 
ist  die  andere  Thatsache,  die  uns  zum  ersten  und  leider  einzigen  Male  in  un- 
serer ganzen  Untersuchung  einen  Blick  in  den  Bildungsstand  eines  der  uns 
beschäftigenden  Grafen,  hier  Hatto's  III,,  thun  lässt.  Wir  sind  nämlich  der 
Meinung,  dass  der  uns  glücklicherweise  aufbehaltene  Brief  des  trierer  Chor- 
oder Landbischofs  Thegano^),  des  Verfassers  der  Vita  PIludowici  vom  Jahre  835, 
an  den  „dux"  und  „consul"  Ilatto  unserem  Grafen  gilt.  Derselbe  ist  das  Be- 
gleitschreiben zu  einem  Geschenke  an  Hatto,  und  das  Geschenk  die  von  Alcuin 
verfasste  und  Karl  dem  Grossen  gewidmete  Schrift  über  die  Dreieinigkeit.^) 
Begründet  wird  die  Schenkung  wie  mit  der  Dankbarkeit  für  das  genossene 
unverdiente  Wohlwollen  des  Grafen  und  dem  Wunsch,  sich  seinem  frommen 
Gedächtnis  zu  empfehlen,  so  mit  der  Absicht,  dass  der  Graf  daran  seinen 
frommen  Geist  übe.  Es  darf  uns  nicht  irren,  dass  Hatto  dabei  „dux"  genannt 
wird.  „Thegano  braucht",  mit  AVaitz^)  zu  reden,  „den  Titel  überhaupt  sehr 
häufig."  Dass  er  aber  auch  nicht  mehr  als  ein  Titel  ist,  zeigt  nach  ihm  gerade 
unser  Brief.  „Consul"  ist  allein  der  wirkliche  Amtsname  und  bekanntlich  nur 
ein  anderer  Ausdruck  für  „comes".  „Dux"  mochte  Thegano  von  Adelbert, 
dem  Brudor  Hatto's,  her  geläufig  sein  und  dessen  von  uns  oben  berührte  Amts- 
wirksamkeit  im  Triergau   die  Ursache   der   Bekanntschaft   mit   Hatto   gewesen 


^)  Ann.  Guelferbitani  in  Mon.  Germ.  1,  46:  „823,  in  eo  anno,  quando  Hatto  conies  et  vassus 
domini  regis  Peretolt  inter  se  accusarunt  coram  imperatore".  —  -)  Nachträglich  finde  ich,  belehrt 
durch  Roth,  Gesch.  u.  hist.  Topogr.  der  Stadt  "Wiesbaden,  8,  dass  im  Korrespondenzbl.  1882, 
N.  7  des  Briefes  bereits  Erwähnung  geschieht.  Übrigens  hat  Roth,  scheint  es,  mit  mir  sein  eigenes 
Regest  z.  J.  832,  Fontes  rer.  nass.  1,1,  502,  das  von  der  gleichen  Sache  handelt,  übersehen.  Dieser 
aus  Martene  et  Durand,  Coli,  ampliss.  t.  1,  p.  84,  in  Mon.  Germ.  2,  586  wieder  abgedruckte 
Brief  lautet :  „Domino  venerabili  et  in  Christo  patri  Hattoni  nobilissimo  duci  ac  con.suli  Theganus 
peccator,  licet  antistes  in  domino  Jesu  Christi,  dicit  salutem.  Cum  mihi  diu  cogitanti  quid  ex 
paupertate  mea  vestrae  serenae  praesentiae  praosentare  potuissera,  propter  immensam  benigni- 
tatem  vestram,  quam  assidue,  non  meis  meritis  exigentibus,  ostendcre  dignati  fuistis,  et  ut 
norainis  mei  memoriam  vestrae  pietati  commendarem,  nihil  aliud  ad  raentem  cucurrit,  nisi  ut 
aliquod  opusculum  sanctorum  patrum  vobis  dirigerem,  in  quo  sanctum  Ingenium  vestrum  exer- 
cere  potuissetis,  et  ideo  istud  volumen  vobis  transmisi,  quod  sanctus  alcuiuus  summus  scolasti- 
cus  ex  variis  libris  sancti  Augustini  congregavit  in  unum,  quod  peritissimo  ac  nobilissimo 
imperatori  Karolo  tradidit,  sicut  prologus  istius  libri  indicat,  ubi  inveniri  potest,  sicut  maxima 
nccossitas  est  mortalium,  de  divina  natura  ac  de  essentia,  de  aeterna  gignentia  Dei  patris,  de 
aeterna  nativitate  filii  Dei,  de  aeterna  processione  Spiritus  sancti,  de  incarnatione  Jesu  Christi 
filii  Dei,  quoraode  (!)  sit  unus  Deus  trinus,  et  trinus  unus,  sicut  vera  fides  crederc  jubet,  et 
qui  sie  non  credit,  alienus  a  Christo  est.  —  [Von  anderer  Hand:]  Inclyta  gloria  Christi  te  diu 
in  hoc  saeculo  custodire  et  protegere  dignetur,  et  post  hacc  mortalia  tempora  ad  illam  beati- 
tudinem  pcrducat,  cui  finis  adpropinquare  non  potest.  Valeto.  Salve  magno  parens,  felix  sis 
semper  in  aevum  Dona  superna  Deus  addat  ubique  tibi.  Sic  Theganus  orat,  sie  semper  postu- 
lat  ipse;  Auditor  Dominus  sit  quoque  celsithronus."  —  ^)  Die  Schrift  ist  betitelt:  „De  fide  s. 
et  individue  trinitatis  libri  HI  ad  Carolum  M.  cum  invocatione  ad  s.  trinitatem  et  symbolo 
fidei'"  und  ein  Kompendium  der  ganzen  Dogmatik  mit  starker  Benutzung  der  Werke  Augustins. 
Vgl.  Gull.  Cave,  Scriptorum  ecolesiast.  historia  literaria.  Gencv.  1694.  2,  349;  Kurtz,  Hand- 
buch der  allg.  Kirohenge.=!('li.    Mitnu   18.^)7.  2,   1,  .")40.   —  ■*)  Verfassungsgesch.  3,   318,  Anm.    3. 


14 


seiu 


Der  Empfang  eines  solchen  Briefes  und  Geschenkes  aber  beweist  für 
diesen,  ilass  er  nicht  nur  der  lateinischen  Sprache  kundig,  sondern  auch  im 
Stande  war,  die  gelehrten  Werke  seines  Zeitalters  zu  verstehen,  mit  anderen 
Worten,  dass  er  gleich  einem  Karl  dem  Grossen  und  Ludwig  dem  Frommen 
auf  der  im  wesentlichen  theologischen  Bildungshöhe  seiner  Zeit  stand.  Nehmen 
wir  dazu,  was  der  Brief  mittelbar  über  den  gesellschaftlichen  Stand  des  Grafen 
bekundet:  so  dürfen  wir  zufrieden  sein  mit  diesem  so  glücklich  uns  erhaltenen 
Vollbild  unseres  Grafen.  Nebenbei  erzählt  uns  der  Brief  auch  etwas  über  das 
Lebensalter  Hatto's  IIL  Da  er  noch  in  die  Machtfülle  des  Grafen  fallen  muss 
wegen  des  gebrauchten  Wortes  „dux",  so  gehört  er  der  Zeit  vor  842  an.  Wird 
Hatte  nun  „in  Christo  pater"  genannt,  so  war  er  zu  der  Zeit  ein  älterer  Mann. 
Das  stimmt  genau  zu  unserer  Annahme,  dass  sein  Yater  814  ein  ungefährer 
Siebenziger  war.  Er  selber  war  also  im  Jahre  854^),  in  dem  er  starb,  etwa 
80  Jahre  alt. 

Dass  Hatto  nicht  ohne  Unterbrechung  seines  Amtes  im'  Königsgau  gewaltet 
hat,  tragen  wir  nun  nach,  indem  wir  berichten,  dass  in  den  Jahren  842  und 
844*)  ein  „Unalaho  comes"  dem  Grafenamte  daselbst  vorstand.  Im  Oktober 
des  ersteren  Jahres  —  der  Tag  bleibt  merkwürdigerweise  ungenannt  in  der 
iTkunde  —  wird  unter  seinem  Vorsitz  ,in  castello  villa  puplica"  die  Schenkung 
eines  unbenauuten  Gutes  ,in  pago  Cunigessunderon"  seitens  Manegolt's  und 
seiner  Söhne  Arnulf  und  Liutulf  vollzogen^),  am  24.  April  844  schenkt  Immeza 
von  Lorch  durch  die  Hand  ihres  „mundiburtus"  d,  h.  Vormundes  Hruothard 
zweien  Hörigen  die  Freiheit  mit  der  Bedingung,  dass  sie  fortan  an  Bleideustat 
Zinsen.  Die  Urkunde  darüber  schliesst  nach  der  Namhaftmachung  des  Königs- 
jahres mit  dem  Zusatz:  „Walahone  comite."*)  Wir  glauben,  was  auch  seither 
unbeachtet  blieb,  mit  einiger  Sicherheit  sagen  zu  können,  wie  diese  Unterbrechung 
der  Hatto'schen  Amtsthätigkeit  zu  deuten  ist.  Es  v^urde  oben  (S.  8)  berichtet, 
dass  Hatto  mit  dem  Erzbischofe  Otgar  von  Lothar  zum  Schutze  des  Rheins 
zurückgelassen  worden  war.  Wir  haben  aber  nun  hinzuzusetzen,  dass  der  dort 
angezogene  Berichterstatter  bei  dieser  Gelegenheit  die  eilige  Flucht  der  zurück- 
gelassenen Schützer  vor  dem  heranziehenden  Heere  Ludwigs  des  Deutschen, 
seines  Sohnes  Karlniaun  und  seines  Bruders  Karl  des  Kahlen  am  17.  März 
842  meldet.^)     Was  Wunder  also,  dass  Hatto,    der  Parteigänger  des  besiegten 


')  "Wenn  wir  uns  auf  die  von  Vogel,  Beschr.  189,  Anm.  5  angeführte  Quelle  der 
Chron.  brev.  S.  Galli  bei  du  Cliesne  3,  469  verlassen  dürfen.  Schlieph.  1,  106  hat  sich 
der  Todesangabe  enthalten.  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wiesb.  8  bietet  offenbar  nur  das  abge- 
kürzte Citat  Vogels.  —  *)  Für  das  erstere  Jahr  wird  von  Vogel,  Beschr.  191  und  Schliep- 
hake  1,  107  irrig  879  angegeben,  für  das  zweite  von  Vogel  142:  910,  von  Schlieph.  1, 
109:  89.5  und  von  Will,  Mon.  Bl.  31:  909  ebenso  irrig,  wie  Sauer  an  den  betreffenden 
OrtOM  überzeugend  nacliweist.  —  3)  Annal.  3,  2,  106,  13,  358;  Sauer  1,  25,  Nr.  59.  — 
*)  Will,  Mon.  Bl.  31;  Sauer,  1,  26,  Nr.  60  mit  der  wichtigen  Anm.  1,  S.  27.  —  •')  Nithardi 
Hist.  III.  A.  842  (Mon.  Germ.  2,  667):  „(^uod  cum  Otgarus  Moguntiae  sedis  episcopus,  Hatto 
comes,  Hcrioldus  ceterique  viderunt,  quos  Lodharius  ab  hoc  inibi  reliquerat,  ut  illis  transitum 
prohibuissent,  timoro  porterriti,  litore  relicto  fugorunt."  Es  sei  hierbei  das  für  Nassau  nicht 
lii\si<-btig<"  liier  liiMiicrkt,  dass  nach  Nithard  Karloniaii  „])or  l-ii  n  richi  ad  ConHuoiitiain",  dem 
VtTi'inigungepunkte  der  Heere,  zog. 


1 5 

und  seit  dem  Vertrag  von  Vcrduii  (Aiigu«t  843)  auf  Mittelfrauken,  d.  li.  das 
Land  zwischen  Scheide,  Maas,  Saune  und  KhAue  im  Westen,  Rhein  und  Alpen 
im  Osten,  und  auf  Italien  angewiesenen  Lothar  von  Ludwig  dem  Deutschen, 
der  Ostfranken,  d.  h.  alle  Teile  des  Reichs  auf  dem  rechten  Rheiuufer  ausser 
Friesland,  wie  die  Gaue  von  Mainz,  Worms  und  Speier  auf  dem  linken  Ufer, 
im  allgemeineu  zwischen  Rhein  und  Elbe,  erhielt,  zunächst  seines  Amtes  ent- 
hoben und  dann  zur  Strafe  auf  den  Königsgau  beschränkt  wurde?  Damit  war 
die  Macht  des  Oefährlichen,  den  Thegano  nicht  umsonst,  wenn  immer  über- 
treibend, „dux"  genannt  hatte,  gebrochen.  Die  Beschränkung  auf  Güter  rechts 
des  Rheins  bei  Stiftung  seines  Seelengedächtnisses  am  13.  jN'ov.  849  scheint 
sogar  auf  Einbusse  seines  wormsgauischen  Besitzes  schliessen  zu  lassen.  Jeden- 
falls dürfte  auf  diese  Weise  am  bündigsten  die  Trennung  der  Grafengcwalf  im 
Worms-  und  Königsgau  erklärt  sein. 


2.  Im  KönigssuiKlragJiii.     Hatto  IV.— VI. 

Wir  treten  demnach  nunmehr  endgiltig  auf  den  Boden  der  Kuningessuntara 
über  und  beschäftigen  uns  zunächst  mit  Hatto  IV.,  den  wir  dem  Namen  iind 
der  Zeit  nach  unbedenklich  als  Sohn  Hatto's  III.  gelten  lassen.  Von  seiner 
Grafenwürde  im  Gaue  zeugt  leider  nur  eine  Urkunde  vom  19.  Januar  882. 
König  Ludwig  III.,  der  Jüngere,  schenkt  in  ihr  auf  Bitten  des  Erzbischofs  Luit- 
pert  von  Mainz  und  der  geliebten  Grafen  Konrad  und  Meingoz  der  Kirche  des 
heihgen  Ferrutius  in  Bleidenstat  „ex  fisco  nostro  Wisibad  in  pago  Cunigeshundra 
in  Villa  que  dicitur  Nordinstat  in  comitate  Hattonis  comitis"  drei  Manseu  mit 
Höfen,  Gebäuden,  Hörigen,  Äckern,  Wiesen,  Feldern,  Wäldern,  Weinbergen, 
Wassern,  Wasserläufen  und  allem  dazu  Gehörigen.  Gegeben  ist  die  Urkunde 
von  „Franconofurt  palatio  regio"  ^)  und  dadurch  bemerkenswert,  dass  sie  dem 
Tode  des  Königs  einen  Tag  vorangeht,  nachdem  dieser  schon  seit  einiger  Zeit 
am  Fieber  krank  gelegen  hatte. 2)  Den  fürbittenden  Grafen  Konrad  haben  wir 
wohl  im  Lahngau  zu  suchen,  wo  er  88G  Güter  mit  dem  Kloster  Lorsch  tauscht''), 
während  Meingoz  der  Graf  des  Worms-Nahegaus  sein  wird.^)  Vom  Grafen 
Hatto  IV.  aber  erfahren  wir  nunmehr  auch  das  andere  unmittelbar,  was  wir 
bei  seinem  Vater  erschliesssn  zu  müssen  glaubten,  dass  er  Vogt  des  Klosters 
Bleidenstat  war.  Denn  als  „advocatus  ecclesie  nostre"  bezieht  er  aus  dem 
vom  Erzbischof  Luitpert  (863—889)  geschenkten  Weingut  des  Klosters  in 
Winkele  2  Fuhren  Wein  und  6  solidi  im  Herbste  und  „in  vicinia  eiusdem  ville 
[Rammscheid]  habemus  diversas  curtes,  quas  habet  Hatto  comes  in  beneficio."^) 
Nach  884  aber  schenkt  er  an  Bleidenstat  zwei  Hüben  mit  Höfen  „in  Berostat" 
samt  6  Hörigen.^)     Wir  sagen  nach  884,    weil  wir   so  allein  aus    den  deutlich 


*)  "Will,  Mon.  Bl.  21,  Nr.  1;  Sauer  1,  32,  Nr.  73.  —  ^)  Goerz,  Mittelrhoin.  Regest. 
Cobl.  1876  f.,  1,  207,  Nr.  726.  —  ■')  Cod.  laur.  3,  4,  Nr.  3040,  vgl.  Vogel,  Beschr.  179.  — 
*)  Act.  Pal.  3,  402.  —  •')  Will,  Mon.  Bl.  10,  Nr.  14,  16;  Sauer  1,  36,  Nr.  14,  16;  Vogel, 
Beschr.  189,  Auni.  2.  —  '■)  Will,  Mon.  Bl.  11,  Nr  20;  Sauer  1,  36,  Nr.  20.  Bierstadt,  nicht 
Bärstadt,   wie   Will   und   Siuicr  in   iln-en   Regcsten   widlcn,  ist  gomciiit,  d;i  letzteres  zum  Unter- 


u; 


nach  der  Zeitfolge  geordneten  einzelnen  Schenkungen  des  „Suramavium  et 
registrunr  des  Klosters  die  unsere  Schenkung  betreuende  Angabe  zu  bestimmen 
vermügeu.  Denn  der  unmittelbar  vorangehende  „Karolus  imperator",  Karl  der 
Dicke°(876— 888)  ward  884  Kaiser.  Leider  ist  das  aber  auch  alles,  was  wir 
von  llatto  IV.  zu  sagen  wissen.  In  Anbetracht  dessen,  dass  sein  von  uns  an- 
rreuommener  Vater  Ilatto  III.  854  gestorben  ist,  müssen  wir  annehmen,  dass  er 
Ende  des  9.  oder  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  dem  Vater  im  Tode  folgte.\) 

Als  sein  Zeitgenosise  erweist  sich  —  wir  müssen  dies  für  spätere  An- 
knüpfungen einschieben  —  „Üdalricus  comes",  der  ebenfalls  zwischen  863 
und  889,  der  Lebenszeit  des  Erzbischofs  Luitpert,  mit  seiner  Gemahlin  Gisil- 
hild,  «mansos  (!)  III  cum  hubis  suis  in  Widilsasseu"  und  in  „Husun"  au  Bleiden- 
stat  schenkt.2)  Der  erste  der  beiden  Orte,  Wildsachsen,  gehört  dem  Künigsgau 
zu:  wohin  der  zweite  zu  setzen  ist,  kann  nicht  ausgemacht  werden,  da  es  der 
Orte  Hausen  mehrere  giebt. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  Hatto  V.,  für  dessen  Lebenszeit  wir  einen 
sicheren  Anhalt  an  der  Urkunde  des  Königs  Heinrich  I.  vom  29.  Dezember  928 
haben.  Der  König  schenkt  dem  Kloster  S.  Alban  in  Mainz  sein  Gut  zu  Kost- 
heim „in  pago  Cunigeshundra,  cui  Hatto  comes  preesse  conspicitur.^)  Die  beiden 
anderen  Angaben,  die  wir  noch  über  ihn  besitzen,  sind  wenigstens  annähernd 
zeitlich  festzustellen,  wenn  wir  der  bereits  vorhin  von  uns  geltend  gemachten 
Annahme,  dass  die  einzelnen  Schenkungen  des  bleidenstater  „Summarium  et 
registrum"  der  Zeitfolge  nach  geordnet  sind,  weiter  folgen.  Dort  wird  hinter 
einer  Schenkung  des  genannten  Königs  (919—936)  in  Massenheim  diejenige 
des  Grafen  Hatto  und  seiner  Schwester  Waltrud  in  Waldaffa  mit  einem  Wein- 
liero-  und  seiner  übrigren  Güter  in  Biburch,  und  hinter  einer  des  eben  gestorbenen 
Krzbischofs  Ileriger  von  Mainz  (f  927)  eine  eben  solche  von  einer  Hube  „in 
Villa  Hucheheim"  genannte,  die  derselbe  Graf  „cum  filiis  suis"  gemacht  hat.'') 
IJcide  Schenkungen  mögen  demnach  in  das  Ende  der  zwanziger  oder  den  An- 
fang der  dreissiger  Jahre  des  10.  Jahrhunderts  zu  setzen  sein.  Beide  beurkunden 
königsgauer  Besitz,  der  in  Waldaffa  erinnert  uns  an  den  angeerbten  des  Grafen 
Adelbert  daselbst. 


rhcingau  gehürt,  in  dem  wir  die   königsgau'schen  Grafen  nicht  begütert   finden.     Siehe  unten 
Anm.  1,  S.  22. 

')  Die  Vermutung  Vogels,  Beschr.  191,  Anm.  1,  die  Roth,  Gesch.  der  Stadt  Wies- 
l»adcn,  8  ohne  weiteres  zur  Gewissheit  erhebt,  dass  „Meginfridus  comes"  als  Graf  des  Königs- 
gaus und  Vogt  von  Bleidcnstadt  „angesehen  werden"  dürfe,  weil  er  am  1.  Dezember  878  die 
Schenkungen  eines  gewissen  Uoto  an  das  Kloster  Bleidenstat,  bestehend  aus  einem  Bifang 
>in  pago  "NVettoreiba  in  Lcistater  marca",  aus  3  Mansen  mit  Gebäuden  „in  villa  Baltradesheim", 
auH  ^J2  MansuH  .,in  Trcisa"  und  aus  der  Mitgift  seiner  Gattin  Rutlind  „in  Albrateshuson",  be- 
zeugen hilft  (Kindlinger,  Gesch.  der  deutschen  Hörigkeit,  Berlin  1819.  218;  Will,  Mon. 
Hl.  2,  3;  Scriba,  Regesten  der  Prov.  Oberhessen.  Darmst.  1849.  14,  Nr.  216),  ist  hinfällig, 
da  offenbar,  wie  sich  aus  dem  dem  comes  folgenden  weiteren  Zeugen  "Walahelm  (vgl.  Will 
a.  a.  C).  1,  2)  ergibt,  der  Gaugraf  des  Schenkers  aus  der  Wetterau  gemeint  ist;  Schlieph. 
1,  108  wagt  keine  Entscheidung.  —  '■')  Will,  Mon.  ßl.  10,  Nr.  15;  Sauer  1,  35,  Nr.  15.  — 
=>)  Vogel,  Beschr.  173;  Will,  Regesten  1,  98,  Nr.  2.  —  ")  Will,  Mon.  Bl.  11,  Nr.  26  u.  35; 
Sauer  1,   :^fi. 


17 

Audi    diesem  Ilatto  geht  ein  Zeitgenosse    „Udalricus  comes"    zur  Seite, 
den  mau  freilich  seit  der  Durstelhmg  des  Freiherrn  Schenk  von  Schweinsberg') 
gewohnt  ist,  für  dieselbe  Person  mit  dem  bereits  genannten  zu  halten,  nicht  zu 
gedenken,  dass  er,    wie  dies  derselbe  Gelehrte  richtig  erkaiiiif  hat,  von  Yogel 
und  Schliephake   gar    mit    dem  des   11.  Jahrhunderts    verselbigt    worden    ist. 
Wir  sondern  ihn  aber   von  Udalricli  I.    als  Udalricli  IL,    wie    wir  Hatto  V. 
von  Hatto  IV.    auf  grund  der   Annahme  chronologischer  Ordnung    des  ältesten 
bleidenstater     Schenkuugsregisters    schieden.      Denn    er   schenkt    in    demselben 
Zwischenraum  von    5)19    und  93G  seinen  Ilof   in  Biburc    mit    drei    Hörigen    an 
Bleidenstat.2)     Nach   der   letzten  Schenkung    Hatto's  V.    iu   Hochheim   muss  er 
aber  schon  gestorben  sein.     Denn  nach  dieser    ist  die  Schenkung  Vodilhild's 
„pro  remedio  patris  sui  Udalrici  comitis"    „in  villa  Jossebahe"  mit  zwei  Hüben 
verzeichnet,    die   mit    Zustimmung    ihrer    beiden  Söhne    U  dal  rieh    und  Rugor 
geschehen  war.^)    Und  zur  gleichen  Zeit  wird  berichtet,   dass  dieselbe  „domina", 
bevor  sie  Schwester  in  Bleidenstat  geworden  war,  mit  Zustimmung  ihres  Sohnes 
„Udalrici   prepositi    iu    Hornawe",    also   wohl    auch    schon    nach    dem  Tode 
Rugers,    sechs  Äcker    mit    zwei  Hörigen    au   Bleidenstat   vergabt   habe."^)     Die 
Begüterung    im  Niddagaue,    dem   beide  Ortschaften   angehören,    ist   bedeutsam, 
da  sie  derjenigen  Hatto's  und  der  Luitfride  daselbst  entspricht,   also  eine  Ver- 
wantschaft   der    drei  Häuser  zu    bestätigen  scheint,    wie    dies    nicht  minder  die 
Schenkung  an   das   gleiche  Kloster    beweisen   möchte,    dessen  Vogtei  Familien- 
besitz ist.     Die  Annahme,    dass  Udalrich  II.    ohne    männliche  Erben    gestorben 
sei,  weil  seine  Tochter  für  dessen  Seelengedächtnis  Sorge  trage,  kann  als  ziem- 
lich gesichert  gelten  und  wird,  wie  sich  später  zeigen  soll,  durch  die  Folgezeit 
nahezu  verbürgt. 

Nicht  minder  wichtig  ist  es,  noch  eines  anderen  Zeitgenossen  Hatto's  Y. 
zu  gedenken,  Eberhard's,  der,  wie  er,  Graf  im  Königsgau  in  einer  Urkunde 
vom  12,  März  927  genannt  wird.     In  diesem  zu  Worms  ausgestellten  Schrifr- 


')  Korrespondenzbl.  des  Gesamtver.  d.  deutschen  Gesch.'s  u.  Altertumsver.  1874,  Nr.  9, 
S.  fiS  f.  Ihm  folgt  nach  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wicsb.  11.  —  ^}  Will,  Mon.  Bl.  11,  Nr.  2-1. 
—  ^)  Ebenda  12,  Nr.  43.  -—  *)  Ebenda  Nr.  44.  Will  interpungiert  trotz  der  Einrede  Roth 's 
a.  a.  0.  11,  Anni.  1  richtig,  wenn  er  hinter  „Hornawe''  ein  Komma  setzt  und  im  Register 
Udalricus  zum  „prepositus"  in  Hornau  macht,  während  Vogel,  Beschr.  233  irrig  die  Schenk- 
ung nach  Hornau  verlegt,  entgegen  seiner  eigenen  Angabe  S.  851,  wie  ihm  das  so  oft  begeg- 
net in  dem  aus  seiner  „Topographie''  herüber  genommenen  topographischen  Teile  seiner  „Be- 
schreibung", dass  Hornau  seit  der  Schenkung  Routlind's  mit  8  Mausen  im  Jahre  879  dem 
Bartholomäusstift  in  Frankfurt  gehört  und  samt  dem  benachbarten  Kelkheim  eine  eigene  Vog- 
tei bildet,  die  zugleich  den  Blutbann  hatte  und  mit  der  das  Stift  die  Herren  von  Eppstein,  die 
hier  alle  14  Tage  Gericht  zu  halten  hatten,  belehnte.  Dieser  Belehnung  wird  zwar  erst  in 
einer  Urkunde  vom  1.  Februar  13G9  gedacht,  als  vom  Dekane  des  Stifts  „domino  Eberharde, 
domino  in  Eppenstein''  die  „advocacia"  über  „Kalcheim"  „tamquam  feodum  et  nomine  feodi" 
übergeben  ward.  Aber  es  heisst  ausdrücklich  dabei,  dass  dies  „ab  antiquo"  geschehe.  Vgl. 
Bö  lim  er,  (od.  dipl.  moenofrancfiirt.  Frankfurt  1886.  1,  723.  Da  es  nun  in  Hornau  kein 
Kloster  gab,  so  bedeutet  „prepositus''  hier  dasselbe  wie  advocatus  und  wird  auch  anderweit 
80  gebraucht,  vgl.  Du  Cangc-Henschel  5,  405'  f.  Damit  fällt  der  hergebrachte  „Propst", 
dessen  „consensus'-  ausserdem  i;ar  nicht  zu  bethätigen  gewesen  wäre,  da  er  als  solcher  si.-h 
seines  Vermögens  begeben  iiubcn   würde. 

Annalpu,    li.l.  XXVI.  2 


18 

stücke  scheiikeu  Alfauin  uiul  seine  Gattin  Ada  dem  Ursulastift  in  Köln  für  ihr 
Seelenheil  und  ewigen  Lohn  ihren  Besitz.  ,hoc  est  curtera  I  sitam  in  Kuniuges- 
sundera  in  coraitatu  Euerhardi  comitis  in  uilla  Brigidestat  dicta  cum  casis 
diuersis,  cum  terra  salaricia,  pratis.  campis"  etc.,  ausserdem  30  Mausen  mit 
ehenso  viel  Hörigen  beiderlei  Geschlechts,  von  denen  8  in  Brigidestat  ausser 
dem  SaHand,  4  in  Clopheim,  4  in  Ersiuesheira,  4  in  Uuichara  ausser  dem  Sal- 
land  und  der  Kirche  daselbst,  von  der  jährlich  15  solidi  Zins  fallen,  und  8  „in 
pago  Achgouwe  appellata  in  comitatu  Kuonradi  comitis  in  uilla  Blitgeresuuilere" 
ausser  dem  Salland  liegen.')  Unmittelbar  nach  dem  ,Sig.  Uuichfridi  archiepis- 
copi"  steht  dasjenige  „Euerhardi  comitis"  und  des  uns  unbekannten  „Adalhardi 
comitis".  Da  wir  Hatto  T.  erst  928  als  Grafen  in  der  Königssuudara  trafen,  so 
wäre  ja  wohl  möglich,  dass  Eberhard  bis  dahin  dem  Gaue  vorgestanden  habe. 
Indes  eine  freilich  unbelegte  Nachricht  Yogels^),  die  Schliephake^)  ebenso 
weiter  gibt,  belehrt  uns,  dass  Eberhard  schon  921  als  Graf  im  Niddagau  vor- 
kommt. Es  kann  sich  deshalb  hier  wohl  nur  um  eine  vorübergehende  Stell- 
vertretung handeln,  wie  wir  solchen  noch  oft  begegnen  werden.^)  Es  scheint 
das  um  so  gewisser,  als  eine  bleidenstater  Schenkungsurkunde  wenigstens  mittel- 
bar das  Grafentum  Eberhards  im  Niddagau  bestätigt.  Kigalinde  gibt  zum  Seelen- 
heile  der  Eltern  Eberhard  und  Mathilde  mit  Zustimmung  ihres  Bruders,  des 
Grafen  vom  Niddagau,  Burkard,  Güter  zu  Asceburne,  in  Suntlingero  marca,  in 


')  Lacoinblet,  Urkundenbuch  f.  d.  Gesch.  d.  Niederrlieins.  Düsseldorf  1840.  1,  47, 
Nr.  s7;  Sauer  1,  40,  Xr.  85.  Die  von  Lacomblet  bis  auf  Wickert  irrig  gedeuteten  Orte 
.sind  Bierstadt,  Klop])enheim  und  Erbenhoini.  Unbestimmbar  bleibt  Blitgeresuuilere  im  Achgau, 
der  nicht  nach  Förstemann,  Altd.  namenbuch  2,  26  an  der  Weser  um  Corvei  zu  suchen, 
sondern  für  Nahgau  zu  lesen  ist,  wie  Sauer  richtig  vermutet,  denn  hier,  d.  h.  in  dem  noch 
gleich  bedeutenden  Wormsgau  ist  Graf  Konrad  941  bezeugt,  vgl.  Lacomblet  1,  52,  Nr.  94, 
wie  schon  907,  vgl.  Cod.  laur.  1,  108,  Nr.  60.  P^rzbischof  Wichfrid,  der  unsere  Urkunde  mit 
unterzeichnet  hat,  war  selber  im  Wormsgau  begütert,  wie  Lacomblet  1,  52,  Nr.  94  bezeugt, 
dazu  Beschenker  des  Ursulastifts  selber,  vgl.  ebenda  Nr.  88,  91,  94.  Birgidesstat  oder,  wie 
es  das  zwcitcmal  genannt  wird,  Brigidesstat,  ist  jedenfalls  ein  Versehen  des  Schreibers,  wie 
Krsinosiieim,  da  beide  Formen  in  unseren  Urkunden  nicht  vorkommen.  Die  hier  genannte 
,,torra  salaricia"  kann  jedenfalls  nicht  die  „salaricia  terra  ex  qua  sal  cruitur'*  bei  DuCange- 
HenBchel  6,  36'*  sein.  Salaricius  ist  vielmehr  das  von  salariura  :=  donum  gebildete  Adjektiv. 
Die  „terra  salaricia''  deutet  deshalb  unverkennbar  auf  königliche  Schenkung  hin  und  ist  das 
Brief-  oder  Salland,  von  dem  Schröder,  Lehrb.  der  deutschen  Rechtsgesch.  205  tf.  handelt. 
Schliesslich  sei  nicht  vergessen,  dass  die  falsche  Zählung  von  30  statt  28  Mausen  ebenfalls 
auf  Hechnung  des  Priesters  und  erzbischöflichen  Kanzlers  Heribert  kommt.  —  '^)  Beschr.  188. 
•  »Ifenbar  entnommen  aus  Bodmann,  Rheing.  Altert.  601.  —  ^)  1,  109.  —  *)  Das  hierbei  ge- 
brauchte Wort  „in  comitatu'*  scheint  deshalb  oft  die  Bedeutung:  zur  Zeit  des  Grafentums  oder 
des  ultlat.  ablat.  absol.  „comite"  zu  haben,  wie  denn  coniitntus  nicht  bloss  Grafschaft,  son- 
dern auch  die  Würde  des  Grafen  bezeichnet  nach  Du  Cange-Henschol  2,  465''.  Überdies 
aber  will  beachtet  sein,  was  Schröder,  Lehrb.  131  sagt:  „Durch  die  mannigfaltigen  Pflichten 
des  Grafen,  namontlicli  durch  seinen  Hof-  und  Heerdionst,  wurde  häufig  das  Bedürfnis  einer 
Vertretung  hervorgerufen.  Ausser  den  Schultheissen,  die  ja  für  ihre  Hundertschaft  zu  dieser 
Vertretung  beruffn  waren,  Hessen  sich  die  Grafen  häufig  auch  durch  Spezialbevollmäch- 
tigte vertreten.  Ordentliche  Substituten,  die  den  Titel  vicecomites  oder  vicedomini  führten, 
kamen  seit  dem  Anfang  des  9.  Jalirliuuderts  hin  und  wieder  vor.  Als  wirkliches  Amt  begeg- 
net um  dttrt  Institut  der   Viregrafen  erst  im   Mittelalter.     Vgl.  Waitz,  3,  397  ff." 


10 

Griegeshcim  und  Sulburc  im  Niddagau  au  Bleidcustat.')  Da  die  Urkunde  ausser- 
dem noch  von  ihrem  Bruder  „Eburhard"  unterzeichnet  ist,  so  darf  unterstellt 
werden,  dass  in  seinem  Namen  der  des  Vaters  wiederkelirt.'-^) 

Gehen  wir  nun  weiter,  so  würden  wir  nach  der  gewöhnlichen  Lesart  der 
betreffenden  Urkunde  ohne  weiteres  einen  llatto  VI.^)  zu  verzeichnen  liaben. 
Die  Urschrift  dieses  Schriftstücks  vom  25.  Februar  960  bietet  jedoch  Ilathold. 
Es  werden  nach  ihm  von  König  Otto  I.  einem  gewissen  Thiatgaz,  seinem 
„fidelis",  Güter  geschenkt,  unter  andern  „in  })ago  (jui  dicitur  Cuninghessundra 
in  villa  Waldlioffa  in  comitatu  Hatholdi  comitis"."^)  Gleichwohl  wird  ein  Ver- 
sehen in  dem  sonst  nicht  vorkommenden  Namen  vorliegen,  wenn  nicht  etwa 
anzunehmen  sein  sollte,  dass  Hatte  die  Koseform  desselben  darstellt,  ähnlich 
wie  aus  Sunderold  Sunzo  oder  auch  wohl  Sundo  entstand.^)  Denn  es  scheint 
nicht  von  ungefähr,  dass  der  von  Wenck")  nach  einer  Abschrift  gegebene 
Text  der  Urkunde  „Hattoni  comitis"  setzt.  Derselbe  bringt  nämlich  auch 
neben  anderen  Abweichungen  in  der  Schreibung  der  Eigennamen  und  des  son- 
stigen Textes  die  Besserung  zweier  unrichtig  geschriebener  Ortsnamen.  Der 
Abschreiber  erweist  sich  demnach  als  sachkundiger  Verbesserer.  Da  wir  nun 
in  der  nächsten  Geschlechtsfolge  noch  einmal  dem  Namen  Hatte  begegnen,  so 
dürfen  wir  wohl  nicht  anstehen,  den  Hathold  der  Urkundenurschrift  als  Hatte  VI. 
zu  fassen.  Sein  Name  ist  leider  aber  auch  alles,  was  uns  von  ihm  über- 
liefert ist. 

Dafür  haben  wir  ihm  gerade  10  Jahre  zuvor  einen  Vorgänger  bezw.  Stell- 
vertreter im  Grafen  Gerung  zu  geben.  Es  konlmt  dieser  in  einer  zu  Walech 
(Walbeck)  aufgenommenen  Urkunde  König  Otto's  I.  vom  1.  Mai  950  vor,  worin 
letzterer  auf  Bitten  seines  Sohnes  Ludolf  ihm,  der  „vasallus"  Ludolfs  genannt 
wird,  „hobas  regias  VI  in  villa  Wanaloha  [Wallau]  et  Brechenheim  sitas  in 
pago  Kunigessuudera  vocato  in  comitatu  prefati  Gerungi  comitis"  und  für  den 
Fall,  dass  diese  nicht  voll  dort  gefunden  werden,  den  Rest  in  dem  benach- 
barten Nornestat  schenkt.^)  Schon  die  Unsicherheit  in  der  Beschenkungsweise 
scheint  Gerung  als  Fremdling  im  Gaue  zu  kennzeichnen,  wie  die  Schenkung 
selber  in  diesem,   da  sie  im  Einvernehmen   mit  dem  Grafen  geschehen  niusste, 


^)  Will,  Mon.  BI.  18;  Sauer  1,  45,  Nr.  93;  Vogel,  Besclir.  188.  Woher  Roth, 
Gesch.  d.  Stadt  Wiesb.  9  die  Zuversicht  schöpft,  dass  „Graf  Eberhard  des  Künigsgaues  —  jeden- 
falls von  dem  im  Niedgau  921  auftretenden  Grafen  Eberhard  verschieden''  sei,  ist  unerfind- 
licli.  —  -)  Der  von  Bodmann,  Rheing.  Altert.  601  entworfene  Stammbaum  würde  von  Wert 
sein,  wenn  seine  Quellen  angegeben  wären.  —  "')  Dass  Bodmann  570  ebenfalls  einen  Hatto  YI. 
kennt,  also  züldt,  wie  wir,  hätte  Vogel  und  Schliephake  bei  ihrer  Zählung  bedenklicli 
machen  müssen.  Freilich  sind  ihm  die  Hattoe  Grafen  im  Rheingau,  die  sie  nie  waren.  Vgl. 
Anm.  4,  S.  9.  —  *)  Sauer  1,  44,  Nr.  92.  —  •')  Förstemann  1,  1128;  Will,  Regest.  1, 
XXVII  u.  84.  —  *')  Hess.  Landesgesch.  2,  30  fUrkb.).  Von  Abweichung  in  der  Schreibung 
der  Eigennamen  ist  zu  verzeichnen:  Bobbonis  statt  Poppoiüs,  Diatgaz  statt  Thiatgaz,  Hunolt 
statt  Hunald,  Treyse  statt  Treise,  Cunigessundra  statt  Cuninghessundra.  Sonstige  Änderungen : 
predictum  statt  prescriptum,  annuli  statt  anuli,  recognovi  statt  recognovit  (S.  R.).  Ausgelassen 
ist:  Signum  Ottonis  invictissimi  (L.  M.)  regis  und  zu  actum  Wormatiae  zugesetzt:  in  Domino 
feliciter,  Amen.  Die  unrichtig  geschriebenen  Ortsnamen:  Wodaha  und  Spiazcesheim  heissen 
hier  Woraiia  (allerdings  mir  dein  übergesetzten  d)  und  Spiozo.'^hoinl.  —  ")  Sauer  1,4.3,  Nr.  00. 
Schwerlich   sind  die  Namen  Wanaloha  und  Nornestat  riclitig. 

2* 


20 

dieser  sich  also  unkuDdig  iu  deu  Besitzverhältnissen  zeigt.  Es  mag  deshalb 
derselbe  Gerung  sein,  deu  wir  960  im  Taubergau,  ÜG5  und  968  im  Speiergau, 
973  wieder  im  Tauber-  und  im  gleichen  Jahre  im  Gollahgau,  vielleicht  gar 
noch  1002  im  Rinagouue  thätig  finden.')  Die  Yasallität  war  nebenbei  gesagt 
keine  Bescliränkung  seiner  Grafenwürde.^) 

Yen  einem  Nachfolger  Ilatto's  YI.  sind  uns,  wenigstens  nach  unserer 
alsbald  zu  begründenden  Annahme,  zwei  Urkunden  erhalten.  In  der  ersten 
aus  Pavia  vom  17.  Jan.  970  schenkt  Kaiser  Otto  I.  dem  Kloster  S.  Johann 
in  Magdeburg  Güter  zu  „winckara  et  noranstat  iu  pago  et  coniitatu  Kuninges- 
sundra,  oui  Immat  comes  preesse  videtur*.  So  nach  der  in  Magdeburg  auf- 
bewahrten Ausstellung^),  während  die  in  Berlin  erhaltene  riclitig  „Wikkara", 
aber  ebenso  irrig  „Xorinstat"  für  Nordinstat  liest. ^)  Der  in  beiden  gleichlautende 
Nume  .,Imniat"  beseitigt  für  immer  den  wunderlichen  Lesefehler  „Numat",  wie 
die  an  ihn  geknüpften  Besserungsversuche. ^)  Dagegen  müssen  wir  „Immat" 
seibor  auf  gruud  der  von  uns  angemeldeten  zweiten  Urkunde  für  einen  Schreib- 
fehler erklären.  Nach  dieser,  welche  iu  Botvelduu  am  18.  Sept.  974  ausgestellt 
ist,  schenkt  Kaiser  Otto  II.  dem  Kloster  Hilwartshausen  Güter  iu  Schierstein 
im  Kiinigssundragau  und  in  der  Grafschaft  des  Grafen  „Ymico",  sowie  in 
Braubach  iu  der  Grafschaft  Rodberts,  welche  Einrichi  heisst,  und  zu  Garden 
an  der  Mosel.*')  Da  nun  Ymico  (Imicho,  Emicho,  Emmicho^)  aus  dem  nahen 
Worms-Nahegau  der  bekanntere  ist,  so  darf  mit  Recht  vermutet  werden,  dass 
der  Schreiber  in  Pavia  das  ihm  vorliegende  Immico  bei  der  leichten  Yerwech- 
selungsmüglichkeit  des  mittelalterlichen  c  und  t  für  Immeto,  der  Nebenform 
von  Immat"^),  ansah  und  dafür  das  ihm  geläufigere  Immat  schrieb.  Bei  der 
l)preits  bemerkten  unrichtigen  Schreibung  der  Ortsnamen  wird  dies  um  so  wahr- 
scheinlicher. 

Wer  ist  nun  Ymiko  oder  Emicho?  Wir  haben  allen  Grund,  denselben  in 
doni  Grafen  des  Nahogaus  zu  erblicken,  der  in  der  vorhin  angezogenen  Urkunde 
von  960  neben  Ilathold  (llatto)  vorkommt  und  in  dessen  Grafschaft  die,  was 
wenigstens  das  erstere  von  ihnen  betriff't,  auch  zum  Wormsgau  gerechneten 
Dörfer  Si>iezesheim  und  Treise  gelegt  werden.  Derselbe  nahegau'sche  Graf 
Emicho  erscheint  in  der  Urkunde  vom  29.  Mai  901,  iu  welcher  König  Otto  den 
(irafen  Eantbert  und  Megiugoz  aberkannte  Güter  des  Nahegaus  „per  Emicho- 
nem  comitem"  an  das  mainzer  Martinsstift  schenkt.^)  Ebenso  wird  in  der  Ur- 
kunde vom  27.  August  966  das  Dorf  Gogeuheim  „in  comitatu  Emichonis  comi- 
tis"  genannt,  welches  mit  anderen  benannten  Orten  vom  selben  König  an  die 
magdoburger  Kirche  gegeben  wiid.'°)     In  einer  Urkunde  König  Otto's  III.  von 


'j  Stalin,  Wirtonib.  Oesch.  1,  545;  Kremor,  Orig.  Nnss.  2,77,  Act.  Pal.  3,  239,258; 
Hnliannat,  llist.  cpisc-.  Wormnt.  Frankf.  a.  M.  1734,  cod.  prob.  34.  —  -)  Vgl.  Eichhorn, 
Ucutsflie  .Staats-  u.  Rochtsgcsch.  Gott.  1821.  2,  öOl  tt". ;  Waitz,  Verfassungsgesch.  4,  212  ff. 
—  »)  Schlieph.  1,  92,  vgl.  110.  —  *)  Sauer  1,  45,  Nr.  94.  —  ^)  Vgl.  Wenck,  Hessische 
Landesgesch.  2,  521;  Bodniann,  Rheing.  Altert.  572;  Vogel,  Beschr.  192;  Roth,  Gesch. 
d.  St.  WicMl).  9.  -  '■•)  Im  Auszug  bei  Sauer  1,  40,  Nr.  95.  Für  973  spricht  nur  die  Tndiction 
und  «Ins  Kaisorjahr.  ")  F.ira  to  mn  n  n  1,  s]  n.  77«.  —  **)  Kbenda  1,776.  -  ")  v.  Hont- 
hfcini,  HiMt.  tr.-vir.   1,  292,  vgl.  3U4.  "'j   Krenier,  ürig.   Nass.  2,  77  1'. 


21 

0f)3  wcrdeu  7  Manscn  „in  villa  Norsteiii  in  pago  Nachgouvc  in  coniitatu  Enii- 
chonis"  an  das  Kloster  Sclz  im  Elsass  geschenkt.')  Es  ist  dasselbe  Merstein, 
das  zu  den  Zeiten  Ludwigs  des  Kindes  zum  Wormsgau  gehiirt  hatte'');  ein 
Zeichen,  im  Vorbeigang  bemerkt,  dass  zu  dieser  Zeit  der  Landstrich  zwischen 
]]ingen,  Mainz,  dem  Pfriembach  und  Donnersberg  wieder  zum  Nahegau  gehörte, 
wie  cliemals.3)  In  dem  gleichen  Jahre  993  hatte  derselbe  König  am  14.  Jan. 
der  Abtei  S.  Alban  bei  Mainz  6  Königshufeu  Waldos  zwischen  Kelersheim  und 
Wieselbach  im  Naliegau  in  der  Grafschaft  Emicho's  geschenkt.^)  Und  wiederum 
am  19.  Nov.  995  gibt  derselbe  freigebige  Herrscher  an  seinen  üetreuen,  Beci- 
liu,  das  „praedium  Domnisse  (Densen)"  „in  pago  Nachgovve  et  in  comitatu 
Emichonis  comitis".^) 

Dass  damit  nicht  eine  abermalige  Verbindung  des  Königsgau's  mit  dem 
Worms-Nahegau  gesetzt  ist,  verbürgt  die  Folgezeit.  Wir  haben  deshalb  Emi- 
cho  ebenfalls  nur  als  Stellvertreter  anzusehen,  aber,  wenn  nicht  alles  trügt, 
nunmehr  als  einen  in  verwantschaftlichen  Beziehungen  zum  Hatto'scheu  Hause 
stehenden.  Wir  meinen  zu  dieser  Vermutung  durch  folgende  Thatsachen  be- 
rechtigt zu  sein,  die  gleichzeitig  den  weiteren  geschichtlichen  Verlauf  darstellen 
und  deshalb  an  dieser  Stelle  eingeschoben  werden  müssen. 


II.    Die  Trutwine  und  Tutoe  im  Königssundragau  und  in  Laurenburg. 

L   Trutwiii  1.  und  II.     Tuto  1.  und  II.     Embricho  I.  Vcrschwiigenuig 

mit  den  Grafen  von  Leiningen. 

Wir  finden  zwischen  den  Jahren  992  und  1009  den  Köuigsgau  durch 
einen  Grafen  Trutwin  verwaltet.  Am  29.  Dec.  992  schenkt  König  Otto  HI. 
an  das  Kloster  Selz  sein  Praedium  „Biburc  et  Moskebach",  gelegen  „in  pago 
(Junigessunderon  in  comitatu  Druwiui  comitis".^)  Am  9.  Dec.  995  gibt  derselbe 
dem  Kloster  Bleidenstat  sein  Praedium  „Laresbach  in  pago  Kunigissundero  in 
comitatu  Trutwindi  comitis«.^)  Und  im  Jahre  1009  geschieht  die  Übergabe 
des  Eigentums  eines  ^militaris  homo"  Reginbod  und  seiner  Gattin  Lieba  „in 
Winckelo"  an  Bleidenstat  „coram  Drutwino  comite  et  scabinis"^),  womit  aber 
nicht  gesagt  ist,  wie  angenommen  wird,  dass  Trutwin  gleichzeitig  im  Rheingau 
(Jraf  gewesen  sei.  Vielmehr  ist  er  nur  als  advocatus  des  Klosters  mit  den 
Schöffen  Zeuge  der  „traditio".  Dieser  Trutwin  L  aber  erweist  sich,  da  eine 
Erwerbung  des  Klosters  Bleidenstat  im  Jahre  1017'')  ,ab  Hattoue,  patruo 
predicti  Drutwini",  d.  i.  des  zweiten  dieses  Namens,  also  unzweifelhaft  des 
Sohnes  Trutwin's  I.,  gemacht  wird,  als  Bruder  dieses  Hatte  und  damit  ebenso 


')  Act.  Pal.  1,  287;  2,  255.  —  -)  Gudcnus,  Cod.  dipl.  1,  367,  vgl.  Act.  Pal.  2,  255. 
-  ■■)  Bodmanii,  Diplomat.  Nachricht  von  der  fiirstl.  Wild-  u.  RhoingrüH.  Landgrafsclmft  im 
Nahgau.  Erfurt  1792.  4  f.  Derselbe,  Rhcing.  Alt.  203;  Christ.  Jak.  Kremer,  Gesch.  d.  rhein. 
Franz.  Mannh.  1778.  147  f.  -  ")  Will,  Regest.  1,  127,  Nr.  84.  -  ^)  Froher,  Orig.  Palat. 
Ueidelb.  1686.  2,  44.  -  '^j  Krem  er,  Orig.  Nass.  2,  91  f.  -  ')  Will.  Mon.  Bl.  22,  Nr.  3; 
Sauer  1,  48,  Nr.  100;  Will,  Regest.  130,  Nr.  112.  -  »)  Will,  Mon.  Bl.  31,  Nr.  7;  Sauer 
1,  51,  Nr.  104.   -  ")  Will,  Mon.  Bl.  13,  Nr.  3;  Sauer  1,  53,  Nr.  110,  3. 


O') 


zweilellos  als  Sohii  llatto's  VI.  (ilcich/eitig  wird  ihm  als  weiterer  lirudcr  der 
.vir  nobilis  Tudo  [I.]  comcs"  beizugeben  seiu,  der  1005  mit  seiner  Gemahlin 
Kot  rüde  und  seinem  Sohne  Tuto  (II.)  ^in  villa  Beristat  pomerium  unum  et 
dimidiam  hubam  nee  non  capellam  in  Biburc  cum  hubis  II,  mancipiis.  agris. 
vineis  et  omnibus  ad  eum  pertinentibus"  .„pro  remedio  animarum  suarum"  an 
Blcidenstat  verschenkt.^  Es  scheint  sich  das  nämlich  daraus  zu  ergeben,  dass 
die  Tutoe  nachher  in  der  Geschlechtsreihe  Trutwins  erscheinen.  Dass  in  Bier- 
stadt und  Biebrich,  wie  wir  oben  sahen,  sich  Hatto'scher  Besitz  findet,  würde 
ebenfiiUs  auf  unmittelbare  Yerwantschaft  schliessen  lassen,  wenn  wir  dieselbe 
nicht  nachher  als  mittelbare  zu  erkennen  hätten.  Wie  aber  die  Schenkung  für 
das  Seelenheil  das  höhere  Alter  des  Schenkers  und  damit  auch  seines  vermut- 
lichen Bruders  anzugeben  scheint,  so  ist  auch  aus  dem  Umstände,  dass  bei 
einer  Bestätigung  von  Besitzungen  des  Michaelsklosters  in  Bamberg  durch 
König  Heinrich  II.  vom  8.  Mai  1015,  unter  anderem  aus  „Shertistein",  dies  „in 
pago  Cunigessundra  in  comitatu  Reginardi"  liegend  genannt  wird-),  die  Echt- 
heit der  Urkunde  vorausgesetzt;  zu  schliessen,  dass  Trutwin  I.  zu  der  Zeit  ge- 
storben sein  müsse.  Reginard  selber  aber  wird  nur  als  sein  Stellvertreter 
gelten  dürfen.  Als  Überlebender  der  Brüder  erscheint  allein,  wie  bereits  an- 
geführt, Hatto  im  Jahre  1017. 

Da,  wie  wir  sahen,  der  in  den  bleideustater  Urkunden  von  diesem  Jahre 
an  sich  findende  Trutwin  ausdrücklich  als  Xeffe  dieses  Hatto  bezeichnet  wird, 
so  ist  nunmehr  von  Trutwin  H.  als  Grafen  des  Königssunderagaues  zu  reden. 
Abt  Herbert  erkauft  1017  „a  Drutwino  comite  curtem  in  Rode  cum  casa  et 
mancipiis  III  pro  XLIII  marcis."^)  In  Rode  befand  sich  nach  früher  Bemerktem 
Hatto'scher  bezw.  Adelbert'scher  Besitz,  so  dass  auch  nach  dieser  Seite  der 
Zusammenhang  mit  dem  königsgauer  Hause  gesichert  erscheint.  Überdies  muss 
in  Rode  auch  der  Mansus  Ackerland  gelegen  haben,  der  dem  ,,patruus''  Hatto 
gehört  hatte,  da  er  ohne  weitere  Ortsaugabe  unmittelbar  hinter  dem  verkauften 
Besitz  Trutwin's  daselbst  aufgeführt  wird.  Hierauf  findet  sich  letzterer  1018 
als  Zeuge  mit  ..Wigant  vicedomiuus"  beim  Verkaufe  von  18  Jochen  Acker  in 
Borne  (bei  Bleidenstat)  und  der  Schenkung  von  8  Jochen  mit  einer  Wiese  für 
das  ewige  Licht  des  Altars  des  h.  Ferrutius  seitens  Meingot's^j  und  1019  ver- 


'J  Will,  Mon.  Bl.  19,  Nr.  4;  Sauer  1,  49.  Xr.  102.  Beristat  ist,  wie  Vogel,  Beschr. 
'J90  u.  537  richtig  angenommen  hat,  Bierstadt.  Denn  SSI  kommt  bereits  „in  pago  Cuniges- 
hundero  in  Peristatter  marca"  vor,  "Will,  Mon.  Bl.  6,  Nr.  12;  Sauer  1,  31,  Nr.  71.  Wie 
diese  beiden  Gelehrten  in  ihrem  Regest  zu  dieser  Urkunde  mit  der  _Bärstatter  Mark  in  dem 
KGnigssundragau'-  irren,  so  irren  sie  auch  in  dem  Regest  zur  vorstehenden  mit  der  Deutung 
-Bärstat",  möglicherweise  verführt  von  Kehr  ein,  Nass.  Namenbuch  162,  2,  der  ebenso  an 
Bärstadt  denkt,  .,das  ganz  nahe  an  der  Grenze  der  Cunigeshundra  lag".  "Wir  haben  aber 
oben  schon  Anm.  6,  S.  1.5  selbst  Berestat  für  Bierstadt  genommen,  das  noch  heute  im  Yolks- 
munde  ..Bt'-rschcd"  heisst,  wie  Bärstadt  _Bärsclied-.  —  '-)  Sauer  1,  52,  Nr.  lOS  auszugsweise 
und  ausserdem  als  verdächtig  bezeichnet.  Jedenfalls  stimmen  weder  indictio,  noch  regnum. 
no<h  imperium  zur  Jahreszahl.  —  ')  "Will,  Mon.  Bl.  13,  Nr.  2;  Sauer  1,  35,  Nr.  110,  2.  — 
')  Will,  Mon.  Bl.  13,  Nr.  6;  Sauer  1,  3.5,  Nr.  110,  6.  Der  ,vicedominu^-  wird  hier  wohl 
nicht  als  viceconies,  sondern  als  praepositus  oder  oeconomus  des  Klosters  zu  verstehen  sein, 
vgl.  Schröder,  Lehrb.  194. 


23 

setzt  Graf  Trutwin  „cum  conscnsu  et  volunlatc  fratris  siii  Embricliuiiiö  |1J 
euriam  in  ( Jiscnlicini  et  iiauluin  in  Waldaffa  pro  LV  niarcis  et  dimidia."') 
Südaun  wird  1Ü28  die  „curia  in  iMossebach"  „in  placitu  Drutwini"  Bleideustat 
zuerkaimt.'^)  Im  Jahre  1032  beim  Versatz  einer  „curia  in  Neisse  pro  XVIII 
marcis  et  dimidia"  durch  den  Grafen  Wigger  sind  Zeugen:  „Arnold  comes, 
Drutwin  comes,  Gisilbert  vicedominus".^)  Zweimal  endlich  noch  begegnet  uns 
der  Name  dieses  Trutwin  1034:  das  erste  Mal  bei  der  Gelegenheit,  wu  „Eni- 
bricho  cum  consensu  uxoris  sue  Adelindis"  einen  Mansus  in  Iluscn  bei  Bär- 
stadt für  17  Mark  ,et  quanto  (!)  fuit  in  captivitatc  itorum  VI  marcis"  versetzt 
und  alsdann  „mansum  rogatu  fratris  sui  Drutwini  nobis  dimisit""*);  das  andere 
>ral  gab  Abt  Ezzo  dem  Grafen  Trutwin  15  Mark,  „pro  quibus  habemus 
piscaturam  in  Reuo."^)  Dass  er  dann  zwischen  diesem  und  dem  Jahre  1010 
gestorben  ist,  bezeugt  die  Thatsache,  dass  in  letzterem  ein  Graf  Sigfrid  in 
der  Königssundara  erscheint.^) 

Und  nun  ist  es  an  der  Zeit,  dass  wir  unsere  vorhin  ausgesprochene  Ver- 
nuitung  von  einer  verwantschaftlichen  Beziehung  zwischen  dem  Ilatto- 
Trutwin'schen  nnd  dem  Emich'schen  Hause  näher  begründen.  Anlass 
dazu  bietet  der  soeben  erwähnte  Bruder  Trutwins,  Embricho  I.  Die  seit- 
herige Geschichtschreibung  hat  aus  seinem  Namen  nur  Schlüsse  auf  dessen 
vermutliche  Nachkommen  gezogen,  indem  sie  ihn,  wie  Bodmann^),  zum  Ahn- 
herrn der  Rheingrafen  oder,  wie  Vogel ^)  und  Schliephake''),  zu  dem  des 
dietzischen  Hauses  machte.  Wir  halten  es  für  angezeigt,  aus  seinem  Namen 
den  vermutlichen  Vorfahren,  d.  h.  Namengeber  zu  erschliessen. 

Zu  dem  Ende  fassen  wir  zunächst  den  Namen  an  sich  ins  Auge  und  be- 
haupten, dass  aus  ihm,  der  ursprünglich  Ambricho  lautet  und  auch  in  den 
Formen  Emricho,  Embrico  und  Embricho  vorkommt,  sich  die  Koseform  Amicho, 
Emicho,  Emmicho,  Imicho  gebildet  hat.*°)  Wir  wissen,  wie  sehr  diese  Be- 
hauptung der  seitherigen  Annahme  von  der  Verschiedenheit  beider  Namen  wider- 
spricht, und  wie  sehr  sie  sprachlich  anfechtbar  erscheint.  Gleichwohl  zwingt 
uns  zu  ihr  der  urkundliche  Befund.  So  sehr  nämlich  auch  diese  Namen  in 
denselben  Urkunden  nebeneinander  vorkommen,  so  sehr  erweisen  sie  sich  eins 
für  ihren  Träger  in  unabhängig  voneinander  aufgenommenen.  Wir  können  das 
freilich  nur  aus  solchen  des  12.  Jahrhunderts  erweisen.  Da  finden  wir  bei- 
spielsweise unzweifelhaft  für  denselben  Mann:  1122  „Embricho  viced(nninus", 
1128  „Embrico  vicedominus",  1124  „Emicho  vicedominus''  und  1135  „Embricho 
vicedomiuus."^^)  Ferner  wird  derselbe  erfurt-mainzische  „prcpositus  S.  Sevcri" 
1128  „Emicho",  1129  „Embricho",  1130  „Emicho«  zweimal,  1130  und  1131 
„Eraiche"  und  1132    „Emercho"  genannt.^-')     Sodann  kommt  1146    „Emmecho 


•)  Will,  Mon.  Bl.  13,  Nr.  10;  Sauer  1,  35,  Nr.  110,  10.  —  -)  Will,  Müh.  JJi.  1), 
Nr.  19.  —  3)  Ebenda  14,  Nr.  19.  —  ■•)  Ebenda  14,  Nr.  23.  —  '=)  Ebenda  14,  Nr.  24.  - 
®)  Vogel  292;  Schliepli.  1,  132  nach  Spiess,  Aufklärungen  i.  d.  Gesch.  u.  Diploniatik  221. 
—  ')  Rheiiig.  Alt.  568  ff.  —  'J  Beschr.  203  f.  u.  291  f.  —  ■')  1,  131.  —  '")  Försteiuann  1. 
80,  779  u.  81,  776.  —  ")  Würdtwcin,  Dioec.  mog.  1,  477;  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  55; 
ebenda  1,  63;  Würdtwein  a.a.O.  1,  335.  —  '-)  Gudenus  1,  79;  Act.  Pal.  .3,  184;  Sauer 
1,  109;    Gudenus  1,  82;    Joannis,    Reruni  mogunt.    2,  582;    Gudenus   1,  93,  99,  104.     In 


24 

comos  de  Nucnburc"  vor,  der  im  gleielicn  Jahre  an  anderer  Stelle  „Enibrico  de 
Novo  Castro"  heisst.*)  Endlich  bietet  sich  uns  die  folgende  Reihe  der  Iciningi- 
schea  Grafen  dieses  Namens  dar:  1128  „Emercho"  und  „Emicho",  1140  und 
1143  ^Emicho".  1144  „Emmecho",  1151  ^Embicho",  1156  „Emmericho^  1160 
^Embricho"  und  „Emecho",  11153  .,Emicho",  IKiT  „Embrico",  1170  „Emicho", 
1173  ^Embrioho^  1197  „Embecho",  1198  „Embecho".^)  Aus  dem  11.  Jahr- 
hundert tritt  urs  nur  einmal  der  Name  „Embricho"  in  der  leiningischen  Familie 
euto-eo-en  und  auch  dieser  wird  uns  erst  in  einer  Urkunde  von  1128  bekannt, 
in  welcher  ^Embricho  Augustensis  episcopus",  genannt  und  dieser  in  der  An- 
merkung von  Gudenus  als  „antehac  praep.  ^logunt.,  comes  de  Leiningen" 
bezeichnet  wird. ^)  Er  wurde  1064  zum  Bischof  von  Augsburg  erwählt  und  starb 
in  dieser  Würde  1077.'*)  Ausserdem  soll  nicht  vergessen  sein,  dass  das  nassauische 
Dorf  Emmershausen,  das  sonst  als  Emmerichshausen  und  Heimershausen  vor- 
kommt,  1710  Emekhausen  genannt  wird.'') 

Warum  wir  uns  mit  dieser  Zusammenstellung  aufhalten  mussten,  hat  sich 
dem  Einsichtigen  wohl  schon  sofort  ergeben.  Es  gilt  uns,  den  sicheren  Unter- 
bau für  die  bis  dahin  noch  nicht  versuchte  Annahme  zu  gewinnen,  dass  Graf 
Embricho  seinen  Namen  von  dem  Vater  seiner  Mutter  trage,  und  dass  diese 
eine  Tochter  des  oben  besprocheneu  Grafen  Ymico  sein  müsse.  Von  diesem 
selber  aber  nehmen  wir  an,  dass  er  einer  der  Ahnen  des  leiningischen  Hauses 
war.  Hat  man  nämlich  schon  längst  mit  Hecht  dafür  gehalten,  dass  der  mit 
einer  Schenkung  von  Wald  „in  Linunga  marca"  an  das  Klostei*  Lorsch  am 
23.  Juni  779  auftretende  Amicho  der  Stammvater  dieses  Hauses  sei''')  und 
wird  man  billigerweise  in  einer  in  Egratesheim  ausgestellten,  eine  Schenkung 
an  Fulda   in    Tienenheim   und  Talaheim    im    Wnrmsgau    betreffenden    Urkunde 

letzterer  Urkunde  lesen  freilich  Schliepli.  1,  199   und   Sauer  1,  128    nach  der  Urschrift  im 
königlichen  Statsarchive  zu  Wiesbaden:  .,Emecho". 

>)  Gudenus  1,  177  u.  182.  —  ^)  Sauer  1,  106;  Gudenus  1,  79;  Sauer  1,  135,  14U; 
Joannis,  Rer.  mog.  2,  586;  Sauer  1,  145;  Mart.  Kremer,  Geneal.  Gesch.  d.  alten  ardcn- 
nischen  Geschlechts  2,  248;  v.  Hontheira,  Hist.  trev.  1,  589;  Gudenus  1,  404  f.,  1,  248; 
Krenier  ebenda  2,245;  Gudenus  1,  256,  259;  Joannis  2,  590;  Kremer  2,  213;  Schan- 
nat,  Hist.  episc.  Worm.  1,  13.  —  ^)  Cod.  dipl.  1,  78.  —  *)  Joannis  2,  212;  Brinkmeier, 
Geneal.  Gesch.  des  erlauchten  Hauses  Leiningen.  Braunschw.  1890.  1,  10  macht  ihn  wunder- 
lidierweise  zum  Bischof  von  Würzburg  trotz  der  von  ihm  selber  aufgeführten  Bezeichnung 
„augustensis-  und  verwechselt  ihn  offenbar  mit  dem  Bischof  Embricho  von  Würzburg  (1125 
liis  1146).  der  nach  den  einen  ein  Graf  von  Leiningen,  nach  den  anderen  ein  Herr  von  Espcn- 
feld  %var,  .welche  letztere  Meynung  auch  wahrscheinlicher  ist",  wie  Chr.  Ferd.  Scabinus, 
Kolationes  dipl.  hi.st.  de  fratribus  domus  Kiliani  oder  kurzgefasste  histor.  Nachricht  von  denen 
Domherren  des  Hochstifts  Würtzburg.  Leipzig  1741,  20  meint.  —  *)  Vogel,  Topogr.  265, 
Beschr.  857;  Kehrein,  Namenb.  1,  191.  Von  Herrn  Professor  Otto  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, trageu  wir  an  dieser  Stelle  zu  unserer  Genugthuung  nach,  dass  K.  G.  Andresen,  Die 
aittloutschen  Personennamen  in  ihrer  Entwickelung  und  Erscheinung  als  heutige  Geschlechts- 
namen. Mainz  1873.  60,  Imico,  Emicho,  Immich,  Emich,  Emmich  ebenfalls  als  Koseform,  aber 
von  Ermanricli,  Ermrich,  Emrich,  Emerich,  Emmerich  fasst  und  diesen  Xamen  in  seinem  ersten 
Teil  von  Irmin  ableitet.  Leider  hat  er  seine  Abweichung  von  Eörstemann  nicht  begründet 
und  lil.sst,  wie  dieser,  neben  der  spracliwissenschaftliclien  die  geschichtliche  Begründung  ver- 
missen, die  der  Name  desselben  Mannes  oder  desselben  Hauses  in  seiner  Wandlung  bietet.  — 
"J  Cod.  laur.  2,  168,  Nr.  1287. 


25 

vorn  20.  April  825  den  dort  unter  den  Zeugen  genannten  Emiclio  für  einen 
Nachkommen  desselben  ansehen  dürfen'),  so  geht  man  auch  nicht  fehl,  wenn 
man,  wie  dies  schon  Croliius^)  gethau  hat,  annimmt,  dass  jener  Vasall  des 
Grafen  oder  Herzogs  Konrad,  „nomine  Emicho",  der  am  HO.  Mai  940  von  dem 
Abte  Hadamar  in.  Fulda  tauschweise  Güter  zu  lloregheim  im  Wormsgau  und 
zu  Ingclnlieim  gegen  andere  zu  Alehesheini  im  selben  Wormsgau  erhielt''), 
wiederum  ein  Nachkomme  des  oben  genannten  Emicho  gewesen  sei,  da  „Ilcn-ch- 
heim  ohnweit  Worms  und  Aisheim,  woselbst  eine  dem  h.  Bonifacius  gewidmete 
Kirche  ist,  ohnweit  Guntersblum  liegt."  Dass  dieser  aber  der  Vorg.änger  des 
20  Jahre  später  erscheinenden,  gleichnamigen  Grafen  war,  von  dem  wir  oben 
handelten,  geht  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  aus  dem  Umstand  hervor,  dass 
letzterer  in  demselben  Nahegau  seit  960  Gaugrafenrechte  ausübt,  indem  der 
hinterlassene  Sohn  des  955  gefallenen  Herzogs  Konrad,  Otto  von  Worms,  956 
als  achtjähriger  Graf  urkundlich  genannt  wird^);  derselbe,  der  von  978  an  als 
Herzog  von  Käruthen  und  dabei  Graf  im  Worms-,  Speier-,  Kraich-  u.  Elsenz- 
gau  und  ausserdem  als  Markgraf  von  Verona  vorkommt.'')  Wir  lassen  es  dahin 
gestellt  sein,  ob  damit  eine  Vasallenschaft  Emicho's  im  Grafentum  unter  dem 
Herzog  Otto  ausgesprochen  ist,  wie  dies  Cr  oll  ins,  dem  wir  die  vorstehenden 
Angaben  entnehmen,  zu  gunsteu  seines  „ducatus  Francia  Rhenensis"  und  nach 
ihm  Lamey  behaupten.*')  Jedenfalls  scheint  eine  nähere  Beziehung  zwischen 
beiden  vom  Vater  Konrad  her  unverkennbar.  Nun  ist  ja  freilich  wahr,  dass  die 
nahegauischen  Grafen  Emich  im  11.  Jahrhundert  dem  wildgräflichen  Hause 
entstammen,  während  die  gleichnamigen  des  Wormsgaues  dem  Hause  Leiningen 
angehiU'en.  Aber  gerade  die  Gleichnamigkeit  gebietet,  die  letzteren  als  Namen- 
geber anzusehen,  da  sie  die  ältesten  sind  und  Nahe-  und  Wormsgau  lange  eins 
waren.  Ausserdem  nennt  Bischof  Fridrich  I.  von  Worms  aus  dem  Hause  der 
von  den  Wildgrafeu  abgezweigten  Raugrafen  in  einer  Urkunde  von  1281  die 
Grafen  Fridrich  und  Emich  von  Leiniugen  ausdrücklich  seine  „consanguinei."^) 
Es  ist  demnach  anzunehmen,  dass  ein  Leiniuger  eine  uahegauische  Erbtochter 
heimgeführt  und  der  wildgräflicheu  Familie  den  Namen  Emich  vererbt  habe, 
wenn  wir  schon  mit  dieser  Annahme  unseres  Wissens  die  ersten  sind. 

Konmien  wir  aber  auf  unsere  Vermutung,  dass  der  königssunderaische 
Graf  Embricho  ein  Enkel  mütterlicherseits  jenes  von  uns  dem  leiniugischen 
Hause  zugezählten  Emicho  vom  Nahogau  sein  müsse,  zurück,  so  sehen  wir  uns 
nun  veranlasst,  sie  durch  eine  ungleich  gewagtere  zu  vermehren,  die  uns  das 
seitherige  Unvermögen;  die  Herkunft  des  laurcnburg'schen  Besitzes  in  der  Hand 
der  Grafen  des  Königsgaues  zu  erklären,  aufzwingt.  Schliepliake  berichtet, 
leider  ohne    urkundliche  Belege   beizufügen :    „Das    Haus   Leiningen   hatte  Be- 


*)  Schannat  153,  Nr.  380;  Droiike  202,  Nr.  459.  Bemerkenswerterweise  wird  in 
demselben  Teinenlieim  ein  Embricho  als  einer  der  Anlieger  an  einem  "Weinberge  genannt, 
der  um  803  mit  anderen  Gütern  an  anderen  Orten  an  Fulda  verschenkt  wurde.  Scliannat  39, 
77  mit  falsclier  Jahreszalil  786;  Üronke  108,  Nv.  198.  —  -)  Act.  Pal.  2,  252.  -  ^)  Scliannat 
235,  Nr.  573;  D  renke  316,  Nr.  683.  —  ',)  Schannat,  Hist.  episc.  Worni.  2,  20,  Nr.  23, 
vgl.  Act.  Pal.  3,  416,  5,  168.  —  ^)  Act.  Pal.  3,  417  f.  —  '')  Ebenda  5,  16^.  —  ')  Schannat, 
Hist.  episc.  Worm.  47,  vgl.  382. 


2fi 

sitzuugeu  iu  der  Grafsoliaft  Dietz,  in  Yilmar,  Ilatiamar,  Creuch."')  Wie  nun, 
wenn  wir  diese  uiederlalingräHiche  Begütenmg  mit  dem  nahen  Laureuburg  ver- 
mehrt und  letzteres  als  Mitgift  der  Tochter  Emicho's  an  ihren  von  uns  ange- 
nommenen Gemahl  Trutwiu  I.  übergegangen  denken?  In  diese  Zeit  nämlich 
muss  die  Erwerbung  Laureuburgs  für  das  Trutwin'sche  Haus  erfolgt  sein,  dazu 
drängt  der  zuerst  1003  bezeugte  Besitz,  und  haben  wir  uns  in  der  llcrleitung 
des  Namens  Embrielio  aus  dorn  Hause  Leiningen  nicht  geirrt,  so  muss  diesem 
der  frühere  Besitz  zugeschrieben  werden,  wenn  wir  uns  nicht  entschlicssen 
wollen,  Trutwin  1.  in  einer  früheren  Ehe  mit  der  Tochter  eines  niederlahn- 
gau'schen  Grafen  vermählt  gewesen  anzunehmen.  Das  aber  ist  unmöglich,  da 
die  Schwester  Embricho's,  also  die  Tocliter  Trutwins  L,  Richildis,  mit  dem 
niederlahugauischeu  Grafen  Wigger  vermählt  war,  wie  dies  der  Eintrag  in  das 
bleidenstater  Schenkregister  unter  dem  Jahre  1044  erw^eist,  wo  sie  unter  der 
Zeugenschaft  ihres  Bruders  Embricho,  „hobam  in  Neisse  pro  anniversario  mariti 
sui",  desselben,  der  ebendort  als  Graf  Wigger  eine  „curia"  für  I8V2  Mark  an 
dasselbe  Kloster  unter  der  Berechtigung  des  Rückkaufs  versetzt  hatte,  schenkt.^) 
Nun  hat  zwar  Vogel  diesen  Wigger  mit  seinem  vermutlichen  Bruder  Arnold 
zum  Grafen  vom  Einrieb  machen  wollen,  indem  er  behauptete,  dass  die  Urkunde 
über  die  Schenkung  des  Bischofs  Azecho  von  Worms  betreffs  seines  Praediums 
„Nassouva"  an  den  Altar  der  hh.  Hippolytus  und  Nicomedes  iu  Worms  es  vcr- 
seheu  habe  mit  dem  Zusatz:  „situm  in  pago  Loganehe  in  comitatu  Wiggeri  et 
Arnoldi  comitum."  Es  müsse  vielmehr  heissen:  „in  pago  Einrieb",  da  Berg- 
nassau „niemals  zum  Lahngau"  gehört  habe.^)  Aber  die  dort  geschenkten 
-XL  mausi"  begriffen  nicht  bloss  Bergnassau,  sondern  auch  das  gegenüber- 
liegende Nassau  in  sich.  Dies  geht  ausdrücklich  aus  dem  bekannten  Tausch- 
vertrag zwischen  Worms  und  Trier  vom  Jahre  1159  hervor,  wo  es  heisst:  „iam 
dictum  predium  Nassove  quod  situm  iu  pago  Logenc  XL  mansos  continet  a 
longo  retractis  temporibus  libera  donatione  felicis  memorie  acechonis."'^)    Wigger 


'j  1,  402  Anui.  —  -)  Will,  Mon.  Bl  14,  Nr.  19,  31.  —  ^)  Beschr.  198;  Schannat, 
llist.  episc.  Worm.  prob.  51;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  110.  —  *)  Schliepb.  1,  200.  Man 
künntc  sagen,  diese  Stelle  der  Urkunde  sei  derjenigen  Azecho's  entnommen  und  daher  fehler- 
haft, wie  diese.  Aber  abgesehen  davon,  dass  seinerzeit  schon  Azecho  wohl  gewusst  haben 
muss,  was  er  schrieb,  so  stimmt  sie  weder  auf  den  Buchstaben,  noch  ist  anzunehmen,  dass 
man  einen  so  viel  umstrittenen  Besitz  bezüglich  seiner  Lage  nicht  ganz  genau  festgestellt 
habe.  Dazu  würde  das  „situm  in  pago  Logene"  im  10.  Jahrhundert  ein  Fehler  gewesen  sein. 
Denn  als  Künig  Konrad  I.  seine  „curtem  Nassowa'"  am  9.  Aug.  915  an  Worms  schenkt,  bo- 
schrieb er  ilire  Lage  mit  den  Worten:  „in  iitrorjuc  latere  fluminis  Logene  in  duobus  illis 
comitutibus  Sconenberg  et  Marvels",  Kremer,  Orig.  Xass.  2,  50.  Damals  also  gehörte  die 
jetzige  Stadt  Nassau  in  den  Engersgau  mit  dem  Gaumal  Sconenberg.  Im  11.  und  12.  Jahr- 
hundert dagegen  erscheint  sie  im  Lahngau,  wie  die  obigen  Urkunden  beweisen  und  Schliep- 
iiake  1,  184  demgemilss  richtig  bemerkt:  .,1m  Anfang  des  II.  Jahrhunderts  erscheint  der 
P^ngorfigaii  mit  dem  Niedorlahngau  unter  einem  tlrafen".  Er  widerspricht  sich  aber  selber, 
wenn  er  bezüglich  des  in  der  Azecho'schen  Urkunde  gebrauchten  Ausdrucks  vom  Lahngau 
behauptet:  ^dass  der  Name  Lahngau  in  diesem  weiteren  Verstände  benaclibartc,  am  Lahnfluss 
belegene  Landsciiaftcn  einschliessend,  genommen  wird,  kommt  verschiedentlich  vor,  vgl.  unten 
8.  191.-  Denn  niclit  nur,  dass  er  S.  191  nur  ein  Beispiel  beibringt,  so  ist  dieses  gerade  das- 
jenige der  Urkunde  von  1159,  das  Einriih  und  Engersgau  im  Niederlahngnu  aufgehen  lässt, 
von  deren  beiden   letzteren  er  die  Einheit  seit  Aniung  des  II.  Jahrhunderts  meldet. 


27 

und  Arnuld  waren  also  wirklich  Grafen  des  Nicderlahngau'.s  niil  dem  schon  /u- 
gcrcchnctcn  Einrich,  letzterer  offenbar  für  diesen  Bergnassau  enthaltenden  Teil, 
ersterer  für  den  übrigen  Gau,  in  dem  Nassau  lag.  Diese  urkundliche  Feststellung 
ergibt  gleichzeitig  die  Hinfälligkeit  der  anderen  Vermutung  Vogels^),  die  Schlicp- 
hake''^)  sich  angeeignet  hat,  dass  unser  Trutwin  I.  -—  der  ihrige  ist  bekannt- 
lich der  der  „schönauer  Rcimsage"  —  in  zweiter  Ehe  mit  einer  „Erbtochter 
aus  dem  Niederlahngau"  vermählt  gewesen  sein  solle.  Dieser  Ehe  sei  Embricho 
und  seine  Schwester  Richildis  entsprossen  und  beide  hätten  die  „ansehnliche 
lahugauische  Erbschaft"  übernommen,  während  Trutwin  II.  aus  erster  Ehe  an 
ihr  unbeteiligt  geblieben  sei.  Vogel  und  Schliephake  suchten  mit  dieser 
Vermutung  freilich  nur  dieselbe  Brücke  zwischen  Laurenburg-Nassau  und  Dietz, 
die  wir  nachher  benutzen  werden.  Au  dieser  Stelle  aber  ist  sie  unm()glicli, 
wenn  man  nicht  verschiedene  niederlahngauische  Grafenhäuser  annehmen  will, 
indes  selbst  eine  solche  Annahme  könnte  beiden  Forschern  nicht  einmal  zu 
gute  kommen,  da  ihre  ganze  Aufstellung  von  der  irrigen  Auffassung  ausgeht, 
dass,  wie  alsbald  klar  zu  stellen  sein  wird,  Embricho  mit  seinem  gleich- 
namigen Sohne  dieselbe  Person  sei. 

Dürften  wir  auf  diese  Weise  unserer  Vermutung  über  den  Zusamnicnhang 
der  Leininger  mit  den  späteren  Laureuburgern  einiges  Recht  erstritten  haben, 
so  vermögen  wir  dieselbe  vielleicht  mit  zwei  anderen  Thatsachen  zu  stützen. 
Die  erste  ist  das  oben  gemeldete  Auftreten  des  Grafen  Imico  in  der  Königssundara 
für  die  Jahre  970  und  975.  Ist  dieses  nicht  durch  die  Nachbarschaft  des  Nahe- 
gaues bedingt  und  als  rein  geschäftliche  Reichshandlung  aufzufassen,  so  liegt 
es  doch  wohl  nahe,  dasselbe  auf  einen  letzten  Willen  des  bis  dahin  erblich  er- 
scheinenden letzten  Besitzers  der  Grafschaft,  Hatto  VI.,  und  diesen  Willen  auf 
eine  nicht  ungewöhnliche  frühe  Eheberedung  mit  Imico  zurückzuführen,  die 
zugleich  die  Erhaltung  der  Grafschaft  für  den  minderjährigen  Trutwin  durch 
den  künftigen  Schwiegervater  in  sich  schloss. 


2.   Azecho,  Bischof  von  Worms,  Sohn  Trutwiiis  1. 

Als  zweite  Thatsache  bietet  sich  uns  das  Geschenk  des  Bischofs  Azecho 
an  den  wormser  Dom  vom  Jahre  1034  an.  Scliannat  hat,  wie  man  weiss, 
diesen  wormser  Kirchenfürsten  zu  einem  Nassauer  gemacht,  indem  er  im  Beginn 
von  dessen  kurzer  Lebensbeschreibung  sagt:  „Praeter  eximias  tum  corporis  tum 
animi  dotes,  quae  avitae  Nassoviorum  stirpis,  uude  et  ortum  traxerat,  quasi 
liereditaria  erant  decora,  eum  summopere  commendabat  eximiae  prudentiae  ac 
eruditionis  laus."^)  Es  spricht  für  sich,  dass  eine  solche  Nachricht  nicht  aus 
gleichzeitigen  Quellen  stammen  kann,  da  es  noch  kein  uassauisches  Haus  zu 
der  Zeit  gab.  Möglich  also,  dass  Schannat  sie  bei  einem  Späteren  gefunden 
hat.  Am  wahrscheinlichsten  aber  wird  er  ihr  eigner  Erfiuder  zu  nennen,  und 
seine  Quelle  die  Urkunde  Azecho's  sein.  Denn  er  gibt  dieser,  offenbar  verführt 
von  ihrem  „praedium  quodcumque  Nassouva",  die  Überschrift:    „Ejusdem  Aze- 


')  Beschr.  291  f.  —  -')  1,  132.  —  ')  Ilist.  episc.  Worm.  335, 


28 

clionis  Episeopi  charta,  per  (iiiam  Praedium  suum  Gentilicium  Nassova  cou- 
fert  ad  Opus  erecti  a  so  altaris  S.  S.  Hyppoliti  et  Nicomodis."  Ist  das  so, 
dauu  rauss  seine  Nachricht  ftilsch  genannt  werden.  Denn  die  Urkunde  bezeichnet 
das  Praedium  ausdrücklich  als  ein  „proprio  labore  meo  libera  manu  acquisitum." 
Gleichwohl  dürfte  Schanuat  wider  sich  selbst  Recht  haben.  Man  weiss,  welch 
ein  Kampf  um  dies  Praedium  im  Jahre  1159  zum  Austrag  kam.  Der  Kampf 
hatte  es  zwar  nur  mit  dem  den  geschenkten  40  Mausen  Azecho's  gegenüberliegen- 
den ^castrura  Xassauue"  zu  thun,  und  in  der  Urkunde,  in  welcher  das  Domstift 
Worms  seine  Ansprüche  auf  Weiler  und  Berg  Nassau  an  Erzbischof  Ilillin  von 
Trier  gegen  Güter  in  Partenheim  abtritt,  wird  ausdrücklich  zwischen  „castrum 
de  Nassove"  und  der  „curia  adjacens"  unterschieden,  die  im  weiteren  Verlauf 
allein  auf  die  „libera  donatio"  Azecho's  zurückgeführt  wird.^)  Die  diesen  Tausch- 
vertrag bestätigende  Urkunde  des  Bischofs  Kunrad  von  Worms  nennt  dagegen 
nur  das  „predium  eorum  (der  Domherren)  de  Nassove,  tarn  castrum  quam  eu- 
riam  adjacentem  XL  mansos  continentem."^)  Und  diese  Einheit  hält  der  hier- 
nach folgende  Lehensvertrag  zwischen  Ilillin  und  den  Laurenburgeru  aus  dem 
gleichen  Jahre  1159  um  so  mehr  fest,  als  letzterer  nicht  nur  unter  Mitwirkung 
der  die  Sachlage  aus  der  Nähe  kennenden  Laurenburger  zu  stände  kam,  son- 
dern auch  die  Schenkungsurkunde  von  1034  der  gleichen  Sachlage  entspricht, 
indem  sie  das  ganze  Gut  in  dem  oben  gekennzeichneten  „comitatu  Wiggeri  et 
Aruoldi  comitum"  liegen  lässt.^)  Wenn  nun  in  dem  gedachten  Lehensvertrag 
bemerkt  wird,  dass  die  Laurenburger  „in  eodem  Castro  se  aliquid  proprietatis 
habere",  so  kann  sich  dies  doch  unmöglich  auf  die  von  ihnen  erbaute  Burg 
beziehen  wollen,  die  ohnedies  ihr  eigen  war  und  von  den  Wormsern,  weil  auf 
ihrem  angeblichen  Boden  erbaut,  eigenmächtig  in  Anspruch  genommen  wurde, 
sondern  es  muss  eben  den  Boden  der  Burg  bedeuten,  den  „mons"  des  Lehens- 
vertrags. Beanspruchen  sie  den  aber  als  altes  Eigentum,  so  scheint  klar,  dass 
es  der  ererbte  Grundstock  war,  um  den  Azecho  „mit  seiner  Mühe  und  seiner 
freien  Iland"  das  Übrige  hinzuerworbeu  hatte.  Nach  dem  alten  Satze:  „deno- 
minatio  lit  a  potiori"  hatte  er  alsdann  das  Ganze  eigene  Erwerbung  genannt, 
weil  der  Ilauptteil  es  wirklich  war.  Was  kann  uns  also  hindern,  Azecho  einen 
weiteren  Sohn  Trutwin's  I.  zu  nennen,  zumal  er  auch  den  Jahren  nach  —  er 
stirbt  1044'*)  —  als  Zeitgenosse  der  übrigen  Kinder  desselben:  Trutwin,  Em- 
Ijiicho,  Kichildis,  gelten  darf.^)  Und  wer  kann  uns  hindern,  seine  Erhebung  auf 
den  wormser  Bischofsstuhl  im  Jahre  1025  der  Mitwirkung  der  Worms  nahen 
loiningischen  Verwantscluil't  zuzuschreiben,  nächst  der  Gunst  des  Kaisers  Kon- 
rad IL.  zu  dessen  und  seiner  Familie,  wie  der  früheren  wormser  Bischöfe  und 


')  Schlieph.  1,  200.  —  '^)  Ebenda  1,  202.  —  ■")  Ebenda  1,  104.  —  ')  Schannat,  Hist. 
CJH8C.  Worm.  336.  —  '}  Selbst  der  Narac  könnte  dies  gestatten,  sofern  Azeclio,  der  auch  in 
der  Form  Hazccho  erscheint,  als  die  Verkleinerungsform  von  Hatte  in  Betracht  gezogen  wer- 
den darf,  l-'reilich  biotot  einmal  eine  gallo-fränkisclic  Quelle  aus  dem  Jahre  673  Chadichus,  aber 
nicht  nur,  das«  dieser  Name  sonst  als  Eticho  sich  findet,  Eürsteniann,  Altd.  namenbuch  1, 
642,  und  Athacho  auch  nur  dem  8.  Jahrhundert  gehurt,  ebenda  132,  so  scheint  die  spätere  Zeit 
den  Umlaut  des  t  in  z  zu  begünstigen;  denn  Azacho,  Azecho,  Azeko,  Eziko,  ebenda  191,  ge- 
hören dem  10.  und   11.  Jahrhundert,  ebenso  Hezecho,  Hazeco,  Hezich,  ebenda  650. 


20 

seinem  eigenen  Seelonheile  er  die  ganze  reiche  Stiftung  machte?  Ist  doch  selbst 
dieser  Konrad  der  Urenkel  jenes  Kourad  und  Enkel  jenes  Otto,  denen  die  Loi- 
ninger  ihre  Naliegaugrafschaft  verdankten,  und  letzterer  bei  dem  Vorgänger 
Azecho's  Burkard  auferzogen. \) 

Kehren  wir  aber  noch  einmal  zu  den  Ansprüchen  der  späteren  Lauren- 
burger  auf  den  Berg  Nassau  zurück,  so  glauben  wir  aus  der  Urkunde  Azecho's 
erschliessen  zu  dürfen,  dass  die  ganze  Schenkung  aus  Abwendung  von  der 
eieenen  Familie  ffeschehen  ist.  Wir  sehen  andere  Kirchenfürsten  bei  solchen 
und  so  bedeutenden  Stiftungen  für  ein  Seelengedächtnis  ihre  Verwanton  in 
den  Schutz  der  letzteren  raiteinbegreifen.^)  Dass  Azecho  das  nicht  tliat,  setzt 
einen  Brucli  mit  seiner  Familie  voraus.  Und  die  Bedenkung  des  Kaisers,  seiner 
(iomahlin  Gisela  und  seines  Sohnes  Heinrich  in  erster  Linie,  mit  denen  keiner- 
lei Blutsverbindung  vorlag,  so  sehr  dies  auch  von  Schannat  vermutet"')  wurde, 
scheint  mit  ziemlicher  Sicherheit  darauf  hinzudeuten,  dass  der  Bruch  aus  poli- 
tischen TJ  runden  erfolgt  war,  deutlicher  zu  reden,  dass  die  laurenburg'schen 
Grafen  Anhänger  des  Wahlmitbewerbers,  des  jüngeren  Konrad,  sein  mochten. 
Wir  finden  deshalb  auch,  dass,  als  es  sich  am  30.  Januar  desselben  Jahres  1034 
darum  handelte,  dass  die  Besitzungen  des  Klosters  Blcidenstat  und  dessen  Zoll- 
freiheit auf  Rhein  und  Main  die  kaiserliche  Bestätigung  erfahren  sollten,  nicht 
der  Blutsverwante  der  königsgau-laurenburg'scheu  Vögte  des  Klosters,  Azecho, 
sondern  der  Erzbischof  Bardo  mit  der  kaiserlichen  Gemahlin  die  Antragsteller 
waren. '^)  Die  späteren  Laurenburger,  geleitet  von  der  Familienüberlieferung, 
beanspruchten  also  deutlich  ein  ihnen  wider  den  Familienwillen  entfremdetes 
Erbstück,  und  dass  sie  darin  Recht  hatten,  scheint  unzweideutig  aus  dem  so 
geflissentlich  betonten  „proprio  labore  meo  libera  manu  acquisitum"  von  1034, 
wie  aus  der  ebenfalls  nicht  müssigen  „libera  donatione  felicis  memorie  Acechonis 
quoudam  episcopi  nostri"  von  1159  hervorzugehen.  Die  Freiheit  war  eine  im 
Gegensatz  zum  Familienwillen  genommene  und  durch  die  grössere  eigene  Er- 
werbung beschönigte.^)  Der  Familienbesitz  auf  dem  Berge  Nassau  aber  bestätigt 
unsere  Ajuiahme  von  der  damaligen  Begüterung  der  königsgauer  Grafen  im 
Niederlahugau. 

3.   Einbriclio  T.  und  TT.  im  Niederlulnigau  iiiid   in  Dielz.   Vd'want.selinrt 

mit  den  Kheingral'en. 

Nehmen  wir  nunmehr  den  bei  Embricho  stille  gestellten  Gang  unserer 
Untersuchung  wieder  auf,  so  geschieht  es  zunächst,  um  uns  noch  einer  weiteren 
Familienverbindung  seines  Hauses  zu  versichern,  die  bis  dahin  mit  unzureicliender 
Kraft  vermutet  wurde.  Wir  meinen  die  mit  den  Grafen  von  Dietz.  ]\Ian  hat 
mit  Recht    angenommen,    dass  Graf  Embricho    der  Ahnherr    dieser  Grafen    sei, 


')  Wippo,  vita  Conradi  p.  425  und  Monachns  Kirsohgarteusis  in  cliron.  Wonn.  c.  2."), 
p.  68.  —  '-)  S.  unten  Anm.  6,  S.  36,  z.  B.  die  Stiftung  des  Erzbiscliofs  Sigfrid.  —  =')  Hist. 
opisc.  Worm.  H:i').  —  ')  Will,  Mon.  Bl.  2^,  Nr.  4.  —  'j  Hiorniit  dürfte  der  Einwand  Scinnidt- 
Steiners,  Annal.  3,  15,  120  u.  138  gegen  die  Abstaniniuiig  Azecho's  aus  lauronburg'seliem 
Hause  erledigt  sein,    da   er  sieh  lediglich  auf  das  „proprio  lahore"   etc.  der  Urkunde  stützt. 


30 

aber  zu  rnreclit  hat   man  ihn,    wie  oben    bemerkt,    mit   seinem   gleiclmamigen 
Sohne  verwechselt. 

Unser  Graf  Embricho,  Solui  Trutwin's  I.,  hat  folgende  Spuren  seines 
Lebens  in  den  uns  überkommenen  T'rkuuden  hinterlassen.  Von  seiner  Zustim- 
iining  zum  Versatz  der  .curia  in  Gisenheim"  und  des  ,uaulum  in  ^Yaldaffa" 
durch  Trutwin  II.  im  J  liiri"  1019,  ebenso  von  seiner  eigenen  Verpfändung  eines 
Mansus  iu  Ilu.sen  in  Gemeinschaft  mit  seiner  Gemahlin  Adelindis  im  Jahre  1034 
war  bereits  die  Rede.  Es  ist  aber  nun  am  Platze,  gerade  die  letzte  einer 
näheren  Betrachtung  zu  unterziehen,  da  sie  uns,  wenn  wir  uns  nicht  täuschen, 
wichtige  EnthüUuno^eu  zu  machen  hat.  Besehen  wir  uns  nämlich  den  vollen 
^Vortlaut  des  bleidenstater  Eintrags  darüber  genauer,  so  stellt  sich  das  bereits 
üben  vorgeführte  Nacheinander  von  Einzelhandluugen  dar,  das  erst  im  Jahre  1034 
seinen  Abschluss  gefunden  haben  kann.')  Die  Verpfändung  liegt  offenbar  vor 
dem  gedachten  Jahre  und  diente  deutlich  zur  Bestreitung  einer  Rüstung  für  den 
Krieo".  In  diesem  Kriege  geriet  Embricho  in  Gefangenschaft  oder,  wenn  die 
Bodmann'öche  Lesart-)  „in  egestate"  richtig  sein  sollte,  in  Geldnot,  zu  deren 
Hebung  weitere  6  Mark  gereicht  wurden.  Als  die  eine  oder  andere  aufhörte, 
war  er  erst  im  stände,  den  Bitten  des  Bruders  nachzugeben  und  das  verpfändete 
Jjierentum,  vermutlich  ebenso,  wie  es  seine  Scli wester  1044  mit  dem  Hofe  in 
Neisse  that,  an  Bleidenstat  zu  schenken.  Damit  war  das  ganze  Geschäft  vollendet, 
und  nun  erst  geschah  der  Eintrag  1034.  Wir  sind  aber  auch  wohl  im  stände, 
das  Anfangsjahr  des  Geschäfts  zu  bestimmen.  Erinnern  wir  uns,  dass  Graf  Wig- 
ger  seinen  Hof  in  Neisse  1032  an  Bleidenstat  für  18^ '2  Mark,  also  für  nur  IV2 
Mark  mehr  als  sein  Schwager  Embricho  verpfändete,  so  scheint  es  doch  in  die 
Augen  zu  springen,  dass  ihn  der  gleiche  Zweck,  wie  den  Schwager,  hierzu  be- 
wog,  dieser  also  sich  zur  gleichen  Zeit  Geld  verschaffte.  Dass  wir  hierin  das 
Richtige  treffen,  macht  der  zwischen  den  Wigger  und  Embricho  betrefi'euden 
Angaben  stehende  Doppeleiutrag  des  bleidenstater  „Registrums"  klar,  in  dem 
„Hugo  de  Wissebad ",  als  er  sich  auf  den  Kriegs zug  begab,  3  Mark  für  ein 
Jahresgedächtnis  schenkt  und  für  12  Mark  einen  Weinberg  in  Wiesbaden  hin- 
gibt.') Sehen  wir  uns  nun  in  der  gleichzeitigen  Geschichte  um,  so  finden  wir, 
dass  1032  das  Todesjahr  des  Königs  Rudolf  von  Burgund  war.  Dieser  hatte 
sein  Reich  Kaiser  Konrad  vermacht,  aber  wie  ein  im  Jahre  1027  darauf  hin- 
zielender Vertrag  von  Konrad's  Stiefsohn,  dem  Herzog  Ernst  von  Schwaben, 
der  als  ältester  Sohn  von  Rudolfs  Schwestertochter,  der  Kaiserin  Gisela,  ein 
näheres  Recht  auf  Burgund  zu  haben  glaubte,  mit  Waffengewalt  angefochten 
wurde,  so  war  es  im  Jahre  1032  der  Sohn  der  Schwester  Bertha  desselben 
Königs,  Graf  ^)tto  von  Champagne,  der  seine  Ansprüche  mit  gewappneter  Hand 


')  _A.  tloni.  M.XXXIHI.  cxposuit  Embricho  comes  cum  consensu  uxoris  sue  Adelindis 
ninnKum  in  Ilusen  jiro  XVII  marcis,  et  quanto  [quando]  fuit  in  captivitate  recepit  iterum  VI 
niarcas,  et  manKum  rogatu  fratris  sui  Drutwini  nobis  dimisit.'*  Diniittere  ist  hier  in  der  spii- 
tfron  Bcdeiitun?  donarc  /u  nohmon.  Vgl.  Du  Cangc-Henschel  2,  861'.  —  ')  Rheing.  Alt. 
IIG,  0.,  574;  Vogel,  Bcschr.  291,  6.  ~  •)  Will,  Mon.  Bl.  14,  Nr.  21,  22:  „Mortuo  Ilerberdo 
dfdit  Mobi«  Hugo  de  Wi.ssoliad,  qunndo  in  cxpod  i  tiono  ni  ivit  niarcas  111  pro  annivor.sario. 
Kzzü  dedit  eidem  llugoni   XII   niurcas  et  iste  dedit  nobis  viueani   in  Wissebad." 


31 

geltend  machte.  Gestatteten  wir  uns  nun  schon  vorliin  die  königsgau-lauren- 
burger  Grafen  in  den  Reihen  der  der  Wahl  Konrads  Abgüustigen  zu  suchen, 
so  ist  es  jetzt  wohl  nicht  zu  kühn,  sie  als  Bundesgenossen  Otto's  zu  vermuten. 
Die  Besitzergreifung  Burgund's  durch  Kaiser  Konrad  im  Jahre  1033  und  die 
dabei  erfolgende  Ih-echung  der  gegnerischen  Burgen  mochte  leicht  die  Gefangen- 
schaft Enibricho's,  der  dann  die  Auslösung  folgte,  bringen.  Irren  wir  nicht 
in  dieser  Vernuitung,  so  haben  wir  darin,  nebenbei  gesagt,  eine  licstätigung 
für  unsere  Annahme,    dass  Azecho   abseits    der   Familie   sein    Soolengedäclitnis 


für  Kaiser  Konrad   1034  stiftete. 

Was  wir  weiter  von  Embricho  wissen,  ist  zunächst  seine  gleichfalls  I)oreits 
gomoldete  Zeugenschaft  im  Jahre  1044  bei  der  Stiftung  des  Seelengedächtnisses 
für  Wigger,  dessen  Tod  im  gleichen  Jahre  oder  nicht  lange  zuvor  damit  bezeugt 
wird.  Hierauf  begegnet  er  abermals  als  Zeuge  1048  bei  der  Gelegenheit,  wo 
eine  „domina  Blitrudis"  ihren  Hof  in  Lalmstein  unter  dem  Vorbehalt  des 
liückerwerbs  innerhalb  zweier  Jahre  für  25  Mark  an  Bleidenstat  verpfändet.') 
Als  Mitzeugen  werden  von  ihm  aufgeführt:  „Arnold  comes,  Gerlach  comes". 
Arnold  kennen  wir  bereits,  und  die  erste  Stelle  zeichnet  ihn  augenscheinlich 
als  Gaugrafen  für  den  Einrieb.  Aber  wer  ist  Gerlach?  Niemand  gibt  Auskunft. 
So  wagen  wir  die  Vermutung:  er  ist  der  im  Amte  Wiggers  nachrückende 
Bruder  und  mit  diesem  und  Arnold  ein  Sohn  des  niederlahngau'schcn  Grafen 
Gerlach,  der,  wie  Wenck-)  darthut,  in  Urkunden  von  996 — 1008  vorkommt  und 
ein  Sohn  des  im  Jahre  978  im  Einrieb  als  Graf  erscheinenden  Hugo  höchster 
Wahrscheinlichkeit  nach  sein  wird,  wie  derselbe  Gelehrte  glaublich  macht. ^) 
Dieser  aber  ist  unverkennbar  wiederum  ein  Sohn  des  974  eben  dort  bezeugten 
Rodbertus."*)  Nun  kann  ja  Embricho  in  die  Mitzeugenschaft  der  Brüder  Arnold 
und  Gerlach  als  Schwager  Wiggers  aufgenommen  sein,  wenn  er  nicht  etwa 
vogteiliche  Rechte  dabei  wahrnahm,  was  freilich,  nach  den  sonstigen  bleiden- 
stater  Einträgen  zu  urteilen,  nicht  immer  nötig  gewesen  zu  sein  scheint.  Näher 
aber  scheint  es  zu  liegen,  hier  eine  Familienangelegenheit  gebucht  zu  sehen. 
Die  in  Lahnstein  begüterte  Blitrudis  wird  die  verwitwete  Schwester  der  Brüder 
Arnold  und  Gerlacli  und  Embricho  ihrer  aller  Schwager  sein.  Das  letztere 
Verhältnis  werden  wir  ja  alsbald  näher  würdigen.  Deshalb  hier  nur  unsere 
nackte  Vermutung,  dass  Embricho's  Gemahlin  eine  Schwester  der  domina  l'li- 
trudis  sein  wird,  und  so  die  lahn-  und  königsgauischen  Familien  durch  Kreuz- 
heirat verbunden  erscheinen,  da  wir  Richildis  bereits  als  Embricho^s  Schwester 
und  Wiggers  Witwe  kennen  gelernt  haben. 

Zum  letztenmale  erscheint  Graf  Embricho  1052.  Es  ist  offenbar  nach 
dem  Tode  aller  seiner  Geschwister  und  Schwäger.  Er  bezeugt  an  erster  Stolle 
mit  seinen  nächsten  jüngeren  Verwanten :  „Dudo  et  frater  eins  Udalrich", 
von  denen  nachher  zu  reden  ist,  die  Stiftung  einer  „domina  Hemma"  für  deren 
verstorbenen  ungenannten  Gemahl  an  das  Kloster  Bleidenstat.  bestehend  in 
einem  Hofe  zu  Winkel.    Ihr  Bruder,  Graf  Ludwig,  der  hierzu  sein  Einverständ- 


')  NVill,  iloii.   IJl.   15,  Nr.  39.   —   -)  llist.  Abli.   1,  17  f.    -    'J  Ebenda    1.3.  —  ■•)  Sauer 
1,  46,  Nr.  95. 


32 

nis  bekundet,  lugt  noch  einen  Weinberg  in  Ibingen,  nach  seinem  Ertrag  auf 
drei  Karrenhisten  angeschhigen,  hinzu. ^)  Da  Yogel-),  wie  bereits  Schliephake^) 
nachgewiesen  hat,  unrichtig  vermutet,  dass  Hemma  die  Witwe  des  oben  ge- 
nannten Grafen  Sigfrid  sein  möge,  so  empfiehlt  es  sich,  mit  letzterem  anzu- 
nehmen, dass  es  die  Witwe  des  Grafen  Arnold  gewesen  sein  werde,  zumal  wir 
dies  durch  die  augeführte  verwantschaftliche  Beziehung  Embricho's  zu  unter- 
stützen vermögen.  Ludwig  aber  ist  der  Graf  des  Rhoingaues,  der  in  Urkunden 
zwischen  1050  und  1078  erscheinf*),  und  den  wir  deshalb  für  einen  sehr  viel 
jüngeren  Stiefbruder  Ilemma's  und  Adelind's  halten  müssen. 

Und  nun  erst  sind  wir  im  stände,  unser  längst  gegebenes  Versprechen 
betreffs  der  Yerwantschaft  Embricho's  mit  den  dietzischen  Grafen 
ganz  zu  erfüllen.  Denn  nun  gebietet  uns  die  Zeitfolge  von  dem  Embricho  zu 
sprechen,  den  die  Früheren  mit  dem  jetzt  besprochenen  verwechseln,  während 
wir  iim  als  seinen  Sohn  anzusprechen  haben,  da  zu  dieser  Zeit  auch  die  üb- 
rigen verwanten  Zeitgenossen  Embricho's  I.  :  Trutwin  seit  1034,  Wigger  seit 
1044,  Gerlach  seit  1048  und  Arnold  seit  1050  vom  Schauplatz  abgetreten  sind 
und  imr  der  soviel  jüngere  Rbeingraf  Ludwig  noch  am  Leben  ist.  Ausserdem 
tritt  Embricho  IL  als  lahugauischer  Graf  auf.  Als  solchen  lernen  wir  ihn  in 
der  Urkunde  König  Ileinrich's  IV.  vom  27.  Mai  1059  kennen,  wo  dieser  „sex 
mansos,  tres  scilicet  in  villa  Brechelebach,  duas  Sekaha,  unam  Westernaha,  in 
pago  autem  Logenahe  et  in  comitatu  Imbrichonis  comitis  sitos  ad  altare  S. 
Georgii  Martiris  in  loco  Lintpurc"  schenkt.^)  Desgleichen  bestätigt  derselbe 
König  am  24.  Februar  1062  die  Schenkung  seiner  Mutter  Agnes  für  das  Seelen- 
heil seines  Vaters,  Kaiser  Heinrich's  III,,  bestehend  in  je  einem  Mansus  zu 
Iladerichesbach  und  Hildeshagen,  an  dasselbe  Kloster.  Die  Orte  liegen  ebenso 
„in  comitatu  Embrichonis  comitis  et  in  pago  Logeuahe"^)  und  wie  Vogel  richtig 
hervorhebt'),  samt  den  bereits  genannten  „in  den  westervvälder  Kirchspielen 
der  Grafschaft  Dietz".  Am  deutlichsten  jedoch  wird  die  von  uns  gewählte  Be- 
zeichnung: „Embricho  IL"  durch  eine  Urkunde  des  Jahres  1073,  in  welcher 
der  Kanoniker  Wezzil  vom  S.  Victorstift  in  Mainz  „duos  mansos  apud  villam 
Budenheim  sitos  a  liberis  hominibus  comite  Embrichoue  et  fratre  suo  de  Di- 
desse  et  domino  Wolfgango"  kauft  und  an  den  Kreuzaltar  seiner  Kirche  schenkt.'*) 
liier  also  hat  Embricho  einen  Bruder,  den  schon  die  Bezeichnung  „de  Didcsse" 
von  der  Bruderschaft  mit  Embricho  I.  ausschliesst,  wenn  es  nicht  die  so  viel 
spätere  Zeit  thun  sollte.  Freilich,  da  man  die  Zeit  schon  bei  Embricho  nicht 
in  Anschlag  brachte,    konnte   es  geschehen,    dass  VogeP)    diesen    ungenannten 


')  Will,  Mon.  Bl.  15,  44;  Sauer  1,  55,  Nr.  110,  44.  -  "")  Boschr.  292.  —  ")  1,  132  f. 
Im  iihrigon  irrt  er,  wenn  er  Arnold  1052  zum  letztenniale  vorkommen  liisst.  Voj^ol  199  hat 
ihn  richtig  lOöO  zum  let/.tenmale  aus  Kaiser  Ileinriclis  IIT.  Urkinide  vom  I.  April  1050  ver- 
zeielinet,  in  der  dieser  der  Kirche  des  h.  Swibert  in  Werda  „vnam  aream  simul  cum  aedificiis 
et  cum  viia  vinea  in  villa  quae  dicitur  Cambo,  situm  et  in  comitatu  Arnold  i  et  in  pago  Enriche'' 
Kchenkt;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  123;  Lacomblet,  Urkundenbuch  1,  113,  Nr.  183;  Sauer  1, 
C4,  Nr.  122.  —  ^  Bodmann,  Rheing.  Alt.  570  ff.  —  •')  Krem  er,  Orig.  Nass.  2,  132  f.  - 
*)  Kbend»  2,  135  f.  —  ")  Boschr.  204.  '')  Oudonus.  du],  djpl.  1,  93R;  Kr  cm  er,  Orig. 
Xas».  2,   142  r.         ")  Hoschr.  204. 


33 

Bruder  von  Dietz  in  dem  Grafen  Gotebold  entdecken  zu  müssen  meinte,  der 
am  5.  Aug.  1053  bei  einer  Schenkung  des  Kaisers  Heinrich  III.  in  Vilimar  und 
andern  diesem  benachbarten  Orten  an  die  Abtei  S.  Mattheis  in  Trier  als  Graf 
des  Lahngaues  aufgeführt  wird.^)  Sein  leider  auch  sonst  allzu  willfähriger  Nach- 
folger Schliephake^)  hat  ihm  zugestimmt.  Und  doch  hatte  lange  zuvor  schon 
Wenck  geschrieben:  „Ich  w^ill  mich  zwar  nicht  darauf  berufen,  dass  in  dem 
Prozess,  worin  die  Urkunde  gebraucht  worden,  der  Gegentheil  sie  für  unächt 
erklärt,  muss  aber  doch  bei  näherer  Überlegung  bekennen,  dass  mir  dieser 
Godebold,  dessen  Namen  den  Rheinischen  Gegenden  so  ganz  und  gar  unbekannt, 
den  Ilennebergern  dagegen  so  eigenthümlich  ist,  als  würklicher  Graf  des  Nieder- 
Lohngaues  verdächtig  erscheint.  Da  man  einmal,  nach  unserer  obigen  An- 
führung, weiss,  dass  zu  gleicher  Zeit  ein  Zweig  des  Ilennebergischen  Geschlechts 
die  Grafenwürde  im  Lobdengau  und  Ober-Rheingau  im  Besitz  hatte,  so  mügte 
man  die  Vermuthung  wohl  weniger  auffallend  finden,  dass  etwa  damals  ein 
Herr  aus  dem  nemlichen  Geschlecht  durch  irgend  eine  unbekannte  Ursache  auf 
kurze  Zeit  in  den  Nieder-Lohngau  eingekommen.  War  er  etwa  Vormund  des 
Embricho  von  Dietz,  der  gleich  6  Jahre  nach  ihm  als  Gaugraf  erscheint?  In 
dem  Speiergau  kommt  unterm  Jahr  1114  ein  Elsbertus  Advocatus  in  vice  Ege- 
nonis  pueri  Advocati  vor^),  führt  also  blos  als  Vormund  des  Egenonis  pueri 
Advocati  selbst  den  Titul  eines  Advocati:  sollte  nicht  der  nemliche  Fall  auch 
bei  dem  Godebold  statt  finden?"  Da  wir,  ohne  Wenck*)  zuvor  zu  Rate  ge- 
zogen zu  haben,  der  gleichen  Meinung  waren,  so  kann  die  Übereinstimmung 
mit  ihm  nur  unsere  eigene  Annahme  bestärken,  und  wir  verzichten  um  so 
lieber  auf  seinen  in  den  „Histor.  Abhandlungen "-'*)  gemachten  Zusatz:  „Will  man 
indessen  diesen  Godebold  der  Dietzischen  Genealogie  nicht  nehmen  lassen,  so 
muss  er  der  Zeit  nach  eher  für  einen  älteren  Bruder  des  Embricho  von  Dietz,  als 
für  seinen  Vater  gelten",  als  wir  bereits  den  Tod  sämtlicher  in  Betracht  kom- 
menden Grafen  des  Niederlahngaus  mit  dem  von  gleichzeitigen  Verwanten 
nachgewiesen  haben.  Godebold  kann  nur  ein  fremder  Stellvertreter  der  1058 
noch  minderjährigen  dietzischen  Brüder  gewesen  sein,  einer  von  den  vielen, 
die  wir  seither  schon  im  Königsgaue  kennen  zu  lernen  hatten  und  die,  wie 
Bodmann^)  richtig  bemerkt,  „die  Reihe  der  ächten  Gaugrafen  und  ihre  Genea- 
logien gewöhnlich  verdunkeln." 

Wir  wollen  aber  nicht  die  den  Anlass  zu  dieser  Auseinandersetzung 
gebende  Urkunde  von  1073  verlassen,  ohne  den  in  ihr  genannten  Ort  Baden- 
heim, das  heutige  Bodenheim,  eines  näheren  Blickes  gewürdigt  zu  haben.  In 
den  früheren  Zeiten  wurde  es  nach  den  lorscher  und  fulder  Urkunden  in  den 
Wormsgau  gerechnet'),  und  wenn  es  auch  nachher  zum  Nahegau  zählte,  so 
gehörte  es  doch  immer  einem  Gaue  an,  in  dem  die  Leininger  begütert  waren. 
Sollte  uns  das  nicht 'zur  Stütze  unserer  Annahme  von  der  verwantschaftlichen 


1)  Y.  Hontheim,  Ilist.  trev.  1,  394;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  130  f.;  Beyer,  Mittol- 
rhein.  Urkundenbuch  1,  395,  Nr.  346,  2,  654,  Nr.  382;  Browor,  Aniial.  trevir.  1,  531  f.; 
Goerz,  Mittelrh.  Reg.  1,  384,  Nr.  1354.  —  -)  1,  131.  —  ^}  Act.  Pal.  3,  429,  Note  5.  — 
')  Hess.  Landesgesch.  1,  536,  Anin.  li.  —  •')  1,  34  f.  —  ")  Rheing.  AU.  G03,  a.  —  ')  Act. 
Pal.  1,  267. 

Annale n,    Bii.  XXVI.  3 


34 

Yerbiuduui,'  letzterer  mit  deu  künigsgaucr  Grafen  die  Yermutuug  gcstatteD, 
dass  liier  die  Veräusserimg  eiues  von  Leiuingen  ererbteu  Gutes  vorläge,  das 
um  so  mehr  auf  das  väterliche  Teil  Enibricho's  I.  kommen  mochte,  als  dieser 
durch  seine  von  uns  vermutete  lahngauische  Yermählung  nur  stiller  Teilhaber 
an  dem  nicht  veräusserungsfähigen  königsgauer  Ilausvermögen  sein  konnte,  wie 
z.  B.  an  Laurenburg,  wenn  wir  der  unbelegten  Aussage  v.  Arnoldi's^)  hier- 
über Glauben  schenken   dürfen? 

Eine  Teilung  des  Xiederlahngaus  zwischen  Embricho  IL  und  seinem  un- 
genannten IJruder  von  Dietz,  bei  der  ersterer  den  westerwälder,  letzterer  den 
Teil  an  der  Lahn  erhalten  hätte,  anzunehmen  hat  zwar  VogeP)  versucht,  wie 
nach  ihm  Schliephake.^)  Wir  sehen  uns  aber  nicht  genötigt,  ihnen  zu  folgen. 
Denn  von  den  hierbei  geltend  gemachten  zwei  Landgerichten  der  Grafschaft 
Dietz  zu  Reckenforst  und  Winden,  ist  das  letztere  erst  aus  dem  13.  Jahrhundert 
bezeugt.'*)  Ausserdem  war  der  Graf  nicht  an  eine  Gerichtsstätte  im  Gaue  ge- 
bunden.^) 

Berichten  wir  deshalb  nur  noch,  dass  Graf  Embricho  IL  uns  zum  letzten- 
male  107(3  als  Zeuge  bei  der  Stiftung  begegnet,  die  Graf  Trutwin  für  Begräb- 
nis und  Seelengedächtnis  seines  Vaters  Tuto  durch  Schenkung  von  6  Mark  aus 
den  Einkünften  in  Kloppenheim  und  mit  Wald  und  Feld  bei  Bleidenstat  an 
dieses  macht.^)  Sein  Name  steht  unmittelbar  hinter  dem  des  Bruders  Trut- 
win's,  Tuto,  als  der  eines  nächsten  Vetters  und  hinter  ihm  der  des  uns  bekann- 
ten Grafen  Ludwig  I.  „cum  filiis  suis",  nämlich  Rieholf  und  Ludwig  IL,  wie 
uns  Bodraann  belehrt.^)  Nahmen  wir  früher  an,  dass  Ludwig  I.  ein  Schwager 
des  Grafen  Arnold  sei,  so  werden  wir  ihn  einen  angeheirateten  Oheim  Eni- 
bricho's IL  nennen  müssen  und  dürfen  weiter  nebenbei  vermuten,  dass  dieser 
zugleich  Mitschwiegervater  Ludwig's  IL  sein  müsse.  Denn  Ludwig  IL  hat  einen 
Embricho  zum  Sohn  und  dieser  Name  ist  von  da  an  erblich  in  der  Rhein - 
grafenfamilie.  Wir  verbessern  damit  Bodmann^),  der  offenbar  von  diesem 
Erbnamen  ausgehend,  Embricho,  wie  früher  bemerkt,  zum  Stammvater  der  Rhein- 
grafen machen  wollte.     Die  Herkunft   Ludwig's  I.    bleibt   freilich    im  Dunkeln. 

4.   Erlieiratuiig  von  Eppsteiii-Tdsteiii. 

a.    Graf  Sigfrid  von  Nürings. 

Nachdem  wir  so  den  Anschluss  der  dietzischen  Grafen  an  die  königs- 
gauischen  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht  haben,  kehren  wir  zu  diesen 
zurück,  denen  wir  bereits  um  zwei  Glieder  vorangeeilt  sind,  aber  freilich  um 
abermals  einen  Anschluss  zu  besprechen,  den  der  Eppstein-Idsteiner  an 
sie,  den  man  bis  dahin  vergeblich  gesucht  hat. 

')  Gesch.  der  Oranien-Nassauisclien  Länder  1,  20.  —  *)  Besclir.  204.  —  ')  1,  1.31.  — 
*)  "Vogel,  Besclir.  204,  Anm.  5.  —  ^)  Waitz,  Verfassungsgescli.  4,  312:  „Die  gewöhnlichen 
Oerichtf  des  Grafen  haben  auch  in  dieser  Zeit  an  verscliiedenon  Stätten  innerhalb  seines  Gaues 
stattgefunden,  wahrscheinlich  da,  wo  von  jeher  die  Hunderten  sich  versammelten."  —  '^)  Will, 
Mon.  lil.  l'>  f.,  Nr.  53;  Sauer  1,  55,  Nr.  HO,  53.  —  ';  Kheing.  Altert.  571  f.  —  ")  Rheing. 
Altert.  570  f.;  Vogel,  Beschr.  229  f. 


35 

Wir  brachen  oben  bei  Trutwin  IL  ab,  von  dem  wir  festgestellt  hatten, 
lass  er  zwischen  1034  und  1040  gestorben  sein  müsse,  da  wir  1040  einen 
iigfrid  als  Grafen  des  Königsgaues  trafen.  Von  diesem  nun  nimmt  Vogel 
m,  dass  er  ein  Nachkomme  seines  „Drutwin  IIL",  unseres  Trutwin  II.  und 
ler  Vater  des  mainzer  Erzbischofs  Sigfrid  I.  (1059 — 1084)  gewesen  sei,  den 
;uerst  Bruschius  einen  „baro  de  Eppenstein",  Dieffenbach  in  einem  hand- 
ciiriftlichen  Kataloge  einen  „comitem  de  Eppenstein"  nennt  und  den  Fr.  Cor- 
lelius  in  seinem  „lireviarium  fuldense"  ebenfalls  von  den  Eppsteinern  stam- 
nen  lässt^),  wie  auch,  fügen  wir  hinzu,  Brower  von  seiner  eppsteiner  Abkunft 
pricht.^) 

So  verlockend  aber  auch  eine  solche  Annahme  erscheint  und  so  sehr  ihr 
Jchliephake^)  seine  vorsichtige  Unterstützung  geliehen  hat,  so  wenig  besteht 
,ie  vor  einer  näheren  Beleuchtung.  Die  bereits  oben  gestreifte  Urkunde  vom 
I.  März  1040^)  besagt  allerdings,  dass  Sigfrid  Graf  der  Königssundara  war,  als 
vaiser  Heinrich  III.  die  Schenkung  Otto's  III.  in  Scerdistein  an  das  Hochstift 
n  Augsburg  bestätigt.  Und  Schliephake  zieht  mit  Recht  noch  die  Urkunde 
-om  4.  April  1057  heran,  in  der  offenbar  derselbe  Graf  Sigfrid  den  Rechts- 
ipruch  König  Heinrich's  IV.  und  der  Fürsten  mitbezeugen  hilft,  dass  der 
,miles"  des  Erzbischofs  Luitpold  von  Mainz,  Udalrich,  zum  dreifachen  Schaden- 
srsatz  für  das  angehalten  worden  sei,  was  er  sich  widerrechtlich  von  der  Be- 
litzung  des  St.  Michaelsklosters  zu  Bamberg  in  demselben  Schierstein  angeeignet 
latte,  nachdem  er  1052,  damals  unter  Entschädigung,  zur  Verzichtleistung  auf 
seine  Ansprüche  genötigt  worden  war.-^)  Aber  nicht  nur,  dass  in  dem  zuletzt 
genannten  Zeugnis  von  einem  königsgauer  Grafentum  Sigfrids  nicht  mehr  die 
Rede  ist,  so  verbietet  sich  auch  nach  1040  ein  solches  Amt  dadurch,  dass,  wie 
)ben  dargethan,  Embricho  1052  als  comes  den  Brüdern  Tuto  und  Udalrich 
/oransteht,  demnach  als  Gaugraf  betrachtet  sein  muss.  Dass  er  1040  nicht 
iuch  als  solcher  auftritt,  mag  sich  daraus  leicht  erklären,  dass  er  damals  im 
Feldzug  gegen  die  Böhmen  die  königsgauer  Mannschaft  führte.  Denn  ihn  dort- 
n"n  mitzunehmen  und  in  der  Heimat  ihm  einen  Stellvertreter  in  der  Person 
Bigfrid's  zu  bestellen,  wird  König  Heinrich  HI.  um  so  angemessener  erschienen 
sein,  als  Embricho  dessen  Vater  nach  unserer  früheren  Annahme  Schwierig- 
keiten bereitet  hatte.  Freilich  könnte  sich  die  Sache  auch  so  verhalten  haben, 
lass  Trutwin  IL  mit  dem  Bruder  Embricho  und  ihrer  beiden  Vetter  Tuto  IL 
in  den  Krieg  gezogen  wären  und  der  erste  und  letzte  dort  ihren  Tod  gefunden 
lütten.'^) 

Aber  auch  die  eppsteiner  Abstammung  Sigfrid's  zerfällt  vor  der  Erwägung, 
lass  für's  erste  die  Eppsteiner  als  solche .  niemals  Grafen  gewesen  sind,  sondern 

^)  Joannis,  Rer.  mog.  1,  496.  —  ^j  FuUlensium  antiquit.  libr.  IIIL  Antwerpen  1G12. 
rS:  .,Eppensteiniorum  illustri  sanguine."  —  ^)  1,  132  u.  136.  —  •*)  Siehe  Anni.  6,  S.  23.  — 
')  Schannat,  Vindem.  litor.  1,  43  im  Auszug;  Schlieph.  1,  132,  134;  Vogel,  Besclir.  293; 
ßühmer,  Regesta  85,  Nr.  1793;  Will,  Regesten  1,  179,  Nr.  17.  —  ■*)  Die  Nachricht  des 
Hermannus  contractus  in  seiner  Chronik  zum  Jahre  1040  würde  dies  glaublich  machen:  .,Hen- 
ricus  rex  duceni  Bo<"miae  hello  petit,  sed  multis  proccribus  et  militibus  in  praestructione  sylvae 
jitra  et  ultra  oooisis  vel  oaptis  nil  dignuni  cfficere  potuit.**    Struvc,  Rer.  ijerni.  !<cri])t.   1.  281. 

3* 


36 

einfache  doniini,  und  für's  zweite,  was  schwerer  wiegt,  dass  der  Name  Sigfrid 
bei  ihnen  erst  vom  13.  Jahrhundert  au  und  auch  da  nur  in  den  drei  Trägern: 
Sigfrid  II.,  Erzbischüfe  von  Mainz  (1201—1230),  Sigfrid  III.,  seinem  Nachfolger 
(1230—1240)  und  Sigfrid,  Herrn  zu  Eppstein  (1283— 131G)  vorkommt.  Der 
hier  in  Rede  stehende  Graf  Sigfrid  ist  vielmehr  dem  benachbarten  Niddagaue 
zuzuweisen  und  deuthch  ein  Graf  von  Nürings,  wie  der  Stammbaum  schon 
bei  Bodmann  darthut.')  Letzterer  hat  seine  Aufstellung  freilich  nicht  urkundlich 
belegt,  auch  scheint  sie  nicht  von  willkürlichen  Annahmen  frei.  Gleichwohl 
stimmt  in  ihr  das  für  Sigfrid  angesetzte  Jahr  1057,  ausserdem  können  wir 
das  Geschlecht  derer  von  Nürings,  in  dem  der  Name  Berthold  vorwiegt,  wenigstens 
1081  im  Niddagaue  nachweisen.  Denn  in  diesem  Jahre  beurkundet  Erzbischof 
Sigfrid  I.  von  ]\lainz,  dass  der  edle  Mann  Ruodeger  und  dessen  Ehefrau  der 
Kirche  des  Klosters  S.  Alban  daselbst  zu  ihrem  Seelenheile  6  Mausen  zu  Erlen- 
bach im  Niddagau  in  der  Grafschaft  Berthold's  und  Sigfrid's  geschenkt  haben.-) 
Als  weltliche  Zeugen  sind  dabei  hinter  dem  Stadtpräfekten  G ebene  der  Reihe 
nach  angegeben  die  Grafen  Drutwin,  Sigfrid  und  dessen  Sohn  Berthold,  Gerlach 
und  Rudolf.  Ausserdem  ist  der  letztgenannte  Sigfrid  schon  1069,  1071,  1074 
und  1079  nachzuweisen.^)  Er  kann  also  füglicli  als  Sohn  des  von  uns  als 
Stellvertreter  im  Königsgau  angenommeneu  Grafen  Sigfrid  gelten,  wiewohl 
Bodmann  ihn  zum  Sohne  Ezzo's  macht. 

Ilaben  wir  aber  damit  in  Sigfrid  einen  Grafen  des  Niddagaues  und  insbe- 
sondere von  Nürings  entdeckt,  so  dürfte  sich  nebenbei  auch  wohl  die  alte  Frage 
nach  der  Herkunft  des  ihm  von  Vogel  zum  Sohne  gegebenen  Erzbischofs 
Sigfrid  I.  der  Lösung  näher  führen  lassen.  Dass  mau  diesen  so  beharrlich*) 
einen  Eppensteiner  nennen  konnte,  wird  in  erster  Linie  vermutlich  daher  kommen, 
dass  der  zweite  Träger  dieses  Namens  auf  dem  mainzer  Erzstuhl  wirklich  ein 
solcher  war.  Es  kann  aber  ebensogut  daher  rühren,  dass  man  in  späterer  Un- 
kenntnis des  Sacliverhaltes  für  eppensteinisch  ansah,  was  von  Hause  aus  nüringisch 
war,  da  die  nUringische  Erbschaft  teils  auf  Falkenstein,  teils  auf  Eppstein  ge- 
kommen war.^)  Und  dieser  Meinung  möchten  wir  sein,  indem  wir  die  Ver- 
mutung aussprechen,  dass  Erzbischof  Sigfrid  I.  ebenfalls  dem  Geschlechte  derer 
von  Nürings  zuzuzählen  sein  werde.  Wir  vermögen  diese  allerdings  nur  durch 
denselben  Eintrag  in  das  bleidenstater  Register  zu  stützen,  denWilK')  für  seine 
Vernmtung,  dass  Sigfrid  eppensteinischer  Abkunft  gewesen  sei,  herangezogen 
hat:  „A.  dorn.  ]\ILXXVII  dominus  Sifridus  archiepiscopus  dedit  nobis  pro  anni- 
versario  parentum  suorum  XII  marcas,  que  cedunt  de  curia  sua  in  Hoste. ''^) 
Aber  da  wir  nachgewiesen  haben,  dass  der  Name  Sigfrid  zu  dieser  Zeit  nicht 
eppensteinisch  sein  kann,  so  dürfen  wir  in  Höchst,  das  niemals  eppensteinisch 
war,    nüringischeii  Besitz  erwarten.     Denn    es    ist  doch  anzunehmen,    dass    der 

')  Rheing.  Altert.  57G.  —  -)  Will,  Regesten  1,  214,  Nr.  149.  —  'j  Sauer  1,  G8  f., 
Nr.  127,  70,  Nr.  28;  Will,  Mon.  Bl.  16,  Nr.  66,  20,  Nr.  6.  —  ■*)  Herr  Professor  Otto  macht 
mich  darauf  aufmerksam,  dass  auch  Theod.  Lindner,  Allg.  deutsche  Biographie.  Leipz.  1892. 
24,  258  noch  die  oppstoinische  Abkunft  Sigfrid's  behauptet.  Er  ist,  wie  Roth,  Gesch.  der 
Stadt  Wiesl».  12,  Anni.  2,  in  Banne  seiner  Vorgänger.  —  ^)  Bodmann,  Rlieing.  Altert.  38. 
—  ")  Rogosten  1,  LVI.  -     ')  Will,  Mon.  Bl.   16,  Nr.  56;  Sauer  1,  55,  Nr.   HO,  56. 


37 

Erzbischof  vom  Familiencrbgiit  das  Soeleugedüclitnis  seiner  Vorfahren  bestellt 
haben  werde.  Ausserdem  will  uns  die  Wahl  Blcidenstats  für  dies  Gedächtnis 
bezeichnend  erscheinen.  Hierher  hatte  die  „domina  Adeliud,  vidua  Bertholdi 
comitis"  im  Jahre  1061  ihren  Hof  in  Patersberg  gestiftet.^)  Dieser  lierthold 
aber,  der  im  Jahre  1042  und  1043  vorkommt^),  muss  der  Zeit  nach  ein  Bruder 
des  vorhin  genannten  Grafen  Sigfrid  sein.  Es  ergibt  sich  also  die  Möglichkeit, 
dass  er  der  Vater  des  Erzbischofs  Sigfrid  I,  war.  Ihm,  der  Mutter  und  früheren 
Vorfahren  ein  Gedächtnis,  zu  dem  er  in  seinem  viclbewegten  Leben  bis  dahin 
nicht  gekommen  sein  mochte,  zu  stiften,  dazu  konnte  diesen  offenbar  nur  der 
Gedanke  bewegen,  dass  er  zu  dieser  Zeit  flüchtig  von  seinem  Erzbischofssitze 
und  ungewiss  über  seine  Zukunft  sein  Haus  im  Geiste  der  Zeit  auch  nach 
dieser  Seite  hin  bestellen  müsse.  Betrat  er  doch  auch  von  da  an  die  Heimat 
nicht  wieder,  sondern  starb  7  Jahre  später  in  Thüringen.^) 

b.    Tuto  II.  und  HI.     Udalrich  I. 

Genug.  Wir  "meinen  mit  diesem  allem,  ablehnend  und  Neues  setzend,  aus- 
reichend dargethan  zu  haben,  dass  die  Verbindung  des  Hatto-Trutwin'schen 
mit  dem  Eppenstein-Idsteiner  Hause  sich  nicht  an  den  Namen  Sigfrid's  knüpfen 
lässt.  Die  Brücke  zwischen  beiden  ist  uns  vielmehr  der  Name  Udalrich. 
Dessen  idstein-eppensteinische  Herkunft  erscheint,  wie  sich  alsbald  ergeben 
soll,  durch  die  Folgezeit  gesichert.  Seines  Vorkommens  in  der  Königssundra, 
unabhängig  von  dem  Hatto's,  haben  wir  schon  zu  zweien  Malen  früher  gedenken 
müssen.  Wir  hatten  bereits  aus  dem  Besitz  der  Träger  dieses  Namens  auf 
eine  gewisse  Familienverbindung  mit  den  Hattoen  schliessen  zu  sollen  gemeint. 
Nun  aber  begegnet  uns  der  Name  Udalrich  im  Hatto-Trutwin'schen  Hause 
selber.  Wir  fanden  1052  ,Dudo  comes  et  frater  eins  Udalrich"  als  Zeugen 
angegeben.*)  VogeP) glaubt  diese  ohne  weiteres  als  Nachkommen  „Drutwin's  IH." 
bezeichnen  zu  dürfen.  Das  erlaubt  ihm  aber  weder  ein  ausdrückliches  geschicht- 
liches Zeugnis,  noch  der  Name  Tuto,  der  in  diesem  Geschlechtsalter  an  die 
Stelle  desjenigen  Trutwin's  tritt  und  von  da  bis  zu  seinem  Erlöschen  noch 
zweimal  mit  dem  brüderlichen  Trutwin's  erscheint.  Vielmehr  ist  gerade  dieser 
letzteren  Thatsache  wegen  anzunehmen,  dass  Trutwin  II.  nach  dem  Jahre  1035 
oder  1040  ohne  männliche  Erben  gestorben  war,  und  die  Nachfolge  im  Gau- 
grafentum,  nachdem  wir  sie  im  Jahre  1052  in  den  Händen  seines  Bruders 
Embricho  gesehen  haben,  auf  die  Nachkommen  seines  Geschwisterkindsvetters 
Tuto  II.  überging,  der,  wie  wir  oben  erwähnten,  im  Jahre  1005  mit  seiner 
Mutter  Rotrude  die  Einwilhgung  zur  Stiftung  seines  Vaters,  Tuto  I.,  für  ein 
Familienseelengedächtnis  gab,  und,  wie  wir  nachher  möglich  sein  Hessen,  im 
Jahre  1040  gefallen  sein  mochte.  Von  diesem  nun  muss  behauptet  werden, 
dass,  wie  er  der  Vater  Tuto's  III.  und  Udalrich's  ist,  so  auch  um  des  Namens 
dieses  seines  zweiten  Sohnes  willen  der  Gemahl  einer  idstein-epponsteinischen 
Standesgenossin  sein  wird.     Denn  von  Udalrich  L,   wie  wir  ihn  als  den  erster. 


')  Will,  Mon.  Bl.  15,  Nr.  51;  Sauer  1,  55,  Nr.  110,  51.  —   -)  Vogel,  Beschr.  195  f. 
—  3)  Will,  Regesten  1,  212,  Nr.  135;  217,  Nr.  163.  —  ')  S.  Anm.  1,  S.  32.  —  ")  Beschr.  2'J^>  f- 


38 

dieses  Nameus  iu  der  giuigräHichen  Familie  uenncu  niiisscn,  verzeichnet  der 
bleidenstater  Abt  im  Jahre  1057:  „Udah-icho  comiti  veudidi  equum  pro  XVI 
marcis,  pro  quibus  comparavi  agros  nostris  coutermiuatos  in  Auroffa."^)  Nun 
ist  ja  wahr,  dass  diese  Worte  nicht  ohne  weiteres  von  einem  Tauschgeschäft 
berichten  müssen.  Erwägen  wir  aber,  dass  Auroff  der  nächste  Nachbar  Idstein's 
ist,  so  müsste  doch  wohl  ein  ungeheuerer  Zufall  walten,  wenn  der  Abt  bei 
dieser  Geleo-enheit  gerade  hier  Güter  erworben  haben  sollte,  wo  wir  in  nächster 
Nähe  den 'Sohn  Udalrich's  als  Grafen  später  finden  werden,  wo  noch  dazu  ein 
idsteinischer  Burgmann  „Egiuolf  von  Eythichenstein",  genannt  Musiliu,  mit  seiner 
Gattin  Justitia  1253  eine  Schenkung  von  seineu  Gütern  zur  Beleuchtung  der 
Martinskapelle  in  Blcidenstat  macht.^)  Wir  haben  deshalb  wohl  ein  Recht, 
auch  hier,  wie  bei  Wigger,  Embricho  und  Hugo  von  Wiesbaden,  das  Kloster 
als  Güterbank  und  den  Grafen  Udalrich  als  Verkäufer  eines  Besitzes  in  Auroff 
oder  auch  in  idsteiuischer  Markung  zu  erkennen,  der  uns  ihn  als  idsteinischen 
Besitzer  enthüllt. 

Damit  aber  kein  Zweifel  darüber  sei,  in  wessen  Händen  sich  ehemals 
dieser  Besitz  befunden  habe,  ziehen  wir  aus  demselben  bleidenstater  „Registrum" 
die  Aufzeichnung  zum  Jahre  1024  heran.  Diese  besagt:  „Dominus  Rutgerus 
tradidit  nobis  curiam  suam  in  Itigisten,  ut  agatur  eins  memoria."^)  Der  Name 
Ruto-er  ist  sprachlich  derselbe  mit  Ruger.*)  Ein  Ruger  aber  hat  sich  uns  schon 
üben  samt  dem  Bruder  „praepositus"  Udalrich  nach  927  als  Enkel  des  Grafen 
Udalrich  ergeben.^)  Rutger  hier  gehört  demnach  demselben  Geschlechte  an.") 
Da  nun  die  Bestellung  des  Seelengedächtnisses  auf  ein  höheres  Alter  schliessen 
lässt,  so  muss  Rutger  Tuto  L  gleichalterig  gewesen  sein ;  und  das  legt  es 
nahe,  in  ihm  den  Schwiegervater  Tuto's  II.  zu  erblicken.  Freilich  war  Rutgcr 
nicht  in  unmittelbarer  Geschlechtsabfolge  der  Nachkomme  jenes  Grafen  Udalrich, 
der  mit  seiner  GemahUn,  wie  wir  sahen,  in  Wildsachsen  und  Hausen  Schenkungen 
an  Blcidenstat  gemacht  hatte,  aber  er  war  der  Nachkomme  der  Enkelin  beider, 
Vodilhiklis,  die  offenbar  mit  einem  Ruger  oder  Rutger  vermählt  war;  und  es 
wäre  nicht  unmöglich,  dass  dieser  Inhaber  idsteinischer  Besitzungen  gewesen  ist  und 
letztere  infolge  seiner  Verbindung  mit  der  Erbtochter  Udalrichs  mit  denen  bei 
Eppstein  vereinigt  hatte.  Der  Name  unseres  Rutger  w^äre  dann  Bürge  für 
diesen  urväterlichen  Besitz. 

Von  seinem  mutmasslichen  Enkel  Udalrich  I.  dürfen  wir  nun  aber  auch 
wühl  sagen,  warum  er  1057  ein  Pferd  in  Blcidenstat  erhandelte.  Unmittelbar 
\i)v  dem  diesen  Handel  bezeugenden  Eintrag  steht  der  andere  des  Abtes : 
„Dedi  Herdeno  VIII  marcas,  (juando  iu  Saxoniam  profectus  est,  de  quibus 
habemus  censuni  111   solidorum    de    curia    sua  in   Gisinheim."^)     Nun    berichtet 

')  Will,  Mon.  Bl.  15,  Xr.  r)0.  —  ^j  Vogel,  Beschr.  570.  —  ^)  Will,  Mon.  Bl.  13,  Nr.  16. 
—  *)  Vgl.  Förstemanii  1,  727  f.  —  ^)  Siehe  S.  17.  —  •"■)  Freiherr  Schenk  von  Schweins- 
berg hat  seinen  Irrtum,  Kutger  zum  Bruder  des  praepositus  Udalrich  gemacht  zu  haben  (Korre- 
ppondonzbl.  1874.  68  und  in  der  beigegebenon  Stammtafel),  stillschweigend  verbessert  in  den 
., Mitteilungen  des  iianauer  Bezirksvereins''  1880,  Nr.  6,  S.  25,  wo  er  gleich  uns  Kutger  einen 
Nachkommen  Kuger's  sein  lässt.  —  '')  Will,  Mon.  Bl.  15,  Nr.  49;  Sauer  1,  55,  Nr.  110,  49. 
l'roficisci  ist  hier  deutlich  das  ahd.  reisi'in,  wovon  reis«  itcr  und  fxpeditio  niilitaris,  daher  auch 
mhd.  =  ins  Feld  ziehen.     Vgl.  Graft'  2,  524;  Lexer  2,  395. 


39 

Lambert  von  Aschaffenburg  in  seinem  Zcitbuche,  dass  die  Sachsen  auf  Anstiften 
Otto's,  des  natürlichen  Bruders  des  soeben  verstorbenen  Älarkgrafen  Wilhchn, 
sich  1057  verschworen  hatten,  nicht  bloss  Otto  an  dessen  Stelle  zu  setzen, 
sondern  auch  den  7jährigen  König  IFoinrich  IV.  aus  dem  Wege  zu  räumen 
und  ihrem  in  Aussicht  genommenen  Markgrafen  die  deutsche  Königskroac  auf- 
zusetzen. Die  Ileichsregierung,  davon  in  Kenntnis  gesetzt,  lässt  den  jugendlichen 
König  früher  nach  Sachsen  aufbrechen.  Dieser  eilt,  in  Merseburg  den  l'eter- 
und  Paulstag  (21).  Juni)  zu  feiern  und  dort  die  sächsischen  Fürsten  zu  einer 
Beratung  zu  treflFen.  Als  man  nun  dorthin  zieht,  ein  jeder  nach  seinem  Ver- 
mögen umgeben  von  einem  grossen  Ileerhaufen  („pro  sua  singuli  copia  magna 
militum  manu  stipati"),  geschieht  es,  dass  die  Vettern  des  Königs  Brun  und 
Ekbert  durch  Zufall  in  den  Haufen  des  dem  Königshof  zueilenden  Otto  geraten. 
Es  entspinnt  sich  sofort  ein  noch  von  eigener  gegenseitiger  Erbitterung  geschürter 
Kampf,  in  dem  Brun  und  Otto  sich  einander  durchbohren,  und  Ekbert,  obschon 
verwundet,  die  führerlose  Sachsenschar  zur  Flucht  treibt,  sodass  diese,  ihres 
Baunerträgers  beraubt,  nichts  weiter  gegen  den  König  zu  unternehmen  wagen. ^) 
Sollte  es  da  zu  viel  gewagt  sein,  den  Pferdeskauf  mit  diesem  starken  Zuge 
nach  Sachsen  in  Verbindung  zu  setzen? 

Und  wenn  wir  nun  gar  im  stände  wären,  die  Geldnot  Udalrichs,  die  ihn 
zur  Veräusserung  von  Grundbesitz  veranlasste',  zu  erklären!  Mau  hat  seit 
Weuck  angenommen,  dass  unser  Udalrich  derselbe  mit  dem  schon  oben  er- 
wähnten Udalricus,  „Luitpoldi  Magontiensis  Episcopi  miles"  sei,  der  wegen 
Majestätsbeleidigung  unter  Heinrich  III.  in  die  Reichsacht  gethan,  längere  Zeit 
in  Italien  zubrachte,  dann  zurückgekehrt  im  Jahre  1052,  durch  einen  Reichs- 
tagsbeschluss  zu  Mainz  am  9.  Juni  gegen  Entschädigung  auf  seine  Ansprüche 
an  das  „predium  Scerstein",  das  Kaiser  Heinrich  II.  dem  Michaels-Kloster  in 
Bamberg  geschenkt  hatte,  verzichten  musste,  nach  dem  Tode  Heinrichs  III. 
aber  sich  gewaltsam  in  den  Besitz  der  Güter  setzte  und  deshalb  am  4.  April 
1057  auf  dem  Reichstag  zu  Worms  zur  Erstattung  des  dreifachen  Schaden- 
ersatzes verurteilt  wurde. ^)  Schon  Wenck  vertrat  mit  urkundlichen  Belegen 
die  Meinung,  dass  die  Bezeichnung  „Udalricus  miles  quidam"  der  Urkunde 
dessen  gräflicher  Würde  keinen  Eintrag  thue,  und  wir  können  seinen  Belegen 
noch  die  weiteren  hinzufügen,  dass  auch  Graf  Adelbert  von  Calw  unter  die 
„milites  et  fideles"  des  Klosters  Lorsch  gezählt  wurde  und  Erzbischof  Sigfrid  I. 
in  einer  Urkunde  von  1074  vom  Grafen  Bertold  von  Ravengirsburg  sagt: 
„Bertoldus  etiam  comes  Miles  noster  effectus  cst."^)  Es  hindert  also  nichts, 
dass  unser  Graf  Udalrich  auch  Vasall  von  Mainz  für  Güter,  die  er  von  dorther 
zu  Lehen  trug,  sein  konnte.  War  das  aber  der  Fall,  so  war  der  dreifache 
Schadenersatz  für  das  Schierstein  Entzogene  wohl  im  stände,  seine  Kasse  zeit- 
weilig zu  erschöpfen  und  ihn  zwischen  dem  4.  April  und  29.  Juni  zur  A^er- 
äusserung  von  Grundstücken  in  der  auroffer  oder  idsteiuer  Gemarkung  zu  nötigen. 


^)  Struve,  Rer.  germ.  script.  1,  323.  —  -)  Wenck,  Histor.  Abli.  1,  66;  Will,  Ke- 
gesten 1,  177,  Nr.  2.  S.  oben  Anm.  5,  S.  35.  Sclieuk  v.  Schweinsberg,  Mitteilungen  des 
Hanauer  Bezirksver.  6,26.  —  ")  Cod.  laur.  1,  183;  Gudcnus,  Cod.  dipl.  1,  379.  Vgl.  übrigens 
auch  Waitz,  Verfassungsgcsch.  3,  457;  4,  216  f.  und  523. 


40 

um  seiuer  Reichspflicht  auf  dem  Zuge  gegen  die  Sachsen  zu  genügen.  Yon 
einem  Besitze  des  gaugräHichen  Hauses  in  Schiersteiu  wissen  zwar  unsere 
dürftigen  Quellen  nichts,  aber  mit  Recht  bemerkt  Schliephake:  „dass  Udal- 
rich  nicht  ohne  Ansprüche  auf  das  streitige  Gut  war,  wird  deutlich  genug  durch 
die  ihm  früherhin  bewilligte  Entschädigung  bewiesen."  Und  wenn  etwas  die 
Zugehörigkeit  Udalriclfs  zur  künigsgauer  CJrafenfamilie  darthuu  möchte,  so  ist 
OS  dieser  Familienzug  des  hartnäckigen  Bestehens  auf  ihrem  Rechte  und  ihrer 
Überzeugung  wider  Kaiser  und  Kirche,  den  später  der  Burgbau  in  Nassau 
mit  allen  seinen  Folgen  in  ein  so  deutliches  Licht  gestellt  hat  und  den  wir 
schon  früher  bei  Einzelnen  des  Geschlechts  wenigstens  andeuten  konnten,  so 
vieler  Züge  gleicher  Art  in  so  viel  späterer  Zeit  bis  herab  auf  den,  der  dem 
letzten  tapferen  Nassauer  den  Thron  kostete,  nicht  zu  gedenken. 

Dagegen  müssen  wir  uns  hier  einmal  für  allemal  dagegen  verwahren, 
duss  man  noch  länger  unseren  Grafen  Udalrich  mit  dem  berüchtigten  Ratgeber 
des  Kaisers  Heinrich's  IV.,  Udalrich  von  Gosheim  oder  wie  ihn  Lambert 
von  Aschaffenburg  nennt,  von  Cosheim^),  für  dieselbe  Person  halte.  Unseres 
Wissens  hat  Wenck  diesen  Irrtum  in  unsere  Geschichte  eingeführt,  wohlweis- 
lich aber  Udalrich  von  Gosheim  der  Zeit  wegen  zu  einem  Sohne  unseres  Udal- 
rich gemacht^),  während  Vogel^)  und  Schliephake^),  letzterer  nach  seiuer 
Art  mit  vorsichtigem  Vorbehalt,  ihn  ohne  weiteres  denselben  sein  lassen. 
Lambert 's  Gosheim  ist  ihnen,  wie  schon  Wenck  und  nach  ihm  Bodmann^), 
fraglos  Costheim  bei  Mainz  „in  der  Herrschaft  Eppstein."  Dieses  Costheim 
aber  hiess  zu  der  Zeit,  wie  Bodmann  im  Widerspruch  mit  sich  selbst  in  dem- 
selben Atem  berichtet,  Kuffstein  und  findet  sich  nach  ihm  noch  1115  unter 
dem  Namen  „castrum  Cuphese."  Jener  Udalrich  war  zudem  von  Gosheim 
oder  Godesheim^) ;  und  noch  viel  mehr :  unser  Udalrich,  wie  sich  alsbald  ergeben 
wird,  im  Jahre  1076,  als  jener  Udalrich  von  Gosheim  in  den  päpstlichen  Bann 
gethan  ward,  gar  nicht  mehr  unter  den  Lebenden. 

Dagegen  sind  wir  berechtigt  im  Blick  auf  den  oben  uns  bekannt  ge- 
wordenen „Udalricus  prepositus  in  Ilornauwe"  den  „Udalricus  advocatus", 
der  uns  in  zwei  Urkunden  des  Erzbischofs  Sigfrid  aus  den  Jahren  1067  und 
1071  als  Zeuge  begegnet,  als  unseren  in  Rede  stehenden  Grafen  anzusprechen. 
In    der  ersteren  bestätigt   der  Erzbischof  auf  Bitten  des  Propstes  Thiemo  und 


')  Struve,  Rer.  germ.  script.  1,  364  f.,  367,  416,  420,  428.  —  ^)  Hist.  Abb.  1,  67.  — 
')  Beschr.  293.  —  ')  1,  135.  —  ^)  Rheing.  Altert.  602.  —  •■')  Den  Sachverhalt  hatte  bereits 
Schmidt,  Annalen  3,  2,  10  erkannt,  und  Floto,  Gesch.  Kaiser  Heinrieh's  IV.  und  seines 
Zeitalters  I,  397  es  bewiesen,  dass  Godesheim  an  der  Weser  oberhalb  Höxter  die  Heimat 
jenes  Udalrich  sei,  da  die  Sachsen  ihn  im  Spotte  .,  Ritter  vom  Gottoshass**  nannten,  indem  sie 
das  Godesheim  in  ein  Godeshus  umdachten.  \Yenn  nun  Schlieph.  l,  135  Floto  bemängeln 
/u  können  meint  mit  der  Bemerkung:  „Nach  oberdeutscher  Aussprache  ist  Gosheim  und  Gos- 
heim kaum  zu  unterscheiden,  so  konnte  Gosheim  als  Gusheim  verstanden  und  für  Gottesheim 
gesetzt  werden",  so  ist  gerade  das  Gegenteil  riclitig.  Das  scharf  gesprochene  westfälische  G 
fiel  in  das  süddeutsche  Ohr  Lambrecht's  als  K  (C)  und  so  schuf  er  sein  irreführendes  Gos- 
heim. Von  diesem  zu  CoHthcim  ist  ausserdem  nooh  ein  gewaltii^er  Schritt,  den  sirh  keine 
Mundart  trotz  aller  Liebe  zur  iiuchstabenversctzung  erlaubt:   is  wird  nie  st. 


41 

des  Stiftes  S.  Peter  zu  ^[ainz  dessen  Stiftung  durch  seinen  Vorgänger  Fridrich, 
insbesondere  die  Sclienkung  der  Kirclie  zu  Eltville  und  der  Dörfer  Walluf, 
Steinheim,  Kiedrich,  Erbach  und  llattenheim.^)  In  der  letzteren  gibt  er  seine 
Genehmigung  zu  dem  Spruche  des  auf  der  Lützelau  unter  dem  Vorsitze  des 
Grafen  Ludwig  abgehaltenen  Gaugerichts,  durch  den  die  von  der  Matrone 
Ililtrudis  und  ihrem  Sohne  unter  Zustimmung  ihres  Vormundes,  des  Grafen 
Ludwig,  dem  Stifte  S.  Peter  zugewendeten  Schenkungen  in  Winkel,  Eibingeu 
und  ]jorch  bestätigt  werden.  2)  Ausserdem  wird  es  unser  Udalricus  sein,  der 
in  der  Urkunde  desselben  Kirchenfürsten  vom  Jahre  1070  mit  einer  ganzen 
Reihe  anderer  Grafen,  unter  diesen  auch  dem  hier  nur  nicht  mit  Bruder  be- 
zeichneten „Dudo",  bezeugen  hilft,  dass  schon  von  Erzbischof  Lupoid  dem 
Kloster  S.  Jakob  in  Mainz  die  zu  den  Zeiten  des  Erzbischofes  Bardo  erbaute 
Basilica  des  h.  Nicomedes  geschenkt  worden  sei.'"')  Weiter  ist  auch  wohl  kein 
anderer  als  der  unsere  jener  „Vodalricus  comes",  den  wir  in  der  Mitte  zwischen 
den  Grafen  Rudolf  und  Erkenbrecht  1072  als  Zeugen  bei  der  Bestätigung 
des  Besitzes  der  erzbischöflicben  Höfe  im  Erzstift  seitens  des  S.  Peterstiftes 
durch  den  Erzbischof  Sigfrid  antreffen.^)  Endlich  wird  ein  Udalricus  in  der 
von  Kindlinger  nur  unvollständig  überlieferten  Urkunde  von  1074  genannt, 
in  der  abermals  Erzbischof  Sigfrid  bezeugt,  dass  Walther  und  dessen  Bruder 
Rupert,  Dienstleute  seiner  Kirche,  den  Klosterbrüdern  zu  Bleidenstat  zum  eigenen 
Seelenheil  alles  geschenkt  haben,  was  sie  zu  Gonsenheim  im  Nahegaue  in  der 
Grafschaft  Emicho's  besassen.^)  Von  weltlichen  Zeugen  finden  sich  in  ihr  „Emicho 
comes",  nach  einer  kleinen  Lücke  „Bertolfus  comes  et  frater  eins  Sifridus"^ 
nach  grösserer  Lücke  „Hermanus  comes  Udalricus",  hierauf  nach  kleinerer 
„Eberhardus  Embricho."  Da  Udalrich  neben  fast  sämtlichen  Zeugen  früher 
vorkommt,  so  darf  kein  Zweifel  sein,  dass  hinter  ihm  comes  ausgefallen  ist; 
wir  ihn  also  für  den  unserigeu  erkennen  dürfen.  Von  nun  an  aber  verliert 
sich  jede  weitere  Spur  und  wir  können  sein  Ende  mit  um  so  grösserer  Zuver- 
sicht zwischen  1074  und  1076  ansetzen,  als  wir  schwerlich  mit  der  Unterstellung 
irren,  dass  er  bei  der  Ausrichtung  des  Begräbnisses  und  Seelengedächtnisses 
für  seinen  Bruder  Tuto  in  dem  zuletzt  genannten  Jahre,  wovon  oben  die  Rede 
war,  schwerlich  gefehlt  haben  würde,  wenn  er  noch  am  Leben  gewesen  wäre. 
Damit  bescheinigen  wir  aber  auch  den  Tod  dieses  seines  Bruders  Tuto  lU. 
im  gleichen  Jahre  mit  dem  Bedauern,  dass  uns  ausser  der  vom  Jahre  1052 
und  der  vorhin  entdeckten  vom  Jahre  1070  jede  andere  Spur  von  seinem 
Dasein  fehlt. 


')  Sauer  1,  68  f.  —  '■)  Ebenda  1,  70  f.  Sauer  irrt  aber,  wenn  er  im  Ecgcst  der 
Urkunde  Ludwig  aucli  zum  Sohne  der  Hiltrudis  macht.  Will,  Regesten  1,  195,  Nr.  65  hat, 
wie  wir,  dem  Texte  entsprechend,  ., Vormund"  gesetzt.  —  ^)  Will,  Regesten  1,  192,  Nr.  58. 
Vgl.  Annal.  12,  3.  —  *)  Joannis,  Rcr.  mog.  2,  579;  Sauer  1,  71,  Nr.  129.  Die  von  orsto- 
rem  an  den  Rand  gesetzte  Lesart:  .,Indict.  X  vel  a.  MLXXVIl"  erweist  sich  nach  unserem  im 
Texte  ausgesprochenen  Vermuten  über  die  Todeszeit  Udalrich's  als  irrig.  Es  ist  deshalb  zuviel 
Vorsicht  Will's,  Regesten  1,  195,  Nr.  70,  dieselbe  in  Klammern  zu  wiederliolen.  —  ')  Will. 
Mon.  Bl.  20.  Xr.  0. 


42 


5.  Tnitwiii  III.  und  Tiito  IV.  von  Laurenburi,'. 

Da  wir  iu  tleni  Vurauötelieudeu  die  Anfänge  der  Verbindung  des  gau- 
grüHieheu  Geschlechts  der  Künigssuntra  mit  dem  eppstein-idsteinischen  nach- 
gewiesen glauben,  wenden  wir  uns  jetzt  wieder  dem  ersteren  zu  und  handeln 
zunächst  von  den  Sühnen  des  zuletzt  genannten  Tuto  III.  Wir  erfuliren  deren 
Namen  schon  bei  der  noch  oben  angeführten  Bestellung  der  Leichenfeierlichkeit 
für  ihren  Vater.  Trutwin  III.  als  der  Besteller  derselben  wird  ohne  weiteres 
als  der  ältere  gelten  dürfen,  und  sein  Name  ist  ohne  Zweifel  mit  Rücksicht  darauf 
gewählt  worden,  dass  er  die  Ansprüche  der  ursprünglich  Trutwin'scheu  Herr- 
schaft zur  Geltung  bringe.  Tuto  IV.  als  jüngerer  setzt  den  väterlichen  Namen 
fort.  Von  Trutwin  III.  kannte  man  seither  nur  das  eben  Berichtete.  Wir 
haben  aber  wenigstens  seine  Zeugenschaft  im  Jahre  1081,  die  wir  schon  oben 
bei  Beurkundung  des  Grafen  Sigfrid  zur  Sprache  bringen  mussten,  hinzu- 
zusetzen.^) Dass  er  dort  als  der  erste  nach  dem  mainzcr  Stadtpräfecten  Gebeno 
verzeichnet  ist  und  sogar  dem  Grafen  des  Niddagaues,  in  dem  die  Schenkung 
geschieht,  voransteht,  lässt  neben  seiner  gaugräflichen  Würde  seine  ansehnliche 
Stelluns:  hervortreten.  Mit  Tuto  IV.  erscheint  zum  erstenmale  die  Familie 
nach  einer  Burg  genannt.  Es  ist  im  Jahre  1093,  wo  er  genau  in  der  Mitte  von 
14  erlauchten  Zeugen  als  ,Dudo  comes  de  Lurenburg"  bei  der  Beurkundung 
der  Stiftung  des  Klosters  Laach  genannt  wird.^)  Ihn  zum  andernmale  in  der 
auch  sprachlich  ungew^öhnlichen  Form  „de  Lurenburc  Dudo  comes"  als  Zeugen 
in  einer  Urkunde  von  1105  nachweisen  zu  wollen,  wie  Kremer^)  und  nach 
ihm  Schliephake'*;  versucht  haben,  ist  leider  vergeblich,  da  wir  diese  als 
gefälscht  bezeichnen  müssen.^)     Dass  Tuto   aber  1093  ohne    seinen  Bruder  als 


'j  Siehe  oben  Aiim.  2,  S.  36.  —  -)  Vgl.  Annal.  24,  128.  —  *)  Orig.  Nass.  1,  300.  — 
*)  1,  153.  —  ^)  Vorab  ist  schon  das  Jahr  1105  an  sich  ein  Fehler,  wie  die  Einsichtnahme  der 
von  beiden  Gelehrten  angerufenen,  leider  einzigen  Quelle,  Trithemii  Chron.  sponheini.,  opp. 
bist.  2,  240,  sofort  ergibt.  Denn  wenn  dort  angegeben  ist:  „MCV.  Indictionc  tcrtia.  XII.  Ca- 
Icndas  Septembris"  —  Goerz,  Mittelrhein.  Regest.  1,  486,  Nr.  1771  liest  irrig  1115  — ,  so 
widerspricht  die  Indiction  der  Jahreszahl.  Das  Jahr  1105  hatte  die  indict.  XIII.  Nimmt  man 
aber  an,  dass  „tertia"  oder  III  Versehen  für  XIII  sei,  sodass  1105  gemeint  gewesen  wäre,  so 
ist  dem  die  Thatsache  zuwider,  dass  das  Kloster  Sponheim,  dessen  vogteiliche  Verhältnisse  die 
Urkunde  regeln  will,  erst  vom  Jahre  1118  ab  vom  Grafen  Meginhard  von  Sponheim,  dem 
Aussteller  der  Urkunde,  der  Vollendung  seines  Baues  entgegengefiihrt  worden  ist,  nachdem 
der  Vater  Stephan  (j-  1118)  es  1101  zu  bauen  begonnen  hatte,  Trithem.  237  f.  Erst  am 
26.  März  11  iM  wird  der  Bau  den  von  Erzbischof  Adelbert  von  Mainz  dazu  beorderten  8  Prie- 
stern und  4  Conversen  aus  dem  S.  Albans-  und  S.  Jakobskloster  in  Mainz,  beide  Bencdiktiner- 
ordens,  vom  Grafen  Meginhard  übergeben,  Trithem.  238.  Lässt  man  aber  HO")  ein  eben- 
solches Verschon  sein,  v,ie  das  Jahr  1225  der  alsbald  zu  nennenden  kaiserlichen  Urkunde, 
das  für  1125  steht,  und  behält  die  ind.  III  als  richtige  bei,  wie  dies  Goerz  gethan  hat,  so 
würde  das  Jahr  1125  herauskommen.  Aber  auch  das  widerspricht  den  Thatsachen.  Trithe- 
niius  führt  der  ausdrücklichen  Zeitreihe  nach  zuerst  die  Urkunde  an,  in  welcher  Graf  Megin- 
hard «lern  Krzbisi-hof  Adelbert  das  Kloster  am  7.  Juli  1124  übergibt,  sodann  die  in  Frage 
Htf'iicnde  mit  der  Itegelung  der  Vogteireohte  und  endlicli  die  Urkunde  Kui.scr  Heinrich's  V. 
vom  26.  März  1125,  worin  die  Rechte  des  Klosters  bestätigt  werden,  und  die  Übergabe  der 
Urkunde  über  die  Vogteireohte  an  den  Abt  ausdrücklich  bescheinigt  wird.  Wie  könnte  diese 
also  vom  21.  Aug.  1125  gegeben  sein-'    Wir  dürfen  ja  dem  Geschichtschrciber  Trithemius, 


43 

Zeuge  auftritt,  scheint  mit  einiger  Sicherheit  darauf  schliessen  zu  lassen,  dass 
dieser  damals  nicht  mehr  am  Leben  war.  Und  schauen  wir  uns  in  der  Zeit- 
geschichte um,  so  möchte  der  Grund  hierfür  in  dessen  Teilnahme  an  der  Be- 
lagerung Rom'ö  durch  Kaiser  Heinrich  IV.  iu  den  Jahren  1081  — 1084  zu  suchen 
sein,  die  manches  edle  deutsche  Leben  kostete.  Ist  aber  Trutwin  eines  frühen 
Todes  gestorben,  so  hat  er  auch  keine  Kinder  hinterlassen.  Jedenfalls  wird 
der  soviel  länger  lebende  Tuto  nicht  kinderlos  geblieben  sein.  Und  wir  haben 
wohl  um  so  eher  ein  Recht,  ihn  für  den  Fortführer  des  laurenburgischen  Stammes 
zu  halten,  als  er  nach  der  genannten  Urkunde  von  1093  der  Bekannte  des 
Grafen  Walram  von  Arlon  war,  dessen  I]ukel,  „Graf  Walram  pagauus"  der 
Schwiegervater  dos  später  zu  neunenden  Grafen  Ruprecht  von  Laurenburg 
werden  sollte.  Indem  wir  aber  damit  unserer  Annahme  in  der  Abhandlung 
über  „die  schönaucr  Überlieferung')"  eine  neue  Stütze  geben,  bestätigen  wir 
nur,  dass  sich  bei  Fortführung  des  laurenburgischen  Hauses  durch  Tuto  IV. 
wiederholt,  was  wir  bei  Tuto  III.  zu  unterstellen  hatten.  Auch  seine  Söhne 
nennen  sich  Trutwiu  und  Tuto,  der  ersterc  als  vierter,  der  letztere  als 
fünfter  dieses  Namens. 


wie  wir  Annal.  24,  156  ff.  salien  und  bei  dca  anderen  zu  sehen  ist,  die  wir  zu  unserer  nacli- 
triiglichen  Genugtliuung  bei  Will,  Regest.  1,  234,  Nr.  55,  als  Verurteiler  des  Abts  zusammen- 
gestellt finden,  viel  zutrauen  in  irrigen  und  verwirrten  Angaben.  Aber  eine  solche  Übereilung 
wäre  doch  etwas  zu  stark.  Nehmen  wir  also  zu  seiner  Ehre  an,  dass  er  oder  sein  Heraus- 
geber Froher  sich  sowohl  im  Jahre  als  der  Indiction  geirrt  habe,  so  würde,  wenn  wir  statt 
ind.  III.  ind.  II  setzen,  sich  das  erträgliche  Datum:  1124  ind.  II,  XII  Kai.  sept.  ergeben  und 
die  Urkunden  vom  7.  Juni  1124,  21.  Aug.  1124  und  26.  Mai  1125  sach-  und  zeitgenülss  ein- 
ander folgen.  Aber  selbst  dieser  Besserungsvoi-schlag  ist  umsonst.  Denn  die  Urkunde  legt 
an  sich  ein  Veto  gegen  jedes  Datum  aus  dem  12.  Jahrhundert  ein.  Goerz  und  der  von  ihm 
angerufene  Lehmann,  Gesch.  der  Grafschaft  Sponheini,  haben  dies  bereits  geahnt,  wenn  sie 
die  Urkunde  ,,stark  interpoliert"  nennen.  Sie  wären  aber  schon  verpflichtet  gewesen,  auf 
dreiste  Unterschiebung  zu  erkennen.  Denn  wie  wäre  es  möglich  gewesen,  dass  Graf  Mcgin- 
hard,  der  Stifter  des  Klosters,  sich  zu  der  Bestimmung  hätte  hergeben  sollen,  dass  die  ihm 
und  seiner  Familie  im  ältesten  Glicde  vorbehaltene  Vogtei  des  Klosters  ihm  und  dieser  sollten 
abgenommen  werden  können,  wenn  Übergriffe  des  Vogtes  nach  dreimaliger  Vermahnung  des 
Erzbischofs  von  Mainz  ungesühnt  blieben,  nachdem  der  Graf  bei  Übergabe  des  Klosters  an 
den  Erzbischof  nicht  bloss  das  Verbleiben  der  Vogtei  bei  dem  Ältesten  der  Familie,  sondern 
sogar  eine  etwaige  Auflösung  des  Klosters  sich  ausbedungen  und  nur  zugestanden  hatte,  dass 
der  Erzbischof  bei  etwaigen  Übergriffen  den  jeweiligen  Vogt  „corrigere  ac  ad  emendationem 
cogere"  dürfe.  Und  nun  wird  gar  noch  der  Alteste  des  damals  noch  gar  nicht  vorhandenen 
kreuznacher  Zweiges  der  Familie  als  Rechtsnachfolger  Meginhard's  genannt  und  diesem  zu- 
gemutet: „Ad  placitum  publicum  in  terrainis  monasterii  non  sedebit,  nisi  ab  abbate  fuerit  in- 
uitatus"  !  Alles  Dinge,  die  von  dem  späteren  Unabhängigkeitsgelüste  des  Klosters  zurecht  ge- 
schnitten wurden.  Und  nun  die  der  Urkunde  beigegebenen  näclisten  Zeugen  nach  den  Pröp- 
sten von  Dissibodenberg  und  Schwabenheim:  .,Goswinus  de  Lurburk,  Dudo  comes,  Ernostus 
vicedominus"  etc.!  Wie  könnte  da  nach  Kremer 's  Vorschlag  hinter  Goswinus  ein  Komma 
gesetzt  werden  können,  sodass  derselbe  ohne  Bezeichnung  bliebe.  Ein  „Goswinus  de  Lurburk" 
aber  ist  ein  Unding  und  darum  „Dudo  comes"  eine  ebensolche  Erfindung.  Wie  wir  aber  nacli 
allem  diesem  die  ganze  Urkunde  für  initL'rgesehoben  erklären  müssen,  so  möchten  wir  auch 
die  ilir  bei  Trithemius  folgende  Kaiserurkunde  für  gefälscht  halten,  und  nur  ungern  ver- 
sagen wir  uns  die  Begründung  dieser  Behauptung,  da  sie  ausserhalb  unserer  gegenwärtigen 
Aufgabe  liegt. 

')  Annal.  24,   128. 


44 

(;.    Trutwiii  IV.  und  Tuto  V.     Sliftniiö:  der  Propstei  Lipporii. 

Die  Geschichte  dieser  beideu  ist  mit  Beuutzuug  der  dürftigen  Quellen  so 
ausführlich    in   der   gedachten    Abhandlung    dargestellt,    dass    wir    hier    auf  sie 
verzichten  dürften,  hätten  wir  uns  nicht  in  zwei  Punkten  eines  starken  Versehens 
schuldig   gemacht.     Wir   gingen,    was  den   ersten  betrifft,    leider  geschlossenen 
Auijes   wie   unsere   Vorgänger    und   durch  sie  mit    verleitet,    an  der  Stelle  der 
l'rkunde  Tuto's  V.  über  die  Stiftung  Lipporu's  vorüber,  die  uns  das  Stiftungs- 
jiihr    annähernd    zu    bestimmen   ermöglicht.     Dort    steht   ausdrücklich    die  aus- 
schlaggebende Bezeichnung  von  Lipporn,  dass  es  „in  comitatu  Luduwici"  gelegen 
sei');  und  wir  könnten  nur  dann  bei  unserer  früheren  Annahme  bleiben,  wenn 
unter  diesem  Ludwig  der  dritte  dieses  Namens,  der  Gründer  des  Klosters  Arn- 
steiu,  verstanden  werden  könnte.  Das  aber  wäre  nur  möglich,  wenn  er  als  Minder- 
jähriger   die   Gaugrafschaft    innegehabt    haben    würde.     Denn    beim   Tode   des 
Erzbischofes  Bruno  von  Trier  am  24.  April  1124,  unter  dem  die  Urkunde  ab- 
gefasst  ist,  war  Ludwig  111.  erst  15  Jahre  alt,  da  er  1109  geboren  ist.*)     Nun 
kommt  es  ja  vor,  dass  bei  der  Erblichkeit  der  Gaugrafschafteu  auch  ein  Minder- 
jähriger als  Titulargraf  erscheint.  Wir  lernten  schon  oben  den  achtjährigen  Grafen 
Otto   von  "Worms  kennen    nach  der  Urkunde  vom  8.  März  956,    wo  es  heisst: 
,iu  pago  Nahgowe   in  Foresto  nostro,  Vuosago  nomiuato,  in   Comitatu  Ottonis, 
Filii  Cuonradi    ducis."^)     Aber  nicht  nur,    dass  Otto    ein  Herzogssohn  war,    so 
wird  er  auch  deutlich  als  Sohn  und  damit  deutlich  als  Minderjähriger  bezeichnet. 
In  unserer  Urkunde  fehlt  dagegen    die  Bezeichnung    „filii".     Wir   können  des- 
halb   mit  gutem  kritischem  Gewissen  schwerlich  jemand   anders    in    den    ange- 
führten Worten    als  Inhaber  des  Gaugrafeutums    im  Einrieb    bezeichnet  sehen, 
als   Ludwig  IL     Von    diesem    haben    wir    wahrscheinlich  gemacht,   dass  er  am 
28.  Mai   1112  gestorben  ist.'*)     Die  Gründung  des  Klosters  Lipporn  kann  dem- 
nach nur  vor  dieser  Zeit  erfolgt  sein  und  der  Mord  Trutwin's  fulgeweise  soviel 
früher.     Durchmustern  wir  nun  diese  Zeit,  so  will  sich  uns  im  Jahre  1107  ein 
Zeitpunkt   ergeben,   wo   bereits    der  Bann  und    wohl  auch  der  Mord  Trutwin's 
sich  vollzogen  hatten.     Denn  es  ist  in  diesem  Jahre,    dass  wir  die  Edelen  des 
Erzstifts  auf  einer  Geueralsynode  um  Bruno  versammelt  sehen.     Auf  ihr  ward 
die  Gründung  des  regulierten  Augustiner  Chorherrnstifts  (Springiersbach)  zu  Ther- 
nmnt  bestätigt  und  unter  den  Zeugen  fehlen  die  Laurenburger,  während  „Ludovicus 
de  Arinstein*^  zugegen  ist.-^')    Wir  denken,  das  ist  kein  Zufall.    Der  Bann  schloss 
von  der  Zeugenschaft  aus.     Gehen  wir  von  da  an  weiter,   so  ist  nach  den  vor 
uns    liegenden  Urkunden    aus    dem  Leben    des    zwischen    seineu   Kirchen-    und 
IteichsberufspHichten  beständig  geteilten  Bruno  nur  im  August  1110  ein  Ruhe- 
puiikt,  in  dem  die  lipporuer  Klostersache  vor  ihm  verhandelt  worden  sein  kann. 
B.-uno  befand  sich  in  der   gedachten  Zeit   in  Coblenz,    um    dem  Nicolausaltare 
der   dortigen  Florinkirche   die    Schenkung  eines  Hospitals    mit    entsprechenden, 

')  .Schlieph.  1,  196.  —  '^j  Ebenda  1,  159.  —  ^)  S.  oben  Aimi.  4,  S.  25.  Die  Mündig- 
keit trat  aber  erst  mit  dem  15.  Jahre  ein,  vgl.  öcliröder,  Lohrb.  112,  253,  467.  —  *)  An- 
nnlon  24,  126.  -  '•)  Beyer,  Urkundcnlaicb  1,  475  ff.  Nr.  415;  Ooorz,  Mittelrhein.  Regesten 
I,  440,   Nr.   1601. 


45 

von  ihm  selber  angekauften  Gütern  zu  verbriefen.')  Betrachten  wir  aber  die 
Zeugen  der  unter  den  Augen  Bruno's  ausgefertigten  Stiftungsurkunde  für 
Lipporn :  „Tuto  comes  de  lurenburg,  Ueginboldus  de  romersdorff,  lienricus 
comes  de  dyetsche,  Anslielmus  de  Moloberg,  Anafryt  de  tornedorff,  Fredericus 
de  Brubach,  Wcrnherus  de  Asinhaga,  Dietfryt  de  nistere,  Winhart  et  Gerlaeh 
de  miliggin,  Ello  de  lantroth"'^),  so  sind  das  durchweg  Edele  aus  der  nächsten 
Nähe  von  Coblenz,  und  es  kann  auch  wohl  kein  Zweifel  darüber  sein,  dass 
Tuto  das  nahegelegene  Coblenz  benutzt  hat,  um  dahin  seine  Mitzeugen  aufzu- 
bieten, da  eine  Reise  uacli  Trier  zu  diesem  Zwecke  eine  zu  grosse  Zumutung 
für  dieselben  gewesen  wäre.  Überdies  war  Bruno's  Thätigkeit  für  das  cobleuzer 
Florinstift  wie  gemacht,  um  die  Angelegenheit  für  eine  Gründung  zu  Ehren 
desselben  Heiligen  in  Lipporn  vorzunehmen.  Zugleich  haben  wir  wohl  den 
Abt  Adelbert  von  Schaffhausen,  der  in  der  Urkunde  als  Bittender  mit  aufge- 
führt wird,  anwesend  und  nicht  minder  als  Aussteller  der  Urkunde  zu  denken. 
Es  scheint  das  nämlich  aus  der  Schreibung  „dyetsche"  hervorzugehen.  Das 
ist  alemannische  Sprachweise,  die  uns  nur  noch  einmal  133G  für  das  sprach- 
gemässe  „Dietse"  oder  „Diedisse''  begegnet.^)  Auf  den  fremden  Schreiber 
können  aber  auch  „Moloberg"  statt  Molsberg,  „Asinhaga"  statt  des  vermutlichen 
Asinauga  (Eschenau  bei  Weinähr),  „miliggin"  statt  des  in  dem  Texte  selber 
richtig  geschriebenen  milingen,  „lantroth"  statt  Lautroth  schliessen  lassen,  wenn 
nicht  Lesefehler  des  späteren  Abschreibers  angenommen  werden  müssen.  Dort 
in  Coblenz  aber,  das  will  nicht  minder  bemerkt  sein,  war  auch  der  Ort,  wo 
Bruno,  unbehindert  von  seinem  schwierigen  Domkapitel,  von  dem  der  Bann 
über  Trutwin  ohne  Frage  erfolgt  war,  und  bei  dem  er  sicher  noch  in  frischem 
Andenken  stand,  dem  Zuge  seines  menschenfreundlichen  und  verwantschaftlichen 
Herzens  folgen  konnte.  Es  kam  aber  noch  ein  anderes  hinzu,  was  ebensosehr 
Tuto  die  Aufbietung  so  vieler  Standesgenossen  erleichtern,  als  Bruno  noch 
geneigter  machen  mochte,  dem  kirchlich  anstössigen  Willen  seines  Verwanten 
nicht  entgegen  zu  sein.  Wir  dürfen  daran  erinnern,  dass  in  eben  diesem  August 
des  Jahres  1110  König  Heinrich  Y.  ein  Heer  von  30000  Mann  sammelte,  um 
seine  Kaiserkrönung  in  Rom  wirksam  betreiben  zu  können.  Sollte  da  Coblenz  nicht 
eine  Sammelstelle  für  die  rheinischen  reisigen  Edelen  gewesen  sein,  und  musste 
sich  nicht  auch  Tuto  unter  ihnen  befunden  haben  ?  Es  wird  das  um  so  gewisser, 
wenn  wir  in  Tuto's  Urkunde  lesen,  dass  er  die  Stiftung  in  erster  Linie  für 
sein  Seelenheil   und   dann    erst  für  das  seiner  Yerwanten    („pro  anime  mee  et 


1)  Beyer  1,  479;  Günther,  Cod.  dipl.  1,  166,  Mittelrhein.  Urkundcnbuch  2,  671, 
Nr.  463;  Goerz,  Mittelrhein.  Regesten  1,  457,  Nr.  1634.  —  -)  Wenn  Vogel,  Beschr.  635 
bemerkt;  „Ein  Adeliger  Ello  von  Laudroth  kommt  1110  vor'',  so  kann  sich  das  doch  wohl 
nur  auf  unsere  Urkunde  beziehen,  obgleich  er  diese  S.  288  unbestimmt  zwischen  1102  und 
1124  geschrieben  sein  lässt.  Ebenso  gründet  sich  seine  Bemerkung  ebenda  618:  „Ein  Win- 
hard  und  Gerlach  von  Milingen  erscheinen  um  1110'"  sicher  nur  auf  unsere  Stelle.  Da  er  die- 
selben Nachrichten  wörtlich  schon  in  seiner  „Topographie''  S.  72  und  85  aufführt,  die  er  ge- 
wöhnlich in  der  gleichen  Gestalt  in  seiner  „Beschr.''  vorwertet  hat,  so  hat  er  bei  crsteror 
offenbar  andere  Quellen  benutzt,  deren  Kenntnis  uns  vorenthalten  ist.  Es  muss  das  um  so 
mehr  beklagt  werden,  als  sich  seine  Annahmen  mit  den  unseren  docken,  ohne  den  gleichen 
Quellen  entnommen  zu  sein.  —  ")  Kehrein,  Nass.  Nnmcnbuch  1,  182;  Förstonianii  2,   1444. 


46 

pareutum  mooriim  salute")  macht.  Das  ist  eines  in  den  Krieg  Ziehenden  nach 
der  Sitte  der  Zeit  Art.  Er  versichert  seine  Seele,  wo  der  Leib  in  Gefahr  ist. 
Und  wenn  er  bei  diesem  Anlass  seines  Bruders  gedenkt,  7.11  dessen  Seelenheil 
er  bis  dahin  noch  nichts  gethan  hatte,  obgleich  es  ihm  lange  schon  im  Sinne 
lag  („iura  diu  deliberaui").  so  gehört  das  erst  recht  mit  zu  einer  solchen  letzten 
Versicherung,  zumal  die  Sf.hne  des  Gemordeten  noch  minderjährig,  ja  geradezu 
noch  Knaben  waren,  l'ud  es  war  wolilgethan  im  Sinne  des  Zeitalters.  Denn, 
80  müssen  wir.  nun  besser  unterrichtet,  schliessen,  Tuto  kehrte  nicht  wieder 
von  Rom. 

"SVir  begründen  das  mit   der  Thatsache,    dass   1112    ein    fremder  Graf  im 
KüniffSffau  auftritt.     Kin  Zeugnis   nebenbei    gesagt,    dass,    wenn    wir   uns  nicht 


'e>"o 


der  früheren  ebenso  massgebenden  Vertretungen  alle  im  Künigsgau  erinnern 
wollen,  man  keinen  minderjährigen  Titulargrafen  bei  den  Beurkundungen  in 
gewöhnlichen  Fällen  zuliess.  Schon  Schmidt^)  hat  die  Urkunde  dieses  Jahres 
herangezogen  und  VogeP),  wie  Schliephake^),  haben  sie  in  ihrer  Weise  zu 
verwenden  gesucht,  in  der  Erzbischof  Adelbert  von  Mainz  die  Schenkung  des 
AUüds  der  AVitwe  Cuniza  ,in  villa  AVilibach  in  pago  Cuningesundera  in  comitatu 
Rudolf i  comitis  situm"  an  das  Jakobskloster  in  Mainz  bestätigt.^)  Schliep- 
hake  in  seiner  irrigen  Annahme,  dass  der  Königsgau  zuletzt  geteilt  gewesen 
sein  möge,  und  in  dem  östlichen  Teile  die  Familie  Udalrichs  gewaltet  habe, 
will  diesen  Grafen  Rudolf  zwar  auch  diesem  , Seitenzweige"  zuweisen  und 
„zwischen  die  beiden  Udalriche"  setzen,  aber  derselbe  ist  erweislich  Graf  im 
^'iddagau.  Schon  Bodmann^)  führt  im  Stammbaum  der  niddagauer  Grafen 
zwei  Verschiedene  dieses  Namens  im  ausgehenden  zehnten  und  ersten  Viertel 
des  elften  Jahrhunderts  auf,  und  von  dem  letzteren  dürfen  wir  eine  Schenkung 
zu  seinem  und  seiner  Gemahlin  Seelenheile  in  Cruftela  im  Niddagau  namhaft 
machen.*')  Einen  dritten  Grafen  Rudolf  aber  finden  wir  in  den  von  uns  oben 
für  Udalrich  und  dann  für  Trutwin  111.  angezogenen  Urkunden  von  1069,  1070, 
1072  und  1081,  sodass  gar  kein  Zweifel  sein  kann,  dass  der  Rudolf  des  Jahres 
1112  niddagauischer  Abkunft  sein  muss.  Begegnen  wir  doch  noch  1238  einem 
Rudolf  unter  den  Grafen  von  Ziegenhain  und  Nidda.^) 

Nun  wäre  ja  freilich  ein  anderer  Stellvertreter  für  den  minderjährigen 
Sohn  des  gebannten  und  dann  gemordeten  Trutwin  aus  dem  eigenen  Hause  zu 
erwarten  gewesen,  Graf  Udalrich  von  Eppstein-Idstein.  Indes  ihn  machten, 
wenn  wir  aus  den  damaligen  politischen  Verhältnissen  schliessen  dürfen,  gerade 
diese  zu  der  Zeit  unmöglich.  Ja,  es  wird  uns  erlaubt  sein  müssen,  um  eben 
dieser  politischen  Dinge  willen  eine  Entzweiung  in  der  gaugräflichen  Familie 
anzunehmen,  die  Laurenburg  von  Idstein-Eppstein  schied,  "Wir  sehen  Lauren- 
burg in  der  Person  Tuto's  auf  Bruno's  Seite  und  deshalb,  da  dieser  auf  Kaiser 
lleiorich^s  V.  Seite  stand,  kaiserlich  gesinnt,  während  I^dalrich  schon  der  Lage 


')  Annal.  3,  3,  108.  —  ■)  Beschr.  228.  —  ^)  \,  136.  —  *)  Sauer  1,  95  f.  Nr.  165; 
Will,  Kef,'csten  1,  248,  Nr.  129.  —  '•)  Rheihg.  Altert.  601.  —  «)  Will,  Moii.  IM.  14,  Nr.  29; 
Sfiiirr  1,  .')4,  Xr.  110,  29.  —  ')  Scriba,  Rnpcsten  zur  LiuuIch-  und  Ortsfjesfli.  des  Grossli. 
HcsHcn.     DaniiHt.    lH4't.    2.  .34,   Nr.   4:i2. 


47 

seiner  Besitzungen  nach  untl  vielleicht  nicht  weniger  seiner  Gemahlin  wegen') 
zu  Erzbischof  Adelbert,  dem  erklärten  Feinde  des  Kaisers  hielt.  Nun  ward 
gerade  im  Dezember  1112  der  schon  seit  einem  Jahre  als  Feind  verdächtige 
Adelbert  auf  drei  Jahre  in  strengste  Haft  genommen.^)  Wie  hätte  da  sein 
Anhänger  mit  einem  Rcichsamt  betraut  werden  kfmnen,  der  sicher  in  der 
„maxima  militum  copia"  Adelbert's  sich  befand,  über  welche  das  kaiserliche 
Manifest  Khige  führt.'')  Allzulange  wird  diese  kaiserliche  Ungnade  nicht  ge- 
dauert haben,  zumal  wir  auch  den  Grafen  Rudolf  nur  das  genannte  eine  Mal 
seines  Stellvertreteramtes  walten  sehen.  Will  uns  doch  schon  das  Jahr  1114 
ein  anderes  zeigen,  wenn  wir,  wovon  nachher,  Udalrich  als  Führer  des  gau- 
gräflichen Fähnleins  im  kaiserlichen  Heerbanne  vor  Köln  zu  erblicken  meinen. 
Dies  die  eine  Besserung  unseres  damaligen  Versehens.  Die  andere  ist 
von  ungleich  geringerem  Belange,  aber  die  Gewissenhaftigkeit  gebietet,  sie  nicht 
zu  unterdrücken.  Wir  übersahen  damals,  dass  in  Bruno's  Urkunde  betrefi's 
des  „ins  advocacie"  der  neuen  Gründung  ein  „ut  prescriptum"  beigesetzt  war. 
Dieser  Beisatz  hat  in  der  Urkunde  selber  keinen  Anhalt,  muss  sich  also  auf 
die  Urkunde  Tuto's  beziehen,  in  der  die  Rechte  der  Yogtei  des  neuen  Klosters 
genau  geregelt  werden.  Daraus  geht  hervor,  dass  nicht  bloss  die  Stiftung,  son- 
dern auch  die  Stiftungsurkunde  ihre,  wenn  auch  verdeckte,  Bestätigung  erhalten 
hat,  sodass  sie  wenigstens  als  massgebende  Beilage  der  Bruno'schen  Klosterbe- 
stätigung anerkannt  ist.  Ja,  wir  dürfen  wohl  noch  weitergehen.  Diese  Beilage 
stand,  wie  das  „ut  prescriptum"  deutlich  zu  machen  scheint,  auf  einem  Perga- 
ment mit  Bruno's  Urkunde  und  war,  wie  die  sonst  nicht  gewöhnliche  Art,  die 
Zeitwörter  nach  altklassischem  Gebrauch  ohne  et  zu  verbinden,  in  beiden  zeigt, 
von  derselben  Hand,  die  wir  als  die  des  schaffhauser  Abts  vermuteten.  Aus 
diesem  Umstände  mag  sich  auch  ergeben,  dass  nur  die  Bruno'sche  Urkunde 
mit  dem  Namen  der  Zeugen  versehen  ist  und  das  „etc."  unter  der  Tuto's, 
was  der  „Rettung"  fremd  ist,  auf  einem  Zusatz  des  Schreibers  der  von  Schliep- 
hake  benutzten  „alten  Copie"  beruht.  Jedenfalls  verdient  der  Abdruck  der 
„Rettung"  in  diesem  Stück  mehr  Glauben,  da  das  um  sein  Recht  gegen  Nassau 
streitende  Schünau  nach  Wenck's'*)  richtiger  Bemerkung  „die  Originalurkunden 
dem  Richter  vorzulegen  verbunden"  war.  Wir  werden  hierin  bestärkt  durch 
den  am  Schlüsse  des  Bruno'schen  Schriftstücks  gebrauchten  Ausdruck:  „Testes 
autem  huius  pactionis  hie  asscripti  retiueutur."  „Pactio"  ist  Vertrag  und 
konnte  daher  von  Bruno's  Bestätigung  nicht  allein  gebraucht  werden,  sondern 
setzt  Tuto's  Urkunde  als  die  des  Mitpartners  voraus,  und  das  selbst  dann,  wenn 
„pactio"  hier  den  Sinn  eines  zunächst  geheimen  Vertrags  haben  sollte,  der  erst 
im  Notfalle  veröffentlicht  werden  dürfe.  Den  Vertrag  zwischen  Bruno  und 
Schaffhausen  abgeschlossen  zu  denken,  verbietet  sich  um  deswillen,  dass  letzteres 
lediglich  dem  Vertragsgegenstand  eingeordnet  war. 

')  In  der  später  zu  bespreclienclen  Urkunde  von  1128  wird  Udalrioli  nicht  bloss  ..cocfnn- 
tus"  von  Erzbiscliof  Adelbert  genannt,  sondern  von  seiner  Genialilin  nicht  minder  ausdrücklich 
gesagt:  ,,et  uxoris  sue  Matthildis  etiam  cognate  raee.**  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  7G1;  Sauer 
1,  104,  Nr.  176.  —  ■)  Will,  Regesten  1,  246,  Nr.  27.  —  ■']  Ebenda.  —  *)  Histor.  Abhandl. 
1,  50,  Anm. 


48 

Aber  wenn  dann  auch  Tuto's  Antrag  die  erzbiscliöfliclie  Willfalirung  ge- 
funden hat,  so  wird  die  ganze  Abmachung,  wie  wir  ehemals  hervorhüben,  als 
eine  kanonisch  unregelmässige  bezeichnet  werden  müssen.  Und  das  selbst  in 
dem  Falle,  dass  wir  Lipporn  nach  den  Regeln  des  Benediktinerordens  als  blosses 
Filiale,  weil  blosses  Priorat,  von  SchafFhauseu  anzusehen  haben^),  in  ihm  also 
eine  blosse  Erweiterung  des  schaft'hauser  Mutterklosters  erblicken  müssen.  Denn 
nicht  nur  dass  die  gewöhnliche  Bestätigungsform  umgangen  ist,  so  ist  gerade 
in  der  Heranziehung  eines  fremden  Klosters  der  Beweis  einer  Ausnahme  ge- 
liefert. Oder  hätte  es  nicht  nahe  gelegen,  dass  das  demselben  Orden  ange- 
hörende Bleidenstat  das  B'iliale  übernommen  hätte,  zumal  es  zur  Yogtei  Lauren - 
burg's  gehr»rte'?  Bleidenstat,  das  zudem  die  Beerdigungsstätte  seiner  Yögte 
war?  Dass  es  unbeteiligt  bleibt,  kann  kaum  anders  denn  als  Ablehnung  einer 
an  es  gestellten  Aufforderung  gedeutet  werden.  Es  muss  also  einen  Haken  in 
der  Sache  gefunden  haben,  und  dieser  kann  nicht  der  gewesen  sein,  dass  Lipporn 
ausserhalb  seiner  kirchlichen  Heimat,  dem  mainzer  Sprengel,  lag,  denn  auch 
Schaffhausen  gehörte  nicht  in  den  trierischen  Machtbereich.  Ausser  der  kirch- 
lich bedenklichen  Sache  werden  die  wenig  einträchtigen  Beziehungen  zwischen 
den  beiden  Erzbischöfen  Bruno  und  Adelbert  mitgespielt  haben.  Der  letztere 
hatte  mit  Verleumdungen  und  sonstiger  Tücke  nicht  aufgehört,  bis  er  den  wegen 
der  Jugend  Heinrich's  Y.  von  den  Fürsten  zum  Obsorger  des  Reichs  und  Stell- 
vertreter des  königlichen  Hofes  (,procurator  regni  ac  vicedominus  regiae  curiae) 
bestellten  Bruno  von  diesem  Amte  gebracht  und  sich  selbst  in  dessen  Besitz 
gesetzt  hatte.^)  Bleidenstat  aber  musste  es  mit  seinem  nahen  kirchhchen  Ober- 
herrn halten,  wie  Tuto  es  mit  Bruno  zu  halten  beflissen  war.  Lipporn  war 
demnach  mit  seinem  Bestand  lediglich  auf  die  persönliche  Gunst  Bruno's  ge- 
wiesen. Mcht  einmal,  dass  es,  soweit  wir  wissen  können,  wie  andere  die  könig- 
liche Bestätigung  erfahren  hat.  Gleichwohl  stand  es,  wie  wir  nun  mit  ziem- 
licher Sicherheit  rechnen  dürfen,  unbehelligt  seine  vollen  16  Jahre,  bis  es  1126 
in  die  Abtei  Schönau  überging.  Es  will  das  etwas  bedeuten,  wenn  wir  bedenken, 
dass  ihm  der  Schutz  seines  weltlichen  Gründers  fehlte,  derjenige  von  dessen 
minderjährigen  Nachfolgern  aber  kaum  in  Betracht  kommen  konnte. 

Soviel  von  dem,  was  wir  zur  Berichtigung  unserer  Darstellung  in  der 
„schönauer  Überlieferung"  nachzutragen  uns  verbunden  hielten.  Wir  können 
damit  aber  noch  nicht  den  Zeitraum  verlassen,  in  den  die  geschilderten  Begeb- 
nisse fielen.  Denn  es  ist  aus  dieser  Zeit  noch  die  Geschichte  des  anderen 
Zweiges  des  königsgauer  Hauses  zu  berichten,  in  die  wir  vorhin  schon  uns 
einen  Yorgriff  erlauben  mussten,  da  es  den  Ausgang  des  idstein-eppensteiner 
Hauses  darzustellen  gilt. 

7.   rdalrich  II.  niul  Koiirart  von  Idstein.     Fdalrich  III. 

von  Idstein-Eppstein. 

Yum  Tode  T'dalrich's  L  an  bis  zum  Jahre  1162  fehlt  uns  hier  alle  Nach- 
richt.   Eine  T'rkunde  dieses  Jahres  aber,  auf  die  sc.Jion  Kremer^)  und  65  Jahre 

')  Vgl.  Wetzor  u.  Wolto,  Kiichonlcxikon  8,  771.  —  *)  Rrowor,  Annal.  trev.  2,  5« 
u.  7*.    -   ^)  Orig.   NasB.   1,  315,  Aiini.   5. 


49 

später  Schmidt-Steiner^)    aufmerksam  gemacht  hatten,   die   jedoch  VogeP), 
wie  Schliephake  unbeachtet  Hessen,  sodass  Freiherr  Schenk  von  Schweins- 
berg^)  sie  aufs   neue    in  das  verdiente  Licht   rücken  musste,    bietet    an  erster 
Stelle  nach    dem    mainzer  Stadtpräfecten  Gerhard    „Vdalricus    et  Cunradus, 
frater  eins  de  Etichenstein".    Der  Dispensator  des  mainzer  S.  Jakobsklostera, 
Härtung,    verbrieft  "in  ihr  die  Verpfändung  des  Dorfes  Roth  und    eines  Mansus 
in    Schwanheim    seitens    des    im    erstgenannten  Orte    geborenen    Besitzers,    der 
auch  Vdalricus  heisst,    für  100  Talente  an  sein  Kloster  samt    allen    daran    ge- 
knüpften Abmachungen."*)    Die  Zeugenschafe  der  genannten  ]3eiden  hierbei  rührt 
augenscheinlich  daher,  dass  Schwanheim,  wie  Schenk  beibringt^),    ein  Vogtei- 
lehen des  Klosters  an  die  Herren  von  Eppenstein  war.    Dass  aber  nach  ihnen 
nur  Mitglieder   des    niederen    Adels:    „Cuno   de   Manendale"    und    „Franco    et 
Hubertus  de  Birgestat"  aufgeführt  werden,  bot  dem  des  Sachverhaltes  unkundigen 
Herausgeber  der  Urkunde,  Joannis,  Anlass,  die  beiden  idsteiner  Brüder,    wie 
Schenk  richtig  bemerkt,  im  Register  ebenfalls  dem  niederen  Adel  beizuzählen. 
Name  und  Ortsangabe  aber  bezeichnen  sie  uns  unverkennbar  als  Söhne  Udal- 
richs  I.    wie   als  Grafen.     Wir  nennen    deshalb   den   ersten  und   also  wohl   äl- 
teren von  ihnen  Udalrich  H.,  sehen  uns  aber  genötigt,  der  seitherigen  Annahme 
entgegen,    beide  Brüder  als  Zeitgenossen  Trutwin's  HI.  und  Tuto's  IV.  aufzu- 
fassen und  darum  nur  dieses   eine  Mal  Zeugnis    von   ihrem  Vorhandensein  ab- 
legen zu  lassen.     Denn  unsern  Udalrich  II.  mit    dem    bisher   so  genannten  als 
eine  Person  zu  nehmen,   würde   soviel  sein,    als   den   letzteren    zum  Uberleber 
zweier   laurenburg'schen   Geschlechter    zu   machen   und   ihn   von    einem    Vater 
Udalrich  I.  abstammen  zu  lassen,  der  bei  seinem  ersten  Auftreten  im  Jahre  1052 
schon  ein  gereifter  Mann  sein  musste. 

Wir  gestatten  uns  deshalb,  den  bisherigen  „Udalrich  H."  als  Sohn  unseres 
Udalrich  IL  vom  Jahre  1102  anzusehen  und  ihn  Udalrich  IH.  zu  nennen. 
Dieser  Name  ist  mit  einem  Berichte  aus  dem  Jahre  1114  verknüpft,  den  wir 
der  Zeit  entsprechend  zunächst  einer  erneuten  Prüfung  zu  unterwerfen  haben, 
so  bekannt  er  auch  aus  Vogel's*')  undSchliephake's'')  Darstellung,  um  Früherer 
nicht  zu  gedenken,    ist.     Brower^)    erzählt   nach    einem   ihm    zu  Gesichte   ge- 


')  Annalen  3,  3,  117.  —  ^)  Und  doch  kannte  er  die  Urkunde  nach  Beschr.  871.  — 
•')  Mitteil,  des  hanauer  Bezirksver.  6,  24.  —  ■•)  Joannis,  Her.  mog.  2,  805.  —  '*)  Vermutlioli 
gestützt  auf  Vogel,  Beschr.  871.  —  '^)  Beschr.  294.  —  '')  1,  139.  —  **)  Annal.  trev.  2,  12«. 
Der  bequemeren  Nachprüfung  unserer  Darstellung  wegen  setzen  wir  den  vollen  Wortlaut  des 
Briefes  hierher:  „Udalricus,  comitis  Udalrici  cliens  militaris,  provinciam,  quam  vocamus  Haanani, 
conjuratis  plerisque  assumptis,  invasit  hostiliter,  et  incolas  alios  membris  foede  truncavit,  alios 
morte  affecit.  At  illi,  ut  sunt  efferi  et  immanes,  cum  dato  signo  concurrunt  undique  ad  suorum 
necem  injuriasquc  vindicandas,  usque  ad  fluviuni  nostrura  Loganam  fugientem  hostem  insecuti 
sunt.  Quare  diruptis  et  cursu  fessis  jumentia,  cum  oniittere  fugam  cogitur  Udalricus,  plerique 
abjectis  armis  pedites,  silva  cos  tcgente,  periculum  fuga  dedinarunt ;  caeteri  in  Ecclesiam  hnno, 
velut  ad  asylum  confugientes,  dum  altaria  certatim  amplectuntur,  gens  illa  effrenis  in  ipsum 
nionasterium,  patefactis  vi  claustris,  irrumpens,  nonnullos  in  Ecclesiae  sinn  captos,  correptos- 
i|uc  ad  poenam,  nefarie  stravit  et  occidit.  Quamobrem  hanc  illatam  Basilicae,  et  S.  Georgio 
Domino  suo  vim  atque  injuriam,  ut  cordi  habere,  et  quanam  poena  plecti  violentos  conveniat, 
diapicere  Bruno  velit,  communitor  rogant  et  obtestantur." 

Annalen,    liü.  XXVI.  4 


50 

kommeuen  Schreiben  der  Kanoniker  des  S.  Georgsstiftes  in  Limburg  an  den 
Erzbischof  Bruno  in  Trier  vom  Jahre  1114,  dass  ein  Kriegsvasall  des  Grafen 
l'dalrich,  selber  des  Namens  Udalrich,  mit  einem  Haufen  von  Dienstgenossen 
in  das  Gebiet  von  Ilalin  eingebrochen  sei  und  Einwohner  desselben  teils  gräss- 
lich  verstümmelt,  teils  getütet  habe.  Die  übrigen  hätten  sich  hierauf,  roh  und 
grausam,  wie  sie  seien,  auf  ein  gegebenes  Zeichen  zusammengerottet,  um  den 
Murd  und  die  Unthat  an  den  Ihrigen  zu  rächen,  und  den  fliehenden  Feind  bis 
nach  Limburg  verfolgt,  wo  der  Rest  von  ihm  im  Georgskloster  Schutz  gesucht 
hätte,  nachdem  die  andern  unter  Zurücklassuug  der  zersprengten  und  ermüdeten 
Zugtiere  zu  Fusse  im  Walde  Zuflucht  gefunden  hatten.  Hier  hätten  die  Ver- 
folger die  Thüren  erbrochen  und  in  der  Kirche  ein  Blutbad  angerichtet.  Die 
Schreiber  dos  Briefes  bäten  deshalb  darum,  dass  Bruno  die  der  Kirche  und  ihrem 
Herrn,  dem  h.  Georg,  zugefügte  Gewaltthat  zu  Herzen  nehmen  und  ausfindig 
machen  wolle,  wie  die  Gewaltthätigen  zu  strafen  seien. 

Dass  die  hierbei  genannte  „provincia  Haana"  nicht  der  Einrieb  sein  könne, 
wie  Brower  und  mit  ihm  Gebhardi  annahmen,  indem  sie  Einrieb  zu  Hainrich 
oder  llänrich  umdeuteten,  hat  schon  Krem  er  nachgewiesen.^)  Doch  irrt  auch 
er,  wenn  er,  verführt  von  dem  Ausdruck  „provincia",  auf  die  „Saynischen  Lande" 
rät,  weil  „in  dieser  Gegend  noch  jetzt  mehrere  Orte  in  ihren  Namen  das  An- 
denken dieser  Provinz  behalten:  Hayn  oder  Hahn,  Langenhahn,  Rotzenhahn, 
Hellenhahn,  Zinnhahn. "  Vogel,  dem  sich  Schliephake  nach  Gewohnheit  an- 
schliesst,  hat  diese  Deutung  benutzt,  aber,  obwohl  richtiger  „provincia"  in  seiner 
seit  Tertullian^)  gangbaren  Bedeutung  von  Gegend  fassend,  ebenso  willkürlich 
auf  die  Gegend  von  Hoen,  das  ehemals  Hana  geheissen  habe,  beschränkt.'')  Wäh- 
rend er  alsdann  textgemäss  den  Zug  des  Dienstmannes  Udalrich  deutete,  Hess  er 
sich  später  verleiten,  einen  Kriegszug  zur  Geltendmachung  von  Erbansprüchen 
seines  Grafen  an  das  dietzischc  Gebiet  zu  vermuten.  Nicht  nur  aber,  dass 
der  Bericht  hiervon  keine  Silbe  meldet,  so  lässt  dieser  schon  seinem  Wortlaut 
nach  gar  keinen  andern  als  einen  barbarischen  Mordzug  zu,  da  nur  von  Ver- 
stümmeln und  Tüten  der  Überfallenen  die  Rede  ist.  Wir  denken,  die  Sache 
liegt  so.  Brower  berichtet  vor  Erzählung  dieses  Frevels,  dass  Kaiser  Heinrich  V., 
nach  seiner  Vermählung  mit  ISlathilde,  der  Tochter  des  Königs  Heinrich  von 
England,  um  E])iphanias  1114  in  Mainz,  sich  zur  Belagerung  des  aufständischen 
KTilii  aufgemacht  habe.  Da  die  Hoffnung  auf  Einnahme  trog,  so  wandte  sich 
der  Kriegszorn,  mit  Brower  zu  reden,  auf  Verwüstung,  oder  vielmehr,  wie  die 
„Annales  C'olonienses"'*)  besser  wissen,  die  Kölner  verheeren  die  kaiserlichen 
Besitzungen  am  Rhein,  namentlich  Andernach  und  Sinzig,  im  August  und  Sep- 
tember. Und  als  es  darnach  im  Oktober  zur  Schlacht  zwischen  den  Kaiserlichen 
und  Kölnern  bei  Andernach  kommt,  werden  die  aus  Sachsen,  Franken,  Alemannen, 
Baicrii  und  Burgundern  bestehenden  Ersteren  aufs  Haupt  geschlagen.  Wie  nun, 
wenn  an  diesem  Zuge  auch    der  Heerhaufe    des  Grafen  Udalrich,    den  wir  bei 

'j  Orig.  Nass.  1,  215.  —  *)  de  anima  c.  42,  bei  Du  Cange-Henschel  .5,  493''.  — 
'-)  Aniial.  1,  1,  100  f.,  Bcsclir.  294.  'j  Mon.  Germ.  17,  749  f.;  vgl.  Ooerz,  Mittelrliein. 
itegeat.   1,  405,  Nr.    1671. 


51 

[lieser   Gelegenheit   als   Gaugrafen    xai   denken   hätten,   beteiligt   gewesen   wäre 
und  eine  unter  Führung  des  gleichnamigen  Leheusnianues^)  stehende  Abteilung 
auf  dem  Rückwege  das  an  der  alten  Strasse  zwischen  Köln-Limburg-Frankfurt 
hegende  Dorf  Hahn  im  Amte  "Walmerod,  mit  seiner  Umgebung  das    hahnische 
Gebiet,  die  „proviucia  Ilaana"  ^)  von  den  Briefschreibern  geheissen,  zur  Ahndung 
wegen  etwa  auf  dem  Plinzug  verübter  Gewaltthaten  oder  aus  altem  Nachbarhasse, 
wie  wir  gleich  begründen  werden,  oder  aus  einem  noch  viel  triftigeren  Grunde, 
den  wir  später  nennen  wollen,  überfallen  habe?    Es  entspräche  das  dem,  dass 
der  Bericht  nur  von  Verstümmeln  und  Morden,  nicht  von  Rauben  erzählt  und 
gleichwohl,  wie  das  die  bei  der  Flucht  erwähnten  Zugtiere  klar  machen,  Fuhr- 
werke dabei  sein  lässt,    die   demnach  nur  das  Heergeräte   zu    führen  bestimmt 
waren. ^)     Überdies  ist  der  im  Anfange  des  Berichtes  gebrauchte  Ausdruck  „con- 
juratis  plerisque  assumptis"   nicht  von  Mitverschworenen  zu  verstehen,  die  Udal- 
rich  für  seinen  Mordzweck  hinzugenommen  hätte,    denn  „conjurare"  im  mittel- 
lateinischen  Sinne   bedeutet:    zur   Yasallen-    oder   Hörigenpflicht    rufen.^)     Die 
„conjurati"  hier  sind  also  in  Pflicht  genommene  Dienstmannen  des  Grafen  Udal- 
ricli.     Besehen  wir   uns   dabei   den  Vasallen  Udalrich   genauer,    so   haben   wir 
wohl  in  ihm  denselben  Mann   zu    entdecken,    bei    dessen  Güterverkauf  an    das 
Kloster  S.  Jakob  „Vdalricus  et  Cunradus  frater  eins  de  Etichenstein"  erste  Zeu- 
gen nach  dem  Stadtpräfecten  waren,  und  die  nach  ihnen  verzeichneten  „Cuno  de 
Manendale"    und  „Franco   et  Hubertus   de  Birgestat"    ihre   idsteinischen  Burg- 
männer sein  werden.    Nun  wird  der  Vasall  „Vdalricus",  der  damals  (1102)  noch 
ein  junger  Mann  gewesen  sein  muss,  da  er  nach  der  Urkunde  gegebenen  Falles 
eine  Hörige  des  Klosters  heiraten  soll,  als  ein  „de  vico,  qui  Roth  nuncupatus, 
oriundus"  genannt.     Da   sich   in   der  Nähe  Schwanheims,    in   dem  Udalricus  4 
Mansen  verkauft,    kein  Dorf  dieses  Namens  befindet,    der  Verkauf  in  ersterem 
vielmehr  als  ein  besonderes  Geschäft  bezeichnet  wird,  bei  dem  neben  dem  Stadt- 
präfecten Gerhard  nur  der  Vetter  Udalrich's,    Almar,    zugegen   war,    so   dürfte 
au  Roth  in  der  Nähe  Hahn's  zu  denken  sein,  und  dann  wäre  wohl  der  Nach- 
barhass,  von  dem  wir  vorhin  als  einer  möglichen  Ursache  zum  Überfall  Hahns 
redeten,  in  genügendes  Licht  gesetzt,  ebenso  wie  die  Grausamkeit  auch  dieses 

1)  Der  Ausdruck  „Cliens  militaris"  begegnet  nur  hier.  Sonst  bedeutet  cliens  allein  schon 
armiger,  dann  aber  auch  vasallus,  Du  Cange-Henschel  2,  397\  Beides  wird  also  den 
Kriegsvasallen  oder  Lehensmann  bezeichnen,  und  es  wird  hier  in  Betracht  kommen,  was 
Waitz,  Verfassungsgesch.  3,  232  bemerkt:  „Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  die  Vornehmen  des 
Reichs  sich  gerne,  wie  mit  unfreien  Dienern,  die  bewaffnet  waren,  so  auch  mit  Vasallen  um- 
gaben, welche  ihnen  Schutz  und  Hilfe  bei  verschiedenen  Vorkommnissen  gewährten."  —  -)  Ist 
das  Wort  richtig  gelesen  von  Brower,  so  ist  seine  ungewöhnliche  Fi)rm  bemerkenswert. 
Das  12.  Jahrhundert  kennt  noch  keine  Dehnung  durch  aa;  aa  ist  ihm  Zusammenziehung  ans 
aha,  wie  haal,  Kessolhaken  aus  hahal,  Graff  4,  772.  Hier  dagegen  müsste  eine  Zusammen- 
ziehung aus  aga,  da  der  Name  vom  ahd.  hagan  kommt,  stattfinden.  —  ')  Dass  unter  den 
„jumentis'*  zunächst  Zugtiere  zu  verstehen  sind,  beweist  der  erste  Beisatz  „diruptis".  Auf  der 
wilden  Flucht  sind  die  Gespanne  zersprengt  worden;  „fessis"  bezieht  sich  dann  vorzugsweise 
auf  die  unter  den  „jumentis'*  mitbegriff'enen  Rosse  der  Reisigen,  die  dadurch  gezwungen  wor- 
den, nach  Abwerfung  ihrer  schweren  Waffen  als  „pedites"  im  Walde  ihre  Zuflucht  zu  suchon, 
während   die    übrigen   leicht   bewaffneten    Fussgänger   sich    nacli    Limburg  flüchten.  —  ■•,)  Du 

Cange-Henschel  2,  540". 

4* 


52 

Westerwälders ;  .efteri  et  immaücs"  nennt  sie  ja  der  Bericht.  Und  doch  ist 
diese  Grausamkeit  auch  dann  noch  so  ungeheuerlich,  dass  wir  die  Vermutung 
nicht  zu  unterdrücken  vermögen,  hier  habe  vielmehr  die  Rache  für  Trutwin's 
Mord  ihr  spätes  blutiges  Gericht  gehalten.  Oder  liegt  es  so  fern  ab,  anzunehmen, 
dass  der  Mörder  entflohen  war,  in  dem  entfernten  Hahn  einen  langjährigen 
Versteck  gefunden  hatte,  dann  endlich  ausgekundschaftet  worden  war,  und  der 
wilde  Rückzug  nach  der  verlorenen  Schlacht,  der  die  Mordbegier  nur  gesteigert 
hatte,  die  heissbegehrte  Gelegenheit  bot,  ihn  auf  fremdem  Boden  niederzustossen 
oder  vielmeiir  ihm  den  Rücken  zu  brechen^)  und  seine  Helfershelfer  mitbüssen 
zu  lassen?  Den  limburger  Beschwerdeführern  konnte  das  ja  nicht  bekannt 
sein.  Al)er  dem  Grafen  Udalrich  war  es  ohne  Zweifel  nicht  verborgen  und 
geschah  auf  seinen  geheimen  Befehl,  als  des  einzig  noch  übrigen  mündigen 
Bluträchers,  der  nun  durch  einen  Knecht  eine  Knechtesthat  ahnden  lassen 
konnte,  wo  ihm  selber  Blutrichter  zu  sein  versagt  war. 

Dass  der  Graf  darnach  als  wirkliches  Haupt  des  königsgauer  Hauses 
auftritt,  glauben  wir  aus  seinem  Namen  unter  den  mehr  als  dreissig  Zeugen 
der  Geistlichkeit,  des  hohen  Adels  und  der  mainzer  Dienstmannen  auf  dem 
Freiheitsbrief  vom  Jahre  1118  schliessen  zu  müssen,  den  Erzbischof  Adelbert 
zum  Dank  für  seine  Befreiung  ausstellte.^)  Er  ist  dort  als  ,Vdalricus  de 
Edichenstein"  verzeichnet.  An  seiner  Stelle  aber  sind  bei  der  Bestätigung  dieses 
Briefes  1135  seine  Vettern  „Arnoldus  comes  et  frater  eins  Rutbertus  de  Luren- 
burc."^)  Nur  noch  einmal  sodann  bekundet  er  uns  sein  Dasein  als  Zeuge  und 
nun  unter  dem  Namen  „Udalricus  de  Eppenstein"  bei  der  Gelegenheit,  wo 
Erzbischof  Adelbert  der  Abtei  S.  Jakob  1122  den  Besitz  der  Parochialkirche  in 
Gensim  (Ginsheim)  bestätigt.^)  In  dieselbe  Zeit  aber  müsste  die  angebliche  Schenk- 
ung Udalrichs  an  Adelbert  oder  das  Martinsstift  in  Mainz  fallen,  die  unter  den  dem 
Erzbischüfe  während  seiner  Regierungszeit  gemachten  anderweiten  Zuwendungen 
an  letzter  Stelle  mit  den  Worten  angeführt  zu  werden  pflegt:  „Castrum  Dingen- 
burc,  munitionem  Obcroldeshusen  cum  prediis  suis:  Castra  duo,  Ethechenstein 
et  Eppenstein,  que  comes  Vdalricus  dedit  cum  universis  prediis  suis  et  minis- 
terialibus  suis,  sicut  probatur  per  quoddam  Privilegium  Ecclesie  Sti  Jacobi,  (juod 
habet  super  (juibusdam  bonis   in  Rudensheim."^) 

Diese  Aufzeichnung  hat  ihren  seitherigen  Auslegern  viel  Mühe  gemacht, 
doch  nur  in  Bezug  auf  die  zwei  ersten  in  ihr  namhaft  gemachten  Orte.  Ein 
„Dingenburc"  kennt  niemand.  Vogel  hat  daher  zu  Gunsten  seiner  Annahme 
von  der  Bedeutung  des  oben  geschilderten  Einfalls  in  das  hahnische  Gebiet 
es  in  den  Resten  einer  Burg  „innerhalb  der  Grenzen  des  alteu  Gerichtes  Hoen, 


')  Das  war  wenigstens  im  Norden  und  im  friesischen  Rechte  des  Mittelalters  die  ge- 
richtliche Strafe  für  den  Mord,  vgl.  Schröder,  Lehrb.  72.  Daher  das  „alios  menibris  foede 
truncavit"  des  Berichtes,  weil  es  sich  vielleicht  niclit  bloss  um  einen  Meuchelmörder  liandolte? 

—  =j  Oud.Mius,  Cod.  dijd.  1,  IIG  fl. ;  Will,  Regest.  1,  251,  Nr.  36.  —  •')  Gudenus  1,  120. 

—  *}  Wür.ltwein,  Diocc.  mog.  1,  477.  —  ■')  Gudenus  1,  397  f.;  Will,  Regest.  1,  303, 
Nr.  301;  Roth,  Fontes  rer.  nass.  1,  .'302.  Dass  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wiesb.  12  auf  Grund 
dieser  Stelle  davon  reden  kann,  dass  Udalrich  die  Burgen  Eppstein  und  Idstein  vom  mainzer 
ErzMtift«  zu  Lehen  getragen  habe,  ist  —  seltsam. 


53 

zwischen  Seck  und  Hellcnhain"  suchen  zu  sollen  gemeint  und  findig  die  Ding- 
stätte des  nahen  Stiihllindengerichts  bei  Winden  als  Namensursache  der  Burg 
deuten  wollen.  Die  „munitio  Oberoldeshusen"  dagegen  suchte  er  als  „befestigten 
Burgsitz"  in  der  Nähe  von  Niedernhausen,  weil  sich  dort  eine  „alte  Burgschalc" 
finde,  die  in  der  Sage  der  Umgegend  als  „erste  und  eigentliche  Stammburg 
der  Herren  von  Eppstein"  gelte  und  später  Oberhausen  geheissen  habe.^) 
Schliephake  hat  diese  Vermutungen  warm,  aber  nach  seiner  Art  vorsichtig 
unterstützt'"'),  ohne  zu  bemerken,  dass,  wenn  schon  die  JLerleitung  von  „Dingen- 
burc"  aus  ding  eine  sprachliche  Unmöglichkeit  ist,  die  höchstens  durch  Zuhilfe- 
nahme des  Zeitworts  dingen  =  Recht  sprechen  einigermassen  gehalten  werden 
könnte,  dies  in  erhöhtem  Masse  für  die  angenommene  Gleichung  Oberhausen : 
Oberoldeshusen  gilt.  S  chenk  von  Schweiusberg  sucht  deshalb  den  sehr  an- 
sprechenden Ausweg,  dass  „Dingenburc"  Verschreibung  für  Clingenberg  a.  M. 
sei;  da  sich  cl  leicht  verwechseln  lasse  mit  d,  wie  dies  nachweislich  in  einer 
würtemberger  Urkunde  von  1230  bei  demselben  Worte  geschehen  ist.  Auch 
sei  Klingenberg  ein  maiuzisches  Lehen  gewesen.^)  Desgleichen  hatte  er  schon 
früher  die  , munitio  Oberoldeshusen"  in  Obertshausen  im  sog.  Rodgau  entdecken 
wollen,  da  dort  nicht  bloss  die  geräumige  „Trümmerstätte  einer  Burg"  gefunden 
worden,  sondern  auch  bei  Oberoldeshusen  eppsteinischer  Besitz  seit  1278  ur- 
kundlich nachgewiesen  sei.*)  Indes,  so  bestechend  das  auch  für  den  ersten 
Augenblick  klingt,  „Oberoldeshusen"  kann  sprachlich  nie  zu  Obertshausen 
werden.  Das  letztere  ist  nur  das  von  ihm  als  Ahbrachtshusen,  Obratshusiu 
und  Abrachtishusen  1329,  1348  und  1371  nachgewiesene  Dorf,  das  mit  dem 
Personennamen  Audoberath,  Odebrecht,  Audebert,  Otbert,  Othbraht,  Otperaht, 
Obert,  Opert,  nhd.  Obert,  Odebrecht,  Oppert  gebildet  wurde^),  während  Ober- 
oldeshusen von  dem  „einzig  mit  der  Praeposition  ubar  zusammengesetzten  Per- 
sonennamen" Oberolt  stammt.^)  Schenk's  Gewährsmänner  Scriba  und  Wörner 
haben  beide  Namen  schon  in  ungerechtfertigter  Weise  zusammengeworfen,  in- 
dem sie  zu  Oppershofen  sogar  Oppoldeshusen  stellen,  während  das  mit  dem  letz- 
teren gleichnamige  Oppoldeshusen  in  der  Herrschaft  Itter,  das  deutlich  ein  zu- 
sammengezogenes Oberoldeshusen  ist,  allein  steht. ^) 

Sehen  wir  aber  nun  genauer  zu,  welchem  Zweck  zu  Liebe  dieser  Aufwand 
von  Scharfsinn  und  Gelehrsamkeit  getrieben  worden  ist,  so  kommen  Avir  zu  der 
wehmütig  nüchternen  Erkenntnis,  dass  derselbe  ein  von  Grund  aus  verfehlter 
genannt  werden  rauss  und  nur  der  verkehrten  Druckweise  Guden's  oder  der 
verkehrten  Zusammenschreibung  seiner  Vorlage  ein  unseliges  Dasein  verdankt. 
Die  Worte  „Castrum  Dingenburc,  munitionem  Oberoldeshusen  cum  prediis  suis", 
die  Guden  dem  Udalrich  betreffenden  Absatz  des  Schriftstücks  zugewiesen 
hat,  gehören  in  Wahrheit  dem  vorangegangenen  an,  dessen  Wortlaut  mithin 
dieser  war :  „Miuisteriales  omnes,  quos  Comes  Adelbertus  in  montanis  circa 
Nuenkirchen  habuit,  Filia  et  Vir  suus  Marchio  Conradus  Sto  Martino  et  Archie- 
piscopo  cum  cetera  familia  dederunt.     Castrum  Dingenbure,  numitiouem  Obcr- 


')  Bcschr.  233,295.  —  ^)  1,  142  H'.  —  ■')  Mitteil,  des  liauauer  Bczirksvcr.  5,  12;  Koih, 
Gesch.  (1.  Stadt  Wiesb.  13.  —  *)  Korrespoiideuzbl.  des  Gesamtver.  der  deutsch.  Gesch. 's  u. 
Altcrturasver.  1874,  Nr.  9,  S.  69.  —  ^)  Pörstemann  1,  Ititi  t'.  —  «)  Ebenda  1,  969  u.  1267. 
—  ')  Kegosten  der  Provinz  Ötarkeuburg.    Diirmst.   1847.    273. 


54 

üldeshusen  cum  prcdiis  suis."    Sie  bilden  dort  denselben  unvermittelten  Nachtrag, 
wie  in  dem  Absatz  vorher  die  ebenso  durch  einen  vorangesetzten  Punkt  allein 
o-estellten  Worte  „Munitiouem  Altenheim  cum  prediis  suis",  die  gleichwohl  von 
einem  dicht  vor  dem  Punkte    stehendeu   „dedit"    abhängen.     Es  entspricht  dies 
auch    ganz    genau   dem  Sinne   der  Stelle.     Der  in  ihr  genannte  Graf  Adelbert 
ist   unstreitig    ein  Graf   dieses  Namens    von    Calw,    dessen    Vater   schon    unter 
Heinrich  IV.  sich  des  Klosters  Lorsch  als  Schützer  gegen  den  Erzbischof  Adelbert 
von  Bremen  annahm,  und  der  selber  als  Vogt  des  Klostors  bezeichnet  werden 
muss,  da  es  sein  Sohn  Gottfrid  sicher  war.^)    Markgraf  Konrad  dagegen  dürfte 
nach  Guden    ein  Zähringer   sein,    der   1145  als    Vater  Otto's   genannt    wird.*) 
Das  in  der  Stelle  aber  genannte  Nuenkircheu,  das  heutige  Nounkirchen,  beinahe 
auf  dem  Gipfel  der  2364'  hohen  neunkircher  llühe''),  liegt  nur  2\!i  Stunden  vom 
Kloster  Lorsch,  also  unfehlbar  in  dessen  Bannkreis,  wenn  es  auch  nicht  namentlich 
darin  aufgeführt  wird  bei  Dahl.     Die   rätselhafte  „Dingenburc*    entpuppt  sich 
also   einfach    als   das    heutige  Zwiugenberg,   2V2  Stunden  von  Neunkirchen  an 
der  Bergstrasse  gelegen  und  ebenfalls  Lorsch  ehedem  zugehörig.    Die  ursprüng- 
liche  Form    des  Namens   ist  Twingenburg*);    und   wie    das  mhd.   twingen    mit 
dwingen  wechselweise  erscheint^),  so  konnte  ebensogut  Dwingenburc  geschrieben 
werden.     Der  Schreiber  unserer  Stelle   hat  also    ein  \;   oder  u  vergessen  oder 
übersehen.     Hierdurch  wird  dann  auch  die  Vermutung  Wenck's  hinfällig,  dass 
die  Burg  Zwingenberg  unter  dem  Grafen  Diether  HL    von  Katzenelnbogen  im 
13.  Jahrhundert  angelegt  sein  möchte.*^)     Aber  freilich  wird  die  Burg  erst  1312 
maiuzisches  Lehen'),    während    sie    es   nach   unserer  Urkunde  schon    vor  1127 
sein  sollte.     Doch    kann    uns  das  nicht  stören,   da  ein  Besitzwechsel  im  Laufe 
des  Jahrhunderts  nicht  ausgeschlossen,  oder  aber  auch  hier  geschehen  ist,  was 
wir    alsbald    von  Idstein    und  Eppstein    zu   berichten   haben.     Was  endlich  die 
„munitio  Oberoldeshusen"  betrifft,  so  muss  bedauert  werden,    dass  man  seither 
.munitio"    nie   anders    als  in    der  Bedeutung  Feste  gefasst  hat,    während  doch 
seine  Stellung  neben  „castrum"  darauf  führen  musste,  das  Wort  in  seiner  mittel- 
alterlichen Bedeutung  zu  verstehen,  in  der  es  redditus,   fractus  heisst,  also  nur 
die  Einkünfte    von  Oberoldeshuseu  bezeichnet.^)     Ob    aber  Oberoldeshusen  das 
von  Schenk    in  der  Nähe  von  Seligenstadt  festgestellte  ist,   kann  mit  unseren 
dermaligen  urkundlichen  Mitteln  nicht  bewährt  werden. 

Kommen    wir  dcnmacii  zu  dem  uns  allein  angehenden  Reste  des  uns  bis 
dahin  beschäftigenden  Urkundenabschnittes.     Er  bestätigt  als  wirklichen  Besitz 


')  Coil.  laur.  2,  18.'},  Xr.  189;  Dahl,  Hist.  topogr.  stat.  Gesch.  des  Fürstentums  Lorsch. 
Üurmst.  1812.  08,  142  f.,  145;'^Stälin,  Wirtemb.  Gesch.  2,  370.  —  ")  Cod.  dipl.  1,  171.  Wenn 
Stalin  2,  20:^  sagt:  .,In  beiden  sehr  entfernten  Gegenden  der  genannten  Gaue  UfYgau  und 
Maingau  trelFcn  wir  im  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  die  Markgrafen  von  Baden  begütert,  und 
dieses  scliwcrlich  ziifiiiligc  Zusammentreffen  erklärt  sich  am  leichtesten,  wenn  wir  hier  in  den 
Markgrafen  von  Baden  die  Rechtsnachfolger  der  Grafen  von  Calw  annehmen'',  so  dürfte  hier 
jn  ilcm  Markgrafen  Konrad,  den  Stillin  nicht  kennt,  der  Punkt  des  Zusammenschlusses  ge- 
geben sein.  —  ')  Wagner,  Stat.  topogr.  Beschr.  des  Grossh.  Hessen.    Darmst.  1829.    1,  167. 

—  ♦)  Scriba,  Kegesten  1,248.  —  ')  Siehe  Lexer  2,   1602.  —  ^)  Hess.  Landesgesch.  1,  365. 

—  'j  GudcnuH,  Cod.  dipl.  .1,  72.  —  ")  Du  Cange-Henschel  4,  579"=. 


55 

Udalrich's  Idstein  und  Eppenstcin,  aber,  wenn  wir  auch  hier  genauer  prüfen, 
nur  diesen.  Denn  Idstein  ist  niemals,  soweit  wir  das  urkundlich  verfolgen  können, 
in  mainzische  Hände  übergegangen.  Eppstein  aber  konnte  gar  nicht  vom  Grafen 
Udalrich  verschenkt  werden,  da  es  Reichslohen  war.  Nach  einer  Urkunde  vom 
30.  Mai  1124  schenkt  erst  Kaiser  Heinrich  V.  auf  Bitten  seiner  Gemahlin 
Mathilde  und  des  Erzbischofs  Adelbert  die  Hälfte  der  Burg  an  Mainz.*)  Die 
andere  Hälfte  aber  blieb  Reichslehen,  selbst  als  sie  au  Hessen  veräussert  worden 
war.*)  Und  wenn  es  auch  im  eppsteinischen  Lehensbuch  des  13.  Jahrhunderts 
heisst:  „Item  vom  bysthum  zcu  Mencze  die  borg  zcu  Eppenstein"^),  so  kann 
sich  das  nur  auf  die  raainzische  Hälfte  bezichen.  Hat  man  doch  auch  bisher 
übersehen,  dass  dem  Schreiber  von  dieser  Schenkung  kein  Schenkungsbrief 
vorlag,  sondern  dass  er  seine  Nachricht  nur  einem  „Privilegium"  des  Jakobs- 
klosters über  dessen  Güter  in  Rüdesheim  entnahm.  In  diesem  Schriftstück  kann 
aber  eine  solche  Schenkung  selbstverständlich  nicht  an  sich  enthalten  gewesen 
sein,  sondern  höchstens  in  einer  Neben-  oder  Randbemerkung  vorkommen,  die 
vermutlich  nähere  Erläuterung  über  den  Schenker  der  rüdesheimer  Güter  gab. 
Wenn  wir  nun  lesen,  dass  unter  dem  Abte  Burchard  (1108 — 1119)  das  Kloster 
gewisse  Weinberge  („vineas  quasdam")  in  Rüdesheim  erhalten^  habe*),  und 
wenn  wir  uns  dabei  erinnern,  dass  oben  bei  der  Schenkung  der  Kirche  in 
Ginsheim  an  dasselbe  Jakobskloster  in  Mainz  Graf  Udalrich  Zeuge  war,  so  mag 
wohl  sein,  dass  dieser  der  Schenker  jener  Weinberge  war  und  ein  Späterer 
ihn  bei  dieser  Gelegenheit  am  Rande  auch  als  Schenker  von  Idstein  und  Epp- 
stein bezeichnete,  wie  man  gerüchtsweise  annahm.  Es  mochte  dieses  Gerücht 
seiner  Zeit  eine  wirkliche  Unterlage  gehabt  haben,  wie  bei  der  sogleich  zu 
besprechenden  Schenkung  von  Bierstadt.  Wir  bleiben  also  dabei,  dass  das  Ver- 
zeichnis der  Schenkungen  an  Mainz  uns  nur  Gewissheit  über  den  Besitz  Id- 
steins und  Eppsteins  in  der  Hand  des  Grafen  Udalrich  gibt. 

Wir  kommen  nun  zum  letzten  Schriftzeugnis,  in  dem  der  Name  dieses 
Grafen  noch  einmal  zum  Vorschein  kommt.  Erzbischof  Adelbert  hatte  sicli 
1128  imRückblick  auf  seine  stolze  Vergangenheit  —  auch  Schliephake^)  spricht 
vom  „starken  Selbstgefühle"  Adelberts  —  veranlasst  gefunden,  eine  Dankheka- 
tombe zu  opfern.  Er  that  dies  in  Gestalt  einer  umfänglichen  Zuwendung  an 
seine  „fi'atres  S.  Martini  de  Domo."  Das  erste,  was  er  diesen  zu  eigen  verbrieft, 
ist,  um  mit  seinen  Worten  zu  reden:  „curia  in  Birgestadt,  qui  fuit  Comitis 
Vdalrici  cognati  mei  et  uxoris  sue  Mattildis  etiam  cognate  mee,  et  quam  ipsemet 
prius  voto  tradidit  S.  Martine ;  ipsa  autem  post  mortem  eiusdem  mariti  sui, 
sicut  uxor  fidissima  et  devotissima,  quod  ipse  minus  fecit,  nostro  rogatu  et  per- 
suasu,  coram  multis  astantibus  et  idoneis  testibus  soUemniter  adimplevit."^)  Hier- 
aus geht  doch  wohl  vor  allem  als  Bestätigung  unserer  vorangegangenen  Be- 
hauptung zur  Genüge  hervor,  dass  Graf  Udalrich  nicht  der  grosse  Schenker 
von  Idstein  und  Eppstein  gewesen  sein  konnte,  da  er  hier  ein  so  kleines  Lob 
als  einer  empfängt,  der  noch  nicht  einmal  seinem  Gelübde  in  Betreff  Bicrstadts 


')  Sauer  1,  101,  Nr.  172.  —  '^)  Letlderhosc,  Kl.  Schrr.  3,  73  ff.  in  Mitteil.  d.  hau. 
Bezirksver.  5,  13.  —  ^)  Sauer  1,  182,  Anm.  2.  —  *)  Joannis,  Rer.  mog.  2,  84.  —  '")  1,  139, 
—  «)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  76;  Sauer  1,  104,  Xr.  176. 


56 

nachgekommen  sei.  Und  auch  hier  bedurfte  es  erst  der  Bitte  und  Überredung 
des  Erzbischofs  bei  der  "Witwe,  Es  steht  deshalb  zu  vermuten,  dass  Udalrich 
Grösseres  gelobt  hatte,  und  dass  darum  Adelbert  das  M'irklich  Empfangene,  so 
viel  Kleinere  mit  schlecht  verhehltem  Tadel  bescheinigte. 

Ist  aber  sodann  etwas  geeignet,  den  Zusammenhang  Udalrich's  mit  dem 
königsgauer  Hause  zu  verbürgen,  so  ist  es  eben  dies  Bierstadt.  Wir  haben 
früher  gesehen,  dass  nach  unserer  Richtigstellung  Hatte  IV.  dort  zwei  Hüben 
mit  Hörigen  an  Bleidenstat  schenkt*),  und  dass  dies  Tuto  I.  so  viel  später 
mit  einem  Obstgarten  und  einer  halben  llubo  wiederholt.-)  Aus  diesem  Grunde 
sehen  wir  ohne  Zweifel  auch  unter  der  ganzen  Urkunde  Adelbert's  „Arnoldus 
et  frater  eins  Hubertus  de  Lurenburgh",  von  denen  alsbald  zu  reden  sein  wird, 
nach  „Emicho  Comes  de  Smideburgh  et  frater  eius  Gerlachus"  und  „Emicho 
Comes  de  Liningen",  von  dem  noch  besonders  später  zu  sprechen  ist,  als  Zeugen 
aufgeführt.  Und  in  diesem  Zusammenhang  gewinnt  es  erst  an  Bedeutung,  dass 
Adelbert  hier  Udalrich  seinen  „cognatus"  nennt.  Er  ist  dies,  wie  wir  seiner 
Zeit  nachgewiesen  haben  durch  den  eben  genannten  Grafen  Ruprecht  von  Lauren- 
burg^),  demnach  als  ein  von  Haus  aus  Blutsverwauter  der  laurenburg'schen 
Brüder.  Diese  Blutsverwantschaft  wird  überdies  durch  einen  anmerkungsweise 
unserer  Urkunde  beigegebenen  Eintrag  aus  dem  „über  animarum"  des  Martins- 
stiftes, in  dem  es  zum  2.  April  heisst:  „Obiit  Vlricus  Comes  de  Nassawe  qui 
contulit  nobis  villam  Birgestadt",  bestätigt.*)  Natürlich  kann  das  erst  nach  dem 
Jahre  1159,  wo  die  Laurenburger  sich  nach  Nassau  zu  nennen  begannen, 
zugeschrieben  sein ,  aber  es  stellt  ohne  Frage  das  sichere  Gedächtnis  des 
Stiftes  von  der  Abkunft  Udalrichs  dar.  Dass  aber  die  Brüder  von  Laurenburg 
allein  von  den  Verwanten  —  wir  werden  hierzu  später  einen  Nachtrag  zu 
machen  haben  —  Zeugen  sind,  berechtigt  zu  dem  Schlüsse,  dass  Udalrich, 
dessen  offenbar  zu  der  Zeit  auch  bereits  verstorbene  Witwe  allein  genannt 
wird,  ohne  männliche  Erben  gestorben  war.  Setzen  wir  hinzu,  dass  Idstein 
von  nun  an  überhaupt  nicht  mehr  im  Zusammenhange  mit  Eppstein  vorkommt, 
so  haben  wir  es  schon  jetzt  unmittelbar  nach  dem  Tode  Udalrich's  in  den 
Händen  der  Laurenburger  zu  suchen,  zum  abermaligen  Zeugnis  dafür,  dass  es 
verwante  Hände  sind,  und  dass  Eppstein  Reichslehen  war,    das  mit  dem  Tode 


«)  S.  Anm.  6,  S.  15.  —  ^)  S.  Anm.  1,  S.  22.  —  ^)  Annal.  24,  149.  —  *)  Sauer  a.  a.  0. 
ijibt  als  Margiiialnotiz  der  Urkunde  selber  die  Worte:  .,Item  Ulricus  comes  dedit  villam  Birg- 
stad  ecclesie  Maguntine  et  obiit  III.  non.  Aprilis.  Vide  in  libro  presenciarum  III.  non.  Aprilis". 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  das  Martinsstift  neben  dem  Seelenbuch  noch  ein  solches  für  Ge- 
schenke (praesentiae)  besass.  Das  letztere  unterscheidet  sich  im  Wortlaute  vom  ersteren  und 
zugleich  im  Tage.  Das  Seelenbuch  hat  .,1V  Xon.  Aprilis'',  was  als  der  genaueren  Quelle  ent- 
stammend, das  Richtige  sein  wird,  wenn  es  auch  wegen  „de  Nassawe"  ein  späterer  Eintrag 
ist,  d.  h.  aus  einem  umgeschriebenen  Seelenbuch  stammt.  Aus  beiden  Eintrügen  aber  scheint 
hervorzugehen,  was  wir  zur  nachträglichen  Bestätigung  unserer  im  Text  zuvor  gemachten  Be- 
hauptung wegen  der  Schenkung  von  Idstein  und  Eppstein  hinzusetzen  wollen,  dass  diese  nie- 
mals geschenkt  wurden,  da  ihrer  hier  nicht  gedacht  wird,  während  es  doch  in  jenem  grossen 
.Schenkregister  des  Erzbischofs  heisst:  „Ilec  sunt  Alludia,  (juc  Dominus  Adelbertus  Venerabilis 
.Moguntinus  Archiepiscopus  Deo  et  Sto  Martino  in  Maguntia  contulit."  Wie  hätten  so 
bedeutende  Schenkungen  vergessen  werden  können  .,in  libro  presenciarum",  das  mit  seinem 
Eintrag  augenscheinlich  alles  angibt,  was  Udalrich  jemals  dem  Martinsstift  geschenkt  hat! 


57 

des  ohne  männlichen  Ncachkommcn  gebliebenen  IJdalrich  in  andere  Iländo 
übergingt),  zur  Hälfte,  wie  wir  bereits  sahen,  an  Mainz,  zur  andern  Hälfte, 
wie  die  spätere  Geschichte  zeigt,  an  die  Herren  von  Hanau,  um  von  da  ab 
der  Sitz  eines  den  Laurenburgern  fremden,  blossen  Herrengeschlechtes  zu  sein, 
an  dessen  Geschichte  wir  deshalb  vorüber  zu  gehen  haben.''*) 

Man  hat  seither,  um  auch  das  nicht  ungesagt  zu  lassen,  die  Todeszeit 
Udalrich's  nicht  bestimmen  zu  können  gemeint,  und  doch  stehen  zwei  sichere 
Anhaltspunkte  einer  solchen  Bestimmung  zu  Gebote.  Der  erste  ist  der  im 
Seelenbuch  des  Martinsstiftes  genannte  Todestag,  der  3.  April,  der  andere  das 
Datum  der  Belohnung  des  Domstiftes  mit  Eppstein  am  30.  Mai  1124.  Sobald 
Udalrich  tot  war,  galt  es  für  den  schlau  berechnenden  Adelbert  der  erste  auf 
dem  Platze  zu  sein,  um  allen  zuvor  die  mächtige  Burg  des  Verstorbenen  zu 
gewinnen.  Udalrich  ist  also  am  3.  April  1124  gestorben,  und  die  Verzögerung 
der  Belehnung  bis  zum  30.  Mai  trotz  des  nahen  Datumsortes  Worms  möglicher- 
weise durch  die  Belagerung  dieser  Stadt  seitens  des  Kaisers  Heinrich  V.'^) 
veranlasst  worden.  Denn  am  Schlüsse  der  Urkunde  heisst  es  nicht  nach  Guden's 
irrigem  Abdruck:  „data  ante  Wormatiam",  sondern  wie  die  Urschrift  besagt: 
„data  autem  Wormatiae."*)  Dass  die  Schenkung  Bierstadt's  in  das  gleiche 
Jahr,  vielleicht  in  dieselbe  Zeit  gefallen  sein  muss,  und  nicht,  wie  mau  bisher 
annahm,  in's  Jahr  1128,  ergibt  sich  von  selber  daraus,  dass  sie  zum  Seelen- 
gedächtnis des  Verstorbenen  geschah.  Mit  der  Gewinnung  der  reichen  Gabe 
hatte  Adelbert  wohl  um  so  leichteres  Spiel,  als  er  in  der  Urkunde  von  1128 
Mathildis  „etiam  cognata  mea"  nannte,  nur  dass  diese  Verwautschaft  leider 
nicht  nachzuweisen  ist,  wie  die  mit  Udalrich. 


lil.    Ruprecht  I.  und  Arnold  I.  von  Laurenburg. 

1.  Als  Urkundeiizeiigen.    Kloster  Schöiiau  und  seine  Übergabe  an  Mainz. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Geschichte  des  Hauses  Laurenburg  zurück,  so 
haben  wir  uns  zunächst  mit  den  beiden  schon  genannten  Grafen  Ruprecht 
und  Arnold  zu  beschäftigen,  die  wir  aus  der  „schönauer  Überlieferung"  als 
Söhne  des  gemordeten  Trutwin  IV.  kennen.^)     Als  erster  von  Beiden  begegnet 


*)  Es  galt  hier  der  Rechtsgrundsatz,  den  Schröder,  Lehrb.  397  f.  mit  den  Worten 
ausspricht:  ,,Die  Succession  beschränkte  sich,  wie  in  Italien,  auf  die  Descendcnten  aus  dem 
Mannesstaninie,  unifasstc  aber  nicht  wie  dort  die  gesamte  lehnsfähige  Nachkommenschaft  des 
ersten  Erwerbers,  sondern  nur  diejenige  des  letzten  Besitzers,  sie  war  demnacli  ausscliliesslich 
Descendentensuccession  und  liess  die  Ascendenten  und  die  Seitenverwandten,  selbst  die  Brüder 
unberücksichtigt.''  —  ^)  Der  Versuch  Schenk's  an  den  a.  Orten,  die  Anfänge  des  Herrcn- 
geschlechtes  auf  Eppstein  in  klareres  Licht  zu  setzen,  ist  Jedenfalls  der  verheissungsvollstc 
von  allen  bisher  angestellten.  Unsere  Beanstandung  einzelner  seiner  Behauiitungcn  berührt 
den  Kern  seiner  Darstellung  nicht.  So  kann  es  diesem  auch  nicht  schaden,  dass  wir  seine 
Verbindung  des  neuen  eppsteinischen  Hauses  mit  dem  alten  gräfliciien  in  Abrede  stellen,  in- 
dem wir  Konrad  von  Idstein  kinderlos  sterben  lassen.  —  •')  Schannat,  Hist.  episc.  Wormat. 
351.  —  *)  Schenk  v.  Schwcinsb.,  Mitteil,  d,  hau.  Bczirksver.  6,  24.   —   '-}  Annal.  24,  126. 


58 

uns  im  Jahre  1123  ^Arnoldus  de  Lurinlnirg."  Neben  den  uns  bereits  bekannten 
.Emicho  comes  et  fratcr  suus  Gerlach"  von  Sehmidtburg,  und  „Meinhardus 
comes  de  Sponheim",  die  ihm  voraustehen,  und  „Sifridus  comes  de  Nuringen", 
.Albero  de  Hachiufels^  und  „Eberhardus  de  Hostaten",  die  ihm  folgen,  ist  er 
Zeuge  bei  der  Beurkundung  des  Erzbischofs  Adelbert,  dass  Meingott,  Sobn 
des  verstorbenen  Kämmerers  Embricho,  bei  Antritt  einer  Wallfahrt  nach  Jeru- 
salem dem  Kloster  Altmünster  mit  Zustimmung  seines  Bruders  Tuto,  da  er 
selbst  ohne  Leibeserben  sei,  seine  Güter  zu  üstrich  und  Reichartshausen  mit 
dem  Beding  vermacht  habe,  dass  ihm  für  den  Fall  seiner  Rückkehr  der  Unter- 
halt auf  Lebenszeit  von  diesem  gewährt  werde.^)  Dass  damit  Arnold,  wenn 
er  auch  im  Verlauf  der  nachfolgenden  urkundlichen  Bezeugungen  hin  und  wieder 
seinem  Bruder  voransteht,  nicht  als  der  ältere  der  Brüder  gelten  kann,  besagt 
die  spätere  Geschichte.  Seinen  Namen  hat  er  unverkennbar  von  dem  Gross- 
vater seiner  Mutter  Beatrix,  den  wir  im  Jahre  1050  als  Gaugrafen  im  Einrieb 
kennen^,  wie  denn  auch  Ruprecht  seinen  Namen  von  dem  Ahnherrn  der  Mutter 
Rodbertus  haben  wird,  der  eben  dort  in  gleicher  Eigenschaft  074  erscheint.^) 
Auf  alle  Fülle  ist  wichtig,  schon  hier  festzustellen,  was  auch  durch  das  Folgende 
bestätigt  wird,  dass  ein  Vertreter  Laurenburgs  mit  dem  erzbischöflichen  Hofe 
in  Mainz  in  Beziehung  tritt.  Damit  ist  eine  Wendung  in  der  seitherigen  Haus- 
politik  vollzogen,  die  wir  auf  Rechnung  des  mit  Mainz  verbündet  gewesenen 
Grafen  Udalrich  HL  zu  setzen  berechtigt  sind.  Der  in  der  Fülle  seiner  Macht 
stehende  Verwante  in  Mainz  bot  höhere  politische  Vorteile  für  das  Haus,  als 
der  seinem  Ende  entgegengehende  machtlose  Bruno  in  Trier,  obschon  auch 
dieser,  wie  wir  ehedem  festgestellt  haben,  ein  Verwanter  des  Hauses  war.*) 

Wir  sehen  deshalb  gleich  im  folgenden  Jahre,  am  1.  April  1124,  die 
beiden  Brüder  —  und  diesmal  geht  „Ruobertus  comes"  dem  „Arnoldus  frater 
eins"  voran  —  als  Zeugen  in  einer  Urkunde  Adelberts,  in  der  dem  St.  Georgs- 
stift in  Limburg  die  Schenkung  der  Pfalzgräfin  Adelheid  für  das  Seelenheil 
ihres  Gatten,  des  Pfalzgrafeu  Heremann,  in  Eisen  und  Meud  bestätigt  wird.^) 
Sie  sind  die  ersten  unter  den  weltlichen  Mitzeugen,  aus  denen  nur  ihr  Ver- 
wanter, ,Anshelmus  de  Mollesberg"  noch  hervorgehoben  sei.  An  erster  Stelle 
der  geistlichen  Zeugen  befindet  sich  ihr  nachmaliger  Feind,  „Buche  Worma- 
tiensis  episcopus",  der  von  Adelbert  in  Bann,  vom  Kaiser  in  die  Reichsacht 
gethan,  in  diesem  Jahre  von  den  wormser  Bürgern  auf  eigene  Hand  auf  seinen 
Bischofssitz  zurückgeführt  worden  war.'')  Dies  wiederholt  sich  in  der  Urkunde 
vom  7.  Juni  1124.  durch  welche  Adelbert  die  Stiftung  des  Klosters  Sponheim 
und  die  L'ijergabe  desselben  au  das  mainzer  Martinsstift  durch  die  Brüder 
Meginhard  und  Rudolf,  Grafen  von  Sponheim,  bestätigt.^)  Buggo  ist  als  erster 
Zeuge  genannt  und  die  freien  weltlichen  sind:  „Arnoldus  vrbis  praefectus,  comes 


')  Sauer  1,  99  f.,  Nr.  170;  Will,  Regesten  1,  173,  Xr.  142.  —  ^)  Kremer,  Orig. 
Nm8.  2,  12:5.  —  ■")  Sauer  1,  4ß,  Nr.  95.  -  ')  Annal.  24,  141.  —  ^J  Sauer  1,  100,  Nr.  171; 
Act.  l'al.  -.i,  81;  Will,  Kcgcsten  1,  273,  Nr.  148.  —  '')  Schannat,  Ilist.  episc.  Worm.  351. 
—  ^jTrithcmius,  Chron.  8i)onh.  2,  239 ;  Will,  Regesten  1,  274,  Nr.  151.  Die  Urkunde 
ist  von  HenncB  1,  10,  nicht  gekannt,  ebensowenig  von  dem  ilm  benutzenden  Schliephake 
1,  165,  darum  auch  von  uns  Annal.  24,  147  unbeachtet  geblieben. 


59 

Goswinus  et  filius  eius  Gcrardus  et  frafer  eins  Emicho,  Arnoldus  et  fratcr  eins 
Kupcrtus  de  Lurcoburgk,  comes  Fridericus  Bertolfus  et  trater  eius  Sigcfridus, 
Ilenricus  de  Catzenelnbogen,  Rorichus  et  frater  eius  Gerlachus  [von  Merxheini]'), 
Vdalricus,  Fulcoldus."  Wir  schliessen  daraus,  dass  zu  dieser  Zeit  friedliche 
Beziehungen  zwischen  Laureuburg  und  Worms  bezüglich  der  Burg  Nassau  be- 
standen haben  müssen.  Ob  dieselben  einem  zeitweiligen  Verzicht  auf  letztere 
seitens  Laurenburgs  oder  einem  klugen  Gehenlassen  der  Dinge  seitens  Buggo's 
zuzuschreiben  sind,  oder  ob  ein  gütlicher  Ausgleich  versucht  worden  war,  lässt 
sich  nicht  bestimmen.  Wir  möchten  aber  glauben,  dass  ein  Ausgleichsversuch 
am  meisten  für  sich  habe.  Denn  zwischen  1124  und  1126  fällt  die  Übersiede- 
lung des  Klosters  Lipporn  nach  Schön  au.  Und  diese  bedeutet  ohne  Frage 
ein  Nachgeben  der  Laurenburger.  Lipporn  war  als  Sühnestätte  für  den  Er- 
bauer Nassaus,  Trutwin,  ein  unverkennbares  Vorwerk  dieser  Burg.  Gab  man 
es  dran,  so  schien  die  Burg  zu  halten  zu  sein.  Vorerst  dürfte  jedoch  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Aufhebung  Lipporn's  nur  ein  Gegenstand  gütlicher  Besprechung 
gewesen  sein.  Denn  bis  zum  25.  April  1124  lebte  Bruno,  der  Beschützer  des- 
selben, und  Godefridus  folgte  ihm  im  Anfang  des  August.  Alsdann  erst  erhielt 
Buggo,  wie  wir  seiner  Zeit  mutmassten^),  Macht,  der  Besprechung  seinerseits 
Nachdruck  zu  verleihen. 

Vier  Jahre  später  finden  wir  die  laurenburger  Brüder,  diesmal  auch 
wieder  in  der  Ordnung  „Arnoldus  et  frater  eius  Ruobertus  de  Lurenburch",  in 
der  oben  besprochenen  Urkunde  Adelberts  vom  Jahre  1128  wieder.  Ihre  Mit- 
zeugen, „Emicho  comes  de  Smideburg  et  frater  eius  Gerlaus,  Emercho  comes 
de  Liningen,  Dammo  de  Bvochen  et  Siegeboto  [von  Hanau],  Bertoldus  et  frater 
eius  [Sigfridus]  de  Nvoringeu",  gehören  sämtlich  der  rheinischen  Ritterschaft  au, 
ein  Zeugnis  nebenbei,  dass  sie  selber  dieser  immer  trotz  ihres  Besitzes  an  der 
Lahn  angehört  haben.  Im  Jahre  1129  sodann  ist  es  „Rubertus  comes  de 
Lureuburc"  allein,  der  ausser  den  geistlichen  Zeugen  mit  Arnold,  Grafen  von 
Lon  und  mainzer  Stadtpräfecten,  wie  Advocaten  des  Stifts,  Gerlach  von  Veldcnz 
und  Heinrich  von  Katzenelnbogen  bezeugen  hilft,  dass  Adelbert  auf  die  wieder- 
holten Klagen  des  limburger  Georgsstiftes  über  die  Widersetzlichkeit  seiner 
Hörigen  zu  Brechen,  Bergen,  Netzbach  und  Zeuzheim  den  Widersetzlichen 
ihre  Pflichten  gegen  das  Stift  einschärft.^)  Wir  dürfen  schon  hier  darauf  auf- 
merksam machen,  dass  der  genannte  Mitzeuge  Heinrich  H.  von  Katzenelnbogen, 
der  Ruprecht  gleichalterig  war,  mit  diesem  das  sog.  Vierherreugericht  auf  dem 
Einrieb  im  Jahre  1158  erwarb.'^)  Aus  dem  Jahre  1130  liegen  uns  nicht  weniger 
als  vier  Urkunden  Adelberts  vor,  in  denen  die  Grafen  von  Laurenburg  mit- 
einander als  Zeugen  genannt  siiul.  Während  der  ähnlichen  Zeugen  wegen 
zwei  von  ihnen  vor  den  12.  Dezember  zu  legeu  sein  werden,  ist  die  dritte  am 
12.  gegeben  und  die  vierte  um  die  gleiche  Zeit  verfasst.  In  der  ersten  zu 
St.  Alban  bei  Mainz  aufgestellten  entscheidet  der  Erzbischof  einen  Streit  zwischen 
dem  Stiftskapitel    zu  S.  Victor    in    Mainz    und    den   Mönchen    des  h.  Disibodus 

')  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  1,  492  f.,  Nr.  1801.  —  -)  Aunal.  24,  145.  —  ')  Sauer  1, 
107,  Nr.  178;  Act.  Pal.  3,  82;  Will,  Regesten  1,  288,  Nr.  212.  —  ■*)  Wenck,  Hess.  Landes- 
gcsch.  1,  239,  243  ff. 


60 

über  den  Zehnten  von  salischem  Boden  in  Sobcrnhcim  derart,  dass  die  Mönche 
den  Zehnten  fortan  allein  geniessen,  dafür  aber  dem  Victorstift  den  Gottschalks- 
hof am  Ötoekburgthor,  dessen  Grundzins  für  die  Zukunft  vom  Erzstift  erlassen 
wird,  und  einen  Mansus  in  Algesheim  abtreten.  Die  freien  weltlichen  Zeugen 
sind  der  Reihe  nach:  „Hubertus  comes  et  frater  eins  Arnoldus  de  Lurenburch, 
Gerlaus  de  Limburg,  lleiuricus  de  Katzenelnbogen,  Sigebodo  de  Buchou,  Ber- 
tulfus  [sein  Bruder]  comes  de  Lindenueles,  Sigfridus  comes  de  Nuringeu  jeben- 
falls  Bruder],  Cunradus  de  Wallrestein,  Cunradus  de  Bickenbach.  Anshelmus 
de  Gumeldiagen."')  In  der  zweiten  erzählt  Adelbert  die  Stiftung  des  Klosters 
Bischofsberg  (später  Johannisberg)  durch  Erzbischof  Ruthard,  seinen  Vorgänger, 
und  erklärt  es  selbständig,  nachdem  der  Abt  von  S.  Alban  auf  seine  darüber 
gehabten  Rechte  verzichtet  hatte.  Auch  verleiht  er  dem  Kloster  Pfarrrechte 
und  vermehrt  seine  Besitzungen.  Die  Zeugen  sind  dieselben,  nur  dass  zwischen 
Sigfrid  von  Nüriugs  und  Konrad  von  Wallrestein  noch  „Gerardus  de  Scoweu- 
burch**  eingeschoben  und  statt  des  letzten  „Cuonradus  Spore"  und  „Cunradus  de 
Ilagene"  (Hanau)  zugesetzt  sind.-)  Die  dritte  Urkunde  vom  12.  Dezember 
stellt  die  erste  in  kürzerer  Passung  dar  und  hat  als  weltliche  Zeugen  nur: 
„Arnoldus  et  frater  eins  Rupertus  de  Lurenburch,  Heinricus  de  Katzenelnbogen, 
Bertolfus  de  Lindeufels,  Adelbero  et  frater  eins  de  Hachenfels."^)  Die  vierte 
endlich  stellt  eine  Erweiterung  der  zweiten  dar,  wie  Sauer  mit  Recht  gegen 
seine  Vorgänger,  die  sie  mit  dieser  im  wesentlichen  übereinstimmen  und  am 
gleichen  Tage  ausgestellt  sein  lassen,  hervorhebt,  da  sie  von  anderer  Hand  ge- 
schrieben ist,  und  die  freien  weltlichen  Zeugen  nur  sind :  „Gerlahus  de  Pelden- 
zun,  Ruobertus  et  Arnoldus  de  Lurenburg,  Heinricus  de  Katzenelnbogen,  Berh- 
toldus  comes  et  frater  eins  Sigfridus."^) 

Das  Jahr  1132  bringt  uns  die  wichtige  L^rkunde  von  der  Übergabe  des 
Klosters  Schönau  an  Mainz.  Zu  unserer  ehemaligen  Besprechung  derselben^) 
haben  wir  noch  das  Polgende  nachzutragen.  Zunächst  übersahen  wir  in  Betreff 
ihres  Datums  gleich  unseren  Vorgängern,  dass  dies  mit  einer  unrichtigen  In- 
diction  versehen  ist,  und  dass  diese  unrichtige  „Indictio  VIH*"  (statt  X")  nicht 
bloss  an  ungewöhnlicher  Stelle,  d.  h.  statt,  wie  gebräuchlich,  nach  der  Jahres- 
zahl, sogar  vor  dem  dieser  vorangehenden  „Actum"  steht,  sondern  auch,  wie 
es  eine  leere  Zeile  vor  sich  hat,  eine  solche  nach  sich  folgen  sieht.  Desgleichen 
hat  eine  erneute  Untersuchung  der  Urschrift*"')  ergeben,  dass  der  ganze  hierauf 
folgende  Schluss,  der  die  genaue  Jahresangabe  enthält,  von  anderer  Hand, 
nämlich  von  der  des  Martinsstiftspropstes  Heinrich,  der  sich  am  Ende  als  solcher 
zu  erkennen  gibt,  herrührt.  Nehmen  wir  die  andere,  bereits  von  Saucr^)  ver- 
zeichnete Unregelmässigkeit  hinzu,    dass  vor  Aufführung  der  Zeugen  sich  noch 


')  Joannis,  Rer.  Mog.  2,  581;  Will,  Regesten  1,  291,  Nr.  229;  ^Indictionc  Villi" 
Vc-ifclilun;,'  für  VIII.  —  ^J  Sauer  1,  108,  Nr.  179;  Will,  Regesten  1,  291,  Nr.  231.  Die 
falsche  Indict.  VII  bei  Gudenus  1,  83  fällt,  wie  Sauer  bemerkt,  nur  diesem  zur  Last.  — 
■')  Joannis,  Rer.  Mog.  2,  582;  Will,  Regesten  1,  291,  Nr.  230.  —  •*)  Sauer  1,  111,  Nr.  180, 
vgl.  110;  Will,  Regesten  1,  291,  Nr.  231.  —  ")  Annal.  24,  10,  123,  149.  —  ^)  Herr  Archiv- 
rat Dr.  Sauer  hatte  die  grosse  Güte,  sicli  derselben  auf  unsere  Bitte  zu  unterziehen.  — 
'j  1,  128. 


61 

eine  10  cm  lange  leere  Zeile  befindet,  so  scheint  Stoff  genug  vorhanden  zu  sein, 
um  die  Urkunde  verdächtig  zu  finden.  Und  doch  löst  sich  die  Sache  sehr  ein- 
fach. Der  Schreiber  der  eigentlichen  Urkunde  war  augenscheinlich  ein  Neuling. 
Er  schrieb  das  bis  zum  Datum  abgeschlossene  Konzept')  ins  Heine,  liess  vor 
den  Zeugen  einen  Zwischenraum,  der  sich  dort  zufällig  finden  mochte,  und  nach 
demselben  zur  Aufnahme  der  umständlichen  Jahresangabe  einen  soviel  grösseren. 
Dann  setzte  er  seine  eigenmächtige  und  verkehrte  „ludictio  VIII"".  Dompropst 
Heinrich,  der  den  Fehler  nicht  bessern  durfte,  da  er  sonst  die  Urkunde  reclits- 
ungiltig  gemacht  haben  würde,  musste  um  seinetwillen  auch  den  freigelassenen 
Kaum  unbenutzt  lassen  und  schrieb  nun  ohne  Indiction  die  Jahresangabe,  fügte 
aber,  damit  die  andere  JFand  keinen  Zweifel  an  der  Echtheit  der  Urkunde  auf- 
kommen lasse,  sein  „Data  per  manum  Heinrici  prepositi  in  Maguntia"  hinzu. 
Denn  „Data"  bedeutet  hier  nichts  anderes  als :  Das  Datum  ist  von  der  Hand 
des  mainzer  Propstes  Heinrich.''^)  Die  Sache  war  so  wenig  anstössig,  dass 
spätere  Abschriften  die  verkehrten  Zwischenräume  samt  der  ebenso  verkehrten 
Indiction  einfach  wegliessen.  Gudenus'^)  hat  deshalb  beides  in  seiner  Vorlage 
nicht  gesehen,  und  ebenso  fehlt  es  in  der  „copia  authentica  Archivi  Idsteinen- 
sis",  die  Kremer^)  abgedruckt  hat. 

Bedeutsamer  ist,  dass  die  Urkunde  unter  den  Zeugen  nicht,  wie  zu  er- 
warten gewesen  wäre,  den  Grafen  Arnold  nennt,  und  dass  sie  überhaupt  nur 
fünf  freie  Edle  als  Zeugen  aufführt.  Aber  auch  dafür  dürfte  die  Erklärung 
nicht  allzuschwer  sein.  Die  Geschichte  berichtet  uns,  dass  König  Lothar  im 
September  1132  mit  einem,  wenn  auch  schwachen,  Heere  zu  seiner  Kaiser- 
krönung nach  Rom  zog.  Nun  ist  unsere  Urkunde  allerdings,  wie  die  Angabe 
„anno  regni  sui  VII"  in  ihr  lehrt,  da  das  7.  Jahr  erst  am  13.  September,  dem 
Jahrestage  seines  Regierungsantritts,  voll  war,  vor  diesem  13.  September  aus- 
gestellt. Aber  bedenken  wir,  dass  die  Zurüstung  zu  der  Heerfahrt  alle  dabei 
beteiligten  Hände   in  Anspruch   nehmen    musste,    so    leuchtet    wohl    ebensosehr 


')  Die  Annahme  von  Konzepten  für  Urkunden  ist  nach  Fiele  er,  Beiträge  zur  ITrkunden- 
lohre.  Innsbruck  1877  f.  23,  §  202  zweifellos.  Über  nachträgliche  Datierung  in  der  Rein- 
schrift s.  S.  252  ff.  daselbst.  —  ^)  Du  Cange-Henschel  2,  744'':  „Data  seu  Datum,  Anni, 
raensis  dieique  et  loci  Diploniati  seu  Chartae  adscripta  notatio."  Vgl.  Ficker,  Beiträge  zur 
Urkundenlelire  2,  207,  §  307.  Von  besonderem  Nachdruck  würde  diese  Datierung  durch  den 
Domprop.st  Heinrich,  den  späteren  Erzbischof  von  Mainz,  sein,  wenn  sich  die  Angabe  des 
mainzer  Domnecrologiuras  als  richtig  erwiese,  die  ihn  „Henricus  de  Nassave''  nennt,  Guden., 
Cod.  dipl.  2,  818  und  5,  1103.  Indes  die  Untersuchung  Schenk's,  Archiv  f.  hess.  Gesch. 
13,  3,  497  ff.  und  Korrespondenzbl.  d.  Gesamtver.  1874,  Nr.  9,  S.  69  stellt  wohl  ausser  Zweifel, 
dass  Erzbischof  Heinrich  thüringischer  Abkunft  war.  Vgl.  Will,  Regesten  1,  LXXI.  — 
=*)  Cod.  dipl.  1,  104.  —  *)  Orig.  Nass.  2,  160  ff.  Nur  die  von  Trithemius,  Chron.  sponh. 
2,  243  abgedruckte  Urkunde  liest:  „Actum  dominicae  incarnationis  anno  MCXXX  Indictionc 
octava  regnante  Lotario  Imperatore.  Data  per  manum  Henrici  Notarii  et  Praepositi  in  Mo- 
guntia."  Das  ist  aber  allzudeutlich  eine  der  falschen  Indiction  der  Urschrift  zu  Liebe  gemachte 
Änderung  —  indict.  VIII  gibt  nämlich  das  Jahr  1130.  Ihre  Verkehrtheit  thut  sie  dabei  da- 
mit kund,  dass  sie  Lothar  1130  Kaiser  sein  lässt,  während  er  es  erst  am  4.  Juni  1133  ward. 
Abermals  ein  Beweis,  wie  wenig  Verlass  selbst  auf  die  von  Trithemius  mitgeteilten  Urkunden 
ist.  Und  doch  ist  dieser  besondere  Fehler  bisher  noch  nicht  einmal  gerügt  worden.  Will, 
Regesten   1,  295,  der  ausdrücklich  Trithemius  anführt,  hätte  dazu  Anlass  gehabt. 


G2 

ein,  dass  Graf  Arnold  sich  unter  den  Rüstenden  befunden  haben  wird,  als  dass 
zu  der  Zeit  in  Mainz  nur  ein  kleiner  Kreis  unbeteiligter  Edeler  vorhanden  sein 
konnte.  Von  den  mit  Kuprecht  aber  genannten  Zeugen  sind  zwei  an  Mainz 
gebunden:  der  Stadtprüfect  Arnold  und  Gerlach  von  Yeldenz  als  „des  geist- 
lichen primatischen  Erzstifts  Erziruchsess  und  Küchenmeister",  wie  Crollius 
ihn  uenntM,  während  des  letzteren  Bruder  Graf  Emicho  von  Schmidburg  ver- 
nuitlich  den  König  ebenso  nach  Italien  begleitete,  wie  die  Brüder  der  beiden 
anderen    mitgenaunten  Zeugen   Rudolf   von  Sponheim    und  Dammo    von  Nidda. 

Auch  das  sei  nicht  übersehen,  dass  der  vermutliche  Veranlasser  oder  doch 
Anlassgeber  zu  dem  in  der  Urkunde  namhaft  gemachten  Schritte  des  Grafen 
Ruprecht  mit  unter  der  Zahl  ihrer  Zeugen  ist  und  unmittelbar  dem  Stadtprä- 
fecten  folgt.  Es  ist  Graf  Meginliard  von  Sponheim.  Derselbe  hatte,  wie  wir 
oben  sahen,  am  7.  Juni  1124  das  von  seinem  Vater  Stephan  begonnene,  von 
ihm  fertig  gebaute  Kloster  Sponheim  mit  seinem  Bruder  Rudolf  dem  Domstift 
in  Mainz  übergeben,  und  auch  dort  befanden  sich,  wie  damals  bemerkt  wurde, 
unter  den  Zeugen  der  Übergabe  die  beiden  laurenburger  Grafen.  Das  Gleiche 
geschah  1130  mit  dem  ihm  zugehörigen  Kloster  Schwabenheim^)  und  wenn  dabei 
unter  den  6  edelen  Zeugen  die  Laurenburger  fehlten,  so  rührte  das  offenbar  daher, 
dass  sie  sich  bei  dem  Heere  Lothar's  befanden,  das  dessen  Rechte  gegeu  seine 
Nebenbuhler  Fridrich  und  Konrad  verfocht.  Jedenfalls  war  mit  beiden  Schenk- 
ungen Ruprecht  ein  nachahmenswert  erscheinendes  Beispiel  gegeben.  Be- 
sprechungen mit  dem  Schenker  werden  hierbei  mit  um  so  grösserer  Gewissheit 
anzunehmen  sein,  als  dieser  zum  Mitzeugen  bei  der  Ausstellung  der  Urkunde 
erwählt  war. 

Nur  das  eine  unterschied  beide  Schenker,  dass,  während  Graf  Meginhard 
die  Vogtei  über  die  beiden  verschenkten  Klöster  als  Eigentum  zurückbehielt, 
Graf  Ruprecht  auch  diese  in  die  Hände  des  Erzbischofs  legte  und  sie  von  ihm 
als  Lehen  zurückerhielt.  Warum  er  das  that,  oder  warum  das  ausbedungen 
wurde?  Sicher  nicht  aus  dem  von  Schliephake  angegebenen  Grunde:  „Man 
sieht  aus  diesem  Artikel,  dass  die  Geistlichen  besorgten,  durch  Entfremdung 
von  der  Person  des  laurenburger  Erbherrn  in  Nachteil  und  Bedrängnis  zu  ge- 
raten."'') Denn  das  Vogtcilehen  an  sich  war  von  minderer  Kraft  als  das  Vogtei- 
eigentum,  es  überstieg  aber  das  letztere  an  Kraft  in  der  mächtigeren  maiuzer 
Hand,  und  darum  wurde  es  in  diese  gelegt,  genau  so,  wie  sich  später  die 
Laurenburger  dazu  verstanden,  die  Burg  Nassau  als  Lehen  von  Trier  zu  nehmen, 
nur  dass  es  hier  galt,  Schönau  vor  diesem  sicher  zu  stellen  bei  dem  damals  auf 
dem  Gipfel  seiner  Macht  stehenden  mainzer  Erzbischofe.  Graf  Meginhard  hatte 
solche  Sicherstellung  bei  seinen  unangefochtenen  Stiftungen  nicht  nötig.  Darum 
behielt  er  die  A^ogtei  in  eigener  Hand.  Aber  er  musste  sich  gefallen  lassen, 
dass  in  die  päpstliche  BestätiguugsbuUe  für  Sponheim  vom  23.  März  1127  die 
Klausel  aufgenommen  wurde:  „Sepulturam  (juoque  istius  loci  liberam  esse  omnino 
censemus,  ut  eorum,  qui  illic  sepeliri  desiderauerint  (nisi  forte  excommuni- 
cati  fuerint)  donationi  et  voluntati  nemo  obsistat."'*)    Wenn  wir  erwägen,  dass 

•)  Act.  Pal.  2,  2G3.  —  ')  Oudeiius,  Cod.  dipl.  1,  97  f.  -  ■'■)  1,  169.  -  ")  Tritlie- 
Diius,  ChroD.  sponh.  2,  241. 


63 

/ur  Erlangung  dieser  Bulle  ein  Mönch  des  Klosters  eigens  nach  Rom  abgesandt 
worden  war,  so  können  wir  kaum  zweifeln,  dass  dessen  Wissen  von  dem  Vor- 
gange in  Lipporn  dabei  massgebend  gewesen  sein  wird,  zumal  sich  nach  dem 
Berichte  darüber  derselbe  lauge  genug  in  ]lom  aufgehalten  hat,^) 

Schliesslich  soll  nicht  vergessen  sein,  dass  unsere  Schenkungsurkunde  auch 
noch  die  niclit  unwichtige  Nachricht  von  dem  Erstgeburtsrecht  Ruprecht's  enthält. 
Denn  nicht  nur,  dass  dieser  in  der  Urkunde  als  Scheiiker  des  auf  seinem  Grund 
und  Boden  erbauten  Klosters  auftritt  und  mit  diesem,  wie  vor  ihm  Tuto,  für 
sein  und  seiner  Verwanten  Seelenheil  ein  Denkmal  stiftet,  so  wird  er  allein 
auch  dessen  Vogt  und  dabei  mittelbar  der  „dominus  in  Castro  Lurenburch 
hereditarius  et  legitimus"  genannt,  sofern  sein  Erbfolger  in  der  Vogtei  ein 
solcher  sein  soll.  Da  letztere  in  erster  Linie  aber  an  den  Besitz  des  „prodium 
de  Millene"  geknüpft  wird,  so  muss  dieses,  was  durch  „eins"  als  sein  Eigentum 
bezeichnet  ist,  ein  besonderes  Eigentum  des  Erstgeborenen  oder  vielmc^iir  ein 
wesentliches  Stück  der  Herrschaft  Laurenburg  gewesen  sein. 

2,  Kloster  Gronau  keine  Laurenburg'sclie  Stiftung. 

Gehen  wir  nun  weiter,  so  tritt  uns  eine  neue  Klostergründung  entgegen, 
die  man  gewohnt  ist,  in  die  gleiche  Zeit  zu  verlegen  und  an  die  Namen  der 
beiden  Grafen  Ruprecht  und  Arnold  zu  knüpfen.  Es  ist  die  Gründung  des 
Schönau  benachbarten  Klosters  Gronau.^)  Die  leider  einzige  Quelle  dafür 
bietet  Trithemius,  und  unglücklicherweise  hat  man  bisher  noch  dazu  nur  eine 
Stelle  seiner  Werke  dazu  herangezogen,  die  seiner  hirsauer  Chronik^),  wo  unter 
dem  Jahre  1130  gesagt  wird:  „In  diesen  Zeiten  errichteten  auch  die  Grafen 
von  Lurenburg  ein  Kloster  unseres  [Benedictiner]  Ordens  au  dem  Orte,  welcher 
Gronawe  genannt  wird,  im  Gebiet  des  trierer  Sprengeis,  eine  Meile  von  dem 
oben  genannten  Coenobium  Schönau  und  zwei  vom  Rheine  entfernt,  in  das 
sie  unter  Leitung  eines  Abtes  die  ihr  geistliches  Leben  führenden  Mönche 
setzten,  denen  sie  gemäss  der  Regel  unseres  h.  Vaters  das  zum  Leben  Nötige 
für  den  Dienst  des  Herrn  vorsahen.  In  diesem  Kloster  wird  das  Haupt  des 
h.  Märtyrers  Sebastian  gezeigt,  welches  die  Gründer  durch  Geschenk  des  Papstes 
llonorius  II.  von  Rom  hergebracht  haben  sollen."^)  Wenck,  der  diese  Stelle 
zuerst   benutzt   hat   nach   ihrem  Wortlaut   bei  Kremer^),    und   dem    Hennes, 


')  „Hoc  ipso  anno  [1126]  Bernhelraus  abbas  Anslielnium  monaclium  (qui  post  Bertliol- 
(lura  prior  factus  est)  Romam  misit  ad  scdcm  apostolicam  ad  impetranduni  a  papa  Ifonorio 
priuilcgium  apostolicae  dcfensionis  huius  monasterii  sponheimenais,  qui  reversus  priuilcgium 
ab  ipso  papa  [23.  März  1127]  obtinuit."  Trithemius,  Cliron.  sponh.  2,  245.  —  ^)  Hennes, 
Gesch.  d.  Grafen  von  Nassau.  Köln  1843.  15;  Vogel,  Topographie  70  f.,  Beschr.  298,  617; 
Schlieph.  1,  176.  —  ^)  1,  397.  —  "*)  ,,His  etiam  temporibus  Comites  de  Lurburg  Monnste- 
rium  Ordinis  nostri  construxcrunt  in  loco,  qui  dicitur  Gronawe,  in  finibus  Trevirensis  Dioccesis 
uno  a  Schünaugiensi  supradicto  Coenobio  et  duobus  a  Rhcno  distans  niilliaribus,  in  quo  Mo- 
nachos  sub  imperio  conversantes  Abbatis  posuerunt,  quibus  vitae  necessaria  nd  serviendum 
Domino  secundura  D.  Patris  nostri  Regulam  providorunt.  In  hoc  Monasterio  Caput  S.  Sebas- 
tiani  Martyris  ostenditur,  quod  fundatores  dono  Papae  Honorii  TI  Roma  transtulisso  pcrhiben- 
tur.'-  —  '■>)  Orig.  Nass.  1,  348  f. 


04 

Vogel  uud  Soliliephake  folgen,  war  der  Meinung,  dass  „Buceliuus  und 
andere  Neuere**  sie  ,auch  ohne  Zweifel  zu  ihrer  einzigen  Quelle  gehabt"  hätten.^) 
Er  irrt  aber.  Bucelinus-)  wenigstens  konnte  sie  gar  nicht  kennen,  da  sein 
Werk  vor  1002  gedruckt  ist,  die  „Chronica  hirsaugiensis"  aber,  erst  1090  im 
Drucke  erschien,  und  die  von  ihr  veranstaltete  erste  Ausgabe  Freher's  von 
1601  die  Stelle  gar  nicht  enthält,  da  diese  nur  den  Abdruck  des  ersten  Ent- 
wurfes darstellt,  den  Trithemius  im  Jahre  1503  vollendet  hatte,  während  die 
Tmarbeitung  und  Vollendung  des  Ganzen  in  das  Jahr  1500  fällt.')  Die  Quelle 
des  Bucelinus  ist  vielmelir  das  „Chronicon  sponheiraense",  das  ebenfalls  1001 
durch  Fr  eh  er  zum  Abdruck  gelangte.  Dort  heisst  es  aber  unter  dem  Jahre 
1132:  „Ungefiihr  zu  diesen  Zeiten  ist  auch  ein  Kloster  unseres  Ordens,  welches 
Groinavv  genannt  wird,  im  Gebiete  des  trierer  Sprengeis,  nicht  weit  von 
Schonavv,  über  das  wir  schon  früher  sprachen,  durch  einen  Grafen  von  Lauren- 
burg gegründet  worden,  in  welchem  das  Haupt  des  h.  Märtyrers  Sebastian 
gezeigt  wird,  das  durch  den  Grafen  lierbeigeschafFt  worden  sein  soll."^) 

Es  bedarf  keines  Beweises,  dass  diese  Quelle  des  Bucelinus  auch  die- 
jenige des  Trithemius  bei  der  zweiten  Ausgabe  der  hirsauer  Chronik  war, 
und  dass  letzterer  in  der  uns  von  Schönau  her  bekannten  Weise  seinen  alten 
Stofl'  ummodelte.  Aus  dem  „Comes  de  Lurenburg"  wurden  die  „Comites  de 
Lurburg",  die  Entfernuugsangaben  für  Gronau  mussten  seine  Lage  deutlicher 
machen,  Mönche  und  Abt  angedeutet  w'erden  und  das  Haupt  Sebastians  vom 
Papste  Honorius  11.  geschenkt  sein.  Weil  dieser  aber  am  7.  Februar  1130  starb, 
so  war  statt  des  Jahres  1132  das  ungefähre  Jahr  1130  zu  wählen.  Gleichwohl 
muss  der  wirrsälige  Chronist  eine  Urquelle  benutzt  haben,  und  das  kann  nach 
allen  Auzeichen  nur  die  dürftige  mündliche  oder  schriftliche  Überlieferung  sein, 
die  er  von  seinen  beiden  schönauer  Freunden,  den  Äbten  Melchior  und  Johannes''), 
oder  deren  Nachkommen  in  Gronau  erholt  haben  wird.  Die  aber  schöpften, 
wie  die  nur  ungefiihre  Zeitangabe  uud  das  „perhibetur"  und  „perhibentur"  be- 
weisen, nicht  aus  Urkunden,  sondern  aus  mündlicher  Überlieferung ;  ein  Zeichen, 
dass  schon  damals  das  gronauer  Klosterarchiv  seiner  alten  Urkunden  verlustig 
gegangen  war,  wie  denn  noch  heute  keine  über  das  10.  Jahrhundert  hinaus- 
gehenden sich  gefunden  haben.'')  Und  doch,  eine  Urkunde  stand  den  alten  Katern 
vermutlich  zu  Gebote.  Das  war  der  dem  Haupte  des  h.  Sebastian  beigegebene 
Zettel  mit  der  Nachricht  von  dessen  Herkunft.  Dergleichen  pflegte  sonst  wenig- 
stens beigelegt  zu  werden.  Dagegen  wird  man  den  oder  die  Grafen  von 
Laurenburg  mit  einiger  Sicherheit  auf  die  alleinige  Rechnung  des  Trithemius 
setzen  dürfen,  wenn  sie  nicht  etwa  Scheuker  jenes  Hauptes  gewesen  sein  sollten. 
Denn  Gronau  war,  soweit  unsere  Kunde  reicht,  niemals  laurenburg'sches  Eigen- 


')  Hess.  Lamlesgescli.  1,  120,  Ajim.  k.  —  '^)  Germania  topo-chrono-stemmatograpliica, 
p.  41.  •'')  Anniil.  24,  15G  f.  Die  S.  157  angegebene  Jalireszahl  „1109"  ist  ein  Druckfeliler. 
—  *)  Opera  tust.  2,  247:  «Circa  ista  f]uoquo  tempora  monasterium  nostri  ordinis,  quod  Groi- 
navv voratiir,  in  ronfinibus  Trouironsis  diocoesis,  non  procul  a  Schonavv  (de  quo  jam  diximiis 
antea)  per  Comitom  de  Luronburg  fundatuni  ost,  in  quo  caput  S.  Sebastiani  martyris  oston- 
«litur,  quod  allatuni  per  Coniiteni  pprliii)otur.''  —  ')  Anna).  24,  158.  —  ")  Scliliephake  1, 
17G,  .\nni. 


65 

tum.    Dagegen  wissen  wir  aus  dem  Jahre  1326,  dass  es  Katzenelnbogen  geliürte.^) 
Vor   den  Grafen    von  Kat/enelnbogen  können    es  nur  die  Grafen   von  Arnstein 
besessen,  und  weder  der  gronauor,  noch  die  schönauer  Äbte  körmeu  von  lauren- 
burg'scher  Gründung  gesproclien  haben,  da  ihnen  die  Rcsit/Acrliältnisse  bekannt 
waren.    Sehr  wohl  aber  konnte  Trithemius,  durch  die  Nähe  der  beiden  Kh)ster 
verführt,  Gronau  für  ein  ursprünghch  laurenburg'schcs  Eigentum  halten,  zumal 
er  Schönau  in  einen   „comitatus  lurburgcnsis"  verlegt. 2)    Wie  leicht  war  es  da, 
in  Ermangelung  genauer  oder  von  ihm  vergessener  Nachricht  die  Klostergründung 
demselben  Grafeuhaus    zuzuschreiben,    dem  er  die  Gründung    von  Schönau  mit 
Recht  zugeschrieben  hatte!     Wenck  war  also  durchaus  berechtigt,  die  Glaub- 
würdigkeit  des  Trithemius'schen  Berichtes  in  Zweifel  zu    ziehen,    und  es  hat 
viel  für  sich,  wenn  er  Gronau  eine  Gründung  Katzenelnbogens  zu  nennen  vor- 
schlägt,   insbesondere   den  Grafen  Heinrich  II.    dieses  Hauses    als  Stifter   mut- 
masst,    denselben,    den    wir    1129    und    1130   mehrfach    mit    unseren  Grafen  in 
Zougengemeinschaft  fanden  und  später  noch  finden  werden.    Von  selber  mochte 
der  Verkehr,    die  Richtigkeit   der   ungefähren  Gründungszeit  Gronau's   voraus- 
gesetzt,   die   gleichen  Gedanken    wecken    und   den   einen   zum  Nachahmer    des 
anderen    macheu,    ganz    abgesehen  davon,    dass  Klostergründungen    zum  guten 
Tone  der  Zeit  gehörten.     Selbst  die  Wahl  der  Namen :  Schonauwe  und  Grunowe, 
d.  h.  die  schöne  und  die  grüne  Aue,  verrät  gleichen  Geschmack.    Beide  lehnen 
sich  vermuthch  an  Ps.  23,  2  als  Übersetzung  des  dortigen  „locus  pascuae"  der 
Vulgata  an.3)     Die  Gründung  Gronau's  durch  laurenburger  Grafen    wird  dem- 
nach ein  für  allemal    aus  der  uassauischen   Geschichte  zu  streichen  sein,    auch 
wenn  man  gar  nicht  in  Betracht  zieht,  worauf  Wenck  mit  Recht  aufmerksam 
macht,    dass  die  Gründung  zweier  Klöster  zu   gleicher  Zeit  das  Vermögen  der 
Laurenburger  überstieg. 

3.   Weitere  Urkuiuleiizeugenscliaft.    Verurteilung  wegen  der 

Burg  Nassau. 

Fahren  wir  darum  nach  dieser  unvermeidlichen  Ausscheidung  eines  fremden 
Stoffes  in  der  wirklichen  Geschichte  unserer  Grafen  fort,  und  berichten  wir, 
dass  in  einer  Urkunde  des  Erzbischofes  Adelbert  vom  Jahre  1133,  in  w^elchor 
bezeugt  wird,  dass  Emmecho,  ein  ehemaliger  Kanoniker  von  S.  Victor,  nachdem 
er  wegen  seiner  Verdienste  in  Besitz  von  zwei  Propsteien  gelangt  war,  dem 
Victorstift  ein  aus  eignen  Mitteln  erkauftes  Haus  „iuxta  ecclesiam  Beate  Marie 
ad  gradus"  geschenkt  habe,  „Rupertus  et  Arnoldus  de  Lurenburch"  unmittelbar 
hinter  dem  ersten  weltlichen  Zeugen,  dem  „praefectus  civitatis  Arnolfus",  stehen, 
und  hinter  ihnen  „Hermannus  Bawarus"  und  „Anseimus  de  Gumeldinge"  verzeich- 
net sind.'^)     Im  selben  Jahre,  vor  dem  13.  September,  ist  „comes  Arnoldus  de 

1)  Wenck,  Hess.  Landesgesch.  1,  121.  —  ")  Chron.  hirsaug.  1,  .S84,  vgl.  Annal.  24, 
157.  _  3)  ^Yie  beliebt  die  Bezeiclinung  „ouwe"  selbst  in  siiäterer  Zeit  noch  war,  bezeugt  dio 
Stelle  im  „Leben  der  h.  Elisabeth",  herausgegeben  von  Kicgcr.  Stuttg.  iscs.  220IS:  Jn  der 
megde  ouwe  zu  Aldenburg'*  als  Bezeichnung  des  Klosters  dieses  Namens  an  der  Lahn.  Vgl. 
Le^er  2,  19;^.  —  *)  Joannis,  Her.  mog.  2,  583.    Die  in  dei   Urkunde  angegebene  indiet.  X 

Annalen,    Bd.  XXVI.  ö 


66 

Lurenburch"  ohne  seinen  Bruder  mit  „Theodoricus  de  Geilenbuseu,  Gerhardus 
eomes  et  frater  eins  Heinricus  de  Berbach,  Dammo  et  Sigebodo  de  Buccbo, 
Conradus  de  Bickenbach,  Gerhardus  de  Ilagenhusen,  Gerhardus  de  Kelberowe, 
Berewicus  et  frater  eins  Moginiaus"  Zeuge  bei  der  Beurkundung  Adelberts  über 
die  Schenkung  der  von  dem  Freien  Hugo  erkauften  Güter  in  Zozenheim  im 
Nahegau,  in  der  Grafschaft  des  Grafen  Emicho  von  Smedeburch  an  das  Martins- 
stift in  Mainz.*)  Ebenfalls  in  diesem  Jahre,  aber  nach  dem  18.  September, 
stehen  beide  Brüder  unter  den  „laici"  als  Zeugen  in  der  Urkunde  des  gleichen 
Erzbischofes,  in  der  dieser  den  Chorbrüdern  des  h.  Martin  das  20  Mausen  be- 
tragende und  iährlich  23  Schweine  und  zwei  Pfund  entrichtende  Gut  zu  Bure- 
bach  schenkt,  das  er  für  120  Mark  von  dem  neugegründeten  Kloster  Ilbenstadt 
erkauft  hatte.'-)  Die  Zeugen  sind  der  Reihe  nach:  „Arnoldus  urbis  praefectus, 
comes  Gerhardus  de  Berbach  et  frater  eins  Heinricus,  Jlupertus  et  frater  eins 
Arnoldus,  comes  de  Lurenburc,  Heinricus  de  Cazenelnbogen,  Dammo  de  Bucho, 
Sigebodo."  Im  darauffolgenden  Jahre  1134,  zwischen  dem  4.  Juni  und  13.  Sep- 
tember, sehen  wir  beide,  wie  schon  oben  berührt  wurde,  an  Stelle  ihres  Yetters 
Udalrich  auf  dem  erneuerten  Freiheitserlasse  des  Erzbischofes  für  die  Mainzer.^) 
Es  folgen  sich  hierbei  die  Namen  der  beteiligten  weltlichen  Edelen  in  der  für 
die  Brüder  ehrenvollen  Weise  so :  „Willeheimus  comes  de  Luzelenburc,  dux 
Frithericus,  item  praefectus  civitatis  Arnoldus,  Arnoldus  comes  et  frater  eins 
liutbertus  de  Lurenburc,  comes  Hermannus  de  Salmis  et  frater  eius  Otto 
de  Bineche,  Emmecho  comes  et  frater  eius  Gerlaus,  comes  Gerhardus  et  frater 
eius  Heinricus  de  Berbach,  Heinricus  de  Cazenelenboge,  Dammo  et  Sigebodo 
de  Bucho."  Ebenfalls  im  Jahre  1134  und  vor  dem  18.  September  helfen  „Dux 
Frithericus,  Arnoldus  et  frater  eius  Rupertus  de  Lurenburc,  comes  Sigfridus  de 
Nuringes,  Gerart  de  Hagenuhese,  Adelbertus  de  Jude"  bezeugen,  dass  Adelbert 
dem  Stiftskapitel  von  S.  Victor  einen  Ort  zur  Anlegung  einer  Mühle  zwischen 
der    steinernen    Brücke   und    Rudolfeshusin    verleiht."*)     Zwischen    4.    Juni    und 


stimmt  nicht,  wie  bereits  Joannis  am  Rande  bemerkt,  und  "Will,  Regesten  1,  297,  Nr.  2G1 
angedeutet  hat,  mit  dem  mitangegebenen  s.  Regierungsjahre  Lothar's,  da  sie  das  Jahr  11S2, 
dieses  aber  li:{;'>  vor  dem  i:j.  Sept.  anzeigt.     Sie  ist  also  in  XI  zu  verbessern. 

')  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  110;  Will,  Regesten  1,  297,  Nr.  2(j().  —  -)  Gudenus, 
Cod.  dipl.  ],  li;{.  In  dem  Datum:  U:^').  ind.  XI,  a.  regni  IX,  imper.  I,  ist,  wie  Will,  Reg. 
I,  297,  Nr.  262  richtig  bemerkt  hat,  das  Jahr  verfehlt.  Indiction  und  Regicrungsjahr  Lothar's 
weisen  auf  das  Jahr  li:{.'{  nach  dem  1.5.  Sept.  Schlieph.  1,  1G7  hilft  sich  mit  einem  „um 
diese  Zeit**.  Genauer  würde  zu  datieren  sein :  li:{:5  zwischen  4.  Juni  (Beginn  des  ersten  Kaiser- 
jahres)  und  IS.  Sept.  (des  Köiiigsjahres).  —  ^)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  120.  Auch  hier  ist 
das  Datum  fehlerhaft:  li:«.')  ind.  XII  a.  regni  VIII,  imp.  II.  Indiction  wie  Königsjahr  passen 
nur  zum  Jahre  11:54,  nur  das  Kaiserjahr  könnte  auch  1135  vor  dem  4,  Juni  gestatten.  Da 
es  aber  mit  dem  4.  Juni  11:54  beginnt,  so  kann  es  ebenso  gut  dieses  bezeichnen.  Stimmen 
die  drei  Angaben  zusammen,  so  haben  wir  -wohl  ein  Recht  zu  unserer  Zeitbestimmung  im 
Texte  und  dürfen  es  Will,  Regcstcn  1,  :5()0,  Nr.  27H  überlassen,  auch  noch  das  Jahr  1135 
bis  zum  4.  Juni  zur  Wahl  zu  stellen.  Hennes  1,  is  setzt,  wie  wir,  1134,  Schliepli.  1,  107 
das  Jahr  1135.  —  *)  Joannis,  Rer.  mog.  2,  583  f.  Auch  hier  stimmen  die  Datumangaben 
im  Jahre  li:55:  Ind.  XI,  regn.  Villi,  imp.  11.  nicht.  Ind.  XI  ist  1133,  Königsjahr  Villi, 
l:'..  Sept.  11:53  bis  dahin  1134,  Kaiserjahr  II.  1.  Juni  li:S4  bis  dahin  li:5.">.  Will,  Regesten 
1,  300,  Nr.  28U  setzt  deshalb  mit  Fragezeichen  „1135  vor  4.  Juni"  an.     Wir  dürfen  aber  die 


67 

13.  Sopt.  1135  befinden  sicli  „Comes  Arnulffiis^)  et  frater  eius  Rypertus  de 
Lureuburg"  an  letzter  Stelle  nach  den  freien  Kdelen  „Cornea  civitatis  Adel- 
liui'duö,  comes  Eniicho  de  Liningen,  comes  Emmecho  de  Kyreburc  et  frater  eius 
üerlacus"  zum  lotztenmale  in  einer  Urkunde  Adelberts,  der  in  dieser  die 
Schenkungen  an  die  Propstei  (rhilipps-)Zell  im  Nahegau  durch  die  Äbte  von 
Hornbach,  insbesondere  den  Besitz  der  Kirchen  zu  Harewesschem  und  Busenes- 
heim  und  des  Ortes  Hornbach  mit  der  Kirche  bestätigt.^) 

Es  ist  dies  bemerkenswerterweise  zugleich  das  Jahr,  in  dem  die  Grafen 
auf  dem  Reichstage  zu  Worms  zur  Herausgabe  der  Burg  Nassau  verurteilt 
wurden''),  und  der  Bischof  Buggo  die  ihm  zuerkannte  Besitzung  siegesstolz  in 
Augenschein  nahm.'*)  Da  nun  Erzbiscliof  Adelbert  noch  bis  zum  28.  Juni  1137 
lebte,  so  sind  wir  entgegen  unserer  früheren  Annahme"^)  der  Meinung,  dass  die 
von  ihrem  Gönner  nicht  abgewendete  Verurteilung  die  Grafen  diesem  bis  zu 
seinem   Ende   entfremdet    habe.      Denn    wir    finden    sie    alsbald    zwischen    dem 

4.  Juni  und  13.  September  1136  am  Hofe  des  trierischen  Erzbischofes  Adalbero. 
Es  gilt  die  Entscheidung  dieses  Kircheufürsten    in  einem  Streit   zwischen    dem 

5.  Simeonsstifte  in  Trier  und  dem  von  S.  Georg  in  Bamberg  über  den  Zehnten 
zu  Hoingin  am  Rhein  zu  beurkunden.  Die  freien  Edelen  dabei  sind:  „Wille- 
niinus  comes  palatinus,  Emmecho  comes  et  frater  eius  Gerlacus  de  Veldenz, 
Godefridus  comes  de  Sponheira,  Gerlacus  de  Isenburch,  advocatus  in  Hoingin, 
comes  Rupertus  et  frater  eius  Arnoldus  de  Lurenburch."^)  Ebenso  erscheinen 
die  Grafen  im  Jahre  1138  als  Zeugen  in  einer  Urkunde,  in  welcher  derselbe 
Erzbischof  dem  S.  Simeonsstift  ein  Gut  zu  Kyle  bestätigt,  das  diesem  geschenkt, 
aber  durch  Ritter  Hezelo  entzogen  worden  war.  Auch  hier  nehmen  sie  die 
letzte  Stelle  hinter  „Wilhelmus  comes  palatinus,  Fridericus  comes  de  Viannu, 
Gerlacus  de  Isenburg,  Reimboldus  de  Isenburg"  ein."'')  Es  könnte  nun  zwar 
angenommen  werden,  dass  diese  Anwesenheit  in  Trier  eine  rein  zufällige  ge- 
wesen sei,  und  sie  wäre  es  in  der  That,  wenn  Hennes'*)  mit  seiner  Behauptung 

von  uns  angesetzte  Zeit  mit  um  so  besserem  Rechte  behaupten,  als  Herzog  Fridrieli  gegon- 
wiirtig  war,  wie  wohl  in  der  ungefähr  gleichen  Zeit  bei  der  Urkunde  zuvor. 

')  Die  Verwechselung  von  d  und  f  begegnet  öfter  in  Urkunden,  dagegen  wird  Rj'pertua 
Lese-  oder  Druckfehler  sein,  da  es  ein  unmöglicher  Name  ist  für  Rupertus.  —  -)  Würdt- 
wein,  Dioec.  mog.  1,  334;  Will,  Regesten  1,  SOO,  Nr.  2S1.  —  •'')  Wenck,  Ilist.  Abh.  1,  SB; 
Hennes  1,  4(j ;  Schlieph.  1,  185.  -  *)  Schannat,  Hist.  episc.  Worm.  352:  „His  aliisque 
curis  detinebatur  Burchardus,  quando  Rupertus  et  Arnoldus,  Lurenburgii  Comites,  quoruni 
avita  sedes  inter  Dietziura  et  Nassoviam  erat,  hanc  postremam  arcem  Wormatiensis  ecclesiae 
dominio  avellere  ubique  usurpare  conati  sunt;  hinc  tumultuariae  litis  exorta  niateria,  sed  quam 
implorata  mox  Caesaris  justitia  sustulit;  restitutus  itaque  in  pristinum  jus  suum  Praesul,  dum 
novani  loci  possessionem  ipsemet  adit"  etc.  Schannat  beruft  sich  dabei  am  Rande  ausser 
auf  die  Urkunde  von  115!)  auf  ,, Anonymi  Chron.  Worm.  MS.**  —  *)  Annalen  '24,  150.  — 
''')  V.  Ilonthcim,  Ilist.  trev.  1,  532  f.  Die  Datumangaben  der  Urkunde:  J.  113(;,  ind.  XIII, 
conc.  I,  a.  pontif.  nostri  IV,  regni  X,  imp.  III,  stimmen  bis  auf  Indiction  und  Concurrente  iiber- 
ein;  daher  unsere  Datierung  im  Texte,  bei  der  Kaiser-  und  Künigsjahr  bestimmend  sein 
niusste,  aufrecht  zu  erhalten  ist  gegenüber  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  1,  511,  Nr.  1881,  der 
mit  der  Bemerkung:  ,,Da  alle  Zeitbestimmungen  im  Datum  ausser  113G  auf  1135  weisen,  in 
dieses  gesetzt",  dem  Thatbestande  widerspricht.  —  'J  v.  Hontheini  1,  540;  Beyer,  Urkb. 
557,  Nr.  503;  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  1,  5*23,  Nr.  1925.  —  **)  1,  21. 


G8 

Recht  hätte,  dass  jene  letzten  maiuzischen  Urkunden  auch  die  letzten  Adelberts 
seien.  Aber  ein  Blick  in  WilTs  Kegesten  belehrt  uns,  dass  der  erhaltenen 
Urkuntlen  bis  zum  Tode  des  Erzbischofes  noch  ein  Dutzend  ist,  und  dass  in 
ihnen  frühere  Mitzeugen  unserer  Grafen  wiederholt  vorkommen,  allerdings  nicht 
mehr  in  der  gewohnten  Anzahl.  Dazu  kommt  das  andere,  dass  das  Gefühl  der 
Niederlage  bei  den  Grafen  um  so  mehr  verschärft  wurde,  als  Buggo  seinen 
Sieg  mit  der  Rachsucht  eines  ehemals  Besiegten  auszunützen  sich  angelegen 
sein  Hess.  Nicht  nur,  dass  er,  wie  berichtet,  die  Burg  Nassau  mit  eignen  Händen 
in  Besitz  nahm,  so  unterliegt  es  auch  keinem  Zweifel,  dass  er  dem  mühsam 
errungeneu  uud  nicht  allzu  reichlich  ausgestatteten  Kloster  Schönau  einen  es 
weit  au  Glauz  des  Baues  und  der  Einkünfte  überragenden  Nebenbuhler  schuf, 
dem  er  ebenfalls  den  Namen  Schönau  beilegte.')  Er  begann  gerade  zu  dieser 
Zeit  jenes  „elegans  ac  sumptuosum  haud  procul  Heidelberga  coenobium,  cui 
ob  peramoeuum  situm  grataraque  solitudinem  Schonaugie  nomen  indidit",  wie 
Schannat  arglos  von  dem  Bau  seines  besonderen  Lieblings  berichten  zu  müssen 
meint.  Wenn  er  aber  dann  hinsetzt;  „cumque  vasto  operi  fortiter  insudaret, 
mox  de  Lotharii  Caesaris  morte  nuncius  superveniens  illud  abrupit  ac  ipsi  velut 
e  manibus  extorsit"^),  so  ist  es  uns  ein  Kleines,  zu  erkennen,  was  Bau  und 
Namen  dieser  stolzen,  in  der  strahlenden  kaiserlichen  Gunst  unternommenen 
Stiftung  bedeutet.  Kein  Zweifel  also:  das  starke  Gefühl  ihrer  Niederlage  trieb 
die  Grafen  von  Mainz  weg  nach  Trier.  Und  nicht  umsonst  beeilte  sich  der 
seines  kaiserlichen  Gönners  beraubte  Buggo,  die  auf  Betrieb  des  Erzbischofes 
Adalbero  zur  Wahl  des  neuen  Königs  Konrad  statt  nach  Mainz  nach  Coblenz 
berufene  Reichsversammluug  zu  besuchen  und  dem  Gewählten  nicht  mehr  von 
der  Seite  zu  weichen.^) 


4.   Alberata,  Gemaliliii  Einicho's  von  Leiiuiigeii,  eine  Tochter 

Udalrich\s  III. 

Da  die  gleiche  Zeit  es  mit  sich  bringt,  so  sind  wir  genötigt,  an  dieser 
Stelle  die  Untersuchung  über  ein  weibliches  Mitglied  des  königsgauischen  Grafen- 
hauses einzuschieben,  das  als  solches  bisher  auch  noch  der  vollen  Anerkennung 
gewartet  hat.  Schannat  berichtet,  dass  im  Jahre  1135  „Emicho",  des  Grafen 
Richard  von  Leiningeu  von  der  Gräfin  Adelheid  Sohn,  von  himmlischem  Ver- 
langen glühend,  seiner  Gemahlin  Alberata,  die  von  nassauischen  Grafen  ihren 
Ursprung  herleitete,  Anlass  war,  dass  sie  mit  ihm  zur  Gründung  eines  geweihten 
Klosters,  in  dem  ihre  Leiber  nach  dem  Ilintritt  geborgen  werden  sollten,  über- 
einkam, Sie  stifteten  zu  dem  Zwecke  in  der  Nähe  von  Altleiniugcn  das  Augustiner- 
kloster Haina  (Iläningen,  Höningen),  das  im  Jahre  1141  von  Bischof  Buggo 
geweiht  wurde,  und  in  dessen  Kirche  sie  ihr  Andenken    mit  den  Hexametern : 


M  Es  gibt  nur  noch  ein  drittes  Kloster  Scliünau  in  Deutscliland,   das  um  1190  im  heu- 
tigen Landf,'ericlitc  Gemünden  in  Unteriranken  gegründete.    Vgl.  Stumpf,  Baiern  2,  282  und 
Wetzer  und  "Weite,  Kirchenlexikon  H,  530  f.    Die  Benennung  war  also  weder  eine  herkömm- 
liche noch  zufällige.  —  '■*)  Hist.  episc.  Worm.  ;{.J2.    —  ^)  Ebenda  353:    „nee  a  latere  eins  re-    | 
cessisse  videtur."  ' 


GO 

Trinitas  una  dciKs,  ublatuni  suscipe  ü[)Us, 

Emichü  quod  donat  conscnsu  conjugis  Albrat. 
verewigten.    Auf  ihrem  Grabmal  aber  stehen  die  Verse: 

Ilic  jacet  in  tumba  comcs  Emicho,  consociata 

Conjuge  dicta  Albrat,  qui  templum  condidit  istud."') 
Schannat  liat  die  Abkunft  Alberata's  aus  dem  allerdings  vtirfrüht  so  ^'o- 
uannten  nassauischeu  Hause  offenbar  ebensu  für  ausgemacht  gehaltoii,  wie  die 
„alten  leiningischen  Geschlechtstafeln",  die  Schliephake  zur  Begründung 
seiner  Mutmassung  über  den  späteren  Anteil  Leiningen's  an  den-  JWiig  Wies- 
baden heranzieht.'"*)  Natürlich  ist  dies  kein  entscheidender  Grund,  die  Annahme 
beider  für  zweifellos  zu  halten,  zumal  Schannat  sein  Wissen  wühl  aus  letzteren 
geschöpft  hatte.^  Das  erkennt  auch  Scliliephako,  und  würden  wir  seiner  in 
solchen  Dingen  sich  immer  zwischen  Ja  und  Nein  bewegenden  Beweisführung 
folgen,  so  müssten  wir  sogar  die  alte  Nachricht  geradezu  für  irrig  erklären,') 
Denn  ist,  wie  Schliephake  will,  die  Gemahlin  Ivuprecht's  des  Streitbaren, 
des  Sohnes  des  uns  bis  dahin  beschäftigenden  Grafen  Arnold,  von  dem  später 
zu  reden  sein  wird,  die  Tochter  des  Grafen  Emicho  III.  von  Leiningen,  und 
dieser  ein  Sohn  Emicho's  IL,  dessen  Gemahlin  eben  jene  Alberata  war,  so 
würde  der  kanonisch  unzulässige  Fall  eingetreten  sein,  dass  Ruprecht  der  Streit- 
bare die  Enkelin  einer  Tochter  seines  eigenen  Hauses  geheiratet  habe.  Die 
Blutsverwantschaft  war  aber  genau  noch  um  einen  Grad  näher.  Denn  wird 
das  in  der  später  zu  besprechenden  Urkunde  des  dafür  angenommenen  Jahres 
1159  oder  1169  vom  Grafen  Emicho  HL  für  Ruprecht  gebrauchte  Wort  „gener 
meus"  im  spätklassischen  und  daher  im  Mittelalter  üblichen  Sinne  genommen, 
wie  es  hier  ohnedies  die  Lebenszeit  Ruprecht's  verlangt,  so  bedeutet  es  nicht 
Schwiegersohn,  sondern  Schwager.'')  Und  dann  ist,  wie  dies  später  genauer 
nachgewiesen  werden  soll,  seine  Gemahlin  eine  Tochter  Alberata's.  Eine  Ehe 
bei  solcher  Blutsnähe  war  selbst  mit  Dispens  nicht  zu  ermöglichen.  Zum  Über- 
flüsse setzen  wir  noch  hinzu,  dass  der  Lebensbeschreiber  des  Grafen  Ludwig  111. 
von  Arnstein  nur  von  einer  laurenburg'schen  Tochter  dieser  Zeit,  von  Denuidis, 
weiss.     Soll   also  Alberata  wirklich    eine   „nassauischc"  Grafentochter   gewesen 


*)  Hist.  episc.  Worm.  150.  —  ^)  1,  401.  Vermutlich  hat  Schliephake  nur  die  Be- 
merkung Kremer's,  Orig.  Nass.  1,  IJ.")?  vorgelegen,  und  sein  unsicheres  Auftreten  in  der  Sache 
seinen  Grund  in  der  Bestreitung  der  Richtigkeit  der  leininger  Nachrichten  durch  Krem  er.  — 
*)  Wie  auch  Kremer  a.a.O.  urteilt.  —  ')  Brinckmeier,  Genealogische  Gesch.  des  Hauses 
Leiningen  1,  KJ  begnügt  sich  mit  der  farblosen  Bemerkung:  „Seine  [Emicho's  II. J  Gcmalilin 
hiess,  wie  beider  Leichenstein  besagt,  Albrat,  Aiverat  oder  Albcrat  und  scheint  dem  Hause 
Nassau  angehört  zu  haben."  Zur  Bestätigung  führt  er  .,Menzel  u.  Sauer,  Cod.  dipl.  Nass. 
p.  IJiS"  an  und  setzt  dazu:  „Das  Original  in  München.**  Aber  das  angeführte  Werk  iiat 
weder  an  genannter  Stelle,  noch  sonst  irgendwo  diesen  Namen.  Es  ist  deshalb  uncrlindlich, 
was  es  mit  „Original  in  München"  auf  sich  liat.  Vermutlich  hat  sich  dasselbe  aus  einer  an- 
deren Anmerkung  des  Verfassers  hierher  verirrt.  I*]r  pflegt  aber  auch  sonst  wohl  leider  wie 
Voltaire  zu  eitleren.  —  ^)  Du  Cange-Henschcl  .!,  :)Ü4'':  „Gener,  agnatus,  aflinis,  maxime 
sororis  maritus."  Auch  Lcxer  2,  1:332  f.  irrt  deshalb,  wenn  er  aus  Diefenbach's  Glossa- 
rium lat.-germ.  Frankf.  1857.  259«:  „Gener,  swuger"  letzteren  in  der  Bedeutung  von  Schwieger- 
sohn fassen  will. 


70 

sein,  so  sind  wir  genötigt,  sie  in  dorn  idstein-eppsteinisclien  Zweige  des  Hauses 
zu  suchen  und  müssen  annehmen,  dass  sie  eine  Tochter  des  Grafen  Udal- 
rich  III.  war.  Für  diese  Annahme,  so  gewagt  sie  auch  mangels  jeder  anderen 
geschichtlichen  Überlieferung  erscheint,  spricht  unseres  Erachtens  wenigstens 
ein  Zeugnis.  Es  ist  die  von  uns  bereits  behandelte  Urkunde  von  1128,  in  der 
Erzbischof  Adelbert  dem  Domstifte  in  Mainz  die  Höfe  Bierstadt  und  Spurchen- 
heim nebst  vielen  anderen  schenkt,  und  in  der  als  ^laici"  die  zum  Teil  bereits 
genannten  Zeugen:  „Emicho  comes  de  Smideburch  et  frater  eins  Gerlaus, 
Emercho  comes  de  Liningen,  Arnoldus  et  frater  eins  Ruobertus  de  Lureuburch, 
Danmio  de  Bvochen  et  Sigeboto,  Bertoldus  comes  et  frater  eins  de  Nvoringen  et 
alii  liberi'^  stehen.  Nehmen  wir  nun  an,  dass  wegen  des  überwiegend  grösseren 
Teils  der  Schenkungen  aus  dem  Nahegau,  wohin  vor  allem  der  Hof  Sporkenheim 
in  der  (Jemarkuug  Niederingelheim  gehcirt.  die  Vertreter  dieses  Gaues  die  Ge- 
brüder Emicho  und  Gerlach  von  Schniidburg,  voranstellen,  so  ist  nichts  natür- 
licher, als  im  Grafen  Emercho  oder  Emicho  von  Leiningeu  den  Schwiegersohn 
des  ehemaligen  Herren  von  Bierstadt  und  in  den  ihm  folgenden  Brüdern  vou 
Laureuburg  die  nächsten  Yerwauten  desselben  zu  sehen,  denen  sich  die  ihnen 
nachfolgenden  Zeugen  als  Nachbarn  anschliessen.  Nun  war  freilich  die  Gemahlin 
Einercho's  oder  Emiclio's  eine  Erbtochter.  Aber  ihre  Erbbereclitigung  konnte 
trotzdem  nur  eine  beschränkte  sein,  da  sie  von  der  des  Gesamtliauses  abhiug, 
dem  der  Landbesitz  des  Erblassers  nach  altem,  auch  zu  dieser  Zeit  noch 
geltenden  salischen  Rechte  in  seinen  männlichen  Vertretern  zufiel.')  Der  Mit- 
besitz Wiesbadens  seitens  Leiniugens,  dem  wir  im  Anfange  des  13,  Jahrhunderts 
begegnen,  und  der  sich  möglicherweise  noch  auf  andere  Teile  des  Nachlasses 
Udalrichs  erstreckte,  würde  demnach  als  eine  Art  Pfandschaft  anzusehen  sein, 
die  Laurenburg  Leiniugen  zur  Sicherung  des  anderweitigen  Erbes  Alberata's 
zukommen  lassen  musste.  Und  er  ist  es  aucli  ohne  Zweifel,  da  er  die  Heirat 
Ruprechts  des  Streitbaren  mit  einer  Tochter  Alberata's  veranlasst  hat.  Diese 
galt  der  Beseitigung  der  lästigen  Fessel  des  Hauses,  die  deshalb  vor  Ende  des 
U5.  Jahrhunderts  gelöst  erscheint. 

Warum  sich  aber  ein  solches  verwantschaftliches  Verhältnis  zwischen 
Luurenburg  und  Leiniugen  bis  zu  dem  Grade  verschleiern  konnte,  dass  nur 
noch  eine  dunkele  Überlieferung  Kunde  von  ihr  gab,  ist  unschwer  zu  enträtseln. 
Emicho  als  Graf  des  Wormsgaues  und  Lehensträger  des  Bischofes  von  Worms 
durfte  mit  dessen  Feinden  keine  Gemeinschaft  haben.  Wir  begegnen  deshalb 
fast  zwei  Jahrzehnte  lang  seinem  Namen  in  keiner  Urkunde,  in  der  die  Lauren- 
burger  als  Zeugen  sich  tinden.  Diese  Stellung  musste  sich  aber  um  so  deut- 
licher ausbilden,  je  schärfer  sich  die  Dinge  zwischen  Laurenburg  und  Buggo 
zuspitzten.     Hieran    durfte   selbst   die  gemeinsame  Verwantschaft  mit  Udalrich, 

')  Lex  Salica  tit.  (52:  „De  terra  vero  salica  in  iiiulierem  nulla  jiortio  liereditntis  traiisit, 
s<!d  hör  virilis  bcxus  acrjuirit."  Vgl.  Eiclihürii,  Deutsclic  Staats-  u.  Rcohtsgeschichte.  Göt- 
tingon  Is'JI.  1,  l'.i'.t  u.  2,  OO'.i.  Ebenso  besagt  das  tliüiingisclie  Reclit :  „Usquc  ad  quintam 
gcncrationem  paterna  gencratio  succedat.  Post  quintam  auteni  filia  ex  toto,  sive  de  patris 
sive  inatris  parte,  in  liercditatem  8uccedat_,  et  tunc  dcmuni  liereditas  ad  fusum  a  lancea  trans- 
cat,"     V-I.  Schröder,  Lchrb.  .jl'j. 


71 

die  in  Alberata  ilircn  Ausdruck  gefunden  hatte,  nichts  ändern.  Erst  als  der 
Streit  zwischen  Worms  und  Laurenburg  einem  Waffenstillstand  gewichen  war, 
konnten  sich  friedlichere  Beziehungen  auch  zwischen  Lauren  bürg  und  Leiningen 
entwickeln.  Und  das  geschah  vom  Ende  des  Jahres  1146  ab,  wie  wir  zeigen 
werden.  Es  ist  also  klar:  die  gespannten  Verhältnisse  zwischen  beiden  Häusern 
mussten  die  alte  Verbindung  Leiningeus  mit  den  nahen  Verwanten  des  lauren- 
burg'schen  Hauses  in  ein  Dunkel  rücken,  das  die  spätere  Zeit  nur  noch  durch 
unsichere  Überlieferung  aufzuhellen  im  stände  war.  Hatten  sie  doch  auch,  um 
davon  noch  ein  Wort  zu  reden,  die  soviel  ältere  der  Vergessenheit  anheimgegeben, 
die  wir  bei  Trutwin  I.  erschliessen  zu  müssen  glaubten,  und  die  wir  nun  die 
Mutter  der  mit  Alberata  besiegelten  zu  nennen  uns  erlauben.  Denn  da  nicht 
Neigung,  sondern  Hausbedürfnis  die  Ehen  unserer  hohen  Geschlechter  schafft, 
so  hat  auch  dies  allzeit  wachsame  und  mit  starkem  Gedächtnisse  bewaffnete 
Bedürfnis  durch  Alberata's  Heimholung  nach  Leiningen  nur  das  wieder  heimzu- 
holen gesucht,  was  es  damals  au  Laurenburg  verloren  hatte.  Eine  Verbindung 
Emicho's  mit  Demudis  Hess  das  Zerwürfnis  ihres  Hauses  mit  Worms  nicht  zu 
und  konnte  das  reichere  Erbe  einer  Erbtochter  nicht  ersetzen.  So  musste  Alberata 
die  Erwählte  werden,  die  ausserhalb  der  Parteien  stand.  Wir  denken,  einen 
solchen  Schluss  zu  ziehen,  ist  angesichts  der  so  sehr  deutlichen  Verbindung 
des  streitbaren  Ruprecht  mit  einer  Tochter  Alberata's,  von  der  wir  vorhin 
sprachen,  nicht  unerlaubt. 

5.   Stellung  zu  Maiuz  und  zum  Kaiser.    Ruprecht  I.  Kreuzfahrer. 

Wie  aber  hier  das  Hausbedürfnis  das  allein  massgebende  ist,  so  zeigt  es 
sich  auch  dort  aufs  Neue,  wo  wir  es  schon  vorhin  beobachtet  hatten.  Denn 
nun  haben  wir  bei  der  weiteren  Verfolgung  der  Geschichte  Laurenburgs  zu 
berichten,  dass  der  notgedrungenen  Entfremdung  von  Mainz  die  Wiederan- 
näherung an  es  folgt.  Zeugnis  dafür  ist  nämlich  die  zwischen  1.  Januar  und 
13.  März  1139  fallende  Urkunde,  in  der  der  Neffe  Adelberts  L,  der  Erzbischof 
Adelbert  IL,  auf  Bitte  des  Propstes  Heinrich  von  S.  Victor  diesem  Kloster  in 
ehrendem  Andenken  an  seineu  Vorgänger  und  Oheim  die  ihm  zukommenden 
Einkünfte  von  Weinbergen  in  Dulcesneheim  schenkt.  Denn  hier  wird  von  den 
freien  weltlichen  Zeugen  nach  „Comes  Symon  de  Sarebruch,  Advocatus  eiusdem 
ecclesie,  comes  Willehelmus  de  Glizberc,  comes  de  Lengenburc,  Egbertus, 
Gerlacus  de  Iseuburch"  zuletzt  „Arnoldus  de  Lurenburc"  genannt.^)  Aber 
wenn  wir  nun  gewahren,  dass  dies  die  einzige  Zeugnisleistuug  Laurenburg's 
bis  zu  dem  am  17.  Juli  1141  erfolgenden  Tode  Adelberts  H.  ist,  und  dass  es 
von  da  ab  nur  bei  Beurkundungen  des  Königs  Konrad  und  des  späteren  Erz- 
bischofes  Heinrich  von  Mainz  als  Zeuge  mitwirkt,  so  erkennen  wir,  dass  die 
Wiederannäherung  an  Mainz  nicht  sowohl  diesem  als  dem  Könige  galt,  der 
im  Gegensatz  zu  dem  Schwiegersohne  des  Laurenburg  feindlichen  Lothar, 
Heinrich  dem  Stolzen,  gewählt  worden  war,  und  dem  Adelbert  11.  seinen  Erz- 


')  Joanni$,  Ker,  mog.  2,  584;   Will,  Regesten  1,  309,  Nr.  Vi, 


72 

stuhl  zu  vertlaukcn  hatfo.  Aber  als  der  letztere  schon  im  Juli  1139'),  genau 
wie  sein  Ohm,  sich  auf  die  Seite  Heinrichs  schlug,  war  trotz  der  Verwantschaft 
das  Band  zwischen  ihm  und  den  Grafen  von  Laurenburg  zerschnitten.  Sie 
trieben  von  nun  an  auf  eigene  Faust  die  ihnen  förderlich  scheinende  hohcn- 
staufische  Politik,  die  sie  mit  dem  Anschluss  an  Trier  eingeleitet  hatten.  Es 
ist  am  Platze,  dies  hier  auszusprechen,  da  es  bisher  übersehen  worden  ist. 
Wir  finden  deshalb  am  1.  August  1143  „Robertus  de  Lurenburch"  am  königlichen 
lloflager  auf  Schloss  Cochem  an  der  Mosel,  woselbst  er  als  der  Zweitletzte  mit 
.,Herimaunus  Palatinus  comes,  Adelbertus  marchio  de  Saxonia,  Gerehardus 
comes  de  Sulcebach,  (Jodefridus  comes  de  Sponhcim,  comes  Otto  de  Rineka 
oiusque  consanguinei  Otto  et  Othalricus  de  Ära,  comes  Ilerimannus  de  Uernc- 
burch  und  Reimboldus  de  Isenburgh"  Zeuge  in  der  Urkunde  ist,  durch  welche 
König  Konrad  die  Besitzungen  und  Rechte  des  Klosters  Sprenkirsbach  bestätigt.^) 
Im  Jahre  danach,  am  20.  April  1144,  sehen  wir  „Arnoldus  de  Lureburc" 
beim  nachnächsteu  Xachfolger  Adelberts  II.,  dem  Erzbischofe  Heinrich  I.,  zu  Hofe. 
Mit  ..Dammo  de  Hagenowe,  Henricus  de  Cazenelenbogen",  die  ihm  voranstehen, 
und  „Wulfram  de  Wertheim  et  frater  eius  Diether,  Eggebertus  de  Degeneburc, 
Godefridus  de  Hoste",  die  ihnen  folgen,  bezeugt  er,  dass  der  Erzbischof  Ade- 
longa,  die  Gattin  Adelberts,  mit  ihren  G  Kindern  von  der  Familie  der  mainzer 
Kirche  und  der  Hörigkeit  ihres  Advocaten,  des  Stadtpräfecten  Ludwig,  losge- 
sprochen und  dem  Peterstifte  in  Aschaffenburg  als  Miuisteriale  übergeben  habe.'') 
Die  Zeugeuschafl  so  vieler  Edelen  und  die  besonders  kunstvolle  Ausstattung 
der  Urkunde*)  bei  einem  verhältnismässig  geringfügigen  Aulasse  wollen  wir 
bei  dieser  Gelegenheit  nicht  unterlassen,  als  kulturgeschichtliche  Besonderheit 
ausdrücklich  hervorzuheben,  die  Massigkeit  des  Adels  und  die  Prunkliebe  der 
Geistlichkeit  erhält  damit  eine  beachtenswerte  Beleuchtung.  Auffälligerweisc 
treffen  wir  den  Grafen  Arnold  niemals  anders  an  als  iu  Mainz,  wie  sich  nachher 
noch  einmal  zeigen  wird.  Seinem  Bruder  Ruprecht  begegnen  wir  dafür  in  der 
Folge,  wie  im  Jahre  1143,  zuerst  1145  viermal  am  königlichen  HoHager.  Das 
erste  Mal  ist  es,  unbestimmt  iu  welchem  der  letzten  Monate  dieses  Jahres,  dass 
er  unter  den  Zeugen  einer  nijmeger  Urkunde  König  Konrads  HL  steht,  in 
der  dieser  der  Abtei  AVerden  ihre  Gerechtsame,  insbesondere  das  von  Kaiser 
Konrad  H.  ihr  erteilte  Recht  auf  BeschifFung  der  Ruhr,  nachdem  er  durch  den 
hierzu  bestellten  Grafen  Hermann  alle  Hindernisse  hatte  wogräumen  lassen, 
bestätigt.  Die  Zeugenreihe  dabei  ist  diese:  „Aruoldus  col.  archiepiscopus, 
Wernerus  monasteriensis  episcopus,  Ileinricus  comes  de  gelre,  Heinricus  comes 


')  Will,  Rege.sten  1,  sio,  Nr.  17.  —  ")  Act.  Pal.  :;,  I  TJ  ü". ;  Bevor,  Urkundenbuch  1, 
."j90,  Nr.  .j.J'i.  Die  Urkunde  ist  datiert:  J.  1144,  Ind.  VI,  Königsjahr  VI,  Kai.  Aut^.  Da  aber  die 
Ind.  das  Jahr  114:!  erfribt,  so  hat  Goerz,  Mittolrh.  Regest.  1,  .")4!i,  Nr.  20{)2  nach  Stumpf, 
298,  Nr.  :i4ti(i,  das  Jahr  114:!  als  das  richtige  gesetzt,  weil  der  1.  August  nur  in  das  vom 
i:{.  März  beginnende  ('>.  Königsjahr  passt.  Schon  in  den  Regesten  zum  Mittelrh.  Urkunden- 
buch 'J,  (lOH,  Nr.  'i\il  hatte  übrigens  Goerz,  der  Verfasser  derselben,  gesagt:  „Ind.  (>  und 
rcgn.  a.  f!  weisen  auf  114:!  Aug.  1."  —  ^)  Gudonus,  Cod.  dipl.  I,  :!!ts  IT.;  Will,  Rcgestcn 
1,  :i24,  Nr.  22  hat  übersehen,  dass  ind.  VI  falsch  ist  und  VII  heissen  muss.  —  ')  Gudenus  be- 
merkt ausdrücklich :  „Superbit  diploma  hoc  caractcrum  ornatu  peculiari  usque  adeo,  ut  intuen- 
tis  cuiuslibct  plane  rapiat  ad  mirationem." 


73 

de  Limbvrcli  [Ruprccht's  Schwagci'],  Adolfiis  aduocatus  ccclesic  et  Evcrardiis 
Hlius  cius,  Ruotbertus  comos  de  lurenburch,  Godcfridus  et  licriinannus  de  cuiehe."') 
Das  zweite  Mal,  genau  am  18.  Oktober  1145,  befiudct  sich  Kuprecht  iu  Utreclit 
unter  den  49  Zeugen,  die  König  Konrad  den  Besitz  der  Grafschaften  Oster- 
und  Westergau  seitens  des  Bistunis  Utrecht  bestätigen  helfen.^)  Um  Weihnachten 
ist  er  in  Aachen  bei  der  Verbriefung  des  Königs  für  Propst  Gerard  in  Bonn 
über  den  Verkauf  einer  Liegenschaft  zum  Baufouds  seiner  Kirclie.'')  Und  eben 
dort  bezeugt  er  am  30.  Dezember  mit  dem  Erzbischofe  von  Köln,  den  Bischöfen 
von  Lüttich,  Münster,  Basel,  Verduu  und  Havelberg,  dem  Pfalzgrafen  Hermann, 
Heinrich  von  Limburg  und  dessen  Bruder  AValram,  Grafen  von  Arlon  nebst  12 
weiteren  Grafen  die  königliche  Bestätigung  der  Besitzungen  und  Freiheiten  des 
llochstiftes  Cambrai.^) 

Es  mag  hiernach  autfallen,  dass  Graf  Kuprecht  dem  königlichen  Hoflagcr 
in  verhältnismässig  weite  Ferne  gefolgt  ist,  während  er  sich  von  ihm  augen- 
scheinlich ferne  hielt,  als  es  während  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  in  seiner 
Nähe  zu  Worms,  Speier  und  Andernach  sich  befand  nach  Ausweis  des  könig- 
lichen Itinerars.'')  Sollte  sich  das  etwa  daraus  erklären  lassen,  dass  er  Kunde 
von  der  Absicht  seines  Vetters,  des  Grafen  Ludwig  III.  von  Arnstein,  hatte, 
sein  Kloster  zu  dieser  Zeit  vom  Könige  bestätigen  zu  lassen,  und  dass  er  diesem 
und  dessen  Gönnern  nicht  begegnen  wollte,  da  es  scheinen  will,  dass  das  Gegen- 
teil von  verwantschaftlichem  Einvernehmen  zwischen  ihnen  stattgefunden  habe? 
Denn  nirgends  begegnen  wir  beiden  zusammen  in  Urkunden,  auch  nicht  vor 
dem  Jahre  1139,  wo  Ludwig  Mönch  wurde.  Ebenso  wird  die  Grafschaft  im 
Einrieb,  was  so  nahe  gelegen  hätte,  von  letzterem  nicht  an  Laurenburg,  sondern 
an  Isenburg  abgegeben,  als  er  ins  Kloster  ging.  Jedenfalls  steht  soviel  fest, 
dass  die  Bestätigung  Arnsteins  in  seinem  Besitze  und  seinem  Rechte  durch 
den  König   zwischen    dem  13.  März  und  24.  September  1145    zu  Speier    ohne 


')  Lacorablet,  Urkb.  1,  245,  Nr.  358.  Das  Datum  ist:  1147,  ind.  X,  a.  regni  X. 
XVI.  Kai.  novembris  (17.  Okt.).  Dies  hat  Hennes  1,  38  Anm.  ruhig,  aber  klüglich  mit  der 
blossen  Jahresangabe  hingenommen,  Schliephake  1,  170  ist  ihm  unvorsichtig  gefolgt  mit 
dem  Monatsdatum  dazu  und  deshalb  mit  dem  starken  geschichtlichen  Schnitzer  als  Zusatz: 
.,In  den  nächsten  Jahren  unternahm  Kaiser  Konrad  den  Kreuzzug",  während  er  hätte  wissen 
müssen,  dass  Konrad  diesen  anfangs  Mai  1147  schon  angetreten  hatte.  Das  Datum  ist  also 
ohne  Zweifel  unrichtig.  Raumer,  Gesch.  der  Hohenstaufen  2,  457  setzt  deshalb  im  Itinerar 
Konrads  bei  Anführung  der  Urkunde  ein  einfaches  .,falsch".  Stumpf  Xr.  3552  erkannte  auf 
Fälschung  der  Urkunde,  musste  jedoch  später  deren  Echtheit  wieder  anerkennen,  Die  Würz- 
burger Imraunitäts-Urkunden  des  X.  u.  XI.  Jahrhunderts.  Innsbr.  1874.  1,  12.  Erst  Ficker, 
Beiträge  zur  Urkundenlehre  2,  142,  §  270  setzte  die  Handlung  in  die  letzten  Monate  des  Jahres 
1145  mit  dem  Bemerken,  dass  auch  im  ersten  Viertel  des  Jahres  1147  ein  Teil  der  Zeugen 
beim  Könige  in  Aachen  sich  befand,  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  Datierung  ,,zweifel- 
los"  als  ,,nachträgliche  Vollziehung  eines  von  Konrad  bereits  genehmigten  Textes'"  anzusehen 
sei.  Wir  sind  den  Herren  Prof.  Otto  und  Archivrat  Dr.  Sauer  zu  besonderem  Danke  ver- 
pflichtet, dass  sie  uns  auf  ehien  Teil  der  im  Vorstehenden  benutzten  Litteratur  aufmerksam 
gemacht  haben.  —  -)  Bondam,  Charterboek  der  hertogen  van  Gelderland  192.  Vgl.  Hennes 
1,27  f.;  Böhmer,  Regest.  118,  Xr.  2249;  Schliephake  I,  I7i».  —  ^)  Hennes  1,  28;  Böh- 
mer 118,  Nr.  2052;  Schliephake  1,  179.  —  ')  Hennes  u.  Schliephake  a.  a.  0.;  Böli- 
mer  Nr.  2051;  Goerz,  Mittelrh.  Regesten  1,  555,  Nr.  2023.  —  ^)  Böhmer,  Regesten  117, 
Jahr  1145. 


74 

die  Mitzeiigenschaft  Kuprechts  und  seines  IJrudcrs  vor  sieh  ging.  AHtzeuge 
war  dagegen  der  Laurenburg  feindliche  Bischof  von  Worms,  Buggo,  und  von 
den  anderen  Yerwanten  ausser  dem  „consanguineus"  Ludwigs,  dem  Herzoge 
Friedrich  von  Schwaben.  Heinrich  von  Katzenehibogeu  und  Gerlach  von  Iscn- 
burg.') 

Das  Jahr  darnach  aber  treffen  wir  auch  Ruprecht  beim  Erzbischofe  Hein- 
rich von  Mainz.  Das  bezeugt  die  Urkunde  vom  20.  März  114(i,  in  der  letzterer 
die  Kirche  in  Geisenheim  dem  Stiftskapitel  in  Mainz  einverleibt  und  für  be- 
sondere Besoldung  des  Domscholasters  und  Thürstehers  sorgt,  insbesondere 
auch  den  Herren  und  Brüdern  des  Domstiftes  die  6  Fässer  Wein  von  Lahu- 
steiu  bestätigt  und  sich  dem  Gebete  am  Tage  seiner  Ordination  und  nach  dem  Tode 
am  Tage  seines  Jahresgedächtnisses  empfiehlt.^)  Hier  ist  „Comes  Rupertus  de 
Lurenburc"  der  erste  der  freien  weltlichen  Zeugen,  es  folgen  ilim:  „Gerhardus 
comes  de  iS'uringes,  Bertholdus  comes  de  Nitha,  Arnoldus  de  Hagenowe,  Em- 
brico  de  Novo  castro,  Theodoricus  de  Birberc,  Henricus  de  Thidesse".  Das 
Ende  des  Jahres  bringt  die  denkwürdigen  Tage  der  Entscheidung  für  den  ver- 
hängnisvollen zweiten  Kreuzzug  in  Speier.  Auch  Ruprecht  ist  anwesend,  und 
die  gewaltige  Predigt  Bernhards  von  Clairvaux  am  29.  Dezember  1146 
wird  es  wohl  fertig  gebracht  haben,  dass  der  alte  Groll  zwischen  Ruprecht 
und  Buggo  in  der  Begeisterung  für  die  Kreuzfahrt  begraben  ward.  Denn  als 
am  5.  Januar  1147  König  Konrad  mit  Hilfe  der  versammelten  Reichsfürsten 
den  siebenjährigen  blutigen  Streit  zwischen  dem  Erzbischofe  Adalbero  von  Trier 
und  dem  Grafen  Heinrich  von  Namur  wiegen  der  Abtei  S.  Maximin  bei  Trier 
beilegt,  finden  wir  unter  den  42  Zeugen  der  Urkunde  nicht  bloss  Buggo,  sondern 
auch  dicht  neben  dem  Grafen  Emicho  von  Leiningen  „Rotbertus  comes  de  Lucem- 
burg",  d.  h.  Lurenburg.^)     Hiernach   belehrt    uns    eine  Urkunde   ohne  Datum, 


')  V.  liontlicim  1,  T).')!';  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  1(17;  Gudenus,  Cod.  dipl.  2,  lU; 
Fischer,  Geschlechtsrcg.  des  Hauses  Isenburg.  Urkb.  2U;  Mittelrh.  Urkb.  1,  599,  2,  698; 
Gocrz,  Mittelrh.  Reg.  1,  554,  Nr.  2016;  Herquet,  Urkb.  d.  Prämonstrat.-Klosters  Arnstcin 
3,  Nr.  2,  vgl.  Act.  Palat.  3,  24;  Böhmer,  Regest.  118,  Nr.  2264;  Stumpf,  Reichskanzler 
2,  :J01,  Nr.  8590.  Das  Datum  ist:  Spire  1146,  ind.  VII,  regn.  Conr.  II.  Rom.  rege  a.  regni  VII. 
Falsch  ist  hiernach  ind.  IX  bei  Hontheim,  und  bei  Herquet  „quadragesimo"  vergessen. 
Ebenso  irrig  ist  aber  auch  1146  der  Urkunde  selber,  da  es  nicht  mit  den  anderen  Angaben 
stimmt.  Ind.  VII  ist  1144  vom  24.  Sept.  an,  a.  VII  regni  1145  vom  13.  März  ab.  Also  kann  die 
richtige  Zeit  nur  die  von  uns  oben  angegebene  sein.  Dass  wir  mit  dieser  Bestimmung  allen 
den  genannten  Autoritäten  gegenüber  allein  stehen,  kann  uns  nicht  hindern,  an  ihre  Richtigkeit 
zu  glauben.  Denn  Böhmer's  und  des  Mittelrh.  Urkb. 's  .,1146  dec."  lässt  sich,  abgesehen  von 
den  genannten  Widersprüchen,  wegen  des  nach  Mooyer  am  29.  Sept.  1146  schon  gestorbenen 
Mitzeugen  Bischof  Sigfrid  von  Speier,  wenn  Dodechin  denselben  auch  erst  1147  gestorben  sein 
lässt,  nicht  halten,  vgl.  Würdtwein,  Nov.  subs.  1,  116.  Goerz'  (Reg.  im  Mittelrh.  Urkb. 
2,  69Sy  ,1144  jul.**  lässt  den  a.  regni  ausser  Acht.  Herquet's  .,v.  Oct.  1144  bis  13.  März 
1145"  setzt  erst  den  Anfangstermin  des  letzteren.  Stumpfs  „1145  c.  März**  kommt  am  näch- 
sten, ist  aber  wohl  unrichtig,  da  König  Konrad  noch  am  25.  März  in  Würzburg  bezeugt  ist. 
Die  genauesten  Zeitgrenzen  würden  dieser  25.  März  und  der  2.  Juni  sein,  wo  der  König  sich 
zu  Andornach  befand,  um  von  da  aus  rheinabwiirts  zu  ziehen.  —  ^)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1, 
179;  Will,  Regest.  1,  331  f.  Nr.  64.  —  '')  Toliier,  Hist.  pal.  2,  46;  v.  Hontheim  1,  554; 
Beyer,  Urkb.   1,  6ÜU,  Nr.  .543;    Goerz,    Mittelrli.  Regest.  1,  559,  Nr.  2039.     Das  Datum  ist 


75 

die  aber  der  Zeugen  wegen  walirsclicinlicli  in  dos  Königs  Aufonthcalt  zu  Frank- 
furt im  März  1147  fällt,  dass  Graf  Ruprecht  abermals  in  des  letzteren  Umgebung 
sich  befindet.  Der  König  bestätigt  auflJitfe  des  Abtes  llichard  von  Sprenchirs- 
bach  und  durch  Vermittclung  des  Abtes  Wibald  von  Stablo  einen  Gütertausch, 
welchen  der  erstgenannte  Abt  mit  dem  Erzbischufe  Arnold  von  Köln  durch  die  Hand 
des  Erzbischofes  Adelbero  von  Trier  gemacht  hatte. ^)  Zeugen  sind:  „Albero 
Treuirensis  archiepiscopus,  Arnoldus  coloniensis  archiepiscopus,  Ileinricus  Leo- 
dieusis  episcopus,  llcrimaimus  palatinus  comes  de  ]leno  et  frater  suus  Ilein- 
ricus de  Cacenelnboge,  Robertus  comes  de  Lurenburch,  Heinricus  comes  de 
Limburch  et  frater  suus  comes  Walleramus,  Otto  comes  de  Rinecha,  Reinaldus 
comes  de  Bar,  Heinricus  comes  de  Saines,  Reimbaldus  de  isenburch  et  frater 
suus  Gerlachus  et  ceteri  quamplures."  Dass  Graf  Ruprecht  sich  im  Mai  des 
gleichen  Jahres  dem  zu  Augsburg  versammelten  Kreuzheere  angeschlossen  habe, 
darf  wohl  als  gewiss  gelten,  da  er  Zeuge  des  begeisterten  Tages  in  Spcier  ge- 
wesen war  und  sein  Land  den  Händen  Arnolds  überlassen  konnte.  Das  Schweigen 
des  arnsteiner  Mönches  hierüber  ist  kein  Gegengrund.  Denn  wenn  dieser  bloss 
der  Teilnahme  des  Neffen,  Ruprechts  des  Streitbaren,  im  nächsten  Kreuzzug 
gedenkt,  so  geschieht  das  nicht  bloss,  wie  Schliephake,  das  Für  und  Wider 
in  seiner  Weise  unschlüssig  erwägend,  annimmt,  weil  dieser  seiner  Zeit  soviel 
näher  stand,  sondern  weil  er  der  in  des  Mönches  Augen  höchsten  Ehre,  des 
Sterbens  auf  diesem  Zuge,  teilhaftig  geworden  war.  Graf  Arnold  blieb  jeden- 
falls zurück.  Das  bezeugt  eine  Urkunde  von  1148,  in  der  Erzbischof  Heinrich 
von  Mainz  dem  Kloster  Öchtricheshusen  (Ichtershausen)  die  Schenkung  der 
Kirche  in  Egenstaete  durch  seine  nahe  Verwante,  die  „nobilis  ac  religiosa  ma- 
trona  nomine  Frideruna",  und  deren  Sohn  „MarquardusdeGruombach"  bestätigt.^) 
Das  Datum  der  Urkunde  hat  den  ausdrücklichen  Beisatz:  „gloriosi  regis  Cun- 
radi  secundi  secundo  peregrinationis  anno."  Hat  Will,  wie  es  scheint,  recht, 
so  ist  die  Urkunde  im  Februar  zur  Zeit  des  Aufenthaltes  des  Erzbischofes  in 
Erfurt  ausgestellt.  Dorthin  würde  also  der  mituuterzeichnete  Graf  Arnold  samt 
dem  ihm  voranstehenden  späteren  Mitschwieger,  dem  Grafen  Emicho  von  Lei- 
ningen, seinem  Gönner  gefolgt  sein,  zum  Beweis,  wie  weit  sich  der  erzbischöf- 
liche Hofdienst  auch  für  Freie  ausdehnte,  und  wieviel  die  erzbischöfiiche  Gunst 
wert  schien.  Wie  aber  Graf  Arnold  beharrlich  am  mainzer  Hofe,  so  finden 
wir  seinen  Bruder  auch  dann  am  Königshofe,  als  dem  Könige  Konrad  der  Neffe 
Fridrich  L  gefolgt  war.  In  der  am  20.  April  1152  in  Köln  ausgestellten 
Urkunde  setzt  dieser  das  Kloster  Laach  wieder  in  Besitz  des  ihm  von  seinem 
Stifter,  dem  Pfalzgrafen  Heinrich,  geschenkten  Hofes  Bedendorf,    den  Heinrich 


allein  bei  Beyer  und  Goerz  richtig,  die  Verschrcibung  „Lucemburg"  für  Lurenburg  scliun 
von  Tolncr  erlvannt.  Luxemburg  kann  es  um  so  weniger  lieissen,  als  es  keinen  Robert  dieses 
Namens  gab,  und  ausserdem  in  der  gleichen  Urkunde  vier  Edele  „de  Lucclcnburg"  vorkümmen. 
^)  Act.  Pal.  H,  11(5;  Günther  1,  '_>!».-);  Beyer  l,  .J8!);  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  1,  5U2, 
Nr.  20-46.  Von  letzterem  allein  in  das  richtige  Jahr  gestellt.  Von  hier  aus  auch  Schliej)- 
hake  1,  17s  mit  der  irrigen  Angabe  ,,zwisclien  1 144  und  1 14.")"  zu  berichtigen.  —  -)  Stumpf, 
Acta  mog.  sec.  XII.  Innsbr.  IS«;}.  4:5,  Nr.  !i:!;  Will,  Regesten  I,  :s:57,  Nr.  ;»();  Schliep- 
hake   1,  176, 


76 

von  Müllesperg  sich  unrcohtniässigcrweisc  als  Leiicu  zugeeignet,  uuu  aber  gegen 
60  Mark  au  den  König  wieder  abgetreten  hatte.*)  Unter  den  nicht  weniger 
als  33  bei  Schliephake  aufgozählteu,  den  höchsten  Reichsständen  angehören- 
den Zeugen  uimmt  „Rotbertus  comes  de  Lurenburch"  die  22.  Stelle  ein. 

0.    Trotz  päpstlich en  Bannes  endlicher  Erwerb  Nassaus. 

Zu  dieser  Zeit  aber  muss  es  gewesen  sein,  dass  die  Grafen  im  Vertrauen 
auf   die  königliche  Gunst  sich  gewaltthiitig  des  Zankapfels  zwischen  ihnen  und 
Worms,  der  von  ihrem  Yater  erbauten  Burg  Nassau,  bemächtigten.    Denn  vom 
4.  Mai   1154    datiert    der    bekannte    päpstliche   Drohbrief.^)     Derselbe    ist,    wie 
wir  seiner  Zeit  hervorzuheben  unterliesseu,  ebenso  sehr  ein  Zeichen  für  die  in- 
zwischen   gewonnene    Machtstellung    Laureuburgs,    als    er    die  Ohnmacht    von 
Worms  kennzeichnet,  das  die  letzte  Karte  ausspielt,  nachdem  der  erste  trierische 
Bann  und  Lothars  Spruch    sich  als  wirkungslos  erwiesen    hatten.     Worms  sah 
Laureuburg  iu  königlicher  Gunst,  darum  war  nur  noch  der  Papst  seine  Zuflucht. 
Laureuburg  aber  war  offenbar  um  so  sicherer  in  seinem  Vorgelien,  als  es  sich 
ausser  auf  die  Gunst  des  Königs  auf  sein  gutes  Recht  stützen  konnte.')     Was 
wollte  es  dagegen  heissen,  dass  von  1154  an  der  Name  seiner  Grafen  in  keiner 
Urkunde   erscheinen   konnte,    ein   Umstand,    der   thörichterweise   bis   dahin    an 
den  Tod  Ruprechts  und  Arnolds    zu  dieser  Zeit  glauben  Hess,    obgleich  sie  so 
deutlich  der   päpstliche  Brief  meint,    wie  ihren  Namen    nicht   minder    deutlich, 
was    auch   bisher  übersehen  wurde,    die  zwei  wormser  Urkunden  vom  9.  März 
1159    nennen    samt    der    alsbald    zu    nennenden    Hillin's    vom   gleichen    Tage! 
Der  Besitz    von  Nassau  war   ihnen   mehr    wert.     Sie    trotzten   einfach  5  Jahre 
lang  und  ertrotzten  damit   den   berühmten  Vergleich  vom  Jahre  1159.     Dieser 
Erfolg   ist   um   so  bemerkenswerter,   w^enu   wir   bedenken,    welch  eine   strenge 
Strafe  Kaiser  Fridrich  noch  an  Weihnachten  1156  auf  dem  Iloftage  zu  Worms 
über   den  Pfalzgrafen  Hermann    und    den   Erzbischof  Arnold  von  Mainz  wegen 
Landfriedensbruches   durch  das  bekannte  Hundetrageu    verhängt    hatte.'*)      Der 
Kaiser    muss    demnach    den   laurenburg'schen    Fall    mit    anderen   Augen    ange- 
sehen haben  als  das  wormser  Domstift  und  das  um  so  mehr,  als  Bischof  Kon- 
rad von  Worms,  der  Nachfolger  Burkard's  oder  Buggo's,  selber  in  des  Kaisers 
Gunst  stand.     Nicht  unmöglich  also,  dass  von  letzterem  ein  Druck  auf  Konrad 
ausgeübt  worden  sein  mag,    den    ärgerlichen  Streit  aus  der  Welt   zu    schaffen, 
und   kein  Wunder,    dass   Schannat    den  Austrag    desselben    mit    den    bitteren 
Worten    berichtet:    , Immer    war    unser  Konrad    dem  Kaiser    als  Begleiter    zur 
Seite,    und    während  er  sich  zur  Übernahme    der  kriegerischen  Mühen   rüstete, 
ging  er.  zufällig  nach  Trier  verschlagen,  den  schäudlichen  und  unseligen  Vertrag 

•j  Günther  1,  :}:ü  ;  Beyer  1,  (Jls,  Nr.  .ö61;  Goerz,  Mittelrh.  Kogesten  2,  2,  Nr.  4; 
Schliephake  1,  180.  —  -)  Annal.  24,  150.  —  ^)  Dürfen  wir  doch  zu  der  schon  früher  aus 
Ilillin's  Urkunde  von  115;)  angeführten  Stelle:  .,diccntcs  in  eodem  Castro  se  aliquid  pro- 
prietatis  habere",  die  bis  dahin  von  uns  und  unseren  Vorgängern  übersehene  andere  wichtige 
Stelle  derselben:  .,et  persone  nostrae  et  ecciesiae  (juidquid  in  eodem  castro  iure  allodij 
habebant,  resignarent"  (Schliephake  1,  204)  in  Betracht  ziehen.  —  ')  Vgl.  Will,  Regesten 
1,  U58,  Nr.  2ü. 


77 

dort  mit  dem  Erzbischofe  Ilillin  ein.  Er  trat  diesem  die  Burg  Nassau  und  das 
ihr  angreuzeude  horrliciie  Landgut  von  40  Mausen  ab,  während  er  umgekehrt 
den  nur  19  Mausen  umfassenden  und  dazu  jeder  Gerichtsbarkeit  entkleideten 
Hof  Partenheim  von  ihm  in  Tausch  nahm.  Es  geschah  das,  wie  in  den  Urkunden 
glänzend  berichtet  ist,  unter  der  nachherigeu  liilligung  des  (Jegenpapstes  Victor 
im  Jahre  1160.  Es  wird  deshalb  von  einigen  Schriftstellern  der  wormser  Ge- 
schichte Ilillin  dabei  wie  ein  gewaltthätigen  Raubes  Schuldiger  angeklagt, 
während  er  im  Gegenteil  von  seinen  eignen  Leuten  und  von  Einheimischen  be- 
schuldigt wird,  als  habe  er  jene  Sache  weniger  schlau  behandelt  und  zu  Ende 
gebracht.  Dass  deshalb  von  Neuem  ein  Schaden  über  die  wormser  Kirche 
gekommen  sei,  darüber  gibt  gewiss  der  Besitz  der  beiden  Landgüter  einen  Wink, 
der,  wer  weiss  aus  welchem  Grunde  oder  Geschicke,  bei  der  trierer  Kirche 
blieb,  da  sie  die  Grafen  von  Nassau  von  da  an  Kraft  des  Lehens  als  ihr  Ver- 
pflichtete und  ihr  Gut  in  Parteuhcim  bis  zum  Jahre  1065  gegen  den  Churfürsten 
von  der  Pfalz  wegen  des  behaupteten  Wildfanges  in  Anspruch  zu  nehmen  ver- 
sucht hat."^) 

Was  das  Ausserliche  der  Beurkundung  wegen  Nassaus  angeht,  so  ist 
hier  nachzutragen,  dass  wir  uns  seiner  Zeit  vom  Ansehen  unserer  Gewährs- 
männer Hennes  und  Schliephake  verleiten  Hessen,  nur  vier  Urkunden  über 
diesen  Fall  anzunehmen :  die  der  Kanoniker  des  wormser  Dorastiftes,  die  des 
Bischofes  Konrad,  beide  vom  9.  März  1159,  die  Hillin's  vom  1.  April  1159, 
die  Schliephake  nach  den  Urschriften  mit  den  beiden  ersten  abgedruckt  hat, 


^)  Hisfc.  episc.  Wormat.  356  f.:  „Adhaeserat  caesari  comes  ubique  Conradus  noster,  deni- 
que  simul  ad  subeundos  militiae  labores  sese  accingeret,  forte  Trevirem  delatus,  turpem  ac 
infaustum  illic  cum  Hillino  Archipraesule  Traotatum  iniit:  huic  si  quidem  Nassowa  arcem 
eique  annexum  XL  mansorum  nobile  praedium  cessit,  dum,  vice  versa,  non  nisi  Curtem  Par- 
tenheim,  mansos  dumtaxat  XIX  complectentem,  nee  non  omni  insuper  jurisdictione  destitu- 
tum,  utut  in  Tabulas  speciose  [spatiose?]  relatura,  probante  postmodum  anno  MCLX  Victore 
Antipapa.  Hinc  a  nonouUis  Wormatiensium  rerum  scriptoribus  [am  Rande:  Golscher,  Gesta 
Trevir.  apud  Eccard.  Script.  Tom.  II]  Hillinus  in  hoc,  velut  violenti  spolii  reus  inciisatur, 
dum  e  contrario,  a  propriis  ac  domesticis  culpatur,  quasi  minus  caute  rem  illam  tractarit  ac 
peregerit.  Gerte  damnum  inde  ex  integre  in  Wormatiensem  redundasse  Ecclesiam,  satis  innuit 
praedii  utriusque  simul  possessio,  quae  nescio  qua  ratione  aut  fortuna,  penes  Trevirensem  per- 
mansit,  cum  haec  Nassoviae  Comites  feudi  lege  exinde  obnoxios  sibi  habeat,  et  Partenheimium 
suum  adhuc  Anno  MDCLXV.  adversus  Palatinum  Electorem  a  praetenso  jure  Wildfangiatus 
vindicare  conata  fuerit."  Das  „forte  Trevirem  delatus"  ist  übrigens  ein  Irrtum  Schannat's. 
Bischof  Konrad   sagt    deutlich  in  seiner  Urkunde   vom   9.  März  115t»   (Schliephake   1,  'JOD: 

„qualiter interfuerim  cuidam    concambio   in   uilla   Partenheim,   quod    vorsabatur   intor 

dominum  Hyllinum  uenerabilem  treuirensis  ecclesie  archiepiscopum  apostolic.  sedis  legatum  et 
inter  confratres  nostrao  canonicos  Sancti  Petri  maioris  domus,  et  illam  commutationem  pro- 
mouerim  et  confirmauerim."  Dem  Vermerke  an  ihrem  Schlüsse  gemäss  scheint  nur  die  Aus- 
fertigung der  Urkunden  in  Trier  erfolgt  zu  sein.  Aber  auch  darin  wird  Schannat  in  seiner 
Entrüstung  zu  weit  gegangen  sein,  dass  Partenheim  nicht  in  wormser  Besitz  übergegangen 
sein  solle.  Denn  da  Hillin  in  seinem  Tauschvertrag  ausdrücklich  betreffs  dieses  Gutes  sagt: 
„excepta  solummodo  decima  et  advocatia,  quae  ante  tempora  mea  a  praedecessoribus  meis 
erant  inbeneficiata"  [i.  e.  in  beneficium  data,  vgl.  Du  Cange-Henschel  H,  TSU"],  so  gehörte 
auch  der  Wildfang  zu  den  von  Trier  vorbehaltenen  Rechten,  sei  es  nun,  dass  dieses  als  "NVild- 
bann  oder,  was  waiirscheinlicher  ist,  als  das  Recht,  Fremde  als  eigene,  d.  Ii.  Vogteileute,  ein- 
zufangen,  zu  verstehen  ist. 


78 

und  endlich  die  des  Papstes  Victor  lY.  vom  25.  Juli  1160.  Es  gab  aber  noch 
eine  fünfte,  die  uns  Schanuat')  aufbehalten,  und  auf  die  schon  Kremer-)  ver- 
wiesen hat.  Diese,  ebenfalls  vom  9.  März  1159,  ist  das  Gegenstück  zu  der 
l'rkunde  Konrads  und  gibt,  ausgestellt  von  Ililliu,  den  Sachverhalt  des  in  Parten- 
heim abgeschlusseneu  Tauschvertrages  zwischen  Trier  und  Worms  von  ersterer 
Seite  an.  Sie  bietet  im  wesentlichen  nichts  Xeues,  sondern  stellt  nur  das  von 
den  beiden  wormser  Urkunden  Vorgebrachte,  mehrfach  wörtlich,  aber  in  eigener 
Ordnung,  zusammen.  Gerade  das  jedoch  macht  sie  merkwürdig.  Denn  indem 
sie  genau  den  wormser  Ixechtsstandpunkt  bezüglich  Nassaus  wiedergibt,  setzt 
sie  sich  in  Widerspruch  mit  der  Urkunde  vom  1.  April,  in  der  nach  Gebühr 
das  laurenburg'sche  Recht  gewahrt,  und  der  Sachverhalt  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechend dargestellt  ist,  so  wie  er  wenigstens  von  selten  Laurenburgs  auge- 
sehen worden  zu  sein  scheint.  Überdies  widersprechen  sich  beide  Urkunden 
in  Bezug  auf  den  Zweck  des  Tausches.  Nach  der  vom  9.  März  geschieht  der 
Tausch  in  der  Absicht,  dass  Worms,  weil  ihm  der  Besitz  Nassaus  lästig  ge- 
worden sei,  und  dies  ihm  zu  entfernt  liege,  in  dem  näheren  Partenheim  (bei 
Würstat  in  Rheinhessen)  einen  Ersatz  finde,  und  Trier  dafür  einen  Besitz  inner- 
halb seines  Sprengeis  erhalte.  Die  Urkunde  vom  1.  April  versichert  dagegen, 
der  Tausch  sei  aus  dem  Wunsche  hervorgegangen,  die  Streitursache  zwischen 
Nassau  und  Worms  aus  dem  Mittel  zu  thuu  und  zugleich  der  trierer  Kirche 
einen  Vorteil  und  Nutzen  zu  verschaffen.  Als  ob  der  Streit  damit  ein  Ende 
habe,  dass  Nassau  in  die  Hände  eines  anderen  Besitzers  gekommen  sei !  Dann 
erst  kommt  die  Hauptsache.  Nachdem  Trier  friedlich  und  ruhig  in  Besitz 
Nassaus  gelangt  gewesen,  seien  die  Laurenburger  mit  der  Bitte  hervorgetreten, 
dass,  weil  sie  keinen  Streit  mit  Trier  wünschten,  vielmehr  diesem  immer  ergeben 
gewesen  seien,  auch  manchen  Dienst  ihm  geleistet  hätten  und  weitere  versprächen, 
Nassau  ihnen  zu  Lehen  gegeben  werde.  Zum  Ersatz  („pro  restauratione"-"')  für 
das  ohnehin  ein  wenig  zurückgegangene  Partenheim  hätten  sie  150  Mark  für 
den  Ankauf  eines  anderen  Landgutes  gegeben  und  zugleich  auf  ihr  Allodialrecht 
an  Nassau  verzichtet.  Aus  diesen  widerspruchsvollen  Darstellungen  der  Urkunden 
wird  erst  recht  klar,  dass  die  Triebfeder  zum  Tausche  weder  in  Worms  noch  in 
Trier,  sondern  in  Laurenburg  und  am  kaiserlichen  Hofe  lag.  Man  ummantelte 
nur  die  harte  Notwendigkeit,  um  die  kirchliche  Würde  zu  wahren.  Die  zwischen 
Worms  und  Trier  gewählte  Form  der  Darstellung  erschien  den  Führern  der 
Unterhandlung,  vor  allem  Hillin,  notwendig,  um  dem  wormser  Domkapitel  Sand 
in  die  Augen  zu  streuen.  Bei  der  mit  Laurenburg  geführten  Sprache,  von  der 
Worms  nichts  hören  durfte,  galt  es  Hillin,  das  eigene  Domkapitel  glauben  zu 
machen,  dass  er  lediglich  im  Interesse  Triers  gehandelt  habe.  Denn  auch 
dieses  bedurfte  einer  solchen  Täuschung,  da  es  5  Jahre  zuvor  an  der  Ausführung 
des  päpstlichen  Bannes  kirchenordnungsgemäss  beteiligt  war.  Deshalb  auch 
in  <lor  1  rkunde  vom  1.  April  kein  Wort  von  der  Zurücknahme  des  Bannes. 
Erst  die  Vorteile  von  einer  Verbindung  Laurenburgs  mit  Trier,   dann  verstand 


')  Hist.  episc.  Worm.    Prob,  ^u  ff.,  Nr.  S.").  —  «)  OnV.  Nass.  2,  ISO.  —  »)  Restnurntio 
liat  liic-r  (lio  niitfelnltorliclio  IJodoutung  von  comiiciisatio.     Vyl.   Du  raii;,^ü-ll  oii  sc  liel  :>,  T.i.'j''. 


79 

sich  die  Aufhebung  des  Bannes  von    selber,    die  wir  deshalb    in    einer   hierauf 
folgenden  eigenen,  leider  verloren  gegangenen  Urkunde  erwarten  dürfen.^) 

Aber  auch  das  findet  nocli  seine  Erklärung,  dass  Laurenburg  bei  dieser 
Angelegenheit  eine  so  autfallend  geringe  Beteiligung  seiner  nächsten  Nachbarn 
fand.  Nur  10  freie  Edcle  nennt  die  Urkunde  vom  1.  April  1159  als  „testes" 
und  „obsides"  :  „lieinboldus  c.  de  ysenburg  et  Gerlacus  nepos  eins,  Ileinricus 
conies  de  seinti,  Ruobertus  comes  de  Berebach,  Fridericus  de  Brubach,  Euerardus 
de  Burgenshoini,  Egonolfus  de  Wrutlie,  Vdo  de  hegere,  Sifridus  de  ruukel, 
Sifridus  de  biegen."  Yon  diesen  sind  zunächst  zwei  angeheiratete  Verwante. 
Reinbold  von  Isenburg  ist  der  vierte  dieses  Namens  und  Sohn  Keinbolds  Hl., 
der  eine  der  6  arnsteinischen  Töchter  geheiratet  hatte,  zugleich,  wie  die  Urkunde 
bezeugt,  Inhaber  der  Grafenwürde  im  Einrieb.  2)  Sein  Neffe  Gerlach  \.,  als 
Sohn  Gerlachs  IV.,  kommt,  wie  sein  Vater,  auch  als  Herr  von  Kovern  vor.^) 
Der  diesen  folgende  Graf  Heinrich  von  Sain  ist  derselbe,  der  mit  seinem  Bruder 
Eberhard  die  Burg  Sain  Erzbischof  Ilillin  1152  freiwillig  aufgetragen  und  als 
Lehen  von  diesem  empfangen  hatte.  Eine  solche  Ergebenheit  gegen  Trier  trug 
ihnen  100  Pfund  Heller  als  Jahresgehalt  mit  der  Bestimmung  ein,  dass  ihre 
erblichen  Nachfolger  die  Burg  und  diesen  Jahrgehalt  ohne  „Heregewede"  und 
„Ileresture"  haben  sollten.^)  Und  doch  war  das  Ganze  nur  ein  Werk  der 
Not,  da  im  Sommer  des  gleichen  Jahres  die  Burg  durch  den  Erzbischof  Arnold 
von  Köln  von  Grund  aus  zerstört  worden  war.'')  Was  Wunder,  dass  Lauren- 
burg sich  hieran  ein  Beispiel  nahm,  und  dass  einer  der  Beispielgeber  mit 
unter  den  Zeugen  und  Geiseln  war.  Der  weitere  Zeuge  Graf  Ruprecht  von 
Berebach  scheint  in  keiner  näheren  Beziehung  zu  Laureuburg  als  der  einer 
Bekanntschaft  vom  erzbischöflich   mainzischen  Hofe  gestanden  zu  haben,  da  er 


^)  Zu  dieser  Erwartung  berechtigt  uns  ausser  den  Vorschriften  des  kanonischen  Rechtes 
ein  ähnlicher  Vorgang  aus  ungeföhr  derselben  Zeit.  Graf  Simon  I.  von  Sarbrücken,  Bruder 
des  Erzbischofes  Adelbert  I.  von  Mainz,  hatte  lange  Zeit  dem  Kloster  Schwarzach  im  Elsass 
die  „curtis  in  Suuinderathesheim"  gewaltsam  vorenthalten.  Kaiser  Fridrich  I.  erkannte  \\'i2 
zu  Recht,  dass  der  Hof  dem  Kloster  gehöre,  Gudenus,  Sylloge  458  ff.  Graf  Simon,  der  des- 
halb vom  Bischöfe  von  Strassburg  nach  päpstlichem  Spruche  in  Bann  gethan  war,  nuisste  sich 
hiernach  zur  Herausgabe  des  Hofes  verstehen,  that  dies  aber  in  der  Weise,  dass  er  sich  vom 
Abte  Konrad  in  Schwarzach  110  „ex  rebus  ecclesiae  magna  difficultate  conquisitas  raarcas'' 
geben  liess,  „aliquod  tarnen  inter  haec  lucrum  volens",  wie  es  in  der  Urkunde  lieisst,  trotzdem 
er  sein  Unrecht  eingesehen  hatte  und  den  Hof  an  den  Bischof  Günther  von  Speier  abtrat,  der 
ihn  dem  Kloster  wieder  zustellte.  „Sique  demum'',  heisst  es  alsdann  in  der  darüber  aufge- 
nommenen Urkunde  Günther's  von  1152,  „concessione  Dni  Argentinensis,  ad  quem  potestas 
hunc  solvendi  spectabat,  nostra  auctoritate  ab  excommunicatione  solutus  est".  Sylloge  462.  — 
'-)  Der  Satz:  „qui  tunc  temporis  eundem  comitatum  tenebat",  in  dem  wir  bereits  „tunc  tem- 
poris''  in  der  Bedeutung:  „zu  der  Zeit"  sichergestellt  haben,  Annal.  2.'.,  t;4,  besagt  bei  näherer 
Betrachtung,  dass  zu  dieser  Zeit  bereits  Verhandlungen  betreffs  des  Verkaufes  der  Grafschaft 
an  Laurenburg  und  Katzenelenbogen  im  Gange  sein  musstcn,  da  sonst  wohl  ein  „tenet"  stehen 
würde.  Möglich  bleibt  freilich  ein  Versehen  des  Urkundeverfassers.  Sein  eigenes  ^tiinc 
temporis''  konnte  ihn  dies  machen  lassen,  indem  ihm  das  im  Sinne  gehabte  „zu  dieser  Zeif" 
unwillkürlich  zu  einem  „damals''  wurde  und  eine  Zeitform  der  Vergangenheit  zu  fordern  schien. 
—  ^)  Reck,  Gesch.  d.  Häuser  Isenburg,  Runkel,  Wied.  Weimar  1825.  3,3,  49.  —  '•)  Beyer 
I,  (!2H,  Nr.  571;  Goerz,  Mittolrhein.  Regesten  2,  7,  Nr.  20.  '')  Die  Quellen  hierüber  siehe 
l)ei  Goerz  a.  a.  O.  2,  5,  Nr.  17. 


80 

sonst  in  mainzischen  Urkunden  vorkommt.')  Seine  Grafschaft  Hegt  im  thüring- 
ischen Monregau.-)  Fridrich  von  Braubach  gehört  den  Adeligen  von  dort  an, 
die  schon  1158  genannt  werden.'^)  Eberhard  von  Burgeusheim,  jetzt  Bürres- 
hoim  bei  Mayen  im  Regierungsbezirk  Coblenz,  darf  wegen  der  nicht  allzu  fernen 
Luge  seiner  Burg  zu  dem  Bekannteukreise  der  Laureuburger  gezählt  werden.^) 
In  Egeuolf  von  Wrutlie  haben  wir  wohl  den  ersten  Adeligen  von  Frucht  zu 
erkennen.'')  Udo  von  Ilaiger,  Sigfrid  von  Runkel  und  Sigfrid  von  Bicken  treten 
auch  hier  zum  ersteumale  als  altnassauische  Adelige  auf.'')  Unter  den  18  Mi- 
nisterialen ist  es  nur  Roricus  de  Milena,  der  sich  uns  als  nassauischer  Eigeumann 
zu  erkennen  gibt,  und  der  als  Ahnherr  derer  von  Miehlen  zu  betrachten  ist.') 
Das  sind  nun  alles,  trotz  ihrer  Zaiil  von  2G,  keine  bedeutenden  Namen.  Aber 
mit  den  42  auf  der  Gegenseite  verhält  es  sich  geradeso.  Die  17  geistlichen 
Zeugen  davon  ffehören  alle  Trier  oder  seiner  nächsten  Nähe  an.  Von  den 
nur  0  freien  Edelen  vertreten  6  zugleich  Laurenburg,  und  von  den  IG  Minis- 
terialen thut  dies  sogar  noch  der  Marschalk  Wilhelm.  Gleichwohl  wäre  ein 
Schluss  hieraus  auf  das  geringe  Ansehen  Laurenburgs  das  Gegenteil  von  der 
AVuhrheit.  Es  konnten  nicht  mehr  Zeugen,  und  dieselben  konnten  keine  anderen 
als  diese  zum  Teil  bejahrten  sein,  da  alle  kriegstüchtigen  Männer  sich  zu  der 
Zeit  in  dem  Heere  Fridrichs  I.  befanden,  der  die  lombardischen  Städte  zu 
züchtigen  hatte. 

<.  Ruineclit  III.,  der  Streitbare,  zum  ersteumale  Urkuiideiizeiige. 

Wir  mussten  dies  alles,  da  es  zusammen  gehört,  in  einem  Zuge  zu  Ende 
führen.  Eine  mainzer  Urkunde  aber  nötigt  uns  nun,  ehe  wir  weiter  gehen, 
um  ein  Jahr  zurückzugreifen.  Dieselbe  ist  1158  ausgestellt  und  berichtet  die 
vom  Erzbischofe  Arnold,  wie  es  am  Ende  heisst:  „in  camenata  nostra  Moguntie", 
vollzogene  Schlichtung  des  Streites  zwischen  dem  Kloster  Winkel  und  den 
Vormündern  des  Rheingrafen  Embricho  IV.  über  die  von  letzteren  erhobenen 
Erbansprüche  auf  das  Allod  Rendewineshuba,  das  der  Ministeriale  des  Martins- 
stiftes Wulfricus  von  Winkel  dem  Kloster  geschenkt  hatte.  Als  freie  Laien- 
zeugen werden  dabei  genannt:  „comes  Gerhardus  de  Nurinkes"  und  „comes 
Rupertus  de  Lurenburch."'^)    Schliephake  hat  ohne  weiteres  in  letzterem  den 


•)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  231;  Wenck,  Hessische  Landesgesch.  1,  Urkb.  104.  — 
*J  Joannis,  Rer.  mog.  2,  465,  489  f.;  Will,  Regesten  1,  Uli,  Nr.  18.  —  ^)  Vogel,  Topogr. 
<)1,  Roschr.  (;4»;.  —  •*]  Mittelrh.  Urkb.  2,  LXXIII.  —  ^)  v.  Honthcim  1,  r)SS  schreibt  irrig 
.,Wruciieim".  Die  Vertauschung  von  v  und  w  kommt  ütter  vor.  So  Wolkoldus  für  Volkoldus 
bei  Honthcim  1,442.  Wiescart  für  Viescart  oder  Fischart,  Jahresber.  d.  Geschichtswissensch. 
P.erlin  1893.  2,  KU.  Ob  „Wezil  de  Vruchte  et  frater  eius  Arnoldus''  in  der  Urkunde  vom 
Jahre  1190  seine  Sühne  sind?  Vgl.  Joannis,  Spicilcg.  21,  Mittelrh.  Regest.  2,  141.  Und 
ob  nicht,  was  wichtiger  sein  möchte,  er  der  Ahnherr  derer  von  Stein  ist,  die  in  Frucht  be- 
gütert waren  und  einen  Egenolfus  im  arnstcincr  Necrologium  verzeichnet  haben?  Vgl.  Vogel, 
Topogr.  9.-,,  Beschr.  051;  Becker,  Annal.  It;,  14.  —  ")  Vogel,  Beschr.  712,  252,  725.  — 
')  Arnoldi,  Miscellaneen  141,  Annal.  !(!,  15.  —  **)  Bodmann,  Rheing.  Altert.  170;  Sauer 
1,  172,  Nr.  2:{s.  Da  die  Urkunde  nur  das  Jahr  115S  und  Iml.  0  angibt,  so  hat  die  ungefähre 
Bestimmung  des  Munats  Schwierigkeiten  verursacht.     Will,  Kegcsteu   1,  305,  Nr.  Ol   setzt  sie 


81 

von  uns  seither  besprochenen  Ruprecht  sehen  zu  müssen  gemeint  und  in  dieser 
Urkunde  die  letzte  Bezeugung-  für  ihn  vor  seinem  Tode  gefunden,^)  Sehr  mit 
Unrecht.  Der  Altgraf  Kupreclit  befand  sich  zu  dieser  Zeit  noch  im  Banne, 
war  also  zeugnisunfähig.  Zudem  hätte  ihm  Gerhard  von  Nürings  nicht  vor- 
anstehen können,  da  er  diesem  gegenüber  der  Altere  war.  Denn  Gerhard 
begegnet  uns  in  Urkunden  erst  vom  Jahre  1143  au.*)  Es  muss  also  ein  jüngerer 
Ruprecht  sein,  und  wenn  wir  bedenken,  dass  vor  dem  Banne  Arnold  sich  auf- 
fällig oft  am  mainzischen  Hofe  zeigte,  so  liegt  es  wohl  am  nächsten  anzunehmen, 
dass  es  dessen  Sohn  Ruprecht  der  Streitbare  ist,  und  dass  die  Veranlassung, 
die  den  Vater  so  oft  dorthin  führte,  dessen  Eigenschaft  als  mainzischer  Lchens- 
träger  war,  wie  ehemals  die  Udalrichs.  Es  will  sich  uns  das  nämlich  daraus 
ergeben,  dass  die  Zeugenschaft  diesmal  dicht  vor  dem  Kriegszuge  nach  Italien 
statt  hat.  Was  kann  da  natürlicher  sein,  als  dass  der  Sohn  des  gebannten,  vielleicht 
auch  schon  gestorbenen  Vaters  an  dessen  Stelle  sich  bei  dem  Erzbischofc  als 
„miles"  und  „fidehs"  einfindet,  um  ihn  nach  Itahen  zu  begleiten!  Als  Sohn 
des  laurenburg'schen  Hauses  und  als  Sohn  des  nicht  regierenden  laurenburg'schen 
Vaters  aber  stand  Ruprecht  natürlich  dem  regierenden  Grafen  Gerhard  von 
Nürings  nach. 


„vor  Juni",  offenbar  geleitet  von  dem  Gedanken,  dass  Erzbischof  Arnold  bereits  im  Anfang  des 
Juni  mit  einem  glänzenden  imd  wohlbewaffneten  Heere  auszieht  und  zu  dieser  Zeit  mit  Kaiser 
Fridrich  in  Augsburg  zusammentrifft,  ebenda  :567,  Nr.  69.    Sauer  setzt  die  Zeit  vom  14.  Aug. 
bis  24.  Sept.    und  lässt  sich  dabei  von  den  beiden  Anhaltspunkten    der  zuerst  von  ihm  genau 
nach  dem  Original  wiedergegebenen  Urkunde  bestimmen,  dass  der  als  Zeuge  angegebene  Abt 
Harpert  von  S.  Alban  dies  erst  nach  dem  25.  Mai,  dem  Todestag  seines  Vorgängers  Baldemar, 
sein  konnte,   und  dass  der   für  den  Namen  des   Abtes   von  Eberbach   freigelassene  Kaum  den 
am  14.  Aug.   1158   (1152  ist  Druckfehler   bei    Sauer,    der   sich   auf  Baer,   Gesch.   der  Abtei 
Eberbach,  1,  231,  wo  das  richtige  Jahr  steht,  beruft)    erfolgten  Tod   des    Abtes  Ruthard  vor- 
aussetze.    Da  aber  von  der  Hand   desselben    Schreibers   noch   eine  Urkunde  vom  Jahre  1159 
mit  der  Ind.  VII  vorliege,  die  ebenfalls  den  Raum  für  den  Namen  des  eberbacher  Abtes  frei- 
lasse, so  sei  ersichtlich,    dass  dieser  nach  der  am  24.  Sept.  beginnenden  sog.  kaiserlichen  In- 
diction  rechne,  mithin  als  Ausstellungszeit  die  Zeit  zwischen  14.  Aug.  und  24.  Sept.  anzunehmen 
sei.     Beide  Gelehrte   haben    mit   ihren  Festsetzungen   recht;   Will,   unwissend,    da  er  in  dem 
ihm  vorliegenden  B  o  dm  an  n' sehen  Texte   nur  den  Namen    des   dort   von   diesem   hier  einge- 
fälschten Abtes  Ruthard  kannte,  für  das  Konzept  der  Urkunde,  Sauer  für  ihre  Ausfertigung. 
Wie  aber  die  Urkunde  in  diesem  Stücke  für  die  Diplomatik  lehrreich  ist,  so  ist  sie  es  auch  in 
Bezug  auf  die  Zeugen.     Bei  dem  Konzepte  der  Urkunde,   in  der  Kemenate    des  Erzbischofes, 
waren  offenbar  noch  die  Äbte  Baldemar   von    S.  Alban   und   Ruthard  von  Eberbach  zugegen. 
Bei  der  Ausfertigung  waren  sie  tot.    Tote  Zeugen  sind  keine.    Also  wurde   der  dem  Schreiber 
bekannte   Nachfolger   Baldemar's   Harpert   ohne    weiteres    an   dessen   Stelle   gesetzt,    und    da 
der  Nachfolger  Ruthard's,  Eberhard,  der  zuvor  von  Clairvaux  kommen  sollte  und  deshalb  erst 
vom  20.  Nov.  bezeugt  ist,  vgl.  Baer  1,  2;U  Anm.,  zu  der  Zeit  seinem  Namen  nach  noch  un- 
bekannt war,  so  blieb  die  Stelle  für  diesen  frei  zum  späteren  Eintrag,  der  nie  erfolgte.    Aucii 
liier  ist  ersichtlich,   dass  die  Urkunde  nur  dadurch  Wert  hatte,   dass  ihre  Zeugen  nötigenfalls 
zum  Eide  gefordert  werden  konnten,  vgl.  Ficker,  Beiträge  zur  Urkundenlehre  1,  85  ff.    Man 
war  deshalb  auf  Ersatz  der  inzwischen  Verstorbeneu  bedacht.    Die  Ersatzmänner  können  dann 
als  testes  facti,  d.  h.  zu  Zeugen  Gemachte,  gelten,  vgl.  Ficker  1,  86. 
»)   1,   1S9.  —  ^)  Vogol,  Bcsehr.  197. 

Annaleu,    Bd.  XXVI.  6 


82 


IV.   Die  Grafen  von   Nassau. 

1.  Der  arnsteiiier  Bericht  und  seine  Ergänzung. 

"Was  uun  zunächst  folgt  in  der  Geschichte  des  von  da  an,  wie  bekannt, 
sich  Nassau  neunenden  Hauses,  hat  den  bisherigen  Darstellern  dieser  aus 
Anlass  ihrer  irrigen  Annahme  über  die  beim  Vertrage  mit  Trier  beteiligten 
Glieder  des  Hauses  so  viele  vergebliche  Mühe  gemacht,  dass  uns  so  gut  wie 
alles  zu  entwirren  übrig  geblieben  ist.  Wählen  wir  deshalb  unseru  Weg  sorg- 
fältig. Die  Grundlage,  von  der  auszugehen  ist,  bleibt,  wie  wir  seinerzeit  schon 
darthaten,  auch  jetzt  der  Bericht  des  arnsteiner  Mönches.')  Nach  diesem 
war  der  uns  als  Trutwin  lY.  bekannt  gewordene  Laurenburger,  der  ihm  be- 
reits Nassauer  ist,  der  Gemahl  der  vierten  Arnsteiucrin,  die  wir  abseits  von 
ihm,  wie  den  Gatten,  unter  dem  Namen  Beatrix  kennen.  Aus  dieser  Ehe 
entsprossen:  Ruprecht,  Arnold  und  Demudis,  die  letztere  vermählte  sich 
mit  Embricho  und  war  die  Mutter  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz,  wie 
dieser  der  Yater  des  Grafen  Gerhard  von  dort.  Von  Ruprecht  kennt  der  Mönch 
nur  den  einen  Sohn  Walram.  War  ihm  doch  auch  der  Name  der  GemahUn 
Ruprechts  unbekannt  geblieben.  Wir  aber  sind  im  stände,  mit  Urkunden  seiner 
Unkuude  zu  Hilfe  zu  kommen.  Wir  wissen  seit  Gebhardi,  dass  die  Gemahlin 
dieses  ersten  Ruprecht  Beatrix  hiess  und  eine  Tochter  des  Herzogs  Walram 
von  Limburg,  mit  dem  Beinamen  Paganus,  und  dessen  Gemahlin  Jutta  oder 
Judith  war,  sowie  dass  ihr  erster  Sohn  von  Ruprecht  den  Namen  Arnold  trug. 
Dies  macht  alles  die  eine  Urkunde  des  Bischofes  Heinricli  von  Lüttich  von  1151 
klar,  in  der  dieser  bestätigt,  dass  die  in's  Augustiuerkloster  getretene  Witwe 
Walrams,  Jutta,  diesem  imter  Zustimmung  ihrer  Söhne  Heinrich  und  Gerhard 
die  Kirche  in  Lomundcsheim  mit  allem  Zubehör  geschenkt  habe,  und  dass 
bei  ihrer  Beerdigung  in  gedachtem  Kloster  die  anwesenden  Söhne  mit  dem 
gleichnamigen  Söhuchen  des  ersteren  von  ihnen,  wie  mit  „Arnoldus  quoque 
tilius  Ruberti,  comitis  de  Luuneburg,  natus  ex  domina  Beatrice,  filia  praedictae 
dumiuae,  et  Theodoricus,  filius  Ekeberti  comitis  de  Titkeinburg,  natus  ex  alia 
tilia",  die  genannte  Kirche  förmlich  übergeben  hätten.^)  Der  Name  „Luuneburg", 
der  in  den  T^rkunden  von  1158  und  1212. des  gleichen  Betreffs  mit  Lunenburg 
und  Lunenborch  wechselt,  ist  nur  ein  Schreibfehler  für  Lurenburg,  wie  bereits 
Kremer  gesehen  und  festgestellt  hat.^)  Dass  wir  diesem  erstgeborenen  Sohne 
Ruprechts  L  nicht  weiter  begegnen,  ist  ein  Zeichen,  dass  er  früh  gestorben 
sein  wird,  möglicherweise  auf  dem  ersten  italienischen  Feldzuge  Kaisers  Frid- 
richs  I.  zwischen  1154  und  1155,  der  noch  vor  Verkündigung  der  päpstlichen 
Bannandrohung  an  Laurenburg  begann,  sodass  sein  Tod  des  Kaisers  Gunst  gegen 
letzteres  vermehren  helfen  konnte.  Dem  arnsteiner  Mönche  aber  blieb  das 
ebenso  verborgen,  wie  das  Vorhandensein  noch  eines  anderen  Sohnes  Ruprechts  L, 
von   dem  erst  weiter  unten  geredet  werden  kann.    Ebenso  verrät  er  ein  halbes 


')  Krem  er,   Orig.  Nass.  2,  3ß:{;    Wldmniiii,    Annalpii   IS,  247.   —   ^)  Kremer,  Orig, 
Nass.  2,   171  f.,  vgl.  IH-l  f.   u.  219  fl'.    -   ^;  Orig.  Nass.   1,  :iü2  Anin.,  vgl.  Schliepli.   1,  181   1". 


83 

Wissen,    wenn    er   weiter    berichtet:    „Arnoldus   comes   pater   extitit   Ruberti 
comitis    viri    bellicosi,    qui    iu    cxpoditione   imperatoris    Frcderici    peregriuus 
obiit   in   partibus  transmarinis";    und    sein  Übersetzer    weiss  nicht  mehr,    wenn 
er  das  überträgt  mit:   „Arnold,  eyn  stam,  dar  vss  sproiss  Ruprycht   eyn  jiinck 
reyss,  eyn  streythaftich  man,  der  da  gedynet  was  dem  Römischen  Keyser,  Keysor 
Frederich,  vnd  von  godes  wyllen  starp  vff  dem  mere."^)    Fünf  alte  Nachrichten 
belehren  uns  nämlich  über  einen  Grafen  Heinrich  zu  dieser  Zeit,  der  niemand 
anders   als   ein  Sohn    Arnolds   gewesen    sein   kann,    wie    dies    bereits   Krem  er 
dargethan    hat^),    ohne  Nachfolger    finden    zu   können.     Sein    Name    „Heinricus 
comes    de  Nassowe"    wird    zuerst  iu  einer  Urkunde    von   1160  genannt,    in  der 
Erzbischof  Hillin  dem  Bischöfe  Albert  von  Verdun  die  Burg  Mussy  an  der  Mosel 
zu  Lehen  verspricht,    falls    derselbe    sie  von  dem  Paganus    von  Mussy  erobern 
werde.^)     Graf  Heinrich,    der    als    der  Erste    seines  Geschlechtes    den 
Namen  Nassau  hier  führt,  tritt  dabei  als  erster  und  einziger  freier  weltlicher 
Zeuge   auf.     Die    nach    ihm    verzeichneten  13  Ministerialen    sind  der  Mehrzahl 
nach  dieselben,  wie  die  in  der  Urkunde  vom  1.  April  1159.     Er  hat  demnach 
den  ersten  Teil  des  zweiten  italienischen  Ileereszuges  Kaiser  Fridrichs  nicht  mit- 
gemacht.    Erst  der  Nachschub  neuer  Ililfsmannschaft  beteiligt  ihn  daran.    Das 
gibt  die  zweite  Urkunde  vom  1.  September   1161  zu  erkennen,    die  ausgestellt 
„in  territorio  Medyolanensi  apud  Landrianvm",    die  kaiserliche  Schlichtung  des 
Streites  zwischen  Hillin  und  dem  kaiserlichen  Bruder,  Rheinpfalzgrafen  Konrad, 
enthält.     Als  Zeugen  werden  dabei  ausser  den  geistlichen  Würdenträgern  auf- 
geführt:   „Lodwicus   prouinciahs  comes,   Euerardus   comes  de  Seyne,    Henricus 
comes  de  Dithesse,    Robertus  et  Henricus  comites  de  Nassowe,    Sifridus  comes 
de  Wedeh,    Hermannus  comes    de  Saffenberch"    und    weitere    6    vom  niederen 
Adel.*)     Da  Graf  Heinrich    von   Dietz    voransteht,    so   kann    „Robertus"    nicht 
Ruprecht  I.  sein.    Dagegen  schliesst  die  Nichtbezeichnung  als  Bruder,  wie  in  so 
vielen  anderen  Urkunden,  nicht  aus,  dass  die  Genannten  von  Nassau  die  beiden 
Söhne  Arnolds,  Ruprecht  der  Streitbare  und  Heinrich  sein  können.    Wir  sagen 
aber   nur  „sein   können",    da  die  Möglichkeit  zu  bedenken    ist,    dass  Ruprecht 
als  Lehensmann  des  Erzbischofes  Arnold  von  Mainz  mit  diesem  im  Jahre  1160 
nach  Deutschland    zurückgekehrt   sein  könnte  und  Zeuge  von  dessen  schmach- 
vollem Tode    durch  die  empörerischen  Mainzer   am  24.  Juni  dieses  Jahres  ge- 
wesen wäre.^)    In  diesem  Falle  hätten  wir  in  „Robertus"  den  oben  angedeuteten 
Sohn  Ruprechts  I.  zu  sehen,  von  dem  später  zu  handeln  ist.    Die  dritte  Urkunde 
über  Heinrich    vom    Jahre  1163,   die  Schliephake    noch    nicht   kannte,   stellt 


')  "Widmann,  Anualen  18,  247.  Charakteristisch  für  die  Roth' sehe  Geschichtsdar- 
stelluug  ist,  dass  er  S.  16  seiner  Gesch.  d.  Stadt  Wiesb.  zu  schreiben  wagt:  „Arnold  I.  hatte 
als  Söhne  Heinrich  I.,  Hermann,  Ruprecht  IV.  und  Ruprecht  III.  den  Streitbaren,  mit  dem 
diese  Linie  ausstarb".  Als  Schreibfehler  nur  sei  ihm  angerechnet,  dass  er  S.  17  Ruprecht  III. 
zum  Sohne  Walrams  I.  macht,  da  er  diesen  auf  derselben  Seite  vorher  als  Ruprecht  IV.  ver- 
zeichnet hatte.  —  -)  Orig.  Nass.  1,  384,  vgl.  Schliephake  1,  269  ff.  —  ^)  v.  Hontheim 
1,  r)90;  Beyer  1,  680;  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  50,  Nr.  169.  —  *)  v.  Hontheim  1,  595; 
Beyer  1,  087,  Nr.  627;  Goerz,  Mittch-h.  Regest.  1,  55,  Nr.  196.  —  ^)  Siehe  die  Quellen  bei 
Will,  Regesten  1,  373 — 76. 

6* 


84 

diesen  ebenso  neben  einen  Ruprecht  seines  Hauses.  Erzbischof  Konrad  I,  von 
Mainz  legt  mit  ihr  den  Streit  zwischen  dem  Kloster  S.  Jakob  daselbst  und 
Konrad  von  Rüdesheim  bei.  Die  hierbei  genannten  ,laici"  sind  der  Reihe 
nach :  ^Rupertus  et  Heiuricus  de  Nassowe,  Emicho  irsutus  comes,  Gerhardus 
coraes  de  Nuringis,  Weruherus  de  Walebach,  Embricho  comes  Reni,  Wern- 
herus  de  Bolanden,  Hartradus  de  Merenberc,  Cunradus  de  Leitgastere,  Embricho 
de  Wiukelo.  Wernherus  dapifer,  Arnoldus  rufus."*)  Hier  nun  scheint  nichts 
entgegenzusteheu.  die  an  erster  Stelle  diesmal  genannten  Nassauer  als  Brüder 
anzusehen.  Die  vierte  Urkunde  zeigt  uns  den  Grafen  Heinrich  abermals  in  Italien. 
Es  ist  eine  solche  des  gleichen  Erzbischofes,  vom  März  („in  mense  martio")  1167 
„in  episcopatu  Faveutino  apud  S.  Proculum"  ausgestellt,  die  den  Kanonikern 
des  mainzer  Domstiftes  die  Kirche  und  den  Zehnten  „de  inferiore  Ylmene  villa" 
[Niederolm]  überlässt.  Ausser  20  geistlichen  Zeugen  werden  dabei  genannt  die 
Namen:  „Comitis  Embriconis  de  Liningen,  Gerlaci  comitis  de  Yeldenza,  Erwini 
comitis  de  Thuringia,  Heinrici  comitis  de  Nassowe,  Embriconis  de  Winkelo, 
Burchardi  et  Cunradi  de  Aschaffenburg,  Dudonis,  Marquardi  de  Bergestat, 
Cunradi  hlii  Wignandi,  Tirrici  de  Selhova,  Ludewici  Walpodi  Moguntini,  Ram- 
bodonis  de  Pinguia,  Dudonis  et  Hertwici  de  Lorecho. "^)  Die  fünfte  Urkunde 
endlich  aus  der  gleichen  Zeit  und  vom  gleichen  Orte  enthält  die  kaiserliche 
Bestätigung  der  vorangegangenen.  Ausser  2  Bischöfen  und  einem  Abte  werden 
hier  aber  nur  als  Zeugen  genannt :  „Frater  noster  Cunradus  comes  Palatinus 
de  Reno,  Fridericus  dux  de  Rodenburc,  Erwinus  comes  de  Thuringia,  Heinricus 
comes  de  Nassowe."^)  Befand  sich  aber  hiernach  Graf  Heinrich  im  kaiserUchen 
Feldlager,  so  besteht  kein  Zweifel,  dass  er  auch  der  „H.  comes  de  Nassove" 
ist,  den  der  Cardinal  Nicolaus  von  Aragonien  in  seiner  „Vita  nonnullorum 
pontificum  rom."  unmittelbar  nach  „Fredericus  Bavariae  dux"  und  mit  „Bur- 
chardus  comes  de  Altremont,  H.  comes  de  Lippia,  R.  cancellarius  ecclesiae 
Colon,  iiitrusus  et  L.  frater  ejus  comes,  episco^jus  Verdensis  pertinax  schismaticus" 
als  einen  der  „pauci  famosissimi"  der  damals  innerhalb  7  Tagen  vor  Rom  der 
Pest  Erlegenen  des  deutschen  Heeres  nennt,  welche  den  Kaiser,  wie  derselbe 
bemerkt,  „octavo  idus  Aug.  [6.  August  1167]  non  sine  mauifesta  confusione" 
zwang,  von  Rom  zu  entweichen,  um  im  Frühjahr  1168  nach  Deutschland  zu- 
rückzukehren.^) 


')  Roth,  Geschichtsquellen  aus  Nassau.  Wiesbaden  1880.  2,  7  f . ;  Sauer  l,  183; 
Will,  Regesten  2,  4,  Nr.  24.  —  ■')  Gudcnus,  Cod.  dipl.  1,  254  ff.;  Goerz,  Mittelrh.  Regest. 
2,  74,  Nr.  2.'^.^.  Ficker,  Beitrüge  zur  Urkundenlehre  2,  495  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
in  dieser  Urkunde  ein  „Zusammenwerfen  von  Zeugen  der  Handlung  und  Beurkundung'*  statt- 
gefunden habe,  erstere  sei  nach  Mainz,  letztere  nach  Italien  zu  verlegen.  Will  hat  die  Ur- 
kunde niclit  verzeichnet.  —  »)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  25G  f.;  Will,  Regesten  2,  21,  Nr.  ?,l. 
Ficker  5(Mt  nennt  die  Urkunde  „ein  sehr  auffallendes  Beispiel  der  Abhängigkeit  des  Proto- 
kolls sogar  von  der  bestätigten  Privaturkunde",  d.  h.  der  zuvor  genannten  und  bemerkt  weiter: 
„Aber  es  stimmt  auch  [in  beiden]  die  unrichtige  Ind.  14  statt  IG,  weiter  das  richtige  Regni  15 
statt  des  kanzleigemässen  14,  vor  allem  aber  die  in  dieser  Zeit  ganz  ungewöhnliche  unvoll- 
ständige Tagesangabe.'*  —  *)  Muratori,  Script,  rer.  Ital.  tom.  III,  p.  I,  p.  459  bei  Krem  er, 
Orig.  Nass.  1,  :^S0  Anm..  vgl.  Schliephake  1,  274  f.  Weiteres  bei  Stalin,  Wirterab.  Ge- 
schichte 2,  IUI. 


85 

Alle  diese  fünf  Zeugnisse  vom  Leben  und  Tode  des  Grafen  Heinrich  waren 
für  den  Mönch  in  der  arnsteincr  Zelle  nicht  vorhanden.  Er,  der  zwischen  1198 
und  1230  schrieb'),  kennt  nur  die  Namen  der  mitlebenden  nassauischen  Grafen 
und  deren  nächste  Ahnen.  Graf  Heinrich  lag  vor  seiner  Zeit.  Ja  nicht  einmal 
seinen  Zeitgenossen,  den  Sohn  des  von  ihm  genannten  Ruprecht  des  Streitbaren, 
Hermann,  scheint  er  gekannt  zu  haben,  da  dieser  als  Kanoniker  des  St.  Peter- 
stiftes in  Mainz  seinem  Blick  entrückt  sein  mochte.^)  Nennt  er  doch  auch  nicht 
den  zweiten  Sohn  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz,  den  jüngeren  Heinrich,  der 
noch  bis  1234  lebte,  während  der  von  ihm  genannte  Bruder  desselben  Gerliard 
nach  1223  nicht  mehr  vorkommt^),  zu  geschweigen,  dass  er  von  den  ebenfalls 
Mitlebenden  des  dietzischen  Hauses,  die  uns  auch  nur  dem  Namen  nach  be- 
kannt sind,  von  Berthold,  Diether  und  Philipp*)  nichts  weiss.  Und  ist 
denn  nicht  sein  ganzer  genealogischer  Bericlit  ein  sehr  summarischer  zu  nennen? 
Während  er  von  den  6  arnsteinischen  Töchtern  vier  ganz  flüchtig  mit  der  Be- 
merkung abthut,  dass  die  erste  und  zweite  an  ungarische  Barone  verheiratet 
wurden,  die  dritte  dem  Pfalzgrafen  von  Tübingen  in  St.  Goar  mit  grosser  Pracht 
zugeführt  ward,  die  sechste  das  isenburg'sche  Geschlecht  gebar,  verweilt  er 
bei  der  vierten  und  fünften  nur  deshalb  länger,  weil  die  Nachkommen  dieser, 
die  Grafen  von  Nassau  und  Katzenelnbogen,  ganz  in  seiner  Nähe,  die  ersteren 
sogar  die  Vögte  des  Klosters  sind.^)  Aber  selbst  bei  diesen  arnsteiner  Vögten, 
deren  laurenburg'sche  Abkunft  er  nicht  einmal  kennt,  da  er  der  vierten  Arn- 
steinerin  gleich  einen  Nassauer  zum  Gemahl  gibt,  verfährt  er  deutlich  mit  der 
Absicht,  nur  den  jetzt  regierenden  Grafen  die  nächsten  Stammväter  zuzuweisen 
und  darum  die  Nebenlinien  bloss  anzudeuten. 

Wir  dürfen  uns  deshalb  nicht  wundern,  dass  die  soeben  von  uns  vollzogene 
Ergänzung  seines  Berichtes,  die  uns  Arnold  als  den  vermutlich  ältesten  Sohn 
Ruprechts  I.  und  Heinrich  als  den  zweiten  Sohn  Arnolds  I.  kennen  lehrte, 
uns  nun  noch  zu  einer  weiteren  zwingt,  wo  es  gilt,  einmal  für  alle  Male  dem 
seitherigen  Gewirre  des  Namens  Ruprecht  in  der  nassauischen  Genealogie  ein 
Ende  zu  machen  und  dabei  mit  wesentlichen  Annahmen  unserer  Vorgänger  in 
dieser  verwickelten  Sache  zu  brechen.  Denn,  um  es  gleich  zum  voraus  zu 
sagen,  es  ergibt  sich  uns  die  Notwendigkeit,  den  beiden  Grafen  Ruprecht  des 
arnsteiner  Mönches  noch  zwei  weitere  zu  gesellen,  von  denen  der  eine  bis  jetzt 
nur  schüchtern  Anerkennung  gefunden  hat,  der  andere  aber,  obwohl  längst  ent- 
deckt, zum  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser  Entdeckung  von  uns  auf  eigenem 
Wege  als  solcher  erkannt  wurde.  Schliephake  ist  uns  dabei  ein  vorzüglicher 
Wegweiser  und  zwar  ebensosehr  durch  den  von  ihm  eingeschlagenen  Weg  als 
durch  seinen  Zweifel,  ob  derselbe  zum  Ziele  führe.  Sein  Weg,  die  Ruprechtc 
durch  ihre  Gemahlinnen  zu  bestimmen''),  erprobt  sich  durchaus. 


*)  "Widmann,  Nass.  Chronisten  des  Mittelalters.  Wiesbaden  1882.  12.  —  ^)  Es  dürfte 
das  ein  Zeugnis  dafür  sein,  dass  seine  Vita  näher  an  1230  als  an  1198  geschrieben  sein 
wird,  da  Hermann  1212  noch  nicht  in  den  geistlichen  Stand  getreten  war,  und  der  Kanoniker 
erst  1240  uns  bezeugt  ist.  Vgl.  Vogel,  Beschr.  307  f.;  ßodmann,  Rheing.  Altert.  874.  — 
^)  Vogel,  Beschr.  208.  —  *)  Wenck\  Hess.  Landesgescb.  1,  539.  —  ^)  v.  Arnoldi,  Gesch. 
der  Oran.  Nass.  Lande  3,  1,  211.  —  *^)  1,  259. 


86 


2.   Die  Kuprechte  und  ihre  Geiiiiililiuueu. 

a.    Kuprecht  I,  und  Beatrix. 

Bei  Ruprecht  I.  bedarf  dies  keines  Beweises  mehr.  Auch  ist  er  für  uns 
nicht  erst  durch  seine  Gemahlin  Beatrix,  die  denselben  Namen  mit  seiner  Mutter 
führt,  und  die  wir  Yogel  und  Schliephake  entgegen  als  seine  einzige  aner- 
kennen, sondern  ebensosehr  durch  die  seither  über  ihn  vorgelegten  Urkunden 
festgestellt.  Und  wenn  wir  hier  noch  einmal  auf  ihn  zu  reden  kommen,  so  geschieht 
es  nur,  um  festzustellen,  dass  mit  Sicherheit  nur  die  Verhandlungen  zwischen 
Worms,  Trier  und  Laurenburg  seinen  und  seines  Bruders  Arnold  Namen  zum 
letztenmale  bieten.  Wie  der  letztere  von  da  an  überhaupt  nicht  mehr  vorkommt, 
so  sind  auch  die  Träger  des  Namens  Ruprecht  seit  den  60er  Jahren  des  12. 
Jahrhunderts  augenscheinlich  andere  als  Ruprecht  I.  Es  darf  das  nicht  Wunder 
nehmen,  denn  war  es  auch  beider  Vetter,  Ludwig  IIL  von  Arnstein,  vergönnt, 
als  75 jähriger  im  Jahre  1185  erst  zu  sterben,  so  scheinen  der  Kriegsdienst 
und,  wie  wir  bei  Ruprecht  l.  annehmen  dürfen,  die  Folgen  der  Teilnahme  an  dem 
verhängnisvollen  Kreuzzuge  unter  Konrad  IIL  ihr  Leben  gekürzt  zu  haben. 
Ausserdem  mochten  sie  um  10  und  mehr  Jahre  älter  als  Ludwig  sein,  da  wir 
sie  schon  1123  als  Zeugen  auftreten  sahen,  wo  Ludwig  erst  13  Jahre  alt  war. 
Gleichwohl  dürfte,  um  das  an  dieser  Stelle  noch  einzuschieben,  der  „Comes 
de  Nassogen"  vom  Jahre  1166,  auf  den  bis  jetzt  nur  Hennes^)  und  WilP) 
aufmerksam  gemacht  haben,  noch  als  Ruprecht  L  anzuerkennen  sein.  Es  wird 
nämlich  in  der  weitläufigen  „Descriptio  bonorum  Rhingravicorum"  aus  dem 
Anfang  des  13.  Jahrhunderts  unter  anderem  berichtet,  dass  Rheingraf  Embrico 
zu  der  Zeit,  als  der  Erzbischof  Christian  von  Mainz  auf  Befehl  des  Kaisers 
Fridrich  den  Kriegszug  gegen  die  Lombarden  mitmachen  wollte,  die  Verordnung 
traf,  dass  für  den  Fall  seines,  des  als  Vasall  Mitziehenden,  Todes  der  Sohn 
seiner  Schwester  Lukardis,  Wolfram  (von  Stein),  die  von  ihm  selber  bisher  inne- 
gehabten Lehen  erhalten  solle.  Unter  diese  Lehen  gehörte  von  Seiten  des 
„Comes  de  Nassogen"  „ain  wiltban"  zwischen  der  WaldafFa  und  Wisper,  das 
Dorf  Ringravinhusen,  die  zum  bleidenstater  Hofe  gehörigen  Eigenleute  zwischen 
Waldaffa  und  Wisper,  Weinberge  in  den  Gemarkungsteilen  Ovenbach,  Mammen- 
luken  und  Rinhelden,  die  der  Wildförster  Werner  in  (After-) Lehen  besass, 
Weinberge  in  Buttendal,  ebensolche  und  Zins  in  Lorechusen,  die  Folknand  in 
(After-)Leheu  innehatte,  Weinberge  endlich  auf  dem  Berge  Altauilla,  die  Em- 
brico von  Vilmar  besitze.^)  Da  Erzbischof  Christian,  der  damals  nur  erst  Er- 
wählter (electus)  war,  im  Herbste  des  Jahres  1166  nach  Italien  zog,  der  Bericht 


')  1,  142.  —  ■■')  Regesten  2,  20,  Nr.  2.5.  Derselbe  vergisst  aber,  B  od  mann,  Rheing. 
Altert.  569  zu  nennen,  der  zuerst  darauf  hingewiesen  hatte.  —  ^j  Krem  er,  Orig.  Nasa.  2, 
222  f.  Aus  etwas  späterer  Zeit  scheint  das  Verzeichnis  der  Güter  zu  stammen,  die  der  Rhein- 
graf vom  Grafen  von  Nassau  zu  Lehen  trug,  welches  dieselbe  .,Descriptio"  S.  220  f.  enthält, 
da  es  umfassender  ist.  Vgl.  Ilennes  1,  141  f.  "Wie  letzterer  darauf  kommen  konnte,  den 
Erzbischof  eine  Verabredung  treffen  zu  lassen  mit  dem  Grafen  von  Nassau  wegen  dieser  Lehen, 
und  wie  Will  a.  a.  0.  ihm  das  nachzuschreiben  vermochte,  ist  unerfindlich,  der  Text  bietet 
keinen  Anhalt  dazu,  obschon  sich  beide  nur  auf  diesen  berufen. 


87 

aber  nur  von  einem  oder  dem  Grafen  von  Nassau,  also  offenbar  dem  regierenden 
spricht,  so  ist  die  Zeit  nicht  entgegen,  dass  wir  den  Altherrn  des  Hauses, 
Grafen  Ruprecht  L,  der  damals  ein  hoher  Sechziger  sein  mochte,  in  diesem 
Grafen  von  Nassau  erblicken,  7Aimal  die  in  der  Zeit  genannten  anderen  Glieder 
des  Hauses  nur  als  Zeugen  erscheinen.  Die  Urkunde  ist  aber  auch  nach  einer 
anderen  Seite  hin  noch  wichtig.  Sie  zeigt  vorab  Nassau  im  Besitze  des  Wild- 
bannes innerhalb  des  Rheingaues.  Diesen  konnte  es  nur  von  Mainz  zu  Lehen 
tragen,  da  Mainz  Besitzer  des  Rheingaues  war.  lieisst  es  doch  auch  deshalb 
soviel  später  in  der  Urkunde  des  Erzbischofes  Gerlach  vom  Jahre  UJ47 :  „Auch 
bekennen  Wir  in  [den  Grafen  Adolf  und  Johannes  von  Nassau],  dass  si  vnser 
Oberste  Vorster  sin  von  der  Waltaffen  vber  vnsern  Walt,  daz  die  Hohe  heisset, 
bitz  zu  Lorche  in  den  Rin,"')  Hier  werden  wir  also  das  Lehen  haben,  um 
deswillen  wir  oben  den  Grafen  Heinrich  und  vor  ihm  seinen  Vater  Arnold  als 
mainzischo  Lehensleute  bezeichneten.  Sie  sind,  so  scheint  sich  hiermit  zu  er- 
geben, als  Vertreter  des  Gesamthauses  in  dieser  Eigenschaft  aufgetreten.  So- 
dann zeigt  die  rheingräfliche  Urkunde  den  Grafen  von  Nassau  noch  im  Besitze 
der  Vogtei  Bleidenstadt,  da  sie  die  „homines"  des  Stiftes  innerhalb  des  Rhein- 
gaues als  seine  Vogteileute  kennzeichnet.  Und  endlich  berichtet  sie  uns  von 
seiner  Begüteruug  im  Rheingau.  Soviel  von  Ruprecht  I.  und  seinem  vermutlich 
letzten  Auftreten. 

b.    Ruprecht  HI.  und  Elisabeth,    Tochter  des  Grafen  Emicho  H. 

von  Leiningen. 

Schwierig  wird  die  Sache  erst  bei  dem  von  uns  bereits  genannten  Sohne 
Arnolds  L,  Ruprecht  dem  Streitbaren.  Seine  Gemahlin  soll  Elisabeth 
hcissen,  denn  das  besage,  so  behauptet  man  einhellig,  der  Eintrag  in  dem  arn- 
steiner  Totenregister:  „Rupertus  comes  de  Nassowe  et  uxor  eins  Elysa  et  filius 
eorum  Hermannus".^)  Aber  welche  Elysa  soll  das  nun  gewesen  sein?  Man 
war  bisher  der  einstimmigen  Meinung,  dass  es  nur  diejenige  sein  könne,  die 
in  einer  Urkunde  des  Jahres  1235  als  „Elysa  quondam  comitissa  de  Nasso- 
uuia"  vorkommt^),  und  die  als  Tochter  des  Grafen  Emicho  von  Leiningen,  wie 
wir  nachher  darthun  werden,  erwiesen  ist.  Grundlage  dazu  bot  die  von  uns 
schon  S.  69  oben  gestreifte  Urkunde,  die  nach  Senckenberg  und  Kremer 
dem  Jahre  1159,  nach  Knoch  1169  angehören  soll^),  selber  aber  ohne  Jabres- 
angabe  ist.  Graf  Emicho  von  Leiningen  erklärt  in  ihr,  dass  er  mit  Zustimmung 
seiner  Gemahlin  Elisa  und  seiner  Söhne  Hermann,  Eberhard  und  Fridrich  die 
ihm  als  Vogt  des  Klosters  Höningen  zustehenden  30  solidi  wormser  Münze  und 
10  Scheffel  Hafer  diesem  zur  Unterhaltung  eines  Nachtlichtes  für  sein  und 
seiner  Verwanten  Seelenheil  schenke  und  ausserdem  die  zwischen  ihm  und  dem 
Kloster  bisher  streitige  Abteiwahl  letzterem  endgültig  überlasse.  Als  Zeugen 
werden    dabei    aufgeführt:    „Cunradus    Wormatiensis    episcopus,    Ego    Emicho, 


')  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  319;  Bodmann,  Rheing.  Altert.  28.");  Heimes  1,  142  f. 
—  ^)  Becker,  Das  Necrologium  der  Abtei  Arnstein.  Annal.  !(?,  1,'5.  —  ^)  Kremer,  Orig. 
Nass.  2,  274;   Schliephake  1,  2ü;i  Anm,  —   ')  Vgl.  Schliephake  1,  2(51  Aum, 


88 

llerinumius,  Eborliardus,  Fridei'ioiis  filii  iiiei,  Iviibertus  comcs  de  Nassowon 
geuer  mens."  Die  auderen  10  siud  Alinisterialeu  Emicho's.  Wird  uuu,  wie 
seither  angenommen,  dass  die  für  den  Grafen  Euprechf  gebrauchte  Bezeichnung 
„gener"  Schwiegersohn  bedeute,  so  würde  sich  ergeben,  dass  wenn  die  Ver- 
bindung Ruprechts  mit  Elisa  eben  erst  im  Jahre  1159  oder  1169  geschlossen 
worden  wäre  und  zwar  bei  einem  Alter  der  letzteren  von  etwa  17  Jahren, 
diese  im  Jahre  1235  entweder  93  oder  83  Jahre  alt  gewesen  sein  müsse.  Ein 
so  hohes  Alter  ist  auch  Schliephakc  „ungewöhnlich",  wie  er  nicht  minder 
die  45jährige  Witwenschaft,  die  vom  Tode  Ruprechts  1191 — 1236  zu  rechneu 
ist,  bemerkenswert  findet.  Nun  würde  letztere  ja  an  sich  nichts  ganz  Ausser- 
gewöhnliches  sein.  Die  Mutter  Ruprechts  I.  muss  sogar  über  50  Jahre  Witwe 
gewesen  sein  und  die  Gemahlin  Ludwigs  II.  von  Arnstein,  Udilhildis,  mindestens 
42.')  Aber  beider  Gemahle  starben  auch  schon  im  ersten  Ehejahrzehnte.  Rup- 
recht der  Streitbare  dagegen  muss  bei  seinem  Tode  mindestens  als  Sechziger 
angenommen  werden,  da,  wie  wir  sahen,  sein  Vater  Arnold  bereits  1123  als 
Zeuge  auftritt.  Hätte  er  sich  um  1159  oder  69  vermählt,  so  würde  er  schon 
ein  29  oder  39  jähriger  gewesen  sein,  was  für  eine  Fürstenheirat  ungewöhnlich 
zu  nennen  wäre.  Hat  er  sich  aber  der  Sitte  gemäss  im  Anfang  der  zwanziger 
Jahre  vermählt,  dann  war  die  anzunehmende  17jährige  Gemahlin  etwa  1139 
geboren,  mithin  1235  nicht  weniger  als  102  Jahre  alt.  Das  scheint  denn  doch 
des  Guten  zu  viel,  zumal  der  angebliche  Vater,  Emicho  HL,  erst  in  den  fünf- 
ziger Jahren  des  12.  Jahrhunderts  als  Zeuge  genannt  wird.  Kann  demnach 
schon  von  hier  aus  unbedenklich  auf  die  Unmöglichkeit  einer  Verbindung  Rup- 
rechts des  Streitbaren  mit  dieser  Elisabeth  von  Leiniugen  erkannt  werden,  so 
ist  es  uns  eine  nicht  kleine  Geuugthuung,  dies  auch  auf  anderem  Wege  in 
gleicher  Weise  zu  erhärten. 

Wie  wir  schon  vorhin  bemerkten,  kommt  Elisabeth  1235  in  der  Urkunde 
vor,  in  welcher  „Luckardis  comitissa  de  Sarebrugen"  bekennt,  dass  sie  „vna  cum 
sororibus  nostris  Aluerada,  quondam  comitissa  de  Cleberc  et  Elysa,  quondam 
ctiam  comitissa  de  Nassouuia  communicato  consilio"  einen  Mansus  in  Croiche, 
einem  eingegangenen  Dorfe  bei  Limburg^),  für  eine  Lampe  im  Katharinenchore 
der  limburger  Kirche  spendet.  Von  dieser  Lukardis  nun  wissen  wir  aus  der 
„defecten  Copie"  einer  vor  den  17.  Juli  1196  fallenden  Urkunde  „in  dem  ab- 
teihchen  Chartulare"  des  Klosters  Wadgassen,  dass  Graf  Simon  von  Saarbrücken 
mit  ihr,  als  seiner  Gemahlin,  und  aus  ihrem  väterlichen  Erbe  dem  Marienkloster 
in  „Wadegocinge"  das  Patronatsrecht  über  die  Kirche  S.  Michael  in  „Bucken- 
heim"  (Bockenheim)  unter  der  Bestimmung  schenkt:  „ut  u'delicet  singuhs  annis 
anniuersarius  dies  noster  et  patris  mei  et  matris  mee  et  anniuersarius  dies  coraitis 
Emmechonis  de  Lininga  et  eins  uxoris,  tiliorum  filiarumque  suarum  sollempuiter 
in  eadem  ecclesia  celebretur.""')  Dass  die  Urkunde  wirklich  vor  die  bezeichnete 
Zeit  fällt,  bezeugt  eine  andere  dieses  Datums,  in  der  Luppold  von  Worms  als 
Bischof  und  derzeitiger  Archidiacon  dem  Abte  Gotfried  von  Wadegozingen  und 

'')  Aiinal.  24.  127,  l.-)2  Aum.  —  ^)  Vogel,  Besclir.  782.  —  »j  xMittelrli.  Urkundenbuch 
2,  19ö;  Schliepli.   J,  2til  Aiiin.;   Goerz,  Mittclrh.  liegest.  2,  210,  Nr.  76«. 


89 

dessen  Nachfolgern  die  Rechte  eines  IMebans  (Pfarrers)  ül)er  die  vom  Grafen 
Simon  von  Saarbrücken  und  dessen  Gemahlin  Lukardis  demselben  geschenkte 
Kirche  S.  Micliael  in  Bockenheim  verleiht.')  Eine  andere  nur  aus  dem  genea- 
logischen Manuskripte  Andreae's  erhaltene  Urkunde  des  gleichen  Jahres  besagt: 
Vlricus  in  Wormatia  major  prepositus"  thut  kund,  dass  Graf  Simon  und  seine 
Gemahlin  Lutgardis  die  Kirche  S.  Michaelis  in  Bockenheim,  die  ihnen  nach 
dem  Erbrechte  zukam,  dem  Marienkloster  in  Wadegozingen  „pro  remedio  ani- 
marum  suarum  nee  uou  etiam  parcntum  suorum"  übergeben  haben;  ausserdem 
habe  „comitissa  Alberadis  de  Cleberc,  soror  praenominatae  comitissae,  marito 
et  iiberis  orbata.  zelo  pietatis"  das  Patronatsrecht  der  „ecclesia  S.  Martini  cum 
omni  iure  in  eodem  villa  Bockenheim  supra  dicto  coenobio"  übertragen. 2)  Aus 
dieser  letzten  urkundlichen  Nachricht  erhellt,  dass,  was  die  erste  nur  andeutete, 
Graf  Emicho  von  Leiningen  der  Vater  der  Lukardis  ist,  also  alle  drei  Schwestern 
leiningischer  Abkunft  sind,  und  Elisabeth  zwar  nicht  als  die  jüngste,  doch  als 
die  der  Schwester  Alberata  nachfolgende  jüngere  kenntlich  wird. 

Rechnen  wir  nun.  Waren  im  Jahre  1159  oder  1169  die  drei  vorhin  ge- 
nannten leiningischen  Brüder  Hermann,  Eberhard  und  Fridrich,  zu  denen  wir 
hier  drei  Schwestern  gefunden  haben,  die  aber  ausserdem  noch  zwei  jüngere 
Brüder,  Adolph  und  Emicho,  hatten^),  mündig,  wie  ihre  Zeugenschaft  zu  beweisen 
scheint,  so  darf  doch  wohl  unter  der  Voraussetzung,  dass  sie  die  älteren  waren, 
angenommen  werden,  dass  die  Schwestern  sich  höchstens  10—12  Jahre  im 
Alter  von  ihnen  unterschieden.  Setzen  wir  also  für  Lukardis,  bei  der  uns  genaue 
Jahre  gegeben  sind,  aufs  Geradewohl  1149  oder  1159  als  Geburtsjahr  und 
bedenken  wir  sodann,  dass  ihr  Gemahl,  Graf  Simon  von  Saarbrücken,  nach  dem 
Jahre  1214  starb^),  so  müsste  sie  in  letzterem  Jahre  entweder  eine  65  oder 
55jährige  Witwe  sein.  Von  dieser  Witwe  aber  wissen  wir,  dass  sie  sich  in 
der  Folge  wieder  verheiratete  mit  dem  Grafen  Lothar  von  Wied,  wie  dies,  von 
allen  weiteren  geschichtlichen  Angaben  abgesehen,  im  Jahre  1235  das  Siegel 
an  ihrer  Urkunde  bezeugt,  das  eine  in  der  rechten  Hand  eine  Blume  haltende 
Frauengestalt  mit  der  allein  noch  lesbaren  Inschrift:  „Comitissa  de  Wide"  zeigt. '^) 
Eine  mehr  als  55  oder  65  jährige  fürstliche  Witwe,  die  durch  den  Tod  ihrer 
fünf  Brüder,  die  Kinderlosigkeit  ihrer  einen  Schwester  und  den  geistlichen 
einzigen  Sohn  der  anderen  die  Anwartschaft  hatte,  mit  ihrem  allein  übrig  ge- 
bliebenen Sohne  Fridrich  H.  von  Saarbrücken  Erbin  der  umfangreichen  Graf- 
schaft Leiningen  zu  sein  —  eine  solche  Witwe  soll  nun  einen  zweiten  uneigen- 
nützigen fürstlichen  Gatten  gefunden  haben!  Das  glaube  wer  mag,  und  selbst 
wenn  die  .Geschichte  bezeugt,  dass  diese  Ehe  kinderlos  war. 

Die  Sache  wird  aber  noch  toller,  wenn  wir  dem  Berichte  Kremers  und 
seines  blinden  Nachtreters  Brinckmeier  Glauben  schenken  sollen.  Lukardis 
hatte  von   ihrem   ersten  Gemahl   fünf  Kinder:    Simon  HL,   Heinrich,    Fridrich, 

«)  Mittelrh.  Urkb.  2,  196;  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  210,  Nr.  769.  -  -)  Kremer^ 
Genealog.  Gesch.  des  alten  cardonnischen  Geschlechts.  ;506.  —  •')  Brinckmeier,  Genealog. 
Gesch.  des  Hauses  Leiningen  1,  22  f.  —  *)  Brinckmeier  1,  2Ö  lässt  im  Texte  zwar  den 
Grafen  Simon  „vor  oder  in  dem  Jahre  1211"  sterben,  in  der  Anmerkung  aber  wird  sein  Leben 
noch  bis  1214  urkundlich  bezeugt!  —  '")  Kremer,  Orig.  Nass.  1,  391,  Anm.  5. 


90 

Stephau  und  Gisela.  Von  Heinrich  uud  Fiidrieh  nun  wird  behauptet,  dass  sie 
mit  ihrem  Vater  Simon  II.  in  der  wedersweiler  Stifcungsurkunde  von  1180  als 
Zeugen  genannt  seien.^)  Sie  waren  demnach  müudig,  ihre  Geburt  würde  also 
etwa  in  das  Jahr  1160  zu  legen  sein,  die  des  Vaters  vor  1140,  die  der  Mutter 
ungefähr  in  die  gleiche  Zeit.  Dann  kommt  heraus,  dass  Gräfin  Lukardis  1214 
eine  etwa  74jährige  Witwe  war  und  als  solche  in  eine  zweite  Ehe  trat!  Aber- 
mals eine  Unmöglichkeit,  der  freilich  der  so  viel  besonnenere  Crollius  dadurch 
entgangen  ist,  dass  er  die  genannten  Zeugen  um  ein  ganzes  Geschlechtsalter 
rückwärts  weist.-) 

Wir  kommen  demnach  zu  dem  Schlüsse,  dass,  w^ie  in  letzterem  Falle 
andere  Personen  für  die  vorhandenen  Namen  zu  suchen  waren,  ein  so  viel 
späteres  Jahr  für  die  auf  1159  oder  1169  eingestellte  Urkunde  anzunehmen  ist. 
Das  Recht  dazu  gibt  uns  ohnedies  ihre  bereits  bemerkte  Nichtdatierung.  Wir 
sind  aber  auch  in  der  Lage,  es  urkundlich  ausüben  zu  können,  Brinckmeier 
leistete  uns  hierbei  wider  Wissen  und  Willen  den  erspriesslichsten  Dienst. 
xSeben  seinem  vielen  urteilslos  zusammengehäuften  Stoffe  des  bisher  Gedruckten 
hat  er  ausnahmsweise  eine  ungedruckte  Urkunde,  wenn  auch  ohne  Kenntnis 
von  ihrem  Werte  nur  auszugsweise,  mitgeteilt,  die  uns  mit  einem  Male  aus 
allen  den  bisherigen  unsinnigen  Verlegenheiten  rettet.  Er  bietet  aus  einem 
Pergamente  des  germanischen  Museums  in  Nürnberg  vom  Jahre  1179^)  die 
massgebenden  Worte:  „ego  Emicho  Dei  gracia  comes  de  Lyningen  et  consors 
mea  Elisa  et  pueri  mei  Eberhardus  et  Fridericus  canonicis  Cellensis  ecclesie  pro 
salute  nostra  et  in  remedium  animarum  parentum  nostrorum  in  beneficium  dona- 
vimus  et  perhenniter  confirmavirnus"."^)  Also  sind  die  genannten  Söhne  Emicho's 
1179  noch  „pueri"  gewesen,  d.  h.,  da  sie  nach  Brinckmeier's  Versicherung 
auch  Kanoniker,  das  will  offenbar  besagen  Domicellaren,  des  Stiftes  in  Celle 
waren,  noch  nicht  mündige  Jünglinge.  Setzen  wir  demnach  hoch  gegriffen  ihr 
Geburtsjahr  um  1165,  so  bleibt  uns  für  dasjenige  der  offenbar  jüngeren 
Schwestern  der  Spielraum  zwischen  diesem  Jahre  und  1175,  Alberata  mochte 
dann  1196  eine  etwa  25jährige  Witwe,  Lukardis  1214  eine  hohe  Dreissigerin 
und  EHsabeth  1235  eine  angehende  Sechzigerin  sein,^) 

Diese  Altersverhältnisse  stimmen  gleicherweise,  was  nicht  wenig  zu  ihrer 
Bestätigung  dient,  aufs  Beste  mit  uns  überlieferten  anderweiten  Angaben,  Wir 
finden  am  14,  April  1189  den  etwa  25  jährigen  Grafen  Fridrich  von  Leiningen,  Sohn 
Emicho's  HI.,  am  kaiserlichen  Hoflager  in  Hagenau,  wo  er  als  Erster  unter  der 
Bezeichnung:  „F.  comes  de  Liniugen"  den  Verzicht  des  Kaisers  Fridrich  I.  auf 
die  seither  vom  Bischöfe  von  Strassburg  zu  Lehen  getrageneu  Güter  zu  „Spehtes- 


')  Kremer,  Genealog.  Gesch.  d.  ardennischen  Hauses.  139;  Brinckmeier  1,  26.  — 
2)  Orig.  Bipont.  1,  209.  —  ^)  „Ind.  XL"  und  danach:  „sub  summo  pontifice  Alexandro  II." 
müssen  freilicli  mit  Ind.  XII  und  Alexandro  III.  ersetzt  werden,  wenn  nicht  ein  Versehen 
Brinckmeier's  vorliegt.  —  ")  Brinckmeier  1,  20  Anni.  —  '")  Bei  dieser  Feststellung  kann 
uns  die  von  Brinckmeier  1,  22  angeführte,  aber  nicht  nachgewiesene  Urkunde  niclit  beirren, 
in  der  „Emicho  comes  de  Liningen  et  filius  eius  Eberhardus"  als  Zeugen  bei  einem  vom  Bischof 
von  Worms  gemachten  Vertrage  erscheinen.  Denn  niclit  nur,  dass  hier  ausnahmsweise  der 
minderjährige  Sohn  genannt  sein  könnte,  so  haben  wir  auch  bei  Brinckmeier  nicht  unbe- 
dingt auf  die  Richtigkeit  der  von  ilim  gegebenen  Jahreszahl  zu  rechnen. 


91 

bach"  und  „Tegercnbacli"  zu  Gunsten  des  Bischofos  mit  noch  anderen  für  uns 
unwesentlichen  Bestimmungen  mitbezeugt*),  wälu-end  sein  Vater  am  7.  Mai 
des  gleichen  Jahres  sich  „apud  Basileam"  im  Gefolge  des  zurückbleibenden 
Königs  Heinrich  VI.  befand^),  also  noch  ein  sehr  wegfertiger  Mann  gewesen 
sein  muss.  Was  uns  aber  mittclbarerweise  noch  mehr  von  seiner  Jugend- 
lichkeit überzeugt,  ist  7  Jahre  später  seine  Teilnahme  an  der  Heerfahrt  Hein- 
richs VI.  nach  Apulien.    Das  Andenken  an  sie  ist  durch  sein  eigenes  Minnelied 


1)  Würdtwein,  Nova  subsid.  12,  118  f.  Der  selbst  in  seinen  Anfülirungen  durcliaus 
iinzuverlässi£?e  und  dabei  mit  vielen  Druckfeblern  belastete  Brinckmcicr  citiert  hier:  ^XV. 
IJ,  C." !  —  Besonders  auffällig  könnte  es  scheinen,  dass  Graf  Fridrich  am  folgenden  Tage, 
15.  April,  nicht  mit  dem  von  hier  aus  den  Kreuzzug  antretenden  Kaiser  zog,  Annal.  Marb. 
164  bei  Riezler,  „Der  Kreuzzug  Kaiser  Friedrich's  I."  in  „Forschungen  z.  deutschen  Gesch." 
Göttingen  1870.  10,  24,  sondern  erst  am  29.  Juni  1189  im  Gefolge  des  mit  dem  kaiserlichen 
Oheime  veruneinigten  Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen  sich  in  Brindisi  oinschiff't,  Riezler 
2(),  70.  Denn  dass  er  in  dessen  Gefolge  sich  befand,  besagen  die  Verse  in  dem  bekannten, 
in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  allerdings  ein  Jahrhundert  späteren  Gedichte  über  diese  Fahrt 

Z.  1707  f. 

„Der  edele  von  Liningen  Ein  menlich  herre  gar  was  er, 

Grave  Friderich,  so  hiez  ouch  der,        Vest  gemvt  vf  strites  werk." 
und  Z.  8134   wird    ebenso    „Graue   Friderich   von    Lyningen"    genannt,    Fried.   Heinr.  v.    d. 
Hagen,  „Des  Landgrafen  Ludwig  des  Frommen  Kreuzfahrt."   Leipzig  1854.  58,  104,  vgl.  des- 
selben „Die  Minnesänger".    Leipzig  1830.    4,  60,    letztere   auch   von   Brinckmeier  1,  36  an- 
geführt,   aber  mit  Auslassung   der  zweiten  Stelle.     Es  fällt  dagegen   auf,    dass  der  sorgfältige 
Riezler   in    seinem    „Verzeichnis  der  in  den  Quellen  genannten  Teilnehmer",   Beilage  3  den 
Grafen  auslässt,  während  er  doch  das  genannte  Gedicht  S.  140  ausdrücklich  zu  seinen  Quellen 
zählt.     Um  so  genauer  hat  dies   Röhricht,    Beiträge  zur  Gesch.  d.  Kreuzzüge.    Berlin  1878. 
2,  337  nachgeholt,    aber  mit  v.  d.  Hagen    zu  Unrecht   Z.  4461    dazu   angeführt.     Die  Sache 
wird    sich    aber    so   verhalten   haben.     Die  Urkunde  berichtet:    „Huic  contractui  interfuit  pre- 
dilectus  filius  noster  Heinricus  illustris  Rom.  Rex  Augustus".    Graf  Fridrich  hat  sich  demnach 
im  Gefolge  dieses  Königs  befunden,    der  von   seinem  Vater    in  Hagenau  Abschied  nahm,   und 
gehörte  offenbar  zum  Kreise  der  diesen  begleitenden  Minnesänger,  vgl.  Toeche,  Kaiser  Hein- 
rich VL    Leipzig   1867.    504.      Er   hat   sich    auch    selber    dort   wohl   von   dem    Bruder   seines 
Schwagers  Simon,    dem  Grafen  Heinrich  von  Saarbrücken,  verabschiedet,  der  am  kaiserlichen 
Kreuzzuge  teilnahm,  vgl.  Wilken  4,  95;  Riezler  25,  147,  noch  vielmehr  von  seinem  Oheime, 
Grafen  Ruprecht  dem  Streitbaren.     Denn    dass   dieser   ebenfalls  sich  in  Hagenau  befand,   be- 
zeugen   die   Annales  Marbacenses,    Monumenta  Germ.  17,  164:    „A.  D.   1189  in  octavo  paras- 
ceues  id  est  17.  Kai.  Mai,   nostrates  felicissimum   iter   arripuerunt  et   Imperator  de  Hagenowc 
se  movit.     Cum  quo  hü,   quos  solos  novimus  principes,   filius  suus   videlicet    dux  Sueviao,    no- 
mine  Fridericus,    et   dux   Meranie  Bertholdus,    episcopus   Herbipolensis,   episcopus   Leodiensis, 
episcopus  Basileensis,   episcopus  TuUensis,    episcopus    Ratisponensis,    episcopus   Monasteriensis, 
episcopus  Pataviensis  et  frater  suus  Missinensis,  Frisingensis  episcopus,  marcgrauius  de  Baden, 
marchio  de  Vrobruc,  coraes  de  Dorenbusch,  comes  Bertholdus  de  Nuowenburch,  comes  de  Hol- 
landen,   comes   Robertus    de   Nassowe   et  episcopi  et  principes   multi  et  nobiles  iverunt." 
Graf  Fridrich  ist  dann  wohl  am  7.  Mai   mit  seinem  Vater  zu  Hofe  beim  Könige  gewesen  und 
mag    sich   von    da    aus    vom   Vater    und    Könige    verabschiedet    und    alsdann    nach    Italien    /.u 
seinem  Gefolgherrn,    dem   Grafen    Ludwig   von   Thüringen,    begeben    haben.     Beziehungen  zu 
diesem  waren  ja  vorbereitet  durch  diejenigen  seines  Vaters  Simon,   der  als  Zeuge  neben  dem 
Grafen  Ruprecht  II.  von  Nassau    bei  der  Zuteilung  des   Herzogtums  Westfalen    an   Erzbischof 
Philipp  von  Köln  in  Gelnhausen    am    13.  April   1180    gegenwärtig    war,    also   auch    zu    dessen 
Getreuen  zählte,  vgl.   Lacomblet,    Urkundenbuth    1,    332.    —  '^)    Böhmer,    Regesten    147, 
Nr.  2736. 


02 

au  seine  Gemahlin  Gertrud  verewigt  und  vou  dieser  ebenso  erwidert  worden.') 
Wie  dasselbe  die  eigene  Jugendlichkeit  des  Sängers  darthut,  —  denn  nur  die 
Jugend  kann  so  singen  —  so  besingt  er  auch  die  der  Gcniahliu  und  damit 
wieder  die  eigene.     Denn  von  ihr  heisst  es  darin: 

„got  hat  si  so  gebildet, 
de  min  herze  nit  eukau 
noh  al  min  sin  erdenken, 
wie  si  schöner  kvnde  sin 
du  minnekliche  frowe  min, 
du  mir  wil  froide  krenken." 

Zum  gleichen  Laude  zog  damals  sein  gleichalteriger  Schw^ager,  Graf 
Simon  11.  von  Saarbrücken.  Das  beweisen  wir,  wie  mit  dem  Liede  die  Fahrt 
Fridrichs,  mit  der  Stiftung  des  Seelengedächtnisses  im  Kloster  Wadgassen  von  1196, 
von  der  wir  oben  redeten.  Und  wir  müssen  dies  um  so  mehr  thun,  als  es  bisher 
nicht  bloss  unerkannt  war,  sondern  uns  hier  auch  dazu  dient,  das  jugendliche  Alter 
des  Stifters  sicher  zu  stellen.  Denn  sehen  wir  sonst  das  Alter  solche  Stiftungen 
machen,  so  ist  es  angezeigt,  die  jugendliche  Stiftung  des  Grafen  Simon  mit 
der  Fahrt  nach  Apulien  zu  begründen.  Er  kauft  sich  in  die  mittelalterliche 
geistliche  Lebensversicherung  ein.  Und  dass  dabei  auch  seines  Schwiegervaters 
gedacht  ist,  hat  uns  für  ein  Zeichen  von  dessen  kurz  zuvor  erfolgtem  Tode 
zu  gelten;  ist  also  ebenfalls  ein  Beitrag  zur  Feststellung  der  Altersverhältnisse. 
Einen  noch  wichtigeren  Beitrag  hierzu  liefert  das  Andere,  dass  Graf  Simon  zwar 
sein  und  seiner  Gemahlin,  wie  seines  Vaters  und  seiner  Mutter  Seelengedächtnis 
gestiftet,  aber  seiner  Kinder  mit  keinem  Worte  gedacht  hat,  während  er  bei 
seinem  Schwiegervater  die  Söhne  und  Töchter  nicht  vergessen  hatte.  Entweder 
hatte  er  damals  also  keine  oder  sie  waren  noch  in  den  jüngsten  Jahren. 

Diesem  letzteren  scheint  nun  freilich  entgegenzustehen,  dass  im  Jahre  1196 
sogar  schon  erwachsene  Kinder  des  Grafen  Simon  und  seiner  Gemahlin  Lukardis 
vorhanden  gewesen  sein  sollen.  Krem  er  und  nach  ihm  Brinckmeier  nennen 
als  solche  die  uns  bereits  bekannten :  Simon  IIL,  Heinrich,  Fridrich,  Stephau 
und  Gisela.  Von  diesen  trete  Simon  bereits  1212  als  Erbe  von  Saarbrücken 
auf  und  sei  1243  gestorben.  Heinrich  erscheine  1217  als  Bischof  von  Worms 
und  habe  bis  1239  gelebt.  Fridrich  als  Gründer  des  zweiten  leiuingischen 
Hauses,    d.    h.  Erbe  seiner  Mutter,    sei    1237    gestorben.     Stephan  komme    als 


')  Brinckmeier  1,  37  f.,  der  das  Lied  nach  der  vom  Grafen  Karl  Emich  von  Lei- 
ningeu  im  .,Deutsclien  Herold"  U  (1883),  Nr.  10  gemachten  Mitteilung  aus  der  Manessischen 
Handschrift  abdruckt,  meint  dieses  irrigerweise  auf  den  Kreuzzug  beziehen  zu  dürfen,  da  der 
Dichter  in  ihm  von  „pulle"  (Apulien)  spreche,  von  wo  man  in  der  Hohenstaufenzeit  den  Zug 
nach  Palästina  angetreten  habe.  Es  ist  aber  nicht  ein  Gedanke  an  das  h.  Land  darin,  sondern 
es  heisflt  deutlich  vom  Ziele  der  Fahrt: 

„Muos  ich  nv  scheiden  sus  von  ir, 

da  ich  ir  hulde  gar  enbir, 

O  we  der  leiden  verte, 

die  danne  gegen  pulle  tvt  min  üb." 


93 

Propst  von  Ncuhauscn  von  1216 — 1263^)  vor,  und  Gisela,  mit  dem  zwischen 
1212  und  12G3  auftretenden  Wildgrafen  Konrad  I.  von  Kyburg  vermählt,  sei 
1246  aus  dem  Leben  geschieden,^)  Wir  haben  aber  schon  oben  bemerkt,  welch 
ein  genealogischer  Unfug  durch  Verwechselung  gleicher  Namen  im  saarbrückischen 
Hause  getrieben  worden  ist,  und  brauchen  hier  nur  zu  sagen,  dass  bei  Simon  III. 
offenbar  eine  Verwechselung  mit  seinem  Vater  Simon  ü.  vorliegt,  Heinrich  aber 
der  Bruder  des  letzteren  sein  muss.  Denn  da  er  bereits  1212  Propst  zu 
Neuhausen  war'^),  so  musste  er,  wenn  er  diese  Würde,  was  unmöglich  erscheint, 
schon  in  dem  für  einen  Priester  notwendigen  kanonischen  24.  Lebensjahre 
erhalten  hätte,  im  Jahre  1178  mindestens  geboren  sein.  Seine  angebliche 
Mutter  würde  dann  als  hohe  Sechzigerin  zur  zweiten  Ehe  geschritten  sein. 
Wir  haben  demnach  nur  Simon  III.,  Fridrich  IL,  Stephan  und  (Jisela  als 
Kinder  der  letzteren  zu  betrachten.  Die  Angaben  über  das  Leben  dieser 
stimmen  aber  mit  dem  von  uns  angenommenen  Festpunkte  1196. 

Sind  damit  einigermassen  die  Altersverhältnisse  der  für  uns  in  Betracht 
kommenden  Personen  klargestellt,  so  sind  die  folgenden  Schlüsse  erlaubt.  Vor- 
ab ist  die  aus  uns  unbekannten  Gründen  auf  die  Jahre  1159  oder  1169  verlegte 
Urkunde  erheblich  nach  dem  Jahre  1179  zu  setzen,  in  dem  die  Brüder  Ehsa- 
beth's  noch  „pueri"  genannt  werden.  Sodann  kann  fürder  nicht  mehr  von 
einer  Verbindung  Ruprechts  des  Streitbaren  mit  dieser  Elisabeth  geredet  werden. 
Denn  hätte  er  selbst  mit  ihr  in  zweite  Ehe  treten  wollen,  womit  man  sich 
seither  immer  geholfen  hat,  so  war  Elisabeth  bei  seinem  Tode  doch  kaum  mehr 
als  15  oder  16  Jahre  alt.  Damit  fällt  die  dritte  seitherige  Annahme,  dass 
Hermann  dieser  Mutter  Sohn  gewesen  sein  könne.  Schliephake  hat  demnach 
recht,  wenn  er  bemerkt:  „Ist  nun  aber  aller  Zweifel  darüber  gehoben,  dass 
EHsen's  von  Nassau  Gatte  jener  in  dem  leiningischen  Schenkungsbrief  genannte 
Graf  Ruprecht  gewesen  ist,  so  müssen  wir  doch  daran  erinnern,  dass  wir  eines 
ausdrücklichen  Nachweises,  ob  dieser  eben  Ruprecht  der  Streitbare  war,  ent- 
behren."*) Letzterer  ist  in  der  That  nicht  der  Gemahl  der  „Elisa  comitissa 
de  Nassouuia." 

Gleichwohl  hat  der  Eintrag  im  arnsteiner  Totenbuch  recht.  Ruprecht  der 
Streitbare  war  wirklich  einer  Elisa  von  Leiningen  Gatte,  aber  diese  Elisa  war 
nicht  Tochter,  sondern  Schwester  Emicho's  III.  und  gleichnamig  mit  dessen 
Gemahlin,  ihrer  Schwägerin.  Wir  hatten  demnach  guten  Grund,  schon  oben 
den  „gener"  der  angeblich  1159  oder  1169  ausgestellten  Urkunde  mit  Schwager 
zu  übersetzen.  Auch  ist  Hermann  dieser  Beiden  Sohn.  Das  bewährt  die  zwar 
undatierte,  aber  unzweifelhaft  vor  den  8.  November  1195  fallende  Urkunde, 
in  der  Erzbischof  Johann  von  Trier  dem  Kloster  Ilimmerod  die  Vogtfreiheit 
seiner  Güter  im  Bezirke  Coblenz  bestätigt,  nachdem  Graf  Hermann  von  Nassau 
infolge  der  früheren  Bestimmung  seines  Vaters  „guten  Andenkens",  des  Grafen 
Robert,  in  Gemeinschaft  mit  seinem  Vetter  („cognatus")  Walram  die  Vogtei- 
gerechtigkeit   vor   dem    zu  Coblenz   anwesenden  Erzbischofe  in   die  Hände  dos 

')  Brinckmeier  1,  26  nennt  das  Jahr  1236,  es  ist  aber  offenbar  einer  der  vielen  Schreib- 
oder  Druckfehler  seines  Buches,  bei  denen  die  Zahlen  versetzt  erscheinen,  so  hier  'iü  statt  63.  — 
-)  Kremer,  Oeneal.  Gesch.  153  f.;  Brinckmeier  1,  25  f.  —  ^)  Kremer  155.  —  *)  1,  265. 


94 

Rheinpfalzgrafen  Konrad,  von  dem  sie  dieselbe  zu  Lehen  trugen,  zurückgegeben, 
und  dieser  sie  dem  Erzbiscliofe  für  die  Abrei  übertragen  hatte. ^)  Dort  in  Cobleuz 
ist  uümlieh  Kuprecht  der  Streitbare  Vogt  gewesen.  Denn  in  der  der  Beilegung 
des  Streites  zwischen  den  Kanonikern  des  trierischen  S.  Simoustiftes  und  der 
Bürger  von  Coblenz  wegen  des  leidigen  Zolles  gewidmeten  Urkunde  von  1182 
heisst  es  ausdrücklich:  „Ipse  quoque  Robertus  comes  de  Nassowe  Confluentiuorum 
advocatus  sub  poena  banni  sui  districti  inhibuir,  ne  uuquam  aliquis  in  posterum 
super  praedicto  fratrum  telonio  aliquam  moveret  querimoniam."^)  Dieser  Ruprecht 
aber  kann  trotz  VogeT')  kein  anderer  als  der  Streitbare  sein,  wie  dies  mit 
Recht  auch  Schliephake*)  behauptet,  und  die  vorangegangene  Urkunde  ausser- 
dem deutlich  lehrt.  Vom  Grafen  Hermann  aber  liegt  nur  noch  die  oben  bereits 
o-emeldete  Nachricht  vom  Jahre  1240,  dass  er  Kanoniker  des  S.  Peterstiftes 
in  Mainz  war,  vor.  Ob  „Hermanuus  de  Nassoua"  in  einer  Urkunde  des  Peter- 
stiftes vom  7.  April  12.55  und  in  einer  ebensolchen  des  gleichen  Jahres  vom 
25.  Mai  der  dort  offenbar  nur  verschriebene  „Hartmannus  de  Nassove"^)  mit 
ihm  eine  Person  ist,  können  wir  nicht  entscheiden,  ebenso  wenig,  ob  dies  mit 
dem  1252  und  83  vorkommenden  „scholasticus  Hermannus"  des  Peterstiftes 
der  Fall  ist."*') 

c.   Ruprecht  IV.  und  Elisabeth,  Tochter  des  Grafen  Emicho  III. 

von  Leiningen. 

Aber  welcher  Ruprecht  war  nun  der  Gemahl  jener  Elisa  des  Jahres  1235? 
Wenck')  hilft  uns  auf  die  sichere  Spur,  und  es  ist  zu  bedauern,  dass  sie  von 

1)  Günther,  Cod.  dipl.  Rhcno-Mosell.  1,  500:  Mittelrh.  Urkb.  2,  lß3;  Goerz,  Mittol- 
rhein.  Regesten  2,  182,  Nr.  653;  Hennes  1,  1.33  f.;  Schliephake  1,  344.  Die  von  beiden 
letzteren  gemachte  Bemerkung,  dass  die  Söhne  Walrams,  Heinrich  und  Ruprecht,  hier  zum 
erstenmale  als  Unterzeichner  einer  Urkunde  vorkämen,  beruht  auf  der  irrigen  Annahme,  dass 
die  von  Günther  an  drittletzter  Stelle  aufgeführten  Zeugen :  „Henricus  ....  et  Robertus  de 
Nassowe"  diese  Söhne  sein  müssten.  Beweisen  aber  schon  die  von  Günther  gesetzten  Punkte 
die  Lücke  seiner  Vorlage,  so  bezeugt  die  Ausfüllung  derselben  aus  dem  himmeroder  Char- 
tulare  III  in  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  mit  „Roricus",  die  wir  dem  Mittelrh.  Urkb.  verdanken, 
dass  diese  drei  Namen  drei  Ministerialen  der  Burg  Nassau  angehören.  Roricus  wird  ein  Sohn 
jenes  Ministerialen  Rorich  von  Milen  sein,  der  einen  Burgsitz  und  ein  Haus  in  Nassau  hatte, 
vgl.  Arnoldi,  Miscell.  341.  Waren  doch  auch  dazumal  die  Söhne  Walrams  noch  minder- 
jährig. —  2j  v.  Hontheim  1,  613;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  204;  Mittelrh.  Urkb.  2,  93; 
Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  136,  Nr.  483.  —  ')  Beschr.  303.  —  ')  1,  342.  —  ^)  Joannis, 
Ror.  raog.  2,  470  f.  —  •■)  Ebenda  2,  .ö02.  Dass  Ruprecht  der  Streitbare  auch  eine  Tochter 
Richarda  gehabt  habe,  die  an  einen  geldrischen  Grafen  —  man  nennt  Otto  III.  —  verheiratet 
gewesen  sei,  wie  Kremer,  Orig.  Nass.  1,  390  ff.  zufolge  die  geldrischen  Geschichtschreiber 
behaupten,  und  Arnoldi,  Gesch.  der  Oran.  Nass.  Lande  1,  27,  3,  106  ff.,  wie  Schliephake 
1,  341  f.,  darthun  möchten,  muss  beim  Mangel  jeder  zuverlässigen  Unterlage  als  leere  Ver- 
mutung abgewiesen  werden.  Geschichtlich  unanstössig  ist  nur  die  von  den  Genannten  bei- 
gebrachte Grabschrift  des  Cisterzienserklosters  Ruremonde  :  „Obiit  anno  Domini  MCCXIX  ipso 
die  beati  Severi  Episcopi  Gerardus  comes  Geldriae  et  Zutphaniae,  qui  cum  Margaretha  uxore 
8ua  ad  instantiam  matris  suae  Richardae  de  Nassovia,  primae  huius  loci  Abbatissae,  monastc- 
rium  istud  fundavit  anno  MCCXVIII."  Richarda  ist  also  wohl  eine  Nassauerin.  Wessen  Tochter 
sie  aber  war,  kann  zur  Zeit  nicht  gesagt  werden.  Bemerkt  mag  nur  noch  werden,  dass,  wie 
bei  Alberata,  auch  ihre  Mitgift  durch  die  Vermählung  des  Sohnes  Wnlrams,  Heinrichs  IL, 
mit  der  Gräfin  Mechtildis  von  Geldern  wieder  heimgeholt  wurde.   —  ')  Hist.  Abhandl.   1,  103. 


95 

seinen  Nachfolgern  unbenutzt  blieb.    Denn  sie  hätte  dieselben  vor  einem  starken 
Irrtume    bewahrt.     Der    hochverdiente   Forscher    ist  nämlich    der    unzweifelhaft 
richtigen  Meinung,  dass  jener  „Rupertus,  filius  llenrici  de  Nassouwa",  der 
in  einer  bisher  immer  in  das  Jahr  1235  gesetzten,  an  sich  durchaus  undatierten 
Urkunde  des  Erzbischofes  Theoderieh  von  Trier  genannt  wird,    ein  Sohn  jenes 
Heinrich  I.  sein  müsse,    den  wir  oben  als  Sohn  Arnolds  I.  beurkundeten,    und 
behauptet  ebenso    mit  gutem  Rechte,    dass   die   genannte  Urkunde    dem  Jahre 
1217  angehöre,  da  Brower^)  die  in  ihr  berichtete  Angelegenheit  in  dieses  Jahr 
verlege.     Das  Jahr  1235  ist  ihr  nur  willkürlich  angedichtet  worden,     v.  Ilont- 
heim''^),   dem  wir  ihre  Kenntnis  verdanken,    hatte  ohnedies    an  den  Rand    der- 
selben nur  ein  vorsichtiges  „circa  1235"    gesetzt    und  gibt  ausserdem    in  einer 
Anmerkung  den  Aufschluss,    dass    die   ihr    unmittelbar    folgende  Urkunde    vom 
Jahre  1235  ihrer  Vorgängerin  so  nur  „immediata  subjecta  in  antiquo  chartario 
saec.  XIV"  sei.     Brower  hatte   also    von    anderwärts    her    geschöpfte    bessere 
Kenntnis,    als    er   das  Jahr  1217  für  ihren  Inhalt  wählte,   wenn  er  sich  gleich 
des  Irrtumes  schuldig  gemacht  hat,  an  Stelle  des  „Rupertus  filius  Henrici"  einen 
Henricus  zu  setzen.    Wäre  das  rechtzeitig  erkannt  worden,  so  würde  man  nicht 
auf  den  verzweifelten  Gedanken  gekommen  sein,  dass  jener  Heinrich  ein  Sohn 
Walrams   gewesen    sei,    der  1217    ein  angehender  Dreissiger  war,    da  er  1192 
noch  unter  Vormundschaft  stand^),    und    dass   sein  vom  arnsteiner  Totenbuch'*) 
verzeichneter  Sohn  Ruprecht  als  Knabe  nach  der  genannten  Urkunde  vom  Erz- 
bischofe  Theoderich  60  kölnische  Mark  für  das  Allod,  was  er  in  „Ditse"  und  „in 
superiori  Lainstein"   besass,    empfangen    habe,   um  es  als  Burglehen  zurück  zu 
empfangen  und  dafür  „in  Castro  Monthabur"  seinen  Sitz  habe,  samt  den  weiter- 
hin namhaft  gemachten  Burgmännern :  „Gerhardus  de  Derinbach,  Hermannus  de 
Bedendorf,  Anseimus  de  Hoilbach,  Conradus  de  Widergis,  Dythardus  de  Paffen- 
dorf,   Hermannus  et  Sifridus   de  Hademar,    Ludewicus  de  Vrencede,   Heinricus 
Herren,  Wilderichus,  Wilhelmus  de  Helfenstein,  Fridericus  Carpennus,  Henricus 
de    Lainstein,    Conradus  Elicham    de   Everhain,    Kuno,    Reinardus,    Guntramus, 
Dido,  Johannes  de  Schuppach,    Sifridus  et  Gerlacus,    Sybodo,    Gerlacus,    Hugo 
et  Henricus  de  Stocheim,  Enolfus,   filius  Henrici."^)     „Rupertus  fihus  Henrici" 
ist  darum   deutlich  Heinrichs  I.  Sohn.     Entsinnen  wir  uns  nun  der  schon  oben 


1)  Annal.  Trev.  2,  118.  —  ^)  1,  710  f.  Der  von  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  275  gegebene 
Abdruck  ist  in  Bezug  auf  seinen  letzten  Absatz  geradezu  irreführend,  da  derjenige  aus  v.  Hont- 
heim,  der  das  Jalir  1235  trägt  und  ihm  vorangeht,  ohne  weiteres  ausgelassen  ist.  Freilicli 
hat  dieser  letzte  Absatz  gar  keinen  ersichtlichen  Zusammenhang  mit  dem  vorangegangenen 
und  möchte  damit  deutlich  beweisen,  dass  auch  der  uns  angehende  Teil  der  ganzen  urkundlichen 
Mitteilung  von  dem  Zusammensteller  des  Chartariums  blindlings  vor  das  vom  Jahre  1235  Ge- 
brachte gestellt  Avorden  ist.  Auch  das  zeugt  für  die  blinde  Zusammenwürfelung  von  der  Zeit 
nach  unzusammengehöriger  Teile,  dass  der  genannte  letzte  Absatz,  der  Bestimmungen  über 
die  Brüder  Heinrich  und  Ruprecht  enthält,  gar  nicht  nach  oder  vor  1235  fallen  kann,  da 
Ruprecht  bereits  1281  als  deutscher  Ordensritter  auftritt,  vgl.  Vogel,  Beschr.  311.  AuÜ'älliger- 
weise  wird  das  Ganze  ohne  jeglichen  Absatz,  als  wäre  es  eine  zusammenhängende  Urkunde, 
vom  Mittelrh.  Urkb.  3,  421  abgedruckt,  und  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  573,  N"r.  2194  hat  das 
Ganze  ebenso.  —  =»)  Schliephake  1,  4G9  f.  —  *)  Annal.  K!,  13.  -  '')  Vogel,  Beschr.  310, 
315;  Schliephake  1,  3S7  f.;  Becker,  Annal.  10,  17. 


9G 

tiDgeführten  Bemerkung  Schliepliake's')  vom  Besitze  Leiniugens  in  der  Graf- 
schaft Dietz,  so  gewinnt  das  soeben  genannte  Allod  Kuprecht's  in  ,Ditse"  eine 
ganz  besondere  Bedeutung  für  uns.  War  doch  „Elysa  quondam  comitissa  de 
Nassouuia"  im  Jahre  1235  Schenkerin  jenes  Mansus  in  dem  nur  eine  Stunde 
von  da  entfernten  „Croiehe"  bei  Limburg.  Wird  es  demnach  zuviel  gewagt 
sein,  wenn  wir  das  Allod  in  Dietz  als  ein  Stück  ihrer  Mitgift  fassen  und  in 
ihr  die  Gemahlin  dieses  Ruprecht,  Sohnes  Heinrichs  I.,  sehen?  Das  Lebens- 
alrer  beider  würde  aufs  Vollkommenste  damit  stimmen,  denn  starb  Heinrich 
1167  als  mittlerer  Dreissiger,  so  darf  die  Geburt  seines  Sohnes  etwa  um  1160 
gesetzt  werden.  Die  Elisabeths  füllt  nach  unserer  Berechnung  etwa  10  Jahre 
später.  Hindernis  aber  ist  es  wahrlich  nicht,  dass  Oheim  und  Neife  nacheinander 
sich  aus  demselben  Hause  Leiningen  Frauen  holen.  Im  Gegenteil,  die  Ver- 
mählung des  Oheims  war  die  Vorbereitung  zu  derjenigen  des  Neffen.  Die 
durch  den  Ersteren  einander  nähergerückten  beiden  Häuser  brachten  die  zweite 
Verbindung,  die  nähere  Kenntnis  der  Personen  die  nähere  Kenntnis  des  ver- 
lockenden Heiratsgutes.  Und  über  das  Alles :  kann  sonst  auf  keine  Weise  Eli- 
sabeth zu  dieser  Zeit  mit  einem  anderen  nassauischen  Grafen  verbunden  gedacht 
werden,  so  hat  unsere  Annahme  das  für  sich,  dass  sie  auf  ihre  Art  am  ein- 
fachsten und  ungezwungensten  aus  aller  Verlegenheit  hilft.  Ein  seltsames  Zu- 
sammentreffen wird  es  dabei  zu  nennen  sein,  dass  beide  Teile  des  von  uns 
zusammengefundenen  Pares  nur  ein  einziges  Mal  und  unabhängig  voneinander 
urkundlich  deutlich  auftreten.  Und  ein  ebenso  seltsames  Zusammentreffen  wird 
es  genannt  werden  müssen:  dass  Elisabeth  mit  ihrer  verwitweten  Schwester 
Alberata  von  Kleberg  das  Loss  teilte,  kinderlos  zu  sein,  sei  es  nun,  dass  sie, 
wie  diese,  ihre  Kinder  alle  verloren  hatte,  oder  ohne  Kinder  geblieben  war. 
Es  ergibt  sich  das  nämlich  daraus,  dass  ihre  Schwester  Lukardis  das  Glück 
allein  hatte,  die  mächtige  Grafschaft  Leiningen  an  ihre  mit  dem  Grafen  Simon 
von  Saarbrücken  gewonnenen  Kinder  zu  vererben. 

d.   Ruprecht  H.  und  Elisabeth  von  Schaumburg. 

Ist  aber  damit  der  von  uns  verheissene  vierte  Ruprecht  gefunden,  so  er- 
übrio-t  es,  nun  den  schon  länger  gefundenen  dritten  dieses  Namens  zu  vermählen. 
Denn  darüber,  wessen  Sohn  dieser  sein  müsse,  ist  wohl  kaum  mehr  ein  Wort 
zu  verlieren,  nachdem  schon  längst  unseren  Vorgängern  klar  geworden  war,  dass 
Ruprecht  I.  nicht  mehr  derselbe  mit  dem  sein  könne,  dessen  Name  urkundlich 
bis  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  erscheint.  Er  muss  notwendig  Ruprechts  1. 
Sohn  gewesen  sein,  den  der  arnsteiner  Mönch  ebenso  übergangen  hat,  wie  Ar- 
nold H.  Ihn  aber,  wie  Vogel  wilF),  einer  ersten  Ehe  dieses  Ruprecht  I.  ent- 
stammen zu  lassen,  dazu  nötigt  uns  nichts.  Denn  dass  er  im  arnsteiner  Toten- 
buch nicht  neben  Beatrix  als  deren  Sohn  wie  Walram  genannt  ist,  dies  Loss 
teilt  er  mit  dem  unzweifelhaften  Sohne  desselben  Arnold  IL,  und  Becker  hat 
offenbar  volles  Recht,  wenn  er  dies  dem  Ende  des  13.  oder  Anfang  des  14. 
Jahrhunderts    angehörende  Bruchstück    eines  Totenbuches    „einen    Auszug    aus 

»)  S.  oben  Anni.   1,  S.  -26.  —  *)  Beschr.  299. 


97 

einem  ersten  Necrologium  der  Abtei"  nennt.  Wie  leicht  konnten  die  Namen 
Arnold  und  Ruprecht  von  dem  Auszieher  übersehen  worden  sein.  Und  war 
das  nicht  der  Fall,  so  waren  eben  beide  Brüder  lange  vor  jenem  alten  Eintrage 
gestorben,  der  überdies  nicht  von  der  Gräfin  Beatrix  als  noch  lebender  ausge- 
gangen sein  konnte,  da  sie  steinalt  geworden  sein  niüsste,  um  auch  noch  die 
in  ihm  mitgenannten  Urenkel  Ptuprecht  und  Heinrich,  die  Söhne  ihres  Enkels 
Heinrichs  11.  zu  sehen. 

Für  diesen  Ruprecht  IL,   Sohn    Ruprechts  L,  bleibt  von  den  uns  ur- 
kundlich   bekannten   gräflich    nassauischen    Gemahlinnen    dieser    Zeit    nur    die 
„Elysa  comitissa  dicta  de  Schowenburg"  übrig,  die  wir  aus  der  Schenkung 
einer  Wiese  bei  Hadamar  im  Jahre  1197  kennen  lernen.^)     Mit   dieser  Wiese 
aber  hatte  es  folgende  Bewantnis.     „Comes  Rupertus    de  Nassouwa"  hatte  sie 
nach  dem  eberbacher  Berichte  seiner  Zeit  von  zwei  Brüdern  in  Mulenbach  bei 
Hadamar  für  20  Mark  gekauft  und  sie  nachher  Heinrich,  Freiem  von  Dorn,  für 
8V4  Mark  versetzt.    Nach  dem  Tode  des  Gemahles  schenkte  nun  Gräfin  Elisabeth 
die  Wiese   dem   Kloster    Eberbach,    das    zur  Lösung  der  Pfandschaft  Heinrich 
von  Dern  die  geliehenen  8  Mark  und  einen  Ferto  bezahlte    und  eine  9.  Mark, 
die  es   ihm  dabei   versprochen  hatte,    „pro   deo"    erlassen    bekam.     Der  Gräfin 
Elisabeth  aber  waren  dabei  2  Mark  zurückgegeben  worden.    Jedoch  ihre  Tochter 
Luotgard  zeigte  sich  samt  ihrem  Gemahle,  Grafen  Hermann  von  Yirneburg, 
mit  dieser  Schenkung  unzufrieden.     Sie   brachten    es    deshalb  1217    nach    dem 
Tode  der  Mutter  fertig,  dass  ihnen  für  dieses,    „in  remedium  anime  Domini  et 
mariti  mei  comitis  Ruperti"  gemachte  Geschenk  der  Mutter  noch  7  Mark  zurück- 
bezahlt wurden,  sodass  die  angebliche  Schenkung,  wie  Baer  bitter  bemerkt,  das 
Kloster  „ohne  Spesen  I8V4  Mark"  kostete,  also  I74  Mark  weniger  als  den  ehe- 
maligen Kaufpreis.     Die  Bestätigung  der  Schenkung  war  von  Gräfin  Elisabeth, 
wie   es   in    der   Urkunde   heisst,    „apud   castrum    Schouwenburg"    erfolgt.      Da 
Schaumburg  damals  sich  in  den  Händen  der  Isenburger  befand,  so  ist  hier- 
nach eine  Verbindung  des  nassauischen  mit  dem  isenburgischen  Hause  bezeugt, 
wie  denn  auch  unter  der  Urkunde  ein  „Henricus  de  Isenburg"  als  Zeuge  steht. 
Aber  das  ist  auch  alles.    Urkundennachrichten  stillen  nun  einmal  keinen  Wissens- 
durst, machen  aber  dankbar  auch  für  ihre  Tropfen:    die  Ehe  Ruprechts,   seine 
Tochter,  sein  Lebensende  (1194  oder  1197),  wie  dasjenige  seiner  Gemahlin  (vor 
1217).^)     Weiteres  will,  wie  folgt,  erschlossen  sein. 


1)  Baer,  Diplomat.  Gesch.  d.  Abtei  Eberbacli  1,  404,  4i)4  ff.;  Wenck,  Hess.  Landesgesch. 
2,  Urkb.  124.  Die  von  Koth,  Geschichtsquellen  aus  Nassau,  3,  318  ff.  abgedruckten  „Tra- 
ditiones  Eberbacenses"  bieten  über  diese  Schenkung  einen  doppelten  J3ericht,  vgl.  S.  300  und 
8.")7.  Nur  der  letztere  spätere  ist  von  Wenck  mitgeteilt  worden.  Der  kürzere  frühere,  vor 
dem  Jahre  1211,  wie  S.  35(i  lehrt,  abgefasste  lautet:  „Comes  Ruoperthus  emerat  a  duobus  fratribus 
Meinhardo  et  Ditherico  pratum  in  Mulenbach  pro  XX  marcis,  quod  postea  expositum  fuit  Hein- 
rico  Frien  pro  VIII  marcis  et  fertone.  Idem  pratum  et  eius  proprietatem  comitissa  Elj'se 
contulit  ecclesie  nostre  pro  dono  et  nos  dedimus  pro  redemptione  illius  Heinrici  Frien  VIII 
marcas  et  fertonem."  Die  Datierung  Wencks  „vor  und  nach  1194"  erweist  sich  bezüglich 
der  ersteren  Angabe  gegenüber  dem  von  Baer  mitgeteilten:  „Actum  anno  incarnationis  domini- 
cae  MCXCVII  apud  portam  Eberbacensem''  als  irrig.  —  ^)  Es  ist  nicht  unwichtig,  aus  einer 
Urkunde  von  1222,  die  seither  in  der  nassauischen  Geschichte  noch  nicht  benutzt  wurde,  etwas  von 
Annalen,    Bd.  XXVI.  "^ 


98 

3.    Kupreeht   II.   in  rrkuiuleii  und   der  Geschichte. 
(Walrani  von  Laurenburg.    Ruprecht  111.) 

Sind  aber  so  die  Vier  des  Namens  Kupreeht  mit  ihren  Gemahlinnen  ur- 
kundlich nachgewiesen,  so  kommt  es  nur  noch  darauf  an,  die  anderweiten  Ur- 
kunden, in  denen  ihr  Name  begegnet,  unter  die  zwei  zu  verteilen,  die  noch  in 
Betracht  kommen,  nachdem  wir  bereits  mit  Ruprecht  I,  abgeschlossen  und  von 
Ruprecht  lY.  bemerkt  haben,  dass  er  überhaupt  nur  einmal  namentlich  vor- 
kommt. Dass  dabei  zwischendurch  Walram  niclit  unbeachtet  bleibt,  bringt 
schon  die  Erörterung  der  ihn  mitbetreffendeu  Urkunden  zuwege.  Von  Rup- 
recht IV.  ist  noch  einmal  abgesondert  zu  reden.  Zur  Unterscheidung  der 
Träger  des  Namens  Ruprecht  aber  wählen  wir  für  den  Sohn  Ruprechts  I.  die 
bereits  gebrauchte  Bezeichnung  Ruprecht  IL,  für  den  Sohn  Arnolds  I.,  den 
wir  als  den  Streitbaren  schon  kennen,  die  weitere:  Ruprecht  III.,  den  Sohn 
Heinrichs  I.  haben  wir  soeben  schon  Ruprecht  IV.  genannt.  Zum  Überflusse 
sei  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Bezeichnungen  nicht  mit  den  soviel 
anders  gemeinten  Vogel's  verwechselt  werden  dürfen,  da  wir  mit  diesem  blosse 
Zahlen-,  nicht  Personengemeinschaft  teilen.  Das  unterscheidende  Merkmal  nun, 
wem  von  den  Vettern  Ruprecht  IL  und  HL  das  Recht  gebührt,  in  den  er- 
haltenen Urkunden  als  gemeint  zu  gelten,  kann  allein  das  Vorrecht  desjenigen 
abgeben,  der  als  der  Herr  des  Hauses  zu  betrachten  ist.  Vogel  hat  das  bereits 
richtig  gefühlt,  und  Schliephake  würde  sich  nicht  in  Gegensatz  zu  ihm  ge- 
bracht haben,  hätte  ihn  die  Urkunde  über  die  Schenkung  des  Klosters  Schönau 
an  Mainz  von  1132  belehrt,  wer  das  führende  Haupt  der  gräflichen  Familie 
war.  Vogel  scheint  sich  zwar  auch  nicht  von  dort  die  massgebende  Belehrung 
geholt  zu  haben,  aber  er  nimmt  wenigstens  richtig  an,  dass  Ruprecht  I.  als 
das  Haupt  zu  betrachten  war,  die  Befugnisse  eines  solchen  also  auf  seinen  Sohn 
überzugehen  hatten.  Wir  unsererseits  brauchen  uns  nur  auf  das  früher  in  dieser 
Beziehung  Gesagte  zu  berufen,  um  Ruprecht  I.  als  den  urkundlich  so  genannten 
„dominus  in  Castro  Lurenburch  hereditarius  et  legitimus"  anerkannt  zu  wissen 
und  damit  die  Zweifel  und  irrigen  Behauptungen  Schliephake's^)  kurzer  Hand 
abzuweisen.  War  Ruprecht  I.  aber  der  Herr  des  Hauses,  so  ist  Ruprecht  IL 
als  sein  Sohn  der  Nachfolger  seines  Rechtes,  und  Ruprecht  IH.,  wie  der  IV. 
können  nur  da  in  Betracht  kommen,  wo  Ruprechts  H.  Berechtigung  nicht  vor- 
liegt oder  zweifelhaft  erscheint. 

Kann    man    demgemäss    auch    vielleicht    noch    zweifeln,    ob    Ruprecht  IL 
oder  HL  in  den  bereits  behandelten  Urkunden  vor  1170  genannt  ist,  so  besteht 


den  Folgen  der  Verbindung  der  Tochter  des  Grafen  Ruprecht  II.  mit  dem  Grafen  Hermann 
von  Virneburg  hier  anzufügen.  Iti  dem  von  Erzbischof  Engelbert  von  Köln  zwischen  dem 
Grafen  Hermann  von  Virneburg  und  Burchard,  Burggrafen  von  Querfurt,  gestifteten  Erbver- 
gleiche heisst  C8  unter  anderem:  „Comes  Hormannus  de  Virnburgh  habebit  castrum  illud 
Schowcburgh  et  quartam  partem  de  Castro  Liningen,  B.  burggravius  dictam  partem  de  Luren- 
burgh  et  octavam  partem  de  castro  Westerburgh  libere  et  sine  contradictione  possidebit." 
Mittelrh.  Urkb.  :'.,  163,  Nr.  1  !»•_>. 
')  1,  278. 


99 

kein  Zweifel,  dass  vor  allem  die  Urkunde  von  1170  dtni  ersteren  meiut.  In 
ihr  bekunden  „Conradus  de  Bopardia"  und  seine  Gattin  Hildegardis,  dass  sie 
„in  villa,  quae  dicitur  Lietprun"  ein  Gut  samt  Hörigen  für  GO  Mal'k  von  „Albo 
de  Carpania"  und  seinem  Bruder  Theodericli  erworben  und  dieses  mit  einem 
Teile  der  Hörigen  der  Kirche  S.  Florins  „in  Schonaugia"  „pro  salute  domini 
sui  imperatoris  Friderici  et  pro  salute  animarum  suarum  suorumque  filiorum 
et  filiarum"  mit  der  Bestimmung  übergeben  haben,  dass  nach  ihrem  Ableben 
eine  beständige  tägliche  „memoria  in  missis"  stattfinde.  Von  den  drei  und 
mehr  Pfunden  der  Einnahme  soll  eines  den  Schwestern,  „quae  juxta  eundem 
locum  manent",  mit  der  Auflage  zufallen,  dass  beider  Gedächtnis  nach  dem 
Tode  an  einem  Tage  daselbst  gefeiert  werde,  und  dass  den  Brüdern  von  einem 
Pfunde  und  den  Schwestern  von  10  solidi  Handreichung  geschehe.  Dieser  Ur- 
kunde hat  Kaiser  Fridrich  sein  Siegel  anhängen  lassen,  und  die  ganze  Handlung 
kam  zu  stände:  „sub  Arnolde  Trevirensium  arcliiepiscopo  atque  sub  Ecberto 
abbate  et  Ruperte  comite  de  Nassau,  advocato  eiusdem  loci."^)  Die  Annahme 
Schliephake's^),  dass  der  Kaiser  „vielleicht"  in  Schönau  dabei  gewesen  sein 
könne,  ist  zulässig,  da  die  Anwesenheit  desselben  in  diesen  Gegenden  für 
Frankfurt  am  2.  Januar  und  25.  Juli  dieses  Jahres  urkundlich  gesichert  ist.^) 
Als  regierender  Graf  ist  Euprecht  H.  auch  sicher  der  „comes  Nas- 
soviensis",  von  dem  Brower  zum  Jahre  1172  die  kurze  Meldung  thut,  dass 
er  mit  gewaflfneter  Hand  die  emser  Silberbergwerke  sich  anzueignen 
trachtete,  aber  von  Erzbischof  Arnold,  seinem  Lehensherrn,  ebenso  abgewiesen 
ward.^)  Was  ihn  zu  diesem  Schritte  bewogen  hatte,  wird  leider  nicht  berichtet. 
Ein  Rechtsanspruch  konnte  es  schwerlich  sein,  da  eine  Urkunde  des  Kaisers 
Fridrich  vom  26.  April  1158  das  könighche  Bergrecht  bei  Ems  nach  dem 
Urteil  der  Fürsten  ausspricht  und  Fridrich  deshalb  gestattet,  den  Erzbischof 
Hillin  und  seine  Amtsnachfolger  mit  ihm  zu  belehnen. -'')  Wenn  Nassau  gleich- 
wohl später  im  Besitze  der  Silbergruben  erscheint^),  so  konnte  das  sicher 
nur    von     kaiserlicher     Belehnung    oder     einem     trierischen     Afterleheu     her- 


')  Rettung  derer  Freyheiten  des  Closters  Schönau.  Beil.  S,  S.  ß;  Krem  er,  Orig.  Nass. 
2,  200  f.,  vgl.  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  84,  Nr.  287.  —  ^)  1,  279.  —  ^)  Böhmer,  Regest. 
18"),  Nr.  2535  u.  2543.  —  *)  Annal.  trev.  2,  7G:  ,,Comitem  quoque  Nassoviensem  occupare 
argentifodinani  ad  thermas  Emptzianas,  regionis  Loganae,  parata  vi  molientem  pari  virtute 
Arnoldus  repressit."  Vgl.  Golscher,  Gesta  Trev.  in  v.  Hontheim,  Prodrom,  liist.  trev.  2,  758, 
der  den  Streit  in  die  Zeit  Hillin's  verlegt,  aber  indem  er  von  diesem  sagt:  „Viriliter  repressit 
Comitem  de  Nassauen  iura  ecclesiae  Trev.  sibi  usurpantem  in  argentaria  fossa  Hemecen'',  be- 
weist, dass  er  Browers  Werk  über  Arnold  vor  sich  hatte  und  diesen  mit  jenem  verwech- 
selte, weil  Hillin  mit  den  Silbergruben  belehnt  worden  war.  Es  sind  deshalb  die  irrigen  An- 
nahmen bei   Wenck,    Histor.  Abh.  1,  100  u.  Hess.  Landesgesch.  1,  15G,    wie  Schliephake 

I,  280,  liiernach  zu  berichtigen.  —  ^)  v.  Hontheim  1,  588;  Beyer,  Urkb.  1,  (173.  Schröder, 
Lehrb.  d.  deutsch.  Rechtsgesch.  Leipzig  1889.  522  sieht  in  dieser  Urkunde  den  deutlichen 
Beleg  dafür,  dass  entgegen  der  noch  heute  herrschenden  Meinung,   die  Könige  hätten  erst  im 

II.  und  12.  Jahrhundert  das  Bergregal  ertrotzt  oder  erschlichen,  dieses  von  jeher  zu  Recht 
bestand.  Graf  Ruprecht  konnte  also  das  Bergrecht  nicht  ertrotzen  wollen,  sondern  höchstens 
die  Belehnung  damit.  Daher  auch  nur  der  Streit  mit  Trier,  nicht  mit  dem  Kaiser.  Möglich, 
dass  bei  dem  Lehenauftrag  Nassau's  an  Trier  von  letzterem  Versprechungen  betreffs  Ems'  ge- 
macht worden  waren,  die  es  nicht  gehalten  hatte.  —  '^j  Schliephake  1,  2so. 

7* 


100 

rühreu.  Ein  Yogteirecht  des  Grafen  von  Nassau  über  das  dem  Castorstifte  in 
Coblenz  gehörige  Dorf  Ems  zu  dieser  Zeit  anzunehmen,  wie  Vogel*)  auf  Grund 
dieses  Streites  thut,  und  Schliephake^)  weitläufig  mit  Vermutungen  nachzu- 
weisen sucht,  ist  jedenfalls  unberechtigt,  da  jeglicher  urkundliche  Anhalt  da- 
für fehlt. 

Weiter  wird  es  Graf  Ruprecht  11.  sein  müssen,  der  als  der  vierte  welt- 
liche Zeuge  nach  dem  llheiupfalzgrafen  Konrad  und  den  Grafen  Hugo  von 
Dao-sburg  und  Emicho  von  Leiningeu  in  der  Kaiserurkunde  vom  2.  Juli  1173 
erscheint,  die  der  mainzer  Geistlichkeit  das  wichtige  Recht  der  selbständigen 
Verfügung  über  ihr  bewegliches  Vermögen  zugesteht.^)  Das  llofiager  befand 
sich  damals  dem  Datum  der  Urkunde  nach  zu  Speier.  Die  Anwesenheit  der 
benachbarten  Reichsfürsten  verstand  sich  also  ganz  von  selber.  Ebenso  bezeichnet 
in  einer  Urkunde  des  gleichen  Jahres,  in  der  Erzbischof  Christian  von  Mainz 
den  Verkauf  einer  Rheininsel  bei  Ilattenheim  an  das  Nonnenkloster  Tiefenthal 
zu  Bingen  verbrieft,  der  erste  Laienzeuge  „Rupertus  comes  de  Nassowe"  unseren 
Grafen,  dem  sich  der  Reihe  nach  der  Truchsess  des  Erzstiftes,  Graf  Gerlach 
von  Veldenz,  Gottfrid  von  Eppenstein,  Rheingraf  Embricho  mit  seinen  Brüdern 
Sigfrid  von  Stein  und  Wolfram,  der  Kämmerer  Dudo,  Embricho  von  Walbach, 
Franco  von  Lorch  und  Weruher  von  Geisenheim  anschliessen.'*)  Abermals  am 
kaiserlichen  Hoflager,  diesmal  zu  „Sinceche"  am  9.  Mai  1174,  treffen  wir  ihn 
als  fünften  weltlichen  Zeugen  bei  der  kaiserlichen  Bestätigung  der  Besitzungen 
des  Klosters  Siegburg,  zunächst  nach  den  Grafen  Eberhard  von  Sayna  und 
Heinrich  von  Ditse.^) 

Dass  er  dem  Kaiser  im  Spätjahre  nicht  nach  Italien  folgte  zur  leider 
erfolglosen  Züchtigung  der  lombardischen  Städte,  beweisen  zwei  kölnische 
I'rkunden.  Der  Graf  sucht  also  Fühlung  mit  dem  kölner  Erzbischofe,  nach- 
dem die  Beziehungen  zu  Trier  durch  den  emser  Handstreich  eine  Trübung 
erfahren  hatten.  In  der  ersten  hilft  er  dem  Erzbischofe  Philipp  die  Überlassung 
der  Vogtei  Wile  an  das  S.  Cassiusstift  zu  Bonn  und  deren  Propst  Lothar,  nach- 
dem diese  bisher  ein  erzbischöfliches  Lehen  der  Grafen  von  Katzenelenbogen 
gewesen  war,  bezeugen.^)  Aus  der  anderen  vom  Jahre  117G  erfahren  wir,  dass 
Ruprecht  zu  Gunsten  der  S.  Marien-  und  Clemenskirchc  zu  Rindorph  (Schwarz- 

')  Topogr.  113,  Beschr.  6G2.  —  ^)  1,  282  f.  —  ^)  Würdtwein,  Subsid.  1,367;  Joan- 
nis,  Rer.  mog.  2,  588  ff.  Vgl.  Schliephake  1,  283.  —  ")  Bodmann,  Rheing.  Altert.  235  f.; 
Will,  Regesten  2,  37,  Xr.  lU;.  Letzterer  datiert  vom  .,nov.  ?"  Der  von  ihm  angeführte 
Kicker,  Beitr.  z.  Urkundenlehre  1,  ^rüi  aber  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Urkunde 
„während  Christians  Abwesenheit  in  Deutschland  auf  seinen  Namen''  nur  ausgestellt  sein  könne, 
oder  letzterer  „habe  in  Italien  trotz  der  Einleitung  mit  Datum,  Ort  und  Zeugen  nach  der  in 
Deutschland  (.,apud  Pinguiam" )  geschehenen  Handlung"  geurkundet.  —  '■')  Kremer,  Beiträge 
3,  47;  Lacomblet  1,  315;  Schliephake  1,  284.  —  •"')  Günther  1,  421  flf.  Das  Datum: 
1175,  ind.  VIII,  a.  imp.  XXIII,  a.  regn.  XXV  stimmt  allerdings  nicht,  da  nur  die  Indict.  für  1175 
richtig  ist,  das  Kaiserjahr  aber  1178  und  das  Königsjalir  1177  bietet.  Ausserdem  niuss  ange- 
nommen werden,  dass  Erzbischof  Philipp  schon  1175  wieder  aus  Italien  zurückgekehrt  sei. 
Denn  dass  er  am  Kriegszuge  dorthin  teilgenommen  hat,  bezeugt  die  Urkunde  von  1174,  in 
der  er  „ad  Italice  expeditionis  prepnrationem"  von  der  Stadt  Köln  KHK)  und  von  „Gerardus 
ante  curiam"  coo  Mark  leiht,  Laconiblot  1,  :ils,  Nr.  452.  Schliephake  1,  2.S5  kennt 
diese  Anstünde  bei  der  Datierung   nicht. 


101 

rheiüdorf  bei  Bonn)  auf  seine  Vogtci  Ethcdorp  (Eitorf  a.  d.  linken  Seite 
der  Sieg),  die  er  an  Ludwig  von  Gendersdorf  zu  Lehen  gegeben  hatte,  nach 
<lem  Rate  des  Er/bischofes  gegen  eine  Entschädigung  von  25  Mark  und  eine  Zug- 
last Wein  verzichtete.*)  Woher  diese  abgelegene  Vogtei  stammte,  ist  nicht 
zu  ermitteln.  Unmöglich  aber  wäre  nicht,  dass  sie  etwa  zur  liniburgischen 
Mitgift  der  Mutter  des  Grafen  gehört  hätte. 

Wie  sehr  sich  Ruprecht  II.  die  guten  Beziehungen  zum  erzbischöflichen 
llofe  angelegen  sein  Hess,  bezeugt  auch  die  Thatsachc,  dass  sein  jüngerer 
Bruder  Walram  am  25.  April  des  gleichen  Jahres  mit  den  Grafen  Heinrich 
von  Seina,  dessen  Bruder  Everard,  Gotfrid  von  Heimesburg  und  Gerlach  von 
Iseuburg  unter  den  Zeugen  der  Urkunde  steht,  in  der  Erzbischof  Philipp  der 
Abtei  Mere  den  Besitz  von  Gütern,  welche  die  Gräfin  Hildegund  an  verschiedenen 
Orten  von  ihren  Ministerialen  teils  eingelöst,  teils  angekauft  hatte,  bestätigt 
und  diese  mit  den  übrigen  Beziehungen  des  Klosters  unter  seinen  Schutz 
nimmt.'"^)  Dass  Walram  bei  dieser  Gelegenheit  mit  dem  Zusatz  „de  lunenburgh" 
erscheint,  wird  demselben  niederrheinischen  Sprach-  oder  Gehörfehler  zuge- 
schrieben werden  müssen,  dem  wir  schon  einmal  begegnet  sind.  Wichtig  aber 
ist  die  Bezeichnung,  da  sie  die  Weiterbewohnung  der  Stammburg  des  Hauses 
durcli  ihr  jüngstes  Mitglied  beweist.  Schliephake  hebt  deshalb  mit  Recht 
hervor,  dass,  während  Walram  in  einer  Urkunde  von  1195  als  Graf  von  Nassau 
erscheint,  seine  Witwe  sich  noch  1198  des  Siegels  mit  der  Umschrift:  „Sigillum 
comitis  Walrami  de  lurenburgh"  bedient.^) 

Wenn  wir  weiter  die  bekannte  Urkunde  von  1179,  in  der  Bischof  Sigfrid 
von  Brandenburg  die  von  ihm  in  Vertretung  des  noch  in  Italien  abwesenden 
Erzbischofes  Christian  von  Mainz  am  5.  Juni  dieses  Jahres  vollzogene  Einweihung 
der  Kirche  zu  Alteuburg  bei  Heftrich  samt  der  Geschichte  von  ihrer  Ent- 
stehung erzählt  und  bezeugt^),  mit  dem  Grafen  Ruprecht  IL  in  Verbindung 
setzen,  so  geschieht  es  im  Widerspruche  mit  der  gewohnten  Annahme,  dass  in 
ihr  nur  von  Ruprecht  III.  oder  Streitbaren  die  Rede  sei.  Für  diese  scheint 
allerdings  der  Wortlaut  der  bezüglichen  Stelle  von  der  Begiftung  der  Kirche 
zu  sprechen :  „Iluius  vero  dotis  auctores  sunt  dominus  Ruobertus  de  Nasova 
et   suus    cognatus  Walraven,    qui  quinque    mansos    tam  cultos   quam    incultos 


*)  Lacomblet  1,  322;  Schliephake  1,  285  ff.  Dass  der  Graf  bei  der  Beurkundung 
nicht  zugegen  war,  bezeugt  das  Fehlen  seiner  Unterschrift,  an  seiner  Stelle  aber  stehen  often- 
bar  „Lodevvicus  de  genderstorp.  Lodevvicus  de  nestere".  Ob  der  letztere  ein  Sohn  des  „Diet- 
fryt  de  nestere"  ist  in  Bruno's  Urkunde  über  Lipporn,  Schliephake  1,  198?  Er  würde  dann 
als  nassauischer  Burgmann  zu  betrachten  sein  und  den  Adeligen  von  Nister  zugchörcn,  die 
selber  eine  Burg  dieses  Namens  bei  Marienstat  besassen,  vgl.  Vogel,  Topogr.  135,  Beschr. 
693.  —  ■'')  Lacomblet  1,  319,  Nr.  454;  Schliephake  1,  288;  Fischer  81  f.  Die  Urkunde 
trägt  bei  letzterem  zwar  das  Jahr  1175,  ist  aber  nicht  bloss,  wie  Schliephake  will,  wegen 
der  Ind.  IX,  sondern  eben  so  sehr  wegen  des  a.  praesulatus  VIT  in  das  Jahr  1176  zu  setzen, 
vgl.  Kolb,  Seriös  episcop.,  archiepiscop.  et  electorum.  Kottwilae  1725.  169  f.  Der  Abdruck  ' 
,,aus  dem  Cartular  der  Abtei"  bei  Lacomblet  hat  deshalb  die  i'ichtige  Zeitangabc.  —  ^)  Schliep- 
hake 1,  288.  Die  Abbildung  des  Siegels  sielic  bei  Kremer,  Orig.  Nass.  1,  Tafel  5.  — 
*)  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  267;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  2U1 ;  Sauer  1,  19ii  f.;  Will,  Reg. 
2,  53,  Nr.   175;  Schliephake  1,  289  ft". 


102 

super  altare  et  reliquias  beatonini  inartiruin  Kyliaui  et  sücioruni  eius  obtulerunt 
in  dotem  eeclesie  pro  remedio  et  saliite  suariim  parentumque  suorum  auimaruni." 
"Wir  geben  indessen  vor  allem  zu  bedenken,  dass  die  Urkunde  nicht  von  einem 
einheimisclien,  mit  den  verwautschaftlichen  Verhältnissen  des  Hauses  Nassau 
Vertrauten,  sondern  von  dem  fremden  brandenburg'schen  Sigfrid  oder  seinem 
Geheimschreiber  aufgenommen  ist.  Nun  war  dieser  zwar  im  allgemeinen  durch 
den  Beirat  der  maiuzischen  höheren  Geistlichen,  die  er  ausdrücklich  nennt, 
über  die  Sachlage  unterrichtet.  Aber  nicht  nur,  dass  unter  den  Laienzeugen 
„comes  de  Nassova  Ruobbertus"  allein  erscheint,  Walram  also  bei  Aufnahme 
der  Urkunde  nicht  zugegen  war,  so  mochte  auch  der  Umstand,  dass  dem  Bischöfe 
letzterer  als  Graf  von  Laurenburg  genannt  worden  sein  wird,  diesem  das 
Bruderverhültnis  nicht  deutlich  gemacht  und  ihn  darum  veranlasst  haben,  bloss 
der  Blutsverwantschaft  mit  „cognatus"  Ausdruck  zu  geben.  Sodann  fällt  be- 
deutsam ins  Gewicht,  dass  die  Verschenkuug  von  Allodialbesitz  doch  nur  dem 
Haupte  des  Hauses  "zustand,  und  wenn  es  seine  Richtigkeit  mit  der  mehrfach 
am  Pfahlgrabengebiete  gemachten  Wahrnehmung  haben  sollte,^dass  dieses  späteres 
Herrenlaud  sei,  so  war  dies  bei  der  Altenburg  erst  recht  der  Fall,  da  diese 
am  Pfahlgraben  liegt.  Ferner  müsste  es  doch  ein  eigentümliches  Zusammen- 
treffen sein,  wenn  Walram  mit  seinem  Vetter  Ruprecht  HL  gemeinsamen 
Einzelbesitz  dort  gehabt  hätte.  Überdies  aber  darf  mit  einiger  Sicherheit  ange- 
nommen werden,  dass  Ruprecht  HL  im  Juni  1178  sich  noch  ebenso  bei  dem 
kaiserlichen  Heere  in  Italien  befand,  wie  Erzbischof  Christian,  den  der  Bischof 
von  Brandenburg  hier  vertrat.  Die  Brüder  Ruprecht  H.  und  Walram  waren 
demnach  augenscheinlich  die  Begifter  der  Kirche  als  die  Herren  des  regierenden 
Hauses,  und  „cognatus"  für  Walram  ein  irriger  Ausdruck  des  fremden  Ur- 
kundeausstellers. 

Unzweifelhaft  sodann  ist  Ruprecht  IL  gemeint,  wenn  es  in|den  zu  Weisscn- 
burg  vom  Kaiser  am  ersten  Sonntage  in  der  Fasten  (18.  Februar)  1179  auf 
Bitten  der  Fürsten  und  Edlen  Rheiufraukens  für  zwei  Jahre  erneuerten  Land- 
friedens bei  Angabe  des  denselben  umfangenden  Bezirkes  an  der  bezüglichen 
Stelle  heisst:  dass  dieser  durch  die  ganze  Wetterau  über  die  Höhe  nach  der 
Grafschaft  des  Grafen  Heinrich  von  Dietz  durch  die  Landschaft  des  Grafen 
Ruprecht  von  Nassau  bis  dahin,  wo  die  Erzbistümer  Köln  und  Trier  zu- 
sammenstossen,  sodann  durch  den  ganzen  Einrieb  und  den  Rheingau  ziehe. ^) 
Üamit  ist  zugleich  das  Gebiet  des  Grafen  zwischen  Wetterau  und  Einrieb  mit 
Rheingau,  und  zwischen  Lahn  und  Rhein  andererseits  deutlich  bezeichnet,  und 


^)  Böhmer,  Acta  imperii  selecta.  Imisbr.  ],sTl.  1,  l.'JO,  Mr.  4274:  „indo  usque  F^ichcn- 
buhel  ubi  incipit  episcopatus  Wircenburgensis,  inde  usque  ad  pontem  Fuldenscm  ubi  finitur 
comitia  comitis  Berdoldi  de  Nvoringes  et  per  totam  terram  Wethereiba,  inde  per  Altitudine  (!) 
in  comitatum  oomitis  Heinrici  de  Dietze  et  per  provinciam  comitis  Ruoberti  de  Nassawe  usque 
ulji  finitur  archidiaconatus  Coloniensis  et  Trevirensis  et  ])er  totam  terram  Eiiiricha  et  per  to- 
tam Ringoviam."  —  .,Provincia"  ist  hier  lediglich  ein  anderer  Ausdruck  für  den  unmittelbar 
zuvor  gebrauchten  .,comitatus'',  der  wiederum  mit  der  vorangegangenen  „comitia"  wechselt. 
Bei  Hennes  1,  7*;,  der  die  Urkunde  norb  ungedruckt  nennt,  und  seinem  Benutzer  Schliep- 
hake  1,  294  ist  als  Datum  irrig  der  18.  März  angegeben,  während  es  ausdrücklich  ,,12.  kal. 
Mart."  heisst. 


103 

mau  begreift  nicht,  was  Schlicphake  bewegen  konnte,  einer  solchen  genauen, 
keine  andere  Ilerrscliaft  sonst  zukasseuden  Umschreibung  gegenüber  zu  behaupten, 
dass  dem  Laude  des  Grafen,  ,wie  es  scheint,  auf  einer  Seite,  gegen  die  Laurenburg 
hin,  die  Besitzungen  des  Grafen  Walram  zunächst  in  der  Esterau  benachbart 
waren,  während  auf  der  anderen  Seite,  gegen  die  Cölnische  Grenze  hin,  die 
Besitzungen  seines  Namensvetters  Ruprechts  IIL  zu  liegen  kommen."') 

Dieselbe  Verkennung  des  Landesherrn,  der  damit  von  selber  zum  Reichs- 
rate gehört,  legt  Schliephake  eben  dort  an  den  Tag,  wenn  er  Ruprecht  IIL 
auf  dem  berühmten  Fürstentage  zu  Gelnhausen  am  13.  April  1180,  bei 
dem  über  die  Reichslehen  des  in  die  Reichsacht  erklärten  Herzoges  Heinrich  des 
Löwen  vom  Kaiser  auderweite  Verfügung  getroffen  wurde,  an  der  Unterzeichnung 
der  die  Verhandlungen  berichtenden  Urkunde  beteiligt,  wie  dies  vor  ihm  auch 
Hennes^)  gethan  hatte.  Es  versteht  sich  von  selber,  dass  der  hier  unter  den 
33  Zeugen  an  20.  Stelle  stehende  „Rubertus  comes  de  Nassowe"  nur  Graf 
Ruprecht  IL  als  Reichsgraf  sein  kann  und  das  um  so  mehr,  als  er  schon  an 
dritter  Stelle  nach  den  Herzögen,  Land-  und  Markgrafen  folgt  und  selbst  dem 
Grafen  Emicho  von  Leiningen  vorangeht.^)  Das  „besonders  nahe  und  niemals 
gestörte  Verhältnis  der  Dieusttreue  und  des  Vertrauens",  in  dem  nach  Schliep- 
hake Ruprecht  der  Streitbare  zu  Kaiser  Fridrich  I.  stand,  kommt  hierbei  gar 
nicht  in  Betracht,  da  amtliche  und  persönliche  Beziehungen  bei  einer  solchen 
Gelegenheit  zwei  verschiedene  Dinge  sind. 

Da  Erzbischof  Philipp  von  Köln  in  der  soeben  genannten  kaiserlichen 
Urkunde  von  dem  Reichslehen  Heinrichs  des  Löwen  aus  dem  in  zwei  Teile 
geschiedenen  Herzogtume  Westfalen  und  Angarien  den  beträchtlichen  Teil,  der 
an  das  Erzbistum  Köln  und  das  Bistum  Paderborn  grenzte,  für  seine  Verdienste 
um  den  Kaiser  empfangen  hatte,  so  war  eine  solche  Machtvermehrung  erst 
recht  dazu  angethan,  seine  Gunst  erstrebenswert  zu  machen.  Wir  treffen  des- 
halb am  27.  Juli  desselben  Jahres  1180  unseren  Grafen  Ruprecht  in  Köln  bei 
der  Beurkundung  seines  erzbischöflichen  Gönners  über  den  Vergleich  zwischen 
ihm  und  der  kölnischen  Bürgerschaft  wegen  des  gegen  dessen  Verbot  angelegten 
Befestigungsgrabens  und  wegen  der  auf  dem  Leinpfade  und  am  Markte  errich- 
teten Häuser.*)  Nach  nicht  weniger  als  39  geistlichen  Zeugen  unter  67  solcher 
überhaupt  nimmt  „Robertus  comes  de  Nassowen "  nach  dem  Pfalzgrafen  bei 
Rhein  Konrad,  dem  Herzoge  Godefrid  von  Löwen  und  dessen  Vetter,  „Dominus 
Ileinricus  de  Limburg,"  die  erste  Stelle  ein,  ein  bemerkenswertes  Zeichen  seiner 
gräflichen  Bedeutung.  In  der  kaiserlichen  Bestätigungsurkunde  aus  Ilalberstadt 
vom  18.  August  des  gleichen  Jahres  befindet  er  sich  abermals  unter  den  21 
Zeugen.    Diesmal  freilich  als  der  17.  und  als  der  13.  unter  den  Grafen.^)    Schliep- 


^)  1,  295.  —  2)  1,  62.  —  3)  Lacomblet  1,  :}32  f.  Die  sonst  riclitig  dauerte  Urkunde 
verfehlt  es  nur  in  dem  a.  „imperii  vero  XXVI".  Es  muss  XXV  heissen.  —  *}  Ebenda  1,  Hol?  f. 
Irrig  sind  der  Kaiserjahre  bei  der  Zeitangabe  XXVII,  und  der  a.  presulat.  nostri  undeeimus 
ist  um  2  Jahre  verfehlt,  sodass  nur  Incarnations-  und  Königsjahr  stimmen.  —  ^)  Ebenda  1,  333  f. 
Vermutlich  veranlasst  durch  die  in  sie  wörtlich  aufgenommene  Urkunde  des  Erzbischofes  leidet 
auch  diese  an  dem  Datierungsfehler  der  XXVII  Kaiserjahre,  während  Incarnationsjalirc,  In- 
diction  und  Königsjahre  zutreffen  und  damit  aucli  das  Jahr  1180  der  erzbiscliöflichen  Urkunde 
bestätigen. 


104 

hake  macht  hierbei  die  zutreffende  Bemerkuug :  „Vielleicht  war  er  mit  Wahr- 
nehmung der  erzbischüflichen  Angelegenheit  besonders  betraut,  da  von  den  an- 
gesehensten Herren  aus  dem  Laieostande  nur  er  allein  sowohl  zu  Köln  als 
auch  zu  Halberstadt  bei  diesem  Geschäfte  zugegen  gewesen  ist."^)  Alsdann 
sehen  wir  ihn  im  selben  Jahre  noch  einmal  in  Köln.  Erzbischof  Philipp  ver- 
pfiiudete  seinem  „carissimus  frater  et  amicus",  dem  Erzbischofe  Arnold  von  Trier, 
für  232  Mark  kölnischer  Denare  Darlehen  seine  Höfe  ßense,  Sigenheim,  Rah- 
tecke  und,  Celtanc.^)  Ruprecht  H.  aber  diente  ihm  hierbei  nächst  elf  höheren 
Geistlichen  des  Erzstiftes  als  erster  Bürge  („obses")  von  vier  Edelen  („Robertus 
comes  de  nassowe,  Heiuricus  comes  de  seina  et  frater  eins  Euerhardus,  pro 
quibus  frater  eorum  Bruno  prepositus  spospondit,  Renerus  de  froisbret")  und 
10  benannten  Ministerialen,  Wie  dies  Zeugnis  für  die  innig  gewordene  Ver- 
bindung der  beiden  hohen  Herren  ablegt,  so  scheint  es  auch  neben  der  Ange- 
sehenheit des  Grafen  dessen  ansehnlichen  Vermögensstaud  zu  bekunden,  eine 
Sache,  die  nicht  minder  durch  die  vier  ohne  Zweifel  mit  entsprechendem  Ge- 
folge unternommenen,  darum  ausgabereichen  Reisen  dieses  Jahres  belegt  sein 
dürfte,  die  uns  gleichzeitig  darthun  mögen,  zu  welchen  Opfern  sich  seine  Haus- 
politik verstand.  Denn  fürstliche  Vergnügungsreisen  möchten  damals  schwerlich 
Sitte  gewesen  sein,  da  sie  ungleich  kostspieliger  noch  als  die  heutigen  gewesen 
sein  würden,  neben  dem,  dass  sie  erheblich  mühsamer  gewesen  wären. ^) 

Im  Jahre  1182  aber  ist  es,  dass  wir  zum  Unterschiede  von  Ruprecht  H. 
dessen  streitbaren  Vetter  Ruprecht  HI.  in  der  schon  oben  geschilderten  Vogtei- 
sache  zu  Coblenz  thätig  finden.  Es  mag  diese  seine  Eigenschaft  als  „advocatus 
Confluentinorum"^)  auf  den  ersten  Augenblick  befremden,  da  sie  einen  Ein- 
griff in  die  Rechte  Ruprechts  II.  darzustellen  scheint,  der  als  Vertreter  des 
Hauses  auf  diese  von  Arnstein  geerbte  Vogtei  die  nächsten  Ansprüche  gehabt 
hätte.  Das  Befremden  verschwindet  jedoch  sofort,  wenn  wir  erkennen  müssen, 
dass  in  der  Abtretung  dieser  Vogtei  an  Ruprecht  HI.  ein  deutliches  Leibgedinge 
für  ein  nicht  regierendes  Glied  des  Hauses  vorliegt.  Die  Vogtbede,  die  seit 
dem  12.  und  13.  Jahrhundert  in  rechtlich  bestimmten  Beiträgen  der  Vogtleute 
von  den  geistlichen  Grundherren  anerkannt  war^),  mochte  eben  einen  unver- 
äclitlichen  Beitrag  zu  dem  bieten,  was  das  Haus  sonst  noch  für  seine  Glieder 
aufzubieten  hatte,  oder  was  diese  erheiratet  haben  mochten.  Gleichwohl  mag 
Ruprecht  III.  nicht  der  alleinige  Nutzniesser  dieses  Leibgedinges  gewesen  sein, 
wenn  er  schon  alleiniger  Vogt  sein  musste.  Denn  aus  der  oben  an  der  gleichen 
Stelle  mitgeteilten  Urkunde  von  1195  ersehen  wir,  dass  der  Sohn  Ruprechts  HL, 
Hermann,  mit  seinem  „cognatus"  Walram  auf  Vogteirechte  in  derselben  „ad- 
vocatia  et  jurisdictio  conflucntiua"  zu  Gunsten  des  Klosters  II immenrode*^)  ver- 
zichtet.    Dieselbe  Gemeinsamkeit  des  Besitzes  in  diesem  Amtsbezirke,    diesmal 


'j  1,  :m).  Er  meint  das^freilicli  irrig  von  Ruprecht  III.  —  '^)  Günther  1,  439  ff.; 
Mittelrh.  Urkb.  2,  Üö  f.,  vgl.  Hennes  1,  64,  Schlicphake  1,  MOO.  —  ^)  Zur  Vergleichung 
(liirfen  wir  hierbei  an  die  Klagen  der  Fürsten  wegen  der  bedeutenden  Kosten  für  die  Hof- 
t'ahrten  erinnern.  Sielie  Toe che, 5  Kaiser  Ileinrieli  VI.  !(!,  .is«».  442,  Anm.  2.  —  *)  S.  An- 
merk.  2,  S.  94.  —  *)  Schröder,  Lehrb.  ö25.  —  ^)  Auch  Hemmenrode,  heute  Himmerode, 


105 

in  dem  eine  Stunde  von  Coblenz  entfernten  Mctricha  (Mettcrnicli'),  erweist  auch 
eine  Urkunde  von  1206.  In  ihr  bezeugt  Erzbischof  Johann  von  Trier  die  von 
Seiten  sämtHcher  Besitzer  erfolgte  Schenkung  des  bisher  unbebauten  Landes 
zwischen  Metternich  und  Rore  an  die  Abtei  Tlinimonrode.^)  Als  „domini  uille 
de  Metricha"  werden  genannt:  „Henricus  comes  de  Seina  et  frater  eins  Euer- 
hardus,  Robertus^)  comes  de  Nassowe  et  nepos  suus  Walerammus,  Anseiemus 
de  Moluesborg,  Salomena  nobills  et  deuota  matrona  cum  filia  sua  Mathildi  et 
genero  suo  lludolfo  palatino  comite  de  Tuingen,  Hermannus  etiam  miles  eiusdem 
loci  iudigena,  rusticorum  quoque  tota  communio,  qui  hereditate  possidebant  usu- 
aria."  Dass  die  genannten  Herren,  wie  seither  angenommen  wurde,  in  ver- 
wantschaftlichem  Zusammenhange  gestanden  hätten,  ist  geschichtlich  nicht  zu 
erweisen.  Ein  zufälliger  gemeinsamer  Besitz  hat  ebenso  viel  Berechtigung. 
Wir  enthalten  uns  deshalb  des  Eingehens  auf  alle  daran  gereihten,  zum  teil 
mehr  als  kühnen  Vermutungen  unserer  Vorgänger.  Fest  steht  bloss  die  eine 
uns  hier  angehende  Verwantschaft,  die  die  Urkunde  mit  „Robertus  comes  de 
Nassowe  et  nepos  suus  Walerammus"  bezeugt.  Die  Frage  ist  nur,  was  „nepos" 
an  dieser  Stelle  bedeutet.  „Enkel"  hat  Schliephake^)  schon  mit  Recht  ab- 
gewiesen, so  sehr  auch  diese  Übersetzung  beliebt  worden  war.  Sein  „Neffe" 
aber  führt  ebensowenig  zum  Ziele  und  hat  ihn  selber  unbefriedigt  gelassen.  Es 
hilft  nur  die  dritte,  dem  Mittelalter  bekannte  Bedeutung  des  Wortes.  Nepos 
ist  auch  patruelis  und  consobrinus,  d.  h.  von  des  Vaters  Bruder  abstammend, 
Geschwisterkind  und  wird  dann  vorzüglich  gebraucht,  wenn  der  so  Genannte 
der  an  Alter  oder  Würde  Geringere  ist.^)  Walram  ergibt  sich  demnach  einfach 
als  Geschwisterkind  mit  Ruprecht  dem  Streitbaren.  Die  von  beiden  in  Ver- 
bindung mit  den  genannten  Anderen  gemachte  Schenkung  fällt  aber  nicht  in 
das  Jahr  1206  der  Urkunde,  sondern,  da  Ruprecht  III.  bereits  bei  Beginn  des 
Jahres  1189  mit  Walram,  den  Vettern  Heinrich  von  Dietz  und  Bischof  Her- 
mann von  Münster,  einem  Grafen  von  Katzenelnbogen,  wie  mit  dem  kaiserlichen 
Kämmerer  Markwart  von  Neuenburg  die  Gesantschaft  nach  Konstantinopel  zur 
Förderung  des  dritten  Kreuzzuges  angetreten  hatte  und  1190  auf  dem  Zuge 
starb,  jedenfalls  vor  das  Jahr  1189  und  war  möglicherweise  veranlasst  durch 
die  Kreuzfahrt.  Die  Urkunde  selber  stellt  nur  die  Bestätigung  der  Schenkung 
der  Nachkommen  der  bis  auf  den  Pfalzgrafen  Rudolf  von  Tübingen  verstorbenen 
ehemaligen  Besitzer  des  genannten  Gebietes  dar  und  ist  ausser  von  Geistlichen 
nur  von  den  Ministerialen  der  beteiligten  Nachkommen  bezeugt. 

^)  Schliephake  1,  347  setzt  Metternich  irrig  in  das  Maienfeld,  in  dem  allerdings  auch 
ein  Dorf  dieses  Namens  lag,  das  Ortsregister  des  Miltelrh.  Urkb.'s  aber,  das  soviel  bessere 
Ortskenntnis  ausweist,   ist  für    die    von   uns  genannte  Lage  bei  Coblenz.    —   ^)  v.  Hont  heim 

1,  64ß;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  213  f.;  Mittelrh.  Urkb.   1,  2()2  f.;   Goerz,  Mittelrh.  Regest. 

2,  279,  Nr.  1013;  Wenck,  Hist.  Abh.  1,  91  if.,  Hess.  Landesgesch.  3,  236  f.;  Hennes  1, 
243  f.;  Vogel,  Beschr.  299;  Schliephake  1,  344  ff.  Die  ind.  VIU  ist  mit  IX  zu  ersetzen. 
—  ^)  So  liest  das  auf  der  Stadtbibliothek  in  Trier  befindliche  Original,  das  im  Mittelrh.  Ur- 
kundenbuch  wiedergegeben  ist,  v.  Hontheim  hat  dafür  irrig  „Henricus".  Es  werden  damit 
alle  au  diesen  letzteren  Namen  geknüpften  Bemerkungen  der  Benutzer  v.  Hontheims  hinfällig. 
Wir  müssen  uns  deshalb  nicht  mit  ihrer  Widerlegung  im  einzelnen  aufhalten.  —  \)  1 ,  270.  — 
*j  Du  Cange-Henschel  4,  620'':  Nepos,  patruelis  vel  consobrinus.  Tum  vero  maxime  pa- 
truelcs  vcl  consobrinos  nepotes  dictos  volunt,  cum  aetate  inferiores  erant  aut  dignitate. 


106 

Zu  Ruprecht  II.  führt  uns  uacli  diesen  des  Zusammenhanges  wegen  zum 
teil  vorausgenommenen  urkundHchen  Angaben  das  Jahr  1184  wieder  zurück. 
Es  ist  am  Sonntage  der  PHngsten  dieses  Jahres  auf  dem  berühmten  Reichsfeste 
auf  der  Marau  bei  Main/.'),  das  der  grosse  Kaiser  Fridrich  I.  mit  seinen 
Fürsten,  Prahlten  und  Rittern  in  strahlender  Pracht  abhielt,  dass  er  bei  dem 
in  der  Feldkirche  durch  den  Abt  Konrad  von  Fulda  erregten  bekannten  Raugstreite 
mit  dem  Erzbischofe  Pliilijip  von  Köln  diesem  seinem  gekränkten  Lehensherren  mit 
des  Kaisers  Bruder,  Pfalzgrafen  Konrad  bei  Rhein,  und  anderen  Lehensträgern 
aus  der  Kirche  folgen  wollte,  indes  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen,  des  Abtes 
Lehensmann  und  des  Kaisers  Schwestersohn,  ihm  spottend  zurief:  „Heute,  Graf, 
habt  Ihr  euer  Lehen  verdient!"  worauf  er  mannlich  erwiderte:  „Wohl  habe 
ich  es  verdient  und  werde,  so  es  heute  not  thun  mag,  es  noch  mehr  verdienen."^) 
Dieser  Vorgang  scheint  unzweideutig,  wie  die  mannhafte  Art  unseres  Grafen, 
so  seine  nicht  unbeneidete  namhafte  Stellung  unter  den  Reichsfürsten  darzuthun, 
neben  dem,  dass  sie  die  Stärke  der  Beziehung  zu  Erzbischof  Philipp  erweist. 
Geffen  die  kaiserliche  Ungnade  bot  ia  freilich  der  Vorantritt  des  kaiserlichen 
Bruders  Deckung,  aber  dass  er  sich  sofort  nach  diesem  mit  den  Worten  erhob: 
„Auch  ich  werde  meinem  Herrn,  dem  Erzbischofe,  folgen",  verrät,  dass  er  sich 
der  Tragweite  seiner  Macht  bewusst  war,  und  dass  der  von  da  ab  dem  Kaiser 
ffrollende  mächtige  Kirchenfürst  sich  auf  ihn  vorlassen  durfte,  wenn  es  zur 
offenen  Entzweiung  mit  dem  Kaiser  kam,  die  erst  der  berühmte  Tag  in  Mainz 
vom  Jahre  1188  mit  seiner  flammenden,  alle  Zwiste  niederschlagenden  Begeiste- 
rung für  einen  neuen  Kreuzzug  auf  immer  aus  der  Welt  schaffte. 

Am  Ende  dieses  selben  Jahres  1188,  am  22.  Dezember  —  damit  schieben 
wir  ein  neues  bis  dahin  unentdeckt  gebliebenes  Glied  in  die  Kette  unserer 
nassauischen  Grafengeschichte  ein  —  war  Graf  Ruprecht  II.  am  Hoflager  des 
Königs  Heinrich  VI.  in  Worms  anwesend,  da  er  als  Zeuge  bei  einer  Beurkundung 
thätig  ist,  deren  Wortlaut  zwar  nicht  mehr  erhalten  scheint,  die  aber  offenbar 


')  Annal.  10,  1^79;  Roth,  Gesch.  d.  Stadt  Wiesbaden,  17.  —  ^)  Die  Geschichte  wird  in 
Arnoldi,  Abbatis  lubecensis,  chronica  Slavorum  3,  9  (Leibnitz,  Script.  Brunsvic.  2,  661  f. 
—  nicht  „Monum.",  wie  Schliephake  1,  300  fälschlich  steht)  erzählt.  Dort  heisst  es  nach 
dorn  Bericht  über  die  Worte  des  Rheinpfalzgrafen :  „Deindc  surgens  comes  de  Assowe  fin  der 
Anmerkung  verbessert:  Nassowe]  ■  dixit :  Et  ego  in  gratiam  vestram  sequar  Dominum  meum 
Archiepiscopum^.  Dann  heisst  es  wenig  weiter:  „Respondens  autem  Ludovicus,  comes  pro- 
vincialis,  qui  fuit  horao  abbatis,  dixit  comiti  deAssowe:  Bene  hodie  beneficium  vestrum  raeru- 
istis.  Cui  ille:  et  merui  et  merebor,  si  hodie  necessitas  exegerit.''  Vgl.  Hennes  1,  65  ff.; 
V.  Raum  er,  Gesch.  d.  Hohenstaufen,  2,  4s.  Welches  dieses  vom  Landgrafen  gemeinte  bene- 
ficium, d.  h.  Lehen  auf  Lebenszeit  oder  auch  erblich  (vgl.  Du  Cange-Henschel  1,  650  ff.), 
gewesen,  ist  uns  leider  verborgen.  Dass  es  nicht  unbedeutend  gewesen  sein  muss,  verrät  der 
durch  den  Hohn  klingende  Neid  des  Landgrafen,  und  geht  ebenso  sehr  aus  der  Thatsache 
hervor,  dass  Ruprecht  IL  sich  als  ersten  külnischen  Lehenstriiger  nach  dem  Rheinpfalzgrafen 
weiss,  da  er  sich  unmittelbar  nach  diesem  erhebt,  und  dann  erst  der  Graf  von  Flandern  und 
die  übrigen  folgen.  Dass  den  Landgrafen  der  Hohn  alsbald  reute,  beweist  der  Umstand,  dass 
er  nach  Beendigung  des  Festes  dem  Erzbischofe  nachreist  und  nicht  eher  Köln  verlässt,  als 
bis  er  dessen  Unwillen  besänftigt  hatte,  ja  sich  in  der  Folge  mit  diesem  wider  den  Kaiser 
verband,  vgl.  Toeche,  Kaiser  Heinrich  VI.  :iO  f.,  woselbst  auch  die  übrigen  Quellen  über  das 
Fest  angeführt  und  anderweite  Litteraturangaben  gemacht  sind. 


107 

[lern  Erzähler  ilircs  Tuliultcs,  dem  Verfasser  des  „Clironicon  Hanoniense", 
[Irislebcrt  oder  Gisilbert,  vorgelegen  haben  muss.  Ihm  zufolge  hatte  der  König 
uach  mannigfachen  Verhandlungen  mit  dem  Grafen  Balduin  von  Hennegau 
3ie  dem  Reiche  von  diesem  aufgetragenen  Allodien  und  Lehen  der  Grafschaften 
Namur  und  Plennegau  zu  einer  Mark  vereinigt  und  letztere  dem  Grafen  über- 
leben, wie  dies  bereits  sein  Vater  Fridrich  1184  festgesetzt  hatte.  Als  Zeugen 
führt  Gisilbert  dabei  den  Erzbischof  Konrad  1.  von  Mainz,  den  Rheinpfalzgrafen 
Konrad,  die  Bischöfe  von  Worms  und  Speier,  die  Grafen  Robert  von  Nassau, 
Emicho)  von  Leiningen,  Robert  von  Dorne,  den  Kanzler  Johann,  von  Ministerialen 
Werner  von  Bolanden,  Cuno  von  Minseberch,  F(ridrich)  von  Husen  und  Hunfrid 
^on  Falkenstein  auf.^)  Da  die  Sache  vorerst  geheim  gehalten  werden  sollte, 
}0  haben  wir  in  den  Zeugen  Vertrauenspersonen  des  Königs  zu  erblicken, 
ieugt  das  auf  der  einen  Seite  für  die  politische  Bedeutung  unseres  Grafen  in 
Jen  Augen  des  Königs,  so  tritt  die  statsmännische  nicht  minder  hervor.  Denn 
)s  sind  Statsmänner  ersten  Ranges,  unter  denen  sich  Ruprecht  IL  hier  befindet. 
i\.llen  voran  nicht  bloss  au  Amtswürde  steht  Erzbischof  Konrad  von  Mainz. ^) 
Fohann  bezeichnet  schon  seine  Kanzlereigenschaft  als  solchen,  wie  es  nicht 
ninder  seine  bald  danach  erfolgende  Erhebung  auf  den  Erzstuhl  in  Trier  thut.^) 
Desgleichen  war  der  Bischof  von  Worms  als  geschickter  Vermittler  bekannt.^) 
Die  reichsministerialen  Ritter,  Werner  von  Bolanden  und  Kuno  von  Minzenberg, 
jbenso  reich  begütert,  als  statsmännisch  gebildet,  zählten  zu  den  vertrauten 
^äteu  des  Kaisers  Fridrich,  wie  seines  Sohnes  Heinrich^),  ebenso  der  Minne- 
länger    Fridrich    von    Hausen. '')      Es    ist    aber    noch    ein    Anderes,    was    die 

')  Mon.  Germ.  21,  564:  „Dominus  autem  rex  adunatis  tarn  allodiis  quam  feodis  et  fami- 
iis  et  ecclesiis  in  istis  comitatibus  sitis,  ad  imperium  pertinentibus,  ex  iis  principatum,  qui 
aarchia  dicitur,  fecit  et  eandem  marchiam  comiti  Hanoniensi  in  feodo  ligio  concessit;  unde 
iomes  Hanoniensis  ligium  ei  hominium  [homagium]  fecit,  sub  testimonio  principum,  scilicet  Con- 
ardi  Manguntinensis  arcliiepiscopi  et  Conrardi  comitis  palatini  Reni  et  episcopi  Wormatiensis 
t  episcopi  Spirensis  et  aliorum  multorum,  Roberti  comitis  de  Nassoa,  .  .  .  comitis  de  Linenghis 
:t  Roberti  de  Dorna  et  Johannis  cancellarii  et  ministerialium,  scilicet  Werneri  de  BoUanden, 
yononis  de  Minsebei'ch,  F.  de  Husa,  Hunfridi  de  Falconis  Petra  et  aliorum  multorum  tarn 
lobilium  quam  ministerialium.  Sicque  comes  Hanoniensis  et  princeps  imperii  et  marchio  Na- 
aurcensis  factus  est."  Auffälliger  weise  hat  "Will  diese  Urkunde  nicht  in  seinen  Regesten  ver- 
leichnet,  und  Toeche  sie  als  solche  nicht  erkannt.  Ebenso  ist  des  letzteren  Datum:  .,Weih- 
lachten  1189"  S.  101  in  11S8  zu  verbessern,  das  seine  Regesten  S.  643  richtig  angeben.  — 
)  Toeche  llö;  Will,  Regest.  2,  IV.  —  ^)  Toeche  116.  —  *)  Ebenda  38,  115.  —  ^}  Ebenda  23. 
-  ^)  Riezler  (s.  S.  110,  A.  6  unten)  11.5  f.;  Toeche  59,  Anm.  2,  83,  504  f.,  wo  sein  Tod  bei 
ler  Verfolgung  der  Seldschucken  vor  Philomelium,  6.  Mai  1190,  durch  einen  Druckfehler  in 
19(3  gesetzt  ist.  Es  mag  an  diesem  Orte  nicht  unerwünscht  scheinen,  hinzuzufügen,  was  ich 
ler  Güte  des  Herrn  Professor  Otto  verdanke,  dass  Fridricli  von  Hausen  sich  so  nach  der 
ehr  ansprechenden  Vermutung  Sclienk's  („Zur  Frage  nach  dem  Wohnsitze  Friedrichs  von 
lausen"  in  der  Zeitschr.  f.  deutsch.  Altertum  1887.  32,  43)  von  unserem  St.  Goarshausen  gc- 
lannt  hat,  das  ehemals  nur  Husen  hiess,  vgl.  Vogel,  Topogr.  86,  Besclir.  633.  Er  gehörte 
ilso  zur  rheinischen  Ritterschaft  und  war  Nachbar  unserer  Grafen.  Möglich,  dass  der  1159 
tls  Zeuge  in  dem  worms-trier-laurenburg'schen  Handel  vorkommende  .,Waltcrus  de  husen" 
Schliephake  1,  203)  der  Vater  Fridrich s  war.  Schenk  vermutet,  dass  .,Fridcricus  de 
Jrubac"  in  dem  Vertrag  zwischen  Hillin  und  Laurenburg  aus  dem  gleichen  Jahre  (Schliep- 
lake  1,  205  —  Schenk's  Citat  ist  irrig)  ein  Verwanter  Friedrichs  von  Hausen  gewesen  sein 


108 

Zeugenschaft  unseres  Grafen  bei  diesem  Anlasse  bemerkenswert  macht.  Die 
endo-iltige  Verleihung  der  Markgrafschaft  au  Bakluiu  hatte  auch  eine  Spitze 
gegen  den  Lehensherrn  Ruprechts  II.,  den  Erzbischof  von  Köln,  die  dieser 
bereits  auf  dem  vorhin  besprochenen  Reichsfeste  gefühlt,  und  die  seine  Ver- 
stimmung über  die  kaiserliche  Bevorzugung  des  Abtes  Konrad  von  Fulda  nicht 
wenig  gesteigert  hatte.  Damals  war  nämlich  dem  Grafen  Balduin,  der  das 
Reichsschwert  bei  dem  Feste  vorangetragen  hatte,  von  Kaiser  Fridrich  bereits 
die  Zusicherung  geworden,  dass  er  die  von  seinem  alternden  Oheime  zu  er- 
wartende Grafschaft  von  Luxemburg  und  Namur  mit  Henuegau  vereinigt  als  Mark- 
ffrafschaft  erhalten  sollte.')  Dieser  Zuwachs  an  Macht  erschuf  ihm  aber  be- 
denkliche  Xebenbuhler  an  seinen  französischen  Nachbaren,  dem  Grafen  von 
Flandern  und  dem  Herzoge  von  Brabant  und  an  dem  diesen  beiden  verwanten 
und  benachbarten  Erzbischofe  Philipp  von  Köln,  und  verwickelte  ihn  in  be- 
ständige und  gefährliche  Fehde  mit  diesen,  —  ein  Grund,  der  die  endgiltige, 
von  den  Gegnern  durch  höhere  Angebote  immer  hintan  gehaltene  Belehnuug 
vorerst  noch  zu  einer  Geheimsache  machte,  bis  es  endlich  im  Oktober  1189 
gelang,  den  Erzbischof  voll  zu  versöhnen  und  sogar  zum  Friedeusmittler  zwischen 
den  Streitenden  zu  machen.^)  Das  Hineinziehen  in  das  königliche  Vertrauen 
bedeutet  also  für  Ruprecht  II.  ein  Abziehen  vom  kölnischen  Erzbischofe,  war 
aber  zugleich  von  der  königlichen  Statskunst  wohl  berechnet,  um  den  Grafen 
zum  Mitwirker  am  endUchen  Frieden  mit  dem  Erzbischofe  zu  machen.  Wir 
hatten  deshalb  wohl  ein  Recht,  von  der  politischen  wie  statsmännischen  Bedeutung 
Ruprechts  II.  zu  reden. 

Wie  hier  aber  die  Machtstellung  und  das  statsmännische  Gewicht  des 
Grafen,  so  ist  es  abermals  der  unverkennbar  gute  Vermögensstand  desselben, 
den  uns  in  dieser  Zeit  eine  Urkunde  des  Erzbischofes  Konrad  von  Mainz  offen- 
bart. Stumpf  teilt  dies  bemerkenswerte  Schriftstück  aus  dem  Originalconcepte 
im  Archive  zu  Würzburg  (München)  mit  und  setzt  es  —  es  ist  undatiert  — 
zwischen  die  Jahre  1187  und  1190.^)  In  ihm  schildert,  um  mit  den  Regest- 
worten Stumpfs  zu  reden,  „Erzbischof  Konrad  I.  von  Mainz  und  Cardinalbischof 
von  Sabina,  in  welchem  Zustand  der  Verwüstung,  Unterdrückung  und  Demütig- 
ung er  die  mainzer  Kirche  bei  seiner  Rückkehr  (1183)  getroffen  habe,  zählt 
ferner  genau  die  Verluste  auf,  die  dieselbe  durch  die  verschiedenartigsten 
Veräusserungen,  Belohnungen,  Verpfändungen  erlitten  und  verzeichnet  dann 
ausführlich,  welche  Güter,  Schlösser  u.  s.  w.  und  um  welche  Summen  er  für 
die  Kirche  zurückerworben  und  gekauft  habe."  Hier  heisst  es  nun  von  unserem 
Grafen:  „Pignori  obligate  diximus  comiti  Ruberto  de  Nassowe  curtim  Loginstein 
pro  GL  marcis  examinati  argenti;  eidem  comiti  Ruberto  Ramsei  cum  aliis 
adiacentibus  possessionibus  LVII  marcis"  und  danach:  „Deinde  a  comite  Ruberto 
curtim    de  Loginstein    et  Ramsei    et  Drissungen    et  Espelscheit    pro  CG  marcis 

möge.    Alles  in  Anlehnung  an  Sauers  Mitteilung   „Zur  älteren  Gesch.  der  Herreu  v.  Eppen- 
stein  und  v.  Homburg'',  Annal.   H»,  56. 

')  Die  Urkunde  wurde  veröffentlicht  von  Prutz,  Heinrich  der  Löwe  483  und  bei 
Toeche  Ooo  f.  Hier  sind  schon  "SVcrner  von  Bolanden  und  Kuno  von  Minzenberg  Zeugen, 
ausserdem  aber  auch  Graf  Heinrich  von  Dietz.  —  -J  Toeche  4!J  ff.,  !»ii  IW,  117.  —  ^)  Act. 
Magunt.  114  ff.;  Sauer  1,  2uy  f.  Nr.  287;  Will,  Regest.  2,  100,  Nr.  91. 


109 

recollegimus."  Der  Graf  verzichtet  also,  wenn  richtig  gebucht  iat^),  auf  7  Mark, 
durch  den  Verzicht,  wie  das  Darlehen  beweisend,  dass  es  ihm  nicht  an  klingen- 
dem Gute  gebrach,  noch  an  dessen  kluger  Verwertung.  Was  die  ihm  ver- 
pfändeten Orte  betrifft,  so  ist  der  Hof  von  Lahnstein  bekannter  mainzischer 
Besitz,  Ramsei  mit  dem  etwa  eine  Stunde  entfernten  Espelschied  rheingauisches 
Eigentum  des  Erzstuhles,  und  Drissuugen  offenbar  ein  ausgegangenes  Dorf 
In  deren  Nähe,  wie  die  erste  urkundliche  Bezeichnung:  „Ramsei  adiacentibus 
possessionibus"  schliessen  lässt,  wenngleich  die  Endung  -ungen  ins  Hessische 
Dder  Thüringische  weist,  wo  sich  allerdings  kein  Ort  dieses  Namens  findet. 
Die  Zeit,  in  der  Versatz  und  Auslösung  vor  sich  ging,  wird  von  Schliephake 
imter  dem  falschen  Gesichtspunkte,  dass  Ruprecht  HI.  der  „comes  Hubertus" 
3er  Urkunde  sei,  einseitig  und  noch  dazu  unter  Nichtbeachtung  der  in  ihr 
k^orliegenden  anderweiten,  von  seinem  Gewährsmanne  Stumpft)  genau  hervor- 
gehobenen Zeitbestimmungen  zwischen  1187  und  1189  gesetzt,  während  Scholz 
aachzuweisen  sucht,  dass  die  Urkunde  aus  drei  Teilen  bestehe,  von  denen  der 
3rste  zwischen  die  Jahre  1186  und  1190  gehöre,  der  zweite  aber  erst  in  die 
Zeit  nach  1195  gesetzt  werden  müsse.^)  Da  die  Angaben  über  das  unsere 
jrrafen  betreffende  Geschäft  dem  ersten  Teile  zuzuweisen  sind,  so  dürfen  wir 
lie  Scholz 'sehe  Feststellung  gelten  lassen,  von  der  diejenige  Stumpfs  sich 
lur  durch  das  Anfangsjahr  1187  unterscheidet.  Der  freigebige  Erlass  mag 
lann  immerhin  der  Kreuzzugsbegeisterung  des  Jahres  1189  zugeschrieben  wer- 
leu,  die  das  nassauische  Haus  um  so  tiefer  erfasst  zeigt,  als  zwei  seiner  Glieder 
n  so  hervorragender  Weise  an  dem  Kreuzzuge  beteiligt  waren. 

4.  Walrams  YOrzeitige  Rückkehr  vom  Kreuzzuge  und  Ruprecht  II. 

Aber  freilich  sehen  wir  diese  Begeisterung  bei  einem  derselben,  dem 
jrrafen  Walram,  schon  gleich  im  Anfange  verraucht.  Wir  müssen  das  aus 
iiner  Urkunde  des  Jahres  1190  schliessen,  in  der  er  mit  seinem  älteren  Bruder 
Ruprecht  H.  als  Zeuge  in  Köln  erscheint.  Dass  wir  uns  damit  in  Widerspruch 
iiit  unseren  Vorgängern  setzen,  ist  ein  um  so  grösserer  Anreiz,  unseren  Schluss 
lesto  unanfechtbarer  zu  begründen.  In  der  Urkunde  bezeugt  Erzbischof  Philipp, 
3ass  „comes  Theodoricus  de  Widhe"  seine  Burg  Holebriche  (Olbrück),  soweit 
hr  Graben  reicht,  mit  ihrem  Boden  und  Zugange  der  Kirche  S.  Petri  in  Köln 
!u  Lehen  aufgetragen  habe.  Unter  den  26  Zeugen  mit  dem  Erzbischofe  selber 
m  der  Spitze  stehen  „Rubertus  comes  de  Nassawe  et  Walramus"  an  6.  und 
L  Stelle.  Als  Datum  ist  ausnahmsweise  nur  das  Jahr  1190  angegeben  mit 
lern  Zusätze  am  Schlüsse  der  ganzen  Urkunde:  „regnante  Friderico  Romanorum 
mperatore  augusto."  Der  erste  Abdruck  des  Schriftstückes  in  Joannis'  Spici- 
egium'*)  stimmt  wörtlich  mit  dem  Fischer's^j  ,ex  Chartulario  Coloniensi", 
wie  mit  dem  bei  Lünig^)  überein  und  weicht  nur  sehr  unwesentlich  von  dem 
3es  Mittelrh.  Urkundenbuches^)  „aus  Kindliuger's  Sammlung"  ab.  Man  begreift 


^)  Die  Summen  stimmen  nämlich  in  der  ganzen  Aufzeichnung  nicht  überein,  wie 
Stumpf  117,  Anm.  darthut.  —  -)  S.  XXX.  —  •')  De  Conradi  I.  princip.  territor.  37  f.  bei 
Will,  Regesten  2,  Gl,  Nr.  Gl.  —  *)  S.  19  f.  —  ■')  Geschlechtsreg.  der  Häuser  Isenburg, 
Wied  und  Runkel.    2,  4U.  —  **)  Corp.  jur.  feudalis.    1,  145G.  —  ')  2,  140  f.  u.  746,  Nr.  833, 


110 

deshalb  nicht,  wie  sich  Hennes^),  der  allerdings  nur  den  Abdruck  des  Joanuis 
und  Fischer's  kannte,  zu  der  Behauptung  verirren  konnte,  nachdem  er  das 
Jahr  1190  der  Urkunde  beanstandet  und  willkürlich  in  1185  verwandelt  hatte: 
Die  Urkunde  „ist  auch  sonst  so  korrumpirt,  dass  sie,  wie  es  scheint,  deshalb 
nicht  in  Lacomblets  Urkundenbuch  aufgenommen  worden  ist."  Eltester,  der 
Herausgeber  dieses  Teiles  des  Mittelrh.  Urkundenbuches,  hat  mit  Recht  keinen 
Anstoss  an  der  Urkunde  genommen,  und  sein  liegistrator  Goerz  bemerkt 
deshalb  mit  eben  so  gutem  Rechte  zu  ihr:  „Da  Kaiser  Fridrich  I.  1190,  Juni  19. 
im  Flusse  Saleph  ertrank,  in  die  erste  Hälfte  des  Jahres  1190  fallend."^)  Erst 
in  seinen  Mittelrh.  Regesten  liess  letzterer  sich  in  der  Datierung  irre  machen 
und  bemerkt  zu  dem  ins  Jahr  1185  gesetzten  Auszuge  der  Urkunde:  „Da  die 
Grafen  von  Nassau  im  Jahre  1190  noch  bei  dem  Kreuzheere  im  Orient  waren, 
so  nimmt  Hennes  einen  Schreibfehler  in  der  Datierung  der  corrumpirten 
Abschrift  an  und  verbessert  1190  wohl  mit  Recht  in  1185."^)  Schliephake^) 
war  ihm  liierin  vorangegangen.  Keiner  bedachte,  dass  das  Datum  einer  Ur- 
kunde so  lange  unantastbar  ist,  bis  die  schwerwiegendsten  anderweiten  geschicht- 
lichen Umstände  gegen  es  sprechen.  Vom  leichtesten  Gewicht  aber  ist  der 
Grund,  dass  die  beiden  Grafen  Ruprecht  und  Walram  sich  damals  noch  bei 
dem  Kreuzheere  befunden  haben  sollen.  Nur  vom  ersteren  ist  dieses  sicher 
anzunehmen,  und  das  ist  nicht  der  Zeuge  unserer  Urkunde,  da  dieser  selbst 
nach  Schliephake  nur  Ruprecht  H.  sein  kann,  der  am  Kreuzzuge  so  wenig 
teilgenommen  hatte,  als  sein  Lehensherr,  Erzbischof  Philipp.  Des  Grafen  Walram 
aber  wird  seit  seiner  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft  in  Konstantinopel  am 
28.  Oktober  1189  nicht  mehr  bei  dem  Kreuzheere  gedacht.  Hennes  ist  es 
selber^),  der  uns  den  Quellen  gemäss  berichtet,  dass  Kaiser  Fridrich  sowohl 
im  Briefe  aus  Philippopel  an  seinen  Sohn  Heinrich  VI.  vom  18.  November*'), 
als  in  einem  solchen  an  Herzog  Leopold  von  Ostreich  aus][^  Adrianopel  vom 
Winter  1189 — 1190^)  nur  den  Bischof  Hermann  von  Münster,  den  Grafen 
Robert  und  den  Kämmerer  Markwart  als  Gesante  nennt.  Er  hätte  aber  hin- 
zusetzen können,  dass  der  Verfasser  der  „Chronica  Slavorum",  Abt  Arnold  von 
Lübeck,   überhaupt    nur    diese    drei    Gesanten    kennt.^)      Wie    aber  ^konnte   es 

')  1,  111,  Anm.  2.  —  ^)  Gregorius  IV.,  Catholicus  der  Armenier,  meldet  erst  im  Juli 
oder  August  1190  mit  den  seitherigen  Thaten  des  Kaisers  Fridrich  in  Griechenland^und  Asien 
dem  Sultan  Saladin  dessen  Tod.  Vgl.  Rüliricht,  Regesta  regni  liierosolymitani.  Innsbr.  1893. 
18.J,  Nr.  t/.M.  —  ^)  2,  154  f.  Anm.  Die  für  Hennes  angegebene  Seitenzahl  ,,lUü,  Note  :^'' 
ist  nach  unserer   obigen  Angabe   bei    ihm    zu   verbessern.   —    *)  1,  307.  —  ^)  1,  97,  99  Anm. 

—  ")  Nach  Riezler,  Der  Kreuzzug  des  Kaisers  Friedrich  in  „Forsch,  z.  deutsch. JGesch.**  X, 
48  u.  112  f.  ist  es  der  16.  Nov.  —  ^  Riezler  113  setzt  den  Brief  „c.  1189,  Ende  November". 

—  **)  3,  30:  „His  verbis  nimis  credulus  et  perterritus  Constantinopolitanus  nuncios  imperatoris, 
Episcopum  videlicet  Monastericnsem  et  Robertum  de  Assowe  et  Marquardum  cammerariura 
cum  quingentis  militibus  comprehendi  praccepit."  Leibnitz,  Script.  Brunsv.  2,  |678 ;  Mon. 
Germ.  21,  172.  Nicht  ersichtlich  ist,  aus  welcher  Quelle  Brower,  Annal.  trevir.  2,  85  ge- 
schupft hat,  wenn  er  von  den  am  Kreuzzuge  Beteiligten  der  trierischen  Diücese]unter;  anderem 
sagt:  „Trans  Rhenum  adscripti,  manu  famaque  strenui,  Robcrtus,  Comes~Nassovius,  et  huic  a 
Logana  vicini,  utcrque  Henricus  junior  seniorque  Cumites  Dietzii.  Nassovius  juniorque  Dietz- 
ius  ob  industriae  virtutigque  spectatae  famam,  Noribergensi  conventu,  lecti  de  pace  oratores 
ad  Isaacum  Angelum  Üiientis  Imperatorem;  niissique  cum  Monasteriensi  Episcopo  Constantino- 


111 

gescheheu,  dass  Graf  Walrain,  der  doch  von  Ansbert  ausdrücklich  als  Mitge- 
santer  genannt  wird,  seit  der  Rückkehr  von  Koustantinopel  nicht  mehr  erwähnt 
wird?     Wir  dürfen  kaum  annehmen,    dass  die  bei  der   schnöden   monatelangen 
Gefangenschaft  erlitteneu  Drangsale  ihn  zur  sofortigen  Rückkehr  in  die  Heimat 
veranlasst    haben    könnten.     Wohl  aber  scheint    es  der  kaiserliche  Empfang  in 
Philippopel  gewesen  zu  sein,  der  iiiu  gekränkt  in  die  Heimat  trieb.     Denn  der 
Augenzeuge,  Bischof  Dietbold,  berichtet  vom  Kaiser,  dass  er  beim  Empfang  seiner 
mit    so    viel  Feierlichkeit  von    ihren  Landsleuten   eingeholten  Gesanten    nur    in 
die  Umarmung  des  Bischofes  von  Münster  und  des  Grafen  Ruprecht  geeilt  sei 
und  diese  mit  Thränen  empfangen  habe.^)    Wie  leicht  konnte  diese  Auszeichnung 
den    nicht    mitausgezeichneten    und     nach    seinen    gleichen    Erlebnissen    doch 
gleicher  Ehren    gewärtigen  Grafen  Walram    verstimmen.     Wir  haben  die  Ehr- 
begriffe der  hohen  Herren  dieser  Zeit  noch  in  frischer  Erinnerung  vom  Erzbischofe 
Philipp  her.")    Jedenfalls  muss  etwas  der  Art  vorgelegen  haben,  was  den  Grafen 
bestimmte,  sich  eigenmächtig  seines  Kreuzzugsgelübdes  zu  entbinden  und  in  die 
Heimat   zu    eilen.      Denn   nur   in    diesem   der   gläubigen   mittelalterlichen    Zeit 
peinlichen  Lichte  gewinnen  die  bis  heute  noch  unerklärten  Worte  der  Gemahlin 
Kuueguudis   in   der  Urkunde  von  1198  Bedeutung,  in  der  sie  „ob  anime  mariti 
sui    Comitis   Walrami    memoriam   et   remedium    non  solum    manu   voluntateque 
libera,     verum    etiam    vniversorum    ministerialium    assensu    consilioque    inducta 


polira."  Auch  hier  ist  Walram  ausgelassen.  Die  „Continuat.  Zwetlensis  altera",  Mon.  Germ. 
11,  544  kennt  gar  nur  zwei  Abgesante:  „Episcopum  autem  Monasteriensem  et  comitem  de 
Nassowe,  viros  prudentes  et  magni  consilii  principes,  promiserat  ad  regem  Grecorura  Ysachiura 
ad  praeparandam  viam  et  mercetum."  Wie  schwankend  überhaupt  die  damaligen  Zeitbücher 
über  die  Zahl  der  Gesanten  sind,  beweist  auch  der  von  Hennes  1,  83  bereits  angeführte 
Gottfried,  dessen  Bericht  in  den  nun  längst  von  Karl  Pertz  mustergiltig  herausgegebenen 
„Annales  Colonienses  Maximi",  Mon.  Germ.  17,  779,  Zeile  24  ff.  vorliegt,  und  der  nur  die 
Grafen  Ruprecht  und  Walram  nennt  und  beide  noch  dazu  irrig  von  Nicaea  (Nissa)  an  den 
Ort  ihrer  Bestimmung  abgehen  lässt.  Der  sog.  Ansbert  —  „sog.",  weil  erst  eine  Hand  aus 
der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  der  Handschrift  aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts: 
„Ystoria  de  expeditione  Friderici  imperatoris  edita  a  quodam  Austriensi  clerico,  qui  eidem 
interfuit"  die  Worte  zugesetzt  hat:  „nomine  Ansberti",  vgl.  Riezler  89  —  ist  es  allein,  der 
als  Gesante  „episcopum  Monasteriensem  et  comitem  Rudpertum  de  Nassowe  et  cognatura 
eius  Walrab  comitem  et  Henricum  iuniorem  comitem  de  Diez  et  March  cammerarium  suum" 
nennt.  Canisius,  Lectiones  antiqu.  3,  504  f.  Fontes  rer.  austriacarum  5,  14,  1(5.  Befremd- 
licherweise lässt  Wilken,  Gesch.  der  Kreuzzüge  4,  54,  obwohl  er  die  Quellen  in  ihren  alten 
Ausgaben  kennt,  nach  Anm.  (J  nur  den  Bischof  von  Münster,  die  Grafen  Robert  von  Nassau 
und  Heinricli  von  Diech  und  den  Kämmerer  Marqwart  gesendet  sein  und  weiss  bloss  das 
falsche  „Diech"  S.  16  nach  der  Quelle  in  „Dietz"  zu  verbessern,  obwohl  er  S.  95  alle  Namen 
aus  Ansbert  wiedergibt. 

')  „Dominus  vero  Imperator  de  domo  suo  exiens  in  amplexus  Episcopi  et  Comitis  irruit, 
cum  multis  lacrymis  eos  suscepit,  dicens:  Gratias  ago  Deo,  quia  filii  mei  mortui  erant  et  re- 
uixerunt,  perierant  et  inuenti  sunt."  Tageno,  Descriptio  expeditionis  asiat.  bei  Fr  ehe  r- 
Struve,  Script.  Germ.  1,  409;  Mon.  Germ.  17,  510.  Oder  sollten  gar  die  vom  Kaiser  ge- 
brauchten Worte  aus  dem  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohne,  Luc.  15,  24,  verstimmend  gewirkt 
haben?  —  ^)  Arnold  ist  in  seiner  Chron.  Slav.  freilich  der  Meinung,  dass  der  Abt  von  Fulda 
der  Ehrgeizige  gewesen  sei,  und  lässt  deshalb  der  Erzählung  des  Sachverlialtes  ein  ganzes 
Kapitel  (X.)  „de  superbia  detestabili  monachorum"  folgen.  Mon.  Germ.  21,  113,  vgl.  Riez- 
ler 12. 


112 

omnem  decimarum  provcntum  de  novalibus  in  Estenforsf,  qui  ad  eius  proprie- 
tärem spectabat,  Ecclesie  S.  Nicolai  in  Arnesteiu  fratribusque  Deo  ibidem 
servientibus  mente  devota  douavit,  ut,  si  quo  predictus  Comes  adhuc  in 
corpore  vivens  ex  operum  illicitorum  commisso  impenitens  morte 
decesserat,  eorum  precum  aminiculo  apud  misericordiarum  Patrem 
misericorditer  expiaretur."^)  Der  gläubigen  Witwe  lag  ein  Fluch  des 
Gatten  auf  der  Seele,  und  welcher  könnte  dies  mit  grösserer  Gewissheit  gewesen 
sein,  als  der  des  gebrochenen  Kreuzzugsgelübdes?  Sehen  wir  doch  auch,  dass 
der  Zeitgenosse  des  Grafen,  der  arnsteiner  Mönch,  schweigend  an  Walram 
vorübergeht,  während  er  nicht  unterlassen  hat,  des  streitbaren  Vetters  als  eines 
„peregrinus"  zu  gedenken.  Und  dass  alle  anderen  ebenso  Berufenen  schweigen, 
redet  auch.  Mau  scheute  peinliche  Berichte  bei  der  heiligen  Sache  des  Kreuz- 
zuges-), man  scheute  wohl  auch  den  mächtigen  Grafen  und  den  noch  mächtigeren 
Kaiser. 

Was  darf  uns  unter  solchen  Umständen  hindern,  Walram  mit  seinem 
Bruder  Ruprecht  bei  der  gedachten  Urkunde  von  1190  als  Zeugen  thätig  zu 
sehen?  Sicherlich  nicht  die  seither  gangbar  gewesene  Annahme,  dass  Walram 
samt  seinem  Vetter  Ruprecht  III.  am  5.  März  1190  die  Urkunde  zur  Gründung 
des  deutschen  Ordens  mit  unterzeichnet  habe.^)  Denn  die  neuesten  Forschungen 
auf  diesem  Gebiete  haben  ergeben,  dass  die  Gründung  erst  am  5.  März  1198 
stattgefunden  hat^),  die  Namen  der  beiden  Grafen  also  einen  späteren  Eintrag 
in  die  Liste  der  damals  Anwesenden  darstellen  würden,  der  daher  rühren  könnte, 
dass  man  schon  frühe  den  vierten  Kreuzzug  mit  dem  dritten  verwechselte  und 
darum  die  Namen  der  letzteren  in  jenen  übertrug.  Liess  sich  doch  selber 
Kaiser  Fridrich  11.  verleiten,  seinen  Grossvater  Fridrich  I.  Gründer  des  Ordens 
zu  nennen.^)  Von  grösserem  Belange  dagegen  könnte  es  scheinen,  dass  Graf 
Theoderich  von  Wied,  der  Lehensaufträger  der  Burg  Olbrück  an  Köln,  in  der 
oben  genannten  Urkunde  sich  auch  beim  Kreuzheere  befand.  Denn  unter  den 
„priores  et  celebriores"  der  Lagergenossen  bei  Philippopel  wird  von  Ansbert 
ausdrücklich  „Dietricus  comes  de  Widen"  genannt.^)  Ebenso  wird  berichtet, 
dass  die  Mannen  des  Bischofes  von  Würzburg  und  die  Grafen  von  Salm, 
Wied  und  Sponheim  drei  von  Wallachen  bewohnte  Städte  besetzt,  die  beiden 
ersten   ohne  Widerstand,    die   dritte   mit  Schwertes  Schärfe   genommen   hatten, 


*j  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  214  f.;  Gudenus,  Cod.  dipl.  2,  27  f.;  Schliephake  1, 
168  f.;  Herquet,  Urkb.  d.  Prämonstratenser-Klosters  Arnstein.  Wiesb.  1883.  15,  Nr.  9.  — 
^)  Mit  Recht  hebt  Rie zier  96  hervor:  „Unverkennbar  ist  Ansberts  schönfärbendes  Bestreben, 
die  Bewegung  noch  geistlicher  und  heiliger  hinzustellen,  als  sie  war."  Die  hierzu  beigebrach- 
ten Belege  sind  selir  lehrreich.  —  ^)  Hennes  1,  UU;  Schliephake  1,  ;J.}S.  —  *}  Das  Regest 
darüber  siehe  Ruh  rieht,  Regesta  regni  hierosolym.  197,  Nr.  740,  woselbst  die  übrige  Litte- 
ratur,  der  wir  nur  noch  Riezler  85  und  Will,  Regesten  2,  110,  Nr.  3S0  zufügen.  Im  übrigen 
hätten  Hennes  und  Schliephake  schon  durch  die  bei  ihrem  Gewährsraanne  Voigt,  Gesch. 
Preussens,  2,  04S  sich  findende  Angabe  irre  werden  können,  dass  ., viele,  ja  die  meisten  der 
in  der  Ordenschronik  genannten  Fürsten  an  der  Kreuzfalirt  im  Jahre  1190  gar  nicht  teil- 
nahmen." Aber  freilich  Voigt  selber  war  geblendet  durch  die  Angabe  vieler  Chronisten  vom 
Jahre  1190.  —  •')  Riezler  8(5.  Wir  haben  jedoch  später  eine  andere  Erklärung  hierüber 
vorzusdilagen.  —  '')  Wilken  4,  95. 


IIB 

sodass  mau  5000  Tote  des  Feindes  zählte.')  Aber  hier  kommt  in  Betracht, 
dass  unsere  Urkunde  den  Grafen  nicht  als  gegenwärtig  bezeichnet,  und  sein 
Name  auch  nicht  unterschrieben  ist.  Dagegen  stehen  an  erster  Stelle  nach 
dem  Erzbischofe  Philipp  „Ulricus  comes  de  Nurberch,  Gerardus  filius  suus  comes 
de  Are."  Diese  aber  sind  zweifellos  allernächste  Verwante  des  Grafen  Theo- 
derich, wenn  man  einer  Angabe  des  Gelen ius  trauen  darf,  nach  der  Erzbischof 
Arnold  von  Köln,  der  Vorgänger  Philipps,  aus  wiedischem  Geschlechte,  einen 
„Lambertus  de  Nuerberch"  zum  Neffen  hatte. 2)  Man  wird  deshalb  annehmen 
dürfen,  dass  sie  als  Vertreter  des  Abwesenden  dessen  Willen  vollzogen  haben. 


5.   Tod  Ruprechts  III. 

Haben  wir  aber  mit  dieser  Auseinandersetzung  der  Urkunde,  die  sie  ver- 
anlasste, das  Recht  ihres  Datums  1190  und  ihrer  beiden  für  uns  in  Betracht 
kommenden  Zeugen,  des  Grafen  Ruprecht  II.  und  seines  vorzeitig  vom  Kreuz- 
zug heimgekehrten  Bruders  Walram  erstritten,  so  ist  es  nun  an  der  Zeit,  das- 
selbe Jahr  als  Todesjahr  des  Vetters  beider,  Ruprechts  IIL,  in  ähnlicher 
Weise  zu  erstreiten  und  dies  mit  derselben  alten  Quelle,  die  unseren  Vorgängern 
zum  teil  Raum  für  andere  Zeitbestimmung  zu  gewähren  schien.  Diese  Quelle 
aber  ist  einzig  des  arnsteiner  Mönches  schon  berichtete  Bemerkung  bei  Ruprecht 
dem  Streitbaren:  „qui  in  expeditione  imperatoris  Frederici  peregrinus  obiit  in 
partibus  transmarinis."=^)  Die  deutsche  Übersetzung  hat  das  mit  den  ebenfalls 
früher  gemeldeten  Worten  wiedergegeben:  „der  da  gedynet  was  dem  Romschen 
Keyser,  Keyser  Frederich,  vnd  von  godes  wyllen  starp  vff  dem  mere."  Auf 
den  ersten  Blick  scheinen  damit  freilich  zwei  Quellen  vorzuliegen,  da  nach  dem 
lateinischen  Texte  Ruprecht  auf  dem  Lande,  nach  dem  deutschen  auf  dem 
Meere  stirbt.  Es  ist  deshalb  nicht  zu  verwundern,  dass  Schliephake^)  den 
letzteren  als  Stütze  seiner  Vermutung  vom  Ende  Ruprechts  ansehen  zu  dürfen 
glaubte.  Wir  sind  aus  diesem  Grunde  genötigt,  von  der  vermeintlich  zweiten 
Quelle  zuerst  zu  reden  und  sofort  dem  letzten  verdienten  Forscher  über  das 
Verhältnis  beider  Texte,  Widmann^),  zu  bestätigen,  dass,  wenn  etwas  den 
deutschen  Text  als  eine  hochgradig  „schlechte  Übersetzung"  des  lateinischen 
nachzuweisen  vermag,  dies  unsere  von  Widmann  nur  zum  kleineren  Teil  be- 
nutzte Stelle  in  schlagendster  Weise  thut,  denn  der  von  diesem  Gelehrten  allein 
angemerkte  grobe  Fehler  „starb  uff  dem  meere"  wird  erst  recht  zu  einem  solchen 
durch  die  bei  weitem  gröbere  Verfehlung  des  Sinnes  der  vorangehenden  latei- 
nischen Worte.  „Der  da  gedynet  was  dem  Romschen  Keyser,  dem  Keyser 
Frederich",  soll  Übersetzung  des  lateinischen:    „qui  in  expeditione   imperatoris 

')  Riezler  44  f.  —  -J  De  magnitudine  Colon.  95  bei  Fischer,  Gesclilechtsreg.  69. 
Ehester  im  Vorwort  zum  2.  Bande  des  Mittelrh.  Urkundenbuches  thut  dieser  Verwantschnft 
zwar  weder  bei  den  Grafen  von  Are-Nurberg,  noch  bei  denen  von  Wied  LV  u.  LXIX  f.  Er- 
wähnung, aber  schon  die  bei  ihm  angeführten  Namen  Udalrich  und  Theoderich  lassen  auf  eine 
Verbindung  schliessen  und  bestätigen  so  mittelbar  die  Annahme  Fis'chers  von  einer  Linie 
Wied-Neuerburg.  -^  •')  Kremer,  Or.  Nass.  2,  813;  Widniann,  Annal.  IS,  247.  —  ^)  1,  340. 
—  '')  Nass.  Chroniken  im  Mittelalter  IG  ff.,  Annal.  IS,  244. 

Annalen,   Bd.  XXVI.  8 


114 

Frederici"  sein.  Der  Übersetzer  kenut  also  die  Bedeutung  von  „expeditio" 
nicht,  das  seinem  Schreiber,  wie  es  fast  scheint,  selber  aus  Kenntnis  der  „Ys- 
toria  de  expeditione  Frederici  imperatoris"  des  sog.  Ansbert  geläufig  war 
als  Kriegszug,  sondern  nimmt  das  Wort  in  dem  späteren  mittelalterlichen  Sinne 
von  der  Verpflichtung  zum  Kriegszug  im  Dienste  eines  Herren,  hier  also  des 
Kaisers.^)  Wenn  er  aber  dann  fortführt  zu  übersetzen:  „vnd  von  godes  willen 
starp  vff  dem  mere",  so  will  uns  bedünken,  dass  ihn  das  Nichtverstehen  der 
lateinischen  Vorlage  zu  einem  Meisterstücke  gröblichster  Gewaltthat  an  dieser 
verführt  hat.  Dürfen  wir  nämlich  sein  „von  godes  wyllen"  nicht  als  den 
freilich  ungewöhnlichen  und  sonst  unbezeugteu  Ersatz  des  herkömmlichen  „vrabe 
gottes  willen"  verstehen,  sodass  eine  Umschreibung  von  „peregrinus"  als  des 
Mannes,  der  um  Gotteswillen  die  h.  Stätten  besucht,  vorliege,  während  peregrinus 
in  Wahrheit  an  dieser  Stelle  nur  den  Kreuzfahrer-)  bedeutet,  so  hat  der  Über- 
setzer dieses  Wort  im  späteren  mittelalterlichen  Sinne  gefasst,  wonach  die  pere- 
grinatio  eine  von  der  Kirche  aufgelegte  Strafleistung  für  begangene  Verbrechen 
war.^)  „Von  gottes  wyllen"  ist  dann  von  Gottes  oder  deutlicher  von  Rechts 
wegen  und  der  Tod  auf  dem  Meere  der  Ausdruck  göttlichen  Strafurteils,  und 
in  der  That,  diese  Auffassung  entspricht  dem,  dass  er  zuvor  „viri  bellicosi" 
mit  „eyn  streythaftig  man"  übersetzt  hatte,  denn  das  an  der  Stelle  von  strit- 
bare  gesetzte  mhd.  strithaftik  heisst  ausser  bellicosus  auch  conteutiosus,  factiosus. 
Er  verrät  also,  dass  bellicosus  ihm  die  ebenfalls  mittelalterliche  Bedeutung  von 
rixosus,  jurgiosus  hatte.*)  Dass  er  dann  „in  partibus  transmarinis"  mit  dem 
geraden  Gegenteile  „vff  dem  mere"  überträgt,  finden  wir  bei  einem  Manne 
begreiflich,  der  ebenso  sinnlos  an  späterer  Stelle  den  Vater  dos  Kaisers  Frid- 
rich  I.,  den  Herzog  Fridrich  von  Schwaben,  trotz  der  deutlichen  Vorlage  ohne 
weiteres  zu  diesem  Kaiser  selber  macht.'^)  Ein  Miklerungsgrund  könnte  höchstens 
für  ihn  sein,  dass  er  an  der  herkömmlichen  Abkürzung  träs  für  traus  die  etwa 
zu  lang  ausgefallene  Überstreichung  für  eine  Durchstreichung  genommen,  also 
bloss  „marinis"  gelesen  hätte. 

Ist  damit  die  alte  deutsche  Übersetzung  mindestens  an  dieser  Stelle  für 
immer  als  Quelle  gerichtet,  so  scheint  sich  als  solche  der  Urtext  um  so  taug- 
licher zu  erweisen.  Der  Ausdruck  „in  expeditione  imperatoris  Frederici",  beim 
Worte  genommen,  lässt  keinen  Zweifel  darüber,  dass  der  Tod  Ruprechts  III. 
auf  dem  vom  Kaiser  selber  noch  geführten  Zuge,  also  vor  dem  10.  Juli  1190, 
wo  der  Kaiser  im  Kalykadnos  ertrank,  erfolgt  ist.  Da  nun  Ruprecht  am  28. 
Oktober  1189  mit  seinen  Genossen  von  Konstantinopel  beim  kaiserlichen  Heere 
in  Philippopel  eintraf,  so  sind  damit  Anfangs-  und  Endpunkt  seiner  Todeszeit 
gegeben.  Dass  er  nicht  im  Kampfe  fiel,  scheint  das  „obiit"  besagen  zu  sollen, 
wie  dies  auch  das  Stillschweigen  der  gleichzeitigen  Berichte  bestätigen  möchte. 


')  Du  Cange-Henschel  H,  159'=:  Expeditio.  Glossar,  lat.  gr.:  Expedio,  3;o8o;  ixSv]- 
|j.-rjTt7.-!^  oxf-ax'.üjTwv.  Sed  sequioribus  saeculis  haec  vox  usurpatur  pro  obligatione  cundi  in 
exercitum  doraini.  Daher  der  Ausdruck  „expeditionaliter  venire",  Waitz,  Deutsche  Ver- 
fassungsgesch.  4,  4(;:{,  Anm.  1.  —  ^)  Du  Cange-Honschel  ö,  201":  Peregrinus,  cruce  sig- 
natuH.  —  '■')  Ebenda  '),  2U(r:  Poregrinatio  indicta  in  poenam.  —  *)  Lex  er  2,  124a,  vgl.  Du 
Cange-Henschel  1,  641^'.  —  ^)  Widmann,  Annal.  18,258. 


115 

Denn  wäre  der  der  Ehre  der  kaiserliclien  Freundschaft  und  dazu  der  des  Banner- 
trägers   im    vierten  vom  Kaiser  selber   geführten  Zuge  gewürdigte^)  Graf  Rup- 
recht im  Kampfe  gefallen,  so  würde  uns  wohl  das  Echo  der  Klage  über  seinen 
Tod  ebenso  aufbehalten  sein,  wie  das  über  den  Heldentod  Fridrichs  von  Hausen, 
von  dem  die  kölner  Annalen  berichten,    es  sei  über  diesen  eine  solche  Trauer 
entstanden,  dass  Alle  den  Kampf  aufgegeben  und  das  Kriegsgeschrei  in  lautes 
Weinen  verwandelt  hätten.^)     Er  wird  also  wohl,    wie  so  zahllose  Andere,  der 
Entkrüftung    oder   Seuche    zum  Opfer    gefallen   sein,   sodass   nicht    einmal    sein 
Todesort   bekannt   geworden    ist.     Die    allgemeine   Umschreibung    „in    partibus 
transmarinis"  ist  der  Beweis  dafür.    Freilich  würden  dann  diese  , partes  trans- 
marinae"  im  weiteren  Sinne  zu  fassen  sein,  da  der  zu  dieser  Zeit  gangbare  der 
von  „partes  hiersolymitanae"  oder  gelobtem  Lande  war.    Aber  dass  man  auch 
zu  dieser  Zeit    nicht    allzu   genau   bei    der  Wahl    der  Worte    verfuhr,    sondern 
das  Ziel  der  Fahrt  mit  dieser  gleichbedeutend  setzte,  geht  aus  einem  Verzeichnis 
der  in  dem    ganzen  Kreuzzuge   gefallenen  hervorragenden  Helden   hervor,    das 
der  zu  diesem  Zwecke  abermals  als  bisher  unbekannte  Quelle  von  uns  benutzte 
und  nach  Toeche's  Urteil^)   überhaupt    „noch   immer   nicht  völlig  gewürdigte" 
hennegauische  Chronist  Gislebert  bietet",  und  das  zugleich  das  erste  und  einzige 
aussernassauische   Zeugnis   vom    Tode    Ruprechts    darstellt.     Dieser  Mann,   der 
zwischen  1155  und  1223  lebte^),    sagt:    „Da  aber  im  jerusalemischen  Gebiete 
sehr  viele  höheren  und  niederen  Standes    aus    dem  Leben  geschieden    sind,    so 
muss  von  den  mächtigeren  Fürsten  und  anderen  Edelen  und  strengen  Rittern, 
die  hier  aus  der  Welt  gegangen  sind,  und  deren  Namen  uns  bekannt  sind,  ge- 
nannt werden :    Fridrich,  der  römische  Kaiser,  sein  Sohn  Fridrich,  Herzog  von 
Schwaben,    des  Kaisers  Neffe,    der  Landgraf  von  Thüringen,   Graf  Robert  von 
Nassau,  Graf  Heinrich  von  Dietz  und  Fridrich  von  Hausen,  des  Kaisers  Freunde 
und   Vertraute."'^)     Von    diesen    6  Deutschen,    denen    weiterhin    die  Franzosen 
angereiht   werden,    sind,    wie    wir   wissen    und  Gislebert    nicht    unbekannt    sein 
konnte,  Kaiser  Fridrich  und  der  Ritter  Fridrich  von  Hausen  noch  in  Kleinasien 
gestorben,   während  Herzog  Fridrich  von  Schwaben  der  Seuche  vor  'Akkä  am 
20.  Januar  1191  erlag,   und    der  kranke  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen    am 
IG.  Oktober  1190  auf  der  Heimkehr  vom  Tode  vor  Cypern  ereilt  worden  war. 


*)  Anonym.  Can.  507:  Signifer  electus  est  Rupertus  comes  de  Nassowa,  in  bellicis  rebus 
exercitatus  et  manu  promptus.  Vgl.  Hennes  1,  88  f.;  Röhricht,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Kreuz- 
züge. 2,  142.  —  *)  Riezler  58,  Anm.  —  ^)  Forschungen  zur  deutschen  Gesch.  10,  704.  — 
*)  Arndt  in  Mon.  Germ.  21,  485,  488.  —  ^)  Mon.  Germ.  21,  579:  „Cum  autem  quamplures 
in  partibus  Iherosolymitanis  tam  maiores  quam  minores  decesserint,  de  potentioribus  principi- 
bus  et  aliis  nobilibus  et  militibus  strenuis  dicendum  est,  qui  ibi  a  sacculo  migraverunt,  quorum 
nobis  nomina  nota  sunt:  Fredericus  Romanorum  imperator,  Fredericus  filius  cius,  dux  Suevo- 
runi,  landgravius  Duringhie,  ipsius  imperatoris  nepos,  Robertus  comes  de  Nassoa  et  Henricus 
comes  de  Diecea  et  Fredericus  de  Husa,  ipsius  imperatoris  familiäres  et  secretarii.'-  —  Secrc- 
tarius  ist  hier  nach  Du  Cange-Henschel  G,  150":  consiliorum  arcanorum  pardceps.  —  Da 
Graf  Heinrich  der  Jüngere  von  Dietz  noch  bis  zum  Jahre  1207  bezeugt  ist,  vgl.  Vogel, 
Beschr.  207,  so  haben  wir  bei  dieser  Gelegenheit  auch  erwünschte  Kunde  von  dem  Ausgange 
des  älteren  Grafen  Heinrich,  von  dem  wir  bis  dahin  als  letztes  nur  wussten,  dass  er  als  Ge- 
santer    vom  Kaiser    an  Saludin  am  2(!.  Mai  1189    abgeschickt    worden  war,    vgl.  Riezler  20, 

143  ;  Schliephake   1,  313. 

8* 


116 

Gleichwohl    lüsst    er    sie    Alle    „in   partibus    Iherosolimitanis"    umkommen,    ein 
Zeichen,  dass  auch  ihm  diese  „partes"  einen  weiteren  Begriff  hatten. 

Nach  dieser  Darlegung  sollten  wir  der  Besprechung  der  seither  gangbaren 
Meinungen  über  das  Ende  Ruprechts  III.  enthoben  sein.  Wenn  wir  gleich- 
wohl in  eine  solche  eintreten,  so  geschieht  es  nur,  um,  was  an  uns  ist,  deren 
geschichtsverwirrendes  Fortwuchern  zu  verhindern,  da  sie  sich  selbst  in  ausser- 
nassauische  Oeschichtsdarstellungen  neuester  Zeit  bedenklich  weitergepflanzt 
haben.  Es  betrifft  zunächst  die  schon  von  Hennes^)  angezweifelte,  aber  von 
Schliephake^j  wieder  aufgenommene  Yernmtung  Kremers^),  die  sich  auch 
V.  Aruoldi^)  augeeignet  hat,  dass  Euprecht  III.  unter  dem  „comes  Rupertus" 
gemeint  sei,  der  in  dem  damals  sogenannten  „Chronicon  urspergense"^)  mit 
anderen  auf  der  Seite  des  Königes  Philipp  von  Frankreich  bei  der  Belagerung 
von  'Akka  gestanden  habe.  Diese  Nachricht  ist,  wie  die  neuesten  Herausgeber 
des  nun  sich  „Burchardi  et  Cuonradi  urspergensium  chronicon"  nennenden 
Werkes,  Otto  Abel  und  Ludw.  Weiland,  darthun^),  der  „Brevis  historia 
occupationis  et  omissionis  Terrae  sanctae"  entnommen '')  und  leidet  an  sich 
schon  an  der  Unrichtigkeit,  dass  unter  den  Bundesgenossen  des  fi-anzösischen 
Kimigs  auch  der  Landgraf  Ludwig  von  Thüringen  genannt  wird.  Dieser  aber 
war  bereits,  wie  wir  oben  sahen,  am  16.  Oktober  1190  gestorben,  während 
der  König  erst  am  13.  April  1191  vor  'Akku  eintraf.^)  Ausserdem  melden  die 
„Annales  Einsidlenses"^),  dass  die  nach  dem  Tode  ihres  Führers,  des  Herzoges 
Fridrich  von  Schwaben,  zurückbleibenden  wenigen  Deutschen  sich  unter  dem  Be- 
fehle des  mächtigen  Kourad  von  Montferrat,  der  auch  an  jener  Stelle  wie  „marchio", 
so  ,fautor"  des  Königs  von  Frankreich  heisst,  befanden,  indes  die  kölner 
Annalen^")  berichten,  dass  dieselben  die  ersten  4  Wochen  unter  einem  gewissen 


')  1,  111  f.  —  -j  1,  339.  —  3)  Orig.  Nass.  1,  3fi9.   -  *)  1,  '2fi.  —  ^)  S.  229.  —  ")  Mon. 
Germ.  23,  3.ö9.  —  ')  Die  von  Kremer  nicht  ganz  mitgeteilte  Stelle   lautet  nach  Mon.  Germ. 
23,  360:  „Cum  rege  Franciae  isti  fautores  erant:  dux  Burgundiae,  comes  Clarimontis,  marchio 
Cuonradus,  cuius  potentia  magna  erat  in  exercitu,  Templarii,  Januenses,  lantgravius  de  Turin- 
gia,   comes    Rupertus   et   ßelvacensis   episcopus.     In    parte    regis  Angliae    fuerunt   isti:    comes 
Flandrianus,    comes  Campaniae,  rex  Wido,    Ilospitalarii,   Pisani  et  plures  alii'".  —  Wir  wollen 
weniger  Wert  darauf  legen,   dass  diese  Gruppierung   auch   deswegen  unrichtig  erscheint,    weil 
die  Genuesen  vor  den  Pisanern  sich  unter  die  Fahnen  Richards  gestellt  hatten,    s.  Röhricht 
in  Forsch,  zur  deutschen  Gesch.  1(J,  r)13.     Gerügt    aber   darf  es  werden,   dass   die   ganze    ins 
Jahr   1191   gehörende  Angelegenheit  von  Krem  er  wohl  nur  durch  einen  Schreib-  oder  Druck- 
fehler ins  Jahr   1194  gesetzt  wird,  und  v.  Arnoldi   dies  achtlos  nachschreibt.    Im  übrigen  sind 
die   von   uns   gerügten  Verstösse   der  „Brevis   historia"  an    der  geschichtlichen    Wahrheit   von 
Riezler  bei  Beschreibung  dieser  Geschichtsquelle    S.  107    übersehen   worden.     Er   weiss   nur 
von    einem  Versehen   ihres  Verfassers,    dass    er   den    Herzog   tVidricli   von   Schwaben    wenige 
Tage  nach  seiner  Ankunft  vor  'Akka    sterben   lässt.      Ebenso    ist   von    den    Herausgebern    des 
ursperger  Zoitbuches  übersehen  worden,  dass  die  inEccardi,  Corpus  historicura  medii  aevi  2, 
1049  f.  zuerst  abgedruckte  „Brevis  historia"  die  Namen  des  Grafen  Robert  und  des  Bischofes 
von  Beauvais  nicht  enthält.  Ein  Zweifel  an  der  Echtheit  der  Namen  ist  damit  allerdings  nicht 
zu  begründen,  obgleich  Eccard  in  der  Vorrede  sich  darauf  beruft,  die  „Brevis  historia''  aus 
einem    mainzer    Hamlschriftenbande    des    angehenden    13.  Jahrhunderts    abgedruckt   zu  haben. 
Dem  ursperger  Ciironisten  muss  eben  eine  andere,    wie  ihre  Herausgeber  meinen,   italienische 
Handschrift  vorgelegen  haben.  —  ^)  Röhricht   in    Forscii.    z.    deutschen   Gesch.    Iß,  511.  — 
'')  Mon.  Germ.  3,   149.         >»)  Ann.  col.  max.,  Mon.  Germ.   17,201;  vgl.  Riezler  86,  Anm.  3. 


117 

lloiarich  und  darauf  (5  Wochen  unter  einem  gewissen  Gerhard  gestanden  hätten. 
Von  einem  so  hervorragenden  Führer  wie  Ruprecht  dagegen  verlautet  nichts. 
Nun  steht  ausserdem  der  „comes  Rupcrtus"  zwischen  (hjm  Landgrafen  von 
Thüringen  und  dem  französischen  Bischöfe  von  Beauvais,  sodass  mit  einiger 
WahrscheinHchkcit  angenommen  werden  darf,  dass  er  nicht  einmal  ein  Deutscher, 
sondern  ein  Franzose  ist  oder,  worauf  die  Abwesenheit  jeder  näheren  Bestimmung 
führen  möchte,  Italien  angehöre,  wie  der  Berichterstatter.  Für  unseren  Grafen 
Ruprecht  bleibt  demnach  keine  Stelle  in  dem  italienischen  Verzeichnisse  der 
„fautorcs"  des  französischen  Königs. 

6.  Ruprecht  II.  und  Walrjim.     Ruprechts  II.  Tod. 

Nun  hatte  ja  bereits,  wie  bemerkt,  Ilennes  die  Richtigkeit  der  soeben 
abgewiesenen  Vermutung  Kremers  augezweifelt,  aber  mit  einem  Grunde,  der  uns 
die  andere  irrige  Annahme  über  Ruprecht  kennen  lehrt.  Ihre  Berichtigung  lässt 
uns  gleichzeitig  einen  weiteren  Schritt  in  der  Geschichte  seines  Vetters  Rup- 
recht II.  thun.  Ilennes  ist  nämlich  der  Ansicht,  dass  Ruprecht  III.  mit 
seinem  Vetter  Walram  noch  als  Zeuge  in  der  Urkunde  vom  25.  Juni  1191 
erscheine,  in  der  Erzbischof  Konrad  von  Mainz  auf  Grund  eines  Rechtsspruches 
der  Abtei  S.  Maxirain  bei  Trier  das  Patronatsrecht  der  Kirchen  zu  Weinheim, 
Albec  und  Gozolvesheim  gegen  die  Brüder  Gotfrid  und  Embricho  von  Kreuznach 
und  Gotfrid  und  Heinrich  Schelhevena  bestätigt.^)  Das  ist  denn  auf  Toeche 
übergegangen,  wenn  er  mit  Berufung  auf  Henne s' Quelle,  Gudenus,  bemerkt: 
„Am  25.  JuH  1191  zeugen  die  Grafen  Robert  und  Walram  von  Nassau,  von 
der  Kreuzfahrt  heimgekehrt,  zu  Mainz  beim  Erzbischof  Konrad."  ^)  Und  Röhricht 
schreibt  ihm  mit  dem  gleichen  falschen  Monate  nach:  „Am  25.  Juli  1191  zeugen 
beide  R.  und  W.  schon  wieder  in  Mainz,  "^j  Bei  der  seither  herrschenden 
Unsicherheit  über  das  Ende  Ruprechts  III.  und  das  Leben  Walrams  in  unserer 
nassauischen  Geschichtschreibung  sind  solche  Irrtümer  ja  begreiflich,  aber 
schmerzlich  bleibt  immerhin,  dass  unsere  Unsicherheit  diesen  Wiederhall  in  der 
deutschen  Geschichtschreibung  finden  musste,  und  dass  unsere  Stimme  hier 
möglicherweise  nicht  laut  genug  sein  wird,  um  diesen  für  immer  zu  übertönen. 
Und  doch  darf  uns  das  nicht  hindern,  sie  zu  erheben  und  zu  erklären:  es  ist 
nicht  Ruprecht  der  Streitbare,  sondern  der  regierende  Graf  Ruprecht  IL,  den 
wir  mit  seinem  Bruder  Walram  hier  zeugen  sehen.  Sah  doch  schon  Schliep- 
hake  die  Richtigkeit  dieser  Thatsachc  ein."^)  Freilich  ward  ihm  das  nur  da- 
durch möglich,  dass  er  Walrams  Schicksal  von  dem  seines  Vetters  trennt  und 
ersteren  nach  dem  Tode  des  Herzogs  Fridrich  von  Schwaben  heimkehren  Hess, 
während  letzterer  ihm  nach  dem  Falle  'Akkä's  starb. ^)  Dass  aber  beide  gräfliche 
Brüder  zu  dieser  Zeit  in  Mainz  als  Zeugen  auftreten,  verdient  um  deswillen 
besonders  bemerkt  zu  werden,  weil  es  einen  Blick  in  ihr  politisches  Verhalten 


')  Gudenus,  Cod.  dipl.  3,  1072  ff.;  Mittclrh.  Urkb.  2,  155  f.;  Will,  Regesten  2,  85, 
Nr.  24Ü.  Ind.  X  steht  irrig  für  IX.  —  -)  Kaiser  Heinrich  VI.  KU,  Anm.  ;i.  —  »)  Beitr.  zur 
Gesch.  der  Kreuzziige  2,  :U().  —  ')  1,  BGS.  Auch  Will  a.  a.  O.  nimmt  keine  Notiz  von  ihm, 
sondern  nur  von  Hennes  und  Toeche,  —  ^)  1,  338,  340. 


118 

werfeu  lässt,  wie  uns  dünkt.  Nur  einer  ihresgleichen  ausser  den  Geistlichen  und 
Ministerialen  ist  noch  mit  ihnen  Zeuge  und  steht  ihnen  voran,  der  uns  unbe- 
kannte „Fridericus  comes  de  Witeliugersbach."  Das  ist  nicht  von  ungefähr. 
Die  meisten  deutschen  Fürsten  waren  den  Fahnen  Heinrichs  VI.  gefolgt.  Aber 
es  waren  auch  etliche  zurückgeblieben.  Ausser  den  Dreien  linden  wir  noch 
den  Grafen  Fridrich  von  Leiningen  daheim.  Das  bezeugen  uns  zwei  Urkunden 
von  1191,  die  seineu  Xameu  in  Angelegenheit  der  Anstellung  eines  Viceplebaues 
an  der  Kapelle  zu  Wenigen-Yilmar  bieten.^)  Seine  Anhänglichkeit  an  den 
verstorbenen  Landgrafen  von  Thüringen,  mit  dem  er  im  Gegensatze  zu  Kaiser 
Fridrich  I.  den  Kreuzzug  unternommen,  und  dessen  Erbe  Heinrich  VL  sich 
anzueignen  vergeblich  versucht  hatte,  mochten  ihn  diesem  Kaiser  abgeneigt 
o-emacht  habcu.  Für  die  Nichtanteilualimc  der  nassauischen  Grafen  am  ita- 
lienischen  Feldzug  fehlen  uns  alle  Gründe  ausser  dem  einen,  der  Walram 
damals  vom  Kreuzzug  zurücktreten  liess.  Auch  lässt  die  Anwesenheit  am 
erzbischötiichen  Hofe  in  Mainz  nicht  auf  dessen  Mitabneiguug  gegen  den  neuen 
Kaiser  schliessen.  Denn  Erzbischof  Konrad  war  zu  dieser  Zeit,  scheint  es, 
noch  ein  getreuer  Anhänger  dieses  Kaisers.-)  Wenn  wir  gleichwohl  an  der 
Fürstenempörung  gegen  Heinrich  VI.  im  Jahre  1192  auch  die  rheinischen 
Fürsten  beteiligt  sehen,  so  werden  unsere  Grafen  nicht  unbeteiligt  zu  denken 
sein,  und  schon  das  Jahr  1191  wird  sie  für  weifische  Einflüsterungen  nicht 
unzugänglich  gefunden  haben,  um  so  mehr  als  die  allmähliche  Entstehung  der 
Verschwörung  bis  jetzt  noch  nicht  aufgehellt  ist. 

In  dieser  Auffassung  der  Dinge  bestärkt  uns,  abermals  im  Widerspruche  mit 
unseren  Vorgängern,  ein  Ereignis  des  Jahres  1192.  Erzbischof  Johann  von  Trier, 
der  ehemalige  Hofkanzler,  hatte  bei  dem  Kaiser  und  seiner  Umgebung  durch 
grosse  Geschenke  („magnis  expensis"),  wie  die  betreffende  Quelle  meldet^),  fertig 
gebracht,  dass  ihm  die  ansehnliche  Reichsabtei  Echternach  übergeben  und  an 
deren  Stelle  dem  Kaiser  das  bisherige  trierische  Lehen,  die  Burg  Nassau,  ausgefolgt 
wurde.  Nassau  war  damit  ein  Reichslehen  geworden.  Wenn  Schliephake^) 
aber  nun  meint,  dass  dieser  Wandel  für  Walram,  den  er  zu  dieser  Zeit  schon 
als  allein  regierenden  Grafen  annimmt,  „willkommener"  gewesen  sein  möge, 
als  das  seitherige  Lehensverhältnis,  so  widerlegt  ihn  die  Thatsache,  dass  gerade 
der  vom  echternacher  Vogte,  dem  Grafen  Heinrich  von  Luxemburg,  aufgerufene 
Freund  der  nassauischen  Grafen,  Erzbischof  Konrad  von  Mainz,  es  ist,  der  mit 
Hilfe  der  Geschenke  des  Grafen,  wie  mit  derjenigen  des  Protouotars  Sigillo 
und  des  ebenfalls  den  nassauischen  Grafen  von  der  konstantinopeler  Gesaut- 
schaft her  befreundeten  Reichstruchsess  Markwart  den  schmählichen  Handel 
rückgängig  macht,  der  dem  habgierigen  Trierer  eine  reiche  Abtei  und  dem 
machter  weiterungssüchtigen  Kaiser  die  Grafen  von  Nassau  als  willkommene 
Beute  überliefern    sollte.^)     Wahrlich,  wäre    der  Schacher  im  Sinne  Ruprechts 


'j  Mittelrli.  Urkb.  '_',  l.j«  f.  —  -)  Toeclic  2:i'.h  —  ■'')  Libellus  de  propugnata  aduersus 
areliiepiscopum  Treuircnscm  libcrtate  Eptcniacensis  monasterii  in  Harten e  et  Durand, 
Collect,  ampliss.  4,  4.j.^ — 467,  abgedruckt  bei  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  .'382  —  404,  vgl.  Browcr, 
Annal.  trev.  2,  89  ff.  —  ■*)  1,  :349.  —  '-')  Die  Regesten  über  die  betreffenden  Kaiserurkunden 
mit  deren  Quellen  vom  17.  Mai,  nacli  9.  Juni,   vor  7.  und  vom  24.  Aug.    siehe    bei  Toechc, 


110 

und  Walrams  gewesen,  sie  hätten  Mittel  und  Wege  genug  gefunden,  ihren 
Gönner  in  Mainz  für  den  Tausch  in  Bewegung  zu  setzen,  dessen  Rückgängig- 
machung ihm  keinerlei  Gewinn  abwarf.  Er  handelte  also,  indem  er  letztere 
botrieb,  nur  in  ihrem  Sinne,  zumal  er  schon  zu  dieser  Zeit  im  Bunde  der 
aufrührerischen  Fürsten  sich  befand,  wie  seine  vom  kaiserlichen  Kaplane  Gardulf 
aufgefangenen  Briefschaften  bewiesen.')  Auch  würden  wir  nicht  in  der  kaiser- 
lichen Urkunde  vom  24.  August  1192  aus  Weisenau  bei  Mainz,  die  das  alte 
Rechtsverhältnis  endgiltig  wiederherstellt,  die  den  Nassauern  verwanten  und 
befreundeten  Männer,  die  Grafen  von  Dietz  und  Katzenelenbogen  und  den 
Bischof  Hermann  von  Münster,  als  Zeugen  iinden.")  Überdies  aber  beweist 
die  auffällige  Abwesenheit  Ruprechts  IL  und  Walrams  vom  kaiserlichen  Ilof- 
lager  in  dieser  ganzen  Zeit  und  bis  zum  Jahre  1195,  dass  sie  mit  dem  ganzen 
Handel  nichts  zu  thun  hatten.  Der  unbefragte  Gegenstand  eines  Tauschge- 
schäftes zu  sein,  das  war  wenig  geeignet,  die  seitherige  Unzufriedenheit  mit 
dem  kaiserlichen  Rogimente  abzuschwächen. 

In  dieser  Zeit  nun  muss  es  auch  gewesen  sein,  dass  Ruprecht  11.  aus  dem 
Leben  schied,  da  wir  von  1195  an  Walram  als  alleinregierenden  finden.  Wir 
dürfen  demnach  das  Jahr  1197,  in  dem  seine  Gemahlin  EHsabeth  die  schon 
oben  besprochene  Schenkung  für  sein  Seelenheil  macht,  nicht  für  seine  un- 
mittelbar vorangegangene  Todeszeit  bestimmend  halten.  Denn  da  die  Schenkung 
von  der  Tochter  angefochten  wurde,  so  ergibt  sie  sich,  zumal  sie  nach  dem 
der  Familie  fremden  Eberbach  geschieht,  als  eine  zufällige  spätere,  die  ausser 
der  in  Arnstein  zu  vermutenden,  offenbar  von  Eberbach  selber  zur  Vergrösserung 
seiner  „grangia"  in  Hadamar  angeregt  wurde.  Erscheint  es  doch  für  mittelalter- 
liche Anschauung  rein  unmöglich,  dass  ein  wirkliches  Seelengedächtnis,  gar 
noch  von  der  Tochter,  aufgehoben  würde.  Wir  haben  uns  aus  diesem  Grunde 
fortan  zunächst  nur  noch  mit  Walram  zu  beschäftigen. 

7.   Walrams  AHeiiiregierung  und  Ende. 

Von  ihm  berichtet  zuvörderst  die  für  die  nassauische  Geschichte  wichtige 
Kaiserurkunde  aus  Worms  vom  6.  November  1195,  dass  er  auf  Befehl  und 
mit  Willen  Kaiser  Heinrichs  VI.  mit  dem  Bischöfe  Heinrich  von  Worms  die 
entstandene  Irrung  „de  oppido  Wileburg"  gütlich  beglichen  habe.  Walram  er- 
kennt die  grundherrlichen  Rechte  des  Bischofes  in  Bezug  auf  „huberecht,  buwe- 
teil,    beste   wahtmal"^)  und    die  Bete  („peticio")   im  oberen  und  unteren  Amte 


Kaiser  Heinrich  VI.  656 — 659.  Bei  seiner  Darstellung  der  Sache  S.  236  berührt  er  übrigens 
Nassau  gar  nicht.  Ebenso  begnügt  sich  Otto  Rosbach,  Die  Reichspolitik  der  Trierischen 
Erzbischöfe  vom  Ausgang  der  Regierung  Friedrichs  I.  bis  zum  p]nde  des  Interregnums.  2.  Teil, 
im  Programm  des  königl.  Gymnasiums  zu  Trier  1889,  10  ii'.,  auf  die  uns  Herr  Professor  Otto 
aufmerksam  zu  machen  die  Güte  hatte,  mit  der  blossen  Nennung  der  .,lJurg  Nassau". 

^)  Toeche  239,  555  f.  —  ^)  Bertholet,  Histoire  de  Luxembourg  IV,  preuve  37,  vgl. 
Hennes  1,  117;  Schliephake  1,  351;  Will,  Regesten  2,  88,  Nr.  268,  der  Schliephake 
nicht  nennt,  nur  Hcnncs.  —  ^)  Huberecht  („heuberecht"  bei  Schliephake  1,  467  ist  Schreib- 
oder Lesefehler)  oder  huobe-reht  bezeichnete  die  Abgabe  von  der  Hube,  Grimm,  Weisthüm.  1, 
685,  716;  2,  32;  5,  424  bei  Lex  er  (1,  139U);   buweteil  oder  büteil,  .,ein  Teil  des  von  einem 


120 

(„in  iiifcriuri  et  in  superiuri  ort'icio")  ;in.  Die  Straten  („lucra  iiidicioruin"') 
im  ganzen  Bezirke  („in  toto  pagu  illo,  qui  spectat  ad  Wileburg"),  rühren  sie 
nun  von  Geldbussen  („de  conipositionibus,  quod  wlgo  wette  vocatur"^)  oder 
von  Gerichtsstrafo  her  („de  Judicio  (juod  gedingeze  dicitur"^),  werden  zwischen 
Bischöfe  und  Grafen  gleichlieitlich  verteilt.  Wird  die  Stadt  über  den  Berg 
liinaus  gebaut,  so  soll  alle  Einnahme  aus  Zoll  oder  Münze  oder  Strafe  („luero") 
ebenso  geteilt  werden,  docli  sull  des  Grafen  Hälfte  bischöfliches  Lehen  sein. 
Der  Graf  darf  wohl  ein  Haus,  aber  kein  Burghnus  daselbst  errichten.  Die 
vom  Grafen  als  Vogtleute  beansprucliteu  Bewohner  sollen,  wenn  der  Bischof 
sie  als  seine  Ministerialen  ausweisen  kann,  vom  Vogtrecht  befreit  sein.  Dem 
Bischöfe  verbleibt  das  Recht  der  „cupelweide"  (Koppelweide).  Der  Graf  gibt 
dem  Bischöfe  Entschädigung  für  alles  ihm  zugefügte  Unreclit.  Auf  dem  Berge 
tindet  weder  vom  Bischöfe  noch  Grafen  gewaltthätige  Einlagerung  statt.  Ein- 
mal im  Jahre  nur  haben  die  Einwohner  die  Verpflichtung,  den  Bischof  zu 
herbergen  und  seine  Auslagen  nach  Möglichkeit  dabei  zu  erstatten.  Zur  Siche- 
rung des  Vertrages  wird  der  Graf  zehn  —  die  Urkunde  führt  aber  11  auf  — 
von  seinen  Leuten  („homines")  und  Ministerialen,  die  mit  Namen  genannt  werden, 
bestimmen,  die  dem  Bischöfe  eidlich  versprechen,  dass  sie.  wenn  der  Graf  seinen 
Vertrag  brechen  sollte,  nach  14  Tagen  auf  Aufforderung  des  Bischofes  sich  nach 
Worms  begeben  und  die  Stadt  ohne  bischöfliche  Erlaubnis  nicht  wieder  ver- 
lassen. Dasselbe  thut  der  Bischof  mit  10  ebenso  namhaft  gemachten  seiner 
Leute,  die  sich  dann  nach  Nassau  begeben  und  dies  ohne  gräfliche  Erlaubnis 
nicht  wieder  verlassen.*) 

Aus  dieser  Urkunde  geht  vor  allem  hervor,  dass  die  Ansprüche  Walrams 
auf  Weilburg  lediglich  vogteiliche  waren,  wie  diejenige  des  Bischofes  von  Worms 
grundherrliche.  Wie  Worms  zu  dieser  ansehnlichen  Gruudherrlichkeit  gelangt 
ist,  wissen  wir  genau.    Königliche  Schenkungen  vom  Jahre  993  bis  1062  haben 


Erblelienmanne  hinterlassenen  fahrenden  Gutes,  welchen  sich  der  Herr  nehmen  durfte",  Lexer 
1,  401;  beste  watmal,  da  watmal  grobes  Wollenzeug  bedeutet,  das  beste  Gewand  davon, 
Lexer  3,  705;  Schröder,  Lehrb.  4iJ9.    Hennes  1,  il9  ist  hiernach  zu  berichtigen. 

^)  Du  Cange-Henschel  4,  155^':  Lucrum,  mulcta  judiciaria ;  ;5,  918'^^:  Judicium,  di- 
strictus  judicis.  —  ^)  Hennes'  1,  121  und  Schliephaice's  1,  3.58  Übersetzung:  „Vergleiche" 
ist  falsch.  Denn:  .,Compositio  mulcta  sonti  imposita  ad  luendum  crimen  damnumve  resarcien- 
dum",  Du  Cange-Henschel  2,  r)ü2",  was  einer  der  Bedeutungen  von  „wette"  entspricht, 
vgl.  Lexer  3,  808,  die  in  diesem  Falle  auch  „gewettc"  heisst,  vgl.  Schröder,  Lehrb.  54, 
Anm.  30,  85,  Anm.  33.  Die  Höhe  dieser  Busse  siehe  ebenda  S.  342,  Anm.  ()8.  Eine  Urkunde  von 
1268  nennt  „aliquas  emendas  ratione  forefacti,  que  dicuntur  "Wette".  Gudenus,  Sjiloge  255.  — 
^)  Auch  hier  verfehlt  mit  Hennes  Schliephake's  .,aus  der  Abhaltung  der  Gerichte"  den 
Sinn.  .,Judiciuni,  poena  per  Judicium  statuta";  Du  Cange-Henschel  3,  yiO*^.  „Gedingeze" 
oder  „gedingede'-  findet  bei  Lexer  1,  771  ff.  die  wonig  genügende  Erklärung:  ,, Versprechen 
einer  Zahlung,  die  Schuld  oder  Zahlung  selbst."  Deutliclicr  ist:  Piaculuin,  bedinge,  Diefen- 
bach,  Glossar,  latino-german.  Frankf.  1857.  432*=  in  Grimm,  D.  Wbch.  3,  2029  aus  dem 
l.">.  Jahrhundert,  wo  „beding"  für  „geding"  geschrieben  zu  werden  beginnt.  Eine  Urkunde 
von  1327  nennt  „aliquas  exactiones,  quao  vulgariter  dicuntur  gedinge."  Würdtwein,  Nov. 
sub«.  3,  183.  —  *)  Schannat,  Hist.  episc.  AVorm.  Urkb.  S8;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  207  ff. ; 
Schliephake  1,  4(17  ff.;  Hcinr.  Boos,  Urkb.  der  Stadt  Worms.  Berlin  1886.  1,  79,  Nr.  96, 
der  Schliephake  aufzuführen  vergessen  hat. 


121 

bekanntlich  den  grossen  Besitz  nach  nnd  nach  in  seine  Hände  geliefert.')     Em 
anderes    ist   es    mit    der    nassauischen    Vogtei    Weilbnrg.      Nachdem    die    alte 
llerleitung    der    nassauischen  Grafen  aus    salisch-fränkischem  Stamme    sich    als 
hinfällig  erwiesen  hat,  hielt  sich  Vogel^)  berechtigt,  durch  die  Gemahlin  Walrams, 
Kuniguudis,    so  wenig  auch  ihre  Abkunft  bekannt  ist,  eine  Erbverbindiing  mit 
dem  Grafen  Werner,  der  zu  Anfang  des   11.  Jahrhunders  im  Besitze  Wcilburg's 
vorkommt,    zu    mutmassen,    die  Schliephake^)  bei  allem  Vorbehalte  so   wenig 
zur   Aufklärung    der    Sache    ungeeignet    erschien,    dass    er  sie  in  ihrem  vollen 
Umfange  vorführt.     Indes,  wie  sehr  man  bei  diesem  Anlasse  die  genealogische 
Findigkeit  Vogel 's  schätzen  lernt,  auch  hier  ist  die  Kühnheit  seiner  Vermutungs- 
o-abe  ffrösser  als  deren  Glück.    Wir  haben  eben  einfach  kein  Recht,  Kunigundis 
zu  einer  Tochter  des  Grafen  Poppo  von  Holinden  zu  machen  und  sie  einer  Seiten- 
linie des  kinderlos  verstorbenen  Werner'schen  Geschlechtes  zuzuteilen,    da  uns 
über  beides  jede  geschichtliche  Nachricht  fehlt.    Es  bleibt  uns  deshalb  nur  die 
Auskunft,  dass  die  Vogtei  Weilburg  auf  dieselbe  Weise  an  Nassau  gekommen 
sein  muss,    wie  das  mit  Coblenz  geschehen  ist.     Die    dem  nassauischen  Hause 
zustehende  Vogtei  über  dieses  Gebiet  war,    wie  wir  oben  sahen,  ein  pfalzgräf- 
liches Lehen.    Wie  nun  Pfalzgraf  Konrad  als  trierischer  Obervogt  der  Vergeber 
dieses  Lehens  war,  so  wird  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  er  in  der  Eigen- 
schaft   auch    als  Obervogt    der    wormser  Kirche    der  Verleiher    der   weilburger 
Vogtei  gewesen    sein    muss.     Als    solchen    lernen    wir   ihn   nämlich    zufällig    in 
einer   Urkunde    des    Bischofes    Konrad    von    Worms    vom  Jahre  1174    kennen, 
nachdem    wir   noch    1159    beim  Vertrag   über   Nassau   den   Grafen  Simon   von 
Saarbrücken    in   dieser  Würde   haben    walten   sehen.^)     Graf  Simon    aber   war 
von  der  Mutter  des  Pfalzgrafen,  seiner  Schwester,  her  dessen  Oheim,  die  worm- 
sische  Vogtei  demnach  saarbrückisches  Erbe,    freilich,  wie  es  scheint,    erst  mit 
Gewalt  dem  Grafen  Simon  entrissen,  als  Kaiser  Fridrich  L  1168  seinem  Halb- 
bruder, dem  Pfalzgrafen,  zuliebe  die  Burg  Saarbrücken  mit  drei  anderen  saar- 
brückischen  Burgen  brechen  liess.^)     Daraus   geht   dann  hervor,    dass   die  Be- 
lehnung Nassau's  mit   der  Vogtei  Weilburg   erst   nach   dem  Jahre  1168    statt- 
gefunden haben    kann,    was    auch    unserer  Urkunde    entspricht,    da   diese,    wie 
bereits  Vogel  und  Schliephake   richtig   hervorgehoben   haben,    die   Zustände 
unter  den  früheren  wormser  Bischöfen   dem   gegenwärtigen   entgegenstellt   und 
damit  das  alte  Recht  gegenüber  den  versuchten  Kechtseingrili'en    der  jüngeren 
Zeit  begründet. 

Ob  diese  Rechtseiugriffe,  die  uns  die  Urkunde  vermuten  lässt,  von  nassau- 
ischer Seite  im  Vertrauen  auf  den  pfalzgräfiichen  Lehensherrn  versucht  worden 
waren  und  etwas  von  der  weifischen  Neigung  des  Grafen  verraten,  die  durch 
die  im  Jahre  zuvor  vollzogene  Heirat  der  einzigen  Tochter  des  Pfalzgrafen  mit 
dem  jungen  Weifen  Heinrich  begünstigt  schienen  ?  Jedenfalls  lässt  die  Urkunde, 
die  gerade    zwei  Tage    vor  dem  Tode    des  Pfalzgrafeu  in  Heidelberg    oder  auf 


1)  Schliephake  1,  B55  ff.  —  -)  Bcschr.  ;K)3  f.  —  ')  1,  ;3t)l.  —  *)  Kremer,  Gcneal. 
Gesch.  d.  alten  ardenn.  Hauses  i:?S;  Tolner,  Ilistor.  Palat.  MI,  IHM).  —  ")  üodcchin  zum 
Jahre  1168  bei  Krem  er  a.  a.  0. 


122 

Stallleck')  vollzogen  wordeu  war,  nicht  bloss  durch  ihren  Inhalt  sondern  auch 
durch  die  Bezeichnung  des  Bischofes  mit  „dilectus  noster  Hoinricus  worma- 
tiensis  episcopus",  während  ,Comes  Waleramus  de  Nassauwe"  uubefreundet 
nachfolgt,  eine  Spitze  gegen  den  letzteren  erkennen.  Bischof  „Heinricus"  stand 
eben  in  besonderer  Gunst  des  Kaisers.  Nicht  nur,  dass  er  von  letzterem  zum 
kaiserlichen  protonotarius  erlesen  worden  war,  so  verdankte  er  dem  Kaiser 
auch  seinen  Bischofsstuhl  seit  dem  23.  Februar  11 92-),  war  dessen  Vertrauter, 
ward  als  Gesauter  in  Italien  verwendet  und  zum  „vicarius  imperialis  curiae" 
ernannt.')  Kein  Wunder,  dass  in  dem  Vertrage  die  Rechte  des  Bischofes  aufs 
Peinlichste  gewahrt  erscheinen  und  Walram  sogar  verpflichtet  wird,  in  einem 
Stücke  wenigstens  zum  Lehensmanne  des  Bischofes  zu  werden.  Dennoch  ist  das 
Ganze  mit  so  kluger  Mässigung  abgefasst,  dass  man  das  Bestreben  des  Kaisers 
herausfühlt,  es  trotz  alledem  mit  Walram  nicht  zu  verderben.  Hatte  der  Kaiser 
doch  auch  diesen  nötig  für  die  Durchführung  des  gewaltigen  Planes,  mit  dem 
er  sich  zu  der  Zeit  trug,  das  deutsche  Wahlreich  in  ein  Erbreich  zu  verwandeln 
und  sein  normannisches  Erbe  mit  diesem  zu  vereinigen. 

Nicht  vergessen  sei  endlich,  dass  unsere  Urkunde,  wie  sie  Walram  als 
regierenden  Grafen  behandelt,  also  mittelbar  den  Tod  seines  älteren  Bruders 
Ruprecht  IL  bescheinigt,  dies  auch  mit  der  Bestimmung  thut,  dass  Nassau,  und 
nicht  sein  früherer  Wohnsitz  Laureuburg,  der  Ort  der  etwaigen  Einlagerung 
der  wormser  Geiseln  sein  soll.  Dorthin  weist  uns  aber  auch  einer  der  von  dem 
Grafen  zu  stellenden  Geiseln:  Egenolfus  Longus.^)  Denn  diesen  lernen  wir 
in  den  „Traditiones  Eberbacenses"  als  Gutsbesitzer  in  Hadamar  unter  der 
Bezeichnung  „Dominus  Egenolfus  de  Nassouwe"  im  Jahre  1225  kennen.^) 
Doch  könnte  er  auch  jener  Egenolfus  sein,  der  neben  Egenolfus  Longus  als 
Bruder  des  ,Heinricus"  und  Sohn  der  „Sophia"  in  der  schon  oben  angeführten 
Urkunde  der  Gräfin  Kuniguudis  von  1198  vorkommt  und,  wie  das  arnsteiner 
Necrologium  ergibt,  ein  Herr  von  Stein  war.^  Dann  \väre  wenigstens  der  auch 
unter  den  Geiseln  genannte  Heinricus  als  Burgmann  von  Nassau  bestimmt. 
Eben  dorthin  würd  auch  der  weiter  genannte  „Heinricus  filius  Rifridi"  zu  rechnen 
sein^),  da  Rifridus  unter  den  Ministerialen  erscheint,  die  als  Zeugen  in  dem 
berühmten  Vertrage  über  Nassau  von  1159  aufgeführt  werden.  Nicht  weniger 
mag  „Roricus"  ein  Sohn  des  Zeugen  „Roricus  de  Milene"  der  letztereu  Urkunde 
sein,  sodass  schon  hierdurch  allein  Walram  als  regierender  Graf  nach  der 
früher  erwähnten  Bestimmung  bezeichnet  wäre.^)  Sehen  wir  aber  genauer  zu, 
so  erweisen  sich  alle  zehn  als  Burgmänner  von  Nassau.  Denn  bei  den  Geiseln 
des  Bischofes  vermögen  wir  urkundlich  festzustellen,  dass  bis  auf  zwei  Unbc- 
stinmibare,    die  anderen  in  Worms   ansässig  waren. ^)     Auch  weisen   „Rupertus 


'J  Tolner  329.  —  ^)  Riezler  21S;  Will,  Regesten  2,  87,  Nr.  258.  —  ')  Riezler 
23h,  320,  431.  —  *)  Ebenso  genannt  im  arnsteiner  Xecrologiuni,  Annal.  IH,  14.  —  '')  Roth, 
Geschichtsquellen  aus  Nassau.  3,  353.  —  ")  Annal.  16,  14.  —  '')  Das  arnsteiner  Necrologium, 
Annal.  If,,  14,  Ijestätigt  das  mit  dem  Eintrage :  „Rifridus  et  uxor  eins  et  [!J  Osterlindis  et  filius 
eorum  Ilcnricus."  —  *")  Auch  das  erfährt  seine  Bestätigung  durch  dieselbe  Quelle  S.  15.  — 
")  Boos,  Urkb.  der  Stadt  "Worms,  thut  uns  dabei  die  wesentlichsten  Dienste:  Syfridus  ist 
nach  seiner  Witwe  zu  schliessen  ,,burgensis'"  von  AVorms  1,  SO,  3U.    Erlewinus  steht  mitten 


123 

marcschalcus"  und  „Syfridus  pincerna"')  auf  die  nächste  Umgobung  dos  Grafen 
Walram,  und  JJythcricus  de  Stapliolo"  wird  drei  Jahre  danach  „dapifcr"  der 
Gräfin  Kunigundis  und  Solin  des  Ansolmus  genannt^),  sodass  wir  gleichzeitig 
auch  einen  Blick  in  den  gräflichen  Hofhalt  gewinnen^),  wie  nicht  minder 
Glieder  des  niederen  nassauischen  Adels  von  damals  kennen  lernen."^) 

Eine  zweite  Kaiscrurkundc,  kaum  mehr  als  drei  Wochen  später  als  die 
soeben  besprochene,  ausgestellt  zu  Kaiserslautern  am  28.  November  llOS"^), 
zeigt,  dass  die  Entscheidung  der  letzteren  den  Wünschen  Walrams  entsprochen 
haben  muss.  Denn  wir  sehen  in  ihr  „Walrabanus")  comes  de  Nassauweu"  nach 
des  Kaisers  Bruder,  dem  Herzoge  Konrad  von  Schwaben,  und  dem  Herzoge 
Heinrich  von  Brabant  (dux  Louanensis)  mit  dem  nach  ihm  erst  folgenden 
Truchsesse  Markwart,  dem  ehemaligen  Genossen  in  Konstantinopel,  und  anderen 
Hofbediensteten  die  kaiserliche  Bestätigung  aller  Besitzungen  und  Rechte  des 
Klosters  Otterberg  in  der  Pfalz  bezeugen.  Graf  Walram  befindet  sich  demnach  am 
kaiserlichen  Hoflager  und  hat  dasselbe  vielleicht  seit  Worms  nicht  verlassen.  Es 
ist  deshalb  begreiflich,  dass  er  auch  auf  dem  Reichstage  in  Worms  nicht  fehlt, 
den  der  Kaiser  zur  endgiltigen  Beschlussfassung  über  einen  neuen  Kreuzzug 
dort  abhielt.  Er  wird,  was  bisher  noch  unbekannt  war^},  ausdrückUch  unter  den 
daselbst  versammelten  Reichsfürsten  genannt^),  während  seiner  nicht  gedacht 
ist  bei  dem  zum  gleichen  Zwecke  veranstaltet  gewesenen  Reichstage  in  Gelur 
hausen  Ende  Oktober.  Von  der  Teilnahme  au  dem  neuen  Kreuzzuge,  zunächst 
von  der  zu  ihm  verpflichtenden  Anheftung  des  Kreuzes,  hielt  ihn  vermutlich  sein 
Alter  ab.  Das  letzte  Zusammensein  mit  dem  Kaiser  findet  ein  halbes  Jahr 
später  in  demselben  Worms  am  10.  Juni  1196  statt.  Es  handelt  sich  hier  um 
die  Bestätigung  einer  Urkunde  vom  4.  April  1190^),  worin  dem  Bischöfe  Konrad 
von  Worms  die  Yogtei  über  Dirmstein  überlassen  war,   und  dieser  dem  Colle- 

unter  den  Zeugen  „de  Wormatia",  82,  31.  Gernodus  ist  „tarn  de  consilio,  quam  de  univer- 
sitate  civitatis"  (Wormatiae)  102,  3H,  Conradus  Rufus  80,  38,  Otto  9:5,  4,  Godefridus 
de  Stocheim  102,  21,  Bertliolfus  de  Dirmstein  76,  23,  Adellierus  de  Wormatia 
erweist  sich  von  selber  als  Worraser.  So  ist  kein  Zweifel,  dass  auch  Welfridus,  der  in 
unserer  Urkunde  allein  vorkommt,  und  Cunradus,  der  sehr  oft  erscheint,  aber  nirgends  mit 
Deutlichkeit  als  Wormser  auftritt,  Wormser  gewesen  sein  müssen. 

')  Wird  mit  Unrecht  von  Hennes  1,  Ul  und  Schliephake  1,  372  zu  einem  Herrn 
von  Stein  gemacht.  Das  Necrologium  von  Arnstein  behandelt  ihn  unabhängig  von  dieser 
Familie,  Annal.  16,  14.  —  ^l  Urk.  v.  119S  bei  Schliephake  J,  469;  Arnst.  Nccrol.  Anna!. 
16,  14.  —  3)  Vgl.  Hennes  1,  140.  —  ■*)  Crafto  de  Bilstein  wird  von  Arnoldi,  Misccll. 
208  und  Vogel,  Beschr.  727  nicht  aufgeführt,  obgleich  beide  unsere  Urkunde  kennen,  wäh- 
rend beide  Dagemar  von  Merenberg  und  Dythericus  de  Staphele  von  hier  aus  nennen. 
Irrig  macht  Arnoldi  429  letzteren  zum  „dapifer  Comitiss.  Cunegundis  de  Dietse"  trotz  der 
dabei  angeführten  Urkunden  von  1195  und  1198.  Es  soll  auch  nicht  vergessen  sein,  dass  9 
von  den  Genannten  als  Wohlthäter  des  arnsteiner  Klosters  unmittelbar  hinter  den  Mitgliedern 
des  gräflichen  Hauses  verzeichnet  sind,  also  auch  hierdurch  ihre  Zugehörigkeit  zu  Nassau  be- 
weisen, vgl.  Annal.  16,  14  f.  —  *)  Frey  u.  Remling,  Urkb.  d.  Klosters  Otterberg.  Urk.  4; 
Hennes  1,  223  f.;  Boos,  Urkb.  der  Stadt  Worms  79,  Xr.  96;  Toeche  678.  Die  Ind.  XHH 
nmss  in  XHI  verbessert  werden.  Zur  Urkunde  vgl.  Schlieph.  1,  363  f.  —  '')  Über  diese 
Namensform  s.  Anm.  7,  S.  125.  —  ')  Vgl.  Hennes  1,  125;  Schlieph.  1,  364,  wo  seine  An- 
wesenheit nur  vermutet  wird.  —  '')  Annal.  Heinhardsbronn.  238"'  bei  Ton  che  :!90.  —  ^)  Statt 
Ind.  IUI  muss  es  XIV  heisson. 


124 

gialstifte  S.  Martin  in  "Worms  eine  jährliche  Präbeudc  von  K?  Pfund  dafür  ent- 
richten sollte,  dass  letzteres  den  Zoll  in  Boppard  wieder  überlassen  hatte.  Dabei 
wird  der  Zwist  zwischen  dem  Stifte  nnd  den  Rittern  Konrad  und  Dietrich  von 
Waldeck  geschlichtet.^)  Unter  den  Zeugen  der  l^rkundc  befindet  sich,  wieder 
an  bevorzugter  Stelle  nach  den  Geistlichen  und  den  beiden  Brüdern  des  Kaisers, 
Walram  von  Nassau. 

Dass  es  diesem  mit  seiner  Annäherung  an  den  Kaiser  ernst  war,  geht  auch 
aus  seiner  nahen  Verbindung  mit  dem  Erzbischofe  Konrad  von  Mainz  in  diesem 
Jahre  hervor,  die  durch  nicht  weniger  als  4  Urkunden  belegt  ist.  Denn  wie 
der  Erzbischof  vier  Jahre  zuvor  die  Seele  der  Fürstenempörung  gewesen  war, 
so  lag  ihm  nun  daran,  zu  dem  Kaiser  zu  halten,  damit  der  Kreuzzug  zu  stände 
käme,  den  er  anführen  sollte.  Man  hat  dies  freilich  auf  Grund  eines  Berichtes 
des  „Chrouicon  halberstadense"  bestreiten  wollen,  der  die  zweite,  aus  Anlass  des 
kaiserlichen  Bestrebens,  das  deutsche  Wahlreich  in  ein  Erbreich  zu  verwandeln, 
entstandene  Schilderhebung  der  Fürsten  mit  dem  mainzer  Erzbischofe  in  Ver- 
bindung bringt.  Toeche  aber  hat  unseres  Erachtens  die  Verworrenheit  und 
darum  Unechtheit  dieses  Berichtes  so  schlagend  nachgewiesen,  dass  ein  aber- 
maliges Zurückgreifen  auf  denselben  seitens  Will's  unbegreiflich  erscheint, 
zumal  eine  Widerlegung  Toeche' s  von  ihm  nicht  einmal  versucht  worden  ist.^) 
Die  Thatsache  kann  für  uns  um  so  ausgemachter  gelten,  als  die  erste  Urkunde 
des  Erzbischofes,  in  der  Graf  Walram  nach  einer  Reihe  von  Geistlichen  neben 
dem  Grafen  Poppo  von  Wertheim  und  anderen  Edelen  die  Gestattung  der  freien 
Propstwahl  für  das  Nonnenkloster  S.  Petri  zu  Kreuznach  bezeugen  hilft,  am 
18.  November  1196,  also  zu  der  Zeit  ausgestellt  ist,  in  deren  nächster  Nähe 
die  frankfurter  Fürstenversammlung  stattfand,  in  welcher  „mediantibus  Cun- 
rado  Maguntino  archiepiscopo  et  duce  Suevie  Philippe''  der  dreijährige  Sohn 
Heinrichs  VI.  zum  deutschen  König  gewählt  wurde. ^)  Die  drei  übrigen  Ur- 
kunden aber  folgen  dieser,  wenigstens  nach  der  Anordnung  Will's,  der  wir 
uns  anschliessen.  In  der  zweiten  verleiht  der  Erzbischof  dem  von  ihm  besonders 
geliebten  Kloster  Elvenstat  (Ilbenstat)  die  Pfarrkirche  in  Sothle  (Södel)*); 
und   hier   ist    nach    den  Priestern    „Walrarmus    comes  de  Nassowc"    der  erste 


')  Schannat,  Hist.  episc.  Worm.  Urkb.  i)(),  Nr.  37;  Toeche  681;  Boos,  Urkb.  1, 
H'6,  Nr.  99;  Hennes  1,  126  f.;  Schliephake  1,  364.  Die  Bemerkung  des  letzteren,  dass 
,,die  Verhandlungen  über  die  Sache  mehrere  Jahre  früher  unter  Bischof  Konrad  stattgefunden 
]iaben,  vielleirht  auf  dem  im  Anfange  des  Jahres  1H)2  zu  "Worms  gehaltenen  Reiclistage",  er- 
ledigt sich  durch  den  im  Texte  genannten  4.  April  1190.  Die  Urlvunde  dieses  Datums  sielie 
Monum.  boic.  XXXI,  I,  439  bei  Toeche  645,  Nr.  74.  —  -)  Toeche  415,  Anm.  1,  555  f.; 
Will,  Regesten  2,  1U3,  Nr.  352.  —  =*)  Mittelrh.  Urkb..  2,  2UÜ ;  Würdtwein,  Monast.  palat. 
5,  312:  Goerz,  Mittelrh.  Regest.  2,  213,  Nr.  778;  Hennes  1,  131;  Schliephake  1,  370; 
Will,  Regesten  2,  10.3,  Nr.  350,  353;  Toeclie  441,  Anm.,  444.  "Will  hat  bei  dieser  Urkunde 
vom  18.  November  1196  nur  das  Jahr  XXXIII  des  Exils  des  Erzbiscliol'cs  beanstandet,  das 
in  der  That  das  Jahr  XXXI  sein  musste,  aber  er  hat  die  falsche  Ind.  XV  übersehen;  während 
diese  nun  in  den  drei  folgenden  Urkunden  richtig  als  XIV  sich  darstellt,  wiederliolt  sich  bei 
den  zwei  nächsten  die  Angabe  des  falschen  Exilsjahres,  das  erst  in  der  letzten  richtig  ge- 
setzt wird.  —  ')  Gudenus,  Cod.  dipl.  1,  331;  Würdtwein,  Notitia  liist.  dipl.  de  abbatia 
llbcnstadr.    Mog.   IIW.    61   f.;  Will,  llegcstcn  2,   104,  Nr.  357. 


12.5 

weltliche  Zeuge,  dem  uoch  fünf  weitere  folgen.  Dasselbe  ist  der  Fall  in  der 
dritten  Urkunde,  in  der  der  Erzbischof  bezeugt,  dass  der  Freie  Arnold  den 
Brüdern  der  h.  Maria  zu  Otterberg  12  Mausen  in  Gudinbach  und  Jleinwilre 
zu  deren  Unterhalte  geschenkt  habe^);  wie  bei  der  vierten,  in  der  eben  derselbe 
die  Abtrennung  der  Kirche  in  Gosbach  (Josbach)  von  der  seit  den  Zeiten 
Kaiser  Ottos  des  Jüngeren  dem  Stephansstifte  in  Mainz  gehörigen  Kirche  in 
Burno  (Schlossborn)  und  deren  Selbständigkeit  als  Pfarrkirche  bekundet. 2) 
Da  der  Erzbischof  gegen  Ende  des  Jahres  oder  doch  im  Anfange  des  nächsten 
sich  auf  den  Kreuzzug  begab^),  so  darf  der  Aufenthalt  des  Grafen  Walram 
am  erzbischöflichen  Hofe  als  Abschiedsbesuch  aufgefasst  werden,  um  so  mehr, 
als  der  Erzbischof  schon  bejahrt  und  dazu  körperlich  geschwächt  war.^) 

Denselben  Zweck  scheint  die  um  dieselbe  Zeit  bezeugte  Anwesenheit 
Walrams  am  pfalzgräfliclien  Hofe  in  Heidelberg  (?)  gehabt  zu  haben,  da  Pfalz- 
graf Heinrich  noch  am  27.  Mai  1197  sich  in  der  Heimat  befunden  hat.  Denn 
dass  derselbe  den  Kreuzzug  mitgemacht  habe,  ist  ausser  Zweifel.^)  Dieser 
bestätigt  nämlich  im  Beisein  der  Grafen  Walram  von  Nassau,  Simon  von  Saar- 
brücken, Heinrich  von  Zweibrücken,  Poppe  von  Laufen  und  anderen  dem 
Cisterzienserkloster  Schönau  bei  Heidelberg  den  Besitz  des  Landgutes  Opphove 
nebst  den  dabei  gelegenen  Rheininseln. ^)  Da  der  Pfalzgraf  von  seinem  Schwieger- 
vater Konrad  her,  wie  wir  wissen,  Lehensherr  Walrams  war,  so  erscheint  ein 
Abschiedsbesuch  auch  bei  ihm  natürlich.  Dass  dabei  auch  ein  Gedankenaus- 
tausch über  deutsche  Reichsangelegenheiten  mit  dem  mächtigen  Weifen  statt- 
gefunden haben  werde,  wird  bei  der  früheren  Parteinahme  Walrams  für  die 
Weifen  nicht  ausgeschlossen  erachtet  werden  dürfen.  Was  konnte  dem  mittel- 
alterlichen Fürsten  über  die  Interessen  seines  Hauses  gehen?  Jedenfalls  war 
es  die  letzte  Begegnung,  wie  Walram  damals  auch  den  Erzbischof  Konrad  zum 
letztenmal  gesehen  hat. 

Denn  nur  noch  einmal  begegnet  uns  fortan  der  Graf.  Am  20.  Januar  1197 
bezeugt  er  zu  Coblenz  nach  den  Priestern  als  „Walrabo'^)  comes  de  Nassowen" 
mit  Graf  Embecho  von  Leiningen,  den  Grafen  Heinrich  und  Eberhard  von  Seine, 
Reinbold  und  Bruno  von  Lsenburg,  Werner  von  Bolanden  und  anderen  die  Be- 
stätigung der  Güter  der  Abtei  Arnstein  durch  den  Erzbischof  Johann  von  Trier.*') 

')  Abschrift  bei  Kindlinger  137,  56  in  ßöhmer's  Ms.  5;  Will,  Regest.  2,  105,  Nr.  3G0; 
Icnnes  1,  131;  Schlieph.  1,  370.  —  -)  Joannis,  Rer.  mog.  2,  525  f.;  Würdtwein, 
)ioec.  mog.  2,  84;  Hennes  1,  130;  Schliepli.  1,  3G5  fF. ;  Will,  Regesten  2,  105,  Nr.  361. 
kVarum  Will  bei  diesen  beiden  letzten  Urkunden  das  Jahr  1196  mit  einem  Fragczeiclien  ver- 
ieht,  ist  nicht  klar,  da  die  Datumsangabe  in  beiden  keinen  Zweifel  gestattet.  —  ^1  Röhricht, 
Jeitr.  zur  Gesch.  d.  Kreuzzüge  2,  355;  Will,  Regesten  2,  107,  Nr.  367.  —  *)  Abt  Gerbert 
on  Gembloux  erinnert  in  dieser  Zeit  den  Erzbischof  brieflich  an  seine  „etas  et  imbecillitas 
orporis'',  vgl.  Will,  Regesten  2,  106,  Nr.  363.  —  ^)  Röhricht,  Beitr.  2,  358.  —  ^)  Schan- 
lat,  Hist.  episc.  Worm.  Urkb.  155;  Hennes  1,  132;  Schlieph.  1,  370.  —  ^)  Zum  Über- 
lusse  sei  daran  erinnert,  dass  die  ursprüngliche  Form  des  Namens  Walahraban  ist.  AVie  aber 
iraban  (Rabe)  auch  als  hrani  und  rara  vorkommt,  so  ebenfalls  als  rabo  und  rabe,  vgl.  Graff 
,  1146  f.  Daher  die  Formen  Walram  und  Walrabo,  Walrab,  Walrav,  die  Fürstemann 
,  1233  nicht  kennt.  —  '*)  Herquet,  Urkb.  d.  Priimonstrat.  Klosters  Arnstein  12,  N.  ?^. ; 
ilittelrh.  Urkb.  2,  205  (hat  Walrauo) ;    Gudenus,  Cod.  dipl.  2,  24;    Krem  er,  Orig.  Nass.  2. 


12G 

Die  erste  Stelle  hierbei  macht  es  zweifellos,  dass  er  als  Vogt  des  Klosters 
Zeuge  ist.  Damit  wird  aber  zum  erstenmal  die  arnsteinische  Vogtei  als  nassauisch 
beglaubigt,  in  welcher  Eigenschaft  sie  bis  zum  Jahre  1542  verblieb.  Offenbar 
hatte  das  Kloster  erkannt,  dass  die  freie  Yogtwahl,  die  ihm  1142  von  Papst 
Innocenz  n.  und  1145  von  König  Konrad  HI.  zugestanden  war,  am  besten  von 
ihm  geübt  sei,  wenn  es  den  mächtigen  Nachbaren  in  Nassau  zu  seinem  Schirm- 
herrn erkiese.^)  Aus  diesem  Grunde  sehen  wir  wohl  schon  beim  Begräbnisse 
des  Grafen  Ludwig  von  Arnstein  im  Oktober  1185  die  Grafen  von  Nassau  an 
der  Spitze  der  Leidtragenden  und  Leichenträger.  2)  Demselben  Umstände  ver- 
dankt man  sicher,  wie  schon  früher  angedeutet  wurde,  ein  paar  Jahrzehnte  später 
die  bevorzugte  Berücksichtigung  des  Hauses  Nassau  vor  den  übrigen  arnsteiner 
Yerwanten  in  der  Lebensbeschreibung  des  Grafen  Ludwig,  wenngleich  dieselbe 
meiir  von  der  Pflicht,  als  von  der  Neigung  für  das  Yogthaus  eingegeben  scheint, 
denn  Arnstein  hat  zu  dieser  Zeit  Klage  beim  Papste  geführt  gegen  seine  Dränger, 
und  Gregor  IX.  die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier  zum  Schutze  gegen  diese 
in  der  Bulle  vom  13.  Mai  1229  aufgerufen.^) 

Wann  aber  ist  Graf  Walrara  gestorben?  Die  schon  oben  von  uns  voraus- 
genommene Urkunde  vom  Jahre  1198  bezeugt  die  Bestellung  seines  Seelenge- 
dächtnisses in  Arnstein  durch  seine  Witwe  Kunigundis.^)  Da  nun  das  arnsteiner 
Totenbuch  dies  Gedächtnis  auf  den  1.  Februar  zu  setzen  scheint^),  so  wäre  ja 
wohl  seine  Todeszeit,  wie  dies  gewöhnlich  geschieht^),  auf  den  1,  Februar  1198 
festzustellen.  Bedenken  wir  jedoch,  dass  nach  dem  Yerzeichnisse  der  Haupt- 
wohlthäter  des  arnsteiner  Kirchenbuches  Walram  schon  selber  für  sein  Seelen- 
gedächtnis Yorsorge  getragen  haben  muss^),  so  erscheint  die  Stiftung  Kunigunde's 
als  eine  bloss  nachhelfende  spätere,  die  darum  das  Todesjahr  Walrams  nicht 
bestimmen  kann.  Suchen  wir  aber  im  Totenbuch  nach  einer  solchen  Spende 
des  letzteren,  so  bietet  sich  die  bisher  nur  künstlich  gedeutete  des  5.  Juli  dar : 
„Heinrici  comitis  de  Nassauwe  et  Walrami  comitis  fratris  eiusdera,  qui  contulit 
nobis  totam  decimam  de  foreste  apud  Esten  sitam."^)  Nach  Beck  er 's  Deutung, 
die  sich  derjenigen  von  Hennes^)  und  Schliephake^")  anschliesst,  sollen  Heinrich 
und  Walram  die  Söhne  Heinrichs  des  Reichen,  also  Enkel  unseres  Walram  L 
sein.  Aber  das  Gedächtnis  dieses  Heinrich  Becker's  ist  bereits  auf  den  28. 
Mai  des  Totenbuches  gesetzt  und  mit  den  bezeichnenden  Worten :  „Henrici  Sco- 
laris, fiUi  Henrici  comitis  de  Nassauwe".^')  Wie  sollte  hier  der  dort  bloss  als 
„Scolaris"  aufgeführte  als  „comes"  und  noch  dazu  dem  regierenden,  also  älteren 


210;    Goerz,   Mittelrh.  Regest.  2,  21«,  Nr.  790;    Heimes  1,  134  f.;   Schliephake  1,  370; 
Toeche  442,  Anm. 

')  V.  Arnoldi,  Gesch.  d.  Oran.-Nass.  Lande  :!,  1,  212  ff.;  Vogel,  Beschr.  üG7.  Die  Ur- 
kunden mit  weiterer  Litteraturangabe  siehe  bei  Herquct,  Urkb.  1 — 5.  Vgl.  oben  Anm.  1, 
H.  74.  —  2)  Vita  Ludovici,  Widmann,  Annal.  18,  205.  —  ")  Herquet,  Urkb.  19,  Nr.  16. 
—  *)  S.  oben  Anm.  1,  S.  112.  —  ^)  Becker,  Annal.  Ifi,  IG,  57.  —  •"')  Hennes  1,  IHb;  Vogel, 
Beschr.  3üG;  Schliephake  1,  :570  f.  —  0  Die  Überschrift,  Annal.  IG,  i:{,  sagt  deutlich: 
.,IIii  sunt,  qui  nobis  pro  remedio  animarum  suaruni  suas  largiti  sunt  eleomosinaa  "  — 
«)  Annal.   IG,  134.  —  »)  1,  13G  f.   -    '")   1,  4S0.   —   ")  Annal.   16,  116. 


127 

Bruder  voranstellen  können,  der  ausserdem  die  Schenkung  allein  gemacht  hätte 
(„qui  .  .  .  contulit").  Es  bleibt  demnach  keine  andere  Wahl,  als  ein  Versehen 
des  Abschreibers^)  des  Eintrages  anzunehmen  und  an  die  Stelle  von  „fratris" 
patris  zu  setzen.  ])ann  fällt  der  Todestag  von  Vater  und  Sohn  auf  denselben 
5.  Juli,  und  der  Sohn  steht  nur  voran,  weil  der  Eintrag  erst  nach  dessen  Tode 
gemacht,  und  der  des  Vaters  nach  einer  älteren  Aufzeichnung  hinzugefügt  wurde. 
Es  begreift  sich  dann  aber  auch  erst  ganz  die  Schenkung  Kunigunde's  „de 
novalibus  in  Estenvorst".  Graf  Walram  hatte  bei  seinen  Lebzeiten  den  Zehnten 
dieses  Waldes  dem  Kloster  vermacht.  Es  waren  aber,  ebenfalls  offenbar  zu 
seinen  Lebzeiten,  Rodungen  in  demselben  vorgenommen  worden,  die,  da  der 
Zehnte  bloss  vom  Forste  lautete,  die  Gabe  an  das  Kloster  minderten.  War  nun 
die  Schenkung  wohl  im  Hinblick  auf  die  in  ihrer  Vollendung  unterbrochene 
Kreuzfahrt  so  reich  ausgefallen,  so  war  eine  solche  ßeschneidung  derselben  ein 
doppeltes  Vergehen.  Kunigundis  musste  demnach  mittelalterlich  ängstlich  be- 
strebt sein,  diese  „opera  illicita"  ihres  Gatten  zu  sühnen  und  schenkte  so  auch 
den  Zehnten  der  Neurode  im  Forste,  vermutHch  nicht  wenig  dazu  angetrieben 
durch  die  Klagen  des  Abtes  Herebord,  der  als  erster  Zeuge  in  ihrer  Urkunde 
steht.  Dürfen  wir  aber  auf  diese  ungezwungene  Weise  den  bisher  als  Todes- 
tag Walrams  angenommenen  1.  Februar  fallen  lassen  und  diesen  Walram  IL 
hinweisen,  um  dafür  den  5.  Juli  an  seine  Stelle  zu  setzen,  so  sind  wir  nun  auch 
verpflichtet,  sein  Todesjahr  als  das  Jahr  1197  festzustellen.  Ist  nämlich  die 
Stiftung  Kunigunde's  nur  durch  das  Jahr  1198  bestimmt,  so  trägt  die  Urkunde, 
in  der  ihre  Söhne  Heinrich  und  Ruprecht  „pro  remedio  anime  patris  nostri 
Walrarmi  nee  non  et  nostrarum"  mit  ihr  selber  auf  die  Vogteieinkünfte  aus  den 
bei  Wise  (Moselweiss)  gelegenen  Gütern  der  Kirche  von  Romersdorph  für 
18  Mark  Silber  Entschädigung  verzichten,  das  Datum  des  20.  März  1198.^) 
Graf  Walram  ist  demnach  am  5.  Juli  1197  gestorben.  Nicht  unerwähnt  bleibe, 
dass  bei  seinem  Tode  Idstein  ausdrücklich,  wenn  auch  nur  mittelbar,  seinem 
Herrschaftsgebiete  einverleibt  erscheint.  In  der  Urkunde  der  Gräfin  Kunigundis 
wird  nämlich  als  letzter  der  Ministerialen,  mit  deren  Zustimmung  und  Rat  sie 
die  Schenkung  des  ganzen  Zehnten  vom  Rodland  im  Estenforste  gemacht  habe, 
„Fridericus  Prun^)  de  Etichenstein"  genannt.  Die  Schenkung  von  5  Mausen 
in  dem  benachbarten  Altenburg  bei  Ileftrich  vom  Jahre  1178  wird  dadurch 
als  eine  vom  Hausgute  geschehene  bestätigt. 


•)  Als  Abschreiber  erweist  er  sich,  da  nach  Becker,  Annal.  16,  88  „die  erste  Anlage 
des  Mortuariums  nicht  lange  vor  dem  Jahre  1282,  aber  auch  nicht  lange  nach  den  Jahren 
1282  und  1254  erfolgt  sein  wird."  —  ^J  Günther  1,  498;  Mittelrh.  Urkb.  2,  215  u.  759, 
Nr.  902;  Goerz,  Mittelrh.  Regesten  2,  225,  Nr.  822;  Schlieph.  1,  371,  469  f.  —  •'')  Prini 
bei  Schliephake  1,  464  ist  entweder  Schreib-  oder  Lese-  oder  Druckfehler,  da  es  keinen 
Sinn  gibt,  Prun  oder  Brun,  der  Braune,  aber  auch  später  bezeugt  ist,  vgl.  Vogel,  Bcschr.  825. 
Dass  aber  Fridrich  Prun  nicht  etwa,  wie  Crafto  de  Bilstein  und  Dagemarus  de  Mcrenberg, 
zur  Burgmannschaft  in  Nassau  gehörte,  erscheint  dadurch  ausgesolilossen,  dass  die  Brun,  wie 
die  Poto,  Muselin  und  Synekin  von  Idstein  zur  Burgmannscliaft  daselbst  gehörten,  Vogel, 
ebenda. 


128 


8.    Riipreelit  IV.  als  Kreuzfahrer  und  Ruprecht  V. 
als  Deutschordensritter. 

Damit  dürften  wir  unsere  Absicht,  die  Geschichte  des  nassauischeu  Grafen- 
liauses  bis  zu  den  ersten  wirkHchen  Trägern  dieses  Namens  zu  verfolgen,  erreicht 
halten.  Indes  noch  ein  Versprechen  ist  uueingelöst,  dessen  Erfüllung  sich  an  das 
dem  Todesjahre  "Walrams  folgende  Jahr  1198  kuüpft  und  Ruprecht  IV.  betrifft, 
den  wir  bisher  nur  aus  dem  Jahre  1217  kanuteu,  wo  er  Burgmaun  des  Erz- 
bischofes  Theoderich  von  Trier  zu  Montabaur  wird.  Wir  hatten  gesehen,  dass 
die  Gründung  des  deutschen  Ordens  nicht,  wie  bisher  angenommen  wurde,  auf 
den  5.  März  1190,  sondern  1198  fiel,  die  Namen  der  Grafen  Ruprecht  und 
Walram  also,  die  man  seither  in  der  Liste  der  Gründer  des  Ordens  glaubte, 
nur  nachträglich  dort  eingesetzt  sein  konnten,  liier  müssen  wir  nun  zunächst 
sagen,  dass  diese  letztere  Annahme  sich  bei  näherer  Betrachtung  noch  dazu 
als  Irrtum  erweist.  Sie  gründet  sich  nämlich  auf  die  Angabe  Voigt 's  aus 
S.  8  der  Ordenschronik,  die  ihm  als  Manuskript  vorlag,  dass  dortselbst  nach 
den  übrigen  Teilnehmern  „die  Grafen  von  Nassau,  Henneberg  und  Sponheim" 
genannt  seien. ^)  Nicht  nur  aber,  dass  hier  keine  Vornamen  genannt  werden, 
so  erlaubt  auch  der  Ausdruck  „die  Grafen"  nicht  einmal,  auf  zwei  nassauische 
Grafen  zu  schliessen,  da  die  Mehrzahl  gleichzeitig  für  Nassau,  Ilenneberg 
und  Sponheim  gilt.  Kann  nun  im  Jahre  1198  keine  Rede  mehr  sein  von 
Ruprecht  III.  und  Walram,  so  bleibt  für  Nassau  als  einzig  Mündiger  in  diesem 
Jahre  nur  Ruprecht  IV.,  der  Sohn  Heinrichs  L,  übrig.  Und  liegt  es  denn  so 
ferne,  anzunehmen,  dass  diese  müssige  jugendliche  Kraft  von  der  im  nahen 
Maiuz  so  ungleich  höher  als  vor  dem  vorangegangenen  Kreuzzuge  lohenden 
Begeisterung  für  den  heiligen  Krieg  ergriffen  worden  sei,  und  dass  es  Walram 
nicht  sehr  angelegen  haben  solle,  zur  Sühne  für  sich  einen  Ersatz  ins  h.  Land 
mit/Aisenden?  Ja,  wir  haben  sogar  den  Mut,  ihn  wirkhch  genannt  zu  finden 
als  Kreuzfahrer,  wenn  auch  ohne  seinen  Vornamen,  und  an  verkehrter  Stelle. 
Das  Gedicht  „Wilhelm  von  Österreich"^)  nennt  mit  noch  vielen  anderen  Edelen 
einen  Grafen  von  Nassau  in  der  Genossenschaft  des  Herzogs  Heinrich  von 
Brabant.  Nun  ist  aber  dieser  Herzog  nicht,  wie  das  Gedicht  will,  am  dritten 
Kreuzzuge  beteiligt  gewesen,  sondern  nachweislich  1197  ins  h.  Land  gezogen. 
Da  sich  der  Dichter  solcher  Verstösse  gegen  die  geschichtliche  Wahrheit  mehrere 
hat  zu  Schulden  kommen  lassen,  so  sind  wir  berechtigt,  einen  solchen  auch 
bei  seinem  Grafen  von  Nassau  zu  unterstellen,  und  diesen  unseren  Ruprecht  IV. 
zu  nennen.  Wir  haben  allen  Grund,  eine  Bestätigung  dieser  Annahme  in  der 
Thatsache  zu  sehen,  dass  der  deutsche  Orden  seit  dem  Jahre  1217,  wo  ihm 
das  Patronat  der  Kirche  in  Wiesbaden  überwiesen  wurde,  als  besonderer  Pfleg- 
ling des    nassauischen  Hauses   erscheint.^)     Freilich    tritt    weder   hier    noch    in 


')  Gesch.  Proussens  2,  G48.  —  -)  Von  Röhricht  abgedruckt  in  Zacher's  Zeitschrift  7, 
108  ff.  Vers  1091(5,  17810.  Vergl.  desselben  Beitr.  /..  Gesch.  d.  Kreuzz.  2,  :J3()  und  Voigt, 
Gesch.  Preussens  2,  047.  —  ^)  Gudonus,  Cod.  dipl.  :{,  107s,  1080,  1,  47r>;  Kreiner,  Orig. 
Nass.  2,  2.')4,  2r)7  f.;  vgl.  Will,  Regosten  2,  ir,!),  Nr.  202,  woselbst  ilii;  iilirigo  Littoratur  mit 
Ausnahme  von  Schlieph.   1,  :ii)7   11. 


129 

leu  zahlreichen  späteren  Zuwendungen  an  den  Orden  der  Name  Ruprechts  lY.  auf, 
'iehnehr  sind  nur  die  Söhne  Wah-ams,  Heinrich  der  Reiche  und  Ruprecht  V.'), 
lie  Sclienker,  und  letzterer  vom  Jahre  1231  etwa  gar  Ordensbruder.  Aber 
)eide  sind  eben  die  Vertreter  des  Hauses  und  als  solche  die  Besitzer  des  Ilaus- 
'erinögens.  Auch  das  steht  unserer  Annahme  nicht  entgegen,  dass  die  erste 
lassauische  Schenkung  an  den  Orden  verhältnismässig  so  spät  nach  Gründung 
lessclben  fällt.  Denn  sind  gleich  die  Bailei  Coblenz,  zu  der  diese  Schenkung 
len  ersten  Grund  legte,  die  Balleieu  Thüringen,  Oesterreich,  Hessen,  Franken 
[ud  Utrecht  zum  Teil  um  10  Jahre  vorangegaugeu^),  so  beginnt  doch  die 
igentliche  Besitzentwickelung  des  Ordens  mit  seinem  ersten  nachhaltigen  F<>r- 
ierer  Kaiser  Fridrich  II.  In  dessen  erstes  Regierungsjahr  aber  fällt  die  Schenkung 
es  Patronates  der  Kirche  in  Wiesbaden.  Auch  war  die  Schenkung  erst  mög- 
ich  seit  dem  5.  September  1214^),  wo  Fridrich  II,  vor  Jülich  dem  Deutsch- 
rden  die  Erwerbung  reichslehenbarer  Besitzungen,  dergleichen  das  Patronat 
11  Wiesbaden  eine  war,  urkundlich  und  unter  der  Mitzeugenschaft  des  Grafen 
leinrich  II.  von  Nassau  zugesteht.*)  Bemerkenswert  darf  es  ausserdem  vielleicht 
rscheinen,  dass  die  Schenkung  in  Wiesbaden  geschieht,  wo  der  Bruder  der 
Jemahlin  Ruprechts  lY.,  Graf  Fridrich  von  Leiningen,  Mitbesitzer  war  und 
Isbald  nach  der  Schenkung  seinerseits  sich  mitthätig  erwies  in  der  Befreiung 
les  vom  Orden  hinzu  erworbenen  Mansus  von  allen  Lasten.^)  Nicht  minder 
indet  die  im  Jahre  1230  erfolgende  weitere  Schenkung  an  den  Orden,  aber- 
nals  in  Gestalt  eines  Kirchenpatronates,  diesmal  in  Oberlahnstein,  statt,  wo 
vuprecht  lY.  sein  Allod  1217  an  den  Erzbischof  von  Trier  als  Lehen  für 
[ontabaur  aufgetragen  hatte. ^)  Endlich  aber  wird  man  kaum  umhin  können, 
ie  verhältnismässig  starke  Beteiligung  des  niederen  nassauischen  Adels  am 
)rden  derselben  persönlichen  Anregung  zuzuschreiben,  die  jene  Schenkungen 
eranlasst  hatte.     Seither  wusste  man  bloss,    dass  Graf  Ruprecht  Y.  ums  Jahr 

^)  Wenck,  Hist.  Abh.  1,  Kt:')  f.  schliesst  aus  dem  Umstände,  dass  die  Genannten  sich 
ie  Brüder  in  den  Urkunden  nennen,  dass  Ruprecht  der  in  Rede  stehende  Ruprecht  IV.  sein 
liisso.  Aber  zu  Unrecht.  Das  zeigt  deutlich  z.  B.  die  Urkunde  von  1221  betreffs  Sonnen- 
ergs, wo  beide  Grafen  ebenso  nebeneinander  stehen,  aber  die  gleichzeitig  mitgenannten  Ge- 
lahlinnen  Mechtildis  und  Gertrudis  sie  als  Brüder  kennen  lehren,  Gudenus,  Cod.  dipl.  1, 
77;  Kremer,  Orig.  Nass.  2,  262.  —  ')  Vgl.  Voigt,  Gesch.  d.  deutschen  Ritterordens.  l!cr- 
n  1S,")7,  1,  1 — G4,  87  f.  Leider  hat  er  S.  (U  das  falsche  Jahr  1191  für  die  Schenkung  in 
Viesbaden  nach  Gudenus  ;i,  1070.  —  ^)  Von  diesem  Datum  aus  (vgl.  Böhmer,  Regesten 
G7,  Nr.  8097)  sind  wir  berechtigt,  die  widersprechenden  betreffs  der  Schenkung  der  wics- 
ader  Kirche  richtig  zu  stellen,  wie  dies  bereits  Hennes  1,  158  Anm.  angebahnt  hatte, 
cliliephake  1,  397  aber  nicht  durchzuführen  vermochte.  Das  Datum  der  Schenkungsurkunde 
or  Grafen  Heinrich  und  Ruprecht  weist  dabei  den  Weg.  Die  irrige  Angabo  des  Jahres 
ICCXI  bei  Gudenus  3,  107s  und  Krem  er  2,  25-t  ist  durcli  das  Ausfallen  einer  V  zu  er- 
lären,  welche  allein  in  der  von  Vogel,  Beschr.  533,  Anm.  7  gemeldeten  Originalurkunde 
ichtig  gesetzt  ist.  Die  Schenkung  ist  also  am  20.  Nov.  1214  erfolgt.  Die  kaiserliche  Bestüti- 
ungsurkunde,  die  das  Datum  21.  Jan.  1214  trägt,  ist,  wie  dies  bereits  Böhmer,  Regest.  HG, 
Ir.  3383  vorgeschlagen  hatte,  wegen  ihrer  „ind.  tertia"  ins  Jahr  1215  zu  setzen.  —  ■*)  Böli- 
ler-Ficker,  Reg.  imp.  V,  Nr.  747;  Hennes  1,  154;  Will,  Regesten  2,  159,  Nr.  230.  — 
)  Hennes  1,  225;  Schliephake  1,  400.  —  '^)  Hennes,  Urkb.  d.  deutsch.  Ordens  1,  85; 
lesselben,  Gesch.  d.  Grafen  von  Nassau   1,   172;   Schliepiiako   1,  422   f. 

Annalen,   Ed.  XXVI.  9 


130 

1231  in  deu  deutschen  Orden  trat,  und  dass  1237  sieh  mit  ihm  Heinrich  von 
Ybach  (Eibach)  und  Konrad  Rübsamen  von  Merenberg  im  Orden  befanden.') 
Wir  dürfen  aber  nunmehr  einen  Deutschordensbruder  aus  Nassau  sogar  im 
h.  Lande  nennen  und  schon  vom  Jalire  1229:  „Counradus  de  Nassowe",  der 
als  solcher  am  20.  April  eine  Tauschurkunde  des  Ordens  mitunterzeichnet,'*) 
Derselbe  wird  in  den  Urkunden  vom  7.  Juli  und  11.  September  1244  als 
„praeceptor  magnus'-  oder  „praeceptor  Theutouicorum"  aufgeführt^)  und  ist  am 
17.  Oktober  1244  gefallen."*)  Da  ein  nassauischer  Graf  dieses  Namens  unbe- 
kannt ist,  so  muss  angenommen  werden,  dass  Konrad  dem  Geschlechte  der 
Burgmänner  von  Nassau  angehört.  Seine  Anwesenheit  im  h.  Lande  1229  bürgt 
aber  wohl  dafür,  dass  er  dort  schon  länger  ansässig  war,  wie  denn  auch  seine 
Erhebung  zum  Praeceptor  oder  Commenthur  auf  längere  Zugehörigkeit  zum 
Orden  deutet,  Ist  doch  von  dem  1225  neben  ihm  genannten  „Andreas  de  Ilonlo" 
(Ilohenloli)  bekannt,  dass  er  mit  seinen  Brüdern  Heinrich  und  Fridrich  1219 
bereits  in  den  Orden  getreten  war  und  als  solcher  vermutlich  den  Feldzug  vor 
Damiette  mitgemacht  hatte.'') 

Soviel  von  den  letzten  mühsam  nur  aufgedeckten  Spuren  des  Letzten  aus 
der  Nachkommenschaft  der  ersten  Träger  des  Namens  Nassau.  Schliessen  wir 
mit  der  Thatsache,  dass  es  von  nun  an  nicht  bloss  Grafen  dieses  Namens  gibt, 
sondern  dass  nach  allen  Wandelungen  der  Gaugrafschaft  Worms-Kuuingessuntara 
in  eine  Erbgrafschaft  diese  letztere  auch  von  nun  an  den  Namen  Nassau  führt. 
Die  um  1230 — 1231  anzusetzende  Urkunde  des  Grafen  Heinrich  H.,  die  die 
Abfindung  mit  seinem  in  den  deutschen  Orden  getretenen  Bruder  Ruprecht  Y. 
verbrieft,  indem  sie  die  Dörfer  Frickhofen,  Mühlbach,  Thalheim,  Hambach, 
Finsternthal,  Ober-  und  Niederauroff,  Dotzheim,  Breitscheid,  Erdbach,  Wörs- 
dorf,  Fischbach,  Walsdorf  und  die  Mühle  Arde  aus  dem  Bereiche  der  ganzen 
Grafschaft  („tocius  nostre  comicie")  ihm  verschreibt,  trägt  auf  der  Rückseite 
„von  wenig  späterer  Hand"  die  Inschrift:  ,De  libertate  quarundarum  villarum 
et  curiarum  in  comicia  Nassauge."^) 


>)  Würdtwein,  Dioec.  Mog.  2,  128;  Wenck,  Hist.  Abb.  1,  104;  Hennes  1,  178; 
Scbliophake  1,  421.  —  -)  Streb Ike,  Tabul.  ord.  Tbcutonici.  Berlin  18r.9.  .-)I  f.  Nr.  {>?,.-, 
Rübriclit,  Regest,  regii.  Hierosolymit.  2r.3,  Nr.  l(i()2.  In  desselben  Beitr.  ■/..  Gcscbiobte  der 
Kreuzzüge  2,  HHH  ist  irrig  20.  April  1228  gesetzt.  —  ^)  Streblke  7:>  ff.  Nr.  98;  Röhriclit, 
Regest.  298,  Nr.  1120,  299,  Nr.  1123;  Beiträge  2,  38.5.  —  ■*)  Röhricbt,  Regest.  298,  Nr.  1120, 
Anm.  2.  —  *)  Stillin,  Wirtemb.  Gesch.  2,  r)41,  .")53.  Sie  werden  in  den  daselbst  angeführten 
Urkunden  von  1219  und  1220  „nobiles  pueri",  d.  b.  Edclknappen  genannt.  Vgl.  Röhricht, 
Beitrüge  2,  3G8.  —  «)  Wyss,  Hess.  Urkb.  Leipz.  1879  (Publioationen  aus  den  preuss.  Stats- 
arcbiven.    .3.  Bd.)    1,  18. 

Sclilussberaerkung.  Trotz  sorgfältigster  Korrektur  wurde  leider  übersehen,  dass 
S.  48,  Z.  4  V.  u.  1102  statt  1102  zu  stehen  hat,  und  dass  der  arnsteinischen  Töchter  S.  79, 
Z.  11  V.  o.  und  S.  8.'),  Z.  14  v.  o.  nicht  C>,  sondern  7  sind,  wie  bereits  Annnl.  24,  127  von 
uns  selber  berichtet  war.  Die  Nachprüfung  der  Richtigkeit  der  Citatc  konnte  zunioiHt  nur 
nach  unseren  Aufzeichnungen  geschehen,  da  die  Beschleunigung  des  Druckes  das  Nachschlagen 
in  den  zum  grossen  Teile  entliehen  gewesenen  Werken  ausschloss. 


Stammtafel 

des 

Hauses    Nassau. 

Yon  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  den  ersten  Trägern  des  Namens  Nassau. 


Stammtafel  d 

von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  d 


] 

Grnf  im 
y  Erste  Gcnmliliii  mis  dein  Grubt'eUl.       'i  Zweite  Geraaliliu  I 


y  Ivoggo  y  ISordiü 

Gruf  im  Grabfeld. 


I 

Gnit'  im  "Worms-  u.  Könij^ssundi 

7S8.   T'.K».   7!t'_*.   796.   797.   798. 


y  Adelbert  •''  i 

Herzog  von  Austrasien,  Graf  in  Metz  u.  Trier.  Graf  im  Worms-  u.  Königssu 

822^-839).  834.  837.  f  841.  ""''    "''' 


823.  83' 


Graf  im  Königssundra 
?  Waltrude 

t  nach  936. 


H  a  1 1  u 
1017. 


?  Gema 


y  A  z  C  (•  li  u 
Bischof  von  Worms.   1U34.  f  1U44. 


R  i  c  h  i  1  d  i  s 

Gemahlin  des  Grafen  Wigger. 

1U44. 


Embricho  I. 
Gemahlin  Adclind,  Schwester 
Wigger's.   1U34.   1044. 


104S.  1002. 


y  Embricho  II. 

Graf  im  Niederlahngan.  1059.  1062. 

1073.   107(;. 

I 

?  N.,  Gemahlin  Ludwige  IL, 

des  Rheingrafen. 


?  N.  de  Di 

1073. 


?  Embricliü 


Rheingraf. 


Ruprecht  I. 

Gemahlin  Beatrix,  Tochter  Walrams  von  Limburg. 

1124.    112.J.    1129.    1130.    1132.    1133.    1134.    113.").    113(;.    113S.    1143. 

114.-).    114().    1147.   1152.   1154.   11.59.    1IH6.     f  ? 


Arnold  il. 

1151. 

f  zwischen    1154   u.    1155. 


Ruprecht  IL 
Genialilin    Elisabeth   von  Schaum- 
burg (1197).     ?    1160.   1170.    1172. 
1173.1174.  ?1176.  1179. 1180.  1184. 
1186.  1188.   1190.   1191.  1192. 
f  vor  1195. 

I 
Luotgard 
Gemahlin   Hermanns  von  Viruc- 
burg.   1217. 


Walram   I. 

Gemahlin  Kunigundis.     1176  Graf 

von  Laurenburg.   1179.  11  SO.  1190. 

1195  Graf  von  Nassau.    1196. 

t  5.  Juli  1197. 


Heinrich  IL     Ruprecht   V. 

1217.   1230.  ücutschordens- 

ritter  1231. 


I 

Genial 

Emich 

1158. 


vor 


3  Nassau 


ig 


ern  dos  Namens  Nassau. 


er  y  Adelbcrts  iiiul  Inniiisuinda'a  im   Wormsgau. 


772.  77;{.  77(;.   777.  77!».  78.5. 
4.     j  zwisclicii  814  u.   8l!t. 


y  Bau /l eil) 

Klosters  Bleidenstadt. 

Graf   in    Üstfalen. 

)4. 

)n  S(i;5  u.  8«y. 

)  V. 

986.    928. 

Udiilricli   I. 

Oraf  (WiUlsnchspn  und  Hausen) 

zwischen  863  u.  881». 


Udalrich  II. 
Graf  (Hieljruh)  Ol'J  u.  'J3G. 


thold)  VI. 


Vodilhild  —  Y  (jemalil  Rugcr 

(Josbach)  nach  927. 


Udalricli  III. 


n  I. 
nico' 

1009. 


Imico's  von  Leiningen. 


?  Tuto  I. 

Gemahlin  Rotrude. 

1005. 


prepositus  in  Hornau 
nach  927, 


K  u  g  e  r 
nach  927. 


R  u  t  g  e  r 

Herr  von   Idstein.   1024. 


l    II. 

!8.  10.32.  1034. 
•40. 


Tuto  IL    —   N.,  Gemahlin 
100,5.  t  ?  1040.     V.  Idstein-Eppstein. 


Tuto  III. 

1052.   1070.    t   K'"^- 


Udalrich  1. 

1052.   1057.    ll)H7.   1070.    1071.  1072.  1074.    f  vor  I07ü. 


In.  Tuto  IV. 

jtr  1093.  Graf  von  Laurenburg.   1076.  1093. 


?  Udalrich  IL 

von  Idstein   1102. 


?  Kunrad 
von  Idstein   1102. 


Trutwiu  IV.  Tuto  V.  Udalrich  m. 

Jemahlin  Beatrix  von  Arnstein.      ?  1110.    f  vor  1112.      Gemahlin  Mathildis 
^  -  -  [1128].     1114. 

1118  von  Idstein. 

1122  vonEppstein. 

t  3.  April  1124. 


?  1101.     t   1107. 


5ld  L 

11,30.  1132.  1134. 
,1144.  1148.  1154. 
t  ? 

Heinrich  L 

1160.     1161.     1163. 
ter  t  1167. 

9n. 


Ruprecht  IV, 

Gemahlin    Elisabeth, 

Tochter  Emicho's  in. 

von  Leiningen  (123.5). 

1198  Kreuzfahrer. 

1217. 


Demudis 

Gemahlin  Embricho's 

von  Dietz. 


Heinrich 

der  Jüngere,  Graf 
von  Dietz. 


?  Albcrata 

Gemahlin  Emicho's  II. 

von  Leiningen. 


Sithe,  folgende  Seite  I 


Da  die  vorstehende  Stammtafel  im  eigentlichsten  Sinne  die  Inhaltsangabe 
der  ihr  vorausgehenden  Abhandlung  darstellt,  so  ist  letztere  selbstredend  deren 
ausreichende  Erklärung.  Es  bedarf  deshalb  für  den  Unkundigen  nur  bezüglich 
ihrer  äusseren  Einrichtung  der  Auskunft,  dass  die  in  ihr  der  Kürze  wegen 
gesetzten  Fragezeichen  die  von  uns  nur  vermutete  oder  erschlossene  Abkunft, 
bezw.  eheliche  Verbindung  bezeichnen  sollen,  während  die  den  betreffenden 
Namen  beigesetzten  Jahreszahlen  deren  urkundliches  Vorkommen  belegen  und 
ein  Fragezeichen  vor  diesen  die  nicht  völlige  Sicherheit  derselben  bedeutet. 


üor  Naino  Wiesbaden. 

Von 

Prof.  W.  Streitbsrg   (Frolburg-  i.  (].  Schwoiz). 


Einliard  sohroibf,  in  der  Translatio  SS.  Mareellini  et  Petri :  „Cum  rae 
quaedam  necessitas,  secundum  consuetudinem,  coniitatum  regia  adire  compelie- 
ret  mense  Doeembrio,  in  ipsis  (si  bene  recolo)  Kalondis  de  locu  martyrum  pro- 
movens  sequenti  die  ad  castrum,  quod  moderno  tempore  TJuisibada  voeatur, 
ibi  mansionem  habiturus  adveni."     Vgl.  Acta  SS,  .Tun.  1,   196. 

Die  Reise,  auf  der  Einhard  Wiesbaden  berührt  hat,  fällt  ins  Jahr  S27, 
die  Abfassung  des  Reiseberichts  ins  Jahr  830.  Aus  dieser  Zeit  stammt  also 
die  erste  Überlieferung  des  Namens  Wiesbaden.  Die  späteren  Schreibungen 
des  Wortes  findet  man  bei  Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch  II.  s.  v. 
und  bei  Kehr  ein,  Nassauisches  Namenbuch  S.  287.  Sie  lehren  uns  nichts 
neues,  brauchen  daher  an  dieser  Stelle  nicht  angeführt  zu  werden. 

An  der  Etymologie  des  Stadtnamens  hat  man  sich  oft  und  gern  versucht. 
Meist  freilich  mit  mehr  als  zweifelhaftem  Erfolg.  Ich  will  gar  nicht  einmal 
von  jener  alten  naiven  Deutung  sprechen,  wonach  Wiesbaden  seinen  Namen 
erhalten  habe,  weil  man  sich  in  den  Quellen  , weiss"  wasche.  Aber  auch  manche 
der  neueren  Ableitungen,  wie  z,  B.  die  von  Prof.  Boltz  (Annalen  XII,  314), 
der  Wii^Hnt  und  baän  in  Wiesbaden  sucht  und  dadurch  zur  Bedeutung  „Büffel- 
tummelplatz"  gelangt,  darf  man  getrost  mit  Prof.  Otto  als  einen  lusus  ingenii 
bezeichnen.  Kaum  besser  ist  die  Erklärung  l^rof.  Grimm' s,  wenn  sie  auch 
mehrfach  Zustimmung  gefunden  hat.  Danach  soll  das  erste  Kompositionsglied 
irisi-  dem  altindischen  vishds.,  griech.  16q  und  lat.  virus  entsprechen.  Nun  ist 
aber  die  indogermanische  Bedeutung  des  Wortes  keine  andere  als  „Gift".  Wenn 
man  also  auch  ganz  von  den  schweren  lautlichen  Bedenken  absehen  wollte, 
die  allein  schon  die  Gleichung  verbieten,  so  ergäbe  sich  doch  nur  als  Resultat 
die  mehr  als  seltsame  Bezeichnung  „Giftbad".  Wenn  Prof.  Grimm  statt 
dessen  mit  kühnem  Gedankensprung  zu  „Salzbad"  gelangt,  so  entspricht  das 
allerdings  eher  den  Forderungen,  die  man  an  eine  Benennung  der  alten  Aquae 
Mattiacae  stellen  darf,  desto  weniger  aber  den  Prinzipien  der  Semasiologie. 

Dass  sich  auch  die  Keltomanie  ein  so  dankbares  Versuchsobjekt  wie  den 
Namen  Wiesbaden  nicht  hat  entgehen  lassen,  kann  nicht  wunder  nehmen.  Wie 
sollte  es  sie  auch  abschrecken,  dass  der  Name  offenbar  erst  in  nachkeltischor 
Zeit  entstanden  ist?  Was  Freiherr  von  Medem  in  seiner  kleinen  Schrift  über 
Wiesbaden,  den  Namen,  seine  Herkunft  und  Bedeutung  (Homburg  1880)  noch 
23  Jahre  nach  Glück's  klassischem  Büchlein  über  keltische  Namen  vorzubringen 
wagt,    trägt   so    sehr   den  Stempel   wildester  Phautastik,    dass  eine  nähere  Be- 

9* 


132 

leuchtung  seiner  Hypothese  peinlich  wirken  müsste.  Man  wird  sie  mir  deshalb 
erlassen.  Und  was  gelegentlich  Vorgänger  und  Nachfolger  in  gleichem  Sinne 
e:eäussert  haben  —  darum  ist  es  nicht  besser  bestellt. 

So  bliebe  denn  von  allen  bisher  versuchten  Deutungen  nur  noch  die  Yul- 
gaterklärung  übrig,  die  Wisibada  als  „Wiesenbad"  fasst.  Man  vergleiche  da- 
rüber besonders  Friedemanu,  Archiv  für  liessische  Geschichte  und  Altertums- 
kunde VI.  (1851),  S.  357  ff. 

Zweifellos  darf  Friedemann's  Aufsatz  als  das  Beste  bezeichnet  werden, 
was  je  über  den  Namen  geschrieben  ist.  Es  thut  seinem  Wert  keinen  Eintrag, 
wenn  auch  das  Ergebnis  unhaltbar  geworden  ist.  Denn  Friedemanu  bleibt 
das  Verdienst,  zuerst  auf  die  lautlichen  Schwierigkeiten  aufmerksam  gemacht 
zu  haben,  die  bei  der  Erklärung  von  Wisibafla  als  „Wiesenbad"  bestehen. 
Es  ist  nicht  seine  Schuld,  wenn  das  Mittel,  das  er  angewendet  hat,  die  Be- 
denken zu  heben,  durch  spätere  Forschung  als  unzulänglich  erwiesen  worden  ist. 

Die  Ilauptschwierigkeit  bildet  nämlich  der  Vokal  der  Kompositionsfuge. 
Kr  ist  /.  Man  kann  daher  die  Frage  nicht  umgehen:  W^elchen  Nomiualstamm 
hat  man  in  irisi-  zu  suchen';' 

Jedenfalls  weder  einen  ;?-,  noch  einen  o-Stamm.  Ahd.  icisa  „Wiese"  ist 
aber  entweder  >/-  oder  o-Stamm.  Jenes  ist  jedenfalls  das  ursprünglichere,  wo- 
rauf auch  altnordisch  veisa  „palus  putrida"  hinweist.  Ein  J  oder  ?•  ist  im  Stamm 
nie  gewesen.  Es  erscheint  auch  nicht,  wo  u-isa  unzweifelhaft  als  erstes  Glied 
eines  Kompositums  auftritt:  Wisuusteten  (8.  Jh.)  u.  dgl.  sind  w-Stämme.  Es 
lässt  sich  daher,  wenn  man  von  wisa  ausgeht,  die  Form  irhi-  in  Wisibada 
nicht  erklären.  Das  hat  Friedemann  scharfen  Blickes  erkannt.  Wenn  er 
aber  der  Schwierigkeit  dadurch  abhelfen  wolUe,  dass  er  als  Nebenform  einen 
70-Stamm  anzusetzen  versuchte,  so  fehlt  die  ausreichende  Begründung  durch 
die  Thatsachen. 

Wenn  nun  alle  älteren  etymologischen  Versuche  gescheitert  sind,  und 
zwar  in  erster  Linie  an  den  Klippen  der  Lautlehre,  so  darf  man  wohl  die  Frage 
aufworfen,  ob  nicht  gerade  die  Lautlehre,  indem  sie  die  Ungangbarkeit  der 
bisher  betretenen  Wege  darthut,  auch  zugleich  einen  Fingerzeig  gibt,  der  uns 
zu  einem  in  sachlicher  wie  formeller  Beziehung  befriedigenden  Ziele  weist.  Ich 
glaube,  ja.  Re-n  vom  Standpunkt  der  Lautgeschichte  betrachtet,  lässt  der 
Stamm  irisi-  drei  Erklärungsmüglichkeiten  zu.  Er  kann  1.  /-,  2.  ja-  oder  jo-, 
3.  «-Stamm  sein. 

In  den  beiden  ersten  Fällen  mangelt,  soviel  ich  sehe,  ein  befriedigendes 
Etymon  durchaus.  Anders  im  dritten  Fall.  liier  eröffnet  sich  unmittelbar  der 
Ausblick  auf  eine  passende  Anknüj)fang,  seitdem  R.  Kögel  UMi  whii-  als  erstes 
Glied  germanischer  Eigennamen  aufmerksam  gemacht  hat.  Vgl.  Literaturblatt 
für  german.  und  roman.  Philologie  1887,  Sp.  108:  „germau.  irisu-  in  Eigen- 
namen {Wisucart,  Wimrich  u.a.)  =  altgall.  ve.s?^-  (Vesuariis,  Vesumns,  Bdlo- 
vems)  =  altind.  rasii-  „gut"  (Vasiwianas  u.  s.  w.,  vgl.  Fick,  Personennamen 
CCXl),  illyr.  VfseJeves-is  (Tomaschek  in  Bezzenbergers  Beiträgen  IX,  94). 
Das  Adjektiv  nefnt-  ist  also  schon  im  Indogermanischen  zur  Namenbildung  ver- 
wendet worden."     Weitere  Verwanten  linden  sich  in  griech.  s'j?  aus    Fsau;  und 


138 

—   mit  anderer  Ablauttbrm  —  in  got.  /^(s  „gut",  iiitiha  „besser",  lifsila  „Besse- 
rung", vgl.  Piek,  Wörterbuch  der  indugerman.  Sprachen,  4.  AuH.  S.   133. 

Lautliche  Bedenken  bestehen  bei  dieser  Etymologie  in  keiner  Weise.  Denn 
der  Übergang  von  unbetontem  u  zu  /  in  der  Konipositionsfuge  ist  der  gewöhn- 
liche. Man  vergleiche  die  zahlreichen  Beispiele,  die  uisu-  selber  gewährt: 
Neben  dem  bereits  zitierten  Wisu-cart  erscheint  melirfach  im  S.  Jahrhundert 
]Visi(/ard,  im  9.  Jahrhundort  Visichart,  statt  Wisu-rkh  tritt  in  derselben 
Periode   WisirUh,   Wislrih  auf. 

Auch  im  Gotischen  sind  wisu-  und  irisi-  belegt.  Neben  sprachgeschicht- 
iich  älterem  Visu-mar  erscheint  bei  Jordancs  Vis'mdr.  Über  Visibadus  vgl. 
Wredc,  Sprache  der  Ostgoten,  S.  132.  Vor  allen  Dingen  kommt  aber  der 
Name  der  sogenannten  Westgoten  in  Betracht:  Wlsujotliue.  Mit  „Westen" 
kann  sein  Wim-  aus  sachlichen  und  grammatischen  Gründen  nichts  zu  schaffen 
haben,  wie  ich  in  längerer  Erörterung  bewiesen  zu  haben  glaube.  Sie  wird 
demnächst  im  vierten  Bande  der  von  Brugmann  und  mir  herausgegebenen 
„Indogermanischen  Forschungen"  erscheinen.  Auch  die  0'x<;ßo')f>T'.o'.  des  Ptolo- 
maios  haben  wesu-  als  erstes  Kompositionsglied.  Der  Name  bezeichnet  den 
Stamm  als  die  „gute  Burgen  besitzenden".  Vgl.  R.  Much,  Paul-Braunes 
Beiträge  zur  Gesch.  der  deutschen  Sprache,  XVII,  132  f. 

Als  Parallele  kann  man  sich  die  Entwicklung  eines  anderen  yt-Stammes, 
z.  B.  fridn-,  in  gleicher  Stellung  vergegenwärtigen.  Es  stehen  nebeneinander 
Frlduhold  und  Fridihold,  Frithuburg  und  Fridihury,  Fritlmger  und  Fridiger, 
Fridugcrt  und  Fridigart,  Fridugis  und  Fridigis  u.  dgl.  m.  Sprachgeschichtlich 
sind  natürlich  die  w-Formen  die  älteren,  die  i-Formen  die  jüngeren. 

Man  sieht  also,  von  Seiten  der  Lautgeschichte  steht  der  vorgeschlagenen 
Deutung  kein  Hindernis  im  Wege. 

Dass  irisu-,  wisi-  auch  sonst  in  Orts-,  nicht  bloss  in  Personen-  und  Volks- 
namen auftritt,  beweist  das  ungemein  durchsichtige  Kompositum  Wlsn-mera^ 
d.  i.  Weisemar  an  der  Lahn,  nördlich  von  Giessen.  Mit  Wislbada  in  der  Be- 
deutung aufs  nächste  verwandt  ist  Wislbrminen,  d.  i.  Wieseubronu  bei  Rüden- 
hausen, nordöstlich  von  Iphofen  in  Unterfranken. 

Nach  Allem  kann  meines  Bedünkens  kein  Zweifel  mehr  bestehen,  dass 
wir  Wisibada  in  ivisii-  „gut"  und  bad  „Bad"  zu  zerlegen  haben,  dass  also 
die  Bedeutung  keine  andere  als  „gutes,  d.  h.  heilkräftiges  Bad"  gewesen  sein 
kann.  Dass  diese  Bedeutung  des  Namens  zum  Charakter  des  durch  seine 
Quellen  schon  früh  berühmten  Ortes  aufs  beste  stimmt,  braucht  nicht  erst  be- 
sonders hervorgehoben  zu  werden. 

Noch  ein  Punkt  bleibt  zu  erledigen.  Schon  früh  hat  man  den  Namen 
Wisibada  mit  den  Usipctcx^  Usipii  IJsipl  zusammengestellt,  vgl.  Jac.  Grimm, 
Geschichte  der  deutschen  Sprache  1.  AuH.,  S.  535.  An  unmittelbare  Verbindung  ist 
freilich  nicht  zu  denken.  Immerhin  enthält  jedoch  die  Vermutung  eine  Ahnung 
des  Richtigen.  NachR.  Much's  glänzender  Etymologie  (Paul-Braune's  Bei- 
träge, XVII,  138  f.)  ist  der  Eigenname  in  Us-ipetes  zu  zerlegen  und  als  „die 
guten  Reiter"  zu  deuten.  Altgall.  -ipvtcs  entspricht  lautgesetzlich  dem  lat. 
equitcs,  gall.  -ipil  dem  griechischen  '(nziou    us-  ist  nach  gallischem  Lautgesetz 


134 

aus  vesiu)-  hervorgegangen.  Vgl.  das  Ussxhium  des  Ifin.  Ant.,  das  dem  Vesu- 
hio  der  Tab.  Peut.  gegenübersteht.  Vom  rein  etymologischen  Standpunkt  aus 
betrachtet,  steht  also  Wlsibada  mit  den  Ihipetcs  allerdings  in  einem  gewissen 
Zusammenhang:  beide  haben  das  erste  Kompositionsglicd  (indogerm.  ircsu-  ,gut") 
gemeinsam.  Ein  historischer  Zusammenhang  darf  deshalb  z^Yischeu  dem  kel- 
tischen Yolksnameu  und  dem  deutschen  Ortsnamen  natürlich  nicht  kon- 
struiert werden. 

Zum  Schluss  noch  ein  Wort  über  die  alte  Benennung  des  Ortes,  der 
moderno  tempore  Wisihada  rocatur.  Sie  lautet  ager  Mattiacus  (Tac.  Ann.  XI,  20), 
Maftiaciim  (Plin.  llist.  nat.  31,  2,  27),  Matriaxöv  (Ptol.  II.  11,29),  Aqiuw  Mai- 
tiacac  (Amm.  Marc.  XXIX,  4.)  u.  s,  w.  So  wenig  daran  gezweifelt  werden 
darf,  dass  Wmhada  ein  gut  deutsches  Wort  ist,  so  wenig  kann  geleugnet 
werden,  dass  Mattiacus  nur  keltischer  Herkunft  ist.  Mit  dem  deutschen  Worte 
21attc^  dessen  Stamm  matica-  ist,  kann  es  schon  aus  diesem  Grunde  nichts  zu 
schaffen  haben.     Übrigens  ist  die  Etymologie  durchsichtig   genug. 

Das  Suffix  gall.  -acu-^  -dco-  bildet  nichtpatronymische  Personennamen, 
sowie  Völker-  und  Ortsnamen  in  grosser  Anzahl,  bezeichnet  jedoch  niemals  die 
Abstammung.  Vgl.  Holder,  Altceltischer  Sprachschatz,  Sp.  20  ff.  Diesem 
Suffix  geht  ein  /-Stamm  voraus :  Matti-.  Lassen  wir  vorläufig  die  Gemination 
des  t  bei  Seite,  so  ergibt  sich  eine  Etymologie  unmittelbar  in  dem  Adjektiv- 
stamm viatl-.  „gut",  der  im  Altirischen  als  tnaifh  erhalten  ist.  Der  Stamm 
tritt  in  Eigennamen  öfters  auf,  vgl.  Matidonnus,  Maficius.  Neben  dem  i-Stamm 
existiert  auch  ein  «-Stamm  niatn-  von  gleicher  Bedeutung;  er  erscheint  in 
Matugemis,  Matuccius.  Zu  dieser  Wortsippe  gehört  u.  a.  auch  ostgot.  mathc- 
in  Mathesuenthtty  dem  Namen   einer  Tochter  Theoderichs. 

Was  nun  das  doppelte  t  in  Mattiacus  gegenüber  dem  einfachen  von  tnati-, 
inatu-  anlangt,  so  verdankt  es  seine  Entstehung  den  Kurznamen,  worin  nach 
altindogerraanischem  Bildungsprinzip  Gemination  eintreten  muss.  Mau  vergleiche 
die  altgallischen  Kurzformen  Matto  =  kyrar.  Math  (Glück,  Keltische  Namen, 
S.  57,  Fussnote  3),  Mattonms,  Mattitis. 

Auch  im  Germanischen  tritt  der  Name  3Iatto  auf.  Es  kann  jedoch  kaum 
zweifelhaft  sein,  dass  die  germanischen  Namen  mit  mathn-  nicht  als  altes  Erb- 
gut, sondern  als  Entlehnung  aus  dem  Keltischen  zu  betrachten  sind.  Denn 
hier  ist  matii-,  mati-  Mitglied  einer  grossen  lebendigen  Sippe,  dort  steht  inathn- 
ziemlich  isoliert  da.  Eine  solche  Entlehnung  darf  nicht  befremden.  Wir  können 
an  zahlreichen  germanischen  Eigennamen  deutliche  Spuren  keltischen  Einflusses 
nachweisen.  Ich  betone  die  Eremdartigkeit  des  niathu-  deshalb  ausdrücklich, 
dass  niemand  versucht  sei,  in  dem  keltischen  Namen  Mattiaci  eiu  echt  germa- 
nisches Wort  zu  sehen. 

Aus  den  bisherigen  Erörterungen  ergibt  sich  als  Resultat:  das  xVdjektiv 
mattiacus  ist  von  einem  Kurznamen  Mattius  abgeleitet.  Es  bezeichnet  das, 
was  ihm  zugehört.  Die  Mattiaci  sind  also  nichts  anderes,  als  das  Volk,  der 
Clan  eines  Häuptlings  Mattius. 


Gig-antongnippen  und  Öt.  Georg. 


Von 

Dr.  0.  Tietz* 


Wenn  man  in  Erwägung  zieht,  dass  alle  bekannten  Fundorte  der  Giganten- 
säulen innerhalb  eines  eng  begrenzten  Gebietes  der  römischen  Provinzen,  und 
zwar  in  Gallien  und  Germanien,  liegen,  sowie  dass  die  Säulen  aus  einer  hervor- 
ragend kriegerischen  Periode  des  III.  Jahrhunderts  n.  Chr.  stammen,  so  darf 
man  wohl  der  Annahme  Raum  geben,  dass  diese  eigenartigen  Monumente  ganz 
bestimmten  Veranlassungen  ihre  Entstehung  verdanken  und  zur  Geschichte  des 
Bodens,  auf  welchem  sie  standen,  in  enge  Beziehung  zu  bringen  sind. 

Über  die  allgemeine  Deutung  dieser  Giganteusäulen  sind  die  verschiedenen 
Forscher  übereinstimmender  Ansicht  insoweit,  dass  sie,  wenn  nicht  die  voll- 
ständige Gleichheit,  doch  die  nahe  Verwantschaft  der  Darstellungen  auf  allen 
uns  erhaltenen  Säulen  anerkennen.  Anders  liegt  es  jedoch  mit  der  Deutung 
des  Reiters  und  mit  der  damit  eng  verknüpften  Frage,  ob  die  verschiedenen 
Gruppen  bestimmte  historische  Episoden  zu  verherrlichen  berufen  waren,  oder 
ob  dieselben  einen  rein  mythologischen  Begriff  verkörpern  sollten.  Ohne  hier 
auf  die  Kontroverse,  welche  Person  mit  dem  Reiter  gemeint  sei,  näher  ein- 
zugehen, so  scheint  doch  soviel  sicher,  dass  die  gesamte  Darstellung  den 
Kampf  zweier  feindlichen  Elemente  (ob  den  des  Römerreiches  mit  den  in 
ihrer  Gefährlichkeit,  nach  Vorbild  der  Gigantomachie,  selbst  als  Giganten 
wiedergegebenen  Barbaren?),  und  den  Sieg  des  einen  von  ihnen  auszudrücken 
bestinniit  war. 

In  dieser  Auffassung  begegnen  wir  einer  merkwürdigen  Parallele  mit  der 
bekannten  Darstellung  des  Ritters  Georg,  welcher  ebenfalls  der  Gedanke  des 
Kampfes  zweier  Elemente  zu  Grunde  liegt:  des  siegreichen,  repräsentiert  durch 
den  Ritter,  des  unterliegenden,  repräsentiert  durch  einen  Drachen  oder  Lind- 
wurm. Es  ist  nicht  nachzukommen,  wann  der  Ritter  Georg  zuerst  bildlich  dar- 
gestellt wurde;  indessen  war  berei.'s  im  III.  Jahrhundert  n.  Chr.,  also  etwa 
zur  Zeit  der  Errichtung  der  Gigantensäuleu,  im  Orient  ein  Ritter  Georg  be- 
kannt und  wurde  wegen  seines  Sieges  über  die  Dämonen  —  feindliche  Elemente 
in  jeder  Beziehung  —  als  Heiliger  verehrt. 

Angesichts  nun  der  auffälligen  Verwantschaft  der  Gigautengruppen  und 
der    St.    Georgsgruppen    in    ihrer    Ausführung,    sowie    des    Auftretens    dieser 


136 

beiden  typischen  Figuren  zu  ein  und  derselben  Zeit  dürfte  wohl  die  Annahme 
nicht  zu  gewagt  erschcineji,  dass  beide  Typen  aus  einer  gemeinsamen  Wurzel 
hervorgegangen  sind  und  beide  ursprünglich  die  gleiche  symbolische  Bedeutung 
hatten.^)  Dieser  Annahme  könnte  vielleicht  als  weitere  Stütze  dienen  der  Umstand, 
dass  damals  die  engsten  Beziehungen  zwischen  den  verschiedenen  Bewohnern 
des  römischen  Reiches  stattfanden;  ist  es  doch  eine  Thatsache,  dass  gerade  in 
der  ersten  Hälfte  des  III.  Jahrhunderts  eine  Reihe  von  orientalischen  Truppen- 
körpern :  Parther.  ( )srhoener  und  andere,  infolge  der  Germancnkriegc  des  Cara- 
calla,  Alexander  Severus  und  Maximinus  Thrax  an  den  Rhein  gekommen  sind. 
Hatte  doch  auch  schon  auf  demselben  Wege  und  auf  demselben  Terrain  der 
persische  Mithraskultus  Eingang    und  weite  Verbreitung  gefunden. 

Im  Verfolg  dieser  Auffassung  dürfen  wir  nach  dem  Vorbilde  des  so  nahe 
verwanten  heiligen  Georg  wohl  auch  von  unseren  Gigantensäulcu  annehmen, 
dass  sie  nicht  nur  als  Symbole  der  siegreich  überwundenen  Elemente  aufgestellt 
wurden,  sondern  auch  die  Bedeutung  eines  gen'ms  loci,  des  Schutzheiligen  für 
das  betreffende  Besitztum,  erhielten^)  und  als  solche  religiöse  Verehrung  ge- 
nossen. Dann  wäre  auch  für  die  eigentümlichen  Umstände,  unter  welchen  unsere 
Schiersteiner  Säule  gefunden  wurde,  eine  ausreichende  Erklärung  vorhanden : 
religiöser  Fanatismus  zerstörte  die  Monumente,  warf  die  Schutzheiligen  der- 
selben in  die  Brunnen  oder  Senkgruben  oder  suchte  sie  gar  durch  die  äusser- 
sten  Hilfsmittel  ursprünglicher  Technik,  wie  in  Schierstein,  für  ewige  Zeiten 
unsichtbar  und  damit  unschädlich  zu  machen. 

Treffen  diese  Ausführungen  das  Richtige,  so  gewinnt  auch  die  Zerstörung 
der  Gigantensäulen  engere  geschichtliche  Beziehung  zu  dem  Boden,  auf  wel- 
chem wir  sie  finden ;  sie  sind  in  ihren  meist  dürftigen  Überresten  der  Ausdruck 
einer  gründlichen  Zerschlagung  der  römischen  Weltherrschaft  auf  unserem 
heimischen  Boden  durch  germanische  Hände. 


')  [Erweist  sich  einer  eingehenden  Forschung  gegenüber  eine  solche  Verwantschaft  als 
wirklich  bestehend,  so  kann  sieh  die  Ansicht,  welche  in  den  Darstellungen  der  sog.  Gigaiiten- 
säulen  die  Wiedergabe  einer  lokalen,  keltischen  oder  germanischen,  niythologisch.en  Anschau- 
ung erblickt  (so  z.  B.  Hettner:  Westd.  Zeitschr.  IV.  :!S()  f.),  auf  specielle  Analogicen  be- 
rufen: in  Ägypten  und  in  dem  unter  ägyptischem  Einflüsse  stehenden  benachbarten  Syrien 
liat  die  Verehrung  und  bildliche  Darstellung  des  ein  Untier  bekämpfenden  Ritters  Georg  an 
den  entsprechenden  altnationalen  Mythus  von  Horus  angeknüpft  (vgl.  Clcrmont-Ganncau: 
Ilev.  archeol.  1!S77.  Nouv.  Ser.  Tome  XXXII,  S.  11J6  fl'.  und  danach  Harten:  Westermann's 
lllustr.  Monatsh.  1894,  Febr.  S.  628  ff.)    (E.  R.)] 

^j  [In  diesem  Zusammenhange  darf  vielleicht  darauf  hingewiesen  werden,  dass  diese 
Denkmäler  durch  die  in  den  dazu  gehörigen  Inschriften  verhältnismässig  häufig  begegnende, 
mehr  oder  weniger  ausgeschriebene  Formel  ,,in  suo  posuit"  sich  ausdrücklich  als  Frivatheilig- 
tümer,  gegenüber  den  in  ütt'entlichen  Tempeln  errichteten  Altären  und  Götterbildern,  zu  er- 
kennen geben.  Zu  einer  Aufstellung  in  oder  bei  dem  Hause  des  Dedikantcn  stimmt  weiter, 
dass  die  drei  Xamen  des  Dedikaiitcn  öfter  nicht  ausgeschrieben,  sondern  nur  mit  den  drei 
Anfangsbuchstaben  bezeichnet  sind.    (E.  R.)] 


Die  Moiinoiiitcii  und  ihre  Uodcutuiig-  für  diu 

Kultur  in  Nassau. 

Vuii 

C,  SpielmaniL 


Etwa  zwei  Jahre,  nacluleni  das  ]  [erzügtum  Nassau  durch  die  Uhciubunds- 
akte  als  Staat  der  Confckleration  germanique  konstituiert  war,  hielten  die  beiden 
Staatsmiuister,  Freiherren  von  Marsehall  und  von  Oageru,  ihren  Souveränen,  dem 
Herzoge  und  dem  Fürsten  zu  Nassau  zum  erstenmale  Vortrag  über  deu  ge- 
samten Zustand  des  Landes.  In  dem  dazu  ausgefertigten  Schriftstücke  kommt 
bezüglich  der  Landwirtschaft  die  folgende  Stelle  vor:  „Der  Ackerbau  bleibt 
die  Hauptquelle  des  deutschen  Wohlstandes.  Wäre  er  nicht  von  so  guter  Be- 
schaffenheit, wie  hätte  unsere  Nation  so  viele  Leiden"  (gemeint  ist  das  durch 
die  Kontinentalsperre  hervorgerufene  Elend,  das  im  vorhergehenden  Abschnitte 
geschildert  war)  „ertragen  können!  Die  grossen  Theorien  anderer  Länder  finden 
wir  zwar  bei  uns  nicht;  wenige  unter  uns  sind  vielleicht  selbst  unterrichtet 
genug,  um  sie  ganz  zu  würdigen.  Aber  in  dem  praktischen  Teil  ist  dennoch 
Leben  und  Betriebsamkeit.  Vorzüglich  unsere  Wiedertäufer  gingen  mit  Bei- 
spiel voran,  Nachbarn  der  vormaligen  Unterpfalz,  und  mit  ihnen  rivalisierend 
schreitet  man  überall  vorwärts.  Der  Kleebau  hat  uns  geholfen.  Die  Brache 
ist  eingeschränkt.  Die  Viehzucht  prosperiert.  Allein  wir  bekennen  gern,  dass 
wir  noch  ein  weites  Feld  vor  uns  haben."  — 

Diese  sogenannten  Wiedertäufer,  die  hier  als  Pioniere  einer  neuen  prak- 
tischen Bodenkultur  dargestellt  werden,  sind  ]Mennoniten.  Wenn  sie  nach 
dem  Zeugnis  der  beiden  Staatsmänner  sich  um  die  Landwirtschaft  also  verdient 
gemacht  haben,  so  verdienen  sie  selbst  wohl  wiederum,  dass  ihre  Herkunft,  ihr 
Verbleib  und  ihre  Arbeit  in  unseren  heimischen  Gauen  eine  kurze  historische 
Beleuchtung  erfährt. 

Es  ist  bekannt,  dass  zur  Zeit  der  Reformation  das  ganze  Niedordcutsch- 
land  von  einer  weitverzweigten  religi»)s-kommunistisclieu  Bewegung  ergriffen 
wurde,  deren  Tragweite  ebenso  gefährlich  war  wie  die  der  Empörung  der 
Reichsritter  und  der  Bauern  in  Mittel-  und  Oberdeutschland  kurze  Zeit  vorher. 
Träger   dieser   Bewegung   waren   die    Wiedertäufer,    oder    wie    sie    sich   selbst 


138 

luiiiuteu,  die  Taufgcsinnten.  Und  auch  ein  grosses  politisches  Moment  wirkte  mit, 
demokratische  Tendenzen,  die  an  die  hansischen  Revohitioncn  der  Vergangen- 
heit erinnerten  und  an  der  damaligen  lübischeu  lieweguug  Stütze  fanden.  Allein 
die  Excesse  im  münsterischeu  Königreiche  Xeu-Zion,  der  Hochburg  der  Wieder- 
täufer, forderten  die  niederdeutsche  Fürstenmacht  zum  Kampfe  gegen  die  Um- 
stürzler auf.  Die  folgenden  Ereignisse  sind  bekannt.  Münster  wurde  belagert 
und  tiel ;  mit  blutiger  Strenge  unterdrückte  das  Richtschwert  die  Taufgesinnten. 
Als  politische  Macht  waren  sie  vernichtet;  die  grosse  Bewegung  war  unter- 
drückt.   Die  Reste  der  Glaubensgenossen,  verfolgt,  zerstreuten  sich  in  alle  Lande. 

Man  würde  indessen  fehl  gehen,  w^enn  man  glauben  wollte,  die  grosse 
Mehrzahl  der  Taufgesinnten  hätte  den  religiös-mystischen,  blutig-fleischlichen 
Mischmasch-Lehren  zugestimmt  und  das  Treiben  in  Münster  gebilligt.  Das 
war  nicht  der  Fall ;  die  Folgezeit  lehrte  es,  als  der  Prediger  der  Taufgesinnten 
zu  Altona,  Menno  Simonis,  die  zerstreuten  Gläubigen  sammelte.  Es  ist  sein 
Verdienst,  den  Genossen,  nach  ihm  Menuoniten  genannt,  eine  feste  geistige 
Organisation  gegeben  zu  haben;  eine  äussere,  soziale  oder  poHtische  aller- 
dings nicht,  weil  dies  den  Grundsätzen  seiner  Lehre  widersprach,  wie  wir  noch 
sehen  werden.  Trotzdem  war  die  religiöse  Überzeugung  und  das  Festhalten 
am  Worte  bei  den  zerstreuten  Taufgesinnten-Gemeinden  so  stark,  dass  sie 
mehrere  Jahrhundertc  untereinander  in  der  innigsten  Verbindung  standen,  ohne 
ein  geistliches  Oberhaupt,  sei  es  in  einer  Person  oder  in  einer  mehrgliedrigen 
Behörde,  zu  besitzen. 

Den  niederdeutschen  Meunonitengemeinden  schloss  sich  eine  Anzahl  ober- 
deutscher an,  die  sich  auf  gleicher  Grundlage  wie  jene  konsolidiert  hatten.  Es 
waren  Reste  der  Waldenser,  die  sich  trotz  aller  Verfolgungen  in  der  Schweiz, 
in  Tirol,  im  Elsass,  in  Bayern  und  Schwaben,  ja  in  Ungarn  erhalten  hatten, 
fleissige,  friedliche,  fromme  Leute,  die  niemals  daran  dachten,  eine  politische 
Rolle  zu  spielen,  sondern  als  treue  Unterthanen  dem  Lande  dienten,  dessen 
Herren  sie  unterstanden. 

Dennoch  Hess  ihnen  religiöse  Feindschaft  keine  Ruhe.  Wie  die  spanische 
Inquisition  und  das  Würgeschwert  Alba's  die  niederländischen  Menuoniten  zum 
Teil  nach  Niedersachsen  und  dem  llerzogtume  Preussen  vertrieb,  so  begannen  auch 
die  Calvinistcn  in  der  Schweiz  und  die  Katholiken  im  Elsass  die  Verfolgungen. 
Man  sah  hier  in  den  Menuoniten  die  gefürchteten  Wiedertäufer,  Staats-  und  sozial-, 
rcligions-  und  sittengefährliche  Menschen.  Aber  ohne  Zweifel  spielten  auch  Hab- 
sucht und  Raubgier  bei  den  Nachstellungen  eine  grosse  Rolle.  Diese  letzteren  be- 
gannen gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  und  nahmen  besonders  in  der  Folge- 
zeit, namentlich  in  einigen  Kantonen  der  Schweiz  in  grossem  Massstabe  zu. 
Nach  dem  grossen  Kriege  erreichten  die  Verfolgungen  den  Höhepunkt.  Trotz 
verschiedener  Anschreiben  der  Generalstaaten  an  die  Schweizer-Republiken 
hörten  die  Peinigungen  nicht  auf.  Viele  der  braven  Leute  wurden  der  fal- 
schesten Anklage  nach  gemartert,  getötet  oder  des  Landes  verwiesen,  nachdem 
man  ihre  Güter  konfisziert  hatte.  Eine  der  schlimmsten  Verfolgungen  war  die 
im  Kanton  Bern,  1671—72.  Dutzende  von  oberdeutschen  Mennoniten  verliesseu 
deshalb,  um  den  Anfeindungen  zu  entgehen,    das  ungastliche  schweizer  Gebiet 


139 

uiul  zogen  rliciiiabwäi-ts  in  das  kurptiilz-isclic,  \vu  sie  doi-  Landoslicrr  Karl  Lud- 
wig (1632— 80)  fi-eundlich  aufnahm.  IJald  darauf  wurden  sie  durch  (Jhiubens- 
..•enoasen  aus  dem  Elsass  verstärkt,  die,  ebenso  ttüciitig  wie  sie,  sich  den  Nach- 
Stellungen  des  „grossen"  Koi-solcil,  Ijudwigs  XIV.  entzogen. 

Arm  kamen  die  Einwanderer  zumeist  nach  ihrem  neuen  Vaterlande ;  aber 
ihr  rastloser  Fleiss  überwand  alle  Mühen  und  Entbehrungen.  Wenn  sie  nur  Grund 
und  Boden  vorfänden,  hiess  es  bei  ihnen,  urbar  machen  und  bebauen  wollten  sie 
ihn  schon.  Und  gab  es  nicht  noch  damals  vom  grossen  Kriege  her  Hunderte 
von  Morgen  Ödlandes  mitten  in  den  Kulturgebicten !  Aber  kaum  war  das  neue 
Heim  einigermassen  gegründet,  die  Erde  mit  saurem  Schweisse  betaut,  die 
Hand  am  PHuge  und  an  der  Karre  rauh  geworden,  da  nahte  wieder  das  Ver- 
derben. Als  die  Sendlinge  des  „allcrchristlichsten  Königs"  die  fruchtbaren 
Gegenden  am  Rheine  in  eine  Wüste  vorwandelten,  als  die  Städte,  Dörfer  und 
Weiler  der  schönen  Pfalz  zu  Hunderten  in  Flammen  aufgingen  und  die  Brand- 
wolken auf  Meilen  hinaus  die  Sonne  verfinsterten  wie  der  Herauch,  da  standen 
auch  die  Mennoniteu  an  dem   „Grabe  ihrer  Habe". 

Und  wiederum  legten  sie  Hand  ans  Werk,  und  wiederum  erstand  aus  den 
Trümmern  ein  neues  Heim.  Trotz  der  mannigfachen  aufeinander  folgenden 
Kriegsläufte  wuchsen  die  mennonitischen  Siedelungen  au  und  blühten.  Aber 
so  sehr  man  in  Kurpfalz  notgedrungen  dem  Fleiss  und  der  Geschicklichkeit 
der  fremden  Bewohner  Beifall  zollen  musste,  man  betrachtete  sie  dennoch 
immer  mit  argwöhnischen  Blicken,  man  traute  ihnen  als  vermeintlichen  Ab- 
kömmlingen oder  Religionsverwandten  der  Wiedertäufer  nicht.  Man  glaubte, 
dass  sie  in  ihren  kirchlichen  Zusammenkünften  sozialgefährliche  separatistische 
Ideen  pflegten.  Deshalb  fing  auch  Kurfürst  Karl  Theodor  schliesslich  an,  wieder 
einen  starken  Druck  auf  die  Eingewanderten  auszuüben. 

Ein  Teil  dieser  wollte  sich  das  nicht  bieten  lassen.     Sie   vernahmen  von 
einem  toleranten  Fürsten,    der    nördlich   über    dem  Maine    wohnte    untl    fremde 
fleissige  Ackerbauer    gern    aufnahm.     Dieser  Fürst    war    Karl   Wilhelm    von 
Nassau-Usingen  (1775—1803).     So  machte    sich    denn    zu  Ende    der    siebziger 
und  Anfang  der  achtziger  Jahre  eine  Anzahl  mennouitischer  Familien  aus  der 
Gegend  von  Heidelberg  und  Mannheim  auf   und  wanderte  ins  Nassauer  Land. 
Wie  die  Patriarchen    und   alttestamentlicheu    Stammesältesten,    mit  Weib 
und  Kind,    ihre  bewegliche  Habe  auf  Wagen    und  ihr  Vieh    mit   sich  führend, 
kamen  sie.    Hocherfreut  nahm  sie  der  treffliche  Regierungspräsident  von  Kruse, 
selbst  ein  tüchtiger  Musterlandwirt,  auf.    Am  21.  Februar  1783  bezog  Valentin 
Dahlem,  der  spätere  Kirchensenior  der  südnassauischen  Mennoniten,  schon  da- 
mals   wegen    seiner  Frömmigkeit    und   Intelligenz   hochangesehen    unter   seineu 
Glaubensbrüdern,    als  Pächter  das  freiherrlich  von  Krusische  Gut  zu  Mosbach. 
Und  jetzt  begann  die  Thätigkcit  der  sesshaft  Gewordenen.    Die  Regierung 
gab    ihnen    teils   grössere,    teils    kleinere   Güter    in    Pacht,   meist  in  den  Herr- 
schaften Wiesbaden  und  Idstein    und   an  Stelleu,    w^o  in  der  Nähe  viel  Brach- 
und  Ödland  lag.    Systematisch  war  Freiherr  von  Kruse  darauf  bedacht,  beson- 
ders die  Umgebung  von  Wiesbaden,  wo  sich  noch  Hunderte  von  Morgen  wüster 
Strecken  befanden,  in  fruchtbare  Gefilde  zu  verwandeln.    Theoretisch  wie  prak- 


140 

tisch  war  er  tliätig.  Im  Jahre  1780  gab  er  anonym  eine  Schrift  heraus: 
,  Kurzer  Lehrbegriff  der  Landwirtschaft  und  Ilaushaltungskunst  zum  Gebrauche 
der  deutschen  Schulen  und  des  Landmanns  in  den  nassau-usingischcn  Ijandcn." 
Das  leichtfassHch  geschriebene  Büchlein  wurde  in  den  Schulen  eingeführt  und 
n-elanirte  auch  in  Dutzenden  von  Exemplaren  in  die  Hände  der  Bauern,  Es 
wurde  für  Südnassau  der  Katechismus  einer  rationellen  Nationalökonomie.  Aber 
auch  den  praktischen  Feldbau  betrieb  v,  Kruse  persönlich.  Seit  1783  begann 
unter  seiner  Leitung  die  Urbarmachung  des  Geisbergs,  der  bis  dahin  noch  eine 
herrenlose,  steinige,  mit  Gestrüpp  bewachsene  Öde  dargestellt  hatte.  Bald  ver- 
wandelte er  sich  in  eine  mit  herrlichen  Saaten,  fruchtbaren  Ackern,  fetten 
Wiesen  und  sogar  streckenweise  mit  Weingärten  bedeckte  Anhöhe,  und  als 
ihn  17 üb  der  Fürst  ankaufte,  bildete  der  Hof  samt  seinen  zugehörigen  Lände- 
reien einen  ganz  bedeutenden  Komplex. 

Bei  all  diesen  Bemühungen  leisteten  die  Mennoniten  der  Regierung  that- 
kräftigc  Unterstützung.  Ihre  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  überkommenen 
und  stets  vervollkommneten  Weisen  der  Bodenbearbeitung  und  Bodenmelioration 
wurden  von  Kruse  aufgenommen  und  verwertet.  Besonders  war  es  die  Kultur 
der  Kartoffel,  jenes  erst  in  damaliger  Zeit  im  Grossen  angebauten  Nahrungs- 
mittels, welche  die  Mennoniten  eifrig  betrieben.  Man  kann  sich  denken,  wie 
wichtig  dies  in  dem  Jahrzehnte    nach  der  furchtbaren  Teuerung  von  1770  bis 

1772  war. 

Die  unermüdliche  Thätigkeit  der  Eingewanderten  hielt  auch  unter  den 
Drangsalen  der  Revolutionskriege  an,  welch  letztere  unser  Gebiet  von  1795 
bis  1800,  also  sechs  Jahre  lang  schwer  trafen.  Die  Zähigkeit,  mit  der  die 
Mennoniten  an  ihrer  Scholle  festhielten  und  die  Liebe  zur  Landarbeit  Hess  sie 
alle  Mühen  und  Gefahren  standhaft  überdauern. 

Es  geschah  gerade  in  jener  sturmbewegten  Zeit,  dass  Albrecht  Thaer  in 
seinen  Annalen  der  niedersächsischen  Landwirtschaft  (1798 — 1804)  zuerst  die 
Grundsätze  der  rationellen  Ökonomie  darlegte,  während  er  1804  zu  MögUn  die 
erste  deutsche  Lehranstalt  für  Landwirte  eröffnete.  Einige  Jahre  zuvor  hatte 
(1801)  der  Freiherr  von  Fellenberg  zu  Hofwyl  in  der  Schweiz  seine  Muster- 
wirtschaft gegründet.  Bekanntlich  war  Adam  Ilassloch,  der  Bebauer  (seit 
1804)  des  nach  ihm  benannten  „Adamsthaies",  ein  Schüler  Fellenbergs.  Aber 
im  allgemeinen  hatten  die  Minister  recht,  wenn  sie  sagten:  „Die  grossen  Theo- 
rieen  anderer  Länder  finden  wir  bei  uns  nicht;  wenige  von  uns  sind  vielleichl 
selbst  unterrichtet  genug,  um  sie  ganz  zu  würdigen."  Die  Mennoniten  betrieben, 
(jjme  von  Thaer  und  Fellenberg  etwas  zu  wissen,  und  ohne  viel  Aufhebens 
von  ihren  Errungenschaften  zu  machen,  die  Landwirtschaft  so  rationell  als  mög- 
lich. Die  sorgfältigen  Aufzeichnungen  Valentin  Dahlems  bezeugen  dies.  Die 
Erfaiirung  war  nach  seiner  Ansicht  die  beste  Lehrmeisterin  und  sein  Wahl- 
spruch :  Probieren  ist  besser  als  studieren.  Gewissenhaft  notierte  er  von  Jahr 
zu  Jahr  diese  Erfahrungen  und  zog  daraus  stets  das  Facit  für  die  kommende 
Zeit.  Und  darum  war  auch  das  Wort  der  ^linister,  das  dem  oben  augeführten 
folgte,  von  um  so  grösserer  Bedeutung:  „Aber  in  dem  praktischen  Teil  ist 
dennoch*  Leben  und  Betriebsamkeit." 


141 

Nacli  der  Vergriisserung  des  nassauisclien  Gebietes  durch  den  Keichs- 
deputatioiishauptschluss  und  die  Rheinbundsakte,  1803  und  180(),  galt  es  auch 
der  Landwirtschaft  in  den  erworbenen  Ländern  aufzuhelfen.  Nun  wurden  die 
Meunoniten  geradezu  als  Lehrer  der  Bauern  verwandt.  Wir  tinden  ihre  An- 
siedelungen beim  Kloster  Eberbach,  wo  sie  die  kulturelle  'riiätigkcit  der  Mönche 
fortsetzen,  bei  Braubach,  im  Trierischen  auf  dem  Unterwesterwalde  und  im 
Runkelischen  an  der  Lahn.  Auch  in  dem  damals  noch  nicht  nassauischen 
Gebiete  der  Niedergrafschaft  Katzenelnbogen  und  des  ehemaligen  Fürstentums 
Dillenburg  treffen  wir  sie.  Sie  waren  allenthalben  wohlgolitten  wegen  ihres 
bescheidenen  Auftretens,  ihres  makellosen  Lebenswandels  und  ihrer  uneigen- 
nützigen Hilfsbereitschaft.  Mit  Rat  und  That  gingen  sie  ihren  andersgläubigen 
Nachbarn  zur  Hand,  vermieden  peinlich  Zank  und  Streit  und  achteten  genau 
auf  die  Heiligkeit  des  Eigentums.  So  charakterisiert  sich  das  bürgerliche  Leben 
der  Mennoniten. 

Zu  Anfang  des  Jahrhunderts  begannen  sich  die  mennonitischen  Gemein- 
den in  den  nassauischen  und  pfälzischen  Gebieten  auch  in  kirchlicher  Beziehung 
zu  konsolidieren.  Es  war  dies  eine  Notwendigkeit,  die  sich  aus  den  gleich- 
zeitigen politischen  Territorialveränderungen  ergab.  Zu  Ibersheim  am  Rhein, 
auf  damaligem  französischem  Boden,  trat  am  5.  Juni  1803  ein  Konzil  der 
Prediger  von  sechsundzwanzig  mennonitischen  Gemeinden  zusammen,  und  nach 
geschehener  Beratung  wurde  von  der  Versammlung  Valentin  Dahlem  zu  Wies- 
baden beauftragt,  eine  Liturgie  für  die  Anfänger  im  Predigtamte  zu  entwerfen. 
Dahlem  unterzog  sich  der  Arbeit,  und  in  einer  zweiten  Zusammenkunft  au  dem- 
selben Orte,  am  9.  Juni  1805,  bestätigte  die  Kirchenversammlung  das  vor- 
gelegte Formularbuch,  das  nun  von  allen  rheinischen  Gemeinden  angenommen 
wurde. ^)  Es  verbreitete  sich  über  folgende  Punkte:  1)  die  hl.  Taufe,  2)  das  hl. 
Abendmahl,  3)  die  Kopulation,  4)  die  Wahl  und  Installation  der  Prediger, 
5)  die  Wahl  und  Installation  eines  bestätigten  Predigers,  6)  die  Wahl  und  An- 
weisung eines  Ältesten,  7)  die  Absetzung  eines  Predigers  und  Altesten,  8)  die 
Kirchenzucht  —  und  gab  an,   wie  in  diesen  Stücken  zu  verfahren  sei. 

Wir  können  auf  die  einzelnen  Punkte  nicht  näher  eingehen ;  es  würde 
uns  das  zu  weit  führen.  Vielmehr  begnügen  wir  uns  damit,  hervorzuheben, 
worin  die  Mennoniten  sich  von  den  übrigen  Protestanten  unterscheiden.  1)  Sie 
taufen  nicht  die  Kinder,  sondern  erst  die  Erwachsenen  nach  der  Konfirmation, 
unter  Berufung  auf  den  strengen  Wortlaut  von  Matth.  28,  19.  2)  Sie  ver- 
weigern den  Eid  und  gehen  nicht  über  „Ja"  und  „Nein"  hinaus,  nach  Matth.  5, 
34 — 37.  3)  Sie  erlauben  Ehescheidung  nur  bei  vorliegendem  Ehebruch,  nach 
Matth.  5,  31 — 32.  4)  Sie  dienen  nicht  dem  Kriegshandwerke  nach  Matth.  5, 
38—39,  43  —  44,  und  22,  39,  ferner  2G,  52.  5)  Sie  halten  das  Verwalten 
obrigkeitlicher  Ämter  für  bedenklich,    nach  Luk.  12,  14.    6)  Sie  erlauben  nur 

')  Sein  vollständiger  Titel  lautete:  „Allgemeines  und  vollständiges  Formularbuch  für 
die  Gottosdienstliohe  Handlungen  in  denen  Taufgesinnton  Evangclisolion  Mennonitcn-Gemeinden, 
lienebst  Oolietoni  zum  Oehraucli  auf  alle  vorkommende  Fälle  heim  öffentlichen  Gottesdienst, 
wie  auch  die  Formen  und  Gebetern  unserer  Uriider  am  Neckar.  Neuwied.  Gedruckt  bei 
J.  T.  Haupt,  18Ü7." 


142 

die  Heirat  mit  Glaubensgenossen,  nacli   1.  Kor.  14,  40  und  schliessen  Zuwider- 
handelnde aus. 

Wie  nun  fast  in  jeder  Religionsgemeinschaft  eine  strengere  und  eine  ge- 
lindere Richtung  existiert,  so  war  dies  auch  bei  den  Mennoniten  der  Fall.  Die 
Anhänger  der  ersteren  nannte  mau  Friesen  (Aminger,  Ammoniteii),  die  der 
letzteren  Flamminger.  Die  Aminger  unterschieden  sich  von  den  Flammingern 
durch  den  Gebrauch  der  Fusswaschung  vor  dem  Abeudmahle,  durch  die  Be- 
obachtung einer  strengeren  Kirchenzucht,  durch  den  Bart,  den  die  Flamminger 
nicht  trugen  und  durch  einfachere  Kleidung  mit  Krampen  und  Ösen  statt  der 
Knöpfe.     Sie  nahmen  auch  die  Dahlem'sche  Liturgie  nicht  an. 

Die  Flamminger  bestehen  heute  nicht  mehr  auf  den  obenerwähnten  sechs 
I  nterscheidungspunkten,  sondern  haiton  hauptsächlich  an  den  beiden  ersten 
und  dem  fünften  fest  (Verweigerung  der  Kindertaufe,  des  Eides  und  der  Be- 
kleidung eines  obrigkeitlichen  Amtes). 

Die  Prediger  wurden  durchs  Los  von  allen  erwachsenen  männlichen  und 
weiblichen  Gemeindegliedern  gewählt.  Es  waren  sittlich  reine,  begabte  Leute. 
Nach  alter  Vorschrift  durften  sie  nicht  wissenschaftlich  von  andern  gebildet,; 
dagegen  konnten  sie  Autodidakten  sein.  Was  ein  solcher  Autodidakt  leistete, 
davon  zeugen  V.  Dalilems  theologische,  litterarische,  naturwissenschaftliche  und 
landwirtschaftliche  Abliandlungen.  Er  verstand  griechisch  und  lateinisch  und 
sprach  das  Hebräische  Hiessend  —  ein  wirklicher  Bauernphilosoph.  Das  zweite 
und  dritte  Erfordernis  war,  dass  der  Prediger  sich  verheiratet  hatte  und  sein 
Amt  unentgeltlich  verwaltete.  Bestätigt  wurde  der  Prediger  erst  durch  eine 
zweite  Wahl,  nachdem  er  drei  Jahre  provisorisch  amtiert  hatte.  Erst  datin 
durfte  er  auch  die  Sakramente  administrieren.  Später  jedoch  wurde  für  die 
Prediger  eine  theologische  Schule  zu  Amsterdam  gegründet. 

Um  das  Jahr  1790  vereinigten  sich  die  in  Süd-Nassau  angesiedelten  Men- 
noniten, die  zu  den  Flammingern  gehörten,  zu  einer  Gemeinde.  V.  Dahlem 
wurde  zum  Prediger  gewählt  und  verwaltete  sein  Amt  bis  an  seinen  Tod  im 
Jahre  1840,  also  ein  halbes  Jahrhundert  lang.  Der  Prediger  wohnte,  wie  er- 
wähnt, zuerst  in  Mosbach,  dann  als  herrschaftlicher  Gutspächter  auf  dem  Kop- 
pensteiner Hof  (Dern'sches  Haus)  in  Wiesbaden,  seit  1820  abwechselnd  auf 
dem  Schafhofe  bei  Bleidenstadt  und  dem  Rosenköppel  bei  Frauenstein.  Diese 
beiden  Höfe  hatte  er  für  zwei  seiner  Kinder  gekauft,  zwei  anderen  Söhnen  den 
Hof  bei  Hornau  und  die  Steiners  Mühle  am  Dendelbache  (a.  d,  Emserstrasse) 
be"i  Wiesbaden.  Alle  vierzehn  Tage  Sonntags  hielt  er  auf  der  letzteren  Gottes- 
dienst, zu  welchem  die  umwohnenden  Glaubensgenossen  zusammenkamen.  Die 
liohen  Feiertage  predigte  er  zu  Massenheim  und  reichte  dabei  das  Abendmahl ; 
ebendort  war  zu  Ostern  Konfirmation  und  Taufe.  Die  Gemeinde  führte  den 
Namen  Wiesbaden  und  besass  ein  Kirchensiegel.  Dieses  zeigt  die  Halle  am 
Teiche  Bethesda;  vier  Personen  stehen  unter  deren  Bogen,  drei  tauchen  in 
das  Wasser,  oben  darüber  schwebt  der  Engel.  Die  Unterschrift  lautet:  Job.  5, 
V.  8,  die  Umschrift:  Siegel  der  evang.  Menon.  Gemeinde  in  u.  bei  Wisbaden.') 


*)  Das  Siegel,    sowie  das  Forinukrbucli    und  die  Schril'ton  V.  Dahlems   sind  im  Besitze 
des  Verfassers. 


143 


Es  sei  bemerkt,   dass  V.  Dalilem  eiue  Zeit  lang  zugleich  die  Flamminger  Ge- 
meinde zu  Neuwied  am  Rhein  administrierte. 

Um  1830    etwa   stellte   sieh    die    Anzahl   der  Glieder   der  monnonitischen 
Gemeinde  Wiesbaden  folgondermassen : 


Ämter. 


Ortschaften. 


Anzahl 

der  <ler 

Familien.  I    Seelen. 


Nam  on 

iler 

Familien. 


1)  Hoohlieim 

2)  Ilüohst 

3)  Wehen 

4)  Wiesbaden 


Maspenheim 

Eschborn   \ 
Ilornau      ) 


Schafhof  (Bleidcnstadt)      . 

Wiesbaden 

Roscnköppel 

Sohierstein 

Kloppenheini 

Mosbach 


Summa 


oo 


u; 


is(y) 


14 


85(?) 


Müller 

/   Dalilom 
f    Hiostand 
l    Christoidi 

Krehbiel  (Staufer) 

/   Dahlem 
I    Tlüthwohl 
l   Steiner 

Dahlem 

Weber 

Gossmann 
,    Borkholder 
I    Kappes 
l   Kaltwasser 


Die  im  übrigen  Gebiete  dos  damaligen  Herzogtums  Nassau  zerstreut 
wohnenden  Mennonitengemeinden  gehiu'teu  der  strengeren  Richtung  der  Aminger 
an.  Der  Prediger  dieser  war  jahrelang  der  achtbare  J.  Unzicker  auf  dem  Hofe 
Henriettenthal  bei  Wörsdorf,  der  alle  kirchlichen  Funktionen  wie  sein  Kollege 
V.  Dahlem  versah.     Der  Gottesdienst  wurde  an  verschiedenen  Orten  gehalten. 

Um  1830  verteilte  sich  diese  Gemeinde  wie  folgt: 


A  n  z  a  ii  1 

Ämter. 

Ortschaften, 

der 
Familien 

der 
Seelen 

1)  Braubach 

Weissmiihlo 

1 

8 

2)  Dillenbin-ff 

Feldbacherhof 

1 

8 

li)  Eltville 

Kloster  Eherbach 

1 

8 

Neuhof  .     .     .     • 

1 

8 

4)  Idstein 

Henriettenthal 

1 

8 

Scliwiokershauson 

1 

8 

Walrabensteiu 

1 

8 

5)  Montabaur 

V 

3 

24 

6)  Rennerod 

? 

2 

14 

7)  Runkel 

Gladbacherhof     .... 

1 

7 

Hörderbof  

1 

7 

8)  St.  üoarshausen 

ITeppenhof 

2 

14 

Attentbalcrbof 

.     .     .            1 

1 

8 

1      1^ 

130 

144 

Die  Xaiiien  der  einzelnen  Familien  sind  mir  niclit  bekannt  «geworden, 
ebenso  ist  die  Schätzung  der  Seelenzalil  nur  ungefähr. 

Im  ganzen  würden  also  um  183Ü  in  Nassau  an  21ü — 220  Mennoniten 
gewohnt  haben. 

Diese  Zahl  ist  bedeutend  geschwunden.  In  Süd-Nassau  hat  sich  die 
Flammingergemeinde  bald  nach  dem  Tode  V.  Dahlems  aufgelöst.  liire  Glieder 
verzogen  oder  heirateten  in  andere  evangelische  Gemeinden,  und  die  Kinder 
hielten  sich  zu  deren  Glaubensbekenntnisse.  Gegenwärtig  beträgt  der  liest  der 
damaligen  Gemeinde  zwei  Personen.  Im  übrigen  Nassau  mögen  noch  stärkere 
Überbleibsel  sein.') 

So  ging  eine  Gemeinschaft  ein,  die  einst  von  hoher  Bedeutung  für  die 
Landwirtschaft  in  unserer  engeren  Heimat  war.  Sie  hatte  ihre  Bestimmung 
erfüllt. 


^)  Nicht  zu  verwechseln  sind  mit  den  Mcnnoniton  die  Baptisten.  Jene  taufen  nur  ein- 
mal bei  der  Konfirmation,  diose  zweimal,  nach  dor  Cieburt  und  bei  der  Konfirmation  der 
Kinder  und  zwar  jedesmal  durch  Untertauchen  des  Täutling's,  während  die  Mennoniten  nur 
eine  Handvoll  Wasser  auf  dessen  Haupt  brinsfen.  Baptisten-Taufen  finden  zu  Wiesbaden  im 
Sohwarzbaehe  im  Nerothale  statt. 


Alte  To])ogTnpliie  des  Yereiiisgebietes. 


Von 

A*  Y,  Cohausen* 


Schifferstationen  längs  dem  Main.  Wenn  man  dem  rechten  Main- 
ufer von  Gross-Krotzenbnrg  bis  Castel  und  weiter  bis  Schierstein  folgt,  so  kann 
man  bemerken,  wie  die  Ortschaften  alle  auf  einem  hohen  Ufer  liegen,  welches 
durch  Niederungen  von  den  Ausläufern  des  Gebirges  getrennt  ist,  und  man 
wird  bei  näherer  Untersuchung  finden,  dass  diese  Ansiedelungen  vorrömische 
Altertümer  aufweisen  und  Fischer-  oder  Schifferstationen  waren,  welche  nicht 
nur  den  Fluss  benutzt,  sondern  auch  durch  die  Gewässer  der  Niederung  einen 
gewissen  Schutz  genossen  gegen  die  in  Wald  und  Gebirge  hausenden  wilden 
und  raublustigen  Volksstämme. 

Gross-Krotzenburg  und  Gross-Auheim  schützt  der  Torfstich,  der,  von  der 
Kahlbach  beginnend,  durch  die  von  den  Überschwemmungen  der  Einzig  über- 
fluteten sumpfigen  Wälder  der  Rinntannen,  des  Langen  Wassers,  der  Rottlache, 
des  Doppelbier  sich  durch  den  Lamboy-Wald  im  Ober-  und  Unterbruch  bis 
zu  der  einst  irrtümlich  als  Römerkastell  angesprochenen  Sumpfburg  am  Kinzig- 
heimer  Hof  zieht  und  Hanau  umkreist,  ebenso  wie  diese  Sümpfe  umkreist  und 
vermieden  werden  durch  die  alte  Landstrasse  von  Hochstadt,  Wachenbuchen, 
Mittelbuchen,  Bruchköbel  bis  Langendiebach  und  weiter.  Ferner  setzt  sich  die 
Niederung  fort  von  Hanau  durch  die  Lache  und  den  Weiher,  welche  dem 
Römerkastell  Kesselstadt  Schutz  gibt,  um  durch  die  Fluren  und  Seen  Langen- 
siel, Zimmersee,  Tiefesee,  Waldsee,  Bodensee  (zum  Schutz  Fechenheims),  die 
Torfstiche  unter  Bergen,  den  Kolb-,  Sau-  und  Lange-See  bei  Seckbach  charak- 
terisiert zu  werden,  bis  sie  mittels  der  Erlenbach  und  des  Königsgrabeus  durch 
die  Bornheimer  Höhe  zum  Recheneigraben  und  zum  Älain  abgelenkt  wird. 
Trotzdem  aber  liegt  Frankfurt  in  seinen  höchsten  Punkten,  wo  man  die  römi- 
schen Baureste  fand,  gleichfalls  nicht  schutzlos  gegen  die  nordischen  Wald- 
harbaren,  da  die  alte  Stadt  durch  Mainarme  und  durch  jenen  Abfluss  des 
Recheneigrabens  inselartig  umschlossen  war.  Dieser  Schutz  war  zwar  durch 
die  Verbreiterung  der  Stadt  868  aufgegeben,  aber  durch  die  Erweiterung  im 
Jahre  1343  wieder  erlangt  worden,  indem  die  Stadtmauer  bis  zu  einer  wasser- 
reichen Niederung  ausgedehnt  wurde.  Abwärts  der  Stadt  sind  es  schon  die 
Wasser  der  Nied,  sowie  selbständige  Wasserreste,   welche  das  rechte  Maiuufer 

Anaalen,    Bd.  XXVI.  10 


146 

in  Abstand  begleiten,  während  Höchst  mit  Recht  seinen  Namen  trägt  und  der 
dort  einmündende  Liederbach  das  Lachenfeld  und  verschiedene  Ableitungs- 
gräben die  Uferhöhen  schützen.  Dann  ist  es  der  Goldbach,  der  vom  Gebirge 
kommend,  den  Lachrein  im  See  nördlich  von  Eddersheim  aufnimmt,  und  andere 
sichtbare  Parallelthäler,  welche  den  Weilbach  und  andere  Wässer  in  Empfang 
nehmen  und  versiecheu  lassen.  Der  Falkenberg  zwischen  Flörsheim  und  Hochheim 
schiebt,  indem  er  bis  an  den  Main  vortritt,  seinen  Felsriegel  vor,  welcher  auch 
den  Wickerer  Bach  direkt  zum  Main  lenkt.  (Hier,  wo  der  I'ferweg  den  Fels- 
kopf übersteigen  muss,  hat  sich  eine  römische  Ansiedelung  mit  interessanten 
gestempelten  Ziegeln  der  22.  Legion  gefunden.)  Erst  jenseits,  am  Fusse  der 
Weinberge  von  Hochheim,  setzt  sich  das  hohe  Ufer  und  die  es  begleitende 
Niederung  fort,  umkreist  den  Hochheimer  Bahnhof,  sowie  Castel  in  nassen 
Wiesen  und  Feldern  und  verbindet  sich  jenseits  der  hohen  Amöueburg  mit 
dem  austretenden  Wasser  der  von  Wiesbaden  kommenden  Salzbach  und  dem 
niederen  Gelände  von  Mosbach,  das  von  dem  Dotzheimer  Bach  gespeist  wird 
und  sich  jenseits  Schierstein  dem  Rhein  anschliesst.  Wir  verfolgen  Ufer  und 
Niederung  nicht  weiter. 

Überall  von  Gross-Krotzeuburg  an  hat  man  die  Spuren  alter  Ansiede- 
lungen gefunden,  Steinbeile,  Kelte  und  Bronzeschmuck,  bei  Frankfurt  auf  der 
Ptingstweide  und  unterhalb  der  Stadt  an  den  Bahnhöfen  und  au  den  Bahn- 
brücken Bronzeschmucke  und  Kollektivfunde,  bei  Höchst  zu  Kähnen  ausgehöhlte 
Einbäume;  überall  Altertümer,  die,  wenn  auch  nicht  allein  hier,  sondern  auch 
am  Gebirge  zu  finden  sind,  doch  auf  alte  Schiffer-  und  Fischerstationen  schlies- 
sen  lassen.  So  fand  sich  ein  vollständiges  Skelettgrab,  das  sich  im  Ufer  bei 
Flörsheim  erhalten  hatte  und  bei  uns  nicht  eben  häufig  vorkommt,  aber  doch 
auch  bei  dem  8  km  entfernten  Breckenheim  in  den  Gebirgsausläufen  entdeckt 
worden  ist.  Am  merkwürdigsten  sind  aber  doch  die  Funde,  welche  durch 
Steinbeile,  Mahlsteine  und  Netzbeschwerer  auf  der  Schifferstation  bei  Schier- 
stein vorkamen  und  woselbst  auch  Mardellen  entdeckt  wurden,  die  durch  ihre 
Funde  Formen  darstellen,  welche  sonst  in  unserem  Gebiete  nicht  vorkamen, 
nämlich  schwarze  glockenförmige  Gefässe  mit  weiter  Mündung  und  engem  Fuss 
(Inv.  14  510—14  518).  Solche  sind  bisher  nur  aus  den  Pfahlbauten  des  Boden- 
sees und  von  dem  Michelsberg  bei  Bruchsal  bekannt  und  im  Karlsruher  Museum 
aufgestellt.  Dazu  kam  noch  ein  bei  uns  fremdländisches  ovales  Gefäss  mit 
zwei  Henkeln.  Wollte  man  weiter  theoretisieren,  so  wäre  im  Bodensee,  dem 
Bruchsaler  Berg  und  in  Schiersteiu  den  Schiffern  der  Weg  angezeigt,  den  sie 
mit  ihren  Produkten  genommen  hätten.  Wir  verdanken  diese  kostbaren  Funde 
dem  Herrn  Dr.  Peters  in  Schierstein,  der  sie  aus  seinen  Ziegelgruben  er- 
hoben hat. 

Diedenbergen.  Der  Heidenkippel,  1100  Schritt  nördlich  des  Ortes, 
auch  kleiner  Galgenkippcl,  modern  Kanzel  genannt,  tritt  mit  einigen  Bäumen 
be.setzt  aus  der  „Gericht"  genannten  Feldfläche  vor  den  Wald  vor;  neben  ihm  sind 
von  einem  Manöver  her  Schützengräben  eingeschnitten.  Er  durfte  als  ein  bekannter 
Aussichtspunkt  nicht  untersucht  werden.  An  ihm  vorüber  führt  die  Heiden- 
ehaussee  nordwärts  durch  den  Wald  nach  Langenhain  und  Eppstein.    Auf  ihr, 


147 

vom  Iloidenkippel  390  Schritt  weiter  gehend,  liegt  60  Schritt  links  der  Strasse 
der  „grosse  (ialgenkippcl",  den  wir,  einen  ähnlichen  rechts  liegen  lassend, 
untersucht  iiaben.  Derselbe,  auf  südwestlich  abhängendem  Gelände  gelegen, 
hat  bei  16  m  Radius  2,50  m  Höhe.  Er  wurde  in  konzentrischen  Kinggräben 
bearbeitet.  Hierbei  fanden  sich  in  10  m  Abstand  von  der  Mitte  und  1  m  unter 
der  Ilügeloberfläche  die  Spuren  einer  (nicht  verbrannten)  Leiche,  nämlich  zwei 
seitlich  abgeschliffene  Fussringe,  der  eine  noch  mit  dem  entsprechenden  Schien- 
bein, zwei  Armringe,  die  Reste  eines  mit  Brouzedraht  gestickten  Ledergürtels 
nebst  Gürtelschlossteilen  und  ein  Halsring  mit  Gussza})fen,  Eine  zweite  Gruppe 
fand  sich  in  gleicher  Entfernung  und  Tiefe  nordwestlich  vom  Mittelpunkt,  be- 
stehend aus  dem  Bruchstück  eines  Fussringes  mit  einigen  Knochen  und  Holz- 
stücken  nebst  einer  Art  von  Steinpackung  von  50  k  50  cm  Abmessung.  Im 
übrigen  fanden  sich  noch  Spuren  eines  50  a  30  cm  breiten  Kohlenlagers  und 
ein  Feuersteinspan,  aber  keine  Töpferei.  In  der  Kiesheide,  westlich  des  Heiden- 
kippels,  lagen  noch  etwa  10,  grosseuteils  verschleifte  oder  zerstörte  niedrige 
Hügelgräber.  In  einem,  23  Schritt  vom  Weg,  fand  sich  eine  Urne  mit  Asche 
und  ein  Napf,  in  einem  anderen,  175  Schritt  vom  Weg,  mit  versenkter  Mitte 
lagen  in  1  m  Tiefe  zahlreiche  Topfscherben  in  Hügelgrabcharakter.  Wir  hatten 
daselbst  Ende  April  1893  mit  11  Mann  6  Tage  gearbeitet  und  dabei  von  Herrn 
Bürgermeister  Kleber  freundliche  Unterstützung  empfangen. 

Aus  Erben  heim  empfingen  wir  durch  die  Aufmerksamkeit  des  Herrn 
Bürgermeister  Born  mehrere  fränkische  Altertümer,  welche  sich  in  den  süd- 
lichen Erweiterungsbauten  des  Dorfes  gefunden  hatten. 

Ebenso  erhielten  wir  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Bergrat  Ulrich 
Kenntnis  von  Frankengräbern  100  Schritt  ober  der  Station  Friedrichssegen 
an  der  Lahn:  zwei  Schalen  standen  auf  Briss  in  Bimsteinsaud  1  m  unter  der 
Erdoberfläche.     Die  Gräber  enthielten  keine  Erz-  oder  Eisengeräte. 

In  Wiesbaden  fand  sich  in  den  Häuserfundamenten  auf  der  Nordwest- 
ecke des  Kranzplatzes  eine  ly^  m  dicke,  von  NO.  nach  SW.  ziehende  Mauer 
aus  40  ä  40  cm  grossen,  4  cm  dicken  Ziegelplatten  mit  den  verschiedenen 
Stempeln  der  22.  Legion  (luv.  14  529).  Beim  Abbruch  des  Hauses  an  der 
Lang-  und  Goldgassenecke  fanden  sich  mehrere,  wie  es  scheint,  in  der  Nähe 
fabrizierte  Stein/eugtöpfe  ältester  Art. 


lü^ 


Der  Limes  im  Taunus. 

Von 

B.  Florschütz. 


Nachdem  auf  Anregung  Mommsens  und  mit  finanzieller  Unterstützung 
von  Seiten  des  Staates  eine  systematische  Untersuchung  des  römischen  Grenz- 
walles ins  Werk  gesetzt  worden  ist,  sind  die  Augen  der  ganzen  gebildeten  Welt 
wieder  auf  jene  gewaltige  Abgrenzung  der  römischen  Herrschaft  auf  unserem 
Boden  gerichtet,  welche  in  einer  Länge  von  nicht  weniger  als  550  km  von  der 
Donau  bis  zum  Rheine  hinzieht  und  bereits  vor  10  Jahren  durch  Oberst  von 
Cohausen  in  seinem  grundlegenden  Werke :  „Der  römische  Grenzwall"  in  ein- 
gehender Weise  beschrieben  und  in  ihrer  Bedeutung  festgesetzt  worden  ist. 
Allerorts  längs  der  ganzen  Linie  regten  sich  die  tleissigen  Hände  der  Strecken- 
kommissare und  so  manche  Grundmauern  der  antiken  Türme  und  oft  über 
Erwarten  grosse  Kastelle  traten  mit  mancherlei  kleineren  Funden,  sowie  auch 
sehr  bedeutsamen  Inschriftsteinen  seit  mehr  als  anderthalbtausend  Jahren  zum 
erstenmale  wieder  an  das  Tageslicht.  Während  diese  sehr  dankenswerten  Resul- 
tate im  grossen  Ganzen  überall  als  gleichwertig  zu  betrachten  sind,  lieferten 
die  Untersuchungen  im  benachbarten  Homburger  Gebiete  neben  dem  hübschen 
Feldbergkastell,  dem  „alten  Jagdhause",  dem  „Heidenstock"  und  anderen  Be- 
festigungen ein  unerwartetes,  ganz  eigenartiges  Ergebnis,  welches  auf  einmal 
ein  helles  Licht  in  die  viel  umstrittene  und  unklare  Frage  der  Grenzlegung  des 
römischen  Reiches  bringen  sollte,  und  das  wir  mit  vollem  Rechte  als  die  grösste 
Errungenschaft  der  neuen  Limesforschung  bezeichnen  müssen. 

Schon  von  Cohausen  hatte  in  seinem  Werke  auf  einen  kleinen  Graben 
aufmerksam  gemacht,  welcher  in  Bayern  vor  der  sogenannten  Teufelsmauer, 
wie  der  Grenzwall  dort  genannt  wird,  an  verschiedenen  Stellen  aufgefunden 
worden  ist.  Das  gleiche  ,Gräbchen"  ist  im  vorigen  Jahre  vom  Geheimen  Ober- 
schulrat Soldan  auch  in  der  Nähe  der  Saalburg  verschiedentlich  nachgewiesen 
worden.  Herr  Baumeister  Jacob i  nun  als  Streckenkommissar  war  der  erste, 
welcher  dieses  bisher  unbeachtete  „Gräbchen"  einer  sorgfältigen  Erforschung 
unterwarf  und  er  gelangte  hierbei  und  im  Laufe  seiner  weiteren  eifrigen  Unter- 
suchuDgen  zu  folgenden  Resultaten,  die  wir  selbstverständlich  an  dieser  Stelle 
nur  in  gedrängter  Kürze  nach  dem  im  Limesblatte  Nr.  7  und  8  niedergelegten 
Berichte  Jacijbis   vorführen  können. 


140 

Das  von  Soldan  entdeckte  , Grübchen",  das  meistens  in  einer  gleich- 
massigen  Entfernung  vom  Ivande  des  Grabens  und  Grenzwalles  hinläuft,  konnte 
wohl  daran  denken  lassen,  in  ihm  die  nach  römischer  Sitte  gezogene  Grenz- 
furche zu  erblicken.  Der  Umstand  jedoch,  dass  es  jetzt  noch  seinen  Erdaus- 
wurf auf  der  äusseren  Seite  zeigt,  sowie  ganz  besonders  die  Beobachtung,  dass 
es  bisweilen  seine  dem  Wall  parallele  Richtung  aufgibt  und  bis  zu  dem  Wall- 
graben läuft,  —  zwischen  dem  Kastell  Maisei  und  dem  Cröftelthale  (Gemarkung 
Schlossborn)  läuft  das  Gräbchen  sogar  auf  der  Wallkrone  —  ergeben  die  un- 
bestreitbare Thatsache,  dass  wir  in  dem  „Gräbchen"  nur  einen  der  im  Mittel- 
alter beliebten  Grenzgraben  zu  sehen  haben  und  dass  dasselbe  wahrscheinlich 
den  mittelalterlichen  Grenzgängen  (Grenzregulierungen)  der  Märker  seine  Ent- 
stehung zu  verdanken  hat. 

Die  Stellen  aber,  an  welchen  das  „Gräbchen"  gleichmässig  neben  dem 
Pfahlgraben  herläuft,  führten  zur  Entdeckung  des  darunterliegenden  wirklichen 
alten  römischen  Grenzgrabens  mit  seiner  schon  von  den  römischen  Feldmessern 
betonten  „versteckten  Aussteinung";  man  hatte  eben  im  Mittelalter  an  diesen 
Partien  nach  alter  Tradition  und  gewissen  sichtbaren  Merkmalen  die  neue 
Grenzbestimmung  auf  die  alte  gelegt.  Dieser  alte  römische  Grenzgraben  ist 
auf  dem  Homburger  Gebiet  überall  nachgewiesen  vom  Grauen  Berge  bis  zum 
Kastell  Zugmantel  in  einer  Länge  von  30  km;  seine  Breite  beträgt  etwa  80  cm, 
seine  Tiefe  60 — 80  cm  und  seine  Bodenfläche  20—30  cm.  Derselbe  ist  auch 
da  aufgefunden,  wo  von  einem  Grenzwalle  resp.  Pfahlgraben  keine  Spur  vor- 
handen ist.  Er  ist  im  Gegensatze  zu  dem  Sold  an 'sehen  Gräbchen,  das,  wie 
erwähnt  oft  streckenweise  über  oder  mit  ihm  hinläuft,  vollständig  eingeebnet 
und  birgt  die  römische  Grenzversteinung  mit  ihren  Marksteinen  und  den  da- 
zwischen befindlichen  Läufern  und  wollen  wir  deswegen,  um  Verwechselungen 
mit  dem  Soldan' sehen  Gräbchen  zu  vermeiden,  diese  erste  Grenzanlage  einfach 
als  , Aussteinung "  bezeichnen. 

In  dieser  Aussteinung  markieren  sich  zunächst  grössere  Quarzitplatten, 
welche  in  gewissen  Abständen,  mit  der  glatten  Stirnseite  nach  unten,  die  Grenz- 
steine darstellen,  durch  Steinsetzung  ausserordentlich  fest  verpackt  sind  und  an 
ihrer  Basis  manchmal  eigentümliche  Zeichen  tragen.  Zu  diesen  Marksteinen  dürfte 
nach  den  Untersuchungen  Jacobis  wohl  auch  der  interessante,  im  Wiesbadener 
Museum  befindliche,  mit  einer  Kursivinschrift  versehene  Stein  (Bramb.  1548) 
gehören.  Unter  ihnen  liegen,  wie  noch  heute  unter  unseren  Grenzsteinen  und 
genau  nach  den  Angaben  der  römischen  Feldmesser,  die  Grenzzeichen.  Die- 
selben bestehen  aus  den  verschiedensten  Materialien  und  zwar  aus  mancherlei 
Gefässscherben,  aus  Bruchstücken  von  Ziegeln  oder  Mahlsteinen  aus  Nieder- 
mcndiger  Lava,  aus  abgerollten  Kieselsteinen  und  überhaupt  fremden  Gesteins- 
arten, z.  B.  Rötel  und  Schiefer,  die  an  Ort  und  Stelle  nicht  vorkommen, 
eisernen  Nägeln,  Holzkohle,  angekohltem  Holz  und  endlich  Asche.  Zwischen 
diesen  Grenzsteinen  nun  treffen  wir  die  sogenannten  Läufer,  vorwiegend  aus 
langen  und  schmalen  Quarzitplatten  bestehend,  die,  oft  paarig,  fest  in  die 
Grabensohle  eingelassen  sind.  Wo  die  Aussteinung  an  einer  Berglehne  hin- 
läuft, bilden  diese  Läufer  sogar  häufig  eine  ausgeprägte  Rinne,  um  Abfiutungeu 


150 

der  Grenzfurche  durch  AYasser  zu  vcrliiuderu.  Unter  gewöhnlichen  Verhält- 
nissen können  die  Läufer  bis  zu  10  Meter  von  einander  entfernt  liegen,  an 
anderen  Stellen  aber  sind  sie  ersetzt  durch  eine  vollständige  Pflasterung  aus 
kleineren  Steinen  oder  aber,  wo  das  Steinmaterial  selbst  selten  ist,  durch  Bruch- 
stücke von  Gefassen,  vereinzelte  kleine  Xägel,  Asche  oder  Kohlen,  die  wir  auch, 
wie  zumal  Scherben  in  der  Xähe  der  Saalburg,  zwischen  den  einzelnen  Läufern 
antrcfteu.  Stets  aber  ist  die  Aussteinung  vollständig  mit  Erde  überdeckt  und 
eingeebnet  worden,  sodass  ihr  versteckter  Lauf  nur  für  den  Eingeweihten  durch 
gewisse  aufgepflanzte  Holzarten  oder  anstehende  Logbäurae  erkennbar  war. 

Die  Aussteinung  läuft  stets  in  schnurgerader  Linie  von  einem  Grenzpunkte 
zum  anderen,  wie  diese  eben  in  friedlicher  Verhandlung  mit  den  Germanen 
festgelegt  worden  waren.  Diese  Punkte  waren  ursj)rüuglicli  durch  Grenzhügel 
markiert,  —  runde,  einem  flachen  Hügelgrabe  ähnliche  Bodenerhöhungen,  unter 
welchen  sich  wieder  eine  feste  Steinpackung  mit  einer  centralen,  etwa  einen 
Kubikmeter  grossen,  mit  Erde  und  Asche  gefülUen  Üff'uung  zeigte,  v.  Cohausen 
fand  in  einer  solchen  das  Bruchstück  eines  Schleifsteines  und  einen  Nagel.  Sie 
bildeten  die  Spitzen  der  aus  der  Grenzabmessung  resultierenden  aus-  und  ein- 
springenden Winkel;  sie  sind  die  ersten  und  ältesten  Grenzbestimmungen  und 
so  angelegt,  dass  von  einem  zum  anderen  visiert,  und  die  Aussteinung  zwischen 
ihnen  regelrecht  ausgeführt  werden  konnte.  Die  Aussteinuug  läuft  dabei  bogen- 
förmig an  der  Aussenseite  dieser  Grenzhügel  vorbei,  während  der  später  ange- 
legte Pfahlgraben  direkt  über  sie  hinwegführen  und  dann  noch,  wie  z.  B.  auf 
dem  Kieshübel,  hinter  ihnen  die  Fundamente  eines  gleichzeitig  mit  ihm  erbauten, 
gemauerten  Turmes  aufweisen  kann.  Die  Grcnzhügel  wurden  ihrer  Lage  wegen 
früher  als  Fundamente  von  Ilolztürmcn  mit  Fanalen  aufgefasst. 

Zwei  römische  Ruten,  gleich  20  römische  Fuss,  von  der  Aussteinung  an 
gerechnet,  haben  sich  mehrfach  kleinere,  vereinzelte  Steinpackungen.  10  römische 
Fuss  voneinander  entfernt,  aufgefunden,  welche  in  ihrer  mittleren  Öffnung  nur 
zur  Aufstellung  eines  Pfahles  gedient  haben  können.  Diese  Verpfählung  bildete 
allem  Anscheine  nach  die  innere  Grenze  des  nach  aussen  durch  die  Aussteinung 
abgeschlossenen  Quer-  oder  Grenzweges,  oder  wie  wir  sagen  würden,  Gewann- 
weges —  des  Limes'  Mommsens,  der  oft  genug  nur  durch  entsprechende 
Ausholzung  mag  dargestellt  worden  sein. 

Dieser  Grenzweg  erfuhr  später,  wie  wir  wohl  annehmen  dürfen,  unter 
Trajan,  eine  bedeutende  Verschmälerung.  Die  versteckte  Aussteinung  mag  nicht 
genugsam  mehr  die  Grenze  markiert  haben  und  so  wurde  hinter  derselben  auf 
dem  Grenzwege  ein  breiter  und  tiefer  Grenzgraben  ausgehoben  und  sein  Material 
an  seinem  inneren  Rande  zum  Wall  aufgeschichtet.  Die  Entfernung  vom  Fussc 
des  Walles  bis  zur  Aussteinung  beträgt  im  Durchschnitte  die  erwähnten  20 
römischen  Fuss  und  wurde  der  Limes  damit  auf  einen  neben  der  Aussteinung 
herlaufenden  Grenzweg  von  nur  5  bis  6  Fuss  Breite  reduziert.  Der  Graben 
und  der  aus  seinem  Material  gewonnene  Wall  bilden  zusammen  das,  was  wir 
als  römischen  Grenzwall  oder  Pfahlgraben  bezeichnen. 

Das  Riesenwerk  des  Grenzwalles  konnte  erst  dann  zur  Ausführung  ge- 
langen,  als  eine  dem  Schutze  der  Grenze  entsprechende  Anzahl  von  grösseren 


151 

und  kleiueren  Kastellen  erriclitet  und  mit  den  uütigeu  Mannacluiffen  versehen 
war.  Bei  diesen  Befestigungsanlagen,  die  wohl  nicht  so  ganz  unwahrscheinlich 
als  das  lang  gesuchte  munimeiituni  Trajani  aufgefasst  werden  dürfen,  spielt  aber, 
wie  dies  schon  vor  Jahren  v.  Cohausen  immer  und  immer  wieder  betont  liat 
und  wie  dies  durch  die  Forschungen  Jacobis  jetzt  glänzend  bestätigt  worden 
ist,  Wall  und  Graben  keine  fortifikatorische  Rolle;  dazu  waren  sie  nicht  ange- 
than  und  auch  von  Ursprung  an  nicht  bestimmt.  Sie  bildeten  nichts  mehr  und 
nichts  weniger  als  die  deutlich  ins  Auge  springende  römische  Territorial-  und 
damit  Zollgrenze  und  sind  uns  heute  noch  der  interessante  Beleg  für  die  Aus- 
dehnung des  alten  Weltreiches  auf  unserem  heimatlichen  Boden. 

Dieses  sind  die  Ilauptresultate,  welche  Jacobi  bis  jetzt  an  der  von  ihm 
durchforschten  Limesstrecke  von  30  km  Länge  gewonnen  hat,  und  welche  ich 
teils  bei  der  Alteburg,  teils  in  der  Nähe  der  Saalburg  selbst  einsehen  konnte. 
Mögen  sie  auch  nach  mancher  Richtung  hin  noch  sehr  lückenhaft  sein  uiul  zu 
ihrer  vollständigen  Ergänzung  noch  sehr  viel  Geld  und  noch  mehr  Zeit  erfordern 
—  das  Eine  steht  doch  fest,  dass  sie  für  die  weitere  Limesforschung  von  denk- 
bar grösstem  Werte  sind  und  auf  noch  vielfache  dunkle  Punkte,  die  uns  gerade 
auf  diesem  Gebiete  bisher  unverständlich  geblieben  sind,  ihr  klärendes  Licht 
werfen  werden. 

Ich  will  schliesslich  noch  betonen,  dass  inzwischen  auch  auf  der  Rhein- 
Limes-Strecke  Sayn-Oberbieber  die  von  Jacobi  für  den  Taunus  nachgewiesene 
römische  Aussteinung  in  ganz  derselben  Ilerstellungs weise  durch  Löse hke  auf- 
gefunden worden  ist. 


Vc  r  e  i  11  s  -  N  a  c  li  r  i  c  li  t  e  11. 


Jahresbericht  des  Sekretärs. 

(Vom    1.   April    1893   bis    .iL    März    1S94.) 

Allgemeines.  Das  Vereinsleben  war  im  verflosseuen  Etatsjalire  erfreu- 
licherweise ein  sehr  reges.  Vorstaudssitzuugen  wurden  drei  abgehalten,  am 
5.  August  und  6.  November  1893  und  am  20.  Januar  1894.  Es  wurde  be- 
schlossen, das  Sitzungslokal  vom  „Grünen  Wald"  in  das  „Rothe  Haus",  Kirch- 
gasse 46,  zu  verlegen,  und  fanden  daselbst  im  Winter  sieben  Vortragssitzungen 
statt,  welche  sich  sämtlich  eines  zahlreichen  Besuches  erfreuten;  der  Bericht 
über  die  Vorträge  folgt  weiter  unten.  Die  ordentliche  Generalversammlung 
wurde  am  16.  Dezember  im  grossen  Museumssaale  abgehalten. 

Der  Vorstand  ist  bestrebt  gewesen,  auch  in  der  üblichen  Sommerpause 
das  Interesse  an  den  Zielen  des  Vereines  wach  zu  halten  und  den  Mitgliedern 
Gelegenheit  zu  geben,  im  persönlichen  Verkehr  die  gemeinsamen  Bestrebungen 
zu  fördern.  Dementsprechend  wurden  Ausflüge  nach  der  Saalburg  im  Juh, 
nach  Mainz  zur  Besichtigung  des  Domes  und  des  römisch-germanischen  Cen- 
tralmuseums  im  Oktober  gemacht,  beidemal  iu  Verbindung  mit  dem  hiesigen 
naturhistorischen  Vereine.  Auch  für  diesen  Sommer  sind  wieder  mehrere  Aus- 
flüge in  Aussicht  genommen. 

Zur  Generalversammlung  des  Gesamtvereins  der  Deutschen  Geschichts- 
und Altertums  vereine,  welche  vom  21.  bis  25.  September  1898  in  Stuttgart 
stattfand,  war  seitens  des  Vereins  der  Köuigl.  Konservator  Herr  Oberst  z.  D. 
von  Cohausen  delegiert  worden;  ihm  schlössen  sich  an  Se.  Excellenz  Franz 
Pascha  aus  Kairo,  der  Direktor  des  Vereins  Herr  Dr.  Florschütz,  Herr 
Dr.  med.  Ahrens,  Herr  E.  Schier enbcrg.  Sämtliche  Herren  waren  vou 
dem  Verlaufe  des  Kongresses  höchst  befriedigt,  und  steht  zu  erwarten,  dass 
von  jetzt  ab  überhaupt  eine  regere  Teilnahme  vou  Mitgliedern  unseres  Vereins 
au  diesen  regelmässigen  Zusammenkünften  stattfindet. 

Der  diesjährige  XXVI.  Annalenband  konnte  in  gewohnter  Weise  bis  Ende 
April  fertiggestellt  werden.  Wir  danken  dies  in  erster  Linie  der  Munificenz 
Sr.  Königl.  Hoheit  des  Grossherzogs  von  Luxemburg,  welcher  durch  eine  gross- 
mütigc  Spende  den  diesesmal  sehr  beschränkten  Mitteln    des  Vereins    zu  Hilfe 


153 

kam  und  hierdurch  die  vullstäudige  Drucklegung  iler  Arbeit  de«  Herrn  Pfarrer 
Conrad}'  über  die  älteste  Geschichte  des  Hauses  Nassau  ermöglichte.  Dem 
Hohen  Herrn  sei  auch  an  dieser  Stelle  der  herzlichste  Dank  ausgesprochen. 

MitgHeder  und  Vorstand.  In  der  Vorstandssitzung  vom  5.  August  1893 
wurde  Herr  Historienmaler  Dr.  Julius  Naue  in  München  zum  korrespon- 
dierenden Mitgliede  ernannt.  Der  Verein  hat  auch  in  diesem  Jahre  den  durch 
Tod  verursachten  Verlust  zweier  Ehrenmitglieder  zu  beklagen:  der  Herren 
Geh.  Regierungs-Rat  Carl  Schellenberg  in  Wiesbaden  (f  23.  6.  03)  und  Geh. 
Bau-  u.  Regierungs-Rat  a.  D.  Eduard  Cuno  in  Stuttgart  (f  5.  12.  93),  von 
denen  der  letztere  erst  wenige  Monate  vorher  bei  Gelegenheit  seiner  Über- 
siedelung nach  Stuttgart  zum  Ehrenmitgliede  ernannt  worden  war. 

Von  den  ordentlichen  Mitgliedern  schieden  aus: 

a)  durch  den  Tod: 

Herr  Ebhardt,  Landgerichtsrat  a.  D.,  Limburg  a.  d.  Lahn  (f  «•  02), 
(erst  nachträglich  gemeldet). 
„     Dr.  phil.  Kaufmann,  A.,  Archiviat,  Wertheim  a.  M.  (f  1.  ö.  93); 
Se.  Durchlaucht  Georg  Victor  Fürst  zu  Waldeck  und  Pyrmont, 

in  Arolsen  (f  12.  5.  93); 
Herr  Schramm,  Philipp,  Rentner,  W.  (f  15.  5.  93); 

„     Magewirth,  J.,  Oberpfarrer,  Homburg  v.  d,  H.    (f  29.  5.  93); 

„     Roth,  Adolf,  Rentner,  W.   (f  12.  6.  93); 

„     Bindewald,  Landrat,  Weilburg  (f  19.  6.  93); 

„     Spie  SS,  Aug.,  Prof.,  Gymnasialdirektor  a.  D.,  W.  (f  26.  G.  93); 

„     von  Eck,  Victor,  Geh.  Justizrat,  Rechtsanwalt,  W.  (f  23.  8.  93); 

„     Gräser,  Robert,  Oberst  z.  D.,  W.  (f  30.  11.  93); 

,     Dr.  Medicus,  Friedrich  Carl,  Professor,  W.  (f  18.   12.  93). 

bj  durch  Austritt: 

Herr  Dr.  jur.  Böninger,  Eugen,  Rechtsanwalt,  W. ; 

„     Risch,  Julius,  Geh.  Regierungs-  und  Schulrat,  W. ; 

„     Momberger,  Jacob  August,  Weinhäudler,  W. ; 

„     Bornemann,  Wirkl.  Geh.  Kriegsrat,  W. ; 

„     Dr.  phil.  Lehmann,  Julius,  Mainz; 

,     Cuno,    Eduard,    Geh.    Baurat    und    Regierungsrat  a.  1).    (wurde 
5.  8.  93  zum  Ehrenmitgliede  ernannt); 

„     Dr.  phil.  Steubing,  A.,  Harrach'sches  Institut,  St.  Goarshausen ; 

„     Pauli,  Gutsverwalter,  Schloss  Bodeusiein ; 

„     Graf  von  Hachenburg,  Hachenburg; 

„     Hoff  mann,  Wilh.,  Premierlieutenant  a.  D.,  Gummersbach; 

„     Deissmann,  Dekan  a.  D.,  Pfarrer,  Cubach; 

„     Krücke,  Wilhelm,  Pfarrer,  Limburg  a.  d.  L. ; 
Frau  Gräfin  von  der  Goltz.  W.; 
Herr  lletzcl,  Professor,  Gymnasial-Oberlchrer,  Dillenburg; 

„     Dr.  Berg.  Direktor  des  Knabenpensionats,  Oberlahnstein; 

„     Meister,  Philipp,  Ijandgerichtsrat  a.  D.,  W. 


154 

Dicrfcu  27  ausgoschic Jonen  onlcntliclicn  Mitgliedern  stehen  fol- 
gende 28  ueu  aufgenoiumene  gegenüber: 

Herr  Mondorf,  Georg,  Hotelbesitzer.  W. ; 

„  Balzer,  Pfarrer,  Broniskirchen,  Kreis  Biedenkopf; 

Frau  von  Boch,  Ziegelberg  bei  Mettlach  a.  d.  Saar; 

Herr  Dr.  pliil.  Ritterling,  Emil,  W. ; 

„  Beckel,  Jacob,  Bauunternehmer,  W. ; 

.,  Dr.  phil.  u.  med.  Preyer,  Wilhelm,  Hofrat,  Professor,  W. ; 
Se.  Durchlaucht  Georg  Friedrich  Fürst  zu  Solms-Braunfels,  Braun- 
fels; 

Herr  Zorn,  Richard,  Obstbaumschulbesitzer,  Hofheim  a.  T. ; 

„  Dr.  med.  Lossen,  Hermann,  Arzt,  W. ; 

y,  Gramer,  Landgerichtspräsident,  W. ; 

,  Weidenbusch,  Hans,  W. ; 

„  Caesar,  Clemens,  Reg. -Rat,  W. ; 

„  Schwedersky,  W.,  Lieutenant  a.  D.,  W.; 
Fräulein  Mawsou,  Anna  Maria,  Privatlehrerin,  W. ; 

Herr  von  Brandt,  Excellenz,  W. ; 

Frau  Todd,  W.; 

Herr  Dr.  phil.  Bodewig,  Oberlehrer,  Oberlahnstein; 

„  Kurtz,  Leonhard,  Hofphotograph,  W.; 

„  Wilhelm],  Otto,  Laudgerichtsrat,  W. ; 

,  V.  Wunster,  Wilhelm,  Oberst  a.  D.,  W. ; 

„  Lucas,  Friedrich,  Schulamtskandidat,  W. ; 

„  Go  SS  mann,  C.  G.,  Kloppenheim; 

„  Reifenrath,  H.,  Niederlahnsteiu ; 

„  Flindt,  Wilhelm,  Kgl.  Kanzleirat  a.  D.,  W.; 

„  Nicol,  August,  Buchhändler,  W. ; 

„  Quiel,  Gustav,  Buchhändler,  W.; 

„  Bojanowski,  Julius,  Rechtsanwalt,  W. ; 

„  Busse,  Louis,  Rentner,  W. 

Der  Verein  zählt  also  z.  Z.  5  Ehrenmitglieder,  6  korrespondierende  und 
379  ordentliche  Mitglieder.  Auf  den  Abdruck  eines  vollständigen  Mitglieder- 
Verzeichnisses  wurde  in  diesem  Jahre  verzichtet. 

Von  den  Vorstandsmitgliedern  schieden  durch  Tod  aus  die  um  den  Verein 
hochverdienten  Herren  Geheimer  Justizrat  v.  Eck  und  Geheimer  Baurat  Cuno. 
An  ihre  Stelle  traten  die  Herren  Königl.  Archivar  Dr.  Hagemann  und  Regie- 
rungs-  und  Baurat  Eggert.  Die  plötzlich  erfolgte  Berufung  des  bisherigen 
Sekretärs  Herrn  Dr.  Focke  an  die  Königl.  Universitätsbibliothek  Göttiugen  im 
Februar  d.  J.  machte  auch  die  Neubesetzung  des  Sekretariats  nötig;  dasselbe 
übernahm  nach  Wahl  des  Vorstandes  der  Unterzeichnete.  Die  bisher  aus  drei 
Mitgliedern  gebildete  Rcchnungsprüfungs-Kommissiou  wurde  in  Anbetracht  der 
bestehenden  staatlichen  Kontrolle  aufgehoben. 


155 

Die  derzeitige  Ziisainineiisetzung  des  Vorsisindes  ist  ulst.  folgende: 
IJirektor:  Herr  Sauitätsrat  Dr.  Florschütz;  Sekretär:  Herr  Dr.  pliil.  Rittcr- 
liug;  Konservator:  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohausen  Ferner  die  Herren: 
Rentner  Gaab,  Landgerichtsrat  Keutner,  Oberlehrer  Dr.  Wedewer,  Schul- 
direktor Weldert,  Dr.  med.  Ahrens,  Oberlehrer  Dr.  Loiir,  Landgerichtsrat 
Dussel,  Major  a.  D.  SchHebeu.  Ersatzmänner  sind  die  Herren:  Oberst- 
lieiitenant  z.  D.  Sartorius,  Kgl.  Archivar  Dr.  Hagemann,  Regierungs-  und 
Baurat  Eggert. 

BibHothek.  Bei  der  grossen  Zahl  der  Vereine  und  Institute,  mit  welchen 
unser  Verein  im  Austauschverhältnis  steht,  war  der  Zuwachs  der  Bibliothek 
im  letzten  Jahre  wieder  ein  bedeutender  und  wurde  deswegen  auch  nach 
Beschluss  der  Vorstandssitzung  vom  5.  August  1893  die  Summe,  mit  welcher 
die  Bibliothek  gegen  Feuersgefahr  versichert  ist,  um  1000  Mark  erhöht.  Neu 
in  das  Austauschverhältnis  sind  eingetreten: 

Der  Historische  Verein  zu  Lemberg  (Galizien)  [„Kwartaluik  historiczny"]; 

die  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttiugen,  Philologisch- 
historische Klasse; 

der  Copernicus-Verein  zu  Thorn. 

Dagegen  sind  aus  dem  Tausch  Verhältnis  ausgescbieden: 

Der  Historische  Verein  für  den  Regierungsbezirk  Marien werdcr; 
die  Comenius-Gesellschaft  zu  Münster. 

Durch  das  Wohlwollen  mehrerer  Gönner  des  Vereins  ist  auch  in  diesem 
Jahre  die  Bibliothek  mit  wertvollen  Geschenken  bedacht  worden.  Wir  sprechen 
dafür  den  freundlichen  Gebern  an  dieser  Stelle  den  verbindlichsten  Dank  aus: 
der  Königlichen  Regierung  hierselbst,  der  Landesdirektion  hierselbst,  sowie  der. 
Herren  Oberst  z.  D.  von  Cohausen,  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz  hierselbst, 
Preroierlieuteuant  Hoff  mann  in  Gummersbach,  Rechtsanwalt  E.  Leisler  (W.), 
F.  A.  Klingholz  (W.),  J.  de  Rey-Paithade  in  Toulouse,  Landesdirektor  Sar- 
torius (W.),  Frl.  Marie  Schaffhausen  in  Bonn,  Verlagsbuchhandlung  B.  G. 
Teubner  in  Leipzig,  Herrn  Stadtbibliothekar  Dr.  W.  Velke  in  Mainz.  Auch 
der  kürzlich  verstorbene  Herr  Wirkl.  Staatsrat  von  Becker  hatte  sein  freund- 
liches Interesse  für  den  Verein  durch  Zuweisung  einer  Anzahl  auf  badische 
Geschichte  bezügUcher  Bücher  an  die  Bibliothek  bethätigt. 


Vorträge. 

1)  Sitzung  im  „Rothen  Haus"  am  8.  November  1893. 

Der  Vereinsdirektor  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz  begrüsst 
die  zahlreich  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste  und  widmet  den  um 
unseren  Verein  hochverdienten,  seit  der  letzten  Sitzung  verstorbenen 
Herren,  Herrn  Professor  Dr.  Spiess,  dem  früheren  Vereinsdirektor, 
und  Herrn  Geh.  Justizrat  von  Eck,  dem  langjährigen  juristischen 
Berater  des  Vereins  einen  Nachruf. 


156 

Der  Königliche  Konservator  Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohausen 
berichtet  über  die  diesjährige  Generalversammlung  des  Gesamt  Vereins 
der  deutschen  Geschichts-  und  Altertumsvereine  in  Stuttgart,  zu  wel- 
cher er  als  Delegierter  entsandt  worden   war. 

Nach  einer  längeren  Austulirung  über  Wesen  und  Bedeutung  dieser  Gcneral- 
vcrsaunnlungen  verbreitet  er  sich  eingehend  über  die  zu  Stuttgart  gehaltenen  öffent- 
lichen Vorträge  der  Herren  Dr.  Fraas,  Dr.  von  Stalin,  Generalmajor  von  Pfister, 
Dr.  Kraus  und  Dekan  Klemm,  für  \Yelche  auf  den  inzwischen  im  Druck  erschienenen 
oftiziellen  Bericht  über  die  Generalversammlung  verwiesen  werden  kann.  In  der  prä- 
historischen Sektion,  dereu  Vorsitzender  der  Redner  war,  stand  noch  die  von  der 
letzten  Generalversammlung  übernommene  Frage  über  das  Wesen  und  die  typischen 
Kennzeichen  der  vorgeschichtlichen  Kultusstätten  zur  Besprechung.  Auch  diescsmal 
gelangte  die  Frage  nicht  zur  Lösung;  es  wurde  vielmehr  eine  Kommission  ernannt 
behufs  Aufstellung  eines  erschöpfenden  Fragebogens,  der  an  geeignete  Persönlichkeiten 
versandt  werden  soll.  Die  Mardellen-Frage  konnte  auch  diescsmal  nur  gestreift 
werden.  Allgemeines  Interesse  erweckten  die  Mitteilungen  des  Herrn  Baumeisters 
Jacobi  in  Homburg  v.  d.  H.  über  seine  epochemachenden  Entdeckungen  am  römischen 
Limes  im  Taunus  (siehe  oben  S.   148  ff.). 

Sodann  spricht  Herr  Oberst  von  Cohausen  über  die  Urbevölke- 
rung Nord-Japans,  die  Ainos,  von  denen  zahlreiche  Handarbeiten  in 
Geräten,  Waffen  und  interessanten  Textilstüeken,  welche  einem  Ge- 
schenke der  Frau  Polizeihauptmann  Höhn  für  die  ethnologische  Ab- 
teilung unseres  Museums  angehören,  ausgestellt  sind. 

Endlich  macht  Herr  E.  Schierenberg  einige  Mitteilungen  aus 
den  neuesten  Veröffentlichungen  des  Smithsonian  Institution  zu  Washing- 
ton, besonders  über  die  viel  besprochenen  Klippenwohnungen  in  den 
Gebirgsschluchten  von  Arizona,  New-Mexico  und  Utah. 

Während  manche  enthusiastische  Reisende,  welche  die  Gabe  zu  haben  scheinen, 
immer  weit  mehr  zu  sehen,  als  wirklich  vorhanden  ist,  in  ihnen  die  Überreste  einer 
uralten  untergegangenen  Kultur  erblicken  wollten,  hat  Major  Powell,  der  Vorsteher 
der  geologischen  Vermessung  der  Vereinigten  Staaten,  überzeugend  nachgewiesen, 
dass  sie  Indianerstämmen  angehörten,  w-elche  nocli  jetzt  in  der  Nachbarschaft  wohnen, 
und  dass  sie  teilweise  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  benutzt  worden  sind.  In  gewöhn- 
lichen Zeiten  lebten  jene  Stämme  in  den  sog.  Pueblo's,  runden  oder  elliptischen 
steinernen  Gebäuden,  welche  bis  zu  sieben  Stockwerk  hoch  waren  und  einen  Hof 
einschlössen.  Sie  enthielten  Hunderte  von  Räumen,  welche  teils  als  Wohnungen,  teils 
als  Vorratskammcni  dienten.  Von  aussen  waren  sie  bloss  mit  Leitern  zugänglich. 
Solcher  Pueblo's  sind  noch  einige  Dutzend  bewohnt.  Hunderte  liegen  in  Ruinen.  Wenn 
die  Bewohner  von  kriegerischen  Feinden  bedrängt  wurden,  verliessen  sie  die  Pueblo's 
und  nahmen  ihre  Zuflucht  in  den  schwerer  zugänglichen  Klii)penwolinungen  au  den 
senkrechten  Wänden  der  tief  eingeschnittenen  Schluchten  jener  Gegenden.  Dies  ist 
nachweisbar  noch  vor  nicht  langer  Zeit  geschehen. 


157 

2)  Sitzung  im  „Rotlioii  Jlaus"   am  29.  November  1893. 

Die  Liebenswürdigkeit  des  Konservators  des  Römisch-germanisclien  Museums  zu 
Mainz  Herrn  Ti.  Lindenschniit  liatte  es  ermöglicbt,  eine  ganz  vorzügliche  Aus- 
stellung alamannisclier  und  fränkischer  Schutz-  und  Trutzwarten  den  Mitgliedern  vor- 
zuführen. Dieselben  bestanden  aus  frisch  angefertigten,  in  Metall  und  Holz  herge- 
stellten Nachbildungen  der  besten  Originale,  und  Hessen  mit  ihren  Lanzen  und 
Speeren,  Dogen  und  Pfbilen,  gewaltigen  Schwertern,  einem  i)rachtvollen  Scramasax, 
den  verschiedenen  Arten  der  Franciska,  dem  schimmernden  Helm  und  den  gebuckelten, 
bunt  bemalten  Schilden  die  altgermanische  Bewaffnung,  die  wir  sonst  um-  in  mein- 
oder  weniger  defektem  Zustande  den  Gräbern  entnehmen,  in  neuem  Glänze  vor  unse- 
rem Auge  erstehen.  Herr  Dr.  Florschütz  schilderte  die  einzelnen  Stücke  in  ein- 
gehender Weise,  nachdem  er  in  der  Einleitung  seines  Vortrages  auf  die  Schwierigkeiten 
aufmerksam  gemacht  hatte,  in  den  der  alamannisch-fränkischen  Epoche  vorausgehenden 
Funden  typisch  germanische  Formen  festzustellen.  Interessenten  verweisen  wir  auf 
die  klassische  Arbeit  Lindenschmit's  in  seinem  Handbuch  der  deutschen  Altertums- 
kunde, Band  L 

Für  nächsten  Winter  ist  eine  ähnliche  Ausstellung  römiseher  Be- 
waffnung in  Aussicht  genommen. 

8)  Generalversammlung  im  Museumssaale  am   IG.  Dezember  1893. 

Der  von  Herrn  Dr.  Focke  über  „Charlotte  Corday"  gehaltene 
Vortrag  war  einer  grösseren  Arbeit  entnommen,  welche  demnächst  als 
Monographie  erscheinen  wird. 

4)  Sitzung  im   „Rothen  Haus"  am  10.  Januar  1894. 

Der  Vorsitzende  Herr  Dr.  Flor  schütz  widmet  dem  kürzlich  in 
Stuttgart  verstorbenen  Ehrenmitgliede  des  Vereins,  Herrn  Geh.  Reg.- 
und  Baurat  Cuno  einen  Nachruf. 

Sodann  legt  Herr  Dr.  Clouth  eine  Reihe  von  Photograpliieen  vor, 
welche  die  grossartigen  Ruinen  von  Angkor  Wat  in  Slam  darstellen, 
und  begleitet  dieselben  mit  einigen  orientierenden  Bemerkungen,  welche 
sich  an  einen  von  Mr  George  N.  Lurzon  am  24.  April  1893  in  der 
Sitzung  der  Royal  Geographical  Society  zu  London  gehalteneu  Vortrag 
anleimen. 

Die  Ruinen  befinden  sich  auf  dem  13.  Grad  nördl.  Breite  und  dem  104.  Grad  östl. 
Länge  20  km  landeinwärts  von  dem  Binnensee  Talay  Sap,  südwestlich  vom  Mekong. 
Das  Gebiet,  auf  welchem  sie  liegen,  gehört  zu  Siam ;  um  sie  zu  erreichen,  bedarf  es  der 
Schift'ahrt  auf  dem  Siem  Rep,  dann  eines  Rittes  zu  Pferde  nach  der  Hauptstadt  <lor 
gleichnamigen  Provinz  und  von  da  eines  1 V^  stündigen  Marsches  auf  sehr  gut  gehaltener 
Strasse  bis  zur  äusseren  Terrasse  von  Angkor  Wat.  Die  Ruinen  bedecken  eine  Fläche 
von  32  qkm.  Nach  Lurzon's  Ansicht  sind  die  Tempel  nicht  der  Drachenvcrchrung  (wie 
Fergusson),  auch  nicht  dem  Buddha  geweiht  gewesen  (wie  Garnier,  Legre e  und 
Andere  meinten),  sondern  sie  sind  rein  brahmanisch  und  erst  später  die  Statuen  des 
Buddha  in  die  Nischen    und  Schreine    der    Hindugottheiteu    eingesetzt    worden.     Für 


158 

die  Erbauer  der  Tempel  und  der  übrigen  Bauten  hält  er  die  Klimer.  einen  wabr- 
sdieiulicb  von  Indien  über  Land  gekümmeuen  Volksstamni.  Die  Zeit  der  Bauten 
dürfte  nach  den  Forschungen  französischer  Gelehrter  in  das  11.  bis  7.  Jahrhundert 
vor  Chr.  fallen.  Das  :\Iaterial  der  alten  Bauten  zeigt  durchgehends  nur  zwei  Stein- 
arten :  1.  einen  harten  feinkörnigen  Sandstein,  der  besonders  für  die  Skulpturen  verwendet 
wurde,  und  2.  einen  rauhen  porösen,  rötlichen  Stein  für  den  Unterbau ;  die  viel  späterer 
Zeit  angehörigen  Bauten  bestehen  aus  gut  gebrannten  Ziegelsteinen.  Das  Steinniaterial 
stammt  aus  Brüchen,  welche  mehr  als  50  km  weit  entfernt  waren ;  die  Möglichkeit 
des  Transitortes  solcher  Massen  bei  den  schlechten  Wegen  wird  nur  verständlich  durch 
den  noch  jetzt  in  China  zu  beobachtenden  Gebrauch,  Steinblöcke,  Glocken  etc.  auf 
den  Schultern  von  Hunderten  von  Trägern,  durch  Gerüste  verteilt,  im  Marschtempo 
fortzubewegen. 

Die  verschiedenen  Gebäudekomplexe  lassen  sich  in  7  Gruppen  teilen  :  1 .  die  Ruinen 
auf  der  Höhe  von  Puom  Krome  und  zu  Athvethvea  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses; 
2.  der  eigentliche  grosse  Tempel  von  Angkor  "Wat,  5  km  vom  Flusse  entfernt;  3.  der 
Hügel  von  Bakhong ;  4.  die  Ruinen  der  Königsstadt  von  Angkor  Tom;  5.  8  km  weiter 
östlich  der  grosse  See  und  der  Sommerpalast  von  Barie  Mobam ;  G.  auf  dem  östlichen 
Ufer  des  Flusses  die  Gruppe  von  Prasat  Kao:  7.  Ziegelbauten  von  Bathoum,  I\Iahon 
und  Prearup. 

Hierauf  hält    Herr  Major  Schlieben    einen  Vortrag   über    „Die 
Erfindimg  und  erste  Einrichtung  der  Wassermühlen". 

Die  erste  Erwähnung  einer  Wassermühle  als  Sehenswürdigkeit  der  Stadt  Kabira 
in  Pontus  findet  sich  bei  Strabo,  und  Servius  berichtet,  dass  solche  Mühlen  kurz  vor 
Augustus  in  Rom  aufkamen.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Mithridates,  wie 
eine  unverbürgte  Nachricht  sagt,  wirklich  der  Erfinder  war  und  die  erste  Anlage 
ins  erste  Drittel  des  I.  Jahrhunderts  vor  Chr.  fällt.  Durch  ein  Epigramm  des  Anti- 
jtater  wird  das  Vorhandensein  von  AVassermühlen  in  Rom  zur  Zeit  Ciceros,  durch 
eine  Verordnung  Caligulas  und  spätere  Angaben  aus  dem  HI.  Jahrhundert  das  Fort- 
bestehen von  Ross-  und  Eselmühlen  erwiesen.  Die  von  Sklaven  und  Verbrechern 
getriebenen  schweren  Handmühlen  hörten  unter  Theodosius  auf,  kleinere  blieben  bis 
in  die  neueste  Zeit  bestehen. 

Die  Getreidebereitung  zerfiel  in  die  Anfertigung  von  Mehl  und  von  Graupen, 
beides  durch  Stossen  oder  Mahlen.  Die  Anfertigung  der  Graupen  beschreibt  Plinius, 
Hist.  nat.  XVHI,  10  (23),  dessen  Text  zunächst  richtig  zu  stellen  ist.  Falsch  ist  die 
Lesart  ut  concidantur  grana  ferrumque  frangatur,  da  nicht  das  Zerbrechen  des 
schweren  Eisens,  sondern  das  Zerquetschen  der  Körner  zu  befürchten  ist,  was  bei 
Graupen  nicht  vorkommen  soll ;  es  muss  gelesen  werden  ferroqne  franyantur.  Die 
wichtigste  Stelle  ist  die  folgende:  rotis  etiarn  (utitur),  quas  aqua  rcrset  ohiter,  et 
niolis,  nicht  nioUt  oder  molat.  Darunter  ist  zu  verstehen  nicht  ein  oberschläch- 
tiges  Wasserrad,  wie  viele  wollen,  sondern  ein  senkrechtes  Rad,  welches  obenhin, 
d.  h.  von  oben  leicht  über  das  zu  enthülsende  Getreide  hinwcggleitet  und  dasselbe 
gegen  die  scharfen  Kanten  der  umgebenden  Trommel  wirft;  denn  die  Wirkung  eines 
ober-  oder  unterschlächtigen  Wasserrades  ist  für  die  Bereitung  der  Graupen  genau 
dieselbe,  also  ganz  gleichgiltig.    MoHs  wird  gelesen,  weil  man  sich  auch  der  Mühlen 


159 

mit  liorizontalcni  Stein,  wie  lange  Zeit  bei  den  Ulnier  (iiaupen  gescliali,  bedienen 
konnte.  Es  wird  nun  eine  solche  Mühle  mit  Hülfe  der  Angaben  Vitnivs  in  selir  ein- 
facher Art  konstruiert,  bei  der  die  Umdrehungsgeschwindigkeit  des  senkrediten  Rades 
ein  dem  Zweck  entsprechendos  Mass  innehält.  Das  Ganze  wird  durch  dir  in  Deutsdi- 
land  bis  ins  XVII.  Jahrhundert  übliche  Graupenbereitung,  welche  im  Trinzip  mich 
heute  besteht,  erläutert  und  durch   eine  Zeichnung  anschaulicli  gemacht. 

Die  Einrichtung  der  Mehlmühlen  beschreibt  Vitruv  X,  5  (10)  sehr  ungeschickt 
und  undeutlicli ;  der  Text  ist  gleichfalls  verdorben.  Unter  tympanum  inchimm  ist 
ein  Rad  im  Innern  der  Mülile  zu  verstehen,  während  das  Wasserrad  sich  draussen 
befindet.  Es  ist  zu  lesen  :  quod  (axis)  liahcat  tympanum  dentatum  et  indusim, 
nicht  est.  Sodann  muss  hinter  tympanum  maius  ein  Komma  stehen,  weil  die  Be- 
wegung beschleunigt  werden  soll,  wälirend,  wenn  maius  zum  Folgenden  gezogen  wird, 
die  Wirkung  eine  entgegengesetzte,  zweckwidrige  sein  würde;  das  zweite  Rad,  das 
plamm,  d.  h.  horizontale,  muss  das  kleinere  sein.  Mola  ist  hier  der  obere,  sich 
drehende  Mühlstein,  der  Läufer.  Die  weitere  Beschreibung  des  infundihidum  und 
das  Fördern  des  Mchles  kann  nur  der  verstehen,  der  die  Einrichtung  bereits  kennt, 
welche  genau  der  an  unseren  primitiven  Landmühlen  entspricht.  Auch  liier  wird  die 
ganze  Einrichtung  durch  eine  Zeichnung  deutlich  gemacht. 

Vitruv  kannte  nur  diese  erste  Einrichtung  der  Mühlen,  sie  blieb  im  allgemeinen 
Jahrhunderte  lang  dieselbe.  Im  Jahre  53G,  als  die  Goten  Rom  belagerten  und  die 
Wasserleitungen  zerstört  hatten,  erfand  Belisar  die  Schiffsmühlen.  Allmählich  trennte 
sich  das  Mi\llergewerbe  von  dem  der  Bäcker,  während  früher  der  pistor  beide  aus- 
übte. Windmühlen  scheinen,  nach  Citaten  bei  Du  Gange,  erst  im  XII.  Jahrhundert 
aufgekommen  zu  sein.  Erst  1784  wurde  nach  verschiedenen  nicht  gelungenen  Ver- 
suchen in  England  die  erste  mit  Erfolg  arbeitende  Dampfmühle  erbaut,  seitdem  sind 
die  Mühlen  und  mit  ihnen  die  Mehlbereitung  ganz  ausserordentlich  vervollkommnet 
worden. 

5)  Sitzung  im  „Rothen  Haus"  am   24.  Jamiar  1894. 

Der  Königliche  Konservator    Herr  Oberst  z.  D.  von  Cohau-sen 
hält  einen  Vortrag  über  „Die  Yolkstrachten  in  Nassau". 

Der  Obstbaumzüchter  Herr  R.  Zorn  in  Hof  heim  hat  den  Antrag  gestellt,  der 
Altertumsverein  wolle  die  jetzt  noch  in  Nassau  vorhandenen  Landestrachten  der 
ländlichen  Bevölkerung  und  besonders  die  im  Verschwinden  begriffene  Tracht  des 
<Blauen  Ländchens»  (Diedenbergen,  Breckenheim,  W^allau,  Wildsachsen  etc.)  durch 
Beschreibung,  photographische  Aufnahme  oder  Modelle  in  den  Annalen  und  im  Museum 
der  Nachwelt  erhalten.  In  der  Garderobe  des  hiesigen  königlichen  Theaters  sind 
die  Trachten  von  Bäuerinnen  vorhanden,  welche  bei  Gelegenheit  des  ersten  Besuches 
des  Kaisers  Wilhelm  I.  in  Wiesbaden  für  ein  Ballet  als  völlig  getreue  Nachbildungen 
der  wirklich  getragenen  Kleidung  angefertigt  worden  sind.  In  dem  sogenannten  Buch- 
finkenlande, aus  welchem  uns  ein  Kostümbild  eines  Mädchens  vorliegt,  welches  wir  nächst 
dem  Herrn  Landrate  Seyberth  der  Gefälligkeit  der  Frau  Präsident  Winter  in 
Elmshausen  und  der  Frau  Pfarrer  Schneider  in  Buchenau  danken,  wechseln  die 
Trachten,  zumal  die  Mützen,  wenn  nicht  mit  jedem  Dorfe,  so  doch  mit  jedem  Amte. 
Während  die  Mädchen  im  Breidenbacher  Grunde  rote  «Kübelchen>-,  d.  h.  cylindrische, 


160 

steif  abgesteppte  Mützen  mit  schwarzen  Bändern  tragen,  sind  dieselben  in  Battenberg 
schwarz  und  anliegend  und  haben  in  Dautphe  fast  die  Form  eines  bayerischen  Gen- 
darnienhelmes  aus  schwarzer  Wolle.  Ein  besonderer  Staat  sind  dort  die  sichtbaren 
breiten  «Hosenbändel ^.  d.  li.  Strumpfbänder  mit  roten  Quasten.  Sehr  kleidsam, 
jtraktisch  und  gediegen  ist  die  Tracht  der  Frauen  und  Mädchen  in  Brandoberndorf 
im  Kreise  Usingen  (vergl.  Annalen  XVII.  27),  die  jetzt  freilich  nur  mehr  von  den 
Reicheren  und  Vornehmeren  getragen  wird.  Aber  auch  hier  sind  es  fast  ausschliesslich 
die  Frauen,  welche  die  Sitte  bewahren,  die  Kleidung  der  Männer  erinnert  kaum 
mehr  an  eine  Landestracht.  Zwei  vorgelegte,  von  einer  Dame  gezeichnete  Bildchen 
zeigen  die  Einzelheiten  der  Tracht  der  Frauen :  sie  tragen  schwarze  Strümpfe,  einen 
kurzen  schwarzen  Rock  mit  dunkelblauer  Schürze,  eine  dunkelfarbene  geblümte  Jacke 
mit  hellem,  über  die  Schultern  gehendem,  hinten  geknüpftem  Ilalstuche,  einen  gesteppten 
runden  Hut,  von  dem  ringsum  Spitzen  herabhängen,  welche  die  Augen  nicht  sehen 
lassen.  Die  Mädchen  haben  hellblaue  Strümpfe,  einen  kurzen  schwarzen  Rock  mit 
hellblauer  Schürze,  ein  braunes  Mieder,  das  die  Ilemdärmel  freilässt.  ein  eng  an- 
liegendes gesticktes  Mützchen  mit  schwarzen  Bindel)ändern. 

Auch  Herr  Haus  er  in  Mainz  sammelt  ländliche  Trachten,  namentlich  Hauben 
und  Bänder  von  Frauen  und  Mädchen  aus  dem  «Blauen  Ländchen >^  (eigentlich 
die  180.')  an  Nassau  gekommene  Herrschaft  Eppstein,  begrenzt  etwa  von  Hochheim, 
Hofheim,  Eppstein,  Bierstadt).  Aber  auch  hier  fehlen  die  Trachten  der  Burschen 
fast  völlig;  dieselben  haben  nach  ihrer  Militärzeit  die  Freude  an  ihrer  Landestraclit 
verloren,  —  t'ber  das  Alter  der  ländlichen  Trachten  darf  man  sich  keiner  Täusclmng 
hingeben;  die  wenigsten  werden  über  das  16.  Jahrhundert  hinaufgehen;  es  sind 
Nacliahmungen  städtischer  Moden,  die  beim  Landvolke  etwas  länger  sich  erhalten 
haben.  Ein  Beispiel  aus  der  neueren  Zeit  bieten  die  in  den  30  er  Jahren  aufge- 
kommenen Chignonärmel,  welche  jetzt  noch  in  Dachau  bei  Münclien  getragen  werden. 
Hoft'entlich  wird  die  jetzige,  der  weiblichen  Gestalt  so  sehr  widersprechende  Damen- 
tracht nicht  ebenfalls  als  eine  '<Yolkstrac]it>'  aufgegriffen.  In  dem  vortrefflichen 
Werke  von  Kretschmer:  Deutsche  Volkstrachten.  Leipzig  1870,  betreffen  auch 
.S  Blätter  unser  Vereinsgebiet,  2  Blätter  Biedenkopf,   1   Blatt  Wetzlar. 

Was  nun  die  praktische  Seite  der  von  Herrn  Zorn  angeregten  Frage,  das 
Sammeln  bezw.  Erhalten  dieser  Trachten  seitens  des  Vereins  angeht,  so  ist  an  eine 
Sammlung  von  Originalkleidungsstücken  schon  aus  dem  Grunde  nicht  zu  denken,  weil 
uns  im  Museum  vollständig  der  Platz  hierzu  fehlt.  Wohl  aber  wäre  eine  Sammlung 
von  ausgemalten  Photographieen  der  Trachten  in  Kabinetsformat  möglich.  Hierzu 
die  Mittel  zu  gewähren  und  in  ihren  Kreisen  die  Sache  in  die  Hand  zu  nehmen, 
würden  die  Kreisstände,  die  ohnehin  Mitglieder  unseres  Vereins  sind,  am  geeignetsten 
sein  und  müssten  seitens  des  Vereins  darum  gebeten  werden. 

In  der  längeren  an  den  Vortrag  anknüpfenden  Debatte  erbietet 
sich  Herr  Justizrat  Thönges,  Zeichnungen  von  Trachten  aus  dem 
Amte  Dillenburg,  der  Gegend  von  Montabaur,  Wallmerod,  Ilachenburg 
und  Limburg  zu  beschaffen,  Herr  Direktor  Fischbach  empfiehlt 
dringend  die  Beschaffung  von  Originalkostümen. 

Hierauf  hält  Herr  .Maj(jr  Seh  lieben  einen  Vortrag  über  „St.  (ileorg 
als  Drachoukänipfer" . 


161 

Man  denkt  sich  St.  Georg  als  stattlichen  Ritter,  welcher  /u  Pferde  gegen  einen 
Drachen  kämpft  und  ihm  den  Speer  in  den  Rachen  stösst.  Das  Vorbild  da:iu  lieferte 
Jacobus  de  Voraginc  in  seiner  Lcgenda  aurea.  Er  verlegt  den  Kampf  eines  Ritters 
gegen  einen  Drachen,  um  eine  Jungfrau  zu  befreien,  nach  Libyen,  andere  Bearbeit- 
ungen nach  Kappadocicn,  Syrien,  Palästina,  eine  derselben  nennt  als  die  befreite 
Jungfrau  die  hl.  Margarethe,  welche  mit  dem  Drachen  abgebildet  zu  werden  pflegt. 
Der  ('odex  des  Jacobus  de  Voragine  stammt  aus  dem  XII.  Jahrhundert,  stützt  sich 
aber  auf  einen  älteren  aus  dem  VIII.  Jahrhundert.  Älter  als  diese  Erzählung  ist 
die  von  dem  Megalomartyr  Georg,  welche  die  Acta  Sanctorum  enthalten.  Dieser 
wurde  unter  Diocletian  als  Verteidiger  der  Christen  gefoltert  und  am  23,  April  303 
umgebracht.  Er  ist  der  kirchliche  Heilige,  jedoch  ist  bei  ihm  von  einem  Drachen- 
kampfe keine  Rede ;  die  Kirche  fasste  später  diesen  Kami)f,  welcher  demselben  Georg 
als  Jugendthat  zugeschrieben  wurde,  nur  symbolisch  als  Überwindung  von  Unglauben 
und  Ketzerei,  als  Überwindung  des  Teufels  und  als  Sieg  des  Christentums  auf. 

Eine  Erzählung  bei  Vertot,  Ilistoire  de  Malthe,  welcher  einen  Maltheser  Ritter 
auf  Rhodos  im  XIV.  Jahrhundert  gegen  den  Befehl  seines  Grossmeisters  einen  ähn- 
lichen Drachenkampf  bestehen  lässt,  hat  Schiller  den  Stoff  zu  seiner  Ballade  «Der 
Kampf  mit  dem  Drachen»  geliefert.  Aus  dem  XIII.  Jahrhundert  gibt  es  noch  ähn- 
liche deutsche  und  englische  Dichtungen. 

Drachensagen  gibt  es  bei  allen  Völkern;  als  Drachen  bezeichnete  Ungeheuer 
sind  jedoch  nur  Phantasiegebilde,  zu  denen  die  Apokalypse  und  die  Heldensagen  die 
Vorbilder  geliefert  haben.  Sie  wurden  als  Standarten  und  in  Wappen  geführt,  und 
stehen  heute  noch  in  China  in  Verehrung.  Drachenkämpfer  waren  Rama,  Rustem, 
Apollo,  Herakles,  Jason,  Kadmos,  Bellerophon,  Perseus,  Beowulf,  Ortnit,  Wolfdietrich, 
Tristan  und  Sigurd  oder  Siegfried.  Diese  Kämpfe  beziehen  sich  in  der  nordischen 
Mythologie  auf  den  Kampf  des  Sommers  gegen  den  Winter,  d.  h.  Odins  oder  seiner 
Stellvertreter  gegen  die  Reifriesen  oder  Thursen  zur  Befreiung  der  Sonnenjungfrau, 
der  schon  in  den  ältesten  Zeiten  in  Deutschland  dramatisch  dargestellt  wurde.  An 
Odins  Stelle  traten  die  Sonnenhelden  und  schliesslich  St.  Georg,  da  nach  Einführung 
des  Christentums  die  Eigenschaften  und  Verrichtungen  Wuotans  und  anderer  Götter 
zum  Teil  auf  christliche  Heilige,  wie  Georg,  Martin,  Oswald,  Michael,  übergingen. 
Der  hl.  Georg  genoss  schon  unter  Konstantin  grosse  Verehrung,  sein  Bild  wurde 
mit  dem  des  Mithras  verschmolzen;  in  den  fortwährenden  Überarbeitungen  der  alten 
Legende  wurde  er  zum  glänzenden  Jüngling,  zum  Lichtgott,  nach  dem  die  alten  Iberer 
am  Kaukasus  sich  Georgier  nannten,  zum  Drachenkämpfer  und  durch  die  Kreuzfahrer, 
welche  ihn  in  dieser  Autfassung  kennen  lernten,  namentlich  durch  Richard  Löwen- 
herz, zum  Ritter,  der  für  die  Kreuzfahrer  gegen  die  Ungläubigen  kämpfte.  So  kam 
er  als  Ritter  vom  Mprgenlande  ins  Abendland  und  wurde  volkstümlich,  da  man  in 
ihm  den  Stellvertreter  Wuotans  mit  dessen  Schimmel  und  Speer  sah. 

Der  hl.  Georg  wurde  Patron  der  Krieger,  der  Reiter  und  ihrer  Pferde.  Die 
Bauernritte  um  die  Linde  am  Georgitage  (23.  April)  und  die  Wettrennen  bezeugen 
dies.  Die  Sage  wurde  vielfach  lokalisiert,  so  in  Leipzig  und  Mansfeld.  In  letzterem 
Orte  wurde  der  hl.  Georg  als  Schutzpatron  auf  die  Münzen  geprägt;  berühmt  sind 
die  Georgsthaler  des  Grafen  David  von  Mansfeld,  weil  an  ihnen,  besonders  an  den 
Jahrgängen   1609  und   IG  11  der  auf  einem  wunderbaren  Vorfall  aus  dem  30jährigen 

Annalen,    liJ.  XXVI.  11 


162 

Kriege  beruliendc  Aberglaube  haftet,  dass  sie  unverwundbar  machen.  Der  hl.  Georg 
schützte  aber  auch  gegen  Krankheiten  und  Tod  und  deshalb  standen  die  Aussatz- 
uud  Pesthäuser  unter  seinem  Patronate.  Allerlei  Aberglaube  gründete  sich  auf  diese 
Vorstellungen,  wovou  beim  Kugelsegon  und  beim  Schäfflertanz  noch  Spuren  zu  linden 
sind.  Die  verschiedenen  Ueorgsordeu  gehören  heute  noch  zu  den  höchsten  Auszeich- 
nungen,  namentlich  in  England  und  Ivussland. 

Zum  Schluss  zeigt  der  Vorsitzende  Herr  Sanitiitsrat  Dr.  Flor- 
schütz  einen  ihm  zum  Geschenke  gemachten  „Panzerbrecher "  vor, 
eine  dolchartige  Waffe,  mit  sehr  spitzer  und  schmaler  Klinge  und  da- 
durcli  befähigt,  im  Nahkampf  zwischen  die  Schuppen  und  Ringe  der 
]\inzer,  gegen  die  Schwert  und  Lanze  nichts  auszuricliten  vermocliten, 
einzudringen.  Er  überweist  den  wegen  seiner  grossen  Seltenheit  sehr 
wertvollen  Gegenstand  dem  Museum. 

6)  Sitzung  im  „Rothen  Haus"  am  14.  Februar  1894. 

Herr  Schriftsteller  Spielmann  hält  einen  Vortrag  über  ,  Adolf 
von  Nassau,  Kurfürst  von  Mainz,  und  die  luxemburgischen  Kaiser". 

In  unseren  Tagen  ist  die  Dynastie  Nassau  in  den  Besitz  des  Grossherzogtums 
Luxemburg  gelangt.  Aber  bereits  vor  etwa  500  Jahren  traten  die  Glieder  beider  fürst- 
lichen Häuser  öfter  zu  einander  in  Beziehung,  zuerst  zur  Zeit  Kaiser  Karls  IV.,  Königs 
von  Böhmen,  aus  dem  luxemburgischen  Geschlechtc.  Karl  war  bestrebt,  mit  allen 
Mitteln  seine  llausmacht  zu  vermehren,  meist  durch  staatskluge  und  gewantc  Akte, 
weshalb  man  ihn  auch  als  den  ersten  Diplomaten  auf  dem  römisch-deutschen  Kaiser- 
throne bezeichnet  hat.  Seine  Politik  lässt  sich  charakterisieren  als  vorsichtig  im 
Versprechen,  treulos  im  Halten,  zurückhaltend  im  Gewähren,  unerl)ittlich  im  Fordern, 
schlau  im  Erkennen  des  rechten  Zeitpunktes,  nachdrücklich  im  Verfolg  des  einmal 
Begonnenen.  Persönlich  zeichnete  ihn  einnehmendes  Wesen,  Höflichkeit  und  Gelehr- 
samkeit aus;  die  Eigenschaften  dreier  Nationen  vereinigten  sich  in  ihm:  deutscher 
Ordnungssinn,  welsche  Bildung  und  slavische  Verschlagenheit.  Ihm  kam  es  vor  Allem 
darauf  an,  seinem  Hause  ein  dauerndes  Übergewicht  in  Deutschland  zu  verschafien; 
deshalb  fügte  er  zu  Böhmen  Schlesien  und  die  Lausitz  unmittelbar  hinzu,  verleibte 
die  den  Wittclsbachern  entrissene  Mark  Brandenburg  seinem  Königreiche  ein  und 
machte  die  slavischen  Herzöge  von  Mecklenburg  und  Pommern  von  sich  abhängig. 
Sein  gesamtes  Reich,  zu  welchem  er  noch  die  Oberpfalz  hinzu  erwarb,  erhielt  eine 
feste  Organisation  und  als  erste  dauernde  Residenz  Prag.  Der  Landfriedc  wurde 
gewahrt,  die  Bodenkultur  bef()rdert,  Handel  und  Wandel  gehoben  und  der  Grund  zu 
einem  stehenden  Heere  gelegt.  Erst  nachdem  er  sich  so  eine  feste  Grundlage  zur 
Durchführung  seiner  weiteren  Pläne  geschaffen  hatte,  wandte  er  seine  Aufmerksam- 
keit dem  Reiche  zu.  Allein  hier  trat  ihm  eine  Persönlichkeit  gegenüber,  die  seine 
Pläne  zum  Scheitern  brachte.  Dies  war  Adolf  von  Nassau,  der  jugendliche  Urenkel 
des  deutschen  Königs  gleichen  Namens.  Ursprünglich,  wie  sein  Oheim,  der  verstorbene 
Erzbischof  Gerlach  von  Mainz,  ein  Anhänger  des  Kaisers,  wurde  er,  durch  die  Politik 
Karls  zweimal  von  dem  Throne  des  ersten  geistlichen  Fürstentums  ausgeschlossen, 
zum  erbitterten  Feinde    des    luxemburgischen  Hauses  gemacht.     Der    Kaiser    nämlich 


163 

hatte  bei  seinen  Organisation,sbcstrebuii},'cii  hauptsüclilich  wiederum  die  JJeiestigun^' 
seiner  eigenen  Macht  in  Westdcutscliland  im  Auge  und  zielte  auch  auf  P^rbiichmachung 
der  Krone  in  seinem  Geschlechte.  Sein  Bruder  besass  bereits  Luxemburg,  IJrabant, 
Limburg,  nun  suchte  Karl  durch  Bündnisse  und  Heiraten  sein  Ansehen  im  Westen 
weiter  zu  befestigen.  Adolf  aber,  dem  es  inzwischen  doch  gelungen  war,  die  Mainzer 
Kurwürde  zu  erhalten,  l)ehaui)tete  sich  in  seinem  Besitze  und  verfocht  seine  Interessen 
in  blutigen  Fehden  gegen  des  Kaisers  Bundesgenossen,  weshalb  er  den  Beinamen 
*dcr  beissende  Wolf>^  von  seinen  Zeitgenossen  erhielt.  Als  dann  Karl  starb,  olnic 
sein  Ziel  erreicht  zu  haben,  und  sein  Sohn  Wenzel  König  wurde,  suchte  dieser  Adolf 
dadurch  zu  gewinnen,  dass  er  ihn  in  seiner  Stellung  als  Kurfürst  anerkannte.  Aber 
dessen  Streben  ging  jetzt  noch  böher :  er  selbst  wollte  an  der  Spitze  seiner  Bundes- 
genossen an  Stelle  des  Königs  Ordner  des  Reiches  und  dessen  Lenker  werden.  Zur 
Erreichung  dieses  Zieles  wusste  er  den  Streit  zwischen  Königtum,  Ritterscliaft  und 
Städten  geschickt  zu  benutzen,  sodass  er  stets  als  Schiedsrichter  der  Parteien  anerkannt 
wurde.  So  kam  es,  dass  Adolf  endlich  dem  Könige  alle  Macht  aus  der  Hand  ge- 
wunden und  die  luxemburgische  Hauspolitik  durch  seine  eigene  verdrängt  hatte. 
Wenzel  zog  sich  nach  Böhmen  zurück  und  kümmerte  sich  nicht  mehr  um  das  Reich. 
Doch  noch  clie  Adolf  sein  Ziel  völlig  erreicht  hatte,  starb  er  in  noch  jugendlichem 
Alter.  Sein  Bruder,  der  spätere  Kurfürst  Johann  von  Mainz,  der  dem  Reiche  nach- 
einander 3  Könige  gab,  setzte  Adolfs  Politik  mit  Erfolg  fort.  Die  grosse  nationale 
Bedeutung  Adolfs  liegt  darin,  dass  er  in  erster  Linie  es  war,  welcher  verhinderte, 
dass  die  deutsche  Einheit  von  Böhmen,  d.  h.  durch  slavische  Interessen  bestimmt, 
und  dass  dieses  Land  das  Hauptland  Deutschlands  wurde. 

Hierauf  bespricht  Herr  Major  Schlieben  eine  grössere  Arbeit 
des  Professors  Dr.  Braun  gart,  welche  im  3.  Hefte  des  XXH.  Bandes 
der  Landwirtschaftlichen  Jahrbücher,  Berhn  1893  abgedruckt  ist,  über 
„Die  Hufeiseufunde  in  Deutschland  und  die  Geschichte  des  Hufeisens". 

Der  Redner,  welcher  im  XX.  Bande  der  Annalen  des  nassauischen  Altertums- 
vercins,  Wiesbaden  1888,  selbst  einen  längeren  Aufsatz  über  die  Ilufeisenfrage  ver- 
öffentlicht hat,  der  dem  Verfasser  unbekannt  geblieben  ist,  ist  anderer  Ansicht,  als 
dieser  und  glaubt  viele  von  dem  Verfasser  wieder  vorgebrachte  Ansichten  und  Bei- 
spiele schon  widerlegt  zu  haben.  Er  wendet  sich  zunächst  gegen  einen  Fundamental- 
satz  des  Verfassers  und  seiner  Autoritäten,  dass  die  gallischen  Hufeisen  kleiner  gewesen 
seien,  als  die  germanischen  und  führt  dafür  eine  Anzahl  Beweisstellen  aus  Cäsar,  Tacitus, 
Florus,  Appian,  Plutarch  an,  bezweifelt  die  Beweiskraft  der  Funde  von  Alesia  und  die 
Richtigkeit  der  Folgerungen  auf  die  Funde  in  Deutschland,  und  kann  namentlich  dem 
Verfahren,  wie  die  alamannische  und  suevisch-baiuwarische  Reihe  von  alten  Eisen  nach 
dem  blossen  Augenschein  durch  Aussuchen  aus  einem  Haufen  von  300  Stück,  deren 
Ursprung  ganz  unbekannt  ist  und  die  er  selbst  früher  gesehen  hat,  um  so  weniger 
zustimmen,  als  der  Verfasser  selbst  gesteht,  kein  Entwickelungsprinzip  darin  entdeckt 
zu  haben  und  dass  die  Eisen,  sowohl  aus  den  Schanzen  bei  Alesia,  als  aus  den  baye- 
rischen Hochäckern  zum  Teil  wie  solche  aus  dem  XII.  Jahrhundert  aussähen  (S.  390). 
Auch  in  den  beigegebenen  Abbildungen  sind  die  Unterschiede  in  den  Eisen  nicht  so 
bedeutend,  um  so  einschneidende  Klassitizierungen  zu  rechtfertigen,  was  schon  der  Aus- 

11* 


1G4 

druck  "Stark  germanisiertes  keltisches  Eisen»  bei  Funden  von  der  Saalburg  beweist, 
welche  von  allen  Funden  die  am  besten  beglaubigten  und  datierten  sind  und  doch  alle 
Formen  zeigen  (S.  432,  20).  Der  Kedner  macht  schliesslich  seinerseits  noch  auf  Be- 
merkungen über  den  Huf  vom  Pferde  Cäsars  aufmerksam,  welche  sich  bei  Sueton, 
Cäsar  61  und  bei  Solinus  45  linden  und  stellt  anheim,  darin  eine  auf  den  Aberglauben 
seiner  Landsleute  spekulierende  Täuschung  Cäsars  zu  sehen,  welcher  die  Weltherr- 
schaft erstrebte.  Wie  näher  erörtert  wurde,  könnte  darin  der  Anfang  des  den  Römern 
damals  noch  unbekannten  Nagelbeschlages  zu  suchen  sein  und  würde  er  dann  seine 
frühere  Ansicht,  dass  der  Nagelbeschlag  erst  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer 
Zeitrechnung  aufkam,  aus  diesem  und  anderen  neueren  Gründen  etwas  ändern. 

Die  Besprechung  von  auf  Ilochäckern  gefundenen  Hufeisen  ver- 
anlasst den  Vorsitzenden  Herru  Dr.  Flors chütz  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  dass  diese  merkw^ürdigen  Überreste  des  keltischen  Acker- 
baues auch  in  der  nächsten  Nähe  Wiesbadens  beim  Chausseehause  zu 
beobachten  sind.^) 

Endlieh  weist  Herr  Dr.  Tietz  auf  die  Ähnlichkeit  hin,  welche 
zwischen  den  Gigantengruppen  und  den  Darstellungen  des  Ritters 
Georg  besteht  (siehe  oben  S.  135/136). 

7)  Sitzung  im  „Rothen  Haus"  am  28.  Februar  1894, 

Herr  Dr.  med.  Genth  aus  Schwalbach  hält  einen  Vortrag  über 
„Aberglaube  und  Volksmedizin  in  der  Gegenwart". 

Aberglaube  ist  der  Rest  einer  alten  religiösen  Vorstellung,  der  sich  nach  Ein- 
dringen eines  neuen  Glaubens  erhalten  hat ;  welche  grosse  Lebensfähigkeit  diese  Über- 
reste besitzen,  beweist  der  Umstand,  dass  noch  im  XVII.  Jahrhundert  in  Ostpreussen 
heidnische  Opfer  dargebracht  worden  sind.  Wesentlich  davon  verschieden  ist  die  vom 
Oriente  ausgehende,  namentlich  durch  die  Araber  nach  dem  Westen  verbreitete  ge- 
heime Wissenschaft  der  Magie,  die  man  im  Gegensatze  zum  Volksaberglauben  als 
«Kunstaberglauben»  bezeichnen  kann.  Der  Volksaberglaube,  der  allein  für  uns  hier 
in  Betracht  kommt,  zeigt  am  meisten  Verbreitung  in  der  Volksmedizin.  Die  Krank- 
heit Avird  hier  nicht  als  eine  organische,    als  Störung  physiologischer  Vorgänge,    son- 


')  Eine  Begehung  der  Strecke,  welche  am  31.  März  von  den  Herren  Dr.  Florschütz, 
Prof.  V.  Thudichum  aus  Tübingen  und  dem  Unterzeichneten  ausgeführt  wurde  (an  einer 
zweiten  am  1.'5.  April  vorgenommenen  beteiligten  sich  auch  die  Herren  Oberst  v.  Cohausen  und 
Dr.  Tietz),  ergab,  dass  der  südliche  bezw.  südwestliche  Abhang  in  einer  Breite  von  etwa  .")0ü 
Schritt  mit  durchschnittlich  10  Schritt  breiten,  mehr  oder  weniger  regelmässig  parallelen  Beeten 
bedeckt  ist;  dieselben  beginnen  im  Walde  unmittelbar  westlich  von  der  Station  Chausseehaus 
und  lassen  sich  in  mehr  oder  weniger  scharfen  Profilen  bis  in  die  Nähe  der  Oberförsterei 
Chausseehaus,  wo  sie  von  der  Schwalbacher  Chaussee  durchschnitten  werden,  verfolgen.  Ober- 
halb der  letzteren  sind  deutliche  Spuren  nicht  beobachtet  worden.  Nach  Analogie  anderer 
derartiger  Anlagen  wird  man  mit  diesen  Äckern  einerseits  die  früher  aufgedeckten,  von  der 
Schwalbacher  Bahn  zum  Teil  durchschnittenen  Hügelgräber  (siehe  Annalen  XXI,  Seite  8  f.), 
andererseits  den  Ringwall,  dessen  Reste  sich  auf  dem  nahen  Schläferskopfe  finden,  in  Zusam- 
menhang setzen  dürfen.  Eine  genaue  Untersuchun<;  und  Aufnahme  der  ganzen  Anlage  wird 
demnächst  vorgenommen  werden. 


165 

(lern  als  die  Wirkung  eines  ■Dämons  botraclitct,  ilurcii  dcssoii  Vertreibung  bczw.  Un- 
schädlichmachung allein  die  Heilung  bewirkt  werden  kann.  Die  Kntsühnung  ist  daher 
die  älteste  Form;  dieselbe  wird  zunächst  vollzogen  durch  blutige  Menschen-  oder 
Tieropfer,  wie  sie  im  Märchen  noch  erscheinen  im  Ritter  Blaubart  und  in  dem  Opfer- 
tode der  Jungfrau  im  Armen  Heinrich-.  Als  Reste  davon  sind  anzusehen  die  Ent- 
mannung bezw.  Reschneidung,  die  heilende  Wirkung,  welche  man  dem  Blute  Hin- 
gerichteter zuschrieb,  sowie  der  kulturelle  Aderlass.  Weiter  fand  eine  Entsühnung 
durch  Feuer  oder  Wasser  statt,  welche  schon  bei  Persern  und  Juden  üblich  war  und 
auch  in  den  Sonnenwendfeuern  ihren  Ausdruck  fand.  Sehr  grosse  Bedeutung  aber 
legte  man  bei  Heilung  von  Krankheiten  der  Sitte  des  '<Besprechens»  bei  und  hierin 
zeigt  sich,  dass  die  Jahrtausende  alten  Formeln  zum  Teil  noch  heute  im  Gebrauch 
sind,  natürlich  olmc  in  ihrer  ursprüngliclien  Bedeutung  erkannt  zu  werden  (so  wird 
der  Schluss  eines  der  bekannten  Merseburger  Zaubersprüche  in  Hessen  und  Böhmen 
noch  jetzt  gegen  bestimmte  Leiden  angewendet).  Mit  dem  Besprechen  sind  häufig  noch 
Manipulationen  verbunden,  wie  das  Umgreifen,  Abringein  und  das  Anblasen,  welches 
letztere  sich  z.  B.  in  dem  Anhauchen  bei  der  Taufe  erhalten  hat.  Wichtig  ist,  dass 
diese  Handlungen  schweigend  ausgeführt  werden,  meist  von  einer  Person  des  anderen 
Geschlechts ;  geschieht  dies  nackt,  so  ist  auf  ein  besonders  hohes  Alter  des  Gebrauchs 
zu  schliessen.  Der  Gedanke,  dass  die  Krankheit  auf  andere  Gegenstände  oder  lebende 
oder  tote  Wesen  übertragen  werden  könne,  liegt  den  sympathetischen  Kuren  zu 
Grunde,  welche  schon  Plinius  kennt.  Auf  dem  Neuhof  bei  Marburg  wird  die  Krank- 
heit von  den  in  einen  Birkenwald  geführten  Kranken  durcli  Zauberspruch  auf  einzelne 
Bäume  übertragen.  Unter  den  Tieren  eignen  sich  zur  Übertragung  besonders  Kreuz- 
schnabel, Meerschwein  und  Schnecke.  In  der  Wetterau  werden  Zahnschmerzen  auf 
einen  Esel  übertragen,  indem  man  denselben  auf  das  Maul  küsst.  Die  Volksmedizin 
kennt  aber  auch  vorbeugende  Mittel  zur  Verhütung  der  Krankheit  und  auf  diesem 
Gebiete  besitzt  der  Aberglaube  die  weiteste  Verbreitung  in  allen  Schichten  unserer 
Gesellschaft.  Hierher  gehört  der  Schutz  gegen  den  Einfluss  der  Toten,  welche  die 
Überlebenden  nach  sich  ziehen  wollen.  Darum  müssen  dem  Toten  die  Augen  zu- 
gedrückt, die  Fenster  des  Sterbezimmers  geöffnet,  die  Thüre  geschlossen  werden  u.  a.  m. 
Der  Glaube  an  das  Verschreien  und  Beschreien,  hervorgegangen  aus  der  Meinung 
von  dem  Neide  der  Götter,  ist  besonders  in  der  Wochenstubc  sehr  allgemein.  Gegen 
die  schädliche  Einwirkung  solcher  Einflüsse,  sowie  der  Hexen,  Alben,  Trübten  etc. 
gibt  es  Amulette,  welche  auch  schuss-  und  hiebfest  machen.  Endlich  ist  auch  die 
Wahl  des  Tages,  sowie  der  ab-  und  zunehmende  Mond  für  bestimmte  vorzunehmende 
Handlungen  nicht  gleichgiltig. 

Es  wäre  sehr  zu  wünschen,   dass    von    den    Überresten   des   Volksaberglaubens, 
speziell  in  Nassau,  eine  Zusammenstellung  veranstaltet  würde. 

Daraufmacht  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz  Mittoihingcn  über 
die  neuesten  Ergebnisse  der  Limesforschuug  im  Taunus  (vcrgl.  oben 
S.  148  ff.). 

8)  Sitzung  im  „Rothcn  Haus"  am  14.  März  1894. 

Herr  Dr.  0.  Heuer  aus  Frankfurt  a.  M.  hält  einen  Vortrag  über 
„Kaiser  Sigmund". 


166 

Im  allgemeinen  beschränkt  sich  die  Kenntnis  von  Kaiser  Sigmunds  Thatcn  auf 
die  durch  ihn  erfolgte  Verurteilung  des  Huss,  die  Einsetzung  des  ersten  Hohenzollern 
in  Brandenburg  und  die  unter  ihm  wütenden  Hussitenkriege.  Es  liegt  dies  zum  Teil 
au  der  bisherigen  Auftassung.  welche  sein  Bild  nur  schief  und  falsch  zeichnete,  ihn 
seinem  Charakter  nach  als  einen  Lump,  seiner  politischen  Thätigkeit  nach  als  eine 
Null  darzustellen  gewohnt  war.  Hauptsächlich  dem  Parteihass  ist  diese  geschichtliche 
Fälschung  zuzuschreiben :  die  Protestanten  sahen  in  ihm  stets  den  Mörder  des  kirch- 
lichen Reformators  Huss,  ohne  dabei  dem  fanatischen  Üeutschenhass  des  Czechen 
Pvcchnung  zu  tragen ;  von  den  Katholiken  wiederum  hatte  er  nichts  Gutes  zu  erwarten, 
weil  sein  Bestreben,  die  Macht  des  Papsttums  zu  beschränken,  ihn  in  dauernden 
Kampf  mit  Rom  setzte.  Endlich  hat  auch  die  preussische  Geschichtschrcibung,  welche 
ihre  Fürsten  nur  zu  oft  einseitig  schildert,  Sigmund  wegen  seines  Bruches  mit  Fried- 
rich I.  von  Hohenzollern  in  wenig  günstiges  Licht  gesetzt.  Doch  eine  unparteiische 
Forschung,  welche  namentlich  in  den  allmählich  erschlossenen  Reichstagsakten  seiner 
Regierung  ein  reiches  Material  findet,  gewinnt  ein  wesentlich  günstigeres  Bild  von 
diesem  Kaiser. 

Als  Sohn  Kaiser  Karls  IV.   1368  geboren,    erlangte  er  durch   die  Hand  seiner 
Gemahlin  Maria  den  ungarischen  Königsthron.     Im  Jahre  1410  erfolgte  seine  Wahl 
zum  deutschen  König.     Bei  derselben    war   für   die  Kurfürsten    bestimmend  gewesen, 
dass  Sigmund,    der   keinen  Fuss   breit    deutschen  Bodens   besass,    eine  Hausmacht  zu 
gründen  nicht  leicht  versucht  werden  konnte,  da  ihm  männliche  Nachkommen  versagt 
geblieben  waren.    In  dieser  Berechnung  hat  man  sich  auch  nicht  getäuscht;  Sigmund 
stand   während   seiner   ganzen  Regierung   über   den  Parteien;    ihm  lag  das  Interesse 
des  Reiches  und  der  Krone  aufrichtig  am  Herzen.    Sein  klares  und  festes  Programm, 
mit  welchem  er  im  Jahre   1414  nach  Deutschland   kam,    lautete:    Wiederaufrichtung 
der  tief  gesunkenen  königlichen  Macht,    Besserung    der   wirtschaftlichen  Zustände    im 
Reiche,  Reform  des  Handels  und  Münzwesens,  sowie  Herstellung  der  kirchlichen  Ein- 
licit.     Zur  Durchführung  seiner  Pläne  musste  er  sich  Bundesgenossen  suclien,  da  die 
bedeutenden  Kräfte  des  weiten  Ungarreiches  für  Deutschland    nicht  verfügbar  waren. 
Mit  Erfolg  stützte    er   sich  dabei  vorzugsweise    auf  die  Reichsstädte    und  die  Reichs- 
ritterschaft,  welche  in  ihm  ihren  natürlichen  Halt  gegen  die  überhandnehmende  IMacht 
der  Fürsten  erblickten.     Seine  Bestrebungen    waren   zu  Anfang    auch  von  Erfolg  ge- 
krönt, wozu  nicht  wenig  seine  persönlichen  Eigenschaften  beitrugen.     Er  besass  eine 
bestrickende   Liebenswürdigkeit,    hinreissende    Beredsamkeit    in    fünf  Sprachen,    über- 
raschende,  ja  oft   verblüftende  Schwungkraft    des   Geistes,    eine    rastlose  Arbeitskraft 
und  eine  Energie,  die  oft  in  Heftigkeit  und  Jähzorn  ausartete.     In  der  Verlogenheit 
und  Verschlagenheit  seiner  Politik    stand  er  unter  dem  Einflüsse  seiner  ganzen  Zeit. 
Sein  grösster   politischer  Fehler   war,    dass   er   zu    hohe   und   weitgesteckte   Ziele   zu 
erreichen  trachtete    und  dabei  das  Nächstliegende   übersah    oder  in  seiner  Bedeutung 
unterschätzte.    Dazu  kam  noch  seine  grosse  Genussfälligkeit,  die  sich  in  Neigung  zum 
Trünke  und  zum  schönen  Geschlecht  dokumentierte ;  aber  Einfluss  auf  seine  politische 
Stellung  haben  Weiber  niemals  unter  ihm  gehabt.    Seine  rastlose  persöidichc  Thätig- 
keit lässt  sich  noch  erkennen    aus  der  flbereinstimmung   der  aus  seiner  Kanzlei  her- 
vorgegangenen   Schriftstücke   mit   dem    Inhalte    von  Äusserungen  und  Unterredungen, 
die  uns  anderweitig  von  ilmi  bekannt  geworden  sind. 


167 

Auf  dem  Konzile  zu  Konstanz,  dessen  Zustandekommen  in  erster  Linie  sein 
Werk  war,  erfreute  er  sicL  zu  Anfang  grosser  Beliebtheit  und  gelang  es  ihm  auch, 
die  drei  zur  Zeit  fungierenden  Päpste  zur  Abdankung  zu  veranlassen,  wodurch  er 
Raum  für  seine  Ileform  zu  gewinnen  hoffte.  Aber  bei  seinem  Streben,  zunächst  die 
Reform  durchzufüliren,  dann  erst  zur  neuen  Papstwahl  zu  schreiten,  war  er  allein 
auf  die  Unterstützung  der  deutschen  Kirchenfürsten  angewiesen,  die  anderen  Nationen, 
Italiener,  Franzosen,  endlich  auch  die  Engländer  setzten  ihm  hierbei  den  hartnäckig- 
sten Widerstand  entgegen  und  brachten  seine  Pläne  zum  Scheitern.  Dieser  Miss- 
erfolg wirkte  auch  auf  seine  Stellung  in  Deutschland  zurück,  was  sich  bei  seinen 
Versuchen,  die  Reichsstädte  in  einem  Runde  zu  vereinigen,  die  Wasserzülle  aufzu- 
heben, sowie  eine  einheitliclie  Münze  zu  schaffen,  zeigte;  denn  Niemand  war  geneigt, 
von  seinen  Rechten  zum  Besten  des  Ganzen  auch  nur  einen  Bruchteil  aufzugeben. 
Vielleicht  hätte  Sigmund  doch  endlich  noch  Erfolge  erzielt,  wenn  nicht  nach  dem 
Tode  seines  Bruders  Wenzel  die  czechische  Revolution  ausgebrochen  wäre.  Seine 
Politik  bestrebte  sich  zunächst,  diese  gefährliche  Bewegung  durch  diplomatische  Schach- 
züge hinzuhalten,  bis  auf  dem  Breslauer  Reichstag  1420  der  Kreuzzug  gegen  die 
Hussiten  beschlossen  wurde.  Aber  die  dauernden  Misserfolge,  welche  die  deutschen 
und  ungarischen  Heere  gegen  die  an  Zahl  meist  geringeren  fanatisierten  Scharen  in- 
folge der  neuen  Taktik  derselben  (Wagenburg,  und  nach  abgeschlagenem  Angriffe 
auf  dieselbe  entscheidender  Ausfall)  erlitten,  haben  seine  Stellung  in  Deutschland 
untergraben.  Dazu  kam,  dass  er  auch  in  seiner  polnischen  Politik,  welche  ihm  in 
erster  Linie  durch  die  Interessen  seines  ungarischen  Reiches  diktiert  wurde,  Unglück 
hatte,  wenn  es  ihm  auch  gelang,  den  polnischen  König  von  einer  wirklichen  Ver- 
bindung mit  den  Czechen  abzuhalten.  Friedrich  von  Brandenburg,  der  in  Ungarn 
Sigmunds  Politik  kennen  gelernt  hatte  und  bisher  dessen  festeste  Stütze  im  Kur- 
fürstenkollegium gewesen  war,  setzte  sich  durch  die  Verlobung  seines  Sohnes  mit  der 
Erbtochter  des  polnischen  Reiches  in  offenen  Gegensatz  zu  Sigmund.  Dieser  Zwist, 
der  zu  vielen  diplomatischen  Kämpfen  führte,  endete  erst,  als  die  Tochter  des  Polen- 
künigs  starb  und  diesem  bald  darauf  ein  männlicher  Thronerbe  geboren  wurde.  Von 
Erfolg  gekrönt  war  Sigmunds  Römerzug,  auf  dem  er  durch  geschicktes  Unterhandeln 
den  Papst  dazu  brachte,  ihn  zum  Kaiser  zu  krönen.  Durch  sein  persöiüiches  Eingreifen 
verhinderte  Sigmund  auf  dem  Konzil  zu  Basel  ein  neues  Schisma.  Vor  seinem  Tode 
noch  gelang  es  ihm,  die  böhmischen  Wirreu  beizulegen  und  als  anerkannter  König 
in  Prag  einzuziehen. 

Mit  einem  Hinweis  auf  den  Unterschied  zwischen  der  damaligen  Zerrissenheit 
und  Ohnmacht  des  Reiches  und  dem  heutigen  festgefügten  stolzen  Bau,  an  dem  frei- 
lich einzelne  Glieder  der  Nation  bereits  beginnen,  in  partikularistischen  Gelüsten  zu 
rütteln,  schloss  der  Redner  den  mit  vielem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag. 

Hierauf  legt  Herr  Landgerichtsrat  Düssell  einige  von  ihm  er- 
worbene Stücke  der  Volkstracht  aus  dem  „Gokleueu  Grunde"  (Amt 
Camberg)  vor. 

Die  charakteristischen  Teile  der  Frauentracht  sind  die  Haube  («Komodchen*  ge- 
nannt, ein  gestickter  und  mit  Seide  tiberzogener  Deckel  mit  einfachem  Band,  welcher 
nur  das  Hinterhaupt  bedeckt),  das  Schultertuch,  sowie  die  Jacke  («Mutzen  od.  Motzen^-). 


1G8 

Einige  kolorierte  Bilder,  welche  diese  Tracht  darstellen,   erläutern  die  Art.  wie  jene 
Kleidungsstücke  getragen  werden. 

Endlich  macht  Herr  Landgerichtsrat  Düssell  noch  einige  Mit- 
toiluno-en  über  den  Gebrauch  und  die  Bedeutung  der  Logbüume. 
Das  Wort  Logbaum  (mit  langem  ü)  hat  mit  Loch  nichts  zu  thun ;  es  hängt 
vielmehr  mit  dem  germanischen  Verbum  lachan,  welches  einhauen  bedeutet,  zusammen 
und  bezeichnet  den  betreft'enden  Baum  also  als  den  mit  einem  eingehauenen  Zeiclien 
versehenen,  ebenso  wie  z.  B.  auch  ein  «lachender  Stein:'>  genannt  wird,  von  dem 
gleichen  Verbum  abgeleitet.  Die  Bezeichnung  findet  sich  schon  im  Jahre  1012 
«arbor  lögbore>^ ;  in  den  Weistümern.  z.  B.  der  Hohen  Mark,  erscheinen  häufig  «gelogte 
Bäume*.  Im  Nassauischen  ist  der  Ausdruck  jetzt  nicht  mehr  üblich,  er  findet  sich  nur 
mehr  in  Eigennamen.  In  Privatwaldungen  stehen  fast  nirgends  Grenzsteine,  die  Gren- 
zen werden  vielmehr  durch  Bäume  bezeichnet.  Vorzugsweise  werden  dazu  Eichen, 
bisweilen  auch  Buchen,  selten  Hasel  benutzt.  Hie  Bezeichnung  geschah  dadurch,  dass 
auf  der  Seite  des  Baumes,  welche  dem  Grundstücke,  dessen  Grenze  er  bezeichnen 
sollte  zugekehrt  war,  ein  Stück  aus  der  Kinde  herausgeschält  wurde,  eine  Prozedur, 
die  im  Laufe  der  Jahre  natürlich  öfter  wiederholt  werden  niuss.  Bei  der  Hasel  wird 
ein  stärkerer  und  daneben  ein  schwächerer  Trieb  stehen  gelassen  und  letzterer  um 
ersteren  gewunden  (Kringel).  Wird  ein  solcher  Baum  abgehauen,  so  bleibt  der  Stumjjf 
mit  dem  Zeichen  stehen.  Hie  Form  des  Zeichens  gab  bei  den  Heiden  häufig  die 
Hausmarke,  bei  den  Christen  war  es  das  Kreuz. 

Dr.  Ritterling. 


Bericht    des    Konservators    über    die  Erwerbungen   für  das   Altertums- 
Museum  in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1893. 

Für  die  Räume  des  Museums,  welche  kaum  mehr  eine  lehrreiche  Auf- 
stellung, sondern  nur  noch  eine  Magazinierung  erlauben,  waren  die  Erwerbungen 
nicht  unbedeutend.  Wenn  wir  die  bisherige  Einteilung  beibehalten,  so  sind 
aus  der  ältesten,  etwa  der  terra  mare-Zeit,  uns  durch  die  Güte  des  Herrn 
Dr.  Peters  in  Schierstein  eine  Anzahl  von  Mardellen-Funden  zugegangen, 
die  in  hohem  Grade  dankens-  und  beachtenswert  sind,  weil  sie  uns  Formen 
geben,  welche  in  hiesiger  Gegend  nicht,  sondern  nur  etwa  in  den  Pfahlbauten 
des  Bodensees  und  auf  dem  Michelsberg  bei  Bruchsal  zum  Vorschein  gekommen 
sind.  Es  sind  zwei  glockenförmige  und  ein  ovales  Gefäss,  sowie  einige  Werk- 
zeuge von  Hirschhorn,  Knochen  und  Zahn.  Hieran  schliessen  sich,  etwa  der 
Hallstädter  Periode  angehörig,  einige  Erzringe  für  den  Hals,  Arm  und  Fuss, 
die  wir  teils  aus  Weidenbach  bei  Nastätten  erworben,  teils  im  Walddistrikte 
Kippel  bei  Diedenbergen  selbst  ausgegraben  haben.  Die  Funde  sind  nicht 
eben  bezeichnend,  weil  sich  trotz  eines  Feuersteinmessers  auch  noch  eine  Münze 
von  Konstantin,  sowie  ein  eiserner  Nagel  dabei  gefunden  hat.     Aus  jener  Gegend 


169 

stammt  auch  ein  eigentümlicher  Teil  eines  Mammutzahnes,  den  wir  dem  Herrn 
Gärtner  Zorn  aus  Hofheim  verdanken.  Unbekannter  Zeit,  aber  wohl  der 
Umgegend  von  Frankfurt  a.  M.  gehört  ein  schönes  Bronze-IIammerbeil  und 
ein  Kelt  mit  Tülle  an.  Ein  wahres  Prachtexemplar  einer  vorrömischen  Urne 
danken  wir  der  Güte  des  llerrn  Dr.  A.  Remy  zu  Weissenthurm,  in  dessen 
Fabriketablissement  sie  gefunden  wurde;  vermittelt  wurde  das  Geschenk  durch 
Herrn  Landgerichtsrat  Düsseil  hier. 

Interessanter  noch  waren  mehrere  römische  Funde.  Jm  Rheine-au 
wird  nur  wenig  gefunden,  trotz  seiner  alten  und  reichen  Bevölkerung,  ohne 
Zweifel,  weil  in  dem  Abfall  zum  Rhein  schon  früher  die  Wälder  ausgerodet 
und  zu  Feld  kultiviert  waren  und  die  in  alter  Zeit  entdeckten  Altertümer  schon 
damals  zerstreut  wurden.  Desto  angenehmer  war  uns  ein  Fund,  der  1000  m 
westlich  von  Hallgarten  in  einem  römischen  Brandgrab  gemacht  worden  war. 
Er  bestand  aus  zwei,  29  und  24  cm  hohen  schwarzen  Urnen  mit  Knochenasche, 
1 1  gewöhnlichen  Wasserkrüglein,  2  Sigillataschalen,  einem  kugelförmigen  Glas- 
fläschchen  mit  Henkel,  einer  erzenen  Gewandnadel  und  drei  Münzen  von  Nerva, 
Konstantin   und    Tetricus,    alle    aus    den   untereinander   ferngelegensten    Zeiten. 

Von  grossem  Interesse  auch  waren  die  Gegenstände  aus  einer  in  der 
Gaugasse  in  Mainz  gefundenen  Werkstätte  eines  Gold-  und  Schmelz- 
Arbeiters;  wenn  auch  nicht  der  ganze  Fund,  so  ist  doch  eine  Anzahl  von 
charakteristischen  Stücken  in  unser  Museum  gekommen,  die  wir  bereits  im 
XXY.  Annalenband  pag.  30  beschrieben  und  auf  Tafel  IV  abgebildet  haben, 
nachdem  wir  schon  im  Jahre  1873  in  unserem  XII.  Annalenband  eine  Be- 
schreibung des  Schmelzverfahrens  gegeben  hatten.  Wir  erwähnen  daher  hier 
nur  noch  die  drei  emaillierten  Zierscheiben  von  3,5  cm  Durchmesser  in  der 
Form  unserer  heutigen  Manschettenknöpfe  und  die  Kapellen,  die,  je  nachdem 
sie  zum  Abtreiben  von  Blei  aus  den  edlen  Metallen  schon  benutzt  worden  sind, 
schwarz  oder  grau,  wenn  noch  unbenutzt,  weiss  geblieben  sind.  Man  wird 
immer  mehr  erkennen,  dass  zum  Studium  des  Altertums  auch  die  Kenntnis  der 
neuen  Zeit  in  Kunst  und  Werkweise  erforderlich  ist.  Nahe  verwant,  wenn 
nicht  derselben  Technik  angehörig,  sind  verschiedene  Kratzen  und  Schüppchen 
von  Erz  und  eine  Schmiedezange,  die  wir  aus  Heddernheim  erhalten  haben. 
Nicht  ganz  sicher  ist  mir  aber  die  Herkunft  zweier  schöner  Bronzevasen,  welche 
jedoch  wahrscheinlich  aus  der  Rheinpfalz  stammen,  die  eine  mit  zwei 
kunstgerechten  Seitengriffen  ist  36  cm,  die  andere  mit  einem  Überhenkel  ist 
24  cm  hoch. 

Für  die  römische  Topographie  unseres  Landes  ist  die  Auffindung  eines 
römischen  Bauwerkes,  da  wo  die  Felsen  rechts  des  Wickerer  Bachs  dem  Main 
am  nächsten  kommen,  wichtig;  es  wird  durch  einen  skulpierten  Sandstein  und 
einige  Ziegel  der  LXXII  C.  V.  bestimmt,  welche  wir  der  Aufmerksamkeit  des 
Uhrenfabrikanten  Herrn  Hockel  in  Flörsheim  verdanken.  Aus  einigen  schon 
vor  mehreren  Jahren  bei  Dotzheim  zerwühlten  römischen  Brandgräbeni  em- 
pfingen wir  3  Scheren,  3  Messer,  sowie  einen  Fingerring  von  Eisen  mit  Schmolz- 
kamee, eine  Bronzefibula  und  eine  Münze  der  Faustina  junior.  Wir  verzeichnen 
noch  einen  schönen  römischen  Bronzehelm,  eine  desgleichen  Schüssel  und  l^fanne 


170 

eine  Anzahl  von  Bronzeschniuckstücken,  Fibnlas  mit  Schmelz,  teils  von  Köln, 
teils  von  Ileddernh  eim.  Von  erstgenanntem  Orte  aber  heben  wir  hervor: 
einen  sehr  schönen  goldenen  Ohrring  mit  Filigran  und. mit  einer  Berlock,  welche 
unten  eine  kleine  Kamee  trägt,  sowie  zwei  kleinere  goldene  Ohrringe,  dazu 
noch  einen  schwarzen  Becher  mit  aufgespritzter  Jagd. 

Aus  dem  Zug  des  Pfahlgrabens  bei  seinem  Übergang  über  die  Aar  bei 
Adolfseck  erhielten  wir  von  der  einstigen  dortigen  Brücke  zwei  unbeschlagene 
rfähle.  Einen  gut  erhaltenen  Lituus  (Heereshorn).  der  bei  Flörsheim  durch 
den  Baggermeister  Schroeder  aus  dem  Main  gebaggert  worden  und  mir  be- 
stimmungsmässig  durch  den  Herrn  Regierungs-Baumeister  Rössler  übergeben 
worden  war,  habe  ich  gleichfalls  bestimmungsmässig,  weil  er  in  Königlicher 
Arbelt  und  Arbeitsstelle  zu  Tag  gekommen  war,  an  das  Königliche  Museum 
in  Berlin  gesandt,  nicht  ohne  einen  sehr  guten  Gipsabguss  durch  die  Gefälligkeit 
des  Direktors  des  römisch-germanischen  Museums  Herrn  Linden schrait  für 
unser  Museum  empfangen  zu  haben. 

Was  wir  von  fränkischen  Funden  zu  verzeichnen  haben,  ist  ein  schwarzes 
8V2  cm  hohes  Töpfchen  mit  einem  Schwert  und  einer  Pfeilspitze,  welches  am 
südlichen  Ausgange  von  Erbenheim  bei  Fundameutarbeiten  gefunden  wurde, 
und  eine  Bronzeschüssel  aus  Köln.  Aus  dem  mehr  oder  minder  späten  Mittel- 
alter und  der  Renaissance  wurden  dem  Museum  einverleibt  ein  Vexierbecher 
von  Steinzeug  als  Geschenk  des  verstorbenen  Steuerrats  von  Wink  1er.  Aus 
derselben  Masse  ein  Tintenfass,  einen  Löwen  vorstellend.  Von  dem  Herrn 
Grafen  zu  Eltz  ein  eigentümliches  flaschenförmiges  Thongefäss  ohne  Auslauf, 
aber  mit  vier  Seitenlöchern,  als  ob  zum  Einstecken  von  Blumen;  sie  finden 
sich  öfters  in  den  Weinbergen  in  Syrmien.  Eine  Anzahl  von  bemalten  Glas- 
scheiben aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert  vom  Niederrhein.  Ein  Krug  von 
Steinzeug,  sog.  Bartmann,  und  zwei  Butterständer  vom  selben  Stoff,  einst  in 
Wiesbaden  in  Benutzung. 

Es  ist  ein  schöner  Gebrauch,  dass  einige  Glashütten,  wie  die  von  Villeroy 
und  Boch  in  Wadgasseu  und  die  von  Herrn  Ränder  in  Ehrenfeld,  wie  einst 
früher  die  von  Tachi,  uns  ihre  Nachahmungen  antiker  Gläser  schenken.  So 
erhielten  wir  eine  Art  Diatreta  und  zwei  zierliche  Kannen  von  ersterer  Firma 
und  dann  von  letztgenannter  Firma  die  Nachbildung  eines  in  Ostpreussen  in 
einem  Grabe  bei  Ossewen  gefundenen  Glashumpens.  Wir  sagen  beiden  unseren 
besten  Dank.  Eine  Spaltaxt  und  das  Zimmermanns-Zunftzeichen  erhielten  wir 
noch  von  dem  leider  hingeschiedenen  Zimmermeister  Herrn  Jakob  hier. 

Durch  die  Aufmerksamkeit  der  Königlichen  Wasserbaubeamten,  insonderheit 
auch  des  Herrn  Baurat  Hensch  und  des  Regierungsbaumeisters  Herrn  Rössler, 
empfing  das  Museum  aus  den  Baggerarbeiten  im  Main,  namentlich  bei  Höchst, 
eine  Anzahl  sehr  verrosteter  Waffen,  welche  aus  der  siegreichen  Schlacht  daselbst 
im  Juni  1622,  die  der  Feldmarschall  Tilly  gegen  den  Herzog  Christian  von 
Braunschweig  schlug,  dort  verloren  worden  sind.  Es  sind  Palasche,  Säbel, 
Dolchmesser,  Flinten  mit  Radschlössern,  Sporen,  Pferdegeschirr  und  einige  nicht 
von  dieser  Niederlage  herrührende  Stücke. 


171 

Von  Herrn  J.  Iscnbcck  liier,  den  wir  als  unseren  Münzwardein  ansehen 
dürfen,  empfingen  wir  eine  Münze  von  Marokko  und  eine  von  Kongo;  von 
Herrn  Niemer  eine  von  Kongo  und  von  Finland;  von  Herrn  Direktor  Spangen- 
berg  in  Merzig  einen  Gcrmanicus,  und  endlich  von  Herrn  üaab  hier,  der 
unser  Münzkabinett  schon  mit  so  vielen  wertvollen  Medaillen  beehrt  hat,  eine 
solche  von  Gustav  Adolf,  Maria  Theresia,  Grossherzog  Friedrich  von  Baden, 
Gutenberg  und  einen  Silberthaler,  welcher  1796  in  Frankfurt  aus  kirchlichen 
und  bürgerlichen  Gcfässen  zur  Zahlung  der  französischen  Kontribution  geschlagen 
werden  musste.  Von  Herrn  Maurice  Prou  vom  Medaillen-Kabinett  der 
National-Bibliothek  in  Paris  erhielten  wir  den  Zinnfolien-Abdruck  einer  Münze 
von  Theoderich,  die  wir  auch  besitzen,  aber  für  eine  Matasunda  gehalten  hatten. 

Unsere  ethnographische  Sammlung  nimmt  eigentlich  nur  durch  Ge- 
schenke, darunter  aber  sehr  schätzenswerte,  zu.  Wir  erwähnen  vorläufig  zwei 
Jericho-Kosen  (die  eine  erst  eben  im  Aufblühen  begriffen  von  Herrn  Tendelau), 
dann  aber  eine  schöne  Sammlung  von  der  Goldküste,  die  wir  der  Frau  Mann- 
heimer verdanken:  es  sind  schön  gearbeitete  schwarze  Thonschalen  und  eine 
Lampenschale  mit  Kreuzgriff,  ein  Schwert  mit  arabischen  Zeichen  auf  der 
Klinge  mit  Gehänge,  Zaumzeug,  Dinge,  welche  die  Haussa-Händler  aus  dem 
Innern  von  Afrika  bringen,  eine  Kalebasse,  Bogen,  Pfeil  und  Köcher,  Wurfspiess, 
Matten  aus  Lagunengras.  Beigelegt  sind  einige  Photographieen  aus  jenem  Lande. 
—  Von  Frau  Polizei-Hauptmann  Höhn  und  deren  Fräulein  Tochter  empfingen 
wir  ausser  einer  Anzahl  wertvoller  indischer  und  japanischer  Münzen  eine  An- 
zahl von  Gegenständen  der  Ai'uo,  welche  die  nördlich  von  Japan  gelegenen 
Inseln  bewohnen,  es  sind  namentlich  fünf  Überröcke  mit  Stickerei,  Schürzen, 
Gürtel,  Stirnbinden  und  Leibbinden,  Schneeschuhe  und  Schuhe  aus  Fischhaut, 
Perlschnüre,  Löffel,  Messer,  Webegeräte,  Schilfmatten,  Bogen  und  Pfeile,  ein 
Fetisch,  der  Kopf  eines  Albatross. 

Allen  gütigen  Gebern  und  Geberinnen  wird  hiermit  nochmals  der  Dank 
unseres  Museums  ausgesprochen. 

Das  Museum  war  1892  von  3867,  im  Jahre  1893  von  4668  Personen 
besucht. 

Oberst  von  Cohausen. 


Im  Verlage  von  Riicl.  Bechtold  &  Comp,  in  Wiesbaden,  so^vie 
in  allen  Buchhanillunijen  und  im  Altert  ums -Muse  um  daselbst 
sind  zu  haben : 

Aiiti(iuariscli-teclinisclier  Führer 

ilurch  (las 

Altertuiiis-Museum  zu  Wiesbaden. 

Yon  A.  V.  l'oliauscn, 

Ingenieur-Oberst  z.  I).  und  Konservator. 

Preis:  Ml:  1,50. 


Die  Altertümer  des  Vaterlandes. 

Ein  Wegweiser  öiircti  äas  Alte  zum  Neuen 

für 

Geistliche,  Lehrer,  Land-  und  Forstwirte. 

Von  A.  V.  Coliauseii, 

Ingenieur-Oberst  z.  D.  und  Konservator. 

=   3Iit    lÄO    Al>l>iltliiii«^eii.    = 

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Die  Giganten-Säule  von  Schierstein. 

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durch  das 

Altertums-Museum  in  ^Viesbaden. 

Von  Willielin  Hoff'niaiin, 

Premierlieutonunt  a.  I). 
Preis:  50  Pfg. 


DRUCK  VON  nUD.  BEOIITOLD  &.  COMP.,  WIESKADEN. 

BUfHUKlICKKRKI  4   MlllOOH.  A.NSIAI.T. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


NASSAUISCIIE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFOPiSCHüNfi. 


ANNALEN  DES  VEREINS 


FÜR 


[AS8AÜI8CIIE  ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG. 


SIEBENUNDZWANZIGSTER  BAND. 
18  9  5, 


Mit  dem  BildiNisse  des  Konseuvators  A.  v.  Cohausen,   drei  lithographierten 

Tafeln  und  25  Textabbildungen. 


WIESBADEN. 

VERLAG  VON  RUD.  BECHTOLD  &  COMP. 
1895. 


Inhalts-Verzeichnis 

des   siebenundzwanzigsten    Bandes. 


Seite 

I.  Karl  August  von  Cohausen,  Oberst  z.  D.  und  Königliclier  Konservator,  f  am 

2.  Dezember  1894.     Von  B.  Florseh  ütz 1 

II.  Drei  Münzfunde  aus  Nassau.     Von  J.  Isenbeck 9 

III.  Töpfer-  und   Ziegelstempel   der   flavischen  und  vorflavischen  Zeit   aus 

dem  unteren  Maingebiete.     Von  Prof.  Dr.   Georg  Wolff 39 

IV.  Goethe  in  Nassau.     Von  Friedrieh  Otto.     Mit  zwei  Tafeln  (I  u.  II)  .     .     .         5cJ 
V.  Zur  Abwehr.     Von  A.  Seh  lieben 189 

VI.  Erfindung  und  erste  Einrichtung  der  Wassermühlen.   Von  A.  Sehlieben. 

:»iit  einer  Tafel  (III) 19U 

VII.  Einige  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Conrady:  „Die  Geschichte 

des  Hauses  Nassau",  in  Annalen  XXVI.     Von  Dr.  W.  Sauer     .     .     .     .       195 

YlII.  Christian  Daniel  Vogel.     Von  Dr.  W.  Sauer 197 

IX.  Zu  den  Ruprechten  von  Nassau  und  ihren  Gemahlinnen.    Von  Professor 

Joseph  Hillebrand 209 

X.  Berichtigungen  zu  Bd.  XXVI  der  Annalen.    Von  Landgeriehtsrafc  Düssell       214 
XI.  Römische   Geschütze,     Von    0.   Dahm,   Oberstlieutenant   a.  D.     Mit  2.")  Ab- 
bildungen            215 

XII.  Erwiderung   auf    „Einige  Bemerkungen  zu  dem  Aufsätze  von  Conrady:    .,Die 

Gescliichte  des  Hauses  Nassau",  in  Annalen  XXVI ''.     Von  Ludw.  Conrady       22'6 

Xin.  Vereins-Nachrichten, 

Bericht  des  Sekretärs  Dr.  Adalbert  Schroeter  (f.  d.  Etatsjabr  vom  1.  April 

1894  bis  31.  März  1895) 227 

Darin  Vorträge: 

Florschütz:  Slavisehe  Bauernburgen,  S.  232,  —  Schlieben:  Die 
Martinsgans,  S.  232.  —  Sartorius:  Das  Postwesen  der  Römer,  S.  234. 
—  Heuer:  Wesen  und  Ziele  der  historischen  Forschung,  S.  235.  — 
Florseliütz:  Die  Mardellen,  S.  235.  —  Wedewer,  Die  Geissler- 
fahrten und  andere  Bussprozessionen  des  31ittelalters,  S.  236.  — 
Caesar:  Das  Leben  der  höfisch-ritterlichen  Gesellschaft  zur  Zeit  der 
Hohcnstaufen,  S.  237.  —  ]\Ieinardus:  Das  politische  Testament  des 
Grafen  Johannes  von  Idstein- Wiesbaden  (1603  —  1(577),  S.  239.  — 
Stinnes:  Die  Entwickelung  des  Bergbaues  in  den  ältesten  Zeiten, 
S.  241. 


VI 

Seite 


A'orträge  der  , historischen  Sektion": 

Grimm:  Marken  und  Markgenossenschaften,  S.  242.  —  Grimm: 
Zeit  und  Veranlassung  des  Baues  der  Casteler  Landwehr  und  ihrer 
"Warten,  S.  243.  —  Otto:  Mühlen  im  Gebiete  der  Stadt  Wiesbaden  zu 
Ende  des  l.ö.  Jahrhunderts,  S.  244.  —  Sauer:  Wappen  der  rheingau- 
ischen  Städte  und  Dörfer,  S.  244. 

Bericht  des  Konservators   über  die  Erwerbungen    für   das   Altertums-Museum 

in  Wiesbaden  während   des  Jahres  1894 245 

XIV.  Verzeichnis  der  Mitglieder -^8 

XV.  Verzeichnis  der  Akademien,  Gesellschaften,  Institute  und  Vereine,  deren 

Druckschriften  der  Verein  in  regelmässigem  Schriftenaustausch  erhält  259 
XVI.  Inhalts -Angabe    der    Bände    I  —  XXVI    der  Annalen    des    Vereins  für 

Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung 265 


Berichtigung:. 

Durcli  ein  Versehen  ist  auf  S.  235,  Z.  18  v.  u.    Herr  Baurat  Winter   als  Konservator 


angegeben.     Dieser  Satz  ist  zu  streichen. 


Sendungen,   die  für  dm  Verein  bestimmt  sind,  beliebe  man  an  den   Verein,   nicht  an  ein 
einzelnes  MiUßied  des  Vorstandes  zu  adressieren. 


hRVCK  VON  RÜD.  BECHTOFiD  &  COMP.,  WIESBADEX. 

BUClIllRDCKF.KKt  4   MTHOGK.  ANSTATT. 


Karl  August  von  Cobausen, 

Oberst  /.  D.  iiiul  Küiiigl.  Kouservator,  f  ain  2.  Dezember  1894. 


Der  Verein  für  Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung  — 
und  mit  ilim  die  gesamte  archäologische  Wissenschaft  —  hat  in  diesem  neuen 
Bande  seiner  Annalen  einen  schweren  Verlust  zu  verzeichnen.  In  der  Nacht 
vom  1.  zum  2.  Dezember  vorigen  Jahres  verschied  plötzlich  und  unerwartet 
der  weit  über  die  Grenzen  des  Vaterlandes  bekannte  und  hochgeschätzte  Königl. 
Konservator,  Herr  Oberst  z.  D.  Karl  August  von  Cohausen.  Trotz  fast 
vollendeter  83  Lebensjahre  war  der  Verblichene,  abgesehen  von  einer  vor  etwa 
4  Jahren  überstandeneu  längeren  Influenza-Erkrankung,  bis  zu  seinem  letzten 
Tage  von  rüstiger  Körperkraft  und  Gesundheit,  und  alle  Wiesbadener  werden 
sich  gerne  der  ritterlichen  Erscheinung  erinnern,  wie  sie  mit  den  klugen,  wohl- 
wollenden Augen,  dem  ehrwürdigen  weissen  Barte  und  dem  mächtigen  schwarzen 
Schlapphute  sich  durch  die  Strassen  der  Stadt  bewegte,  oder  ihm,  den  zusammen- 
gelegten Poncho  auf  der  Schulter  und  den  Hakenstock  am  Arme  hängend 
draussen  in  Wald  und  Feld  begegnete.  Am  beneidenswertesten  aber  war  die 
seltene  geistige  Frische,  welche  der  hochbetagte  Mann  sich  bewahrt  hatte,  und 
die  seit  seiner  letzten  Erkrankung  unter  dem  Einflüsse  einer  gross  angelegten 
wissenschaftlichen  Arbeit,  welcher  er  sich  mit  eisernem  Fleisse  unterzogen  hatte, 
in  neuer  Zunahme  begriflen  schien.  Noch  am  letzten  Abend  war  er  der 
heiterste  in  seinem  traulichen  Familienkreise  und  nahm  sich  noch  verschiedene 
Briefe  mit  ins  Schlafzimmer,  die  er  an  demselben  Abend  vor  dem  Einschlafen 
im  Bett  lesen  wollte;  früh  fand  man  ihn,  seit  Stunden  bereits  ruhig  entschlafen, 
ohne  irgend  welche  Spur  eines  Todeskampfes.  Ein  Schlagfluss  hatte  seinem  an 
Arbeit  und  an  Ehren  reichen  Leben  ein  glückliches  schmerzloses  Ende  bereitet. 

Karl  August  von  Cohausen  wurde  am  17.  April  1812  zu  Rom,  in  dem 
damaligen  kaiserlich-französischen  Postgebäude,  dem  Pulazzo  Firenze,  geboren. 
Sein  Vater,  Salentin  von  Cohausen,  fungierte  unter  der  napoleonischen  Herr- 
schaft als  diredeur  des  estafettes;  seine  Mutter  war  eine  geborene  Freiin  von 
Leoprechting.  Seine  Kinder-  und  Jugendjahre  verlebte  Karl  August  von 
Cohausen  in  Heidelberg,  Koblenz,  Mannheim  bei  seiner  Mutter  Schwester  Frau 
von  Steube  und  Saarburg,  woselbst  sein  Vater  Laudrat  war,  dann  wieder  bei 
Verwandten  in  Heidelberg  und  absolvierte  seine  Gymnasialzeit  1831  in  Trier. 
Im  August  desselben  Jahres  begann  er  seine  militärische  Laufbahn   durch  den 


Eintritt  bei  der  8.  Pionierabteilung  in  Koblenz;  seine  niatlieniatisch  und  technisch 
hochentwickelte  Veranlagung  hatte  ihn  sich  für  diese  interessante  und  anregende 
Disziplin  entscheiden  lassen.  1833  avancierte  er  zum  Offizier,  um  alsdann  die 
Artillerie-  und  Ingenieurschule  in  Berlin  zu  besuchen,  wo  er  gleichzeitig  den 
anreo-endsten  Verkehr  im  Meuseb  ach 'sehen  Hause  bei  Bettina  v.  Arnim, 
Goethes  Freundin,  fand.  Nachdem  er  noch  in  Luxemburg  und  Erfurt  gestanden, 
nahm  er  1840  seinen  Abschied,  um  in  der  berühmten  Steingutfabrik  von  Villeroy 
u.  Boch  zu  Mettlach  die  Stelle  eines  zweiten  Direktors  zu  bekleiden  und 
daselbst  am  24.  April  1841  den  Ehebund  mit  seiner  Cousine  Frl.  Klothilde 
von  Cohausen,  vs- eiche  ihn  jetzt  als  Witwe  betrauert,  zu  schliessen.  In  dieser 
Stelluno-  verblieb  er  bis  zu  dem  Jahre  1848  und  eignete  sich  dabei  solch  prak- 
tische Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  gesamten  Keramik  an,  dass  er  wohl 
mit  Recht  als  einer  der  berufensten  Kenner  derselben,  von  ihren  ältesten 
Perioden  bis  zur  Neuzeit,  bezeichnet  werden  durfte,  wie  er  denn  auch  in  dieser 
Eigenschaft  im  Jahre  1873  nach  Wien  zur  Jury  für  die  keramische  Abteilung 
der  Weltausstellung  berufen  wurde.  Während  dieser  Zeit  erbaute  er  auch  in 
Mettlach  1842  die  dortige  katholische  Kirche,  sowie  die  in  dem  nahe  gelegenen 
Orte  Saar-Holzbach. 

Die  Ereignisse  des  Jahres  1848  liessen  dem  jungen  thatkräftigen  Manne 
in  dem  Stilleben  Mettlachs  keine  Ruhe.  Er  meldete  sich  von  neuem  zur  Armee 
und  trat  als  Premier-Leutnant  wieder  in  Saarlouis  ein,  ist  aber  stets  in  dem 
treuesten  Freundschaftsverhältnis  mit  der  Familie  Villeroy  &  Boch  geblieben. 
Dann  stand  er  im  Hunsrück  und  zu  Köln.  Auf  dem  Hunsrück  fand  er  Gelegen- 
heit, sich  zum  erstenmale  eingehend  mit  den  dort  befindlichen  zahlreichen  Be- 
festigungen der  Vorzeit  zu  beschäftigen,  ein  Studium,  welchem  er  von  da  ab 
bis  zum  höchsten  Alter  oblag,  und  welches  durch  die  eingehendsten  Forschungen 
der  burglichen  Bauten  des  Mittelalters  bis  zur  modernen  Befestigungsweise 
erweitert,  ihn  zu  dem  gediegensten  Kenner  dieses  ebenso  schwierigen  wie 
interessanten  Gebietes  werden  liess.  Die  mustergiltige  Aufnahme  zahlloser  Be- 
festigungen aus  der  älteren  und  mittleren  Zeit,  welche  seine  geschickte  Hand 
entworfen,  haben  bei  Gelegenheit  dieser  Untersuchungen  im  Hunsrück  ihren 
Anfang  genommen.  Von  dort  aus  wurde  der  hochtalentierte  Ingenieur- Offizier 
nach  Mainz  kommandiert,  wo  noch  heute  mancher  Teil  der  Befestigungen, 
speziell  in  den  ebenso  praktischen  wie  gefälligen  eisernen  Sperrthoren,  an  seine 
Thätigkeit  erinnert.  Dann  wurde  er  als  Hauptmann  nach  Ehrenbreitstein  ver- 
setzt, woselbst  er  eine  rege  Thätigkeit  im  Baufach  entwickelte.  Er  errichtete 
u.  a.  die  dortigen  Thalbefestigungen  vom  Pfaffendorferthore  nach  dem  Aster- 
stein, —  der  schöne  Luisenturm  dort  ist  ebenfalls  sein  Werk.—  und  von  da 
nach  dem  Blindthal  und  Clausenberg,  woselbst  er  die  Burg  Buschmann  aus- 
führte,  und  dann  weiterhin  nach  dem  Sauerwasserthor  mit  den  beiden  schönen 
Türmen  bis  hinauf  zu  Oberehrenbreitstein.  Ebenso  ist  er  der  Erbauer  des  von 
der  Kaiserin  Augusta  so  viel  und  gern  besuchten  dortigen  Klosters  der  barm- 
herzigen Schwestern.  Im  Jahre  1857  trat  er  sodann  eine  grössere  Reise  durch 
das  Deutschordensland  in  Preussen  und  nach  Italien  an,  um  die  dortigen  mittel- 
alterlichen   Befestigungsbauten    zu    studieren.      Im    Jahre    1858    wurde    er    der 


Bundosmilitürkomniission  in  Frankfurt  a.  M.  beigogoben,  hatte  sich  aber  bereits 
ein  solches  Ansehen  als  praktischer  Archäologe  im  In-  und  Auslande  erworben, 
dass  er  im  Jahre  1802  von  Napoleon  III.  berufen  wurde,  um  an  dessen,  seiner- 
zeit epochemachendem  Werke:  „Julius  Ceasar"  mit  Hat  und  That  teilzu- 
nehmen; er  verweilte  10  Tage  in  Compiegne  als  Gast  des  Kaisers.  Ebenso 
bekam  er  von  der  preussischen  Regierung  den  höchst  ehrenvollen  Auftrag,  die 
Fundstätte  des  Ilildcslieimcr  Silberschatzes  einer  exakten  Durchforschung  zu 
unterziehen  und  den  Wert  des  grossartigen  Schatzes,  sowie  alle  mit  dessen 
Auffindung  verbundenen  finanziellen  Fragen  festzustellen  und  zu  erledigen.  Im 
übrigen  blieb  er  in  Frankfurt  a.  M.  bis  1860,  um  hierauf  zur  preussischen  Ge- 
sandtschaft nach  Paris  als  Militär-Attache  kommandiert  zu  werden.  Im  Jahre 
1870  fungierte  er  als  Platzingenieur  zunächst  in  Minden  und  späterhin  in 
Koblenz,  woselbst  er  sich  durch  die  technisch  vollendete  und  äusserst  geschickte 
Ausführung  zweier  grosser  Barackenlager  für  die  25000  daselbst  internierten 
Franzosen  auszeichnete  und  die  Gefahr  einer  drohenden  Revolte  derselben  in 
der  Neujahrsnacht  1870/71  durch  Energie  und  Kaltblütigkeit  abzuweisen  ver- 
stand. Diese  Barackenlager,  von  denen  das  erste  auf  der  Veste  Alexander,  im 
Volksmunde  Karthause,  das  zweite  späterhin  hinter  der  Yeste  Franz  auf  der 
linken  Moselseite  von  ihm  angelegt  wurden,  waren  die  mustergiltigsten  in  ganz 
Deutschland  und  so  eingerichtet,  dass  sie  unter  dem  Feuer  von  Kanonen 
standen,  deren  Batterien  elektrisch  untereinander  verbunden  waren.  Durch  diese 
Einrichtung  würden  bei  dem  ersten  Anzeichen  einer  Revolte  beide  Lager  sofort 
von  einem  Hagel  von  Kartätschen  überschüttet  worden  sein,  während  die  Wach- 
mannschaften durch  unterirdisch  angebrachte  Gänge  ihre  rechtzeitige  Deckung 
finden  konnten. 

Im  Jahre  1871  wurde  von  Cohausen  als  Königl.  Konservator  für  die 
Provinz  Nassau-Homburg  angestellt,  welche  Stellung  er  bis  zu  seinem  Tode 
inne  hatte;  gleichzeitig  war  er  von  1874  ab  Mitglied  des  römisch-germanischen 
Central-Museums  in  Mainz,  sowie  seit  1885  des  germanischen  Museums  in 
Nürnberg;  auch  diese  Kreise  werden  dem  Verblichenen  ein  ehrendes  und  dank- 
bares Andenken  bewahren. 

In  dieser  Stellung  als  Konservator  in  Wiesbaden  war  es  von  Cohausen 
ermöglicht,  seine  ganze  Arbeitskraft  der  praktischen  Erforschung  der  Alter- 
tümer unseres  hiermit  so  reich  gesegneten  Landes  zuzuwenden,  und  die  in  den 
Annalen  und  anderen  Schriften  von  seiner  Hand  niedergelegten  Mitteilungen, 
sowie  die  zahlreichen  Altertümer,  mit  denen  er  unser  Museum  bereichert  hat, 
sind  die  besten  Zeugen  für  die  rastlose  Thätigkeit  des  bis  zu  seinem  Tode 
unermüdlichen  Forschers.  Mit  dem  scharfen  Blick  des  Pioniers  und  Ingenieur- 
Offiziers  entdeckte  er  jede  künstliche  Erhebung  des  Bodens,  mochte  dieselbe 
ein  Hügelgrab  oder  ein  altes  Schanzwerk  bedeuten;  mit  allen  nötigen  Mess- 
instrumenten war  er  von  Jugend  auf  vertraut ;  der  Spaten  förderte  ihm  sicher 
das  zu  Tage,  was  der  Boden  an  Altertümern  barg,  und  als  Mann  der  realen 
Praxis  war  er  nur  von  dem  überzeugt,  was  er  selbst  mit  eigenen  Händen 
daraus  hervorgeholt  hatte.  Er  war  eben  ein  durchaus  nüchterner  Forscher, 
der  durch  sein  praktisches  Vorg^ehen  der  Altertumswissejischaft  die  wichtigsten 

I* 


Dienste   geleistet   hat,    allen   Freunden    gründlicher  Forschung    ein  lehrreiches, 
anspornendes  Beispiel,  Andern  freilich,  die  nur  auf  schriftliche  Überlieferungen 
oder    auf  den    freien    Spielraum    ihrer    Phantasie    sich    verliessen,    nicht  immer 
ganz    beiiuem.      Neben    seinen    nicht   hoch    genug    zu    veranschlagenden    tech- 
nischen Kenntnissen  und  der  durch  ein  langes  Leben  herausgcbildeteu   archäo- 
loo-ischen  Erfahrungen   stand    ihm  ein  reiches  Wissen  auf  den   meisten    natur- 
wissenschaftlichen   Disziplinen    zu   Gebote,  welche   mit  dem  Studium  der  Alter- 
tumskunde   verknüpft    sind.      Er    war    ein    guter    Geologe    und    Botaniker;    die 
Paläontologie  war  ihm  eine  liebe  Freundin ;  als  selbstthätigem  Baumeister  wurde 
ihm    Wesen    und   Eigenart    der   ältesten  und  ursprünglichsten  Bauwerke  durch 
das  Mittelalter  hindurch  bis  in  die  neueste  Zeit  so  bekannt   und    vertraut,    wie 
kaum  je  einem  Anderen.     Und  so  gehörte  eine  Wanderung    mit  dem    rüstigen 
Manne  zu  den  schönsten  Genüssen.     Jede  Pflanze  am  Wege  war  ihm  bekannt 
wie  die  Tierwelt,   die  sich  um  sie    bewegte,  jedes   irgend   fremdartige    Gestein 
erregte  sein  Interesse  ;  auf  jede  Verwerfung  im  Gebirge  machte  er  aufmerksam, 
keine  mittelalterliche  Befestigung  um  eine  alte  Stadt  oder  einen  alten  Friedhof 
mit  Kirche  entging  seinem  Auge ;  sorgfaltig  ward  die  Anlage  der  Dörfer,  sowie 
die    Bauweise    und    das    Material    ihrer    Häuser    studiert;    dabei    wurde    kein 
interessanter  Baum  vergessen  und    noch  weniger    die    Eigenart    der  Menschen- 
kinder,   denen    man  unterwegs  begegnete.     Und   wie    so    ganz    besonders    inte- 
ressant und  belehrend  war  die  Untersuchung  der  alten  Befestigungswerke,  vom 
einfachen    uralten    Abschuittswall    bis    zum    trutzigen    Bergfried    der    mittel- 
alterlichen Burgen  und  darüber  hinaus  zu  den  modernsten  Befestigungswerken ! 
Aus   dem    Schatze    seiner   Leistungen    auf   nassauischem   Boden    soll    nur 
einiges    hervorgehoben   werden.      Es    sei    hier    zunächst    nur    an    seine    bahn- 
brechenden Arbeiten  über  die  Ringwälle  des  Taunus    erinnert,    in   welchen    er 
als    Erster    die    ursprüngliche    Einlagerung    von   Hölzern    zwischen   den   Stein- 
setzungen betonte  und  auf  dem  Altkönig  selbst  direkt  nachweisen  konnte ;  seine 
allerorts    angestellten    Untersuchungen    über    die    fast    bei    jeder    solcher    Be- 
festigungen    nachweisbaren ,     örtlich     auftretenden    Yerschlackungen    des    an- 
gewandten Steinmaterials    haben    den    Begriff   der   sogenannten    Glasburgen    in 
Deutschland  beseitigt.     Epochemachend  für  die  Kunde  der  Urzeit  waren  seine 
Ausgrabungen  in  den  Höhlen  von  Steeden  an  der  Lahn;  ihre  Resultate  stellen 
sich   denen   der    berühmtesten     diluvialen    Fundorte   vollständig   ebenbürtig   zur 
Seite  —  schade   nur,    dass    ihre    Kenntnisnahme   wenig    über    das    Gebiet   der 
Annalen    des    Nass.    Altertumsvereines    hinausgedrungen    ist.      Die  zahlreichen 
Burgen  unseres  Landes  und  noch  weit    über    dessen  Grenzen   hinaus  haben  in 
von  Cohausen,    welchem  auf  diesem  Gebiete  nur  v.  Essenwein    nahe  kam, 
ihren  besten  und  gründlichsten  Darsteller  gefunden.     Yon   höchster  Bedeutung 
waren    seine    Erforschungen    des   riunischen    Grenzwalles,    welche    er    in  einem 
umfangreichen  Werke  mit  zahlreichen  Tafeln   niederlegte;    dieses   Werk    bildet 
heute  noch,  wenn  auch  an  manchen  Punkten  durch  die  neuesten  Explorationen 
erweitert  und  vervollständigt,    die  Basis    für   die  durch   Mommsen    ins    Leben 
gerufene   Limesforschung,    zu    deren    Kommission    er    selbst    einberufen    wurde. 
Es  würde  allein  genügen,  dem  Yerstorbonen  ein  dauerndes  Andenken  zu  sichern, 


Auf  techniscliom  Gebiete  beschäftigte  er  sich  neben  vielem  Anderen  mit  dem 
Studium  des  römischen  Schmelzschmuckes ;  seine  Arbeiten  über  römische  und 
überhaupt  alte  Schlösser  und  Schlüssel  sind  bis  jetzt  nicht  übertroffen.  Sein 
LiebHngskind  aber  war  die  schöne  Saalburg  bei  Homburg  v.  d.  Höhe,  das 
best  erhaltene  Römerkastell  auf  deutschem  Boden,  für  welciies  er  auch  das 
höchste  Interesse  eines  Mannes  wie  Moltke  zu  erwecken  wusste.  Dort  hat 
er  raehrtausendjähriges  Mauerwerk  konservieren  gelehrt,  wie  vor  ihm  noch 
kein  Anderer;  seine  Methode,  den  Mauerresten  eine  flache  Cementmulde 
mit  eingepflanztem  Grasboden  aufzusetzen,  ist  wohl  jetzt  von  allen  Konser- 
vatoren angenommen.  Im  übrigen  sind  die  BegriflFe  Saalburg  und  von  Cohausen 
überhaupt  unzertrennlich,  und  was  er  da  oben  auf  der  alten  Passhöhe  des 
Taunus  zusammen  mit  seinem  ebenso  eifrigen  wie  genialen  Freunde  und  Mit- 
arbeiter, dem  Baumeister  Jacobi  zu  Homburg,  geschaffen  hat,  kann  nur  der 
verstehen,  der  die  Saalburg  und  das  Saalburg-Museum  eingehend  studiert  hat. 

Es  ist  wohl  selbstverständlich,  dass  der  Verewigte  bei  solcher  Befähigung 
und  allseitiger  Bethätigung  derselben,  die  er  in  grösseren  und  kleineren 
Arbeiten  veröffentlichte,  einen  weit  ausgedehnten  Kreis  von  Freunden  und 
geistigen  Mitarbeitern  finden  musste.  Aber  auch  die  Anerkennung  von  höchster 
Seite  hat  ihm  nicht  gefehlt.  Wir  erwähnten  oben  seine  ehrenvolle  Berufung 
zur  Untersuchung  des  Ilildesheimer  Silberfundes,  sowie  zu  den  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  Napoleons  III. ;  aber  auch  unser  Kaiserhaus  ist  zu  ihm  in  nahe 
und  herzlich  warme  Beziehung  getreten.  Wie  hatte  unser  hochseliger  Kaiser 
Friedrich  unter  seiner  Führung  die  alten  römischen  Reste  da  oben  lieb  ge- 
wonnen und  wie  oft  hat  er,  selbst  ein  feiner  Kenner  römischer  Altertümer, 
dort  zu  seiner  Erholung  geweilt!  Das  Gleiche  gilt  von  Ihrer  Majestät  der 
Kaiserin  Friedrich,  welche  so  oft  an  der  Seite  des  altehrwürdigen  Mannes  mit 
seinem  grossen  schwarzen  Schlapphute  den  klassischen  Boden  betreten  hat  und 
heute  noch  mit  grösstem  Interesse  den  dortigen  Ausgrabungen  folgt.  Das 
Gleiche  ebenso  endlich  von  unserem  hochverehrten  Kaiser  Wilhelm  IL,  der  auf 
der  Saalburg  seine  ersten  mit  bestem  Erfolge  gekrönten  Ausgrabungen  gemacht 
und  dort,  wie  im  Museum  zu  Wiesbaden,  unter  von  Cohausens  Augen,  welcher 
Allerhöchstihm  auch  die  Heidenmauer  demonstrierte,  sich  die  ersten  archäo- 
logischen Sporen  verdiente. 

Karl  August  von  Cohausen  war  ein  energischer,  in  sich  fest  ab- 
geschlossener und  zielbewusster  Charakter;  er  war  nicht  nachtragend  und 
wusste  jedem  Gegner  die  beste  Seite  abzugewinnen  und  zu  achten.  Von  tief 
religiöser  Veranlagung,  besass  er  ein  reiches,  für  alles  Gute  und  Schöne 
empfängliches  Gemüt  und  war  ein  begeisterter  Verehrer  der  Kunst  und 
Wissenschaft.  Seinen  Freunden  aber  war  er  immer  der  treueste  und  un- 
eigennützigste Berater. 

Jetzt  ruht  er  auf  der  vorspringenden  Ecke  des  hohen  Friedhofes  von 
Pfaffeudorf  am  Rhein,  in  welchem  Orte  die  Familie  einen  kleinen  Besitz  hat. 
Seine  Familien-Grabstätte  hat  er  noch  ein  Jahr  vor  seinem  Tode  dort  selbst 
angelegt  und  Alles  selbst  bestimmt.  Er  hat  sich  eine  herrliche  Stelle  gewählt; 
rechts  liegt  das  stolze  Ehrenbreitstein,  an  dessen  Befestigung  er  so  fleissig  und 


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geschickt  mifgeaibeitet  hat.  —  von  drüben  grüsst  das  ihm  so  Heb  gewordene 
Koblenz  —  und  zu  seinen  Füssen  weit  unten  im  Thale  ziehen  die  grünen 
Wogen  des  schönsten  deutschen  Stromes,  zu  dessen  geschichthcher  und  vor- 
geschichtlicher Ergründung  er  so  viel  beigetragen, 

Friede  seiner  Asche,  und  Ehre  seinem  Andenken ! 


Aus  den  zahlreichen  litterarischen  Arbeiten   heben    wir    nach    dem  Jahre 
ihres  Erscheinens  folgende  hervor  : 

1842  Hohlziegelbrücke  in  Mettlach  (Philanthrop  in  Trier). 

1848  Eulcnspiegel,  vom  Bauen  (Merziger  Bauernfreund  No.   40,   41). 

1852  Verschanzungen  auf  dem  Hunsrücken  (Bonner  Jahrbücher  XVIII). 
Der  Palast  zu  Ingelheim  (Mainzer  Altertümer). 

1853  Restauration  von  Ingelheim  (Bonner  Jahrbücher). 

1854  Verschanzungen  bei  Koblenz  (Bonner  Jahrbücher  XXVI). 

1857  Reli(iuienschrein  in  Mettlach  (Zeitschrift  f.   christl.   Archäologie). 

1859  Die  Kirche  St.  Nicola  da  Mira  in  Giornica  (Zeitschrift  f.  Bauwesen). 

1860  Bergfriede  (Bonner  Jahrbücher  XXVIII). 

1861  Rezension  von  Lindenschmids    ,,Hohenzollersche    Altertümer"    (Korrespondenz- 

blatt des  Gesamtvereines). 

1862  Ringwälle  (Westermanns  Monatshefte). 

1863  Verschanzte  Dörfer  auf  dem  Gau  (Westermanns  Monatshefte). 

1864  Besprechung  von  Prevast  forts  vitrißcds  (Bonner  Jahrbücher). 
Aufstellung  von  Hinterladern  (Archiv  f.  Artill.-  u.   Ing.-Offiziere). 
Feuchte  Kasematten  (daselbst). 

1865  Der  hohe  Turm  in  Neckar-Bischofsheim  (Anz.  für  Kunde  d.  deutsch.  Vorzeit). 

1866  Einleitung  (Zeitschrift  f.  preussische  Landeskunde). 

Terrain  de  filementsplane  (Archiv  f.  Artill.-  u.  Ing.-Offiziere,  59.  Band). 

Selbstwirkende  Thorverschlüsse   (daselbst). 

Bockenheimerwarte  (Didaskalia). 

Fahrthor  (daselbst). 

Eschenheimer  Turm   (daselbst). 

Römische  Wasserleitungen  in  Trier,  Mainz  und  Köln  und  ein  ähnliches  Projekt 

für  Frankfurt  (Frankfurter  Reform). 
Kultur  der  Bronzezeit  (Anthropologische  Zeitschrift). 
Römische  Steinbrüche  am  Felsberg. 

1867  Vermutliche  Schlackenwälle  bei  Koblenz  (Bonner  Jahrbücher  XLII). 
Schallgcfässe,   Altbaumburg  a.  d.  Nahe  (Bonner  Jahrbücher). 
Caesar  am  Rhein  (Bonner  Jahrbücher  XLIII). 

Caesars  Rheinbrücken  (Leipzig  b.  Teubner). 

1868  Eschenheimer  Thor  (Zeitschrift  f.  Bauwesen). 

Brückenbogen    unter    der    Fahrgasse    (Mitteilungen    au    die     Mitglieder    des 
Frankfurter  Yereins). 

1869  Caesar  am  Rhein  (Bonner  Jahrbücher  XLVII  u.  XLVHI). 

Beiträge  zur  Gesch.  d.  Befestigung  Frankfurts    (Archiv  f.  Frankfurter  Gesch. 
u.  Kunstj. 


Fundstelle  des  Silbcrscliatzes  (Ilildcslieimer  Sonntagsblatt). 
Von  der  Burg  (Bazar). 

1870  Kasernen-Abtritte.     Geschiebte  d.  Abtritts  (Archiv  f.  Ing.-  u.   Artill.-OH.) 
Kuppelgewölbe  (daselbst). 

Sehniass  I  und  II  (Bazar). 

Silberfundstelle  bei  Ilildeshcini  (Anz.  f.   Kunde  d.  deutschen  Vorzeit). 

1871  Boppard  (Bonner  Jahrbücher). 

Der  alte  Turm  in  Mcttlach  (Zeitschr.  f.  Bauwesen). 
Gefangenenlager  bei  Koblenz  (ebenda). 

1873  Index.     Feuchtigkeit  d.  Pulvermagazine  (Archiv  f.   Ing.-  u.   Artill.-Off.). 
Brücken  von  Hohlziegeln  (Zeitschr.  f.   Bauwesen). 

Der  römische  Schmelzschmuck  (Annalen  XII). 

Gräber  im  Kammerforst  (Annalen  XII). 

Portal  zu  Lorch  (Annalen  XII). 

Miscellen  (Annalen  XII). 

Von  Stiefeln  und  einigem  Anderen  (Bazar). 

Der  See  (Bazar). 

Der  Schmuck  der  ältesten  Bewohner  Deutschlands  (Bazar). 

Wärme-  und  Kühlkugeln  (Bazar). 

1874  Schlüssel  und  Schlösser  bei  den  Römern  (Annalen  XIII). 
Das  Rheingauer  Gebück  (Annalen  XIII). 

Miscellen,  Gläser,  Renaissance-Architektur  (Annalen  XIV). 
Industrie    der  Stein-,    Thon-  und  Glaswaren    (in    dem  amtl.  Bericht  über  die 
Wiener  Ausstellung). 
187G  Römische  Steinbrüche  am  Felsberg  an  der  Bergstrasse,     von  Cohausen  und 
Wörner  (Darmstadt,  Brill). 

1877  Aulofen  in  Saulberg  und  Wölbtöpfe  (Annalen  XIV). 
Ursprung  des  Dorfes  Glashütten  (Annalen  XIV). 
Hügelgräber  im  goldenen  Grund  (Annalen  XIV). 
Hügelgräber  im  Schiersteiner  Wald-Pfuhl  (Annalen  XIV). 
Hügelgräber  zwischen  Nahe  und  Hunsrücken  (daselbst). 
Miscellen,  Ileidenmauer,  deutsch.  Gläser  (daselbst). 

1878  Rümerkastell  Saalburg,  von  Cohausen  und  Jacobi  (Homburg  b.  Fraunholz). 

1879  Spinnen  und  Weben  bei  den  Alten  (Annalen  XV). 
Zur  Geschichte  der  ^Eisenindustrie  (Annalen  XV). 
Guttus,   Mamilla,    Veniculum  (Annalen  XV). 
Höhlen  und  Wallburg  bei  Steeden  (Annalen  XV). 

Die  Wallburgen,  Landwehren,  Schanzen  im  Reg.-Bez.  Wiesbaden  (ebenda). 

Miscellen.  Frankengräber  (Annalen  XV). 

Merkwürdige  Bäume.    Würfel  (Annalen  XV). 

Die  Thon-  und  Glaswaren  auf  der  Pariser  Ausstellung  (Gewerbebl.  Wiesbaden). 

Ländliche  Waschanstalten  (Gewerbebl.  Wiesbaden). 

Dekoration  der  Fussböden  (Zeitschrift  f.  Baukunde). 

Wehrbauten  zwischen  Rhein,  Main  und  Lahn  (daselbst). 

1880  Die  Altertümer  im  Fürstentum  Birkcnfeld  (Picks  Monatsheft). 
Über  den  Bau  und  die  Einrichtung  der  Provinzial-Museen  (ebenda). 

1881  Erinnerungen  aus  IlohenzoUern  (Korresp.-Blatt  des  Ges.-Ver.). 

1882  Höhlen  von  Steeden.  —  Hügelgräber  bei  Höhr.  —  Hügelgräber  bei  Brandobern- 
dorf.  -     Hügelgräber  im  Wald  Pfarrhofen  bei  Nastätten.  —  Reihengräber.  — 


8 

\Vallburgeii.  —  Höhlen.  —  Röinisclie  Bauwerke.  Ilypokausten.  —  Mittelalter- 
liche Bauwerke,  —  Zur  Toiiograiihie  des  alten  Wiesbaden.  —  Inschriften 
(Aunalen  XYII). 

1884  Der  römische  Grenzwall  in  Deutschland  (Wiesbaden), 

1   Band  Text,    1   Band  Tafeln  (Nachtrag  dafür  1886  ebenda). 

Prähistorische  Funde  von  Niederwalluf  und  Homburg  (Annalen  XVIII). 

Die  Hügelgräber  im  Schwanheimer  Wald  und  die  Schwedenschanze  bei  Kelster- 
bach am  IMain  (Annalen  XVIII). 

Wallburgen,  Altkönig  (daselbst). 

Römische  Bauwerke  in  der  Nähe  von  Homburg,  Frankfurt  u.  Bergen  (daselbst). 

Römische  Altertümer  (daselbst). 

Zur  Geschichte  der  Feuerwaüen  (daselbst). 

Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden  (daselbst). 

Rekonstruktion  von  Waffen  v,  d,  Kaiser  (daselbst). 

Der  Schlackenwall  Monreal  (anthrop,  Korrespondenzblatt). 

Erhaltung  der  Baudenkmäler  (Centralblatt  d,  Bauvcrwaltung), 

Peter  Weismüller,  Nekrolog  (Töpfer-Zeitung), 

1885  Die  Saalburg  (Westermanns  Monatshefte), 
^lainaltertümer  (Wochenblatt  f,  Baukunde). 

1886  Kleine  Notizen  (Annalen  XIX). 

Kastell  an  der  Saar  (Westermanns  Monatshefte), 
Adler-Turm  (Zeitschrift  f,  Bauwesen). 
Wehrbauten  in  Rüdesheim  (Centralblatt). 

1887  Mauerverbände  an  alten  Bauwerken  des  Rheinlaudes  (Zeitschrift  f.  Bauwesen). 
Ein  Craniograph  (Archiv  f,  Anthropologie), 

1888  Der  cymbelnschlagende  Satyr,  —  Die  Hünerburg.  —  Arbeiten  auf  der  Saalburg. 

—  Alte  Wälle  und  Gräben.  —  Die  Burgen  in  Rüdesheim,  —  Zur  Topographie 
des  alten  Wiesbaden.  —  Die  Steinkammer  bei  Erdbach.  —  Die  Ruderskapelle. 

—  Römische    Mainbrücken.   —   Nekrolog   auf  Max  Ileckmann  (Annalen  XX). 

1889  Kleine  Mitteilungen  (Annalen  XXI). 

1890  Burgen  von  Nassau  (Annalen  XXII). 

Führer  durch  das  Altertums-Museum  (Wiesbaden). 

1891  Die  Altertümer  im  Rheinlande  (Bechtold.  Wiesbaden). 

Leider  war  es  ihm  nicht  mehr  vergönnt,  sein  Werk,  für  das  er  seit 
seiner  Jugend  gesammelt  hat,  zu  vollenden,  „Befestiguugsweiscn  der  Vorzeit  und 
des  Mittelalters.''  Seine  letzte  Arbeit  war  ein  kleiner  Aufsatz  „Zur  Geschichte 
der  Bastion",  welche  kurz  nach  seinem  Tode  in  der  Zeitschrift:  „Archiv  für 
Artillerie-  und  Ingenieur-Schule"  erschien. 

J>.  Florschütz. 


Drei  Münzfunde  aus  Nassau. 


Von 

J.  IsenbscL 


1471- 

-1486 

1 

Stück 

1449- 

-1476 

5 

» 

1434- 

-1459 

1 

» 

1461- 

-1475 

3 

» 

1388- 

-1418 

1 

» 

1439- 

-1456 

2 

n 

1456- 

-1503 

2 

n 

1414- 

-1462 

1 

« 

I. 

Im  November  1880  wurden  zu  Bremthal  nach  dem  Brande  einer  Scheune 
bei  der  darauffolgenden  Neugrabung  eines  Kellers  durch  den  Flurschütz  Ernst 
16  Goldgulden  und  54  Groschen  resp.  Albus'  in  einem  irdenen  Töpfchen  ge- 
funden.    Die  Goldgulden  waren  von : 

Brandenburg-Franken :   Albrecht  Achilles 
Pfalz :    Friedrich,  in  Bacharach  geprägt 
Mainz :  Dietrich  von  Erbach,  in  Mainz  geprägt 

do.      Adolf  II.  von  Nassau,    „        „  „ 

Trier:  Werner,  in  Oberwesel  „ 

Jakob,  „    Koblenz  „ 

Johann,  „  „  „ 

Köln :   Dietrich  von  Mors,  „    Riele  „ 

Die  Groschen  erwarb  ich  und  verzeichne  sie  nachstehend. 
Der  Fund  muss  nach  1471    vergraben   worden  sein,    da  in  diesem  Jahre 
Albrecht  Achilles  erst  zur  Regierung  kam. 

1.    Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  IV.,  1439—1449. 
Weissgroschen,  in  Bacharach  geprägt,  von  1445. 

Hs.  *  ir'(n)IiO  D(omi)ttr  ~  ^IMiXLV 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 

Schlüssel;    darunter  ein   hochgeteilter  Wsch.,   rechts   der  Löwe  1.  von 

Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 
Rs.  MORG'(ta)  ~  ROYir  *  —  BiraR(arach) 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  gevierete  Wsch,,  1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1. 

von  Pfalz,  2,  u.  3,  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
In  den  Spitzen    des  Dreipasses   befinden    sich    kleine  Wsch.,    zur  Rechten 

das  Rad  von  Mainz,  zur  Linken   das  Kreuz  von  Trier,  unten  das  Kreuz 

von  Köln. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,00  Gr. 


10 

2.  Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  lY.,  1439—1449. 

Weissgroschen  von  Bacharach  von  144S. 

Hs.  .  IT  .  DR  •  5ß  •  OCX  —  in  •  XLYin     Wie  No.  1. 
Rs.   .  MORÖ' —  •  ttOVIT BITair     Wie  No.   1. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,70  Gr. 

3.  Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  IV.,  1439—1449. 

Woissgroschen  von  Bacharach  ohne  Jahr. 

Hs.   •  LYDWr  •  a'(omes)  >  —  P^al-tmus)  •  R'(heni)  *  DYX  •  B'(avariae) 

Wie  No.  1. 
Rs.   .  MORÖ'  —  *  U0\^  *  BTidlV    Wie  No.  1. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,20  Gr. 

4.  Pfalz:  Pfalzgraf  Ludwig  HL,  1410—1436. 

Weissgroschen  von  Bacharacli  ohne  Jahr. 

Hs.   .LYDWia'.a'.P'.R'.DYX.BTT 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 

Schlüssel. 
Rs.  f  MOR90  —  u  °  ROYIT  ^-  —  *  Biraßl 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  gevierete  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1. 

von  Pfalz,  2.  u.  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
In  den  Spitzen  des  Dreipasses  befinden  sich  kleine  Wsch,,  darin  zur  Rechten 

das  Rad  von  Mainz,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Trier,  unten  der  Löwe  1. 

von  Jülich. 
Grösse  24  Mm,     Gewicht  2,00  Gr. 

5.  Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,  1449—1476. 

2  Stück  Weissgroschen,  zu  Bacharach  geprägt. 

Hs.  FRID'  a'  P'  —  R'  DYX  *  BIT' 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St,  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel  über  dem  hochgeteilten  Pfalz-Bayerischen  Wsch.,  rechts  der 
Löwe  1.  von  Pfalz,   links  die  Wecken  von  Bayern. 

Rs.  *  MORÖ'  —  *  R0Y1T  *  —  *  Biraii' 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  gevierete  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  I. 

von  Pfalz,  2.  u.  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 
In  den  Spitzen  des  Dreipasses  kleinere  Wsch.,   darin  in  dem  Wsch,  oben 

rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von  Trier,  unten  das  Kreuz 

von  Köln. 
Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,20  Gr. 

6.  Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,   1449—1476. 

Weissgrosclien,  zu  Bacharach  geprägt. 

Ganz  wie  die  vorstehenden,    aber   mit    der   Kontremarke    von   Hildesheim, 

dem  gekrönten  ^  bezeichnet. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,10  Gr. 


11 

7.    Pfalz:  Pfalzgraf  Friedrich,  1449—1476. 
Weissgrosehen,  zu  Heidelberg  geprägt. 
Hs.  Wie  No.  5. 

Rs.  *  MORÖ'—  *  ROYTr  *  —  liälDttKberg) 
Die  Wappen  wie  auf  No.  5. 
Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,10  Gr. 

8.  Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,   1434—1459. 

Weissgroschen,  ia  Bingen  geprägt. 

Hs.   *  TnaODlM^   —    TrRaPr.M(oguntiae) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel,  darunter  der  Wsch.  von  Erbach  mit  den  3  Sternen:  2  u.   1. 

Rs.   Oben:  *  IKiö'^— *  ÄOVIT  *— *  Bme'(ensis) 

Geviereter  Wsch.  im  spitzen  Dreipass,  1,  u.  4.  Feld  das  Rad  von  Mainz, 

2.  u.  3.  Feld  die  3  Sterne,  2  u.   1,  von  Erbach. 
In  den  Spitzen  des  Dreipasses  je  ein  Wsch.,  in  dem  oberen  zur  Rechten 

das  Kreuz  von  Trier,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Köln,  in  dem  unteren 

die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  24  Mm.  Gewicht  2,10  Gr. 
Cappe,  Mainzer  Münzen,  S.  135,  No.  608  var. 

9.  Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,  1434 — 1459. 

Weissgroschen,  in  Bingen  geprägt. 

Hs.  *  IT'RO  *  WM  —    ^WCLHI  *     Wie  No.  8. 
Rs.  Wie  No.  8. 

Grösse  24  Mm.    Gewicht  1,80  Gr.     Gelocht. 

10.  Mainz:  Erzbischof  Theodor  Graf  von  Erbach,  1434—1459. 

Weissgroschen,  in  Bingen  geprägt. 

Hs.  ^  ^'UO  X  Dlftr  —  T  *   aXXX  *  XLV     Wie  No.  8. 

Rs.   Wie  No.  S. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,00  Gr. 

11.    Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462—1475. 

Weissgroschen. 

Hs.  *  ITDOLF'  OLG'  —  ÖT  •  QORFCirmatus)  MTTCguntiae) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel;  darunter  Wsch.  mit  dem  nassauischen  Löwen  1. 

Rs.   5&  MORÖ'  —  -^  ROYIT  *  —  *  MareVtt(tiae) 

Im  spitzen  Dreipass  ein  hochgeteilter  Wsch.,  darum  3  kleinere  Wsch.,  im 

Felde  zur  Rechten  das  Rad  von  Mainz,  zur  Linken  der  Löwe  gekrönt, 

1.  mit  Schindeln  im  Felde:  Nassau. 
Im  Wsch.  oben  zur  Rechten  das  Kreuz  von  Trier,  zur  Linken  das  Kreuz 

von  Köln,  unten  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,00  Gr. 


12 

12.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462—1475. 

Weissgroschen. 

Hs.   *  aDM^.ITR  — meüPr  mit*      wie  No.   11. 
Rs.  AVie  No.   11. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,30  Gr. 

13.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462—1475. 

Weissgroschen. 

Hs.   °  TTDOLF'  TTR  —  aiilöPP  Mir     Wie  No.   11. 
Rs.   Wie  No.  11. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,10  Gr. 

14.  Mainz:    Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1475. 

2  Stück  Weissgroschen. 

Hs.   *  aDOLF'  ITR  — aiiöPr  MW  Wie  No.   11. 

Rs.   *  MOUä^— MiOVir  *  —  *  MireVR  *     wie  No.  11. 

15.  Mainz:  Erzbischof  Adolf  Graf  von  Nassau,  1462 — 1475. 

Weissgroschen. 

Hs.   ITDOLF'  ';n:R  — aidöP'  mit  wie  No.   11. 

Rs.   *  MOfta'  — *  ROYir  *— MaeVH    wie  No.  11. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  2,10  Gr. 

16.    Mainz:  Erzbischof  Diether  H.  Graf  von  Isenburg,  1475 — 1482. 

Weissgroschen. 

Hs.  *  DIÖ'  *  ÖLÖG'  —  GT  .  QOI^IR 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 

Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  den  2  Balken  von  Isenburg. 
Rs.   Oben  *  MOßG' —  ^«m^MÄ  —  *  M^röY' 

In  spitzem  Dreipass  der  gevierete  Wsch.,  umgeben  von  3  kleineren  Wsch., 

im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptscbildes  das  Rad  von  Mainz,   im  2.  u.  3. 

Felde  die  2  Balken  von  Isenburg. 
Im  Wsch.    oben   rechts   das  Kreuz   von  Trier,   links  das  Kreuz  von  Köln, 

unten  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,40  Gr. 
Cappc,  Mainzer  Münzen,  S.  145,  No.  675. 

17.    Trier:  Erzbischof  Werner  von  Falkenstein,  1388—1418. 

Weissgroschen,  zu  Oberwesel  geprägt. 

Hs.   *  WGRIiöR'*:«^^*  TRÖ'(virensis)  * 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel. 
Rs.   ^MOIiöT  *  —  IT  R0Y1T  —  WÖSITL'Ciensis) 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  hochgeteilte  Hauptschild,  von  3  kleineren 
Wsch.  in  den  Passecken  umgeben,  im  Hauptschilde  rechts  das  Kreuz 
von  Trier,  links  quergeteilt  das  Familien wappen:  Falkenstein. 


13 

Im  kleineren  Wsch.  oben  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  die  Wecken 
von  Bayern,  unten  der  Löwe  1.  von  Jülich,  das  dem  Vertrage  am  Ende 
des  Jahres  1417  beigetreten  war. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,00  Gr. 

Bohl,  S.  78,  Nu.  Hl. 

18.    Trier:  Erzbischof  Otto  von  Ziegenhain,   1418—1430. 

Weissgroschen,  in  Trier  geprägt. 

Hs.   OTTOmS'  •>:•  ir  Zwei  gekreuzte  Schlüssel  *  RÜP  *  TRÖ' 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel. 

Rs.  *  MOtt'  -  *  ROV  —  *  TRÖ  —  *  YÖR' 

In  einem  Vierpass  ein  hochgeteilter  Hauptscliild  mit  4  kleineren  Wsch.  in 
den  Winkeln  des  Vierpasses,  im  Hauptschilde  rechts  das  Kreuz  von 
Trier,  links  quergeteilt,  oben  ein  Stern,  unten  Gold:  Ziegenhain. 

Im  kleineren  Wsch.  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Kreuz  von  Köln, 
links  die  Wecken  von  Bayern,  unten  der  Löwe  1.  von  Jülich, s.  vorstehend 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,30  Gr. 

Bohl,  S.  93,  No.  12. 

19,    Trier:  Erzbischof  Jakob  L  von  Sirk,   1439—1456. 
3  Stück  Weissgroschen,  in  Koblenz  geprägt,  von  1444. 

Hs.  *  IT'*  DR' *  5ft  *  a  —  cca  *  XLIin 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 

Schlüssel.    Unten    ein    Wsch.    mit   einem    Schrägrechtsbalken,    worauf 

3  Vögel  liegen,  das  Pamilienwappen  von  Sirk. 
Rs.   X.  MOßa'  —  *  ROVIT  *  —  *  aOVa'(lensis) 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  darum  3  kleinere  Wsch., 

im  Hauptschilde   im  1.  u.  4.  Felde  das  Kreuz   von  Trier,    im  2.  u.  3. 

Felde  Schrägrechtsbalken  mit  3  Vögeln  belegt:  von  Sirk. 
Im  kleinen  Wsch.    oben   rechts  das  Rad  von  Mainz,    links  das  Kreuz  von 

Trier,  unten  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,20,  2,10  u.  2,00  Gr. 

20.    Trier:  Erzbischof  Jakob  von  Sirk,   1439—1456. 
2  Stück  Weissgroschen,  in  Koblenz  geprägt. 

Hs.  *  liiaOBVS  *  —  *  TTRaPI  *  TR' 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel.     Darunter   ein  Wsch.,    dessen    Schrägrechtsbalken    mit    drei 
Vögeln  belegt,  das  Familienwappen  des  Erzbischofs. 
Rs.   Oben  *  MORÖ'  —  *  ROVIT'  —  aOVÖ' 

Im  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  umgeben  von  3  kleine- 
ren Wsch.,  im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von  Trier, 
im  2.  u.  3.  Felde  der  Schrägrechtsbalken  mit  3  Vögeln  belegt. 


14 

Im  oberen  "Wsch.   rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von  Trier, 

im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,90  u.  1,50  Gr. 
Bohl,  S.  106,  No.  7. 

21.    Trier:  Erzbischof  Jakob  von  Sirk,  1439—1456. 
2  Stück  Weissgroschen,  in  Koblenz  geprägt. 

Hs.  *  nraoB'  *  u  —  Ropr  tr   wie  No.  20. 

Rs.   Oben  I^ORQ'  —  *  ROYIT  *  —  *  QOVÖ' 

Wie  No.  20,    statt   des   kleineren  unteren  Wsch.    aber   eine    Rose    in    der 
Dreipassspitze  unten;  die  beiden  oberen  Wsch.  haben  jedes  ein  Kreuz. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,80  u.  1,70  Gr. 
Bohl,  S.  107,  No.  10. 

22.    Trier:    Erzbischof  Johann  II.   Markgraf  von  Baden,    1456 — 1503. 

2  Stück  Weissgroscheu,  in  Koblenz  geprägt. 

Hs.   *  lOIi'  *  ÖLöaCtus)  —  ST  >^  aO]ftP'(irmatus)  *  T'(revirensis) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel.     Darunter  ein  Wsch.    mit   dem    Schrägrechtsbalken   in   gol- 
denem Felde   von  Baden. 
Rs.   Oben  *  MOßa'  —  *  ROVIT  *  —  -^  aOYÖ' 

Im  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  umgeben  von  3  kleine- 
ren Wsch.,  im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von  Trier, 
im  2.  u.  3.  Felde  der  Schrägrechtsbalken  in  Gold  von  Baden. 

Im  oberen  Wsch    rechts  das  Rad  von  Mainz,    Unks  das  Kreuz  von  Trier 
im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  2,00  Gr. 

Bohl,  S.  111,  No.  10. 

23.    Köln:  Erzbischof  Theoderich  IL  Graf  von  Mors,    1414—1463. 

"Weissgroschen,  in  Bonn  geprägt. 

Hs.    fRÖODflRiaV  —  S  OTROm  aOL(oniensis) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  das  Brustbild  St.  Petrus'  mit  Kreuzstab  und 
Schlüssel;  auf  der  Bru;3t  ein  Wsch.  mit  dem  Kreuz  von  Köln.  Oben 
über  dem  Bogen  2  Wsch.  mit  dem  Saarwerden'schen  doppelköpfigen 
Adler;  unter  dem  Heiligen  ein  Wappenschildchen  mit  dem  Balken 
von  Mors. 
Rs.   °  SROXIQ.TM  —  °  ttOVIT  I :  B  —  ORRÖIi  * 

Im  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  im  1.  u.  4.  Felde  das 
Kreuz   von  Köln,  im  2,  u.   3.  Felde  der  Balken  von  Mors. 

Im  oberen  Dreipasswinkel  rechts  2  gekreuzte  Schlüssel,  links  das  Kreuz 
von  Trier  in  einem  Wsch.,  im  unteren  eine  sechsblätterige  Rose. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,80  Gr. 

Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1086  var. 


15 

24.  Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Müra,   1414—1463. 

Weiasgroschen,  in  Riele  geprägt. 

Hs.  *  Tiiaom  —  irRQPr  a' 

St.  Petrus  uuter  einem  gotischen  Bogen    hält   einen  Kreuzstab   und   einen 
Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wach,  mit  dem  Balken   von  Mors. 
Rs.  *  MORS'  —  *  R0V1T  *  —  $RlLa'(n8is) 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  umgeben  von  drei 
kleineren  Wsch.,  im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von 
Köln,    im  2.  u.  3.  Felde    der  Balken   auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 

Im  oberen  kleinereu  Wsch.  rechts  der  Balken  auf  goldenem  Grunde  von 
Mors,  links  das  Kreuz  von  Köln,  im  unteren  2  Delphine. 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,70  Gr. 

Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1077;   v.  Merle,  S.  194,  No.  6. 

25.  Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,  1414—1463. 

Weissgroschen,  in  Riele  geprägt. 

Hs.  *  TftöODI'  —  TTRÖPI'  *  QO' 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen  hält  einen  Kreuzstab  und  einen 
Schlüssel ;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  dem  Balken  von  Mors. 

Rs.   Oben  *  M0R9'  —  *  ROVW  *  —  RILÖ' 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  umgeben  von  drei 
kleineren  Wsch.,  im  1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von 
Köln,    im  2.  u.  3.  Felde   der  Balken   auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 

Im  oberen  kleineren  Wsch.  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz 
von  Trier,  im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  1,70  Gr. 

Groschen-Kabinet,  X.  Fach,  Taf.  IX,  No.  82;  v.  Merle,  S.  194,  No.  5;  Cappe,  Köl- 
nische Münzen  No.  1080. 

26.    Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,  1414—1463. 

Weissgroschen,  in  Riele  geprägt. 

Ha.  *  TRQODia'  *  irRGPI'  *  QOLO' 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen  hält  einen  Kreuzstab  und  einen 
Schlüssel. 

Rs.  *  MOR'  —  *  ROV  —  *  RIL  *  —  *  ÖRS  * 

In  einem  Yierpass  ein  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  4  kleineren  Wsch. 

Im   1.  u.  4.  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von  Köln,  im  2.  u.  3. 

Felde  der  Balken  auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 
Im.  oberen  kleineren  Wsch.    das    Rad    von    Mainz,    rechts  das    Kreuz   von 

Trier,  links  die  Wecken  von  Bayern,  im  unteren  der  Löwe  1.  von  Jülich. 
Grösse  26  Mm.     Gewicht  1,80  Gr. 
Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1095, 


16 

27.  Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,    1414—1463. 

Weissgroschen  von  1444. 

Hs.  Oben  *  TRÖOD'  —  *  TTRÖPF  —  QOLOR' 

In  einem  spitzen  Dreipass    ein   geviereter  Hauptschild,    umgeben  von  drei 
kleineren  Wsch.,    im  1.  u.  4,  Felde  des  Hauptschildes  das  Kreuz  von 
Köln,  im  2.  u,  3.  Feld  der  Balken  auf  goldenem  Grunde  von  Mors. 
Im  oberen  kleineren  Wsch.    zur  Rechten  das  Rad  von  Mainz,  zur  Linken 
das  Kreuz  von  Trier,  im  unteren  die  Wecken  von  Bayern. 

Rs.  ^'RO  .  D  *  5ii  *  ü  —  coa^  XLIin  *. 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen  hält  einen  Kreuzstab  und  einen 
Schlüssel;  unter  ihm  ein  Wsch.  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Grunde 
von  Mors. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  1,80  Gr. 

V.  Merle,  S.  205,  No.  37;  Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1106. 

28.  Köln:  Erzbischof  Theoderich  Graf  von  Mors,  1414—1463. 

Weissgroschen,  in   Riele  geprägt,  hat  Doppelschlag. 

Hs.'^^  DI  —  "iTRapr  *  ao 

St.  Petrus  unter  einem  gotischen  Bogen  hält  einen  Kreuzstab  (und  einen 
Schlüssel).  Darunter  ein  Wsch.  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Grunde 
von  Mors. 

Rs.  Oben    *  MORÖ^—  'mmmm.  —  *  RIEB 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  geviereter  Hauptschild,  von  8  kleineren  Wsch. 
umgeben.  Durch  den  Doppelschlag  ist  der  linke  Teil  der  Rs.  verwischt, 
1.  u.  4,  Feld  des  Hauptsehildes  das  Kreuz  von  Köln,  2.  u.  3.  Feld 
der  Balken  auf  goldenem  Felde  von  Mors. 

Im  oberen  Wsch.   rechts    der   Balken    auf  goldenem  Felde  von  Mors,    der 

obere  Wsch.  links  und  der  untere  Wsch.  sind  nicht  sichtbar. 
Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,70  Gr. 

29.    Jülich:  Herzog  Reinhald,  1402—1423. 
2  Stück  Weissgroschen,  in  Bergheim  geprägt. 

Hs.  *  Rom'  *  DVX  *  IVL  GGL  GO' 

St.  Petrus  unter   einem  gotischen    Bogen   hält  einen  Kreuzstab    und  einen 
Schlüssel. 
Rs.   *  MOIi'  —  *  liOV  —  *  BÖR  *  —  *  aftG'(mensis) 

Vierpass  inmitten  Wsch.  mit  dem  Löwen  1.  von  Jülich,  umher  4  kreuz- 
weise gestellte  Wsch. 

Im  Wsch.  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Kreuz  von  Trier,  links 
das  Kreuz  von  Köln,  unten  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  26  Mm.     Gewicht  2,00  Gr.;  2,00  Gr. 

Grote,  Münzstudien  B.  YII,  S.  469,  Nr.  86,  1. 


17 

80.   Berg:  Herzog  Ad(3lf,  1408—1423. 
Raderalbus   mit   dem   Vierpass,    in   Mülheim   geprägt. 

Hs.   TTDOLPUVS  *  DVX  *  Dff   *  MOTÖ 

Der  Herzog    in  halber  Gestalt  mit  platter  Mütze,    ein  Schwert  mit  beiden 
Händen  schräg  rechts  haltend,  unter  einem  gotischen  Bogen. 
Rs.   *  MOÄ*-tROV'— *MOÖ*  —   *  LIia'Cmensis) 

In  einem  Vierpass  der  gevierete  Hauptschild,  von  vier  kleineren  Wsch.  um- 
geben. Im  Hauptschild  das  1.  u.  4.  Feld  mit  dem  Löwen  1.  von 
Jülich,  das  2.  u.  3.  Feld  mit  dem  doppelt  geschwänzten  Löwen  1. 
von  Berg. 

Im  Wsch.  oben  der  zweischwänzige  Löwe  1.  von  Berg,  rechts  der  Adler, 
links  der  Löwe  1.   von  Jülich,  unten  die  3  Sparren  von  Ravensberg. 

Grösse  *J5  Mm.     Gewicht  1,80  Gr. 

31.    Berg:  Herzog  Adolf,  1408—1423. 
2  Stück  Raderalbus  mit  dem  Vierpass,  in  Mülheim  geprägt. 

Hs.  Wie  No.  30,    aber  mit   ••:•    statt  der  Sternchen. 

^^-       n  n        *^0,         „  „        •'■•  j,  „  n 

Grösse  26  Mm.     Gewicht  2,30  u.  1,90  Gr. 

32.  Jülich  u.  Berg:  Herzog  Gerhard,  1437—1475. 

Raderalbus,  in  Düren  geprägt. 

Hs.    eSRD'  *  DVX  *  IVL(iacensis)  *  Z  MOT'  *    (et  montensis) 

Unter  einem  gotischen  Bogen  der  Herzog  in  halber  Gestalt,  mit  platter 
Mütze,  hält  mit  beiden  Händen  ein  Schwert  schräg  rechts. 

Rs.   *  MOtt'  —  *  WO V  *  —  DVR  —  ößSCis) 

In  einem  Vierpass  der  gevierete  Hauptschild,  von  4  kleineren  Wsch.  um- 
geben. Im  Hauptschild  das  1.  u.  4.  Feld  mit  dem  Löwen  1.  von  Jülich, 
das  2.  u.  3.  Feld  mit  dem  doppelt  geschwänzten  Löwen  1.  von  Berg. 

Im  Wsch.  oben  der  Löwe  1.  von  Jülich,  rechts  der  Adler,  links  der  zwei- 
schwänzige Löwe  1.   von   Berg,    unten  die  3  Sparren  von  Ravensberg. 

Grösse  2.5  Mm.     Gewicht  1,80  Gr. 
Wellenheim   No.   8064   hat  MOÖ   statt  MOE 

33.  Jülich  u.  Berg:  Herzog  Gerhard,   1437—1475 

Raderalbus,  in  Düren  geprägt. 

Hs.    ÖHRD'  *  DVX  IVL'  Z  MOT  Wie  vorstehend. 

Rs.   *  MOtt' «  —  *  ßOV  *  —   *  DVR  —  GRS'  * 

Grösse  25  Mm.     Gewicht  1,90  Gr. 


18 


IL 

Am  18.  Juli  1881  wurden  beim  Bau  einer  Holzremise  in  der  Hofraite 
des  Franz  Faber  in  Schlossborn,  Haus  No.  IG,  3  Häuser  von  der  Kirche,  nur 
wenige  Zoll  unter  der  Erde,  in  einem  braunen  Steinkrügelchen  41  Goldgulden 
gefunden.     Sie  wogen  zusammen   135  Gr.  und  sind  nicht  ganz  ISkarätig. 

1.    Baden:  Markgraf  Christoph,   1475—1527. 

Goldgulden. 

Hs.   (IRISTOF  o  MaR  ~  OlilO  o  BITDaUS 

Brustbild  St.  Petrus'  mit  Heiligenschein,  Schlüssel  und  Buch  über  geviere- 
tem  Wsch.,   1.  u.  4.  Feld  der  Schrägrechtsbalken  von  Baden,  2.  u.  3. 
Feld    1 6  mal   geschacht    in    4    Reihen    wegen    der   hinteren    Grafschaft 
Sponheim. 
Rs.   MORff  o  UO  o  1TVRCT  «  B7TD6USIS  °  1507° 

4  Wsch.  in  den  Winkeln  eines  Lilienkreuzes,  1.  Wsch.  der  Schrägrechts- 
balken von  Baden,  2.  Feld  16mal  geschacht  in  4  Reihen  wegen  der 
hinteren  Grafschaft  Sponheim,  3.  Feld  hochgeteilt,  Löwe  1.  von  Mahl- 
berg und  der  Balken  von  Lahr,  4.  Feld  querliegender  Flug  von 
Usenberg. 

Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,32  Gr. 

2.  üsördlingen:  Friedrich  HI.  König  1440 — 1452,  Kaiser  bis   1493. 

Goldgulden. 

Hs.   FRIDRiaVS  =  R05ßirri'  o  LSßPeRTTTOR  »t 

In  einem  mit  Punkten  verzierten  Dreipasse,  dessen  äussere  Ecken  mit 
Blättern  verziert  sind,  der  Reichsapfel. 

Rs.   SVOMT  o  ROY::  o  E  —  ORDLIRÖ^o 

Der  stehende  St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  das  Lamm  mit  Schein  auf 
seinem  linken  Arme ;  unten  zu  seinen  Füssen  Wsch.  mit  den  3  Schild- 
chen von  Weinsberg. 
Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,27  Gr. 

3.  Nördlingen:   Friedrich  HL  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgulden. 

Hs.   FRIDRiaVS  °  ROMuR  o  IMP'  -^ 
In  einem  Dreipasse  der  Reichsapfel. 

Rs.   MORf  T  *  RO  —  RORDLIR 

Der    stehende    St.    Johannes    mit    dem    Lamme    auf    dem    linken    Arme; 
zwischen  seinen  Füssen  ein  Wsch.  mit  den  3  Schildchen  von  Weinsberg. 
Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,.S2  Gr. 
1878  Hess,  Kat.  3148,  M.  10.—  ;   1883  Fund  von  Lenzhahn. 


19 

4.    Frankfurt:  Kaiser  Sigismund. 
Goldgulden. 

Hs.  SieiSMY'D'*  RO'*  VORWA^  R6X* 

Der  Reichsapfel  in  einem  Sechspass,  der  mit  Kleeblättern  verziert  ist. 

Rs.   M0H6T  *  UO  —  FRiraFORD 

St.  Johannes  erhebt  die  rechte  Hand  u.  hält  in  der  linken  einen  Kreuzstab. 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Kaisermünzen  Bd.  T,  No.  813;  Blätter  für  Münzkunde,  Bd.  1,  No.  259. 

5.  Frankfurt  a.  M. :  Friedrich  m.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

2  Stück  Goldgulden. 

Hs.  FRIDRiaVS  o  RO'IiORV  °  RBX  * 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 

Rs'.  MOßöl^^.ttO  —  FRITUaFOR' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.  Zwischen  seinen  Füssen  Q. 
Also  wahrscheinlich  von  Conrad  von  Weinsberg,  der  143!  zu  Frank- 
furt das  Münzrecht  erhielt  und  18.  Jan.   1448  starb. 

Grösse  22  Mm. 

Cappe,  Kaisermünzen,  Bd.  III,  No.  739. 

6.  Frankfurt  a.  M.:   Friedrich  HI.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

2  Stück  Goldgulden. 

Hs.   FRIDRiaVS  o  ROMOTR'  °  IMP'(erator)  ^^ 
Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 

Rs.   MOIiöT  °  ßO  —  FRirROFD' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 

auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.     Zwischen   seinen  Füssen  ein 

Wsch.  mit  den  3  Schildcheu   von  Weinsberg. 
Grösse  23  Mm. 
Cappe,  Kaisermünzen,  Bd.  III,  No.  776;    Voigt,  S.  75,  No.  12. 

7.  Frankfurt  a.  M. :   Friedrich  HI.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgulden. 

Hs.  FRIDRiaVS  o  ROROR'  °  IMPITT'  .  ^ 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 

Rs.  MOßSTir  o  no  —  FRITRaFOR' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,   weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem   linken  Arme   getragene  Lamm.     Zwischen  seinen  Füssen  d. 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Kaisermünzen,  Bd,  III,  No.  769  var. 


20 

8.    Frankfurt  a.  M.:  Friedrich  Hl.  König  1440—1452,  Kaiser  bis  1493. 

Goldgulden, 

Hs.   FRIDRiaVS^  ROMTTRO)^  1 1 1  Pir  (iraperator)  ►{• 
Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass, 

Rs.  MORÖT^r-A  UO  —  FRuUaF'D' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.     Zwischen    seinen   Füssen  0«. 
Grösse  23  Mm. 

9.  Frankfurt  a.  M. :  Maximilian  I.,  1498—1519. 
2  Stück  Goldgulden, 

Hs.   5RaXIWILIattVS  o  R05Ja7r  o  RÖX^i^ 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass. 
Rs.    SRO  o  RO  o  FR  —  TXRÖF  o  l^q  5. 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme   getragene  Lamm.     Unter   ihm  Wsch.    mit   den 
3  Schildchen  von  Weinsberg. 
Grösse  23  Mm. 
Cappe,  Kaisermiinzen,  Bd.  III,  No.  855  var. 

10.  Frankfurt  a,  M.:  Maximilian  1.,    1493-1519. 

Goldguldeu. 

Hs.   5ßirXLSRILi:TRVS  c  ROSim  o  RÖXf 

Der  Reichsapfel  in  einem  runden  Dreipass, 

Rs.  ^  SRO  o  RO  °  FR  —  ^maF  .  1 5^96 

St.   Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem   linken  Arme   getragene  Lamm.     Unter   ihm  Wsch.   mit   den 

3  Schildchen  von  W^einsberg. 
Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Kaisermünzen,  Bd.  III,  857  var. 

11.    Markgrafschaft  Brandenburg  in  Franken:  Albrecht  Achilles, 

1471—1486. 
2  Stück  Schwabacher  Goldgulden. 

Hs.   irLBT'  :  SfCr^Rail  —  BR1TRD  S  ÖLTO' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme   getragene  Lamm.     Zwischen  seinen  Füssen  der 
Brackenkopf  r. 
Rs.   5RORaT7r  t  R^ir  Z  TTMÜ^BWOBuaii'i" 

Auf  einem  Blumenkreuze  der  Churschild  mit  dem  Scepter;  in  den  Winkeln 

4  Wsch.,  im  oberen  der  Adler  von  Brandenburg,  zur  Rechten  von 
Weiss  und  Schwarz  gevieret:  Zollern,  zur  Linken  der  Greif  1.  von 
Pommern,  unten:  Löwe  1.  in  Weiss-  und  Rot-Einfassung:  Nürnberg. 

Grösse  23  Mm. 

1868  Schulthess-Rechberg,  Kat.  No.  3482. 


21 

12.    Markgrafschuft  Brandenburg  in  Franken:  Albrecht  Achilles, 

1471— 148G. 
Sohwabacher  Goldgulden. 

Hs.  ITLBT' .  5ÄirR(I  —  U  :  BRirD  ;   BLT' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem  linken  Arme  getragene  Lamm.  Zwischen  seinen  Füssen  der 
Brackenkopf  r. 

Rs.   SllOliaTi^  o  liOVir  :  7rVR  :  SWOBTTÖii'  * 

Auf  einem  Blumenkreuze  der  Churschild  mit  dem  Scepter;  in  den  Winkeln 
4  Wsch.,  im  oberen  der  Adler  von  Brandenburg,  zur  Rechten  von 
Weiss  und  Schwarz  gevieret:  Zollern,  zur  Linken  der  Greif  1.  von 
Pommern,  unten:  Löwe  1.  in  weiss  und  roter  Einfassung:   Nürnberg. 

Grösse  23  Mm. 

13.  Markgrafschaft  Brandenburg  in  Franken:  Friedrich  u,  Sigismund, 

1486—1495. 
3  Stück  Goldgulden. 

Hs.   FRID'  °o  7  °o  Sie^M(und)  —  Sm^RGlt  %  BROTiD 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist    mit  der  Rechten  auf  das  von  ihm 
auf  dem   linken  Arm   getragene  Lamm.     Zwischen   seinen  Füssen   der 
Brackenkopf  r. 
Rs.   5ÄOR9T7r  S  ROVu  l  ITVR  %  SWOBTTaft* 

Blumenkreuz  mit  4  Wsch.  in  den  Winkeln,  oben  der  Adler  von  Branden- 
burg, zur  Rechten :  Weiss  und  Schwarz  gevieret :  Zollern,  zur  Linken : 
Greif  1.  von  Pommern,  unten:  Löwe  1.  in  Rot-  und  Weiss-Einfassung. 

Grösse  23  Mm. 

1868  Sehulthess-Rechberg,  Kat.  No.  3483. 

14.  Bacharach,  Prägestätte  von  Pfalzgraf  Ludwig  IH.,  1410 — 1436. 

Goldgulden. 

Hs.   *  LYDWIÖ'  *  a'(omes)  *  P(alatinu8)  —  R'(heni)  *  DYX  ^  B'ir(variae) 

Der  stehende  Pfalzgraf  hält  in    der  Rechten  ein  Schwert   geschultert    und 
hat  die  Linke  erhoben ;  auf  seinem  Haupte  ein  barettartiger  Hut,  über 
der  rechten  Schulter  ein  Stern.    Unten  zwischen  seinen  Füssen  eine  Rose. 
Rs.   MORÖTIT  *  ßOVIT    OTYRaiT  *  BIT'^f 

In  einem  runden  Dreipass  ein  geviereter  Wsch.,   1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1. 

von  Pfalz,  2.  u.  3.  Feld  die  Wecken  von  Bavern. 
Grösse  22  Mm. 
1868  Sehulthess-Rechberg,  Kat.  No.  4260;  Joseph,  Desibodenberger  Fund  No.  28,  c. 

15.   Pfalz:  Pfalzgraf  Philipp,   1476—1508. 
Rheinischer  Goldgulden  von  1493. 

Hs.  .  PlilLI  —  P'.  G'.  P'.  R DVX  .  BIT 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.  mit  Mittelschild, 
1.  u.  4.  Feld  der  Löwe  1.  von  Pfalz,    2.  u.   3.  Feld  die   Wecken   von 


22 

Bayern.  Mittelschild  nur  ein  Punkt.  Daneben  in  den  Winkeln  des 
Dreipasses  3  kleine  "Wsch.,  oben  rechts  mit  dem  Rad  von  Mainz,  links 
mit  dem  Kreuz  von  Trier,  unten  mit  dem  Kreuz  von  Köln. 

Rs.  .  *  Mona  .  ROY  —  u  V  .  Rö(ni)  .1^93 

Christus  auf  gotischem  Throne,  unten  ein  gespaltener  Wsch.  mit  dem  Löwen 

1.  von  Pfalz  und  den  Wecken  von  Bayern. 
Grösse  23  Mm. 

16.  Höchst,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Mainz:  Johann  ü.  Graf 

von  Nassau,   1397—1419. 
Goldgulden,  von  1-409  —  1417  geschlagen. 

Hb.  IOMS'  *  Mi  —  ö  —m.  M1T6  VttT' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    in   zottigem   Mantel    mit    dem  Kreuzstab 
in  der  Linken,    das    Schloss    am   Mantel    wie  ein  Ringel  °.     Zwischen 
seinen  Füssen  unter  dem  ff  ein  Kreuzchen  +  . 
Rg.   HO  —  UÖTa  .  I .  liOa^^^VP  —  MO  i' 

Grosser  hochgeteilter  Wsch.  mit  dem  Rad  von  Mainz  und  dem  nassauischen 
Löwen.  Oben  daneben  rechts  ein  Schildchen  mit  dem  Kreuze  von  Köln, 
links  ein  quergeteiltes  Schildchen,  dessen  untere  Hälfte  schraffiert  ist, 
von  Minzenberg,  dem  Familienwappen  Kuno's  von  Falkenstein,  Erz- 
bischofs von  Trier. 

Grösse  22  Mm. 

Joseph,  Desibodenberger  Fund,  No.  8,  c. 

17.  Oberwesel,   Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Trier:    Werner  von 

Falkenstein,   1388—1418. 
Goldgulden,  von  1409 — 1417  geprägt. 

Hs.   WGRRffR  —  TTRaP'  *  TRÖ' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein  in  zottigem  Mantel,  hält  in  der  Linken 
den  Kreuzstab;  zwischen  seinen  Füssen  ein  Halbmond  mit     ?     darin. 

Rs.   ^  MOftöT  *  —  *  -ir  ROYIT  *  —  *  WÖS1XL' 

In  einem  spitzen  Dreipass  der  grosse  hochgeteilte  Wsch,,  rechts :  das  Kreuz 
von  Trier,  links :  quergeteilt,  unten  Gold,  das  Familienwappen  (Minzen- 
berg). Oben  daran  rechts  das  Minzenberger  Wappen,  links  das  Rad 
von  Mainz,  unten  delphinartige  Schnörkel. 

Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,80  Gr. 

1868  Schulthess-Rechberg,  Kat.  2261 ;  Joseph,  Desibodenberger  Fund,  No.  20,d  var. 

18.  Koblenz,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Trier:  Raban  von 

Helmstädt,  1436—1439. 
Goldguldeu  von  1438. 

Hs.   RTTßlT  —  ITRaP'  —  TRGV  —  110'  *  aO'(velensis) 

Auf  einem  grossen,  die  Umschrift  teilenden  Kreuze  der  gevierete  Wsch., 
das  Familien  Wappen  des  Erzbischofs,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  des  Erz- 
stiftes Trier,  2.  u.  3.  Feld  ein  Rabe. 


23 

Rs,  IT'RO  *  DM'  *  so:*  0000  *  XXXVIII  *  «i» 

Drei  Wsch.  in  Kleeblattform  zusammengestellt,  dazwischen  eine  Rose,  der 
Wsch.  oben  rechts  hat  das  Rad  von  Mainz,  der  Wsch.  links  auf  gol- 
denem Grunde  das  Kreuz  von  Köln,  belegt  mit  einem  Mittelschilde, 
worin  der  Balken  von  Mors,  das  Familienwappen  des  Erzbischofs  von 
Köln,  Dietrich  11.  Grafen  von  Mors,  der  Wsch.  unten  ist  hochgeteilt, 
rechts  der  Löwe  1.   von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,50  Gr. 

1868  gchulthess-Rechberg,  Kat.  No.  2264. 

19.    Bonn,   Prägestätte    des    Erzbischofs  von  Köln:    Dietrich  LI.  Graf 

von  Mors,  1414—1463. 
Goldgulden,  1414—1417  geprägt. 

IIs.   TliÖODI  -  -  (I  irROPI  —  aOLORI 

Spitzer  Dreipass,  darin  ein  grosser  geviereter  Schild,   1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz 

von    Köln,    2.    u.   3.   Feld   der   Balken    von   Mors.      An    dem   grossen 

Schilde  befinden  sich  oben  rechts  2  gekreuzte  Schlüssel,  an  Stelle  des 

trierischen  Wappenschildes,  oben  links  ein  kleiner  Schild  mit  dem  Kreuze 

von  Köln,  unten  eine  Rose. 
Rs.   MORÖTIT  —  BVmSIS  (Bonn)  Doppeladler. 

St.  Johannes   mit   Heiligenschein   in    zottigem   Mantel,    auf  der    Brust    ein 

kleines  Schildchen  mit  einem  Kreuze,  schultert  ein  Lilienscepter. 
Grösse  24  Mm.     Gewicht  3,50  Gr. 
1868  Schulthess-Rechberg,  Kat.  No.  1854;  vergl.  Zeitschrift  N.  F.  S.  96,  No.  136; 

1882  Joseph,  Desibodenberger  Fund  No.  37. 
Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1026,  T.  XIV,  230  var.;   Wuerst,  Münzen  u.  Medaillen 

Bonns,  No.  46  c. 

20.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Dietrich  JT.  Graf 

von  Mors,  1414—1463. 
Goldgulden,  von  1425—1437. 

Hs.   TßöODIG'  —  ITRÖPr*  GOL' 

Der  Bischof  mit  segnend  erhobener  Rechten,  in  der  Linken  einen  Bischofsstab 
haltend.  Zu  seinen  Füssen  der  Balkenschild  von  Mors  ohne  Schraffierung. 
Rs.   MORÖTIT  *  ßOYlT  *  ITYRÖTT  *  RI'  ^ 

Grosser  geviereter  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  u.  3.  Feld 

der  Balken  von  Mors. 
Grösse  22  Mm. 
Joseph,  Desibodenberger  Fund  No.  44. 

21.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Dietrich  IL  von 

Mors,  1414—1463. 
2  Stück  Goldgulden,  von  1437—1461  geprägt. 

Hs.  TOGO'  —  ITROP  -  OOLO  —  RIÖR' 

Langes  befusstes  Kreuz,  das  die  Umschrift  teilt,  darauf  liegt  ein  grosser 
geviereter  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  u.  3.  Feld 
der  Balken  von  Mors  als  Familienwappen. 


24 

Rs.  MORÖTIT  *  ßOYIX  *  TTYRÖTT  *  RI  + 

Drei  Wsch.  in  Kleeblattforra  zusararaengestellt,  dazwischen  ein  Halbmond. 
Wseh,  oben  rechts  Kreuz,  darauf  ein  Schildcheu  mit  einer  Schräg- 
rechtsbinde, worauf  3  Muscheln  liegen,  das  sirkische  Familienwappen; 
Wsch.  links  Rad  von  Mainz;  Wsch.  unten  hochgeteilt,  rechts  der 
Löwe  1.  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1052. 

« 

22.  Königsdorf,   Prägestätte   des  Erzbischofs  von  Köln:    Dietrich  II 

Graf  von  Mors,   1414—1463. 
Goldgulden. 

Hs.  *  TliöODia'  *  IT  —  ROPP  *  aOLO' 

Der    stehende   St.    Petrus    mit   Heiligenschein    schultert  mit    der    Rechten 
einen  Schlüssel    und  hält  in  der  Linken  ein  Buch.     Zu  seinen  Füssen 
ein  Wsch.  mit  dem  Balken  auf  goldenem  Felde:  Mors. 
Rs.   *  MOIi'  —  *  ROY'  —  *  KOR  *  —  *  IX'  D'  (Königsdorf  b.  Köln) 

Vierpass,  darin  ein  grosser  Wsch.  von  4  kleinen  umgeben.  Im  grossen 
Wsch.  auf  goldenem  Grunde  das  kölnische  Kreuz  mit  einem  Mittel- 
schilde belegt,  worin  das  Familienwappen  des  Erzbischofs,  der  Balken 
von  Mors,  ist.  Im  Schildchen  oben  das  Rad  von  Mainz,  rechts  das  Kreuz 
von  Trier,  links  die  Wecken  von  Bayern,  unten  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 

Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,43  Gr. 

Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1063,  T.  XIV,  No.  231. 

23.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Ruprecht,  Pfalzgraf, 

1463—1477  t  1480. 
3  Stück  Goldgulden. 

Hs.    wROPGRT  Q-i:  — LOG'  SGL'  ÖO' 

Der  stehende  St.  Petrus  mit  Heiligenschein  hält  in  der  Rechten  einen 
Schlüssel,  in  der  Linken  ein  Buch.  Unter  ihm  ein  Wsch.  mit  dem 
Löwen  1.   von  Pfalz. 

Rs.  *  MOR  «  —  *  ROVOT  —  ITVRG  —  IT  RIL 

Langes  befusstes  Kreuz,  das  die  Umschrift  teilt,  darauf  liegt  ein  grosser 
geviereter  Wsch.,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  der 
Löwe  1.  von  Pfalz,  3.  Feld  die  Wecken  von  Bayern. 

Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,40,  3,40,  3,38  Gr. 

Köhler,  Dukaten-Kabinett  No.  921;  v.  Merle,  S.  208,  No.  1;  Cappe,  Kölnische 
Münzen  No.  1122. 

24.  Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Ruprecht,  Pfalzgraf, 

1463—1477  t  1480. 
Goldgulden. 

Hs.  *  ROPGRTVS  —  ^mmm^O'   (TYS    im  ROPGRTVS   ist   Doppelpräge 
und  steht  tiefer). 


25 

Der  auf  gotischem  Stuhle  sitzende  Heiland    segnet    mit   der   Rechten    und 

hält    in    der    Linken    ein    Buch.     Zu    seinen    Füssen    ein    huchireteilter 

Wsch.,  rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1.  von  Tfulz. 

Ils.    MOTirt'   ilOYmmm^^  HAMW  ►I^     (durch    Doppelschlag    aus    RIL«R 
entstanden), 

Blumenkreuz,  in  dessen  Winkeln  4  Wsch. :  oben  hocligeteilt  rechts  das 
Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1.  von  Pfalz;  rechts  in  goldenem 
Felde  das  Kreuz  von  Trier  mit  Mittelschild,  worin  der  badische  Schräg- 
rechtsbalken, das  Familienwappen  des  Erzbischofs  von  Trier,  Johann 
von  Baden ;  links  hochgeteilt,  rechts  der  Löwe  1.  von  Pfalz,  links  die 
Wecken  von  Bayern;  unten  das  Rad  von  Mainz. 

Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,18  Gr. 

V.  Merle,  S.  212,  No    9;    Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1135. 

25.  Bonn,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln :  Ruprecht,  Pfalzgraf, 

1463—1477  t  1480. 
Goldgulden. 

Hs.  *  ROPBRTVS  —  TTRaPP  00' 

Der    auf  gotischem    Stuhle    sitzende  Heiland    segnet  mit  der  Rechten   und 
hält  in  der  Linken  ein  Buch.     Zu  seineu  Füssen    ein  hochget.  Wsch., 
rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 
Rs.   *  MOUe'  aOVn  *  TTVRfl'IT  ^^  BVmiö  *  «i«  (Doppelschlag) 

Blumeukreuz,  in  dessen  Winkeln  4  Wsch.,  der  Wsch.  oben  ist  hochgeteilt, 
rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1,  von  Pfalz;  der  Wsch. 
rechts  hat  in  goldenem  Felde  das  Kreuz  von  Trier  mit  dem  badischen 
Schrägrechtsbalken  im  Mittelschilde,  als  Familienwappeu  des  Erzbischofs 
von  Trier,  Johann  von  Baden ;  der  Wsch.  links  ist  hochgeteilt,  rechts 
der  Löwe  1.  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern;  der  Wsch. 
unten  hat  das  Rad  von  Mainz. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  3,40  Gr. 

V.  Merle,  S.  212,  No.  11:  Reiohel  IV,  Abteilung  2,  No  2679;  Cappe,  Kölnische 
Münzen  No.  1133;   Wuerst,  Münzen  und  Medaillen  Bonns,  No.  54  c. 

26.    Bonn,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Hermann  von 

Hessen,  1480—1508. 
Goldgulden. 

Hs.  M>;Mirr  aLoti  —  aaciLS'  üOLOir 

St.  Petrus  mit  Heiligenschein,  schultert  den  Schlüssel  und  hält  ein  Buch. 
Unten  ein  hochgeteilter  W^sch.,  rechts  quergeteilt  oben  ein  Stern, 
unten  Gold  von  Ziegenhaiu ;  links  der  Löwe  1.  von  Hessen. 

Rs.  Moua  —  ßoviT  —  irvRö'  —  Boujia  — 

Grosses  Kreuz,  befusst,  das  auch  die  Umschrift  teilt,  darauf  geviereter  Wsch. 
1,  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  der  Löwe  1.  von  Hessen, 
3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  unten  Gold  von  ISidda. 

Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,31  Gr. 

V.  Merle,  S.  221,  No.  9;  Cappe,  Kölnische  Münzen  UÖi ;  Wuerst,  Münzen  und 
Medaillen  Bonns,  No.  59  d. 

3 


26 

27.   Dortmund,    Prägestätte    von    Kaiser   Friedrich   HL,    U40    König 

bis  1452,  Kaiser  bis  1493. 
Goldgulden. 
Hs.   FRIDaRKT  —  RO  $  IMP 

Der  stehende  Kaiser  im  Krönungsornate;  zwischen  seineu  Füssen  ein  Stern. 

Rs.   MOR  t  ROVn  J  TRffMOmaR 

Rose.     In  einem  runden  Dreipass  der  Reichsapfel. 

Grösse  2a  Mm.     Gewicht  3,34  Gr. 

Cappe,  Kaisermünzen  TU,  No.  767,  etwas  abweichend.     1878  Hess,  Katalog  No.  2880. 

28.    Lüneburg,  Prägestätte  von  Kaiser  Sigismund,  1411—1438. 

Goldgulden,  nach  1434—1437  geprägt. 

Hs.   SieiSMV'D'  o  RO'RORV  -  IMPaTOR  * 
In  einem  runden  Dreipass  der  Reichsapfel. 

Rs.   MOßÖT'  °  RO  —  LYßöB'eff' 

St.  Johannes  mit  Kopfschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  Lamm,  welches 
er  auf  dem  linken  Arme  trägt.  Zwischen  seinen  Füssen  ein  geneigter 
Wsch.  mit  dem  Löwen  1.  von  Lüneburg. 

Grösse  22  Mm.     Gewicht  3,38  Gr. 

Vergl.  Berliner  Münz-Blätter  1884,  S.  471;  1871  Kat.  Haase  (Leipzig)  No.  3034;  v.  Knyp- 
hausen  No.  5037. 

29.  Lüneburg,  Prägestätte  von  Kaiser  Friedrich  IlL,   1440-1452-1493. 

Goldgulden. 

Hs.    FRiDrtRiayS  -  RO'ROR'  *  RttX  «^ 

Runder  Dreipass  aus  2  Zwillingsfäden,  darin  der  Reichsapfel. 

Rs.    MORHT'  R.0'  .  —  LVRBB'ÖH' 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  Lamm, 
welches  er  auf  dem  linken  Arme  trägt.  Zwischen  seinen  Füssen  ein 
geneigter  Wsch.  mit  dem  Löwen  1.  von  Lüneburg. 

Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,41  Gr. 

Berliner  Münzblätter  1884,  S.  471;  Cappe,  Kuisermünzen  III,  No.  750;  K.  k.  Münz- 
kabinett in  Wien. 

30.  Hamburg,  Prägestätte  von  Kaiser  Sigismund,   1411  —  1438. 

Goldgulden. 

Hs.   SK^ISMVD'  -  RO'ftüRY'  o  IMPTTTOR  i^ 

Runder  Dreipass  aus  2  Zwilliugsfäden,  darin  der  Reichsapfel. 

lis.   NOIWT'  °  UO'  —  Ii7T.AIßVR(i«' 

St.  Petrus  mit  Heiligenschein  hält  den  Schlüssel  geschultert  und  das  Buch. 
Grösse  23  Mm.     Gewicht  3,26  Gr. 
CappP;  Kaisermünzen  IIJ,  No.  724. 


27 

31.    Ijei}«2ig,    Präg-estätte    von    Herzog  Albrecht  dem  Belierzton  von 

Sachsen,  allein  bis  1519. 
GoldgulJen. 

lls.  IXLBBRTVS  t  D'^  ii  #DA^X     SaXOl/.l  -f^ 

Dreipass  aus  2  Zwilliughfi'iden,  darin  der  Keichsapfel. 
Rs.    MO'  *  aVRHir       LJPOHrtSl 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,    weist  mit   der  Rechton    auf  das    liamm 
welches  er  auf  dem  linken  Arm   trägt.     Zwischen    seinen  Füsaeu    der 
sächsische  Rautenkranz. 
Grösse  2-3  Mm.     Gewicht  3,22  Gr. 
1875  Dresdener  Doiibletten-Auktion  No.  347. 


TII. 

Fund  von  Lenzhahu  im  Jahre  1883. 

I.  Kärnthen  unter  dem  rö  mischen  Kaiser  Ferdinand  1.  (1521),  1558-1564. 

Dukaten. 

Hs.   FERDI .  D  :  G  .  EL(ectus)  •  RO(mauorum)  —  1  —  M(perator)  .  S(emper) . 
AV(gustus)  •  GE(rmaniae)  •  HV(ngariae)  —  : 
Der  stehende  geharnischte  Kaiser  hält  das  Scepter. 

Rs.  BO(hemiae)  .  Z  .  REX  •  IN  •  ni(spaDia) .  ARCH(idux)  •  AY( Striae)  . 

E(t) .  CA(rinthiae) .  Zf  •     1564. 
Gekrönter  hochgeteilter  Wsch.,    1.  Feld  3  übereinanderschreitende  Löwen, 

2.  Feld  Querbalken. 
Grösse  21  Mm. 

2.  Nördlingen:  Kaiser  Friedrich   ÜL   1440-  1452.  Kaiser  bis   1493. 

Goldgulden. 

üs.   FRIDRiaVS  -  ROMAN(orum)  o  IMP(erator)  Hh 

Runder  Dreipass  aus  2  Zwillingslinien,  darin  der  Reichsapfel. 
Rs.   MORHT.ftO  -  liORDLlU(gensisi 

Der  stehende  St.  Johannes  mit  Heiligenschein  weist  mit  der  Rechten  auf 
das  Lamm,  welches  er  auf  seinem  linken  Arm  trägt.  Zu  seinen  Füssen 
ein   Wsch.  mit  den  8  Schildchen  von  Weinsberg, 

Grosso  2r>  Mm. 

1S78  Hess,  No.  ;-5l4S,  M.   1.0.—  ;   18S1   Fund   von  Schlnspborn. 

3,  Nürnberg,  Stadtmünzo;  Zeit  von  Kaiser  Maximilian  1..  1493—1519. 

Goldguldeu  von  1507. 

Us.   SUOmTa  «^   9YMS  2  D  l  JiVR>ßßaR6  c  15Ü7<S-P 

.Der  rechtshiu  blickende  Reichsadler  mit  N  auf  der  Brust. 

3* 


28 

Rs.   SaßaTVS^   Lu— VRGQZaiVS 

Der  über  Flammen  stehende  Heilige  hält  einen  Rost  und  ein  Buch.  Zwischeu 

dem  Felde  und  der  Umschrift  niedliche  Kreis-Verzierung, 
Grösse  23  Mm. 

4.  Nürnberg,  Stadtmünze:   Zeit  von  Kaiser  Maximilian!. 

Goldgulden  von  1511. 

Hs.   SRORffT  .  TTVR  °  RÖI  °  PV  »  UVRaRB  oI5  II  i^ 

Der  rechtshin  blickende  Reichsadler  mit  N  auf  der  Brust. 

Rs.  SuimTvs  °  LIT  —  Yuamm-s  o 

Der  über  Flammen  stehende  Heilige  hält  einen  Rost  und  ein  Buch.  Zwischen 

dem  Felde  und  der  Umschrift  niedliche  Kreis-Verzierung. 
Grösse  23  Mm. 

5.  Nürnberg:  Freie  Reichsstadt. 

Laurentiusgoldgulden  von  1614. 

Hs.   U.  b.    MONE.REIPVB-J-  NVRENBERG   1614 

Ovaler,  hochgeteilter,  verzierter  Wscb.,  rechts  der  halbe  Adler,  links  sechs- 
mal schräg  rechts  gestreift. 
Rs.   U.  b.  ^  SANCTVS  *  —  LAVRENTIVS 

Der  Heilige  stehend  r.,  hält  ein  Buch  und  einen  grossen  Rost. 
Grösse  23  Mm. 

6.  Nürnberg:  Freie  Reichsstadt. 

Laurentiusgoldgulden  von  1617. 

Hs.    U.  b.  MONE^*  REIPVB  *  W  NVRENBERG     Unten  *1617* 

Ovaler,  hochgeteilter,  verzierter  Wsch.,  rechts  der  halbe  Adler,  links  sechs- 
mal schräg  rechts  gestreift. 
Rs.   U.  b.  SANCTVS  —  LAVRENTIVS 

Der  Heilige  stehend  1.,  hält  vor  sich  einen  grossen   Rost  und  in  der  linken 

Hand  eine  Palme. 
Grösse  23  Mm. 

7.    Markgrafschaft  Brandenburg  in  Franken:    Friedrich  in  Ansbach 
und  Bayreuth  (1486)  allein,  1495—1515  f  1536. 
Goldgulden  von  1500,  in  Schwabach  geprägt. 
Hs.    FRIDRiai  S  D  o  e  —  5I?.7rRaii(io)  o  BR7m(denburg) 

St.  Johannes  mit  Heiligenschein,  weist  mit  der  Rechten  auf  das  auf  seinem 
linken  Arme  liegende  Lamm ;  zwischen  seinen  Füssen  der  Brackenkopf 
r.    Zwischen  dem  Felde  und  der  Umschrift  niedliche  Kreis-Verzierung. 
Rs.    5ROU«#ftOVir  °o  -uVR  o  SWOBITaii  S  1500  + 

Bluraenkreuz  mit  4  Wscli.  in  den  Winkeln.    Oben  der  Adler  von  Branden- 
burg, zur  Rechten  gevieret  von  Schwarz  und  Weiss :  Zollern,  zur  Linken 
der  Greif  1.  von  Pommern;  unten  der  Lowe  1.  in  weiss-roter  Einfassung: 
Nürnberg.     Auf  der  Mitte  des  Blumenkreuzes  4  Vertiefungen. 
Grösse  22  Mm. 


29 

8.    Baden:  Markgraf  Christoph,  li75— 1527. 

Goldgulden, 

Hs.    o  ORISTOF  o  MIT  —  RQmO  °  Itt  °  BiT(densi8) 

Brustbihl    St.  Petrus'  mit  Heiligenschein,    Schlüssel    nnd  Buch  über  einem 
geviereten  Wsch.,    1.  u.  4.    Feld    der   Schrägrechtsbalken    von    Baden, 
2.  u.  3.  Feld  16 mal  geschacht  in  4  Reihen  wegen  der  liinteien  Graf- 
schaft Sponheim. 
Rs.  MORffTIT    llOYir  o  irVRÖ'iT  o  BTTDÖft  •  IS  o 

4  Wsch.  in  den  Winkeln  eines  Blumenkreuzes,  1.  Wsch.  oben  Schräg- 
rechtsbalken von  Baden,  2.  Wsch.  zur  Rechten  16  mal  geschacht  in 
4  Reihen  wegen  der  hinteren  Grafschaft  Sponheim,  'S.  Wsch.  zur  Linken 
hochgeteilt,  Löwe  1.  von  Mahlberg  und  Balken  von  Lahr,  4.  Wbch. 
unten,  querliegender  Flug  von  Usenberg. 

Grösse  24  Mm.     Gewicht  3,30  Gr. 

1883  Hess,  Katalog  No.  3418  var. 

?.  Mainz:  Erzbischof  Albert,  Markgraf  von  Brandenburg,   1514 — 1545, 

Goldgulden. 

Hs.   0  o  aL(bertus)  o  7T(rchi)  °  e[P(iscopu8)  o  5ß(oguntiae)  —  a  -  SÜHY  -  «TD 
Der  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzende  Heiland  hat  die  Rechte  zum  Seg- 
nen erhoben  und  in  der  Linken  ein  Buch ;  zu  seinen  Füssen  in  einem 
Wsch.  das  Rad  von  Mainz. 

Rs.  Oben  *  snoua-^  —  ^^rVRG-:-  —  'IRöm:« 

In  spitzem  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  3  kleinen 
Wsch.,  1.  Feld  das  Rad  von  Mainz,  2.  Feld  quergeteilt,  oben  Rot, 
unten  Weiss:  Magdeburg,  3  Feld  hochgeteilt,  rechts  Rot,  links  Weiss: 
Halberstadt,  4.  Feld  der  Adler  von  Brandenburg, 

Im  Wsch,  rechts  das  Kreuz  von  Trier,  links  das  Kreuz  von  Köln,  unten 
die  Wecken  von  Bayern, 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Mainzer  Münzen  No.  749,  T.  IV,  No,  69;  1868  Schulthess-Rechberg , 
Kat.  No.   1997. 

10.   Riele,  Prägestätte  des  Erzbischofs  von  Köln:  Dietrich  Graf 

von  Mors,  1414—1463, 
Goldgulden. 

Hs,   •  TTiöOüia  *  1TR  —  GPI  *  GOLOU' 

Der    stehende   heilige    Petrus    schultert    mit    der   Rechten    einen    Schlüssel 
und    hält    in    der  Linken   ein  Buch;    zu    seinen  Füssen    der    mörsische 
Wsch.,  der  Balken  auf  goldenem  Felde. 
Rs.   *  MOU;  —  *  ttOV  —  *  RIL  *  —  *  GUS' 

In  einem  spitzen  Vierpass  der  Hauptschild  von  4  Wsch.  umgeben.  Im 
Hauptschilde  das  Kreuz  von  Köln  auf  goldenem  Felde,  belegt  mit  dem 
Balkenschilde    von    Mürs,     Im    Wsch.    oben    das  Rad    von  Mainz,    zur 


30 

Rechten  das  Kreuz    von  Trier,    zur  Linken    die  Wecken   von  Bayern, 
unten  der  Lowe  von  Jülich. 
Grösse  23  Mm. 

11.  Bonn;  Erzbischof  Ruprecht  von  der  Pfalz,  Köln   1463 — 1480. 

Golilgulden. 

Hs.   ^  ROPaRTVS  "--"^rRaPriarchiepiscopus)  nO'Oonieusis) 

Der  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzende  Heiland  hat  die  Rechte  zum  Seg- 
nen erhoben  und  in  der  Linken  ein  Buch;  zu  seinen  Füssen  in  einem 
Wsch.  das  Rad  von  Mainz. 

Rs.  V  M()«.a'  Rovii:  *  i:vRH[:iT  ^  BYwurt  * 

in  den  Winkeln  eines  Biumenkreuzes  4  Wsch.  Der  Wsch.  oben  ist  hoch- 
geteilt,  rechts  das  Kreuz  von  Köln,  links  der  Löwe  1.  von  Pfalz;  der 
Wsch.  rechts  hat  in  goldenem  Felde  das  Kreuz  von  Trier  mit  dem 
Familienwappen  des  Erzbischofs  von  Trier :  Johann  von  Baden,  dem 
Schrägrechtsbalken  als  Mittelschild ;  der  Wsch.  links  ist  hochgeteilt, 
rechts  der  Löwe  I.  von  Pfalz,  links  die  Wecken  von  Bayern;  unten 
das  Rad  von  Mainz. 

Grösse  26  Mm. 

"Wuerst,    Münzen  und  Medaillen  Bonn.s   No.  54  c,  var. ;    ebenso    Fund  von  Schlossborn. 

12.  Bonn.  Prägestätte  des  Erzbischots  von  Köln;    Hermann  von 

Hessen,    1480—1508. 

Goldgulden. 

Hs.   I^Mul' (Hermaunus)H[LaTI(electus)  —  BOaLHYsie)  (10L0I?.'(iensis) 

St.  Petrus  mit  Heiligenschein,    schultert  den  Schlüssel  und  hält  ein  Buch. 
Unten  ein  hochgeteilter  Wsch.,  rechts  quergeteilt,  oben  ein  Stern,  unten 
Gold   von  Ziegeuhain ;  links  der  Löwe  1.  von  Hessen. 
Rs.   MOfta     -  ttOYTT  —  TrVRB'  —  BORilQ 

Grosses  bofusstes  Kreuz,  das  auch  die  Umschrift  teilt,  darauf  geviereter 
Wsch,,  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  Löwe  1.  von  Hessen, 
3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  unten  Gold  von  Nidda. 

Grösse  28  Mm. 

V.  Merle,  S.  221,  No.  i);  Cappe,  Kölni.sche  Münzen  No.  1181;  Wuerst,  Münzen  und 
Medaillen  Bonns  No.  r)9d;    18SI  Fund  von  Schlossborn. 

13.   Köln:  Erzbischof  Hermann  von  Hessen, .1480 — 1508. 

Goldgulden  von  1.508, 

Hs.   I/.'W.nP   aR  —  (IPI'  QOLO' 

Christus,    auf  gotischem  Stuhle  sitzend,    hält   in  der  Linken  ein  Buch;    zu 
seinen  Füssen  ein  hochgeteilter  Wsch,,  rechts  der  Löwe  1.  von  Hessen, 
links  hochgetcilt  oben  ein  Stern,  unten  Gold  von  Ziogenhain. 
Rs.  *  5ßO'  7TV  *  —  *  RGRff  «  —  S'    1  5C  8  '' 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch. ;  darum  3  kleine 
Wsch.:  1.  u.  4.  Feld  das  Kreuz  von  Köln,  2.  Feld  der  Löwe  1.  vod 
Hessen,  3.  Feld  quergeteilt,  oben  2  Sterne,  unten  Gold  von  Nidda. 


31 

Im  kleinen  Wscli.   oben  rechts   das   Rad  von  Mainz,    links  das  Kreuz  von 

Trier,  unten  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 

Grösse  24  Mm. 

V.  Sootho,  No.  543;  Cappo,  Kölnische  Münzen  No.  1200. 

14.    Köln:  Erzbischof  Hermann  Y.  Graf  von  Wied,  1515—1546. 

Goldgulden. 

Hs.  u'5i^ar  «LffT  —  I  wadL«'  ao' 

Christus,  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzend,  hält  in  der  Linken  ein  Buch; 
darunter  befindet  sich  ein  Wsch.  mit  dem  Kreuze  von  Köln. 

Rs.  Oben  °  5R0'  7TVR  —  RQm  —  S'  o  15  17  * 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  Wsch.,  umgeben  von  drei  kleineren. 
Im  grösseren  Wsch.  das  Kreuz  von  Köln,  auf  demselben  liegt  als 
Mittelschild  das  Familienwappen  von  Wied:  vier  rote,  schräg  rechts 
laufende  Balken,  auf  denen  sich  ein  Pfau  befindet.  Im  kleineren  Wsch. 
rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von  Trier,  unten  der  Löwe  1. 
von  Pfalz. 

Grösse  23  Mm. 

V.  Merle,  S.  236,  No.  6  var.;  Numismatische  Zeitung  1865,  S.  84,  No.  12  var. ;  Köhler, 
Dukaten- Kabinett  No.  931  var. 

15.  Köln:  Erzbischof  Johann  Gebhard  Graf  v.  Mausfeld,   1558—1562. 

Rheinischer  Goldgulden  von  1558. 

Hs.  ••  •  lOHA  .  GB  .  (Gebhard)  —  EL  .  EC  .  CO  .  -• 

Der  Heiland,  auf  einem  gotischen  Stuhle  sitzend,  erhebt  die  Rechte  zum 
Segnen  und  hält  in  der  Linken  ein  Buch.  Unten  ein  Wsch.  mit  dem 
Kreuze  von  Köln. 

Rs.  Oben  MO  •  AV RHNE I-  55  8  v 

In  einem  spitzen  Dreipass  ein  grosser  geviereter  Wsch.,  umgeben  von  3 
kleineren  Wsch.  Das  1.  u.  4.  Feld  des  grösseren  Wsch. 's  ist  wieder 
gevieret,  1.  u.  4.  die  3  Balken  von  Querfurt,  2.  u.  3.  je  6  Rauten  in 
2  Reihen  von  Mansfeld ;  im  2.  Felde  ein  Adler  von  der  Herrschaft 
Arnsteiu,  im  3.  Felde  Löwe  1.,  über  welchem  ein  aus  2  silberneu  und 
roten  Schachreihen  bestehender  rechter  Schrägbalken  gelegt  ist  wegen 
der  Herrschaft  Heldrungen. 

Im  kleineren  Wsch,  oben  rechts  das  Rad  von  Mainz,  links  das  Kreuz  von 
Trier,  unten  der  Löwe  1.  von  Pfalz. 

Grösse  24  Mm. 

V.  Merle,  S.  253,   No.  2  var.;  Numismatische  Zeitung  1865,  S.  117,  No.  82  var. 

16.  Köln:  Erzbischof  Johann  Gebhard  Graf  v.  Mansfeld,   1558—1562. 

Rheinischer  Goldgulden  von  1558. 

Hs.  .  .  lOHA  *  GB  .  —  .  EL'EC  .  COL  .     Wie  vorstehend. 


32 

Rs.   Oben  MON  •  AY RENEN 155^/* 

"Wie  vorstehend,    doch    sind    im   grösseren   Wsch.    die  Felder  des    1.  u.  4. 

Feldes  anders  gestellt,  nämlich   1.   ii.  4.  je  6  Rauten  in  2  Reihen  von 

Mansfeld,  2.  u.  3.  die  3  Balken  von  Querfurt. 
Grösse  24  Mm. 
V.  Merle,  S.  253,  No.  3;    Numismatische  Zeitung  1865,  S.  117,  No.  83? 

17.  Köln,  Stadt. 
Rheinischer  Goldgulden  von  1513. 

Hs.   o  (HVIT  ?  aO  —  LORff'  °  15 13 

Christus,  auf  gotischem  Stuhle  sitzend,  erhebt  die  Rechte  zum  Segneu  und 
hält  in  der  Linken  die  Weltkugel ;  unter  seineu  Füssen  ein  quergeteilter 
Wsch.  oben  mit  den  3  Kronen,  unten  als  Gold  gepunktet,  das  Stadt- 
wappen hat  unten  Silber. 

Rs.     -i^SllOW  -  -niOY'  -  •v>irVR'(enenses)  -  -.vftaß' 

In  einem  spitzen  Vierpass  ein  quergeteilter  Wsch.  von  4  Wsch.  umgeben, 
im  Ilauptwappen  oben  die  3  Kronen,  unten  Gold,  als  Stadtwappen 
(s.  vorstehend).  Im  Wsch.  oben  das  Rad  von  Mainz,  zur  Rechten  das 
Kreuz  des  Erzstifts  Köln,  zur  Linken  das  Kreuz  von  Trier,  unten  die 
Wecken  von  Bayern. 

Grösse  23  Mm. 

Cappe,  Kölnische  Münzen  No.  1286,  T.  V,  No.  82. 

18.    ZwoUe,  Freie  Reichsstadt  zur  Zeit  von  Kaiser  Rudolph  IL 

1576—1612. 

IIs.   MO  .  AV  .  IMP  —  CIVI .  ZWOL  • 

Wsch.  mit  dem  Kreuze  von  Zwolle,  darüber  ein  gekrönter  verzierter  Helm, 
der  von  einem  Engel  gehalten  wird. 

Rs.   RVDOL  -  II .  D  G  .  ELEC  .  RO  .  IM  -  SEM  .  A 

Der  gekrönte  doppelköpfige  Reichsadler  mit  dem  Reichsapfel  auf  der  Brust. 
Grösse  23  Mm. 

19.    Brabant:  Philipp  U.  König  von  Spanien,  1555 — 1576—1598. 

Hs.   U.  b.  .  DO.MINVS  •  MIHI  •  ADIVTOR  . 

Brustbild    des    Königs    von    der    rechten    Seite.      Darunter    die    Hand    von 
Antwerpen. 
Rs.   PH(ilippu)S  .  D(ei) :  G(ratia)  •  HlSP(aniarum)    Z  REX  •  DVX  BRA(bantiae) 

Gekrönter  geviereter  Wsch.  1.  Quartier  ist  geviert:  1.  u.  4.  Feld  der 
Turm  von  Castilien,  2.  u.  3.  Feld  der  Löwe  1.  von  Leon.  2.  Quartier 
ist  hochgetcilt :  rechts  3  Pfähle  von  Arragonien,  links  schräggeviert, 
oben  und  unten  4  Pfähle,  auf  den  Seiten  je  ein  Adler,  Königreich 
Sicilien.  Die  Spitze  zwischen  diesen  beiden  Hauptquartieren  hat  einen 
Granatapfel  von  Granada.     3.  Quartier  ist  quergeteilt,    oben  die  Binde 


33 

von  Österreich,  unteu  sechsfach  schrägrechts  gestreift:  ITerzogtuni 
Biirg-und,  4.  Quartier  ist  quergeteilt,  oben  mit  Lilien  bestreut,  unten 
ein  Löwe  1.  :  Herzogtum  Brabant.  Der  Mittelschild  zwischen  den 
beiden  unteren  Quartieren  ist  hochgeteilt,  rechts  Lüwe  1.  wegen  der 
Herrschaft  Flandern,  links  Adler  wegen  der  Grafschaft  Tirol. 
Grösse  24  Mm. 

20.  Stadt  Gent  1583.   1584. 

Noble. 

IIs.   MO  :  —  AVREA  •  RESTAA^E  •  METROPOL  •  GAN3    Oben  •  FLAND  . 

Eine  gekrönte  stehende  Person  in  einem  Schiffe  ;  sie  hält  in  der  Rechten 
ein  Schwert,  in  der  Linken  einen  Wsch.,  worauf  ein  Löwe  1.  Zu  ihrer 
Rechten  eine  Fahne  mit  einem  Löwen  1.;  in  der  Höhe  des  Kopfes 
N  -  -  T.  Das  Schiff  ist  auf  seinen  Planken  mit  schreitenden  Löwen  1. 
und  Kreuzchen  vorziert  und  trägt  unter  der  Fahne  einen  viereckigen, 
an  der  anderen  Seite  einen  sechseckigen  Behälter. 
Rs.  Oben  Kleiner  Löwe  l  NISI  •  DNS  •  CVSTOD  .  CIVITAT  •  FRYSTRA  • 
YIGH.ANT.  83- 

Im  Felde  ein  verziertes  Zwillingsfadenkrouz,  vor  dessen  Balken  Lilien 
stehen ;  in  der  Mitte  einer  Einfassung  eine  Rose.  In  den  Kreuzwinkeln 
je  ein  Löwe  1.  unter  einer  Krone.  Das  Ganze  ist  von  einer  achtbogigen 
Einfassung  umgeben,  deren  äussere  Ecken  mit  Kleeblättern  verziert  sind. 

Grösse  32  Mm. 

De  Bast,  IL  Suppl.  pl.  II,  No,  2;  C.  P.  Serrure,  Cabinet  du  Prinee  de  Ligne  1847, 
No.  182,  S.  276. 

21.  Belgische  Föderation. 

Von  1596. 

Hs.   Auf  einer  verzierten  Tafel  in  5  Zeilen:  MO  ORDl  j  PROYIN  |  FOEÜER  1 

BELG  AD  I  LEG  IMP  i 
Rs.  CONCORDIA  •  RES  —  •  P  —  AR  =  CRES  .  TRAÖ 

Der  geharnischte  Mann  r.  mit  geschultertem  Schwerte,  und  dem  Pfeilbüudel 

in  der  Linken.     Zu  beiden  Seiten  15" ^6 
Grösse  23  Mm. 

22.  Belgische  Föderation. 

Von  1598. 

Hs.   Auf  einer  verzierten  Tafel  in  5  Zeilen:  MO  ORDI  |  PROYIN  \  FOEDER  | 

BELG  .  AD  I  LEG  .  IMP  l 
Rs.  CONCORDIA  -lüS  -  P  —  AR  CRES  •  TRAi^^ 

Der  geharnischte  Mann  r.  mit  geschultertem  Schwerte,  den  Pfeilbündel  in 

der  Linken.     Zu  beiden  Seiten  15  "9  8 
Grösse  23  Mm. 

23.    England:  König  Heinrich  YIIL,  1509—1547. 


Angel. 


X 


Hs.  ^^  jianma  ?  ?  y  .  i .  i  •  p  >  di  V  öRir  x  u&x.  i  itgl'  x  z  >.  f'  - 

Der  Erzengel  Michael  r.  tötet  mit  einem  Kreuzstabe  den  Lindwurm. 


34 

Rs.   i  PÖR  X  aRYaff-  X  TYTT'  x  SaLVIT  x  WOS  x  XPB'  x  RAD 

Ein   Schiff  mit   einem   geviereten    Wscli.     1.  u.  4.   Feld   je   3  Lilien    von 
Frankreich,    2.    u.    3.    Feld  je   3    Leoparden   übereinanderschreitend  1. 
von  England.     Oben  neben  dem  Kreuzmast  li  — © 
Grösse  28  Mm.     Gewicht  5,20  Gr. 
1868  Schultliess-Rechberg,  Kat.  No.  444  ähnlich. 

24.  Frankreich:  König  Franz  L,   1514 — 1547. 

ficu  d'or,  in  Bayonne  geprägt. 

Hs.   D  ^VS  FRANCISCVS  :  D  :  G  .  FRANCORVM  :  RX  * 

Gekrönter  Wsch.   mit  den  3  französischen  Lilien. 

Rs.  D^^^9  XPS  :  YINCIT  :  XPS  :  REGNAT  :  XPS  :  IMPR  '^^ 

Lilienkreuz  mit  2  F  und  2  Lilien  in  den  ^yinkelu. 
Grösse  27  Mm. 

25.  Frankreich:  König  Franz  L,   1514 — 1547. 

Ecu  d'or,  in  Toulouse  geprägt. 

Hs.   FRANCISCVS  :  DEI :  ÄACIA  :  FRANCO  .  REX    Kleeblatt. 

o 

Gekrönter    Wsch.    mit    den    3   französischen    Lihen,    zwischen    den    beiden 
oberen  ein  Punkt.     Über   der  Krone '^. 
Rs.  XPS  :  VINCIT  :  XPS  :  REGNAT  :  XPS  :  DIPERAT     Kleeblatt. 

o 

Lilieukreuz  mit  einem  Punkte  in  der  Mitte ;  in  den  Winkeln  zwei  F  und 
zwei  Lilien.  Der  Ringel  unter  dem  5.  Buchstaben  zeigt  die  Präge- 
stätte Toulouse  an. 

Grösse  26  Mm. 

26.  Frankreich:  König  Franz  L,  1514—1547. 

Ecu  d'or,  in  Poitiers  geprägt. 

Hs.   FRANCISCVS  :  DEI :  GRA  :  FRANCORV  :  REX  :  R  >¥ 

Gekrönter  Wsch.  mit  den  3  französischen  Lilien  und  einem  Punkte  zwischen 
den  beiden  oberen.     Unter  dem  Wsch.  G. 

Rs.  XPS  :  VINCIT  :  XPS  :  REGNAT  :  XPS  :  iMPER  .  R  •  -i" 

Kreuz  mit  einem  Punkte  in  der  Mitte;  darum  eine  Einfassung  von  zwölf 
Bogen,  deren  zusammenstossende  Spitzen  mit  Kleeblättern  besteckt  sind. 
Der  Punkt  unter  dem  8.  Buchstaben  zeigt  die  Prägestätte  Poitiers  an. 

Grösse  26  Mm. 

27.    Frankreich:  König  Louis  XIL,   1497—1514. 

Ecu  d'or, 

Hs.  LVD0VTCV8  S  DEI  ?  ÖRirCITT  SFRTrNCORV  ;^  REX-.Krone  üb.  einer  Lilie. 

Gekrönter   Wsch.    mit    den    3    französischen    Lilien,    zwischen    den    beiden 
oberen  ein  Punkt;  über  der  Krone  :^ 
Rs.  XPS  o  VINCIT  o  XPS  2  REGNITT  S  XPS  o  IMPERTTT  .-. 

Krone  über  einer  Lilie.   —  Lilienkreuz. 

Grösse  26  Mm. 


35 

28.  Frankreich:  König  Franz  L,  1514—1547. 

Ecu  d'or,  in  Bayonne  geprägt. 

II s.    D  "^-^  FRANCISCVS  :  D  :  ü  •  FRANCORYM  :  RX  -^ 

Gekrönter  Wsoh.  mit  den  3  französischen  Lihnn. 
Rs.   D  "^^  XPS  :  V INCIT  :  XPS  :  REU  N  AT  :  XPS  :  LMPR  f^ 

Lilienkreuz,  in  dessen   Winkeln  2  F  und  2  Lilien. 

Grösse  -'7  Mm. 

29.  Priuikreich:  König  Franz  L,  1514—1547. 

Ecu  d'or,  in  Poitiers  geprägt. 

lls.  FRANCISCVS  :  DEI :  GRA  :  FRAXCORV :  REX  :  R  + 

Gekrönter  Wsch.  mit  den  3  französischen  Lilien. 
Rs.  XPS  :  VINCIT  :  XPS  :  REGNAT  :  XPS  :iMPER  •  R  •  + 

Kreuz    mit  'einem    Punkte    in    der  Mitte;    darum    eine   Einfassung   von   12 
Bogen,  deren  zutiammeustossende  Spitzen  mit  Kleeblättern  besteckt  sind. 
Grösse  26  Mm. 

30.  Frankreich:  König  Franz  L,  1514—1547. 

Ecu  d'of,  in  Toulouse  geprägt. 

Hs.    FRANCISCVS  :  DEI :  GRACIA  :  FRANCO  .  REX    Kleeblatt. 

Gekrönter    Wsch.    mit    den    3    französischen    Lilien,    über    der   Krone  -^  ; 
zwischen  den  beiden  oberen  Lilien  ein  Punkt. 
Rs.   XPS:  VINCIT:  XPS:  REGNAT:  XPS  :IMPERAT    Kleeblatt. 

Lilienkreuz  mit  einem  Punkte  in  der  Mitte,  in  den  Winkeln  2  F  und  2  Lilien. 

Grösse  26  Mm. 

31.    Frankreich:  König  Louis  XIL,  1497—1514. 

Ecu  d'or. 

Hs.   LVDOVICVS  oDm  %  GRACIA  %  FRANCORV  5  REXA 

Krone  über  einer  Lilie.  Gekrönter  Wsch.  mit  den  3  französischen  Lilien ; 
über  der  Krone  >^  ;  zwischen  den  beiden  oberen  Lilien  ein  Punkt. 

Rs.   XPS  Z  VINCIT  :i  XPS  o  REGNAT  l  XPS  %  IMPERAT  /. 
Krone  über  einer  Lilie.     Lilienkreuz. 
Grösse  26  Mm. 

32.    Brabant:  König  Philipp  IT.  von  Spanien,  1556—1598. 
Thaler  von  1574,  in  Antwerpen  geprägt. 

IIs.   U.  b.  PHS  .  D  :  G  HISP     5     REX  •  DVX  BRA  • 

Unten  15  die  Hand  von  Antwerpen  74,  Brustbild  des  Königs  \. 

Rs.    .  DOMINVS  .  MIHI  •  ADIVTOR  • 

Gekrönter,  vierfeldiger  Wsch.  wie  No.  19  auf  den  beiden  gekreuzten 
Ästen.  Zu  den  Seiten  zwei  Fcuerstähle  mit  Verzierung  daran;  unten 
das  Juwel  vom  Orden  des  goldenen  Vliesses. 

Grösse  43  Mm. 


36 

33.  Geldern:  linierte  Niederländische  Provinzen. 

Thaler  von  1618. 

Hs.   MO(neta)  •  ARG(entea) .  PRO  •  C  —  ONFOE  •  BEL  •  GEL 

Stehender  Eitter    hiilt  iu  der  Rechten    den  Kommandostab,    in    der    linken 

hält  er  ein  flatterndes  Band  zusnmmen ;    vor   ihm    ein  Wsch.  mit  dem 

Löwen  1.  von  Geldern. 
Rs.   CONFIDENS  •  DXO  •  NOX  .  MO VETVR  •  1 6 

Das  Zeichen  der  Münzstätte  ist  nicht  auf  den  Schrötliug  gekommen  lö 

Löwe  1. 
Grösse  43  Mm, 

34.  Mirandola:  Herr  Ludwig  Picus  IL,   LjTI — 1574. 

Scudo  d'oro. 

Hs.   L VD(ovicus) .  PICVS  •  H  -  W^  (andulae)  CON .  Q  .  DXS  * 

Geviereter   verzierter    Wsch,    mit   Mittelschild;     1.  u.  4.    Feld    der    Adler, 
2.  u.  3.  Feld  auf  3  Querlinien  der  Löwe  1.,  Mittelschild  geschacht. 

Rs.    IN .  TE .  DOMINE  CONFIDO  -k  Kreuz  mit  Lilien  verziert. 
Grösse  24 — 25  Mm, 

35.  Mantua:  Friedrich  H.   1519,  Herzog  1530—1540. 

Zecchino. 

Hs.    FED(ericus)  •  DVX  .  MAN(tuae)  •  '£  •  MAR(chio) .  MONTIS  .  FE(rrati)  * 

Geviereter  Wsch.  mit  Mittelschild,    darüber    der   Berg  Olymp    unter    einer 
Krone,  die  4  Felder  des  Wsch.  enthalten  jedes  einen  Adler,  der  Mittel- 
schild  ist    auch   gevieret,    das   1.  u.  4.  Feld   zeigt    den    lombardischen 
Löwen,  das  2.  u.  3.  Feld  die  Querstreifen  des  Hauses  Gonzaga. 
Rs.    SI .  LABORATIS .  EGO  .  REFICIAM  .  *f 

Christus,  in  Halbfigur  von  vorn,    auf  einer  Estrade  predigend,    hinter  ihm 
das  Kreuz  mit  2  Geissein. 

Grösse  26  Mm.     Gewicht  3,80  Gr. 

1875  Hamburger,  Kat.  Löhr,  Stecki  und  Regnault,  No.  5037. 

36.  Lucca. 

Zecchino. 

Hs.   .  SANCTVS  ^  YVL  Sehildchen  TVS  •  DE     LVCA  .  t 

Gekröntes  Brustbild  Christi. 
Rs.    CAROLVS  .  IMPERATOR  .  ^ 

Verzierter  Schild,  darin  auf  einem  Bande    JIIBERTAS 

Grösse  25  Mm. 

37.  Lucca. 

Zecchino  von  1552  ? 

Hs.    .  8  .  YVLTYS  .  o  .  .  _  .  DE  LVCA  •  + 

Gekröntes  Brustbild  Christi. 
Rs.    CAROLVS  .  IMPERATOR  •     Oben  15%^1 

Verzierter  Schild,  darin  auf  einem  Bande  LIBERTAS. 

Grösse  24  Mm. 


37 

38.    Montalcino,    Notmünze  von    König  Heinrich  IT.    von    Frankreicli, 

1555—1559. 
Kcu  d'or  von  1557. 

Hs.   .  R .  B  .  SEN .  IN  MONTE  .  ILICINO  .  ^ 

Die  stehende  Wölfin  1.  säugt  Roraulus  uad  Remus.     Im  Absch.  I5(A)  51 

Rs.  HENRICO  «11.  AYSPICE 

Kreuz  zwischen  2  Rosetten.    In  einem  verzierten  Schilde  auf  einem  schräg- 

rechts  liegenden  Bande  LIBERTAS  . 
Grösse  25  Mm. 

39.  Sicilien:  Johanna  und  Karl  V.,   1516 — 1555. 

IIs.  lOANA  o  ET  %  CAROLVÖ 

Geviereter  gekrönter  Wsch.  Das  1.  u.  4.  Quartier  ist  gevieret,  das  2. 
u.  3.  hochgeteilt.  1  u.  4.  Quartier  im  1.  u.  4.  Feld  die  Türme  mit 
den  3  Zinnen:  Castilien,  2.  u.  3.  Feld  Löwe  1.  von  Castilien;  2.  Quar- 
tier rechts  das  Kreuz  wegen  Jerusalem,  links  das  Kettenviereck  mit 
gewöhnlichem  und  Andieaskreuze  von  Navarra;  3.  Quartier  rechts  die 
3  Pfähle  von  Arragonien,  links  schräggevieret,  oben  und  unten  4  Pfähle, 
auf  den  Seiten  je  ein  Adler:  Königreich  Sicilien.  Die  Spitze  zwischen 
den  beiden  unteren  Quartieren  zeigt  den  Granatapfel  von  Grauada. 

Rs.   HISPANIARVM  °  REGES  l  SICILIAE    Turm. 

In  einem  Vierpass,    dessen   innere    Spitzen    mit  Kleeblättern    verziert  sind, 

ein  befusstes  Kreuz. 
Grösse  28  Mm. 

40.  Sicilien:  Johanna  und  Karl  V.,   1516—1555. 

Hs.  10 ANA  o  ET  °  KAROLYS 

Geviereter  gekrönter  Wsch,  wie  vorstehend,   zu  dessen  Seiten  S  —  ^r 

Rs.    Wie  vorstehend. 
Grösse  22  Mm. 

41.    Spanien:   König  Philipp  IL,  1556 — 1596   und   Marie  von  England, 

seine  Gemahlin,  1554 — 1558. 
2  Dukaten. 

Hs.  PHLS  .  D  :  G  §  HISP  §  A  §  S  S  §  REX  SCOSSES 

Die  beiden   "gekrönten   sich  anschauenden  Brustbilder  des  Königs    und  der 
Königin;  oben  [-f;,  zwischen  den  Brustbildern  'S* 
Rs.   .  SVB  %  YMBRA  %  ALARYM  .  T 

Adler,  dessen  Kopf  und  Flügel  sichtbar  sind  ;  auf  ihm  liegt  ein  gekrönter 

Wsch.  wie  Nu.  39  beschrieben. 
Grösse  29  Mm. 


38 

42.  Portugal:  König  Johaun  III.,  1521 — 1557. 

Breiter  Dukaten  o.  J.  oder  halbe  Crusade. 

Hs.  lOANES  .  N  TU  N  R  V  PORTYGALIE  .  a  A  ^• 

Wsch.  mit  5  kleinen  Wsch.  kreuzweise  belegt,  deren  jedes  5  Pfennige  i)i 
Gestalt  eines  Andreaskreuzes  zeigt.  Der  Wsch,  ist  mit  einem  Bande 
eingofasst,  welches  8  Türme  mit  Thiiren  und  Fenstern  enthält.  Das 
Ganze  ist  gekrönt. 

Rs.   IN'. Y.  HOC. Y.SIGNO --VYINCES-Y. Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  27  Mm.     Gewicht  3,80  Gr. 

43.  Portugal:  König  Johann  lU.,  1521  —  1557. 

a)  Hs.  10 AXES  •  \  •  1 1 1  :  a  .  R  :  a  .  PORTVGALI .  a 

Gekrönter  Wsch.  wie  vorstehend,  zu  dessen  Seiten  L  —  R 

Rs.   LN' 'A- HOC -Y- SIGNO  r.  YIXCES'Y- Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 

Dasselbe  mit  PORTYG     und      %  —  R. 

Grösse  23  Mm. 

b)  Hs.   Dasselbe  mit  POR  und       R  —  I. 

Rs.   IN  k  HOC  -V  SIGNO  %  YIN    'A*      Kreuz,   darüber  3  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 
e)  Hs.  Dasselbe  mit  PORT  und       R  —  T 

Rs.   IN  A  HOC  Y  SIGNO  Y  YTNCES      Kreuz,  darüber  3  Punkte. 
Grösse  23  Mm. 
d)  Hs.  lOANES  A'  111  ^-  R  ■?<  PORTYGALl    Ohne  Buchstaben  an  den  Seiten. 
Rs.   Wie  vorstehend, 
Grösse  24  Mm. 

44. 

a)  Hs.   10 A.-  m-.-  POR*/  ET".  AL'.  R  .  D  :  G+    Der  gekrönte  Wsch. 

Rs.    Ds  :  HOC  :  SI  —  NO  :  ANOS  +  Kreuz  auf  einem  Steinhaufen. 

Grösse  23  Mm. 

b)  Hs.  lOA  .  m  :  POR  :  ET  :  AL  :  R  :  D  :  (    )+  Der  gekrönte  Wsch. 

Rs.   IN  :  HOCZ:  IG  --  NO  :  YINCE  ^  •:•         Kreuz  auf  einem  Steinhaufen. 
Grösse  24  Mm. 

c)  Hs.  lOA  :  in  :  POR  :  ET  :  AL  :  R  «^  Der  gekrönte  Wsch. 

Rs.   TN  HOC  .  Sl  —  NO  -  YINCES  :  ^  Kreuz  auf  einem  Steluhaufen. 

Grösse  23  Mm. 

d)  Hs.   lOA  :  m  :  POR  :  ET  :  AL  :  'b  Der  geknmte  Wsch. 

Rs.   IN  HOC  .  SI  —  NO  .  YINCS  :    ^  Kreuz  auf  einem  Steinhaufen. 

Grösse  23  Mm, 

45.    Portugal:  ICönig  Sebastian,  1557 — 1578 

Hs.   SEBASTJANYS  .  I  :  REX  :  PORTY  +    Der  gekrönte  Wsch. 
Rs.   IN  HOC  :  SIGNO  .  YINCES    ^  Befusstes  Kreuz. 

Grösse  25— 2G  Mm. 


Töpfer-  und  Zieg*elstempel  der  flavisclien  und  vor- 
flavisclien  Zeit  aus  dem  unteren  Maingebiete. 


Von 

Prof.  Dr.  Georg  Wo  im 


Die  Bedeutung,  welche  die  Niddalinie  und  besonders  die  Mündung  dieses 
Flusses  in  den  Main  für  die  römische  Okkupation  der  Wetterau  gehabt  haben 
muss,  war  von  älteren  Lokalforschern  wohl  erkaunr,  in  neuerer  Zeit  aber 
weniger  beachtet  worden,')  Als  nun  vor  3  Jahren  die  Auffindung  der  Central- 
ziegeleien  des  römischen  Kommandos  von  Mainz  zwischen  Höchst  und  Nied  die 
Aufmerksamkeit  jener  wichtigen  Stelle  von  neuem  zulenkte,  zugleich  aber  der 
älteren  Annahme  eines  Kastells  beimDorfe  Nied  die  Grundlage  entzog,  mussten 
sich  die  Blicke  um  so  mehr  auf  die  Stadt  Höchst  selbst  richten,  weil  ihre  Lage 
allein  den  Voraussetzungen  für  ein  am  Mainknie  hinter  der  Niddamünduug 
anzunehmendes  Kastell  entsprach  und  gleichzeitig  die  ersten  sicheren  Mitteil- 
ungen über  römische  Funde  auf  dem  Boden  von  Höchst  selbst  gemacht  werden 
konnten,  Diese  Funde  haben  sich  nun  in  den  letzten  Jahren,  seitdem  dem 
Orte  eine  ununterbrochene  Aufmerksamkeit  zugewendet  wri'd,  erhel)lich  vermehrt. 
Bei  der  Anlegung  einer  Quellwasserleitung  sind  in  den  verschiedensten  Teilen 
des  Stadtgebietes  römische  Münzen,  Gefässe  und  Militiirziegel  aufgefunden 
worden,  und  auch  die  an  einzelnen  zugänglichen  Stellen  vorgenommenen  Nach- 
grabungen haben  günstigere  Ergebnisse  geliefert,  als  es  erwartet  werden  konnte 
gegenüber  der  Thatsache,  dass  der  Boden  von  Höchst  seit  der  karolingischen 
Zeit  von  Häusern  bedeckt  gewesen  ist.  Dass  dies  auch  bereits  in  römischer 
Zeit  der  Fall  war  und  dass  die  an  Stelle  der  heutigen  Stadt  gelegene  römische 
Niederlassung  zu  den  ältesten  Anlagen  des  Maingebietes  gehörte,  dafür  sprechen 
besonders  mehrere  au  sich  unansehnliche  Fundgegenstände,  welchen  deshalb  in 
den  folgenden  Zeilen  eine  eingehendere  Betrachtung  gewidmet  sein  soll.   Beim 


'i  Die  Bedeutung  der  Positiou  vou  Höchst-Nied  und  die  älteie  Litteratur  über  die  dort 
gefundenen  römischen  Reste  ist  «jingehender  behandelt  in  der  Schrift:  G.  Wolff,  Die  römischen 
Ziegeleien  von  Nied  bei  Höchst  a,  M.  und  ihre  Stempel.     P'rankfurt  1892. 


40 

Bau  des  Kreishauses  im  östlichen  Teile  der  Stadt  war  ausser  Amphorenstückea 
uud  anderen  Antikaglien,  die  verrieten,  dass  dort  neben  der  damals  bereits 
vermuteten,  später  an  verschiedenen  Stelleu  auch  aufgefundenen  rechtsmaini- 
schen  Uferstrasse  ein  römisches  Haus  gestanden  habe,  eine  fast  ganz  erhaltene 
Sieillataschale  gefunden  worden,  welche  sich  durch  ihre  Form  und  Farbe,  so- 
wie  durch  die  Beschaft'enheit  des  Töpferstempels  von  der  im  Grenzgebiete  ge- 
wöhnlichen Ware  gleicher  Art  unterschied.  Nachgrabungen  im  austossenden 
Garten  des  Herrn  Ingenieurs  Blecken  (jetzt  zum  Kreishause  gehörig)  bestätig- 
ten das  Yorhandensein  römischen  Anbaues;  das  Glück  aber  wollte  es,  dass 
unter  den  Fundstücken  sich  zwei  ganz  kleine  Sigillatasplitter  befanden,  welche 
denselben  Töpfernamen  in  zwei  neuen  Varianten  zeigten  und  erkennen  Hessen, 
dass  sie  von  Gefässen  stammten,  welciie  dem  zuerst  gefundenen  in  Material  und 
Form  gleichartig  waren.  Die  Stempel  fallen  besonders  durch  die  regelmässige 
Form  der  Buchstaben  auf,  deren  scharfe  Umrisse  deutlich  erkennen  lassen,  dass 
sie  mit  jMetallmatrizon  eingeprägt  sind,  während  die  meisten  rheinischen  Sigil- 
latastempel  ebenso  zweifellos  von  Holzmatrizen  oder  nach  solchen  hergestellten 
Thonstempeln  herstammen.  Von  besonderem  Interesse  aber  war  der  Name 
des  Fabrikanten. 

Die  3  Stempel  haben  folgende  Formen : 

^^M    I    Auf  zwei    nur    25  bezw.  30  mm  breiten,    dünnen  Scherben 

(im  Besitze  des  Verfassers). 


1. 
2. 


A"E 


3,  CNÄE  Auf  einer  gut  erhaiteneu  mattroten  Schale  (früher  im  Be- 
sitze des  Herrn  Bauunternehmers Kunz  in  Höchst,  jetzt  der  Samm- 
lung des  Höchster  Altertumsvereins  einverleibt),  auf  schmalem  Boden 
in  3  fast  geradlinigen  Absätzen  breit  ausladend,  mit  flachem,  etwas 
eingebogeneii;  Rande.     Durchmesser  18  cm,  Höhe  45  mm. 

Das  nomen  gentile  Ateius,  einmal  mit  dem  praenomen  Gnaeus,  unter- 
scheidet die  3  Stempel  von  der  grossen  Mehrzahl  der  oben  genannten,  die 
meistens  nur  einen,  oft  nachweisbar  keltischen  Individualnamen  zeigen,  und 
stellt  sie  den  Stempeln  auf  den  Henkeln  grosser  Amphoren  an  die  Seite,  bei 
welchen  die  regelmässig  abgekürzten  3  Namen  ebenfalls  auf  Import  schliessen 
lassen.  Wichtiger  aber  dürften  folgende  Beobachtungen  sein :  Der  Töpfer- 
namen Ateius  ist  in  zahlreichen  Varianten,  die  aber  grossenteils  durch  die 
charakteristische  Art  der  Ligaturen  eine  Verwandtschaft  untereinander  verraten, 
sehr  häufig  in  Italien  (einschliesslich  dem  Polande),  oft  auch  an  der  Ostküste 
Spaniens  und  iu  Frankreici),  besonders  in  der  Provence,  vereinzelt  im  ehe- 
maligen linksrheinischen  vcrmanieu,  Britannien  und  den  westlichen  Alpen- 
ländern, sowie  in  Nordafrika,  nur  einmal  aber  bisher,  soweit  mir  bekannt  ist, 
auf  dem  rechten  Rheinufer  j.;öfunden  worden.  Eine  graphische  Darstellung  des 
Fundgebietes  lässt  eine  zunehmende  Dichtigkeit  der  Fundorte  von  der  Peri- 
pherie (Afrika,  Spanien,  Nordfrankreich.  England,  Rheinland,  Centralalpen, 
lötrien)  nach  einem  Centrum  'Kampanieu)  erkennen.  Folgende  Typen  und 
Fundorte  konnte  ich  feststellen : 


41 

I.    Nur  mit  nomen  gentile. 
^-    ^'  Höchst  1   =  Chatillon,  Schuermans  534. 

2.  A-El  Höchst  2  =   Tarragona,  C.  J.  L.  11,  4970,  51,  l,m,n. 

Vienne,  ^      XII,  5686,  81,  m.  ' 

Gm/ (Mus.)        „  „        „       „     n,o,p. 

Narhonne  „         „  ,, 

Ä/.9saH  „     X,  2,  8056,  49,  /. 

Greenivich  „    XVII,    1336,    95    (Schuer- 

mans  177  u.  Fröhner  528:   ATEL. 
Linioges,  Schuermaus  535. 
Chatillon  „  535. 

Andernach,  Bonner  Jahrb.  86,  S.  161  (Koeneu) 

und  89,  S.  3  (Klein). 
Maw^  (Museum),    C.  J.   L.   XHI   nach   Mit- 
teilung Bohns. 
^-  '^^  Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  51,  d, 

PozsuoU  ,        X,  2,  8056,  47, 

^-    '^^'  Tarragona,   C.  J.  L.  n,  4970,  51,  Je. 

Gen/  „     XII,  5686,  81,  r,  s\ 

Frejus  (Mus.)      „     XU,  5686,  81,  h. 
Narhonne  „       „  ., 

^re^ew^  (Mus.)    „     m.  Suppl.   12014,  7. 
Friedberg?    Nass.  Annalen  XIY,   S.  283,    10 
(DiefFenbach). 
^'  ^"'"^'  Tarragona,  C.  J.  L.  ü,  4970,  51,  e. 

Pozmoli  „        X,  2,  8056,  48 «. 

„Figlina  Campana''  C.  J.  L.  X,  2,  8056,   48  &. 
Pompeii,  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  8. 
Jfa/wsr  (Mus.),  C.  J.  L.  Xni  nach  Mitteil.  Bohns. 
Köln  (Mus.), 

Stjracns  „       X,  2,  8056,  48  c. 

Catania  „  „         „       48  (^. 

Cagliari  „  ^         ^^       48^. 

Tortona  „       V,  2,  8115,   10,  a. 

„Libarnae^  „  ^         „10,6. 

Ä'ce.  Co^owJe  „       Xu,     5686,  81,  mK 

Orange  «  ,,  n    i 

Nimes  (Mus.)        „         „  ^         ,    i!^ 

^^"/  ''  «  r  „     (?. 

Cornedhan  Uprope  Baeterras''),  C.  J.  L.  XII, 

5686,  81,  w. 
Frejus  (Mus.),      C.  J.  L.  XU,  5686,  81,  ö. 
Narhonne  ,  ^  ^i 

^r/es(„Massil.mus.«)„  „         „         ^  J. 

4 


42 


Amiens,  Schuermans  532. 
Limoges  „  „ 

Normandie        „  „ 

Allier  „  „ 

Parh  r>  7) 

Tongres  r,  n 

Bregens   (Mus.)?    cf.    C.  J.  L.  HI,    Supplem. 
12014,  7  ad  6010,  19. 

6.  ATEL(-ATEI)  Toulouse,  C.  J.  L.  XII,  5686,  81,  a  a. 

Poifoii,  Schuermans  546, 
Allier  y,  „ 

Limoges        „  „ 

Amiens  „  » 

Paris  „  y, 

cf.  Schuermans  177  und  Fröhner  528. 

7.  I3A  (wohl:  ITA)  Genf,  C.  J.  L.  XH,  5686,  81,  k\ 


n.   Nomen  gentile  mit  zweifelhaften  Zusätzen, 

8.  A"EloF  Tarragona,  C.  J.  L.  11,  4970,  51,  ^. 

9.  ATEIF  ^Deae  apucl  Lamorte-Felines'^,   C.  J.  L.  XU, 

5686,  81,  l 
Paris?  Schuermans  594:  ATEIE. 

10.  ATEIO  St.  Remy,  C,  J,  L.  XU,  5686,  81,/. 

11.  T^IM  Frejus  (Mus.),  C.  J.  L.  XII,  5686,  81,  ^. 

12.  ATEIM  „Vieilleville  prope  Sojmnieres'^ ,    C.  J.  L.  XII, 

5686,  81   V. 

13.  ATEI  MANIB  oder  ATE  MB  Paris,  Schuermans  540,  Wohl:  Ligatur  7t  IVB. 

14.  AT-  •  •  A  Äugst,  Schuermans  523,  Wohl:  ATEIM,  nicht 

mit  Fröhner  179:  ATELLANA  zu  ergänzen. 

15.  OATEI  Orange,  C.  J.  L.  Xü,  5686,  81,  k\ 

in.    Nomen   gentile   und    Praenomen. 

IC.  CNÄE  Höchst  3  =  Serre  de  la  croix  (H.  Alpes),    C.  J.  L.  XII, 

5686,  82,  h\ 
Alesia,  nach  Bohns  Mitteilung. 

(CNAE  ?  Tarragona,  C.  J.L.  H,  4970,  53,  h). 

17.  CNÄE!  Orange,  C,  J.  L.  XII,  5686,  82,  a. 

Tarragona,  C.  J,  L.  11,  4970,  52,  i. 
Tongres,  Schuermans  536. 

18.  GäEI  Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  /. 

Orange  „       XH,  5686,  82,  h. 

Nages  „         „         y,        i,     9- 


43 


19.  GNT^ 

20.  0-7^ 

21.  CNÄ.I 


Tarragona 


ir,   4970,  53,  c. 


22   G73C-I 


23.  CNATEI 


24.  CNATE 

25.  CNATEFI 

26.  OATEI 

27.  CHÄEI 

28.  CrCÄE 

29.  CrjsL 

30.  [CNAPP 

31.  GATE 

32.  G-ATt 

33.  CREI 


f?,    V. 


»  n  75  n  n 

Ste.  Colomhe       „       XII,  5686,  82,  e. 
Tongres,  Schuermans  537. 

(=  CNÄI?  Aquilein^  C.  J.  L.  Suppl.  It. 

Fase.  I,  1080,  88. 
Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  ^j. 
Capua  „        X,  2,  8056,  50,  &. 

„Figlina  Campana'^^  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  50,  a. 
Tarragona,  C.  J.  L.  H,  4970,  53,  Ä. 
Verona  „         V,  2,  8115,  11. 

Leyden  (Museum),  nach  Bohns  Mitteilung. 
Vienne,  C.  J.  L.  XII,  5686,  82,  d\ 

v  V  n  n  1      "'• 

CagUari,       „       X,  2,  8056,  50,  d. 
Tarragona    „  n,     4970,  53,  h. 


» 

■n      J- 

1) 

„        rt. 

■n 

«       ^-l 

V 

52,  h. 

V 

52,  c. 

PozzuoU, 


X,  2,  8056,  49. 


34.  CNÄrA 


35.  CNÄ-/VI 

36.  CN-ÄM 

37.  CN-ÄA 

38.  CN-A-A 

39.  CN-TE..)««. 


40.  CN-7tl-AR 


IV.  Mit  Cognomen. 

Foz2uoli,  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  46. 

Dieser  wie  die  folgenden  aus  Pompeii  und 
Herculaneum  stammenden  Stempel  sind 
C.  J.  L.  X,  2,  pag.  887  mit  Recht  auf 
Ateius  bezogen.  Doch  möchte  ich  in  dem 
Zusatz  NA  nicht  eine  Abkürzung  für  j,mani- 
bus",   sondern  ein  Cognomen  vermuten. 

C.  J.  L.  X,  2,  8055,   1. 

M  «  «       ^1   a     G. 


„  n  „         5,    (7,    6. 

„  «  »       6,  a,  &,  c. 

Pompeii  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  8,  a. 
„Neapol.  mus."-,   C.  J.  L ,   X,  2,    8055,   8,  c. 
jfGallia   cisalpina,   rep.    ad  Carn)^,    C.  J.  L. 

Suppl.  It.  Fase.  I,   1080,  87. 
Pompeii,  C.  J.  L.    X,  2,  8055,  b. 

^Neapol.  mus.'^        „  „  „       r7. 

41.  CNTti  EVHODI  Im  Kreis  um  GN  gestellt. 

Tarragona,  C.  J.  L.  U,  4970,  57. 

4* 


44 


42. 

43. 

44. 
45. 

46. 


47. 
48. 

49. 

50. 

51. 
52. 

53. 

54. 
55. 


;°c.lEVO  Tarragona.  C.  J.  L.  II,  4970,  57. 

=  ATEI  EVOD?  Paris,  Schuermans  539. 

Vob"   ^^^^^^  Palmzweig:  Frejus  (Mus.),  C.  J.  L.  XII,  5682,  a. 

Asprejü  les   Veynes,  C.  J.  L.  XU,  5682,  b. 
7L\\yO  Orange,  C.  J.  L.  XU,  5686,  86. 

CNEI  CRESTI,  im  Dreieck  gestellt: 

Tarragona,  C.  J.  L.  ü,  4970,  55.  Von  E.  Hüb- 
ner erklärt  als:  C.  (At)ei  Cresti. 

Tarragona,  C.  J.  L.  H,  4970,  56. 

Ich  möchte  lieber  „Cn,  Atei(u3)  Eros"  lesen, 
.als  mit  Hübner  „Eros  Cn.  Atei". 

Pompeii.  C.  J.  L.  X,  2,  8055,  9. 

„Figlina  Campana",  C.  J.  L.  X,  2,  8056,  51. 

Tarragona,  C.  J.  L.  U,  4970,  58. 


EROS 


CN  ■  ATEI  ERONIS 
(h-TL-  ERM 
CNATEI 
FVRIAN 

CNATEI 

ZOIL  '//■'/ 
ATEIZOIÜ 

AE    /XE 
ET  ZOEL 

CN  •  ATEI 


Aquüeia,  C.  J.  L.  Suppl.  It.  Fase.  1,  1080,  86. 
Tarragona,  C.  J.  L.  U,  4970,  Q\,  b. 


ZOIL  •  S 


Andance^ 


XH,  5686,  87. 


XANTi 


(Tti  P) 


56. 

57. 

58. 
59. 

60. 

61. 

62. 

63. 


Artaud  (Gall.  Narb.),  C.  J.  L.  XU,  5686,  85,6. 

llifiL]  ■  XNI  (CN  ■  7E.I  -XWIP)  „Prope  le  Luc  infundo  Pioule''  (Galt.  Narb.), 

C.  J.  L.  XU,  5686,  85,  a. 

=  ATEI  XNTIP  Tongres,  Schuermans  538. 

=  TtIX?  Tarragona,  C.  J.  L.  U,  4970,  60,  b. 

CNA"EI 


XA/THI 


An  Stelle  des  Striches  ein  Zweig: 


ATEI  XANTI 

ATEI//XA//NTHI 
ATEI  CNMAESP 

ATEI  OPTATI 

ATEL 
SALVI 
CN  ■  ATEI 

AM-  AN 

CRE2_ 
CN-73L 


Getif,  C.  J.  L.  XH,  5686,  85,  c. 

Vitidonissa,  Schuermans  543. 

Tongres,  Schuermans  532. 

538. 

Paris  y,  546. 

Tarragona,  C.  J.  L.  U,  4970,  59. 

Cartagena,  C.  J.  L.  H,  Suppl.  6227,  23. 

Ampiirias  („Emporiae^),   C.  J.  L.  II,  Suppl. 
6227,  58. 


Vielleicht  gehören  auch  folgende  Typen  hierher : 
ATEPI  Ste.  Colomhe,  C.  J.  L.  XU,  5686,  89. 


Suppl.  It.  Fase.  I,  1080,  85. 


45 

Auf  Ziegeln  kommen  folgende  Typen  vor: 

C-ATCAVP    Isola  della  Scala    (Gallia  cmdpinn).      C.    J.    L.    Suppl.  lt. 
Fase.   I.  1075,  77. 

2^Z]3iy^^      Palestrina  (Praenestc),  C.  J.  L.  XIV,  4091,  20,  a~ä. 
FILTATVS 

Tivoli,  C.  J.  L.  XIV,  4091,  20,  (;. 
CATEI  •  PHIL-  ^Delplnnus  dextrorsiim"' . 

Tivoli,  C.  J.  L.  XIV,  4091,  21,  a. 
Rom  „  „  „       21,  b. 


64.  ATEI 

65.  AT3! 

66.  ATI 

67.  ÄEI 


68 


El 
Ä 

69.  -PL\ 

70.  CNATE 

71.  CNETE! 

72.  CNäEI 

73.  CN75L 

74.  MATI 

75.  CnATEI 


V.   Figurenstempel    ohne    Cognomen. 

Kreis  mit  Palmzweig,   Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  51,  h. 
„in  delpliino"",  „  „  „51,  i. 

„in  solea^\  „  „  „51,  m. 

mit  Palmzweig,  Genf,     C.  J.  L.  XII,  5686,  81,  s\ 

Xanten^),     „      XIII,  nach  Bohns  Mitteilung. 

„in  ßore",  Tarragona,  C.  J.  L.  D,  4970,  51,  o. 

mit  Palmzweig,   Genf,  C.  J.  L.  Xü,  5686,  81,  s. 
„in  circulo^,        Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  g. 

»  »  n  n  ri        '-"J)    ■" 

„in  trifolio  cum  palma^^,   Tarragona,  C.  J.  L.  II,  4970,  53,  o. 

Halbkreis  mit  Palmzweig,           „  »         n         »       ^^?   ^''• 

„in  trifolio  cum  palma"',           „  „         „         ,,       54. 

mit  Palmzweig,                    Narhonne,  „     XD,   5686,  82,  //. 


Zu  den  oben  angeführten  Exemplaren  würden  nach  einer  gütigen  Mit- 
teilung Dr.  Bohns  noch  zahlreiche  Beispiele  verschiedener  Varietäten  des 
Stempels  ATEI  mit  und  ohne  Vornamen  CN  in  Holland  kommen,  deren  Typen 
aber,  wie  es  scheint,  sämtlich  in  unserer  Aufzählung  vertreten  sind.  Ob  dies 
auch  der  Fall  ist  bei  den  3  in  rheinischen  Museen  vorkommenden  Stempeln 
mit  Vornamen  CN,  ist  wegen  der  Beschaffenheit  der  Exemplare  nicht  sicher, 
aber  nach  Bohns  Mitteilung  der  erkennbaren  Teile  wahrscheinlich.  So  dürfte 
der  Stempel  des  Bonner  Provinzialmuseums  unserem  Typus  17,  das  Kölner 
Exemplar  („ap,  Niessen")  Typus  40  entsprechen.  Bei  dem  Xantener  Exem- 
plar CNÄH,  wohl  identisch  mit  Fröhner  757  CNATI  (=  Schuermans  1471), 
liegt  vielleicht  ein  neuer  Typus  vor.  Sicherlich  aber  dürfte  der  von  Fröhner 
754  (=  Schuermans  1469)  mitgeteilte  Mainzer  Stempel  CNAEl  unserem 
Typus  18  entsprechen,  zumal  da  Fröhner  ausdrücklich  bemerkt:  „littera  N 
minor".  Alle  diese  Funde  gehören  dem  linken  Rheinufer  an,  und  dasselbe  ist 
der  Fall  bei  den  oben  unter  No.  2,  5,  14  und  67   angeführten  Exemplaren  von 


2)  Nach   Steiner,   Bonner  Jahrb.  87,  S.  91:    „Ateius"    auf  der    Scherbe    eines    Napfes 
von  feiner  schwarzer  Erde"'  (?),  gefunden  in  einem  Grabe  dicht  an  der  Umfassungsmauer. 


46 

Andernach,  Mainz,  Köln,  Xanten  und  Äugst.  Aus  rechtsrheinischem  Gebiete 
war  bisher  nur  ein  einziger  Fund  bekannt,  der  von  Dieffenbach  mitgeteilte 
Friedberger  Stempel,  bei  dem  es,  da  die  von  Dieffenbach  überlieferte  Form 
TKTl  zweifellos  falsch  ist,  leider  unsicher  bleibt,  ob  er  zu  Typus  2  oder  4 
gehört.  Wohin  das  üefässfragment  gekommen  ist,  konnte  ich  nicht  feststellen. 
Unter  den  an  die  Museen  zu  Frankfurt  und  Darmstadt  verkauften  Friedberger 
Fundstücken  scheint  es  sich  nach  Mitteilung  der  Herren  Dr  Quilling  und 
Henkel  nicht  zu  beiluden.  Für  Auskunft  über  diese  Frage  bin  ich  auch 
den  Herren  Hofrat  Zangemeister  und  Dr.  Bohn  zu  lebhaftem  Danke  ver- 
pflichtet. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möge  auch  auf  folgende  Thatsache  hingewiesen 
werden.  Im  Wiesbadener  Museum  findet  sich  eine  dem  guterhaltenen  Höchster 
Exemplar  ähnliche  Sigillataschale  aus  Mainz  mit  dem  Stempel  OF  'ARDA  (Kata- 
log No.  13443).  Derselbe  ist  wohl  identisch  mit  dem  C.  J.  L.  H,  4970,  73,  b 
und  XH,  5686,  72,  a~d  in  der  Form  OF"ARDA  angeführten  Typus  aus  Tar- 
ragona,  Orange,  Sommieres,  Nimes  und  Vienne  {II  ARDA).  Der  Name  (Ardacus) 
kommt  in  verschiedenen  Yarietäten  in  Viemie,  Genf,  Ste.  Colomhe^  Tarragona 
(C.  J.  L.  XH,  5686,  73,  a—c  und  H,  4970,  73,  a),  ausserdem  häufig  in  Frank- 
reich, den  Niederlanden  und  am  linken  Kheinufer  (Schuermans  460  —  471, 
Fröhner  143,  146,  147  u.  149)  vor.  Auch  bei  diesem  Stempel  spricht  das 
ausschliesslich  linksrheinische  Vorkommen  für  frühzeitige  Herstellung,  die  bei 
dem  Wiesbadener  und  einem  Andernacher  Exemplar  (Bonner  Jahrb.  86,  174 
und  89,  3)  auch  durch  die  Form,  bezw.  die  Fundumstände  bestätigt  wird. 

Aus  der  obigen  Übersicht  ergeben  sich  zunächst  folgende  Thatsachen : 

1.  Höchst  ist  ausser  Friedberg  der  einzige  rechtsrheinische  Platz,  an 
welchem  der  Töpferstempel  Ateius  nachgewiesen  ist.  Er  fand  sich  dort  auf 
3  Gefässen  in  3  Yarietäten,  die  in  der  Form  der  Buchstaben  und  durch  charak- 
teristische Merkmale  (Ligaturen,  Yorname  Gnaeus  etc.)  untereinander  und  mit 
den  in  allen  westlichen  Teilen  des  römischen  Reiches  gefundenen  Ateiusstem- 
peln  übereinstimmen,  und  zwar  der  Art,  dass  teils  vollkommene  Identität  der 
Matrizen  nachweisbar,  teils  gleiche  Provenienz  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich ist. 

2.  Die  Yerbreitung  der  Stempel  und  die  Beschaffenheit  des  Materials 
nötigen  uns,  für  die  Höchster  Ware  und  ebenso  wohl  auch  für  die  am  lihein 
und  in  den  Provinzen  gefundenen  Exemplare  auf  Import  zu  schliessen. 

3.  Als  Ausgangspunkt  dieses  Imports  ergeben  sich  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit kampanische  Töpfereien,  um  so  mehr,  da  Plinius  (Nat.  bist. 
XXXY,  160  u.  161)  ausdrücklich  bezeugt,  dass  die  Töpferwaren  von  Sorrent, 
ebenso  wie  diejenigen  von  Arretium,  PoUentia,  Sagunt  und  Pergamum  in  alle 
Welt  über  Land  und  Meer  versandt  wurden. 

4.  Auf  Plinius'  Zeit  weist  bei  den  Höchster  Gefässen  die  Übereinstim- 
mung mit  den  in  Pompeii  ausgegrabenen  Exemplaren  hin. 

5.  Eine  besondere  Stelle  nimmt  unter  den  in  Betracht  kommenden  Pro- 
vinzen Spanien  ein,    wegen   der  grossen  Anzahl   der    Cognomina  einerseits  und 


47 

der  Figurenstempel  andererseits,  die  in  anderen  Provinzen  nicht  vertreten  sind, 
während  doch  hinwiederum  die  einfachen  Stempel  mit  der  Marke  ATEI  oder 
CNATEI  in  den  mannigfachsten  Ligaturen  mit  den  kanipanischen  übereinstimmen. 
Man  kann  die  erstgenannten  Gruppen  auf  Import  in  einer  anderen  (wohl  spä- 
teren) Zeit  oder  auf  provinzielle  Industrie  zurückführen,  die  dann  aber  in  eng- 
ster Verbindung  mit  den  kampanischen  Töpfereien,  etwa  in  einer  Filialanlage, 
betrieben  worden  sein  dürfte. 

6.  Der  Namen  Ateius  scheint  nicht  wie  die  zahlreichen,  regelmässig  nur 
in  sehr  wenigen  Varietäten  oder  nur  in  einem  Typus  vertretenen  Töpfernamen 
der  jüngeren  rheinischen  Sigillata  auf  Kleinbetrieb,  sondern  auf  die  Existenz 
einer  bedeutenden  Anlage  im  Besitz  einer  Familie  der  gens  Ateia,  die  das 
Geschäft  durch  Freigelassene  betrieb,  hinzuweisen.^) 

7.  Auch  die  Verbreitung  des  Töpfernamens  Ardacus  über  dieselben  Ge- 
biete mit  Ausnahme  Italiens,  wenn  auch  in  weit  geringerer  Zahl,  sowie  die 
Ähnlichkeit  des  Wiesbadener  Tellers  mit  dem  Höchster  Exemplar  spricht  dafür, 
dass  der  Zeit  der  entwickelten  gallisch-rheinischen  Sigillataindustrie  eine  Periode 
des  Imports  aus  den  mittelländischen  Gegenden  vorausgegangen  ist,  in  welcher 
zuerst  provenzalische  Töpfereien  mit  den  kampanischen  Fabriken  in  Konkurrenz 
traten.  Neben  der  damals  wohl  teuren  und  darum  seltenen  Sigillata  scheint 
man  sich  in  jener  Zeit  für  die  Zwecke,  welchen  später  die  Sigillatanäpfe,  Tassen, 
Teller  etc.  dienten,  mehr  schwarzer  und  grauer  Ware  bedient  zu  haben.*)  Denn 
dieselbe  hat  sich  in  vollkommener  Übereinstimmung  nach  Material  und  Form 
weitaus  überwiegend  in  den  durch  Ziegelstempel  der  ersten  Periode  zugewiese- 
nen Kastellen  bezw.  Niederlassungen  von  Hofheim,  Okarben  und  Höchst  ge- 
funden, während  die  für  diese  Orte  charakteristischen  Formen  an  den  Plätzen 
des  äusseren  Limes  fehlen.  Die  frühe  Entstehungszeit  dieser  Gefässe  und  ihre 
zeitliche  Zusammengehörigkeit  mit  unserer  Sigillataware  finde  ich  auch  in  dem 
soeben  erschienenen  Buche  von  Konstantin  Koeneu,  Gefässkunde  der  vor- 
römischen, römischen  und  fränkischen  Zeit  in  den  Rheinlanden,  Bonn  1895, 
bestätigt.  Die  in  demselben  Taf.  VHI,  Fig.  15,  Taf.  X,  Fig.  21—23  abge- 
bildeten, mit  den  oben  angeführten  Funden  übereinstimmenden  Gefässe  weist 
Koenen  S.  64  u.  78  der  frührömischen,    die  auf  Taf  X  abgebildeten  speziell 

^)  Zu  den  in  der  römischen  und  griechischen  Litteratur  erwähnten  Ateiern  habe  ich 
keine  Beziehung  gefunden.  Dagegen  dürften  die  in  C.  J.  L.  Bd.  VI,  2,  pag.  1549  u.  1550 
aufgeführten  Grabinschriften  von  Frauen  und  Männern  mit  unserem  nomen  gentile  wegen  ihrer 
griechischen  cognomina  zu  beachten  sein,  besonders  die  Grabschrift  VI,  2,  12573,  auf  der 
sowohl  der  widmende  Freigelassene  (Symphorus)  als  der  verstorbene  Patronus  (Antiochus) 
dieses  charakteristische  Merkmal  zeigen.  Die  Lesart  Atteius  schliesst,  wie  die  Noten  beweisen, 
ebensowenig  ihre  Beziehung  auf  unsere  Ateier  als  ihre  zweifellose  Identität  mit  der  bereits 
C.  J.  L.  V,  1,  pag.  2201  nach  anderen  Quellen  aufgeführten  Inschrift  aus,  deren  stadtröraischen 
Ursprung  bereits  der  Herausgeber  („fortasse  originis  urbanae^)  vermutet  hatte.  Italische 
Provenienz  nimmt  für  die  mit  dem  Namen  Ateius  gestempelten  rheinischen  Gefässe  auch 
Dragendorff  in  der  mir  erst  nach  der  Vollendung  der  vorliegenden  Untersuchung  bekannt 
gewordenen  Dissertation:  De  vasculis  Romanorum  rubris,  Bonn  1894,  S    9    an. 

*)  Vgl.  F.  Hettner,  Zur  römischen  Keramik  in  Gallien  und  Germanien  (Festschrift 
für  Overbeck),  S.  168. 


48 

der  Zeit  des  Claudius  und  seiner  unmittelbaren  Nachfolger  zu.  In  dieselbe 
Zeit  aber  gehören  nach  ihm  die  „hartgebackenen  hellbraunroten  Terrasigillata- 
Teller  mit  reich  profilierter  Wandung"  (S.  91,  h  u.  92),  welche  nach  der  Ab- 
bildung (Taf.  XIV,  Fig.  3)  genau  mit  dem  ganz  gefundenen  Höchster  Exemplar 
übereinstimmen,  auf  welches  auch  die  Beschreibung  der  technischen  Eigentüm- 
lichkeiten passt.  Für  die  Richtigkeit  seiner  Ansetzung  dürfte  aber  die  Über- 
einstimmung unserer  Höchster  Ateiusstempel  mit  den  in  Pompeii  gefundenen 
besonders  ins  Gewicht  fallen.  Sie  verbietet  uns,  die  Entstehungszeit  dieser 
Gefässe  über  die  flavische  Periode  herabzurücken.  Damit  ergibt  sich  durch 
den  Friedberger  Stempel  ein  neuer  Beweisgrund  für  die  erste  Okkupation  der 
^Vetterau  bis  zur  Linie  Hanau-Friedberg  durch  Domitians  Chattenkrieg. 

Ohne  diesen  Friedberger  Fund  würde  ich  geneigt  sein,  die  Höchster 
Ateiusstempel  wegen  ihrer  Verschwisteruug  mit  anderen,  sämtlich  auf  frühe 
Zeit  hinweisenden  Gefässresteu  für  die  Vermutung  in  Anspruch  zu  nehmen, 
dass  das  Terrain  von  Höchst  schon  vor  dem  Jahre  83  n.  Chr.  von  den  Römern 
besetzt  war.  Ist  doch  bereits  früher  bei  der  Zusammenstellung  der  in  Höchst 
vorhandenen  römischen  Münzen  lokaler  Provenienz  durch  Dr.  Quilling*)  die 
relativ  grosse  Anzahl  der  Augustusmüuzeu  aufgefallen.  Ebenso  stellt  es  sich 
immer  deutlicher  heraus,  dass  die  ältesten  römischen  Strassen  nach  dem  Taunus 
und  der  Wetterau  von  Höchst  ihren  Ausgang  nahmen,  was  in  Verbindung  mit 
anderen  Gründen  es  wahrscheinlich  macht,  dass  auf  dem  Boden  von  Alt-Höchst 
das  Grenzkastell  einer  ältesten,  vorflavischen  Periode  römischer  Okkupation  in 
der  Wetterau  lag.  Für  diese  Annahme  haben  sich  nun  aber  weitere  Beweise  auf 
einem  benachbarten  Gebiete  gefunden.  Durch  Ritterling's  Arbeiten*)  ist  es 
mehr  als  wahrscheinlich  geworden,  dass  diejenigen  obergermanischeu  Steinin- 
schriften der  22.  Legion,  auf  welchen  diese  noch  nicht  den  Beinamen  pia  Jidelis 


^)  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  u.  Kunst.     Dritte  Folge,  IV.  Band  1893,  S.  350  ff. 

®)  Emil  Ritterling,  De  legione  Romanorum  X  Gemina.  Lipsiae  1885,  pag.  11  ff., 
besonders  pag.  17  und  Zur  rönjischen  Legionsgeschichte  am  Rhein.  Westd.  Zeitschr.  XII,  III, 
S.  207  ff,  S.  230  ff  Ritterliug's  Resultate  werden  in  einer  soeben  erschienenen  Dissertation 
von  A.  Jün emann,  De  legione  Romanorum  I  adiutrice.  Lipsiae  1894,  in  manchen  Punkten, 
besonders  was  die  Zusammensetzung  des  obergerraanischen  Heeres  zwischen  den  Jahren  71 
und  89  n.  Chr.  betrifft,  bestritten.  Es  ist  zu  bedauern,  dass  A.  Jünemann  nur  die  bis  zum 
Jahre  1892  erschienene  Litteratur  gekannt  hat.  So  hat  er  besonders  weder  Ritterling's 
oben  an  zweiter  Stelle  citierten  Aufsatz  benutzt,  noch  einen  in  derselben  Zeitschrift  erschienenen, 
der  speziell  die  Geschichte  der  Legio  l  adiutrix  behandelt  (Westd.  Zeitschr.  XII,  II,  106  ff). 
Ebenso  sind  ihm  die  für  seine  Zwecke  wichtigen  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  von  Nied  nur 
aus  einem  vorläufigen  kurzen  Referat  in  der  Berliner  philologischen  Wochenschrift,  nicht  aber 
auj  der  oben  citierten  ausführlichen  Bearbeitung  bekannt,  obschon  auch  diese  bereits  vor  2 
Jahren  erschienen  ist  Daher  hat  er  die  in  Nied  gefundenen  Typen  der  genannten  Stempel 
ungenau  und  unvollständig  angeführt  (1.  c.  S.  112,  No  46);  ebenso  ist  seine  Auffassung  der 
Lokalität  und  ihres  Verhältnisses  zum  Limes  (1.  c.  S.  63)  unrichtig  und  die  auf  dieser  Grund- 
lage aufgebaute  Schlussfolgerung  für  die  Geschichte  der  Legion  unzutreffend.  Überhaupt  finde 
ich  in  Jünemann's  Ausführungen  keine  Veranlassung,  meine  Ansicht  über  die  Zusammen- 
setzung des  obergermanischen  Heeres  im  8  und  9.  Jahrzehnt  des  ersten  Jahrhunderts  zu 
ändern.  Vielmehr  musste  mich  in  derselben  der  Umstand  bestärken,  dass  Ritterling 
gleichzeitig  mit  mir,  aber  z.  T.  aus  anderen  Gründen,  zu  einer  in  wesentlichen  Punkten  über- 
einstimmenden Auffassung  gekommen  war. 


49 

führt,  aus  der  Zeit  ihres  ersten  Aufentlialtes  in  Mainz,  vor  70  n.  Chr.  stammen, 
Solche  Inschriften  sind  mir,  abgesehen  von  dem  gerade  an  der  in  liotracht 
kommenden  Stelle  schadhaften  AschafFenburger  Stein  (Brambach  1757)  aus  dem 
rechtsrheinischen  Gebiete  nur  4  bekannt,  die  sämtlich  aus  Kastei  und  seiner 
unmittelbaren  Umgebung  stammen,  nämlich  von  Kastei :  lirambacii  1348,  von 
Bischofsheim  a.  M.  Br.  1383,  von  der  Gustavsburg  Br.  1382  und  aus  Flörs- 
heim Br.  löOG.  Bei  den  Ziegelstempeln  im  allgemeinen  kann  bekanntlich  das 
Fehlen  der  Beinamen  nicht  als  Beweis  für  Frühzeitigkeit  angesehen  werden. 
Aber  hier  macht  gerade  die  22.  Legion  eine  Ausnahme;  von  ihr  sind  mir  von 
den  Nieder  Ziegeleien,  also  aus  der  Zeit  ihres  zweiten  Aufenthaltes  in  Ober- 
germanien, keine  vollständigen  Stempel  bekannt,  auf  welchen  der  Zusatz  p,  f. 
nicht  ganz  oder  z.T.  vorhanden  wäre.  Die  von  Brambach  unter  703,  1431, 
1437,  1491,  1501  u.  1673  u.  1695  aufgeführten  Exemplare  gehören  teils  Ge- 
bieten an,  in  welchen  die  Legion  vor  dem  Jahre  89  n.  Chr.  stand  (No.  23  ff.) 
und  kommen  daher  nicht  in  Betracht,  teils  sind  sie  nach  meinen  Beobachtungen 
fragmentiert  oder  ungenau  überliefert,  bezw.  falsch  gelesen.')  Umso  über- 
raschender war  es  für  mich,  als  mir  im  Jahre  1893  Oberst  von  Cohausen 
Abklatsche  von  2  Stempeltypeu  sandte,  die  sich  in  römischen  Trümmern  am 
Wickertbach  bei  Flörsheim  nahe  dem  Main  gefunden  hatten,  an  einer  Stelle, 
wo  die  von  Kastei  nach  Höchst  führende  rechtsmainische  Uferstrasse  den  Bach 
gekreuzt  haben  muss.  Die  übersandten  Exemplare  waren  sämtlich  nach  rechts 
fragmentiert;  die  von  mir  sofort  ausgesprochene  Vermutung,  dass  die  Ziegel 
linksrheinischer  Provenienz  und  älter  als  die  Nieder  Ziegel  der  Legion  seien, 
erhielt  eine  bedeutende  Stütze  dadurch,  dass  ich  beide  Typen  auf  Abklatschen 
vollständiger  Exemplare  dos  Wormser  Museums  fand,  die  nach  Dr.  Wecker- 
ling's  Mitteilung  erst  im  Jahre  1890  in  Worms  selbst  ausgegraben  wurden  und 
daher  in  den  von  dem  genannten  Forscher  veröffentlichten  Katalogen  noch  nicht 
vertreten  sind.     Die  Legenden  sind  folgende: 

1.  LXXIICV  Der  oblonge  Stempel  hat  innerhalb  der  Langseiten  als  Ein- 
fassung der  Buchstaben  parallele  Wulste,  die  an  den  Schmalseiten  in  Schwalben- 
schwänzen endigen:  11  cm  lang,  37  cm  hoch. 

2.  LGXXII  Oblonger  Stempel  mit  grossen  Schwalbenschwänzen  an  beiden 
Seiten:  10,2  cm  lang,  2,5  cm  hoch.  Ich  habe  an  anderer  Stelle  (Die  römischen 
Ziegeleien  von  Nied  bei  Höchst  a.  M.  und  ihre  Stempel,  Frankfurt  a.  M.  1 892, 
S.  340)  gezeigt,  dass  die  Abkürzung  Lfür  LEG(io)  bei  der    14.  und  21.  Legion, 

")  Dies  kann  ich  nachweisen  von  den  No.  1431,  14:^,7  und  1501  aufgeführten  Exemplaren; 
bei  dem  Namenstcrapel  Br.  1491,  c,  2  dürfte  der  Beiname  in  den  beiden  letzten  Zeichen  stecken. 
Hier  sei  die  Bemerkung  gestattet,  dass  auf  denjenigen  vollständigen  Ziegelstempeln,  welche 
noch  nicht  den  Beinamen  p.  f.  zeigen,  regelmässig  auch  pr.  fehlt;  den  wenigen  Fällen,  welche 
dieser  Regel  widersprechen,  stehen  zahlreiche  andere  gegenüber,  in  welchen  p.  f.  oder  auch 
nur  p.  ohne  pr.  vorkommt  und  wieder  andere,  in  welchen  pfrimigenia)  nur  mit  p(ia)  verbunden 
ist.  Wir  haben  bei  allen  diesen  Exemplaren  aus  der  Zeit  des  zweiten  obergermanischeu 
Aufenthaltes,  ebenso  wie  in  dem  analogen  Vorkommen  der  Stempel  LEG  Xllll  "'if  "»^1  o'"i<^ 
Beinamen,  und  zwar  im  ersten  Falle  bald  mit  Q  allein,  bald  mit  GM  »"il  GMV  nur  eine  Unvoli- 
ständigkeit  der  Titulatur  zu  erkennen,  die  für  chronologische  Fragen  nicht  zu  verwerten  ist.  Als 
Grund  lässt  sich  in  vielen  Fällen  die  Ungeschicklichkeit  des  Stempelschneiders  erkennen,  dem  es 
schwer  fiel,    die  zahlreichen  Buchstaben   auf  der   verlier  begrenzten  IIolzHäche  unterzubringen. 


50 

abgesehen  von  einem  einzigen  Kieder  Exemplar  der  crsteren,  nur  auf  älteren, 
linksrheinischen  Ziegeln  vorkümmeu.  Dementsprechend  zeigen  sämtliche  Nieder 
Stempel  der  22.  Legion  die  Bezeichnung  LEG  ohne  Kürzung.  Sprach  schon 
dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  dem  Fehlen  des  Zusatzes  pr.  p.  f.  dafür, 
dass  die  Flörsheimer  Ziegel  von  dem  ersten  Aufenthalte  der  Legion  herstammen, 
also  vor  dem  Jahre  70  n.  Chr.  gebrannt  sind,  so  auch  die  weitere  Beobachtung, 
dass  die  beiden  Typen  nur  äusserst  selten  und  auf  der  rechten  Seite  des  Rheins 
nur  in  der  Umgebung  von  Mainz-Wiesbaden  gefunden  worden  sind.  Bei  Typus 
U  spricht  die  Form  und  das  Fehlen  jedes  Beinamens  au  sich  für  Frühzeitigkeit. 
Typus  I  scheint,  wenn  man  die  Form  Leg.  (nicht  L)  auf  Ungenauigkeit  der 
Überlieferung  zurückführen  darf,  identisch  zu  sein  mit  den  bei  Brambach 
1537  f.  2  und  3  verzeichneten  Exemplaren  aus  Wiesbaden,  sowie  dem  Wies- 
badener Ziegel  aus  Mainz,  Br.  1377,  g,  81.  Dafür  spricht  besonders  bei  1537 
f.  3  und  1377,  g,  81  die  falsche  Lesart  N  vel  IV.*)  Denn  zu  beiden  Erklärungen 
könnte  der  Umstand  verführen,  dass  C  am  oberen  Ende  mit  V  zu  einem  Zuge 
vereinigt  ist.  Auch  der  Stempel  Becker,  Kat.  304,  12  aus  Mainz  gehört 
sicher  hierher.  Nur  den  Zusatz  C  zeigen  zwei  Stempel  von  Koblenz,  Br.  707, c 
und  Boppard,  Br.  718;  doch  ist  der  erstere  nach  rechts  unvollständig,  was  auch 
beim  zweiten  der  Fall  sein  könnte.  Dass  die  Legion  zu  einer  gewissen  Zeit  den 
Beinamen  C-V-  führte,  würde,  wenn  seine  Qualität  unzweifelhaft  feststände,  auch 
der  Legionsbaustein  von  Mainz  mit  der  Inschrift:  LEG  XXil  •  C'V-,  (Bram- 
bach 1084)  beweisen,  statt  welcher  ein  anderer,  an  derselben  Stelle  (St.  Alban) 
gefundener    Stein    die    Legende    LEG  XXII  •  C- F-    (Br.    1085)    und    ein    dritter 

LEG  XXII  (pfi  ^  primigenia?)  (Br.  1086)  zeigt.     Was  die  Sigle  C-V  betrifft, 
R  •  P 
so  ist  sicherlich  Becker's  Erklärung    als    cohors   quinta  (Katalog  des   Mainzer 

Museums,  304,   12)  zu  verwerfen,   dagegen  Brambach's  Vermutung  (Register 

S.    387)    wohl    richtig,    dass    in    dem    ersten  Buchstaben  der  Beiname   Claudia 

steckt.     Würde  nun  diese  Deutung  auf  eine  Herstellung  der  Ziegel  in  Claudius' 

oder  Nero's   Zeit  führen,    sc    stimmt  dazu  auch  der  Umstand,    dass  die  geringe 

Zahl  der  bisher  gefundenen  Exemplare  der  beiden  Stempel  auf  eine  frühe  Zeit 

hinweist.    Dass  diese  aber  nicht  wohl  vor  Nero's  Regierung  anzusetzen  ist,  geht 

aus    der   früher   festgestellten  Thatsache    (Die    römischen   Ziegeleien    von  Nied, 

S.  339)    hervor,    dass   am  Rhein    die  Sitte,  Militärziegel   mit    dem  Stempel  des 

Truppenteils    zu    versehen,   kurz    vor    dem  Jahre    70  u.  Chr.  aufgekommen  ist. 

Rekapitulieren  wir  nun,  was  bisher  festgestellt  wurde: 

1.  Innere  Gründe,  in  Verbindung  mit  dem  Vorkommen  frühzeitiger 
Gefässreste  und  zahlreichen  Augustusmünzen  sprechen  dafür,  dass 
an  der  Niddamündung  bereits  vor  dem  Jahre  83  n,  Chr.  eine  An- 
siedelung bezw.  Befestigung  bestand. 

2.  Die  Flörsheimer  Ziegel  sind  vor  dem  Jahre  70  n.  Chr.  gebraunt  und 


*j  Ich  habe  die  beiden  Stempel  im  Wiesbadener  Museum  nicht  gefunden,  dagegen  ein 
nach  rechts  fragmentiertes  Exemplar  unseres  Flörsheinier  Typus  I  (Katalog  Xo.  10036),  welches 
nach  Angabe  des  Katalogs  in  der  Mauritiusstrasse  aufgefunden  wurde.  Dadurch  ist  die  Gleich- 
zeitigkeit der  Flörsheimer  Bauten  mit  solchen  in  Wiesbaden  erwiesen,  zugleich  die  Vermutung, 
dass  es  sich  bei  der  Angabe  Brambach's  um  ungenaue  Überlieferung  handelt,  noch  wahr- 
scheinlicher gemacht. 


51 

au  einer  den  Main  begleiteudeu  Strasse  neben  den  von  den  Künieru 
bereits  im  1.  Jahrhundert  benutzten  Sandsteinbrüchen  verbaut  wurden. 

3.  Die  Besetzung  der  Gegend  von  Kastei,  Wiesbaden  und  Flörsheim 
vor  dem  Jahre  70  u.  Chr.  wird  auch  durcli  Steiniiisclirifteu  der 
22.  Legion  ohne  die  Beinamen  piu  jtdcJi>i  und  zahlreiche  Münzen 
des  julisch-claudischen  Hauses,  besonders  auch  aus  der  Umgebung 
von  Flörsheim,  bestätigt. 

4.  Da  alle  auf  eine  so  frühzeitige  Okkupation  hinweisenden  Erscheinungen 
vereint  nur  in  dem  Terrainabschnitt  Mainz-llüchst  nachweisbar  sind, 
dagegen  sclion  in  Hedderuheim  und  Nied  fehlen,  so  ist  eine  der 
Okkupation  der  Wetterau  vorausgehende  Besetzung  und  fortihka- 
torische  Sicherung  der  Position  Höchst-Uofheim  um  so  wahrschein- 
licher, da  ohnedies  die  Behauptung  von  Wiesbaden,  dessen  frühzeitige 
Einbeziehung  in  das  Reich  schon  wegen  seiner  heissen  Quellen  anzu- 
nehmen ist,  ohne  Besetzung  jenes  Terrainabschnittes  kaum  möglich  war. 

Man  hat  nun  die  Wahl,  entweder  mit  Mommsen  (R.  G.  V,  S.  134  f.)  anzu- 
nehmen,   dass,    wie   gegenüber    von  Köln  und  Koblenz,    so    auch  an  der  Main- 
müuduug  nach  der  Varuskatastrophe    ein  Strich  Landes  besetzt  blieb,   welches 
den  Römern  etwa  wie  dem  Festungskommandanten  das  unter  seinen  Kanonen 
liegende  Terrain"  galt   (1.  c.  S.   115),    oder   an  eine  Wiedereroberung  vor  dem 
Jahre  70  n.  Chr.  zu  denken.    'Ich  möchte  mich  unbedingt  für  die  erstere  An- 
nahme   erklären,    zunächst    weil    die    zwischen    16    und    83    n.  Chr.    erwähnten 
Kriege   gegen    die  Chatten    uns    nirgends    einen  Anhalt  zu   der  Ansicht  bieten, 
dass    rechtsrheinisches    Gebiet    neu    erobert    sei.     Es    könnte    hierfür    nur    der 
Chattenkrieg  vom  Jahre  50  n.  Chr.  in  Betracht  kommen.     Aber  derselbe  war, 
wie    aus  Tacitus'  Bericht  (Ann.  XII,   27  u.  28)  hervorgeht,    nur  ein  defensiver 
Yorstoss    der    Hilfstruppeu,    die    in    zwei   Abteilungen,    rechts    und   links    vor- 
rückend, die  Chatten  überraschten  und  ihnen  solche  Verluste  beibrachten,  dass 
sie   um    Frieden    baten.      Wenn   nun    die    nach   rechts    (dextris   et  propioribus 
compendiis)    vorgerückte    Abteilung    sich  nach   dem  y^mons  Taunus'^  zurückzog, 
wo  der  Oberfeldherr  Pomponius  mit  den  Legionen  das  Ergebnis  der  Expeditionen 
abwartete  —  doch  wohl  an  einer  Stelle,  an  welcher  die  Rückzugslinien  beider 
Abteilungen  zusammentrafen  — ,  so  ergibt  es  sich  von  selbst,   dass  das  erstge- 
nannte Korps   durch  die  Wetterau  gegen  die  Lahn  gezogen  war.     Das  andere 
könnte    etwa    durch    die    wichtige  Senke    von  Niedernhausen-Idstein    nach  dem 
Lahnthale    vorgerückt  sein.     Die  ganze  Darstellung  macht  den  Eindruck,    dass 
es  sich  um   die  Sicherung   eben    des  rechtsrheinischen  Gebietes  um  Wiesbaden 
handelte,  welches  der  Plünderung  der  Chatten  sowohl  von  der  offenen  Wetterau, 
als   von  den  Taunuspässen    aus  in  erster  Linie   ausgesetzt  war.     Dazu  stimmt, 
dass    weder  seitens    der  Chatten,    noch    seitens    der  Römer  ein  Rheinübergaug 
erwähnt  wird.    Ohne  Zwang  führt  uns  die  Darstellung  des  Tacitus  auf  die  Position 
von  Hofheim.     Dort  tritt  der  Taunus  in  südlicher  Ausbuchtung  zwischen  Höchst 
und  Flörsheim  am  nächsten  an  den  Main  heran,  um  sich  dann  entschieden  von 
demselben    zu    trennen    und  Raum    zu  lassen   für  die  Entwickelung  des  Fluss- 
systems   der  Nidda.     Hier    trifft  die    uralte  Yölkerstrasse  von   der  Weser  nach 
dem  Rhein  auf  den  ebenfalls  alten  Verkehrsweg,  der  unter  dem  Xamen  „Hühner- 


52 

Strasse"  von  der  unteren  Lahn  durcli  die  ]!siedernhauser  Senke  zum  Main  und 
Khein  führte,  sieh  aber,  bevor  er  die  Ebene  erreichte,  in  zwei  Arme  teilte,  an 
welchen  am  Austritte  aus  dem  Gebirge  die  Kastelle  von  Wiesbaden  und  Hof- 
heim lagen.  Ist  deren  Existenz  auch  durch  die  in  ihren  Bauten  gefundenen 
Ziegel  der  1.,  21.  u.  14.  Legion  erst  für  das  9.  Jahrzehnt  des  ersten  Jahrhunderts 
zu  erweisen,  so  schliesst  dies  doch  eine  frühere  Besetzung,  besonders  auch 
der  wichtigen  Position  von  Hofheim  nicht  aus.  Pomponius  stand  dann  an  der 
Grenze  des  römischen  Reiches,  die  Feinde  nach  zwei  Seiten  bedrohend,  und 
seinen  beiden  Korps  den  Kückzug  sichernd,  wie  denn  auch  Tacitus  ihn  gar 
nicht  ins  Chattenland  einrücken,  sondern  nur  die  Plilfstruppen  in  dasselbe  hin- 
einschicken lässt. 

Die  hier  dargelegten  Ergebnisse  privater  Nachforschungen  sind  für  die 
Reichs-Limes-Kommission  mitbestimmend  gewesen,  als  dieselbe  für  das  Jahr 
1894/95  dem  Verfasser  in  erster  Linie  Nachgrabungen  bei  Hof  heim  und  Flörs- 
lieim  übertrug.  Es  muss  der  Kommission  vorbehalten  bleiben,  die  Ergebnisse 
dieser  Arbeiten  zu  veröffentlichen.  Doch  darf  hier  erwähnt  werden,  dass  die- 
selben keine  der  oben  ausgesprochenen  Vermutungen  widerlegt,  dieselben  viel- 
mehr in  wesentlichen  Punkten  bestätigt  und  ergänzt  haben  (cf.  Limesblatt  12,  90). 
Insbesondere  haben  auch  die  Nachgrabungen  und  Lokaluntersuchungen  bei 
Flörsheim  die  Voraussetzung  frühzeitiger  Besiedelung  jener  Gegend  und  aus- 
gedehnter Benutzung  der  dortigen  Kalksteinbrüche  durch  die  Römer  in  vollem 
Masse  bestätigt.  Immer  klarer  tritt  die  grosse  Bedeutung  hervor,  welche  das 
Mattiakergebiet  für  die  römische  Okkupation  des  rechtsrheinischen  Germanien 
gehabt  hat.  Um  so  mehr  ist  es  zu  begrüssen,  dass  die  Reichs-Limes-Kommission 
nun  auch  das  römische  Wiesbaden  selbst  in  den  Bereich  ihrer  Untersuchungen 
zu  ziehen  beschlossen  hat. 


Nachtrag. 

Durch  das  Entgegenkommen  der  Herren  Museumsdirektor  Linden  seh  mit  und  Dr. 
Ko erber  in  Mainz  hatte  ich  Gelegenheit,  die  oben  angeführten  Mainzer  Ateiusstempel  nach- 
träglich einer  eingelienden  Untersuchung  und  Vergleichung  mit  den  unsrigen  zu  unterwerfen. 
Es  sind  5  Exemplare,  von  welchen  eines  (No.  394)  dem  Typus  2,  drei  (No.  440,  448  und  458) 
dem  Typus  5  entsprachen,  während  bei  dem  fünften  mangelhafter  Abdruck  oder  Verletzungen 
an  der  Matrize  die  Zugehörigkeit  zu  dem  einen  oder  dem  anderen  Typus  zweifelhaft  erscheinen 
lassen.  Alle  5  Stempel  aber  rühren  von  Matrizen  her,  welche  untereinander  und  von  den  für 
die  Hüchster  Exemplare  verwendeten  nach  Form  und  Grösse  verschieden  waren.  Es  spricht 
dies  dafür,  dass  die  Zahl  der  Matrizen  noch  weit  grösser  war,  als  die  der  oben  nach  dem 
Corpus  und  anderen  Quellen  mitgeteilten  Typen.  Im  übrigen  werden  unsere  obigen  Ausfülirungen 
durcli  die  Beschaffenheit  der  Mainzer  Gefässstücke  in  allen  Punkten  bestätigt.  Insbesondere 
stimmen  dieselben  in  der  „braun-gelb-roten'^  Farbe,  welche  Koenen  an  den  unserer  Höchster 
Schale  in  der  Form  entsprechenden  rheinischen  Gefässen  aus  der  ersten  Hälfte  des  1.  Jahr- 
hunderts hervorhebt,  mit  diesen  und  den  Höchster  Stücken  überein.  Mit  den  letzteren  haben 
sie  auch  die  Eigentümlichkeit  gemein,  dass  die  Scherben  an  den  Bruchstellen  weniger  rot 
gefärbt  erscheinen,  als  dies  bei  der  rheinischen  Sigillata  des  2.  und  ;i.  Jahrhunderts  der 
Fall  zu  sein  pflegt.  Zwei  der  Mainzer  Exemplare  zeigen  auf  der  unteren  Seite  des  Bodens 
eingeritzt  die  Namen  der  Besitzer,  welche  bei  der  Sigillataware  der  Limeskastelle  regelmässig 
nicht  an  dieser  Stelle,  sondern  an  der  Aussenseite  des  Bauches  angebracht  sind. 


Ooetlie  in  Nassau. 


Von 

Fr.   Otto, 


Die  Stätte,  die  ein  grosser  Mann   lietrut, 
Sie  ist  geweiht  für  alle  Zeiten. 

Nach  Goethe. 

Die  Schöpfuugen  von  keinem  andern  Dichter  sind  so  sehr  Ergebnisse  des 
eigenen  Lebens,  als  die  von  Goethe;  für  keinen  ist  daher  das  Selbsterlebte 
so  wichtig  znm  Verständnis  seiner  Werke  als  für  ihn.  Dadurch  ist  hinreichend 
der  Versuch  gerechtfertigt,  dasjenige,  was  er  in  Nassau,  das  er  wiederholt  be- 
suchte und  hoch  zu  preisen  pflegte,  als  Jüngling  und  Greis  erlebte,  zusammen- 
zustellen. Gaben  schon  die  bis  jetzt  veröffentlichten  Briefe  und  andere  Berichte 
manches  Bemerkenswerte,  so  haben  die  im  Jahre  1893  erschienenen  Tagebücher 
von  1814  und  1815*)  über  diese  inhaltreichsten  Jahre  seiner  Besuche  Nassaus 
so  viele  neue  Aufschlüsse  gewährt,  dass  es  möglich  schien,  auch  ehe  die  noch 
ausstehenden  Briefe  des  Weimarer  Goethe-Archivs  in  der  Weimarer  Goethe- 
Ausgabe  mitgeteilt  sind,  den  Versuch  zu  wagen,  und  der  Verfasser  dieser 
Schrift  glaubte  damit  eine  Pflicht  der  Pietät  zugleich  gegen  den  grossen  Dichter 
und  gegen  sein  schönes  Heimatland  zu  erfüllen. 

Grundlage  für  unsere  Darstellung  sind  vor  allem  die  eigenen  Mitteilungen 
Goethes,  also  für  die  früheren  Jahre  „Dichtung  und  Wahrheit",  für  die  Jahre 
1814  und  1815  die  Tagebücher,  dazu  die  Briefe  von  Freunden  und  andere 
Berichte;  und  um  den  Reiz  und  die  Frische  der  Unmittelbarkeit  nicht  zu  ver- 
wischen oder  abzuschwächen,  haben  wir  die  einschlägigen  Stellen  wörtlich 
aufnehmen  zu  sollen  geglaubt.  So  schien  uns  am  lebendigsten  entgegenzutreten, 
was  dem  Dichter  hier  widerfuhr,  wie  er  sein  Loben  gestaltete,  worauf  sein 
Sinnen  und  Denken  gerichtet  war.  Dabei  könnte  uns  freilicli  der  Vorwurf 
gemacht  werden,  dass  wir  mehrfach  uns  zu  sehr  auf  die  Kleinigkeiten  des  all- 
täglichen Lebens  eingelassen  haben;  doch  würde  derselbe  zunächst  den  Dichter 
selbst  treffen,  der  durch  seine  Berichte  dazu  veranlasst  auch  diese  Dinge  zu 
betrachten  und  zusammenzustellen.  Und  schliesslich  ist  bei  einem  Manne  wie 
Goethe  selbst  das  Kleine  beachtenswert.  Polemik  gegen  einzelne  Punkte  in 
früheren  Darstellungen  haben  wir  im  allgemeinen  vermieden;  der  Kundige  wird 
von  selbst  herausflnden,  wo  etwas  berichtigt  oder  ergänzt  werden  konnte. 

Eine  Übersicht  des  Inhalts  findet  sich  am  Ende  dieses  Aufsatzes;  dazu 
treten  2  Tafeln,  ein  Plan  des  früheren  Wiesbaden  und  ein  Kärtchen  für  die 
Lahnreise  von  1815. 

Wiesbaden,  im  Dezember  1894,  Fr.  Otto. 


*)  Goethes  Werke,  lieraiisgegeben  im  Auftrage  der  Grossherzogin  von  Weimar.     III, 
Goethes  Tagebücher,  1813-1816.     Weimar,  H.  Bühlau  1893. 

5 


54 


Goethe    in    Nassau. 

I.   1763—1764. 

Zum  erstenmale  scheint  Goethe  als  etwa  viorzehujähriger  Knabe  den  Boden 
des  späteren  Herzogtums  Nassau  betreten  zu  haben;  es  war  zu  der  Zeit,  als 
er  in  die  Gesellschaft  mehrerer  jungen  Leute  geraten  war,  bei  denen  er  durch 
seine  grosse  Fertigkeit  Keime  und  Gedichte  zu  verfassen  zu  einem  gewissen 
Ansehen  gekommen  war,  und  die  von  dieser  seiner  Gewandtheit  für  ihre  nicht 
immer  harmlosen  Zwecke  Gebrauch  machten.  Mit  ihnen  unternahm  er  wohl 
Lustfahrten  auf  dem  MarktschitFe  nach  Höchst;  sie  beobachteten  dann  ihre  Reise- 
gefährten und  Hessen  sich,  neckend  und  scherzend,  mit  diesem  oder  jenem  in 
ein  Gespräch  ein.  Da  zugleich  mit  ihnen  das  von  Mainz  heraufkommende 
Marktschiff"  zu  Höchst  anlangte,  so  gab  es  immer  eine  vollbesetzte  Tafel,  nach 
w^elcher  sie  wieder  nach  Frankfurt  zurückkehrten.  In  ihrem  Kreise  hatte  er 
auch  eine  herzliche  Zuneigung  zu  einem  Mädchen  Namens  Gretchen  gefasst,' 
welche  ihn  fester  an  die  Gesellschaft  knüpfte,  ohne  dass  sie  selbst  seine  stille 
Leidenschaft  nährte,  sondern  nur  den  unerfahrenen  Knaben  gut  beriet. 

Im  Frühjahre  1764  trat  die  Katastroplie  ein,  welche  diesem  von  selten 
Goethes  harmlosen  Verkehr  ein  jähes  Ende  bereitete.  Als  man  gewissen  Yer- 
untreuungen  eines  von  ihm  empfohlenen  jungen  Mannes  auf  die  Spur  gekommen 
war  und  ihn  sogar  beteiligt  an  denselben  glaubte,  auch  das  Verhältnis  zu 
Gretcheu  ans  Licht  gezogen  wurde  und  schlimmen  Verdacht  erregte,  geriet  er 
in  so  leidenschaftliche  Erregung,  dass  man  auf  ernstHche  Mittel  sinnen  musste 
ihn  zu  beruhigen  und  seinem  Sinne  eine  andere  Richtung  zu  geben.  Zu  dem 
Zwecke  gab  man  ihm  einen  Aufseher,  der  ihn  begleiten  und  beaufsichtigen 
und  durch  Arbeit  und  Zerstreuung  allmählich  in  das  rechte  Geleise  bringen 
solle.  Da  er  den  Mann  hochschätzte,  so  gelang  die  Sache.  Nach  und  nach 
besorgte  man  nicht  mehr,  dass  er  in  seine  früheren  Neigungen  und  Verhältnisse 
zurückfallen  könne;  man  liess  ihm  allmählich  vollkommene  Freiheit.  Wir 
lassen  nunmehr  Goethe  selbst  weiter  reden'-'): 

„Durch  zufällige  Anregung,  so  wie  in  zufälliger  Gesellschaft  stellte  ich 
manche  Wanderungen  nach  dem  Gebirge  (dem  Taunus)  an,  das  von  Kindheit 
auf  so  fern  und  ernst  vor  mir  gestanden  hatte.  So  besuchten  wir  Homburg, 
Kronenburg,  bestiegen  den  Feldberg,  von  dem  uns  die  weite  Aussicht  immer 
mehr  in  die  Ferne  lockte.  Da  blieb  denn  Königstein  nicht  unbesucht,  Wies- 
baden, Schwalbach  mit  seinen  Umgebungen  beschäftigte  uns  mehrere  Tnge; 
wir  gelangten  an  den  Rhein,  den  wir,  von  jenen  Höhen  herab,  weither  schlängeln 
gesehen.  Mainz  setzte  uns  in  Verwunderung,  doch  konnte  es  den  jugendlichen 
Sinn  nicht  fesseln,  der  ins  Freie  ging;  wir  erheiterten  uns  an  der  Lage  von 
Biber  ich,  und  nahmen  zufrieden  und  froh  unsern  Rückweg." 

Es  wäre  bei  dem  Mangel  weiterer  Mitteilungen  über  diese  Ausflüge  ver- 
gebhche    Mühe    ausforschen    zu    wollen,    was    Goethe    besonders    anzog    und 


")  , Dichtung  und  Wahrheit"  II,  G. 


55 

beschäftigte;  er  selbst  fügt  der  P^rzähluiiy  hinzu,  wiu  er  sie  benutzte  uud  was 
für  eine  wohlthätige  Folge  sich  für  ilin  daran  anschloss.  Er  fahrt  luiinlicb 
also  fort: 

„Diese  ganze  Tour,  von  der  sich  mein  Vater  manclies  Blatt  versprach, 
wäre  beinahe  ohne  Frucht  gewesen:  denn  welcher  Sinn,  welches  Talent,  welche 
Übung  gehört  nicht  dazu,  eine  weite  und  breite  Landschaft  als  Bild  zu  begreifen! 
Unmerklich  wieder  zog  es  mich  jedoch  ins  Enge,  wo  ich  einige  Ausbeute  fand: 
denn  ich  traf  kein  verfallenes  Schloss,  kein  Gemäuer,  das  auf  die  Vorzeit  hin- 
deutete, dass  ich  es  nicht  für  einen  würdigen  Gegenstand  gehalten  und  so  gut 
als  möglich  nachgebildet  hätte.  Selbst  den  Drusenstein  auf  dem  Walle  zu 
Mainz  zeichnete  ich  mit  einiger  Gefahr  und  mit  Unstatten^),  die  jeder  erleben 
muss,  der  sich  von  Reisen  einige  bildliche  Erinnerungen  mit  nach  Hause  nehmen 
will.  Leider  hatte  ich  abernuils  nur  das  schlecliteste  Conceptpapier  mitge- 
nommen, uud  mehrere  Gegenstände  unschicklich  auf  Ein  Blatt  gehäuft;  aber 
mein  väterlicher  Lehrer  Hess  sich  dadurch  nicht  irre  machen;  er  schnitt  die 
Blätter  auseinander,  Hess  das  Zusammenpassende  durch  den  Buchbinder  auf- 
ziehen, fasste  die  einzelnen  Blätter  in  Linien  und  nöthigte  mich  dadurch  wirklich, 
die  Umrisse  verschiedener  Berge  bis  au  den  Rand  zu  ziehen  und  den  Vorder- 
grund mit  einigen  Kräutern  und  Steinen  auszufüllen.  Konnten  seine  treuen 
Bemühungen  auch  mein  Talent  nicht  steigern,  so  hatte  doch  dieser  Zug  seiner 
Ordnungsliebe  einen  geheimen  Eiufluss  auf  mich,  der  sich  späterhin  auf  mehr 
als  Eine  Weise  lebendi"r  erwies." 


o 


IL   1765. 

Zum  zweiten  Male  linden  wir  Goethe  in  Nassau  im  Jahre  1765;  er 
besuchte  damals  Wiesbaden.  Was  ihn  dahin  führte,  in  welcher  Gesellschaft 
er  sich  befand  u.  s,  w.,  ist  aus  der  einzigen  Quelle,  der  wir  diese  Kunde  ver- 
danken, nicht  ersichtlich.  Er  muss  sich  längere  Zeit  hier  aufgehalten  haben; 
am  19.  Juli  erhielt  er  einen  Brief  seiner  Schwester  Cornelie,  den  er  am  21.  des- 
selben Monats  beantwortete,  ohne  von  einem  Zeitpunkte  der  Rückkehr  zu  reden. 
Auch  wo  er  wohnte,  ist  nur  zu  vermuten.  Wenn  sich  hinter  seinem  Hause  ein 
Garten  befand,  so  scheint  das  Gast-  oder  Badhaus,  welches  ihn  beherbergte, 
am  Abhänge  des  Berges,  der  sich  längs  der  einen  Seite  der  Langgasse  erhebt, 
gelegen  zu  haben,  und  da  bleibt  für  Leute  seines  Standes  kaum  eine  andere 
Wahl  anzunehmen,  als  dass  er  im  „Adler"  oder  im  „Schützenhofe"  gewohnt  habe; 
denn  die  andern  ähnlich  gelegenen  Häuser  entbehren  entweder  des  Gartens 
oder  waren  damals  meist  nur  von  Leuten  niederen  Herkommens  aufgesucht, 
wie  die  Kurlisten  aus  den  späteren  Jahren,  aus  denen  sie  noch  erhalten  sind, 
ausweisen. 

Der  Brief,  den  er  an  Cornelie  schrieb,  lautet  also^): 


*)  Das  mittelliochdeutsche  un State  ist  jetzt  ausser  Gebrauch;  es  bedeutet  eigentlich 
hilflose,  ungünstige  Lage,  dann  auch  Mühe,  Ungeschick.  Lexer,  mhd.  Wörterbuch.  —  ■*)  Er 
ist  abgedruckt  im  Goethe-Jahrbuch  VII,  Ö.  3  (1886)  und  in  der  Weimarer  Ausgabe  von  Goethes 
Werken  IV,  I  (1887),  S.  ü. 


56 

Liebe  Schwester. 

Damit  du  niclit  glaubest  ich  habe  dich  unter  den  schwärmenden 
Freuden  eines  starck  besuchten  Bades  gantz  vergessen;  so  will  ich  dir, 
einige  absonderliche  Schicksaale,  die  mir  begegnet,  in  diesem  Briefgen, 
zu  wissen  thun.  Dencke  nur  wir  haben  allhier  Schlangen,  das  hässliche 
Ungeziefer  macht  den  Garten,  hinter  unserm  Hause,  gantz  unsicher. 
Seit  meinem  Hierseyn,  sind  schon  4  erlegt  worden.  Und  heute,  lass 
es  dir  erzählen,  heute  morgen,  stehen  einige  Churgäste  und  ich  auf 
einer  Terasse,  siehe  da  kommt  ein  solches  Thier  mit  vielen  gewölbten 
Gängen  durch  das  Grass  daher,  schaut  uns  mit  hellen  funckelnden  Augen 
an,  spielt  mit  seiner  spitzigen  Zunge  und  schleicht  mit  aufgehabenem') 
Haupte  immer  näher.  Wir  erwischen  hierauf  die  ersten  besten  Steine 
warfen  auf  sie  loss  und  traffen  sie  etliche  mahl,  dass  sie  mit  Zischen 
die  Flucht  nahm.  Ich  sprang  herunter,  riss  einen  mächtigen  Stein 
von  der  flauer  und  warf  ihr  ihn  nach,  er  traf  und  erdruckte  sie, 
worauf  wir  über  dieselbe  Meister  wurden  sie  aufhängeten  und  zwey 
Ellen  lang  befanden.  Neulich  verwirrten  wir  uns  in  dem  Walde,  und 
mussten  2  Stundenlang  in  selbigem,  durch  Hecken  und  Büsche  durch- 
kriechen. Bald  stellte  sich  uns  ein  umschatteter  Fels  dar,  bald  ein 
düstres  Gesträuch  und  nirgends  war  ein  Ausgang  zu  finden.  Gewiss 
wir  wären  biss  in  die  Nacht  gelaufen;  wenn  nicht  eine  wohlthätige 
Fee  hier  und  da,  an  die  Bäume  Papagey  Schwänze  (:die  aber  unsere 
kurzsichtige  Augen  für  Strohwische  ansahen :)  den  rechten  Weg  uns 
zu  zeigen  gebunden  hätte,  da  wir  dann  glücklich  aus  dem  Walde 
kamen.  Dein  Briefgen  vom  19.  Mai  war  mir  sehr  angenehm.  Inliegen- 
den Brief  lass  Augenblickhch  dem  Pog  zustellen.  Lebe  wohl.  Küsse 
Jf.  M.  von  meinetwegen  die  Hand. 

Wisb.  d.  21.  Jun.  1765.  G. 

Jf.  M.  ist  sicherlich  die  Fräulein  Charitas  Meixner  von  Worms,  eine 
Freundin  der  Cornelie,  die  sich  damals  ihrer  Ausbildung  wegen  zu  Frankfurt 
aufhielt  und  in  dem  Hause  des  Legationsrates  Moritz,  eines  Hausfreundes  der 
Familie  Goethes,  wohnte.")  Wer  unter  Pog  gemeint  ist,  bleibt  zweifelhaft; 
wenn  es  Papa  gelesen  werden  müsste,  so  wäre  das  „lass  .  .  zustellen"  ein 
unpassender  Ausdruck  statt  „übergib."  —  Unter  dem  Walde,  in  welchem  die 
Wanderer  sich  verirrten,  haben  wir  denjenigen  zu  verstehen,  welcher  sich  über 
den  Bergabhang  unterhalb  der  Platte  hinzieht  und  jetzt  meistenteils  ein  anderes 
Gepräge  zeigt,  namentlich  viele  mittlerweile  angelegte  Spaziergänge  bietet. 

Welcher  Art  die  in  dem  Briefe  erwähnte  Schlange  angehört,  ist  nach 
Goethes  Worten  nicht  zu  erraten.  In  Nassau  gibt  es  verschiedene  Arten  von 
Schlangen,  die  Kirschbaum  in  der  Abhandlung  „Die  Reptilien  und  Fische  des 
Herzogtums  Nassau",  Programm  des  Gymnasiums  zu  Wiesbaden  1859,  aufzählt. 


*)  Aufgehaben,   alt  statt  aufgehoben.     Grimm,    D.  W.  I,  Sp.  GG3.    —    "')  Über  sie  gibt 
K.  Ooedeke,  (irundriss  IV   2,  S.   575,  72  einige  Litteratur  an. 


57 

Von  den  daselbst  genannten  passt  nur  die  als  Elaphis  ßarescens  bezeichnete, 
da  nur  sie  die  von  Goethe  angeführte  J^änge  erreicht;  nach  demselben  Gewährs- 
mann findet  sie  sich  nur  bei  Schlangenbad,  das  wohl  von  ihr  den  Namen  habe; 
Exemplare,  die  zu  Wiesbaden  getroffen  wurden,  seien  abgemagerte  und  wohl 
der  Gefangenschaft  entronnene  Exemplare  gewesen.  Über  Schlangen  in  Bädern 
siehe  auch  von  Ileyden,  Jahrbücher  des  Vereins  für  Naturkunde  im  Herzogtum 
Nassau  XVI,  203  und  Becker  im  Frankfurter  Archiv  N.  S.  I,  32. 

Wenn  Goethe  von  einem  ]5egleiter  auf  dem  Waldspaziergang  spricht,  so 
könnte  man  vermuten,  dass  der  Ausflug  von  1765  zu  den  unter  No.  I  erwähnten 
gehöre;  der  Begleiter  wäre  dann  der  Aufseher  gewesen.  Es  ist  jedoch  nicht 
wahrscheinlich,  dass  dessen  Amt  sich  bis  in  den  Sommer  1765  erstreckt  habe. 
Denn  in  demselben  erscheint  Goethe  nach  „Dichtung  und  Wahrheit"  als  durcli- 
aus  geheilt  und  in  munterer,  fröhlicher  Gesellschaft.  Eher  kann  man  an  die 
„kleineu  Reisen"  denken,  die  er  mit  seinem  Freunde  llorn  (dem  „Hörnchen") 
machte  und  die  sie  nachher  poetisch  aufstutzten. 


III.  Die  Lahnreise  von  1772. 

Im  Sommer  des  Jahres  1772  weilte  Goethe  bekanntlich  in  Wetzlar  als 
Praktikant  bei  dem  Reichskammergericht.  Verhängnisvoll  wurde  ihm  daselbst 
die  Bekanntschaft  mit  dem  braunschweigischen  Legationssekretär  Johann  Christian 
Kestner  und  dessen  Braut  Charlotte  Buff,  welche  durch  ihre  Frische,  Natürlichkeit 
und  Munterkeit,  verbunden  mit  einer  bezaubernden  Erscheinung,  seine  ganze 
Zuneigung  gewann;  der  biedere  Bräutigam  legte  den  Besuchen  Goethes,  weil 
er  dessen  Sinnesart  genugsam  erkannt  hatte,  kein  Hindernis  in  den  Weg,  so- 
dass die  stille  Neigung  allmählich  zu  inniger  Liebe  emporwuchs;  Goethe  aber  war 
fest  entschlossen  den  Frieden  der  Verlobten  nicht  zu  stören  und  schwankte  so 
zwischen  Liebe  und  Entsagung,  die  in  ihm  kämpften,  bis  er,  durch  seinen  Freund 
Merck  aufgerüttelt,  beschloss  diesem  qualvollen  Zustand  ein  Ende  zu  bereiten. 
Am  11.  September  riss  er  sich  von  Wetzlar  los,  nachdem  er  von  Lotte  schrift- 
lich Abschied  genommen  hatte,  und  begab  sich  nach  Koblenz,  um  hier  mit 
Merck  bei  der  Frau  von  La  Roche  zusammen  zu  treffen.  Über  diese  Reise 
lassen  wir  ihn  wieder  selbst  reden'): 

„Ich  hatte  mein  Gepäck  nach  Frankfurt,  und  was  ich  unterwegs  brauchen 
könnte,  durch  eine  Gelegenheit  die  Lahn  hinunter  gesendet,  und  wanderte  nun 
diesen  schönen,  durch  seine  Krümmungen  Ueblichen,  in  seinen  Ufern  so  mannich- 
faltigen  Fluss  hinunter,  dem  Entschluss  nach  frei,  dem  Gefühle  nach  befangen, 
in  einem  Zustande,  in  welchem  uns  die  Gegenwart  der  stummlebendigen  Natur 
so  Avohlthätig  ist.  Mein  Auge,  geübt  die  malerischen  und  übermalerischen 
Schönheiten  der  Landschaft  zu  entdecken,  schwelgte  in  Betrachtung  der  Nähen 
und  Fernen,  der  bebuschten  Felsen,  der  sonnigen  Wipfel,  der  feuchten  Gründe, 
der  thronenden  Schlösser  und  der  aus  der  Ferne  lockenden  blauen  Berg- 
reihen. 


'')  „Diclitung  und  Wahrheit"  III,  18. 


58 

Ich  wanderte  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flusses,  der  in  einiger  Tiefe  und 
Entfernung  unter  mir,  von  reichem  Weidengebüsch  zum  Theil  verdeckt,  im 
Sonnenlicht  hingleitete.  Da  stieg  in  mir  der  alte  Wunsch  wieder  auf,  solche 
Gegenstände  würdig  nachahmen  zu  können.  Zufällig  hatte  ich  ein  Taschen- 
messer in  der  linken  Hand,  und  in  dem  Augenblick  trat  aus  dem  tiefen  Grund 
der  Seele  gleichsam  befehlshaberisch  hervor,  ich  sollte  dieses  Messer  ungesäumt 
in  den  Fluss  schleudern:  sähe  ich  es  hineinfallen,  so  würde  mein  künstlerischer 
Wunsch  erfüllt  werden ;  würde  aber  das  Eintauchen  des  Messers  durch  die 
überhängenden  Weideubüsche  verdeckt,  so  sollte  ich  Wunsch  und  Bemühunsr 
fallen  lassen.  So  schnell  als  diese  Grille  in  mir  aufstieg,  war  sie  auch  ausge- 
führt: denn  ohne  auf  die  Brauchbarkeit  des  Messers  zu  sehen,  das  gar  manche 
Geräthschaften  in  sich  vereinigte,  schleuderte  ich  es  mit  der  Linken,  wie  ich 
es  hielt,  gewaltsam  nach  dem  Flusse  hin.  Aber  auch  hier  nmsste  ich  die  trüg- 
liche  Zweideutigkeit  der  (Orakel,  über  die  man  sich  im  Alterthum  so  bitter  be- 
klagt, erfahren.  Des  Messers  Eintauchen  in  den  Fluss  ward  mir  durch  die 
letzten  Weidenzweige  verborgen,  aber  das  dem  Sturz  entgegenwirkende  Wasser 
sprang  wie  eine  starke  Fontäne  in  die  Höhe,  und  war  mir  vollkommen  sichtbar. 
Ich  legte  diese  Erscheinung  nicht  zu  meinen  Gunsten  aus;  und  der  durch  sie 
in  mir  erregte  Zweifel  war  in  der  Folge  Schuld,  dass  ich  diese  Übungen  unter- 
brochener und  fahrlässiger  anstellte,  und  dadurch  selbst  Anlass  gab,  dass  die 
Deutung  des  Orakels  sich  erfüllte.  Wenigstens  war  mir  für  den  Augenblick 
die  Aussenwelt  verleidet;  ich  ergab  mich  meinen  Einbildungen  und  Empfindungen, 
und  liess  die  wohlgelegeneu  Schlösser  und  Ortschaften  Weilburg,  Limburg, 
Diez  und  Nassau  nach  und  nach  hinter  mir,  meistens  allein,  nur  manchmal 
auf  kurze  Zeit  mich  zu  einem  andern  gesellend. 

Nach  einer  so  angenehmen  Wanderung  von  einigen  Tagen  gelangte  ich 
nach  Ems,  wo  ich  einigemal  des  sanften  Bades  geuoss,  und  sodann  auf  einem 
Kahne  den  Fluss  hinabwärts  fuhr.  Da  eröffnete  sich  mir  der  alte  Rhein;  die 
schöne  Lage  von  Ober  lahnstein  entzückte  mich:  über  alles  aber  herrlich 
und  majestätisch  erschien  das  Schloss  Ehrenbreitstein,  welches  in  seiner 
Kraft  und  Macht,  vollkommen  gerüstet,  dastand." 

Wir  begleiten  den  Wanderer  nicht  weiter;  bei  dem  Geh.  Rat  von  La 
Roche  und  seiner  Gemahlin  fand  er  gastliche  Aufnahme  und  unterhaltende 
Gesellschaft.  Die  sonderbare  Befragung  des  Orakels,  welche  der  Bericht  mit- 
teilt, muss  an  den  Anfang  der  Wanderung  —  vor  der  Ankunft  in  Weilburg  — 
fallen.  Eine  durchaus  verbürgte  Sage  will  wissen,  bei  Obernhof  habe  Goethe 
auf  einer  Anhöhe  ausgeruht  und  sich  au  dem  herrlichen  Anblick  der  vor  ihm 
liegenden  Landschaft  erfreut;  man  hat  dem  Punkte  den  Namen  Goethe- 
plätzchen oder  Goethepunkt  geben  wollen. 

Von  Koblenz  aus  fuhren  Merck  und  Goethe  auf  einer  Jacht  den  Rhein 
aufwärts,  und  „obschon",  heisst  es  weiterhin,  „dieses  an  sich  sehr  laugsam  ging, 
so  ersuchten  wir  noch  überdies  die  Schiffer  sich  ja  nicht  zu  übereilen.  So 
genossen  wir  mit  Müsse  der  unendlich  mannichfaltigen  Gegenstände,  die  bei 
dem  herrlichsten  Wetter  jede  Stunde  an  Schönheit  zuzunehmen  und  sowohl  an 
Grösse  als  an  Gefälligkeit  immer  neu  zu  wechseln  scheinen;    und  ich  wünsche 


59 

Ulli",  indem  ich  die  Namen  Rheinfcls  und  St.  Goar,  Bacliaracli,  Jungen,  Ell  fei  d 
und  Biberich  ausspreche,  dass  jeder  meiner  I/cscr  im  Stande  sey  sich  diese 
Gegenden  in  der  Erinnerung  hervorzurufen." 

Am  21,  September  schrieb  Goethe  wieder  den  ersten  datierten  Brief  von 
Frankfurt  aus. 

Hatten  die  ersten  Ausflüge  nach  Nassau  einen  heilsamen  EinHuss  auf  die 
Stimmung  des  jungen  Goethe  und  infolge  der  Ordnungsliebe  seines  Aufsehers 
und  Begleiters  auf  seinen  Ordnungssinn  ausgeübt,  so  war  die  Lahnreise  viel- 
leicht von  noch  grösserer  Bedeutung  für  den  jungen  Mann.  Der  etwas  zweifel- 
hafte Ausgang  des  Orakels  drängte  die  Neigung  zur  darstellenden  Kunst  zurück,  die 
Übung  im  Zeichnen  wurde  lässiger  betrieben,  und  um  so  mächtiger  wurde  der 
Trieb  und  die  Kunst  dichterischer  Gestaltung  des  Erlebten,  von  der  alsbald 
die  Leiden  des  jungen  Werther  1774  Zeugnis  ablegten.  Goethe  wurde  so  dem 
Elemente  endgiltig  zugewiesen,  zu  dem  er  geboren  war,  in  dem  er  die  höchste 
Vollendung  erreichen  sollte.  Indessen  versäumte  er  das  Zeichnen  nicht,  und 
auch  darin  brachte  er  es,  wie  er  denn  ein  scharfer  Beobachter  der  Natur  war 
und  den  Griffel  sicher  zu  handhaben  lernte,  zu  einer  mehr  als  gewöhnlichen 
Fertigkeit. 

Sein  öfterer  Aufenthalt  auf  dem  Schlosse  zu  Dornburg  gab  ihm  später 
Gelegenheit  die  Erinnerung  an  die  schönen  Lahngegenden  aufzufrischen;  denn 
hier  waren  viele  Darstellungen  ihrer  bunten  Landschaften  aufgehängt  und  er- 
freuten das  Auge  des  Beschauers.*) 

IV.    1774,   Sindlingen. 

Sindlingen,  heute  ein  Dorf  des  Kreises  Höchst,  gehörte  bis  zu  Jahre  1803 
zu  dem  Kurfürstentum  Mainz,  Amtsvogtei  Höchst;  so  ist  das  Fest,  welches 
Goethe  am  30.  Mai  1774  hier  mitbeging,  eigentlich  dem  Kreis  unserer  Dar- 
stellung fremd,  doch  dürfen  wir  es  wohl  nicht  ganz  übergehen. 

An  dem  oben  bezeichneten  Tage  feierten  der  Kaufmann  Johann  ^laria 
Allesina  und  seine  Frau  Franziska  Clara,  geborene  Brentano,  das  Fest  ihrer 
goldenen  Hochzeit  auf  einem  Gute  ihres  Schwiegersohnes  Schweizer  zu  Sind- 
lingen. Goethe  stand  damals,  wie  wir  wissen,  in  naher  Verbindung  zu  der 
Familie  La  Roche;  Maximiliane,  die  Tochter  des  Hauses  (1756 — 1793),  hatte 
einige  Monate  vorher  den  Kaufmann  und  kurtrierischen  Residenten  zu  Frankfurt 
Peter  Anton  Brentano  geheiratet^),  und  so  war  er  auch  mit  dieser  Familie  in 
Beziehung  getreten.  Daher  wurde  denn  auch  er  zu  dem  festlichen  Tage  einge- 
laden und  tanzte  flott  mit.  An  die  Mutter  der  Maxe,  die  ,Mama"  Sophie  von 
La  Roche,  berichtet  er  darüber  also'"): 


*)  C  A.  H.  Burkhardt,  Goethes  Untorhaltmigen  mit  dem  Kanzler  Fr.  v.  .Müller, 
1870,  S.  21.  —  ")  Die  Proklamation  des  Paares  war  am  2(!.  Dezember  177:5  zu  Frankfurt  er- 
folgt; Mar.  Belli- Gontard,  Leben  in  Frankfurt  VI  48.  Der  Kurfürst  von  Trier  genehmigte, 
dass  die  Trauung  in  der  Hofkirche  zu  Koblenz  stattfinde  (Sonntag,  den  '.».  Januar  1771). 
Gr.  V.  Loeper,  Briefe  Goethes  an  Sophie  v.  La  Roche,  S.  XX.  —  '")  v.  Loeper,  a  a.  O., 
S.  41.     Goethes  Werke,  Weini.  Ausgabe  IV,  2,  IGo. 


60 

„Zu  SingÜDgen  (sie)  auf  der  golder en  Hochzeit,  da  ich  den  Geburtstag  Ihrer 
lieben  Max")  herbeitanzte,  hab  ich  Ihrer  viel  gedacht.  0  Manial  es  waren 
viel  Lichter  da'")?  und  Schweyzers  Willemine'^)  kriegte  mich  am  Arm  und  fragte: 
warum  zündt  man  so  viel  Lichter  an?  Das  war  eine  Frage  einen  ganzen 
Sternhimmel  zu  beschämen,  geschweige  denn  eine  Iluminatiou.  Ich  hab  mich 
nach  Ihnen  umgesehen,  hab  Ihrer  Max  den  Arm  gegeben  wenig  Augenblicke." 


V.    1774,   Ems. 

Die  Emser  Reisen^'*)  des  Jahres  1774  knüpfen  sich  an  den  Besuch 
Lavaters  bei  Goethe  an.  Beide  hatten  ein  lebhaftes  Interesse,  auch  ohne  sich 
gesehen  zu  haben,  zueinander  gefasst.  Goethe  hatte  im  Jahre  1772  Lavaters 
Schrift  .Aussichten  in  die  Ewigkeit"  in  den  Frankfurter  gelehrten  Anzeigen 
besprochen,  zwar  ohne  sich  zu  nennen,  doch  war  es  nicht  unbekannt  geblieben, 
wer  der  Verfasser  der  Rezension  sei;  Lavater  hoffte  von  seiner  Bekanntschaft 
grosse  Yorteilo  für  sich;  auch  hatten  ihn  mehrere  Aufsätze  von  Goethe  sehr 
angesprochen,  wie  der  über  deutsche  Baukunst,  das  Schreiben  des  Pastors  zu  ** 
an  den  Pastor  zu  **.  Daraufhin  war  im  Jahre  1773  ein  Briefwechsel  zwischen 
beiden  eingetreten,  der  zur  persihjlichen  Bekanntschaft  führte,  als  der  Schweizer 
Theologe  im  Juni  des  Jahres  1774  seine  Rheinreise  machte  und  unter  anderm 
das  Bad  zu  Ems  besuchte.  Gross  war  die  Spannung  beider,  sich  von  Ange- 
sicht zu  Angesicht  zu  sehen.  Endlich  am  Abend  des  23.  Juni  traf  Lavater  in 
Frankfurt  ein  und  nahm  bei  Goethes  Eltern  Wohnung.  Sie  hatten  beide  eine 
ganz  andere  Vorstellung  voneinander  gehabt,  als  sich  jetzt  darbot,  aber  die 
gegenseitige  Zuneigung  stieg  bei  dem  persönlichen  Verkehr,  wenn  auch  der 
ernstere  Geistliche  den  übersprudelnden  Humor  des  jüngeren  Freundes  bis- 
weilen beruhigen  musste.  Da  aber  Lavater  vielfach  von  anderen  Personen  in 
Anspruch  genommen  wurde  und  deshalb  Goethe  ihn  nicht  so  geniessen  konnte, 
wie  er  wünschte,  so  beschloss  er  ihn  auf  seiner  \Yeiterreise  nach  Ems  zu 
begleiten.  Am  29.  Juui  fuhren  also  beide  in  einem  besonderen  Wagen  ab  und 
verlebten  die  Zeit  in  ernsten  und  heiteren  Gesprächen  zu  ihrer  hohen  Zufrieden- 
heit. Nur  einen  Tag  verweilte  Goethe  zu  Ems,  da  Geschäfte  ihn  nach  Hause 
riefen;  auf  dieser  Rückreise  war  es,  wo  er,  im  Wagen  sitzend,  „Erwin  und 
Elmire"  fast  zu  Ende  brachte. 

In  Frankfurt  stellte  sich  bald  ein  anderer  Gast  ein,  ganz  verschieden  von 
dem  ersten  und  ebenso  so  vielgenannt  im  deutschen  Reich;  es  war  Basedow, 
der  sich  gleichfalls  nach  Ems  zur  Kur  bogeben   wollte;  er  hoffte  zugleich  För- 


")  Ihr  Geburtstag  war  den  :U.  ^Fai.  —  '-i  Dazu  bemerkt,  v.  Loeper,  ts.  4:!:  Die  Einfach- 
Jieit  der  damaligen  Zeit  zeigt  sich  in  (ioethes  Abneigung  gegen  die  ihm  als  unzulässiger  Luxus 
erscheinende  lieile  Beleuchtung  der  Zimmer.  So  hebt  er  hier  die  vielen  Lichter  hervor,  so 
die  vielen  Lichter  am  Spieltisch  in  dem  Liede  an  Lilli  „Warum  ziehst  du  mich  unwidersteh- 
lich" und  in  den  Briefen  aus  der  Schweiz  (erste  Abteilung  zu  Anfang  des  vorletzten  Briefes). 
—  '•'')  Schwester  von  Schweizer.  —  ")  Ilauptquellc  ist  wieder  ,,Üiclitung  und  Wahrlieit";  die 
Chronologie  lässt  sich  aus  den  erhaltenen  Briefen  feststellen.  Vgl.  vornehmlich  v.  Loeper, 
Briefe  Goethes  an  Sophie  von  La  Roche  u.  s.  w.  187'.)  IL  Düntzcr,  Frcundeshilder  aus 
Goethes  Leben  1853.  I.  Lavater,  S.  1  ff. 


61 

derer  und  Gönner  für  seine  neue  Erziehungsanstalt  in  Dessau,  deren  Errichtung 
wegen  des  Maugels  an  den  nötigen  Geldmitteln  ins  Stocken  geraten  war,  auf 
dieser  Heise  zu  gewinnen;  eben  hatte  er  den  Plan  zu  seinem  Unternelnnen 
durch  eine  Schrift  „Vorschläge  au  das  kundige  Publikum  über  Errichtung  einer 
Privatakadomie"  erscheinen  lassen,  indem  er  durch  dos  „kundigen  Publikums" 
Opferwilligkeit  die  fehlenden  Geldmittel  zu  erhalten  dachte.  Von  Basedows  ihm 
vielfach  unangenehmen  Gebaren  entwirft  Goethe  in  „Dichtung  und  Wahrheil" 
ein  anschauliches  Bild,  auch  wie  er  sich  dessen  zu  erwehren  suchte. 

Kaum  war  Basedow  abgereist,  so  beschloss  Goethe  die  beiden  Antipoden 
in  Ems  durch  seine  unerwartete  Ankunft  zu  überraschen,  nimmt  Urlaub  und 
reist  am  14.  Juli  ebenfalls  nach  Ems  ab;  am  15.  ist  der  „Herr  Doctor  Gocdduc^'^) 
aus  Frankfurt"  in  der  Kurliste  als  angekommen  verzeichnet.  Die  drei  ungleichen 
Genossen  blieben  bis  zum  18.  Wie  Goethe  lebte,  wie  er  sich  vergnügte,  davon 
entwirft  er  in  , Dichtung  und  Wahrheit"  eine  lebendige  Schilderung,  bei  der 
ihm  nur  darin  das  Gedächtnis  untreu  war,  dass  er  die  erste  und  die  bald  folgende 
Anwesenheit  in  Ems  nicht  voneinander  scheidet;  ein  Irrtum  ist  es  ferner,  wenn 
er  sich  über  „Werthers  Leiden"  ausfragen  lässt,  da  diese  Schrift  doch  erst  im 
Herbst  desselben  Jahres  erschien. 

Am  16.  oder  17.  Juli  wurde  der  Frau  v.  Stein,  der  Mutter  des  späteren 
Ministers,  ein  Besuch  abgestattet,  und  es  ist  heiter  zu  lesen,  wie  Goethe  auf 
der  Heimfahrt  Basedow  für  seine  frivole  Geschwätzigkeit  über  die  Dreieinigkeit 
abstraft,  indem  er  ihu  hinderte  in  einem  Wirtshause  seinen  trockenen  Gaumen 
anzufeuchten;  Basedow  hatte  gewünscht,  der  Kutscher  möge  hier  halten,  Goethe 
aber  feuerte  denselben  an  rasch  vorbeizufahren.  Seine  heitere,  übersprudelnde 
Laune  beweist  der  Brief,  den  Lavater  am  Morgen  des  18.  an  seine  Frau 
schrieb.  Goethe  lag  noch  zu  Bett,  als  Lavater  zu  schreiben  begann;  kaum 
hatte  er  angefangen,  so  diktierte  ihm  jener  von  seinem  Lager  aus  die  Fort- 
setzung, an  welche  dann  Lavater  wieder  anknüpfte: 

„Ich   schreib  Euch   (so  beginnt  dieser)    den    letzten   guten  Tag    von  Ems 

aus,  Ihr  Lieben  ....   „Unterdess  —  (diktiert  mir  Goethe  aus  seinem  Bett  heraus) 

—  Unterdess  gehts  immer  so  gerade  in  die  Welt  'nein.     Es    schläft  sich,    isst 

sich,  trinkt  sich  und  liebt  sich  auch  wohl  an  jedem  Orte  Gottes  wie  am  andern, 

folglich  also  —  schreib  er  weiter."  —  Nun  ich  schreibe: 

Tage  der  liuli  und  des  Drangs  und  des  neuen  Menschen  Genusses 
Gönnte  mein  Vater  mir  hier  u.  s.  w."  ^'^) 

'■')  Vgl.  A.  Spiess  in  den  Annalen  des  nass.  Vereins  l'ür  Altertumskunde  XII,  2S(;  iT. 
Goeddi'e,  wie  auch  nach  seiner  Abreise  in  der  Kurliste  der  Name  lautet,  hat  Goethe  offenbar  nicht 
selbst  geschrieben,  sondern  seinen  Namen  dem  AVirte  oder  Kellner  des  oranien-nassauischen 
Badhauses  angegeben,  der  ihn  dann  der  Aussprache  getreu  so  niiderschrieb.  Die  landesübliche 
Aussprache  des  Mittelrheins  nimmt  es  noch  jetzt  mit  den  Dentalen  nicht  genau  und  setzt 
vielfach  Media  (d)  statt  Tenuis  oder  Aspirata  (t,  tli);  ferner  spricht  sie  das  8chluss-c  in  Worten 
wie  Goethe,  Lade  lang  aus;  Goethe  selbst  muss  so  gesprochen  haben,  wie  er  denn  bis  in  sein 
spätes  Alter  seine  rheinische  Aussprache  nie  ganz  verleugnete  oder  auch  zu  verleugnen  trach- 
tete. Er  selbst  schrieb  im  Tagebuch  Ladi'.  Vgl.  R.  Hildebrnnd.  Prcuss.  Jahrb.  72  {189M), 
S.  447  ff.  —  '«)  Goethes  Briefe,  Weimarer  Ausgabe  (IV)  2,  17^. 


62 

Aber  auch  die  Dichtung  giug  nicht  leer  aus;  am  17.  Juni  entstand  „dos 
Künstlers  Erdenwallen",  eine  Schilderung  des  genialen  Künstlers,  der  sich  durch 
Nahrungssorgeu  zu  elenden  Lohnarbeiten  gezwungen  sieht,  am  18.  „auf  dem 
Wasser  gegen  Neuwied"  die  ältere  Gestalt  von  „des  Künstlers  Apotheose", 
„des  Künstlers  Vergötterung.  Drama"  ^^);  in  beiden  wird  die  Apotheose  durch 
die  Bewunderung  dargestellt,  welche  das  von  dem  Meister  hinterlassene  Bild 
der  Yenus  Urania  hervorruft;  die  Ausführung  jedoch  ist  ganz  verschieden.  Der 
Fahrt  auf  der  Lahn,  die  sie  an  demselben  Tage  von  Ems  weg  nach  dem  Rheine 
führen  sollte,  vordanken  die  zwei  Zeilen  ihren  Ursprung: 

„Auf  der  Lahn,  18.  Juli  1774. 
Wir  Nverden  nun  recht  gut  geführt. 
Weil  Basedow  das  Ruder  führt." 

Ferner  entstand  im  Anblick  von  Burg  Lahneck  auf  derselben  Fahrt: 

„Der  Geistesgruss. 
Hoch  auf  dem  alten  Thurrae  steht 
Des  Helden  edler  Geist, 
Der,  wie  das  Schiff  vorüberzieht, 
Es  wohl  zu  fahren  heisst. 

„Sieh,  diese  Senne  war  so  stark, 
Diess  Herz  so  fest  und  wild, 
Die  Knochen  voll  von  Ritterniark, 
Der  Becher  angefüllt. 

Mein  halbes  Leben  stürmt'  ich  fort, 
Verdehnt'  die  Hälft'  in  Ruh, 
Und  du,  du  Menschen-SchifFlein  dort. 
Fahr'  immer,  immer  zu." 

AVir  übergehen  die  weitere  Fahrt  nach  Koblenz  und  die  heitere  Scene 
in  dem  dortigen  Gasthause,  wo  Lavater  den  Landgeistlicheu  über  die  Geheim- 
nisse der  Offenbarung  belehrte,  Basedow  dem  hartnäckigen  Tanzmeister  klar 
machte,  dass  die  Taufe  ein  veralteter  Brauch  sei,  Goethe  aber,  zwischen  beiden 
sitzend,  sich  es  w^ohlschmecken  liess;  ebenso  muss  der  Verlauf  der  Reise  nach 
dem  Niederrhein  hier  unbeachtet  bleiben,  nur  der  Zeilen  sei  gedacht,  die  in 
den  Versen  Goethes  auf  dem  AVeg  nach  Neuw^ied  au  Ems  erinnern.  Zunächst 
die  bekannten  Verse: 

„Und  wie  nach  Emaus  weiter  ging's 
Mit  Geist  und  P'euerschritten, 
Prophete  rechts,  Prophete  links. 
Das  Weltkind  in  der  Mitten." 

Denn  sicherlich  wurde  er  zu  dem  Vergleiche  angeregt  durch  die  Namens- 
ähnlichkeit von  Ems  und  Emaus;  dass  bei  unsern  Reisenden  die  Sache  anders 
lag,  da  sie  von  Ems  kamen,  nicht  dahin  gingen,  thut  nichts  zur  Sache;  ist  doch 
auch  das  Verhältnis  in  einer  zweiten  Art  umgekehrt,  indem  auf  dem  Gang 
nach  Emaus  nicht  das  Weltkind  in  der  Mitte  sich  befindet,  sondern  der  Herr 
und  Meister,  dem  die  beiden  andern  bewundernd  zuhören.  ^^) 


")  v.  Loeper,  a.  a.  O.  S.  55.  —  '**)  Darauf  macht  M.  v.  Waldberg  im  Gocthe-Jahrb. 
IV,  355   mit  Recht   aufmerksam. 


63 

Sodann  sei  des  Stamnibuchvorscs  „In  das  Kalendcrlein  der  Frau  Hofrätin 

Kämpf.  Auf  dem  Rhein,  den   18.  Juli   1774"  erwähnt,  der  freilich  nur  lose  mit 

Ems    zusammenhängt.     Zu  Ems    und  Neuwied    waren    die   zwei  Brüder  Kämpf 

Arzte,  Johaon  zu  Ems,  Wilhelm  Ludwig  zu  Neuwied,  beide  mit  dem  Titel  Ilofrat; 

des  Emscrs    werden    wir  weiter    unter  noch  ausführlicher  gedenken.     Derselbe 

mag  die  Reisegefährten  au  jenen  empfohlen  haben,  und  so  wird  es  gekommen 

sein,    dass    dessen    Gemahlin    in    Koblenz    sich    zu    ihnen    gesellte   und  auf  der 

Rheinfahrt  abwärts    bis  Neuwied  ihre  Begleiterin    war  und  für  sie  sorgte.     An 

sie")  richtet  nun  Goethe  folgende  Zeilen  in  ihr  Kalenderleiu: 

„Sarah  koclit  unsorm  Herregott, 
Elisabeth  Götzen  in  der  Noth, 
Nahmen  sich  ihres  Hauses  an, 
Waren  Gott  lieb,  waren  lieb  dem  Mann. 
Du  sorgtest  für  die  Freunde  hier; 
Uruni,  liebes  Weibchen,  dank'  ich  dir." 

Am  25.  oder  26.  Juli  trifft  die  ]leisegesellschaft  wieder  in  Ems  zusammen; 
Lavater  jedoch  eilte  schon  am  27.  in  die  Heimat  zurück,  die  beiden  andern 
verweilten  noch  etwa  14  Tage.  In  diese  Zeit  muss  hauptsächlich  das  lustige 
und  ausgelassene  Treiben  Goethes,  von  dem  „Dichtung  und  Wahrheit"  erzählt, 
fallen,  während  sich  Basedow  mit  weitaussehenden  Plänen  für  Verwirklichung 
seiner  Anstalt  beschäftigte,  zu  denen  vielleicht  auch  unser  Goethe  im  Vertrauen 
hinzugezogen  wurde. 

Der  eben  genannte  Johann  Kämpf  (1726 — 1787)  war  seit  dem  Jahre  1770 
zugleich  nassau-oranischer  Hofrat,  Physikus  zu  Diez  und  Brunnenarzt  zu  Ems'°); 
ein  unruhiger  Kopf  —  ein  Zeitgenosse  nennt  ihn  einen  grossen  Windbeutel  und 
unverschämten  Lügner^')  — ,  auf  die  Zeitströmungen  aufmerksam  und  zugleich 
für  das  Wohl  seines  engeren  Vaterlandes  bedacht,  macht  er  Basedow,  als  er 
von  den  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Errichtung  der  Erziehungsanstalt  ent- 
gegenstellten, hörte,  den  Vorschlag^'')^  diese  nicht  in  Dessau,  sondern  zu  Herborn 
im  Nassauischen  zu  errichten;  er  hoffte  dabei  der  daselbst  bestehenden"),  aber 
im  Niedergang  begriffenen  hohen  Schule  wieder  aufzuhelfen  und  so  beide  An- 
stalten zu  fördern.  Basedow  ging  auf  die  Sache  ein,  da  Kämpf  ihn  beinahe 
nicht  von  der  Seite  liess  und  seinen  Eifer  immer  mehr  anzufachen  wusste.  So 
ging  denn  eine  dahin  zielende  Anfrage  Kampfs  vom  G.  August  nebst  einem 
Schreiben  Basedows  vom  4.  August  nach  Dillenburg  an  den  Geh.  Rat  Winter. 
Mitglied  der  oranien-nassauischen  Regierung,  ab,  fand  aber  nicht  die  gehoffte 
Aufnahme,  und  das  Projekt  musste  fallen  gelassen  werden;  im  Dezember  1774 
wurde  die  neue  Schule  in  Dessau  eröffnet. 


^^)  Dass  es  die  Frau  des  Neuwieder,  nicht  des  Eniser  Kämpf  war,  lässt  sich  daraus 
abnelimen,  dass  diese  nur  kurze  Zeit  nachher,  am  Anfang  des  August,  eines  Knäbleins  genas, 
also  am  18.  Juli  wohl  nicht  iiiohr  eine  Rheinreise  nach  Neuwied  unternahm.  Yergl.  den  Brief 
in  der  Westdeutschen  Zeitschr.  I,  245,  mitgeteilt  von  Joachim.  —  •")  Strieder,  Hess.  (iel. 
VI,  440.  —  '•'')  Randbemerkung  in  einem  Exemplare  von  Strieder  a.  a.  0.  aus  Mosers  Leben 
1772,  II.  —  '-'-)  E.  Joachim,  Basedow  und  die  hohe  Schule  zu  Herborn,  Westdeutsche  Zeit- 
schr. I,  (1882),  S.  238—252.  —  ")  Sie  war  1584  gestiftet  worden,  hatte  aber  —  der  Kosten 
wei;on  —  auf  die  kaiserliche  Oenehmisrun'r  des  Ranges  und  Namens  einer  Universität  verzichtet. 


64 

Wir  kehrcü  nach  dieser  AbscIiweifuDg  zu  Goethe  zurück.  Am  .']  I.Juli") 
kündigt  er  der  Frau  von  La  Roche  seinen  Besuch  zu  Elireubreitstein  auf 
Dienstag  (den  2.  August)  an  und  bittet  zugleicli  um  einige  Flaschen  Wein  — 
„oder  vielmehr,  fügt  er  hinzu,  icli  will  sie  mitnehmen  wenn  ich  komme,  hier 
vergiften  sie  mich  mit  Getränk."  In  demselben  Briefe  thut  er  eines  Unglücks 
Erwähnung,  welches  am  30.  Juli  zu  Ems  vorgefallen  war.  „Am  30.  Juli,  be- 
richten die  Dilleuburgische  Intelligenz -Nachrichten"),  sind  zu  Bad-Ems  vier 
Knaben,  welche  krebsen  wollten,  in  der  Lahn  ertrunken.  Nach  dem  sie  drey 
viertel  Stund  uuteim  Wasser  gewesen,  so  wurden  sie  herausgezogen,  aber  der 
angewandten  Mittel  ungeachtet,  nicht  wieder  zu  recht  gebracht."  Über  diesen 
Unfall  schreibt  nun  Goethe  an  Frau  von  La  Roche:  „Mein  Sinn  hat  sich  noch 
nicht  ganz  erholt,  da  vier  Knaben  gestern  Nacht  ertranken  und  keiner  gerettet 
wurde.  Nur  in  solchen  Augenblicken  fühlt  der  Mensch  wie  wenig  er  ist,  und 
mit  heissem  Atmen  und  Seh  weiss  und  Thränen  nichts  würckt." 

Dies  Ereignis  grub  sich  tief  in  die  Seele  Goethes  ein;  er  selbst  hat  sich 
wohl  an  den  Wiederbelebungsversuchen  beteiligt  oder  ist  wenigstens  bei  den- 
selben anwesend  gewesen.  Noch  nach  einem  halben  Jahrhundert  war  die  Er- 
innerung an  sie  in  seinem  Gedächtnis  lebendig  und  fand  eine  Stelle  in  den 
„Wanderjahren"  (11,  12).-®)  Hier  sind  fünf  Knaben  beim  Krebsen  ertrunken; 
nachdem  sie  in  langem  Zuge  hereingetragen  und  in  dem  Gemeindehause  nieder- 
gestellt worden  sind,  glückt  es  Wilhelm  Meister  durch  ein  offenes  Fenster  hin- 
einzuspringen, da  man  ihn  nicht  einlassen  wollte.  „In  dem  grossen  Saale",  er- 
zählt derselbe  weiter,  „lagen  die  Unglücklichen  auf  Stroh  nackt  ausgestreckt, 
glänzendweisse  Leiber,  auch  bei  düsterem  Lampenschein  hervorleuchtend.  Ich 
warf  mich  auf  den  grössten,  auf  meinen  Freund;  ich  wüsste  nicht  von  meinem 
Zustand  zu  sagen,  ich  weinte  bitterlich  und  überschwemmte  seine  breite  Brust 
mit  unendlichen  Thränen.  Ich  hatte  etwas  von  Reiben  gehört,  das  in  solchen 
Fällen  hülfreich  sein  sollte;  ich  rieb  meine  Thränen  ein  und  belog  mich  mit 
der  Wärme,  die  ich  erregte.  In  der  Verwirrung  dacht'  ich  ihm  Athem  einzu- 
blasen,  aber  die  Perlenreihen  seiner  Zähne  waren  fest  verschlossen;  die  Lippen, 
auf  denen  der  Abschiedskuss  noch  zu  ruhen  schien,  versagten  auch  das  leiseste 
Zeichen  der  Erwiederung.  An  menschlicher  Hülfe  verzweifelnd,  wandt'  ich 
mich  zum  Gebet;  ich  flehte,  ich  betete;  es  war  mir  als  wenn  ich  in  diesem 
Augenblicke  Wunder  thun  müsste,  die  noch  inwohnende  Seele  hervorzurufen, 
die  noch  in  der  Nähe  schwebende  wieder  hineinzulocken.  Mau  riss  mich 
weg  u.  s.  w." 

Für  den  Augenblick  beschäftigte  den  Dichter  nach  seiner  Erzählung  in 
„Dichtung  und  Wahrheit"  (14.  Buch)  ein  andrer  Plan,  den  die  Beobachtung 
seioer  beiden  Gefährten  in  ihm  erregt  oder  gefördert  habe;  danach  wollte  er 
das  Leben  Mahomeds  dramatisch  bearbeiten.  Indessen  scheint  auch  hier  das 
Gedächtnis  ihm  untreu  gewesen  zu  sein;   der  „Gesang  Mahomeds",  welchen  er 


*')  V.  Loeper,  a.  a.  0.  S.  59.  —  ''^)  Mitgeteilt  von  v.  Loepcr  a.  a.  0.  —  ^'^)  Darauf 
macht  V.  Loepcr  a.  a.  0.  mit  Recht  aufmerksam. 


65 

als  dahin  gehörig  anführt,  wurde  bereits  im  Herbste  1773  durcli  den  Göttinger 
Musenalmanach  bekannt  und  fällt  also  früher. 

Am  12.  August  reiste  Goethe  mit  Basedow,  der  sich  nach  der  Schweiz 
begeben  wollte,   wicdor  von  Ems  ab;   am   14.   war  or  zu   Fraiikfurf. 

VI.    1793,   Juni,  Juli. 

Goethe  hat  zwar  die  Geschichte  der  Belagerung  von  Main/,  im  Jahre  1703, 
soweit  er  derselben  beiwohnte,  oder  vielmehr  i^eiuc  Beobachtungen  während 
derselben  in  einer  besonderen  Schrift  geschildert,  aber  die  AusHügo,  welche  er 
damals  nach  Nassau  machte,  nicht  erwähnt;  die  Kunde  von  denselben  verdanken 
wir  brieflichen  Mitteilungen  in  die  Heimat. 

Auf  den  Wunsch  seines  Herzogs  begab  er  sich  im  Mai  zu  dem  Belagerungs- 
heer; am  27.  traf  er  bei  demselben  zu  Marienborn  ein.  Die  Einschliessung  der 
Stadt  hatte  im  April  begonnen  und  der  Kampf- um  sie  dauerte  bis  zum  Ab- 
schluss  der  Kapitulation  am  23.  Juli.  In  und  unmittelbar  nach  dieser  Zeit 
fallen  zwei  Ausflüge,  die  für  uns  hier  Interesse  haben. 

Am  9.  Juni  Rheinfahrt  nach  Rüdesheim;  daselbst  probierte  der  un- 
kriegerische Dichter  die  Keller  durch,  setzte  dann  an  dem  Mäuseturm  vorbei 
nach  Bingen  über  und  kehrte  zu  Land  nach  dem  Lager  bei  Marienborn  zurück.'") 

Nach  dem  Ende  der  Belagerung,  dem  Abzug  der  Franzosen,  des  Königs 
von  Preussen  und  des  Belagerungsheeres  war,  sagt  Goethe,  keine  Ursache 
mehr  weiteren  Anteil  an  den  Unbilden  des  Krieges  zu  nehmen;  er  erhielt  Urlaub 
nach  Hause  zurückzukehren,  doch  vrollte  er  vorher  noch  Mannheim  besuchen. 
Bevor  er  jedoch  dahin  abging,  machte  er  einen  Ausflug  nach  Schwalbach  und 
Wiesbaden,  von  dem  er  am  1.  August  au  Christiane  Vulpius  Bericht  abstattet, 
und  da  er  noch  am  27.  Juli  einen  Brief  von  Mainz  aus  schreibt,  so  muss  der- 
selbe in  die  Tage  vom  28.    -31.  Juli  fallen.     Jener  Brief  an  Christiane  lautet: 

„^taynz  den  1.  Aug.   1793. 
Nun  bin  ich  meine  Liebe  wieder  in  Maynz  nachdem  ich  einige  Tage 
in  Schwalbach    und  Wissbaden    mit  wenig  Freude    und  Interesse  war. 
Es  fand  sich  gute  Gesellschaft  am  ersten  Ort,  unter  andern  Umständen 
hätte  man  sich  wohl  da  vergnügen  können."-^) 

Schwalbach  war  damals  noch  der  Hauptkurort  für  die  vornehme  Welt 
und  hatte  durch  die  Fürsorge  seiner  Fürsten  sich  mächtig  gehoben;  man  ver- 
gleiche die  Mitteilungen  aus  den  Kurlisten,  welche  A.  Genth  aus  den  Jahren 
1788,  1797  und  1798  macht  und  ebenda  die  „Stimmen  aus  Schwalbaoh  vor 
hundert  Jahren."  2^)  Kurz  vorher  —  1787  —  hatte  der  uns  bekannte  Joh.  Kämpf, 
jetzt  Geh.  Rat  zu  Homburg  v.  d.  H.,  Vorschläge  zur  Hebung  des  Ortes  ge- 
macht, die  von  dem  Landgrafen  Karl  Emanuel  (1778^ — 1812)  gut  geheissen,  aber 


-')  Brief  an  Herder,  Weimarer  Ausgabe  (IV)  10,  S.  71»,  vom  15  Juli,  und  an  Jacobi, 
S.  89,  vom  7.  Juli,  über  das  Datum  s.  H.  Düntzer  und  F.  G.  v,  Herder,  aus  Herders 
Nachlass  I,  144.  —  --)  Brief  an  Cliristiane  Vulpius,  Weimarer  Ausg.  (IV)  10,  S.  101.  —  '^j  Nach- 
trag zu  der  Schrift:  Geschichte  des  Kurorts  Scliwalbacli,  3.  Aufl.,   1SS4,  S.  '2!t  und  41   Ö'. 


66 

nicht  ausgeführt  wiirdeu,  da  Kämpf  starb. ''^'j  Wiesbaden  entbehrte  damals  fast 
aller  Veranstaltungen  zur  Unterhaltung  der  Kurgäste,  die  daher  auch  meist 
Avirklich  Kranke  waren,  und  die  Stadt  hatte  in  Ansehung  des  Ausserlichen  wenig 
Empfehlendes^');  zudem  war  es  in  den  Kriegsjahren  wegen  der  Nähe  von  Mainz 
mehr  Gefahren  ausgesetzt.  Scharf  urteilt  über  die  Stadt  ein  Bericht  aus  jener 
Zeit  (1785).^-)  „Wiesbaden  liegt  iu  einer  niedrigen  Ebene  und  in  einer  Gegend, 
die  keine  besonderen  Aunehmlichkeiten  in  sich  fasst,  sondern  sie  erst  in  der 
Nachbarschaft  und  in  einiger  Entfernung  gegen  den  llhein  hin  suchen  muss. 
Auch  fehlt  es  an  schattigen  Spaziergängen  und  au  merkwürdigen  Anstalten  zu 
anständigen  öffentlichen  Vergnügungen.  Wiesbaden  ist  ein  elendes  Städtlein 
mit  engen  Gassen."  Nachdem  sodann  der  Verfasser  von  dem  Entwürfe  eines 
„sehr  grossen  Brunnenhauses",  welches  ehemals  für  den  Ort  bestimmt 
gewesen  sei  und  im  Modellhause  zu  Kassel  sich  befinde,  gesprochen,  schliesst 
er  mit  den  Worten:  „Wie  viel  hätte  nicht  Wiesbaden  durch  die  Ausführung 
eines  solchen  Gebäudes  gewinnen  müssen!" 

Der  Plan  dieses  Brunnenhauses  ist  für  uns,  nachdem  die  Stadt  durch  die 
Erbauung  des  Kurhauses  und  durch  Erweiterung  der  früher  bestandeneu 
bescheidenen  Anlagen,  auf  die  wir  später  kommen  werden,  die  ersten  Schritte 
ZH  ihrer  jetzigen  Bedeutung  als  „Weltkurstadt"  gethan,  zu  interessant,  als  dass 
wir  ihn  übergehen  dürfen.     Er  wird  folgendermassen  beschrieben: 

„Dieses  Gebäude  hat  eine  vortreffliche,  seiner  Bestimmung  gemässe  An- 
ordnung, indem  um  beide  Stockwerke  in  der  Runde  zwei  grosse  Arkadengänge 
laufen,  die  durch  sechs  grade  bedeckte  Gallerien  mit  dem  eigentlichen  Brunnen- 
hause, das  in  der  Mitte  hegt,  verbunden  sind.  Auch  das  geräumige  flache  Dach 
dieser  Arkaden  und  Gallerien  dient  bey  kühlem  Wetter  zum  Spazieren  und 
hat  in  seiner  Mitte  eine  Kuppel  in  Form  eines  antiken  Tempels,  die  Ruhesitze 
enthält.  An  den  Arkaden,  die  im  ersten  und  zweiten  Stockwerk  rund  um  das 
Brunnenhaus  sich  winden  und  es  gleichsam  einfassen,  sind  als  Wohnungen  für 
die  Brunnengäste  zwei  lange  Flügel  ebenfalls  mit  einer  flachen  Decke  ange- 
hängt und  diese  endigen  sich  mit  zwei  Pavillons,  die  ein  gebrochenes  Dach 
haben.  Bequeme  Treppen  und  Thüren  verbinden  alle  Theile  zu  einem  voll- 
ständigen Zusammenhang.  Man  wird  nicht  leicht  einen  Entwurf  zu  einem  grossen 
Brunnenhaus  finden,  der  mit  der  Schönheit  des  äusseren  Ansehens  zugleich 
soviel  gute  Anordnung  zu  seinem  Zwecke,  soviel  Bequemlichkeit,  soviel  Anmut 
und  Heiterkeit  der  inneren  Einrichtung  vereinigte." 

Es  ist  zu  bedauern,  dass  der  Plan  dieses  Brunnenhauses,  wie  es  scheint, 
verloren  gegangen  ist.  Das  Modellhaus  von  Kassel  ist  in  der  westphälischeu 
Zeit  von  den  Franzosen  geräumt  und  zerstört  worden  und  dabei  gingen  manche 
wertvolle  Modelle  zu  Grunde,  wahrscheinlich  auch  die  Darstellung  des  genannten 
Brunnenhauses,  sie  müsste  denn  verschleppt  worden  sein  und  in  irgend  einem 
Winkel  vielleicht  einer  französischen  Sammlung  versteckt  sein,  in  Kassel  wenig- 
stens findet  sie  sich  nicht  mehr  vor.^^)     Es  bleibt  freilich  für  den  Leser  manches 


^)  Genth,  a.  a.  0.  S.  23.  —  =*')  Job.  Bernoulli  bei  Gentb,  S.  41.  —  ^^)  C.  C.  L. 
Hirschfeld,  Tlioorie  der  Gartenkunst,  1785,  V,  111-  —  *')  Briefliclie  Mitteilung  des  verstor- 
benen Oberbibliütliekars  Dr.  Duncker  zu  Kassel  vom  S.  Januar  1885. 


67 

an  der  Beschreibimg  dunkel,  vor  allem  der  Urt,  wo  das  Gebäude  errichtet 
werden  sollte,  auch  ob  der  Plan  von  einer  massgebenden  Stelle  ausging  u.  s.  w. 
Im  besten  Falle  kann  die  Sache  als  der  erste  Gedanke  an  die  etwa  zwanzig 
Jahre  später  erfolgte  Errichtung  des  heutigen  Kurhauses  angesehen  werden. 

YII.   1814,   29.   Juli   bis   12.   September. 
Vlir.   1815,   27.   Mai  bis   II.   August. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  Jahren  1814  und  1815.  Sie  sind  für 
unsern  Zweck  bei  weitem  am  reichhaltigsten  und  lohnendsten  nicht  blos  wegen 
der  langen  Zeitdauer  von  Goethes  Aufenthalt  in  Nassau  —  er  füllt  den  Zeitraum 
von  im  ganzen  fast  vier  Monaten  aus  — ,  sondern  vornehmlich  wegen  des  In- 
halts. Es  ist  der  gereifte  Dichter  fast  am  letzten  Ziele  seiner  poetischen  Lauf- 
bahn, den  wir  in  fröhlicher  Schaffenslust  verfolgen  können,  der  wissbegierige 
Forscher,  den  wir  auf  seinen  Exkursionen  begleiten  dürfen,  der  gefeierte  Meister, 
hochgeehrt  und  aufgesucht  von  allen,  die  ihm  nahen  können,  aber  auch  der 
nachsichtige  Richter,  der  auch  den  guten  Willen  anerkennt,  wo  Kraft  und 
Leistung  höheren  Anforderungen  nicht  entsprechen,  der  Freund,  welcher  im 
trauten  Verkehr  ganz  Mensch  ist,  der  sich  unter  die  fröhliche  Menge  mischt 
und  aus  ihrer  frischen  Lebenslust  sich  selbst  verjüngt.  In  den  Tagebüchern 
der  Weimarer  Ausgabe  (III.  5,  1893)  liegt,  freilich  in  knappster  Form,  ein  so 
ausführlicher  Bericht  über  das  tägliche  Leben  vor,  dass  wir  auch  über  die 
gewöhnhchen  Vorkommnisse  desselben  genau  unterrichtet  werden;  und  was  ist 
bei  einem  Manne  wie  Goethe  nicht  wissenswert?  Erläuternd  treten  die  Annalen 
oder  Tag-  und  Jahreshefte  der  Jahre  1814  und  1815  und  andere  Aufzeichnungen  3^) 
hinzu,  sowie  die  zahlreichen  Briefe  von  befreundeten  Personen  und  an  dieselben, 
soweit  sie  bis  jetzt  veröffentlicht  sind. 

Wir  haben  es  für  zweckmässiger  erachtet  die  beiden  Jahre  vereint  zu  be- 
handeln, da  vielfach  die  in  beiden  vorkommenden  Personen  und  Sachen  in  eiu- 
andergreifen  und  so  einer  Zerreissung  des  Zusammengehörenden  vorgebeugt  wird. 

1.  Der  Eiitscliluss,  1814. 

Goethe  hatte  seit  22  Jahren  nicht  den  Rhein,  seit  17  Jahren  nicht  seine 
Vaterstadt  gesehen.  Und  doch  hing  er  mit  inniger  Liebe  an  dieser;  schon  die 
Lektüre  von  Hebels  alemannischen  Gedichten  lockte  ihm  das  Geständnis  ab, 
dass  sie  ihm  den  angenehmen  Eindruck  gebe,  den  wir  bei  Annäherung  von 
Stammverwandten  immer  empfinden.  In  Bezug  auf  die  Kheingegend  und  ihre 
Herrlichkeit  bemerkt  er  in  einem  Briefe  von  Wiesbaden  aus  (5.  Juli  1815)='^), 
es  komme  ihm  in  dieser  schönen  Welt  denn  doch  wunderbar  vor,  dass  er  seine 
Freunde  und  sich  selbst  hinter  dem  Thüringer  Wald  suchen  müsse,  da  man 
hier  nur  eine  Viertelstunde  Steigens  bedürfe,  um  in  die  Reiche  der  Welt  und 

='*)  Z.  B.  der  Reisebericht  an  verschiedene  Freunde  wie  Wolf,  Knebel  (9.  Xov.  1814), 
öfter  abgedruckt.  Vergl.  die  Anm.  zum  Tagebuoli  S.  354.  —  -'-'J  An  Meyer  in  F.  W.  Ricninr, 
Briefe  von  und  an  Goethe,  1840,  S.  105. 


68 

ihre  Herrlichkeiten  zu  sehen;  die  Thüringer  Hügelberge  aber  nennt  er  am  Abend 
seines  Lebens  trist.  Kein  ^Yunder,  dass  er,  als  der  Friede  endlich  gesichert 
erschien,  ernstlicli  den  Plan  erwog  wieder  einmal  nach  dem  Westen  zu  reisen. 
Denn  früher  hatten  ihn  die  unsicheren  Zeitläufte  zurückgehalten,  wie  er  am 
11.  Juni  1813  seinem  Freunde  Fritz  Schlosser  zu  Frankfurt  schrieb^^) :  „Den 
lieben  Rheinstrom,  besonders  die  Bergstrasse  möchte  ich  wohl  einmal  wieder 
sehen,  ein  wildes  Ereignis  nach  dem  andern  verbietet  mir  aber  solche  Genüsse." 
Den  gleichen  Wunsch  in  Bezug  auf  seine  Vaterstadt  spricht  er  demselben  gegen- 
über am  22.  Februar  1814  aus'"),  als  er  durch  seinen  von  Frankfurt  zurück- 
kehrenden Sohn  lebhaft  an  die  Freunde  daselbst  war  erinnert  worden.  3^)  Aber 
noch  dachte  er  nicht  ernsthch  an  die  Ausführung  des  Wunsches;  am  7.  März 
schreibt  er  an  Meyer^'-*),  er  wolle  zunächst  nach  Berka  gehen,  um  dem  gichtischen 
Wesen,  das  ihm  manchmal  in  die  Glieder  fahre,  zu  steuern;  allenfalls  könne 
er  sich  gegen  den  Herbst  noch  einige  Wochen  nach  Böhmen  wenden.  Doch 
allmählich  reifte  der  leise  Wunsch  zum  festen  Entschluss,  dem  er  im  Mai  des 
Jahres  1814  schon  nahe  ist.  „Ich  habe",  so  schreibt  er  am  8.  dieses  Monats 
an  Schlosser^^),  „diesen  Sommer  keine  sonderliche  Neigung  die  böhmischen  Bäder 
zu  besuchen;  wohin  ich  mich  wenden  soll,  ist  mir  noch  nicht  ganz  klar.  Möchten 
Sie  mir  aber  eine  Schilderung  von  Wiesbaden  geben  und  von  der  Lebensart 
daselbst,  nicht  weniger,  was  etwa  eine  Person  mit  einem  Bedienten  auf  einen 
vier-  oder  sechswöchentlichen  Aufenthalt  zu  verwenden  hätte,  so  würde  ich  es 
dankbar  erkennen,  um  so  mehr,  als  ich  die  Hoffnung  hege,  meine  wertesten 
Freunde  auch  einmal  wieder  zu  begrüssen.  Hiervon  bitte  ich  jedoch  nichts 
laut  werden  zu  lassen." 

Die  Antwort  Schlossers  muss  nicht  ganz  ermutigend  gewesen  sein;  in  der 
Erwiderung*^)  bekennt  Goethe  abermals  seinen  Wunsch  in  der  Nähe  seiner 
Vaterstadt  einen  Teil  des  Sommers  zuzubringen,  allein  die  Ärzte  seien  damit 
nicht  einverstanden  und  möchten  ihn  wieder  nach  den  böhmischen  Bädern 
schicken,  die  ihm  freilich  mehrere  Jahre  bekommen  seien.  Und,  fährt  er  fort, 
„wenn  ich  aufrichtig  sein  soll,  so  hat  Ihre  treue  Schilderung  der  dortigen  Zu- 
stände meine  früheren  Erfahrungen  daselbst  wieder  geweckt  und  mir  in  Er- 
innerung gebracht,  welche  Leiden  ich  dort  bei  grosser  Hitze  in  den  Badhäusern, 
Bädern,  Gasthöfen  u.  s.  w.  erduldet  und  wie  ich  mehr  wie  einmal  in  die  Ge- 
birge geflüchtet." 

Den  Zweifelnden  mögen  schliesslich  die  Freunde  Zelter  und  F.  A.  Wolf, 
welche  ihn  im  Juni  zu  Berka  besuchten  und  gleichfalls  vorhatten  die  Bäder  in 
Wiesbaden  zu  gebrauchen,  bestimmt  haben  seine  Bedenken  fahren  zu  lassen 
im  Hinblick  auf  den  Verkehr,  den  er  mit  ihnen  dort  pflegen  konnte.  Wolf 
freilich,  welcher  in  der  letzten  Woche  des  Juni  zu  Wiesbaden  eintraf  (er  ist 
in  der  Kurliste  als  Gast  des  „schwarzen  Bockes"  eingetragen),  war,  als  Goethe 
ankam,    wieder  abgereist.     Dafür    liiclt    um  so    fester  Zelter    bei    dem  Freunde 


8«)  In  Frese,  Goethe-Hriefe  aus  Fritz  Schlossers  :Nachlass,  1877,  S.  52.  —  ")  Ebenda 
S.  5S.  —  ^*)  Th.  Creizenach,  liriefwecliscl  zwisclien  Goethe  und  .Marianne  v.  Wiliemer, 
2.  Aufl.  1S78,    S.  28.  —  ^')  Uoethe-Jahrbücher  IV,    IGl.  —    *")  Frese   S.   CO.   —    *\i  Ebenda 

a.  t;i. 


ß9 

aus;    er  war  am  12.  Juli  angekommen    und    ging   erst   am  31.  August   wieder 
ab,  einen  Tag  früher,  als  Goethe  nach  Winkel  im  Rheingau  fuhr. 

Kaum  war  Zelter  zu  Wiesbaden  eingetroffen,  als  er  für  Goethe  zu  surgen 
begann.  Von  Wolf  übernahm  er  für  ihn  dessen  noch  übrigen  Vorrat  an  Wein 
und  Mineralwasser;  am  15.  Juli  meldet  er^"),  dass  er  ein  Quartier  für  ihn 
gefunden,  drei  ordentliche  Piecen,  welche  in  zwölf  Tagen  frei  würden,  in  dem 
„Bären"  („dem  Neste")  in  der  „Angergasse"  (offenbar  verhört  statt  „Langen 
Gasse"  oder  „Langgasse").  Er  fügt  hinzu:  „Es  ist  hier  gut  und  angenehm 
leben,  da  man  durchaus  nicht  gebunden  ist.  .  .  Ich  habe  durch  Wolf  den  hie- 
sigen Bibliothekar  Hundeshagen  kennen  lernen;  dies  ist  ein  junger  vielgeschickter 
Mann,  der  hübsch  zeichnet,  mit  Antiquitäten,  Botanik  und  mit  Landeshistorie 
beschäftigt.  Dieser  wünscht  Dir  allerlei  Varietäten  der  Natur  und  Kunst  vor- 
zuführen. Willst  Du  Deine  Pferde  nicht  mitbringen,  so  ist  hier  das  Fuhrwesen 
nicht  übermässig  thcuer,  um  die  schönen  Umliegeuheiten  zu  befahren.  Li 
Biebrich,  wo  der  Fürst  (Herzog  Friedrich  August)  residirt,  habe  ich  gestern 
eine  Stunde  im  Garten  zugebracht,  der  sich  sehr  schön  ausnimmt.  Von  Frank- 
furt bin  ich  auf  einem  Marktschiff  bis  Hochheim  gefahren  und  dann  zu  Lande 
hierher.  Die  bunte  Reisegesellschaft  hat  mir  den  grössten  Spass  gemacht. 
Dies  lebendige  Anschauen  des  Lebens  aus  der  Mitte  auf  die  beiden  Ufer  ist 
wahrhaft  lehrreich.  Ich  habe  weinen  müssen  über  die  lustigen  Lieder,  die 
dieses  Völklein  sang." 

So  wusste  er  dem  erwarteten  Freunde  Hoffnung   auf  mancherlei  Genüsse 
zu  erwecken, 

2.  Die  Reise,  1814. 

„Zu  des  Rheins  gestreckten  Hügeln, 

Hochgesegneten  Gebreiten, 

Auen,  die  den  Fluss  bespiegeln, 

Weingeschmückten  Landesweiten, 

Möget  mit  Gedankenflügeln 

Dir  den  treuen  Freund  begleiten." 


„"Was  ich  dort  gelebt,  genossen, 
Was  mir  all  dorther  entsprossen, 
Welche  Freude,  welche  Kenntnis, 
War'  ein  allzulang  Geständnis. 
Mög'  es  jeden  so  erfreuen, 
Die  Erfahrenen,  die  Neuen." 

Nachdem  am  24.  Juli  die  Vorbereitungen  zur  Reise  getroffen  waren,  reiste 
Goethe  am  25.  bei  herrlichem  Wetter  ab  und  kam  um  0  Uhr  in  Eisenach  au, 
wo  er  übernachtete;  ein  Diener  begleitete  ihn.  Am  folgenden  Tag  um  5  Uhr 
ging  es  weiter,  gleichfalls  bei  herrlichem  Wetter  über  Hünfcld,  wo  Jahrmarkt 
war,  bis  Fulda;  am  Abend  um  6  Uhr  Ankunft  daselbst,  Weiterreise  um  6  Uhr 
des  folgenden  Tages  bis  Hanau,  7  LThr;  bei  Neuhof  bemerkte  er  reifes  Korn, 
bei  Steinau  Hanf-  und  Flachsbrechen,    bei  Salmünster   den    ersten  Storcli    und 


**)  Riemer,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Zelter  II.  1833,  S.  12.5. 


70 

erstes  Kornsehneiden;  die  Burg  zu  Gelnhausen,  die  ihn  bald  näher  beschäftigen 
sollte,  zieht  seine  Aufmerksamkeit  auf  sich;  er  verzeichnet:  „Würde  und  Enge, 
Lust  zu  zieren  ohne  Gefühl  der  Verhältnisse."  Hanau  fesselte  ihn  einen  Tag, 
da  er  hier  Freunde  besuchen  wollte,  doch  traf  er  den  Geh.  Rat  v.  Leonhard 
nicht  zu  Hause,  da  er  im  liade  zu  Schwalbach  weilte*^),  dagegen  zeigten  ihm 
sein  Faktor  Joh.  Menge  und  Schwager  Blum  vieles,  was  er  zu  sehen  wünschte; 
auch  das  Leislerische  Haus  und  Hofintendant  Schaumburg^'*)  wurden  aufgesucht. 
Am  Abend  herrliche  Beleuchtung  der  Dörfer  und  Villen  des  linken  (Main-) 
Ufers.  Der  29.  Juli  M'ar  der  Vaterstadt  gewidmet,  wo  am  Abend  zuvor  eine 
Illumination  wegen  Ankunft  des  Königs  von  Preusseu  stattgefunden  hatte.  Der 
Dichter  machte  einen  Spaziergang  vor  das  Thor  und  durch  einen  Teil  der 
neuen  Anlagen;  es  mögen  liebliche  Bilder  der  Erinnerung  ihm  vorgeschwebt 
haben,  aber  auch  Gedanken  an  die  Freunde,  die  er  in  der  Zwischenzeit  hier 
verloren  hatte.  So  war  er  nicht  zu  Besuchen  aufgelegt,  nur  die  zwei  Brüder 
Schlosser,  Fritz  und  Christian,  sah  er  und  tauschte  sich  mit  ihnen  aus;  Fritz 
Schlosser  besorgte  zudem  seine  Geldgeschäfte  zu  Frankfurt,  auf  die  er  für 
seinen  Kuraufenthalt  gerechnet  hatte.  Um  6  Uhr,  als  sich  eben  ein  Gewitter 
auftürmte,  verliess  er  die  Stadt  und  traf  um  11  Uhr  zu  Wiesbaden  ein,  wo 
ihn  Zelter  empfing.  So  hatte  er  in  fünf  Tagen,  in  die  freilich  auch  ein 
längerer  Aufenthalt  zu  Hanau  und  Frankfurt  fällt,  sein  Ziel  erreicht. 

3.  Der  erste  Tag,  30.  Juli  1814. 

Eins  der  angesehensten  Bad-  und  Gasthäuser,  au  dessen  Stelle  schon 
zur  Zeit  der  Römer,  wie  später  entdeckte  Funde  beweisen,  Bäder  bestanden, 
war  das  Bad-  und  Gasthaus  zum  Adler.  Als  im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts 
die  Schildnamen  der  Gasthäuser  zu  Wiesbaden  aufkamen,  erhielt  es  den  Namen 
„zu  der  Kannen"  oder  „zu  der  Kante"  und  erscheint  so  zum  erstenmale  im 
Jahre  1505.^^)  Hundert  Jahre  später  vertauschte  es  ihn  mit  der  Bezeichnung 
„zum  roten",  dann  „zum  güldenen  Adler";  noch  im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts 
ragte  das  Bild  eines  goldenen  doppelten  Reichsadlers  auf  einem  Schilde  weit 
in  die  Strasse  hinein.  Wenn  Goethe,  der  hier  zuerst  Wohnung  nahm,  das 
Haus  zum  „weissen  Adler"  nennt,  so  irrte  er,  da  der  Adler  nie  die  Bezeich- 
nung weiss  oder,  wie  der  verdiente  Geschichtsschreiber  Schenck  bemerkt, 
schwarz  führte. ^^)  Hier  also  stieg  Goethe  zuerst  ab,  wahrscheinlich  weil  seine 
Wohnung  im  „Bären"  noch  nicht  frei  war;  erst  am  5.  August  zog  er  dahin 
über.  Das  Badhaus  zum  Bären  war  eins  der  vornehmsten,  wie  es  schon  zur 
Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges  bezeichnet  wird;  reicht  sein  Alter  auch  nicht 
in  die  Römerzeit  zurück,  so  muss  es  doch  schon  im  Mittelalter  bestanden  haben; 
der  Name  „zum  Bern"  erscheint  zum  erstenmale  im  Jahre  1471.  Es  bezog 
sein  Badewasser  aus  der  Adlerquelle  und  erwarb  zu  dem  alten  Besitz  im  Jahre 

*^)  K.  C.  V.  Leonhard,  Aus  unserer  Zeit  in  meinem  Leben  1854,  I,  S.  440.  —  **)  Vgl. 
Goethe,  Kunstscliütze  am  Khein  u.  s.  w.  unter  Hanau.  —  ")  F.  Otto,  Merkerbuch  der  Stadt 
Wiesbaden,  S.  74  f.  —  *^)  Schenck,  Geschicht-Besclireibung  der  Stadt  Wiesbaden  1758,  S.  445 
u.  446,  nennt  das  Haus  „zum  schwarzen  Adler",  verbesserte  aber  in  seinem  nocli  erhaltenen 
Handexemplar  das  Wort  „schwarz''  in  „gülden". 


1629  den  Anteil  derselben  Quelle,  welcher  bis  dahin  in  das  Schioss  abo^eführf 
wurde,  für  500  Kth.,  sowie  den  des  neben  anstosscnden  Badliauses  zum  Kiesen, 
das  mit  ihm  verschmolzen  wurde.  Seineu  alten  Jtuf  liut  das  Haus  bis  /.u 
seinem  Aufiiören  vor  einigen  Jaliren  stets  bewahrt. 

Charakteristisch  ist,  wie  Goethe  den  ersten  Tag  zubrachte  und  benutzte. 
Zunächst  traf  er  seine  „erste  Einrichtung"  in  dem  Gasthause,  der  er  am 
1.  August,  da  sie  sich  als  mangelhaft  herausgestellt  haben  mochte,  die  „erste 
ordentliche  Einrichtung"  folgen  Hess;  denn  er  hielt  auf  Ordnung  im  Zimmer, 
und  wiederliolt  verzeichnet  das  Tagebuch  von  1814  „Ordnung  im  Zimmer" 
(15).  August)  oder  „Ordnung"  (21.  und  31.  August)  oder  „Aufgeräumt.  Ge- 
ordnet" (10.  September).  Der  Vormittag  war  sodann  der  Umschau  gewidmet, 
die  Umgebung  der  Stadt  wurde  begangen,  die  neuen  Anlagen  und  Bauten  der- 
selben, die  er  noch  nicht  gesehen,  die  Altertümer  und  Naturmerkwürdigkeiten 
wurden  aufgesucht.  Und  in  der  That  hatte  die  Stadt  seit  seiner  letzten  An- 
wesenheit sich  wesentlich  und  zu  ihrem  Vorteile  verändert.  Sie  war  freilich 
noch  kleiu  von  Umfang  und  die  Zahl  der  Bewohner  betrug  kaum  etwas  mehr 
als  4000;  doch  war  der  Anfang  zur  Vergrösseruug  gemacht  und  die  Bevölke- 
rung stieg,  wenn  auch  nicht  so  rasch  als  heutiges  Tages,  so  doch  stetig.  Be- 
deutend waren  die  baulichen  Veränderungen  und  fielen  am  meisten  in  die 
Augen.  Fast  an  der  Stelle  des  Wiesenbrunnens  mit  seiner  Einfassung  von 
eiuem  Kranze  bejahrter  Rosskastanien,  zu  denen  eine  doppelte  Allee  von  Silber- 
pappeln hinführte  und  kühlen  Schatten  spendete*''),  war  in  den  Jahren  1808 — 1810 
das  Kurhaus  errichtet  worden,  noch  jetzt  von  den  Wiesbadenern  nach  dem 
Ilauptteil  gewöhnlich  der  Kursaal  genannt,  wie  es  auch  Gcelhe  thut,  ferner  die 
Aulagen  vor  und  hinter  demselben  teils  neu  geschaffen,  teils  entsprechend  um- 
gestaltet.***) In  dem  Saale  waren  Nachbildungen  antiker  Bildsäulen  von  carra- 
rischem  Marmor  aufgestellt,  denen  auch  Goethe  seine  Aufmerksamkeit  schenkte; 
vornehmlich  erwähnt  er  die  Kopie  des  Apollo  von  Belvedere  von  Jos.  Chinard***) 
aus  Lyon  (1756 — 1813),  die  der  talentvolle  Künstler  im  Jahre  1787  zu  Rom 
angefertigt  hatte.  Die  neuen  Strassen,  Wilhelms-,  Burg-  und  Friedrichsstrasse, 
waren  dem  Plane  nach  entworfen,  aber  noch  nicht  ausgebaut,  ja  die  Namen 
der  beiden  ersten  standen  noch  nicht  fest;  die  Wilhelmsstrasse  nannte  man 
entweder  Alleestrasse  oder  nach  ihrer  Lage  am  sog.  warmen  Damm  Warme- 
damm- Allee,  bis  sie  im  Jahre  1817  ihreu  jetzigen  Namen  nach  dem  jungen 
Herzoge  AVilhelm  erhielt;  die  Burgstrasse  aber,  weil  sie  den  Marktplatz  mit 
der  neuen  Wilhelmsstrasse  verband,  hatte  bis  zum  Jahre  1821,  wo  sie  genug- 
sam „ausgebildet"  erschien,  den  wenig  geeigneten,  wenn  auch  bezeichnenden 
abstrakten  Namen  Kommunikationsstrasse.  Den  warmen  Damm  nahmen  Kraut- 
und  Baumgärten  ein.     Die  Häuser,  auch  die  der  neuen  Strassen,    waren  nach 

*')  Das  Bild  in  Ritters  Denkwürdigkeiten  der  Stadt  Wiesbaden,  S.  Sl,  sowie  die  ältere 
Zeichnung  der  Örtlichkeit  in  den  Annalen  des  Vereins  für  nassauische  Altertumskunde  XXIV,  Ifi.S. 
—  **)  S.  den  Plan  bei  Ebhardt,  Geschichte  der  Stadt  Wiesbaden,  auf  unserer  Tafel.  —  *^)  Das 
ist  wohl  die  richtige  Form  des  Namens,  nicht  wie  Gerning,  Die  Rheingegenden  S.  19  und  nach 
ihm  andere,  auch  lley'l  im  Fremdenführer  angibt,  Ghinard.  Goethe  nennt  ihn  C.  P.  Chinard, 
Gerning  C.  F.  Ghinard,  Höfer  in  der  Riogr.  gen.  X,  Ölti  u.  a.  Josepli  Oiiiiiard. 

6* 


72 

den  heutigen  Begriffen  klein,  wie  noch  jetzt  einzelne  Gebäude  jener  Zeit  be- 
weisen, ihre  innere  Einrichtung  beschränkt.  Goethe  urteilt  daher  mit  wohl- 
wollender Nachsicht,  wenn  er  schreibt^"):  „Dem  Freunde  der  Baukunst  wird 
der  grosse  Cursaal  sowie  die  neu  angelegten  Strassen  Vergnügen  und  Muster 
gewähren.  Diese  durch  ansehnliche  Befreiungen  und  Zuschüsse  von  höchsten 
Behörden  entschieden  begünstigten  Anlagen,  zeugen  von  des  Herrn  Baudirectors 
Göz^')  und  des  Herrn  Bauinspectors  Zais^-)  Talenten  und  Thätigkeit.  Die 
grossen  Wohnräume,  die  in  den  neu  angelegten  Häusern  entstehen,  beleben  die 
Hoffnung,  dass  mancher  Yorsatz  auszuführen  sey,  den  man  hier  im  Stillen 
nährt,  um  eine  so  viel  besuchte,  an  Ausdehnung  und  Umfang  täglich  wachsende 
Stadt  durch  Sammlungen  und  wissenschaftliche  Anstalten  noch  bedeutender  zu 
machen."  Dieser  letztere  Wunsch  ist  denn  auch  später  in  Erfüllung  gegangen, 
obgleich  vielleicht  nicht  in  dem  vollen  Umfange,  der  jetzt  von  manchen  ge- 
wünscht wird. 

Goethe  besuchte  also  an  dem  ersten  Tage  in  Begleitung  seines  Freundes 
Zelter  sogleich  die  nächste  Umgebung  der  Stadt,  das  Bosket,  d.  h.  die  Anlagen 
um  den  Kursaal  und  die  Reste  der  früheren  Anlagen,  des  Herrngartens  zwischen 
dem  Kursaal  und  der  Stadt,  dann  den  Kursaal  selbst,  am  Nachmittage  den 
Steinbruch  im  Mühlbachthale  (denn  dieser  ist  gemeint,  auch  wo  der  Zusatz  „im 
^lühibaclithale"  nicht  zugefügt  ist;  derselbe  zog  den  Mineralogen  oft  an);  dann 
kehrte  er  zurück  zu  den  Resten  der  Stadtmauer,  dem  Schützenhof,  der  im 
Jahre  1783  einen  Umbau  erfahren  hatte,  und  dem  Kirchhof  hinter  demselben. 
Hier  suchte  er  das  Grab  Wilhelms  v.  Wolzogen  auf,  der  im  Jahre  1809  am 
17.  Dezember  zu  Wiesbaden  gestorben  war  und  daselbst  begraben  lag;  dahin 
zog  ihn  die  pietätsvolle  Erinnerung  auch  an  Schiller,  der  bekanntlich  Wolzogens 
Schwager  war.  An  den  Kirchhof  stösst  die  Heidenmauer,  „die  alte  Mauer", 
die  er  mit  geschärfteren  Augen  als  früher  betrachtete,  ohne  ihr  wie  überhaupt 
den  Altertümern  der  Stadt,  deren  Zeit  noch  nicht  gekommen  war,  grösseres 
Interesse  abzugewinnen;  er  erwähnt  der  Mauer  nicht  mehr.  Die  Umschau  über 
das  Ganze  schloss  am  1.  August  ein  Spaziergang  auf  der  Schwalbacher  und 
Limburger  Strasse  ab,  die  damals  nur  durch  Gärten,  Baumstücke  und  Felder 
führten,  jetzt  von  stattlichen  Häuserreihen  bis  weit  vor  die  Stadt  bekränzt 
sind;  auch  der  Steinbruch  lockte  ihn  abermals  an.  Dass  er  den  Kochbrunnen 
in  seiner  damaligen  unkünstlerischen  Gestalt  nicht  versäumte,  dürfen  wir  vor- 
aussetzen, wenn  er  auch  über  ihn  schweigt;  nur  am  11.  August  gedenkt  er 
eines  Besuches  desselben  („nochmals  ausgegangen  zur  heissen  Quelle"). 

4.  Entschluss  und  Reise,  1815. 

Im  Frühjahre  1815  befand  sich  Goethe  nicht  wohl,  eine  frühzeitigere  Kur 
erschien  geboten,  „wozu  ich",  schreibt  er  an  den  Geh.  Rat  von  Voigt  am  10,  Mai^^), 


'")  Kunstschätze  am  Rhein,  Wiesbaden.  —  ^')  Georg  Karl  Florian  Götz,  Baudirektor 
zu  Wiesbaden  für  das  Oberamt  Wiesbaden,  die  Ämter  Wallau  und  Wehen.  —  ")  Christian 
Zais,  Bauinspektor  zu  Wiesbaden  für  die  Amter  Eltviile,  Rüdesheim,  Kaub,  Idstein,  Katzeneln- 
bogen,  Kirberg  und  Limburg.  —  •'^■')  O.  Jahn,  Goethes  Briefe  au  Chr.  G.  v.  Voigt  ISGS,  ^o.  1H7. 


73 

„durch  meine  Krankhaftigkeit  veranlasst,  durch  freundliche  und  ängstliche  An- 
triebe, ja  gewissormassen  durch  ein  Geheiss  unserer  gnädigsten  Fürstin  genüthigt 
werde";  und  bald  darauf  —  Mitte  Mai^*)  —  an  Zelter:  „ich  habe  mich  mehr 
aus  fremdem  Andrang  als  aus  eigener  Bewegung  entschlossen  in  diesen  Tagen 
nach  Wiesbaden  zu  gehen  und  daselbst  so  lange  zu  bleiben,  als  die  Umstände 
erlauben  wollen." 

So  verliess  er  denn  rasch  entschlossen  am  24.  Mai  des  Morgens  um  5  Uhr 
Weimar.  Diesmal  bot  die  Reise  weniger  Veranlassung  zu  Bemerkungen;  das 
Tagebuch  beschränkt  sich  fast  nur  auf  die  Notizen  über  die  Orte,  durch  die 
ihn  sein  Weg  führte,  und  die  Zeit  der  Ankunft  und  Abfahrt. 

„Am  24.  Um  7V-'  in  Erfurt.  Um  11  in  Gotha.  Um  3  in  Eisenach. 
.  .  .  Gespeist  allein.     Kommandant  v.  Egloffstein. 

„25.  Von  Eisenach  ab  (!  Uhr.  Von  Bercka  ab  SV*.  Von  Fach  ab  II. 
Von  Buttlar  ab  1  Va.  Hatte  gespeist.  Von  llünfeld  ab  374.  in  Fulda  ange- 
kommen 6V2  Uhr.     Im  Posthause.     Gespräch  mit  dem  Postmeister. 

„26.  Mai.  Heller  kühler  Morgen.  Von  Fulda  SV*.  Neuhof  7.  Schlüch- 
tern 10.    Saalmünster  11 V2.    Gelnhausen  1.    Gespeist.    Hanau  6.   Franckfurt^^)  8. 

„27.  Mai.  Von  Frankfurt  87*.  lu  Hadersheim  (Hattersheim)  11.  In 
Wisbaden  IVs.     Im  Bären  eingekehrt.     Einrichtung." 

In  Frankfurt  machte  er  keine  Besuche,  wie  sich  aus  dem  Tagebuch  er- 
gibt, und  hielt  sich  nicht  länger  auf,  als  nötig  war.  Zu  Wiesbaden  fand  er 
das  Badhaus  zum  Bären  sehr  verändert.  Als  Zelter  am  6.  Juni  ihm  angekündigt 
hatte,  er  werde  sich  ebenfalls  einfinden,  da  ihm  das  Wasser  so  gut  bekommen 
sei,  erwidert  er  am  16.  Juni^'^):  „In  den  alten  Bären  ist  Dein  baumeisterlicher 
Geist  gefahren;  er  würde  Dich  in  Verwunderung  setzen.  Der  dunkle  Gang 
ist  erweitert,  eine  durchaus  zusammenhängende  Reihe  von  Zimmern  angelegt, 
der  Vorplatz  hinter  dem  Balkon  macht  jetzt  mein  abgeschlossenes  Vorzimmer; 
so  ist  es  auch  auf  der  andern  Seite.  Wie  lange  ich  bleiben  werde,  weiss  ich 
nicht."  „Dass  der  alte  Bär",  antwortet  Zelter  am  26.,  „seine  Eingeweide  restau- 
riert, möge  ihm  wohl  bekommen,  wiewohl  ich  wünsche,  dass  sein  Fell  geschont 
würde;  das  alte  rotbraune  Gebäu  mit  den  beiden  Altanen  sah  mich  immer  an 
wie  ein  kupfernes  Schaustück  früherer  Zeiten."  Dieser  Wunsch  Zelters  ist  so 
wenig  erfüllt  worden,  dass  sich  der  alte  Bär  nicht  nur  einen  Neubau,  sondern 
in  unseren  Tagen  die  völlige  Niederreissung  musste  gefallen  lassen,  um  einer 
neuen  Strasse,  der  Bärenstrasse,  in  deren  Name  sein  ehemaliges  Dasein  fort- 
leben wird,  für  den  gesteigerten  Verkehr  Platz  zu  machen.  Die  neue  Zeit  hat 
eben  auch  ihr  Recht  und  verlangt  sogar  iu  Nürnberg  und  Rom,  dass  ihren  Be- 
dürfnissen Rechnung  getragen  werde. 


'"*)  Der  Brief  ist  wohl  der  im  Tagebuch  bezeichnete  vom  17.  Mai;  Riemer  setzt  ilni 
Ende  Mai.  —  ")  Goethe  schreibt  bald  Frankfurt,  bald  Franckfurt,  auch  Frnncfurt.  Ebenso 
ist  die  Schreibung  von  Wiesbaden  wechselnd  bei  ilini.  In  seinen  rasch  liingeworfcnen  Notizen 
legte  er,  wie  die  damalige  Zeit  überhaupt,  keinen  Wert  auf  Orthographie.  —  ^')  Riemer 
a.  a.  0,  unter  den  betr.  Tagen. 


74 


.").  KurU'ben,  1S14  und  1S15. 


In  seinem  Briefe  an  Leouhard  vom  1.  August  181 4^''^)  bemerkt  Goethe, 
er  gedenke  eine  ernsthafte  Badekur  von  wenigstens  vier  Wochen  zu  bestehen 
und  sich  während  dieser  Zeit  nicht  weit  zu  entfernen,  und  übereinstimmend 
damit  berichtet  er  F.  A.  Wolf  in  dem  oben  erwähnten  Reisebericht  vom 
November  IS  14,  er  habe  die  Kur  auf  das  regehnässigste  gebraucht,  doch  habe 
es  nicht  an  Unterbrechungen  gefehlt. 

Das  Tagebuch  bestätigt  beide  Angaben  vollständig.  Was  zunächst  das 
Jahr  1814  betrifft,  so  wurde  nur  au  wenigen  Tagen  und  meist  infolge  von 
äusseren  Umständen  die  Badekur  ausgesetzt,  sodass  die  Zahl  der  Bäder  im 
ganzen  22  betrug;  nur  an  4 — 5  Tagen  findet  sich  kein  Grund  zu  einer  Unter- 
brechung angegeben.  Wir  werden  die  Störungen  in  einem  besondern  Abschnitt 
weiter  unten  besprechen;  hier  mögen  sie  kurz  angeführt  werden.  Am  3.  August 
folgte  er  einer  Einladung  nach  Mainz  zur  Feier  des  Geburtstages  Seiner  Majestät 
des  Königs  von  Preussen;  am  15.  August  fand  der  Ausflug  nach  Rüdesheim 
statt,  der  zur  Teilnahme  an  dem  Rochusfeste  am  16.  führte;  am  24,  und  25. 
verlangte  die  Anwesenheit  des  Grossherzogs  Karl  August  von  Weimar,  dass 
ihm  die  ganze  Zeit  gewidmet  werde;  am  29.  fühlte  Goethe  sich  unwohl,  wahr- 
scheinlich wegen  der  Strapazen,  welche  die  Feier  seines  Geburtstages  ihm  auf- 
erlegt hatte.  Mit  dem  Anfang  des  September  war  die  Kur  abgeschlossen,  und 
es  folgten  die  schönen  Herbsttage  im  Rheiugau. 

Die  Kur  des  Jahres  1815  verlief  anfangs  gleich  gewissenhaft;  vom  28.  Mai 
bis  22.  Juni  setzte  Goethe  in  26  Tagen  nur  fünfmal  aus;  nachher  verfuhr  er 
weniger  streng;  nach  einer  Pause  bis  11.  Juli  nahm  er  fünf  und  nach  einer 
zweiten  vom  16.  Juli  bis  5.  August,  in  welche  die  Reise  au  die  Lahn  und  nach 
Köln  fällt,  noch  einige  Bäder,  die  diesmal  im  ganzen  die  Zahl  dreissig  erreichten. 

Mit  dem  Bad  verband  Goethe  das  Trinken  von  Schwalbacher,  seltener 
Weilbacher  Wasser.  Jenes  rührte  zum  Teil  aus  dem  Bestand  von  F.  A.  Wolf 
her,  wie  wir  wissen;  er  nahm  es  gewöhnlich  des  Morgens  auf  oder  vor  einem 
Spaziergang  zu  sich.  Geilnauer  Wasser,  das  er  zu  Mainz  gekostet  hatte, 
scheint  ihm  nicht  zugesagt  zu  haben.  Jn  beiden  Jahren  ist  elfmal  Schwalbacher, 
dreimal  Weilbacher  Wasser  in  dem  Tagebuch  angemerkt. 

Die  körperliche  Bewegung  bildet  auch  einen  Teil  des  regelmässigen  Kur- 
lebens. Während  des  Sommers  1814  beschränkten  sich  die  täglichen  Spazier- 
gänge meist  auf  die  Anlagen ^^)  oder  die  Gegend  vor  dem  Kursaal,  vielfach  in 
Begleitung  Zelters  oder  eines  anderen  Bekannten,  weitere  Ausflüge  waren  selten, 
wir  werden  sie  weiter  unten  erwähnen;  hier  sei  nur  bemerkt,  dass  am  6,  August 
die  Fräulein  von  Stein  eine  „Fete  zu  Sonnenberg"  veranstalteten  und  am  9. 
und   18.  die  Platte  besucht  wurde. 

Im  Jahre  1815  zeigte  sich  Goethe,  nachdem  einmal,  wie  es  scheint,  die 
„Krankhaftigkeit"    gewichen  war,    viel    unternehmender.     In  Betreff   der    Stadt 


'•' I  V.  Leonhard,  Aus  unserer  Zeit  in  meinem  Leben  I,  440.  —  ®^)  Wenn  es  am  8.  Aug. 
beisst  .,in  den  IJethmiannisclienV)  Anlagen",  so  ist  der  Zusatz  Hetlim.  oin  Irrtum;  solche  gab  es 
zu  Wiesbaden  nicht. 


75 

gedenkt  er  —  am  20.  Mai  —  eines  Besuchs  der  „Oberen  Vorstadt",  ein  Name, 
der  für  die  kleine  Stadt  volltönender  lautet,  als  sie  verdient.  Sonst  bildet  zwar 
auch  wieder  der  Kursaal  mit  seinen  Anlagen  namentlich  vor  Tisch  („vor  Mittag") 
das  gewöhnliche  Ziel  der  Spaziergänge  und  auch  die  Kalksteinbrüche  wurden 
wiederholt  besucht;  aber  für  die  Nachmittage  oder  Abende,  manchmal  bis  in 
die  Nacht  hinein,  ist  jetzt  der  Geisberg,  den  er  1814  nur  einmal  betrat,  der- 
jenige Punkt,  welcher  den  Dichter  am  meisten  anzog.  Hier  verlebte  er  im 
Kreise  von  Freunden  wie  Cramer,  Boisseree,  Schlosser  bei  einem  Glase  Wein, 
vielleicht  von  dem  gepriesenen  Elfer,  vergnügte  trauliche  Stunden,  die  auch 
ihren  Niederschlag  im  west-östlichen  Divan  gefunden  haben.  Von  ihm  gilt, 
was  er  in  einem  oben  angezogenen  Briefe  sagt,  dass  man  hier  (in  Wiesbaden) 
nur  eine  Viertelstunde  Steigens  bedürfe,  um  in  die  Reiche  der  Welt  und  ihre 
Herrlichkeit  zu  sehen.  Hier  hat  man  die  Stadt  zu  seinen  Füssen,  weiterhin 
erblickt  man  saufte  Anhöhen  hinter  und  neben  ihr,  die  Berge  jenseits  des  Rheines, 
diesen  selbst  und  die  Türme  des  goldenen  Mainz,  sowie  linker  Hand  die  Ebene 
bis  zum  Odenwald  hin.  Der  Geisberg  war  damals  von  einem  Ökonomiegut 
eingenommen,  dessen  Besitzer  zugleich  Wirtschaft  betrieb;  er  hiess  Hastings^'), 
sein  Kellner  war  ein  schöner,  blonder,  freundlicher  junger  Mensch^"),  an  dem 
Goethe  sein  Wohlgefallen  hatte;  am  Sonn-  und  Montag  und  während  der 
Sommermonate  auch  am  Mittwoch  und  Freitag^^)  spielte  hier  eine  Musikbande. 
Diese  scheint  nun  unsere  Gäste  weniger  angelockt  zu  haben,  denn  eine  ver- 
gleichende Zusammenstellung  belehrt  uns,  dass  sie  die  der  Musik  entbehrenden 
Tage  für  ihre  Besuche  des  Ortes  vorzogen,  aber  die  anderen  doch  nicht  ganz 
vermieden;  ist  die  Rechnung  richtig,  so  betragen  jene  12  Tage  unter  15. 

Andere  Ausflüge  des  Jahres  1815  führten  nach  der  Papiermühle  zu 
Ciarenthal  (am  29.  Mai)  und  der  Klostermühle  (am  3.  August)  bei  diesem 
kleinen  Dorfe,  w^elches  sich  an  das  ehemalige  adelige  Nonnenkloster  gleichen 
Namens  (1296 — 1560)  angeschlossen  hatte.  Von  dem  Kloster  hatte  die  später 
in  seiner  Nähe  angelegte  und  noch  jetzt  bestehende  Mühle  den  Namen ;  Goethe 
nennt  sie  Nonnenmühle.  An  beiden  Orten  wurden  den  einkehrenden  Gästen 
Erfrischungen  verabreicht.  Die  Klostermühle  erregte  aber  in  ganz  andrer  Weise 
Goethes  Interesse.  Er  glaubte  hier  ein  leibhaftiges  Gegenstück  zu  seiner 
Dorothea  in  „Hermann  und  Dorothea"  gefunden  zu  haben.  Die  Mühle  hatte 
im  Jahre  1792  ein  Johannes  Reinhard  aus  Nastätten  für  2000  fl.  erkauft.*') 
Als  er  im  Jahre  1813  in  einem  Alter  von  45  Jahren  starb,  hinterliess  er  eine 
Witwe  mit  einer  zahlreichen  Schar  von  meist  unerzogenen  Kindern;  die  drei 
ältesten  waren  Söhne,  welche  der  Mutter  bei  dem  Betrieb  ihres  Geschäftes 
wohl  schon  hilfreich  zur  Seite  stehen  konnten;  es  folgte  eine  Tochter,  Katharine 
Eleonore,  geb.  am  30.  April  1797,  die  also  zu  der  Zeit,  als  Goethe  hier  weilte, 


^«)  Auch  Boisseree  nennt  den  Namen  T,  259.  —  '^'')  Ebenda,  s.  auch  unten  No.  11 
(Divan).  —  «')  So  lautet  z.  B.  im  Wiesbader  Wochenblatt  vom  11.  Juli  181')  die  ßei<nnnt- 
machung  mit  dem  Zusatz  ^wie  in  den  vorherigen  Jahren".  —  "-')  Staatsarchiv  zu  Wiesbaden. 
Die  folgenden  persönlichen  Verhältnisse  der  Familie  Reinhards  sind  dem  Kirchenbuche  von 
Wiesbaden  entnommen,  das  einzusehen  Herr  Pfarrer  Friedrich  dem  Verfasser  in  gewohnter 
Liebenswürdigkeit  gestattete. 


76 

eia  Mädchen  von  18  Jahren  war;  die  anderen  Töchter  waren  jünger.  Katharine 
Eleonore  muss  sich  der  Geschäfte  der  Haushaltung  und  Bewirtung  der  Gäste 
thätig  angenommen,  auch  die  Mutter  bei  der  Erziehung  der  jüngeren  Geschwister 
unterstützt  haben,  Sie  nun  rief  unserm  Dichter  das  Bild  seiner  Dorothea  vor 
Augen,  So  erzählte  er  am  17.  September'^^)  den  Frankfurter  Freunden  in 
zahlreicher  Gesellschaft  von  der  schönen  Müllerstochter  auf  der  Nonneumühle 
bei  Wiesbaden,  mit  der  ihn  Frau  Bansa^*)  bekannt  gemacht  habe,  als  einem 
Gegenstück  zu  seiner  Dorothea:  „Reinlichkeit,  Wolilhabenheit,  Schönheit,  Derb- 
heit, Sie  spielt  Klavier,  die  Brüder  sind  zugleich  Fuhrleute,  eine  alte  Mutter*'^) 
steht  dem  Haus  vor.  Eine  alte  Muhme  ist  der  Apotheker  aus  „Hermann  und 
Dorothea*  und  recht  gut,  Sie  hat  noch  eine  Anzahl  Geschwister,"  Noch  ein- 
mal sah  Goethe  das  Haus,  es  war  auf  der  Rückreise  von  Nassau  am  31.  August, 
aber  wohl  ohne  einzukehren,  doch  vergisst  er  nicht  die  Nonnenmühle  und  dass 
er  an  ihr  vorbeigefahren,  zu  notieren.  Die  Katharine  Eleonore,  um  das  nicht 
zu  übergehen,  heiratete  später  den  Besitzer  des  ehemaligen  sog.  Mahrischen 
Hofes  Jakob  Wilhelm  Mahr  und  nach  dessen  am  17.  November  1832  erfolgten 
Tode  im  Jahre  1S38  den  Badewirt  Philip})  Daniel  Herber;  sie  starb  zum 
zweitenmale  verwittwet  am  23.  Oktober  1872. 

Weiter  ab  lag  der  Nürnberger  Hof,  dem  der  Besuch  am  6.  Juli  galt. 
Die  Fahrt  war  am  vorhergelieuden  Tage  mit  Gramer  verabredet  worden,  der 
zwar  nicht  unter  den  Teiluehmern  genannt  wird,  aber  doch  wohl  nicht  gefehlt 
hat,  da  seine  Familie'^^)  zu  ihnen  gehörte  und  auch  das  Gestein  untersucht 
wurde.  Auch  dieser  Punkt  bietet  eine  herrliche  Aussicht  auf  die  vor  ihm 
liegende  Ebene,  durch  welche  majestätisch  der  Rhein  seine  Fluten  wälzt,  um- 
geben von  zahlreichen  Städten,  Dörfern  und  Tillen. *^^)  Das  Tagebuch  gibt  die 
kurze  Notiz:   „Mittag  auf  dem  Hofe.     Im  Freyen  schöne  Aussicht." 

Regelmässig  ist  im  Tagebuch  verzeichnet,  wo  er  zu  Mittag  speiste.  Dies 
geschah  im  Jahre  1814  anfangs  an  der  Tafel  seines  Gasthauses,  wenn  keine 
Abhaltung  durch  eine  Einladung  dazwischen  trat.  Yom  11.  August  an  aber 
heisst  es  fast  immer:  „Mittag  zu  Hause",  oder  „Mittag  für  mich".  Er  war 
in  seine  Wohnung  zum  Bären  übergesiedelt,  und  die  Gasthaustafel  mochte  ihm 
nun  unbequem  geworden  sein,  sei  es,  dass  seine  Massigkeit  in  Speise  und  Trank 
ihm  dieselbe  verleidete  oder  er  nicht  die  Unterhaltung  fand,  die  ihn  befriedigte, 
oder  er  in  anderer  Weise  sich  beengt  fühlte.  Wir  kennen  die  Genügsamkeit 
des  freilich    vierzehn    Jahre   älteren   Goethe    aus    den  Mitteilungen    über    seine 


®^)  S.  Boisseree,  dem  wir  diese  Mitteilung  verdanken  (I,  280\  nennt  Sonntag  den 
18.  September  als  den  Tag  der  Erzählung,  Der  Sonntag  dieser  Woche  fiel  aber  im  Jahre 
1815  auf  den  17.  September.  Schon  Creizenach,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und 
M.  V.  Willemer  S,  50  bemerkt,  dass  Boisserees  Angaben  der  Tage  zu  dieser  Zeit  nicht  richtig 
seien;  das  Tagebucli  setzt  die  betreffende  Gesellscliaft  auf  den  17.  Sept.  —  ''^)  Boisseree 
schreibt  Pansa.  —  *^j  Sie  hiess  Marie  Margarethc  und  war  eine  geb.  Erckel  von  Wiesbaden, 
lebte  übrigens  noch  bis  zum  10.  Oktober  1847.  —  *''^)  Vgl.  den  Abschnitt  No.  8,  10  (Philippiue 
Lade).  —  **')  Sogar  Vogel,  Besclireibung  des  Herzogtums  Xassau  S.  544,  wird  in  seiner  zwar 
höchst  lehrreichen,  aber  trockenen  Darstellung  zu  den  Worten  hingerissen:  .,hier  hat  mau 
eine  unbeschreiblich  schöne  Aussiclit  über  den  Rhein,  das  Rheiugau,  die  Pfalz  u.  s.  w.  hin." 


77 

tägliche  Lebensweise  zu  Dornburg  im  Jahre  1828"^);  die  daselbst  erwähnte 
Liebhaberei  an  Artischoken,  die  er  sich  selbst  zu  einem  Salat  mit  feinem 
Provenceröl  zubereitete  und  aus  Frankfurt  hatte  kommen  lassen,  bestand  auch 
schon  in  Wiesbaden;  seinen  Freund  Fr.  Schlosser  bittet  er  am  20.  August 
181 4*'^),  wobei  er  sich  wogen  des  sonderbaren  Auftrags  entschuldigt,  er  möge 
ihm  durch  einen  Fuhrmann,  der  zweimal  wöchentlich  nach  Frankfurt  fahre,  ein 
halbes  Dutzend  Artischoken  senden;  hier  (in  Wiesbaden)  seien  sie  selten  und 
dann  nicht  gut  zu  haben,  und  dies  Essen  sei  seine  Leidenschaft.  Wie  wenig 
sein  Magen  aussergewöhnliclien  Leistungen  gewaclisen  war,  zeigt  sein  Unwohl- 
sein nach  der  Geburtstagsfeier. 

Hier  müssen  wir  die  Anekdote,  die  ein  freilich  nicht  ganz  glaubwürdiger 
Berichterstatter  erzählt,  erwähnen. ^^)  „Kurz  nach  den  Befreiungskriegen  traf 
Goethe",  so  heisst  es,  „mit  russischen  Offizieren,  Liefländern  in  Wiesbaden  an 
der  table  d'hote  zusammen;  diese  brachten  ihm  den  Toast  aus:  „Sie  sollen  leben, 
Herr  Professor!"  Goethe,  der  ganz  einfach  gekleidet  war,  entfernte  sich  und 
erschien  nach  kurzer  Pause  wieder  mit  dem  Stern  des  russischen  St.  Annen- 
Ordens  auf  der  Brust.  Die  Offiziere  gaben  ihm  nun  die  Excellenz  und  baten 
ihn  um  Entschuldigung,  die  Gesundheit  habe  nicht  ihm,  sondern  seinen  un- 
sterblichen Werken  gegolten.  Die  weimarische  Excellenz  verharrte  in  stolzem 
Schweigen."  Wenn  dieser  Bericht  auf  Wahrheit  beruht,  so  muss  die  Sache 
im  Gasthaus  zum  Adler  und  in  den  Tagen  stattgefunden  haben,  als  Goethe  noch 
zugleich  ebenda  wohnte,  da  er  sonst  nicht  nach  kurzer  Pause  wieder  erscheinen 
konnte,  also  im  Jahre  1814.  Die  Tagebücher  aber  schweigen  an  diesen  wie 
an  allen  Tagen  von  einer  Gesellschaft  russischer  Offiziere  oder  von  einem  Vor- 
kommnis der  Art,  wie  das  erzählte  ist.  Wäre  Goethe  über  ein  solches  miss- 
stimmt worden,  so  hätte  er  es  sicherlich  kurz  bemerkt,  wenigstens  die  Anwesen- 
heit der  Offiziere  erwähnt.  Gesetzt  aber  auch,  dass  sich  die  Sache  so  verhalten 
hat,  wie  Yehse  berichtet,  so  ist  das  Benehmen  Goethes  gewiss  weit  eher  dar- 
auf berechnet  gewesen,  die  lärmenden  Gesellen  zum  Schweigen  zu  bringen,  als 
aus  beleidigtem  Stolz  wegen  Versaguug  der  Excellenz  zu  erklären.  Die  Ent- 
schuldigung aber  wäre  ebenso  albern  gewesen,  als  gross  die  Unwissenheit  über 
die  Stellung  des  Yerfassers  der  „unsterblichen  Werke",  die  sie  hoch  „leben"  Hessen. 

Auch  im  Sommer  1815  speist  er  meist  zu  Hause;  nur  wenn  Besuche  ihn 
nötigen,  auswärts,  und  zwar  jetzt  meist  im  Kursaal;  diese  Fälle  wiederholen 
sich  öfter  infolge  der  Anwesenheit  Schlossers,  Boisserees  u.  a. 

Den  Abend  brachte  er  ebenfalls  am  liebsten  zu  Hause  zu,  sei  es  im 
traulichen  Gespräche  mit  einem  Freunde  oder  mit  seinen  Arbeiten  beschäftigt. 
Einmal,  am  16.  Juli  1815,  speiste  er  zu  Abend  in  der  Loge.  Er  ging  in  der 
Regel  früh  zu  Bette,  zu  Dornburg  regelmässig  um  9 — 9V2  Uhr.  Nur  äussere 
Umstände  brachten  auch  hier  eine  Änderung  hervor,  wie  die  Anwesenheit  des 
Grossherzogs  oder  der  letzte  Abend  vor  der  Abreise  der  Frau  Äbtissin  v.  Stein, 
was  er  dann  niemals  zu  verzeichnen  vergisst.     Für  das  Jahr  1815  finden  sich 


^^)  Gocthe-Jahrli.  H,  Uli).   —  ß»)  Frcse,  a.  a.  0.  8.  ß.").    -  '")  Vehse,  Geschichte  der 
deutschen  Höfe,  28,  201. 


78 

selten  dahin  gehende  Bemerkungen  in  dem  Tagebuch;  doch  darf  man  vermuten, 
dass  er  es  ebenso  gehalten  hat.  Nur  die  Spaziergänge  auf  dem  Geisberg  dehnten 
sich  öfter  länger  aus,  bis  in  die  Dunkelheit  hinein. 


i\.  Das  Theater. 

Ilicr  ist  wohl  der  passende  Ort,  über  Goethes  Besuch  des  Wiesbadener 
Theaters  zu  reden. ''^) 

Ein  Theater  bestand  hier  schon  längere  Jahre,  wenn  auch  ein  eigenes 
Gebäude  für  dasselbe  fehlte;  die  Vorstellungen  wurden  in  einem  dazu  herge- 
richteten Saale  des  Schützenhofes  gegeben.  Das  Theater,  seit  1810  herzoglich 
nassauisches  Hoftheater  benannt,  stand  seit  1807  unter  staatlicher  Oberdirektion 
und  erfuhr  dadurch  einen  höheren  Aufschwung.  Bei  den  für  notwendig  er- 
achteten Umänderungen  im  Inneren  des  Gebäudes  zog  man  den  geschickten 
Dekorationsmaler  Friedrich  Beuther  (1776 — 1856)^^),  der  sich  damals  zu  Frankfurt 
aufhielt,  zu  Rate;  dieser  hatte  seine  Stärke  in  der  Darstellung  der  Perspektive 
und  der  „Hintergründe".  Auch  in  Weimar  ging  man  einige  Zeit  später,  im 
Winter  1815  auf  1816,  damit  um,  das  Theater,  das  dort  ungleich  höher  stand 
als  in  Wiesbaden  und,  wie  Goethe  sagt,  „sich  in  Hinsicht  auf  reine  Recitation, 
kräftige  Deklamation,  natürliches  und  zugleich  kunstreiches  Darstellen  auf  einen 
bedeutenden  Gipfel  inneren  Wertes  erhoben  hatte",  dem  entsprechend  in  seinen 
äusseren  Mitteln  zu  vervollkommnen.  Zu  dem  Zwecke  trat  Goethe  mit  Friedrich 
Beuther  in  Verbindung  und  gewann  ihn  für  die  Weimarer  Bühne,  bei  welcher 
er  im  Jahre  1816  als  Theatermaler  und  Dekorateur  angestellt  ist.")  Als  noch 
die  Verhandlungen  schwebten,  mag  er  von  ihm  selbst  vernommen  haben,  dass 
auch  die  Wiesbadener  Dekorationen  von  ihm  angefertigt  worden  seien,  und 
dieser  Umstand  lenkte  die  Aufmerksamkeit  Goethes  auf  dieselben  hin. 

Im  Jahre  1814  hatte  er  dem  Theater  in  Wiesbaden  wenig  Interesse 
entgegengebracht. ''*)  Infolge  des  Krieges,  der  sich  im  Herbste  des  Jahres  1813 
nach  dem  Mittelrhein  gezogen  hatte,  war  der  Hof  des  Herzogs  nach  Usingen 
übergesiedelt  (November  1813)  und  das  Theater  aufgelöst  worden;  im  Sommer 
1814  spielte  eine  Truppe  der  Direktrice  Müller  in  den  alten  Räumen,  im 
Sommer  1815  die  des  Georg  Deugler;  diese  beiden  konnten  den  hohen  Kunst- 
sinn des  Weimarer  Gastes  nicht  anziehen  und  befriedigen;  im  Sommer  1814 
besuchte  er  das  Schauspiel  nur  einmal,  am  25.  August.  Das  wurde  auf  einmal 
anders  im  Sommer  1815;  nunmehr  finden  wir  ihn  bald  nach  seiner  Ankunft 
und  dann  noch  zweimal  im  Theater,  aber  schon  die  Zusätze,  die  er  bei  der 
I->wähnung  dieser  Besuche  im  Tagebuch  macht,  lassen  vermuten,  dass  es  sich 
hier  um  etwas  anderes  als  um  das  Schauspiel  handelte;  am  4.  Juni  heisst  es: 
„Abends    Schauspiel;    Dekorationen   von    Beuter "    (sie);    am    6.:    „Im    Theater 


"i  Vgl.  0.  Weildigen,  Gescliiclite  dos  Königl.  Theaters  in  Wiesbaden  1894.  —  '-)  Über 
ihn  die  Allgemeine  Deutsche  Biographie  und  Goethes  Annalen  ISlfj.  —  "i  Hof-  und  Staata- 
handbuch  von  Sachsen- Weimar-Eisenach,  8.  2!).  —  '*)  Über  das  Folgende  s.  F.  0.  im  Rhei- 
nischen Kurier  vom  8.  Juli  1894. 


79 

wegen  Dekorationen",  und  am  14.:  „Im  Theater.  Dekorationen."  Unsere  Ver- 
mutung wird  zur  Gewissheit  durch  einen  Brief,  den  er  am  8.  Juni  an  seine 
Frau  schrieb;  in  diesem  sagte  er''-''):  „Nach  Beuthers  Arbeiten,  der  das  hiesige 
Theater  einriclitote,  habe  ich  sogleich  nachgefragt.  Herr  Gchcimerath  von 
Pfeiffer,  dem  die  hiesigen  'J'heatcrgeschäfte  untergeben  sind'^),  hat  die  ganz 
besondere  Gefälligkeit,  mir  au  schicklichen  Abenden,  nach  Beendigung  des 
Schauspiels,  wenn  die  Erleuchtung  noch  vollständig  ist,  mehrere  Dekorationen 
oder  wenigstens  Hintorgründe  zu  zeigen,  wo  ich  dann  das  im  grossen  sehe, 
was  wir  im  kleinen  schon  kennen  und  was  bey  uns  grösser  ausgefülirt  werden 
soll."  Wenn  er  sagt,  dass  er  im  grossen  sehe,  was  sie  im  kleinen  schon  kennen, 
so  geht  das  wohl  auf  die  Modelle  in  kleinem  Massstabe,  die  Beuthor  zu  ent- 
werfen verstand.  Wie  es  für  Wiesbaden  als  hohe  Ehre  und  Auszeichnung 
angesehen  werden  musste,  wenn  der  grosse  Kenner  der  Bühne  und  Leiter  des 
ersten  Theaters  Deutschlands  in  damaliger  Zeit  von  dort  sich  eine  Belehrung 
oder  wenigstens  die  Anschauung  der  in  Weimar  vorzunehmenden  Neuerungen 
herholte,  so  war  es  für  diesen  von  Wichtigkeit  über  Beuthers  Leistungen  an 
dessen  Werken  sich  ein  sicheres  Urteil  zu  bilden.  Sobald  dieses  Interesse 
erschöpft  war,  hört  der  Besuch  des  Schauspiels  für  Goethe  auf. 

Was  es  mit  der  Notiz  des  Tagebuchs  vom  15.  Februar  1815:  „Wiesbadener 
Theaterspass"  auf  sich  habe,  vermögen  wir  nicht  zu  erklären.  Vielleicht  gibt 
einer  der  nicht  veröffentlichten  Briefe  darüber  Aufschluss. 

Es  mögen  hier  noch  zwei  andere  Kunstgenüsse,  die  Goethe  zuteil  wurden, 
verzeichnet  werden. 

Am  6.  August  1814  hörte  er  den  Ilofgerichts- Advokaten  Halhvachs  aus 
Darmstadt  die  Glocke  von  Schiller  deklamieren.  Darüber  berichtet  er  am  7. 
an  seine  Frau"):  „Gestern  sah  ich  eine  wunderhche  Erscheinung,  einen  jungen 
Mann,  Advokaten  in  Darmstadt,  ganz  zum  Schauspieler  gebohren.  Schöne 
Gestalt,  schickliche  Bewegungen,  wohlklingende  Stimme;  er  deklamirte,  in  einer 
Art  von  Hamlets  Kleide,  Schillers  Glocke.  Leider  ist  er,  in  Ansicht  auf  Dekla- 
mation, ganz  auf  falschem  Wege,  er  müsste  völlig  umlernen  wenn  er  boy  uns 
Glück  macheu  wollte  ....  ein  prächtiger  Bursch  ist's." 

Ferner  hatte  er  den  Hochgenuss  des  Spiels  auf  der  Maultrommcl.  Tage- 
buch vom  30.  Juli:  „Maultrommel.  Gesteigerte  Mechanik  derselben"  und  am 
13.  August:  „Gesang  und  Maultrommel  im  Adler."  Dieses  lange  verkannte 
musikalische  Instrument  war  erst  seit  dem  Ende  des  18.  Jahrhundorts  zu  höherer 
Ausbildung  gelangt  und  hatte  durch  die  Vollkommenheit,  mit  der  es  von 
J.  H.  Scheibler  zu  Krefeld  (1777 — 1838)  u.  a.  gehandliabt  wurde,  allgemeine  An- 
erkennung und  durch  G.  Clir,  Grossheim  (1764 — 1847)  den  edleren  Namen  Mund- 
harmonika, den  Jean  Paul  aufgebracht,  gefunden. ^^)    In  Wiesbaden  hatte  um  die 


")  Mitgeteilt  ist  diese  Stelle  in  den  Anmerkungen  zu  dem  Tage))ucli,  S.  'M'2.  —  '®)  Franz 
Karl  Josef  (seit  1814  von)  Pfeiffer  war  Geheimer  Finanzrat  und  Geheimer  Staatsreferendar, 
seit  dem  Oktober  1814  Geheimerrat  und  Generaldirektor  der  indirekten  Steuern.  Verordnungs- 
blatt 1814,  Xo.  22.  —  ''I  Die  Stelle  ist  mitgeteilt  in  den  Anmerkungen  zum  Tagebuch,  S..  3."»t>. 
—  '*)  Schilling,  Encyklopädie  der  musikalischen  Wissenschaften  4,  GU4. 


80 

Zeit,  in  der  wir  uns  versetzt  sehen,  ein  gewisser  Teichmüller  aus  Braunschweig") 
sich  durch  seine  Kunstfertigkeit  auf  der  Maultrommel  ausgezeichnet;  er  selbst 
oder  ein  Schüler  von  ihm  mag  es  gewesen  sein,  den  Goethe  hier  zu  hören  bekam. 

7.  Yrrlielir  mit  Kursristoii.     IJosiiclie  aiiswärtisrer  Freunde. 

Wir  werden  hier  zuerst  den  Yerkehr  mit  Kurgästen  zur  Sprache  bringen, 
die  nicht  aus  Frankfurt  waren,  dann  den  mit  Frankfurtern,  und  zwar  zunächst 
vom  Jahre  1814,  darauf  von  1815,  sofern  nicht  eine  Verbindung  der  beiden 
Jahre  zweckmässig  erscheint. 

Den  lebhaftesten  Yerkehr  unterhält  Goethe  während  seines  Aufenthalts 
zu  Wiesbaden  im  Sommer  1814  mit  seinem  nur  wenige  Jahre  jüngeren  Freunde 
K.  Fr.  Zelter  (1758 — 1832),  dessen  Einfluss  und  thätige  Yorbereitung  für  die 
Reise  schon  oben  hervorgehoben  wurde,  auch  dass  er  bis  zum  31.  August  aus- 
hielt; am  1.  September  sahen  sich  beide  für  kurze  Zeit  in  Winkel  wieder.  Da 
Zelter  auch  im  „Bären"  wohnte,  so  war  der  Yerkehr  um  so  w^eniger  gehindert 
oder  erschwert,  und  so  finden  wir  denn  beide  fast  täglich  zusammen,  manch- 
mal mehr  als  einmal  an  demselben  Tage,  und  zu  allen  Stunden,  auf  dem  Zimmer, 
auf  Spaziergängen  oder  Ausflügen;  wir  glauben  nicht  nötig  zu  haben  die  einzelnen 
Tage  aufzuzählen,  an  denen  sie  zusammen  erscheinen.  Yon  den  Ausflügen  am 
3.  August  und  am  15.— 17.  August  wird  unten  die  Rede  sein  unter  dem  Ab- 
schnitt „Unterbrechungen  oder  Störungen."  Auch  zu  kleinen  Dienstleistungen 
war  Zelter  bereit,  wie  er  z.  B.  die  Rezension  des  Werkes  der  Frau  v.  Stael 
über  Deutschland  am  11.  und  12.  August  vorlas  und  am  28.  eine  allzuauf- 
regende Feier  von  Goethes  Geburtstag,  welcher  dieser  doch  nicht  ganz  entging, 
zu  verhüten  suchte.  „Ich  habe  alle  Hände  voll  gehabt  zu  verhindern",  schreibt 
er  am  30.  an  den  Staatsrat  Schultz^o),  ^(j^ss  vorgestern  au  seinem  Geburtstage 
nicht  Aufruhr  in  Wiesbaden  wurde,  indem  ich  sagte,  er  gehe  von  dannen,  wie 
er  denn  auch  in  Biebrich  beim  Herzog  von  Nassau  zur  Tafel  war." 

Sie  kannten  sich  schon  lange  Zeit;  das  Yerhältnis  hatte  sich  aber  seit  dem 
freiwilligen  Tod  von  Zelters  Stiefsohn  1812  zur  innigsten  Freundschaft  gesteigert. 
Damals  gebrauchte  Goethe  in  der  Anrede  zuerst  das  vertrauhche  Du:  „Du 
hast  Dich  auf  dem  schwarzen  Probiersteine  des  Todes  als  ein  echtes  geläutertes 
Gold  aufo-estrichen;  wie  herrlich  ist  ein  Charakter,  wenn  er  so  von  Geist  und 
Seele  durchdrungen  ist",  und  Zelter  durfte  seit  diesem  Briefe  denken,  an  Stelle 
des  verlornen  Sohnes  einen  lebendigen  Bruder  gewonnen  zu  haben.  Goethe 
schätzte  an  ihm  die  Kernhaftigkeit  seiner  Natur,  die  frei  von  aller  Sentimentalität 
war,  den  offenen  ehrlichen  Sinn,  der  empfänglich  war  für  alles  Gute  und  Schöne. 
Bei  iiim  fühlte  er  sich  wahrhaft  wohl. 


'8)  A.  Schreiber,  Topographischer  Nomenklator  der  ganzen  Rheinküste  1813,  S.  63. 
Er  war  nadi  diesem  zugleich  Porträtmaler.  Scl.illing  schreibt  den  Namen  Deichmüller. 
F.'tis,  Biographie  .les  Musiciens  Yll,  190  verzeichnet  einen  K.  W.  Teichmüller,  der  Künstler 
auf  der  Violine,  Flute  und  Guitarre  und  um  1830  Professor  der  Musik  zu  Rraunschweig  gewesen 
sei-  auch  habe  er  sich  durch  sein  Spiel  auf  der  Mundharmonika  bekannt  gemacht.  — 
*")  H.  Düntzer,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Schultz  1853,  S.  13G. 


81 

Die  Kur  war  Zelter  zuerst  nicht  gut  bekommen.  Am  0.  September 
meldet  er  von  Bonn  aus:  „Das  Chiragra  habe  ich  nach  Wiesbaden  gebracht 
und  das  Podagra  dazu  geholt,  doch  bin  ich  sehr  vergnügt,  indem  icli  wie  ein 
Kind  an  Deiner  Brust  neue  Lebensmilch  eingesogen  habe."  Doch  am  8.  No- 
vember schreibt  er**'):  „Mit  meiner  Kur  bin  ich  ganz  zufrieden,  (his  Wasser 
hat  alle  gichtische  Materie  nach  aussen  gelockt,  was  ein  Ausschlag  an  Dündon 
und  Füssen  bekundet,  und  so  Gott  will,  denke  ich  künftiges  Frühjahr  bei  Zeiten 
wieder  au  Ort  und  Stelle  zu  sein,  um  den  Feind  zu  verfolgen,  der  mir  das 
Beste  nehmen  will,  was  an  mir  ist." 

Indessen  wurde  aus  dieser  Kur  im  Jahre  1815  nichts.  Obgleich  er  von 
Goethe  noch  von  Weimar  aus  Ende  Mai  1815  aufgefordert  wurde,  bald  nach 
Wiesbaden  zu  kommen  und  er  Hoffnung  machte  (4.  Juni)  bald  zu  erscheinen, 
traten  ihm  Hindernisse  entgegen  und  er  musste  die  Reise  aufgeben,  fand  sich 
aber  1816  ein,  wo  dann  Goethe  ausblieb,  wie  wir  sehen  werden. 

Im  Sommer  1814  und  im  Anfang  der  Kur  von  1815  erschien  bei  Goethe 
sehr  häufig  und  war  gern  gesehen  der  preussische  Hauptmann,  später  Major 
V.  Luck,  „der  Mainzer  Humorist",  wie  ihn  Goethe  im  Jahre  1819  nennt*-),  „der 
ganz  unversehens  zum  Besuche  eintritt,  sein  Bleiben  ohne  Not  verkürzt  und 
gerade  aus  Übereilung  die  Reisegelegenheit  versäumt."  Er  gehörte  einer 
Familie  an,  aus  der  mehrere  Glieder  in  Weimar  bedienstet  gewesen  waren  und 
zu  den  ältesten  Freunden  Goethes  auf  Weimarer  Grund  und  Boden  gezählt 
hatten.^^)  Am  5.  August  sandte  er  die  Broschüre:  „An  die  Germanen  des 
linken  Rheinufers,"  die  aber  Goethe  schon  bekannt  war.  Der  Krieg  vom 
Jahre  1815  entführte  ihn  nach  der  Pfalz  zur  Belagerung  der  Festung  Landau; 
am  28.  Juni  nahm  er  Abschied.  Am  18.  Juli  richtete  Goethe  einen  Brief  an 
ihn  nach  Landau;  am  3.  August  ist  im  Tagebuch  verzeichnet:  „Lucks  Gedicht", 
über   welches    ein  Gespräch  mit  Boisseree    vom   6.    August   Aufschluss   gibt.**"*) 

Es  heisst  dort:  „Gespräch  über  die  blosse  Kunst  der  Poesie,  bei  dem  blossen 
Talent  der  Sprache:  wie  weit  es  in  dieser  Phraseologie  gebracht  werden  könne; 
er  (Goethe)  rühmt  den  Major  Luck,  es  ist  auch  ein  divuses  (sie)  Wesen  in 
ihm,  aber  da  thut  ihm  das  Sonett  Gewalt  an  und  zwingt  ihn  zur  Einheit. 
Darum  gibts  nicht  leicht  bessere  Sonette  als  die  seinigen,  auch  in  Rücksicht  der 
Gedanken.  Ein  Spottgedicht  hat  er  gegen  die  Arndt'sche  Dreieinigkeit  gemacht, 
von  Wellington,  Blücher  und  unserm  Herrgott;  aber  das  nicht  als  Sonett.  Eine 
Strophe,  die  er  Goethe  blos  in  einem  Briefe  mitgeteilt,  als  geheimes  Einschiebsel, 
nur  für  Vertraute,  ist  sehr  artig.  Es  lautot  ungefähr:  Gott  ist  der  grossen 
Schrift  nicht  wert,  dieweil  er  nicht  freiwilliger  Jäger  geworden,  das  Schiess- 
gewehr auf  die  Schulter  genommen  hat  und  in  den  Landsturm  ausgezogen  ist." 

Gleichzeitig  mit  Goethe  war  im  Gasthaus  zum  Adler  abgestiegen  der 
„Graf  Henckel  von  Donnersmark,  Rittmeister  und  General-Adjutant  in 
königlich  preussischen  Diensten"^^),  am  7.  August  traf  ebenda  ein  „Se.  Excellenz 


*')  Briefwechsel  beidei*,  von  Riemer  an  dem  betr.  Orte.  —  '-)  Annalen  1819.  — 
'^)  Goethe- Jahrb.  X,  26.  Brief  vom  .").  De/ember  1808.  —  »«i  Sulp.  Boisseri'e  I.  2G2,  — 
")  Kurliste  vom  24.— ;:51.  Juli  1814. 


82 

Herr  Graf  Hen ekel  von  Donnersmark,  königl.  preussischer  General."^'')  Dieser 
ist  Graf  Wilhelm  (1773 — -1823),  seit  dem  30.  Mai  1814  Generalmajor;  jener 
wird  Graf  Lazarus  sein,  welcher  im  Jahre  1813  zum  Adjutant  des  Generals 
V.  Steinmetz  ernannt  worden  war.^^)  Mit  der  Familie  der  Grafen  war  Goethe 
schon  von  Weimar  her  bekannt,  da  die  Mutter  des  Grafen  Wilhelm,  Gräfin 
Ottilie  geb.  v,  Lepel,  Oberhofmeisterin  der  Erbgrossherzogin  war;  später  trat 
er  in  ein  noch  engeres  Yerhültnis  zu  derselben,  als  sein  Sohn  die  Enkelin  der 
Gräfin,  Ottilie  v.  Pogwisch,  heiratete.  Ob  nun  Goethe  mit  beiden  oder  mit 
welchem  von  beiden  er  vornehmlich  verkehrte,  giebt  er  nicht  an;  mit  dem 
ersteren,  dem  Rittmeister,  traf  er  schon  am  30.  Juli  wahrscheinlich  au  der 
Tafel  zusammen,  ebenso  ist  seine  Name  am  31.  Juli  und  1.  August  im  Tage- 
buch genannt;  am  8.,  9.  und  26.  August  kann  der  im  Tagebuch  aufgeführte 
Graf  Henckel  auch  Graf  Wilhelm,  welcher  bis  zum  6.  September  zu  Wiesbaden 
verweilte,  gewesen  sein.  Mit  ihm  erscheinen  am  9.  zusammen  die  Fräulein 
Y.  Stein,  wie  sie  das  Tagebuch  vom  2.  August  kurz  bezeichnet.  Sie  waren 
schon  eine  Woche  früher,  zwischen  dem  17.  und  24.  Juli  in  Wiesbaden  einge- 
trofien  und  hatten  sich  im  Badhause  zum  schwarzen  Bock  eingemietet.  Nach 
einem  Briefe  von  Goethe  an  seine  Frau  waren  es  (d.  h.  wie  wir  sehen  werden, 
nur  zwei  von  ihnen)  Schwestern  des  ehemaligen  Oberforstmeisters  v.  Stein  zu 
Weimar.^®)  Es  waren  im  ganzen  vier  Damen  und  sie  werden  in  dem  Tage- 
buch und  der  Kurliste  so  übereinstimmend  aufgeführt,  dass  die  Vermutung  nahe- 
liegt, die  eine  Aufzählung  sei  aus  der  anderen  geflossen.  Die  Kurliste  sagt 
folgendermassen  (die  eingeklammerten  Worte  sind  bei  Goethe  weggelassen): 
„Fr.'*''')  V.  Stein,  Äbtissin,  von  Witzenbach^'');  Fräulein  v.  Stein  Stifts-  und  Hof- 
dame [bei  Ihre  Durchlaucht]  der  Frau  Churfürstin  von  Hessen-Kassel;  Fräulein 
v.  Stein,  Stiftsdame  und  Fräulein  v.  Willhan^^),  [beide]  von  Bobenhausen."  Über 
die  erste  und  dritte  der  Damen  geben  die  weiter  unten  angeführten  Stamm- 
buchverse derselben  nähere  Auskunft.  Daselbst  unterzeichnete  die  erste  Eleonore 
V.  Stein,  Äbtissin  von  Waitzenbach,  die  dritte  schrieb  Christiane  v.  Stein; 
diese  beiden  waren  die  Schwestern^^)  des  Oberforstmeisters  v.  Stein  zu  Nord- 
und  Ostheim  (f  1816).  Eleonore  (1775 — 1851)  war  die  Pröpstin  (so  lautete 
nach  der  Stiftungsurkunde  der  Titel  der  Vorsteherin)  des  Stifts  Waitzenbach 
zu  Würzburg,  eines  lutherischen  freiherrlich  Truchsessischen  adeligen  Damen- 
stiftes, das  im  Jahre  1733  für  fünf  adelige  Fräulein  von  mindestens  acht  Ahnen 
gegründet  worden  war.''')  Christiane  (geb.  1779)  gehörte  dem  freiherrlich 
v.  Steinischen  adeligen  Damenstifte  auf  der  Birken  bei  Bayreuth  an;  dieses 
war  im  Jahre  1740  auf  Schloss  Birke  für  vier,  seit  1804  sechs  arme  adelige 
Witwen  oder  Fräulein  gegründet  worden. ^^) 


*^)  Kurliste  vom  31.  Juli  bis  7.  August  1814  und  W.  Graf  Henckel  von  Donners- 
mark, Erinnerungen  S.  344.  —  *")  v.  Schöning,  Die  Generale  der  preussischen  Armee  1840, 
No.  1006.  —  "*;  Anmerkung  zum  Tagebuch,  S.  355.  —  *")  Das  Tagebuch  schreibt  hier  Frl., 
am  28.  Frau.  —  *")  Aulfallend  ist  der  übereinstimmende  Fehler  Witzeiibach  statt  Waitzenbach, 
8.  gleich  unten.  —  ®')  Im  Tagebuch  Willliahn.  —  ^^)  Gothaisches  Taschenbuch  der  freiherr- 
lichen Häuser  is:,:j,  S.  454,  —  *•')  Gritzner,  Handbuch  der  Danienstiftcr,  8.  241.  —  "^j  Eben- 
da, S.  2ü. 


83 

"Wer  die  zweite  der  Fräuleiu  von  Stein  war,  lässt  sicli  nicht  mehr  sicher 
sagen;  sie  war,  als  die  Stammbuclieinträge  verfasst  wurden,  schon  abgereist 
und  erscheint  nicht  unter  den  Schreiberinneu.  Da  sie  zugleich  Hofdame  der 
Kurfürstin  von  Hessen  war,  so  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  dem  hessischen 
Zweig  derer  v.  Stein  angehörte;  und  in  der  That  findet  sich  eine  Friederike 
Y.  Stein-Liebenstein  zu  Barchfeld  (geb.  1782)  als  Ehreustiftsdame  zu  Schaaken 
in  Waldeck  verzeichnet^^)  und  w^cnn  in  dieses  Stift  nach  dem  neuen  Statut 
von  1810  nur  Damen  aus  dem  Fürstentume  AValdeck  aufgenommen  werden 
durften,  vier  Fräulein  von  Adel  und  sechs  Tücliter  höherer  Staatsbeamten, 
während  die  Pröpstiu  eine  Prinzessin  von  Waldeck  sein  musste'^^),  so  hatten 
wohl  zwischen  der  Familie  der  Friederike  v.  Stein  und  Waldeck  Beziehungen 
statt,  die  ihre  Aufnahme  ermöglichten;  doch  erhielt  sie,  wie  bemerkt,  nur  den 
Charakter  einer  Ehrenstiftsdame. 

An  ihrer  und  der  vierten  Stelle  linden  sich  unter  den  Stammbuclieinträgen 
die  Namen  Luise  v.  Wildungen  und  Lotte  v.  Bobenhausen;  jene,  die 
sich  selbst  als  junge  Freundin  des  Dichters  bezeichnet,  wird  die  zweite  Tochter 
des  hessischen  Oberforstmeisters  v.  Wildungen  gewesen  sein^^),  diese  stammte 
aus  dem  im  Mannsstamme  1836  erloschenen  fränkischen  Geschlechte  v.  Boben- 
hausen, dessen  Stammschloss  bei  Munnerstädt  im  Würzburgischen  lag  und  da- 
mals in  fremde  Hände  übergegangen  war;  die  letzten  Nachkommen  lebten  zu- 
letzt auf  Schloss  Birken.^^)  Sie  war  nicht  Stiftsdame,  bezeichnet  sich  wenigstens 
nicht  so  und  wird  nicht  so  in  der  Kurliste  und  im  Tagebuch  genannt;  sie  war 
wohl  Begleiterin  der  Christiane  v.  Stein.  Woher  die  Stiftsdame  (Christiane)  v.  Stein 
zugleich  V.  Bobenhausen  genannt  wird,  vermag  ich  nicht  zu  sagen;  es  kann 
sich  hier  vielleicht  nur  um  eine  unrichtige  oder  undeutliche  Niederschrift  in 
der  Kurliste  handeln. 

Was  nun  den  Verkehr  dieser  Damen  und  des  Grafen  Henckel  mit  Goethe 
angeht,  so  gibt  das  Tagebuch  ausser  den  drei  ersten  Tagen  folgendes  an:  „den 
2.  August.  Mittags  die  Fräulein  Stein  zu  Tische.  —  5.  August.  Zu  Frl.  v.  Stein. 
—  6.  August.  Fete  der  Damen  Stein  auf  Sonnenberg.  —  8.  August.  Zelter 
und  Graf  Henckel.  —  9.  August.  Abends  auf  der  Platte;  von  Graf  Henckel 
eingeladen  mit  den  Steinischen.  Herrliche  Aussicht.  —  17.  August.  Mit  Stein 
pp.  im  Cursaal.  —  18.  August.  Mittag  auf  der  Platte  mit  Steins,  Günderode'-^'^), 
Steinberg,  Löwen.  —  25.  August.  Zu  Frl.  Stein.  —  26.  August.  Graf  Henckel 
(zweimal).  —  27.  August.  Nachts  bis  nach  12  Uhr  bei  Frau  Äbtissin  v.  Stein." 

Bei  dem  Ausflug  auf  die  Platte  am  9.  oder  vielmehr  im  Kursaal  am  17. 
mag  es  gewesen  sein,  dass  die  Einzeichnung  in  das  Stammbuch  verabredet 
wurde.  Das  Album  ^°*^),  welches  Goethe  bei  sich  führte,  war  in  gelbes  geripptes 
Leder  gebunden,  mit  polierten  Stahlecken,  -Schild  und  -Schlösschen,  der  Ein- 
schlag von  citronengelber  Moireseide,  Hochformat.  Die  Einträge,  welche  sämt- 
lich die  hohe  Verehrunsr  für  den  Dichterfürsten  bekunden,  lauten  also: 


95)  Gothaisches  Taschenbuch  1853,  S.  453.  —  »'')  Gritzner,  S.  203.  -  «')  Strieder,  Hess. 
Gelehrter  XVII,  59.  —  *'*)  Gothaischer  Taschcnkalender  1S83,  S.  (;6.  —  »»)  Die  richtige  Schreib- 
ung des  Namens  ist  Günderrode.  —  '"")  Die  Beschreibung  und  die  folgenden  Eintrüge  sind 
entnommen    dem  Artikel   von  W.   Vulpius  in  der  Deutschen  Kundschau   189U,  9,  S.  351   ff. 


84 


1.  Die  Äbtissin  Eleonore  v.  Stein  schrieb: 

^Möchte  zuweilen  dieser  höhere  Blick, 

voll  Ruhe  und  Geist  und  Grösse  hier  verweilen, 

Und  Sie  leise  den  tiefen  Wunsch 

meines  Herzens  zum  Allsehenden 

für  lange,  heitre,  segensvolle  Tage  vernehmen. 

Ewig  mit  wahrer  Verehrung  und  Liebe. 

"Wiesbaden  d.   10.  August  1814.  Eleonore  v.  Stein, 

Äbtissin  im  Stift  Waizenbach.'* 

2.  „Christiane  von  Stein 

Der  Name  einer  aus  treuem   und 
Dankbaren  Herzen  Sie  innig.st 
Verehrenden. 

Wiesbaden  d.  20.  August  1814.'* 

3.  Luise  von  Wildungen: 

„Darf  ich  als  junge  Freundin  auch 

bitten  für  Zukunft  und  itzt, 

dass  dieser  Name  nicht  ganz  verschwinde 

unter  denen  der  Bittenden  alle 

um  Andenken  und  Gunst. 

Wiesbaden  d.  20.  August  1814.  Luise  von  Wildungen." 

4.  Lotte  von  Bobenhausen: 

„Vergebens  flehte  ich  Apollos  Hülfe  an 
Die  Krone  der  schönen  Geister  nach 
Würde  zu  besingen;  doch  immer  wäre  mein 
Lied  nicht  würdig  gewesen,  vor  Ihrem 
Throne  zu  erscheinen,  denn  mir  fehlen 
selbst  Worte,  den  einzig  frohen  erliabnen 
Genuss  auszudrücken,  den  die  Augenblicke 
Ihrer  Gegenwart  auch  mir  gewährten. 
Die  Erinnerung  derselben  wird  meine 
Zukunft  erheitern,  und  nur  mit  meinem 
Seyn  schwinden;  so  wie  mein  tiefes 
Dankgefühl,  mich  hier  nennen  zu  dürfen  als 
Ihre  hochachtungsvollste,  innigste  Verehrerin 
Wiesbaden  am  20.  7  [8]  1814.  Lotte  von  Bobenhausen." 

5.  Graf  Ilenckel  (die  Unterschrift  nicht  deutlich): 

„Wie  vermag  ich  Ihnen  der  Ver- 
ehrung und  des  Dankes  Gefühle  zu 
schildern?  —  Wie  kann  ich  es  mehr, 
als  wenn  ich  es  laut  bekenne,  wie 
ich  des  eignen  Strebens  bewusst, 
Doch  deutlich  erkenne,  dass  durch  Ihrer 
Lehre  geistvolle  Helle,  ich  erkannt  des 
Lebens  innerste  Quelle,  so  weit  mir  das 
Erkennen  beschieden  ist.  —  Und  wie  vermag 
ich  es  besser  zu  zeigen,  dass  ich  gefasst 
Ihrer  Lehre  erhaben  liebevollen  Sinn, 


85 

Als  wenn  ich  noch  heute  Ihnen  und  der  Gottlioit 
Gelobe,  dnss  ich  fest  entschlossen  bin: 
Nicht  mit  Kummer  und  ängstlich  sorgend  oder 
zagend,  aber  mit  Mutii  und  thätigcr  Kraft, 
nicht  allein  das  beschiedene  Loos  zu  tragen, 
sondern  auch  zu  schaffen  und  zu  wirken 
aus  all  meiner  eignen  Kraft,  so  weit  und 
80  viel,  als  des  Schicltsals  Wille  es  gestatten  mag." 
Wiesbaden  d.  22.  August  1814.  Henckcl.'* 

Wir  haben  noch  über  die  Teilnehmer  der  Fahrt  auf  die  Platte  vom 
18.  August  zu  reden.  Von  diesen  sind  die  dort  zuerst  genannten  Günderrode  und 
Steinberg  schwer  zu  bestimmen.  Günderrode  wird  vielleiclit  der  letzte  Stadt- 
schultheiss  der  Stadt  P^rankfurt,  Friedrich  Maximilian  v.  Günderrode  (1753 — 1824), 
gewesen  sein,  welcher  die  lange  Reihe  der  Stadtschultheissen,  allerdings  unter 
den  veränderten  Verhältnissen  der  napoleonischen  Zeit,  von  1807  bis  Ende  1810 
abschloss.^"^)  —  Der  Name  Steinberg  erscheint  in  der  Kurliste  zweimal,  ein 
II.  V.  Steinberg,  grossherzoglich  würzburgischer  Kammerherr  aus  Meinungen, 
(7. — 14.  August)  und  Fr.  v.  Steinberg  aus  der  Wetterau.  Am  30.  August 
machte  Goethe  einen  Besuch  „bey  Fr.  v.  Sternberg",  vielleicht  ist  dies  die 
eben  genannte  Fr.  v.  Steinberg. 'O'-)  Mit  „Löwen"  meint  er  ohne  Zweifel  den 
Oberjägermeister  Freiherrn  Philipp  Low  von  und  zu  Stein furth  von  Weil- 
burg, welcher,  wie  es  scheint,  zur  Kur  hier  weilte  und  in  der  Woche  vom  9. 
bis  14.  August  angekommen  war.  Geboren  am  26.  Januar  1756  war  er  im 
Jahre  1780  in  die  Dienste  des  Fürsten  von  Nassau- Weilburg  getreten  und  genoss 
den  Ruf  nicht  nur  eines  tüchtigen  Forstmannes  und  Jägers,  sondern  auch  eines 
frommen  und  geraden  Menschen;  erstarb  hochbetagt  am  12.  Oktober  1841.^''^) 
Wir  finden  ihn  noch  einmal  bei  unserm  Dichter  am  24.  August.  Mit  der 
Familie  der  Low  von  Steinfurth  war  Goethe  in  Beziehung  getreten  infolge  der 
Vermählung  der  Tochter  des  Freiherrn  Wilhelm  Christoph  von  Diede  zum 
Fürstenstein  mit  dem  Bruder  von  Philipp  Low  zu  Steinfurth.^"*)  Den  Freih. 
V.  Diede  und  seine  Gemahlin  Luise  geb.  Gräfin  von  Callenberg  nennt  Goethe 
seine  „werthen  Gönner  und  Freunde"  und  war  ihnen  zu  Liebe  im  Februar  17S8, 
als  er  zu  Rom  weilte,  aus  seiner  Zurückgezogenheit  herausgetreten. ^°^)  Er  er- 
zählt u.  a.  von  einer  Einladung  zu  einem  Konzert  auf  der  kapitolinischen 
Wohnung  des  Senators  von  Rom  Fürsten  Rezzonico,  wo  „die  Dame,  wegen 
des  Flügelspiels  berühmt,  sich  hören  zu  lassen  willig  war."  Und  weiter:  „Frau 
V.  Diede  spielte,  sehr  grosse  Vorzüge  entwickelnd,  ein  bedeutendes  Concert." 
Ihre  gleichnamige  Tochter  Luise,  geb.  1778,  hatte  sich,  wie  gesagt,  mit  dem 
Freih.  Georg  Low  zu  Steinfurth  vermählt,  war  aber  Ende  des  Jahres  1811 
nach  siebenjähriger  glücklicher  Ehe  Witwe  geworden  und  lebte  fortan  meist 
auf  ihren  Gütern  Staden  und  Ziegenberg  in  Hessen,  ganz  der  sorgfältigen  Er- 


"')  Schwartz  in  Ersch  und  Grubers  Encyklopädie,  <J7.  M.,  S.  122  ff.  des  Separnt- 
abdrucks.  —  "*2)  Anmerkung  zum  Tagebuch,  S.  358.  —  '"*)  Wilhelm  Freih.  Low  von  und 
zu  Steinfurth,  Notizen  über  die  Familie  derer  Freiherrn  Low  von  und  zu  Steinfurtli,  18(;s, 
S.  114.  —  "^'^j  Ebenda  S.  110.  —  i»^;  Italienisclie  Reise,  Bericlit  zum  22.  Februar  1788. 

7 


8G 

Ziehung  ihrer  Kinder  hingegeben.  Sie  war  eine  grosse  Verehrerin  von  Goethe 
und  eilte,  von  seiner  Anwesenheit  zu  Wiesbaden  unterrichtet,  herbei,  um  ihn 
zu  begrüssen,  am  30.  Augu<t  1814.  Wir  treffen  sie  14  Jahre  später  noch  ein- 
mal bei  dem  Dichter,  als  er  zu  Doruburg  sich  aufhielt,  mit  ihrer  Tochter  Luise 
(nachher  vermählt ^°'^)  mit  dem  Grafen  v.  Reventow).  Auch  der  Solm  des  Freili. 
Philipp  V.  Lüw,  der  nachherige  Präsident  des  Oberappellatiousgerichts  zu  Wies- 
baden, Ludwig  Liiw  zu  St.,  erbte  die  Verehrung  für  Goethe  und  besuchte  den 
Dichter  einstmals  zu  Weimar. 

Die  anderen  Begegnungen  mit  Kurfremden  des  Jahres  1814  waren  mehr 
vorübergehender  Natur  und  weniger  eingreifend.  Das  Tagebuch  nennt  folgende 
Namen:  am  30.  Juli  den  preussischen  Generalmajor  Baron  [Fr.  L.|  v.  Lobenthai 
aus  Luxemburg^"'),  am  1.  August  einen  Dr.  Müller  nebst  Tochter  aus  Bremen, 
am  11.  August  den  Regierungsrat  El  wert  aus  Darmstadt  und  dessen  Sohn, 
Amtsassessor  Elwert,  am  17.  August  Ungers  aus  Berlin;  bei  dem  Buchhändler 
Johann  Friedrich  Unger  (f  1804)  waren  seit  1792  viele  Werke  Goethes  er- 
schienen, wie  1792  „Goethes  neue  Schriften",  1795  „Wilhelm  Meisters  Lehr- 
jahre"; am  20.  erscheint  der  bekannte  Theologe  Alacheineke  im  Tagebuch. 
Welcher  Herr  v.  Stein  es  war,  der  am  14.  genannt  wird,  ist  nicht  klar;  keines- 
falls war  es  der  Minister  vom  Stein,  der  sich  damals  zu  Nassau  aufhielt  und 
von  da  am  10.  und  19.  an  den  Minister  v.  Marschall  zu  Wiesbaden  Briefe 
richtete^"^),  in  der  Zwischenzeit  also  keinesfalls  dahin  gereist  sein  wird;  jener 
v.  Stein  wird  ein  Angehöriger  der  Fräulein  v.  Stein  gewesen  sein. 

Das  Tagebuch  bringt  am  G.  August  die  Bemerkung:  „Geh.  R.  Leonhard. 
Auf  der  Durchreise.  Prof.  Welcker  aus  Giesen"  (sie).  ])cr  in  der  Mitte 
zwischen  den  beiden  Namen  stehende  Zusatz  „auf  der  Durchreise"  ist  ohne 
Zweifel  auf  beide  zu  beziehen.  Der  Philologe  Fr.  Gottl.  Welcker  (1784  bis 
1868)  hatte  bereits  im  Jahre  1805  den  von  ihm  hochgeschätzten  Dichter  zu 
Weimar  aufgesucht'"^),  war  diesem  also  schon  persönlich  bekannt.  K.  C.  v. 
Leonhard  stand  zwar  mit  ihm  schon  längere  Zeit  in  brieflichem  Verkehr, 
doch  hatten  sie  sich  noch  nicht  von  Angesicht  zu  Angesicht  gesehen,  und  auf 
der  Reise  hatte  ihn  Goethe,  wie  wir  berichtet  haben,  zu  Hanau  nicht  ange- 
troflen.'^")  Kaum  war  er  nun  in  Wiesbaden  angekommen,  als  er  —  am  1.  August 
1814  —  ihm  nach  Schwalbach  meldet,  wie  er  das  Missgeschick  gehabt  habe 
ihn  nicht  in  Hanau  zu  finden,  aber  seinen  Besuch  für  seine  Rückreise  ankündigt. 
Daraufhin  versagt  es  sich  Leonhard  nicht,  ihn  alsbald  —  auf  seiner  Durchreise 
—  in  Wiesbaden  zu  besuchen.  Den  Bericlit  über  diese  seine  erste  Begegnung 
mit  dem  von  ihm  hochverehrten  Manne  glauben  wir  hierher  einrücken  zu  müssen, 
da  (.'r  lebenswarm  darstellt,  wie  Goethe  dem  von  ihm  hochgeachteten  Mine- 
ralogen entgegentrat,  welchen  Eindruck  seine  Erscheinung  auf  ihn  hervor- 
brachte.*'') 


'•»ö)  F.  J.  Frommann,  Das  Frommannsche  Haus  und  seine  Freunde  1879,  S.  39.  Ooethe- 
Jahrb.  II,  .S20.  —  W.  v,  Low,  Notizen  u.  s.  w.,  S.  110.  —  "*')  Schouin?,  a.  a.  0.  S.  2:SG.  — 
*"«)  Sauer,  Daa  Herzogtum  Nassau  von  1813-1820,  S.  13  u.  14.  -  *"«)  Kekule,  Leben 
Welckers,  S.  37.  —  ""i  Hratranek,  Goethes  naturwissenstliaftliche  Korrespondenz  I,  '_'81. 
—   '";   K.  C.   V.   Leonliiinl,   Aus  unserer  Zeit  in   mcincin   Lt-hcn    18.J4,   1.  441. 


S7 

Als  Leonhard  den  Brief  erliielt,  war  er  freudigst  überrascht  und  bewegt: 
er  sollte  Goethe  sehen!  „Männer  von  grossem  Namen,  führt  er  fort,  verlieren 
nicht  selten  bei  näherer  Bekanntschaft.  Wie  verscliioden  war  das  was  ich  fand 
bei  meiner  ersten  Zusammenkunft  mit  dem  Dichterfürsten,  der  uns  (Irosses  und 
ITerrliches  gebracht,  die  höchste  reinste  Poesie,  mit  einem  Manne,  der  durch 
die  Macht  reichen,  durchdringenden  gewaltigen  Geistes  so  unendhch  liervorragtc 
über  seine  Zeitgenossen, 

„Gespannt  mit  ganz  eigenem  Gefühl  —  was  soll  icli's  in  Abrede  stellen, 
nicht  ohne  scheue  Ehrfurcht  überschritt  ich  die  Schwelle  des  Allgefeiorten. 

„Der  Heros  der  Wissenschaft  kam  mir  entgegen  mit  dem  ihm  eigenen 
wahrhaft  hohen  Anstand,  mit  der  edlen  geistigen  Vornehmheit,  in  gemessener 
aber  dennoch  ungezwungener  Haltung.  Er  begrüsste  mich  zutraulich,  bequem 
und  gütig,  offen,  frei  und  herzlich,  mit  der  ihm  gegebenen  Leichtigkeit  sich  mit- 
zuteilen, es  sei  schriftlich  oder  mündlich.  Goethe  reichte  mir  die  Hand;  nun 
fühlte  ich  mich  nicht  im  geringsten  weiter  in  Verlegenheit.  Was  ich  gesagt, 
weiss  ich  nicht  mehr,  nur  das  blieb  mir  im  Gedächtniss,  dass  er,  in  wohlge- 
fälligster Weise,  heitere,  freundliche  Worte  an  mich  richtete. 

„Sehr  bald  belebte  sich  das  Gespräch.  Ich  gestand  Goethe,  wie  unendlich 
er  mich  ehren  und  beglücken  würde,  wenn  es  ihm  gefiel,  auf  der  Rückreise 
nach  Weimar  in  Hanau  bei  mir  einzukehren,  mein  Haus  als  das  seine  betrachten 
zu  wollen.  Das  Erbieten  wurde  offenbar  gern  entgegengenommen,  die  ErtülluDg 
meiner  Wünsche  jedoch  bis  zum  Spätherbst  hinausgeschoben.  Seine  heimath- 
liche  Gegend,  die  Main-  und  Rheinlande,  hatte  mein  Gönner  lange  nicht  ge- 
sehen, er  wollte  erfahren,  was,  nach  so  vielem  Missgeschick,  sich  daselbst  be- 
finde, bezüglich  auf  Kunst  und  Alterthum  und  die  verwandte  Wissenschaft,  wie 
man  zu  erhalten,  zu  ordnen,  zu  vermehren,  zu  beleben  und  zu  benutzen  gedenke. 

„Bezaubert  von  der  Persönlichkeit  —  die  Erscheinung  allein  war  erhebend 
—  schied  ich.  Wie  hatte  sich  die  Bewunderung  gesteigert,  welche  ich  dem 
grossen  Manne  nie  versagt. 

„Leuchtenden  Blicks  erzählte  ich  den  Meinen,  und  wer  in  Hanau  es 
hören  wollte,  vom  ausdrucksvollen  Gesicht,  von  der  hohen,  edlen,  gedankenreichen, 
majestätischen  Stirn,  vom  Glanz  und  geistigen  Feuer  in  den  Augen,  von  Rede, 
Stimme,  Haltung,  Gang  —  Alles  wusste  ich  begeistert  zu  schildern,  und  wie 
Goethe  mit  Mund  und  Herz  nicht  genug  zu  loben  und  zu  lieben  sei. 

„Er  musste  den  Ruhm  kennen,  der  ihm  zurückstrahlte  aus  allen  Ländern 
Europas,  er  war  sich  dessen  bewusst,  aber  auf  eine  naive  Weise,  die  nicht 
raissfallen  konnte.  Was  Bewunderung  verdiente,  fand  sie  bei  ihm,  um  jedes 
Talent  bekümmert  er  sich,  inniges  Gefühl  hatte  Goethe  für  alles  Gute.  In 
unseren  Unterredungen  fand  sich  wiederholt  Gelegenheit  mich  zu  überzeui^cn. 
dass  er  die  Verdienste  früherer  und  mitlebender  Männer  —  ich  rede  jetzt  nament- 
lich von  Dichtern  — •  sorgfältig  und  rein  anzuerkennen  bemüht  war,  dass  er 
die  Fortschritte  bedeutender  Leistungen  und  eines  nicht  unterbrochenen  Wirkens 
mit  froher  Theiinahme  unablässig  begleitete." 

Als  solcher  Mann,  so  verehrt  und  hochgehalten,  von  allen,  die  seiue  Grösse 
erkannten,  wandelte  Goethe  in  der  Fülle  seines  Ruhmes  unter  uns,    und   auch 

7* 


88 

die,  welche  ihn  verkannten,  wie  er  ja  auch  seine  Gegner  hatte,  vermochten 
ihm  uiclit  auf  die  Dauer  zu  schaden,  im  Gegenteil  steigerte  sich  im  Laufe  der 
Zeit  die  Erkenntnis  und  damit  die  Bewunderung  seines  Geistes.  Dasjenige 
aber,  was  er  an  dem  Tage  von  Leonhards  Besucli  in  das  Tagebueli  sclirieb, 
seheint  er  auf  dessen  Stirne  abgelesen  zu  haben;  es  sind  die  Worte,  die  auf 
ihn  passen,  mit  den  Gegensätzen: 

Würde         )    ^^  i:»  i     . 

Luge,  redant 
Wissen         }       ,j,  ... 
,,„     .  ,    .,     I        rhdister. 
Tluitigkeit  J 

Am  ehrenvollsten,  aber  auch  am  anstrengendsten  für  Goetlie  war  die 
Anwesenheit  des  Grossherzogs  von  Weimar,  die  wir,  weil  sie  eine  Unterbrechung 
der  gewöhnlichen  Lebensweise  herbeiführte,  in  anderem  Zusammenhange  be- 
handeln werden. 

Wir  gehen  zu  Frankfurter  Freunden,  die  sich  im  Jahre  1814  einfanden, 
über.  Zuerst  ist  der  Geheimerat  Johann  Jakob  v.  Willem  er  zu  verzeichnen 
und  Dlle.  Jung.  Über  das  Verhältnis  beider  zu  einander  und  zu  Goethe  handelt 
Th.  Creizenach,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Marianne  v.  Willemer. 
Zweite  Auflage.  Stuttgart,  1878.  Willemer  hatte  Marie  Anna  Jung  als  sech- 
zehnjähriges Mädchen  in  sein  Haus  aufgenommen  und  mit  seinen  Töchtern 
weiter  ausbilden  lassen;  nachdem  er  zum  zweitenmale  Witwer  geworden  war, 
führte  er  sie  am  27.  September  1814  des  Wohlanstauds  wegen  und  aus  Neigung 
mit  Zustimmuug  der  Töchter  und  Schwiegersöhne  als  dritte  Gemahlin  zum  Altar. 
Mit  Goethe  war  er  schon  lange  Zeit  bekannt;  am  4.  August  1814  führte  er 
die  Verlobte  zum  erstenmale  zu  ihm;  der  baldige  Verkehr  im  Willemerischen 
Hause  nach  der  Kur  zeitigte  manche  schöne  Frucht  an  und  von  dieser  seiner  Suleika. 
Mit  Goethe  teilte  er  das  Interesse  für  das  Theater  und  war  einige  Jahre  Mit- 
glied der  Oberdirektion  des  Frankfurter  Nationaltheaters  gewesen;  doch  da  er 
sich  mit  den  neuen  Direktoren  nicht  vertragen  konnte,  war  er  zurückgetreten, 
ohne  seine  Beteiligung  an  Thcaterangelegenheiten  aufzugeben.  So  hatte  er 
kürzlich  wieder  eine  Schrift  gegen  die  Theaterdirektoren  ausgehen  lassen,  die 
er  am  7.  August  Goethe  zusandte:  „An  die  Theater- Aktionäre  zu  Frankfurt  a.  M. 
Eine  Streitschrift.     Frankfurt  a.  M.   1814." 

Auch  im  Jahre  1815  besuchte  Willemer  den  Dichter  zu  Wiesbaden;  am 
3.  Juli  speiste  er  mit  ihm  im  Kursaal,  verfehlte  ihn  aber  am  21„  an  welchem 
Tage  Goethe  seine  Lahnreise  angetreten  hatte.  In  einem  Briefe  vom  7.  August 
.spricht  Goethe  sein  Bedauern  aus,  ihn  am  21.  Juli  „versäumt"  zu  haben  und 
kündigt  seine  Ankunft  zu  Frankfurt  auf  den   12.  August  an. 

Sein  Album  hatte  Goethe  bei  seiner  Abreise  1814  den  Frankfurter  Freunden 
zurückgelassen,  damit  auch  sie  ihre  Namen  eintrügen.  Willemer  that  dies  am 
'J.  Dezember  1814  und  setzte  folgende  Zeilen  dazu:^'^) 

„Der  Wein  begeistert  den  Verstand, 
Die  Liebe  das  Herz, 
Goethe  beide; 

Lasst  uns  trinken,  lieben,  Goethes 
Werke  lesen  und  iiin  kennen. 
Frankfurt  a.  M.  d.  i).  Dec.   1814.  Willcnier." 


112 


'■j  S.  Vuljjius  in  (ba-  deutschen  Revue  a.  a.  O, 


89 


Marianne  schrieb  am   11.  Oktober   1811: 


,,Zu  den  Kleinen  ziilil  icli  mieli, 

Ijiolio  Klcitio  nennst  Du  inicli; 

Willst  Du  immer  mich  so  heisson, 

Werd  ich  stets  mich  glücklich  preisen, 

Bleibe  gern  mein  Lehen  lang 

Tiang  wie  breit  und  l)reit  wie  lang."-'') 

Als  den  Grössten  kennt  man  Dich, 

Als  den  Besten  ehrt  man  Dich, 

Sieht  man  Dich,  muss  man  Dich  licltcn, 

Wärst  Du  nur  bei  uns  geblieben; 

Ohne  Dich  scheint  uns  die  Zeit 

Breit  wie  lang  und  lang  wie  breit. 

Ins  Gedäclitnis  prägt'  icli   Dicli, 

In  dem  Herzen  trag  ich  Dich, 

Nun  möcht'  ich  der  Gnade  Gaben 

Auch  noch  gern  im  Stammbuch  haben;"*) 

Wär's  auch  nur  den  alten  Sang: 

Lang  wie  breit  und  breit  wie  lang. 

Doch  in  Demuth  schweige  ich, 

Des  Gedichts  erbarme  Dich; 

Geh',  0  Herr,  nicht  ins  Gerichte 

Mit  dem  ungereimten  "Wichte;"^) 

Find  es  aus  Barmherzigkeit 

Breit  wie  lang  und  lang  wie  breit.'* 

Sonntag  den  7.  August  1814  heisst  es  im  Tagebuch:  „Brentano, 
Quaita^'*^),  Frauen,  Mad.  Holweg."  Wen  wir  unter  den  beiden  ersten  Frauen 
zu  verstehen  haben,  darüber  belehrt  uns  ebenfalls  das  Stammbuch,  in  welciies 
auch  sie  ihre  Namen  eintrugen:  Antonia  Brentano,  Gemahlin  des  Franz 
Brentano,  geb.  Edle  von  Birkenstock,  über  die  wir  bei  Gelegenheit  von  Goethes 
Besuch  in  Winkel  sprechen  werden,  und  Meline  (Marie  Magdalene)  v.  Guaita- 
Brentano,  Tochter  des  Peter  Anton  Brentano,  des  Vaters  von  Franz,  und 
der  Maxe  Brentano,  geb.  La  Roche,  vermählt  im  Jahre  1809  mit  Georg 
Friedrich  v.  Guaita.     Deren  Gemahl  verewigte  sich  durch  folgende  Zeilen: 


*'^)  Zur  Erklärung  dieser  wiederkehrenden  Zeile  bemerkt  C  reize  nach,  S.  38:  .,  Breit 
wie  lang,  lang  wie  breit"  war  ein  Lieblingsausdruck  des  Dichters;  er  kommt  schon  in  den 
siebziger  Jahren  vor,  in  einer  später  ausgeschiedenen  Scenc  des  Jahrmarkts  zu  l'lundcrswcilern, 
aber  auch  ein  Epigramm  aus  dem  Jahre  1815  ist  überschrieben  „Breit  wie  lang",  in  der 
Scene  des  Jahrmarkts  spricht  der  persische  Minister  Hamaii: 

Religion  Empfindsamkeit, 

s'ist  ein  Dreck,  ist  lang  wie  t)reit." 
Der  Anfang  der  Strophe  „Zu  den  Kleinen   zähl   ich   mich''    ist  wohl    eine   .\nspiching   an    den 
Eintrag  der  Kinder  zu  Winkel;  s.  unten.  —   '")  Creizenach  gibt  diese  zwei  Zeilen  also: 

nur  möcht  ich  von  Gnadengaben 

Dich  noch  gern  im  Stammbuch  haben. 
"=)  Creizenach:    „Mit  dem  armseligen  Wichte".     Wir    iiaben    die  Fassung    und    mich 
Schreibung   des    Stammbuchs    beil)ehnUen    zu    sollen    geglaubt.    —    "*i    Goethe   schrcil.t    mci-t 
Quajta  statt  Guaita, 


90 

, Belieben  Sie  sicli  l>ey    ilem  Namon 
des  unterzeiolineten  eines  Ihrer 
aufrichtigsten  Verehrer  zu  criinuTn. 

Frankfurt  d.  iM.  October   1S14.  Fr.  v.  Guaita  Brentano.'* 

und  dariiuter  Meline: 

^Aucli  ich  möchte  nicht  von 
Ihnen  vergessen  werden. 

Meline  v.  Guaita  Brentano." 

Die  dritte  —  Mad.  Holweg  —  war  Susanne,  Witwe  des  Johann  Jakob 
llolweg  (t  1808),  geb.  v.  Bethniann,  die  Mutter  des  gelehrten  Staatsmannes 
V.  Bethmann-IIolweg  (geb.   1795). 

Es  folgte  am  8.  August  Hr.  v.  Neufville,  der  Sohn  des  oranion-nassauischen 
Geheimenrates  Robert  v.  Neufville  und  der  Walberta  Elisabotha  Passavant  "^), 
Johann  Anton.  Friedrich  Wilhelm  Robert,  oranien-nassauischer  Oberforstmeister, 
t  zu  Bonn  1819.  In  dem  Hause  der  Frau  v.  Neufville  zu  Frankfurt  waren, 
wie  Goethe  rühmt,  vorzügliche  Gemälde.  Auch  der  alte  Jugendfreund  Johann 
Jakob  Riese,  Kastenschreiber  zu  Frankfurt,  fehlte  nicht  (10.  und  11.  August); 
ihm  verehrte  Goethe  damals  ein  Exemplar  von  „Hermann  und  Dorothea""^); 
er  muss  viele  Exemplare  dieses  ihm  selbst  so  lieben  Gedichtes  mitgeführt  haben; 
denn  wie  wir  sehen  werden,  erfreute  er  gern  gerade  mit  ihm  auch  andere 
Leute  auf  dieser  Reise. 

Mit  dem  Geheimenrat  Johann  Isaak  v.  Gerning^^^),  dem  Sänger  des 
Taunus  und  eifrigen  Sammler  von  Antiquitäten  und  Kunstwerken  (1767— 1837), 
stand  Goethe  schon  seit  zwanzig  Jahren  in  Beziehung;  ihn  sah  er  am  12.,  13. 
und  18.  August  zu  Wiesbaden,  am  17.  zu  Schierstein.  In  das  Stammbuch 
schrieb  Gerning  am  13.  Oktober  1814  folgendes  Distichon: 

„Taunus,  gedankt  sei  Dir  und  Deinen  verjüngenden  Quellen, 
Dass  wir  jegliches  Jahr  wieder  den  Einzigen  sehn. 

Zur  Erinnerung  an  frohe  Wiederkehr 
von  Ihrem 
dankbaren  Freund  und  Verehrer 
Frankfurt  13.  Oktober  1814.  Gerning." 

und  erhielt  von  Goethe  eine  Grabstichelarbeit  in  Aquatinta'"^),  die  ihm  Willemers 
Tochter  Rosette,  vermählte  Stadel,  an  seinem  Geburtstage  im  Jahre  1815  in 
mehreren  Exemplaren  gegeben  hatte;  sie  stellte  Frankfurt  dar  mit  seinem  „un- 
geschickten Pfarrturm"  und  der  alten  Brücke,  ungefäiir  wie  es  sich  von  der 
Gerbermühle  aus  ausnimmt.     Darunter  war  diese  Widmung: 

„Fluss  und  Ufer,  Land  und  Hölien 

Rühmen  seit  geraumer  Zeit 

So  dein  Kommen,  so  dein  Gehen, 

Zeugen  deiner  Thätigkeit. 
Weimar,  den  5.  Mai  1816.  Goethe." 


'")  Gothaischer  Taschenkalender  von  1856,  8.425.  —  "^  Creizenacli,  u.  a.  O.  S.  33. 
—  "')  Eine  Lcbensl)cschreibung  von  ilini  gibt  K.  Schwartz  in  den  Annalen  des  naKsauischen 
Vereins  für  Altertumskunde  XI,  S.  109  if.,  der  ihn  auch  gegen  die  Angriffe  von  Düntzcr  wegen 
Aufdringlichkeit  in  seinen  Beziehungen  zu  den  Weimarern  in  Schutz  nimmt  (S.  179  ff.)  und 
seine  Schriften  verzeichnet.  —   '-";  Crcizenach,  S.  81. 


Der  13.  August  führte  ciucn  Herrn  v.  Mahipcrt  zu  (ioetlie,  vielloiclit 
den  Friedrich  Philipp  Wilhchn  v.  Malapcrt  gen.  Neufville,  Schütien  und  Syn- 
dikus (1784 — 1852).  VüD  dem  Herru  v.  Günderrude  ist  üben  S.  85  die  lieile 
gewesen. 

Am  nächsten  von  den  Frankfurter  Freunden  standen  Goethe  die  Hrü(h'r 
Fritz  und  Christian  Schlosser,  Söhne  von  llieronymus  Peter  Schhjssor 
(f  1797),  einem  Bruder  von  Goethes  Schwager  Johann  Georg  Schhisser;  be- 
sonders eng  war  das  Verhältnis  zu  dem  älteren,  Fritz  (1780  -1852).  Ob^Mcich 
Keclitsgelehrter  und  Dr.  juris,  hatte  dieser  im  Jahre  1812  die  Stelle  eines  Obcir- 
schul-  und  Studienrates  sowie  Direktors  des  neugogründeten  Lyccums  zu  Frankfurt, 
wenn  aucli  nur  für  kurze  Zeit,  übernommen  und  behielt  dav<Mi  den  Titel  Itat 
und  Direktor,  ein  treuer  Freund  und  inniger  Verehrer  Goethes,  und  er  wurcb- 
darin  nicht  beirrt  durch  die  Verschiedenheit  der  religiösen  Ansicliten;  denn  am 
21.  Dezember  1814  trat  er  zu  Wien  mit  seiner  Frau,  dem  Vorgang  des  jüngeren 
Bruders  folgend,  zur  katholischen  Kirche  über;  das  Freundschaftsverhältnis 
blieb  von  beiden  Seiten  davon  unberührt,  gerade  so  wie  das  verschiedene  Be- 
kenntnis von  Sulpiz  Boisseree  nicht  hinderte,  dass  Goethe  mit  ihm  in  den 
innigsten  Verkehr  trat,  aber  auch  dieser  den  Altmeister  zu  verehren  lernte  und 
nicht  aufhörte  ihn  zu  verehren.  Eine  pietätsvolle  Darstellung  von  Fritz  Schlossers 
Lebensgang  und  sein  Verhältnis  zu  Goethe  hat  auf  Grund  von  den  Briefen 
Goethes  an  Schlosser  Julius  Frese  entworfen  in  dem  Werke  „Goethe-Briefe 
aus  Fritz  Schlossers  Nachlass.  Stuttgart,  1877",  auf  welches  wir  uns  schon 
m.ehrfach  bezogen  haben.  Schlosser  sammelte  u.  a.  eine  reichhaltige,  zicmlicli 
vollständige  Goethe-Bibliothek,  die  später  laut  testamentarischer  Verfügung  an 
das  katholische  Seminar  zu  Mainz  übergegangen  ist;  er  war  eifrig  bestrebt  zu 
„Dichtung  und  Wahrheit"  Material  zusammenzubringen  und  alles,  was  an  den 
teuren  Freund  erinnerte,  zu  erhalten.  Einen  äusseren  Halt  hatte  das  Verhältnis 
dadurch  gewonnen,  dass  Schlosser  nach  dem  Tode  der  Frau  Rat  Goethe  auf 
Wunsch  des  Sohnes  die  Verwaltung  von  dessen  Frankfurter  Vermögensteilen 
übernahm;  so  verknüpften  geschäftliche  und  freundschaftliche  Bande  die  beiden 
immer  fester. 

Was  nun  den  Verkehr  beider  im  Jahre  1814  während  der  Kur  angeiit, 
so  beschränkte  er  sich  auf  den  Besuch  Goethes  auf  seiner  Durchreise  durch 
Frankfurt  (oben  8.  70)  und  auf  mehrere  Briefe  meist  geschäftlichen  Inhalts. 
Am  1.  August  meldet  Goethe  seine  Ankunft  und  Wohnung  zu  Wiesbaden,  am 
7.  dankt  er  für  eine  erhaltene  Sendung,  am  20.  bittet  er  eine  für  ihn  ein- 
gegangene Sendung  ihm  zuzuschicken,  am  81.  dankt  er  für  die  schönen  Gaben, 
die  zu  seinem  Geburtstage  angekommen  waren,  am  0.  September  kündigt  er 
seine  demnächstige  Ankunft  an;  über  die  Geldsendungen,  die  Goethe  durch  ihn 
erhielt,  s.  weiter  unten.  Die  Briefe  Schlossers  sind,  wie  es  scheint,  nicht  er- 
halten, wenigstens  nicht  veröffentlicht;  derselbe  hatte  nach  Goethes  Tod  sie 
sich  wieder  zu  verschaffen  gesucht. 

Konnte  auch  Fritz  Schlosser  während  des  Augustmonats  zu  Wiesbaden 
nicht  erscheinen,  so  that  es  doch  Christian  Schlosser.  Das  Tagebuch  verzeichnet 
folgendes:   „25.  August.  War  Schlosser  angekommen.    -     2»3.  (Abend;  Schlosser 


02 

und  Zelter.  Mit  jenem  allein.  —  27.  Mit  Zelter  und  Schlosser  auf  dem  Geis- 
berg. —  28.  Abends  Zelter,  Schlosser,  Luck.  —  30.  (nach  dem  Bad)  Schlosser. 
Legenden.  —  31.  Zelter  und  Schlosser  gingen  ab"  (in  der  Frühe  nach  Winkel, 
wo  Goethe  sie  am  folgenden  Tage  wieder  antraf).  Von  dem  Besuche  schreibt 
Goethe  an  Fritz  in  dem  Briefe  vom  31.  August,  dass  er  ihm  viele  Freude 
bereitet  habe;  denn  er  sei  ihm  (Christian)  um  gar  vieles  uäher  gekommen. 
Auf  seiner  demnächst  erfolgenden  Reise  nach  Heidelberg  erbat  er  sich  sogar 
die  Begleitung  desselben. 

In  das  Stammbuch  trugen  die  beiden  Brüder  folgende  Zeilen  ein: 

1.  Fritz  Schlosser: 

, Schnell  eilen  die  Tage  vorüber,   in  welchen 
Sie,  geliebtester  Mann,  uns  mit  Ihrer  freund- 
lichen und  erhellenden  Nähe  beglückten.    Nie 
aber  wird  Ihr  theures  Bild  und  das  Anden- 
ken dieser  köstlichen  Tage  in  unsern  Her- 
zen erlöschen.     Und  so  möge  auch  Ihre  Güte 
der  dankbaren  Liebe  und  Verehrung,  womit 
wir  gegen  Sie  erfüllt  sind,  zuweilen  eine 
freundliche  Erinnerung  schenken. 
Frankfurt  den  20.  September  1S14.  J.  F.  II.  Schlosser." 

Beigefügt  haben  ihre  Namen  Schlossers  Gemahlin  Sophie  (geb.  Dufay)  und 
seine  Schwester  Susanne. 

2.  Christian  Schlosser: 

„Auf  Gnade 
Sey  es  gethan!  — 

Möchten  Sie  immerfort 
uns  Ihre  Güte  bewahren,  und  wir 
dieser  grossen  Güte  werth  werden. 
Frf.  2Üten  71)er  1814.  C.  F.  Schlosser." 

Wir  haben  des  Geburtstages  Goethes  schon  gedacht;  auf  ihn  müssen  wir 
noch  einmal  zurückkommen.  Ausser  Schlosser  hatten  auch  andere  wie  Fr.  Bren- 
tano Geschenke  eingesandt;  eine  besondere  Feier  aber  veranstaltete  eine  zu 
Wiesbaden  anwesende  Verehrerin  des  Dichters  trotz  Zelters  Gegenbemühungen 
(s.  S.  80);  dies  war  die  Gemahlin  des  Freiherrn  Johann  Justinian  Georg 
V.  Holzhausen  (1771  — 1846),  Karoline  Friederike  Luise  von  Holzhausen 
(1775 — 1840),  Tochter  des  nassauischen  Oberhofmeisters  v.  Ziegesar'-*),  und 
da  der  28.  August  auf  einen  Sonntag  fiel,  an  dem  Goethe  an  den  herzoglichen 
Hof  zu  Biebrich  geladen  war,  so  musste  der  Vormittag  zu  Hilfe  genommen 
werden.  Frau  v.  Holzhausen  war  mit  ihrem  etwa  zwanzigjährigen  Sohne  Karl, 
damals  Grenadierlieutenant  im  k.  k.  Regiment  Prinz  von  Hessen,  schon  im  Juli'") 
zur  Kur  in  Wiesbaden  angekommen,  wo  sie  in  dem  Badhause  zur  Rose  Wohnung 
nahmen.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  beide  auch  schon  bald  mit  Goethe 
in  Berührung  getreten  waren,  doch  erwähnt  er  ihrer  nur  am  28.  August,  wo 
es  heisst:   „Im  Cursaale  Dejeune  gegeben  von  Fr.  v.  Holzhausen",  und  vergisst 

'''•)  Gothaisches  Tasclienbuoh  1S.Ö6,  S.  .'521,  1886,  1892.  IJrüiiner  Genealog.  Taschen- 
buch 1890,  8.  ö7y.  —  '";  So  besagt  die  Kurliste  vom  10.— 17.  Juli. 


93 

dabei  nicht  des  „Apollo,  Copie  des  lielvedori.sclion,  von  C.  P.  Cliinurd  1787" 
(ö.  Ö.  71)  zu  gedenken;  sicherlich  war  derselbe  u.  a.  Gegenstand  des  (le- 
sprächs  gewesen.  Auch  diese  beiden,  Mutter  und  Sohn,  schrieben  sich  in  das 
Stammbuch  ein,  die  Frau  v.  Holzhausen  mit  folgenden  Bogleitworten: 

„Das  Glück,  Sie  zu  sehen,  verdanke 
ich  dem  Himmel,   Ilincn  den  (ienuss: 
dass  der  Eindruck  Ilirer  hohen 
Würde  mit  der  lacngst  empfundenen 
tiefen  Verehrung  und  Liebe  unaus- 
löschlich in  mir  lebt. 

Wiesbaden  d.  30.  Aug.  1814.  Caroline  v.  Hol/hauscn 

geb.  V.  Ziegesar." 

Karl  von  Ilolzhauscn: 

„Welcher  Eindruck  auf  ein 
jugendliches  fiemüth  kann 
Wohl  stärker  und  bleibender  seyn, 
als  das  schon  längst  als  Ideal 
des  Reinen,  Weisen  und  Gruteu 
Aufgestellte  nun  in  Ihrer  so 
werthen  Person  so  schön  und 
edel  personificirt  zu  sehen! 
Gerade  der  Verein  einer 
erhabenen  Seele,  eines  so 
hell  erleuchteten  Geistes, 
mit  einem  liebevollen, 
mittheilenden,  sich  so  schön 
herablassenden  Aeusseren 
ist  das,  was  mein  Gemüth  so 
unaussprechlich  anreizt, 
festhält  und  zu  allem  stärkt. 

Wiesbaden  d.  1.  Septbr.  1814.  Carl  von  llul/.liauscii." 

Wir  fügen  sofort  die  Besuche  und  Briefe  von  Frankfurter  Freunden  im 
Jahre  1815  au  und  zwar  in  der  Form  des  Tagebuchs.  „Am  28.  Mai  [An| 
Fr.  V.  Brentano  Frauckf.  —  6.  Juni  Brentanos.  [Sie]  fuhren  [am  Abend]  ab. 

—  15.  Sendung  von  Fr.  Brentano.  —  1.  Juli.  Brentanos.  Mit  ihnen  im  Adler 
gegessen.  -  18.  [Brief  an]  Fr.  v.  Brentano  Francf.  —  25.  [Zwischen  Nassau 
und  Ems]  Unterwegs  Franz  Brentano.  —  6.  August  [An]  Frau  Brentano  Francf. 

—  9.  Hr.  u.  Fr.  Brentano.  Mittag  im  Adler  mit  Brentano.  Sie  reisten  ab." 
Mit  Brentano  war  Goethe  im  Herbste  1814  in  engere  Verbindung  getreten 
(s.  No.  9,4);  damals  hatte  er  unter  anderem  auch  die  Pauline  Serviere  schätzen 
lernen,  und  dadurch  wird  er  mit  deren  Familie  in  nähere  Beziehung  getreten 
sein.  Schon  in  seiner  Jugend  hatte  er  deren  frühere  Generation  gekannt  und 
erwähnt  der  Frau  Serviere,  „Gemahlin  eines  in  Frankfurt  lebenden  Kauf- 
mannes.'''^^)  Am  2.  Mai  1815  heisst  es  im  Tagebuch:  „Briefe  von  Willemor 
und    Serviere."    —    Am    4.:    [An]    „Dlle.    Serviere   nach    Frfurt.'-    —    Am   (i.: 


«")  „Dichtung  und  Wahrheit",  B.  13. 


94 


^Serviere  gefunden.«     Am  21.:    „Ilr.  Serviere."  u.  am  9.  August:   „Dlle.  Ser- 
viere"  wahrscheinlich  in  Gesellschaft  der  Frau  Brentano. 

Am  15.  Juni:  „Dr.  Neefe  von  Francf.",  ein  kenntnisreicher  Botaniker 
Frankfurts,  Professor  und  Arzt.^''*) 

Am  1.  Juli:  „Mad.  Crespel".  Witwe  des  humorvollen  Jugendfreundes 
Goethes  Johann  Bernhard  Crespel,  der  als  Archivar  zu  Laubach   1813  starb. i^-^) 

Am  3.:   „Mad.  Bansa",  mit  der  die  „Nonnenmühle"  besucht  wurde  (S.  76). 

Yom  7. — 14.  Juli  war  Fritz  Schlosser  zu  Wiesbaden  und  in  täglichem 
Verkehr  mit  Goethe.  Wir  lassen  auch  hier  das  Tagebuch  reden:  „7.  Juli. 
|Xach  Mittag]  Schlosser.  Mit  Schlosser  auf  dem  Geisberg.  —  8.  Spaziergang 
mit  Schi.  Mittag  Schlosser.  —  9.  Schlosser  weitumfassendes  Gespräch.  [Nach 
der  Rückkehr  von  Biebrich]  Schlosser  Fortsetzung  der  Unterhaltung.  —  10.  Spa- 
zieren mit  Schlosser.  Mittag  mit  Schlosser  zu  Hause.  —  11.  Mittag  mit  Schlosser 
Cursaal.  Nach  Tisch  spazieren.  Mit  Cr[amer]  und  Schi.  Geisberg.  —  12.  Mittag 
mit  Schlosser  Cursaal  —  13.  [Nach  dem  Bade]  Mit  Schlosser  zu  Hause.  Mit 
Seh.  auf  dem  Geisberg.  —  14.  Mittag  Cursaal  mit  Schi." 

Und  da  Schlosser  ihn  brieflich  eingeladen  hatte,  auf  seiner  Durchreise 
durch  Frankfurt  wie  früher  Wohnung  bei  ihm  zu  nehmen,  so  dankt  er  am 
8.  August,  indem  er  bemerkt,  er  liabe  schon  dem  Geh.  Rat  Willemer  zugesagt; 
denn  es  sei  billig,  dass  bei  wiederholter  Erscheinung  in  seiner  Vaterstadt  sich 
die  Wohlwollenden  in  die  Last  der  Einquartierung  teilten.  Und  so  stieg  er 
am   12.  September  in  der  Gerbermühle  ab. 

Endlich  trat  Sonntag  den  8.  August,  als  Boisseree  sich  bei  Goethe  befand, 
ein  weiterer  Jugendfreund  ein,  der  Forstschreiber  Kehr,  wie  er  in  der  Kur- 
liste eingetragen  ist,  von  dem  Boisseree  folgende  Beschreibung  macht^-"^):  ,ein 
altes  Männchen  in  grünem  Rock  und  grünseidener  Weste  mit  schwarzge- 
schnittenem Sammt,  Forstmeister  von  Frankfurt,  ein  alter  Schulkamerad  von 
ihm.  Er  (Goethe)  war  unendlich  freundlich  gegen  ihn,  Hess  ihm  zu  Trinken 
bringen;  nach  einigen  lustigen  Reden  und  Fragen  über  andere  alte,  bekannte 
Schulkameraden  kam  Gramer,  und  nun  ging  das  Gespräch  mit  diesem  und  mir 
fort;  das  alte  Männchen  blieb  immer  ruhig  sitzen,  lange,  lange  Zeit,  und  trank 
sein  Gläschen,  und  wir  nahmen  immer  Rücksicht  auf  ihn,  ohne  uns  weiter  um 
ihn  zu  bekümmern.  Seltsam  war  es,  dass  Goethe  weder  Gramer  noch  mir, 
als  wir  verschiedentlich  fragten,  wer  der  Mann  sey?  den  Namen  nicht  nannte, 
sondern  jedesmal  freundlich  sagte:  „Es  ist  ein  alter  Schulkamerad  von  mir,  der 
kömmt  alle  Jalirc  nach  Wiesbaden  und  ist  schon  74  Jahre  alt."  Der  Dichter 
muss  den  alten  Freund  und  Kameraden  lieb  gehabt  haben,  der  so  weit  hinter 
ihm  zurückgeblieben  war,  wie  er  ja  die  Frankfurter  Freunde  und  Erinnerungen 
hoch  hielt.  Kehr  erwähnt  er  in  einem  Briefe  vom  30.  Oktober  17(35,  in  dem 
er  als  Leipziger  Student    die  Mädchen  seiner  Stadt   und  Kehren  grüssen  lässt. 


'-^)  Kunstschätze  u.  6.  w.  in  Frankfurt.  Nach  der  Bclli-Gontard,  Leben  in  Frank- 
furt IX,  141,  X,  11  hiess  er  Christian  Ernst  Neef.  —  '";  v.  Loeper,  a.  a.  O.  Register.  — 
•-«;  Sulp.  Boisseree  I,  2ül. 


95 

Wir  gehen  nunmehr  zu  den  licöuclien  von  Nicht-Frankfurtern  wäliroud 
der  Kur  von  1815  über  und  bedauern  hierbei  nur  mehrfach  die  l'ersJlidiclikfMten 
und  ihre  Beziehungen  zu  Goethe  nicht  sicher  featsteilcn  zu  können. 

27.  Mai:  „NB.  Le  Bault  des  Nantes,  Preus.  (sie)  Ingenieur  de  IMace" 
ist  Claude  Franrois  Le  Bauld  de  Naus,  Stabskapitän  im  Ingeniourkorps  «oit 
1806;  er  wurde  1828  Inspekteur  der  zweiten  Ingenieur-Inspektion  und  18;{2 
als  Generalmajor  pensioniert. ^2") 

4.  Juni:  „Maj.  von  Roth."  In  der  Kurliste  ist  in  der  Woche  vom 
28.  Mai  bis  4.  Juni  eingetragen  „Hr.  v.  Roth  mit  Gemahlin,  Major  von  Frank- 
furt" (Badhaus  zur  Rose),  vom  9.  bis  23.  Juli  in  der  Fremdenliste  ((Jasthaus 
zur  Stadt  Darmstadt)  „Hr.  v.  Rod,  Platzmajor  von  Frankfurt."  Vielleicht  sind 
beide  Personen  identisch;  ein  sächsicher  Major  Johann  Heinrich  August  v.  Roth 
war  im  Jahre   1815  zum  Kriege  ausgerückt. ^^**) 

4.  Juni:    „Reuss";  es  ist  zweifelhaft,  wer  mit  diesem  Namen  gemeint  ist. 

18.  Juni:  „v.  Natzmer"  traf  Goethe,  wie  es  scheint,  zu  Biebrich  an  der 
Tafel  des  Herzogs.  In  Mainz  stand  damals  ein  Oberst  v.  Natzmer,  der  in  der 
Kurliste  von  Wiesbaden  zweimal  vorkommt,  in  der  Woche  vom  1. — 7.  Mai 
und  vom  9. — 16.  Juli,  wohl  derselbe  (Wilhelm)  v.  Natzmer,  der  1816  als 
Kommandeur  des  20.  Infanterie-Regiments  zu  Trier  stand^^");  schwerlich  dürfen 
wir  an  den  bald  darauf  zum  General  ernannten  Oberst  Oldwig  v.  Natzmer"") 
denken,  der  eben  als  Brigade-Kommandeur  der  Grenadierbrigade  der  Garde 
auf  dem  Wege  zu  Blüchers  Armee  w^ar  und  am  22.  Juli  in  Paris  einrückte; 
am  18.  konnte  er  nicht  wohl  zu  AViesbaden  sein,  da  er  an  diesem  Tage  noch 
nicht  zu  Homburg,  wohin  er  später  kam,  eingetroffen  war,  nachdem  er  am  15. 
einen  Brief  von  Gotha  aus  geschrieben  hatte. 

30.  Juni:   „v.  Natzmer,  neugriechische  Lieder."     Darüber  s.  No.   11. 

20.  Juni:  „Hr.  v.  .  .  .  von  Wetzlar",  vielleicht  ein  Herr  v.  Ilötzendorf 
aus  Wetzlar,    der  in    der  Kurliste    vom    11.— 18.    Juni    (Badhaus    zum    Bären) 

verzeichnet  ist. 

30.  Juni:    „Preuss.  Garde  einquartiert.     Graf  He n ekel  von  der  Garde.'' 

S.  oben  S.  81  ff". 

4._7.  Juli:  „Major  v.  Haxthausen"  wogender  neugriechischen  Volks- 
lieder (s.  unten  No.   11). 

4.  Juli:  Metzler.  Mad.  Soeligmanu  und  Tochter."  In  der  Kurlistc 
vom  25.  Juni  bis  2.  Juli  ist  Geheimerat  Metzler  aus  Off"enbach,  vom  2.-9.  Juli 
Mad.  Seelig  mit  Bedienung  aus  Hofheim  verzeichnet. 

9.  Juli:  „Mittag  Bieberich  mit  Ly uckers. "  Kurliste  vom  2.-9.  Juli: 
„Hr.  v.  Linker  mit  Fr.  Gemahlin,  Familie  und  Bedienung,  grossherz.  Sachsen- 
weimarischer  Kammerherr  und  Oberforstmeister  aus  Weimar"  (Schützenhof). 
Auch  am  20.:  „Fr.  v.  Lyuker  und  Tochter." 


1")  Scliöning,  Die  Generale  u.  s.  w.,  S.  303.  -  '-")  N.  Nekrolog  VII,  <i(iO.  - 
>=»)  Hassel,  Staats-  und  Adrcss-Handbucl.  der  Teuts.-Iicn  Bundcs-Staaten  für  dns  Jal.r  isi«, 
S.  353.  -  '=«')  Gneomor  Ernst  v.  .Natzmer,  Aus  dem  Leben  des  Generals  Oldwig  v.  >aU- 
raer,  I.  1876,  S.  195  u.  196. 


90 

16.  Juli:  „V.  Hügel"  zu  Biebrieh.  19.  Juli  auf  dem  Johannisbcrg  und 
vom  1.  August  au  zu  Wiesbaden.  Der  Freiherr  Johann  Aloys  Joseph  v.  Hügel 
war  ausserordentlicher  Gesandter  und  bevollmächtigter  Minister  des  Kaisers 
von  Österreich  auch  am  nassauischeu  Hofe  und  wohnte  zu  Frankfurt.  Er  hatte 
am  10.  Juli  Goethe  die  Zeitungsnachricht  überbracht  (s.  unten  bei  dem  Aus- 
tlug  auf  dem  Johannisbcrg),  dass  der  Kaiser  ihm  das  Kommandeurkreuz  des 
Leopoldordens  vorliehen  habe,  und  überreichte  am  1.  August  bei  der  Mittags- 
tafel im  Kursaal  Goethe  zum  Nachtisch  den  Orden  mit  einem  Begleitschreiben 
des  Fürsten  Metternich,  d.  d.  Paris  den  16.  Juli.'")  In  demselben  betont  der 
Fürst,  S.  ^laj.  der  Kaiser  habe  aus  Höchsteigener  Bewegung'^'^),  unter  dem 
Drange  der  Geschäfte  und  unter  der  unausgesetzten  Sorge  für  das  Glück 
seiner  Unterthanen  in  seinem  Feldlager  [zu  Speyer  am  28.  Juni]  ihm  diese 
Auszeichnung  zu  beschliessen  geruht  als  eine  ehrenvolle  Anerkennung  seiner 
ausgezeichneten  Verdienste  um  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur.  Es  galt 
nun  ein  Dankschreiben  an  den  Fürsten  abzufassen,  was  am  4.  August  geschah: 
„Concept,  dann  Muudum  des  Briefes"  an  den  Fürsten,  heisst  es  im  Tagebuch, 
nach  welchem  das  Schreiben  von  H.  v.  Hügel  weiter  befördert  wurde. 

S.August:  ,Consistorialrath  Horst."  Georg  Konrad  Horst,  1767 — 1832, 
ein  äusserst  fruchtbarer  theologischer  Schriftsteller  und  u.  a.  Verfasser  der 
Zauberbibliothek,  6  Bände,  1820—1826,  war  Pfarrer  zu  Lindheim  in  der  Wetterau 
und  erhielt  1809  den  Charakter  eines  hessischen  Kirchenrates  (nicht  Konsistorial- 
rates,  wie  Goethe  schreibt),  1823  eines  geistlichen  Geheimenrates'^'^);  er  über- 
reichte Goethe  seine  kleine  Schrift  „Über  das  h.  Abendmahl,  eine  dogmen- 
geschichtliche Untersuchung  nebst  Vorschlägen  zu  einer  Beseelung  dieses  In- 
stituts nach  den  Bedürfnissen  unserer  Zeit",  Giessen,  1815.^34)  i^  Anschluss 
an  dasselbe  unterhielt  sich  Goethe  am  folgenden  Tage  mit  Boisseree  über 
theologische  Gegenstände,  über  die  katholisch  gewordeneu  Protestanten,  wie 
Stolberg  u.  a.,  sowie  über  eine  auf  Mysticismus  hinaus  laufende  Richtung  der 
Protestanten.  —  In  der  Kurliste  ist  ein  Hofgerichtsrat  Horst  aus  Giessen  auf- 
geführt, ob  irrtümlich,  ist  zweifelhaft;  denn  es  gab  auch  einen  solchen  zu  Giessen. 

Während  Goethes  Abwesenheit  auf  der  Lahn-  und  Rheinreise  (21.  bis 
31.  Juli)  war  die  Grossfürstin  Katharina,  Witwe  des  Prinzen  Peter  von  Olden- 
burg und  Schwester  des  Kaisers  Alexander  von  Russland,  und  der  Grossherzog 
von  Oldenburg  zu  Wiesbaden  eingetroffen;  sie  waren  nach  der  Kurliste  in  dem 
Lang-Geyer'schen  Hause  abgestiegen.  Die  Grossfürstin  war  bekanntlich  eine 
feingebildete,  geistreiche  Frau,  damals  etwa  28  Jahre  alt;  man  sagte  von  ihr, 
sie  vereinige  die  Eigenschaften  von  Peter  dem  Grossen,  Katharina  H.  und 
Alexander;  sie  wurde  später,  im  Jahre  1816,  die  Gemahlin  des  Kronprinzen 
Wilhelm  von  Würtemberg,  der  bald  nach  der  Vermählung  seinem  Vater  als 
König  folgte.  Als  Schwester  des  Kaisers  Alexander  wurde  sie  in  Wiesbaden 
hochgefeiert;  am  30.  Juli  veranstaltete  man  ihr  zu  Ehren  eine  für  die  damaligen 


•")  Mitgeteilt  im  Goetlie-Jalirb.  XIII,  2:i9.  —  "')  Dazu  vgl.  den  Brief  des  Grossherzogs 
uuter  No.  9,  7.  —  '"^  Scriba,  Lexikon  hessischer  Schriftsteller  I,  151.  II,  Mi.  —  ^•*')  Bei 
Boissen'ie  I,  2.">S  ist  der  Name  des  Verfassers  nicht  genannt,  aber  diircli  das  Buch  deutlich 
bezeiclinet. 


97 

VerhäUuisse  grossartige  Illumination  des  „Kurgesollscliaftshauses"  von  0000 
Lämpclieu;  der  grosse  Saal  war  mit  vielen  Waclislichtern  erleuchtet,  ein 
Transparent  zeigte  den  hellerstrahlenden  Anfangsbuchstalien  ihres  Namens,  ein 
grosses  C.  Sie  hatte  kaum  von  Goethes  Ankunft  gehört,  als  sie  ihn  zur  Tafi'l 
lud,  am  2.  August;  dazu  bemerkt  das  Tagebuch:  „Hoheit  abgesagt.*  Doch 
er  entging  seinem  Schicksal  nicht;  nach  einem  verfehlten  Besuch  am  4.  crfulgte 
eine  zweite  Einladung  auf  den  5.  August,  der  er  sich  nicht  mehr  entziehen 
konnte,  doch  klagte  er  Boisseree  gegenüber,  dass  er  zu  ihr  sollte;  „sie  haben 
nichts  von  mir,  und  ich  nichts  von  ihnen,  den  Herrschaften.  Ich,  fährt  jener 
fort,  vergleiche  die  fürstlichen  Personen  und  die  vornehme  Welt  mit  Gewäsaer, 
welches  um  uns  herum  anschwillt,  ein  Strom,  ein  See  werden  kann,  worauf 
man  schift't  und  segelt,  sich  aber  auch  wieder  verlaufen  kann.  Man  nmss  ihm 
nicht  trauen,  ist  und  bleibt  Wasser."  Darauf  antwortet  Goethe:  „Nun,  zu 
hypochondrisch  muss  man  sie  nicht  nehmen,  aber  so  als  Naturkräfte." '^^)  Am 
8.  August  machte  er  „der  Herzogin  v.  Oldenburg  K.  Hoheit"   nochmals  Besuch. 

4.  August:  „V.  Burgsdorf",  Hofrat  aus  Dresden.  Derselbe  war  am 
1.  August  mit  Boisseree  in  Schwalbach  zusammengetroffen  und  hatte  ihm  u.  a. 
von  Tieck  erzählt,  am  2.  ihn   „halbwegs"   nach  Wiesbaden  zu  begleitet."*') 

Am  8.  August  ist  der  Besuch  einer  „Dame  von  Johannisberg  pp."  an- 
gemerkt. 

Am  10.  August  erschien,  was  das  Tagebuch  nicht  sagt,  aber  Boisseree 
berichtet"^),  der  preussische  Regierungsrat  Wilhelm  Butte  von  Köln;  er  war 
Professor  der  Staatswissenschaften  zu  Landshut  gewesen,  dann  aus  der  akade- 
mischen Laufbahn  ausgeschieden  und  von  der  preussischen  Regierung  ange- 
nommen worden,  ein  fruchtbarer  Schriftsteller  auf  seinem  Gebiete  und  zugleich 
auf  dem  der  politischen  Tagesfragen.  Nach  Wiesbaden  war  er  vielleicht  ge- 
kommen, um  mit  dem  Buchhändler  L.  Schellenberg  über  sein  neuestes  W^erk 
zu  verhandeln,  welches  bei  diesem  erschien  unter  dem  Titel:  „Die  unerlässlichen 
Bedingungen  des  Friedens  mit  Frankreich,  eine  freimüthige  prüfende  Darstellung 
der  öffentlichen  Meinung;  hierzu  einige  Bemerkungen  über  das  Misslingen  der 
teutschen  Bundesakte.  Wiesbaden,  1815."  Goethe  legte  er  ein  älteres  Werk 
vor,  das  er  in  deutscher  und  französischer  Sprache  veröffentlicht  hatte:  „Grund- 
linien der  Arithmetik  des  menschlichen  Lebens  nebst  Winken  für  deren  An- 
wendung auf  Geographie,  Staats-  und  Naturwissenschaft.  Nebst  IX  Tabellen. 
Landshut,  1811.  XXXIV  und  420  S."  Die  französische  Ausgabe  erschien 
zu  Paris  1812;  eine  Ergänzung  bildete  die  „grosse  Karte  der  beiden  Hemi- 
sphären" nebst  kurzer  Erklärung  1812,  ebenfalls  in  den  zwei  Sprachen  verfasst. 
Der  unstreitig  geistreiche  Verfasser  will  nicht  nur  das  menschliche  Leben  auf 
feste  arithmetische  Gesetze  zurückführen,  sondern  auch  andere  Gebiete  des 
Wissens  denselben  Gesetzen  unterwerfen;  auf  diesem  Wege  verwirrt  er  sich 
in  mathematische  Phantasien;  kein  Wunder,  dass  er  deshalb,  gerade  wie  bei 
frühereu  Werken  ähnlicher  Art  von  1808  und  1809,  so  auch  jetzt  ungünstige 
Beurteilungen    erfuhr;    sie    verdienten    nach    seiner  Meinung   aber    den    Namen 


135 


)  S.  Roisseiee  I,  258.  -   "'^)  Ebenda  ,S.  248.  -   "';  Kbeiulii  S.  200. 


98 

litterarischer  Injurien,  französische  Blätter  aber  hielten  ihn  zum  Besten. ^^*) 
Goethe  äussert  sich  so:  „Wenn  mau  einmal  ein  solches  Spiel  zugebe,  und  zu- 
geben müsse  man  es  doch,  so  sei  das  äusserst  scharfsinnig  und  hübsch";  .  . 
die  Durchführung  ins  Einzelne  gefiel  ihm  sehr,  nur  klagte  er,  dass  der  Manu 
etwas  Cynisches  habe;  dass  er  nicht  einmal  ein  reinliches  Manuskript  und 
Karten,  sondern  beides  beschmutzt  und  befleckt  bei  sich  führe.  Unter  dem 
Manuskript  ist  vielleicht  die  oben  genannte  politische  Schrift  zu  verstehen. 

Wir  stehen  bei  dem  letzten  Besuche,  der  für  Goethe  sehr  bedeutungsvoll 
und  offenbar  ihm  sehr  erwünscht  war,  dem  des  Sulpiz  Boisseree,  aus  dessen 
Aufzeichnungen  über  seine  Unterhaltungen  mit  Goethe  wir  schon  öfter  einzelne 
Äusserungen  von  diesem  angeführt  haben  und  weiterhin  anführen  werden.  Denn 
sie  erstrecken  sich  über  eine  lange  Reihe  von  Tagen  aucli  über  Wiesbaden 
hinaus  und  betreffen  die  mannigfaltigsten  Gegenstände,  die  beide  gerade  be- 
wegten oder  sich  ihnen  zufällig  darboten.  Wir  werden  hier  nur  einiges  lieran- 
ziehen. 

Es  hatte  lange  gedauert  und  grosser  Mühe  bedurft,  bis  Goethe^^^),  dessen 
Sinn  ganz  auf  das  Altertum  gerichtet  war,  dahin  umgestimmt  wurde,  dass  er 
auf  die  ganz  der  mittelalterlichen  Kunst  zugewandte  Richtung  Boisserees,  der  ein 
grosser  Bewunderer  und  Kenner  derselben  war,  einging  und  insbesondere  sich 
dazu  lierliess,  durch  lobende  Erwähnung  des  grossen  Domwerks  von  Boisseree'*") 
dessen  Veröffentlichung  zu  fördern.  Allmählich  schlug  das  Herz  unseres  Dichters 
für  die  Sache  und  Person  des  rheinischen  Kunstfreundes  wärmer,  das  Misstraueu 
gegen  den  Freund  von  Fr.  Schlegel  wich,  und  es  erwuchs  ein  Bund  herzlicher 
Freundschaft  zwischen  den  beiden  so  verschiedenen  Männern.  Im  Jahre  1814 
kam  es  erst  zu  einer  Begegnung  in  Frankfurt,  von  wo  aus  Boisseree  den  älteren 
Freund  nach  Ileidelberg  in  seine  und  seines  Bruders  Bertram  Gemäldesamm- 
lung geleitete;  denn  soweit  hatte  er  ihn  gewonnen,  dass  er  wiederholt  brieflich 
den  Wunsch  aussprach  die  Heidelberger  Schätze  bewundern,  sich  deren  erfreuen 
und  durch  sie  belehren  zu  können. '■*') 

Im  Jahre  1815  erfuhr  Boisseree  am  1.  August,  als  er  Goethe  zu  Wies- 
baden nicht  getroffen  hatte,  dann  nach  Schlangenbad  und  von  da  nach  Schwalbach 
gegangen  war,  im  dortigen  Posthause,  dass  Goethe  am  Tage  verlier  daselbst 
zu  Mittag  gegessen  hatte,  und  erhielt  am  Abend  einen  Brief  Goethes  vom  1., 
worin  er  bedauerte,  dass  Boisseree  ihn  zu  Wiesbaden  verfehlt  habe;  er  bittet 
ihn,  wäre  es  auch  nur  auf  eine  Viertelstunde,  zu  ihm  zu  kommen,  eine  Be- 
sprechung sei  höchst  nötig.*'*-)  So  erschien  dieser  denn  sofort  am  2.  August 
Mittags;  es  war  ein  fröhlicher,  herzlicher  Empfang,  wie  er  sagt.  Was  Goethe 
zunächst  beschäftigte,  war  das  Ersuchen  des  Ministers  v.  Stein,  mit  dem  er 
eben  die  Rheinreise  gemacht  hatte,  dass  er  an  Hardenberg  ein  Schriftstück 
über  die  Kunst    und    die  antiquarischen  Angelegenheiten    am   Rhein    verfassen 


'**)  Vorrede  zu  den  Grundlinien,  .S.  XIX.  Boisseree  a.  a.  0.  —  '^'''j  Düntzer,  Aus 
Goethes  Freundeskreisen  1868.  S.  Boisseree,  S.  286-342.  —  **°)  In  „Dichtung  und  Wahr- 
heit", 11.  9.  Bucli.  1«12.  —  "')  Briefe  an  Sulp  .Boissen'e  II,  40  vom  IH.  und  30.  August  von 
Wiesbaden  aus.    —    ^*'')  S.   Hoisseroe  II,  Oö.     Das  folgende  nach  B.  I,  249  ff. 


99 

sollte;  darüber  wolle  er  ihn  beraten.  Er  ging'  gleich  (hirunf  ein;  man  küniic 
das  Schriftstück  zugleich  an  Metternich  schicken,  dem  er  ulinchin  licn  iJuiik 
für  den  Orden  schuldig  sei;  Ilauptgrundsatz  solle  sein,  dass  die  Kunstwerki- 
und  Altertümer  viel  verbreitet  würden,  jede  Stadt  die  ihrigen  behalte  und 
wiederbekomme.  Vom  Domvverk  solle  gesprochen  werden,  von  Allem,  w.is 
einzelne  gethan  und  was  zu  erwarten  sei,  wenn  die  Unterstützung  der  Regierung 
zu  Jlilfe  komme.  Dann  kam  er  auf  die  Farbenlehre.  (Vw.  ihm  ja  besonders  am 
Herzen  lag;  sie  werde  jedenfalls  Anerkennung  finden  u.  s.  w.  Am  folgenden 
Tag  sprach  er  von  einer  neuen  Ausgabe  seiner  Werke,  der  italienischen  J{eise.  mit 
(leren  Darstellung  er  eben  beschäftigt  war,  dem  Di  van.  Später  klagt  er  üIxt 
die  Unredlichkeit  der  Schlegel  und  Tieck;  in  <len  höchsten  Dingen  versieren 
und  daneben  Absichten  haben  und  gemein  sein,  das  sei  schändlich.  Schiller  sei 
ein  ganz  anderer  gewesen,  der  letzte  Edelmann,  möchte  man  sagen,  unter  den 
deutscheu  Schriftstellern,  sans  täcbe  [irrtümlich  st.  tache]  et  sans  reproche. 

Am  Nachmittag  des  3.  August  spricht  er  den  Wunsch  aus  in  die  Gesell- 
schaft der  verrückten  Ilofräte  aufgenommen  zu  werden;  der  Spass  sei  allerliebst, 
aber  man  müsse  ihm  ein  gutes  ob,  d.  h.  eine  gute  Begründung  ins  Diplom 
ireben,  etwa  ob  varietatem  scientiarum.  Da  sein  Wunsch  bald  erfüllt  wurde 
wollen  wir  hier  einfügen,  wie  es  mit  dieser  Gesellschaft  stand. '•*^)  Etwa  im 
Jahre  1809  stifteten  in  Frankfurt  der  Arzt  Job.  Chr.  Ehrmaun  aus  Strassburg'^') 
(1749 — 1827)  und  der  Philologe  Prof.  Friedrich  Christian  Matthiae  (1703  bis 
1822)'^^),  zuletzt  Direktor  des  Gymnasiums  zu  Frankfurt,  aus  eigner  Macht- 
vollkommenheit den  Orden  der  verrückten  Hofräte;  der  Orden  legte  den  Mit- 
gliedern, die  sie  ernannten,  keinerlei  Verpflichtung  oder  Leistung  auf;  es  ge- 
nügte irgend  eine  zufällige,  unschuldige  Eigenschaft  oder  Beschäftigung,  eine 
Eigentümlichkeit  im  Thun  und  Treiben,  um  achtbare,  hochgestellte  Männer  der 
Mitgliedschaft  für  würdig  zu  erachten.  Namentlich  dem  Spürsinn  des  sonst 
sehr  ehrenhaften  und  geachteten  Ehrmann,  der  unter  rauhem  Äusseren  ein  treff- 
liches Herz  besass,  entging  nicht  leicht  die  schwache  Seite  eines  Ordenskandi- 
daten. Die  Diplome  wurden  stets  unter  dem  1.  April  ausgestellt,  mit  grossem 
Oblatensiegel  versehen  und  mit  dem  Namen  Timauder'-*'')  unterzeichnet.  Der 
Grund  der  Ernennung  wurde  in  kurzen  treffenden  Worten  mit  ob  .  .  angegeben, 
z.  B.  bei  dem  Heidelberger  Creuzer  mit  ob  pocula  mystica,  bei  Jean  Paul  ob 
iram  et  studium,  bei  Boisseree  mit  ob  architectonice  mensuratam  in  crepusculo 
turrim  Cathedralis  Argeutinensis.  Goethe  erhielt  —  denn  nicht  viel  später  erfolgte 
seine  Aufnahme  —  „Kai.  Apr.  MDCCCXV  —  ob  orientalismum  occidentalem. 
Nicht  alle  nahmen  die  Sache  so  leicht  auf,  manche  mit  Verdruss.  Ks  wurden 
bis  1820  hundert  Diplome  ausgegeben.  Im  Jahre  1821  zog  Ehrmann,  der 
beiläufig  gesagt  Schwager  des  Philologen  Ph.  Buttmann  war,  zu  seinem  Adop- 
tivsohn nach  Speyer,  und  so  endigte  der  Scherz  nach  etwa  elfjährigem  Be- 
stehen. 


»=)  Crclzenach,   S.  47.    v.  Leonhard,   S.    4.-.^.    -    "^)   Bolli-li  ontard,    l.ebeu    in 
Frankfurt  VI,    löG.    -    '")    Eckstein,   ^onien.-lator    l'l.ilülogonnn    1>T1,   S.  :i(;i.  '♦  /   bo 

schreibt  0  reizonacii ,  LfOiiliurd  i'iniiii(i(M-.     Timander  =  Elirmann. 


100 

Andere  Gegenstände  der  interessanten  Unterhaltuageu  beider  Männer 
sollen  von  uns  an  anderen  Stellen  angeführt  werden,  wie  die  über  Pestalozzi 
(s.  Ko.  8  unter  de  Laspee),  über  Goethes  Verhältnis  zu  seinem  Herzoge 
(s.  No.  9),  den  Divan  (No.  11).  Freitag  den  11.  August  verliessen  beide  Freunde 
AViesbadeu;  auf  der  Weiterreise  begleitete  Boisseree  Goethe  und  schied  erst 
zu  Würzburg  am  9.  Oktober  von  ihm.  Sein  erster  Gang  nach  der  Trennung 
war  in  den  Dom  zum  Gebet,  gewiss  auch  für  Goethe,  der  auf  der  Reise  sich 
melirfach  unwolil  gefühlt  und  den  er  „unter  den  frömmsten  Wünschen"  verhissen 
liatte.'*')     Am  11.  Oktober  traf  Goethe  in  Weimar  ein. 

8.  A  erkehr  mit  Eiiiheiniischeii. 

.,Du  liist  auch  am  Rhein  gewesen, 
Auch  am  Hof  zu  Bieberioh; 
Magst  nun  an  dem  Maine  lesen, 
Wie  es  lustig  war  um  dich." 

Mit  diesen  Worten  drückt  der  Dichter  die  Stimmung  aus,  die  von  den 
angenehmen  Eindrücken  seines  Kingeren  Aufenthalts  am  Rhein  und  des  Ver- 
kehrs am  gastlichen  herzoglichen  Hofe  zu  Biebrich,  auch  als  er  Wiesbaden 
verlassen  hatte,  noch  fortdauerte.  Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  betrachtet 
haben,  wie  mannigfaltig  sich  der  Verkehr  mit  Fremden  und  Bekannten  ge- 
staltet hatte,  wollen  wir  nunmehr  zu  den  Einheimischen,  den  Bewohnern  des 
nassauischen  Landes,  übergehen,  von  denen  einige  sein  hcjchstes  Interesse  er- 
regten oder  sogar  seine  Freundschaft  auch  für  die  Folgezeit  gewannen.  Wir 
beginnen  mit  dem  herzoglichen  Hofe. 

1.  Der  herzogliche  Hof  zu  Biebrich. 

In  dem  Aufsatz  „Kunstschätze  am  Rhein"  u.  s.  w.  heisst  es  von  Biebrich'*^): 
„Nach  so  vielen  Ruinen  alter  und  neuer  Zeit,  welche  den  Reisenden  am  Nieder- 
rhein nachdenklich,  ja  traurig  machen,  ist  es  wieder  die  angenehmste  Empfin- 
dung ein  wohlerhaltenes  Lustschloss  zu  sehen,  das,  ungeachtet  der  gefährlichsten 
Nachbarschaft  (von  der  Festung  Mainz)  in  völligem  Stande  von  seinem  Fürsten 
bewohnt,  durch  einen  Hof  belebt  wird,  der  den  Fremden  des  liberalsten  Em- 
pfanges geniessen  lässt." 

Das  Schloss  war  von  dem  Fürsten  Georg  August  Samuel  erbaut  und  mit 
ihm  die  Anlage  eines  geschmackvollen  Parkes  verbunden  worden  (seit  1704)''*'-^); 
es  steht  noch  im  wesentlichen  in  seiner  alten  Gestalt;  der  Park  hat  verschiedene 
Veränderungen  erlitten;  die  bedeutendste  Umgestaltung  erfuhr  er  nach  den  Ent- 
würfen des  genialen  Gartenkünstlers  Friedrich  Ludwig  v.  Skell  in  den  Jahren 
1817  bis  1824.^^°)  Dem  fürstlichen  Bauherrn  war  es  nicht  vergönnt  gewesen 
seiner  Schöpfung  lange  zu  geniessen;   er  starb    im  Jahre    1721,    nachdem  erst 


"')  S.  Boisseree  I,  291.  —  "-)  Audi  die  Schreibung  von  Biebrich  wechselt  in  dem 
Tagebuch  mit  Bieberich  und  Bibrich.  —  •")  Menzel,  Geschiclite  von  Nassau  VII,  190. 
Spielmann,  Annalen  des  Vereins  für  nass.  Altertumskunde  XXIV,  fll  f.  —  '•"')  L.  v.  Onip- 
teda,  Klieiuische  (järten  18Hü,  S.  Gl   ä\ 


101 

kurz  vor  seinem  Tode  eine  Hof'kapolle  hergerichtet  wonloii  \\ai\  in  dein  ueu- 
orbauten  Schh)sse.  Aber  erst  seitdem  die  Landesregierini;^;  im  Jahre  17  14  nach 
Wiesbaden  verlegt  worden  war,  wurde  es  —  für  eine  lange  Keihe  vnii  Jahren 
—  die  dauernde  Residenz  des  Fürsten  und  Herzogs^'^'),  bis  Herzog  A(h»lf  in 
dem  seit  dem  Jahre  1839  erbauten  Schlosse  zu  Wiesbaden  seine  Winterresi- 
denz  nahm. 

In  dem  Parke  liegt  von  einem  Arme  des  dort  angelegten  Weiiiers  um- 
fangen die  künstlich  als  Burgruine  erbaute  Mossburg.  Hier  liatte  ein  älteres, 
im  Jahre  1765  wegen  Baufälligkeit  zum  Teil  abgelegtes  Gebäude  gestanden, 
die  Burg  oder  eine  Zeit  laug  nach  dem  Besitzer  die  Pentzenau  genannt,  welches 
vordem  an  Beamte  als  Wohnsitz,  dann  als  Erblehen  ausgegeben  worden  war: 
Herzog  Friedrich  August  kaufte  es  im  Jahre  1804  zurück  und  Hess  an  seiner 
Stelle  jene  Burgruine  errichten,  die  er  selbst  gern  bewohnte  und  ilie  jetzt  noch 
dem  Park  zur  Zierde  gereicht. ^^^)  Sie  zog  auch  Goethes  Aufmerksamkeit 
auf  sich. 

Die  herzogliche  Familic^''^)  bestand  zu  der  Zeit,  als  Goethe  den  Hof  be- 
suchte, aus  dem  regierenden  Herzog  Friedrich  August  (geb.  1738),  seiner  Ge- 
mahlin Luise,  Tochter  des  Fürsten  Karl  August  Friedrich  von  Waldeck,  ver- 
mählt im  Jahre  1775,  und  zwei  Töchtern,  Auguste  (geb.  1778)  und  Friederike 
(geb.  1784);  zwei  Söhne  waren  jung  gestorben,  ebenso  eine  zwanzigjährige 
Tochter  Luise  im  Jahre  1812;  zwei  andere  Töchter  waren  vermählt,  Luise  im 
Jahre  1791  an  den  Markgrafen  Friedrich  von  Baden,  Karoline  Friederike  an 
den  Herzog  August  von  Anhalt-Köthen  im  Jahre  1792;  doch  wurde  diese  Ehe 
im  Jahre  1803  wieder  getrennt,  und  die  Geschiedene  lebte  von  da  an  meist 
zu  Hochheim.  Da  der  Herzog  in  früheren  Jahren  ohne  Aussicht  auf  die  Xach- 
folge  in  der  Regierung  gewesen  war,  so  hatte  er  auswärtige  Dienste  und  zwar 
der  Sitte  seines  Hauses  entsprechend  in  Österreich  genommen  und  blickte  auf 
eine  bewegte  und  ruhmreiche  Vergangenheit  zurück;  im  siebenjährigen  Kriege 
focht  er  mit  Auszeichnung  und  errang  z.  B.  bei  Hochkirch  durch  seine  Tapfer- 
keit den  Maria- Theresia-Orden;  er  stieg  von  Stufe  zu  Stufe  und  wurde  1780 
zum  Feldmarschalllieutenant,  1790  zum  Feldmarschall  ernannt.  In  ruhigeren 
Tagen  lebte  er  in  der  Heimat,  meist  zu  Usingen,  wo  das  Stammschloss  seiner 
Vorfahren  stand,  seit  1786  wegen  seines  Amtes  als  Direktor  der  Reichswerbung 
mehr  zu  Frankfurt  a.  M.  Als  im  Jahre  1800  sich  die  Wahrscheinlichkeit  steigerte, 
dass  er  der  Nachfolger  seines  Bruders  Karl  Wilhelm  in  der  Regierung  sein 
werde,  legte  er  diese  Stelle  nieder.  Schon  nach  drei  Jahren  starb  der  Fürst 
Karl  AVilhelm  und  am  10.  Juni  1803  zog  Friedrich  August  als  Fürst  (seit  1800 
Herzog)  in  seine  Residenz  zu  Biebrich  ein.  Ei  wird  als  ein  biederer  Herr 
geschildert,  geschmückt  mit  allen  ritterlichen  Tugenden  seines  Hauses,  und  zeigte 
sich  als  einen  wohlwollenden,  für  das  Beste  seiner  Unterthanen  eifrig  sorgen- 
den Regenten. ^^'•)     Ein  Beweis  des  schönen  Verhältnisses  von  Fürst  und  Volk 


^^^)  Menzel,  a.  a.  0.  S.  427.  —  '^■)  Omptcda,  a.  a.  0.  S.  t;;».  Fälschlich  nnlini  man 
früher  an,  hier  habe  eine  kaiserliclie  Burg  gestanden.  Vogel,  Beselircihung  des  Herzogtums 
Nassau,  8.  Ml.  —  '^=')  Menzel  a.  a.  O.,  S.  907.  —  ''*)  Menzel  a.  a.  O.  an  verschiedenen 
Stellen.    Maria  Feodora  v.  Dalberg,  Aus  dem  Leben  einer  deutscheu  Fürstin.  S.   1   IT. 


102 

ist  folgender  Vorgaug:  Der  Herzog  hatte  in  Übereinstimmung  mit  dem  Fürsten 
Friediieli  Wilhelm  von  X.-Weilburg  am  1.  Januar  1808  die  Leibeigenschaft 
aufgehoben,  am  10.  14.  Februar  1809  ein  Gesetz  betr.  die  Gleichheit  der  Ab- 
gaben und  Einführung  eines  direkten  Steuersystems  und  infolgedessen  am 
1./^.  September  1812  ein  weiteres  betr.  die  Aufhobung  der  älteren  direkten 
Abgaben  erlassen  und  dadurch  die  Unterthanen  mit  lebhaftem  Dankgefühl  er- 
(üllt.  Dieses  offenkundig  auszusprechen  hatten  die  sämtlichen  Gemeinden  des 
Herzogtums  sich  entschlossen,  durch  eine  Deputation  von  60  gewählten  Abge- 
ordneten und  ö  Amtmännern  dem  Herzoge  Dankadressen  zu  überreichen  mit 
einer  Denkmünze,  welche  das  Andenken  an  diese  wohlthätige  Umgestaltung 
erhalten  sollte.  So  bewegte  sich  am  1.  August  1813  diese  Deputation  von 
Wiesbaden,  wo  sie  sich  versammelt  hatte,  nach  dem  Schlosse  zu  Biebrich; 
hier  fand  sich  zugleich  der  Fürst  von  Weilburg  ein,  und  so  nahmen  beide  Fürsten 
die  dankbare  Huldigung  der  frohbewegten  Abgeordneten  entgegen.  Darauf 
wurde  diese  zur  Tafel  gezogen  und  ihnen  für  den  Abend  der  freie  Zutritt  zu 
dem  Iierzoglichen  Hoftheater  gewährt.  Hier  empfingen  sie  die  höchsten  Herr- 
schaften mit  einem  freudigen  Lebe  hoch!,  in  welches  das  zahlreich  versammelte 
Publikum  einstimmte.^^'') 

Unter  den  Seinen  waltete  der  Herzog  als  liebender  Yater  und  gewann 
es  auf  die  vereinten  Bitten  seiner  Gemahlin  und  Tochter  über  sich,  die  kaum  ge- 
schlossene Verbindung  der  letzteren,  der  Prinzessin  Auguste,  mit  dem  Prinzen 
Ludwig  von  Hessen-Homburg  (2.  August  1804)  bald  nachher  wieder  zu  trennen 
(13.  Juli  1805),  als  er  sah  und  hörte,  wie  unglücklich  sich  die  Tochter  an  der 
Seite  eines  zwar  ehrenhaften  und  im  Kriege  erprobten,  aber  ungeliebten  Mannes 
fühlte,  da  ihr  Herz  einem  anderen,  dem  Hofjunker  und  Lieutenant  Friedrich 
Wilhelm  v.  Bismarck  gehörte;  ja  er  gestattete  in  väterlicher  Liebe  die  Ver- 
bindung der  Liebenden,  die  dann  am  7.  September  1807  geschlossen,  jedoch 
vorläufig  geheim  gehalten  wurde.'*'')  Aber  während  der  langen  Kriegsjahre 
der  folgenden  Zeit  war  Bismarck  als  Offizier  der  würtembergischen  Truppen 
so  in  Anspruch  genommen,  dass  er  erst  im  Herbste  1814  —  mit  den  Ehren- 
zeichen militärischen  Ruhms  bedeckt  — ■  zu  seiner  Gemahlin  zurückkehren 
konnte.  In  der  Folge  stieg  er  zu  hohen  Ehren  und  Würden  empor  und  starb, 
nachdem  er  im  Jahre  1846  seine  Gemahlin  verloren  hatte,  im  Jahre  1860 
zu  Konstanz. 

Wir  haben  dies  vorausschicken  zu  müssen  geglaubt,  um  den  Kreis,  welchen 
Goethe  hier  vorfand,  zu  schildern.  Denn  sowohl  während  des  Sommers  1814 
als  1815  war  er  fast  jeden  Sonntag  Gast  der  herzoglichen  Tafel.  Er  erwähnt  zwar 
nicht  einzelner  Persönlichkeiten  des  herzoglichen  Hauses,  aber  lernte  sie  sicher- 
11«  li  kennen,    und  wenn    er  auch  nicht   das  Verständnis  und  Interesse  an  allen 


'")  Nass.  IntcUigon/lilntt  lsi;{,  No.  :{2  vom  7.  August.  Hier  findot  sich  auch  die  Be- 
schreibung der  kunstvoll  goari>citetcn  Denkmünze  mit  ihren  Emblemen  und  der  Vasen,  in 
welchen  sie  in  dreifacher  Prügung  (üold,  vergoldetem  Silber  und  Silber)  den  beiden  Fürsten 
überreicht  wurde.  Vergl.  Kiiein.  Kurier  1894,  No,  339,  der  Abendausgabe  zweites  Blatt.  — 
'^"l  M.  F.  V.  Dalbcrg,  a.  a.  O.  S.  II  u.  (12.  Schwartz,  i.andgraf  Friedrich  V.  von  Hessen- 
Tloniburg  111,  .'>«. 


103 

seinen  SchöpfuDgen  und  Bestrebungen  fand  wie  zu  Weimar,  so  war  er  ducli 
hochbefriedigt  von  dem  Empfange,  der  ihm  in  dem  gastfreien  Schlosse  ziitoil  ward. 
Zum  erstenmale  erschien  er  hier  am  7.  August  1814,  wo  er  den  i'ark 
und  das  Ritterschloss  besuchte,  dann  am  14.  und  21  ,  an  welchem  Ta"«'  er 
auch  den  Fürsten  von  Nassau- Weilburg  Friedrich  Wilhelm  antraf.  Wenn 
dieser  auch  ein  Mann  von  stärkerem  Willen  und  durchgreifenderer  Art  war, 
so  regierte  er  doch  in  Eintracht  mit  seinem  Verwandten  die  vereinigten  nassaii- 
ischen  Lande;  denn  bei  dem  voraussichtlichen  Aussterben  der  herzoglichen 
Linie  mussten  deren  Besitzungen  an  die  Weilburger  fallen,  und  so  war  die 
liegierung  und  Verwaltung  der  beiderseitigen  Lande  schon  jetzt  so  geordnet 
worden,  dass  alle  Gesetze  und  Verordnungen  in  dem  Namen  der  beiden  Regenten 
erlassen  wurden.  Am  25.  begleitete  Goethe  seinen  Herzog  Karl  August  nacii 
Biebrich  und  nahm  sicherlich  auch  hier  am  28.  die  herzlichsten  GlückwUiisclie 
zu  seinem  Geburtstage  entgegen,  Nachdom  er  sich  am  11.  September  verab- 
schiedet hatte,  begegnete  er  am  12,  auf  der  Reise  nach  Frankfurt  der  Herzogin 
nebst  Gefolge,  die  vielleicht  ihre  Tochter  Auguste  nach  Frankfurt  begleitet 
hatte,  um  sie  in  die  Arme  Bismarcks  zu  führen ;  denn  hier  pflegten  wenigstens 
früher  die  getrennten  Gatten  für  die  kurze  Zeit  des  Urlaubes,  den  Bismarck 
erlangen  konnte,  unter  dem  Schutze  der  herzoglichen  Mutter  zusammenzu- 
treffen.'^^) Auch  die  Fürstin  von  Nassau-Weilburg,  eine  Tochter  des 
Burggrafen  Georg  zu  Kirchberg,  Grafen  zu  Sayn-Hachenburg,  sah  unser  Dichter 
zweimal  zu  Frankfurt,  am  17,  und  21.  September;  das  Tagebuch  meldet  am 
17,:  „zur  Fürstin  von  Nassau",  am  21.:  „Fürstin  von  Nassau." 

Belebter  war  der  Hof  zu  Biebrich  im  Sommer  1815.  Dazu  trug  hauj)t- 
sächlich  bei,  dass  der  Erzherzog  Karl  während  dieser  Zeit  Gouverneur  der 
Festung  Mainz  war.  Derselbe  hatte  sich  im  Laufe  des  Winters  1814/15  mit 
einer  Tochter  des  Fürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Nassau- Weilburg,  Henriette 
Alexandrine  Friederike  (geb.  1797),  verlobt,  und  dieses  verwandtschaftliche  Band, 
welches  auf  herzlicher  Zuneigung  der  Verlobten  beruhte  und  eine  glückliche 
Zukunft  der  beiden  voraussehen  Hess,  führte  nicht  nur  den  Bräutigam  und  sein 
Gefolge  mehrmals  nach  Biebrich,  sondern  auch  den  Hof  von  Weilburg  und 
andere  Persönlichkeiten.  So  traf  Goethe  gleich  bei  seinem  ersten  Besuch, 
Sonntag  den  4.  Juni,  den  Chevalier  De  Lort^^*^)  und  Graf  Künigl  u.  a.  an. 
Dieser,  Graf  Hermann  v.  Künigl,  war  Generalfcldwachtmeister  der  öster- 
reichischen Armee  und  damals  Artillerie-Direktor  der  Festung  Mainz,  s])äter 
dem  k.  k.  Armeekorps  in  Frankreich  zugeteilt;  Joseph  De  Lort  war  Oberst 
des  33.  Infanterie-Regiments,  aber  dem  Generalstab  des  Erzherzogs  Karl  zu 
Mainz  als  Chef  desselben  zugeteilt;  im  Jahre  1813  hatte  ihn  Goethe  zu  Teplitz 
am  5.  August  kennen  gelernt,  als  er  noch  Oberstlieutenant  im  Generalquartier- 
meister-Stab  war,  und  über  eine  Biographie,  die  er  in  Pinsk  in  eines  reichen 
Juden  Bibliothek  gefunden  hatte,  eine  Unterhaltung  gehabt'^'');    er  muss  ung.>- 


'")  Dalberg,  a.  a.  O.  S.  168,  175,  176.  —  '**)  tloethe  sclireibt  de  lOr,  er  lieisst  aber 
im  üsterreicliiscben  Ötaatsscheniatismus  und  iu  einem  Aktenstü<k  des  hiesigen  StHatsarcliiv-s 
De  Lort.  —  '^^}  Tagebuch,  S.  66. 

8* 


104 

wüholichen  litterarischen  Sinn  an  ihm  bemerkt  haben,  denn  er  setzte  den  Ver- 
kehr mit  ihm  fort,   wie  wir  sehen  werden. 

Am  11.  Juni  war  der  Erzherzog  Karl  selbst  anwesend.  „Besonderes 
Olück.  heisst  es  in  den  Annalen  1815,  ereignete  sich  mir  auch  zu  Bieberich, 
indem  des  Herrn  Erzherzogs  Carl  K.  H.  die  Gnade  hatte,  nach  einem  interes- 
santen Gespräch,  mir  die  Beschreibung  Ihrer  Feldzüge  mit  den  höchst  genau 
und  sauber  gestochenen  Karten  zu  verehren."  Wie  er  diese  Karten  später  zu 
seinem  Zwecke  zu  verwenden  wusste,  werden  wir  bei  Gelegenheit  der  Lahn- 
reise (No.  9)  erwähnen;  für  jetzt  war  er  an  den  zwei  folgenden  Tagen  mit  der 
Lektüre  des  Buches  beschäftigt. 

Am  18.  und  25.  Juni  bildeten  die  Nachrichten  vom  Kriegsschauplatze 
den  Hauptgegeustand  der  Unterhaltung;  an  jenem  Tage  war  es  ja,  dass  die 
Entscheidung  bei  Waterloo  erfolgte,  von  der  man  freilich  noch  nichts  wissen 
konnte;  kaum  dass  man  von  den  vorhergehenden  Kämpfen  etwas  gehört  haben 
mochte.  Aber  es  waren  unbestimmte  Nachrichten  von  dem  bevorstehenden 
Aufbruch  der  Mainzer  Besatzung  eingetroffen,  an  deren  Stelle  auch  nassauische 
Truppen  einrücken  sollten;  der  Befehl  dazu  erging  indessen  erst  am  25.  durch 
das  Gouvernement  von  Mainz,  wurde  aber  alsbald  wieder  zurückgenommen.^'^") 
Am  25.  war  zwar  der  Sieg  der  Verbündeten  bekannt  geworden,  doch  fehlten 
noch  genauere  Nachrichten  über  die  A'erluste  der  nassauischen  Truppen;  und 
Goethe  nahm  an  den  Sorgen  und  Befürchtungen  der  Nassauer  und  des  Herzogs 
innigen  Anteil.     Vergl.  unten  No.  9. 

Sonntag  den  2.  Juli  war  Goethe  nicht  in  Biebrich,  sondern  speiste  „für 
sich."  Am  9.  heisst  es:  „Mittag  Bieberich  mit  Lynckers.^^^)  Min.  v.  Stein. 
Einladung."  Aus  dieser  kurzen  Notiz  könnte  man  schliessen,  dass  auch  der 
Minister  v.  Stein  anwesend  war  und  dabei  Goethe  einlud  ihn  zu  Nassau  zu 
besuchen,  doch  lässt  sich  dies  nicht  sicher  behaupten.  Noch  stand  damals  der 
Minister  v.  Stein  mit  dem  herzoglichen  Hause  auf  freundlichem  Fusse,  und 
unter  seinem  Beirate  und  wesentlichen  Einfluss  war  die  nassauische  Verfassungs- 
urkunde vom  1./2.  September  1814  zu  stände  gekommen^^-),  auch  von  ihm  gegen 
Angriffe  auf  dem  Wiener  Kongresse  verteidigt  worden,  sodass  ein  Besuch  an 
dem  herzoglichen  Hofe  nichts  Unwahrscheinliches  hat.  Erst  vom  Jahre  181 G 
an   trübte  sich  das  Verhältnis  bis  zum  vollständigen  Bruche. 

Sonntag  den  16.  Juli  „wurde  ein  allgemeines  Dankfest  wegen  des  von  den 
verbündeten  Heeren  unter  ausgezeichneter  ^fitwirkung  der  herzoglichen  Truppen 
bei  Belle  Alliance  in  den  Niederlanden  erfochtenen  Sieges  in  allen  Kirchen  des 
Herzogtums  mit  den  gewöhnlichen  Feierlichkeiten"  gehalten. ^''^)  Als  Text  für 
die  Predigt  in  den  Kirchen  waren  die  Verse  14 — 16  des  77.  Psalms  bestimmt: 
„(14).  Gott,  dein  Weg  ist  hedig.  Wo  ist  so  ein  mächtiger  Gott,  als  du,  Gott, 
bist.  (15).  Du  bist  der  Gott,  der  Wunder  thut;  du  hast  deine  Macht  beweiset 
unter    den  Völkern.     (16).  Du  hast  dein  Volk  erlöset  gewaltiglich,    die  Kinder 


"")  Staatsarchiv  zu  "Wiesbaden.  —  'ß')  S.  S.  9."i.  —  '^O  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau 
in  den  Jahren  1818  —  1820,  erster  Absehnitt.  —  "")  Verordnung  vom  5.  Juli  ISlf).  Yerord- 
nungsbittlt  No.   19  vom  8.  Juli    1S15. 


105 


ijcml 


Jakobs  und  Josephs.  Sola."  Zur  Verhcrrlicliuug  des  Ta^^es  fand  am  Ab 
eine  Illumiuation  des  Gescllsehaftshauscs,  wie  mau  das  Kurliaiis  .biinals  namitc, 
s(;att;  es  brannten  5100  Lämpcliou,  und  ein  liall  schluss  sich  an,  bei  welchem 
ein  zweites  Orchester  mitwirkte.  Der  herzogliche  Hof  leierte  den  Ta«-  durch 
eine  grosse  Mittagstafel,  zu  der  Erzherzog  Karl  mit  dem  ganzen  Oeueralstab 
und  auch  Goethe  nebst  dem  Freiiicrrn  v.  ilfigel  geladen  waren.  Es  waren 
zu  dem  Feste  Kanonen  nach  Biebrich  gebracht  worden,  welche  den  nötigen 
kriegerischen  Lärm  machen  sollten.'*'^)  Nach  seiner  Rückkehr  scheint  unser 
Dichter  auch  die  Illumination  sich  angesehen  zu  haben.  Mit  dem  Feste  war 
eine  Geldsamnüung  verbunden,  deren  Ertrag  verwundeten  Kriegern  aus  Nas.sau 
und  den  nächsten  Angehörigen  der  Gebliebenen  zugute  kommen  sollte;  er 
belicf  sich  zu  Wiesbaden  auf  etwa  400  fl.,  in  ganz  Nassau  auf  etwa  4700  H.; 
der  Herzog  hatte   157  ü.   12  k.  beigesteuert.'*'^) 

Die  beiden  folgenden  Sonntage  war  Goethe  abwesend,  erst  am  6.  August, 
und  da  zum  letztenmale  ist  er  in  Biebrich,  Anwesend  war  eine  grosse  Gesell- 
schaft, ausser  dem  Erzherzoge  der  Hof  von  Weilburg,  also  auch  wohl  die  Prinzessin- 
Braut,  und  „Dillenburger  Dienerschaft."  Am  17.  September  fand  die  Yer- 
mähluug  des  Brautpaares  zu  Weilburg  in  der  (evangelischen)  Stadtkirche  durch 
den  geistlichen  Rat  Freiherrn  v.  Brakel  nach  katholischem  Ritus  statt;  ein 
Maskenball  zur  Feier  des  Tages  schloss  die  Festlichkeiten.  Die  damals  in 
Freude  und  Heiterkeit  versammelte  fürstliche  Familie  sollte  bald  den  l'm- 
schwung  des  Glückes  erfahren.  Das  Jahr  1816  raffte  rasch  hintereinander  den 
Fürsten  Friedrich  Wilhelm  am  9.  Januar,  den  Herzog  Friedrich  August  am 
24.  März  und  dessen  Gemahlin  Luise  am  17.  November  hinweg.  Seit  dem 
24.  März  regierte  der  junge  Herzog  Wilhelm  (geb.  1792)  allein  die  nassauischen 
Lande  bis  zu  seinem  Tode  1839,  wo  ihm  Herzog  Adolf,  jetzt  Grossherzog  von 
Luxemburg,  folgte.  Seit  dem  Jahre  1866  steht  das  Schloss  zu  Biebrich  unbe- 
wohnt da;  der  Park  entbehrt  der  früheren  Pflege  und  wird  nur  durch  fremde 
Spaziergänger  belebt,  welche  die  schattigen  Alleen  und  buschigen  Pfade  gern 
aufsuchen. 

Zum  Schlüsse  wollen  wir  auch  die  Kleinigkeit  nicht  unerwähnt  lassen, 
dass  Goethe  am  10.  August  1815  an  den  Hoffourier  Johann  Stritt  einen  Brief 
richtete.  Derselbe  mochte  die  Einladungen  zur  Tafel  au  Goethe  besorgt  haben 
und  verdiente  dafür  eine  metallene  Anerkennung.  Ein  Schreiben  an  den 
Obcrhofmarschall  L.  v.  Bismarck  zu  Biebrich  vom  10.  September  1814  erwähnt 
das  Tagebuch;  es  scheint  persönlichen  Inhalts  gewesen  zu  sein,  da  es  in  den 
Akten  des  Hofraarschallamts  nicht  enthalten  ist. 

2.    Die  höheren  Beamten. 

Als  hochstehender  Beamter  eines  kleinen  deutscheu  Staates  glaubte  Goethe 
den  ihm  an  Rang  gleich-  oder  nahestehenden  Männern  Besuche  abstatten  /u 
müssen.     Dies  geschah  denn  auch,  aber  nur  wenigen'"'")  ward  diese  Auszeicimung 


"")  Die  Angaben  über  die  Festlichkeiten  n;iili  archivalischcn  Notizen.   —   '**    Naas.   In- 
tellijjenzbl.  1816.  Oktober.  —   '"")  Über  die  Auswahl  derselben  vgl.  S.  11,'). 


100 

zuteil;  und  diesen  wenigen  war  es,  wie  es  scheint,  nicht  gegeben  oder  gelang 
ihnen  nicht  den  Gast  zu  fesseln  oder  von  ihm  gefesselt  zu  werden.  Denn  es  wird 
zwar  im  Jahre  1814  ein  äusserlicher  Verkehr  durch  Besuch  und  Gegenbesuch 
angeknüpft,  aber  weder  gestaltet  er  sich  lebendig,  noch  setzt  er  sich  im  Jahre 
1815  fort  mit  der  einen  Ausnahme  des  Ministers  v.  Marschall.  Die  Ursache 
davon  dürfen  wir  aber  nicht  allein  in  den  ]\M-S(»nlichkeiteu  suchen,  da  z.  B. 
der  spätere  Präsident  v.  Ibell,  der  bei  einer  Audienz  des  Fürsten  Hardenberg 
rasch  dessen  Gunst  zu  erwerben  wusste,  sicherlich  genug  Verständnis  für  Goethes 
Werke  besass,  um  auch  mit  dem  Schöpfer  derselbep  sich  zu  unterhalten  und 
ihn  zu  befriedigen.  Es  liegt  auch  ein  rein  äusserlicher  Grund  zu  der  Erschei- 
nung vor,  die  Last  der  Arbeit,  welcher  gerade  auf  den  leitenden  Männern 
ruhete.  Die  Jahre  1814  und  1815  bezeichnen  den  Zeitraum,  in  dem,  abgesehen 
von  den  Kriegsnachwehen  des  Feldzugs  von  1813  und  1814,  sowie  von  dem 
Kriege  von  1815,  der  Grund  gelegt  werden  musste  für  alle  die  organischen 
Gesetze,  welche  die  verschiedenen  Teile  und  Teilchen  von  vormals  selbständigen 
Territorien,  aus  denen  das  Herzogtum  nun  zusammengesetzt  wurde,  zu  einem 
(lanzon  verschmelzen  sollten;  vor  allem  nahmen  die  Beratungen  über  die  neue 
Verfassungsurkunde  und  die  sich  daran  schliessenden  vorbereitenden  Schritte 
zu  ihrer  Ausführung  in  diesen  Jahren  die  Kraft  von  dem  Minister  v.  Marschall 
und  von  Ibell  vollständig  in  Anspruch.  Wie  gewaltige  Massen  von  Stoff  ver- 
arbeitet werden  mussten,  ersieht  man  schon  dann,  wenn  man  die  Verhandlungen 
über  das  Schulwesen  bei  Firn h aber  in  seiner  Simultanschule'^*"')  oder  die  Bände 
des  Verordnungsblattes  von  den  Jahren  1815,  1816  und  1817'^^)  durchblättert. 
Wir  wollen  dabei  nicht  leugnen,  dass  auch  die  Beamten  selbst  einige  Schuld 
trifft;  es  waren  treue  und  verständige  Arbeiter  in  ihrem  Berufe,  die  ihrer 
schweren  Aufgabe  mit  Eifer  und  Verständnis  oblagen  und  ihre  Aufgabe  so 
glücklich  lösten,  dass  die  neuen  Einrichtungen  Nassaus  damals  allgemein  ge- 
priesen wurden  und  wohlthätige  Folgen  für  die  Entwicklung  des  Landes  und 
seiner  Bewohner  herbeiführten;  aber  zu  wissenschaftlichen  und  künstlerichen 
Anregungen  und  zum  Weiterstudium  fehlten  die  Bedingungen  in  der  kleinen 
Stadt,  die  nicht  einmal  eine  höhere  Lehranstalt  ausser  der  Lateinschule,  der 
kürzlich  auf  etwas  besserer  Grundlage  umgestalteten  Friedrichsschule,  besass. 
So  ergab  sich  der  bemerkenswerte  Umstand,  dass  die  wissenschaftlichen  Kapa- 
zitäten, mit  denen  Goethe  wirklich  und  dauernd  verkehrte,  nicht  Landeskinder, 
sondern  von  aussen  berufene  oder  gekommene  Männer  waren. 

Betrachten  wir  die  einzelnen,  die  er  nennt.  Zuerst  tritt  uns  entgegen 
,der  dirigierende  Staatsminister" 

Freiherr  Ernst  Franz  Ludwig  Marschall  v.  Bieberstein."®) 
Er  stand  seit  dem  Jahre  1808  an  der  Spitze  der  nassau-usingischen  Regierung 
zu  Wiesbaden,    seit  1811    der  Verwaltung    der    zu    eirem    Ganzen    vereinigten 

'^^)  Firnhaber,  Die  nassauisclie  Sinmltanschule  1881  —  1883,  namentlich  in  15.  l.  — 
"^')  Vgl.  Schwartz,  Lebensnachrichten  über  den  Regierungspräsidenten  K.  v.  Il)eil.  Ann.  des 
Vereins  f.  nassauische  Altertumskunde  XIV,  187fi.  —  "''*j  Einen  kurzen  Lebensabriss  .«.  bei 
Sauer  a.  a.  0.  zu  Ende. 


107 

Lande  der  beiden  Linien  Nassau-Usingon  und  Nassau- Woilburg,  dünn  des  durch 
die  Vertrüge  von  Wien  und  die  daran  sich  anschliessenden  Abmachungen  ge- 
bildeten Herzogtums  Nassau.  Als  Zögling  der  Karlsschule  besaas  er  eine  gründ- 
liche philosophische  und  juristische  JJilduug,  sowie  einen  aucli  fiir  Poesie  und 
Kunst  empfänglichen  Sinn.  Ihn  besuchte  Goethe  zuerst  am  5.  Au'Mist  ISN 
erhielt  den  Gegenbesuch  am  6.,  eine  Einladung  auf  den  S.,  Abschiedsbesuch 
am  31.  Ähnlich  ging  es  im  folgenden  Jahr:  Die  Besuche  fanden  statt  am  1  Juni 
und  21.  Juni,  die  diesmal  zwei  Einladungen  am  22.  Juni   und  20.   Juli. 

Der  Geheimerat  Karl  Ibell"^''), 
im  Jahre  1880  von  dem  Könige  von  Preussen  geadelt,  war  unstreitig  der  Itr- 
deutendste  Beamte  und  Staatsmann  Nassaus  in  damaliger  Zeit,  dessen  Einsicht 
und  Energie  das  Meiste  und  Beste  der  gesamten  Gesetzgebung  und  Neuge- 
staltung des  Herzogtums  zu  vordanken  ist.  Seine  Bedeutung  erkannte  der 
preussische  Kanzler  Fürst  Hardenberg,  wie  oben  bemerkt  wurde,  bei  einer 
Begegnung  mit  ihm  im  Dezember  1818;  die  Unterredung  schloss  er  mit  den 
Worten:  „Ich  hoffe,  wir  sehen  uns  öfter  und  unter  anderen  Veriiültnissen 
wieder."^^")  Im  Jahre  1814  bekleidete  er  das  Amt  eines  Direktors  der  Staats- 
ministerialkanzlei  und  war  zugleich  Geheimer  Staatsreferendar,  im  Herbste  1815 
trat  er  als  Präsident  der  Regierung  an  die  Spitze  der  Verwaltung,  wurde  aber 
zu  allen  wichtigeren  Veränderungen  zugezogen.  Nach  dem  Attentat  von  Löning 
verliess  er  den  nassauischen  Staatsdienst,  da  er  die  Veränderung  der  ganzen 
politischen  Richtung,  die  der  Herzog  und  Marschall  damals  einschlug  -n,  nicht 
gutheissen  konnte.  Ihn  besuchte  Goethe  am  10.  August  1814,  der  Gegenbe- 
such erfolgte  am  12  ;  im  Jahre  1815  sahen  sie  sich  nicht,  vielleicht  weil  Ibell 
durch  die  territoriale  Umgestaltung  des  Herzogtums  mehrfach  als  Kommissar 
auswärts  verwendet  wurde. 

Geheimerat  Ludwig  Harscher  v.  Almendingen'^') 

war  ein  bedeutender  Rechtsgelehrter,  der  auch  durch  seine  Schriften   vorteilhaft 

auf  die    Weiterentwicklung    der    Rechtswissenschaft    eingewirkt   hat.      l'r    war 

Vicedirektor  des  Hofgerichts  und  zugleich  Geheimer  Staatsreferendar.     Goethe 

besuchte  ihn  am   10.  August  1814,  erhielt  den  Gegenbesuch    am  11.,    wie  aus 

der  Notiz  des  Tagebuchs  „Almedingens  (sie)  Heft"  zu  schlicsscn  ist.     Im  Jahre 

1815  ist  sein  Name  am  6.  Juni  eingetragen.     Berühmt    war    er    wegen   seiner 

Zerstreutheit. 

Geheimerat  Ernst  Heinrich  Langsdorff 

stand  an  der  Spitze  der  Hofkammer.     Besuch  und  Gegenbesuch    fand    am  21. 
und  24.  August  1814  statt. 

Geheimerat  Franz  Karl  Joseph  v.  Pfeiffer 

ist  schon  bei  Gelegenheit  des  Theaters  oben  (S.   79)  erwähnt.     Das  Tagebuch 
erwähnt  einen  Besuch  von  ihm  am  6.  Juni  1815. 


'®')  S.  die  Lebensiiachrichten  von  Schwartz  a.  a.  0.;  Sauer  a.  a.  0.  —  ''"i  Dorow, 
Erlebtes  I,  187.  —  '")  S.  die  Biographie  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie;  seine  zahl- 
reichen Schriften  sind  bei  Meusel  verzeichnet.     Goethe  nennt  ihn  Almedingen. 


108 

Geheimerat  Friedricli  August  Lehr.^^^) 
Denn  nur  dieser  kann  unter  dem  Gelioimerat  Loehr  gemeint  sein,  den  Goethe 
im  .Talire  1815  zweimal  erwähnt.  Er  war  Leibarzt  des  Herzogs  und  dabei  ciu 
vielbeschäftigter  und  hochgeachteter  Stadt-  und  Brunneuarzt,  dessen  trefflicher 
Charakter  und  wissenschaftliche  Tüchtigkeit  hoch  gerühmt  wird.  Ihn  mag 
Goethe  am  12.  Juni  1815  wegen  seiner  Kur  zu  Rate  gezogeu  und  ihm  am 
10.  August  eiü  Honorar  zugeschickt  haben  („Brief  an  Geh.  R.  Loehr"). 

.3,  Oberbergrat  Gramer. 

Da  Goethe  mit  dem  Oberbergrat^")  Gramer  am  lebhaftesten  in  den  beiden 
Jahren  verkehrte,  bei  ihm  die  meisten  wissenschaftlichen  Anregungen  fand  und 
endlich  auch  in  geselliger  Beziehung  vielfaclie  Unterhaltung  hatte,  so  erscheint 
es  gerechtfertigt,  wenn  wir  auf  das  Leben  desselben  etwas  genauer  eingehen, 
zumal  da  wir  in  den  Darstellungen  seines  Verkehrs  mit  Goethe  in  der  Regel 
durch  die  blosse  Anfügung  der  Worte  „tüchtiger  Mineraloge"  abgefunden  werden. 

Ludwig  Wilhelm  Cramer^^^)  war  am  0.  Oktober  1755  auf  dem  Schlosse 
Friedewald  in  der  Grafschaft  Sayn-Altenkirchen'''^),  welche  damals  dem  Mark- 
grafen von  Brandenburg-Anspacli  gehörte,  in  nicht  gerade  glänzenden  Ver- 
hältnissen geboren;  sein  Vater  war  Amtsaktuar,  Seine  Schulbildung  erhielt 
er  zunächst  auf  der  Lateinschule  zu  Altenkirchen,  wohin  sein  Vater  als  Amts- 
verwalter versetzt  worden  war,  dann  durch  Privatunterricht  bei  einem  Pfarrer 
und  vom  Jahre  1770  bis  1772  durch  das  Gymnasium  zu  Weilburg.  Er  sollte 
Theologie  studiereu,  wandte  sich  aber,  ^Is  er  die  Universität  Halle  bezog,  dem 
Studium  der  Rechte  zu,  mit  dem  er  Mathematik  und  Physik  verband,  und  auch 
diesem  blieb  er  nicht  treu,  sondern  ergriff,  durch  den  Einfluss  des  Magisters 
Heimann  bestimmt,  schliesslich  die  Wissenschaft  der  Oryktognosie  und  Berg- 
kunde. Nach  zweijährigem  Aufenthalt  zu  Halle  besuchte  er  noch  ein  Jahr 
lang  die  Bergakademie  zu  Freiberg,  von  wo  aus  er  auch  die  wichtigsten  Berg- 
und  Hüttenwerke  in  Sachsen  und  den  angrenzenden  Gebieten  Böhmens  bereiste 
und  kennen  lernte. 

Weil  er,  in  die  Heimat  im  Jahre  1775  zurückgekehrt,  nicht  sofort  in 
einem  bergmännischen  Amte  Beschäftigung  fand,  war  er  zunächst  als  Advokat 
thätig,  erhielt  aber  bald  nicht  nur  freien  Zutritt  zu  den  heimischen  Berg-  und 
Hüttenwerken,  sondern  auch  die  Anwartschaft  auf  das  Bergamt  Kirchen  mit 
dem  Titel  Bergsekretär,  Nach  mehreren  Jahren  des  Abwartens  wurde  ihm 
denn  auch  die  Verwaltung  dieses  Amtes  mit  dem  Titel  Bergrat  übertragen  (1781). 
Neben  seiner  amtlichen  Thätigkeit,  für  welche  er  im  Jahre  1794  einen  Berg- 
meister als  Gehilfen  erhielt,  war  er  eifrig  bestrebt  sich  wissenschaftlich  weiter- 
zubilden, legte  eine  Mineraliensammlung  an,  trat  mit  auswärtigen  Gelehrten  und 
Vereinen  in  Verbindung  und  fing  an  auch   litterarisch  thätig  zu  sein:  im  Jahre 


"*)  Lebensiiachrichten  s.  im  Neuen  Nekrolog  1831,  S.  212.  —  "^)  Goethe  schreibt  l>al(i 
(Jberbcrgrat,  bald  Bergrat,  aucii  wohl  einmal  13ergm[eister],  und  im  Anfang  mchrniais  Kramer 
statt  Cramer,  —  ''^  Neuer  Nekrolog  X  (1832),  4H2-4H.i.  —  '")  Dahllioff,  Geschichte  der 
Grafschaft  Sayn,  S,   IfJH, 


lo:» 

1792  erschien  von  ihm  eine  Ahhiindluiig,  „Nachricht  üher  (h-ii  lIulhTh-r  /nj;", 
in  der  berg-männischen  Zeitung,  die  17!):{  anch  separat  horansgogehcn  wurde 
So  wurde  er  dadurch  auch  in  weiteren  Kreisen  als  tüchtif^or  Minorahjf^c  Ijc- 
kannt,  und  dies  trug  iiini  im  .lahre  1708  die  Ernennung  /.um  Khrenniitghede, 
1804  zum  auswärtigen  Assessor  der  minerah)gischon  Societät  zu  .leiia  ein. 

Als  im  -lahre  1803  auf  Grund  des  Reiclishauptdcputationsschhisses  die 
(irafschaft  Sayn-Altenkirclien  an  den  Fürsten  von  Nassau-rsingen  (Wiesbaden) 
gefallen  war^^"),  wurde  alsbald,  am  7.  .Inli'''j,  dov  erprobte  und  kenntnisreiche 
Mann  als  Oberbergrat  mit  Sitz  und  Stimme  in  (h'r  Ihifkammer  in  ncrgsachon 
und  als  Mitglied  des  llofgerichts  mit  Sitz  und  Stimme  in  Bergaachen  nach 
Wiesbaden  berufen.  In  dieser  StcHung  befand  er  sich,  als  Goethe  nach  Wies- 
baden kam.  Er  hatte  mittlerweile  ein  grösseres  Werk  begonnen,  welches  <be 
Summe  seiner  bisherigen  Forschungen  und  Erfahrungen  auf  dem  bergnninnischen 
Gebiete  zusammenfassen  sollte,  das  aber  nicht  vollständig  erschien,  sondern  bei 
dem  ersten  Teile  stehenblieb;  dieser  führt  den  Titel:  „Vollständige  Beschreibung 
des  Borg-  Hütten-  und  Hammerwesens  in  den  sämtlichen  Hochfürstlich  Nassau- 
(I^singischen  Landen  nebst  einigen  statistischen  und  geographischen  Nachrichten 
von  L.  W,  Gramer.  Frankfurt  a.  M.  1805.  8.  Ersten  Bandes  erste  Abteilung, 
welche  einige  statistische  und  geographische  Nachrichten  von  der  Herrschaft 
Alteukirchou,  dann  eine  generelle  Übersicht  des  dasigen  Berg-  Hütten-  und 
Hammerwesens  in  sich  begreift."  182  Seiten  nebst  zwei  Urkunden-Beilagen. 
Als  selbständiges  Werk  folgten  im  Jahre  1827  die  „Geognostischen  Fragmente 
von  Dilleuburg  und  der  Umgegend,"     Giessen.    -8^ 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  Name  Cramers  Goethe  bereits 
bekannt  w^ar  wegen  beider  Beziehungen  zu  dem  Bergrat  Prof.  Johann  (leorg 
Lenz  zu  Jena,  der  Vorsteher  des  mineralogischen  und  zooh  gischen  Kabinets 
und  Direktor  der  mineralogischen  Societät  daselbst  war  (1748 — 1832)*^%  per- 
sönlich kannte  er  ihn  sicherlich  nicht  und  stand  aucli  nicht  mir  ihm  in  brief- 
lichem Verkehr,  ja  es  scheint,  dass  den  Anfang  des  später  von  ihm  so  eifrig 
gepflegten  Umgangs  nicht  er,  sondern  Gramer  machte,  der  ihn  am  i'.  August 
1814  zuerst  besuchte.  Von  da  vergehen  nur  wenige  Tage,  an  denen  beide 
nicht  zusammenkamen.  Wir  wollen  die  gegenseitigen  Besuche  und  die  gemein- 
samen Spaziergänge  an  der  Hand  des  Tagebuchs  im  Einzelneu  verfolgen: 
die  mehrfach  beigefügten  Worte  geben  den  Gegenstand  der  Unterhaltung  oder 


der  Beschäftigung  an. 


Am  4.  August.  (Goethe)  „Bey  Bergr.  Kramer'''-')  Eisenstufen  der  Nass. 
Werke."  Es  wurden  also,  wie  es  bei  den  damals  so  eifrig  betriebenen  mine- 
ralogischen   Studien    Goethes    natürlich    war,    bergmännische    Gegenstände    bc- 


"^)  Weidenbach  in  den  Annalcn  des  nass.  Vereins  u.  s.  w.  X.  "jyi.  -  ''^  Staats- 
archiv zu  Wiesbaden.  -  i'«)  Neuer  Nekrolog  X  (1832),  S.  124  ff.  -  '^^  rrnn.er  wohnte  in 
dem  fiskalischen  Gel)äude,  das  jetzt  das  .\n.ts-ori.ht  beherberst  und  gegenüber  dem  Vorschus.s- 
vereinsgebäude  liegt;  es  war  eins  der  ersten  Häuser  der  Friodrichsstrassc,  die  unter  der 
Ke-ierung  des  Herzogs  Friedrich  August  (lSU;!-lSltl)  erbaut  wurden:  vom  14.  November  bis 
2.  Dezember  hatte  in  demselben  bei  Cranier  der  General  York  seine  Wohnung.  Sauer,  niiicher.<^ 
Ubei-gang  über  den  Rhein,  S.  23. 


110 

sprochen  und  Cramers  Mineraliensammlung  besichtigt;  aus  dem  folgenden  Ein- 
trag des  Tagebuchs  scheint  hervorzugehen,  dass  Gramer  sein  Werk  über  Alten- 
kirchen Goethe  mitgeteilt,  vielleicht  zum  Geschenk  gemacht  hat.  Im  Goethe- 
Archiv  zu  Weimar  findet  sich  ein  Faszikel  mit  der  Aufschrift  „Geognosie  und 
Oryktognosie  des  Herzogturas  Nassau  1814",  in  welchem  sich  Aufzeichnungen 
meist  von  Cramers  Hand,  die  mineralogische  Litteratur  Nassaus  betreffend, 
SuitenverzeicKuisse  und  eine  Übersicht  über  Cramers  Mineraliensammlung  vor- 
finden.'««) 

8.  August.  „Altenkircheu  von  Cramer."  vor  dem  Bad;  Goethe  eröffnete 
also  seine  Tagesarbeit  —  nach  einem  vorher  angemerkten  Besuche  Zelters  — 
mit  der  Lektüre  von  Cramers  Buch  über  Altenkirchen.  Nach  der  Mittagstafel 
bei  Minister  v.  Marschall  heisst  es:  „Bei  Bergr.  Gramer",  und  am  Schlüsse: 
„NB.  Moltern.  Bergm.  Ausdruck.  Siehe  Cramers  Beschreibung  des  Nass.  Us. 
Berg  pp.  Wesens  1805,  p.  86  §  55.  Mollkauten.'«')  Moll  Maulwurf.  Moll- 
hubel  Maulwurfshügel."  Diese  ihm  unbekannten  Worte  entnahm  Goethe  der 
bezeichneten  Stelle,  wo  es  heisst:  „Höchst  wahrscheinlich  geschah  die  allererste 
Arbeit  unter  der  Oberfläche  der  Erde  mit  sogenanntem  Moltern  oder  mit 
Aufsuchen  der  von  Hauptgängen  abgeworfenen  Geschiebe.  Dies  war  jedoch 
wohl  hauptsächlich  oder  vielmehr  ausschliesslich  bei  den  wichtigsten  Eisenstein- 
gäugen  der  Fall  .  .  .  Dass  das  sog.  Moltern  in  der  Vorzeit  geschehen  sein  soll, 
beruht  freilich  blos  auf  mündlichen  Sagen,  die  aber  .  .  .  durch  das  Ansehen  der 
Erdoberfläche  in  der  Nähe  Nvichtigta-  Eisensteingänge  volle  Glaubwürdigkeit 
erhalten  .  .  .  Man  sieht  hier  mehrere  hundert,  ich  möchte  wohl  sagen  tausend 
kleine  Vertiefungen  oder  Kauten  (hier  sog.  Mollkauten),  woraus  jene  Geschiebe 
gefördert  wurden."  Nachdem  dann  als  Zeitgrenze  in  §  56  der  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  vermutet  ist,  wird  das  Wort  moltern  auf  Moll  =  Maulwurf 
zurückgeführt,  indem  Moll  ein  provinzieller  Ausdruck  für  dieses  Tier  sei  und 
seine  aufgeworfenen  Hügel  Mollhübel  genannt  würden.  Hier  haben  wir  alle 
von  Goethe  angemerkten  Worte  wieder.  Wir  können  uns  übrigens  der  Deutung 
und  Ableitung  der  Worte,  wie  sie  Gramer  hinstellt,  nicht  ganz  anschliessen. 
Moltern  freilich  wird  nicht  von  Molter  zu  trennen  sein,  einem  Wort,  welches 
noch  in  Hessen  und  Nassau'*-)  neben  Moltruff,  Molteroff  u.  a.  statt  des  hoch- 
deutschen Maulwurf  vorkommt,  ursprünglich  Moltvverf  =  das  die  Erde,  Molte, 
aufwerfende  Tier"^);  von  diesem  Molter  kommt  dann  auch  Molterhauf  =  ein 
vom  Maulwurf  aufgeworfener  Hügel'«*)  und  Molterhübel.  Aber  mit  Moll  scheint 
es  anders  zu  stehen;  es  wird  zwar  dialektisch  in  einzelnen  Gegenden  Mol, 
eigentlich  Molch,  Eidechse,  statt  Maulwurf  gebraucht'«^),  aber  in  dem  Sayni- 
schen  Gebiet  soll  dies  nicht  der  Fall  sein,  wie  von  glaubwürdiger,  der  dortigen 
Landessprache  kundiger  Seite   versichert  wird.'«*')    Hingegen  ist  die  Herleitung 


"*"j  Anmerkung  zum  Tagebuch,  S.  S.IG.  —  '*')  So  muss  gelesen  werden,  nicht  Moll- 
kannten, wie  das  Tagebuch  hat.  S.  die  gleich  folgende  Stelle  aus  Cramers  Werk.  —  "^)  Kehr- 
cin,  Volkssprache  und  Wörterbuch  in  Nassau,  S.  281.  —  '*^)  Lexcr,  Mittelhochdeutsches 
Wörterbuch  III,  740.  Heyne  in  Grimms  deutschem  Wörterbuch  VT,  2477.  —  •^*)  Kehrein, 
S.  282.  —  "^^)  Lexer,  u.  d.  Wort,  Heyne  in  Grimms  deutschem  Wörterbuch  VI,  2476.  — 
'"^j  Auch  K  eh  rein  hat  das  Wort  niclit. 


des  Wortes  Mollkaute  vou  mlid.  ]\rolte  oder  Multc,  jetzt  Mulde,  Stauli,  Knie 
an  sich  viel  eiuleuehtender  und  verstündlicher,  also  =  Erdkaute,  und  Moll- 
hübel  =  Erdhügel.  Doch  wir  kehren  nach  dieser  Abschweifung  /ii  unserer 
Aufgabe  zurück. 

Am  9,  August  begleitete  Gramer  seinen  neuen  Freund  /u  de  IjaspL-c.  "'^) 
Am  10.  August  sagt  das  Tagebuch:  „Zu  Bergr.  Gramer.  Steinarten  bis  /n 
Ende";  am  11.:  „Bei  Bergm.  Gramer";  am  12.:  „Garte  von  AUenkirclien." 
Eine  Karte  von  Altenkirchen  ist  dem  Buche  von  Gramer  nicht  beigegeben,  ulier 
in  einem  Faszikel  des  Goethe-Archivs  zu  Weimar,  „Papiere  auf  die  Reise  am 
Rhein,  Mayn  und  Neckar  im  Jahre  1844,  bezüglich",  befindet  sich  u.  a. 
verzeichnet  ^^^):  „Gharte  von  Altenkirchen.  Bergrath  Gramers  Literatur  jener 
Bergwerke."  An  demselben  Tage:  „Zu  Berg.  R.  Gramer.  Marmor  Tische.  Be- 
sonders Kupfer  Stufen,"  —  13.  August:  „Bey  Oberbergr.  Gramer.  Bley"; 
Sonntag  den  14.:  „Mit  0.  B.  R.  Gramer  zurück"  von  Biebrich.  Die  folgenden 
Tage,  15.,  16.  u.  17.,  nehmen  den  Ausflug  nach  Rüdesheim  und  zu  dem  Rochus- 
fest in  Gesellschaft  vou  Gramer  und  Zelter  ein;  am  19.  heisst  es  wieder:  „Hey 
Gramer,  Die  letzteren  Metalle";  am  20.:  „Zu  Bergr.  Gramer",  Sonntag  den  21.: 
„Berg  R.  Gramer",  den  22.:  „Bey  Gramer",  den  23.:  „Bey  Gramer  catahigirt. 
Im  Garten."  Nach  einer  Pause  während  der  Anwesenheit  des  Grossherzogs 
und  anderer  Besuche  kommt  erst  am  30.  Gramer  wieder  zu  Goethe,  und,  nach 
dessen  Rückkehr  aus  dem  Rheingau,  am  9.  September  mit  llundeshagen,  in 
deren  Begleitung  er  einen  Spaziergang  zu  den  „Kalksteinbrüchen  des  Mühl- 
thales"  macht;  am  10.  hilft  des  Morgens  Gramer  die  Mineralien,  die  Goethe 
gesammelt  hatte,  einzupacken,  des  Nachmittags  die  Kasten  zuzuschlagen; 
den  letzten  Abend  vor  der  Abreise,  Sonntag  den  1 1 .,  widmet  der  scheidende 
Gast  dem  zurückbleibenden  neugewonnenen  Freunde,  wohl  wie  im  folgenden 
Jahr  in  der  Familie. 

Hatte  mit  der  Abreise  Goethes  auch  der  persönliche  Verkehr,  den,  wie 
man  sieht,  dieser  noch  mehr  aufsuchte  als  Gramer  und  bei  dem  er  mehr  der 
Empfangende  als  Gebende  war,  für  jetzt  aufgehört,  so  blieb  die  einmal  auge- 
knüpfte Verbindung  doch  bestehen.  Am  23.  September  schreibt  Goethe  einen 
Brief  zu  Frankfurt  an  Gramer  und  übersendet  ihm  eine  Kupferlasur  von  Ghesy, 
und  der  Anfang  des  neuen  Jahres  vergeht  nicht,  ohne  dass  sie  einander  be- 
grüssten,  Goethe  am  9.  Januar  1815,  Gramer  am  3.  Februar, 

Nicht  ungleich  verlief  der  Sommer  1815,  nur  dass  man  jetzt  den  Bodürf- 
nissen  nach  geselliger  Unterhaltung  und  Spaziergängen  mehr  Rechnung  trägt, 
ohne  jedoch  der  Wissenschaft  Abbruch  zu  thun.  Namentlich  wird  jetzt  der 
Geisberg  vielfach  das  Ziel  der  Ausgänge.  Nach  dem  ersten  Besuche  Goethes 
am  28.  Mai  und  dem  Gegenbesuche  Gramers  am  29,  folgt  am  30.  sogleich  ein 
Spaziergang  auf  den  Geisberg,  ebenso  am  1.  Juni,  wo  man  „spät  herein"  kam. 
Am  2.  wurden  „Mineralien  besichtigt,  Rheinbreitenbacher  ^«^)  Produkte,  phosplu.r- 
s[aures]  Kupfer,    dergl.  Bleye,    blätteriger  Malachit";    am    3.    ist   die  Rede  von 


'")  S.  unten  bei  de  Laspee.  —  '"^j  Anmerkung  zum  Tasel)ucli,  S.  y.'i«.  —  ""•)  Klu-in- 
breitbach,  Dorf  im  Amtsbezirk  Neuwied. 


Gebirgsarten  und  Versteinerungen.  Sonntag  den  4.:  „Mittag  Bieberich  mit 
O.  B.  K.  Cramer'';  der  5.  und  10.  führt  wieder  auf  den  Geisberg,  am  6.  und^S. 
ist  blos  der  Name  0.  B.  R.  Cramer  angemerkt.  Am  13.:  „0.  B.  R.  Gramer. 
Ländertauseh.^'-*")  Vorher  Spaziergang  gogen  den  Cursaal";  am  14.:  „Bey  Bergr. 
Gramer.  Bleyerze";  am  15.  „0.  Berg  R.  Gramer.  Geisberg";  am  17.:  ,.()b.  B.  R. 
Gramer;  in  die  Steinbrüche,  drohendes  Gewitter" ;  am  18.:  „Gramer  Steinbruch. 
\ioletter  Qnarz.  Gursaal";  am  19.  abermals  zu  den  Kalkstei'ibrüchen  mit 
Gramer;  der  20.  führt  wieder  zum  Geisberg  mit  Gramer.  Am  23.  bildeten  die 
Nachrichten  von  dem  Verluste  der  Nassauer  in  der  Schlacht;  bei  Waterloo  den 
Stoff  des  Gesprächs,  aber  auch  Eisenminer[alie|n,  am  24.  die  mineralogische 
Beschreibung  des  Frauenberges ^^')  im  Fürstentum  Hessen  von  Ullmann.  An 
die  Lektüre  dieses  Buches  schliesst  sich  für  Goethe  das  Studium  einer  ganzen 
Reihe  von  bergmännischen  Schriften  an,  das  ihn  an  vielen  Tagen,  vom  28.  Juni 
bis  19.  JuU  beschäftigt,  namentlich  seitdem  die  Einladung  der  Herrn  v.  Stein 
an  ihn  ergangen  und  eine  Lahnreise  geplant  war.  Es  sind  dies  die  Bücher 
von  Hüvel,  Becher'*-),  Schmidt,  Werner  und  schliesslich  die  Karten  des 
Werkes  von  dem  Erzherzoge  Karl.  ^^^)  Dabei  setzte  man  indessen  die  gesel- 
ligen Zusammenkünfte  nicht  aus.  Nachdem  noch  einmal,  am  26.  Juni,  „Mine- 
ralien bezeichnet"  w^orden  waren,  folgte  am  29.  ein  Ausflug  „mit  Gramers  auf 
die  Papiermühle",  am  1.  Juli  ein  Spaziergang  mit  Gramer  auf  den  Geisberg, 
dem  das  Gedicht  im  Divan  „dem  Kellner  und  dem  Schenken"  ^^*)  Ursprung 
oder  Bearbeitung  verdankt.  Was  die  „Geschichte  mit  dem  Quasi  Vetter",  die 
am  Morgen  des  4.  Juli  und  die  „mit  dem  Anmaslichen,  auf  dem  Geisberg," 
welche  am  Nachmittag  desselben  Tages  verzeichnet  ist,  zu  bedeuten  habe,  ist 
nicht  ersichtlich  und  unseres  Wissens  nicht  bekannt;  vielleicht  dass  ein  noch 
ungedruckter  Brief  darüber  Licht  verbreitet.  Am  5.  Juli  wird  ein  Ausflug  auf 
den  Nürnberger  Hof  mit  Gramer  besprochen,  am  6.  in  Gesellschaft  von  dessen 
Familie  ausgeführt. ^'-^^j  10.  Juli:  „Bey  Gramer";  11.:  „Mit  Gr[amerl  und 
Schl[osser]  Geisberg";  14.:  „Bey  Gramer";  15.:  „mit  Gramer  Geisberg"; 
17.:  „Briefe  mit  Gramer  eingepackt;"  am  20.  wird  wohl  mit  Gramer  der  Plan 
zur  Lahnreise  endgiltig  festgestellt  und  diese  am  21.  angetreten. '^^) 

Nach  der  Rückkehr  von  der  Reise  wird  der  Verkehr  mit  Gramer  belebter 
durch  die  Ankunft  Buisserees,  der  sich  vielfach  zu  ihnen  gesellt;  nur  noch 
zweimal  treffen  wir  Gramer  allein  bei  Goethe,  am  1.  und  8.  August;  am  5. 
sind  die  drei  Freunde  zusammen  auf  dem  Geisberg,  wo  Gramers  jüngste  Tochter 
ihre  Rechenkunst  vorführt.  Am  (j.  und  7.  sind  sie  bei  Goethe;  nachdem  am 
9.  Gramer  des  Abends  einen  Abschiedsschmaus,  der  bis  ein  Uhr  bei  Punsch 
dauert'^^),  gegeben,  trennen  sie  sich  am  10.  August. 

Aber  auch  diesmal  überdauert  der  briefliche  Verkehr  den  persönlichen, 
und  er  erstreckt  sich  noch  über  eine  ganze  Reihe  von  Jahren;  gesehen  haben 
sie  sich,  wie  es  scheint,    nur    noch    einmal,    am    28.    August,    wo    Gramer    den 


""'j  S.  unten  So.  9,  G.  —  '^')  So  ist  zu  lesen  statt  Franckenb.  im  Tagebuch;  s.  No.  10 
unter  dem  24.  Juni.  —  "'^j  So  ist  statt  Becker  im  Tagebuch  zu  lesen;  s.  No.  10.  —  ■®*)  S.  die 
Lahnreise  in  Xo.  0  und  Lektüre  (No.  10).—  '^*)  S.  Divaii  in  Xo.  11.  —  '•'^)  S.  unter  Phil. 
Lade  in  No.  8.  —   '**)  S.  in  Nu.  !t,  Lahnreise.  —   '")  Hoisseroe  1,  26.5  f. 


113 

Freund  in  Frankfurt  besuchte. '^'^)  A'un  Briefen  (iuethes  iindeu  wir  im  Tage- 
buch  verzeichnet  einen  vom  19.  August  IS] 5,  vom  20.  Januar  und  li.  NO- 
veraber  181G.  Bekannt  sind  noch  einer  von  Cramcr  vdni  2(1.  Nuvomber  l.s22. 
von  Goethe  vom  28.  Dezember  1822.'^^) 

Urteile  über  Gramer.  In  dem  Aufsatz  über  „Kunstschätze  am  Jihcin" 
u.  s.  w.  widmet  Goethe  dem  Oberbergrat  folgende'  Worte:  „Das  C'abinet  des 
Oberbergraths  Gramer  ist  ein  vorzüglicher  Schmuck  dieses  ( )rtes  |  Wicsbadensl. 
Es  enthält  eine  vollständige  systematische  Folge  der  Mineralien  und  ausserdem 
belehrende  Prachtstücke  aus  den  wichtigen  Bergwerken  des  Westerwaides, 
Der  gefällige,  theoretisch  und  praktisch  gebildete  Besitzer,  auch  als  S(-hiift- 
steller  seines  Faches  geschätzt,  widmet  Curgästeu  und  Durchreisenden  jede 
freie  Stunde  zur  Unterhaltung  und  Unterricht."  Und  in  den  Annalen  1814: 
„Naturwissenschaft  wurde  sehr  gefördert  durch  gefällige  Mittheilung  des  Ober- 
bergrathes  Gramer  zu  Wiesbaden  an  Mineralien  und  Notizen  des  Bergwesens 
auf  dem  Westerwalde."  In  einem  Briefe  an  den  Staatsrat  Schultz  vom  11.  Sep- 
tember 1825-°*')  zollt  er  der  eifrigen  Thätigkeit  und  den  geselligen  Tugenden 
Cramers  zugleich  Anerkennung,  indem  er  ihn  einen  wackeren  Lebemann  nennt, 
der  seine  Thätigkeit,  auch  aus  den  Geschäften  zurückgezogen,  nicht  lassen 
werde.  Bei  Boisseree  heisst  er  in  einem  Briefe  vom  14.  Januar  1816^'")  der 
gute  verständige  Oberbergrath.  Gramer  aber  gab  seiner  Verehrung  für  den  hohen 
Freund  dadurch  Ausdruck,  dass  er  ein  besonders  schönes  Mineral  des  Wester- 
waldes  Goethit  benannte,  ein  Name,  den  Lenz  in  die  Wissenschaft  einzuführen 
suchte,  der  sich  aber  nicht  behauptete;  es  ist  der  sogenannte  Kubinglimmer, 
jetzt  unter  dem  Namen  Pyrrhosiderit  bekannt,    wie  Goethe  selbst  berichtet.**'-) 

Endlich  mögen  auch  die  späteren  Lebensschicksale  Cramers  kurz  berührt 
w'erden.  Infolge  der  neuen  Organisation  der  nassauischen  Verwaltung  und 
Justiz  nach  der  Erwerbung  von  oranischen  Landesteilen  wurde  Cramcr  im 
Jahre  1815  an  das  Hofgericht  zu  Dillenburg  versetzt,  und  zwar,  wie  es  scheint, 
gegen  seinen  Willen.  Nach  sechs  Jahren  nahm  er  seinen  Abschied  und  siedelte 
nach  Wetzlar  über,  wo  er,  nach  einem  vorübergehenden  Aufenthalt  zu  Marburg 
von  1828 — 1831,  am  28.  Mai  1832  starb.  Einen  ehrenvollen  und  vorteilhaften 
Ruf  des  preussischen  Finanzministers,  der  ihm  die  Stelle  eines  Direktors  uml 
Bergrichters  im  Siegener  Bergrevier  anbot,  hatte  er  abgelehnt.  Seine  wert- 
volle Mineraliensammlung  erwarb  die  preussische  Regierung  für  die  neugestiftete 
Universität  Bonn;  sie  war  in  acht  Schränken  untergebracht  und  nach  Goethes 
Aufzeichnungen  wenigstens  zum  Teil  unter  dessen  Alithilfe  geordnet.  Vielleicht 
in  Voraussicht  seiner  Versetzung  nach  Dilleuburg  entschloss  sich  Gramer  wegen 
der  Schwierigkeit  —  er  sagt,  wegen  der  Unmöglichkeit  —  des  Transportes  und 
aus  anderen  Gründen  diese  LiebHngsschöpfuug  seiner  Studien  zu  verkaufen."")  Da 


*°^)  Boisseree  I,  270.  —  "'®)  Bratranek,  Ooetlies  naturwissenschaftliche  Korrespon- 
denz I,  96  fF.  —  -"")  Düntzer,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Schultz,  S.  :129.  — 
'"")  S.  Boisseree  II,  100.  —  ^''2)  Goethe,  Zur  Morphologie,  llempel,  :{.{,  «.»7.  Vgl.  Hflus- 
mann,  Handbuch  der  Mineralogie  II,  1,  'M'i-i,  l{")7.  Creizcnach,  a.  a.  Orte  S.  :{2.  Der 
Name  des  Minerals  ist  Pyrrhosiderit,  nicht  Pyrosidorit,  wie  Goethe  seihst  schreibt,  von  -tlyö'., 
feuerrot  (nicht  von  -Jv/>  und  o'or.po;,  Eisen.         '■"'^)  Staatsarchiv  /.u   Wieebaden, 


114 

musste  er  nun  ti'aurige  Erfalirungen  machen.  Zuerst  trat  er  in  Verhandlung 
mit  der  Universität  Heidelberg,  welcher  jedoch  der  Preis  von  9000  fl.  —  so 
hoch  schätzte  er  die  Sammlung  —  zu  teuer  gewesen  zu  sein  scheint.  Nunmehr 
wandte  er  sich  am  7.  August  1815  an  die  nassauische  Regierung,  der  er  die 
Gelegenheit  zur  Gründung  eines  Museums  geben  wolle.  Von  der  ersten  Forderung 
von  8000  fl.  sank  er  stufenweise  bis  zum  schliesslichen  Angebot  von  3000  fl. 
herab  (28.  Juli  1819).  Als  auch  dieses  abgelehnt  wurde,  schloss  er  mit  der 
preussischen  Regierung,  welche  2500  fl.  geboten  hatte,  endlich  ab!  Bis  zu 
diesem  Zeitpunkte  hatten  die  acht  Schränke  zu  "Wiesbaden  in  einem  Lokale 
der  Regierung  mit  deren  Genehmigung  einen  Platz  gefunden.  Mittlerweile 
hatte  Cramer  zu  Dilleuburg  und  Wetzlar  eine  zweite  Sammlung  angelegt,  die 
er  —  ebenfalls  ohne  Erfolg  —  im  Jahre  1828  der  nassauischen  Regierung  als 
Grundstock  einer  Mineraliensammlung  des  Gymnasiums  zu  Weilburg  anbot  — 
zugleich  mit  seiner  mineralogischen  Bibliothek;  aber  auch  die  1000  fl.,  welche 
er  hier  forderte,  erschienen  zu  viel. 

4.  Bibliothekar  Ilundeshagen. 

Über  Hundeshagens  Beziehungen  zu  Goethe  ist  in  dem  Goethe-Jahrbuch 
von  1885  (VI.  S.  125  ff.)  eine  Abhandlung  von  L.  Geiger  erschienen,  und  eine 
ausführliche  Biographie  von  J.  Noll  in  dem  Osterprogramm  des  Königlichen 
Kaiser-Friedrichs-Gymnasiuras  zu  Frankfurt  a.  M.  1891  veröffentlicht.  Wir 
glauben  indessen  durch  diese  Arbeiten  einer  näheren  Beleuchtung  seines  Ver- 
kehrs mit  Goethe  nicht  enthoben  zu  sein. 

Ilelfrich  Bernhard  Hundeshagen  aus  Hanau  (1784 — 1849)  hatte  sich 
bald  nach  Beendigung  seiner  Studien  durch  eine  Arbeit  über  die  alte  gotische 
Kapelle  zu  Frankenberg  (1808,  Frankfurt  a.  M.)  nicht  unvorteilhaft  bekannt 
gemacht  und  kurz  nachher  eine  grössere  Behandlung  der  ehemals  freien  Stadt 
Gelnhausen  und  des  dortigen  Kaiserpalastes  in  Angriff  genommen,  zu  deren 
Drucklegung  er  bereits  im  Jahre  1810  Subskribenten  zu  gewinnen  begann. 
Als  das  Werk  druckfertig  in  der  Druckerei  des  W^aisenhauses  seiner  Vater- 
stadt lag,  ging  es  mit  Ausnahme  der  Kupfertafeln  infolge  des  Brandes,  den  die 
Beschiessung  der  Stadt  durch  Napoleon  am  30.  Oktober  1813  veranlasste,  mit 
dem  Waisenhause  in  Flammen  auf. 

Als  dies  geschah,  war  Hundeshagen  nicht  mehr  in  Hanau;  Ende  des 
Jahres  1812  war  er  nach  Wiesbaden  berufen  worden  zur  Herstellung  einer 
topographischen  Karte,  zur  Beihilfe  bei  der  Aufsicht  über  die  zu  errichtende 
Regierungsbibliothek  (jetzt  Landesbibliothek)  und  zur  Erteilung  von  Unterricht 
an  der  Militärschule,  wurde  dann  am  3.  Juni  1813  zum  Bibliothekar  an  der 
Regierungsbibliothek  ernannt;  da  er  im  Frühjahr  1814  bei  dem  deutschen  General- 
bewaffnungskommando zu  Frankfurt  beschäftigt  wurde,  erhielt  er  zugleich  die 
Erlaubnis  die  Divisionsabzeichen  eines  Hauptmanns  der  Landwehr  zu  tragen 
und  wird  wohl  auch  Hauptmann  genannt.  Indessen  fesselte  ihn  die  letzte 
'i'hätigkeit  nicht  lange  auswärts;  im  Sommer  sehen  wir  ihn  wieder  zu  Wies- 
bailen,  wie  es  scheint,  mit  Herstellung  seines  Werkes  über  Gelnhausen  und 
anderen  litterarischen  Plänen  beschäftigt;  jenes  trat  erst  im  Jahre  1819  an  das 


115 

Licht  unter  dein  Titel:  Kaiser  Friedrichs  Barbarossa  Palast  iu  der  Burg  zu 
(«elnhausen  ....  Zweite  Auflage,  mit  XIII  Kupferabdrücken.  Die  Alibildungen 
der  Burg  sind  jetzt,  da  mittlerweile  diese  mancherlei  Schaden  erlitten  hat, 
noch  immer  sehr  schätzenswert. 

In  dieser  Stellung  und  dieser  Thätigkeit  war  Ilundeshagen,  als  Goethe 
zu  Wiesbaden  eintraf.  Sein  Name  war  ihm  nicht  unbekannt,  nicht  nur  weil 
Zelter  seine  Kenntnisse  und  Bestrebungen  gerühmt  hatte'"*),  sondern  auch  weil 
Ilundeshagen  mit  H.  Meyer  in  Weimar  bereits  im  Jahre  1808  Verbindung 
angeknüpft  und  ausdrücklich  am  3.  November  1808  um  Mitteilung  seiner  Ab- 
handlung über  eine  Eiitwickelung  der  Theorie  der  griechischen  Baukunst  an 
(ioothe  gebeten  hatte:  Gründe  genug,  die  Goethe  zu  dem  Wunsche  bestimmen 
konnten,  den  Mann  persönlich  kennen  zu  lernen,  für  Ilundeshagen,  sich  dem 
Meister  persönlich  vorzustellen  und  seine  „Varietäten  von  Kunst  und  Natur" 
vorzulegen. 

So  finden  wir  denn  den  Namen  Ilundeshagen  oft  in  dem  Tagebuch 
erwähnt,  zuerst  am  1.  August  1814:  „Mittag  Hundeshagen ",  am  4.  (Nachmittag): 
„Mit  Hundeshagen  an  den  Cursaal."  Am  5.  ist  schon  zu  seinem  Namen 
„Fried.  Barbarossa"  gesetzt,  sodann  noch  zwei  Bemerkungen,  die  von  Interesse 
sind,  zunächst  diese:  „Hiesige  Verhältnisse."  Damit  soll  unstreitig  angedeutet 
werden,  dass  Hundeshagen,  vielleicht  in  ungesuchter  Zuvorkommenheit,  Goethe 
über  die  Wiesbadener  Persönlichkeiten  zu  unterrichten  und  auf  dessen  Verhalten 
zu  ihnen,  Besuche  u.  s.  w.  Einfluss  zu  gewinnen  suchte;  und  wenn  wir  be- 
denken, dass  seine  Urteile  später  höchst  ungünstig  lauteten  und  Massregeln 
gegen  ihn  hervorriefen,  so  dürfen  wir  wohl  vermuten,  dass  sie  auch  damals 
schon  nicht  allzu  günstig  waren  und  eine  gewisse  Voreingenommenheit  bei  Goethe 
hervorbringen  mochten,  soweit  dieser  sich  von  anderer  Leute  Urteil  beeinflussen 
Hess.  Ferner  die  Notiz:  „Georg  Churf.  v.  Saxen  Geschenk."  Sie  wirft  Licht 
auf  eine  Mitteilung  Hundeshagens,  dass  er  dem  Dichter  ein  schönes  altes  Bild, 
einen  Kurfürsten  von  Sachsen  und  seine  Gemahlin,  schenkte,  den  einzigen 
Überrest  seiner  ehemaligen  Gemäldesammlung.-"^) 

Am  G.  August  ist  Goethe  mit  dem  Studium  des  Palastes  von  Gelnhausen 
beschäftigt,  dessen  Abbildungen  vor  ihm  lagen,  sie  trugen  gewiss  wenigstens 
etwas  dazu  bei,  sein  Interesse  für  die  Kunst  des  Mittelalters,  der  er  sich,  wie 
wir  schon  früher  bemerkten,  ganz  entfremdet  hatte,  zu  beleben;  sein  Urteil 
über  die  Ruinen  hat  er  im  Tagebuch  auf  der  Reise  (s.  oben)  niedergelegt. 
Der  7.  August  enthält  blos  den  Namen  von  Hundeshagen;  am  10.  ist  die  Rede 
von  der  Tempelherrn-Kapelle  zu  Cobern  an  der  Mosel,  die  Ilundeshagen  im 
Jahre  1813  besucht  hatte  und  ähnlich  wie  den  Gelnhauser  Palast  bearbeiten 
wollte'-"**');  am  12.  von  den  „Gelnhauser  Kirchen"  (die  Pfarrkirche  iu  romanischem 
Stil    zur  Zeit   des  Übergangs   mit   elegantem  Chorbau,   drei  schlanken  Türmen 


^"*)  S.  o.  S.  69.  —  -0^)  Qoethe-Jahrb.  VI,  127,  mitgeteilt  von  L.  Geiger,  nur  ist  die 
Angabe  daselbst  unlmltliar,  dass  die  Schenkung  am  Geburtstage  Goethes  ISl.j  stattgefunden 
habe,  an  welchem  dieser  Wiesbaden  schon  verlassen  hatte.  Das  Tagebucli  stellt  Tag  und 
Jahr  fest.  Der  Kurfürst  war  Joiiann  Georg.  Sieiie  die  Anmerkung  zum  Tagebuch,  S.  ;356,  — 
*"*)  S.  die  Anmerkung  zum  Tagebuch,  S.  H57. 


110 

iiud  zierlich  durchbrocheneu  Gallerien);  am  13.  betrachtet  Goethe  bei  llundes- 
hagen'"')  eine  grosse  Stromkaite  des  Rheins.  Von  da  an  bis  zum  9.  September 
stockt  der  Verkehr;  an  diesem  und  dem  folgenden  Tage  ist  der  Name  llundes- 
hagen  wieder  im  Tagebuche  notiert. 

Im  Winter  des  Jahres  1815  schickt  llundeshageu  au  Goethe  einen  Ab- 
druck seines  Planes  von  Mainz,  „den  ersten,  welcher  aus  meinen  Händen 
kommt",  so  berichtet  er  in  dem  Brief  vom  15,  Februar  1815"°');  „möchte  sich 
Ihren  herrlichen  Ideen,  fügt  er  bei,  und  umfassenden  durchdringenden  Begriffen 
das  Resultat  meiner  umfassenden  Beschäftigungen  wenn  auch  im  kleinsten 
Massstabe  anschliessen,  dann  könnte  icli  ihm  für  mich  den  grössten  Wert  bei- 
legen." Zugleich  bittet  er  um  Verteilung  einiger  beiliegenden  Exemplare  des 
Werkes  an  Weimarer  Freunde,  ein  W^unsch,  dem  Goethe  entsprach. 

Im  Sommer  1815  erscheint  sein  Name  weniger  häufig  im  Tagebuch  (am 
27.  Mai,  2.,  5..  17.  Juni  und  5.  August),  auch  sind  die  Gegenstände  der  Unter- 
iialtung  nicht  angegeben;  doch  wir  würden  irren,  wenn  wir  annehmen  wollten, 
der  Verkehr  sei  minder  lebhaft  gewesen.  Goethe  las  in  diesem  Jahr  vornehm- 
lich während  des  Monats  Juni,  wie  er  im  Tagebuch  bemerkt  und  in  anderwärts 
mitteilt,  eine  Reihe  der  Göttinger  gelehrten  Anzeigen  und  anderer  Zeitschriften 
oder  Bücher,  die  er  der  Bibliothek  entnahm,  teils  wie  es  scheint,  in  dem  Lokale 
derselben,  teils  in  seiner  Wohnung,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  er  auch  an 
Sonntagen  mit  deren  Lektüre  beschäftigt  ist.  Wir  dürfen  annehmen,  dass  die 
Werke,  welche  bergmännische  Sachen  behandeln,  meist  der  Bibliothek  Cramers, 
die  anderen  der  öffentlichen  Bibliothek  angehörten;  danach  wird  man  beurteilen 
können,  welche  Schriften  in  unserem  Verzeichnisse  unter  Lektüre  (No.  10)  den 
Diensten  von  Hundeshagen  verdankt  wurden. 

Wir  lassen  nunmehr  die  Äusserungen  Goethes  über  Hundeshagen  und 
die  Bibhothek  folgen.  In  dem  Aufsatze  über  die  „Kunstschätze  am  Rhein" 
u.  s.  w.  sagte  er:  „Hier  [in  Wiesbaden]  ist  in  gedachter  Rücksicht  [Sammlungen 
und  Bibliotheken]  schon  viel  geschehen  und  mehrere  aus  Klöstern  gewonnene 
Bücher  in  guter  Ordnung  aufgestellt.  Ein  altes  Manuskript,  die  Visionen  der 
heiligen  Hildegard  enthaltend,  ist  merkwürdig.-''^)  Was  neu  in  dieser  Anstalt 
angeschafft  wird,  hat  vorzüglich  den  Zweck  die  Staatsdiener  mit  dem  Laufenden 
der  litterarischen  und  politischen  Welt  bekannt  zu  machen.-'")  Sämtliche  Zeit- 
ungen und  Journale  werden  deshalb  vollständig  und  in  bester  Ordnung  gehalten. 
Dieses  geschieht  unter  der  Aufsicht  des  Herrn  Bibliothekar  Hundeshagen, 
welcher  dem  Publikum  schon  durch  die  Bemühungen  um  den  Palast  Friedrich  I. 
zu  Gelnhausen  rühmlich  bekannt  ist.     Leider  ist  die  ganze  vollendete  Ausgabe 


*"^)  Er  wohnte  in  dem  Gebäude,  welches  auch  die  Bibliothek  beherbergte,  einem  der 
.Schlossbaulichkeiten  auf  dem  Markte,  die  später  niedergelegt  wurden;  im  Jahre  1821  kam  die 
lüMiothek  in  das  ^luseum,  und  zwar  in  mehrere  Zimmer  ebener  Erde,  1850  in  ihre  jetzigen 
UÜumlichkeiton.  —  -'""j  Cioethe-Jahrh.  VI,  12G.  —  -"";  A.  v.  Linde,  Die  Handschriften  der 
Künigl.  i.andosbibliothek  zu  Wiesbaden.  —  F.  W.  E.  Roth,  Die  Codices  des  Scivias  u.  s.  w. 
in  den  Quartalidättern  des  histor.  Ver.  f.  d.  Grosshcrz.  Hessen  1887,  S.  18  ff.  —  '"')  Vgl.  die 
Verordnung  vom  12.  Oktober  lSi::i  im  Verordnungsblatt  1813,  S.  57,  und  die  Vorschriften  über 
Zweck,  Kinri.litung  und  Oeltrauch  ilcr  üfTeiitii<'hcn  Bibliothek  zu  Wiesbaden  vom  1.  November 
ISH  im  Allg.  Intelligpn/.blatt   islt,  S.  :{51. 


117 

dieses  Werkes  bei  dem  Bombardement  von  Hanau  verbrannt  wiewohl  die 
Kupfortafoln  gerettet  wurden;  deshalb  man  die  lloffnunf,'  nähren  kann  dass 
die  günstigere  Zeit  auch  die  lleife  dieses  Werkes  befördern  werde.  Der  iMaii 
der  Festung  Mainz,  von  jenem  talentvollen  Manne  herausgegeben,  zeugt  nicht 
weniger  von  Fleiss  und  Geschicklichkeit."  Und  in  den  Annalen  von  1815 
heisst  es:  „In  literarischer  Hinsicht  förderten  mich  nicht  wenig  (Jöttinger 
Anzeigen,  deren  ich  viele  Bände  auf  der  Wiesbadener  Bibliothek  antraf  und  sie, 
der  Ordnung  nach^"),  mit  gemüthlicher  Aufmerksamkeit  durchlas.  Hier  wird 
man  erst  gewahr,  was  man  erlebt  und  durchlebt  hatte  und  was  ein  solches 
Werk  bedeute,  das  mit  Umsicht  aus  dem  Tage  entsprungen  in  die  Zeiten  fort- 
wirkt. Es  ist  höchst  angenehm,  in  diesem  Sinne  das  längst  Geschehene  zu 
betrachten.  Man  sieht  das  Wirkende  und  Gewirkte  schon  im  Zusammenhange, 
aller  mindere  Werth  ist  schon  zerstoben,  der  falsche  Antheil  des  Augenblicks  ist 
verschwunden,  die  Stimme  der  Menge  verhallt,  und  das  überbliebene  Würdige 
ist  nicht  genug  zu  schätzen." 

Auch  in  dem  Reisebericht  an  F.  A.  Wolf  vom  November  1814  spricht 
sich  Goethe  anerkennend  über  Hundeshagen  aus,  indem  er  sagt:  „Herr  Haupt- 
mann und  Bibliothekar  Hundeshagen  hatte  zugleich  durch  antiquarische,  artistisch- 
literarische Mittheilung  am  Vergnügen  und  Nutzen,  die  ich  aus  meinem  Aufent- 
halt zog,  den  grössten  Antheil." 

Die  Hoffnungen  freilieb,  die  der  talentvolle  junge  Mann  in  ihm  erweckt 
hatte,  erfüllten  sich  nicht.  Derselbe  richtete  in  den  folgenden  Jahren  noch 
mehrere  Briefe  an  Goethe,  in  denen  er  von  seinen  wissenschaftlichen  Be- 
schäftigungen, insbesondere  dem  Funde  eines  Nibelungen-Kodex  und  der  Blos- 
legung  eines  römischen  Bades  zu  Wiesbaden,  Mitteilung  macht;  aber  er 
klagt  auch  bald  über  Zurücksetzungen,  die  er  zu  erdulden  habe.  Ende  des 
Jahres  1817  wurde  er  aus  seinem  Amte  zu  Wiesbaden  entlassen  und  siedelte 
zunächst  nach  Mainz,  dann  nach  Bonn  über,  wo  er  Vorlesungen  an  der  Universität 
hielt  und  eine  Professur  zu  erlangen  hoffte.  Noch  bis  zum  Jahre  1825  finden 
sich  einzelne  Briefe  an  Goethe  vor,  der  aber  dann  von  dem  „wunderlichen" 
Manne  sich  zurückzog,  welcher  auch  anderen  kein  Vertrauen  eintlösste''")  und 
immer  tiefer  sank,  bis  er  sein  Leben  im  Irrenhause  endete. 

5.  Apotheker  Otto. 

Dr.  Karl  Philipp  Otto-^"*),  geboren  zu  Grävenwiesbach  bei  Usingen,  hatte 
am  22.  März  1812  von  der  nassauischen  Regierung  die  Erlaubnis  erhalten  eine 

^")  Aber  nicht  der  chronologischen  Ordnung  nach,  wie  das  Verzeichnis  zeigt;  s,  No.  10. 
Auch  die  Zahl  der  gelesenen  Bände  ist  geringer,  als  man  nach  diesen  Worten  verniuton 
möchte.  —  '^^'^)  Auch  F.  G.  Welcker  nennt  ihn,  wie  Goethe  in  einem  Billot  an  Meyer  vom  'A.  Jan. 
1824,  das  hierher  zu  gehören  scheint  (Goethe- Jahrb.  VI,  136),  einen  wunderlichen  Mann,  der 
überall  seine  Netze  auswerfe,  um  einige  lukrative  Bestellungen  irgend  einer  Art  einzufangeu. 
Briefe  an  S.  Boisseree  vom  15.  August  1831.  S.  Boisseroe  I,  .'»TS.  —  -'^)  Die  naclifolgcn- 
den  biographischen  Notizen  sind  teils  dem  Staatsarchive  zu  Wiesbaden,  teils  Ottos  Schrift 
„Einleitung  in  die  wissenschaftliche  Chemie"  u.  s.  w.  entnommen.  Die  späteren  Lebensschiek- 
sale  desselben  berührt  kurz  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  in  den  Jaliren  isi;i— lS2i',  S.  117 
und  gibt  weitere  Litteratur  über  ilin  an. 

9 


118 

zweite  Apotheke  iu  Wiesbaden  zu  gründen  und  dieselbe  im  Juni  1813  eröffnet, 
ein  Unternehmen,  das  wohl  hätte  glücken  können,  da  die  Stadt  über  4000  Ein- 
wohner zählte,  wohl  bevölkerte  und  wohlhabende  Dörfer  in  der  Nähe  lagen  und 
die  Kur  im  Sommer  viele  Kranke  und  überhaupt  Fremde  zuführte;  dem  Be- 
dürfnis genügte  kaum  mehr  die  Ib.fapotheke,  welche  seit  1808  im  Besitz  des 
Apothekers  August  Lade  sich  befand.  Otto  hatte  im  Jahre  1800  seine  pharma- 
ceutisch-chemischen  Studien  mit  grossem  Eifer  begonnen  und  mit  ihuen  zugleich 
philosophische  verbunden  und  zwar  hauptsächlich  nach  den  Lehrbüchern  von 
Ch.  W.  Snell,  Rektor  des  Gymnasiums  zu  Idstein 2>*),  welcher  die  Lehren  des 
grossen  Königsberger  l^hilosophen  in  zahlreichen  Schriften  und  Reden  dem 
weniger  gebildeten  Publikum  zugänglich  und  verständhch  zu  machen  suchte; 
ihm  war  Otto  von  früher  Jugend  an  bekannt  und  erhält  von  ihm  das  Lob,  dass 
er  die  von  seinen  Fähigkeiten  gehegte  sehr  günstige  Meinung  nicht  nur  erfüllt, 
sondern  weit  übertroffen  habe.  Denn  dadurch,  dass  er  sich  bestrebte  Chemie 
durch  Philosophie  zu  befruchten,  kam  er  den  Anschauungen  Snells  entgegen, 
der  sich  in  der  Vorrede  zu  Ottos  Werk  also  darüber  ausspricht:  „Physikalische 
und  chemische  Beobachtungen  oder  Versuche  geben,  wofern  sie  nicht  durch 
Prinzipien  geleitet  und  nach  denselben  geordnet  werden,  nur  ein  totes  Aggregat 
von  Kenntnissen;  erst  dadurch  kommt  Geist  und  Leben  in  die  chaotische  Masse, 
dass  die  Erscheinungen  und  die  in  denselben  sich  offenbarenden,  dem  Anscheine 
nach  noch  so  verschiedenen  Kräfte  aus  einer  möglichst  geringen  Anzahl  von 
Grundkräften  als  aus  ihren  letzten  Quellen  abgeleitet  werden."  Dies  sei  dem 
Otto,  wie  auch  der  grosse  französische  Naturkenner,  Herr  Senator  BerthoUet, 
bezeuge,  in  seiner  Schrift  vortrefflich  gelungen. 

Von  dieser  Schrift  erschienen  zwei  Abteilungen  des  ersten  Bandes  schon 
in  dem  Jahre  1814'-^^);  die  Vorrede  Snells  ist  am  1.  April,  die  Vorerinneruug 
des  Verfassers  im  Juli  dieses  Jahres  geschrieben;  der  uns  vorliegende  erste  Teil 
trägt  die  Jahreszahl  181 G  und  führt  den  Ilaupttitel:  ..Einleitung  in  die  wissen- 
schaftliche Chemie  im  Geiste  von  Kants  und  Berthollets  Lehren  und  mit  critisch- 
philosophischer  Berücksichtigung  der  damit  in  Widerspruch  stehenden  Hypothesen. 
Als  Leitfaden  bei  Vorlesungen  und  beim  Selbststudium  für  in  diese  Wissen- 
schaften schon  Eingeweihete.  Mit  einer  Vorrede  begleitet  von  Dr.  C.  W.  Snell. 
Erster  theoretischer  Teil."  Wiesbaden  181G.  Der  Nebentitel  lautet:  „Beiträge 
zur  chemischen  Statik  oder  Versuch  eines  critisch-philosophischen  Commentars 
über  Berthollets  und  Anderer  neue  philosophische  Theorien.  Erster,  rein  theo- 
retischer Theil,  enthaltend  allgemeine  und  specielle  Critik  nebst  einer  apriorischen 
Daratellung  von  Berthollets  neuer  Theorie  nach  Kants  dynamischen  Principien 
sowie  den  Erweiterungen  des  Herrn  Fischer  und  Karsten  und  den  eigentüm- 
lichen des  Verfassers."  Um  Goethes  Interesse  an  dem  Buche  zu  erklären,  führen 
wir  aucli  die  Überschriften  der  Hauptteile  der  ersten  Abteilung  des  ersten 
Teils    (S.   1- -200),  diu    iiim    damals  gedruckt  vorlag,  an;    die  Überschrift   der- 

'"'^  Über  ihn  vgl.  Strieder,  Hess.  Gel.  s.  v.  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  u.  s.  w., 
S.  40.  —  '■'"')  Ankündigung  des  Verlegers  am  i:^..  August  1814.  Nass.  Intelligenzblatt  1814, 
No.  33. 


119 

selben  lautet:  „Allgemeine  critiscli-pliilosophisclie  Betrachtunf^en  über  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  der  Chemie  sowie  über  die  dynamische|n|  und  ato- 
mistisohe[n]  Systeme  und  Principien  der  Dalton-  und  Berz-diusschon  Lciirt'M 
u.  3.  w.  als  Einleitung  für  das  Ganze;  Cap.  1  :  über  das  Yorhältiiis  (Um-  Philo- 
sophie zur  Chemie;  2.:  über  die  dynamisch-  und  atomi.stisch-  mota]>hysische|ii| 
Principien  und  deren  Anwendung  auf  die  ersten  Gründe  der  Chemie;  Cap.  H: 
Kurze  historisch-critische  Übersicht  der  Bemühungen  zur  Begründung  einer 
rationellen  Theorie  der  Chemie."  Das  sind  allerdings  vielversprechende  Titel; 
der  Verfasser  des  Buches  glaubte  offenbar  eine  sichere  philosophische  (irund- 
lage  zur  wissenschaftlichen  Umgestaltung  der  Chemie  gefunden  zu  haben. 

Es  ist  zweifellos,  dass  Goethe  zuerst  durch  Ilundeshagen  auf  das  Buch 
Ottos  aufmerksam  gemacht  wurde,  und  nicht  zu  verwundern,  wenn  der  grosse 
Kenner  der  Natur  neugierig  wurde,  dieses  und  den  Verfasser  selbst  kennen 
zu  lernen.  Denn  am  Tage  nach  dem  zweiten  Gespräch  mit  jenem,  am  5.  August 
1814,  eilt  er  des  Morgens  zu  dem  Apotheker  Otto''*^*'),  und  notiert  im  Tage- 
buch: „Otto  chemische  Abhandl."  und  am  6.  ist  der  erste  Eintrag  in  demselben: 
„Otts  ehem.  Static."  An  demselben  Tage  besucht  ihn  Otto;  dabei  sind  ver- 
zeichnet die  Namen:  (Otto,)  „französche  (sie)  Pharmac.  Medecin  anglois. 
Chirurgien  fran^ais.  Pharmacie  allemande,"  verschiedene  Bezeichnungen,  die 
den  Gegenstand  der  Unterhaltung  gebildet  haben  mögen.  Es  scheint  aber  nicht, 
dass  der  Mann  befriedigende  Aufschlüsse  über  sein  System  gegeben  hat;  nur 
noch  einmal  wird  sein  Name  erwähnt  und  ohne  weiteren  Zusatz  am  20.  August. 

Was  die  weiteren  Lebensschicksale  Ottos  betrifft,  so  geriet  er  bald  nach 
Goethes  Abreise  in  Konkurs,  Anfang  Oktober;  über  seineu  wissenschaftlichen 
Arbeiten  und  Bauspekulationen  (er  erwarb  einen  Bauplatz  in  der  Friedriclus- 
strasse)  mag  er  sein  Geschäft  versäumt  haben,  das  nun  bald  in  andre  Hände 
überging.  Vergeblich  bewarb  er  sich  um  eine  Professur  in  Bonn.  Verfolgt 
von  Missgeschick,  verfiel  er  in  Geistesstörung  und  suchte  sich  an  seineu  ver- 
meintlichen Feinden  durch  Denunziationen  zu  rächen,  welche  schliesslich  die 
hüchstgestellten  Beamten  Nassaus  nicht  verschonten,  und  endete  schliesslich 
durch  Selbstmord. 

6.  Habel  zu  Schierstein. 

Der  nassauische  Hofkammerrat  Christian  Friedrich  Habel-^^),  geb.  1747, 
hatte,  nachdem  er  im  Jahre  1808  in  den  Ruhestand  getreten  war,  eine  Be- 
sitzung zu  Schierstein  gekauft  und  hier  seinen  Wohnsitz  aufgeschlagen.  Er 
war  während  seiner  Dienstzeit  fortwährend  wissenschaftlich  thätig  geblieben 
und  hatte  mehrere  Schriften  verfasst  oder  kleinere  Mitteilungen  in  Zeitschriften 
veröffentlicht;  nunmehr  gab  er  sich  ganz  seinen  Lieblingsbeschäftigungen  hin, 
welche  hauptsächlich  die  Altertümer  der  Heimat  und  Mineralogie  zum  Gegen- 
stande hatten;  für  beide  hatte  er  schon    früher  Sammlungen    angelegt,    die    er 

2«6)  Er  wohnte  nicht  weit  von  (ioethe  in  der  Langgasse.  -  ''')  Lebensnaclirichtcn 
über  die  beiden  Habel,  den  Hofkammerrat  Christian  Friedrich  und  den  Sohn,  Archivar  Fnod- 
rich  Gustav  Habel,   gibt  Schwartz  in  den  Annalen    des    nass.  Altertumsvereins  XI,  Vil   ft.  u. 

1S6  ff. 

9* 


120 

jetzt  durch  Ausflüge,  welche  er  z.  T.  mit  seinem  Freunde  v.  Gerning"*)  machte, 
zu  bereichern  suchte.  Die  mineralogische  Sammlung  brachte  er  auf  2100  Num- 
mern, die  er  in  ein  wohlgeorduetes  Verzeichnis,  einen  Quartband  von  Drei- 
Finger  Dicke  mit  einem  Rücken  von  Leder,  eigenhändig  eintrug.  Der  Tod  über- 
raschte ihn  am  20,  Februar  1814.  Sein  damals  zweiundzwanzigjähriger  Sohn 
Friedrich  Gustav  erbte  die  Liebhabereien  seines  Vaters  für  Altertümer  und 
Geschichte  und  wurde  später  ein  Mitbegründer  und  Hauptfürderer  der  Alter- 
tumsforschung und  des  Vereins  für  nassauische  Altertumskunde  und  Geschichts- 
forschung. Damals  (1814)  war  er  eben  von  der  Universität  zurückgekehrt  und 
wohnte  bei  seiner  Mutter  zu  Schierstein. 

Goethe  mochte  von  der  Habeischen  Sammlung  durch  Gramer  Kunde  er- 
halten haben  und  beschloss,  als  er  von  dem  Ausflug  nach  Rüdesheim  und  dem 
Rochusfeste  zurückkehrte,  dieselbe  in  Augenschein  zu  nehmen.  So  machte  er 
am  17.  August  1814  auf  der  Fahrt  von  Eltville  nach  Wiesbaden  zu  Schierstein 
Halt  und  trat  mit  seinen  Reisegefährten  Gramer  und  Zelter  bei  Habel  dem 
Sohne  ein.  Das  Tagebuch  bemerkt  „Habel  und  Gerning",  woraus  man  schliessen 
möchte,  dass  Geining  damals  bei  Habel  sich  aufgehalten  habe,  zumal  da  ein 
zweiter  Besuch  zu  Schierstein  nicht  mit  „und"  angeknüpft  wird.  Es  könnte 
sogar  möglich  sein,  dass  Gerning  den  Besuch  bei  Habel  vorbereitet  und  die 
Freunde  dort  erwartet  habe.  Habel  wusste  die  Ehre,  Goethe  in  seinem 
Hause  gesehen  zu  haben,  wohl  zu  schätzen;  noch  an  demselben  Tage  schickte 
er  ihm  ein  Mineral  zum  Geschenk,  welches  wahrscheinlich  dessen  besondere 
Aufmerksamkeit  erregt  hatte.  Wir  sind  durch  die  freundliche  Mitteilung  des 
Herrn  Pfarrers  L.  Conrad y,  eines  Neffen  des  Archivars  und  Schenkers,  in  den 
Stand  gesetzt,  dieses  Geschenk  noch  genauer  zu  bezeichnen;  es  war  in  dem 
Kataloge  unter  No.  1433  eingetragen  und  also  beschrieben:  „Röthl.  und  gelbl. 
Glaskopfartiger  Eisenstein  mit  gekipperten  Dendriten,  vom  Paulisch  Werk  bei 
Al|l|ondorf."  Dabei  ist  zugefügt:  „Dem  Herrn  Geh.-Rth.  v.  Goethe  aus 
Weimar  verehrt  den  16.  Aug.  14."  .Der  Tag  stimmt  freilich  nicht  mit  dem 
Tagebuch,  in  dem  zum  17.  angemerkt  ist:  „Sendung  von  Schierstein";  aber 
beide  Notizen  gehen  offenbar  auf  dieselbe  Thatsache,  und  da  eine  auf  einem 
Irrtum  beruhen  muss,  so  wird  man  sich  für  die  Richtigkeit  der  Tagebuchuotiz 
entscheiden,  da  kaum  anzunehmen  ist,  dass  die  Reise  nach  Rüdesheim,  nach 
Tisch  unternommen,  durch  einen  oder  vielmehr  mehrere  Besuche  in  Schierstein 
unterbrochen  wurde,  während  man  auf  der  Rückfahrt  den  ganzen  Tag  vor 
sich  hatte. 

Was  den  Eisenstein  selbst  und  seine  Herkunft  angeht,  so  erwähnt  Wenck 
in  der  hessischen  Laudesgeschichte -'■'j  und  Habel  in  Klipsteins  mineralogischem 
Briefwechsel  I.  1781  der  Eisensteinbergwerke  von  Allendorf  bei  Katzenelnbogen; 
Eisensteingrubeii  nebst  einem  llüitenwerk  hatte  kurz  vor  1740  der  Bergrat 
Wagner   angelegt    und  nachher  ein  gewisser  Pauli    aus  Köln  erworben,   woher 


*'*)  Gerning  nannte  nacli  ihm  eine  Quelle  oder  einen  Brunnen  Ilubelsborn  in  seinem 
Gedicht  „Die  Heilquellen  am  Taunus"  III,  96,  S.  12:)  und  rülimt  S.  235  seine  Verdienste  um 
die  Wissenschaft;  auch  .Schieratein  erführt  sein  Lob  III,   lüj  ff.  —    '•"*)  I,  1^7. 


121 

sie  den  Namen  Pauirsehe  Werke  erhielten."")  Zu  welcher  (J nippe  der  von 
Habel  genannte  Rot-  oder  Brauneisenstein  gehörte,  lässt  sich  au«  seiner  Be- 
schreibung nicht  wohl  feststellen. 

Goethe  erwies  sich  dankbar,  sei  es  für  das  Geschenk  oder  die  freundliche 
Aufnahme  in  dem  Ilabel'schen  llausc;  er  verehrte  dem  jungen  Habel  ein 
Exemplar  seiner  Dichtung  „Hermann  und  Dorothea",  das  später  leider  ab- 
handen gekommen  ist.  Die  Schwester  Habeis  aber,  nachher  Frau  des  Hof- 
kammerrats Conrady,  wusste  in  der  Folgezeit  ihren  Kindern  zu  erzählen,  dass 
Goethe  ein  schöner,  grosser  Mann  gewesen  sei.*^') 

Ausser  dem  Ilabelschen  Hause  besuchte  Goethe  in  Schierstein  auch  das 
der  Frau  v.  Hertling'^22')^  ^Ig^  Witwe  des  Freiherrn  Philipp  v.  Hortung  zu 
Frohnhof  und  Schierstein,  welcher  im  Jahre  1810  gestorben  war  uml  mehrere 
Söhne  hinterlassen  hatte;  ob  auch  einer  von  diesen  (der  älteste  war  1786 
geboren)  anwesend  war,  ist  nicht  ersichtlich.  Die  Frau  v.  llertling,  die  uns 
noch  einmal  begegnen  wird,  starb  im  Jahre  1843.223) 

7.  Hof  rat  Götz  zu  Rüdesheim. 

Der  nassauische  Beamte  zu  Rüdesheim,  Hofrat  Wilhelm  Friedrich  Götz, 
war  nicht  nur  für  Goethe  auf  dem  Weg  zum  Rochusfest  ein  freundlicher  „Ge- 
leitsmann" und  zuvorkommender  AVirt  (s.  unten  No.  9,  2),  sondern  er  besass 
auch  eine  Sammlung  von  Mineralien,  die  er,  noch  bevor  mau  den  Weg  zum 
Rochusberg  antrat,  dem  wissbegierigen  Jünger  der  mineralogischen  Wissen- 
schaft in  der  Frühe  des  16.  August  1814  vorzeigen  musste.  Über  diese  spricht 
Goethe  sich  nicht  weiter  aus  und  besuchte  sie  auch  nicht  wieder,  als  er  am 
Anfang  des  September  acht  Tage  in  dem  nahe  gelegenen  Winkel  weilte  und 
mancherlei  Spaziergänge  zur  Belehrung  und  Unterhaltung  nach  der  Umgegend 
machte.  Aber  von  dem  Besitzer  bemerkt  er  in  dem  „Rochusfest"  mit  sicht- 
licher Befriedigung,  dass  die  Begegnenden  ihn  alle  freundlich  begrüssten  und 
rühmten,  wie  er  wesentlich  zu  dem  Gelingen  der  Feier  beigetragen  habe.  Götz 
wurde  im  folgenden  Jahre  von  Rüdesheim  versetzt  und  starb,  nachdem  er 
mehrere  höhere  Staatsämter  zu  Wiesbaden  und  Dillenburg  bekleidet  hatte,  als 
Geheimerat  und  Mitglied  des  Oberappellationsgerichtes  am  25.  Oktober  1823 
zu  Wiesbaden. 

Wenige  Monate  vor  diesem  Tage,  als  Goethe  sich  zu  Marienbad  befan<l 
(es  muss  am  21.  Juli  1823  gewesen  sein),  sollte  er  auf  eine  eigentümliche 
Weise  an  seinen  Rüdesheimer  Bekannten  erinnert  werden.  Der  Vorfall  ist  ein 
Gegenstück  zu  der  scherzhaften  Weise,  wie  sich  Goethe  im  Jahre  1772  bei 
dem  Professor  Höpfner  zu  Giessen  einführte,  und  wurde  von  dessen  Tochter, 
der  Gemahlin  des  Geh.  Kabinetsrates  Aug.    Wilh.  Rehberg,    ins  Werk  gesetzt. 


^-**)  Staatsarchiv  zu  Wiesbaden.  Vgl.  auch  jetzt  die  Beschreibung  der  Bergreviere  Wies- 
baden und  Diez  1893,  S.  167.  —  ^-')  Auch  diese  beiden  Notizen  verdanken  wir  der  freundlichen 
Mitteilung  dos  oben  genannten  Pfarrers  Conrady,  eines  Sohnes  von  Habeis  Schwester.  — 
^'^'')  So  ist  zu  lesen  statt  „v.  Harding"  im  Tagebuch.  —  *-'')  Gothaisches  genealog.  Taschenbuch 
der  freiherrlichen  Häuser  1860,  S.  329.  —  S,  unten  S.  128  Anm.  2-49. 


122 

Wir  glauben  iliD,  obwohl  er  nur  lose  mit  Götz  zusammenhängt,  hier  einfügen 
zu  sollen,  zumal  da  die  Bemerkung  in  dem  weiter  unten  folgenden  Briefe  der 
Frau  Rehberg,  dass  der  schwarze  Todesengel  schon  über  dem  Freund  geschwebt 
habe,  den  Zeitpunkt  ausser  allen  Zweifel  stellt.  ^^'*)  Wir  schicken  den  erwähn- 
ten Scherz  Goethes  voraus,  wie  er  von  Ilöpfners  Frau  berichtet  wird. 

„Eines  Tages,  so  erzählte  die  Frau  Höpfners  ihrem  etwa  vierzehnjährigen 
Stiefenkel,  dem  nachherigen  Obersteuerrat  Hallwachs  in  Darmstadt,  den  Vor- 
fall von  1772-2^),  meldete  sich  ein  junger  Mann  in  vernachlässigter  Kleidung 
und  mit  linkisclier  Haltung  zum  Besuche  bei  Höpfner  mit  dem  Yorbringen  an, 
er  habe  dringend  mit  dem  Herrn  Professor  etwas  zu  sprechen.  Höpfner,  ob- 
gleich damit  beschäftigt,  sich  zum  (Jauge  in  eine  Vorlesung  vorzubereiten, 
nahm  den  jungen  Mann  an.  Die  ganze  Art  und  Weise,  wie  sich  derselbe  beim 
Eintreten  und  Platznehmen  anstellte,  liess  Höpfner  vermuten,  dass  er  es  mit 
einem  Studenten  zu  tluin  habe,  der  sich  in  Geldverlegenlieiten  befinde.  In 
dieser  Ansicht  wurde  er  dadurch  bestärkt,  dass  der  junge  ]\Iaun  damit  seine 
Unterhaltung  anfing,  in  ausführlicher  Weise  seine  Familien-  und  Lebensver- 
hältnisse zu  schildern,  und  dabei  von  Zeit  zu  Zeit  durchblicken  liess,  dass  diese 
nicht  die  glänzendsten  seien.  Gedrängt  durch  die  herannahende  Kollegienstunde 
entschloss  sich  der  Professor  sehr  bald  dem  jungen  Mann  ohne  weiteres  eine 
Geldunterstützung  zufliessen  zu  lassen  und  dadurch  zugleich  der  peinlichen  Unter- 
haltung ein  Ende  zu  machen.  Kaum  gab  er  jedoch  diese  Absicht  dadurch  zu 
erkennen,  dass  er  nach  dem  Geldbeutel  in  seiner  Tasche  suchte,  so  wendete 
der  vermeintliche  Bettelstudent  das  Gespräch  wissenschaftlichen  Fragen  zu  und 
entfernte  sehr  bald  den  Verdacht,  dass  er  gekommen  sei,  um  ein  Geldgeschenk 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Sobald  der  junge  Mann  merkte,  dass  der  Herr  Pro- 
fessor eine  andere  Ansicht  von  ihm  gewonnen,  nahm  das  Gespräch  jedoch  die 
alte  Wendung  und  die  Andeutung  des  Studenten,  dass  es  schliesslich  doch  auf 
das  Verlangen  nach  einer  Unterstützung  abgesehen  sei,  wurde  immer  verständ- 
licher. Nachdem  Höpfner  auf  diese  Weise  ein  und  das  andere  Mal  sich  in  der 
Lage  befunden  hatte  dem  jungen  Mann  Geld  anzubieten  und  dann  wieder  da- 
von abstehen  zu  müssen  glaubte,  entfernte  sich  der  Student  und  liess  den  Herrn 
Professor  voll  Zweifel  und  Vermutung  über  diesen  rätselhaften  Besuch  zurück. 

„Als  Höpfner  am  Abend  desselben  Tages,  doch  etwas  später  wie  gewöhn- 
lich, in  das  Lokal  trat,  wo  sich  die  Professoren  der  Universität  gesellschaftlich 
zusammenzufinden  pflegten,  fand  er  daselbst  ein  vollständiges  Durcheinander.  Die 
ganze  zahlreiche  Gesellschaft  war  um  einen  einzigen  Tisch  herum  gruppiert, 
teils  sitzend,  teils  stehend,  ja  einige  der  gelehrten  Herrn  standen  auf  Stühlen 
und  schauten  über  die  Köpfe  der  Kollegen  in  den  Kreis  der  Versammelten 
hinein,  aus  dessen  Mitte  die  volle  Stimme  eines  Mannes  hervordrang,  der  mit 
begeisterter    Rede    seine    Zuhörer    bezauberte.      Auf  Höpfners    Frage,    was   da 


^'^'i  .S(;lierer  im  Goethe- Jahrb.  VI,  147  hat  den  Sclicrz  solion  aus  anderen  Gründen  richtig 
in  das  Jalir  1n2.{  gesetzt,  der  Tag  ergibt  «icli  aus  der  Angabe  des  Tagebuchs,  dass  das  Reh- 
bergsche  Eliepaar  ihn  am  21.  Juli  besuchte,  v.  Loeper,  Goethe-Jalirbucli  VIII,  170.  — 
*")  Scherer  im  Goethe-Jahrb.  VI,  345.  Vgl.  damit  Goethes  Darstellung  in  „Dichtung  und 
Wahrheit-,  12.  Bu<b. 


12.3 

vorgehe,  wird  ihm  die  Antworf,  (Jucthc  aus  WetzUir  sei  schon  seit  einer  Stunde 
hier.  Die  Unterhaltung  habe  nach  und  nach  sich  so  gestaltet,  dass  (ioetlie 
fast  allein  nur  spräche  und  alle  verwundert  und  begeistert  ihm  zuhörten. 

„llöpfner,  voll  Verlangen  den  Dichter  zu  sehen,  besteigt  einen  Stuhl, 
schaut  in  den  Kreis  hinein  und  erblickt  seinen  liettelstudenten  zu  einem  (Jötter- 
jüngling  umgewandelt.     Höpfners  Erstaunen  lässt  sich  denken  .  .   .  ." 

Es  war  nun  im  Jahre  1823,  als  Döpfners  Tochter  diesen  Scherz  erwiedorte. 
Sie  Hess  sich  als  Bäuerin  und  Verwandte  des  Geheimerats  Götz  in  Küdesheim 
bei  Goethe  melden  und  wurde  angenommen.  Wir  wollen  sie  selbst  über  \hvo 
nun  folgende  Unterhaltung  mit  Goethe  sprechen  lassen  durch  einen  Brief,  den 
sie  am  80.  November  schrieb;  der  Anfang  desselben  muss  sich  auf  eine  Be- 
gebenheit beziehen,  die  ihr  von  dem  Adressaten  mitgeteilt  worden  war  und 
wohl  den  Tod  des  Geheimerats  Götz  betraf,  welcher  nach  einer  uns  als  glaub- 
würdig verbürgten  Mitteilung  ein  freiwilliger  gewesen  sein  soll.  Die  Thatsache, 
obgleich  nicht  in  dem  Totenregister  eingetragen,  findet  darin  eine  Bestätigung, 
dass  die  Bestattung  entgegen  der  bestehenden  Vorschrift  und  Sitte  am  Tage 
nach  dem  unglückseligen  Ereignisse  statt  hatte.     Frau  Rehberg  also  schrieb"''^): 

„Welch  eine  Geschichte  haben  Sie  mir  von  Göz  erzählt!  Wirklich  ich 
musste  dreimal  lesen,  eh  ich  mich  überzeugen  konnte,  dass  Sie  das  wirklich 
geschrieben  hätten!  Peinlich  wird  mir  doch  immer  der  Gedanke  bleiben  den 
Freund  zum  Instrument  in  einer  Posse  gebraucht  zu  haben,  über  dem  schon 
der  schwarze  Todesengel  schwebte.  —  Aber  die  ganze  Posse  überhaupt  war 
vielleicht  nicht  löblich.  —  Indess  ich  unternahms  im  Vertrauen  auf  den  Cate- 
chismus,  der  da  spricht:  Nothlüge  ist  erlaubt.  Und  da  der  Erfolg  den  Helden 
oder  Thoren  macht,  so  darf  ich  ja  wohl  den  Kopf  in  die  Höhe  heben. 

„Gern  möcht  ich  Ihnen  und  IL  [Hallwachs]  recht  viel  vom  Gespräch  mit 
Goethe  erzählen  können,  aber  es  geht  aus  vielen  Gründen  nicht.  Am  Morgen, 
da  ich  bei  ihm  allein  war,  blieb  natürlich  die  Unterhaltung  in  der  Sphäre  der 
Gewöhnlichkeit;  ich  hatte  mich  so  gut  in  meinen  Basenmantel  eingemummt,  dass 
ihm  gar  kein  Zweifel  aufsteigen  konnte,  als  habe  ich  je  eine  Zeile  von  ihm 
gelesen,  ja  ob  ich  überhaupt  lesen  und  schreiben  könne,  blieb  ungewiss,  „Ach 
sage  Se  raer  doch,  Ihr  Excelenz,  ob  Se  sich  wieder  recht  gut  befinde,  ach  wie 
wird  sich  mein  Herr  Vetter  freie!  und  viele,  viele  Leit  werde  sich  freie!  Is 
es  denn  wahr,  dass  Sie  sich  selbst  curirt  habe?  —  Die  Leit  habe  sagt  der 
Dokter  hätte  Sie  nicht  ksund  mache  könne." 

„Er  kam  nicht  aus  dem  Lächeln  über  die  komische  Base,  zog  sie  imnun- 
wieder  aufs  Canape  und  sagte,  ob  sie  denn  heute  nicht  in  Marienbad  bleiben 
wolle?  —  „Ach  nein,  Ihr  Exe.  sehn  Sie,  ich  reis'  mit  einem  alten  Herrn,  der 
hat  absolut  nich  herkwollt,  aber  ich  hab'n  soviel  kbitt,  bis  ers  kthan  hat.  — 
Mer  wolle  nach  Prag,  das  soll  e  schöne  Stadt  sein,  und  zu  Drcsde,  soviel 
schöne  Bilder"  etc.  Was  war  auf  solches  Zeug  zu  antworten  und  was  konnte 
man  so  einer  Base  sagen?" 


226 


)  Goethe-Jahrb.  VI,  347.     Mitt.  des  oberhess.  Gescli.-Ver.  V  (1894),  S,  16;;. 


124 

Im  Vorzimmer  hinterliess  sie  beim  Weggehen  als  Gescheuk  ihres  Vetters 
Götz  eiuen  Krug  liüdesheimer  und  einige  wertvolle  Mineralien,  An  den  Krug 
war  eine  Vignette  mit  folgender  Inschrift  geheftet: 

0  fand  ich  docli  gleich  Wort  und  Zeichen, 

Für  meines  Herzens  lieissen  Danlv, 

Icli  rauchte  Dir  den  Labebecher  reichen, 

(iefüllt  mit  reichem  Wundertrank, 

Und  jeden  Balsam  in  den  JJecher  senken, 

Den  die  Natur  erschafft, 

Und  voll  und  immer  voller  Dir  ihn  schenken 

Mit  Lebensfüll  und  Kraft. 

Am  Nachmittag  ging  Frau  Rehberg  mit  ihrem  Gemahl  zu  dem  Dichter, 
um  sich  „Pardon"  zu  holen,  der  ihr  gewährt  ward.  Beim  Abschied  gab  er 
ihr  zwei  Steine  aus  seiner  Mineraliensammlung  mit  den  "Worten:  ^Jch  muss 
Ihnen  doch  auch  ein  Andenken  schenken,  da  sind  ein  paar  Steine,  aber  ich 
nenne  sie  Ihnen  nicht,  denn  wir  haben  auch  unsere  Geheimnisse.  Fragen  Sie 
nur  den  ersten  besten  Mineralogen  danach."  Der  über  die  Namen  befragte 
Professor  zu  Güttingen  Hausmann  gab  nach  Fr.  Ixehberg  die  Auskunft,  der 
eine  heisse  Pyroxene  =  Feuergast,  der  andere  Amphibole  =  die  Zweideutige. 
„Da  hatte  ich  also  meine  gnädige  Strafe",  schliesst  der  Bericht,  Hausmann 
hat  übrigens  wohl  geantwortet,  die  Steine  gehörten  zu  der  Klasse  der  Pyroxene 
und  Amphibole,  da  die  Bildung  Pyroxene  und  Amphibole  als  Feminina  des 
Singularis  ungriechisch  ist.  Beide  Steine  gehören  zu  den  hornblendartigen 
Mineralien,  und  es  hat  die  Sippe  der  Amphibole  den  Namen  davon,  dass  die 
meisten  Arten  ihrem  Ansehen  nach  leicht  mit  anderen  Mineralien  verwechselt 
werden  können,  die  der  Pyroxene,  weil  man  glaubte,  dass  sie  trotz  ihres  Vor- 
kommens in  vulkanischen  Felsarten  durch  Wasser  entstanden  seien.-")  Es 
war  eine  sinnige  Erwiederung  Goethes! 

8.  Kammerherr  v.  Nauendorf. 

Die  Herrn  v.  Nauendorf  waren  ein  noch  nicht  lange  in  Nassau  einge- 
wanderter Zweig  der  sächsisch-thüringischen  Adelsfamilie;  im  Jahre  1812  wurde 
ihr  Adel  in  Nassau  anerkannt;  Ludwig  v.  Nauendorf  war  im  Jahre  1808 
zum  Kammerjunker  des  Herzogs  ernannt  worden,  erhielt  im  Jahre  1810  den 
Titel  Borgrat  und  im  Jahre  1813  den  Rang  eines  Kammerherru.  Er  hatte 
Liebhaberei  an  Mineralien  und  legte  eine  Sammlung  an,  die  er  Goethe  am 
4.  Juni  1815  vorzeigte;  auch  nachher  begegnen  sie  sich  noch  öfter,  am  11.  und 
2.").  Juni,  als  Goethe  in  Biebrich  zur  Tafel  war  (am  25.  sagt  das  Tagebuch: 
„Boy  Hrn.  v.  Nauendorf")  und  am  22.  und  23.  in  Wiesbaden.  Von  der 
Mineraliensammlung  heisst  es  in  dem  Aufsatz  über  Kunstschätze  am  Rhein 
u.  s.  w.:  „Die  hier  |im  Schlosse  zu  Biebrich]  befindlichen  Bibliotheken  und 
Naturaliensammlungen,  deren  Ordnung  durch  die  vieljährigen  Unbilden  des 
Kriegs   gelitten,    werden    nun  bald  auch  zum  Nutzen    und  Vergnügen  der  Ein- 

''^'j  Leunis,  Schul-Naturgeschichte  III,  §  153  Anm.  und  §  156  Anni.  Hausmann, 
-Mineralogie  II,  1,  46.i  u.  500. 


125 

heimischen  und  Vorübergehenden  aufgestellt  sein;  wie  denn  Herr  Kammerlierr 
von  Nauendorf  seine  ansehnliche  und  wohigeürdnetc  Mineraliensammlung  dem 
Liebhaber  mit  Vergnügen  belehrend  vorweist."  Bei  dem  ersten  Besuche,  am 
4.  Juni,  ist  zu  Nauendorfs  Namen  ,Lepidokrokit"  gesetzt;  wahrscheinlich  hat  ein 
Exemplar  dieses  nach  seiner  schuppig-faserigen  Beschaffenheit  benannten  Eisen- 
steins Goethes  Aufmerksamkeit  besonders  erregt. 

Über  das  Schicksal  und  den  ungefähren  Umfang  der  Sammlung  hat  sich 
bei    genauer  Nachforschung  folgendes   ergeben.     Der  Bergrat  L.  v.  Nauendorf 
wurde  im  Jahre  1818  zum  Oberforstmeister  in  Geisenheim  mit  dem  Titel  Ober- 
jägermeister ernannt  und  starb  hier  am  25.  November  1820.     Etwa  zehn  Jahre 
später  begann  der  Verein  für  Naturkunde  im  Herzogtum  Nassau,  welcher  kurz 
vorher    ins  Leben  getreten  war,    eine    mineralogische  Sammlung  anzulegen,   zu 
welcher   ein   Geschenk    des  Herrn    v.  Stein    den  Grund  legte;    als  nächste  Er- 
werbung folgten  die  Sammlungen  des  Oberforstmeisters  v.  Nauendorf  und  Berg- 
meisters  Jung.^-')     Die    Rechnungen    und    Archivalien    des    Staatsarchives    iiiid 
Vereins    für  Naturkunde"'*)    ergaben    nun,    dass    die  Nauendorf  sehe  Sammlung 
von  der  Witwe  des  Besitzers  im  Jahre  1831  für  300  fl.  dem  Verein  überlassen 
wurde;    die    erste  Rate   der  Kaufsumme    wurde    am    20.    September    1831,    die 
anderen    in    den    folgenden  Jahren    ausgezahlt.     Der  Transport    der  Sammlung 
von  Mainz,  wo  sie  sich  befand,    nach  Wiesbaden  kostete  13  fl.  21  kr.     Ferner 
wurden  in  eben  dieser  Zeit    verschiedene  Kasten  und  Kästchen  für  Mineralien 
vom  Buchbinder  Selenka  angefertigt,  und  zwar  Ende  August  250,  im  September 
550,  im  Oktober  650,  zusammen  1450.     Nehmen  wir  dazu,  dass  der  Vorsitzende 
des  Vereins  in  der  rächsten  Generalversammlung  die  Nauendorf'sche  Sammlung 
als    in    mancherlei    Rücksichten    ausgezeichnet    nennt,    so   dürfen    wir  sie  nicht 
gerade   für   unbedeutend  halten,   und  Goethe  mag  nicht  blos  aus  Artigkeit  von 
ihr  das  Wort  „ansehnlich"  gebraucht  haben;  die  Ordnung  freilich  hatte  notgelitten 
und  es  bedurfte  einer  Neuordnung,  welche  der  Archivar  llabel  übernahm.     A  un 
den    1450  Kästchen   möchte   ich  die  am  Ende  September  und  im  Oktober  ab- 
gelieferten   1050   für  die   in  Rede   stehenden  Mineralien  in  Anspruch    nehmen. 

9.  Johannes  de  Laspee. 
Johannes  de  Laspee''"j  entstammte  einer  aus  Belgien  nach  dem  Rhein- 
gau   eingewanderten    Familie    und    wurde    am    25.    September    1783'")    in  dem 

"8)  Thomae,  Geschichte  des  Vereins  für  Naturkunde  1842,  S.  42.  —  ^-'i  Wir  ver- 
danken die  Einsicht  in  dieselben  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Sanitätsratcs  Dr.  A.  Pagen - 
Stecher  und  des  Herrn  Archivrates  Dr.  W.  Sauer.  -  •''")  So  schreibt  die  Familie  jetzt  den 
Namen,  wie  ein  Schreiben  des  Sohnes  von  Joh.  de  Laspee  und  dessen  mündliche  Versicherung 
verbürgt.  Goethe  hat  im  Tagebuch  die  Formen:  de  Laspee,  Delaspee  und  de  la  Spee;  Joliann 
de  Laspee  schrieb  anfangs  (vor  1814)  de  l'Aspce,  und  so  feldt  nur  noch  d'Klaspce,  um  alle 
Möglichkeiten  der  Schreibung  zu  erschöpfen.  Lebensnachrichten  von  Johannes  de  Laspoe 
finden  sich  im  Neuen  Nekrolog  1825,  S.  13T>,),  abgedruckt  aus  der  Schulzeitung,  und  danach 
Schwartz,  Ann.  des  nass.  Vereins  u.  3.  w.  XVIII,  122;  dazu  traten  für  uns  mündliche  Mit- 
teilungen des  genannten  Sohnes  von  de  Laspee,  Herrn  August  de  Laspee.  —  -"i  So,  und 
nicht  1784,  nach  der  Mitteilung  des  eben  genannten  Herrn  August  de  T-aspce  dahier  und 
nach  der  Inschrift  auf  dem  Grabstein. 


126 

Dorfc  Johannisberg  geboren.  Sein  A'ater  war  Maurer,  und  der  Sohn  sollte  das- 
selbe Handwerk  treiben;  da  er  aber  den  Wunsch  hatte  sieh  höhere  Bildung 
zu  erwerben,  so  suchte  er  Mittel  und  Wege  auf  dies  zu  erreichen  und  verweilte 
desshalb  einige  Zeit  zu  Mainz,  dann  in  dem  Kloster  zu  Königstein,  zuletzt  in 
Höchst,  wo  er  dem  Küster  beistand  und  den  Unterricht  mehrerer  Kinder  über- 
nahm. Als  er  hier  von  Pestalozzi  hörte,  beschloss  er  dessen  Schüler  zu  werden 
uiitl  begab  sich  zu  Fuss  unter  vielen  und  harten  Entbehrungen  zu  dem  Meister 
nach  Itlerten.  Anfangs  mit  wenig  Vertrauen  und  Entgegenkommen  aufgenommen 
"•ewann  or  doch  die  Liebe  Pestalozzis  und  wurde  ein  eifriger,  dem  Lehrer  teurer 
Schüler  und  bis  zu  seinem  Ende  treu  ergebener  Freund.  Als  er  die  Methode 
völlig  zu  beherrschen  glaubte,  wandte  er  sich  nach  Wiesbaden  und  erhielt  am 
9.  November  1808  die  Erlaubnis  daselbst  eine  Elementarschule  nach  Pestalcz- 
zischen  Grundsätzen  zu  errichten.  Sie  wurde  im  Jahre  1809  eröffnet''*);  das 
Lokal  befand  sich  anfangs  in  der  Mitte  der  Langgasse,  nach  alter  Zählung  in 
No.  184.  am  Eingange  in  die  Kirchhofsgasse,  später  in  einem  Hause  der  neu- 
angelegten Friedrichsstrasse,  wo  jetzt  die  nach  de  Laspeo  benannte  Strasse  ist. 
Das  Glück  war  dem  Unternehmen  günstig,  und  das  Vertrauen  des  Publikums 
lohnte  die  Bemühungen  des  thätigen  und  geschickten  Mannes,  der  bald  nachher 
eine  Privataustalt  zur  Erziehung  von  Knaben  damit  verband.  Die  Anstalt 
erfreute  sich  bald  eines  ausgezeichneten  Rufes  und  zahlreichen  Besuches  aus 
allen  Gegenden  Deutschlands,  ja  auch  ausserdeutschen  Gebieten,  sowie  von 
Gelehrten  und  Pädagogen,  welche  die  Lehrart,  Ziele  und  Erfolge  der  Schule 
kennen  lernen  wollten.  Lii  Jahre  1810  hielt  sie  die  erste  öffentliche  Prüfung 
ab,  nach  zwei  Jahren  die  zweite;  von  der  dritten,  die  am  25.  und  26.  August 
1814  stattfand  und  der  Goethe  beiwohnte,  liegt  ausführliche  Ankündigung  vor; 
wir  setzen  sie    eben  wegen    der    angeführten  Thatsache    vollständig    hierher.'^') 

„Unterzeichneter  ladet  das  hochzuverehrende  Publikum  zu  der  auf  den 
25.  und  26.  August  festgesetzten  dritten  öffentlichen  Prüfung  der  hiesigen 
Pestalozzischen  Anstalt  hierdurch  höflichst  ein.  Sie  wird  in  dem  Mahrischen 
Gartensaale  vor  dem  Schwalbacher  Thore  jeden  Tag  Morgens  von  8 — 11  und 
Nachmittags  von  2 — 5  Uhr  gehalten  w^erden.  Die  Gegenstände  des  Examens 
sind:  Lesen,  Schreiben,  Rechnen,  Algebra,  Geometrie,  Zeichnen,  Singen,  deutsche 
und  französische  Sprache,  Naturgeschichte,  Geographie.  Religionsunterricht  und 
Gymnastik  sind  keine  Gegenstände  der  öffentlichen  Prüfung.  Da  auf  der  Prüfung 
nur  Resultate  erscheinen,  darum  werde  ich  suciicn  am  folgenden  Tage  dem 
27.  in  den  oben  genannten  Stunden  für  die  Freunde  der  Pädagogik,  die  es 
wünschen,  den  Gang  der  Methode  in  meiner  Schule  darzustellen. 

Wiesbaden  den  20.  August  1814.  Joh.  de  Laspee." 

Über  die  Besuche  von  Fremden  liegt  uns  das  Konzept  eines  Briefes  von 
do  Lasp(''o  vor,  dessen  Mitteilung   wohl    am  IMatze    sein  möchte'"^^*);    der  Brief 


"*)  Firnhaber,  Simultanscliule  1,  L':i7.  —  "'i  Wiesbadener  "Wochenblatt  No.  34  vom 
22.  August  1814.  Die  vierte  Prüfung  fand  am  llt.  und  20.  Juni  181ß  im  Schützenhofe  statt. 
—  "')  Wir  verdanken  der  Gefälligkeit  des  Enkels  von  de  Laspc'e,  Herrn  Institutsvorsteher 
Kreis  dahicr,  diese  und  andere  Mitteilungen. 


127 

ist  gerichtet   an  den    üeheimerat  v.  Schilling  7,11  Karlsruhe,  von  dem  ein  Sohn 
am    8.  April    ISirj^»»),    ein   zweiter    am    12.  Juli    181(i    in   die  Schule    eintrat; 
da  in  dem  Schreiben  nur  über  die  Fortschritte    des  älteren  berichtet  wird,    so 
wh-d  es  vor  dem  Eintritt  des  zweiten  niedergeschrieben  sein  und  zwar    da  die 
Anwesenheit  der  meisten  dort  benannten  Personen    nur  für  den  Sommer  1815 
nachweisbar  ist,  etwa  am  Ende  des  Sommerhalbjahres   1815.     „Die  vielen  iJo- 
suche  unserer  Schule  von  Gelehrten  und  hohen  Personen,  so  schreibt  de  Lasp6e, 
die  meistens  noch  meine  ohnehin  kurze  freye    Zeit    des    Tages    oft    bis    in    die 
Nacht  aufzehren,    waren  Schuld,  dass    ich    Ihnen    nicht    früher    eine    Nachricht 
über  den  Standpunkt  Ihres  wahrhaft  guten  Eduard  gab.    Im  Glauben,  dass  Sie 
vielleicht  einige  Besuche  unserer  Schule  genannt  haben  wollen,  bin  ich  so  frey 
Ihnen  den  Geh.  Rath  Goethe  [zu  nennen;  er]  war  in  unserer  Schule  8  Stunden, 
der  preussische  Staatsrath   Süvern^^'')  5  Stunden,    der    bairische   Hofkommissär 
Baron  v.  Andrian-^')  etliche   20  Stunden,    der  Oberschulrath    Schulz'*^^)    5  St., 
der  preussische  Regierungsrath  Butte^^")  und  H.  v.  Resten  7  St.,  (iraf  Sievers-'*"), 
Generalmajor    in    russischen  Diensten,  von  Morgens  bis  Abends    9    Uhr    nebst 
mehreren  von  ihm  zur  Erlernung  der  Pestalozzischen  Methode  geschickten  Offi- 
zieren; der  Staatsrat!!  Ilatzfeld^'*^),  die  Frau  v.  Wolzogen-*^)  über  14  St.,  die 
Gräfin  Trebra  aus  Cleve    über    9  St.,  die   Grossfürstin  2'^^)    nebst  dem   Fürsten 
Gagarin^**)    und    der  Fürstin  Wolhanna   und  noch  mehrere    ihres    Hofes    über 
15  St.     Sie  hat   mir  gestern  die  Erzieherstelle   ihrer   Prinzen    angetragen    (die 
ich  ausschlug),  und  mehr  als  CO  grösstentheils  Gelehrte  von  allen  europäischen 
Nationen."     Dahin  gehörten  z.  B.   die  Philologen  F.  A.  Wolf  und    Buttmanu, 
der  Minister  Freiherr  v.  Waugenheim,  Clemens  Brentano,  der  sich  auf  mehrere 
Wochen  bei  de  Laspee  einquartierte  und  dem  Unterrichte  beiwohnte;  die  Zahl 
der  Zöglinge  belief  sich  zu  Zeiten  auf  40  Pensionäre  und  100  Externe.-'**) 

Goethe,  aufmerksam  auf  jede  neue  Erscheinung,  die  den  Keim  zu  etwas 
Gutem  in  sich  zu  bergen  schien,  hatte  auch  die  Pestalozzische  Lehrmethode 
nicht  übersehen,  aber  noch  keine  Gelegenheit  gefunden  in  eigner  Person  sich 
über  deren  Weise  und  Resultate  zu  unterrichten;  im  Tagebuch  findet  sich  am 
7.  Juli  1814  die  Bemerkung:  „Sinn  des  Pestalozzischen  Wesens;  wunderliche 
Versuche  von  ....  in  Königsberg."  Als  er  daher  nach  Wiesbaden  gekommen 
war  und  von  de  Laspee  hörte,  sicherlich  durch  Gramer 2*^),  dessen  jüngste 
Tochter  die  Anstalt  besuchte,  bescbied  er  alsbald  den  Vorsteher    zu    sich    und 


^^^)  V.  Schilling  aus  Karlsruhe  ist  in  der  Kurliste  vom  2.-9.  April  eingetragen. 
—  ^36)  Kurliste  vom  2.-9.  Juli  1815.  Boisseree  I,  258.  —  "')  Kurliste  vom  16.-2;{.  Juli: 
H.  V.  Andrian,  Kararaerherr  von  Würzburg.  —  ^''ä)  Der  bekannte  Joiiannes  Sciiulze,  damals 
Direktor  des  Gymnasiums  zu  Hanau;  dort  sah  ihn  Goethe  auf  der  Rückreise  am  24.  Oktober 
1814.  —  239)  jm  August  1815.  S.  oben  S.  97  und  Boisseroe  I,  2ü6.  —  ^^')  Boisseroe  I, 
260.  —  241)  Kurliste  vom  20.— 27.  August  (und  30.  Oktol)cr  —  5.  November)  Staatsrntli 
V.  Hatzfeld  aus  Düsseldorf.  —  ^*^)  Die  Frau  v.  Wolzogen  war  öfter  zu  Wiesbaden.  —  '^')  Die 
Grossfürstin  Katharina,  Grossherzogin  von  Oldenburg,  ,,neb8t  Suite";  Kurliste  vom  16. — 2:^. 
Juli  1815.  S.  oben  S.  96.  —  2")  Kurliste  vom  16.— 23.  Juli  1815;  der  Fürst  CJagarin  .,neb8t 
Suite."  —  2**)  Schwartz,  Annalen  a.  a.  O.  —  '*")  Wohl  nicht  durcli  Willemer,  den  er  in 
Frankfurt  damals  nicht  besucht  hatte,  wie  wir  wissen;  doch  korinto  nni  t.  August  zu  Wiesbaden 
die  Rede  auf  die  Anstalt  gekommen  sein. 


128 

am  8.  August  zum  zweiten  Male,  wie  dieser  an  demselben  Tage  Pestalozzi 
berichtet 2*');  das  Tagebuch  schweigt  über  beide  Unterredungen;  in  der  zweiten 
äussert  er,  es  sei  ihm  lieb,  wenn  er  die  Schule  besuchen  dürfe.  „Er  kommt, 
Hihrt  de  Laspee  in  dem  eben  genannten  Briefe  fort,  morgen  oder  übermorgen. 
Er  fragte,  ob  ich  selbst  bei  Pestalozzi  gewesen.  Sonst  konnte  ich  nicht  viel 
über  die  Methode  mit  ihm  reden;  aber  in  meiner  Schule,  wenn  er  die  Fakta 
nicht  absprechen  kann,  muss  es  gehen;  auch  suchte  ich  gar  nicht  mit  ihm 
über  die  Methode  zu  reden,  bevor  er  in  meiner  Schule  war.  Auch  habe  ich 
grosse  Hoffnung,  dass  Geheimerath  Zelter,  der  die  Musik  nach  Pestalozzi  lehrt, 
ein  Busenfreund  von  Goethe,  sich  dieser  Tage  in  meiner  Schule  einfindet.  0, 
wie  freue  ich  mich  königlich." 

Und  in  der  That  trat  Goethe  am  9.  August  1814  in  die  Schule,  wie  nun 
auch  das  Tagebuch,  aber  ohne  de  Laspees  Namen  zu  nennen,  besagt.-*^)  In  dem 
am^eführten  Briefe  fährt  dieser  also  fort:  „Soeben,  9.  Aug.,  lässt  sich  Goethe 
melden.  Es  ist  halb  elf  Uhr.  Wie  freue  ich  mich!  Wenn  mir's  nur  gelingt, 
dass  ich  auch  vom  Guten  Gutes,  vom  Grossen  Grosses  sagen  kann.  Gott  helfe 
mir!  Ich  setze  jetzt  zwei  Stühle!  Er  kommt!  Adieu.  —  Er  ist  soeben  fort  und 
wie  ich  glaube,  mit  grosser  Zufriedenheit  weg.  Er  bUeb  bis  1  Uhr.  In  der 
Grammatik  fragte  er  manches  selbst;  besonders  interessirte  ihn  die  Kopfalgebra 
und  überhaupt  das  Kopfrechnen,  aber  über  alles  ein  Examen  über  deutsche 
Sprache.  Ich  aber  fürchtete,  das  Ganze  erscheine  ihm  als  Prunk."  Um  zu 
verhüten,  dass  die  frappanten  Resultate  dem  Uneingeweihten  als  Auswendig- 
gelerntes und  mechanisch  Eingeübtes  erschienen,  forderte  de  Laspee  jeden 
Fremden  und  so  auch  Goethe  zum  Selbstexaminiere a  auf.  „Als  er  erfreut  sagte, 
ich  möchte  doch  selbst  fortfahren,  nahm  ich  eine  neue  Sprachseite,  von  der 
meine  Kinder  noch  nie  etwas  gehört  hatten,  was  sie  selbst  auch  laut  vor  ihm 
bekannten.  Vorerst  muss  ich  sagen,  dass  sie  mir  selbst  neu  war.  Aber  alles 
gelingt  mir  nur  mit  den  Kindern  und  zwar  dann  am  allerbesten,  wenn  ich 
mich  in  einem  für  die  Menschen  entscheidenden  Augenblick  dazu  auffordere 
oder  dazu  aufgefordert  werde.  .  .  Weil  mir  dieses  schon  so  oft,  wie  ich  glaube, 
gelungen  ist,  fürchtete  ich  mich  auch  nicht  vor  Goethe,  und  die  Kinder  zeigten 
sich  kräftig  und  selbständig,  dass  sich  Goethes  Gefallen  an  der  Sache  zunehmend 
zeigte.  Soeben  erfahre  ich,  dass  Goethe  zum  zweiten  Male  kommen  will, 
so  gut  habe  es  ihm  gefallen.  Überhaupt  halten  die  meisten  Leute  Anfangs 
nichts  auf  den  Gang,  sobald  sie  aber  die  Kraft  gesehen  haben,  wollen  sie  nun 
diesen  wissen.  Mit  ihm  war  Oberbergrath  Gramer  und  Fräulein  Hertling^'*^) 
(diese  grosse  Dame)"°)  hier.    Der"')  stärkste  Gegner  nach  Schnell'-")  im  Nassau- 


'^*'i  Morf,  Zur  Biographie  Pestalozzis  IV,  .'{12  0'.  Das  Konzept  des  Briefes  lag  uns 
cljciifalls  vor.  —  '^*^)  „Bey  .  ..  Unterricht  im  Pestaluzzischen  (sie)  Sinne."  —  ^*'-')  Gemeint  ist 
die  oben  S.  121  genannte  Frau  Gisberta  v.  Hertling,  welche  denn  auch  in  der  Kurliste  vom 
21.-2H.  August  verzeichnet  ist  als  Frau  v.  Hertling  aus  Schierstein.  —  "")  Diese  Bezeichnung 
mag  sich  auf  ihre  würdige  Haltung  gründen,  die  verbunden  war  mit  Wohlbeicibtheit;  ein  Brief 
vom  :j.  Januar  1814  berichtet,  dass  .,dic3e  dicke  Dame,  als  die  Russen  am  Freitag  Abend 
[31.  Dezember  181.'$]  zweimal  ihre  Stubenthürc  im  Soliützonhofe,  wo  sie  wohnte,  gestürmt  hätten, 
sich  durch  das  Fenster  flüchtete  und  bei-^m  Hauseigentümer,  dem  alten  Käseberger,  Schutz 
suchte."  Wiesbadener  Wochenblatt  1882,  No.  140,  S.  24.  —  =*»')  Das  hier  Folgende  ist  dem 
Konzept  des  Briefes  entnommen.  —  2^")    Es    ist   der   oben   erwähnte  Rektor   des  Gymnasiums 


120 

ischen  war  am  Freitag  [5.  August]  das  erstemal  in  meiner  Scliule.  Er  hat 
die  Sache  im  rechten  Lichte  gesellen  und  ist  ganz  in  Flammen  für  die  Sache 
und  ich  soll  ihn  die  Methode  lehren,  dafür  will  er  mir  Unterricht  in  der  Astro- 
nomie etc.  geben;  er  ist  der  grösste  Matliematiker  und  Schriftstoller  in  dieser 
Wissenschaft  und  Ilofrath  dahior.  P.  Scr,  vom  10.:  Goethe  liat  den  10.  August 
einige  meiner  Kiuder  mit  „Hermann  und  Dorothea"  lieschenkt"  |iihnlich  wie 
llabel  und  Riese]. 

Dieser  nassauische  Ilofrat  war  der  Kammerkonsulent  und  Advocatus  fisci 
Heinrich  Christian  Brodreich,  früher  fürstlich  Solms-Lichischer  Regierungsrat, 
der  auf  seine  Bitte  1804  als  Ilofrat  von  Nassau  übernommen  wurde;  im  Jahre 
1815  wurde  er  pensioniert  und  starb  einige  Jahre  später  etwa  00  Jahre  alt.-''^) 
Geschrieben  hatte  er  nach  Meusel  im  Jahre  1805  „Versuch  einer  Theorie  des 
Schwungrades  und  der  Kurbel,  zweyer  für  die  Maschinenlehre  sehr  wichtigen 
Gegenstände  nebst  Prüfung  der  bisher  über  selbige  bekannt  gewordenen  Grund- 
sätze.    Frankfurt  a.  M." 

Dass  Goethe  2*/-'  Stunden  dem  Unterrichte  in  der  de  Laspeeschen  Schule 
beiwohnte,  lässt  sein  Interesse  an  der  Sache  erkennen  und  dass  er  das  Wesen 
derselbe  ergründen  wollte.  In  den  folgenden  Tagen  bildete  die  Pädagogik 
Pestalozzis  einen  Ilauptgegenstaud  der  Unterhaltung  mit  Gramer'''^);  leider  hat 
er  selbst  nichts  über  den  Eindruck,  der  ihm  zuteil  wurde,  niedergeschrieben. 
Doch  war  mit  dem  einen  Besuch  sein  Interesse  nicht  erschöpft.  Als  ihm 
de  Laspee  am  20.  August  ,Pestalozzische  Schriften"  überbracht  hatte,  sehen 
wir  ihn  sofort  an  diesem  und  dem  folgenden  Tage  mit  der  Lektüre  von  „Lien- 
hard  und  Gertrude"   [so  schreibt  er  beide  Male]  beschäftigt. 

Am  26.  war  ein  Freudentag  für  de  Laspee  und  die  ganze  Anstalt:  Goethe 
wohnte  der  Prüfung  am  Morgen  und  Nachmittage  bei,  also  etwa  0  Stunden 
lang,  wodurch  sich  die  8  Stunden,  die  in  dem  oben  angeführten  Briefe  an 
Schilling  vorkommen,  als  Summe  in  runder  Zahl  ergeben.  Für  dieses  Mal 
entbehren  wir  nicht  nur  wieder  einer  Äusserung  Goethes,  sondern  auch  de  Laspees, 
der  doch  gewiss  einen  Bericht  nach  Herten  abgesandt  hat. 

Noch  einmal  erscheint  1814  de  Laspee  bei  Goethe,  am  30.  August,  wo 
im  Tagebuch  die  kurze  Notiz  steht:   „De  la  Spue  Pestaluzziana." 

Im  Jahre  1815  wurde  die  Verbindung  zwar  wieder  angeknüpft,  aber  sie 
beschränkte  sich  auf  zwei  Besuche,  und  es  war  nicht  die  Schule,  die  sie  herbei- 
führte, sondern  die  Schülerinnen,  von  denen  eine  die  folgende  schöne  Erzählung 
niedergeschrieben  hat;  sie  nennt  sich  D.  St.  geb.  Cr.,  was  ohne  Zweifel  zu 
deuten  ist  als  Dorothea  St.^^^)  geb.  Gramer;  Dorothea  Sophie  hiess  die  jüngste. 


zu  Idstein  Ch.  W.  Önell,  ein  verdienter  und  in  hohem  Ansehen  stehender  Schulmann,  den  für 
sich  zu  gewinnen  de  Laspee  äusserst  wichtig  war;  deswegen  lud  er  ilin  damals  /.u  der  üffent- 
lichen  Prüfung  ein  mit  dem  loc^kendcn  Zufügen,  er  werde  dann  auch  Ciücthe  kennen  lernen; 
Snell  jedoch  lehnte  ab  und  bedauerte  nicht  kommen  zu  künnon.  Schreiben  vom  -'4.  August. 
Wir  werden  nicht  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass  er  froh  war  einen  Grund  zur  Ablehnung 
zu  haben. 

"3)  Staatsarchiv  zu  Wiesbaden;  Verordnungsbl.  von  ISir..  —  -"*)  S.  «oisseree  I,  '260. 
-    "5^  Pen  Namen  ihres  Mannes  war  bis  jetzt  iii(!ht  niögliidi  nu>findig  zu  miichen. 


130 

am  29.  Dezember  1801  geborene  Tochter  Cramers  und  war  Schülerin  de  Laspees. 
Goethe  erwähnt  den  Vorfall  am  2:i.  Juni  ISl.")  mit  dem  Namen,  den  wir  denn 
auch  der  Episode  geben  wollen: 

„Gedicht  für  die  Kinder." 

„Bekanntlich,  so  erzählt  D.  St.-'),  hatte  de  l'Aspee,  einer  der  besten 
Schüler  Pestalozzis,  in  Wiesbaden  eine  Elementarschule  gegründet,  welche  ich 
[D.  St.  geb.  Cr.]  mit  mehreren  meiner  Gespielinnen  besuchte.  Um  den  Namens- 
tag [24.  JuniJ  ")  unseres  hochverehrten  und  inniggeliebten  Lehrers  zu  feiern, 
hatten  wir  einmal  einige  Zeilen  aufgesetzt,  in  denen  wir  ihm  unsere  Glück- 
wünsche darzubringen  gedachten.  Da  taucht  plötzlich  in  uns  der  Ge.lanke  auf, 
dass  Goethe  sich  vielleicht  bewegen  Hesse  unsere  Zeilen  in  Verse  umzusetzen. 
Schüchtern  naht  sich  die  Kinderschaar  dem  grossen  Manne  und  trägt  ihm  ihr 
Anliegen  vor,  indem  sie  ihm  die  niedergeschriebenen  Sätze  übergibt.  Darauf 
erwiederte  Goethe  erst  mit  einem  gelinden  Verweise,  dass  wir  ihm  ein  zu 
kleines  Stück  Papier  gebracht  hätten;  man  müsse,  fügt  er  hinzu,  stets  auf 
einem  grossen  Stück  Papier  beginnen,  der  kleine  Raum  beenge  die  Gedanken. 
Nachdem  wir  hierauf  ein  grösseres  Blatt  herbeigebracht,  schrieb  Goethe,  während 
wir  ihm  staunend  zuschauten,  in  kurzer  Zeit  auf  dasselbe  einige  Strophen, 
welche  den  Inhalt  unserer  Worte  wiedergaben.  Noch  heute  sehe  ich  im  Geiste 
den  grossen  Mann,  wie  er  erst  einzelne  Worte  in  angemessenen  Zwischenräumen 
niederschrieb  und  dann  die  Silben  mit  der  Federspitze  zählend  die  Lücken  all- 
mählich ausfülhe;  zuletzt  zeichnete  er  unter  die  Verse  eine  aufgehende  Sonne 
und  schrieb  auf  ihre  Strahlen  unsere  Namen,  die  er  sich  von  uns  nennen  Hess." 

Wieder  ein  Beweis  für  das  gute  Herz  des  grossen  Dichters,  das  den 
Kindern  soviel  Vertrauen  einflösste,  dass  sie  es  wagten  ihn  mit  ihrer  Bitte  an- 
zugehen, ihn  aber  dazu  trieb  darauf  einzugehen!  Es  war  wohl  noch  den 
Mädchen  im  Gedächtnis,  wie  aufmerksam  und  teilnehmend  er  im  verflossenen 
Jahre  dem  Unterricht  in  der  Schule  und  der  Prüfung  beigewohnt  hatte;  dazu 
ermutigte  sie  der  zwanglose  heitere  Verkehr  mit  Gramer,  in  dessen  Hause  er 
sicherlich  oft  auch  Dorothea  gesehen  und  mit  ihr  gescherzt  hatte.  Diese  wird 
denn  auch  unter  die  Anstifter  ihres  Unterfangens  gehört  haben. 

Das  Gedicht  für  die  Kinder  hat  sich  leider  nicht  erhalten;  die  Nachkommen 
de  Laspees  versichern,  dass  sich  unter  dessen  nachgelassenen  Papieren  nichts 
vorfinde,  das  so  genannt  werden  könne.  Damals  gab  es  Veranlassung,  dass 
der  Verkehr  wieder  angeknüpft  wurde;  de  Laspee  besuchte  Goethe  am  1.  Juli, 
wohl  um  ihm  für  seine  Teilnahme  und  Mitwirkung  zu  danken,  Goethe  erwiederte 
den  Besuch  am  10.  Juli.  Und  damit  endete  für  dieses  Mal  und  für  immer 
sein  Verkehr  mit  de  Laspee. 

Indessen  kam  Goethe  noch  einmal  zu  Wiesbaden  auf  das,  was  er  in  der 
Schule  de  Laspees  gesehen  und  gehört  hatte  zurück,  eine  Episode,  die  S.  Bois- 


"*;  Die  Er/.illilung  ist  abgedruckt  in  Picks  Monatssclirift  I  (1875),  287.  —  '")  Also 
fällt,  wie  auch  das  Tagehucli  nugibt,  der  Vorfall  in  das  Jahr  1815;  am  24.  Juni  1814  war  Goethe 
noch  nicht  in  AViesl)aden. 


131 

seroe  erzählt"*)  und  die  wir  mit  dessen  "Worten  liier  wiedergeben  wollen;  hei 
ihr  spielt  wieder  eine  Tochter  Cramers  eine  Rolle  und  zwar  eben  diese  Dorothea, 
als  sie  eine  Probe  ihrer  Rechenkunst,  die  sie  nach  Pestalozzischer  Methijdc 
erlernt  hatte,  ablegte.  Dass  es  Dorothea  war  und  nicht  eine  andere  der 
Cramerischen  Töchter,  geht  daraus  hervor,  dass  diese,  wie  wir  bald  sehen  werden, 
nicht  die  Pestalozzische  Schule  besucht  hatten,  und  wenn  Roisserre  sie  als  etwa 
sechzehnjährig  bezeichnet,  so  beruht  dies  auf  einem  Irrtum;  sie  war  im  August 
1815  noch  nicht  volle  14  Jahre  alt. 

Die  Rechenkunst  der  Dorothea  Gramer. 

„Abends  [am  5.  August  1815],  berichtet  Boisseree,  war  ich  mit  CJoethe 
und  Oberbergrath  Gramer  auf  dem  Geisberg,  es  wurde  oben  gezecht  in  der 
Schenke  .  .  .  Ein  Schwager  von  Gramer  aus  Hanau  kam  nach;  das  Töchlerchen 
des  alten  Oberbergraths,  etwa  sechzehn  Jahre  alt,  führte  ihn  zu  uns,  ein  ganz 
einfaches,  frisches  Kind.  Goethe  neckte  sie  mit  ihrer  grossen  Pestalozzisclien 
Rechenkunst,  erzählte  uns  von  der  Schule  hier  und  liess  dem  Mädchen  keine 
Ruhe,  bis  sie  sich  selbst  eine  abgebraische  Aufgabe,  aber  in  Zahlen  gab  und 
die  Auflösung  machte.  Es  war  eine  verwickelte  Aufgabe,  drei  unbekannte 
Zahlen,  von  denen  nur  die  Verhältnisse  unter  sich  angegeben  waren.  Mir 
wurde  ganz  schwindelig  bei  der  Auflösung;  vorerst  war  es  einmal  nicht  miiglich 
zu  folgen,  dann  aber  die  Bestimmtheit,  die  Förmlichkeit,  womit  das  Kind  die 
trockenen  Dinge  aussprach,  die  man  sonst  nur  in  den  mathematischen  Hörsälen 
zu  hören  kriegt,  und  wie  sich  dies  arme  Köpfchen  was  darauf  zu  gut  tliat,  mit 
den  hohlen  Zahlen  und  Verhältnissen  herum  zu  wirthschiiften;  wie  es  selbst 
mit  über  diese  Kunst  sprach  und  vernünftelte,  warum  es  Elementarunterricht 
genannt  werde,  da  es  doch,  wie  Goethe  bemerkte,  ganz  darüber  hinausgehe, 
weil  jeder  selbst  finde  und  erfinde;  endlich  über  Buchstaben-Rechnungen, 
Gleichungen  u.  s.  w.  Das  alles,  mit  der  festen,  schulmeisterlichen  Haltung, 
setzte  mich  wahrhaft  in  Schrecken." 

Goethes  Urteil  über  das  Pestalozzische  Wesen  nach  Boisserees 

Mitteilungen. 

„Als  wir  im  Dunkel,  so  berichtet  Boisseree  weiter,  gegen  zehn  TIhr  nach 
Hause  kamen,  klagte  Goethe  seinen  Jammer  über  dies  Pestalozzische  Wesen. 
Wie  das  ganz  vortrefflich  nach  seinem  ersten  Zweck  und  Bestimmung  gewesen, 
wie  Pestalozzi  nur  die  geringe  Volksklasse  im  Sinne  gehabt,  die  armen  Menschen, 
die  in  einzelnen  Hütten  in  der  Schweiz  wohnen  und  die  Kinder  nicht  in  die 
Schule  schicken  können.  Aber  wie  es  das  Verderblichste  von  der  Welt  werde,  sobald 
es  aus  den  ersten  Elementen  hinaus  gehe,  auf  Sprache,  Kunst  und  alles  Wissen 
und  Können  angewandt  werde,  welches  nothwendig  ein  Überliefertes  voraus- 
setze, und  wo  man  nicht  mit  unbekannten  Grössen,  leeren  Zahlen  und  Formen 
zu  Werk  gehen  könne.  Und  nun  gar  der  Dünkel,  den  dieses  verfluchte  Er- 
ziehungswesen errege;  da  sollte  ich  nur  einmal  die  Dreistigkeit  der  kleinen 
Buben  hier  in  der  Schule  sehen,  die  vor  keinem  Fremden  erschrecken,  sondern 


25S 


)  S.  Boisseree  I,  259. 


132 

ihn  in  Schrecken  setzen !  Da  falle  aller  Respekt,  Alles  weg,  was  die  Menschen 
unter  einander  zu  Menschen  macht.  Was  wäre  aus  mir  geworden,  sagte  er, 
wenn  icli  nicht  immer  gem'Uiiigt  gewesen  wäre  Respekt  vor  Andern  zu  haben. 
Und  diese  Menschen  mit  ihrer  Verrücktheit  und  Wuth,  alles  auf  das  einzelne 
Individuum  zu  reduciren  und  lauter  Götter  der  Selbstständigkeit  zu  seyn;  diese 
wollen  ein  Volk  bilden  und  den  wilden  Schaaren  widerstehen,  wenn  diese  ein- 
mal sich  der  elemeutariscben  Handhaben  des  Verstandes  bemächtigt  haben, 
welches  nun  gerade  durch  Pestalozzi  unendlich  erleichtert  ist.  Wo  sind  da 
religiöse,  wo  moralische  und  philosophische  Maximen,  die  allein  schützen  können? 
Er  fühlte  recht  eigentlich  einen  Drang  mir  über  alles  dieses  sein  Herz  auszu- 
schütten, und  ich  selbst  war  von  all  diesem  voll,  es  sprach  mich  gleich  an, 
wie  eine  Meldung  des  jüngsten  Tages,  und  die  Furcht  vor  den  Russen  war 
mir  beim  Namen  Sievers,  den  Gramer  als  einen  der  schärfsten  Prüfer  und 
grössten  Rühmer  der  hiesigen  Schule  genannt  hatte,  in  ihrer  ganzen  Macht 
aufgegangen.  —  So  führten  wir  uns  wechselseitig  in  das  Gespräch  hinein,  und 
Goetiie  bat  mich  wiederholt  um  Gotteswillen,  nicht  in  die  Schule  zu  gehen, 
ith  würde  zu  sehr  erschrecken.  Gramer  hatte  mir  schon  vor  seiner  Rückkehr 
gesagt,  dass  ihn  das  Pestalozzische  Wesen  ausserordentlich  interessire  und  er 
immer  davon  spreche." 

Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  von  diesem  verwerfenden  Urteil  der 
grössere  Teil  Boisseröe  angehört;  er  hat  den  Funken  in  Goethes  Seele  zum 
hellen  Brande  angefacht  und  in  seinem  Sinne  uns  vorgeführt;  Goethe  hatte 
sicherlich  nur  die  Ausartungen  und  verkehrte  Anwendung  treffen  wollen,  die 
jede  neue  Erscheinung  mit  sich  zu  führen  pflegt.  Indessen  linden  sich  Stellen 
namentlich  in  den  ,  Wanderjahren ",  die  zu  den  oben  ausgesprocheneu  Äusserungen 
stimmen,  wie  wenn  er  der  Ehrfurcht  eine  so  grosse  Bedeutung  für  die  Er- 
ziehung beilegt,  überhaupt  den  Weg  und  das  Ziel  derselben  dort  ganz  anders 
gestaltet  haben  will,  als  durch  blos  formale  Schulung  erreicht  werden  kann. 
Auch  in  den  Gesprächen  mit  Kanzler  v.  Müller  ist  er  nicht  ein  Freund  der 
mathematischen  Methode.  ,Die  Mathematik,  sagt  er"*),  steht  ganz  falsch  im 
Rufe  untrügliche  Schlüsse  zu  liefern.  Ihre  ganze  Sicherheit  ist  weiter  nichts 
als  Identität;  2X2  ist  nicht  vier,  sondern  es  ist  eben  2X2,  und  das  nennen 
wir  abgekürzt  vier  ,  .  .  Die  Pythagoreer,  die  Platoniker  meinten  Wunder,  was 
in  den  Zahlen  stecke,  die  Religion  selbst,  aber  Gott  muss  ganz  anderswo 
gesucht  werden."  — 

Johannes  de  Laspee  leitete  seine  Anstalt  bis  zu  seinem  Tode,  der  am 
20.  März  1825  eintrat,  geehrt  von  seinem  Fürsten,  hochgeachtet  von  allen,  die 
mit  ihm  in  Berührung  kamen. 

10.    Philippine  Lade. 

Das  für  Frauenschönheit  und  Frauenliebe  leicht  em}»fiingliche  Herz  des 
damals  (Jöjährigen  Dichters  fand  auch  in  Wiesbaden  Gelegenheit,  wenn  auch 
nicht  in  hellen  Flammen  zu  entbrennen,  so  doch  eine  zarte  Neigung  zu  einem 


2t» 


)  ßurckhardt,   Uiitorliultungou  mit   Kanzler  v.  Müller,  S.    108. 


133 

jungen  Mädchen  zu  fassen,  das  er  im  Hause  des  Oberbergrates  Oranier  keniuMi 
lernte.  Dieser  hatte  ausser  der  im  vorigen  Abschnitte  genannten  Dorothea 
noch  mehrere  ältere  Töchter,  von  denen  zwei,  Luise  und  Sojjhic,  damals  etwa 
18  Jahre  zählten;  sie  hatten  die  Friedrichsschule ^"")  besucht,  welche,  aus  der 
alten  Lateinschule  hervorgegangen,  auch  ]\Iädchen  ihre  liildung  gab  und  sie 
mit  dem  14.  Lebensjahre  entliess;  mit  dieser  Entlassung  war  govvühnlich  nach 
nassauischem  Brauche  die  Konfirmation  verbunden.  Die  beiden  Töchter  Cranu^rs 
waren  im  Jahre  1810  konfirmiert  worden  und  am  7.  Mai  1810  aus  der  Schule 
geschieden.  Ihnen  und  ihren  Mitschülerinnen  widmeten  bei  der  Entlassung 
aus  der  Schule  ihre  Lehrer  folgende,  gut  gemeinte 

„Letzte  herzliclie  Worte  ^'''): 

Erfüllet  redlich  Eure  Pflicht 
Und  hoft'et  dann  mit  Zuversicht: 

Gott  sorgt  mit  A^aterliebe ! 
Zu  ihm  erhebet  Euren  Blick! 
Er  sorgt  für  Eures  Lebens  Glück, 

War'  auch  der  Himmel  trübe. 

Gehorchet  nicht  der  Sinnlichkeit! 
Gehorchet  Gott!  Was  er  gebeut, 

Ist,  wenn  Ihr  folgt,  Euch  Segen. 
Von  drohenden  Gefahren  fern 
Führt  auf  der  Bahn  der  Tugend  gern 

Er  Euch  dem  Glück  entgegen. 

Gott  theilt  Euch  seinen  Beistand  mit; 
Drum  gehet  stets  mit  festem  Schritt 
Fort  auf  dem  Pfad  der  Tugend! 
Die  Lust  verführt,  —  die  Tugend  nie; 


Ein  guter  Gott  belohnet  sie. 
0  ehrt  sie  in  der  Jugend 


„Gott,  Ihre  goldne  Jugendzeit 
Flieh  edel  hin  zur  Ewigkeit! 

Lehr'  Sie  die  Weisheit  wählen! 
Mach'  Sie  zum  Dienst  der  Welt  bereit! 
Lass  Tugend,  Fleiss  und  Frömmigkeit 

Nie  Ihrem  Leben  fehlen!" 

Die  Namen  der  Schülerinnen  waren:  Johanne  Böhning,  Luise  und 
Sophie  Gramer,  Christiane  Frey,  Luise  Menke,  Charlotte  Niess,  Amalie 
Pfarrius,  Wilhelmine  Schmidt. 

Nur  wenig  jünger  als  die  Töchter  Cramers  war  Philippine  Lade'-"-), 
welche  sie  in  der  Schule  mochte  kennen  gelernt  haben  und  mit  ihnen  befreundet 
blieb.     Sie  war  am  8.  Februar   1797  geboren   und  wurde  im  Jahre  1811   kon- 


-"")  Vgl.  des  Verfassers  Geschichte  der  Friedrichsschule,  Osterprogramm  des  Kgl.  Gym- 
nasiums zu  Wiesbaden  1880.  —  '''^')  Ein  Exemplar  des  seltenen  Gediclites  befindet  Hi<Ii  im 
Besitz  des  Verfassers  dieser  Schrift.  Wir  fügen  es  hier  ein,  weil  es  für  die  Zeit  charakte- 
ristisch ist;  Verfasser  ist  wohl  der  Rektor   der  Schule,  Schellenberg.  —   -•*')    Vgl.   oben  S.  Gl 

Anm.   15  über  die  Aussprache  des  Kanioiis. 

10 


134 

firmiert.  Tlir  Yater,  Christopli  August  Lade,  war  herzoglicher  Hofkammer- 
schreiher  gewesen  uud  lebte  uuumehr  als  Pensionär  in  Wiesbaden,  wo  er  ein 
eignes  Haus  in  der  Nähe  des  früher  städtischen  Wirtshauses  zum  goldenen 
Löwen  besass,  nicht  fern  von  der  Wohnung  des  Oberbergrats.  Als  am  30.  Nov. 
1813  das  Yorksche  Offizierskorps  einen  IJall  veranstaltete,  dem  auch  der  König  von 
Preusseu  beiwohnte,  war  Philippine  gleichfalls  anwesend  und  hatte  die  Ehre  u.  a. 
mit  dem  Feldmarschall  Blücher  zu  tanzen,  dem  sie,  da  er  durch  einen  Fehltritt 
bei  dem  Tanze  in  die  Knie  gesunken  war,  wieder  auf  die  Füsse  half.'"') 

Nicht  viel  später,  im  September  des  Jahres  1814,  hatte  sie  abermals  die 
Ehre,  wenn  auch  nicht  in  der  Gesellschaft  von  Königen  und  grossen  Heer- 
führern sich  zu  bewegen,  so  doch  die  Aufmerksamkeit  eines  Königs  im  Keiche 
der  Dichtkunst  auf  sich  zu  ziehen,  zunächst  nicht  durch  ihre  Schönheit,  son- 
dern durch  ihre  klangvolle  Stimme.  Das  Tagebuch  erwähnt  ihrer  zwar  nicht 
im  Jahre  1814,  aber  ein  Brief  llundeshagens  vom  5.  Februar  1815  sagt^"*), 
dass  sie  das  Glück  gehabt  habe  die  letzten  Stunden  in  Wiesbaden  zu  ver- 
schönern; danach  würde  die  Bekanntschaft  Goethes  mit  ihr  gegen  das  Ende 
seines  Aufenthalts,  nach  der  Rückkehr  aus  dem  Rheiitgau,  vielleicht  erst  auf  den 
11.  September  zu  setzen  sein. 

Über  ihren  Verkehr  mit  Goethe  liegen  zwei  Berichte  vor,  von  Goethe 
selbst  ein  kurzer  in  den  Gesprächen  mit  Kanzler  v.  Müller  und  ein  längerer 
von  -M.  Belli-Gontard  in  der  Didaskalia,  dem  belletristischen  Beiblatt  zum  Frank- 
furter Journal,  zu  denen  Creizenach  m  dem  Briefwechsel  von  Marianne 
v.  Willemer  mit  Goethe  einige  Zusätze  gibt.  Wir  wollen  die  beiden  vollständig 
hier  mitteilen,  Creizenachs  Zusätze  und  unsere  eigenen  Bemerkungen  an 
passenden  Stellen  einfügen. 

Am  12.  Mai  1815  also  erzählte  Goethe  dem  Kanzler  v.  Müller  „von  einem 
reizenden  jungen  Mädchen,  der  Tochter  eines  Sekretärs  bei  irgend  einem  De- 
partement zu  Wiesbaden,  die  die  höchsten  Anlagen  zur  Deklamation  und  zum 
theatralischen  S})iel  besitze.  Sie  habe  ihm  den  Wassertaucher  [Taucher  von 
Schiller]  vordeklamiert,  aber  mit  zuviel  Malerei  und  Gestikulation,  darauf  habe 
er  sie  statt  aller  Kritik  gebeten  es  noch  einmal  zu  thun,  aber  hinter  dem 
Stuhle  stehend  und  dessen  Lehne  mit  beiden  Händen  festhaltend.  Das  schöne 
Kind  habe  bald  Absicht  und  Wohlthat  dieser  Bitte  empfunden  und  lebhaft 
dafür  gedankt.  Verwechsle  man  doch  nicht,  schloss  er,  epische  Darstellung  mit 
lyrischer  oder  dramatischer." 

Der  zweite  Bericht  ist  ausführlicher  und  lautet  also: 

„Philippine  war  zu  Besuch  bei  den  beiden  Töchtern  des  Bergrats  Gramer 
in  Wiesbaden  und  die  drei  jungen  Mädchen  allein  im  Zimmer.  Plötzlich  geht 
die  Thüre  des  Nebenzimmers  auf  und  in  derselben  steht  ein  alter  schöner  Herr. 
— ■  „Ei,  sprach  er,  das  ist  ja  eine  hübsche  junge  Gesellschaft;  es  war  da  eine 
Stimme,  die  nnch  anzog."  Darauf  erkundigte  er  sich  bei  der  einen  der  beiden 
Schwestern,  ob  sie  säuge,  und  auf  ihre  bejahende  Antwort  ersuchte  er  sie  um 


-"^  Brief  vom    ).   März   1814  im  Wiesb.  Tajjblntt  1882,  So.  141,   S.   16.   —   ''^'}  Goethe- 
Jahrli.    VI,   r_'7.    V^'l.   ilio   Antwort  Onothos  woitor  iinton. 


135 

ein  Lied.  Auch  die  zweite  musste  singen,  Fräulein  Lade  aber  antwortete, 
dass  sie  nicht  musikalisch  sei.  „Das  ist  die  Stimme,  rief  Guethe  sogleich  nach 
diesen  Worten  und  dann  fragte  er:  „Kennen  Sie  die  Werke  (Joethes?"  — 
„Nein,  antwortete  sie,  sie  ziehen  mich  nicht  an."  —  „So!  [Zusatz  (.'reizonachs: 
„Nun  ja,  für  so  liebe  kleine  Wesen  sind  auch  meine  Sachen  nicht."]  W(;Ulicii 
Schriftsteller  lieben  Sie  denn  ganz  besonders?"  — •  „Schiller,  rief  Fräulein  Lade, 
den  liebe  ich  über  alles.  Ich  kenne  das  Meiste  von  ihm  auswendig."  „Hi^lio, 
meinte  Goethe,  dann  deklamieren  Sie  mir  einmal  etwas,  z.  1>.  den  Anfang  der 
Braut  von  Messina."  Fräulein  Lade  errötete  betroffen,  begann  aber:  „Nicht 
eigne  Wahl"  u.  s.  w.  und  sprach  den  ganzen  Monolog  ohne  Austoss.  Goethe 
klatschte  Beifall  und  bat  sie  dann  noch  um  den  Taucher. 

„Nachdem  sie  auch  diese  Ballade  gesprochen,  bemerkte  Goethe,  ihre  Be- 
wegungen mit  dem  Arm  seien  zu  heftig  gewesen,  bei  einer  Ballade  passe  sich 
das  nicht.  Sie  musste  wiederholen  und  dabei  eine  Stuhllehne  festhalten;  bei 
den  Hauptscenen  jedoch  wackelte  der  Stuhl  gewaltig. 

„An  dem  Tage  musste  Fräulein  Lade  stets  an  Goethes  Seite  bleiben  und 
bei  Tisch  neben  ihm  sitzen,  wodurch  sie,  obwohl  noch  im  Alter  des  Back- 
tisches, ein  Gegenstand  allgemeiner  Aufmerksamkeit  wurde. 

„Goethe  beschäftigte  sich  von  da  an  viel  mit  Fräulein  Lade.  Es  war 
im  Jahre  1814,  er  gebrauchte  die  Kur  in  Wiesbaden  und  hatte  seinen  eigenen 
Wagen  bei  sich.  Täglich  fuhr  er  mit  ihr  spazieren  und  nahm  sie  mit  ins 
Theater.  Dann  musste  sie  ihm  ihre  Meinung  sagen,  wenn  ihr  etwas  getiel 
oder  missfiel  und  wesshalb,  wobei  er  sich  dann  angelegen  sein  liess  ihren  Ge- 
schmack zu  läutern  und  zu  bilden.  Natürlich  gewann  er  dadurch  an  dem 
jungen  Mädchen  eine  enthusiastische  Yerehreriu." 

Wir  unterbrechen  hier  den  Bericht,  um  einige  Bemerkungen  und  Ein- 
schränkungen zu  dem  zuletzt  Gesagten  zu  machen.  Soweit  sich  dieses  auf  das 
Jahr  1814  bezieht,  kann  nicht  davon  die  Rede  sein,  dass  Goethe  sich  viel  mir 
Fräulein  Lade  beschäftigte  und  oft  mit  in  das  Theater  nahm.  Denn  damals, 
wie  auch  im  folgenden  Jahre,  besuchte  er  das  Theater  selten,  im  Jahre  1814 
nur  einmal.  Sodann  hatte  er  sie  am  Ende  seines  Aufenthaltes  von  1814  kennen 
gelernt,  wie  er  in  der  Antwort  auf  den  Brief  Hundeshageus  selbst  berichtet. 
Auf  eine  Sendung  Goethes  hatte  dieser  am  15.  Februar  erwidert:  „Da  sich. 
der  schätzbare  Inhalt  theilen  liess,  so  konnte  ich  dem  Lüsten  nicht  widerstehen 
denselben  mit  der  artigen  Deklamatrice  zu  theilen,  welche  das  Glück  hatte 
u.  s,  w."  Darauf  erwidert  Goethe:  „Dass  Sie  Ihre  schöne  Mitbürgerin  an 
mich  erinnern  und  von  den  übersandten  Gedichten  vielleicht  Einiges  aus  ihrem 
Munde  hören  wollen,  weiss  ich  recht  sehr  zu  schätzen;  sagen  Sie  dem  lieben 
Kinde,  dass  ich  bei  mancher  Rollenvertheilung  an  sie  denke  und  mich  freue 
nächsten  Sommer  nicht  in  den  letzten,  sondern  in  den  ersten  Tagen  meines 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  ihrer  angenehmen  Gegenwart  zu  geuiessen." 

Sodann  ist  die  Bemerkung,  dass  Goethe  einen  eigenen  Wagen  gehabt 
habe,  höchst  verdächtig;  er  hatte  nicht  einen  eigenen  Wagen,  sondern  machte 
seine  Spaziergänge  zu  Fuss;  nur  zu  den  kleineren  AnsHügen  mietete  er  einen 
Wagen,  der  nach  Schlossers  Versicherung  leicht  und  nicht  teuer  zu  bosciiatlen 

lu* 


war.  lu  einem  solchen  mag  Philippino  den  Dichter  nach  der  Papier-  oder 
Klodtermühle  begleitet  haben.  Hätte  er  einen  eigenen  Wagen  gehabt,  so  hätte 
er  bei  der  Fahrt  nach  liüdeslieim  anspannen  lassen,  nicht  aber,  wie  er  er- 
zählt, einen  Wagen  bestellen  müssen. 

Wenn  unser  Bericht  und  danach  Creizenach  damit  schliesst,  dass  (loethe 
bei  seinem  zweiten  Abschiede  von  Wiesbaden  am  4.  August  1815  dem  Kammer- 
schreiber I^ade  das  Versprechen  abnahm  ihn  mit  seiner  Tochter  in  Weimar 
zu  besuchen,  so  kann  —  ganz  abgesehen  von  dem  falschen  Datum  -  dies 
nur  im  September  1814  geschehen  sein,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  Lade 
im  August  1815  schon  ein  Vierteljahr  lang  tot  war;  denn  er  war  am  20.  Mai 
desselben  Jahres  7(i  Jahre  alt  gestorben.  Aus  demselben  Grunde  ist  es  kaum 
glaublich,  dass  schon  am  Tage  nachher,  am  27.  Mai.  dem  Tage  seiner  Ankunft, 
Goethe  die  junge  Freundin  gesehen  hat;  wenn  hier  im  Tagebuch  ihr  Name 
steht,  so  wird  das  zu  bedeuten  haben,  dass  er  sich  sofort  nach  ihr  befragte 
und  die  Mitteilung  des  Trauerfalles  in  ihrer  Familie  entgegennahm,  nicht  dass 
er  sie  sofort  etwa  zu  sich  beschieden  oder  sie  ihn  von  selbst  besucht  hat. 

Erst  am  19.  Juni  erscheint  sie  bei  ihm  mit  einer  verheirateten  Schwester, 
dann  am  6.  Juli  zu  dem  Ausflug  auf  den  Nürnberger  Hof,  wie  das  Tagebuch 
zu  diesem  Tage  bemerkt,  den  aber  unser  zweiter  Bericht,  zu  dem  wir  nun- 
mehr zurückkehren,  zu  einer  Landpartie  nach  Georgenborn  macht. 

,Auf  einer  Landpartie  nach  Jörgenborn  bei  Schlangenbad  [also  richtiger: 
auf  den  Nürnberger  Hof]  musste  Fräulein  Lade  wieder  neben  ihm  im  Wagen 
sitzen  und  da  sie  später  eine  Skizze  nach  der  Natur  machte,  wünschte  er  diese 
zu  sehen  und  fing  an  zu  kritisieren.  ,Ach!  Sie  können  alles  besser  machen 
als  ich",  rief  sie,  nahm  ihm  das  Blatt  aus  der  Hand  und  zerriss  es,  wahrschein- 
lich ein  wenig  gereizt.  „Aber  eins  kann  ich,  was  Sie  doch  nicht  können," 
und  damit  lief  sie  rasch  einen  steilen  Weinberg  hinan.  Goethe  ihr  nach.  Auf 
der  Höhe  aber  stolperte  er  und  fiel  an  dem  steilen  Abhang  zu  Boden.  Mit 
beiden  Händen  klammerte  er  sich  an,  bis  auf  des  jungen  Mädchens  Geschrei 
einige  Herren  von  der  Gesellschaft  herbei  eilten  und  ihn  aus  seiner  gefährlichen 
Lage  befreiten.  Fräulein  Lade  zerfloss  in  Tiiränen,  Goethe  aber  lachte  und 
suchte  sie  zu  beruhigen." 

Schliesslich  wollen  wir  nicht  unterlassen  zu  bemerken,  dass  die  Legende, 
Hundeshagen  habe  sich  um  Philippinens  Hand  beworben,  schon  früher  als  Irr- 
tum erwiesen  ist'-");    sie  blieb  unvermählt  und  erreichte  ein  hohes  Alter. 

Noch  einmal,  am  9.  August  1815,  steht  ihr  Name  im  Tagebuch;  es  war 
der  letzte  Abend,  den  Goethe  bei  Gramer  zubrachte,  und  der  Abschiedsschmaus, 
zu  den»  sie  auch   zugezogen  war;  man  war  guter  Dinge  und  trennte  sich  spät. 

Das  Verhältnis  Goethes  zu  Philippine  war  hervorgerufen  durch  ihre  An- 
lage zu  Deklamation  und  theatralischer  Darstellung,  die  jener  sofort  erkannte 
und  vielleicht  auszubilden  und  für  die  Weimarer  Bühne  zu  verwerten  gedachte; 
desshalb  wird  er  sie  eingeladen  haben  ihn  zu  Weimar  zu  besuchen,  wo  sie 
vollendete  VurbildcM-  auf  der  dortigen  Bühne  sehen  und  dadurch   selbst  zu  dem 


^**j  Goethe  JhIuI).    a.  a.  Ü. 


i;i7 

Wuusche  nach  Volleudiing  veranlasst  werden  konnte.  Eine  tiefere  Neigung 
entwickelte  sich  nicht  zu  dem  jungen  M.ädchen,  das  durch  die  grösseren  Vorzüge 
einer  Marianne  v.  Willcmer  bald  in  Schatten  gestellt  wurde. 

11.  Gerbermeister  Behringer  u.  a. 

Das  IJild,  welches  wir  von  Goethes  Verkehr  entworfen  haben,  würde  un- 
vollständig sein,  wenn  wir  eine  Unterredung  mit  dorn  Gerbermeistor  Holiringcr 
zu  erwähnen  unterlassen  und  einiges  Gleichartige  übergehen  wollten,  das  er  im 
Tagebuch  anmerkt. 

Bchringer  war  der  Nachbar  Brentanos  zu  Winkel;  als  (Joetlie  sich  da- 
selbst aufhielt,  unterhielt  er  sich  mit  ihm  am  6.  September  1814  und  fragte 
den  mitteilsamen  Mann  über  sein  Gewerbe  und  den  Weinbau  aus.  Was  er 
von  ihm  erfuhr,  hat  er  in  dem  Supplement  zum  Ilochusfest  kurz  verzeichnet; 
im  Tagebuche  ist  fast  nur  mit  blossen  Substantiven  notiert,  was  dort  doch 
wenigstens  in  Sätzen  niedergeschrieben  ist.  Wir  wollen  hier  den  Wortlaut  des 
Tagebuchs  wiedergeben;  er  lautet  also: 

„Zu  Mittag  Nachbar  Behringer  Gerbermeister.  Über  Eichenwuchs,  13 
bis  14  Jahre,  schälen  der  jungen  Eichen.  Schaale  aller  Orten  hergehohlt,  über 
Heidelberg[,J  bey  Trier,  Erleichterung  durch  Wasserfracht.  näute[,]  Nord- 
amerikanische auch  während  des  Krieges  über  Friinkreich.  Anstalten  von 
Mühlen  u.  s.  w.  Zeit  des  Garwerdens,  Sprichwörter  und  Redensarten.  Wein- 
bau, Mühe,  Yortheile.^^^)  Gewinn,  Verlust,  Zehente.  Ao  1811  wurden  in 
Winkel  800  Stück  Wein  gebaut.  Spätes  Lesen.  Streit  zwischen  armen  und 
Reichen.     Vorzüge  des  Johannisberges." 

Und  wie  er  hier  Redensarten  und  Sprüchwörtcr  sammelte  und  sie  in 
seinem  „Rochusfeste"  niederlegte,  so  findet  sich  im  Tagebuch  folgendes  der 
Art  aufgezeichnet: 

31.  Juli.  „Trunkener  Bauer,  der  zum  König  von  Wirtenberg  sagt: 
Vor  allem  nehmen  sie  sich  vor  dem  eilfer  in  Acht." 

Au    demselben  Tage:    „Jedem  was  er  will|,]  es  ist  noch  einmal  so  viel." 

31.  August:  „Morgens  rund, 

Mittags  gestampft, 
Abends  in  Scheiben, 
Dabey  will  ich  bleiben. 
(CartolTeln.)^''*''') 

An  demselben  Tag:   „Kein  Kupfergang  so  gut. 

Er  hat  einen  Eisernen  Hut." 

Der  erste  von  den  beiden  letzten  Sprüchen  wird  im  „Rochusfeste"  einem 
Bergbewohner,  also  doch  offenbar  aus  der  Nahegegend,  mit  etwas  verändertem 
Schlüsse  in  den  Mund  gelegt.  Wenn  Goethe  aber  ihn  allein  mit  den  darauf 
folgenden  vom  Kupfergang  in  das  Tagebuch    und  zwar  unter  dem  31.  August 

'^^^)  Über  den  Weinbau,  seine  Mühen  und  Erträgnisse  u.  s.  w.  1.  0.  Sartorius,  Der 
Weinbau  in  Is^assau.    Berlin  1871.  —  '^'^^^)  Vgl-  Goethe-Jahrb.  IX,  227, 


138 

setzte,  so  niiiss  es  mit  der  Herkiiuft  uii'l  Heimat  derselben  eine  andere  Be- 
wandtnis haben.  Der  /weite  ist  ein  Bcrgmannsspruch,  der  einer  Mitteilung  Cramers 
—  am  30.  August  —  entstammen  mochte  und  daher  sicherlich  dessen  Heimat, 
dem  Westerwalde,  angehörte.  Warum  nicht  auch  der  Spruch  auf  die  Kartoffeln, 
zumal  da  der  Westerwälder  ein  Liebhaber  derselben  ist  und  sie  in  den  ver- 
schiedensten Arten  der  Zubereitung  zu  geniessen  liebt?  Dass  der  Dichter  ihn 
nachher  frei  verwendete,  darf  keinen  Anstoss  erregen  und  ist  sein  Recht. 

Als  am  1.  September  geschrieben  findet  sich  die  Wiuzerregel: 

„Wiesbaden  den  1.  September  1814. 
Was  der  August  nicht  thut, 
Macht  der  September  gut." 

Vgl.  die  Weimarer  Ausgabe  von  Goethes  Werken  V,  4,  247. 

1).  Stöningeii  und  Unterbrechiiiigeii  des  regelmässigen  Kurlebens. 

a.  Im  Jahre  1814. 

Wir  haben  oben  gehört,  dass  Goethe  die  Kur  im  Jahre  1814  zu  Wiesbaden 
ernstlich  und  regelmässig  durchmachen  wollte,  dass  es  aber  auch  nicht  an 
Störungen  und  Tuterbreclrnngen  fehlte;  dieselben  mussten  wir  auch  schon  bei 
einzelnen  Gelegenheiten  berühren.  Nunmehr  sollen  sie  im  Zusammenhang  be- 
sprochen werden. 

1.  Die  erste  Störung  trat  im  Jahre  1814  sehr  bald  nach  Beginn  der  Kur 
ein,  am  3,  August,  dem  Geburtstage  des  Königs  von  Preussen,  der  zum  ersten- 
male  nach  der  Befreiung  des  linken  Rheinufers  von  französischer  Herrschaft 
in  dem  neugewonnenen  Mainz  gefeiert  werden  sollte.  Dazu  lud  der  Kommandant 
der  Stadt,  der  preussische  Oberst  v.  Krauseneck""),  am  Tage  vorher  Goethe 
ein,  und  dieser  glaubte  Folge  leisten  zu  müssen;  Zelter  begleitete  ihn  am  Morgen 
des  3.  August  dorthin.  Nachdem  er  an  der  „Funktion",  d.  h.  der  militärischen 
Feier  des  Tages  auf  der  neuen  Anlage  teilgenommen  und  sich  dabei  an  der 
„herrlichen  Nähe  des  Rheines"  erfreut  hatte,  besuchte  er  den  Kommandanten, 
die  Zitadelle,  das  Kasino  und  fand  sich  dann  bei  dem  Festessen  ein.  Es  folgte 
ein  Feuerwerk,  das  er  verpasste"'*)  und  der  Festball,  auf  dem  er  jedoch  nicht 
lange  aushielt.  Von  neuen  Bekanntschaften  nennt  er:  „die  Österreicher"  Gouver- 
neur Johann  Freiherr  v.  Frimont,  Feldzeugmeister  und  General  der  Kavallerie'''^'"'), 
den  Generalfeldwachtmeister  Heinrich  Graf  Hardegg  und  den  Generalfeldwacht- 
meister August  v.  Swrtnick*'");  die  „Preussen"  Prinz  Ludwig  von  Hessen- 
Homburg,  Generallieutenant  und  damals  Gouverneur  von  Luxemburg  (von  1829 


'*^)  Der  Oberst  Wilhelm  Johann  v.  Krauseneck  (1775 — 1850)  trat  aus  Anspachisclicii 
Diensten  in  die  preussisolien  ein  und  scliied  im  Jahre  1848  als  General  der  Kavallerie  aus 
denselben.  Schöning,  Die  Generale  der  preussischen  Armee,  S.  239.  Poten,  Handwörter- 
buch V,  291.  —  *®^)  Goethe  gebraucht  dieses  Wort  in  dem  doppelten  Sinn:  liarrend  an  sicli 
vorbeigehen  lassen,  z.B.  ein  Gewitter  —  und  harrend  veralisäumcn.  Wiilcker,  Gr.  Deutsches 
Würtcrbuch  XII,  958.  —  ^""i  Die  genauere  Bezeichnung  der  Stellung  ist  dem  Stafits-Adress- 
handbuch  der  teutschoii  Bundesstaaten  für  das  Jalir  isl6  entlelint.  —  '''")  Goethe  schreibt 
Cwertenic. 


bis  1830  war  er  rofi;icrondcr  Landgraf  von  Hcsson-IIomburgj-'''),  den  imigon 
Prinzen  Leopold  Friedrich  von  Anhalt-Dessau  (1704 — 1871),  welcher  seinein 
Cirossvater  im  Jahre  1817  in  der  Regierung  nachfulgtc;  er  hatte  den  Feldzug 
von  1813 — 1814,  aber  im  österreichischen  Heere,  mitgemacht''');  endlich  den 
Obersten  Krauseneck;  zuletzt  die  „Mainzer"  F.  J.  Budmann-'"),  den  bekannten 
Geschichtsforscher  und  Sammler  von  Urkunden,  und  den  Freiherrn  v.  Jungen- 
feld.  Am  4.  August  kehrte  er  über  den  „bewegten  Rhein"  nach  Wiesbaden 
zurück,  nachdem  er  noch  den  befreundeten  Hauptmann  v.  Luck  gesehen  hatte. 
Um  8  Uhr  trat  er  den  Heimweg  an. 

2.  Zum  15.  August  bemerkt  das  Tagebuch:  „Einfall  nach  IJüdoshcim  zu 
gehen.-'*)  Anstalten  dazu.  Mit  Zelter  zu  Hause  gespeisst.  Mit  ihm  und  Gramer 
nach  Tische  abgefahren."  In  Übereinstimmung  damit  ist  nach  der  Erzählung 
im  „S.  Rochusfeste"  dieser  Ausflug  plötzlich  beschlossen  und  ausgeführt  worden; 
nur  darin  weicht  diese  ab,  dass  nach  ihr  der  Mittag  schon  vorbei  war,  als  die 
Anstalten  getroffen  wurden.  „Vertraute  gesellige  Freunde,  heisst  es  hier, 
welche  schon  Wochen  lang  in  Wiesbaden  der  heilsamen  Kur  genossen,  empfanden 
eines  Tages  eine  gewisse  Unruhe,  die  sie  durch  Ausführung  längst  gehegter 
Vorsätze  zu  beschwichtigen  suchten.  Mittag  war  schon  vorbei  und  doch  ein 
Wagen  augenblicklich  bestellt,  um  den  Weg  ins"'-')  angenehme  Rheingau  zu 
suchen."  Es  war  also  ursprünglich  nicht  die  Absicht,  wie  aus  beiden  Dar- 
stellungen hervorgeht,  etwa  dem  bevorstehenden  Rochusfest,  das  in  diesem 
Jahr  wieder  zum  erstenmale  nach  der  französischen  Zeit  und  mit  besonderem 
Glänze  gefeiert  werden  sollte,  beizuwohnen;  erst  als  die  drei  Freunde  in  Rüdes- 
heim die  grossartigen  Vorbereitungen  zu  dem  Feste  und  die  fröhliche  Stimmung 
der  Menschen  über  die  wieder  ermöglichte  Feier  des  folgenden  Tages  sahen 
und  man  ihnen  grosse  Freude  und  grossen  Genuss  bei  der  Teilnahme  in  Aus- 
sicht stellte,  beschlossen  sie  sich  der  Menge  anzuschliesscu  und  den  ohnehin 
anlockenden  Aussichtspunkt  des  Rochusberges  aufzusuchen.  Da  der  Meister 
selbst  in  anmutiger  formvollendeter  Darstellung  eine  Beschreibung  des  Festes 
uns  hinterlassen  hat,  so  kann  es  nicht  unsere  Absicht  sein  einen  ausführlichen 
Bericht  über  seine  Erlebnisse  und  Beobachtungen  hier  zu  geben;  man  muss 
dies  alles  bei  ihm  selbst  nachlesen  und  dazu  das  lebensvolle  Bild  von  dieser 
Gegend  des  Mittelrheins  und  dem  regen  Thun  und  Treiben  der  Menschen  da- 
selbst nehmen,  welches  der  rheinische  Dichter  August  Ammann  in  dem  lieder- 
reichen Büchlein  „der  Rochusberg  bei  Bingen  am  Rhein.  A.  Koch,  Darmstadt 
1803"  gezeichnet  hat.  Wir  wollen  nur  einiges  herausheben,  was  zum  Teil 
dem  Tagebuch  entnommen  ist. 

Durch  die  gesegneten  Fluren  des  Rheingaues  wurden  unsere  Reisenden 
rasch  dahingetragen;  für  jede  Stadt,  für  jedes  Dorf  und  jele  Villa  hat  Goethe 
ein  freundliches  Wort,  für  Besonderheiten  stets  offene  Augen.     Nach  S'/s  Stunde 

'")  Derselbe,  welcher  oben  S.  102  vorkam.  Schwartz,  Landgraf  Friedrich  V.  von 
Hessen-Homburg  III,  74.  —  '-")  Allg.  Dcutscho  Biogr.  —  -'•*)  Das  Tagebucli  schreibt  IJuth- 
mann.  —  -''*)  Vgl.  Düntzer,  Goethe  und  die  Kochuskapelle.  Münch.  Allg.  Z.  18s;{,  No.  36U 
u.  HHl.  —  ^'°)  Der  ältere,  sächliche  Gebrauch  des  Wortes  Rheingau  ist  am  Mittelrhein  allge- 
mein üblich  geblieben;  das  Volk  sagt  hier  gewöhnlich  dag  Rheingau, 


140 

ist  liüdesheim  erreicht,  wo  das  Gasthaus  zum  Adler''*)  sie  aufüimnit.  Der 
Beamte  des  Orts,  Ilufrat  Götz  (s.  obeu).  wohl  mit  Cramer  als  Sammler  von 
Mineralien  bekannt,  gesellt  sich  zu  ihnen  und  mag  ihr  Führer  bei  dem  Spazier- 
gang am  Rhein,  zu  der  Burg  des  Grafen  von  Ingelheim,  aber  auch  zu  der 
besten  Quelle  des  Elfers,  den  man  kostete,  gewesen  sein;  denn  dieser  stand 
damals  auf  der  Ilühe  seiner  Güte,  und  von  ihm,  einem  „Ilauptjahr"  entsprossen, 
hiess  es,  er  sei  „vorzüglich  gut  und  viel  gewesen,  wie  seit  Jahren  nicht."''") 
Aber  auch  für  wissenschaftliche  Belehrung  sorgte  Götz,  wie  wir  oben  gesehen 
haben.  Nachdem  die  drei  Freunde  am  folgenden  Tage  unter  seinem  Geleite 
über  den  Rhein  gefahren,  den  Berg  erstiegen  und  unter  der  fröhlichen  Menge 
verweilt  hatten,  kehrten  sie  befriedigt  zurück  und  fuhren  nach  freundlicher 
IJewirtung  durch  ihren  „Geleitsmann"  noch  am  Abend  desselben  Tages  nach 
Eltville  zurück,  wo  sie  übernachteten.  Der  Morgen  des  17.  August  brachte 
sie  wieder,  nach  dem  Besuche  bei  llabel  (s.  o.)  nach  Wiesbaden. 

Die  Eindrücke,  welche  Goethe  auf  dem  AusÜuge  empfangen,  die  Unter- 
haltungen der  Leute  und  die  Reden,  die  er  vernommen  hatte,  wirkten  so 
mächtig  uach.  dass  er  schon  unterwegs  den  Gedanken  fasste  den  Besuch  des 
Rochusberges  litterarisch  zu  verwerten.  In  der  Nacht  vom  16.  auf  den  17.  Aug. 
hatte  es  stark  geregnet  und  Hess  es  rätlich  erscheinen  die  Abfahrt  von  Eltville 
zu  verzögern.  So  fand  sich  für  ihn  in  der  Frühe  des  17.  noch  Müsse  „das 
Schema  des  Rochusfestes",  wie  das  Tagebuch  sagt,  zu  entwerfen,  und  auch  in 
Wiesbaden  „setzte  er  das  Schema"  fort;  noch  mehrfach  holte  er  es  in  den 
nächsten  Tagen,  am  19.  und  26.  wieder  hervor.  Die  Ausarbeitung  jedoch  er- 
folgte erst  im  Jahre  181 G  wie  auch  die  Stiftung  des  Rochusbildes,  das  er 
.,gelobt"  und  durch  Luise  Seidler  zu  Jena  hatte  ausführen  lassen.  Die  all- 
mähliche Entstehung  und  der  Abschluss  der  Erzählung  sowohl  als  des  Bildes 
lässt  sich  an  der  Iland  des  Tagebuchs  genau  verfolgen:  jene  wurde  vom  25.  Mai 
1816  bis  Ende  des  Jahres  vollständig  ausgearbeitet  und  ausgefeilt,  gedruckt 
im  zweiten  Heft  des  ersten  Bandes  „Über  Kunst  und  Altertum",  1817,  dieses 
wurde  wohlverpackt  durch  die  falirende  Post  den  18.  Juli  1816  abgesandt, 
nachdem  ein  Brief  an  die  geistliche  Behörde  in  Bingen  wegen  des  Auspackens, 
der  Behandlung  und  des  Gegenstandes  des  Bildes  vorausgegangen  war. 

3.  Eine  dritte  Unterbrechung  erlitt  der  ruhige  Gang  des  täglichen  Lebens 
durch  die  Ankunft  des  [GrossJHerzogs  Karl  August  von  Weimar.  Derselbe 
gebrauchte  in  diesem  Sommer  das  Bad  zu  Aachen;  am  2.  August  meldete  ihm 
dorthin  Goethe  seine  Ankunft  in  Wiesbaden  und  empfing  am  8.  von  ihm  die 
Ankündigung,  dass  er  bald  Aachen  verlassen  und  nach  Mainz  kommen  werde; 
ein  zweites  Schreiben  vom  16.  gibt  nähere  Bestimmung  über  den  Zeitpunkt. 
„Ich  eile  Dich  zu  benachrichtigen,  schreibt  der  Grossherzog,  dass  ich  künftigen 
Sonnabend  den  20.  von  hier  weg  und  gerade  nach  Coblenz  reise,  um  den  22. 
bei  guter  Essenszeit  in  Maynz  zu  seyn.  AVo  ich  logiren  werde,  weiss  ich 
nicht  .  .  .  Wir  werden  uns  schon  finden.  Den  23.  Nachmittags  wollte  ich 
nach  Biebrich  und  Abends  nach  Wiesbaden  gehen,  um  von  dorten  Visiten  beim 


*}  Im  Rochusfest  Jicisst  es  zur  Krone.  —  "')  Sartorius,  a.  a.  ü.  S,  W. 


141 

Minister  v.  Stein  in  Nassau,  in  Sclilangenbad  u.  s.  \v.  /.u  inachon,     Sehr  freue 
ich  mich  Dich  wieder  zu  sehen.     Lebewohl.""'*) 

Der  letzte  Satz  wie  auch  der  ganze  Ton  des  Briefes  lässt  klar  das  ganz 
eigenartige  Verhältnis  erkennen,  das  damals  zwischen  dem  Fürsten  und  seinem 
Diener  bestand  und  fortdauerte,  bis  der  Tod  es  löste.  Ein  Jahr  später  s])richt 
sich  Goethe  in  der  Unterhaltui:g  mit  Boisseree  am  8.  August  darüber  also 
aus-''):  „Was  die  Verhältnisse  mit  Fürsten  theuer  und  werth  macht,  sey  das 
beständige  und  beharrliche  darin,  wenn  einmal  ein  Vertrauen  entstanden ;  so 
zwischen  ihm  und  dem  Herzog.  Durch  allen  Wechsel  der  Veriiältnisse  und 
Gesinnungen  durch  habe  der  Herzog  ihn  immer  denselben  gefunden,  gesehen, 
dass  er  einen  braven,  ehrlichen  Menschen  an  ihm  habe  und  so  sey  der  Herzog 
noch  jetzt  wie  in  ihrem  ersten  Freundschaftsverhältniss;  er  habe  ihm  kürzlich 
einen  Brief  geschrieben,  ein  Resultat  seiner  Leetüre  während  einer  Unpässlich- 
keit,  ganz  wie  aus  jener  Zeit  so  herzlich." 

Lassen  wir  jetzt  über  die  Tage  des  Zusammenseins  das  Tagebuch  reden: 
„|Am  Nachmittag  des  23.  August]  kam  Geh.  Secr.  Vogel  [Scatullier  im  Adress- 
buch genannt].    Mit  ihm  nach  Mainz. '•'■'')    Mit  Serenissirao  bis  tief  in  die  Nacht. 

—  24.  Mit  Dr.  Stark.''')  [Geh.  Hofrat  u.  Leibarzt]  nach  Wisb.  .  .  Mit  Stark 
die  Brunnen  und  Bäder  [besucht].  Die  Gegend.  Cursaal  und  Anlagen.  Im 
Cursaal  mit  Stark  und  Zelter.    Kam  der  Herzog.    In  der  Gesellsch.  bis  Nachts. 

—  25.  Mit  Serenissimo.  Zu  Frl.  Stein.  Nach  ßibrich.  Nach  Hause.  Ins  Schau- 
spiel. In  den  Cursaal.  — ■  26.  Mit  Serenissimo.  Graf  Henkel.  Briefe  von  Weimar 
an  Serenis.  Fuhr  der  H(erzog)  ab.  [am  Abend]  An  Serenis.  [nachgeschickt] 
das  Stunden  Blatt  der  Estafette,  nach  Francfurt." 

Es  waren  anstrengende  Tage,  wenn  auch  der  Verkehr  mit  dem  fürstlichen 
Gönner  und  Freunde  noch  so  angenehme  Stunden  brachte.  Die  Kur  stand 
still,  und  es  bedurfte  einiger  Tage,  bis  sie  wieder  aufgenommen  wurde. 

Es  erhellt  übrigens  aus  dem  Mitgeteilten,  dass  Goethe  den  Grossherzog 
weder  zu  dem  Herrn  v.  Stein  nach  Nassau  noch  nach  Schlangenbad  und  anderen 
Orten  begleitete,  wie  man  angenommen  hat. 

4.  Für  die  Kur  hatte  Goethe  vier  Wochen  in  Aussicht  genommen;  diese 
waren  mit  dem  Ende  des  August  abgelaufen,  und  wenn  er  auch  am  0.  Sep- 
tember noch  einmal  des  Bades  genoss,  so  bilden  die  Herbsttage  im  Rhein- 
gau, zu  denen  wir  jetzt  kommen,  streng  genommen  keine  Unterbrechung, 
sondern  den  Abschluss  des  Kurlebens.  Indem  wir  jedoch  auch  auf  sie  noch 
einen  Blick  an  dieser  Stelle  werfen  zu  sollen  glauben,  wird  es  gerade  wie  bei 
der  Rochusfahrt  genügen  die  Tagebuchnotizen  hierherzusetzen,  da  er  selbst 
in  dem  Anhang  zum  Rochusfeste  sie  ausführlicher  aufgenommen  hat;  einige 
anderweitige  Mitteilungen  werden  beide  ergänzen. 

Am  1.  September  reiste  Goethe  zu  der  befreundeten  Familie  des  Franz 
Ih-entano,  nach  dessen  Landsitz  in  Winkel  am  Rhein,  und  verweilte  daselbst 
acht   Tage.     Betrachten    wir    zuerst    den  Kreis,    in   den    er    dort  eintrat.     Wir 


"«)  Briefwechsel  des  Cfrossherzogs  Karl  August  mit  Goethe,  II.  —  "")  S.  ßoisseree  I, 
2(34.  —  -■''')  Goethe  sclirieb  irrtümlich  Wisbaden  statt  Mainz.  -  -")  Das  Tajjebuch  liat  Starke. 


U2 

Icrueii  ilin  kennen  aus  den  Einträgen,  welche  die  Mitglieder  des  Hauses  in 
das  Stanunbuch  Goethes  machten  und  die  wir  weiter  unten  mitteilen  werden. 
Das  Haupt  der  Familie  war  Franz  Brentano,  Schötf  und  Senator  von  Frankfurt, 
Sohn  erster  Ehe  des  nachmals  mit  Maximiliane  von  La  Roche  vermählten  Peter 
Anton  Brentano.  Seine  Gemalilin  war  Antonia,  Tochter  des  k.  k.  llofrats 
Johann  Melchior  v.  Birkenstock.  Beide  haben  wir  schon  unter  den  Frankfurter 
Besuchen  in  ^Viesbadeu  anführen  müssen.  Dann  folgen  im  Stammbuch  die 
Namen  der  Kinder  von  beiden,  Georg,  Maximiliane,  Josephine,  Franziska  und 
Karl,  und  die  Frankfurter  Verwandten,  Vettern  und  Cousinen,  Claudine,  Sophie, 
Franz  und  Ludwis:  Brentano,  ferner  Claudine  Piautaz.  die  seit  dem  Tode  der 
.Maximiliane  Brentano  (1703)  die  Erziehung  der  Töchter  P,  A.  Brentanos  ge- 
leitet-'*'} hatte,  der  Hauslehrer  Wildfeyr  und  l'auline  Serviere  aus  dem  uns 
bekannten  Hause  Serviere.  Dazu  traten  für  den  ersten  Tag  als  Gäste  Zelter, 
Christian  Schlosser  und  der  Frankfurter  Arzt  und  kurerzkanzlerischc  Hofrat 
Dr.  Wenzel.'") 

Das  Tagebuch  also  berichtet:  „1.  September.  Früh  7  Uhr  aus  Wiesbaden, 
um  9V2  Uhr  in  Winkel.  Bey  Brentanos  fand  ich  Zelter  und  Schlosser,  auch 
Geheimerat  Wenzel,  Arzt  und  Accoucheur  von  Frankfurt.  Nach  Tische  gingen 
jene  weiter  auf-^*)  Bingen.  Mit  Brentanos  und  Wenzel  fuhr  ich  auf  Eibingen, 
herab  auf  Küdesheim.  Brömserisches  Haus.^^^)  Stadtkirche.  Rückfahrt  beym 
schönsten  Abend."  —  Die  Ausflüge  am  2 ,  3.  und  4.  September  fehlen  im 
Tagebuch,  wir  ergänzen  sie  in  Kürze  aus  den  „Herbsttagen":  am  2.  wurde 
Schloss  Vollraths  und  Johannisberg  besucht,  am  3,  Geisenheim,  die  Stätte  des 
kurz  vorher  säkularisierten  und  dann  aufgegebenen  Kapuziner-Klosters  Not-Gottes, 
der  Niederwald,  den  man  vom  Jagdschloss  aus  bis  zu  dem  Tempel  durch- 
wanderte, sich  an  den  wunderbaren  Aussichten  erfreuend,  am  4.  die  verfallene, 
in  ein  Winzerhaus  verwandelte  Kapelle  des  h,  Rhabanus **''),  Weinheim  am 
anderen  Ufer  des  Rheines,  Niederingelheim,  wo  man  die  Reste  des  Palastes 
Karls  des  Grossen  aufsuchte. '''^^) 

Das  Tagebuch  fährt  fort:  „5.  August,  Auf  Rüdesheim.  Im  Kahn  bey 
wogigem  Strome  nach  Bingen.  Spaziergang.  Gyps.  Woher y  ^Melancholische 
Wirthin  mit  seltsamem  Bewusstsein  ihres  Zustandes.  Abfahrt.  Rochusberg, 
jene  verfallenen  Stationen.  Rochuskapelle,  (^rgel.  Weiche  Orgel.  Nonnon- 
orgel.  Herrliche,  niemals  genug  zu  schauende  Aussicht.  Gestein  oben,  unten. 
Fahrt  hinabwärts.  Kempten  lincks.  Herrliche  Chaussee.  Leicht  zu  bearbei- 
tender flacher  Boden.  Lincks  ab  von  der  Chaussee.  Sand,  junge  Fichten. 
Sanfte  Höhen.  Besserer  Boden,  Weinbau,  Oberingelheim.  Reinlich  wohl 
gepflastert.  Wenig  Menschen  zu  sehen.  Altes  weitläuflges  Schloss.  Kirche. 
Au.sgemeiselt  die  Wappen  der  Grabsteine,    Bunte  Fenster.     Weinhaus.     Alter 


=»*)  Creizeiiach,  S.  1G5  Anmerkung.  -  -"")  IJelli-Gontard  IX,  18.  —  2«^)  Auf 
statt  uacli,  oiii  am  Kliein  weit  verbreiteter  Provinzialismus,  auch  Vjei  Goethe  sehr  gewöhnlich. 
—  ■'"'')  Über  ilio  Burgen  in  Rüdcsheini  vgl.  A.  v.  Cohausen  in  den  Annalen  des  nass. 
Vereins  XX,  1 1  ff ,  —  **•*)  "Vgl,  lt.  Görz  in  den  Donkmiilcrn  aus  Xassau,  11.  1,  ;{9:  Das  graue 
Haus  zu  Winkrl.  —  *")  Vgl.  P.  Clemen,  Der  karolingisclie  Kaiserpalast  zu  Ingelheim.  West- 
deutsche Zeitschr.  IX,  54  u.  97. 


143 

Wirth.  Complox  der  acht  Ortschaften.  Ehemalige  geringe  Abgabe.  Fran- 
z«)Hche  (sie)  Zeit.  Weinbau  sonst  nur  weiss.  In  Nachahnuing  und  Nacheiterung 
von  Assnianshausen  roth.  Handel  mit  demselben.  Vorzüge.  Eilfer.  JtücUfahrl 
bis  Weinheim.     Kahn,  Knaben,  schnelle  Fahrt. 

„G.  September.  Früh  llr.  Brentano  nach  Francfurt.  Redacktion  und 
Abschrift  der  bisherigen  Notaten.  Spaziergang  erst  allein,  dann  mit  Mad. 
Brentano  und  Dlle,  Serviere.  Frl.  v.  (lünderode  Leben  und  Tod.*''")  Ort  ihres 
Selbstmordes.  Kurz  vorhergehend.  Zu  Mittag  Nachbar  Behringer  derber  [s.  oben]. 

„8.  September.  Die  bisherigen  Aufsätze  durchgegangen.  Mit  Fr.  v.  Brentano 
und  Dlle.  Serviere  an  den  Mühlen  hin,  Clause."  Unter  diesem  Namen 
wird  gewöhnlich  die  ehemalige  St.  Georgsklause  am  Fusse  des  Johannisberge.s 
verstanden.  Mit  dem  Kloster  Johannisberg  war  ursprünglich  ein  Nonnenkloster 
verbunden,  das  aber  später  von  jenem  abgelöst  und  unter  dem  Namen  St.  (jcorgs- 
klause  in  das  Thal  verlegt  wurde;  er  bestand  bis  zum  Jahre  1452,  wo  es  auf- 
gehoben und  seine  Güter  der  Abtei  Johannisberg  einverleibt  wurden. ^''^) 

Das  Tagebuch  fährt  fort:  „Mittag.  Einsezung  der  Jesuiten.  Werners 
Übertriebenheiten."  Diese  beiden  Einträge  bildeten  wohl  den  Gegenstand  der 
Unterhaltung  des  Nachmittags.  Papst  Pius  VII.  hatte  am  7.  August  1814  in 
feierlicher  Versammlung  die  Bulle  Sollicitudo  omnium  ecclesiarum  verlesen, 
durch  welche  der  Orden  der  Jesuiten  förmlich  und  feierlich  in  alle  seine 
früheren  Privilegien  wieder  eingesetzt  wurde.  Mit  dem  Namen  Werner  ist 
ohne  Zweifel  der  Romantiker  Zacharias  Werner  (1708—1823)  gemeint;  nach 
einem  höchst  ungeregelten  Leben  war  er  im  Jahre  1811  katholisch,  1814  Priester 
geworden  und  machte  damals  durch  sein  excentrisches  Wesen  viel  von  sich 
reden'^''°);  nicht  lange  vor  seinem  Tode  trat  er  in  den  Orden  der  Rcdemp- 
toristen. 

Die  Abreise  Goethes  erfolgte  an  demselben  Tage;  „Nach  Wiesbaden",  so 
schliesst  das  Tagebuch  den  Bericht. 

Es  waren  genussreiche  Tage,  die  Goethe  in  der  „geliebten  und  verehrten 
Familie  Brentano"  verlebte,  und  datdvbar  gedenkt  er  der  „glücklichen  Stunden". 
Die  „Herbsttage"  beendet  er  mit  den  „glücklichen  Ruudworteu": 

„Am  Rhein,  am  Rhein, 
Da  wachsen  unsre  Reben." 
Der  Familie  Brentano   verehrte    er    ein  Frankfurter   Landschaftsbildchen, 
unter  welches  er  zur  Erinnerung  an  Winkel  die  Zeilen  setzte  r^'-") 

„Wasserfülle,  Landesgrösse, 
Heitrer  Himmel,  frohe  Bahn; 
Diese  Wellen,  diese  Flösse^'-) 
Landen  auch  in  Winkel  an." 


28»)  Karoline  v.  Günderrode,  geb.  am  11.  Februar  1780,  starb  bekanntlich  in  den  Fluten 
des  Rheines  eines  freiwilligen  Todes  am  26.  Juni  1S06.  Vgl.  S.hwartz  in  der  Kncykloj.ädic 
von  Er  seh  und  G  ruber  I,  Bd.  ;t7,  S.  515  des  Separatabdrucks^.  -  '''')  Vogel,  Bcschroii.ung 
des  Herzogtums  Nassau,  S.  5'J7.  -  ''">)  Vgl.  Arndt,  Meine  Wanderungen  und  Wandelungen 
mit  Herrn  v.  Stein,  S.  231.  -  ''')  Creizenach,  S.  86.  -  ''')  So  die  Weimarer  Ausgabe  l, 
4,  69,  Creizenach  minder  passend:  Flüsse. 


144 

Die  üben  orwähiiten  Stammbucheiuträge  des  Brentanoischeu  Hauses  sind 
folgende.  «••■M 

1.  Antouia  Brentano  schrieb: 

„Winkel  im  Rheingau. 

Hier  stand  die  Natur,  da  sie  aus 
reicher  Hand  über  Hügel  und  Thal 
belebende  Schöpfung  goss,  mit  ver- 
weilendem Tritte  still  —  hier  gefiel 
es  auch  Dmen  acht  schöne  Tage  zu  weilen, 
und  Ihrer  Gegenwart  Sonnenblick 
schien  mir  der  .\nmuth  Vollendung. 

d.  8.  Sept.  18H.  Antonia  Brentano 

gebohrene  Edle  von  Birkenstock.** 

2.  Franz  Brentano: 

„So  wie  das  wohlthcätigc  Jahr  1811 
hier  den  edlen  Rebensaft  zum 
Nektar  erhob,  so  verlierrlichtc 
in  diesem  Jahr  Ilir  freundlicher 
Besuch  unsere  Gefühle! 

Das  Andenken  daran  wird  mir 
uuvergesslich  bleiben. 
Winkel  im  Rheingau  d.  8.  Sept.  1814.  Franz  Brentano." 

3.  Die  folgende  Seite  trägt   in  schöner,    aber   steifer,    unausgeschriebener 
Kinderhand  die  Überschrift: 

.,Auch  die  Kleinen  Hessen  Sie  zu  sich  kommen" 
und  darunter  die  Namen  der  Kinder  des  Hauses: 

„Georg  Brentano 
Maximiliane  Brentano 
Josephine  Brentano 
Franciska  Brentano 
Carl  Brentano." 

Der  Name  des  damals    einjährigen  Karl    und    die   Unterschrift:    „Winkel 
im  Khcingau,  den  8.  Sept.   1814"  sind  von  der  Hand  der  Mutter. 

4.  „Auch  wir  gehören  zu  den  Kleinen" 

sagt  die  dritte  Seite  und  zeigt  die  Namen  der  Frankfurter  Vettern  und  Cousinen: 

„Claudine  Brentano 
Sophie  Brentano 
Franz  Brentano 
Ludwig  Brentano." 

sowie  der  Claudine  I*iautaz,  die  schon  im  nächsten  Jahre  berufen  war  Mutter- 
stelle an  den  verwaisten  Kindern  zu  vertreten. 

5.  Der  Hauslehrer  Wildfeyr: 

„Omne  tulit  punctum  (jui  niiscuit  utile  dulci. 
Vinicellae  8.  Sept.  1814.  Wildfeyr. 

(Jedweden  Schicksalsschlag  verwindet, 
wer  Tüchtiges  mit  Lieblichem  verbindet.)" 

"')  Vulpius,  Kundschau,  a.  a.  0.  S.  355  ff. 


ß.  Pauline  Serviere: 

„Sonst  könnt  ich  zu  Gedanken   Worte  finden, 
Do(di  nun,  da  ich  so  nahe  bei  Dir   wulint'. 
Traf  mich  ein  Strahl  aus  Deiner  Sternenkione, 
Ich   wurde  stumm  und  tülilte  midi  erblinden. 

Aeli,  wer  kann  Deinem  Zaul)er  sicli  entwinden! 
Ich  wag  es  nicht,  dem  guten  Geist  zum  Holme. 
Mir  würde  Spott  und  Schande  bald  zum  Lohne, 
Wollt  icli  mit  S(!liwachlieit  kühnen  Trotz  verbinden. 

Ich  schleiche  zum  l'arnass  als  armer  Kranker, 
Da  such  icli  nun  mit  tiefbewegtem  Herzen 
Und  vierzehn  Helfern  Lindrung  meiner  (Qualen. 

An  Deiner  Güte  lieg  ich  hier  vor  Anker, 

Ein  freundlich  Wort  heilt  alle  meine  Schmerzen, 

Doch  kann  ich  nie  der  Wohlthat  Freude  malen. 

Winkel,  d.  8.  September  1814.  Pauline  Serviere." 

„Die  lieben  Kleinen,  so  erfahren  wir  später"^),  haben  sich  gar  nicht  gefreut, 
wenn  der  Gefeierte  Winkel  als  Gast  beelirte;  sie  mussten  dann  sehr  brav  und 
sehr  still  sein,  durften  nicht  auf  dem  grossen  Speicher  spielen  u.  s.  w.  Da- 
gegen hatten  sie  bei  den  Spaziergängen  nebenher  zu  trippeln,  um  dem  hohen 
Herrn  die  Steine,  Muscheln  u.  s.  w.  aufzulesen,  die  er  mit  seinem  Stocke  be- 
zeichnete und  mit  seinem  Bergmannshämmerchen  untersuchte." 

b.   Im  Jahre  1815. 

5,  Nachdem  im  Jahre  1814  Napoleon  besiegt,  Paris  eingenommen  und 
der  Friede  geschlossen  war,  schien  es,  als  ob  eine  weitere  Störung  der  liuhe 
für  längere  Zeit  nicht  zu  befürchten  sei.  Daher  war  der  Sinn  der  Menschen 
von  heftigen  politischen  Einflüssen  frei  und  die  Teilnahme  an  öffentlichen  An- 
gelegenheiten beschränkte  sich  für  Goethe  höchstens  auf  Rückblicke  in  die 
Vergangenheit  oder  das  Durchblättern  von  Broschüren  über  Fragen,  die  doch 
anderswo  entschieden  wurden. 

Ganz  anders  im  Jahre  1815,  Als  er  zu  Wiesbaden  ankam,  stand  man 
am  Beginn  neuer  gewaltiger  Kämpfe,  denen  man,  seit  Napoleon  Elba  verlassen 
und  seinen  Einzug  in  Paris  gehalten  hatte,  unzweifelhaft  entgegenging.  Der 
Achtserklärung  des  französischen  Eroberers  durch  die  Mächte  am  13,  März 
folgte  eine  neue  Verbindung  derselben  zu  seiner  Bekämpfung  und  Entsetzung 
am  25,  März;  die  übrigen  Fürsten  traten  deren  Kriegsbündnis  nach  einigen 
Verhandlungen  bei;  unter  den  ersten  waren  der  Herzog  Friedrich  August  und 
Fürst  Friedrich  Wilhelm  von  Nassau. ^^5)  Diese  hatten  schon  am  23,  März 
den  Befehl  zu  Rüstungen  gegeben  und  am  25.  eine  allgemeine  Landesbewaffnung 
angeordnet;  u.  a.  sollte  neben  den  bestehenden  Reserve-  und  Scharfschützen- 
kompagnien bei  jedem  Landsturms- Bataillon  eine  Veteranenkompagnie  unver- 
züglich   aufgestellt   werden,    welche    zu   bilden  sei     1.  aus    den    älteren  Milizen 


■"*)  Mitteilung   des   nachmaligen    Gemahls    der  Joseplia,    Anton   Brentano,    an    Vulpius. 
S.  Rundschau  a.  a,  O.  —    -«^)  Menzel,  Geschichte  von  Nassau  III  (VII),  846, 


146 

bis  zum  45.  Jahr,  2.  aus  allen  unverheirateten  Ijandsturmmännern  bis  zum 
45.  Jahr,  3.  aus  freiwilligen  Milizen  und  zum  Liuieudienst  nicht  zugfähigeu 
Reservisten  dritter  Klasse,  welche  im  Falle  des  Aufgebots  zur  Yaterlaudsver- 
teidigung,  mit  der  Landwehr  sofort  ins  Feld  zu  rücken  sich  verbindlich  macheu; 
diese  sollten  zur  Auszeichnung  eine  silberne  Borte  um  den  Kragen  tragen.*'"') 
Während  noch  die  Rüstungen  und  Übungen  von  Landsturm  und  Landwehr 
fortdauerten,  rückte  am  2L  Mai  das  erste  Itegimeut  in  das  Feld  ab,  das  zweite 
stand  noch  vom  vorigen  Jahre  her  in  den  jSiederlanden;  beide  nebst  den 
nassau-oranischen  Truppen  wurden  dem  Kommando  des  Herzogs  von  "Wellington 
unterstellt.*'-^^)  Und  da  gegen  diesen  Napoleon  sich  zuerst  wandte,  so  war  es 
natürlich,  dass  in  Wiesbaden  und  ganz  Nassau  die  Spannung  ausserordentlich 
gross  war,  welches  der  Verlauf  und  der  Ausgang  der  bevorstehenden  Kämpfe 
sein  werde. 

Mitten  in  dies  aufregende  Treiben,  in  die  zwischen  Hoffnung  und  Be- 
fürchtung schwankende  Stimmung  fiel  die  Ankunft  Goethes,  und  wie  er,  selbst 
gespannt  auf  die  Entwicklung  der  Dinge,  das  militärische  Wesen  vor  seinen 
Augen  sich  abspielen  sieht  und  hört  (am  31.  Mai  wurde  zu  Wiesbaden  der 
Landsturm  verpfliclitet,  am  4.  Juni  zu  Weilburg  die  Fahnenweihe  und  Beeidigung 
des  Landsturmbataillons  vollzogen),  auch  von  dem  nunmehrigen  Major  v.  Luck 
eingehendere  Nachrichten  erhält,  da  lässt  er  sich  mehr  als  einmal,  wie  das 
Tagebuch  verrät,  von  seinen  mineralogischen  Studien  bei  Gramer  und  seinen 
west-östlichen  Dichtungen  wegreissen  und  greift  zu  der  ihm  sonst  nicht  genehmen 
Lektüre  der  politischen  Blätter.  So  verzeichnet  das  Tagebuch  gleich  am  29. 
und  30.  Mai,  dann  am  5.  und  7.  Juni  „politische  Zeitungen"  oder  „Blätter". 
Auch  auswärtige  Ereignisse  werden  aufgenommen,  wie  die  Nachricht  von  der 
am  23.  Mai  erfolgten  Einnahme  Neapels  durch  die  Österreicher;  König  Murat 
hatte  sich  am  3L  März  für  Napoleons  Sache  erhoben,  aber  durch  die  unglück- 
lichen Kämpfe  bei  Tolentino  im  Anfang  Mai  sich  gezwungen  gesehen  nach 
Frankreich  hin  zu  flüchten,  wodurch  den  Gegnern  in  Italien  freie  Hand  blieb. 
In  gleicher  Weise  ist  am  4.  Juni  Marschall  Bertliiers  Tod  verzeichnet,  der 
am  1.  Juni  durch  einen  Sturz  von  dem  Balkon  des  Bamberger  Schlosses  seineu 
Tod  suchte. 

Näher  gingen  ihn  schon  die  „neuesten  Abtretungen  und  Besitznehmungen", 
sowie  der  „Ländertausch"  (ö.  und  13.  Juni)  an,  die  er  mit  Gramer,  dessen 
Heimat  sie  zum  Teil  betrafen,  besprochen  haben  mag;  durch  die  Verträge  vom 
14.  Juli  1814  und  31.  Mai  1815  hatten  sich  die  beiden  nassauischen  Haupt- 
linien, dann  die  walramische  mit  Preussen  so  verständigt,  dass  durch  verschiedene 
Abtretungen  und  Tausche  das  schön  abgerundete  Plerzogtum  für  Nassau  und 
besser  zusammengelegte  Länderstrecken  für  l^reussen  geschaffen  wurdeu.**"*) 
Gramers  Heimat  fiel  infolgedessen  an  die  Krone  Preussen.  Zur  Ausführung 
dieser  Vereinbarungen    waren    alsbald    Kommissäre    bestellt    worden;    ihre    bis- 


"«)  Verordnungsblatt  1815,  No.  10.  —  2")  Menzel,  Geschichte  von  Nassau  VII  (III), 
876.  Vor  dem  Ausmarsch  des  ersten  Regiments  war  vor  dem  Kurhause  zu  Wiesbaden  am 
17.  Mai  ein  feierlicher  Gottesdienst  von  dem  katholisciien  und  evangelischen  Geistlichen  ab- 
gehalten  worden.     Mass.   liilelligenzljl.    181j.   —   ^'"';  Menzel   lil,  778,  8j4. 


147 

herigen  Ilnterthanen  in  den  abgetretenen  Gebieten  entliessen  die  Fürsten  von 
Nassau  ans  dem  Unterthanenverbande  am  *.  j  ,■  1815. "■''■')  Am  IG,  .Imii,  wo 
die  Entscheidung  bevorstand,  bringt  Major  von  Luck  wieder  „Politica  Militaria" 
zum  Gespräch. 

Am  11.  Juni  war  Goethe  die  eben  erschienene  und  gerade  in  jenen  Tagen 
doppeltes  Interesse  erregende  Broschüre  des  Grafen  v.  Truchsess-Waldburg  in 
die  Hände  gefallen;  „Napoleons  Heise  von  Fontainebleau  nach  Frejus"'"");  sie 
zeigte  den  Imperator  auf  der  tiefsten  Stufe  moralischer  Schwäciio  und  Halt- 
losigkeit, indem  der  eben  noch  so  gewaltige  und  übermütige  Mann,  um  vor 
dem  Unwillen  seiner  ehemaligen  Unterthanen  gescliützt  zu  sein,  es  nicht  ver- 
schmähte österreiciiische  Uniform  anzulegen,  die  weisse  Kokarde  der  liourbonen 
anzustecken  und  im  Dunkel  der  Nacht  die  gefürchteten  Orte  vermied  oder 
eilends  durchfuhr. 

Beunruhigend  wirkte  zuletzt  noch  am  18.,  an  dem  entscheidenden  Tage, 
die  Nachricht,  dass  die  Garnison  von  Mainz  aufbrechen  solle  (s.  oben),  an 
deren  Stelle  auch  nassauische  Truppen  rücken  sollten.  Doch  bald  —  aber 
erst  drei  Tage  nachher,  am  21.  —  kamen  günstige  Nachrichten  von  dem  Kriegs- 
schauplätze, nachdem  ihnen  schlimme  vorausgegangen  waren.  Darüber,  sowie 
über  die  ganze  vorhergehende  Zeit  schreibt  Goethe  in  den  Annalen:  „Napoleon.s 
Wiederkehr  erschreckte  die  Welt;  hundert  schicksalschwere  Tage  mussten  wir 
durchleben.  Die  kaum  entfernten  Truppen  kehrten  zurück;  in  Wiesbaden  traf 
ich  preussische  Garde.'*''')  Freiwillige  waren  aufgeboten  und  die  friedlich  be- 
schäftigten, kaum  zu  Athem  gekommenen  Bürger  fügten  sich  wieder  einem 
Zustande,  dem  ihre  physischen  Kräfte  nicht  gewachsen  und  ihre  sittliciieu  nicht 
einstimmig  waren.  Die  Schlacht  von  Waterloo,  in  Wiesbaden  zu  grossem 
Schrecken  als  verloren  gemeldet,  sodann  zu  überraschender,  ja  betäubender 
Freude  als  gewonnen  angekündigt.  In  Furcht  vor  schneller  Ausbreitung  der 
französischen  Truppen,  wie  vormals  über  Provinzen  und  Länder,  machten  Bade- 
gäste schon  Anstalten  zum  Einpacken  und  konnten,  sich  vom  Schrecken  er- 
holend, die  unnütze  Vorsicht  keineswegs  bedauern." 

Die  Nachricht  des  Sieges  erfuhr  Goethe,  wie  es  scheint,  durch  den  Minister 
V.  Marschall,  doch  war  der  Bericht  noch  unvollständig;  genaueres  meldete  am 
22.  V.  Luck,  zugleich  aber  verlautete,  dass  die  Nassauer  zahlreiche  Verluste 
erlitten  hätten.  Und  in  der  That  waren  diese  bedeutend;  denn  da  sie  zwei 
der  am  meisten  gefährdeten  Punkte,  das  Schloss  Ilougomont  und  den  Hof  la 
Haye  Sainte,  zu  verteidigen  hatten,  und  gegenüber  wiederholten  kräftigen 
Angriffen  ihre  Aufgabe  glänzend  lösten,  so  waren  viele  tapfere  Männer  gefallen 


■•^"•')  Verordnungsblatt  1815,  No.  20.  —  =*»«)  S.  den  Titel  in  dem  Absclinitt  10,  Lektüre. 
—  ^"')  Das  Tagebucli  erwähnt  diese  erst  am  :{0.  Juni,  dal>ei  den  Grafen  Henrkel.  (ibrigons 
war  die  Einquartierung  von  Wiesbaden  in  diesem  Jahre  nirlit  bedeutend.  Der  Oberbefehls- 
liaber  der  niittelrheinischen  Armee,  Feldmarschall  Barclay  de  Tolly,  hatte  den  Befehl  erlassen, 
da<«s  die  rheinischen  Bäder  während  der  Badezeit  von  aller  Einquartierung  verschont  bleiben 
sollten.  Wiesbadener  Wochenblatt,  Bekanntmachung  vom  20.  und  "_>7.  Juni  181.").  In  Über- 
einstimmung damit  weisen  die  Einquartieruiigslisten  des  Künigl.  Staatsarchivs  dahier  für  Wies- 
baden nur  wenige  einquartierte  Oftiziere  und  .Soldaten  auf. 


148 

oder  verwundet  wordeu ;  aber  wie  gross  die  Verluste  waren,  konnte  sofort  nicht 
festgestellt  werden'"-'),  und  so  schwebte  man  noch  Tage  laug  zwischen  Furcht  und 
Hoffnung,  («oethe  nahm  an  diesen  Sorgen  Anteil;  er  schreibt  am  5.  Juli  an 
Meyer:  „Die  grossen  Nachrichten  des  Verlustes  erst,  dann  des  Gewinnes  trafen 
hier  heftig.  Der  Nassauer  einzelne  Leiden  und  Sorgen  teilte  man  mehrere 
Tage."  Nachdem  am  27.  das  „neueste  lUilletin  vorgerückte  IFauptquartiere" 
gemeldet  hatte,  erfährt  er  am  30.  durch  den  Kammerherru  v.  Nauendoif  eine 
„genauere  Relation  der  grossen  Schlacht." 

Damit  war  für  Goethe  die  Beschäftigung  mit  Politik,  soweit  es  das  Tage- 
buch erkennen  lässt,  erschöpft;  er  kehrte  zu  seiner  gewöhnlichen  Thätigkeit 
zurück,  die  der  AVisseuschaft  und  Kunst  gewidmet  war. 

(1.  Wir  wissen,  dass  der  Erzherzog  Karl  am  herzoglichen  Hofe  zu 
Biebrich  unseren  Dichter  gesehen  hatte.  Dies  gab  iiim  die  Veranlassung  zu 
einer  Einladung  nach  Mainz,  der  Goethe  am  18.  Juli  Folge  leistete.  Bei  der 
Tafel  werden  noch  Leute  aus  dem  Gefolge  der  kaiserlichen  Hoheit  gewesen 
sein,  mit  denen  ein  Ausflug  auf  den  Johannisberg,  der  am  folgenden  Tage 
stattfinden  sollte,  verabredet  wurde.  Auch  den  Obersten  „Chevalier"  de  Lort 
besuchte  Goethe  damals  zu  Mainz. 

7.  Die  Fahrt  auf  den  Johannisberg  am  19.  Juli  machte  Goethe  zum 
Zeugen  eines  für  die  Geschichte  des  Schlosses  denkwürdigen  Vorgangs.  Das 
Kloster  Johannisberg,  gestiftet  1106,  hatte  sich  anfangs  rasch  zu  einer  gewissen 
Blüte  erhoben,  aber  Misswirtschaft  und  Verfall  der  Zucht  brachten  es  all- 
mählich so  herunter,  dass  der  Erzbischof  Daniel  von  Mainz  (1555 — 1582)  es  zu 
einer  Kellerei  einrichtete,  und  als  auch  in  der  Folge  die  Verhältnisse  sich  nicht 
besserten,  schien  es  geraten  sich  lieber  des  ganzen  Besitzes  zu  entäussern. 
Der  Fürstabt  von  Fulda,  Konstantin  v.  Buttlar,  wie  Johannisberg  dem  Bene- 
diktiner-Orden angehörig  und  Primas  desselben  in  Deutschland,  beschloss  die 
ehemalige  Abtei  zu  erwerben  und  kaufte  sie  am  20.  Juni  1710.  Den  alten 
Staiul  aber  führte  er  nicht  wieder  zurück,  sondern  begann  alsbald  an  der  Stelle 
der  Klostergebäude  ein  Schloss  zu  erbauen,  das  von  seinem  Nachfolger  im 
Jahre  1780  vollendet  wurde.  Unter  der  Fuldaischen  Verwaltung  hob  sich  der 
Weinbau  ausserordentlich  und  gelangte  zu  seiner  jetzigen  Berühmtheit.  Die 
politischen  Stürme  zu  Anfang  des  11).  Jahrhunderts  führten  einen  raschen 
Wechsel  der  Besitzer  des  Schlosses  herbei.  Auf  das  Haus  Nassau-Oranien, 
dem  es  unter  den  Entschädigungen  für  Verluste  in  den  Niederlanden  im  Jahr 
1802  zuteil  wurde,  folgte  am  20.  August  1807  der  französische  Marschall 
Kellermanu,  dem  es  Napoleon  zum  Geschenk  machte,  und  im  Herbste  1813 
(0.  November)  die  Besetzung  durch  die  Alliierten;  vorläufig  wurde  eine  Admi- 
nistration bestellt,  die  bis  zur  Entscheidung  über  den  Besitz  die  Verwaltung 
des  Gutes  führen  sollte;  sie  stand  unter  der  General-Administrations-Kommission 
zu  Mainz  und  wurde  dem  k.  k.  Geheimerat  und  bevollmächtigten  Minister  Freiherrn 


^"-)  Noch  jetzt  scliwanken  die  An^liCn  der  verschiedenen  Berichte;  vgl.  die  Regiments- 
geschichten von  Jscnibnrt  i2.  Regiment^  und  v.  Rüssler  il.  Regiment),  Menzel  III  (VII), 
ST«;  Kolh,  Freili.  v.   Kruse,  ö.  ü7. 


149 

V.  Hügel  übertragen.  Nach  den  Wiener  Vertrügen,  Artikel  51  der  Kongress- 
akte,  und  dem  Vertrag  vom  12.  Juni  1815  zwischen  Österreich  und  Preussen 
ging  das  Schloss  in  das  Eigentum  des  Kaisers  von  Österreich  ühor,  und  der 
Erzherzog  Karl  erhielt  den  Auftrag  liesitz  von  demselben  zu  ergreifen.  Dieser 
ernannte  darauf  den  Oehcimerat  Paul  Anton  v.  Handel  zum  „Übernahme- 
Kommissarius"  mit  dem  Auftrage  die  Übernahme  am  10.  Juli  1815  zu  voll- 
ziehen. So  begab  sich  derselbe  in  Begleitung  mehrerer  Oftiziere  und  Beamten 
aus  der  Umgebung  des  Erzherzogs  an  dem  bestimmten  Tag  an  Ort  und  StelN*; 
der  bisherige  Kellner  Pater  Arnd  legte  die  letzten  Rechnungen  und  die  In- 
ventare  vor  und  empfing  die  Bestätigung  seines  Amtes,  worauf  die  Besitzer- 
greifung Namens  des  Kaiserhauses  ausgesprochen  und  zum  Zeichen  derselben 
das  kaiserlich  österreichische  Wappen  an  das  Hauptthor  angeschlagen  wurde.*'') 

Diesem  Akte  wohnte  Goethe  gemäss  der  Einladung  bei  und  berichtet 
darüber  im  Tagebuch  in  der  gewohnten  Kürze;  nach  der  Übergabe  wurde  von 
den  Anwesenden  ein  Spaziergang  um  den  Berg  gemacht,  wobei  der  Pater 
Arnd  den  Führer  und  „über  die  Kultur  desselben"  Mitteilungen  gemacht  haben 
wird.  Daran  schloss  sich  ein  heiteres  Mittagsmahl.  Als  Teilnehmer  an  dem- 
selben haben  wir  die  in  dem  Tagebuch  genannten  Personen  zu  denken:  den  Herrn 
V.  Hügel,  den  Grafen  v.  Westphalen,  wohl  den  k.  k.  wirklichen  Geheimerat 
Clemens  August  (1754 — 1818),  den  Generalfeldraarschall-Lieutenant  Gottfried 
Freiherru  v.  Strauch,  Vizegouverneur  der  Festung  Mainz,  den  Geheimerat  Paul 
Anton  V.  Handel'"'),  später  Direktor  der  Bundespräsidialkanzlei,  den  Regierungs- 
rat Joachim  Kleyle  aus  dem  Hofstaat  des  Erzherzogs  und  den  Adjutanten  des- 
selben, den  Obersten  Karl  Freiherrn  v.  Gudenau."*"^)  An  den  Grossherzog  von 
Weimar  berichtet  Goethe  darüber  also^""):  „Nach  vollbrachter  Übergabe,  nach 
einem  Umgang  um  Schloss  und  Burg,  sodann  einem  heiteren  Mittagsmahl,  die 
Gegend  immerfort  bewundernd,  sah  ich  dann  den  kaiserlichen  Adler  über  den 
alten,  in  Eisen  gegossenen  fuldischen  Kreuzen  schweben  und  also  auch  den 
Besitz  dieses  merkwürdigen  Erdpunktes  entschieden."  Entschieden  aber  war 
er  nun  doch  nicht  völlig;  denn  am  6.  November  1816  ging  er  durch  kaiserliche 
Schenkung  an  den  Fürsten  Metternich  als  ein  volles  Eigentum  über  mit  dem 
Zusatz,  dass  das  Gut  unter  kaiserlicher  Oberherrlichkeit  bleibe  und  jährlich  ein 
Kanon,  bestehend  in  dem  Zehnten  des  Weinertrags,  entrichtet  werde.'^"") 

Der  19.  Juli  war  für  Goethe  noch  in  anderer  Beziehung  wichtig  und  er- 
freulich; an  diesem  Tage  erhielt  er  durch  eine  Zeitungsnotiz  die  Nachricht,  dass 
der  Kaiser  von  Österreich  ihm  das  Kommandeur-Kreuz  des  Leopoldsordens 
am  28.  Juni  zu  Speyer  verliehen  habe.  Die  Nachricht  davon  empfing  er,  wie 
es  scheint,  noch  zu  Wiesbaden  durch  Herrn  v.  Hügel.     Als    er  sich    dazu  be- 


^**^)  Über  die  Geschiclite  des  Johannisberges  handelt  nach  älteren  und  eigenen  Forsch- 
ungen in  gründlicher  Weise  der  Arcliivar  Habel  in  dem  Berichte  der  Kommission  der  nnss. 
Stände  zur  Untersuchung  der  staatsreclitliclien  Verhältnisse  des  Schlosses  Johannisberg  vom 
15.  März  1849,  in  populärer  Darstellung  Zwenger  in  der  Zeitschrift  Ilessenland  1889,  S.  188, 
200  u.  235  und  K.  Braun  in  seiner  Art  in  den  Bildern  aus  der  deutschen  Kleinstaaterei  I, 
282  ff.  —  ■•*"^)  Das  Tagebuch  sciireibt:  Reg.  11.  Henckel.  —  s"')  Ebenda  heisst  er  licn.  AdJ. 
Bar.  Quthenau.  —  """^j  O.  J  ulin,  Goethes  Briefe  an  Voigt,  S.  532.  -  ="'";  Habel,  a.  a.  ü.  S.  G3. 

11 


150 

reitete,  so  berichtet  er  seinem  Fürsten  am  20.  Juli'**^),  auf  den  Johanuisberg 
zu  fahren,  sei  dieser  hereingetreten,  um  ihm  Glück  zu  wünschen  zu  der  Ehrung, 
wobei  er  (Goethe)  sich  erinnert  liabe,  dass  er  auch  dieses  Gut  des  Grossherzogs 
früherer  Verwendung  verdanke.  Zunächst  war  es  nur  die  Mitteilung  einer 
Zeitung,  die  diese  Neuigkeit  brachte;  Goethe  schnitt  die  Notiz  aus  derselben 
heraus  und  sandte  den  Zettel,  in  einen  Brief  eingeklebt,  an  den  Geheimerat 
V.  Voigt  mit  folgendem  Zusatz^*'^):  ,Was  den  Orden  betrift't,  habe  ich  weiter 
kein  Dokument  als  obige  Stelle  aus  einer  Wiener  Hofzeitung,  nach  welchem 
als  einem  untrüglichen  auf  dem  Johannisberg  mir  von  II.  v.  Hügel  und  sonstigen 
Anwesenden  gar  freundlich  gratuliert  worden.  Ich  vermuthete,  es  sei  an  Ihre 
Hoheit  den  Grossherzog  gesendet,  und  freute  mich  es  aus  dieser  Hand  zu  er- 
halten. Ew.  Excellenz  erlangen  vielleicht  nähere  Kenntuiss  durch  unseren 
Geschäftsträger  in  Wien.  Wenn  es  einmal  seyn  soll,  so  wünschte  ich  mich 
an  Ser.  Geburtstag  damit  zu  schmücken."  Der  Grossherzog  aber  gratulierte 
ihm  am  28.  JuU  also^^"):  „Empfange  meine  besten  Glückwünsche  zum  heiligen 
Leopold.  Es  freut  mich,  dass  er  angelangt  ist,  schon  seit  einem  Jahre  war 
er  mir  versprochen  worden."  Aus  diesen  und  Goethes  oben  angeführten  Worten 
geht  hervor,  dass  die  Anregung  zur  Verleihung  des  Ordens  von  Weimar  aus- 
ging, diese  also  nicht  der  eigenen  Entschliessung  des  Kaisers  zuzuschreiben 
war  und  es  längerer  Zeit  bedurfte,  bis  sie  endlich  erfolgte.  Die  Überreichung 
des  Ordens  fand  denn  am  1.  August  zu  Wiesbaden  statt.^^') 

8.  Die  Lahnreise  am  21.,  22.  und  23.  Juli^'^")  war  bisher  in  ihrem  ge- 
naueren Verlaufe  wenig  bekannt;  in  den  Annalen  ist  sie  mit  kurzen  Worten 
abgethan:  „Eine  Fahrt  in  verschiedene  Gegenden  zu  beiden  Seiten  der  Lahn 
mit  Oberbergrath  Gramer  begonnen  und  mit  ihm  grösstentheil  durchgeführt,  gab 
manche  schöne  Kenntniss  und  Einsicht;  auch  verdiente  sie  wohl  unter  die 
kleinen  geognostischen  Iteisen  aufgenommen  zu  werden"  —  das  ist  alles,  was 
wir  von  ihr  hören,  und  unter  die  kleineu  Reisen  ist  sie  nicht  aufgenommen 
worden.  Das  Tagebuch  gibt  nur  dürftigen  aber  doch  einigen  Aufschluss  über 
den  Umfang,  die  Dauer  und  äusseren  Erlebnisse  der  Reise,  nicht  aber  hin- 
reichenden über  den  Gewinn  an  Kenntnis  und  Einsicht,  der  ihr  zu  verdanken  war. 

Die  Veranlassung  zu  ihr  gab  wohl  die  Einladung  des  Ministers  v.  Stein 
nach  Nassau;  deun  beide  AusHüge  konnten  miteinander  verbunden  werden. 
Zu  der  mineralogischen  Exkursion  mögen  die  Mitteilungen  Cramers  mit  bestimmt 
haben;  auch  war  Goethe  die  Lahngegend  nicht  fremd,  und  er  konnte  die  Er- 
innerung an  die  Wanderung  des  Jahres  1772  neu  beleben.  Endlich  hatte  er 
diese  Gegenden  in  ihrer  geographischen  Gestaltung  durch  das  Studium  des 
Werkes  von  dem  Erzherzog  Karl  über  den  Feldzug  von  1796  genauer  kennen 
gelernt.  Auf  den  beigegebenen  „höchst  genau  und  sauber  gestochenen  Karten" 
fand  sich  gerade  „die  Umgebung  der  Lahn  von  Wetzlar  bis  Neuwied",  und 
ihre  Betrachtung  lenkte  seine  Gedanken  unwillkürlich  von  ihrer  eigentlichen 
Bestimmung,  die  militärischen  Bewegungen  in  jenem  Krieg  deutlich  vor  Augen 


''^^)  O.  Jahn,  Goethes  Briefe  an  v.  Voigt,  8.  582.  —  =">»)  Ebenda  S.  342.  —  ^••')  Brief- 
wechsel II,  54.   —  ■"^)  H.  oben  S.  96.  —  ^""J  Siehe  die  Tafel  für  die  Lahnroise. 


151 

zu  führen,  ab  auf  ihre  sonstige  Brauclibarkeit.  „Tch  machte  die  lieniorkung, 
sagt  er,  dass  eine  gute  Militärivarte  zu  geognostischen  Zwecken  die  allprdien- 
lichste  sei".  Nachdem  also  der  Entschluss  zu  der  lieise  gefasst  war,  nahm  er 
eifrig  das  Studium  eben  dieser  Karten  und  von  Schriften  über  die  geognustiscijo 
Beschaffcnlieit  dieser  sowie  ähnlicher  Gegenden  wieder  vor^'-),  um  sich  v(jr- 
zubereiteu  und  Fragen  stellen  zu  künnen,  deren  Lösung  er  dort  hoffen  konnte. 

Verfolgen  wir  nunmehr  an  der  Hand  des  Tagebuchs  den  Weg,  welche 
unsere  Reisenden  einschlugen.  Am  21.  Juli  fuhren  sie  über  die  Platte  nach 
Idstein,  wo  die  Kirche  und  das  Schloss  ihre  Aufmerksamkeit  erregte.  Das 
auf  einem  Felsen,  der  sich  in  der  Ebene  erhebt,  auferbaute  Schloss  steht  an 
der  Stelle  einer  älteren  Burg,  die  Graf  Ludwig  IL  (1G02 — 1G27)  im  Jahre 
1G15  niederreissen  Hess,  weil  sie  baufällig  geworden  war;  den  sofort  begonneiuMi 
Neubau  vollendete  sein  Nachfolger  Johannes  (1027 — 1677)  und  umgab  ihn  mit 
Gartenanlagen,  die  leider  verschwunden  sind.  Das  neue  Schloss  blieb  die  Resi- 
denz der  Grafen,  bis  Johanns  Nachfolger,  Fürst  Georg  August,  das  Schloss  zu 
Biebrich  erbaute  und  mit  ihm  die  Linie  Nassau-Idstein  erlosch.  Graf  Johannes 
hatte  zugleich  die  Kirche  in  seinen  letzten  Regierungsjahren  im  Innern  kunst- 
voll ausbauen,  mit  Säulenarkaden  von  Marmor  und  Gemälden  schmücken 
lassen. ^^^)  Von  Idstein  ging  es  nach  Oberselters,  wo  eine  minder  bedeutende 
Mineralquelle  ist,  dann  nach  dem  berühmteren  Niederselters;  über  die  Ver- 
hältnisse der  Orte  gaben  der  Verwalter  Münz  und  der  herzogliche  Brunneii- 
kommissarius  Alexander  Westermann  Aufschluss.^^'^)  Die  Nacht  brachte  man 
iu  dem  Dorfe  Blessenbach  (nicht  Plessenbach,  wie  das  Tagebuch  bietet)  bei 
dem  reformierten  Pfarrer  des  Ortes  Johann  Jakob  Mess  zu;  vielleicht  besuchte 
man  auch  am  Abend  die  Dachschiefergrubeu,  die  damals  noch  betrieben  wurden. 

Am  22.  Juli  kehrte  man  durch  die  waldreiche  Lange  Hecke,  die  dem 
Dorfe  den  Namen  gegeben  hat,  nach  Lang  hecke  zurück;  man  war  am  vor- 
hergehenden Tage  an  ihm  vorbeigefahren,  wahrscheinlich  weil  der  arme  und 
kleine  Ort  kein  geeignetes  Nachtquartier  bot.  In  der  Langen  Hecke  gab  es 
viel  zu  sehen;  es  wurde  dort  Dachschiefer,  Blei  und  Eisen  gewonnen,  letzteres 
auch  verhüttet.  Der  Hüttenschreiber  Eppstein  gab  Mitteilungen  über  das,  was 
seines  Wissens  war;  der  Betrieb  der  Gruben  reichte  zum  Teil  in  sehr  frühe 
Zeit  zurück. ^^^)  Am  Mittag  fanden  sich  der  Pfarrer  Mess  und  der  Brurnen- 
kommissar  Westermann  wieder  ein.  Dann  fuhr  man  nach  Limburg,  wo  der 
„rote  Ochse"  Nachtquartier  gewährte.^^*^)  In  einem  Briefe  an  seine  Frau 
vom  8.  August  vergisst  Goethe  nicht  zu  erwähnen,  dass  die  Lange  Hecke 
„berüchtigt  sei  wegen  Schinderhannes  Fluchtwinkel"  ;  und  in  der  That  war  die 
Gegend  von  jeher  berüchtigt  und  gefürchtet,  weil  sie  oftmals  einzelneu  Räubern 


3'2j  Wir  haben  sie  oben  S.  112  erwähnt;  die  vollständigen  Titel  8.  in  Abschnitt  10,, 
Lektüre,  schon  Ende  Jnni,  dann  vom  14.  Juli  an.  —  *'*j  Rizliaub,  Einige  Nachricliten 
von  der  Stadt  Idstein.  Programm  des  Gymnasiums  zu  Idstein  1787,  S.  3.")  iT.  W.  Cuntz, 
Die  Kirche  zu  Idstein,  1868.  —  ^'*)  Über  den  Brunnen  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
vgl.  Schlüzers  Briefwechsel  IV,  22,  S.  275  u.  VIII,  4.S,  S.  11.  —  "'^l  Vgl.  Wencken- 
bach,  Beschreibung  des  Bergroviers  Weilbnrg,  1879,  S.  114,  122,  \:i:>  fW  —  '"S  Jetzt  im  Be- 
sitz der  Witwe  Künigsberger  (Lederliandiung),   schräg  der  Post  gegenüber. 

11* 


152 

und  ganzen  Bauden  eine  Zufluchtstätte  geboten  hatte.  Der  bekannte  Räuber- 
hauptmaun  Schinderbannes  (Johann  Bückler)  wurde  bei  Wolfenhausen  in  der 
Nähe  des  Dorfes  Langhecke  am  31.  Mai  1802  gefangen  genommen  und  am 
21.  November  1802  mit  mehreren  seiner  Genossen  zu  Mainz  hingerichtet.  Es 
wird  auch  von  ihm  und  seinen  Thateu,  über  die  vieles  Schreckliche  und  auch 
Heiteres  umlief  und  noch  jetzt  erzählt  wird,  in  der  Mittagsgesellschaft  die  Rede 
gewesen  sein.^*') 

Der  23.  Juli  führte  von  Limburg  nach  Nassau.  Zuerst  bemerkt  das 
Tagebuch:  .Preussisch  Militär";  seitdem  Preussen  im  Besitz  von  Koblenz  mit 
dem  Rheinland  und  der  Stadt  Wetzlar  war,  bedurfte  es  einer  Etappenstrasse, 
die  beide  Landesteile  verband;  diese  war,  so  lange  das  Herzogtum  Nassau 
bestand,  die  Strasse  an  der  Lahn  und  berührte  Weilburg,  Limburg,  Diez  u.  s.  w. 
Unseren  Reisenden  begegneten  also  preussische  Truppen,  welche  zunächst  nach 
Wetzlar  bestimmt  waren.  —  Dann  gelangten  sie  nach  Holzappel,  ehemals 
Esten,  dann  nach  dem  kaiserlichen  General  Peter  Melander,  Grafen  von  Holz- 
appel, der  die  Herrschaft  im  Jahre  1643  gekauft  hatte'"),  Holzappel  (nicht 
Holzapfel)  genannt.  Hier  empfing  sie  der  Bergkommissär  Schreiber,  der  sie 
nach  der  Silberschmelze'")  geleitete  und  nachher  freundlich  bewirtete.  Be- 
deutend und  anregend  müssen  die  Gespräche  über  das  „Verschieben  der  Gänge 
und  Andres  Geologisches"  gewesen  sein,  zumal  da  hier  der  Verfasser  eines 
gediegenen  Buches  darüber  damals  sich  aufhielt,  das  Goethe  zu  Wiesbaden 
gelesen  hatte.  Darüber  bemerkt  Goethe  in  den  Annalen:  Jn  Holzapfel  (sie), 
bei  Gelegenheit  des  dortigen  höchstmerkwürdigen  Ganges,  kam  Werners  Theorie 
der  Entstehung  der  Gänge  (von  1791)  zur  Sprache,  ingleichcn  des  dort  ange- 
stellten Schmidts  Verschiebung  der  Gänge  (von  1810).''")  Diese  richtige,  von 
mir  so  oft  betrachtete  und  immer  geheimnissvoll  bleibende  Erscheinung  trat 
mir  abermals  vor  die  Seele,  und  ich  hatte  das  Glück  im  Lahnthal  einer  auf- 
gehobenen Abtei  ungefähr  gegenüber  |Arnsteinj,  auf  einer  verlassenen  Halde 
Thonschieferplatten  mit  kreuzweise  laufenden  sich  mehr  oder  weniger  verschieben- 
den Quarzgängen  zu  finden,  wo  das  Grundphänomen  mit  den  Augen  gesehen, 
wenn  auch  nicht  begriffen,  noch  weniger  ausgesprochen  werden  kann."  Die 
Erwähnung  der  aufgehobenen  Abtei  Arustein  hat  uns  schon  in  „die  Lahn- 
schluchten" hinabgeführt"-');  fast  scheint  es,  als  ob  über  den  wissenschaftlichen 

^")  Rauchhaupt,  Aktenniiissige  Geschiclite  des  berüchtigten  Räuberhauptmanns 
Job.  Hückler,  genannt  Schinderhannes,  1891.  —  ^'*)  Vogel,  Beschreibung  des  Herzogtums 
Nassau,  S.  774.  —  W.  Hof  mann,  Peter  Melander,  Reichsgraf  zu  Holzappel,  1882,  S.  139. 
—  ä*®)  Über  die  Blei-  und  Silberhütten  daselbst  siehe  die  Beschreibung  der  Bergreviere  Wies- 
baden und  Diez,  189:5,  S.  lOG.  —  •'''")  Siehe  Abschnitt  10,  Lektüre,  14.  bis  17.  Juli.  — 
^■-'y  Während  des  Druckes  wurde  uns  von  befreundeter  Seite  mitgeteilt,  dass  an  der  Lahn 
der  Ort,  wo  Goethe  ausgeruht  habe  (vergl.  S.  58),  jetzt  Goethewinkel  genannt  werde; 
er  befinde  sich  in  einer  Sclilucht  zwischen  zwei  Bergen  bei  Obernhof.  Ist  dies  begründet  — 
und  wir  haben  keinen  Grund  es  zu  bezweifeln  — ,  so  kann  der  Zeitpunkt  von  Goethes  An- 
wesenheit daselbst  reclit  wohl  aucli  in  die  zweite  Lahnreise  1815  fallen,  als  er  durch  die  „Lahn- 
Scliluchten"  zur  Lahn  hinabstieg,  also  in  den  '_':J.  Juli  1815,  nur  dürfte  dann  von  einem  Aus- 
ruhen nicht  gesprochen  werden,  sondern  höchstens  von  einem  Verweilen  etwa  bei  der  Gelegen- 
heit, dass  er  Gestein  untersuchte,  da  er  den  Weg  nicht  zu  Fuss  zurücklegte  und  eines  Aus- 
ruhens  nicht  bedurfte. 


153 

Beobachtungen  und  dem  Funde,  den  ci*  hier  maclito,  ganz  vergessen  habe 
den  Blick  auf  die  aus  der  waldigen  Einsamkeit  plötzlich  hervortretende,  prächtige 
romanische  Kirche  von  Arustein  zu  werten,  da  er  ihrer  nicht  weiter  geilciikt. 
Mit  der  Ankunft  in  Nassau  war  das  Ziel  der  mineralogischen  Seite  der  Lalin- 
reise  erreicht;  die  Wege  der  Keisonden  werden  sich  hier  gctreimt  haben,  indem 
Gramer  den  Heimweg  antrat,  Goethe  nunmehr  zu  dem  Besuche  des  Minist(;rH 
V.  Stein  sich  anschickte.  Doch  werden  die  Unterhaltungen  vor  der  Trennung, 
am  Abend  des  23.  und  am  Morgen  des  24.  Juli,  noch  einmal  das  „Verwerfen  der 
Gänge"  aufgenommen  haben,  wie  aus  den  Bemerkungen  des  Tagebuchs  zu 
schliessen  ist;  die  letzte  Notiz  des  23.  heisst:  „Theorie  des  Gang-Verwerfens", 
die  erste  dos  24.:  „Verwerfen  der  Gänge." 

9.  Über  den  Besuch  bei  dem  Minister  v.  Stein  waren  wir  bisher 
ebenfalls  nur  ungenügend  unterrichtet;  nicht  einmal  wie  es  dazu  gekommen,  wusste 
E.  M.  Arndt  richtig  anzugeben'"),  wenn  er  sagt.  Stein  habe  zufällig  gehört, 
dass  Goethe  auf  einer  Lahnwanderung,  die  er  blos  zur  Erinnerung  an  die  frühere 
unternommen,  in  Nassau  im  Löwen  abgestiegen  sei:  „er  [Stein]  flugs  in  den 
Löwen  und  holt  und  zwingt  den  Sträubigen  in  sein  Schloss  hinauf."  Nein, 
lieber  Arndt,  so  war  es  nicht,  wie  uns  das  Tagebuch  meldet.  Die  vorausge- 
gangene Einladung  Steins  haben  wir  oben  angeführt  und  auch  den  wissenschaft- 
lichen Zweck  der  Reise  genugsam  erkannt.  Und  am  Morgen  des  24.  Juli  kam 
nicht  Stein  zu  Goethe,  um  ihn  abzuholen,  sondern  dieser  Hess  sich,  wie  es  sich  wohl 
geziemte,  bei  dem  Minister  anmelden,  machte  dann  einen  Spaziergang  „übers 
Wasser",  da  die  jetzige  Kettenbrücke  noch  nicht  erbaut  war,  und  durchwanderte 
die  dortigen  Anlagen  auf  dem  Gebiete  der  Burg  Stein.  Ein  „eintretendes  Ge- 
witter verpasste'-")  er  im  Adler."  Dann  begab  er  sich  in  das  Schloss  des 
Ministers. 

Wie  die  beiden  grossen  Männer,  der  grosse  Dichter  und  grosse  Staatsmann, 
beide  zu  jener  Zeit  ohne  Zweifel  die  grössten  Deutschen,  die  aber  so  ganz 
verschiedene  Vergangenheit  hatten,  so  ganz  verschiedener  Thätigkoit  und  auch 
religiöser  Anschauung  waren,  damals  sich  entgegengetreten  sein  mögen,  jeder 
des  anderen  Grösse  achtend.  Stein  ausserdem  als  Hausherr,  der  den  Gast  ge- 
laden, doppelt  zuvorkommend  und  fast  seine  eigene  Natur  verleugnend,  das 
können  wir  der  Schilderung  von  E.  M.  Arndt,  der  sie  bald  darauf  zu  Köln  zu 
beobachten  Gelegenheit  hatte,  entnehmen;  als  er  mit  Eichhorn  im  Dom  zu  Köln 
Stein  begrüsst  hatte  und  sie  nun  Goethe  vor  dem  Dombild  stehend  erblickten, 
sagte  Stein  zu  ihnen:  „Lieben  Kinder,  still!  still!  nur  nichts  Politisches!  das 
mag  er  nicht;  wir  können  ihn  da  freilich  nicht  loben,  aber  er  ist  doch  zu  gross!"* 
„Wunderbar,  fährt  er  fort,  gingen  die  beiden  deutschen  Grossen  hier  neben 
einander  her  wie  mit  einer  gegenseitigen  Ehrfurcht."  Und  weiter:  „Ich  kann 
mir  denken,  wie  die  beiden  Reisegefährten  jeden  Zusammenstoss  vermieden:  es 
war  gewiss  die  äsopische  Reise  des  steinernen  und  irdenen  Topfes.  So  gingen 
sie    auch    in    Köln    neben    einander    hin    mit   einem    zarten    Noli    me   tangere. 


^")    E.  M.  Arndt,   Meine    Wanderungen    und    Wandelungen    mit    dem    KeicIistVeilierru 
V.  Stein,  1858,  S.  225.  —  '")  Über  verpassen  s.  oben   S.  138,  Anm.  268. 


154 

Nirgends  habe  ich  Steins  Rode  in  Gesellschaften  stiller  tönen  hören. "^-")  An 
einer  anderen  Stelle  führt  er  seinen  Vergleich  mit  der  fabelhaften  Reise  des 
diesmal  eisernen  und  thönernen  Topfes  weiter  aus;  sie  seien  mir  der  aufmerk- 
samsten und  vorsichtigsten  Zärtlichkeit  nebeneinander  hergegangen,  ohne  gegen- 
einander zu  stossen;  Goethe  habe  Stein  eine  Art  erstaunter  Ehrfurcht  gezeigt, 
Stein  aber  sei  ungewöhnlich  sanft  und  mild  gewesen  und  habe  den  kühnen  und 
geschwinden  Atem  seiner  Natur  augehalten,  den  Löwen  gezügelt,  sodass  er 
nimmer  herausguckte.'^-"') 

In  solcher  Stimmung  mögen  die  beiden  ^länner,  auf  die  Deutschland  stolz 
war  und  noch  ist,  einander  entgegengetreten  sein,  Charaktere,  die  Goethe  im 
„Tasso"  in  Konflikt  gezeigt  hat,  und  es  ehrt  beide,  dass  sie,  jeder  des  anderen 
Verdienste  anerkennend,  die  Klippe  vermieden,  an  der  Tasso  scheiterte.  Über 
den  Inhalt  ihrer  Unterredungen  sind  wir  leider  wieder  dürftig  unterrichtet;  nur 
die  Gegenstände  derselben  können  wir  nach  dem  Tagebuche  verfolgen.  "Wir 
wollen  danach  den  Verlauf  des  Aufenthalts  von  Goethe  überhaupt  darzustellen 
versuchen. 

Zunächst  wurde  die  Reise  Goethes  besprochen,  die  „Mineralien",  die  er 
gefunden,  die  AVege,  die  er  eingeschlagen,  und  im  Anschluss  daran  „Landkarten" 
hervorgeholt.  Dann  wendete  sich  das  Gespräch  auf  Politik.  Stein  wusste, 
wie  wenig  Vertrauen  der  Dichter  der  begeisterten  Erhebung  des  deutschen 
Volkes  im  Jahre  1813  entgegengebracht  hatte;  der  bekannte  Ausspruch;  „Ja, 
schüttelt  nur  an  euren  Ketten,  der  ^lann  ist  euch  zu  gross!"  war  ihm  hinter- 
bracht worden,  und  er  hatte  dazu  gesagt:  „Lasst  ihn,  er  ist  alt  geworden."'-®) 
Aber  jetzt  war  das  Werk  geschehen,  war  der  korsische  Eroberer  zweimal  be- 
siegt und  Hoffnung  vorhanden,  dass  ein  dauernder  Friede  und  bessere  Gestaltung 
auch  der  deutschen  Verhältnisse  eintrete.  Eben  war  man  zu  Paris  damit  be- 
schäftigt die  Früchte  der  schweren  Kämpfe  und  Siege  einzuernten,  und  Stein 
selbst  sollte  durch  seine  wuchtige  Stimme  dazu  mitwirken.  Er  stand  in  fort- 
währender Verbindung  mit  den  leitenden  Staatsmännern;  am  26.  Juli,  als  er 
mit  Goethe  zusammen  war,  erging  ein  Schreiben  des  Staatskanzlers  Hardenberg 
an  ihn^"),  welches  ihn  beschwor  so  schnell  als  möglich  nach  Paris  zu  kommen, 
und  am  28.  ein  gleiches  von  Capodistria;  am  31.,  dem  Tage  ihres  Abschieds, 
kündigte  er  seine  Abreise  auf  den  8.  August  an,  da  das  Emser  Wasser  und 
die  Landluft  seine  Gesundheit  hinreichend  hergestellt  hätten,  um  die  Reise 
nach  Paris  unternehmen  zu  können.  Kein  Wunder,  wenn  sein  Herz  voll  war 
von  Gegenständen,  denen  Goethe  soeben  wenig  Aufmerksamkeit  geschenkt  hatte 
und  auch  nicht  zu  schenken  liebte,  auf  die  er  aber  jetzt  eingehen  musste. 

Nach  dieser  ersten  Begegnung  kehrte  Goethe  in  seinen  Gasthof  zurück. 
Das  Tagebuch  fährt  dann  fort:  „Einrichtung"  [im  Gasthof];  sodann  „im  Garten. 
Spazieren;  zu  Tafel;  Frl.  v.  Walmoden;  im  Garten;  auf  die  Burg;  Entschluss 
nach  Cöln  zu  fahren." 


^")  Arndt  a.  a.  O.  —  "■^)  Pertz,  Leben  Steins  IV,  483.  Die  Fabel  vom  eisernen  und 
irdenen  Topf  findet  sich  bei  Lafontaine  V,  2;  sie  passt  indessen  nur  für  die  Reise  selbst 
auf  fitein  und  Goethe,  nicht  für  den  Ausgang.    —  ^-*)  Pertz  III,  374.  —  ^'")  Ebenda  IV,  4SU  If. 


155 

Die  Familie  des  Ministers  bestand  damals  aus  seiner  ftattin  Willielmine, 
geb.  Ciräfin  v.  Wallmoden-Ciimborn,  mit  der  er  nunmehr  22  Jalne  verbunden 
war  und  ein  glückliches,  aber  vielfach  durch  Staatsgeschäfte  und  die  Achts- 
erklärung Napoleons  gestörtes  Leben  gefülirt  hatte,  und  zwei  Töchtern,  von 
denen  die  ältere  damals  19  Jahre,  die  jüngere  12  Jahre  alt  war;  anwesend 
war  ausserdem  eine  Frl.  v.  Walmoden  und  (am  29.  genannt)  eine  Fr.  v.  .  .  ., 
deren  Name  Goethe  entfallen  war;  sie  war  eine  geb.  Gräfin  Brühl. 

Die  Burg  Stein,  am  Fusse  der  Burg  Nassau  gelegen,  da,  wo  jetzt  das 
Standbild  des  Reichsfreiherrn  steht,  bildete  einen  beliebten  Spaziergang  der 
B'amilie;  schattige  Wege  liefen  zwischen  den  belaubten  Bäumcni  hin,  und  seit- 
wärts eilte  in  der  schmalen  Wiese  der  Mühlbach  dem  Wasser  der  Lahn  zu. 
liier  hatte,  als  im  Herbste  1814  endlich  die  Rückkehr  des  Schlossherrn  bevor- 
stand, ein  alter  Maurermeister,  vor  langen  Jahren  des  Ministers  Spielkamerad, 
durch  mühevolle  und  kunstreiche  Zusammenstellung  von  Steinen,  Moosen, 
Blumen  und  Zweigen  die  Thaten  und  Leiden  der  jüngsten  Feldzüge,  den  Brand 
Moskaus,  die  Leipziger  Schlacht  u.  s.  w.  bildlich  dargestellt  und  Steins  Wappen 
und  Namen  und  wohlverdiente  Kränze  an  verschiedenen  Stelleu  angebracht. 
Als  Stein  diese  seine  Verherrlichung  erblickte,  geriet  er  in  Zorn  und  wollte 
alles  sogleich  wegschaffen  lassen;  erst  die  Fürbitten  seiner  Schwester,  Arndts 
und  andrer  Gäste  brachten  es  fertig,  dass  er  erlaubte,  dass  Wind  und  Wetter 
das  Werk  des  treuen  Maurermeisters  zerstören  durften.'^*) 

Hier,  auf  der  Burg  Stein,  scheint  der  Minister  Goethe  den  Vorschlag 
mit  ihm  nach  Köln  zu  fahren  und  ihn  zugleich  mit  seinem  Wunsche  bekannt 
gemacht  zu  haben,  dass  Goethe  eine  Denkschrift  über  Kunst  und  Altertum  in 
den  Rheinlanden  ausarbeiten  und  dem  Fürsten  Hardenberg  einreichen  möge, 
wie  wir  schon  oben  bei  Boisseree  dargelegt  haben.  Goethe  ging  darauf  ein, 
und  so  unternahm  er  in  der  „ehrenden  Gesellschaft  des  H.  v.  Stein"  die  Reise 
nach  den  niederrheinischen  Städten  Köln,  Bonn  u.  s.  w.,  die  wir  hier  übergehen 
müssen.  Am  25.  Juli  sagt  das  Tagebuch:  „Mit  TL  v.  Stein  zu  Wagen  bis 
Ems,  ferner  bergan  und  bergab  bis  Thal  Ehreubreitstein,  [von  da]  im  Nachen 
abwärts"  u.  s.  w.  Nach  einer  mehrtägigen  Abwesenheit  trafen  spät  am  Abend 
des  28.  Juli  unsere  Reisenden  wieder  in  Koblenz  ein.  Am  folgenden  Tage 
veranstaltete  der  Präsident  des  rheinischen  Revisionshofes  von  Meusebach,  der 
früher  in  nassau-oranischen  Diensten  zu  Dillenburg  gewesen  war,  ein  Frühstück 
zu  Ehren  der  beiden  Männer  auf  der  Carthause,  wozu  hervorragende  Persön- 
lichkeiten von  Koblenz  geladen  waren;  doch  die  Hoffnung  desselben  Goethe 
näher  treten  zu  können  verwirklichte  sich  nicht,  da  dieser  zu  sehr  mit  den 
mineralogischen  Funden  beschäftigt  war,  die  ihm  von  einer  Art  Famulus  zuge- 
tragen wurden;  er  mochte  wohl  auch  an  Meusebachs,  in  der  Art  Jean  Pauls 
nach  künstlichen  Gedankensprüngen  haschender  Unterhaltung  keinen  Gefallen 
finden.  Meusebach  war  von  dem  Zusammensein  mit  Goethe  höchst  unl)o- 
friedigt.^*^') 


:i2S\ 


")  Arndt  a.  a.  0.  S.  222  ff.    —   *-")  Das   Tagebuch    nennt   ihn    Meusburg.     Über  iltn 
vgl.  Annalen  des  nass.  Altertumsvereins  XXI,  43  ff.  und  XXII,  1  ff.,  besonders  S.  8. 


156 

Nachdem  mau  am  29.  iu  Nassau  wieder  angelangt  war,  blieb  Guetiie, 
wie  es  scheint,  während  des  Tages  ganz  iu  dem  llause  des  Ministers.  Das 
Tagebuch  berichtet:  „Mit  der  Familie  gespeist.  Schüz  Gemälde."^")  Abends 
Thee  bey  Fr.  v.  Stein"  und  am  30.:  „Im  Garten  mit  Ilru.  v.  Stein  und  den 
Damen.  Gesprochen  und  contradicirt.  Mittag  Familientafel.  Spaziergang  mit 
den  Damen  in  ein  Thal  über  dem  Wasser  [MühlbachthalJ.  Thee  und  Essen 
bei  Fr.  v.  Stein.  Präs[ident]  v.  Motz  zu  Diez."^^^)  Und  am  31.:  „Gepackt.  Mit 
Hrn.  V.  Stein  und  Motz  im  Garten.  Dazu  die  Damen.  Abschied."  Der  Rück- 
weg führte  nach  Schwalbacli,  wo  Goethe  an  der  Tafel  den  Gr.  Ilatzfeld,  Hrn. 
Gontard  mit  Familie  und  v.  Oppel  aus  Sachsen  traf,  von  da  nach  glücklicher 
Fahrt  an  der  Xounenmühle  vorbei  nach  Wiesbaden.  Unterwegs  überdachte 
er  die  Ausarbeitung  der  Denkschrift  über  die  Kunstschätze  am  Main  und  Rhein, 
die  ihn  demnächst  noch  welter  beschäftigen  sollte  in  Gemeinschaft  mit  S.  Boisseree. 
In  Wiesbaden  fand  er  viele  Briefe  und  Packete.  Das  Tagebuch  schliesst  den 
Bericht  über  den  Verlauf  des  Tages  mit  don  Worten:  „Ausgepackt.  Einge- 
richtet." Am  10.  September  richtete  er  an  den  Minister  einen  Brief,  der  woiil 
eine  Mitteilung  über  das  Ende  der  Reise  und  einen  Dank  für  die  freundliche 
Aufnahme  enthalten  hat. 

Denn  von  dieser,  sowie  von  dem  Gewinn  des  Zusammenseins  mit  dem 
Reichsfreiherrn  war  er  sehr  befriedigt.  An  den  Geheimerat  v.  Voigt  schrieb 
er  am  1.  August  darüber  also:  „(Die  achttägige  Reise)  war  sehr  fruchtbar  an 
Vergnügen  und  Belehrung.  Dass  ich  mit  H,  v.  Stein  in  so  nahe  Berührung 
gekommen,  ist  für  mich,  in  vielfachem  Sinne,  höchst  bedeutend  und  es  ergeben 
sich  aus  diesem  Anfange,  für  mich  und  für  andre,  gewiss  erwünschte  Folgen. "^^'-) 

10.   Lektüre. 

Es  erscheint  zweckmässig,  um  die  Lektüre  Goethes  während  seines 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  leicht  zu  überschauen,  die  Bücher  oder  geschriebenen 
Aufzeichnungen,  welche  er  in  dem  Tagebuch  nennt,  Tag  für  Tag  zusammen- 
zustellen. Wir  geben  diese  Zusammenstellung  im  Folgenden  mit  Zufüguug  der 
Seitenzahl,  unter  welcher  in  diesem  Aufsatze  jede  Schrift  erwähnt  wird. 

1814. 

Donnerstag  den  4.  August:  „Broschüre:  Adresse  an  die  Germanen  des 
linken  Rheinufers".  Der  volle  Titel  ist:  Europa  iu  Bezug  auf  den  Frieden. 
Adresse  an  die  Germanen  des  linken  Rheinufers.     Im  Mai   1814.  [S.  81. 

Freitag  den  5.  August:   „Otto  chemische  Abhandl."    S.  den  Titel  S.  118. 

Samstag  den  6.  August:  „Otts  ehem.  Static."  [S.   118. 

»  r,      n  V       „Barbarossas  Palast".  [S.   114.   115. 

"")  Vielleicht  ein  Gemälde  des  Frankfurter  Malers  Chr.  G.  Schütz  (1768-182.3);  vgl. 
Gwinner,  Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt,  S.  :521.  —  =*■")  Der  Geheimerat  Karl  v.  Motz 
war  Yizedirektor  des  Obcrappellationsgerichts  zu  Dicz,  wurde  im  September  1815  zum  Direktor 
der  Oberrechnungskommi.ssion  zu  Dillenburg  ernannt  und  schied  im  Anfang  des  Jahres  1816 
aus  dem  nassauischen  Dienste.  Verordnungsblatt  ]No.  S  vom  IG.  März  1816.  —  ^^^)  Briefe 
u.  8.  w.  JS'o.  188  S.  342. 


157 

Sonnttig  den  7.  August:  „Willuincrs  Strcitischrift  gegen  die  Theater- 
direktion«. [S.  SS. 

Montag  den  8.  August:   „Altcnlvirclien  von  Cramer".  |8.   109.   IIU. 

Dienstag  den  9.  August:   „Verschiedene  Büclier  und  Broschüren". 

Mittwoch  den  10.  August:  „llundeshagen  Tempelherrn  Capeile  an  der 
Mosel.«  [S.   115. 

Donnerstag  den  11.  August:  „Almedingens  Heft".  Über  dasselbe  lies« 
sich  nichts  ermitteln.  [S.   117. 

„Serenissimo  Aachen,  Sartorius  Recension".  Die  Kecension  des  Göttinger 
Trofessors  Sartorius  betraf  das  Buch  von  Weisse,  Neueste  Geschichte  dos  König- 
reichs Sachsen  seit  dem  Prager  Frieden.  Bd.  III.  1764 — 1812,  und  ist  in  den 
Göttinger  Gelehrten  Anzeigen  1814,  No.   122,  S.   1209  ff.  abgedruckt. 

„Zelter  las  die  Jeuaische  Recension  des  Werks  der  Frau  v.  Stael"  : 
Madame  la  Baronesse  de  Stael-Holstein,  de  rAllcmagne,  6  Teile,  1813  und 
1814,  abgedruckt  in  der  Jenaischen  Allgemeinen  Litteraturzeitung  von  1814, 
No.  139—144,  Sp.  161—206,  und  mit  **  unterzeichnet.  [S.  80. 

Freitag  den  12.  August:  „Carte  von  Altenkirchen".  [S.   111. 

„Zelter.  Recension  fortgesetzt".  S.  den  11.  August.  „Neueste  Stücke 
der  Minerva  Freyh.  von  S — a  über  deutsche  Litteratur"  =  Barbarei  der  deuts(;hen 
Litteratur,  aus  den  ungedruckten  Memoiren  des  Freyh.  v.  S— a.  Minerva, 
1814,  1. 

Samstag  den  13.  August:  „Gernings  Carte  aufgezogen".  Karte  des  Taunus? 
„Grosse  Stromkarte  des  Rheins".  [S.  116. 

Sonntag  den  14.  August:  „Rheinisches  Archiv".  So  hiess  die  Monats- 
schrift für  Geschichte  und  Litteratur,  die  seit  dem  Jahre  1810  bis  Ende  1814 
N.  Voigt  (zuletzt  J.  Neeb)  und  J.  Weitzel  herausgaben. 

Freitag  den  19.  August:   „Berliner  Zeitung". 

Samstag  den  20.  August:  „Lienhard  und  Gertrude",  von  \l.  Pestalozzi, 
4  Teile,  zuerst  gedruckt  1781.  [S.   l'-'O. 

Sonntag  den  21.  August:   „Lienhard  und  Gertrude".  [S.     „ 

Montag  den  29.  August:  Englische  Karte. 

1815. 

Mittwoch  den  31.  Mai:  „Tavernier".  Jean-Baptiste  Tavernier  (1605—1689) 
machte  grosse  Reisen  im  Orient,  deren  Beschreibung  unter  dem  Titel  erschien: 
Les  six  voyages  de  J.-B.  Tavernier,  qu'il  a  faits  en  Turquie,  en  Perse  et  aux 
Indes  pendant  l'espace  de  quarante  ans  et  par  toutes  les  routes  que  l'on 
peut  tenir.  Paris,  3  vol.  4°.  1676—1679.  Goethe  studierte  sie  und  machte 
Exccrpte  aus  Bd.  I  und  11;  von  Tavernier  sagt  er:  „Protestantische  Franzosen, 
die  cultivirtesten  Menschen,  die  es  je  gab."  S.  die  Anmerkungen  zu  den  Noten 
und  Abhandlungen  zum  Divan,  Weimarer  Ausgabe  (I,  7  der  Werke)  S.  285. 
Vffl.  den  Text  der  Noten  u.  s.  w.  S.  214   und  die  Annaleu  1815.     S.   164. 

Donnerstag  den  1.  Juni:   „Göttinger  Anzeigen".  [^-   H^. 

Samstag  den  3.  Juni:   „Göttinger  Zeitungen  1814".  -n       « 

Montag  den  5.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen  1814".  n       « 


ö' 


158 

Dienstag  den  6.  Juni:   „Göttinger  Anzeigen".  [S.  116. 

Mittwoch  den  7.  Juni:  „Göttinger  Anzeigen".  „  „ 

Donnerstag  den  8,  Juni:   „Göttinger  Anzeigen  repetirt".  „  „ 
Freitag  den  9.  Juni:   „Tavernier".     S.  den  31.  Mai. 

.Samstag  den   10.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen".  „  „ 

Sonntag  den  11.  Juni:  „Napoleons  Reise  nach  Elba".  „Tavernier".  — 
Die  Reise  Napoleons  behandelte  das  Schriftchen:  Napoleon  Buouaparte's  Reise 
von  Fontainebleau  nach  Frejus  vom  17.  bis  29.  April  1814.  Herausgegeben 
von  dem  znr  Begleitung  Napoleon  Buouaparte's  allerhöchst  ernannten  königl. 
Prcuss.  Commissarius  Grafen  v.  Truchses- Waldburg,  königl.  Preuss.  Obersten 
u.  s.  w.  Einzig  rechtmässige  Ausgabe.  Berlin  1815.  Sie  ist  bald  darauf  in 
das  Französische  übersetzt  und  später  neu  herausgegeben  worden  von  J.  Alex. 
Freih.  v.  Helfert,  Napoleon  I.  Fahrt  von  Fontainebleau  nach  Elba  April  bis 
Mai  1814.  Mit  Benutzung  der  amtlichen  Reiseberichte  des  kaiserlich  öster- 
reichischen Commissars  General  Koller.     Wien,   1874.  [S.  147. 

Montag  den  12.  Juni:  „Werck  des  Erzherzogs".  —  „Tavernier".  —  Grund- 
sätze der  Strategie  erläutert  durch  die  Darstellung  des  Feldzuges  von  1796  in 
Deutschland.    3  Bde.    Wien,   1814.  [S.  104. 

Dienstag  den  13.  Juni:  „Erzh.  Carls  milit.  Schrift."  —  „Tavernier  Diamant- 
gruben". In  Taverniers  Werk  ist  die  Gewinnung  von  Diamant  ausführlich 
behandelt. 

Mittwoch  den  14.  Juni:  „Leipz.  Lit.  Zeitung".  —  „Göttinger  Anzeigen". 
—  „Tavernier". 

Mittwoch  den  21.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen".  [S.  116. 

Samstag  den  24.  Juni:  „Göttinger  Anzeigen  1812".  „        „ 

„Ullmanns  Franckenb.".  —  Unter  diesem  Namen  ist,  sei  es  aus  Irrtum 
oder  durch  einen  Schreibfehler,  versteckt  das  Werk  des  Marburger  Professors 
der  Staatswissenschaft,  Berg-  und  Hüttenkunde  Joh.  Chr.  Ullniann  (1771  bis 
1821):  Mineralogische  Beschreibung  des  Frauenberges  im  Oberfürsteuthum  Hessen. 
Vgl.  Strieder,  hess.  Gel.  XYI  239,  XVII  394.  [S.  112. 

Samstag  den  25.  Juni:  „Göttinger  Zeitungen  1812".  [S.   116. 

Mittwoch  den  28.  Juni:  „v.  Hövels  Gebirge  der  Grafschaft  Marck".  = 
F.  V.  ILivel,  königl.  Preuss.  Landrat  zu  lierbeck,  Gcognostische  Bemerkungen 
über  die  Gebirge  in  der  Grafschaft  Mark  nebst  einem  Durchschnitt  der  Gebirgs- 
lagen, welche  das  dortige  Kohlengebirg  mit  der  (frauwacke  verbinden.  Han- 
nover, 1806.  70  S.  4".  |S.  112.  151. 
Donnerstag  den  29.  Juni:  „v.  Hövel".  |„  „  „ 
Freitag  den  30.  Juni:  „Beckers  Dilleuburg".  Gemeint  ist  das  Buch  von 
Joh.  Phil.  Becher,  mineralogische  Beschreibung  des  Westerwaldes,  1786,  oder 
mineralogische  Beschreibung  der  oranieu-nassauischen  Lande  mit  einer  petro- 
graphischen  Charte  der  or.-nass.  Lande  und  drei  Kupfern.  Marburg,  1789.  8". 
Über  den  bedeutenden  Mineralogen  Becher  (1752 — 1831)  s.  Vogel,  Archiv  der 
nass.  Kirchen-  und  Gelehrtengeschichte  I.  S.  174  ff.  Gümbel,  Allg.  Deutsche 
Biographic.  [S.   112. 


159 

Sonntag  den  2.  Juli:  „Amuscmcns  des  oaux  de  Schwalbach".  =  Mcrvillieux, 
Amüsements  des  Eaux  de  Schwalbacli,  des  Bains  de  Wisbadeu  et  Schlangenliad 
usw.,  1738,  und  deutsch:  Amusemens  des  Eaux  de  Schwalbacli  oder  Zeitvertreibe 
bey  den  Wassern  zu  Schwalbach,  denen  liädern  zu  Wisbaden  und  dem  Schlangen- 
bad nebst  zweyen  lesenswürdigen  Erzehlungen,  darunter  die  eine  von  dem  Neuen 
Jerusalem  und  die  andere  von  einem  Theile  der  unter  Niemandes  Bothmässig- 
keit  stehenden  Tartarey  handelt.  Mit  Kupfersticlien  versehen  und  aus  «lern 
Französischen  ins  Deutsche  übersetzt.     Lütticli,   1739.  [S.   11(). 

Freitag  den  14.  Juli:  „Schmidt  Verrückung  der  Gänge".  =  Job.  Chr. 
Leberecht  Schmidt,  Bergmeister  zu  Bicken,  Theorie  der  Verschiebung  älterer 
Gänge  mit  Anwendung  auf  den  Bergbau.  Frankfurt  1810.  118  S.  8".    |S.  112.  15i>. 

Samstag  den  15.  Juli:  „Schmidt  Verschiebung  der  Gänge  1810".   |„       „       „ 

Sonntag  den  16.  Juh:  „Werner  Gangtheorie".  =  Abrah.  Gottlob  Werner, 
Neue  Theorie  der  Entstehung  der  Gänge  mit  Anwendung  auf  den  Bergbau, 
besonders  den  Freiberger.  1791.  Werner  (gb.  1749,  f  1817)  war  Bergbeamter, 
zuletzt  wirklicher  Bergrat  zu  Freiberg.  [S.   112.  152. 

Montag  den  17.  Juli:   „Werners  Gangtheorie".  [u        »         » 

Dienstag  den  18.  Juli:   „Werk  des  Erzherzogs".  [S.  (114)  150  f. 

Mittwoch  den    19.   Juli:    „Erzherzogs   Werk.    Grundsätze  der   Strategie." 

[S.  (114)  150  f. 

Donnerstag  den  20.  Juli:  „Strategie.  Zwischen  der  Sieg  und  Lahn." 
„Orientalisches". 

Samstag  den  5.  August:  „Schreibers  Rheiureise".  =  Aloys  Schreiber, 
Taschenbuch  für  Reisenden  am  Rhein  und  durch  seine  Umgebungen.  Heidel- 
berg, 1813.  [S.   11(5. 

Donnerstag  den  10.  August:  W.  Butte,  Grundlinien  der  Arithmetik  des 
menschlichen  Lebens.     Den  Titel  des  Buchs  s.  oben.  [S.  97. 

11.  Eigenes  Schatten. 

1.    Divan. 

Die  Jahre  1814  und  1815  bezeichnen  bekanntlich  den  Zeitraum,  in  dem 
Goethe  den  grössten  Teil  der  Lieder  dichtete,  die  er  unter  dem  Namen  west- 
östlicher Divan^^^)  vereinigt  hat.  Die  Dichtung  des  Orients  war  ihm  in  früheren 
Jahren  nicht  fremd  geblieben;  die  poetischen  Bücher  des  alten  Testamentes, 
namentlich  das  hohe  Lied,  den  Koran  und  arabische  Dichtungen  hatte  er  schätzen 
gelernt;  aber  eine  ganz  neue  Welt  ungeahnter  Genüsse  und  Anregungen  er- 
wuchsen ihm,  als  er  J.  v.  Hammers  Fundgruben  (1809)  in  die  Hand  bekam. 
Es  begann  damit  für  ihn  ein  neues  dichterisches  Leben,  das  uns  die  köstlichsten 
Erzeugnisse  seiner  Lyrik  schaffen  sollte. 


=5")  Divan  =  Sammlung  verschiedener  Stücke  in  Prosa  oder  Poesie,  die  gewöhnlich  nach 
dem  Tode  des  Verf.  zusammengestellt  wurden.  Wurm,  Kommentar  zu  (.ioethes  west-östlichem 
Divan  S.  Ü. 


160 


1. 

21.  Juni, 

I, 

8 

26.  Juni 

11, 

1 

'6. 

11, 

3 

4. 

11, 

4 

5. 

22.  Juli 

1, 

7 

6. 

IV, 

1 

Im  Herbste  des  Jahres  1818,  als  die  Kriegsstürme  an  Weimar  vorbei- 
gesaust waren,  sehen  wir  den  nicht  mehr  jungen  Mann  im  eifrigen  Studium 
der  Grammatik  des  Orients;  er  macht  Schreibübungen  mit  hebräischen,  syrischen 
und  arabischen  Buchstaben,  verzeichnet  sich  Worte,  bemächtigt  sich  der  Dekli- 
nation und  Konjugation. •''^^)  Bald  versucht  er  sich  in  eignen  Übertragungen  und 
Xachbildungen,  wobei  er  auf  glückliche  Weise  den  Reichtum  und  die  Anmut 
seiner  Vorbilder  mit  der  Gedankenfülle  und  Tiefe  des  Occideuts  zu  verschmelzen 
weiss  oder  eigne  Wege  wandelnd  in  den  eignen  Schöpfungen  den  Glanz  des 
Orients  wiederspiegeln  lässt. 

Die  ersten  Lieder,  die  Goethe  in  den  Divan  aufnahm,  sind  im  Frühjahre 
1814  zu  Berka  gedichtet,  wo  er  das  Schwefelbad  von  der  Mitte  Mai  an  ge- 
brauchte, dann  zu  Weimar  im  Juli;  von  den  datierten  gehören  hierher: 

8^^^):  Erschaffen  (Hans  Adam  war  ein  Erdenkloss);  W(eim). 
A(usg).  S.   16. 
Beiname  (Mohamed  Schemseddin  sage);  W.  A.  S.  33. 
Fetwa  (Hafis  Dichterzüge  sie  bezeichnen);  W.  A.  36. 
Der    Deutsche    dankt    (Heiliger    Ebusund,    hast's    ge- 
troffen); W.  A.  37. 
Elemente  (Aus  wie  vielen  Elementen);  W.  A.   14. 
Kath  (Höre  den  Rath,  den  die  Leier  tönt);  W.  A.  67. 

Das  Gedicht  I,  5  (Vier  Gnaden)  hat  das  Datum  6.  Februar  1814,  doch 
vermutet  der  Herausgeber  der  Weimarer  Ausgabe,  dass  es  dem  Februar  1815 
angehört  (S.  365  der  Anmerkungen). 

Kaum  aber  hatte  Goethe  im  Jahre  1814  die  Reise  an  den  Rhein  ange- 
treten und  ihn  die  frische  Luft  der  thüringischen  und  hessischen  Fluren  um- 
fangen, so  entströmte  seiner  Brust  eine  Fülle  von  Liedern;  er  zählt  sie  in 
Briefen  an  seine  Frau  auf.^^'') 

Phänomen  (Wenn  zu  der  Regenwand);   W.  A.   17. 
Liebliches  (Was  doch  Buntes  dort  verbindet);  W.  A.  18. 
Sollt'  einmal  durch  Erfurt  fahren;  W.  A.  278. 
Zwiespalt  (Wenn  links   an  Baches  Rand);   W.  A.   19. 
Im  Gegenwärtigen  Vergangnes  (Ros'  und  Lilie  morgen- 

thaulich);   W.  A.  20. 
Derb  und  Tüchtig  (Dichten  ist  ein  Übcrmuth);  AV.  A.  24. 
Lieblich  ist  des  Mädchens  Blick;   W.  A.  70. 
Keinen  Reimer  wird  man  finden;   W.  A.  97. 
Übermacht,  ihr  könnt  es  spüren;   W.  A.  99. 
Wenn  Du  auf  dem  Guten  ruhst;  W.  A.   100. 
So  lang  man  nüchtern  ist;  W.  A.  205. 
Und  was  im  Pcnd-Nameh  steht;  W.  A.   7\.^^'') 

•''")  Goethes  Werke,  Weimarer  Ausgabe  1,  7,  S.  300.  —  ^^°)  Bezeichnung  nach  iler 
Hempelschen  Ausgabe.  —  ''^^i  Weimarer  Ausgabe  I,  6,  S.  318.  —  ''')  Dieses  und  die  folgenden 
Gedichte  tragen  den  Tag  der  Entstehung  in  der  Unterschrift,  Das  Gedicht  .,der  Jahrmarkt 
zu  Hünfeld"  vom  2Ü.  Juli  fand  keine  Aufnahme  in  den  Divan. 


7. 

25.  . 

Fuli 

I,    9 

8. 

» 

I,  10 

9. 

n 

IV,  19 

10. 

26.  Juli 

1,11 

11. 

» 

1,12 

12. 

t) 

r,  15 

13. 

V 

IV,    4 

14. 

V 

V,    2 

15. 

fl 

V,    5 

16. 

n 

V,    7 

17. 

V 

IX,    5 

IS. 

., 

IV,    5 

Kil 

19.  27.  Juli     y,    8:       Als  wenn  das  auf  Namen  riilite;   W.  A.   102. 

20.  29.  Juli       I,  1(5:       Alllcben  (Staub   ist  eins  der  Fdemente);    W.  A.  2f;. 

Unterwegfs  in 
der  Nacht. 

Diese  zwanzig-  Gedichte  brachte  Goethe  nacliwcisbar  mit  nach  Wiesbaden 
oder  hatte  sie  vor  seiner  Ankunft  «gedichtet  und  vierzehn  von  ihnen  auf  der 
Reise.  „Denn,  wie  er  Boisseree  mitteilte''^^),  kämen  ihm  die  Gedichte  auf  ein- 
mal und  ganz  in  den  Sinn,  wenn  sie  recht  wären;  dann  müsste  er  sie  aber 
gleich  aufschreiben,  sonst  finde  er  sie  nie  wieder;  darum  hüte  er  sich  auf  <\ru 
Spaziergängen  etwas  auszudenken.  Es  sei  ein  Unglück,  wenn  er  es  nicht  i^unz 
im  Gedächtniss  behalte;  sobald  er  sich  besinnen  müsste,  würde  es  nicht  wieder 
gut,  auch  ändere  er  selten  etwas;  ebenso  sei  es  ein  Unglück,  wenn  er  Gedichte 
träume,  das  sey  meist  ein  verlorenes."  So  schrieb  er  No.  8  im  Angesicht  von 
Erfurt,  No.  11  zu  Fulda  Abends  6  Uhr,  No.  15  ebenda  8  "Uhr  und  10  ebenda 
zur  gleichen  Stunde;  No.  20  dichtete  er  unterwegs  in  der  Nacht. 

Nachdem  Goethe  in  Wiesbaden  um  11  Uhr  in  der  Nacht  des  29.  Juli 
eingetroffen  war,  ist  er  sogleich  am  30.  mit  dem  Divan  beschäftigt.  Kaum 
hat  er  die  erste  Einrichtung  getroffen,  so  schrieb  er  „Gedichte  an  Hafis"  nh 
und  kehrte  am  Abend  mit  Zelter  zu  Hafis  zurück;  am  31.  ist  im  Tagebuch 
dreimal,  Morgens  vor  und  nach  dem  Bad  sowie  nach  "der  Tafel  wieder  der 
Divan  notiert:  „Divan  geordnet  ...  In  obigem  fortgefahren  .  .  Fortsetzung 
des  obigen."  Es  werden  die  auf  der  Reise  entstandenen  Gedichte  gewesen 
sein,  die  er  hier  in  Reinschrift  niederschrieb  und  in  (vorläufige)  Ordnung  brachte. 
Dazu  aber  trat  bald  ein  neues  mit  der  Unterschrift  W|iesJB[aden]  d.  31.  Juli 
1814",  Hempel  I,  18;  es  trug  früher  die  Überschrift  „Selbstopfer"  (Wiesbadener 
Register  52)  oder  „Buch  Sad  Gasöle  I."  Zu  Grunde  liegt  dem  Gedichte  die 
dem  Orient  beliebte  Allegorie,  nach  welcher  der  Nachtfalter  das  Sinnbild 
der  treuesten,  sich  selbst  opfernden  Liebe  ist;  er  umflattert  das  Ijicht,  seine 
Geliebte,  die  nie  ihm  sich  ihr  zu  nähern  gestattet,  bis  er  am  Ende  sich  selbst 
in  ihren  Gluten  verzehrt.     Hafis: 

Wie  die  Kerze  brennt  die  Seele 

Hell  an  Liebesflammen, 

Und  mit  reinem  8iime  liab  ich 

Meinen  Leib  geopfert. 

Bis  du  nicht  wie  Schmetterlinge 

Aus  Begier  verbrennest, 

Kannst  du  nimmer  Rettung  finden. 

Vor  dem  Gram  der  Liebe. 

Und  dieses  Bild  wird  zum  Ausdruck  der  Gottesliebe  erhoben: 

Wirft  sich  der  Schmetterling  des  Nachts  in  Kerzenscheiu, 
Werft  Euch  in  Gottes  Feuormeer  hinein!*^'') 

Danach  also  dichtete  Goethe  am  31.  Juli  zu  Wiesbaden: 

(L)    Selige  Sehnsucht. 

Sagt  es  niemand,  nur  den  Weisen, 
Weil  die  Menge  gleich  verhöhnet, 


338 


)  S.  Boisseree  I,  261.  —  *•'*')  Wurm  S.  55  fl".     v.  Loeper  zu  1,  IS. 


162 

Das  Lehend'ge  will  ich  preisen. 

Das  nach  Flammentod  sieh  sehnet.*^") 

In  der  LiebesnSchte  Külilung, 
Die  dich  zeugte,  wo  du  zeugtest, 
Überfüllt  dich  fremde  Fühlung, 
Wenn  die  stille  Kerze'")  leuchtet. 

Nielit  mehr  bleibest  du  umfangen 
In  der  Finsterniss  Beschattung, 
Und  dich  reisset  neu  Verlangen 
Auf  zu  höherer  Begattung. 

Keine  Ferne  macht  dich  schwierig, 
Kommst  geflogen  und  gebannt, 
Und  zuletzt,  des  Liclits  begierig, 
Bist  du  Schmetterling  verbrannt. 

Und  so  lang  du  das  nicht  hast, 
Dieses:  Stirb  und  werde! 
Bist  du  nur  ein  trüber  Gast^**) 
Auf  der  dunklen  Erde. 

Auf  diesen  viel  verlieissenden  Anfang  verstummt  plötzlich  die  Muse  unseres 
Dichters.  Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  zunächst  die  wissenschaftlichen  An- 
regungen ihn  zu  sehr  in  Anspruch  nahmen,  vorab  die  mineralogischen  Studien: 
auch  die  Kur  verlangte  ihr  Recht,  Besuche  und  der  Verkehr  mit  den  Freunden 
traten  dazu.  Erst  am  Ende  des  folgenden  Monats,  den  31.  August,  schrieb 
er  wieder  zwei  Gedichte  nieder.  Das  erste,  Hemp.  III,  16,  W.  A.  S.  61,  früher 
(Wiesb.  Reg.  68)  überschrieben  ,Unverwehrtes',  erhielt  später  die  Überschrift 
„Unvermeidlich";  die  ersten  Zeilen  erinnern  an  Hafis:  Wer  kann  wohl  gebieten 
Still  zu  sein  auf  der  Flur^")?    Es  lautet: 

(2.)    Unvermeidlich. 

Wer  kann  gebieten  den  Vögeln 
Still  zu  sein  auf  der  Flur? 
Und  wer  verbieten  zu  zappeln 
Den  Schafen  unter  der  Schur? 

Stell  ich  mich  wolil  ungeberdig, 
Wenn  mir  die  Wolle  kraus't? 
Nein!  Die  Ungeberden  entzwingt  mir 
Der  Scherer,  der  mich  zerzaus't. 

Wer  will  mir  wehren  zu  singen 
Nach  Lust  zum  Himmel  hinan, 
Den  Wolken  zu  vertrauen, 
Wie  lieb  sie  mir's  angethan? 


'■'*")  Diese  Strophe  steht  bei  Hafis  am  Ende  des  Gedichtes:   Kennet  wohl   der  Pöbel  — 
Grosser  Perlen  Zalilwertli?  —  Gib  die  köstlichen  Juwelen  —  Nur  den  Eingeweihten.  —  =*")  Die 
stille  Kerze    ist   das  Licht   des    höheren  Lebens,   der   irdischen    entgegengesetzt,     v.  Loeper. 
—  '")  Güsto  auf  Erden  sind  die  Menschen  auch  bei  Firdusi  (v.  Loeper): 
Die  Welt  ist  ein  Gasthof,  pack  auf,  geh  fort; 
Hier  geht  ein  Alter,  ein  Neuer  kommt  herein. 
«";  Wurm  S.   lo.j. 


i 


163 

Das  zweite  Gedicht,  früher  „Glücklich  Geheimuisa"  oder  fWiesb.  Reg.  G9) 
„Liebchen"  überschrieben,  steht  jetzt  als  „Geheimes"  im  Divaii  III.  7,  AV.  A. 
S.  G2  und  lautet: 

(ii.)    Geheimes. 

Über  meines  Liebchens  Äugeln.'") 
Stehu  verwundert  alle  Leute; 
Ich,  der  wissende,  dagegen 
Weiss  recht  gut,  was  das  bedeute. 

Denn  es  heisst:  ich  liebe  diesen. 
Und  nicht  etwa  den  und  jenen. 
Lasset  nur,  ihr  guten  Leute, 
Euer  Wundern,  euer  Sehnen ! 

Ja,  mit  ungeheuren  Mächten 
JJlickot  sie  wohl  in  die  Runde; 
Doch  sie  sucht  nur  zu  verkünden, 
Ihm  die  nächste  süsse  Stunde. 

Anregung  gab  Hafis: 

Über  meines  Liebchens  Äugeln 
Staunen  alle  Unerfahrne: 
Ich  bin  so,  wie  ich  erscheine, 
Während  sie  es  anders  wissen. ^''^) 

Am  29.  August  schrieb  Goethe  an  Riemer:  „Die  Gedichte  an  Hafis  sind 
auf  30  augewachsen  und  machen  ein  kleines  Ganze,  das  sicli  wohl  ausdehnen 
kaun,  wenn  der  Humor  wieder  rege  wird."^'^'^)  Und  er  wurde  während  der 
folgenden  Monate  wieder  rege,  besonders  aber,  als  der  Mai  1815  den  Dichter 
wieder  an  den  Rhein  führte,  und  wieder  war  es  die  Reise,  welche  ihm  zuerst 
eine  grosse  Anzahl  Lieder  entlockte.  Gleich  am  ersten  Tag  derselben  (24.  Mai) 
schrieb  er  zu  Eisenach  an  seine  Frau:  „Kund  und  zu  wissen  jedermann,  den 
es  zu  wissen  freut  .  .  .,  Dass  mich  unterwegs  sogleich  die  guten  Geister  des 
Orients  besucht  und  mancherley  gutes  eingegeben,  wovon  Vieles  auf  das  Papier 
gebracht  wurde."^''^^)  Und  am  27.:  „Mein  Divan  ist  mit  18  Assessoren  vermehrt 
worden."  Von  diesen  18  Assessoren  können  wir  sieben  als  zu  Eisenach 
am  24.  Mai,  sechs  als  zu  Frankfurt  am  27.  Mai  und  einen  als  zu  Wiesbaden 
am  27.  niedergeschrieben  nachweisen;  dazu  tritt  ein  Gedicht  vom  28.  und  ein 
undatiertes  vom  Mai,  zu  Wiesbaden  wenigstens  abgeschlossenes: 

1.  am  24.:      HI,  10.     Schlechter  Trost.     W.  A.  57. 

2.  „  :  VIII,  2.  Dass  Suleika  ...     W.  A.  144. 

3.  „  :  VIII,  3.  Da  du  nun  Suleika  heissest  ...     W.  A.   145. 

4.  „  :      IX,  0.  Warum  du  nur  oft  so  unhold  bist^    W.  A.  206. 

5.  „  :        X,  9.  Vom  Himmel  steigend  ...     W.  A.  235. 

6.  „  :        X,  10.  Es  ist  gut.     W.  A.  236. 

7.  „  :      XI,  2.  Wenn  der  Mensch  ...     W.  A.  243. 


3*^)  Äugeln  =  freundlich  blicken,  liebäugeln.  Grimm,  Deutsches  Wörterbuch  I,  801. 
—  345)  Wurm  S.  106.  —  ^*'^)  Goethes  Werke,  Weimarer  Ausgabe  1,  Ü,  S.  31«  —  ^*';  Eben- 
da S.  324. 


164 


8. 

am  27. 

zu 

Fr; 

ankfurt: 

T, 

6. 

9. 

V 

V             '• 

III, 

12. 

10. 

B 

7) 

III. 

15. 

11. 

V 

» 

IV, 

G. 

12. 

n 

r>            • 

IV, 

24. 

13. 

v 

7)                   '• 

IX, 

t  . 

14. 

am  27. 

zu 

Wiesl)adeil : 

VII, 

2, 

IT). 

am  28. 

zu 

n 

I. 

2. 

11). 

13CZ.1814- 

-M; 

iiil815: 

XII, 

10. 

Geständnis.     W.  A.   13. 
Gruss.     W.  A.  59. 
Ergebung.     W.  A.  60. 
Reitest  Du  .  .  .     W.  A.  72. 
Höchste  Gunst.     W.  A,  88. 
Wenn  der  Körper  .  .  .  W.  A.  207. 
An  Suleika.     W.  A.   139. 
Segonspfiindcr.  W.  A.  7  (zum  Teil). 
Siebensciiläfer.    W.  A.  267. 


Wiesbilden. 


Nunmehr  ruliete  die  Muse  einige  Zeit;  es  lagen  etwa  hundert  (lediehte 
vor,  wie  ein  Brief  vom  7.  Juni  besagt,  der  ganz  aus  der  frohen  Stimmung, 
welche  die  Beschäftigung  mit  dem  Orient  hervorbrachte,  geschrieben  ist:  „Die 
Rosen  blühen  vollkommen,  die  Nachtigallen  singen  wie  man  es  nur  wünscht 
und  so  ist  es  keine  Kunst  sich  nach  Schiras  zu  versetzen.  Auch  sind  die  neuen 
Glieder  des  Divans  reinlich  eingeschaltet  und  ein  frischer  Adresskalender  der 
Versammlung  geschrieben,  die  sich  nunmehr  auf  hundert  beläuft,  die  Beygänger 
und  kleine  Dienerschaft  nicht  gerechnet." ^•^^)  Es  war  nun  die  erste  Arbeit  des 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  ein  wohlgeordnetes  Verzeichnis  zu  machen,  und  das 
geschah  nach  dem  Tagebuch  am  27.,  28.,  29.  und  30.  Mai;  am  30.  war  es 
beendet  Es  führt  den  Titel:  „Des  deutschen  Divaus  manigfaltige  Glieder", 
und  umfasst  hundert  Nummern"'*''),  in  Kürze  genannt  „das  Wiesbader 
Register."  In  der  endgiltigen  Redaktion  des  Divan  wurde  es  wieder  ver- 
lassen und  durchaus  umgestaltet. 

Daneben  liefen  Studien  der  Reisebeschreibung  vou  Tavernier'''^''),  dessen 
Name  am  31.  Mai,  9.,  11.,  12.,  13.  und  14.  Juni  im  Tagebuch  vorkommt; 
auch  am  8.  Juli,  am  9.,  12.  ist  der  Divan,  am  20.  „Orientalisches"  angemerkt. 
Von  Tavernier  heisst  es  in  den  Noten  zum  Divan:  „Tavernier,  Goldschmidt  und 
Juwelenhändler  [im  17.  Jahrhundert],  dringt  mit  Verstand  und  klugem  Betragen 
...  an  die  orientalischen  Höfe  und  weiss  sich  überall  zu  schicken  und  zu 
finden.  Er  gelangt  nach  Indien  zu  den  Demautgrubeu  .  .  .  Dessen  hinterlassene 
Schriften  sind  höchst  belehrend." 

Zu  Wiesbaden  sind  nach  den  Unterschriften  im  Jahre  1815  folgende 
Gedichte  des  Divan  niedergeschrieben,  gedichtet  oder  endgiltig  redigiert '•'') : 

1.  An  Suleika,  VII,  2,  im  Wiesbadener  Register  58  , Rosenöl"  über- 
schrieben, am  27.  Mai.  Um  auch  nur  eine  kleine  Menge  Rosenöl  zu  erhalten, 
bedarf  man  eine  grosse  Anzahl  von  Rosen;  mit  diesem  Gedanken  ist  verbunden 
die  im  Orient  beliebte  Anschauung  von  der  Liebe  der  Nachtigall  (Bulbul)  zur 
Rose.  Wie  Timur  Tausende  von  Monschenschädeln  zum  Bau  eines  Turms  ver- 
wendete, so  dürfen  wir  auch  die  Rosen   zu  unserem  Vergnügen  gebrauchen."*') 

*")  Ebenda  S.  ^24.  -  ^i«)  Abgedruckt  ebenda  S.  :514  f.  —  ^^")  S.  No.  10  fLektiire) 
und  die  Noten  und  Abliandlungen  zum  besseren  Verständnis  des  west-östliolien  Divan.  Weini. 
Ausg.  I,  7  S.  214.  —  ■^^)  Die  litterarischen  Notizen  stützen  sicli  vornehmlich  auf  die  Anmerk- 
ungen von  iiurdacli  in  der  Weimarer  Ausgabe  des  Divan,  1,  ü,  -.il'd  S.  —  "*-)  Wurm  S.  162. 
V.  Loeper,  Anmerk,  zu  dem  Gedieht. 


1G5 

An  Suleika. 
Dir  mit  Wohlgeruch  zu  kosen^'-'),  Einer  Welt  von  Lebonstriebon, 

Deine  Freuden  zu  erhöh'n,  Die  in  ihrer  Fülle  Dran" 

Knospend  müssen  tausend  Hosen  Ahneten  schon  JJuli.uls  J.iebcn 

Frst  in  Glutlion  untergelin.  Seelerregenden  Gesang. 

Um  ein  Fliiachcheii  zu  l)esitzen  Sollte  jene  Qual  uns  (luiiloii 

Das  den  Ruclr'^')  auf  ewig  hält,  Da  sie  unsre  Lust  vermehrt V 

Schlank  wie  deine  Fingerspitzen,  Hat  niciit  .Myriadon  Seeion 

Da  bedarf  es  einer  Welt,  Tiniurs  ilerihciiaft  aufgezclirt? 

2.  Segeuspfänder,  I,  2,  Wiesb.  Reg.  4.  Schon  am  1.  .Tiiniiar  181  f) 
erwälint  das  Tagebuch  die  zweite  Strophe  mit  etc.  (Amulete  etc.j,  am 
.'}.  August  las  Goethe  8.  Boisseree  vor  Talismane,  Amulete,  Abraxas,  Sic^Md- 
riiig  der  Araber  =  erste,  zweite,  vierte  und  fünfte  Strophe,  Zum  28.  Mai 
1815  bemerkt  das  Tagebuch:  Talismane,  Amulete,  und  das  Wiesb.  Re"-.  5:  Talis- 
nume,  Amulete,  Abraxas  und  Siegel.  Wenn  aucli  alle  diese  Bezeichnungen  von 
I,  2  nicht  ganz  zutreffen,  so  beweisen  sie  doch,  dass  ein  Gedicht  dieses  Inhalts 
vorgelegen  hat,  also  die  vier  Strophen  fertig  waren;  die  dritte  mag  nachher  ein- 
geschoben sein,  und  zwar  im  Anschluss  an  das  jambische  Metrum  der  fünften 
im  Gegensatz  zu  dem  trochäischen  der  anderen ;  dieser  Wechsel  der  Metra  soll 
vielleicht  den  Gegensatz  der  Zaubermittel  des  Orients  zu  den  Symbolen  des  Occi- 
dents,  Siegeln  und  Inschriften,  auch  äusserlich  kennzeichnen. 

Zum  Verständnis  des  Gedichtes  bemerken  wir,  dass  Talisman,  persisch 
Telisme,  =  Bezauberung  ist,  heute  gewölmlich  eine  Inschrift  auf  Stein,  Onyx, 
Carneal  u.  s.  w.,  dass  Amulet,  arabisch  Hamele,  ein  mit  einem  frommen 
Spruch  beschriebenes  Papier  ist,  und  die  Talismane  meist  von  Frauen,  die 
Amulete  von  Männern  getragen  werden.  Abraxas  war  der  Name  der  Talis- 
maue bei  den  Gnostikern;  die  Buchstaben  als  griechische  Zahlzeichen  ergeben  die 
Zahl  365,  die  Zahl  der  Engel  und  Himmel;  die  Inschriften  und  eingegrabenen 
Bilder   waren  oft  seltsam,    wie  die    vierte  Strophe  und  der  Spruch  der  zahmen 

Xenien  besagt: 

Nichts  schrecklicheres  kann  den  Menschen  gescheh'n, 
Als  das  Absurde  verkörpert  zu  seh'n.^^^} 

Segenspfänder. 

Talisman  in  Carneol 

Gläub'geii  bringt  er  Glück  und   Wolil; 

Steht  er  gar  auf  Onyx  Grunde, 

Küss  ihn  mit  geweihtem  Munde! 

Alles  Übel  treibt  er  fort, 

Schützet  dicli  und  schützt  den  Ort: 

Wenn  das  eingegrabne  Wort 

Allahs  Namen  rein  verkündet, 

Dich  zu  Lieb'  und  That  entzündet. 

Und  besonders  werden  Frauen - 

Sich  am  Talisman  erbauen. 


35:ij  Ygj^  Hildebrand  im  Deutschen  Wörterbuch  V,  1845:  mit  Dativ,  wie  frülier  lieb- 
kosen nnd  wie  schmeicheln.  —  '•''•'*)  Kucli  =  (iorucli,  veraltet,  alier  noch  bei  Dichtern  liic  und 
da  in  Gebrauch.     Heyne  im   Deutschen  Würteri)uch   VllI,   l:!K).   —   ^■'^)  Wurm  S.  M   ff. 

iL' 


160 

Amulete  sind  dergleichen 
Auf  Papier  gescliriebne  Zeichen; 
Doch  man  ist  nicht  im  Ciedrüngo 
Wie  auf  edlen  Steines  Enge, 
Und  vergönnt  ist  frommen  Seelen 
Längre  Verse  hier  zu  wählen. 
^Männer  hängen  die  Papiere 
Gläubig  um  als  Scapulire. 

Die  Insclirift  al)er  hat  nichts  hinter  sich, 
Sie  ist  sie  selbst,  und  niuss  dir  alles  sagen, 
Was  hinterdrein  mit  redlichem  Behagen 
Du  gerne  sagst:  Ich  sag"  es!  Ich! 

Doch  Abraxas  bring'  ich  selten! 
liier  soll  meist  das  Fratzenhafte, 
Das  ein  düstrer  Wahnsinn  schaffte. 
Für  das  Allerhücliste  gelten. 
Sag'  ich  euch  absurde  Dinge, 
Denkt,  dass  ich  Abraxas  bringe. 

Ein  Siegelring  ist  schwer  zu  zeichnen. 
Den  höchsten  Sinn  im  engsten  Raum; 
Doch  weisst  du  hier  ein  Echtes  anzueignen, 
Gegraben  steht  das  Wort,  du  denkst  es  kaum. 

3.  Auch  die  „SiebcDschläfer",  XII,  9,  sind  wahrscheinlich  schon  früher 
entStauden,  da  das  Tagebuch  am  29.  Dezember  1814  notiert  „Siebenscliläfer" ; 
die  Unterschrift  lautet  „Jena  [wohl  versclirieben  statt  Weimar]"")  Ende  Dec. 
bis  Mai  1815.  Wiesb"|aden];  da  das  Gedicht  im  Wiesb.  Reg.  99  genannt  ist, 
muss  es  vor  dem  30.  Mai  niedergeschrieben  sein.  Die  Erzählung  vorbindet  die 
Sage  des  von  einer  Fliege  verfolgten  Nimrud,  des  Götzendieners,  der  dem 
Abraham  nach  dem  Leben  trachtete,  und  die  Legende  von  den  Siebenschläfern, 
die,  wegen  ihres  Glaubens  von  Kaiser  Decius  (249-251)  verfolgt  und  samt 
ihrem  treuen  Hunde  eingemauert,  unter  Theodsius  11.  (408—450)  aus  ihrem 
Schlafe  erwachten.^^') 

Siebenscliläfer. 
Sechs  Begünstigte  des  Hofes  Nun  —  so  sagen  sich  die  Knaben  — 

Flielien  vor  des  Kaisers  Grimme,  Sollt'  ein  Flioglcin  Gott  verhindern? 

Der  als  Gott  sich  lässt  verehren,  Sollt'  ein  Gott  auch  trinken,  speisen, 

Doch  als  Gott  sich  nicht  bewährt:  Wie  wir  andern?  Nein,  der  Eine, 

Denn  ihn  hindert  eine  Fliege  Der  die  Sonn'  erschuf,  den  Mond  auch, 

Guter  Bissen  sich  zu  freuen.  Und  der  Sterne  Gluth  uns  wölbte, 

Seine  Diener  scheuchen  wedelnd,  Dieser  ist's,  wir  fiiehn !  —  Die  zarten 

Nicht  verjagen  sie  die  Fliege.  Leicht  beschuht-,  beputzten  Knaben 

Sie  umschwärmt  ihn,  sticht  und  irret  Nimmt  ein  Schäfer  auf,  verbirgt  sie 

Und  verwirrt  die  ganze  Tafel,  Und  sich  selbst  in  Felsenhöhle. 

Kehret  wieder  wie  des  häm'schen  Schäfershund  er  will  nicht  weichen, 

Fliegengottes'^"^  Abgesandter.  Weggescheucht,   den  Fuss  zerschmettert, 


"•«)  Goethe  verweilte  vom  7.— 18.  Dezember  in  Jena;  am  Ende  des  Monats,  vom  18.  an, 
war  er  wieder  in  Weimar.  S.  Tagebuch.  —  "")  Die  Quellen  gibt  an  Wurm  S.  272  ß'.  Vgl. 
V.  Loepers  Anmerkungen.  —  ^'^")  Fliegengott  =  Beelzebub. 


1  f.; 


Drängt  er  sicli  an  seinen  Herren, 
Und  gesellt  sicli  zum  Verborgnen, 
Zu  doii  Lioblingen  des  »Scliliifes. 

Und  der  Fürst,  dem  sie  entflohen, 
Liebeutrüstet,  sinnt  auf  Strafen, 
Weiset  ab  so  Schwert  als  Feuer, 
In  die  Höhle  sie  mit  Ziegeln 
Und  mit  Kalk  sie  lässt  vermauern. 

Aber  jene  schlafen  immer, 

Und  der  KngeF'''^'),  ihr  IJeschützer, 

Sagt  vor  Gottes  Thron  berichtend: 

So  zur  Rechten,  so  zur  Linken 

Hab'  ich  immer  sie  gewendet, 

Dass  die  schönen  jungen  Glieder 

Nicht  des  Moders  Qualm  verletze. 

Spalten  riss  ich  in  die  Felsen, 

Dass  die  Sonne  steigend,  sinkend, 

Junge  Wangen  frisch  erneute: 

Und  so  liegen  sie  beseligt.  — 

Auch  auf  heilen  Vorderpfoten, 

Schläft  das  Ilündleiii  süssen  Schlummer, 

Jahre  fliehen,  Jahre  kommen, 
Wachen  endlich  auf  die  Knaben'"*"), 
Und  die  Mauer,  die  vermorschte, 
Altershalben  ist  gefallen. 
Und  Jamblika^''')  sagt,  der  Schöne, 
Ausgebildete  von  allen, 
Als  der  Schäfer  fürchtend  zaudert: 
Lauf  ich  hin!  und  hol'  euch  Speise, 
Leben  wag'  ich  und  das  Goldstück!  — 
Ephesus,  gar  manches  Jahr  schon, 
Elirt  die  Lehre  des  Propheten 
Jesus.  (Friede  sei  dem  Guten !) 

Und  er  lief,  da  war  der  Thore 
Wart'  und  Thurn  und  alles  anders. 
Doch  zum  nächsten  Bäckerladen 
Wandt'  er  sich  nach  Brot  in  Eile.  — 


Schelm!  so  rief  der  Bäcker,  hast  du, 
Jüngling,  einen  Schatz  gefunden! 
Gib   mir,  dich  vcrräth   das  Goldstück, 
Mir  die  Hälfte  /um  Vorsöhncn! 

Und  sie  hadern.   —   Vor  den  König 
Kommt  der  Handel;  auch  ilor  König 
Will  nun  theilen  wie  der  Bäcker. 

Nun  bethätigt  sich  das  Wunder 
Nach  und  nach  aus  hundert  Zeichen. 
An  dem  selbsterbauten  Palast 
Weiss  er  sich  sein  Recht  zu  sichern. 
Denn  ein   Pfeiler  durchgegraben 
Führt  zu  scharfbenams'ten  Schätzen. 
Gleich  versammeln  sich  Geschlechter 
Ihre  Sippschaft  zu  beweisen. 
Und  als  Ururvater  prangend 
Steht  Jamblika's  Jugendfülle. 

Wie  von  Ahnherrn  hört  er  sprechen 
Hier  von  seinem  Solin  und  Enkeln. 
Der  Urenkel  Schaar  umgibt  ihn, 
Als  ein  Volk  von  tapferu  Männern, 
Ihn  den  jüngsten  zu  verehren. 
Und  ein  Merkmal  über's  andre 
Dringt  sich  auf.  Beweis  vollendend; 
Sich  und  den  Gefährten  hat  er 
Die  Persönlichkeit  bestätigt. 

Nun  zur  Höhle  kehrt  er  wieder, 
Volk  und  König  ihn  geleiten.  — 
Nicht  zum  König,  nicht  zum  Volke 
Kehrt  der  Auservvählte  wieder: 
Denn  die  Sieben,  die  von  lang  her, 
Achte  waren's  mit  dem  Hunde, 
Sich  von  aller  Welt  gesondert, 
Gabriels  geheim  Vermögen 
Hat,  gemäss  dem  Willen  Gottes, 
Sie  dem  Paradies  geeignet^®^). 
Und  die  Höhle  schien  vermauert. 


4.  „Frage  nicht,  durch  welche  Pforte",  lY,  12,  ist  mit  der  Über- 
schrift versehen:  „Meinem  Sohn,  zum  dreissigstcn  Mai  1815",  und  mit  der 
Unterschrift:  „Wiesbaden.  Goethe",  nach  dem  Tagebuch  aber  am  10.  Juni  1815 
verfasöt  oder  abgeschickt;  es  war  ein  Glückwunsch  zum  fünfzigjährigen  Dionst- 
jubiläum  des  Geh.  Hofrats  Kirms  und  des  Geh.  Eats  Schardt  zu  Weimar  und 


^^^)  Gabriel,  der  auch  am  Ende  des  Gedichts  mit  seinem  Namen  genannt  ist.  —  '^'')  Unter 
Kaiser  Theodosius  II,  408—459,  wie  oben  bemerkt  wurde,  nachdem  sie  184  Jahre  geschlafen 
liatten.  —  ^^')  Jamlicha  bei  Hammer,  nach  andern  Bericliten  Janileekha  und  Dschemlicha, 
beides  ^=  Jamblichus;  er  war  der  älteste  der  Schläfer  und  ging  den  anderen  in  Allem  voran. 
—  ^''^)  Die  sieben  Schläfer  und  ihr  Hund  sind  zu  der  Ehre  besondere  Schutzherren  zu  sein 
gelangt;  der  Schäfer  hiess  Habil  (Abel),  der  Hund  Kitmir;  die  Namen  der  anderen,  auch  die 
christlichen  s.  bei  Wurm  S.  27.5. 

12* 


1G8 

durch  die  Reise  verspätet.  Die  Urschrift,  veröffeutlicht  im  März  1858  in  ver- 
scliiedenen  Zeitiiogeu  nach  einem  Blatt,  das  im  Besitz  des  Kreisrichters  Krakow 
in  Ziegenrück  war,  enthielt  sieben  Strophen,  von  denen  nur  die  vier  ersten  in 
dem  Divau  Aufnahme  fanden;  v.  Loeper  fügt  die  fünfte  hinzu.  Das  ganze 
Gedieht  hiutet  nach  der  Weimarer  Ausgabe: 


Frage  nicht  durch  weh-he  Pforte 
Du  in  Gottes  Stadt  gekommen, 
Sondern  bleib  am  stillen  Orte 
Wo  du  einmal   i'lat/  genommen. 

Schaue  dann  umher  nach  Weisen 
Und  nach  Mächt'gen,  die  befehlen; 
Jene  werden  unterweisen. 
Diese  That  und  Kräfte  stählen. 

Wenn  du  nützlich  und  gelassen 
So  dem  Staate  treu  geblieben, 
Wisse!  niemand  wird  dich  hassen 
Und  dich  werden  viele  lieben. 


Und  der  Fürst  erkennt  die  Treue, 
Sie  erhält  die  That  lebendig; 
Dann  liewährt  sich  auch  das  Neue 
Nächst  dem  Alten  auch  beständig. 

Und  vollbringst  du,  kräftig  milde, 
Deiner  Laufbalin  reine  Kreise, 
Wirst  du  auch  zum  Musterbilde 
Jüngeren  nach  deiner  Weise. 

So  Ihr  beiden,  heut  gefeiert, 
Vor  viel  Tausenden  erlesen, 
Fühlet  jene  Pflicht  erneuert, 
Die  Euch  heilig  stets  gewesen. 


Sei  dem  fröhlichen  Vereine 
Dieses  späte  Lied  entschuldigt. 
Das,  vom  alten  deutschen  Rheine, 
Eurem  schönen  Tage  huldigt. 


').  „Süsses  Kind,  die  Perlenreihen",  VIII,  17,  ist  wie  No.  2  u.  3  früher 
gedichtet,  da  es  in  dem  Wiesb.  Reg.  G2  (Abraxas)  verzeichnet  ist,  aber  nach 
der  Unterschrift  zu  Wiesbaden  am  längsten  Tage  1815  redigiert  und  am  8.  August 
Boisseree  vorgelesen,  der  es  als  zu  bitter,  hart  und  einseitig  zu  verwerfen  riet"^'); 
doch  wurde  es  später  als  17.  Gedicht  des  achten  Buches  aufgenommen;  in  der 
Weimarer  Ausgabe  steht  es  unter  dem  Nachlass.  Die  Überschrift  „au  Suleika" 
ist  von  Eckermann  zugefügt,  Boisseree  nennt  es  ..Hass  des  Kreuzes",  nicht 
ganz  mit  Recht;  denn  er  verkennt,  dass  dieser  Hass  oder  vielmehr  diese  Ab- 
neigung, die  doch  eigentlich  nur  der  Darstellung  des  Gekreuzigten  gilt,  aus 
Liebe  zu  der  Trägerin  des  Kreuzes  überwunden  wird.  Chosroes  Parvis,  König 
des  Perserreiches,  aus  dem  Geschlechte  der  Sassaniden  (591  bis  028),  hatte 
seiner  Gemahlin  Sira  oder  Schirin  (=  die  Süsse),  deren  Schönheit,  Verstand 
und  musikalische  Talente  in  den  Dichtungen  der  Perser  viel  gepriesen  werden, 
eine  kostbare  Perlenschnur  geschenkt,  an  der  er  einst  ein  Kreuz  (Boisseree  sagt: 
von  Bernstein)  befestigt  findet;  denn  sie  war  zugleich  eine  fromme  Christin 
zum  Leidwesen  der  Perser,  die  deswegen  dem  Chosroes  die  Verbindung  mit 
ihr  zu  verleiden  suchten,  und  auch  er  mag  nicht  die  „moderne  Narrheit"^"), 
einen  ^Abraxas",  das  „Jammerbild  am  Holze",  so  sehr  er  auch  die  Vorgänger 
Christi,  Abraham,  Moses  und  David,  sowie  Christus  selbst  wegen  ihres  Glaubens 
an  den  einen  Gott  feiert;  zu  ihnen  gesellt  er  —  vorgreifend  — -  Mahomod, 
während  Salomo    sieh    habe    verführen   lassen  viele  Götter  anzubeten.     Und  so 


*®')  S.  lioiaserc^-e  I,  20.').  —  »«<)  Boisseree  sagt  (Hör- oder  Schreibfehler?):  „nordische  (!) 
Narrheit." 


100 


will  auch  er  wider  seine  Überzeugung  und  seinen  Glauben  aus  Liel)e  zu  Scliirin 
das  Kreuz  an  ihrem  Jlalse  sich  gefallen  lassen,  ja  sogar  einen  Vitzliputzli,  der, 
ein  mexikaues  Götzenbild,  im  Munde  des  Chosroes  sich  fVi  ilicli  sunderbar 
ausnimmt. 

Wir    lassen    nunmehr    das  Gedicht    nach   dem  Texte  der  Weimarer  Aus- 
gabe folgen. 


Süsses  Kind,  die  Pcrlenreihon, 
Wie  ich  ir<jcnd  mir  vermochte, 
Wollte  traulich  dir  verleihen, 
Als  der  Liebe  Lainpendochte. 

Und  nun  kommst  du,  hast  ein  Zeichen 
Dran  gehängt,  das,  unter  allen 
Den  Abraxas  seinesgleichen, 
Mir  am  schlecht'sten  will  gefallen. 

Diese  ganz  moderne  Narrheit 
Magst  du  mir  nach  Schiras  bringen! 
Soll  ich  wohl,  in  seiner  Starrheit, 
Hölzchen  quer  auf  Hölzchen  singen? 

Abraham,  den  Herrn  der  Sterne 
Hat  er  sich  zum  Ahn  erlesen; 
Moses  ist,  in  wüster  Ferne, 
Durch  den  Einen  gross  gewesen. 

David  auch,  durch  viel  Gebrechen, 
Ja,  Verbrechen  durch  gewandelt, 
Wusste  doch  sich  los  zu  sprechen: 
Einem  hab'  ich  recht  gehandelt. 

Jesus  fühlte  rein  und  dachte 
Nur  den  Einen  Gott  im  Stillen; 
Wer  ihn  selbst  zum  Gotte  machte 
Kränkte  seinen  lieil'gen  Willen. 


Und  so  niuss  das  Rechte  scheinen 
Was  aucli  Maiiomct  gelungen; 
Nur  durcli  den  HogrifT  des  Kinen 
Hat  er  alle  Welt  bezwungen. 

Wenn  du  ai)er  dennoch  lluld'gung 
Diesem  leid'gen  Ding  verlangest; 
Diene  mir  es  zur  Entschuld'gung 
Dass  du  nicht  alleine  prangest.  — 

Doch  allein!  —  Da  viele  Frauen 
Salomonis  ihn  verkehrten, 
Götter  betend  anzuschauen 
Wie  die  Närrinnen  verehrten. 

Isis  Hörn,  Anubis  Rachen 
Boten  sie  dem  Judenstolze, 
Mir  willst  du  zum  Gotte  machen 
Solch  ein  Jammerbild  am  Holze! 

Und  ich  will  nicht  besser  scheinen 
Als  es  sich  mit  mir  eräugnet, 
Salomo  verschwur  den  seinen, 
Meinen  Gott  hab'  ich  verläugnet. 

Lass  die  Renegatenbürde 
Mich  in  diesem  Kuss  verschmerzen; 
Denn  ein  Vitzliputzli  würde 
Talisman  an  deinem  Herzen. 


An  die  Besprechung  des  Gedichtes  mit  Boisseree  knüpft  Goethe,  als  jener 
es  zu  verwerfen  riet,  folgendes  an,  „er  wolle  es  seinem  Sohu  zum  aufheben 
geben,  dem  gebe  er  alle  seine  Gedichte,  die  er  verwerfe;  er  habe  eine  Menge, 
besonders  persönliche  und  zeitliche.  Es  sey  nicht  leicht  eine  Begebenheit,  wo- 
rüber er  sich  nicht  in  einem  Gedicht  ausgesprochen.  So  habe  er  seinen  Arger, 
Kummer  und  Verdruss  über  die  Angelegenheiten  des  Tages,  Politik  u.  s.  w. 
gev/öhnlich  in  einem  Gedicht  ausgelassen,  es  sey  eine  Art  Bedürfnis  und  llerzens- 
erleichtorung,  Sedes  p.  Er  schaffe  sich  so  die  Dinge  vom  Halse,  wenn  er  sie 
in  ein  Gedicht  bringe.  Sonst  habe  er  dergleichen  immer  verbrannt,  aber  sein 
Sohn  verehre  alles  von  ihm  mit  Pietät,  da  lasse  er  ihm  den  Spass." 

6.  Firdusi  spricht;  IV,  2G.  Auch  dieser  Titel  steht  schon  im  Wiesb. 
Reg.  49,  nnd  wenn  unter  dem  Ganzen  als  Tag  der  Abfassung  der  1.  Juli  \^\~) 
bemerkt  ist,  so  bezieht  sich  dies  auf  den  letzten  Teil  desselben.  Nach  Notizen 
im  Tagebuch  vom  Dezember  1814  und  Februar  1815  werden  die  zwei  ersten 
Teile  in  diesem  Winter  gedichtet  sein.     Der  erste  Teil    ist   dem  Schah-Nameh 


170 

Firdusis  enllehnt   f Fundgruben   11,  64),    der    zweite    Goethes    Eutgcgnung,    der 

dritte  eine  selbständige  Ausführung  des  Begriffes  Reichtum  im  Sinne  des  Orients 

als  Genügsamkeit. 

Firdusi  spricht. 

0  Welt!  wie  scliamlos  und  boshaft  du  bist! 
Du  nährst  und  erziehest  und  tödtest  zugleich. 


>'ur  wer  von  Allah  begünstiget  ist, 

Der  nährt  eich,  erzieht  sich,  lebendig  und  reich. 

Was  heisst  denn  Reichthum?  Eine  wärmende  Sonno, 
Gcniesst  sie  der  Bettler,  wie  wir  sie  geniessen! 
Es  möge  doch  keinen  der  Reichen  verdriessen 
Des  Bettlers  im  Eigensinn  selige  Wonne. 

7.  Dem  Kellner.  Dem  Schenken,  IX,  8.  Dieses  Gedicht  muss  eben- 
falls die  nachbessernde  Hand  im  Jahre  1815  erfahren  haben:  es  steht  schon 
im  Wicsb.  Reg.  74,  ist  also  danach  vor  dem  30.  Mai  1815  gedichtet,  trägt 
aber  die  Unterschrift:  1.  7.  15.  Es  bezieht  sich  auf  den  Kellner,  der  Goethe 
auf  dem  Geisberg  bediente  und  von  Boisseree  zweimal  erwähnt  wird,  einmal 
als  ein  schöner,  freundlicher,  blonder  Aufwärter,  dann  als  schöner,  junger, 
blonder  Kellner  bezeichnet.  ^^^)  An  der  zweiten  Stelle  sagt  Boisseree  ausdrück- 
lich, dass  dieser  der  Gegenstand  des  Gedichtes  sei.  Das  Gedicht  stellt  diesem 
als  freundlichen  Schenken  einen  groben  Kellner  entgegen. 

Dem  Kellner. 

Setze  mir  nicht,  du  Grobian, 

Mir  den  Krug  so  derb  vor  die  Nase! 

Wer  mir  Wein  bringt  sehe  mich  freundlich  an, 

«Sonst  trübt  sich  der  Eilfer  im  Glase. 

Dem  Schenken. 

Du  zierlicher  Knabe,  du  komm  herein. 
Was  stehst  du  denn  da  auf  der  Schwelle  V 
Du  sollst  mir  künftig  der  Schenke  sein, 
Jeder  Wein  ist  schmackhaft  und  lielle. 


Wir  haben  schon  mehrfach  bemerken  müssen,  dass  Goethe  im  August 
des  Jahres  1815  Gedichte  des  Divan  seinem  Freunde  Sulp.  Boisseree  vorlas. 
Dass  er  das  Bedürfnis  hatte  dies  zu  thun,  ist  ein  Beweis,  wie  sehr  er  in  diesen 
damals  ihn  ganz  erfüllenden  Schöpfungen  lebte,  wie  befriedigt  er  sich  in  dem 
Gedankenkreise  des  Orients  fühlte.  Und  da  er  wohl  dasjenige  zur  Mitteilung 
an  den  in  einer  ganz  anderen  Welt  stehenden  Romantiker  auserwählte,  was 
ihm  am  geeignetsten  schien  in  die  Anschauung  des  Orients  einzuführen  und 
nach  seiner  Ansicht  am  besten  gelungen  war  von  den  vollendeten  Gedichten, 
80  ist  es  nicht  ohne  Interesse  diesen  Punkt  weiter  zu  verfolgen  und  die  Reihe 
der  vorgelesenen  Gedichte  zusammen  zu  stellen;  unter  den  Text  Boisserees 
setzen  wir   die  Stellen,  wo    die    betreftcndcn  Stücke    sich    in    der  Ilempolschen 


366 


;  S.  Boisseree  I,  259,  263. 


171 


und  Weimarer  Ausgabe  sowie  im  Wiesbadener  Register  finden  nebst  dem  Tage 
ihrer  Entstehung,  wenn  dieser  bekannt  ist.  Für  einige  glauben  wir  vnii  den 
Bemerkungen  der  Weimarer  Ausgabe,  der  wir  sonst  viel  verdanken,  abweichen 
zu  müssen. 

,[Am  3.  August  1815J.  Er  las  mir,  berichtet  Boisseroe,  eine  sinnreiche 
Introduktion,  eine  Exposition  des  ganzen  Oricntalismus  und  seines  eigenen 
Verhaltens  dazu  vor.  Dies  letzte  zuerst  anfangend  von  dem  Gegensatz  der 
Zeit  und  Trost  suchend  im  Orient.  (1.)  Talismane,  Amulete,  Abraxas,  Siegel- 
ring der  Araber.  (2.)  llafiz,  der  Korankundige,  wurde  zum  Eigennamen 
des  Dichters;  Goethes  Gedicht  an  ihn  vergleicht  sich  mit  ihm,  weil  er  sich  die 
Bibel  angeeignet,  wie  das  göttliche  Angesicht  sich  auf  das  Tuch  abgedrückt  hat.  (3) 

„4.  August.  Nach  Tische  besprach  er  die  Fortsetzung  des  Divan:  das 
Rosenöl  (4.);  behandelt  die  Weiber  mit  Nachsicht  (5.);  Spiel  in  den  Locken  (ü.); 
Hans  Adams  Geburt  (7.);  der  Tulbend  (8.);  Freude  der  Freigebigkeit  (9.);  Ver- 
sprechungen des  Liebhabers  (10.)  Alle  Pracht  des  Orients  hat  doch  am  Ende 
nichts  Höheres,  wie  die  liebenden  Herzen.  Stolz  der  Armut  des  Liebenden 
und  viele  andere  herrliche,  prächtige  und  anmutige  Dinge.  Ich  sagte  Goethe, 
dass  es  mich  an  Faust  erinnere,  wegen  der  Grossartigkeit  und  Kühnheit  und 
doch  wieder  in  der  Natürlichkeit  und  Einfachheit  der  Sache  und  in  der 
Form  und  Sprache,  was  ihm  dann  ganz  recht  und  lieb  war. 


Uempels 

Weimarer 

Wiesbadener 

Qedifhtet. 

Ausgabe. 

Ausgabe. 

Register. 

1. 

I,    1. 

5. 

3.  Hegire. 

24.  XII.   14. 

Hegire.     Nord  und  West  und  Süd. 

2. 

I,  2. 

7. 

4.  Segens- 
pfänder. 

1.1.1.5.28  V.15. 

Segenspfänder.     Talisman  in  Carneol. 

3. 

II,  1. 

33. 

14.Beynahme. 

26.  VI.  14. 

Beiname.     Moliamet  Sclicmseddin  sage. 

4. 

VII,  2. 

139. 

58.  Rosenöl. 

27.  V.  15. 

An  Suleika.  Dir  mit  Wohlgeruch  zu 
kosen. 

5. 

IV,  15. 

80. 

30.  Adam  und 
Eva. 

— 

Behandelt  die  Frauen  mit  Nachsicht. 

6. 

iir,  6. 

54. 

27.  Locken. 

— 

Versunken.  A'oll  Locken  kraus  an  Haupt 
so  rund. 

7. 

I,  8. 

16. 

17.  Urvater. 

21.  VI.   14. 

Erschaffen  und  Beieben.  Hans  Adam  war 
ein  Erdenkloss. 

8. 

VIII,  14. 

155. 

31.  Tulbend. 

17.  II.   15. 

Komm,  Liebchen,  komm  !  Umwinde  mir 
die  Mütze. 

9. 

IV,  4. 

7U. 

24.  Schön 
Bittende. 

26.  VII.   14. 

Lieblich  ist  des  Mädchens  Blick,  der 
winket. 

10. 

VIII,  16. 

158. 

57.  Überboten. 

17.  II.  15. 

Hätt'  ich  irgend  wohl  Bedenken. 

„Den  G.  August  [Sonntag  Nachmittag,  als  Goethe  von  Biebrich  zurück- 
kam].^*'")     Nachher    Gespräch    über    den    Divan.    Entstehen^,]    (H.);    Lob    des 

*"")  Zum  Vormittag  und  Nachmittag  des  6.  August  hat  Boisseroe  vergessen  da3  Datum 
zu  bemerken;  dass  die  betr.  Stelle  dem  6.  angehört,  geht  daraus  hervor,  dass  Goethe  an  diesem 
Tage,  einem  Sonntage,  in  Biebrich  an  der  herzoglichen  Tafel  war, 


172 

Weins    (12.);    Frechheit   gegen    das  Gesetz    (13.);    Die    Perle   (H-);    Unwillen 
über  die  Deutschen  (15.);  ihre  Neuerungsucht  und  Zerstreuung  (16.) 

„Sonntag  am  6.  Abends  las  mir  Goethe  wieder  einen  Teil  aus  seinem 
Divan  vor,  worunter  das  schönste  „Adam  und  Eva"  (17.)  war,  wie  der  Schöpfer 
sie  macht  und  seine  Freude  au  ihnen  hat.  Er  legt  dem  Adam  die  Eva  an  die 
Seite,  und  möchte  dabei  stehen  bleiben.  Ein  Bildchen,  eine  Idylle  von  der 
schönsten,  reinsten  Naivität  und  wieder  der  höchsten  Grösse;  es  machte  mir 
den  Eindruck  wie  das  beste  plastische  \\'^erk  der  Griechen.  Dann  las  er,  wie 
Jesus  das  Evangelium  gebracht  hat  und  wieder  mit  zum  Himmel  genommen 
hat  (18.)  Aber  was  die  Jünger,  jeder  auf  seine  Art  davon  behalten,  verstanden 
und  missverstanden,  ist  soviel,  dass  die  Menschen  genug  daran  haben  für  immer 
/u  ihrem  Bedarf.  Liebesgedichte  (19.)  Was  ich  verlange,  ist  nur  wenig; 
aber  für  die  Geliebte  alle  Schätze.  Ein  prachtvolles  Stück,  worin  alle  Herrlich- 
keit und  der  ganze  Handel  des  Orients  vorkömmt:  wo  alle  Elemente,  alle 
Kräfte  der  Natur  und  Menschen  in  Bewegung  gesetzt  werden,  um  der  Geliebten 
Geschenke  zu  bringen,  die  ihr  aber  doch  nichts  sind  gegen  die  Freuden  der 
Liebe.  Die  Feueranbeter  der  alten  Parsen  (20.)  Ein  solcher  stirbt  und  spricht 
seine  Lehre  als  Vermächtniss  aus.  Verehrung  der  Sonne,  durch  Ordnung  und 
Reinlichkeit,  damit  sie  sich  nicht  betrübe,  den  Schmutz  und  Wüstenei  der 
Menschen  und  Erde  zu  sehen.  (Stiftung,  eine  Gasse  zu  reinigen,  damit  die 
Sonne  mit  Freuden  hinein  scheine.)  In  demselben  Bezug,  Ackerbau.  (Auf 
ähnliche  humane  Weise  erklärt  Goethe  sich  die  Verehrung  der  Kuh,  als  nütz- 
lichstes Haustier,  und  des  goldenen  Kalbes,  und  sey  also  nicht  gar  so  absurd 
und  abgeschmackt,  als  es  aussehe.)    Verehrung  der  Feuers  als  irdischer  Sonne." 


Hempels 
Ausgabe. 

Weimarer 
Ausgabe. 

Wiesbadener 
Uegister. 

Gedichtet. 

11. 

IX,   3. 

203. 

34.  Koran  u. 
Becher. 

2U.   V.    15. 

Ob  der  Koran  von  Ewigkeit  sei? 

12. 

IX,  4. 

204,  1. 

43.Truncken- 
lieit. 

— 

Trunken  müssen  wir  alle  sein! 

13. 

IX,  4. 

204,  2. 

— 

D<a  wird  nicht  mehr  nachgefragt! 

14. 

X,  4. 

230. 

33.  Perle 
Wider- 

spänstig. 

Die  l'erle  die  der  Muschel  sich  entrann. 

15. 

Y,  4. 

98. 

92.  Leidiger 
Trost. 

7.  n.  15. 

Befindet  sicli  einer  lioitcr  und  gut. 

10. 

V.  8. 

102. 

47.  Lands- 

27.   VII.  1 

Als  wenn  das  auf  Namen  ruiite. 

leute. 

17. 

X,  10. 

2.'J6. 

(50.   Gottesge- 
danken. 

24.  V.   15. 

Es  ist  gut. 

18. 

X,  0. 

235. 

.J9.  Evange- 
lium. 

24.  V.   1,5. 

Vom   Himmel  steigend  Jesus  braclit". 

19. 

VIII,  15. 

1.5(J. 

5<j.  Kayser- 

17.111.1,. 
17.   V.  /  ^•^• 

Nur  wenig  ist's  was  icli  verlange. 

gaben. 

20. 

XI,  1. 

239. 

6.').  Vermächt- 
nis. 

1 

1!!     III.    15. 

Vermächtnis  altpersischen  Glaubens. 

173 


„Dienstag  den  8.  Abends  liest  Goethe  wieder  Stücke  aus  dem  Divun. 
Der  Wenke  (1.  Schenke)  (21.)  Kuss  auf  die  StiriK!  (22.)  Eifersucht.  Das 
Mädchen  sey  eine  böse  ermüdende  Liebhaberei  für  den  alten  Freund.  Das 
Ganze  als  ein  edles,  freies  pädagogisches  Verhältniss,  als  Liebe  und  Ehrfurcht 
der  Jugend  gegen  das  Alter;  vorzüglich  schön  ausgesprochen  in  einem  (Jedicht: 
die  kürzeste  Nacht  (23.),  wo  Morgenroth  und  Abendroth  zugleich  am  Himtncl 
sind.  Astronomie  Ethik.  Ein  andres  Gedicht  bezieht  sich  auf  den  sciiönen, 
jungen,  blonden  Kellner  auf  dem  Geisberg  (24.) 

„Timurs  Winterfeldzug.  (25.)  Parallelstück  zu  Napoleons  Mo.skowitischem 
Peldzug.  Kriegsrath.  Der  Winter  tritt  redend  auf  gegen  ^lars;  Fhich  oder 
Vcrheissung;  gross,  gewaltig.  Hass  des  Kreuzes.  (20.)  Schirin  hat  ein  Kreuz 
von  Bernstein  gekauft,  olinc  es  zu  kennen;  ihr  Liebhaber  Cosken  (1.  Chosrues) 
liudet  es  au  ihrer  Brust,  schilt  gegen  die  westlich  nordische  (1.  modische)  Narr- 
heit u.  s.  w.  Zu  bitter,  hart  und  einseitig,  ich  rathe  es  zu  verwerfen."  Vyl. 
oben  S.   168. 


Itenipels 
Ausgabe. 

Weimarer 
Ausgabe. 

Wiesbadener 
Register, 

Gedichtet. 

21. 

IX,  16. 

215. 

78.  Schwän- 
chen und 
Schwan. 

Okt.  14. 

Schenke. 

22. 

IX,  9. 

209. 

75.  Des  Schen- 
ken Eifer- 
sucht. 

Okt.  14. 

Schenke  spricht. 

23. 

IX,  20. 

220. 

89.  Sommer- 
nacht. 

16.  XII.  14. 

Sommernacht. 

24. 

IX,  8. 

208. 

74.  Kellner  u. 

1.  VII.  15. 

f  Dem  Kellner. 
l  Dem  Schenken. 

Schenke. 

25. 

VII,  I. 

137. 

84.  Winter   u. 
Timur. 

11.  XII.  14. 

Der  Winter  und 

Timur. 

26. 

VIII,  17. 

288. 
Nachlasa. 

62.  Abraxas. 

Redigiert  am 

längsten  Tage 

1815. 

Süsses  Kind,  die 

Perlcnreilien. 

Es  sind  also  vorgelesen 

aus  Buch      I:  3  Gedichte; 
„        „         II:   1   Gedicht; 

„     „     ni:  1 

„        „       IV:  2  Gedichte; 
„        „       VI:  nichts; 


aus  Buch     Vll:  2  Gedichte; 


n 

Tl 

MIM: 

4 

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IX: 

7 

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X: 

3 

1) 

71 

XI: 

1   Gedicht; 

V 

» 

Xü: 

nichts. 

2.  Im  Herbst  des  Jahres  1813  begann  Goethe  die  Dichtung  einer  Oper, 
deren  Titel  „der  Löwenstuhl"  sein  sollte.  Das  war  bisher  aus  den  Annalen  1813 
bekaant,  wo  es  heisst:  „Der  Löwen  stuhl,  eine  Oper,  gegründet  auf  die  aUe 
Überlieferung,  die  ich  nachher  in  der  Ballade  „Die  Kinder  sie  hören  es  gern'' 
ausgeführt,    geriet  ins  Stocken    und    verrharrte    darin."     Die  letzte  Bemerkung 


174 

ist  jedoch  nicht  ganz  zutreffend.  Im  Tagebuch  erscheint  der  Name  der  Oper 
Löwenstuhl  zuerst  am  28.  Oktober  1813,  dann  am  29,  die  Worte,  welche  auf 
sie  hinweisen:  „die  Kinder  sie  hören  es  gerne^,  am  30.:  „die  Kinder  pp.", 
am  31.:  Es  hörens  die  Kinder  so  gerne",  und  endlich  am  20.  November:  „Die 
Kinder  sie  hören  pp."  Indessen  kehrt  der  Dichter  im  Jahre  1814  uocli  zwei- 
bis  dreimal  zu  diesem  Stoffe  zurück;  auf  der  Reise  nach  Wiesbaden  entwarf 
er  den  Plan  zu  der  Oper,  sei  es  am  27.  Juli,  als  er  von  Fulda  bis  Hanau 
t'uhr,  wie  eine  Notiz  besagt^"^'),  oder  zu  Hanau  am  28.,  wo  das  Tagebuch  den 
„Plan  des  Löwenstuhls"  anführt  —  wenn  nicht  beides  zusammenfällt  und 
irgend  ein  Gedächtnisfehler  bei  der  ersten  Aufzeichnung  mituntergelaufen  ist. 
Aber  auch  am  1.  August  ist  der  Löwenstuhl  im  Tagebuch  genannt:  „Schema 
des  Löwenstuhls"  —  und  danach  erst  geriet  die  Dichtung  ins  Stocken  und 
verharrte  darin,  bis  sie  später  in  die  Form  einer  Ballade  umgegossen  und  von 
Goethe  selbst  einmal  als  „Die  Sänger  und  die  Kinder"^*^')  benannt,  von  Späteren 
als  „Ballade  vom  vertriebenen  und  zurückkehrenden  Grafen"  betitelt  wurde. 
Der  Umstand,  dass  Goethe  die  Oper  in  Wiesbaden  —  am  1.  August  1814  — 
noch  einmal  vornahm,  veranlasst  uns  ihr  einige  Worte  zu  widmen. 

Den  Stoff  entnahm  er,  wie  die  Noten  zu  der  Ballade  berichten,  einer 
altenglischen  Erzählung,  die  unter  der  Regierung  der  Königin  Elisabeth  nieder- 
geschrieben wurde. ^•^'O  Nach  ihr  war  der  Sohn  des  bei  Evesham  am  4.  August 
1265  im  Kampfe  mit  König  Heinrich  von  England  gefallenen  Grafen  von 
Leicester,  Heinrich  von  Monfort,  in  der  Schlacht  des  Augenlichts  beraubt,  aber 
gerettet  worden  und  wählte  nunmehr  das  Los  eines  Bettlers;  seine  schöne 
Tochter  jedoch  erweckte  die  Liebe  eines  Ritters,  dem  sie  auch  ihre  Hand  reichte; 
auf  der  Hochzeit  erschien  ihr  Vater  und  trägt  zur  Laute  ein  Lied  vor,  in 
welchem  er  sich  als  Sohn  des  Grafen  zu  erkennen  gibt.  Diesen  Stoff  bildete 
unser  Dichter  durch  Benutzung  von  einer  Erzählung  in  Boccaccios  Decamerone 
(H,  8)  um;  in  ihr  wählt  ein  Graf  freiwillig,  veranlasst  durch  Verläumdungen 
der  Königin  von  Frankreich,  das  Los  eines  Bettlers,  bis  die  Nichtigkeit  jener 
Beschuldigungen  nach  dem  Tode  der  Königin  an  den  Tag  kommt;  aus  ihr 
entnahm  insbesondere  Goethe  das  Motiv,  welches  in  dem  wiederkehrenden  „die 
Kinder  sie  hören  es  gerne"  enthalten  ist,  da  die  Kinder  seiner  ihn  nicht  er- 
kennenden Tochter  den  freundlichen  Bettler  liebgewinnen,  und  ferner  die  harten 
Worte,  welche  der  Gemahl  der  Tochter  des  Bettlers  wegen  deren  Freundlichkeit 
gegen  diesen  an  sie  richtet.  Neu  hinzu  that  er  den  Hintergrund,  in  dem  er 
die  Vertreibung  und  Rückkehr  des  Grafen  an  grosse  politische  Kämpfe,  den 
Sturz  und  die  Wiedereinsetzung  des  rechtmässigen  Königs,  anknüpft. 

Von  der  Dichtung  Löwenstuhl  sind  im  Jahre  1892  aus  dem  Nachlasse 
Goethes  in  dem  12.  Bande  der  ersten  Abteilung  der  Weimarer  Ausgabe  folgende 
Stücke  veri)ffentlicht  worden:  1.  der  Plan  des  Löwenstuhls,  S.  421  f.;  2.  ein 
Fragment,  vielleicht  das  obengenannte  Schema,  mit  wenigen  eingestreuten  Versen, 


*")  Goethes  Werke  I,  :{,  :{7S:  „Plan  zur  Oper  Lüwonstuhl,  auf  der  Heise  im  Juli 
zwischen  Fulda  und  Hanau  entworfen  und  copirt ."  —  ■"'"'*)  Goetlie,  zur  Naturwissenschaft  über- 
haupt.   —  •*«»)  Vgl.  Th.  Percy,  Reliquea  of  ancient  english  poetry.    London  1845.    S,  129. 


175 

S.  206 200;  3.  ein  Bruchstück  von  mehr  oder  weniger  ausgearbeiteten  Sceneu, 

y     300 307;    4.    eine    Ivcihc    von    einzelnen    unzusamnieuhäiigenden    Versen, 

S.  422  ff.  Aus  dem  zweiten  und  dritten  Bruchstück  geht  hervor,  wesshalb 
der  Dichter  sein  Werk  Löwenstulil  benannte:  in  dem  grossen  i'rachtsaale  der 
Burg,  die  der  Graf  ehedem  erbaut  hatte  (II,  28:  „Und  er  baute  den  Palast, 
Ach  ein  Gott  erschien  er  fast")  befand  sich  ein  Freistuhl  oder  Sessel  (HI,  133) 
mit  zwei  goldenen  Löwen  (II,  34:  „Und  zwei  goldne  Löwen  waren  Zeichen  der 
Gerechtigkeit"),  auf  welchen  die  Kinder  den  Greis  sich  zu  setzen  nötigen  wollen; 
wie  der  Stuhl  nach  den  Löwen  Löwenstuhl  hiess,  so  der  Saal  Löwensaal.  Die 
Entdeckung  des  wahren  Standes  der  Tochter  und  ihres  Vaters  wird  auf  eine 
wunderbare  Weise  herbeigeführt,  indem  die  im  Saale  aufgestellten  Rüstungen 
lebendig  werden  (S.  299).=''°) 

3.  Über  den  Plan  und  die  Ausführung  des  St.  Rochusfestes  haben  wir 
oben  (S.   140)  schon  gesprochen. 

4.  In  dem  Jahre  1815,  zu  dem  wir  nun  übergehen,  beschäftigte  sich 
Goethe  neben  dem  Divan  eifrig  mit  der  Abfassung  der  italienischen  Pveise,  die 
bekanntlich  im  Jahre  1816  und  1817  erschien.  Gleich  vom  zweiten  Tage  seines 
Aufenthalts  zu  Wiesbaden  an  verzeichnet  das  Tagebuch  dahin  weisende  Be- 
merkungen; so  am  29.  und  30.  Mai  und  4.  Juni:  „Neapel  dictirt",  am  31.  Mai 
und  6.  Juni:  „dictirt  Sicilien",  am  3.:  „dictirt  Vesuv  L",  am  18.:  „dictirt 
Palermo",  und  wenn  am  1.,  2.,  5.,  7.,  8.,  9.  und  19.  bis  24.  blos  „dictirt" 
bemerkt  ist,  so  sind  wir  berechtigt  ebenfalls  an  die  italienische  Reise  zu  denken. 
Die  Tage  vom  10.— 13.  waren  dem  .Corrigiren  zum  Abschreiben"  gewidmet, 
am  26.  und  27.,  als  die  Krankheit  seines  Dieners  Karl  sich  verschlimmerte 
und  hindernd  dazwischen  trat,  wurde  „Sicilien  durchgesehen".  So  waren  während 
des  3Iai  und  Juni  25  Tage  auf  diese  Arbeit  verwendet  worden;  vom  28.  Juni 
au  traten  andere  Abhaltungen  dazu,  sodass  die  weitere  Beschäftigung  mit  der 
italienischen  Reise  —  wohl  aus  Schonung  für  seinen  Karl  —  fortan  während 
der  Kurzeit  zu  Wiesbaden  unterblieb. 

•  5.  Das  Gedicht  für  die  Kinder  vom  23.  Juli  ist  oben  (S  130)  erwähnt. 
ö.  Der  Sommer  1815  brachte  Goethe  die  Bekanntschaft  mit  neugriech- 
ischen Liedern,  die  freilich  für  die  nächste  Zeit  keine  Früchte  zeitigte,  aber 
doch  ihn  lebendig  anregte  und  schliesslich  die  Übersetzung  der  „neugriechisch- 
epirotischen  Heldenlieder"  und  der  „neugriechischen  Liebe-Skolien"  der  zwanziger 
Jahre  hervorrief-^''')  Die  Annaleu  1815  sagen  darüber  folgendes:  „Wenig 
Fremdes  berührte  mich;  doch  nahm  ich  grossen  Antheil  an  griechischen  Liedern 
neuerer  Zeit,  die  in  Original  und  Übersetzung  mitgetheilt  wurden,  und  die  ich 
bald  gedruckt  zu  sehen  wünschte.  Die  Herren  v.  Natzmer  [?]  und  Haxthauseu 
hatten  diese  schöne  Arbeit  übernommen."  Das  Tagebuch  berichtet  über  diese 
beiden:  „30.  Juni.  v.  Natzmer  [?]  Neugriechische  Gedichte.  —  2.  Juli.  Major 
|von    Haxthausen].    —   3.    Major    v.    Haxthausen    Griechische    Volkslieder.    — 

■'">)  Über  die  Ballade  und  ihre  Quellen  vgl.  St.  Waetzoldt  in  der  Zeitschrift  für 
deutschen  Unterricht,  III,  G,  .502-.515.  -  "')  Die  Heldenlieder  sind  von  Goethe  üV.erset;:t  im 
Jahre  1822,  gedruckt  1823,   die  Skolien  182.3  und  1827.     S.  die  Weini.  Ausgabe  I,  3,  42it  ff. 


176 

4.  Überleitung  wegen  Ausgabe  der  Volkslieder.  —  5.  Major  v.  llaKtliausen 
Griechische  Volkslieder.  .  .  .  Mit  Haxthausen  auf  dem  Geisberg.  Symbolic  der 
Sprachverhältnisse.  —  7.  v.  Haxthausen.  Neugr.  Volks  L."  — 

Was  für  ein  Natzmer  es  gewesen  sein  mag,  der  die  Arbeit  der  Heraus- 
gabe der  Lieder  mit  Haxthausen  übernehmen  wollte,  ist  nicht  überliefert,  ja 
der  oben  (S.  95)  genannte  Oldwig  v.  Xatzmer  versicherte  dem  Verfasser  seiner 
Biographie,  der  ihn  darum  befragte"-),  ihm  sei  diese  litterarische  Arbeit  ganz 
fremd  und  er  habe  in  jener  Zeit  keinen  Natzmer  gekannt,  der  sich  mit  Schrift- 
stcllerei  beschäftigte;  von  ihren  näheren  Verwandten  könne  dieser  Natzmer 
gewiss  nicht  gewesen  sein.  Und  der  Verfasser  der  Biographie  erklärt,  er  habe 
nicht  in  Erfahrung  bringen  können,  welcher  N.  die  Ehre  der  ]\Iitarbeit  gehabt 
habe.  Sollte  Goethe  sich  im  Kamen  geirrt  haben?  Sollte  nicht  vielmehr  v.  Haxt- 
hausen im  Tagebuch  am  30.  Juni  gelesen  werden?  Denn  dass  jener  Name 
neben  Haxthausen  auch  in  den  Annalen  steht,  thut  nichts  zur  Sache,  da  die- 
selben nach  den  Tagebüchern  bearbeitet  sind. 

Der  Major  Werner  v.  Haxthausen  (1780 — 1842)  war  wohl  Ende  Juni 
(zwischen  dem  25.  Juni  und  2.  Juli)  in  Wiesbaden  eingetroffen  und  ist  in  der 
Kurliste  als  Major  v.  H.  von  Hannover  zweimal  (No.  1838  und  1910)  verzeichnet.'^") 
Er  hatte  mehr  als  100  neugriechische  Volkslieder  teils  geschenkt  erhalten  teils 
selbst  gesammelt,  und  es  kam  ihm  nun  darauf  an  den  wertvollen  Schatz  den 
Freunden  dieser  Dichtungsart  zugänglich  zu  machen.  Goethe  sollte  daher  für 
die  Mitwirkung  bei  der  Herausgabe  gewonnen  werden  und  sie  durch  seine  Teil- 
nahme oder  doch  Empfehlung  unterstützen."'*)  Mit  welchem  Interesse  er  in 
der  That  die  Lieder  las,  beweist  der  Umstand,  dass  er  schon  am  5.  Juli,  also 
nachdem  er  sie  kaum  in  die  Hände  bekommen  hatte,  an  H.  Meyer  schrieb"^): 
„Lassen  Sie  sich  von  August  etwas  über  den  Fund  neugriechischer  Balladen 
(so  mögen  sie  genannt  werden)  sagen.  Das  ist  das  Beste,  was  mir  in  dieser 
Woche  vorgekommen.  Sie  sollen  dem  vergangenen  Jahrhundert  angehören, 
dem  Besten  gleichend,  was  wir  in  dieser  Art  haben."  Und  noch  am  21.  Sep- 
tember desselben  Jahres  ist  er  voll  von  dem  Genüsse  der  Lektüre  und  erzählt^^^j 
zu  Heidelberg  seinen  Gästen  Creutzer  und  Daub  bei  Tische  „von  den  neu- 
griechischen Dichtungen  vor  etwa  fünfzig  Jahren  her.  Die  Helden  seyen  meist 
unabhängige  Seeräuber  und  in  den  Gebirgen  Landräuber,  oder  Familien  auf 
kleinen  Inseln,  es  seyen  meist  dramatische  Romanzen.  Alle  Elemente,  lyrische, 
dramatisch-epische,  seyen  in  einer  Form.  Der  Geist  derselben  sey  der  nordische, 
schottische  mit  dem  südlichen  und  altmythologischen  verbunden.  Das  Gespräch 
eines  Adlers  mit  dem  abgeschlagenen  Haupt  eines  Räuberanführers,  welches  er 
auf  die  Felshöhe  getragen.     Charou,    ein  Reiter,    welcher    die  Seelen    der  Ge- 


'")  Gneoniar  E.  v.  Xatzmer,  aus  dem  liel)en  O.  v.  Natzmer,  1,  l'J2.  —  "')  Er  wech- 
selte sein  Logis,  daher  ist  er  /weimal  eingetragen,  gerade  wie  auch  Goethe  im  Jahre  1814. 
Lebensnachrichten  von  ihm  s.  in  der  Allg.  Deutschen  Biographie.  —  ^")  S.  Steig,  Goethe 
und  die  Brüder  Grimm,  1S92  S.  160  ff.  und  Goethe-JahrVj.  XFI,  33  fi'.,  besonders  67;  Reiffer- 
scheid,  Freundosbriofe  von  Wilhelm  und  Jakob  Grimm.  1878  S.  32.  —  '''')  Riemer,  Briefe 
an  und  von  Goethe,  1846  S.  104.  —  '"'')  Boisserce  T,  283,  der  fälschlieh  sagt,  es  sei  Don- 
nerstag den  22.  gewesen;  der  Donnerstag  war  aber  der  21. 


t  i 


storbenen  hinten  an  den  Schweif  seines  Rosses  bindet,  die  Kinder  an  den 
Sattel  hängt.  Ein  Pferd,  welches  seinen  erschlagenen  Herrn  beklagt  und  mit 
der  Hufe  scharrt.  Ein  Bräutigam,  der  auf  der  llborfahrt  zur  Braut  in  einem 
siegreichen  Gefecht  mit  den  Türken  bleibt  und  wünscht,  es  solle  der  iir.uit 
verschwiegen  werden." 

Das  erste  der  hier  genannten  Lieder  hat  Goethe  später  unter  den  grieidiisch- 
epirotischen  IFeldeidiedern  als  No.  VI  herausgegeben.     Es  lautet  bei  ihm: 


Der  (Jlympos,  der  Kissavos,*"") 
Die  zwei  Berge  haderten; 
Da  entgegnend  sprach  Olympos 
Also  zu  dem  Kissavos: 
„Nicht  erhebe  dich,  Kissnvos, 
Türken-  du  («ctretener. 
I)in  icli  docli  der  Greis  Olympos, 
Den  die  ganze  Welt  vernahm. 
Zweiundseohzig  Gipfel  ziihl'  ich 
Und  zweitausend  Quellen  klar. 
Jeder  Brunn  hat  seinen  Wimpel, 
Seinen  Kämpfer  jeder  Zweig. 
Auf  den  höchsten  Gipfel  hat  sich 
Mir  ein  Adler  aufgesetzt, 
Fasst  in  seinen  niächt'gen  Klauen 
Eines  Helden  blutend  Haupt." 


„Sage,  Haupt,  wie  ist's  ergangen? 
Fielest  du  verbrecherisch?"  — 
Speise,  Vogel,  meine  Jugend, 
Meine  Mannheit  speise  nur! 
Ellonlilngcr  wäclist  dein  Flüge], 
Deine  Klaue  spannenlang. 
Bei  Louron,  in  Xeromeron 
Lebt'  ich  in  dem  Kriegerstand, 
So  in  Cliasia,  aufm  Olympos 
Kämpft  ich  bis  in's  zwölfte  Jahr. 
Sechzig  Agas  ich  erschlug  sie, 
Ihr  Gefild  verbrannt'  ich  dann; 
Die  ich  sonst  noch  niederstreckte, 
Türken,  Albaneser  auch. 
Sind  zu  viele,  gar  zu  viele, 
Dass  ich  sie  nicht  zählen  mag; 
Nun  ist  meine  Reihe  kommen, 
Im  Gefechte  fiel  ich  brav. 


Das  zweite  Lied,  Charon,  ist  No.   VII.; 


Die  Bergeshöh'n  warum  so  schwarz? 

Woher  die  Wolkenwoge? 

Ist  es  der  Sturm  der  droben  kämpft. 

Der  Regen,  Gipfel  peitschend? 

Nicht  ist's  der  Sturm  der  droben  kämpft. 

Nicht  Rogen,  Gipfel  peitschend; 

Nein  Charon  ist's,  er  saust  einher, 

Entführet  die  Verblichnen; 

Die  Jungen  treibt  er  vor  sich  hin, 

Schleppt  hinter  sich  die  Alten; 

Die  jüngsten  aber,  Säuglinge, 

In  Reih'  gehenkt  am  Sattel. 

Da  riefen  ihm  die  Greise  zu, 

Die  Jünglinge  sie  knieten: 


„0  Charon  halt'!    half  am  Geheg, 
Halt'  an  beim  kühlen  Brunnen  I 
Die  Alten  da  erquicken  sich. 
Die  Jugend  schleudert  Steine, 
Die  Knaben  zart  zerstreuen  sich 
Und  pflücken  bunte  Blümchen." 

Nicht  am  Gehege  halt'  ich  still, 

Ich  halte  nicht  am   lirunnen; 

Zu  schöpfen  kommen  Weiber  an, 

Erkennen  ihre  Kinder, 

Die  Männer  auch  erkennen  sie. 

Das  Trennen  wird  unmöglich. 


7.  Dies  sind  die  dichterischen  Ergebnisse,  welche  Goethe  aus  dorn 
Aufenthalte  zu  Wiesbaden  und  am  Khein  nach  dem  Tagebuche  und  anderen 
Aufzeichnungen  davontrug.  Dass  aber  auch  andere  Studien  und  Beobachtungen 
fruchtbringenden  Gewinn  brachten,  haben  wir  zum  Teil  früher  gehört,  wenn 
sie,  wie  die  Lahnreise,  auch  nicht  litterarisch  verwertet  wurden.  Wir  wollen 
noch  einiges  hierzu  bemerken.     Am    1.  Juli   ISlö    finden    wir  Goethe    mit    der 


"^)  Kissavos  ist  der  moderne  Name  des  Ossa,  welcher   dem  <)|ymi>os,  j.  (Mimlios   oder 
Elimbos,  gegenüber  liegt;  beide  trennt  das  enge  Tlial  Tempe. 


178 

Farb[eu]  Tab[elle]  beschäftigt,  wie  er  zu  seiner  Farbeulehre,  die  ihm  so  sehr 
am  Herzeu  lag,  auch  im  Jahre  1814  durch  einen  Brief  von  Staatsrat  Schultz 
war  hingeführt  worden. ^^"*)  Ferner  wurde  er  im  Jahre  1815  bei  der  Beratun»- 
über  das  Blücher-Denkmal  in  Bostock  zu  Rate  gezogen;  auf  einen  Brief  des 
Kammerherrn  v.  Preen  antwortete  er  am  14.  Juli  1815,  den  er  fälsehlicli  für 
den  Geburtstag  Gellerts  hielt^''*)  und  demgemäss  unterzeichnete  „am  Geburtstage 
Gellerts",  dessen  das  Tagebuch  ebenfalls  am  14.  gedenkt;  auch  in  der  FoJo-e 
war  er  für  das  Denkmal  thätig  und  verfasste  bekanntlich  die  Inschrift.^*") 

Endlich  müssen  wir  die  Nachwirkungen  hier  erwähnen,  welche  die  Tage 
am  Rheine  hatten,  vor  allem  die  Aufsätze  „über  Kunst  und  Alterthum  in  den 
Bhein-  und  ]\[ain-Gegenden"  u.  a.  in  der  Zeitschrift  über  Kunst  und  Altertum 
181G  tt".  Und  sicherlich  verdanken  manche  Lieder  des  Schenkenbuchs  im  Divan 
der  frohen  Erinnerung  an  den  Elfer,  der  auch  im  „St.  Rochusfest"  verherrliclit 
wird,  ihren  Ursprung,  Und  wie  jugendlich  frisch,  fast  überschäumend  kündet 
das  „Ghasel  auf  den  Eilfer"  den  Ruhm  dieses  Göttertrankes!  In  seiner  ur- 
sprünglichen Gestalt,  die  nach  dem  Tagebuche  am  18.  Oktober  1815  zu 
Meiningen  auf  der  Heimreise  niedergeschrieben  und  erst  vor  wenigen  Jahren 
veröffentlicht  wurde^^'),  schien  es  dem  Dichter  für  den  Divan  zu  feurig,  sodass 
er  für  ihn  eine  abgeschwächte,  kürzere  Fassung  schuf,  die  aber  doch  keine 
Aufnahme  fand,  sondern  erst  1868  aus  dem  Nachlasse  bekannt  gemacht  wurde.*^'^) 
In  ihr  lautet  das  Gedicht  also: 

Wo  man  mir  (iutes  erzeigt  überall  Von  meinen  Liedern  sprechen  sie 

s'  ist  eine  Flasche  Eilfer.  Fast  rühmlich  wie  vom  Eilfer, 

Am  lihein  und  Main,  im  Ncckarland,  Und  Blum'  und  Zweige  brechen  sie 

Man  bringt  mir  lächelnd  Eilfer,  lAlich  kränzend  und  den  Eilfer. 

Und  nennt  gar  manchen  braven  Mann  Das  alles  war'  ein  grössres  Heil, 

Viel  seltener  als  den  Eilfer:  Ich  theilte  gern  den  Eilfer  — 

Hat  er  Menschheit  wohl  gethan,  Nahm'  Hafis  auch  nur  seinen  Theil 

Ist  immer  noch  kein  Eilfer.  Und  schlurfte  mit  den  Eilfer. 

Die  guten  Fürsten  nennt  man  so,  Drum  eil'  ich  in  das  i'aradies, 

Heinahe  wie  den  Eilfer;  Wo  leider  nie  vom  Eilfer 

Uns  machen  ihre  Thaten  froh,  Die  Gläub'gen  trinken.     Sei  er  süss 

Sie  leben  hoch  im  Eilfer.  Der  Ilimmelswein!  Kein  Eilfer. 

Und  manchen  Namen  nenn'  ich  leis  Geschwinde,  Hafis,  eile  hin! 

Still  schüppelnd  meinen  Eilfer:  Da  steht  ein  Kümer  Eilfer! 

Sie  weiss  es  wenn  es  niemand  weiss, 

Da  schmeckt  mir  erst  der  Eilfer. 

12.  Abreise.    Erfolge.    Urteile. 

Die  Heimreise  aus  der  Kur  trat  Goethe  im  Jahre  1814  am  12.  September 
an.  Auf  der  Fahrt  nach  Frankfurt  beobachtete  er  bei  Flörsheim  „Kalk  Tuff 
mit  CoDchylien"   und  besuchte  den  Schwefelbrunnen  zu  Weilbach      In  Frank- 

•'"*)  Düntzer,  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Staatsrat  Schultz,  1853  S.  136.  — 
"*)  Geliert  ist  am  4.  Juli  171.")  geboren;  abgesch  ckt  ist  der  Brief  am  IG.  Juli.  —  ^^")  Vgl. 
den  Aufsatz  in  Räumers  historischem  Taschenbuch,  1802  S.  343  IT.  —  ="*')  Burdach  im 
Goethe-Jahrb.  XI,  S.  3  ff.  (1890).  -  »8'^)  Berlin,  1868,  jetzt  in  der  Weimarer  Ausgabe  I,  (;, 
S.  302. 


179 

fürt  kehrte  er  bei  Fritz  Schlosser,  der  ihn  freundlich  oiiiyeladen  hatte,  ein  und 
verweilte  dort  im  Verkelir  mit  alten  Freunden  und  bekannten  bis  zum  24.  Nach- 
dem er  sich  darauf  vom  24.  September  bis  9.  Oktober  mit  Christian  Schhjaser 
zu  Heidelberg  bei  S.  Boisseree  aufgehalten  hatte,  kehrte  er  nach  Frankfurt 
zurück  und  reiste  am  20.  nach  Kanau,  wo  er  bei  Leoniiard  einige  Tage  blieb 
dann  über  Gelnhausen,  Fulda  und  Eisenach  nach  AVeimar  und  traf  am  27 
wieder  dort  ein. 

Im  Jahre  1815  verliess  er  am  11.  August  morgens  um  (;  Uhr  Wiesbaden 
in  Gesellschaft  von  S.  Boisseree.  Der  Weg  führte  sie  zunäciist  nach  Mainz. 
„Auf  der  Höhe,  erzählt  dieser'"^),  sahen  wir  das  Rheingau  bis  Bin"-cn.  Was 
muss  das,  bemerkte  Goethe,  für  eine  Gewalt  gewesen  seyn,  was  muss  eine  Zeit 
da/u  gehört  haben,  ehe  nur  das  Wasser  da  zum  Durchbruch  gekommen:  das 
hat  da  gewiss  lang  als  See  gestanden,  wie  der  Bodensee.  Und  nicht  allein 
die  Berge  haben  gehindert,  sondern  auch  das  Meer,  ehe  seine  Gewässer  abge- 
nommen." In  Mainz  wurden  unter  der  Leitung  des  Professors  Lehne  die 
Kunstschätze  und  die  Altertümer  in  Augenschein  genommen.  Yor  dem  Schlafen- 
gehen betrachteten  sie  noch  leuchtendes  Holz,  das  Goethe  aus  Wiesbaden  mit- 
gebracht hatte.  Samstag  den  12,  August  fuhren  sie  nach  Frankfurt;  auf  der 
„Höhe"  von  Höchst  wurde  stillgehalten  wegen  der  prächtigen,  reichen  Aussicht, 
die  im  schönsten  Sonnenlicht  vor  ihnen  lag.  In  Frankfurt  angekommen  fuhr 
Goethe  sofort  nach  Willemers  Landsitz,  der  Gerbermühle,  wo  er  einzukehren 
zugesagt  hatte  und  den  grösstcn  Teil  der  folgenden  Zeit  wohnte.  Hier  ent- 
wickelte sich  das  zarte  Verhältnis  zu  Marianne  v.  Willemer,  das  Creizenacli  in 
seinem  Werden  und  Bestehen  iu^dem  mehrfach  angezogenen  Buche  ausführlich 
geschildert  hat,  zu  voller  Blüte  und  liess  die  lieblichen  Früchte  des  siebenten 
Buches  des  Di  van,  des  Buches  Suleika,  hervorspriessen.  Am  18.  September 
verliess  der  Dichter  seine  Vaterstadt,  die  er  von  da  an  nicht  wiedersah;  von 
Heidelberg  aus,  wohin  er  sich  nochmals  gewandt  hatte,  wurde  Mannheim  und 
Karlsruhe  besucht,  und  am  7.  Oktober  die  Reise  nach  Weimar  angetreten,  das 
er  am  11.  erreichte.     Vgl.  S.   100. 

Seines  Aufenthalts  am  Rhein  und  Main  gedenkt  Goethe  verschiedene  Male 
mit  hoher  Befriedigung.  So  sprach  er  sich  am  12.  Mai  1815,  kurz  vor  seiner 
zweiten  Reise,  dem  Kanzler  v.  Müller  gegenüber  lobpreisend  „über  Nassaus 
Länder  und  Staaten"  aus  und  teilte  manche  hübsche  Episode  seines  dortigen 
geologisch-politischen  Lebens  mit^"**);  in  den  x\nnalen  1814  bemerkt  er  kurz: 
„Die  Reise  nach  den  Rhein-,  Main-  und  Neckargegenden  gewährte  eine  grosse 
Ausbeute  und  reichhchen  Stoff  an  Persönlichkeiten,  Kunstwerken  und  Kunst- 
resten." Ausführlicher  ist,  was  er  über  die  ganze  Reise  des  Jahres  1815  be- 
merkt: „Heitere  Luft  und  rasche  Bewegung  gaben  sogleich  mehreren  Pro- 
duktionen im  neuen  östlichen  Sinne  Raum.  Ein  heilsamer  Badeaufenthalt,  länd- 
liche Wohnung  in  bekannter  von  Jugend  auf  betretener  Gegend,  Theilnahme 
geistreicher,  liebender  Freunde  gedieh  zur  Belehrung  und  Steigerung  eines 
glücklichen    Zustandes,    der    sich    einem  jeden    Reinfühlenden    aus    dem   Divan 


383 


')  S.  Boisseree  I,  266.  —  ""'')  Burkluirdt  a.  a.  0  ,  S.  10. 


180 

(larbieteu  muss."    Dieser  Stimmuug  verdankte  wohl  das  Distichon  den  Ursprung, 
welches  überschrieben  ist: 

„Zum  Alldenken  des  28.  August  1815. 
Als  die  Tage  noch  wuclisen,  gefiel  das  Leben  mir  wenig, 
^'un  abnehmend  mit  Eil',  künntcii  gefallen  sie  mir.'* 

Doch  vergisst  er  aucli  nicht  das,  was  ihm  weniger  in  Nassau  gefällt,  zu 
sagen,  zunächst  in  Betreff  des  Zustandos  von  Land  und  Leuten,  über  den  er 
an  Voigt  den  1.  August  1815  schreibt'*^):  „Was  für  Übel  den  Franzosen  be- 
gegnen mag,  so  gönnt  mau  es  ihnen  von  Grund  des  Herzens,  wenn  man  die 
t'bel  mit  Augen  sieht,  mit  welchen  sie  seit  zwanzig  Jahren  diese  Gegend 
quälten  und  verderbten,  ja  auf  ewig  entstellten  und  zerrütteten.  Die  neue 
Regierung  [in  Nassau]  findet  schwere  Aufgaben.  Davon  mündlich.  Auf  alle 
Fälle  leben  wir  dorthinten,  mit  mehr  oder  weniger  Seelen,  wie  in  limbo  patrum."-'**^) 
Und  in  Bezug  auf  Kunst  und  Wissenschaft  äussert  es  sich  in  dem  Briefe  vom 
5.  Juli  1815  an  Meyer  also:  „Kunst  und  Wissenschaft  und  deren  Verwandte 
spielen  hier  (d.  h.  in  ziemlich  weitem  Kreise)  eine  sonderbare  Holle."  Damit 
vergleiche  man,  was  wir  oben  selbst  bei  No.  8,  S.  106  sagen  mussten,  oder 
wie  man  —  und  diese  Schuld  fiel  hauptsächlich  auf  den  Minister  —  die  Mineralien- 
samnduug  Cramers  anzukaufen  versäumte  u.  a.  mehr.  Erst  später  erwachte 
namentlich  durch  des  Herzogs  Adolf  eifrige  Sorge  für  Kunst  und  Wissenschaft 
ein  regeres  Streben,  um  auch  hierin  hinter  den  anderen  Gegenden  Deutschlands 
nicht  zurückzubleiben.  Freilich  konnte  sich  damals  die  Stadt  Wiesbaden,  die 
nicht  einmal  ein  Gymnasium  besass,  und  Nassau,  das  eine  Universität  entbehrte, 
in  keiner  Weise  mit  Weimar  messen;  die  eben  erst  von  dem  Herzogtume  ge- 
wonnene hohe  Schule  zu  Herborn  fristete  mit  Mühe  ihr  Leben  noch  bis  zum 
Jahre  1817  und  die  beiden  Gymnasien  zu  Idstein  und  Weilburg  waren,  von 
dem  Wehen  der  neuen  Kunst  und  Litteratur  wenig  berührt,  den  klassischen 
Studien  nach  altem  Muster  treu  geblieben.  Über  das  Leben  zu  Wiesbaden 
überhaupt  meint  Goethe  am  (>.  März  1810^*''),  dass  es  dort  zu  leicht,  zu  heiter 
sei,  als  dass  man  nicht  verwöhnt  würde  fürs  übrige  Leben.  Er  möge  daher 
nicht  zu  oft  hinreisen;  Karlsbad  störe  das  innere  Gleichgewicht  schon  weit 
weniger.  Oft  bestimme  die  kleinste  Zufälligkeit  die  dauerndsten  Verhältnisse  im 
Leben,  und  am  meisten  wirkten  Berge  auf  die  Verschiedenheit  der  Sitten  und 
Charaktere,  weit  mehr  als  Klima  und  Sprache. 

Zu  der  Befriedigung,  die  Goethe  über  seinen  Aufenthalt  zu  Wiesbaden 
empfand,  trug  nicht  wenig  der  günstige  Erfolg  der  Kur  bei.  Wiederholt  sprach 
er  in  Briefen  an  Freunde  aus,  wie  gut  ihm  das  Bad  bekomme  oder  bekommen 
sei:  dies  schrieb  er  an  Schlosser  am  7.  und  20.  August  1814^^"),  an  Boisseree 
am  1:5.  und  30.  August  1814  und  am  2.  Juni  1815'''^),  an  Knebel  am  2.  No- 
vember 1814.''*")     Dabei  bemerkt  er  dem  ersten,  der  ihn  von  Frankfurt  aus  mehr- 

'■'''')  0.  Jahn,  Goethes  Briefe  an  v.  Voigt,  S.  ;{43.  —  ^*^)  Limbus  ist  u.  a.  der  Ort, 
an  dem  die  Seelen  der  vor  Chri.stus  verstorbenen  frommen  Männer  weilen,  die  nicht  der  vollen 
Seligkeit  teilhaftig,  aber  ihr  nahe  sind.  Wetzer  und  Weite,  Kircheiilexikon.  —  '■'''')  Burk- 
hardt  a  a.  ().,  s.  l'.i.  —  a«")  Frese  a,  a.  U.,  8  Gli,  CA.  -  »»Oj  s.  Boisseree  11,  4U.  Vgl. 
Ooethe-Jahrl).   Vi,    12'^.   —   ^'■"')  Briefwechsel    zwischen  GoeÜio  und  Knebel,  1854, 


181 

fach  mit  Geld  versorgte,  man  spüre  in  Wiesbaden  sehr,  dass  die  Münze  rund  sei 
und  dieser  Ware  bedürfe  man  daselbst  überall,  wie  es  scheine,  mehr  als  anders- 
wo. Wie  hoch  sich  übrigens  seine  Ausgaben  auf  der  Reise  und  insbesoiulere 
in  der  Kur  beliefen,  lässt  sich  aus  den  nur  verein/xdten  Erwähnungen  in  Briefen 
nicht  feststellen.  Am  7.  August  1814  bescheinigt  er  .Schlossor  .'524  H.  am 
9.  September  21G  fl.  erhalten  zu  haben. 

Von  entscheidender  Bedeutung  endlich  war  die  zweimalige  Rheinreise  für 
Goethes  Kunstrichtung.'"")  Während  er  bis  kurze  Zeit  vor  dem  Jahre  1814 
einem  fast  einseitigen  Klassizismus  gehuldigt  hatte,  befestigten  ihn  nunmeiir 
die  beiden  Reisen  in  der  neuen  Bahn,  die  er  eingeschlagen  hatte.  Wir  haben 
oben  schon  auf  den  Einfluss  Boisseröes  hingewiesen,  dessen  Sammlungen  mittel- 
alterlicher Kunst  er  jetzt  selbst  kennen  lernte,  wie  er  die  Kunstschätze  am  Rhein 
und  Main  von  nun  au  mit  ganz  anderen  Augen  betrachtete.  Dazu  trat  der  freie 
Verkehr  mit  alten  und  neuen  Freunden,  sowie  die  ungehinderte  Bewegung  unter 
der  heiteren  Bevölkerung  der  Rhein-  und  Mainlande,  die  sein  Ohr  und  Herz 
dem  Leben  und  Treiben  seiner  Landsleute  und  den  Liedern  fremder  Nationen 
mehr  und  mehr  öffneten.  Freudig  liess  er  die  gewonnenen  Eindrücke  in  eignen 
Schöpfungen  austönen.     So  konnte  er  später  mit  Recht  sagen: 

„Wir  sind  vielleicht  zu  antik  gewesen; 
Nun  wollen  wir  es  moderner  lesen." 


IX.  Spätere  Beziehungen  zu  Nassau,  1816,  1825,   1828. 

1.  Auch  im  Jahre  1816  gedachte  Goethe  das  Bad  zu  Wiesbaden  zu 
gebrauchen.''^')  Zelter,  der  gleichfalls  die  Kur  daselbst  wiederholen  wollte,  hatte 
ihn  im  Juli  zu  Weimar  besucht,  und  es  war  abgesprochen  worden,  dass  er 
wieder  für  eine  Wohnung  sorgen  sollte.  Dies  that  er  auch  sofort  nach  seiner 
Ankunft  zu  Wiesbaden  am  16.  Juli,  indem  er  ein  „stilles  Quartier  in  der  Rose 
festlegte."  Doch  in  letzter  Stunde  wurde  die  Sache  vereitelt.  Denn  kaum  war 
Goethe  am  20.  Juli  mit  Meyer,  der  ihn  begleiten  wollte,  abgereist,  als  nach 
zweistündiger  Fahrt,  kurz  vor  Münchenholzen  „der  ungeschickteste  aller  Fuhr- 
knechte"  den  Wagen  umwarf.  Da  Meyer,  wenn  auch  nicht  gefährlich,  verletzt 
worden  war,  musste  die  Weiterreise  zunächst  aufgegeben  werden,  und  da  die 
Heilung  wenigstens  14  Tage  in  Anspruch  nehmen  sollte,  so  entschloss  sich 
Goethe,  um  den  besten  Monat  nicht  zu  verlieren,  nach  Tennstedt  zu  gehen, 
von  dessen  Wassern  er  die  beste  Wirkung  hoffte.  Das  für  ihn  gemietete 
Logis  in  der  „Rose"  bestellte  Zelter  sofort  nach  der  Meldung  hiervon  ab,  musste 
aber  13  fl.  Entschädigung  bezahlen,  „ein  Preis,  fügt  er  in  dem  Briefe  vom 
26.  Juli  zu,  der  nicht  zu  gross  seyn  würde,  wenn  Du  etwas  dafür  genossen 
hättest,  denn  das  Quartierchen  schien  mir  recht  für  Dich  zu  passen." 


^^^)  K.  Burdach,  Goethe-Jahrb.  XI,  14  ff.  —  =''**)  Riemer,  Briefwechsel  zwisihen 
Goethe  und  Zelter,  11,  282  ff.  Goethe  änderte  übrigens  seinen  Plan  und  vvollto  nacli  Haden 
gehen,  wo  denn  Cotta  ein  Quartier  bestellte. 

13 


182 

2.  Im  November  des  Jahres  1816  schreibt  der  Grossherzog  Karl  August 
an  Goethe^^^):  „Wenu  mau  nur  deu  Codex  der  li.  Hildegard  gelielien  bekommen 
könnte,  um  ihn  selbst  /.u  bearbeiten.  Über  die  Jagd  nach  den  Niboluugen 
hat  man  die  h.  lliUlegard  vergessen.  Es  existiert  der  Origiual-Codex  und  eine 
Copie  desselben  in  Wiesbaden.  Schreibe  doch  au  Minister  v.  Marscliall,  er 
möchte  uns  die  Copie  leihen,  er  hatte  mir  dieses  schon  im  vorigen  Herbst  ver- 
sproclien."  Im  Oktober  1815  war  der  Grossherzog  am  Uhein;  damals  mag  er 
den  Minister  v.  Marschall  gesehen  und  seinen  Wunsch  mitgeteilt  haben,  wie 
er  auch  am  22.  Oktober  sich  eine  Mitteilung  der  für  Nassau  erlassenen  Ver- 
fiissuugsurkunde  ausbat."'''*'^)  In  wie  weit  der  in  obigem  Brief  ausgesprochene 
Wunsch,  den  Codex  der  Ilildegaid  zu  erhalten,  erfüllt  wurde,  ob  Goethe  die 
nötigen  Schritte  dazu  that,  konnte  nicht  festgestellt  werden. 

3.  Nicht  übergehen  wollen  wir  ferner,  dass  am  10.  Oktober  1825  auf 
Ministerialbeschluss  vom  13.  Oktober  dem  Staatsminister  v.  Goethe  auf  Ansuchen 
ein  Privilegium  gegen  den  Nachdruck  einer  von  ihm  beabsichtigten  neuen 
Ausgabe  seiner  Werke  auf  einen  Zeitraum  von  50  Jahren  erteilt  und  dieser 
Beschluss  alsbald  den  Buchdruckern  und  Buchhändlern  in  Nassau  mitgeteilt 
wurde.  Die  neue  Ausgabe  erschien  im  Jahre  1827  und  den  folgenden  Jahren, 
l'ud  als  im  Jahre  1835  ein  Nachdruck  derselben  zu  Paris  veranstaltet  wurde, 
so  verbot  die  nassauische  Regierung  —  am  2.  April  —  den  Vertrieb  desselben 
in  Nassau, ^^^) 

4.  Goethe  und  der  Verein  für  nassauische  Altertumskunde  und  Geschichts- 
forschung.^'"') Die  ersten  Anregungen  zur  Gründung  eines  Vereins  zunächst 
zur  Erforschung  der  römischen  Altertümer  in  Nassau  gehen  in  das  Jahr  1811 
zurück;  namentlich  betrieb  der  ältere  Habel  noch  während  des  Jahres  1812  die 
Sache  sehr  eifrig^^'),  doch  traten  die  politischen  Verhältnisse  bald  hindernd 
dazwischen.  Indessen  muss  Goethe  von  dem  Plane  unterrichtet  worden  sein; 
denn  in  dem  Aufsatze  über  die  Kunstschätze  am  Rhein  u.  s.  w.  sagt  er:  „Schon 
haben  sich  mehrere  Freunde  der  Kunst,  der  Natur  und  des  Altertums  [zu 
Wiesbaden]  unterzeichnet,  eine  Gesellschaft  zu  bilden,  welche  sowohl  überhaupt 
als  besonders  für  diese  Gegend  um  alles  Merkwürdige  bemüht  wäre.  Herr 
V.  Gerning,  der  das  Taunusgebirg  zum  Gegenstand  seiner  Dichtungen  und 
Betrachtungen  vorzüglich  gewählt,  möchte  wohl  zu  bewegen  sein  seine  reiche 
Sammlung  hierher  zu  verlegen  und  einen  Grund  zu  legen,  worauf  die  Gunst 
der  Fürsten  und  die  Bereitwilligkeit  mancher  dankbaren  Fremden  gewiss  mit 
Eifer  fortbauen  würde."  Diese  Wünsche  sollten  sich  verwirklichen,  freilich 
später  als  man  damals  hoffte,  indem  in  der  That  drei  Vereine  jetzt  die  drei 
(lebiete  der  Kunst,  Natur  und  Altertümer  zum  Gegenstand  ihrer  Pflege  gemadit 
liabeii.  Aber  die  Zeiten,  die  auf  die  grossen  Kriege  folgten,  waren  diesen  fried- 
lichen Beschäftigungen  nicht  hold;  gerade  in  den  Rheingegenden  und  voruehm- 


•'*^)  Briefweclisel  II,  77.  —  ***)  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  in  den  Jahren  1813—1820, 
8.26.  —  ^^)  StaatKarchiv  zu  Wiesbaden.  S.  II irzel,  Verzeichnis  einer  Qoetlie-Bildiothek,  1884, 
S.  99  flf.  —  ""*')  Die  folgondeu  Mitteilungen  beruhen,  wo  nichts  anderes  bemerkt  ist,  auf  den 
Akten  des  Vereins.  —  '■^^'•)  Annalen  des  Vereins  Xf,  '>  und  XVII,  (ifj. 


183 

lieh  in  Nassau  tingen  politische  Interessen  die  Gemüter  zu  beherrschen  und 
zu  beunruhigen  au,  geheime  und  offene  Bewegungen  und  Verbindungen  stC.rten 
die  Freudigkeit  zu  wissenschaftlicher  Thätigkeit  und  führten  schliesslich  die 
Regierung  zu  energischen  Massregeln  gegen  das  Vereinswesen. •'^'';  So  kam 
es  erst  zehn  Jahre  nach  den  ersten  Ansätzen  —  im  Jahre  1821  zur  firünduii"- 
des  ältesten  der  genannten  Vereine,  des  Vereins  für  nassauische  Altertumskunde 
und  Geschichtsforschung,  und  auch  der  zweite  Wunsch  des  Altmeisters  das» 
die  Sammlung  des  11.  v.  Gerning  zu  AViesbaden  eine  bleibende  Stätte  finden 
möchte,  ging  im  Jahre  1824  in  Erfüllung.-^^)  Als  der  Verein  auf  eine  mehr- 
jährige erfolgreiche  Thätigkeit  zurückblicken  durfte,  glaubte  man  mit  Ehren 
vor  der  wissenschaftlichen  Welt  auftreten  zu  können  und  beschloss  in  einem 
ersten  Hefte  der  „Annalen  des  Vereins"  Mitteilungen  über  die  Ergebnisse  seiner 
Forschungen  zu  machen,  sowie  eine  Anzahl  namhafter  Gelehrten  zu  Ehrenmit- 
gliedern des  Vereins  zu  ernennen,  denen  dieses  und  die  folgenden  Hefte  der 
Annalen  unentgeltlich  zugehen  sollten.  Sobald  also  das  im  Druck  befindliche 
Heft  fertiggestelt  war  —  Ende  des  Jahres  1827  — ,  machte  man  auf  Grund 
früherer  Besprechungen  ein  Verzeichnis  von  30  Männern  der  Wissenschaft  und 
Kunst,  denen  das  Diplom  ihrer  Ehrenmitgliedschaft  zugleich  mit  der  Druckschrift 
zugesandt  werden  sollte.  Der  Verein  hatte  damals  zwei  Direktoren,  einen  in- 
ländischen für  die  Geschäfte  innerhalb  Nassaus  und  einen  ausländischen  für 
die  Geschäfte  ausserhalb  des  Herzogtums;  letztere  Stelle  bekleidete  der  ge- 
nannte Geheimerat  v.  Gerning  zu  Frankfurt,  dem  zu  Liebe  sie  geschaffen  war. 
Ihm  wurden  also  am  9.  Januar  1828  21  Diplome  zur  Unterzeichnung  zugesandt, 
die  für  Goethe  und  einige  andere  Herren  folgten  erst  am  25.  April,  Fast  drei 
Monate  später  —  am  20.  Juli  —  überschickte  Gerning  dem  Vorstande  ein 
Dankschreiben  Goethes  zugleich  im  Original  und  in  Abschrift  mit  der  Bitte  ein 
Exemplar  zu  behalten,  das  andere  ihm  wieder  zuzusenden.  Trotz  eifrigen  Nach- 
suchens  in  den  Akten  des  Vereins  ist  es  nicht  gelungen  das  eine  zurückbe- 
haltene Exemplar  aufzufinden. 

Inzwischen  hatte  es  der  Sekretär  des  Vereins,  der  jüngere  Habel,  welcher 
in  dem  Annalenhefte  über  seine  bedeutungsvollen  Entdeckungen  der  „Ruinen 
von  Heddernheim",  namentlich  zweier  Mithras-Tempel  berichtete,  nicht  über 
sich  gewinnen  können  ganz  in  den  Hintergrund  zu  treten  und  am  17.  Februar 
1828  an  Goethe  ein  Schreiben  gerichtet,  das  er  mit  dem  genannten  Hefte  an 
diesen  absandte.     Das  Konzept  desselben  hat  sich  erhalten  und  lautet  also: 

„Ew.  Excellenz 

beehre  ich  mich  durch  gütigen  Einschluss  meines  Freundes  Braun**"*)  ein  Exem- 
plar der  gegen  Ende  vorigen  Jahres  erschienenen  Annalen  unseres  Alterthums- 
Vereines  zu  übersenden,  aus  welchen  Hochdieselben  die  Ergebnisse  unserer 
bisherigen  Bestrebungen  sowie  die  Richtung  unseres  Wirkens  geueigtest  ersehen 
wollen. 


^**)  Sauer,  Das  Herzogtum  Nassau  in  den  Jahren  181S— 1820,  S.  98.  Meinecke,  Die 
deutschen  Qesellscliaften  und  der  Hoffmannisolie  Bund,  1891.  —  •'■'*)  Annnlon  Xf,  S.  l.if..  — 
*"'^y  Prof.  Dr.  liraun  zu  Mainz  war  ein  eifriges  Mitglied  des   N'ereins. 

13* 


1S4 

T'nter  den  mancherlei  interessanten  Punkten  unseres  Landes  hat  der 
Verein  den  erst  einige  Jahre  nuter  meiner  Leitung  begonnenen^"^)  Inter- 
suchungen  der  römischen  Überreste  bey  lleddernheim  eine  vorzügliche  Auf- 
merksamkeit geschenkt.  Ich  wage  es  den  in  unserer  Zeitschrift  abgedruckten 
Bericht  über  die  dortigen  Ausgrabungen  der  nachsichtsvollen  Beurtheilung 
Ew.  Excellenz  zu  empfehlen. 

Ohnstreitig  sind  Ew.  Excell.  durch  das  Stuttgarter  Kunstblatt  vor  mehreren 
Monaten  mit  der  letzten  interessanten  Ausbeute  aus  diesem  ausgedehnten  Über- 
reste, der  Entdeckung  zweier  Mithrastempel,  bekannt  geworden.  Die  im  Inneren 
desselben  gefundenen  merkwürdigen  Reliefs  wurden  jedoch  in  diesem  Blatt  durch 
Herrn  Hofrath  Dr.  Dorow  auf  eine  so  unbescheidene  und  unwahre  Weise  dar- 
gestellt, dass  sich  der  Verein  veranlasst  sah  eine  Zeichnung  dieser  plastischen 
Überreste  einstweilen  im  Umriss  lithographiren  zu  lassen,  um  die  Meinung 
competenter  Gelehrten  über  diese  manigfaltigeu  und  z.  Th.  neuen  Symbole  zu 
vernehmen. 

In  dieser  Absicht  erlaube  ich  mir  einen  Abdruck  dieser  Ijithographien 
beyzuschliessen.  Nicht  nur  der  Verein,  sondern  das  ganze  gelehrte  Publicum 
Deutschlands  würde  sich  unendlich  freuen,  hierüber  die  Ansicliton  eines  so 
grossen  Kenners  des  Alterthums  zu  vernehmen,  und  Ew.  Excell.  würden  mich 
besonders  verpflichten,  wenn  Dieselben  mir  erlauben  wollten  dieselbe  in  uusern 
Anualen  bekannt  machen  zu  dürfen. 

In  Bezug  auf  die  Lithographien  bemerke  ich  nur  noch,  dass  auf  Taf.  III 
die  Figuren  4  —  4'^,  auf  Taf.  V  die  Figuren  1~1''  in  meiner  Abwesenheit 
durch  Versehen  des  Zeichners  hinzugefügt  worden  sind,  welche  nicht  zu  den 
in  unserm  Mithraeum  gefundenen  Gegenständen  gehören.  Eine  ausführliche 
Beschreibung  und  die  Grundrisse  beyder  Mithraen  dürften  in  dem  zweiten  Hefte 
viin   mir  folgen. ^''^) 

Genehmigen  Ew.  Excell.  die  Versicherung  der  ausgezeichnetsten  Verehrung, 
mit  der  ich  beharre 

Exped.  den   17.  Februar   1828,  Ew.  Excell.  gehorsamer  Diener 

F.  G.  H[abel|.« 

Unter  dem  Schreiben  steht  die  Notiz:  „Das  Diplom  zur  Übersendung  über- 
geben (an  Gerning)  den  25.  April  1828."  Eine  Antwort  Goethes  hat  sich  in 
Habeis  Nachlass  nicht  aufgefunden. 

In  <lem  zweiten  Hefte  der  Annalen,  das  im  Jahre  1830  erschien,  sind 
03  Ehrenmitglieder  des  Vereins  in  alphabetischer  Ordnung  aufgeführt,  unter 
ihnen  auch  Goethe  mit  Zufügung  der  Namen  aller  seiner  Orden. 

Wir  sind  zu  Ende;  denn  weitere  Mitteilungen  od(u-  Andeutungen  von  Be- 
ziehungen (jioethes  zu  Nassau  haben  sich  bis  jetzt  nicht  gefunden,  wenn  er 
sicherlich  auch  noch  immer  der  nassauischen  Lande  und  seiner  Besuche  der- 
s(dl)en  gern  gedachte  und  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  der  Bewohner, 
die  er  erhofft  und  gewünscht,  freudig  begrüsste. 


*'")  Seit  dem  Jahre  1823.  Ann.  I,  1,  S  48.  —  ^"'j  Gescliah  in  Ann.  I,  2  (1830),  S.  161-196. 


In  ha  1  tsangabe. 


185 


•  Seile 

Vorwort 53 

I.    1763—1764         ....  54 

II.    1765 55 

JH.  Die  Lahiucisc  von   1772      ,  57 

IV.    1774.    Sindüiigcn      .      .      .  5!) 

V.   1774.    Ems.    Juni — Juli     .  60 

VI.    1793 65 

VII.    1814,  29.  Juli  bis  12.  Sept.! 
Vlir.    1815,  27.  Mai  bis  11.  Aug.] 

1.  Der  Entscbluss,   1814    .  67 

2.  Die  Reise,   1814       .     .  69 

3.  Der erstcTag,30.Juli  1814  70 

4.  p]ntscbluss U.Reise,  1815  72 

5.  Kurleben,  1814  u.  1814  74 

6.  Das  Theater    ....  78 

7.  Verkehr   mit  Kurgästen. 
Besuche  auswärt.  Freunde  80 

8.  Verkehr      mit      Einhei- 
mischen        100 

1.  Der  herzogliche  Hot'  zu 
Biebrich      .     .     .     .  100 

2.  Die  höheren  Beamten  105 

3.  Oberbergrat  Gramer  .  108 

4.  Bibliothekar    Hundes- 
hagen     .     .          .     .  114 

5.  Apotheker  Otto     .     .  117 

6.  Habel  zu  Schierstein  .  119 

7.  Hofrat  Götz  zu  Rüdes- 
heim         121 

8.  Kammerherr  V.  Nauen- 

dorf 124 

9.  Johannes  de  Laspee  .  125 
Gedicht  für  die  Kinder  130 
Die   Rechenkunst    der 

Dorothea  Cramer     .  131 
Goethes  Urteil  über  das 

Pestalozzische  Wesen  131 

10.  Philippinc  Lade    .     .  132 


11.  Gerbcrmstr.  Behriiigor 
u.  a 

9.  Störungen  und  l'utcr- 
brccliuiigm  des  regel- 
mässigen Kurlebens  . 

a.  Im  Jalire   1814: 

1.  Des  Königs  V.  Preusseii 
Geburtstags -Ecicr  zu 
Älainz 

2.  Das  St.  Rüchusfest     . 

3.  Der  Grossherzog  Karl 
August  in  Mainz  und 
Wiesbaden 

4.  Herbsttage  im  Rlicin- 


Seiia 


137 


138 


gau 


6. 

7. 
8. 
9. 


1).  Im  Jahre   1815  : 

Politische  Aufregungen 
Zu  Mainz  bei  Erz- 
herzog Karl 
Auf  dem  Johannisberg 
Lahnreise  .... 
Besuch  bei  dem  Mi- 
nister Y.  Stein 

10.  Lektüre 

1 1 .  Eignes  Schaffen    . 

1.  Der  Divan       .     . 

2.  Der  Löwenstuhl     . 

3.  Das  St.  Rochusfest     . 

4.  Italienische  Reise  . 

5.  Gedicht  für  die  Kinder 

6.  Neugriechische  Lieder 

7.  Verschiedenes;    Nach- 
wirkungen       69.   100 

12.  Abreise.  Erfolge.  Urteile 

IX.  Spätere  Beziehungen  Goethes 

zu  Nassau  1816.  1825,  1828 


138 
139 


140 

141 

145 

148 
148 
150 

153 
156 
159 
159 
173 
140 
175 
1  30 
175 


177 
178 

isi 


186 


Verzeichnis 

der 

für  Goethes  Aufenthalt  am  Rhein  bemerkenswertesten  Namen. 

(Vgl.  die  Inhaltsangabe  und  den  Abschnitt  .,Lektüre".) 


(Die  Zai'len  bedeuten  die  Seiten.) 


100   ff. 

f. 


102 


V.  AlinoiuliiigtMi.  L.  Harscher   10" 
Arndt.   K.  M.    153. 
Arnstein   152  f. 

Baoliarach  59. 
Bansa,  Frau  76.   94. 
Basedow  60  ff. 

Behringer,   Gerbermeistcr   137. 
Berthier,  Marschair  146. 
Beuther,  Fr.  78  f. 
Biebrich  54.  59.   69. 
Bingen  59.   65.   142. 
V.  Bismarck.   J>.  AV. 
L.   105, 
Blessenbach    151. 
V.  Bobenhausen,  Lotte  83 
Bodmann,   F.  J.    139. 

Boissert^e,  S.  75.   81.   98  ff. 

168  f.   170  ff".   179. 
Brentano,  Maxe  59  f. 

„  Franz  u.  Antonia  89.  93.  1 41  ff'. 

,,  Kinder  und  Verwandte   142  ff. 

V.   lUirgsdorf  97. 
Butte.   W.   97 

Chinard,  Jos. 
Clause  143. 
Cramer,  L.  W 
132.   139 


f. 


131.    141, 


127 
71 


93. 


,   75.  108  ff 
ff.    150  ff". 
Cramer,  Luise  und  Sophie   133. 

Dorothea,  Sophie   129  ff". 
Crcsi»el,  Frau  94. 
Cronberg  54. 

De  Laspee.  Job.    125  ff'. 
De  Lort,  Jos.   103.   148. 
Diez  58. 

Dillcnburger  Dienerschalt   105. 
Drususstein   55. 

Ehrenbreitstein   58. 
Kibingen   142. 


120.    127  ff'. 


Eltville  59.   140. 

Elwert  84. 

Ems  58.   60  ff'. 

Eppstein   151. 

Feldberg  54. 

Flörsheim   178. 

V.  Frimont,  J.   138. 

Geilnaucr  Wasser   74. 

Geisberg  75.   92.   94.    111  f.   131. 

Geisenheim   142. 

V.  Gerning,  J.  J.   90.    120.    182. 

Georgenborn   136. 

Goetlie.  Geburtstag  1814    80.   92.    103. 

„        Kleine  Gedichte  62.   90.   143. 

„       Hermann  und  Dorothea  75.  90. 

121.   129. 
Goethe,  Leopoldsorden  98.    149  f. 

„        Orden  der  verrückten  Hofnäte  99. 
Goethepunkt,  Goethewinkel  58.  152  Anm. 
Goethit   113. 
Götz,  G.  K.   Fl.   72. 
Goetz,  W.  Fr.   121  ft\    140. 
V.  Günderrode,  (Fr.  M.)  85. 

,,  Karoline   143. 

V.  Guaita-Brentano,  G.  F.  89  f. 
„  .,  Mcline  89  f. 

V.  Gudeuau,  K.    149. 
Habe],  Fr.  G.   119  f.   183  f. 
Hall  wachs  79. 
V.  Handel,   P.  A.   149. 
V.  Hardegg,   Graf  Heinrich   138. 
V.  llaxthausen,  W.   95.    175. 
Henckel  v.  Donnersmark,  Graf  L.  81  f. 

„     W.  81  f. 
V.  Hertling.  Frau   121.   128. 
Hildegard,   die  heilige    IKi.    182. 
Höchst  54.   179. 
Holweg,  Susanne  90. 
Holzajtjjcl    152. 


187 


V.  Holzhausen,  Karolinc  92   f. 

„  Karl  92   f. 

Horst,  G.  K.   9(j. 

V.  Ilügcl,  Job.  AI.  Jos.   96.   149  f. 
llundeshagcn,  B.   69.   114  ff.    134  f. 

Ibell,  K.   107. 

Idstein   151. 

Ingelbcini,   Ober-  und  Nieder-   142. 

Jobannisberg   142.    148  f. 

V.  Jungenfeld   139. 

Kämpf,  Frau  63. 

,,        Job.   63.   65. 
Karl,  Erherzog  103  ff.   148. 
Karl  August,  [Gross] Herzog  65. 140  f.  150. 
Katbarinc,  Grossfürstin   96  f.   127. 
Kebr,  Forstscb reiber  94. 
Kleyle,  Joacb.   149. 
Klosterniüble  75. 
Koblenz   57.   62. 
Königstein   54. 
V.  Krauseneck,   W.  J.    138. 
V.  Künigl,  Graf  Hermann  103. 

Lade,    Pbilippine   132  ff. 
Labneck  62. 
Lahnstein  58. 
Labnreisen  57  f.   150  ff'. 
Langbeckc   151. 
Langsdortt",  E.  H.   107. 
La  Roche,  Sophie  59.   64. 
Lavater  60  ff". 
Le  Bauld  de  Nans,  Cl.   95. 
Lehne,  Prof.  zu  Mainz   179. 
Lehr,  F.  A.   118. 
V.  Leonhard,  K.  C.  86  ff. 
Leopold     Friedr. ,     Prinz     von    Anhalt- 
Dessau  139. 
Limburg  56.    151. 
V.  Lobentbai,  Fr.  L.    S{i. 
Low  von  und  zu  Steinfurtb,   Ph.   83.   85. 

Luise  85. 
V.   Luck  81.    139. 

Ludwig,  Prinz  von  Hcsscn-Hombürg  102. 
138. 

V.  Lyncker  95. 

Mainz   54.   65.   104.    138.    141.   179. 

v.  Malapert.  F.  Ph.  W.   91. 

Marheineke   86. 

V.  Marschall,  E.  F.  L.   106  f.  147.  182. 

Maultrommel   79. 

Mcäuseturm   65. 

Metternich,  Fürst  96. 

Metzler,  Geb.-R.   95. 

V.  Meusebach  155. 


»5 


Mcss,  J.  J.   151. 

v.  Motz,   K.   156. 

Müller,   Dr.  8(5. 

Münz   151. 

Murat   146. 

Napoleon   145.   147. 

Nassau,    Herzog    Friedrich    August    69. 

101  ff. 
Nassau,  Fürst  Friedr.  Willi.    Iti;;.    li)ö. 
„       Herzogin  Luise   10 1.    1<)3. 
„       Fürstin  ,,      103. 

Prinzessin  Auguste    1 0 1  f. 

Henriette   103.   105. 
Stadt  56.   152. 
Land  53.  (67.)   180. 
.,       Kriegsrüstungen   145  ff. 
V.  Natzmer,  (W.)  95.   (175   f.) 

V.  Nauendorf,  L.    124  f.    148. 

Nccf,  Chr.   E.   94. 

V.  Neufville,  J.  A.  F.  W.  K.  90. 

Neuwied   63. 

Niederwald   142. 

Nonnenmüble  75. 

Not  Gottes   142. 

Nürnberger  Hof  76.    136. 

Obernhof  58.   152  Anm. 

Otto,  K.  Ph.   117  ff. 

Papiermühle  75. 

Pestalozzi   12  6  ff". 

V.  Pfeiffer,  F.   K.  J.   79.   107. 

Piautaz,  Frl.   142. 

Platte  74,  83. 

Rehberg,  Frau   121  ff. 

Reinhard,  Kath.   El.   75  f. 

Reuss  95. 

Rhein   54.   58.   67.    138.    143. 

Rheinfels  59. 

Rheingau   141.   179. 

Riese,  J.  J.  90. 

V.  Roth   95. 

Rüdesbeim   65.    140.    142. 

S.  Goar  '69. 

S.  Rochusberg   139.    142. 

S.  Rochusfest   139  f. 

Schierstein   119. 

Schlosser,  Chr.  70.   75.   Dl  f.    112. 

Fritz  68.   7(i.   75.   91.   94  f. 

Schmidt.  J.  Cb.  L.    152. 

Schreiber   152. 

Schwalbach   54.   65. 

Schwalbachcr  Wasser  74. 

Seeligmann.  Frau  95. 

Selters,  Ober-  und  Nieder-   151. 


188 


>> 


Stein 


Serviere  93. 

rauliiie  93.    142.    145. 
Sindlingcii   59. 
Soinienberg  74. 
Stark   141. 

V.  Stein.  3Iutter  des  Ministers  (31. 
der  Minister  104.   153  ff. 
Frau  und  Töclitcr  155. 
8G. 

„         Christiane  82  ff". 

„         J]leonore  77.  82  ff. 

,,         Friederike  82. 
V.  Steinberg  (Slernberg)  85. 
V.  Strauch.  II.   149. 
Stritt,  J.   105. 
V.  Swrtnick,  A.   138. 
Taunus  54. 
Ungers  86. 
Vogel   141. 
Vüllraths  142. 
V.  Walnioden,  Frl.   154  ff. 
Watcrloo   104.    147. 
Weilbach   175. 
Weilbacher  Wasser 
Weilburg  58. 
Weicker,  Fr.  G.  80. 


74. 


Wenzel   142. 

Westermann,  AI.   151. 

V.  Westphalen.   Graf  149. 

Wetzlar  0  7. 

Wiesbaden  54  ff".  65  f.  68  f.  70  ff.  141. 
„  Badhäuser:  Adler  70.  76  f. 
Bär  69  f.  73.  Rose  181. 
Schützenhof  78.  Schwarzer 
Bock  68.  82.  Heidenmauer  72. 
„  Anlagen  71.  141.  Kalkstein- 
brüche im  Mühlbachthal  72. 
75.  111  ff.  Kursaal  71.  74. 
92.  94.  96.  141.  Koch- 
brunnen 72.  Landesbibliu- 
thek   114.   116. 

Wildfeyr   142. 

V.  Wildungen,   Luise  83  f. 

V.   Willcmer.  J.  J.   88. 

,,  Marianne  88  f. 

Willhan,   Frl.   82. 

Winkel   141  ff'. 

Wolf,  F.  A.   68.  74.   127. 

V.  Wolzogen,  W.   72. 

Zais,  Chr.   72. 

Zelter,  K.  Fr.  68  f.  72.  74  f.  80  f.   120. 
138  f.   142.   181. 


S.     77,  Z.  13  des  Textes  v.  o.  lies  Liefländer, 

S.     8.S,  Z.   10     .,  .,         V.  u.     „    Steins  st.  Stein. 

S.   116,  Z.   16      „  „        V.  0.  streiche  in  [anderwärts]. 


Zur  Abwehr. 


Einem  französischen  Gelehrten  G.  de  la  Noe  ist  es  gehingen,  eine  an- 
gebhch  ganz  neue  Entdeckung  zu  machen,  nämlich  dass  die  Kömer  Reise- 
Sonnenuhren  besessen  haben.  In  den  Memoires  des  antiquaires  de  France, 
ser.  VI,  tom.  III,  Paris  1893,  aber  erst  1894  erschienen,  pg.  151—162  ver- 
öffentlicht er  seine  Abhandlung,  welche  sich  auf  eine  Herrn  Emil  Huber  in 
Saargemünd  gehörende,  auf  dem  Ilerapel  bei  Forbach  gefundene  Bronzeuhr 
gründet.  Aber  ffenau  dieselbe  Bronzeuhr,  welche  mir  seinerzeit  von  Herrn 
Professor  Dr.  Zaugenmeister  in  Heidelberg  übergeben  wurde,  habe  ich  schon 
im  23.  Bande  unserer  Annalen  1891,  S.  115  u.  f.  ausführlich  besprochen  und 
dort  unter  der  Überschrift  „Römische  Reiseuhreu"  das  angeführt,  was  der 
französische  Gelehrte  jetzt  für  sich  in  Anspruch  nimmt,  ja  sogar  noch  zwei 
andere  Sonnenuhren,  die  eine  aus  dem  Mainzer  Museum,  auf  welche  mich  Herr 
Professor  Zangenmeister  aufmerksam  machte,  die  andere  aus  dem  Wiener  Hof- 
museum, ebenso  ausführlich  behandelt.  Da  ich  Herrn  Hub  er  schon  1890  ein 
Exemplar  meiner  Abhandlung  schickte,  für  welches  er  sich  am  13.  Dezbr.  1890 
bedankte,  so  ist  nicht  anzunehmen,  dass  er  Herrn  Noe  gegenüber,  als 
er  ihm  die  Uhr  übergab,  nicht  erwähnt  haben  sollte,  dass  sie  bereits  bekannt 
gemacht  und  erklärt  sei.     Herr  Noe  erwähnt  aber  nichts  davon. 

Die  Notiz  über  die  grosse  französische  Entdeckung  ist  in  alle  Zeitungen 
und  wissenschaftlichen  Blätter  übergegangen  und  als  etwas  Besonderes  gepriesen 
worden,  ich  erkläre  darum  hiermit  ausdrücklich,  dass  diese  Entdeckung  der 
römischen  Reiseuhren  nicht  von  Herrn  de  la  Noe  herrührt,  sondern,  wie  oben 
angegeben,  deutschen  Ursprungs  ist. 

Öch lieben,  Major  a.  D. 


Erflnduni,^  und  erste  Einriclitiing  der  Wasscmiülüen. 

Von 

A*  Schlisbcn^ 

Major  a.  1). 

Hierzu   die   Tafel  III. 


Die  erste  Erwähnung  uud  wahrscheinlich  auch  die  Erfindung  der  Wasser- 
mühlen reicht  bis  in  das  erste  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  zurück.  Strabo 
(XII,  3  fol.  556),  ein  Zeitgenosse  Caesars  und  Ciceros,  zählt  unter  den  Sehens- 
würdigkeiten der  kleinasiatischen  Stadt  Kabira  in  Pontus  eine  Wassermühle 
auf,  welche  bei  ihm  ö  OopaXsrrj?  heisst.  Da  Strabo  ganz  in  der  Nähe  geboren 
uud  erzogen  wurde,  so  kann  man  annehmen,  dass  er  genau  unterrichtet  war, 
und  da  er  die  Erwähnung  dieser  Wassermühle,  nachdem  er  sich  in  der  ganzen 
Welt  umgesehen  hatte,  unter  den  Sehenswürdigkeiten  der  Gegend  an  erster 
Stelle  noch  für  angebracht  hielt,  so  lässt  sich  mit  Grund  annehmen,  dass  der- 
artige Mühlen  bei  seinen  Lebzeiten  —  er  starb  24  v.  Chr.  —  noch  nicht  all- 
gemein üblich  waren.  Damit  stimmt  eine  aus  Servius  Kommentar  zu  Yirgil 
herrührende  Angabe,  welche  die  erste  Errichtung  von  Wassermühlen  in  Rom 
kurz  vor  der  Zeit  des  Augustus  eifolgen  lässt.  Sollte  jene  Wassermühle  bei 
Kabira  wirklich  die  erste  gewesen  und  Mithridates,  welcher  diese  Stadt  zur 
Residenz  erhob,  einer  unverbürgten  Annnahme  zufolge,  selbst  der  Erfinder 
gewesen  sein,  so  muss  diese  Mühle  vor  seinem  Todesjahre  —  64  v.  Chr.  — 
erbaut  worden  sein.  Die  Erfindung  konnte  dann  im  Laufe  des  p  mtischen 
Krieges  bekannter  werden  und  kurz  vor  Augustus,  also  vor  dem  Jahre  30 
V.  Chr.,  in  Rom  Nachahmung  finden,  wie  so  viele  Neulieiten  gerade  zu  jener 
Zeit  aus  Asien  eingeführt  wurden.  Die  Erfindung  der  Wassermühleu  würde 
demnach  in  das  erste  Drittel  des  ersten  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu  setzen  sein. 

Dass  sie  etwa  zur  Zeit  Ciceros  in  Rom  bekannt  waren,  wird  durch  ein 
bei  Beckmann  (Gesch  d.  Erfindungen  II,  S.  15)  angeführtes  Epigramm  des 
gleichzeitigen  Antip;iter  erwiesen,  welcher  die  Sklavinnen  beglückwünscht,  dass 
sie  sich  nicht  mehr  in  der  Mühle  zu  quälen  brauchen,  da  Ceres  die  Najaden 
beauftragt  habe  die  Räder  zu  drehen,  welche  die  Mühle  treiben.  Dass  die 
Wassermühlen  gleichwohl  selten  blieben  und  keineswegs  allein  den  Mehlbedarf 
decken  konnten,  geht  für  die  Zeit  des  Caligula  daraus  hervor,  dass  in  Rom  ein 
Brodmangel    entstand,    als    er   die   Pferde,    Esel    und    Ochsen    aus  den  Mühlen 


191 

wegnahm  und  zum  Transport  verwendete  und  für  die  spätere  Zeit  des  YIl.  Jahr- 
hunderts daraus,  dass  damals  noch  IJOü  Rossmühlen  in  Rom  bestanden.  Von 
Sklaven  getriebene  grössere  Handmühleu  wurden  erst  nach  Kinfüiirung  des 
Christentums  von  Theodosius  abgeschafft,  kleinere  Ilandmühlcii  bestanden  noch 
viele  Jahrhunderte  in  kleinen  Haushaltungen,  Roas-  und  Eselmühlen  aber  giebt 
es  auf  dem  Laude  noch  heute. 

Die  Verwendung  des  Getreides  war  in  den  eiuzelncn  Ländern  eine  sehr 
verschiedene.  Gerste,  Weizen  und,  für  ärmere,  Roggen  wurden  entweder  nur 
enthülst  oder  grob  zerkleinert  und  gaben  dann  die  Graupen,  in  (Jriechenland  schon 
von  Homer  angeführt  (Odyss.  XX,  108;  11,  290).  aXcp-Ta  ts-V/ooaa-.  v.al  a/.3':7.ta 
jiOiXöv  avSpwv,  oder  sie  wurden  fein  gemahlen  und  guben  dann  Mehl  von  ver- 
schiedener Güte,  aus  welchem  in  Rom  in  ältesten  Zeiten  ein  Brei  fpulsj  ge- 
macht wurde,  da  das  Brodbacken  noch  unbekannt  war  (luv.  sat.  14,  170;  Pliii. 
h.  n.  18,  8  (10),  während  in  Griechenland  der  Brei  nicht  vorkommt.  Dieses 
Zerkleinern  und  Mahlen  geschah  nun  entweder  durch  Stossen  mit  einem  Stempel, 
die  gröbere  Art  (daher  der  Namen  pistor,  ursprünglich  xtinsor,  der  Müller, 
welcher  das  Getreide  zerstösst,  später  auch  der  Bäcker,  der  es  backt),  oder  es 
jreschah  durch  Mahlen  auf  kleineren,  durch  Mägde  oder  Sklavinnen  bewegten 
Handmühlen  oder  auf  grösseren  Werken,  welche  von  Verbrechern,  denen  eme 
zaoo'./dTrr],  ein  hölzerner  breiter  Kragen  umgelegt  wurde,  damit  sie  nicht  mit 
den  Händen  in  den  Mund  reichen  konnten,  oder  von  Pferden,  Eseln  oder  Ochsen 
getrieben  wurden.  Für  diese  grösseren  Mühlen  fing  man  um  die  genannte 
Zeit  an  sich  der  Wasserkraft  zu  bedienen  und  muss  nun  zwei  Arten  unter- 
scheiden: Graupenmühlen  und  Mehlmühlen.  Über  erstere  sind  wir  durch 
riinius,  über  letztere  durch  Vitruv  unterrichtet,  beide  Texte  bedürfen  aber,  um 
verständlich  zu  sein,  einer  Richtigstellung. 

I. 

Sprechen  wir  zuerst  von  den  Graupenmühlen  (Fig.  1).  Nachdem  Plinius 
(h.  n.  XVm,  10  (23)  fol.  127)  von  den  verschiedenen  Getreidearten  gesprochen 
hat,  beschreibt  er  nicht  das  Mahlen  des  Mehles,  sondern  das  Anfertigen  der 
Graupen,  welches  er  mit  pisUira  bezeichnet:  Pistura  non  omninm  facilis,  das  Zer- 
kleinern ist  nicht  bei  allen  Getreidearten  leicht;  quipi^e  Etrnria  spicam  farris  tosti 
pisente  pilo  praeferrato,  in  Etrurien  bedient  man  sich  nämlich,  um  die  Spitze  des 
gedörrten  Kornes  zu  entfernen,  einer  eisenbeschlagenen  Stosskeule,  jistula 
serrata  et  Stella  iiitm  denticulata,  einer  sägeartig  geschärften  Mörserridirc, 
welche  unten  sternförmig  gezahnt  ist:  ut  nisi  intenti  pisant^  sodass,  wenn  die 
Arbeiter  nicht  vorsichtig  stossen,  concidantur  ffrana  ferroqne  frnngantur,  die 
Körner  verderben  und  von  dem  Eisen  zerquetscht  werden.  Die  Lesart  ferrumquc 
frangatnr  halte  ich  für  falsch,  denn  nicht  das  schwere  Eisen  zerbricht,  sondern 
die  Körner  werden  zerquetscht,  was  bei  der  Graupe  niclit  geschehen  soll. 
Plinius  fährt  fort:  maior  pars  Italiae  ruido  utitur  pilo,  der  grösste  Teil  ItaHens 
braucht  rauhe  Stempel,  rotis  etiam,  qiias  aqua  rerset  obiter  et  nwlis,  aber 
auch  Räder,  welche  durch  Wasserkraft  bewegt  über  das  Getreide  hinstreichen. 


102 

oder  bedienen  sieh  der  Mühlen.  Dieser  Satz  macht  die  meiste  Schwierigkeit, 
ich  nehme  ohifcr  zu  verset  und  lese  moUs  statt  moUt  oder  molaf,  wie  einzelne 
Ausgaben  haben.  Marquardt  und  andere  verstehen  unter  rotis,  qtias  aqua  verset 
ubifrr  sogenannte  oberschlächtige  ^Yasserräder,  aber  ist  es  nicht  ganz  gleich- 
giltig,  ob  das  Rad  ober-  oder  unterschlüchtig  ist?  Beide  haben  dieselbe  Wirkung, 
die  einen  kommen  mehr  im  (iebirge,  die  andern  mehr  in  der  Ebene  vor,  es 
kommt  doch  nur  darauf  an,  wie  ein  Rad  und  /.war  jedenfalls  nicht  das  Wasser- 
rad direkt,  sondern  das  von  diesem  bewegte,  besonders  eingerichtete  Rad  oder 
der  Mühlstein  zum  Enthülsen  dienen  kann.  Dieses  Verfahren  geht  allein  aus 
meiner  Erklärung  hervor.  Ich  verstehe  die  Stelle  nämlich  so,  dass  ein  zweites 
Rad,  auf  der  horizontalen  Welle  des  Wasserrades  sitzend,  also  senkrecht  stehend, 
mit  einem  Gehäuse,  einer  Trommel,  umgeben  ist,  in  welcher  sich  das  Getreide 
am  Boden  befindet  und  dass  nun  dieses  Rad  bei  schneller  Umdrehung  über 
das  Getreide  hinstreicht,  es  gegen  die  Wand  der  Trommel  wirft,  welche  wie 
der  Umfang  des  Rades  geschärft  ist  und  so  mit  der  Zeit  das  sogenannte  Spitzen 
oder  Abschälen  des  Getreides  bewirkt,  wie  es  in  einfachen  Werken  im  Prinzipe 
noch  heute  erfolgt.  Da  das  Mühlrad  sich  nur  langsam  dreht,  so  war  wahr- 
scheinlich noch  ein  Multiplikator  eingeschoben,  d.  h.  an  der  Mühlwelle  sass  ein 
grosses  Zahnrad,  welche  in  ein  kleines  Getriebe  griff,  an  dessen  Achse  dann 
das  Graupenrad  sass.  Drehte  sich  das  Mühlrad  und  also  auch  das  erste  Stirn- 
rad mit  etwa  50  Zähnen  in  5  Sekunden  einmal  herum  und  hatte  das  Getriebe 
5  Zähne,  so  drehte  sich  das  Graupenrad  in  1  Sekunde  zweimal  und  wenn  dieses 
1  Meter  im  Durchmesser  halte,  so  legte  jeder  l'unkt  der  Peripherie  in  1  Sek. 
über  12  Meter  zurück.  Das  auf  diese  Weise  mit  Heftigkeit  aufgeworfene  Ge- 
treide fiel  von  der  Wand  wieder  zurück  und  der  Vorgang  wiederholte  sich, 
bis  die  Schale  vollständig  abgerieben  war.  Ausser  diesem  Verfahren  wandte 
man,  wie  PHnius  schliesst,  auch  gewöhnliche  Mühlen  an,  iu  welchen  das  Korn, 
bei  sehr  weiter  Entfernung  der  beiden  Mühlsteine  voneinander,  nicht  zerdrückt, 
sondern  nur  gerieben  wurde,  bis  es  schliesslich  ohne  Hülse  zum  A^trschein 
kam,  vielleicht  auch  erst  grob  geschrotet  und  dann  glatt  gerieben  wurde,  in 
welchem  Falle  man  feinere  Graupen  erhielt.  Zur  leichteren  Ablösung  der  Hülse 
wurde,  wie  Plinius  gleich  darauf  ebenfalls  sagt,  das  Korn  vorher  eingeweicht, 
dann  etwas  geröstet  und  bisweilen  nochmals  eingeweicht. 

Ähnlich,  wie  hier  beschrieben,  wurde  die  deutsche  Grauponboreitung  bis 
ins  XVII.  Jahrhundert  betrieben;  erst  zu  dieser  Zeit  wurde  in  Saardam  die  erste 
Graupenmühle  mit  horizontalem  Stein  gebaut.  Der  horizontale  Läufer  derselben 
war  in  .seinem  Umfange  rauh  behauen,  hatte  keinen  Bodenstein  unter  sich  und 
lief  in  einer  hölzernen  Umfassung,  welche  inwendig  mit  einem  reibeisenartig 
geschärften  Eisenblech  ausgefüttert  war.  Die  sogenannten  Ulmer  Graupen 
wurden  dagegen  auf  einer  gemeinen  Mühle,  deren  Steine  weit  voneinander 
entfernt  standen,  gemahlen.  Selbst  das  vervollkommnete  Verfahren  ist  im  Prinzip 
von  dem  römischen  nicht  verschieden,  nur  dass  bei  diesem  der  Stein  oder  das 
Rad  senkrecht  stand,  es  wurde  jedoch  auch,  wie  JMinius  am  Schlüsse  sagt,  bis- 
weilen die  gewöhnliche  horizontale  Mühle,  wie  bei  den  Ulmer  Graupen,  benutzt. 


193 


II. 

Wir  kommen  jetzt  zur  Einrielitung  der  Melilmülilon,   wolclio  Vitriiv  [X,  5 
(10)1  bescliroiht  (Fig.  2),      Die  Stelle  hat,  wie  die  elxüi  uiigefülirte  I.ci  JMiiiius, 
verschiedene  Auslegungen  erfuhren  und  muss  deshalb  näher  hcsproclicii  Nvcrdcii. 
obgleich  trotz  aller  Verschiedenheiten  der  Sinn  nicht  zweifelhaft  ist. 

Nachdem  Vitruv  ein  Wasserschöpfrad  beschrieben  hat,  fährt  er  fort:  FAidem 
raiionc  etiam  vnrsantuy  liydraletae  (al.  hydroulac),  auf  dieselbe  Weise  w(!rden 
die  Mühleu  gedreht,  i»  qnibus  eadem  sunt  omnia,  bei  welchen  alles  ebenso  ist, 
praeferquum  quod  in  imo  capite  axis  habeat  tympanum,  ausser  dass  die  Achse 
(liadwelle)  am  anderen  Ende  ein  anderes  Kad  hat,  dentatum  et  inchmim  (andere 
lesen  ed  für  et  und  lassen  haheat  fort),  welches  gezahnt  ist  und  sich  im  Inneren 
des  Gebäudes  befindet  (dies  ist  die  Bedeutung  von  inclusum,  das  Wasserrad 
ist  draussen  und  dieses  Rad  drinnen).  Id  (intern  ad  perpendiculuni  collocatum  in 
cultrum  vcrsatnr  cum.  rota  pariter,  dieses  Rad  steht  senkrecht,  auf  der  Schneide, 
wie  das  Mühlrad.  Secundnni  id  tympanum  maius  (andere  Erklärer  setzen  hinter 
tympanum  ein  Komma  und  ziehen  maius  zum  Folgenden,  wodurch  der  Sinn 
vollständig  ins  Gegenteil  verkehrt  wird),  neben  diesem  grösseren  Rade  item 
dentatum  planum  est  collocatum^  ist  ein  ebenfalls  gezahntes  horizontales  — 
nach  meiner  Erklärung,  also  kleineres,  nicht  grösseres  —  Rad  angebracht,  ein 
Getriebe,  hahens  in  summo  capite  subscudem  ferream^  qua  ii.ola  contlnetur, 
welche  am  oberen  Ende  der  Achse  einen  eisernen  Riegel  hat  (was  wir  Mühleisen 
nennen),  der  den  Läufer  (mola)  trägt.  Ita  dentes  eins  tympani,  quod  est  in 
axe  inclusu)ii,  impellendo  dentes  tympani  plani,  cogunt  ßeri  molarum  circinationem. 
so  bewirken  die  Zähne  des  inneren  Rades  an  der  Mühlwelle,  indem  sie  die 
Zähne  des  horizontalen  Rades  treiben,  die  Drehung  der  Mühle,  in  qua  maclii)ia 
impendens  infundilndum  suhministrat  moUs  Jrumentum  et  eadem  vevsatione  suh- 
igitnr  farina,  über  der  Maschine  hängt  ein  Gefäss,  welches  der  Mühle  das 
Getreide  aufschüttet  und  durch  dieselbe  Bewegung  wird  auch  das  Mehl  weiter 
befördert. " 

Offenbar  war  letztere  Einrichtung  ganz  wie  bei  uns.  Die  schüttelnde 
Bewegung  wird  durch  einen  an  der  senkrechten  Achse  angebrachten  l'tlock 
bewirkt,  welcher  gegen  den  beweglichen  Rumpf  (infundibulum)  stösst,  während 
ein  an  derselben  Achse  angebrachter  anderer  Pflock  durch  Schläge  gegen  eine 
federnde  Stange  das  Beuteltuch  schüttelt  und  dadurch  das  Klappern  der  Mühle 
verursacht.  —  Dass  man  das  oben  erwähnte  maius  nicht  auf  das  zweite,  horizontale 
Rad  an  der  senkrechten  Welle  beziehen  darf,  sondern  nur  auf  das  erste,  an 
der  horizontaler.  Welle,  ergiebt  sich  zweifellos  daraus,  dass  es  darauf  ankommt, 
die  Geschwindigkeit  des  Wasserrades  und  des  senkrechten  Rades  zu  be- 
schleunigen, nicht  zu  verlangsamen;  dies  ist  aber  nur  möglich,  wenn  ein  Rad 
mit  vielen  Zähnen,  also  ein  grosses,  ein  anderes  mit  weniger  Zähnen  bewegt: 
die  Geschwindigkeiten  stehen  dann  im  umgekehrten  Verhältnisse,  wie  die  Zahl 
der  Zähne.  Einen  Läufer  von  1  m  Durchmesser  lässt  man  jetzt  in  der  Minute 
etwa  200  TTmdrehungen  machen,  grössere  Steine  weniger. 


194 

Vergleicht  man  den  Text  Vitruv3  mit  dem,  was  er  ohne  Zweifel  sagen 
wollte,  so  hat  mau  in  dieser  Beschreibung  wieder  einen  ausgezeichneten  Beleg 
für  seine  Unbeholfeuheit. 


Dies  also  war  der  Stand  der  Angelegenheiten  zur  Zeit  des  Plinius,  welcher 
79  n.  Chr.  beim  Ausbruche  des  Vesuv  ums  Leben  kam,  und  des  Vitruv, 
welcher  ein  Zeitgenosse  von  Augustus  war,  die  Mühle  also  nur  in  ihrer  ältesten 
Form  kannte. 

Die  nächsten  Jahrhunderte  brachten  ohne  Zweifel  viele  Verbesserungen 
im  Einzelnen,  aber  nichts  wesentlich  Neues,  als  jedoch  die  Goten  unter  Vitiges 
im  Jahre  53G  Rom  belagerten  und  die  sämtlichen  Wasserleitungen,  welche  die 
Mühlen  trieben,  abgeschnitten  hatten,  machte  die  Not  erfinderisch  und  brachte 
Belisar  auf  den  Gedanken,  Schiffsmühleu  im  Tiber  einzurichten  (Procop.  bell. 
Goth.  I,  19)-,  erst  viel  später  scheinen  die  Windmülilen  aufgekommen  zu  sein. 
Du  Gange  führt  als  frühestes  Beispiel  ein  solches  aus  dem  Anfange  des 
XII.  Jahrhunderts  an.  Beckmann  (II,  63)  erzählt,  dass  das  ehemalige  Augustiner- 
Kloster  zu  Windsheim,  nicht  weit  von  Zwolle,  eine  solche  bauen,  der  benach- 
barte Gutsbesitzer  aber  dies  verhindern  wollte,  indem  er  behauptete,  der  Wind 
in  dortiger  Gegend  gehöre  ihm.  Der  um  Entscheidung  angerufene  Bischof  von 
Utrecht  aber  erklärte,  der  Wind  in  der  ganzen  Provinz  gehöre  ihm  und  gab 
im  Jahre  1391  die  Erlaubnis.  In  England  wurde  endlich  im  Jahre  1784  die 
erste  mit  Erfolg  arbeitende  Dampfmühle  erbaut,  nachdem  verschiedene  Ver- 
suche in  Amerika  vorhergegangen  waren,  und  seitdem  vervollkommnete  und 
komplizierte  sich  der  Mühlenbau  und  die  Mehlbereitung  in  einer  Weise,  dass, 
wenn  Vitruv  das  heutige  Verfahren  in  seiner  Art  beschreiben  wollte,  kein 
Gelehrter  der  Welt  ihn  nach  abermals  1900  Jahren    würde  enträtseln  können. 


Einige  Bemerkungen 

zu  dem   Aufsätze  von  Coniiuly,  „Die  Geschichte  des  Hauses  Nassau", 

in  Annalen  XX VT. 

Von 

Dr.  W,  Sauer^ 

Könisl-  Archivrat  und  Slaulearchiviir  zu  Wiesbaden. 


Dass  trotz  der  ungemeinen  Mühe,  welche  in  vorliergegangener  Zeit  der 
Aufklärung  des  Ursprunges  des  Hauses  Nassau  zugewendet  ist,  erneute  Forschung 
noch  beachtenswerte  Ergebnisse  erzielen  kann,  zeigt  Conrady's  vorbezeich- 
nete  Arbeit.  Doch  auch  durch  diese  Forschungen  haben  wohl  noch  nicht  alle 
Fragen  eine  abschhessende  Erörterung  gefunden.  Verfasser  übersah,  dass  die 
von  ihm  mit  Recht  an  die  Spitze  seiner  Untersuchungen  gestellten  Beziehungen 
des  Geschlechts  der  Hattonen  zum  Wormsgau  bereits  bei  Wenck,  H.  L.  0. 
n,  S,  541,  Stein,  König  Konrad  I.,  Hegel,  Mainzer  Chroniken  H^  S.  11, 
Draudt,  Forschungen  zur  d.  Gesch.  XXHI,  478  erörtert  sind.  So  sehr  hier- 
durch einerseits  der  Wert  der  in  selbständiger  Forschung  vom  Verfasser  ge- 
wonnenen Ergebnisse  gesichert  wird,  so  bleibt  es  doch  anzunehmen,  dass  unter 
Benutzung  dieser  älteren  Untersuchungen  einzelne  Punkte  sich  würden  anders 
haben  gestalten  können.  Hierzu  gehört  auch  die  in  entscheidender  Weise  noch 
nicht  klar  gelegte  Frage,  ob  die  Hattonen  in  Wormsgau  Grafen  oder  nur 
Grossgrundbesitzer  waren. 

Auf  diese  Einzelheiten   der   anerkennenswerten  Untersuchungen  jetzt  hier 
einzugehen,    wird    nicht   beabsichtigt.     Es   sollen  hier  nur  einige  Versehen,   die 
dem  Verfasser   bei   der  Benutzung  Fulder  und   Lorscher    Traditionen    für   den 
ersten  Abschnitt  seiner  Arbeit  begegnet  sind,  vermerkt  werden. 
Zu  S.     2.   Die  nach  Schannat  S.  2,   No.  4,  Dronke  S.  7,  No.  9  angeführte 
Tradition  des  Eggiolt  ist  nicht  vom  25.,  sondern  vom  15.  Juni,  wie 
die  Drucke  richtig  angeben. 
Zu  S.     3,    Anmerkung  3.     Die  Angabe,  dass  Dronke  die  bei  Schannat  S.  3, 
(nicht  5,  wie  angegeben)  No.  5  gedruckte  Tradition  von  756  mit  dem 
Monatstage   XI.  Kai.  Julii  nicht  habe,  ist   irrig.     Dieselbe  steht  bei 
Dronke  S.  7,  No.   10  mit  verbessertem  Monatsdatum  XV.  Kai.  Julii 
Hiernach  ist  bei  Conrady  der  21.  Juni  in  17.  Juni  zu  ändern. 
Zu  S.     5   bezw.  S.  3  ist  die  nach  Cod.  Lauresh.  H,  S.  10,  No.  859  angeführte 
Tradition  des  Radulf  —  nicht  Randulf       nicht  vom  30.  Mai.  sundern 
vom  29.  Juni  7G7. 


19G 

Zu  S.  5  wird  eine  Äusserung,  ob  Verfasser  den  Ilatto  und  dessen  Sohn 
Egino  778,  Cod.  Lauresli.  II,  S.  5,  No.  829  zu  dem  Geschlochte 
rechnet,  vermisst,     Ist  die  Tradition  übersehen? 

Zu  S.  '),  Note  4  ist  die  Angabe,  dass  die  Tradition  Schannat  S.  15,  Xo.  28 
bei  Dronke  fehle,  irrig;  dieselbe  steht  Dronke  S,  21,  No.  38. 

Zu  S.  5,  Note  7.  Auch  hier  wird  eine  Tradition  bei  Schannat  als  Dronke 
unbekannt  geblieben  bezeichnet;  Schannat  S.  27,  No.  52.  Verfasser 
übersah  hier  doch,  dass  Dronke  es  S.  80  rechtfertigt,  weshalb  er 
diese  Tradition  mit  No.  143  und  mit  dem  Datum  797  März  IG  ein- 
ordnet. Verfasser  verarbeitet  hier  somit  Schannat's  falsche  Da- 
tierung 777  Februar  19. 

Zu  S.  6.  Verfasser  will  die  undatierte  Tradition  Dronke  No.  96,  ausgestellt 
in  puhlico  concilio  quod  dicitur  Pathrafons,  in  die  Zeit  der  Ausstellung 
der  vorhergehenden  Tradition  No.  95,  deren  Monatsdatum  mit 
August  13  angegeben  ist,  setzen.  Nach  seiner  Annahme  würde 
die  Tradition  somit  in  den  August  790  fallen.  Von  einer  Reichs- 
versammlung um  diese  Zeit,  und  am  wenigsten  zu  Paderborn,  ist 
nirgends  die  Rede.  Vielmehr  ist  die  Tradition  wohl  ebenso  wie  die 
vorhergehenden  Traditionen  Dronke  No.  82,  83  im  Juni  785  auf  der 
Reichs  Versammlung  zu  Paderborn  ausgestellt.  Vergl.  Mühlbacher, 
Regg.  Kar.,  ad  a.  et  d. 

Zu  S.  6.  Zu  der  hier  angeführten  Tradition  des  Adalleicus  fehlen  die  Nachweise. 
Dronke  No.  146  hat  das  richtige  Monatsdatum  Oktober  24,  während 
Verfasser  irrig  Oktober  25,  —  die  hier  vom  Verfasser  gerügte  Lese- 
art marcam  bei  Schannat  ist  durch  den  Druck  bei  Dronke  beseitigt. 

Zu  S.  6.  Die  angeführte  Tradition  von  800,  Dronke  No.  161,  ist  nicht  von 
Mai  4,  sondern  von  Mai  6,  wie  Dronke  richtig. 

Zu  S.  7  scheint  bei  Benutzung  der  Tradition  von  800,  Juni  10  der  Text  bei 
Dronke  nicht  eingesehen  zu  sein. 

Zu  S.  7.  Bei  Erörterung  über  die  Brüder  Adelbert,  Banzleib  und  Ilatto  wäre 
Wenck  11,  2,  S.  549;  Stein  S.  142,  227  zu  berücksichtigen  gewesen. 
S.  1 1  wird  für  Ilatto  III.  eine  Tradition  'angeblich  vom  Jahre  837  ausge- 
beutet. Verfasser  weist  daselbst  Note  4  selbst  darauf  hin.  dass  der 
Druck  der  Tradition  bei  Dronke  No.  205  „der  Jahreszahl  entbehre", 
bezieht  sich  dafür  jedoch  auf  den  Druck  bei  Schannat  S.  171, 
No.  429,  der  allerdings  das  Jahr  837  hat. 

Die  Vergleichung  der  Zeugen  lässt  jedoch  die  Feststellung  zu, 
dass  die  Tradition  nicht  dem  Jahre  837,  sondern  vielmehr 
dem  Jahre  7  87  angehört;  sie  ist  der  Tradition  Dronke  No.  90 
von  788  Mai  25  etwa  gleichzeitig.  Die  Jahreszahl  bei  Schannat 
a.  a.  0.  DCCCXXXVII  ist  verderbt  und  leicht  in  DCCLXXXVII 
zu  bessern.  Hiermit  fallen  die  S.  11  aus  dieser  Tradition  gezogenen 
Folgerungen  bezüglich  „des  wormsgauer  Grafentums"  fort  und  ist 
diese  Stelle,  sowie  die  weitere  Bezugnahme  S.   12  zu  streichen. 


Cliristiaii  Daniel   A^ogol."') 


Von 


Dr.  W*  Sauer^ 

Könisl.  AiY'liivnit  u.  Stnatsaivliivar  /.n  Wipqhndnn. 


Das  Fürstentum  Oriiuieu-Nassau  galt  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrlinnderts  für  eins  der  am  besten  regierten  und  somit  glücklichsten  Lündclien 
.Deutschlands,  Und  mit  Recht,  denn  der  Fürst  von  Oranien-Nassau,  der  Erh- 
statthalter  Wilhelm  V.  der  Niederlande,  der  seit  1766  selbst  die  Regierung 
der  vereinigten  oranischen  Erblande  führte,  war  ein  Mann  von  hohen  Geistes- 
anlagen, ein  gerechter,  wohlwollender,  der  Aufklärung  geneigter  Fürst,  so  recht 
ein  Oranier  von  altem  Schlage.  Freilich  kannte  man  den  Fürsten  von  Person 
in  seinen  Erblanden  kaum,  da  er,  dessen  Stimme  im  europäischen  Fürstenrate 
viel  galt,  fern  von  der  Heimat  auf  seineu  prunkvollen  niederländischen  Schlössern 
residierte  und  nur  selten  sich  der  Fall  ereignete,  dass  er  in  die  Erblande  kam, 
um  bei  Dilleuburg  oder  Oranienstein  zu  jagen.  Schaden  litt  jedoch  die  Ver- 
waltung der  Erblando  unter  diesen  Umständen  nicht,  da  der  Fürst  sich  der- 
selben zu  allen  Zeiten  mit  vollster  Pflichttreue  und  Hingebuu":  unterzog.  Jede, 
auch  die  geringste  Yerwaltungsangelegenheit  blieb  seiner  persönlichen  Ent- 
scheidung vorbehalten  und  es  wurden  zu  diesem  Zwecke  alle  Berichte  und 
Anträge  der  Landesregierung  zu  Dillenburg  an  ihn  in  die  Niederlande  gesandt. 
Des  Fürsten  Wilhelm  Y.  Vorbild  war  sein  grosser  Oheim  in  Sanssouci;  auch 
sein  Stolz  war  es,  die  Verwaltung  seiner  Erblande  ausgezeichneten  Männern 
zu  unterstellen,  für  deren  Berufung  er  in  geeigneten  Fällen  persönlich  Sorge 
trug.  Er  hatte  das  Glück,  dass  seine  Wahl  selten  fehl  ging;  in  der  That  war 
damals  ein  Kreis  von  Männern  in  der  kleinen  Residenz  an  der  Dill  versammelt, 
die  den  besten  ihrer  Zeit  ebenbürtig  zur  Seite  treten  konnten.  Und  neben 
ihnen  standen  die  Lehrer  der  Herborner  hohen  Schule,  deren  Entwickelung  dem 
Oranier,  dem  Kinde  jenes  freien,  an  ruhmvollen  Errungenschaften  in  Kunst  und 
Wissenschaft  so  reichen  Landes  ganz  besonders  am  Herzen  lag.  Reiches 
geistiges  Ticbon  erblühte  damals  in  den  eng  verbundenen  Nachbarstädten 
Dillenburg  und  Herborn;  es  ist  zu  bedauern,  dass  es  uns  bis  heute  an  einer 
umfassenden  quellenmässigen  Darstellung  der  damaligen  Zustände  fehlt. 


*i  Zuerst  veröffcntliclit  im  Rheinischen  Kurier,  1895,  Xo.  46,  47,  51. 

14 


198 

Finden  wir  in  den  damaligen  gelehrten  Kreisen  von  Dillenburg  und  Ilerborn 
alle  Zweige  der  Wissenschaft  fast  gleichmässig  vertreten,  so  ist  es  doch  erklär- 
lich, wenn  wir  vom  Fürsten  die  Geschichte  sowohl  des  oiguen  Hauses  wie  auch 
die  des  Landes  mit  einer  gewissen  Vorliebe  gepflegt  sehen.  Wilhelm  Y.  konnte 
mit  Stolz  zurückblicken  auf  die  ruhmvolle  Geschichte  seiner  Ahnen;  kaum  ein 
anderes  deutsches  Fürstengeschlccht  hatte  in  den  letztvergangenen  zweihundert 
Jahren  eine  so  grossartige  politische  Thätigkeit  entfaltet,  als  die  Oranier.  Reiche 
Schütze  barg  das  alte  Ilausarchiv  im  Stammschlosse  zu  Dillenburg;  hier  ruhte 
neben  den  Archiven  der  Erblandc  die  ganze  ausgedehnte  politische  Korrespon- 
denz der  Oranier,  ein  geschichtliches  Material  von  unschätzbarem  W^erte. 

Den  Anstoss  zur  Erforschung  der  Geschichte  des  Hauses  gaben  damals 
die  Vettern  des  Walramischen  Stammes,  welche  die  auf  den  Schlössern  zerstreut 
vorhandenen  Archivalien  sammeln  und  vereinigen  und  auf  dem  verlasseneu 
Idsteiner  Schlosse  durch  Johann  Georg  Ilagelgans,  den  trefflichen  Begründer 
des  dortigen  Archivs  (1729 — 1762)  ordnen  Hessen.  Diesem  fleissigen  Forscher 
verdankten  die  Walramischen  Vettern  die  1753  erschienene,  auf  gründliche 
Ausbeute  des  urkundlichen  Materials  beruhende  Geschichte  dieses  Astes  des 
Gesamthauses.  Durch  diesen,  endlich  von  grossem  Erfolge  gekrönten  Eifer  der 
kleineu  Walraraischen  Vettern  in  Biebrich  und  W^eilburg  konnte  der  mächtige 
Erbstatthalter  im  Haag  sich  und  seine  ruhmreichen  Ahnen  nicht  in  den  Schatten 
stellen  lassen.  So  war  es  noch  dem  Fürsten  Wilhelm  IV.  in  seinen  letzten 
Lebensjahren  gelungen,  den  Braunschweiger  Anton  Ulrich  von  Erath,  schon 
damals  ein  Manu  von  ausgebreitetem  litterarischen  Rufe,  in  seinen  Dienst  zu 
ziehen.  Erath,  seit  1747  als  Justizrat  in  Dilleuburg  angestellt,  übernahm  die 
Aufgabe,  das  Archiv  des  oranischen  Hauses  und  Landes  zu  ordnen  und  die 
Materialien  für  die  Geschichte  beider  auf  breitester  Grundlage  zu  sammeln. 
Die  umfassendste  Berücksichtigung  auch  der  Landes-  und  Ortsgeschichte  ent- 
sprach dem  freien  Sinne  der  Oranier,  während  die  Walramischen  Vettern,  meist 
Zöglinge  des  Hofes  zu  Versailles,  nur  dynastische  Interessen  verfolgten;  hier 
sollte  alles  der  Erhöhung  des  Lustre  des  hochfürstlichen  Hauses  dienen. 

Des  Anton  Ulrich  von  Erath  Verdienste  um  xVrchiv  und  Erforschung  der 
Landesgeschichte  von  Dillenburg  bleiben  dauernd.  Seine  uns  handschriftlich 
erhaltenen  Arbeiten  sind  auch  heute  noch  ein  unentbehrlicher  Ratgeber.  Nicht 
minder  bedeutend  ist  ein  zweites  Verdienst,  welches  er  sich  erwarb;  als  Lehrer 
und  Meister  bildete  er  eine  treffliche  Schule,  die  es  verstand,  in  seinem  Sinne 
das  von  ihm  liegonnene  Werk  mit  rastlosem  Eifer  weiter  zu  führen.  Die 
Namen  Rauschard,  Ilegmanii  und  Johannes  Arnoldi  werden  noch  lange  Zeit 
mit  Achtung  zu  nennen  sein.  Neben  diesen  haben  wir  den  für  Kirchen-  und 
Cielehrtengeschichte  thätigen  Steubing,  sowie  den  Herborner  Professor  Fuchs  zu 
erwähnen. 

Christian  Daniel  Vogel  war  der  letzte  dieser  Schule;  als  Schüler 
Ai'noldis  und  Hegmanns  dürfen  wir  ihn  derselben  zuzählen.  Weitergehende 
faehwissenschaftliche  Schulung  hatte  Vogel  nicht  genossen,  er  war  Theologe 
und  als  solcher  nur  in  Herborn  und  in  einer  Zeit  ausgel)ildet,  in  welcher  die 
Verhältnisse  ein  geordnetes  und  [»lanmässiges  Studium  an  der  rasch  gesunkeneu 


lf)0 

Hocli8chiile  nicht  inolir  zulicöscii.  Kirchengeschiclitliche  Studien  tuhrteii  den 
lioclibegabton  Jüngliug  bald  .auf  das  Gebiet  der  Profaiigoschiclite  seiues  Vator- 
laiides,  auf  welchem  man  ihn  noch  heute  als  Fülircr  und  Wegweiser  ehrt. 

Yogels  Vorfahren  sollen  aus  Broitenbacli   in  iles.sL'n   in  das  DiUcnhurgische 
eingewandert  sein.     Seit  dem  Jahre  1727  bekleideten  dieselben  die  Stelle  eine« 
Amtsjägers  mit  dem  Wohnsitze  zu  Neuhütte  in  der  Gemeinde  Strassebersbacli. 
Hier  wurde  Christian  Daniel    als  Sohn    des   Försters,    späteren  Oberftirsters 
Ludwig  Vogel  (f   1821)    geboren.^)      In    herkömmlicher    Weise    erhielt    er    den 
ersten  Unterricht  in  der  Schule  seines  Dorfes,  später  bei  dem  Pfarrer  Dapping 
in  Bergebersbach,  bis  er  vom  Herbste  1801   ab  die  Lateinschule  zu  Dillcnburg 
besuchen  konnte.     Neben  gründlicher  Schulbildung   verdankte  er  dem  dortigen 
Rektor  Römer  die  Anleitung   zur  Beschäftigung  mit  der  Botanik,    der   er    sein 
Leben  hindurch  treu  blieb;    bis  an  sein    Ende   wandte    er    seinem    Ifausgarten 
die  aufmerksamste  Pflege  zu.     Aber  nicht  minder  ist  damals  in  Dillenburg  die 
Neigung  zur  vaterländischen  Geschichte,   der  später   die    Lebensarbeit   des  ge- 
reiften Mannes  galt,  in  ihm  geweckt  worden,  wenn  auch  heute  nicht  mehr  fest- 
zustellen ist,  wie  weit  in  jenen  Tagen  schon  seine  Beziehungen  zu  dem  Dillen- 
burger  Kreise  gereicht  haben  mögen.     Zeugnis   von   seinen    damaligen  Studien 
legen  die  in  dieser  Gymnasialzeit  entstandenen  Sammlungen  für  eine  nassauisclie 
Gelehrtengeschichte,  welche  sich  noch  jetzt   in  seinem    handschriftlichen    Nach- 
lasse   befinden,    ab.      Im    Frühjahre    1807    vertauschte    Vogel    Dilleuburg    mit 
Herborn,  um  sich  auf  der  hohen  Schule  daselbst    dem  Studium    der  Theologie 
zu  widmen,    unterbrach   jedoch    im  Jahre    1809    die    begonnenen    Studien    und 
kehrte  zu  seinen  Eltern  nach  Neuhütte  zurück. 

In  diese  Herborner  Zeit  fällt  Vogels  erste  litterarische  Arbeit,  eine  kleine 
Schrift,  deren  Ertrag  zum  Besten  eines  religiösen  Naturdichters,  des  verarmten 
Schlossers  Hermann  Schutte  im  Siegenerlande,  bestimmt  war.  Das  Schriftchen 
„Hermann  Schutte,  ein  kleiner  Beitrag  zur  Vaterlandsgeschichte",  erschien  zu 
Ilerboru  1808  und  war  drei  Studienfreunden  des  Verfassers,  Ernst  von  Reichenau, 
Bender,  dem  bekannten  späteren  Superintendenten  zu  Siegen,  und  Wickel  ge- 
widmet. Vogel  hatte  die  Vorrede  kühnen  Sinnes  aus  Ebersbach  im  Fürstentum 
Nassau-Dillenburg  datiert,  obwohl  dieses  durch  Napoleon  im  Jahre  1806  von  der 
Landkarte  gestrichen  war.  Voll  Entsetzen  machte  ihn  ein  Herborner  Professor, 
der  Theologe  Jakob  Wilhelm  Grimm,  sein  väterlicher  Freund,  auf  die  möglichen 
Folgen  dieser  staatsverbrecherischen  Worte  aufmerksam  und  riet  ihm,  dieselben 
in  jedem  Exemplar  zu  durchstreichen  und  durch  die  Worte  „im  grossherzog- 
lichen Bezirk"  zu  ersetzen.  Mit  dem  dankbaren  Hermaim  Schutte,  dessen 
/'hristliche  Lieder"  der  genannte  Professor  Grimm  1811  in  ITerborn  horans- 
gab,  blieb  Vogel  noch  lange  in  vertraulicher  Korresponden/. 

Die  damaligen  Zeiten  waren  schlimm,  der  Fortsetzung  der  begoniu'uen 
theologischen  Studien  wenig  günstig.  Der  Gefahr  einer  persönlichen  Ableistung 
seiner    Militärpflicht    war    Vogel    durch    Stelhing    eines    p]instehers    entgangen. 


•)  Vergl.  den  Nekrolog  Voger.s  von  Nebe,  Nassauisches  Sehulblatt   1852;  Scinvartz  — 

Otto,  Annal.  des  Nass.  Altertumsvereins  XXI,  73;  XXII,  5. 

14* 


200 

Private  Studien  und  der  uebeubci  betriebene  Unterrieht  der  jüngeren  Geschwister 
Hessen  Vogel  hinlängUch  freie  Zeit,  den  gewünschten  Verkehr  mit  Dilleuburg 
zu  pflegen  und  Verbindungen,  zu  denen  bereits  früher  der  Grund  gelegt  war, 
fester  zu  knüpfen.  Von  bestimmendem  Einflüsse  auf  ihn  wurden  jetzt  zwei 
Männer,  deren  Dillenburg  noch  heute  mit  Stolz  gedenken  darf,  der  für  die 
Eutwickelung  unserer  Litteratur  so  bedeutsame  K.  G.  II.  von  Mcusebach,  von 
1803  bis  1814  dort  als  Beamter  thätig,  und  J.  Arnoldi,  der  Geschichtschreiber 
der  oranischeu  Lande.  Des  letztei-eu  Einwirkung  können  wir  es  gewiss  zu- 
schreiben, wenn  Ciiristian  Daniel  Vogel  für  seine  Thätigkint  bald  das  Gebiet 
fand,  für  das  er  geboren  war.  üb  Vogel  schwankte  in  dieser  Zeit  bezüglich 
des  Berufs,  dem  er  sich  bisher  bestimmt,  wir  wissen  es  nicht,  aber  drei  Jahre 
dauerte  es,  bis  zum  19.  April  1812,  bis  er  wieder  in  Herborn  einzog,  um  sich 
nunmehr  zum  theologischen  Examen  vorzubereiten.  Naclidem  er  in  den  folgen- 
den Tagen  das  übliche  Teutamen  absolviert,  bestand  er  im  Juli  d.  J.  das  Staats- 
examen gut,  wurde  ein  Jahr  später,  am  7.  Juui  1813,  ordiniert  und  gleich 
darauf  als  Pfarrvikar  in  Ballersbach  angestellt.  Während  seines  nur  dreimonat- 
lichen Aufenthaltes  daselbst  schrieb  er  unter  Benutzung  des  Pfarrarchivs  die 
„Geschichte  der  Kirche  und  Pfarrei  Ballersbach*,  welche  in  dem  1818  ver- 
üff'entlichteu  1.  Baude  seines  „Archivs  für  Kircheugeschichte"  bald  ihren  Platz 
fand.  Der  Aufenthalt  in  Ballersbach  war  nur  von  kurzer  Dauer;  bereits  am 
1.  Oktober  wurde  er  von  dort  nach  Liebenscheid  versetzt.  In  diese  Lieben- 
scheider  Zeit  fällt  zunächst  seine  Verheiratung,  dann  eine  grössere  Arbeit,  die 
Neuaufötellung  der  alten  Regierungsbibliothek  zu  Dillcnburg,  welche  in  der 
französischen  Zeit  aus  den  bisherigen  Päumen  entfernt  worden  war.  Lebhaft 
empfand  er  hierbei  die  Schwierigkeiten,  welche  durch  die  örtliche  Trennung 
von  dem  geliebten  Dilleuburg  seineu  Studien  bereitet  wurde.  Doch  auch  der 
Fürspruch  seines  väterlichen  Freundes  Arnoldi  reichte  nicht  hin,  um  die  be- 
triebene Versetzung  in  eine  dortige  Pfarrstelle  zu  erreichen;  am  1.  Juli  1815 
ging  er  als  zweiter  Pfarrer  nach  Marieuberg.  Wurde  Vogel  durch  diesen 
"Wechsel  auch  eine  gewisse  Erleichterung  geschaffen,  so  blieb  es  doch  ein 
schwerer  Fehler  der  Regierung,  die  junge  aufstrebende  Kraft  nicht  an  die  Stelle 
gesetzt  zu  haben,  wo  dieselbe  sich  zur  vollen  Leistungsfähigkeit  hätte  schneller 
entwickeln  können.  Wir  werden  sehen,  dass  die  Regierung  sich  im  Jahre  1828 
desselben  Fehlers  unter  weit  erschwerenderen  Umständen  schuldig  machte,  als 
sie  einen  Antrag  auf  seine  Versetzung  in  die  Nähe  von  Wiesbaden,  nach 
Erbenheim,  abschlug. 

Durch  die  Versetzung  von  Liebenscheid  nach  dem  Amtsorte  Marienberg 
war  Vogel  der  Aussen  weit  wenigstens  etwas  näher  gerückt.  So  wurde  es  ihm 
leichter,  dem  Zuge  seines  Herzens  folgend  die  Verbindung  mit  dem  alten 
Gönner  von  Meusebach  zu  pflegen,  der  am  27.  März  1815  die  Entlassung  aus 
dem  oranischeu  Staatsdienste  erhalten  hatte,  nachdem  er  zum  Präsidenten  des 
in  Koblenz  errichteten  Revisionshofes  ernannt  war.  Es  war  ehrenvoll  für  Vogel, 
dass  Meusebach.  in  Koblenz  in  einen  aus  den  glänzendsten  Namen  gebildeten 
Kreis  gerückt,  des  jungen  Dillenburg(!r  Freundes  nicht  vergass.  In  seinen 
Tagebüchern  gedeukt  er  freudig  der  Tage  in  den  Jahren   181b  und    1817,    an 


201 

welclien  es  ihm  gelungen,  „den  Vogel  vom  Wcstorwalde"  in  das  Koltlenzor 
Heim  zu  locken.  Wir  verzeichnen  diese  beide  Reisen  Vogels  nach  Kohlenz 
hier  auch,  um  beizufügen,  dass  dieselben  zugleich  mit  einer  späteren  Jteiso 
nach  Frankfurt  a.  M.  die  einzigen  sind,  welche  ihn  in  seinem  ganzen  Leben 
über  die  Grenzen  des  Herzogtums  führten.  Für  Vogel  wird  es  bei  diesen  He- 
suchen  in  Koblenz  wesentlich  von  Wert  gewesen  sein,  Beziehungen  zu  dem 
Archivar  Kanonikus  (lünther,  dem  Herausgeber  des  „Codex  diplomaticus  J{h(Mio- 
Mosellanus"  anknüpfen  zu  können.  Meusebach,  im  Jahre  1810  nach  Derlin 
versetzt,  hat  Vogel  stets  freundschaftliche  Gesinnungen  bewahrt  und  diese 
später  bethätigt,  als  Vogels  Sohn  Reinhard,  der  Bildhauer,  zu  seiner  Ausbildung 
Berlin  aufsuchte. 

Nach  dem  uns  erhaltenen  handschriftlichen  Nachlasse  Vogels  können  wir 
vernmteu,  dass  bis  in  die  Marienberger  Zeit  hinein  seine  Studien  sich  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Kirchen-  und  Gelohrtengeschichte  der  oranischen  Länder 
erstreckten;  bei  letzterer  zogen  ihn  die  Theologen,  namentlich  die  Herborner 
Trofessoren,  besonders  an.  Diesen  Studien  damals  weitergehende  Ziele  gegeben 
zu  haben,  ist  das  Verdienst  Arnoldis.  Johann  Arnoldi,  vom  Professor  Ersch 
als  Mitarbeiter  für  die  eben  begründete  „Allgemeine  Encyklopädie  der  Wissen- 
schaften" gewonnen,  hatte  sich  in  dessen  Auftrage  um  Unterstützung  des  weit- 
schichtigen Unternehmens  in  Nassau  zu  bemühen;  seine  Wahl  iiel  zunächst  auf 
Vogel.  Am  22.  September  1815  forderte  er  ihn  auf,  für  das  Sammelwerk  die 
Bearbeitung  der  Biographieen  nassauischer  Gelehrten  sowie  ortsgeschichtliche 
Artikel  zu  übernehmen;  gleichzeitig  bat  er  ihn,  gegen  ein  festzusetzendes 
Honorar  das  Register  zu  seiner  oranischen  Landesgeschichte  anzufertigen.  Auf 
Arnoldis  Vorschläge  einzugehen,  scheint  nicht  in  Vogels  xVbsicht  gelegen  zu 
haben.  Mehrfach  musste  jener  dieselben  erneuern  und  um  endliche  Beantwortung 
seiner  unerwidert  gebliebenen  Briefe  bitten,  obwohl  er  ihm  auch  die  Bear- 
beitung der  Statistik  des  Herzogtums,  für  welche  er  selbst  ausgedehnte  Samm- 
lungen augelegt  hatte,  abgetreten  hatte.  Ohne  Zweifel  hatte  Vogel  in  der 
Zwischenzeit,  augeregt  durch  Arnoldis  Vorschläge,  den  Plan  gefasst,  eine  Topo- 
graphie des  Herzogtums  nach  dem  Vorbilde  von  Büschings  Erdbeschreibung 
und  namentlich  Widders  Beschreibung  der  kurpfälzischen  Länder  als  selb- 
ständiges Buch  zu  veröffentlichen  und  war  deshall)  in  erklärlicher  Weise  nicht 
geneigt,  durch  voreilige  Veröffentlichungen  in  der  Encyklopädie  das  geplante  Buch 
zu  schädigen.  Mit  vollem  Eifer  muss  er  sich  während  des  Marienberger  Aufent- 
haltes  den  Arbeiten  für  die  Topographie  gewidmet  haben;  am  10.  März  1817 
wurde  auf  seinen  Antrag  das  Central-Landesarchiv  zu  Idstein  vom  Ministerium 
ermächtigt,  seine  Studien  zu  unterstützen.  Bis  zum  Februar  1819  war  es 
Arnoldi  nur  gelungen,  Vogel  eine  Biographie,  die  des  Herborner  Professors 
Aisted,  abzupressen;  erst  im  folgenden  Jahre  1820  erhielt  er  die  in  der  Ency- 
klopädie ferner  zum  Abdruck  gelangten  topographischen  Artikel  Biebrich,  Bleiden- 
stadt,  Bornhofen,  Braubach,  Burgschwalbach,  Caub,  Ciarenthal,  Cronberg,  Herborn 
und  Herschbach.  Das  geringe  Honorar  sowie  der  Umstand,  dass  die  der  Re- 
daktion weiter  eingelieferten  Artikel  Berbach,  Camberg,  Hohensolms,  beide 
Homburg,  Idstein    und  Irmtraut   bei    dem    Drucke  übergangen  und    nicht    auf- 


202 

genommen  waren,  scheint  Vogel  verstimmt  und  zum  Abbruche  der  Verbindung 
mit  der  Kedaktion  bewogen  zu  haben.     Ausser  den  vorgenannten  Artikeln  hat 
die  Encyklupädio  weiteres  aus  seiner  Feder  nicht  gebracht.     Durch  den  Artikel 
^Cronberg"    hat   er    sich    das  Verdienst  erworben,    die  Aufmerksamkeit  wieder 
auf  dies    fast    vergessene    Dynasteugeschlocht   gelenkt    und    Forschungen    über 
dasselbe  angeregt  zu  haben.     Die  vorhin  genannten  Artikel  sind  offenbar  seiner 
damals  in  Ausarbeitung  befindlichen  Topographie  entnommen;  wir  finden  sie  mit 
geringen  Abänderungen  hier,    sowie  in    der  später  erschienenen   „Beschreibung 
des  Herzogtums  Nassau*   wieder.     Um  sich    den  Arbeiten  für  die  Topographie 
ganz    und    ungehindert    hingeben    zu  können,    brachte  er  zunächst  die  kirchen- 
geschichtlichen und  litterarhistorischen  Forschungen,  welche  ihn  bis  dahin  vor- 
wiegend   beschäftigt    hatten,    zu  einem   gewissen  Abschlüsse.     Im  Verlage    der 
neuen  Gelehrten-Buchhandlung,  Hadamar  und  Coblenz,  erschien  im  Jahre  1818 
der  erste  (einzige)  Band  seines  „Archiv  der  nassauischen  Kirchen-  und  Gelehrten- 
geschichte",    welcher    im    ersten  Teile   fünf  kirchengeschichtliche   Aufsätze,    im 
zweiten  fünfzehn  Biographieen  von  Gelehrten,  unter  welchen  wir  auch  den  für 
die  Encyklopädic    bearbeiteten   Aisted  wiederfinden,    brachte.     Ausserdem  fand 
er  die  Zeit,   das  Register  zu  Arnoldis  oranischer  Landesgeschichte,    um  dessen 
Anfertigung  ihn  dieser  im  Jahre  1815  gebeten,  endlich  fertig  zu  stellen  und  im 
Jahre  1819  durch  den  Druck  zu  veröffentlichen.     Ferner,   im  Dezember  182Ü, 
konnte    er  seinen    väterlichen  Freund,    dem  er   die  Hinweisuug  auf  die  reichen 
Nachrichten  der  Limburger  Chronik  verdankte,  mit  der  Mitteilung  überraschen, 
dass  die  Topographie,  im  Plane  noch  als  ein  „Historisch-topographisches  Wörter- 
buch   des    Herzogtums  Nassau"    gedacht,    feste    Gestalt   gewonnen    habe.     Der 
alternde   Arnoldi    gab    sofort    seine    freudige    Zustimmung    kund    und    empfahl 
nochmals    Widders    Beschreibung    der    Kurpfalz    als    Muster.      Doch   vergingen 
noch  16  Jahre,  bis  das  einen  ungemeinen  Aufwand  von  Sammeleifer  und  Fleiss 
erfordernde  Buch  zur  Drucklegung  fertiggestellt  war. 

Inzwischen  war  auch  im  südlichen  Teile  des  Herzogtums  das  Interesse 
für  die  vaterländische  Geschichte  geweckt  worden.  Hier  zwar  brachten  die 
Verhältnisse  es  mit  sich,  dass  der  Forschungstrieb  sich  einem  anderen  Gebiete 
als  dem,  welches  den  Dillenburger  Kreis  beschäftigt  hatte,  zuwandte:  hier,  be- 
sonders in  der  Landeshauptstadt  und  deren  nächsten  Umgebung,  bot  die  prä- 
historische und  besonders  die  römische  Zeit  den  Altertumsfreundeu  reichsten  Stofl". 
Zwar  war  es  ein  Auswärtiger,  der  bekannte  Dorow,  der  zuerst,  nachdem 
die  Stürme  der  grossen  Kriege  ausgetobt,  hier  im  Boden  ruhende  Schätze  des 
Altertums  hob,  bald  aber  wandten  sich  auch  Einheimische  der  reizvollen  Auf- 
gabe zu.  Die  beiden  Habel,  Vater  und  Sohn,  und  andere  planten,  um  ihren 
antiquarischen  Bestrebungen  mehr  Halt  zu  geben,  die  Gründung  eines  altertums- 
forschenden Vereins,  der  jedoch  erst  im  Jahre  1821  feste  Gestaltung  erhieh. 
Letzteres  war  zum  Teil  das  Verdienst  des  jüngeren  Habel,  der,  damals  weniger 
herrschsüchtig  wie  später,  noch  nicht  verkannte,  dass  neben  seinen  geliebten 
römischen  Forschungen  docli  auch  mittelalterlicher  und  neuerer  Geschichte  der 
gleichberechtigte  Platz  einzuräumen  sei.  Begann  doch  damals  —  durch  Steins 
Verdienst  —  die  Erforschung  unserer  mittelalterlichen  Geschichtsquellen  mächtig 


203 

emporziiblühen.     llabcl  trat  iti  Verbindung  mit  Vogel,   der,    begeistert  tiir  das 
seinen  eigenen  Wünschen  so  sehr   zusagende  Unternehmen,    uiieigenin'it/.ig  und 
freudig  seine  Unterstützung  versprach,  olme  zu  ahnen,  wie  bald  1  labeis  lOigensinn 
ihm  grobe  Enttäuschungen  bereiten  und  ihn    aus  dem  liebgewordeneu  Arbeits- 
felde verdrängen  würde.     Zu  den  drei  ersten  Bänden  der  „Annaleu"  des  Ver- 
eins steuerte  Vogel  trefHiche  Aufsätze  bei,  auch  der  4.  Band  l)rachte  noch  eine 
Arbeit  von  ihm,  obwohl  sein  Bruch  mit  Habel  und  dem  Vereine  sich  inzwischen 
vollzogen    hatte,    wie    wir  später    sehen  werden.     Der  1.  Januar    1S2:}  brachte 
Vogel  die  Versetzung  von  Marieuberg  nach  Schönbach  als  Pfarrer  und  Schul- 
iuspektor;    seinem    lieben  Archive    zu    Dilleuburg,    wohin    zu    versetzen  es   der 
nassauischen  Regierung  an  Einsicht  fehlte,  war  er  hierdurch  wenigstens  näher 
gerückt.     Hier   schrieb    er   zunächst    „Johann    Friedrich    Fuchs,    nach    seinem 
Leben    dargestellt.     Eine    Gedächtnisschrift,     llerborn    1823",    zur   Erinnerung 
an    seinen    am    20.  Juni  d.  J.    dahingegangenen    alten  Ilerborner  Lehrer.     Im 
Jahre  1826  folgte  seine  Ausgabe  der   bekannten  Limburger  Chronik,  mit  Ein- 
leitung   und    erläuternden    Anmerkungen.     Mit   dieser    Veröffentlichung   konnte 
Vogel  auf  eine  achtungswerte  Reihe  von  geschichtlichen  Arbeiten  zurückblicken, 
die  vou    der  zeitgenössischen  Kritik   gebührend  anerkannt   wurden  und  ihm  im 
Lande  selbst  den  wohlverdienten  Ruf  einer  Autorität  verschatt"ten.  Im  Ministerium 
stand  man  nicht  an,  mit  Umgehung  des  Idsteiner  Archivs  über  schwierige  ge- 
schichtliche Fragen  Auskunft  bei  ihm  zu  holen.     Als  solche  zweifellose  Autorität 
auf  dem  Gebiete    der    mittelalterlichen  Landesgeschichte    wurde  er  deshalb  als 
Dritter  zur  Mitwirkung  an  einem  Unternehmen  berufen,  welchem  auf  ministerielle 
Anordnung  die  Aufgabe  gestellt  war,  den  Ursprung  des  Hauses  Nassau  zu  er- 
forschen und  die  Geschichte  des  zur  herzoglichen  Würde  gelangten  Walramischen 
Astes  zu  schreiben.    Ansprechend  und  verdienstvoll  war  ein  solches  Unternehmen 
des  Hauses  unter  allen  Umständen,  mochte  demselben  auch  vielleicht  der  Gedanke 
zu  Grunde  liegen,  des  alt  und  stumpf  gewordenen  Arnoldi  Geschichte  der  nieder- 
ländischen Vettern  endlich  in  den  Schatten  zu  stellen.  Der  Vater  dieses  Gedankens 
war  fraglos  der  Leiter  des  Unternehmens,  der  bekannte  Publizist  Joli.  Weitzel, 
seit    1820    herzoglicher    Hofrat    und   Landesbibliothekar   zu  Wiesbaden.-)     Das 
zweite  Glied  des  Bundes  war  natürlich  Habel');  dieser  sollte  die  prähistorische 
und   römische  Zeit    bearbeiten.     Weitzel,    obwohl  Publizist,    scheint  doch  mehr 
wie  blos  die  künstlerische  Ausgestaltung  des  Fertigen  und  Ganzen  als  die  seiner 
bewährten  Feder  zufallende  Aufgabe  angesehen  zu  haben.*)     In  früheren  Jahren 
hatte  er  sich  darin  gefallen,    als  Historiker   von  Fach   zu  gelten;    er  soll  sogar 
versucht  haben,    durch  Vermittelung  des  Fürsten  Hardenberg  eine  Geschichts- 
Profcssur  in  Bonn  zu  erhalten. 

Weitzels  erste  Anträge  in  dieser  Sache  fallen  in  den  Juni  1827.  Er 
erklärte  dem  Ministerium,  den  Entwurf  einer  Geschichte  des  Herzogtums  aus- 
gearbeitet zu  haben  nebst  einer  Einleitung,  welche  sich  über  die  ältere  (Joschichte 


'')  Über  Weitzel  vergl.  Schwartz,  Annalen  XIV,  41  fl'.  —  •')  Über  den  Arcliivar  llabel 
vei-gl.  Schwartz,  Annalen  XI,  besonders  S.  186  ff.  —  ')  Vergl.  zur  Sache  auch  Schwartz, 
Annalen  XI,  202. 


204 

Deutschlands,  dessen  kirohliclic  und  politische  Verfassung  und  Kultur  vom 
8.  bis  13.  Jahrhundert  verbreite.  Schwierigkeiten,  meinte  er,  bereite  ihm  nur 
die  Entfernung  der  Archive  und  der  archivalische  Stoff  selbst.  Beschäftijrunff 
mit  solchem  war  ihm,  wie  er  gestand,  fremd;  weder  las  noch  verstand  er  eine 
mittelalterliche  L'rkuude.  Indessen  verschlug  dies  nach  seiner  Meinung  nicht 
viel;  Abhilfe  sollte  hier  die  Errichtung  eines  historischen  Archivs  in  Wiesbaden 
schaffen.  Für  die  Bildung  desselben  sollten  die  Laudesarchive  alle  geschichtlich 
wichtigen  Urkunden  hergeben.  Den  Auftrag,  diese  zu  ermitteln  und  zur  Über- 
führung nach  Wiesbaden  auszuscheiden,  zugleich  aber  Auszüge  aus  denselben 
für  Weitzels  Zwecke  zu  fertigen,  erhielt  Vogel,  der  infolge  dessen  bis  zum  Ende 
des  Jahres  1827  in  Idstein  arbeitete.  Die  Angabe  von  Schwartz,  Aunalen  XI, 
202,  dass  diese  Arbeiten  in  Idstein  durch  Habel  ausgeführt  seien,  ist  hiernach 
zu  berichtigen.  Im  Interesse  der  Sache  betrieb  Weitzel  damals  die  Versetzung 
Vogels,  der  nach  seiner  Äusserung  „fast  zum  lebendigen  Archiv"  geworden 
war,  auf  die  vakante  Pfarrei  Erbeuhcim,  aber  ohne  Erfolg.  Die  Arbeiten 
wahrten,  nachdem  auch  Habel  herangezogen  und  zum  Archivar,  das  heisst  Vor- 
steher eines  solchen  in  Wiesbaden  zu  gründenden  historischen  Archivs,  ernannt 
war,  bis  zum  Jahre  1829,  gerieten  aber  dann,  wohl  infolge  von  Eifersüchteleien 
zwischen  llabel  und  Vogel,  ins  Stocken.  Weitzels  wiederholte  Klagen,  dass 
keiner  seiner  ^litarbeiter  mehr  einen  Finger  für  die  Sache  rege,  konnte  Vogel 
sieghaft  wiederlegen;  er  übergab  am  17.  Juni  1830  ein  56  Bogen  starkes 
Manuskript,  betitelt:  „Geschichte  von  Nassau",  zweite  Periode,  496 — 1000, 
während  er  die  aus  Urkunden  gefertigten  Auszüge  vorsichtig  für  seine  Samm- 
lungen zurückhielt.  Gegen  Ende  des  Jahres  1832  klagt  Weitzel,  dass  er  nicht 
einen  Schritt  vorangekommen  sei  in  den  letzten  drei  Jahren;  noch  wisse  er 
nicht,  ob  sich  auch  nur  eine  geschichtlich  wichtige  Urkunde  in  den  Landes- 
archiven vorfinde! 

Die  Verbindung  Weitzel,  Habel  und  Vogel  konnte  hiermit  als  aufgelöst 
betrachtet  werden;  weitere  Vorkommnisse  vergrösserten  die  Kluft  zwischen  den 
Dreien.  Vogel,  der  einzige,  welcher  mit  aufrichtiger  Hingebung  bei  der  Sache 
gewesen  und  etwas  geleistet  hatte,  beschloss  sich  wieder  auf  eigene  Füsse  zu 
stellen.  Den  einmal  angeregten  Gedanken  der  Abfassung  einer  nassauischen 
Geschichte  Hess  er  ungeachtet  der  gemachten  Erfahrungen  nicht  aus  den  Augen. 
Als  Johannes  Weitzel  am  10.  Januar  1837  gestorben  war,  bewirkte  er  durch 
Vermittcluug  seines  Freundes,  des  Ministerialrats  Vollpracht,  dass  der  Herzog 
ihn  und  diesen  im  Februar  1838  mit  der  Abfassung  der  Landesgeschichte  be- 
auftragte. Doch  ehe  wir  hierauf  eingehen,  haben  wir  manches  aus  Vogels 
Leben  nachzuholen,  au  welchem  uns  die  bisherige  Darstellung  vorbeiführte. 
Seine  —  unter  den  damaligen  Umständen  nicht  wohl  erklärliche  —  Versetzung 
nach  Kirberg  am  1.  Januar  1831,  anstatt  des  von  ihm  aus  guten  Gründen 
dringend  gewünschten  Erbenheim,  ist  zuerst  anzuführen.  Von  Kirberg  aus  ver- 
öffentlichte er  1832  das  „Nassauische  Taschenbuch".  Auch  diese  Arbeit  brachte 
nur  gelegentlich  gereifte  Früchte,  kleinere  Erträge  seiner  grösseren  Forschungen; 
diese  erstreckten  sich  auf  die  verschiedenartigsten  Gebiete  und  gaben  so  ein 
treffendes  Bild    des    umfassenden   Fleisses  Vogels.     Wohlverdiente    Ehrung  be- 


205 

reitete  ilini  der  Yorein  für  licssisclio  (Jcschiclito,  welcher  ihn  unter  dem  28. 
Dezember  1835  zum  korrcspundicrendcn  Mitglicdo  wühlte.  Für  die  beiden 
ersten  Bünde  der  Zeitschrift  dieses  Vereins  spendete  Vogel  kleinere  aber 
schätzbare  Beitrüge;  mit  den  leitenden  Persönlichkeiten  dieses  Vereins,  niiment- 
lieh  dem  Ilofrat  Dr.  Steiner,  stand  er  in  freundsclia(tlichem  Briefwechsel. 

Wie  inzwischen  das  Projekt  einer  nassauischen  Landesgeschichto  scheiterte, 
ist  vorhin  gesagt.  Vogel  mussto  von  dem  Unternehmen  mit  der  gewi.ss  wenig 
erfreulichen  Empfindung  scheiden,  mehrere  Jahre  seines  Lebens  geopfert  zu 
haben.  Tief  verstimmt  scheint  er  sich  von  seineu  Wiesbadener  Frennilen  zu- 
rückgezogen zu  haben.  Gleichzeitige  Vorkommnisse  in  dem  von  ihm  l)i.s  dahin 
gestützten  Wiesbadener  Altertumsveroinc  führten  zeitweilig  zu  einer  Isolierung 
des  Gekränkten. 

Den  Vorsitz  im  Altertumsverein  als  Direktor  führte  damals  der  Staats- 
kassen-Direktor Ilauth,  das  Museum  des  Vereins  verwaltete  als  Konservator 
dessen  Begründer,  der  Archivar  Ilabcl.  Habeis  Verdienste  um  das  Museum, 
um  Erforschung  und  Erhaltung  der  Denkmäler  in  unserem  Lande  werden  un- 
vergänglich und  unübertroffen  bleiben,  llabels  Leistungen  wollen  wir  nicht 
verkleinern,  wenn  wir  beifügen,  dass  er  den  Verein  andererseits  auch  ebenso 
sehr  geschädigt  hat  durch  sein  Bestreben,  seine  einseitig,  nur  auf  die  Erforschung 
der  römischen  Zeit  gerichteten  Thätigkeit  die  ausschliessliche  Herrschaft  im 
Verein,  dessen  Mitgliedern  er  sich  nach  allen  Richtungen  hin  weit  überlegen 
glaubte,  zu  sichern.  Nicht  minder  entfremdete  er  sich  durch  seine  Bissigkeit 
und  kleinliche  Streitsucht  die  Freunde  und  Verehrer.  Schwere,  nur  langsam 
und  mit  Mühe  überwundene  Krisen  hat  er  über  den  Verein,  für  dessen  Wohl 
er  aufrichtig  zu  arbeiten  glaubte,  gebracht. 

Die  Streitigkeiten  zwischen  dem  Direktor  Hauth  und  Habel,  welche  im 
Jahre  1836  die  Auflösung  des  Vereins  herbeizuführen  drohten,  scheinen  ihren 
Ursprung  in  abweichenden  Anschauungen  beider  bezüglich  der  Auslegung 
einzelner  Bestimmungen  der  Vereinsstatuten  gehabt  zu  haben.  Ln  Xovember 
1836  hatte  sich  der  Konflikt  so  weit  zugespitzt,  dass  der  alte  Direktor  Hauth, 
der  fortgesetzten  Reibungen  müde,  den  Vorsitz  niederlegen  zu  wollen  erklärte. 
Habel  nahm  von  dieser  Erklärung  mit  Behagen  Akt  und  teilte  dieselbe  Vogel, 
der  mit  ihm  dem  Vereinsvorstande  angehörte,  nach  Kirberg  nebst  einem  Vor- 
schlage zur  Herstellung  besserer  und  friedlicherer  Verhältnisse  im  Vereine  mit. 
Nach  diesem  Plane  wollte  er  sich  mit  Vogel  in  die  Leitung  des  Vereins  teilen; 
Habel  behielt  sich  das  Museum  und  die  Redaktion  der  Zeitschrift  des  Vereins, 
der  mittlerweile  zu  Ruf  gelaugten  Annalen,  vor,  Vogel  aber  sollte  von  seinem 
entlegenen  Wohnorte  aus  die  äussere  Geschäftsleitung  führen!  Letzteres  nuiss 
Vogel,  der  ja  bereits  kurz  vorher  in  hinlänglichem  Masse  recht  unliebsame 
Erfahrungen  in  seinem  Verkehre  mit  Habel  gemacht  hatte  und  der  auch  in 
diesem  Streite  nicht  auf  Habeis  Seite  stand,  doch  wie  Holm  geklungen  haben. 
In  einem  Briefe  vom  6.  Dezember  1836  lehnte  Vogel  in  wünlevoller  Weise 
die  Zumutung  ab,  indem  er  zugleich  bei  der  Neugestaltung  des  Vereinsvor- 
standes für  sich  die  einflussreiche  Stellung  forderte,  welche  er  als  einziger  und 
verdienter  Forscher    auf  dem  Gebiete    der  mittelalterlichen  Geschiciite  für  sich 


206 

zu  verlangen  sich  berechtigt  hielt.    Er  forderte  für  sich  —  und  die  Berechtigung 
dieser  Forderung  war  unbestreitbar  -  -  die  Redaktion  der  Yereinszeitschrift. 

«Es  thut  mir  sehr  leid,  so  antwortete  er  Habol.  ilass  die  Geschichte  unseres 
nassauischeu  liistorischcn  Vereins  immer  traurigere  Wendung  nimmt.  Es  ist  nun  an 
uns,  ilas  arme  Schit'tloin  unter  den  drohenden  Wellen  so  zu  führen,  dass  es  wenigstens 
erhalten  werde.  Hierzu  will  ich  gerne  nach  Kräften  mitwirken.  Ich  überlasse  also 
Ihnen  und  dem  Hauptmann  von  Bornhorst  die  interimistische  Direktion,  Sie  sind 
zur  Stelle,  haben  einen  sicheren  Überblick  und  (Jeschäftskenntnis  und  wissen  also  alle 
Vorteile  für  den  Verein  zu  ergreifen  und  zu  benutzen.  Handeln  Sie  hier  nur  mit 
aller  Liebe  für  die  Sache,  mit  Manidicit  und  Reinheit.  Ich  will  dagegen  die  Re- 
daktion der  Annalen  übernehmen,  an  deren  raschen  Fortschritt  alles  gelegen  ist. 
Übermachen  Sie  mir  nur  gütig  umgehend  alles  darauf  bezug  habende.  Ich  bedinge 
mir  nur  dabei  dieselbe  Freiheit  aus,  die  Sie  dabei  bisher  genossen  haben.  Ich  rinde 
auf  diese  Weise  denn  endlich  auch  einmal  Gelegenheit,  für  den  Verein  thätig  wirken 
zu  können  und  bei  aller  Liebe  für  die  Sache  mich  der  drückenden  Ansicht  überhoben 
zu  sehen,  als  sei  ich  das  fünfte  Rad  am  Wagen.  Stimmen  Sie  also  darin  mit  nur 
überein  und  übergeben  Sie  mir  umgehend  alles,  was  zur  Fortsetzung  der  Annalen 
dient,  so  werde  ich  mit  aller  Kraft  für  den  Verein  wirken,  wo  nicht,  so  erkläre  ich 
hiermit  nicht  nur  meinen  Austritt  aus  dem  Vorstande,  sondern  auch  aus  dem  Verein.» 

In  der  schönen  Hoffnung,  dass  Habel  mit  ihm  übereiustimmeu  würde, 
hatte  Vogel  sich  doch  erheblich  verrechnet.  In  seiner  Autwort  suchte  Habel 
sich  mit  der  ihm  zu  Gebote  stehenden  Dialektik,  wie  er  sie  später  in  noch 
höherem  Masse  in  seinem  ähnlichen  Streite  mit  dem  Idsteiner  Archivdirektor 
Friedemanu  entfaltete,  um  Vogels  Forderungen  herumzuwinden,  um  dieselben 
schliesslich  abzulehnen.  Vogel  schloss  sich  sofort  den  weiteren  Schritten  des 
Vereinsdirektors  Ilauth  an,  er  zeigte  seinen  Austritt  aus  dem  Vereine  an. 
Dennoch  aber  und  ohne  die  gestellte  Forderung  der  Übertragung  der  Redaktion 
der  Annalen  durchgesetzt  zu  haben,  meldete  er  sich,  nachdem  der  Ilegierungs- 
präsident  Möller  das  Direktorium  des  Vereins  übernommen  hatte,  im  März  1838 
aufs  Neue  als  Mitglied  an  und  entsprach  in  der  Folge  auch  der  unter  dem 
1.  Dezember  1838  vom  Präsideuten  Möller  an  ihn  gerichteten  Aufforderung, 
Beiträge  für  die  Annalen  einzusenden! 

Vogel  griff  unter  diesen  Umständen  auf  seine  älteren  Studien  zurück, 
welche  durch  seine  Arbeiten  für  die  Landesgeschichte  Unterbrechung  erlitten 
hatten.  In  Kürze  erfolgte  die  Herausgabe  seiner  „historischen  Topographie 
des  Herzogtums  Nassau",  mit  Vorrede  vom  1.  Juni  1836,  seinem  Freunde, 
dem  Kegierungsrat  Vollpracht,  ,,dem  tiefen  Kenner  der  vaterländischen  üe- 
schichtc,  Verfassung  und  Hechte"  zugeeignet.  Das  Buch  gibt  in  den  ersten 
6  Abschnitten  eine  Übersicht  über  die  ältere  Geschichte  und  Verfassung 
der  Länder,  aus  welchen  das  Herzogtum  sich  zusammensetzt.  Der  Behandlung 
des  Stoffes  in  den  folgenden  Abschnitten  die  alte  Einteilung  des  Landes  in  Gaue 
zu  Grunde  zu  legen  und  in  diese  Einteilung  die  28  Ämter  des  Herzogtums 
einzuzwängen,  veranlasste  ihn  der  ursprüngliche  Plan  der  Arbeit.  Verdienter- 
massen fand  das  Buch  vielfache  Anerkennung,  der  Herzog  Hess  dem  Verfasser 
im  Februar  1838  für  dasselbe  eine  Gratifikation  von  400  Gulden  auszahlen. 
Übel  begegnete  dem  Verfasser  jedoch    der  Wiesbadener  Gymnasiallehrer  Josef 


207 

Muth,    damals    noch  katholischer  Priester   und  daneben  eifriger  Verfechter  der 
konfessionslosen  Schulen.     „Statt    der    nassauischon    Geschichte",    höhnte  Muth 
in    einer    vom   13.  August    1830  datierten   Besprechung  des  Buches,    „die  man 
schon    lang    aus    geübter   Feder    erwartet,    ist    dieser    Tage    erschienen:    Vogel 
(Pfarrer  in  Kirberg)    historische  Topographie    des  Herzogtums  Nassau.     Wohl- 
gemeint,   aber    ohne    rechten    Plan,    viel    Steine    und  Mörtel,  jedoch  kein  Bau. 
Das  Werk  ist  gewidmet  dem  Herrn  Kegieruugsrat  Vollpracht,  dem  tiefen  Kenner 
der  nassauischen  Geschichte,  Verfassung  und  Rechte.     Der  Herr  Regierungsrat, 
ein    bescheidener  Manu,    auch  wohlbewaudert    in  Verfassung    und  Rechten  de» 
Herzogtums,    wird    sich    den    tiefen    Kenner    der    Geschichte    verbitten.     Die 
Schmeichelei    ist   etwas    zu    plump,    ein    Mann,    der    das    Wort  Gottes    predigt, 
sollte    nicht    schmeicheln."      31uths    hämisches   Urteil    über    die   geschichtlichen 
Kenntnisse  Vollprachts    beruhte    doch  auf  Irrtum,   doch    können    wir    au  dieser 
Stelle    hierauf   nicht  eingehen.     Vollpracht  selbst  soll    diese  Bemerkung  Muths 
sehr  übel  vermerkt  haben;  durch  dieselbe  soll,  wie  erzählt  wird,  die  nicht  lange 
darauf   erfolgte  Versetzung  Mutlis    an  das  Gymnasium  zu  Weilburg  veranlasst 
worden  sein. 

Wir  haben  schon  des  am  10.  Januar  1837  erfolgten  Todes  Weitzels  ge- 
dacht; der  Wiesbadener  historischeu  Kommission  wurde  hierdurch  auch  äusserlich 
das  Ende  bereitet.  Die  schwierige  Erbschaft  anzutreten,  hielten  der  Regierungs- 
rat Vüllpracht  und  Vogel,  der  nochmals  1837  die  uneingeschränkte  Erlaubnis 
zur  Benutzung  der  Landesarchive  erhalten  hatte,  sich  für  berufen.  Durch  Vcr- 
mittelung  des  Ministers  von  Duugern  erteilte  der  Herzog  dem  von  Vollpracht 
ausgearbeiteten  Plane  im  Februar  1838  die  Genehmigung.  Vollpracht  erhielt 
die  Leitung  des  Unternehmens,  er  erbat  für  sich  die  Bearbeitung  der  Geschichte 
der  „ihm  genau  bekannten  finanziellen  Verhältnisse  des  Landes."  Das  Manuskript 
von  Vogels  nassauischer  Geschichte  vom  Jahre  496  bis  1000  wurde  ihm  aus- 
gehändigt. 

Zu  einem  Abschlüsse  in  dem  geplanten  Sinne  ist  jedoch  das  schon  vorhin 
berührte  Unternehmen  auch  in  diesem  zweiten  Stadium  nicht  gebracht  worden. 
Vogel  fuhr  fort,  mit  gewohntem  Fleisse  Urkunden  und  Akten  der  Archive  zu 
exzerpieren  und  seine  haiulschriftlicheu  Sammlungen  durch  diese  Ausbeute  zu 
bereichern,  entschloss  sich  aber  bald,  die  Ergebnisse  seiner  Studien  für  eine 
zweite  umgestaltete  Bearbeitung  seiner  historischen  Topographie  zu  verwenden. 
Im  Ministerium  scheint  man  mit  dieser  endlichen  Lösung  der  Aufgabe  einver- 
standen gewesen  zu  sein  und  so  erschien,  finanziell  von  der  genannten  Behörde 
unterstützt,  im  Jahre  1843  sein  noch  heute  so  schätzbares  Hauptwerk,  die 
, Beschreibung  des  Herzogtums  Nassau."  Von  der  Analysierung  dieses  Buches 
können  wir  an  dieser  Stelle  füglich  Abstand  nehmen  und  bemerken,  dass  seine,  wie 
wir  sahen,  bereits  1832  abgeschlossene  „Geschichte  von  Nassau",  zweite  Periode, 
496  bis  1000,  hier  an  passenden  Stclleu  Verwendung  und  Abdruck  fand. 

Das  Buch  sollte  in  6  Lieferungen  zu  40  Kreuzern  erscheinen;  die  drei 
ersten  Lieferungen  lagen  bis  Ende  Oktober  1843  vor. 

Aus  dem  äusseren  Leben  Vogels  in  dieser  Zeit  haben  wir  nachzutragen, 
dass  er  im  Jahre  1838  zum  Dekan,  1842  zum  Schulinspektor  zu  Kirberg  und 


208 

1849  zum  Inspektor  der  evangelischen  Schulen  im  Amte  Kirberg  ernannt  wurde. 
Neben  der  geächilderten  wissenschaftlichen  Thätigkeit  hatte  er  somit  noch  den 
ausgedehnten  Anforderungen  seines  Amtes  gerecht  zu  werden.  Vielleicht  waren 
es  diese  Dienstpflichten,  vielleicht  auch  die  ersten  Kegungen  des  schweren 
körperlichen  Leidens,  dem  er  erlag,  welche  seine  weitere  wissenschaftliche  Arbeit 
einschränkten.  Nach  dem  Erscheinen  des  eben  besprochenen  Buches  haben 
wir  eine  grössere  Arbeit  nicht  mehr  zu  verzeichnen;  wir  finden  nur  kleine, 
gelegentliche  ^ritteilungen  aus  dem  reichen  Schatze  seiner  Sammlungen.  Die 
letzte  dieser  Veröffentlichungen  dürfte  eine  kleine  Humoreske,  eine  „Scene  aus 
dem  ökonomischen  Leben  eines  Nassau-Dillenburgischen  Landschullehrers  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert"  sein,  welche  das  nassauische  Schulblatt  noch  kurz 
vor  dem  Hinscheiden  des  Schwerkranken  aus  dessen  Feder  brachte.  Bald 
darauf,  am  29,  Juli  1852,  erlöste  ihn  ein  sanfter  Tod  von  seinem  schweren 
Jjoiden;  erst  am  4.  Juni  d.  J.  hatte  er  in  seinem  Pflichteifer  es  über  sich  ge- 
winnen können,  zur  Unterstützung  in  seinen  kirchlichen  Amtsgeschäften  sich 
der  Beihilfe  eines  Vikars  zu  bedienen. 

Das  entworfene  Bild  durch  Schilderung  der  Wirksamkeit  Vogels  als 
Geistlicher,  sowie  seines  sonstigen  ausgezeichneten  Lebens  zu  vollenden,  müssen 
wir,  da  dies  ausserhalb  unserer  Aufgabe,  uns  versagen.  Nur  gehört  hierhin 
noch  die  Bemerkung,  dass  derselbe,  treuer  Anhänger  des  evangelischeu  Be- 
kenntnisses, die  Anschauungen  anderer  Konfessionen  ehrte;  die  Behandlung 
namentlich  der  Reformationsgeschichte  in  seinen  Schriften  zeigt  dies. 

Vogels  handschriftlicher  Nachlass  wurde  nach  seinem  Tode  für  das 
Landesarcliiv  zu  Idstein  augekauft  und  beruht  jetzt  im  Staatsarchive  zu  Wies- 
baden. Ein  im  Besitze  des  Altertums-Vereins  befindliches,  in  den  Anualen") 
vcröftentlichtes  Verzeichnis  dieses  Nachlasses  von  der  Hand  Rössels  ist  fehler- 
haft und  unvollständig. 


*)  Aniialcii  XVI r,  70. 


Zu  den 

Kiipreelitoii  von  Nassau  und  iliron  Gomnlilitinon. 

Von 

Joseph  Hillsbranl 


In  Bezug  auf  die  Nassauischen  Grafen  des  Namens  Ilupreclit  herrscht 
schon  insofern  Verwirrung,  als  sie  von  Vogel,  Schliephake-Menzel  und 
Isenbeck  (in  der  Stammtafel,  Annalen  XV,  1879,  S.  113  ff.)  verschieden  ge- 
zä])lt  werden.  Ruprecht  1.  wird  übereinstimmend  so  bezeichnet.  Ruprecht  Tl. 
Vogels  und  Isenbecks  aber  will  Schliephake  (I,  253  ff.  und  268)  über- 
haupt nicht  recht  gelten  lassen  und  zählt  er  nicht  mit.  So  ist  denn  Vogels 
und  Isenbecks  Ruprecht  lU.  (der  Streitbare)  ihm  der  Zweite  dieses  Namens 
(in  Menzels  Register  allerdings  auch  der  Dritte),  Vogels  Ruprecht  IV.  ist 
bei  Schliephake  R.  III.  (in  Menzels  Register  IL),  bei  Isenbeck  R.  V.; 
Vogels  R.  V.  hinwiederum  ist  bei  Isenbeck  R.  IV.,  während  er  bei  Schlioi)- 
hake-Menzel  wieder  nicht  mitgezählt  ist.  Herr  Pfarrer  Ludw,  Conrady  hat 
in  seiner  ,,Geschichte  des  Hauses  Nassau"  im  vorigen  Annalen-Bande,  wohl  um 
die  Verwirrung  nicht  noch  zu  vergrösseru,  mit  Recht  bei  der  Zählung  sich  an 
Vogel  angeschlossen,  wie  es  auch  hier  geschehen  soll.  Es  empfiehlt  sich  das 
um  so  mehr,  weil  Vogels  Ruprecht  III.  und  IV.  beide  Gemahlinnen  des 
Namens  Elisabeth  hatten  und  Conrady  nun  glaubt  auch  dem  Grafen  Rup- 
recht II.  eine  seither  einem  anderen  Ruprecht  beigegebeno  Elisabeth  zuweisen 
zu  sollen,  was  eine  weitere  Verschiebung  in  den  genealogischen  Verhältnissen 
jener  Zeit  im  Gefolge  gehabt  hat.  Ruprecht  der  Streitbare  nämlich  (111.  nach 
Vogel),  welcher  nach  der  seitherigen  Annahme  Elisabeth,  eine  Tochter  Em  iclis  III. 
von  Leiningen,  die  als  1150  oder  1169  bereits  vermählt  und  noch  1235  IcIkmuI 
galt,  zur  Gemahlin  hatte,  soll  eine  Elisabeth,  Tochter  Em  ich  s  IL,  von  dem 
aber  eine  solche  nicht  nachweislich,  bekommen.  Der  Ruprecht  dagegen,  Vogels 
R.  IV.,  der  als  Gemahl  der  Elisa  von  Schaumburg  galt,  soll  nach  ihm  mit 
jener  Elisabeth,  der  Tochter  Emichs  HI.  von  Leiningen,  die  noch  12;i5  am 
Leben  war,  vermählt  gewesen  sein.  Und  der  Elisa  von  Schaumburg,  die,  wenn 
sie  nicht  geradezu  dem  Isonburgischen  Hause  angehih'te,  mindestens  in  nahen 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  demselben  stand,  gibt  Conrady  statt 
Ruprechts IV.  zum  Gemahl  Ruprecht  IL,  dessen  Gemahlin  seither  unl)ekannt  war.') 

')  Xacli  Vogel    freilioli   (Bcsclireibg.  iles  Herz.  Nassau,   S.  302)  hiess  sie  Beatrix,    wie 
seine  Mutter,   wogegen    s.  Schlieph.  I,    S.   261. 


210 

Ich  kauu  Herrn  Counidy  hierin  aber  nicht  beistimmen.  Er  geht  davon 
aus'),  dass  Elisabeth,  die  Gemahlin  Kuprechts  lU.  des  Streitbaren  (dass  dieser 
eine  GemahUn  des  Namens  Ehsabeth  gehabt,  schliesst  man  aus  dem  Arnsteiner 
Totenregister,  weil  dort  ein  Rupr.  und  El.  als  Eltern  Plermanns^)  bezeichnet 
sind,  der  eben  ein  Sohn  Ruprechts  des  Streitbaren  war),  die  als  eine  Gräfin  von 
Leiningen  anzusehen  ist,  weil  in  einer  undatierten,  von  Senckenberg  und 
Kremer  ins  Jahr  1159,  von  Knoch  1169  gesetzten  Urkunde^)  bei  den  Zeugen- 
angaben es  heisst:  „Ego  Emicho,  Ilermannus,  Eberhardus,  Fiidericus  filii  mei, 
Rubertus  comes  de  Nassowen  gen  er  meus",  dass  also  diese  Elisabeth  und 
die  Elysa  quondam  comitissa  de  Nassouuia,  die  im  Jahre  1235  vorkommt'") 
und  als  Tochter  Emichs  III.  von  Leiningen")  erwiesen  ist,  nicht  wohl  dieselbe 
Person  sein  könnten,  während  sie  ziemlich  allgemein  dafür  gehalten  werden. 
Wenn  Elisabeth  von  Leiningen  von  1235  die  Gemahlin  Ruprechts  III.  wäre, 
meint  Conrady,  so  würde  1235  deren  Alter,  wie  es  für  diesen  Fall  mit  Hilfe 
verschiedener  Daten  über  Emichs  IH.  andere  Töchter,  besonders  Luckarde 
berechnet  wird,  ein  zu  hohes  sein.  Die  Elisa  vou  1235  muss  also  einen 
jüngeren,  später  lebenden  Gemahl  erhalten  und  erhält  durch  ihn  Ruprecht  IV., 
den  Sohn  Heinrichs  I.  von  Nassau,  dem  Schliephake  eben  die  Elisa  vou 
Schaumburg  (Mutter  der  Gräfin  Luckarde  von  Yirneburg)  zugewiesen  hatte, 
die  er  wegen  des  Isenburgischen  Mitbesitzes  von  Schaumburg  für  eine  Isen- 
burgerin  hielt.  Da  aber  doch  in  der  teils  1159,  teils  1109  gesetzten  Urkunde 
schon  ein  Ruprecht  von  Nassau,  der  nicht  wohl  ein  anderer,  als  R.  der  Streit- 
bare sein  kauu,  als  gener  eines  Emich  vou  Loiningen  Zeuge  Emichs  ist,  so 
soll  gener  hier,  wie  allerdings  nicht  selten,  sogar  „maxime"  nach  Du  Gange - 
Henschel,  Schwager  bedeuten  und  Ruprechts  III.  Gemahlin  Elysa  also  eine 
Tochter  Emichs  des  Zweiten  von  Leiningen  sein. 

Dagegen  ist  Folgendes  zu  erinnern.  Die  undatierte  Urkunde  kann 
nicht  nur,  wie  Knoch  meint,  ganz  wohl  11(!9,  sie  kann  noch  später  ausgestellt 
sein,  nach  Schliephake")  „merklich  später",  auch,  wie  Conrady  selbst  S.  90 
darthut,  nach  1179.  Ich  finde  insbesondere  in  den  Namen  der  Zeugen  in  der- 
selben, wie  auch  sonst,  nichts,  was  dagegen  spräche.  Abgesehen  von  den 
Zeugen  ist  übrigens  wenig  Anlialt  zur  Zeitbestimmung  geboten.  Der  Zeuge 
Kuurad,  Bischof  von  Worms,  könnte  Konrad  I.  vou  Steinach  (1150 — 1170)  oder 
auch  Konrad  11.  von  Sternberg  (1171  — 1192)  sein.  Von  Emichs  drei  genannten 
Söhnen  überlebte  Friedrich  den  Vater    und  lebte  Eberhard  noch   1179.*)     Der 


-')  Ann.  XXVI,  87  ff.  —  '-^j  S.  JJecker,  Ann.  Wl,  l:{  u.  Vogel,  Bos.hr.  u.  s.  w.  307. 
Hermann  kommt  in  einer  zwischen  1190  u.  1192  fallenden  Urkunde  als  Vogt  über  Koblenzer 
Güter  vor,  der  die  Vogtei  resigniert  liat  (Mittelrli.  Urkdbudi,  II,  lt;;{  n.  749,  Reg.  No.  849) 
und  noch  1240  als  .Mainzer  Kanonikus  zu  St.  Peter  (Schlieph.  1,  .■{42,  Bodmann,  Khoing. 
Alt.  II,  .S74).  Hermann  stammte  möglicherweise  aus  einer  ersten  Ehe  Ruprechts  und 
könnte,  da  Ruprecht  c.  11. ")4  schon  erwachsen  war  (Scliliep.h.  I,  2.">r)),  Elisabeth  aber  viel- 
leicht erst  c.  llß(»  geboren  ist,  ein  Stiefsohn  von  dieser  gewesen  sein.  Doch  sind  wir  zu 
dieser  Annahme  nicht  geradezu  genötigt,  da  die  Geburt  Elisabeths  auch  um  das  Jahr 
1150  geftillcn  sein  kann,  wie  weiterhin  gezeigt  wird.  —  ■*)  Krem  er,  Or.  Xass.  II,  S.  191,  I,  390. 
—  '•')  Kremer  1.  c.  II,  S.  274.  —  '^;  Dieser  f  vor  11S9  nach  Lehmann,  Gesch.  d.  Burgen 
u.  9.  w.  d.  bajr.  Pfalz,  111,  S.  21.  -  ')  1,  250.  —  ")  Conrady  i.e.  uud  Kremer,  Or.Xass.  I,  391, A.  4. 


211 

Zeuge    Helgcriis    de    Frankenstein    erinnert    an    niid    wird    von    Kiillner')  und 
Loliniann'")  auch  gelialten    für  den    114()  erwälmten    und  den    ll(i4  als  Zeuge 
auftretenden    llelonger    von    Frankenstein.      Aber    auch    11  Üf)    (Tscheinen    zwei 
llellinger    von  Frankenstein,")     Ein  Hugo    (Huc)   und  ein    ililih-hold   von   Isen- 
burg  (Eisenberg)  treten,  wie  in  unserer  Urkunde,  so  im  Jahre  1  I-IO  bei  Kölluer'  ) 
auf,  sie  können  aber  ebenso  gut  11G9  und  später  noch  gelebt  haben,  wie  Einich 
selbst.     Der  Zeuge  Siegfried,    Propst   „eiusdem    loci",    also  wohl  des  Ortes,  um 
den  es  sich  in  der  Urkunde  handelt,   des  Klosters  Ilagen   bei  AU-Leiningen  in 
der  bairischen  Pfalz,  jetzt  Plöningen"),  das  Emich  im  Jahre  1140  nach  Kreiner"), 
wahrscheinlich    1120    nach  Lehmann")  stiftete,    scheint  jedoch  für  IIa!)  nicht 
zu  i)asson.     Denn  nach  einer  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  1.  vom   18.  Jan.   llbO"') 
war    UGO   Propst    von    Ilageu    noch    Härtung,    der    erste    überhaujjt    von    den 
Pröpsten  nach  Schannat.'')     Schannat  kennt  dann  erst  aus  dem  Jahre  1222 
wieder  einen  Propst,  nämlich  Amilius.     Aber  in  einer  undatierten  Urkunde  bei 
Baur"),  die  dort  c.   1173  gesetzt  ist,  erscheint  allerdings  als  Zeuge  „Sigefridus 
prepositus  de  Hagene",    worunter  ich  gegen  Ritsert    (im  Register  zu  Baur's 
Urkundenbucli)  das  Leiningische  Hagen,  Ilöningen  verstehe,  nicht  Hagen  bei  Bo- 
landen  (Kölluer  1.  c.  S.  321),  da  als  erste  Laien  Emich  von  Leiningen  und  sein 
Sohn  Eberhard  Zeugen  sind  und  es  sich  in  der  Urkunde  um  Ibersheim  (Ilbesheim 
bei  Alzey)  handelt,  wo  die  Leiniugen  wenigstens  1237  einen  Hof  (Lehmann,  Gesch. 
der  Pfälzer  Burgen  HI,  34)  und  1285  eine  Vogtei  hatten  (Baur  H,  S.  380).    Das 
spräche  also  zum  mindesten  mehr  für  Knochs  Ansiclit  über  die  Abfassungs- 
zeit  der  Urkunde  Emichs  und  für  das  Jahr  11  GH.     War  nun  damals  Ruprecht 
der  Streitbare  gener  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  Wortes,  wie  sie  doch 
auch    das  französische    gendre  bis  in  die  neueste  Zeit  hat,    also  Schwiegersohn 
Emichs    des  Dritten,    kann    also    seine  Gemahlin  Elisabeth   um   lläO  geboren 
sein,    so   w^ar    sie    1235    85  Jahre  alt,    was    auch  noch  kein  so  ganz  ausserge- 
wöhnliches  Alter  wäre.     Ist  aber  die  Urkunde  aus  der  Zeit  nach  dem  Jahre 
1179  etwa,    wofür  auch  wir  mit  Conrady    selbst  uns  entscheiden,    dann 
käme  als  Geburtsjahr  c.   IIGO  und  ein  Alter  von  unter  75  Jahren  für  das  Jahr 
1235  bei  Elisabeth  heraus. 

Sehen  wir  weiter  zu.  Luckarde,  als  deren  Schwester  1235  Elisabeth, 
„quondam  comitissa  de  Nassouuia"  und  nach  der  seitherigen  Annahme  WHtwe 
eben  jenes  Ruprecht  des  Streitbaren,  erscheint,  war  zuerst  mit  Simon  dem 
Zweiten,  Grafen  von  Saarbrücken,  vermählt,  der  vor  1208  starb'^),  und 
tritt    seit    1220'°)  auf  als  Gemahlin  Lothars,   Grafen  von   Wied.     Wenn   also 


■')  Gesch.  d.  Herrschft.  Kirohheira-P.oland,  18.J4,  S.  298.  —  '»)  1.  c.  II,  39.5.  —  "i  l.oli- 
mann  1.  c.  —  '-)  I.  c  S.  341,  A.  1.  —  '■')  Kremer,  Gesch.  des  Ardennischoii  Oeschleclits 
11.  s.  w.  1785,  I,  156.  —  ")  1.  c.  —  '")  1.  c.  III,  S.  1.5.  —  "•)  Kremer,  Gesch.  d.  Ard.  G.  II. 
S.  248.  —  ")  Historia  episcop.  Wormat.  1734,  I,  S.  151.  —  •*')  Hessische  Urkunden,  II,  ISiVJ, 
S.  22.  Es  ist  die  „von  Hrincknieicr  I,  22  angeführte,  al)er  niclit  iiachifewicscnc-  iTkundc 
(Conrady,  S.  90,  A.  5).  —  '^)  nach  Köllner,  Gesch.  des  Saarbrück.  Lande.'?,  1S41,  II, 
S.  79.  S.  auch  .Mittelrhein.  Urkdb.  II,  S.  315  u.  S.  778  zu  liegest  1(I04.  Nacli  Kr.Mn.-r, 
Gesell,  des  Ardenn.  Geschlechts  I,  15:!  war  er  1211  tot.  Dats  er  nach  1214  gestorben  sei, 
wie  Conrady  inicli  Brinckmeier's  unziiverlüssig»Mi  Angaben  anniniint  iS.  89.  ist  wohl 
nicht  richtig.  —    -")  Görz,  Mittelrh.  llegesteu  II,  S.  411,  vergl.  S.  433  u.  434. 


0]0 

Luckai-de    nicht    wcir    von  der  Goburtszeit  von  Ruprechts    des  Streitbaren  Ge- 
mahlin das  Licht  der  Welt  erblickt  hätte,  so  wäre  sie,    meint  Conrady,  beim 
Tode  ihres  Gemahls  Simon  55  oder  05  Jahre  alt  gewesen;  dass  sie  dann  noch 
einen    zweiten   Gemahl   gefunden,    hält    er    für    höchst   unwahrscheinlich.     Nun 
nimmt    ja   aber    Conrady    doch    auch  die  Zeit   nach   1179  als  Ausstellungszeit 
für    die   mehrerwähnte  Urkunde    an,    kann    also    als    Geburtszeit   Luckardens 
etwa  das  Jahr  IIGO    oder   später   ansetzen.     Und    dann  war  diese,    als  ihr 
erster  Gemahl  (c.   1208)  starb,  eben  nicht  c.  65,  sondern  noch  nicht  48  Jahre 
alt.     In    der  Werschweilerer    Stiftungsurkunde    von    1180,   wo   als  Zeugen   ein 
Graf  Simon  (woher,  steht  nicht  dabei)  und  seine  Sühne  Heinrich  und  Friedrich 
genannt    werden"'),    können  —  das    sagt   Conrady   selbst  —  nicht  Simon  der 
Zweite    von    Saarbrücken    und    seine   und    Luckardens    Söhne    gemeint   sein. 
Es  kann  und  wird  vielmehr  gegen  Krem  er  mit  Crollius,  den  Conrady  citiert, 
noch  ebenso  an  Simon  den  Ersten  zu  denken  sein,  wie  in  einer  Urkunde  von 
1179*-),  wo  neben  des  Grafen  von  Saarbrücken  Söhnen  Friedrich  und  Heinrich 
als    dritter  Sohn   Propst  Albert   genannt  wird,   den  auch  Krem  er")    für  einen 
Sohn  Simons  des  Ersten  erklärt.     Ist  das  so,  dann  braucht  man  für  Luckarde 
1180  noch  keine  erwachsenen  Söhne  anzunehmen  und  kann  sie  selbst  als 
eben   erwachsen    in    diesem  Jahre    oder   kurz    verheiratet   gelten.     Sie  kann  ja 
von  den  Kindern  Eraichs  III.  von  Leiningen,  deren  wir  sieben  kennen"'),  eines 
der   jüngsten    oder  geradezu  das  jüngste  gewesen    sein,    wie  es  Lehmann  an- 
nimmt.    Lothar   von    Wied    war  c.   1208,    als  Luckardens  Gemahl   Simon  II. 
von  Saarbrücken  starb,  auch  nicht  mehr  jung.     Denn  sein  Bruder  Theoderich, 
der    spätere   Erzbischof  von    Trier    (f   1242),    war  1189    bereits   Geistlicher--"^), 
seine  Schwester  Theodora  war  1185  schon  mit  Bruno  von  Isenburg  vermählt'"'^), 
und    so   ist    nicht  ausgeschlossen,    nicht   einmal  unwahrscheinlich,   dass  Lothars 
Verheiratung    mit   der   Witwe   von    Saarbrücken  —  sie    erscheinen    urkundlich 
als  vermählt    zum   ersten  Mal  1220,    könnten    aber   nach    dem  Gesagten  schon 
c.   1210  in  die  Ehe  getreten  sein  —  auch  seine  zweite  war.     Da  nun  aber 
als  im  Jahre  119(5  bereits   einigermassen  erwachsene  Kinder  Simons  IL  und 
Luckardens   von  Saarbrücken    Simon  HL,    Heinrich,  der  spätere  (1217 — 1234) 
Bischof  von  Worms,  der  schon  1212  Propst  war,  Friedrich,  Ste])han,  schon  1210 
l*ropst,  und  Gisela  gelten"'),  woraus  nach  Conrady  folgt,  dass  Heinrichs  Geburt 
schon  mindeslens  1178  anzusetzen  sei,  Luckarde  jedoch,  wenn  sie  seine  Mutter 
gewesen  wäre,  wieder  als  „hohe  Sechzigerin"  zur  zweiten  Ehe  geschritten  sein 
würde,    so    will    er   diesen    Heinrich    gar    nicht    als    Sohn    von    Simon  IL    und 
Luckarde  gelten  lassen  und  sieht  in  Heinrich    einen  Bruder  Simons  H.     Ab- 
gesehen davon  jedoch,  dass  selbst  bei  Ansetzung  des  Jahres  1178  als  Geburts- 
jahres des  Bischofs  Heinrich  von  Worms  Luckarde  c.  1210  keine  hohe  Sechzigerin, 
sondern    nur    eine    angehende  Fünfzigerin    zu  sein  brauchte,    widerspricht  ganz 
ausdrücklich  der  Vermutung  Conrady's,  dass  Heinrich  oin  Bruder  Simons  II. 

=")  Conrad}-,  S.  90.    Verfcl.  Kronior  1.  c.  1.   139.   —  -"-')  S.  Görz,  :Mittolrli.  Regesten  II, 
S.    115.     -    '^■■)    Gesell,    des    Anlemi.    Gesdil.    1,    J40  f.,    A.    H.  -*)  LeIii.Minii,   Ge.scli.  der 

Pfälzer  Burgen  III,  20.  —    -':,  Görz  I.e.  II,  S.  173,  Mittolrli.  IFrkdb.  II,  S.   133.   -    '-'=)  Görz 
1.  c.  II,  S.  l.'J4.  —  '-';  Kremer,  Gesch.  d.  Ard.  Geschl.  I,   154  u.  Conrady  S.  92. 


213 

sei,  die  Urkunde  von  1221  bei  Kromer,  Orig.  Nass.  IT,  S.  264,  worin  Bi.sciiof 
Heinrich  von  Worms  den  veratorbonen  („pie  meuiorie")  Grafen  Friedrich  (I.) 
von  Leiningeu  seinen  Oheim  (avunculus)  und  den  Cirafen  Friedrich,  der  als 
successor  eiusdem  bezeichnet  ist,  zugleich  f'rater  noster  nennt.  Wie  sollte 
Friedrich  von  L(iiuiiii?eu  avunculus  des  Bischofs  Heinrich  von  Suur- 
brücken  sein,  wenn  Heinrich  ein  IJruder  Simons  11.  von  Saarbrücken 
wäre?  Er  wäre  dann  sein  Schwager;  avunculus  aber  konnte  er  nur  genannf 
werden  als  Bruder  von  Heinrichs  Mutter,  Grätin  von  Leiningen.  Ist  also 
Bischof  Heinrich  ein  Sohn  Simons  H.  und  Bruder  Simons  Hl.  von  Saarbrücken 
und  Friedrichs,  der  die  Grafschaft  Leiningen  von  dem  kinderlosen  Oheim  erbte 
und  als  Graf  von  Leiningen  Friedrich  H.  heisst,  und  war  Heinrich  auch  etwa 
schon  1178,  wie  Conrady  will,  geboren,  so  hat  sich  eben  seine  Mutter  Luckarde 
zum  zweiten  Mal  als  ältere  Witwe  verheiratet,  bei  der  übrigens  nichts 
ein  höheres  Alter  anzunehmen  nötigt,  als  etwa  50  Jahre.  Es  ist  aber  dann 
auch  kein  Grund,  von  der  Schwesterschaft  Luckardens  und  der  Ge- 
mahlin Ruprechts  des  Streitbaren  Elisabeth  abzugehen  und  für  diesen 
eine  ältere  Elisabeth,  Tochter  Emichs  H.  von  Leiningen,  zu  erfinden,  die  Tochter 
Emichs  des  HI.  dieses  Namens  aber  einem  anderen  Ruprecht  von  Kassau 
ohne  weitere  Stützpunkte  zuzuweisen.  Und  so  gut  Luckarde  1235  noch  lebte 
(ihr  Gemahl  Lothar  noch  1243.  S.  mittelrh.  Urkdb.  HI.,  S.  576),  ebenso  gut 
kann  auch  ihre  Schwester  Elisabeth  dieses  Jahr  noch  erlebt  haben,  mit  der 
und  deren,  wie  ihrer  eigenen  Schwester  Alberade  von  Cleberg  sie  damals'-")  die 
Schenkung  an  die  Kirche  zu  Limburg  machte.  Das  Wort  gener  in  der  öfter 
erwähnten,  früher  c.  1159  oder  1169,  von  Conrady  selbst,  dem  wir  darin 
also  beistimmen,  nach  1179  gesetzten  Urkunde  muss  dann  freilich  seine  alte 
Bedeutung  „Schwiegersohn"   behalten. 


28 


)  Krenier,  Or.  Nass.  II,  S.  274. 


15 


Berichtigungen 


zu 


Band  XXVI  (1894)  der  Annalen  des  Vereins  für  Nassauische 
Altertumskunde  und  Geschichtsforschung. 


S.   167,    Z.  2    und    8    v.   u.    der   Satz    „ein   gestickter   —  bedeckt"    —   ist   zu 

streichen. 
S.  168,   Z.  4  u.  5  V.  0.  lies  Lochbaum  st.  Logbaum. 
Z.  6  lies  lahhau  st.  lachan. 
Z.  10  hes  lachbucha  st.  lögbore.     Übrigens   ist  dies   nicht  die   älteste 

Erwähnung  dieser  Grenzbäurae. 
Z.  12  lies  Flurnamen  st.  Eigennamen, 

Das  Folgende  bezieht  sich  auf  Waldungen  im  Kreise  Neuwied  (die  sogenannten 
Rahmhecken).  Der  letzte  Satz  soll  heissen :  Die  Form  des  Zeichens  ist 
häutig  die  einer  Hausmarke  oder  ein  Kreuz. 

D  ü  s  s  e  1 1 ,  Amtsgerichtsrat, 


Römisclio  Gesell i'itze. 


Von 

Oberstlieuteiiaiit   a.   D. 
Hierzu  25  Textabbildungen. 


Die  im  Herbst  1894  ausgeführte  Ausgrabung  des  5  km  nördlich  von  Ems 
gelegenen  Limeskastells  Arzbach-Augst  ergab  unter  anderen  Funden  auch  eine 
Anzahl  Waffenteile,  von  denen  einzelne  ein  besonderes  Interesse  beanspruchen. 

Der  praktische  Lokalforscher,  der  sich  der  mühevollen  Aufgabe  unterzieht, 
mit  Hacke  und  Schippe  den  oft  mehr  als  dürftigen  Resten  römischen  Anbaues 
und  römischer  Herrschaft  in  Deutschland  nachzuspüren,  begrüsst,  nach  oft 
tagelangem  vergeblichen  Suchen,  stets  mit  Freude  die  Auffindung  von  BauHch- 
keiten,  bei  denen  —  wenn  oft  auch  nur  in  wenigen  Steinlageu  —  noch  Über- 
bleibsel des  aufgehenden  Mauerwerks  erhalten  sind,  besonders  dann,  wenn  An- 
zeichen vorliegen,  dass  die  betreffenden  Gebäude  durch  Feuer  zerstört  sind 
und  der  Brandschutt  seither  möglichst  unberührt  geblieben  ist.  Mit  neuem 
Eifer  wird  dann  die  Arbeit  fortgesetzt  —  aber  nur  zu  oft  werden  auch  in 
solchen  Fällen  die  Hoffnungen  auf  lohnende  Funde  getäuscht,  denn  die  Mehr- 
zahl der  römischen  Bauwerke  wurde,  nach  der  Wiedereroberung  des  Landes 
durch  die  Germanen,  erst  dann  den  Flammen  übergeben,  nachdem  sie  gründlich 
ausgeräumt  worden  waren.  Günstiger  lagen  die  Verhältnisse  im  Kastell  Arzbacli- 
Augst,  denn  die  dortigen  Baulichkeiten  waren  augenscheinhch  vor  ihrer  Plünde- 
rung eingeäschert  worden,  entweder  bei  der  Erstürmung  dieser  Befestigung 
durch  den  Feind,  oder  beim  Rückzuge  der  Besatzung  durch  diese  selbst;  aber 
auch  hier  hatte  man  später  noch  genug  verwendbare  Gegenstände  gefunden, 
die  nicht  zu  hoch  mit  Schutt  und  Trümmern  bedeckt  waren  oder  zufällig  bei 
der  Einebnung  des  Terrains  und  durch  den  Ackerbau  zu  Tage  kamen. 

Am  ergiebigsten  an  Fundstücken  erwiesen  sich  die  Thortürme ,  und 
unter  diesen  besonders  der  östliche  Turm  der  porta  praetoria,  dessen  Obermauer 
noch  in  Höhe  von  durchschnittlich  75  cm  vollständig  erhalten  war.  Gleich  zu 
Beginn  der  Arbeit  stiess  man  hier  auf  einen  starken,  halbverkoldten,  eichenen 
Balken,  der  beim  Niederbrennen  des  Turmes  in  die  rechts  vom  Eingange 
gelegene  Südecke  desselben  gestürzt  war  und  sich  hier  in  schräger  Stellung 
schützend  über  das  Essgeschirr  eines  Soldaten,  bestehend  aus  Napf,  Teller  und 
Tasse,  gelehnt    hatte,    welches   vor  mehr  als  IGOO  Jahren   dorthin  gestellt  und 


ij 


* 


210 


c^. 


/. 


c>^. 


nun  —  bis  auf  eine  unerhebliche  Beschädigung  des  Tellers  —  vollkommen 
unversehrt  zu  Tage  gefördert  wurde.  Die  daraufhin  mit  aller  Vorsicht  vorge- 
nommene völlige  Ausräumung  des  Turmiunern  bereicherte  das  Museum  7\\ 
Wiesbaden  um  18  Fuudnummeru,  worunter  sich  die  wichtigsten  der  nachstehend 
aufgeführten  Gegenstände  befinden: 

1.  Zwei    Spitzen    der  gewöhnlichen,    zur  Ausrüstung    der  Ililfs- 
truppen  gehörigen,  kleinen  Lanzen  (Fig.   1). 

2.  Ein   kleines   Bruchstück   von    der  Tülle   einer  solchen  Lanze 
(Fig.  4).     Dasselbe    ist   dadurch   bemerkenswert,    dass    in    der  Tülle   noch    ein 

Stück  des  hölzernen  Lanzen- 
Fig.  1  bis  4».  Schaftes  vorhanden  und  letz- 

terer mit  einem  eisernen 
cT^.y.  Kern    versehen    ist.      Diese 

Einrichtung  macht  es  erklär- 
lich, dass  es  überhaupt  mög- 
lich war,  in  den  überaus 
kleinen  Tüllen  dieser  Waffen 
genügend  haltbare  Schafte  an- 
zubringen. 

3.  Zwei  eiserne  Ringe 
von  30  bezw.  35  mm  Durch- 
messer, mit  etwa  4x4  mm 

quadratischem  Querschnitt 
(Fig.  4*).  Diese  Ringe  dien- 
ten ohne  Zweifel  zur  Ver- 
bindung von  Eisen  und  Schaft 
bei  solchen  Waffen,  die  mit  geschlitzter  Tülle  versehen  waren,  in  der  Weise, 
wie  dies  in  der  beigegebenen  Skizze  angedeutet  ist.  Dieses  anscheinend  pri- 
mitive Verfahren  ist  dennoch  ausserordentlich  zweckmässig,  weil  eine  solche 
Verbindung  sehr  haltbar  ist  und  beim  Schwinden  des  Holzes,  infolge  Eintrock- 
nens  desselben,  leicht  durch  weiteres  Auftreiben  der  Ringe  auf  den  Konus 
nachgespannt  werden  kann. 

4.  Eine  ungewöhnlich  schön  geformte  und  sorgfältig  gearbeitete 
Spitze  von  einem  Pfeil  der  Armbrust  (Fig.  3). 

5.  Zwei  Spitzen  von  Pfeilen  der  (späteren)  Ballista  (Fig.  2),  wie 
sie  in  ähnlichen  Formen  öfters  in  den  Kastellen  gefunden  wurden  und  bei 
Lindenschmit:  „Die  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit  (VI,  5)"  abge- 
bildet sind.  Dieselben  werden  irrtümlich  zuweilen  für  Spitzen  einer  besonderen 
Art  von  Wurflanzen  gehalten. 

0.  Eiserne  Beschläge  und  sonstige  Teile  von  Geschützen')  (Fig.  5 


'j  Selbst  diejenigen  Leser,  welche  mit  den  nachstehenden  Ausführungen,  insoweit  die- 
selhcn  sicli  auf  die  rümische  Artillerie  beziehen,  nicht  in  iillcn  l'unkten  einverstanden  sind, 
werden  zugeben  müssen,  dass  durcli  die  betreffenden  Fumio  von  Arzbach-Augst  eine,  wenn 
vorläufig  auch  nur  unsichere  Grundlage    für  die  Kekonstriiktion    der  um  die  Mitte  des  dritten 


217 

bis  25).  Die  Armieruüg  der  germanischen  und  rätischen  Kastelle  mit  Geschützen 
wurde  bisher  lediglich  deshalb  vorausgesetzt,  weil  man  Steinkugoln  und  andere 
Gegenstände  auffand,  von  denen  man  annehmen  konnte,  dass  sie  als  (ieschosse 
gedient  haben.  Die  Funde  von  Arzbach-Augst  lioforn  zum  erstenmal  Stücke, 
die  teils  mit  Sicherheit,  teils  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als  IJestandtcile 
römischer  Geschütze  zu  bezeichnen  sind;  dieselben  beweisen  dcshall)  direkt  die 
Verwendung  der  letzteren  in  den  genannten  Befestigungen  und  geben  gleich- 
zeitig einigen  Aufschluss  über  ihre  Konstruktion. 

Zu  den  gegebenen  Zeichnungen  wird  folgendes  bemerkt: 
a)  Schleuderhaken  (f)  eines  Onagers  (Fig.  5).  Dieses  ({eschütz, 
dessen  Konstruktion  (nach  Köchly  und  Rüstow:  „Griechische  Kricgsschrift- 
stcller")  durch  die  beigefügte  Skizze  veranschaulicht  wird,  war  bekanntlich  das 
Wurfgeschütz  der  späteren  Zeit.  Dasselbe  bestand  in  den  Hauptsachen  aus 
den  beiden  durch  Riegel  in  paralleler  Lage  zueinander  festgehaltenen  Wänden  (a)^ 
dem  durch  entsprechende  Durchbohrungen  der  letzteren  gezogenen  Spannncrven- 
bündel  (h)^  dem  Schleuderarm  (c)^  der  Windevorrichtung  ((J)^  der  Schleuder 
((j)  und  dem  Widerlager  (e).  Das  Laden  des  Geschützes  erfolgte,  indem  der 
in  senkrechter  Richtung  mit  einem  Ende  durch  die  Spannnerven  gesteckte 
Schleuderarm  (c)  mittels  der  Winde  (d)  in  eine  nahezu  horizontale  Lage  ge- 
bracht und  die  Schleuder  mit  Geschoss  (g)  an  einem  am  anderen  Ende  dieses 
Armes  angebrachten  Haken  aufgehängt  wurde.  Beim  Abschiessen  des  Geschützes 
löste  der  Geschützführer  durch  einen  kräftigen  Hammerschlag  gegen  einen 
Nagel  der  Spannvorrichtung  den  Schleuderarm,  der  nun  infolge  der  Elastizität 
der  Spannnerven,  unter  heftiger  Erschütterung  von  Geschütz  und  Geschützstand, 
bis  an  das  Widerlager  (e)  zurückschnellte,  wobei  das  Geschoss  ((j)  frei  wurde 
und  im  hohen  Bogen  zum  Ziel  flog. 

Das  vorliegende  Fundstück  kennzeichnet  sich  als  der  zum  Aufhängen  der 
Schleuder  (g)  bestimmte  Beschlag  (f)  des  Schleuderarmes  (c)  einmal  durch 
seine  überaus  starke  Konstruktion  und  die  zweckentsprechende  Form  des  Hakens, 
dann  aber  vor  allem  durch  die  eigenartige  Verbindung  dieses  Beschlagteiles 
mit  dem  Holz.  Solche  Verbindungen  wendet  man  nämlich  auch  heute  noch 
an  und  zwar  ausschliesslich  in  den  Fällen,  wo  es  sich  —  wie  beim  Schleuder- 
arm des  Onagers  —  um  Teile  handelt,  die  starken  Erschütterungen  ausgesetzt 
werden ;  sie  bestehen  darin,  dass  die  durchgezogenen  Niete  (h)^  wenn  nicht  an 
beiden,  so  doch  wenigstens  an  je  einem  Ende  mit  einem  starken,  cylindrischen 
Ansatz  (k)  versehen  sind,  der  den  Zweck  hat,  die  Anlagefläche  des  Nietes  zu 
vergrösseru  und  dadurch  zu  verhindern,  dass  derselbe  sich  infolge  der  Stösse 
in  das  Holz  eingräbt,  wodurch  zunächst  ein  Lockerwerden,  dann  aber  sehr  bald 


Jahrluniderts  n,  Clir.  bei  den  Kömern  im  Gebrauch  gewesenen  Geschütze  geschaffen  worden 
ist.  Der  Yerfassor  ist  der  Ansicht,  dass  auf  dieser  Grundlage  weiter  gebaut  worden  künnc 
und  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  dass  in  den  ^luseen  und  Privatsainmlungen  noch  manche, 
bisher  als  „unbekaimte  IJeschlagtcilc"  rubrizierte  Stücke  vorlianden  seien,  die  siili  willig  in 
den  vorhandenen  Rahmen  einfügen  lassen.  Mitteilungen  über  bezw.  bisher  nicht  publizierte 
Funde  (unter  der  Adr.  JJerlin  W.,  Schaperstr.  10)  würden  denselben  zu  besonderem  Dank 
verpflichten. 


218 

ein  Abbrechen  des  betreffenden  Beschlages  herbeigeführt  würde.  Bei  dem  auf- 
gefundeneu Schleuderhaken  sind  drei  solche  mit  je  einem  cylindrischen  Ansatz 
(l)  versehenen  Niete  (li)  vorhanden.  Dass  das  betreffende  Geschütz  stark 
im  Gebrauch  gewesen  ist,  beweist  der  Umstand,  dass  man  von  aussen  in  das 
von  dem  IGI^  mm  laugen  Beschläge  umschlossene  Holz  in  schräger  Richtung 
einen  noch  erhaltenen  eisernen  Nagel  eingetrieben  hat,  der  keinen  anderen  Zweck 
gehabt  haben  kann,  als  das,  trotz  der  soliden  Befestigung,  locker  gewordene 
Beschlagstück  wieder  festzukeilen. 

Bemerkenswert  ist  noch,  dass  auch  durch  die  Terrainbeschaffouheit  die 
Aufstellung  eines  Onagers  in  dem  Turm  der  porta  praetoria  des  Kastells,  woselbst 
der  in  Rede  stehende  Schleuderhaken  aufgefunden  wurde,  angezeigt  ist.  Das 
Terrain  fällt  nämlich  vor  der  Prätorialfront  zuerst  sanft,  dann  steiler  zu  dem 
300  m  entfernten  Wetzelbach  ab.  Der  Abhang  dieses  Baches  war  von  dem 
Kastell  aus  nicht  einzusehen,  ausserdem  aber  erschwerte  der  nur  50  m  vor  der 
Front  des  letzteren  verlaufende  Grenzwall  den  Überblick  über  das  Yorterrain 
erheblich;  dass  unter  diesen  Umständen  hier  nur  AVurfgoschütze  mit  Vorteil 
verwendet  werden  konnten,  bedarf  wohl  keiner  weiteren  Begründung. 

Was  nun  den  Wert  dieses  Fundes  anbetrifft,  so  liegt  derselbe  haupt- 
sächlich darin,  dass  durch  die  Feststellung  des  Umstandes,  dass  zur  Geschütz- 
ausrüstung dieses  Kastells  ein  Onager  gehörte,  einiges  Licht  iu  die  in  artille- 
ristischer Hinsicht  völlige  dunkele  Zeit  des  dritten  Jahrhunderts  u.  Chr.  gebracht 
wird.  Die  von  Vitruv  beschriebenen  Geschütze  der  ersten  Kaiserzeit  bestanden 
bekanntlich  aus  Katapulten  und  Ballisten;  beide  waren  in  den  Hauptsachen 
ziemlich  gleich  konstruiert,  nur  war  das  erstere  als  Flachbahn-,  das  letztere 
als  Wurfgeschütz  eingerichtet.  Die  Yerv/endung  dieser  Konstruktion  ist  nach- 
zuweisen bis  in  das  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.,  denn  man  erkennt  dieselbe 
wieder  auf  den  Darstellungen  der  Trajanssäule;  von  da  ab  aber  fehlt  jede 
Nachricht  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  n.  Chr.,  wo  Am- 
niiauus  Marcellinus  •  uns  den  der  Haudschleuder  nachgebildeten,  einarmigen 
Onager  als  Wurfgeschütz  und  die  Ballista  —  anscheinend  im  wesentlichen  die 
alte  Katapulte  —  als  Flaclibahngeschütz  vorführt.  Wann  und  wie  der  Über- 
gang von  der  einen  zur  anderen  Periode  erfolgt  ist,  wissen  wir  nicht.  Durch 
den  vorliegenden  Fund  wird  nun  die  interessante  Thatsache  konstatiert,  dass 
die  römische  Artillerie  zu  der  Zeit,  als  das  Dekumatenland  geräumt  wurde  — 
also  etwa  260  n.  Chr.  — -  bereits  in  ihre  zweite  Periode  eingetreten  -war. 

b)  Bruchstück  eines  Drückers  (epitoxis)  (Fig.  10),  gefunden  in  einem 
Turm  der  porta  principalis  sinistra.  Leider  wurde  beim  Lockern  des  Bodens 
mittels  der  Kreuzhacke  durch  den  betreffenden  Arbeiter  das  Fundstück  zer- 
schlagen und  konnte  das  zugehörige  Stück,  trotz  sorgfiltiger  Durchsuchung  der 
ausgeworfenen  Erde,  nicht  aufgefunden  w^erden.  So  sehr  dies  im  Hinblick  auf 
das  Interesse,  welches  dieser  Fund  in  Anspruch  nimmt,  z\i  bedauern  ist,  so 
genügt  andererseits  das  vorhandene  kleine  Bruckstück,  um  in  demselben,  nach 
den  auf  Grund  der  Überlieferungen  von  Heron ,  Philon  und  Vitruv  durch 
Köchlv  und  Rüstow  a.  a.  0.  entworfenen  Zeichnungen  der  antiken  Geschütze, 
mit  Sicherheit  die  rechte  Hälfte  der  Klaue  derjenigen  Vorrichtung  zu  erkennen, 


219 

die  zum  Fcstlialten  der  mittels  der  Winde  gespannten  Sehne  (x)  während  des 
Ladens  bzw.  zum  Abschlössen  des  Geschützes  diente  und  Drücker  genannt  wurde. 

In  Fig.  10  ist  das  aufgefundene  Bruchstück  durch  allerdings  rohe  .Schnitz- 
arbeit aus  Kiefernborke  soweit  ergänzt,  dass  wenigstens  das  Funktionieren  dieser 
Vorrichtung  veranschaulicht  wird;  erläuternd  ist  zu  dieser  Skizze  hinzuzufügen, 
dass  der  Drücker  (y)  um  einen  am  „Läufer"  des  Geschützes  befestigten  (iuer- 
bulzen  soweit  drehbar  war,  dass,  wenn  die  Klaue  auf  der  Läuferbahn  auHag, 
das  entgegengesetzte  Ende  des  Drückers  hoch  stand,  und  umgekehrt. 

Sollte  das  Geschütz  geladen  werden,  so  wurde  der  Ijäufer  so  weit  vorge- 
schoben, bis  die  Klaue  über  die  (ungespannte)  Sehne  übergriff;  dann  wurde  der 
keilförmige  Hebel  (2)  unter  das  hochstehende  Ende  (y)  des  Drückers  ge8chol)en, 
der  Läufer  und  mit  ihm  die  durch  die  Klaue  festgehaltene  Sehne  mittels  der 
Windevorrichtung  zurückgezogen  und  schliesslich  der  Pfeil  auf  die  Läuferbuhn 
gelegt.  Zum  Zweck  des  Abschiessens  war  es  dann  nur  nötig,  den  Hebel  (z) 
mittels  eines  Abzuges  zurückzuziehen ,  wodurch  das  hintere  Ende  (y)  des 
Drückers  niederfiel  resp.  die  Klaue  hoch  ging,  die  gespannte  Sehne  (x)  frei 
wurde  und  das  Geschoss  vorwärts  schnellte. 

Selbstverständlich  konnte  eine  solche  Vorrichtung  nur  bei  der  zweiarmigen 
Balhsta,  nicht  aber  bei  dem  Onager  angewendet  werden,  und  so  bietet  denn 
dieses  Fundstück  einen  weiteren  Anhalt  für  die  Feststellung  der  Armierung 
des  Kastells  insofern,  als  dasselbe  darauf  schliessen  lässt,  dass  ein  solches  Ge- 
schütz au  dem  angegebenen  Fundort  aufgestellt  war.  Und  in  der  That  ent- 
spricht, wie  auf  der  Prätorialfront  das  Wurfgeschütz,  so  hier  das  Flachbahn- 
geschütz vollkommen  den  Terrainsverhältnissen,  denn  auf  dieser  (der  linken 
Prinzipal-)  Front  fällt  das  Terrain  unmittelbar  vor  der  Berme  steil  zu  dem 
breiten  Wiesengrund  des  Arzbaches  und  das  vorliegende  Gelände  ist  überall 
bis  auf  eine  Entfernung  von  mindestens  400  m  vollständig  einzusehen. 

c)  Zwei  eigentümlich  geformte  eiserne  Kinge  (Fig.  6  u.  7).  Der 
kleinere  dieser  Ringe  wurde  in  dem  mehrerwähnten  Turm  der  porta  praeioria, 
der  grössere  in  einem  Turm  der  porta  princijjcdis  dextra  gefunden.  Beide 
Ringe  lassen,  trotz  ihrer  schlechten  Erhaltung,  eine  sehr  sorgfältige  Bearbeitung, 
eine  vollkommen  gleiche  Konstruktion  und  eine  fast  genaue  Proportionalität 
ihrer  Abmessungen  erkennen.  Ihre  Stärke  ist  im  Verhältnis  zum  Durchmesser 
(88  bezw.  108  mm)  und  zur  Breite  (23  bezw.  27  mm)  auffallend  gering  und 
nimmt  von  den  Rändern  nach  der  Mitte  zu;  am  äusseren  Umfange  sind  sie  mit 
je  einer,  im  Querschnitt  paraboHsch  gestalteten,  ziemlich  starken  Mittelrippc 
versehen.     (Siehe  Profilskizze.) 

Diese  aussergewöhnliche  Beschaffenheit  der  Ringe  berechtigt  zu  dem 
Schluss,  dass  dieselben  besonderen  Zwecken  dienten,  und  die  Fundumstäntle 
legen  die  Vermutung  nahe,  dass  sie  als  Geschützteile  Verwendung  fanden.  So 
überaus  schwierig  es  nun  ist,  die  Bestimmung  derartiger  Gegenstände  zu  er- 
kennen, so  ist  in  dem  vorliegenden  Falle  doch  der  spezielle  Zweck  dieser  Ringe 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  festzustellen.  Sehen  wir  uns  die  antiken  Geschütz- 
konstruktionen näher  an,  so  muss  es  auffallen,  dass  man  die  Spannnerven  direkt 
durch   die   entsprechenden    Löcher   der   Geschützwände   zog,    denn   es   ist   em- 


220 

leuchtend,  dass  unter  diesen  Umständen  beim  Laden  und  beim  Abschiesscn  der 
Geschütze,  infolge  der  tordierendeu  Bewegung  der  Spanunerven,  eine  starke 
Reibung  und  demzufolge  auch  eine  schnelle  Abnutzung  der  letzteren  eintreten 
musste.  Legte  man  aber  solche  Ringe,  wie  die  aufgefundenen,  in  die  betreffen- 
den Durchbohrungen  der  Geschützwände  so  ein,  wie  dies  in  der  zu  Fig.  6  und 
7  gehörigen  Skizze  bei  w — w  angedeutet  ist,  so  wurde  diese  Reibung  natur- 
gemäss  erheblich  vermindert  und  zwar  dadurch,  dass  die  Spannnerven  sich  nun 
nicht  mehr  an  die  auch  bei  sorgfältigster  Bearbeitung  immer  noch  rauhen 
Llolztlächen,  sondern  au  die  glatten,  eisernen  Reifen  anlegten,  die  sich  ausser- 
dem infolge  ihrer  geringen  Stärke  den  Torsionsbewegungen  der  Spannnerven 
anschmiegten,  wodurch  die  Reibung  noch  mehr  abgeschwächt  wurde.  Die 
Rippe  auf  der  Aussenfläche  der  Ringe  würde  dann  zweckmässig  zum  Festhalten 
der  letzteren  in  der  ihnen  angewiesenen  Lage  gedient,  insbesondere  ein  Hin- 
gleiten derselben  in  die  Durchbohrungen  der  Wände  verhindert  haben. 

Ist  diese  Vermutung  über  die  Verwendung  qu.  Ringe  richtig,  so  würden 
uns  dieselben  das  wichtigste  Mass  der  betreffenden  Geschütze  überliefern, 
nämlich  das  Kaliber,  welches  bekanntlich  durch  die  Stärke  des  Spannnerven- 
bündels im  Spanuloch  bestimmt  wurde  und  das  Gruudmass  für  alle  übrigen 
Abmessungen  der  Geschütze  bildete.  Demnach  würde  auf  dem  erwähnten  Turm 
der  porta  praetoria  des  Kastells  ein  (rund)  9  cm  Onager  aufgestellt  gewesen 
sein  und  vielleicht  ist  es  kein  Zufall,  dass  der  Durchmesser  des  dort  aufge- 
fundenen kleineren  Ringes  von  ca.  88  mm-)  ungefähr  dem  von  Vitruv  (X,  14) 
angegebenen  kleinsten  Kaliber  (von  5  Zoll  =  92,5  mm)  des  älteren  Wurfge- 
schützes (der  Ballista)  entspricht;  dass  man  an  dem  für  dieses  Geschütz  ein- 
geführten Minimalmass  auch  in  der  späteren  Artillerieperiode  und  bei  ver- 
änderten Konstruktionsverhältnissen  festhielt,  dürfte  nicht  unwahrscheinlich  sein, 
und  dass  die  Mehrzahl  der  Limeskastelle  thatsächlich  mit  Geschützen  kleinen 
und  kleinsten  Kalibers  armiert  war,  geht  aus  den  in  der  Regel  beschränkten 
räumlichen  Verhältnissen  der  Geschützstände,  sowie  aus  den  meistens  geringen 
Dimensionen  und  Gewichten  der  aufgefundenen  Geschosse  hervor.  Schwere 
Geschütze  verwendete  man  sicherlich  nur  in  grösseren  und  wichtigeren  Be- 
festigungen und  in  diesen  auch  nur  da,  wo  es  sich  um  die  Bestreichung  von 
Defileen,  schiffbaren  Flüssen  'oder  dergl.  handelte. 

d)  Bruchstücke  eines  starken  eisernen  Beschlages  (Fig.  8).  Dieser, 
sowie  die  in  Fig.  11  bis  25  abgebildeten  Beschlagteile  wurden  ebenfalls  in  dem 
mehrerwähnten  Turm  der  porta  praetoria  gefunden.  Wenn  auch  nicht  behauptet 
werden  soll,  dass  diese  Gegenstände  sämthch  von  dem  dort  aufgestellten  Onager 
herstammen,  so  kann  dies  ihrer  Beschaffenheit  nach  doch  sicher  von  der  Mehr- 
zahl derselben  angenommen  werden. 

Eiserne  Diebel,  wie  Fig.  8  einen  solchen  zeigt,  wendet  man  häufig  zur 
Anbringung  beweglicher  Holzarme  (n)  an  Gestellen  u.  s.  w.  in  solchen  Fällen  an, 


')  Die  Grösse  des  Ringes  konnte,  wie  schon  aus  der  auf  pliotograpliischcni  "Wege  licr- 
gcstellten  Zeichnung  ersiilitlicli  ist,  nur  annähernd  bestimmt  werden;  der  Durclimesser  desselben 
kann  ebenso  gut  um  einige  Millimeter  grösser  gewesen  sein  und  dem  von  Vitruv  angegebenen 
Mass  genau  entsprochen  haben. 


221 


wo  es  nicht  auf  eine  besonders  grosse  Haltbarkeit  clor  Vorbiiulung  ankommt. 
Der  Diebel  wird  zu  diesem  Zweck  in  das  Ilirnondc  eingetrieben  und  um  letzteres 
ein  heisser  Ring  fest  herumgelegt, 

Fi?.  ")  bis  2.'). 


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e)  Bruchstück  eines  starken,  eiserneu  Beschlages  einer  acht- 
kantigen Holzwelle  (Fig.  9),  gefunden  im  Exerzierhause  des  Kastells. 

f)  Bruchstück  eines  kreisförmig  geschnittenen,  dünnen  Eisen- 
blechstreifens (Fig.  11).  Derselbe  konnte  zweckmässig  zur  Feststellung  der 
Elevation  des  Geschützes  dienen,  wenn  er  mit  einer  entsprechenden  Gradein- 
teilung versehen  und  so  am  Geschütz  angebracht  war,  dass  er  den  Winkel 
bestimmte,  den  der  Schleuderarm,  im  Zustande  der  Spannung,  mit  dem  Geschütz- 
stande bildete.  Die  Drehachse  des  Schleuderarms  musste  dann  in  dem  Mittel- 
punkt desjenigen  Kreises  liegen,  nach  dem  dieser  Blechstreifen  geschnitten  war. 


222 

g)  Zwei  starke,  eiserne  Haken  (Fig.  12  u.  13),  wie  solche  u.  a. 
auch  bei  Winden  zum  Befestigen  von  Tauwerk  verwendet  werden. 

h)  Bruchstück  eines  langen,  eisernen  Bolzens  (Fig.  14)  mit  qua- 
dratischem Querschnitt  und  stark  gewölbtem  Kopf. 

i)  11  Stück  eiserne  Nägel  von  verschiedener  Form  und  Grösse  (Fig.  15 
bis  25);  dieselben  wurden  aus  einer  grossen  Anzahl  in  diesem  Turm  aufge- 
fundener Xägel  ausgewählt.  Besün(iers  bemerkenswert  sind  diejenigen  Fig.  19 
bis  21,  welche,  nach  Art  der  Drahtstifte,  mit  dünnen  ganz  flachen  und  ebenen, 
f.ist  genau  kreisrunden  Köpfen  versehen  sind;  desgleichen  die  in  Fig.  22  bis  25 
dargestellten,  die  ohne  Zweifel  zur  Befestigung  starker  eiserner  Beschläge  — 
auch  auf  gewölbten  Flächen  —  gedient  haben. 

7.  Ein  Pilum.^)  Dieses  in  allen  Teilen  wohlerhalteue  Fundstück  ist  für 
die  Feststellung  der  Geschichte  dieser  Waffe  insofern  von  hervorragender  Be- 
deutung, als  wir  über  letztere  für  den  Zeitraum  vom  Ende  des  zweiten  bis 
zum  Ausgang  des  vierten  Jahrhunderts  u.  Chr.  ebensowenig  unterrichtet  sind, 
wie  über  das  römische  Geschützwesen. 

Die  Konstruktion  des  Pilums,  welche  in  den  letzten  Jahrhunderten  v.  Chr. 
unausgesetzt  verbessert  wurde,  erreichte  zu  Caesar's  Zeiten  ihren  Höhepunkt. 
Dasselbe  bestand  damals  aus  einer  durchschnittlich  7 — -800  mm  langen,  weich- 
geschmiedeten Klinge  mit  gehärteter  pyramidaler  Spitze;  das  Eisen  war  mittels 
Zwinge  und  Niete  mit  dem  doppelt  so  langen  Schaft  fest  verbunden.  Die  Haupt- 
vorteile dieser  Konstruktion  lagen  darin,  dass  die  Klinge  geeignet  war,  Schild 
und  Mann  zu  durchbohren  und  dass  infolge  der  Yerbiegung  des  weichen  Eisens 
im  feindlichen  Schilde  der  Gegner  am  Gebrauch  des  letzteren  behindert  wurde, 
da  Pilum  und  Schild  nicht  leicht  getrennt  werden  konnten.  Es  war  eine  echte 
und  rechte  OfFensivwaffe,  die  in  allen  wesentlichen  Teilen  unverändert  nach- 
weislich bis  Antoninus  Pius,  vermutlich  aber  bis  zum  Anfang  des  dritten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  beibehalten  wurde. 

Mit  dem  Verfall  des  Staates  und  dem  Niedergang  der  Armee  verschwand 
diese  Nationalwaffe,  der  die  Römer  nicht  zum  kleinsten  Teil  ihre  militärischen 
Erfolge  verdankten,  und  der  Fund  von  Arzbach-Augst  lehrt,  dass  zu  der  Zeit, 
als  das  Dekumatenland  von  den  Germanen  zurückerobert  wurde  —  also  etwa 
nm  260  n.  Chr.  — •  bereits  eine  Waffe  eingeführt  war,  die  den  Übergang  zu 
dem  von  Vegetius  (H,  15)  beschriebenen  Spiculum  bildete.  Die  viereckige,  mit 
zwei  Widerhaken  versehene  Klinge  hatte  eine  Lauge  von  nur  190  mm  und  ein 
Gewicht  von  145  g;  sie  war  mit  dem  Schaft  nach  dem  von  Plutarch  (Mar.  25) 
beschriebenen,  bereits  in  der  Cimbernschlacht  angewendeten  Prinzip  mittels 
eines  eisernen  und  eines  hölzernen  Stiftes  verbunden.  Beim  Eindringen  des 
Pilums  in  den  feindlichen  Schild  musste  der  hölzerne  Stift  brechen  und  der 
Schaft  wurde  an  dem  eisernen  Niet  nachgeschleift. 

Die  Waffe  war  zu  kurz  und  zu  leicht,  um  wirksam  zu  sein ;  sie  entsprach 
der  (Qualität  der  damaligen  Armee. 

3)  Bonner  Jahrb.  Heft  XCVI,  S.  226  S. 


Erwiderung 

auf 

„Kinige  Bemeikungen  zu  dem  Aufsätze  von   Conrady,  „Die  ücsehichte 

des  Hauses  Nassau",  in   Annalen  XXVI,    von  Dr.  W.  Sauer,  Künigl. 

Archivrat  und  Staatsarchivar  in  Wiesbaden." 


Auf  die  vorstehend  genannten,  mir  durch  Mitteilung  des  Herrn  Vereins- 
sekretärs bekannt  gewordeneu  „Bemerkungen"  Hnde  ich  ihrer  Reihe  nacli  das 
Folgende  zu  erwidern. 

1.  Ich  müsste  mich  dagegen  verwahren,  wenn  Herr  Archivrat  Dr.  Sauer 
gemeint  haben  sollte,  dass  ich  meiner  Geschichte  des  Hauses  Nassau  den  Wert 
einer  „abschliessenden"  Behandlung  des  Gegenstandes  beilege,  da  ich  wohl  einen 
„Neubau"  (S.  1  derselben),  aber  selbstredend  nicht  dessen  vollen  Ausbau  er- 
streben konnte. 

2.  Bezüglich  des  mir  zur  Last  gelegten  Übersehens  der  namhaft  ge- 
machten Litteratur  und  der  Versehen  im  Gebrauch  der  fulder  und  lorscher 
Traditionen  bemerke  ich  zunächst  im  Allgemeinen,  dass  meine  Arbeit  bis  nahe 
zu  ihrem  Schlüsse  in  Miltenberg  zustande  kam,  wo  mir  begreiflicherweise  die 
Ermittelung  und  Beschaffung  der  nötigen  lit( erarischen  Hilfsmittel  die  grössten 
Schwierigkeiten  bereitete.  Ich  holte  deshalb  das  dort  Versagte  mit  Hilfe  der 
Landesbibliothek  hier  im  weitesten  Umfange  nach,  konnte  aber  auch  bei  ihr 
nicht  alles  Gewünschte  erlangen.  Böhmer-Mühlbacher,  Regesta  imperii  1.  1 
z.  B.  war  zur  Zeit  meines  Bedürfens  hartnäckig  belegt  und  Dronke's  Cod. 
dipl.  verstellt,  sodass  ich  denselben  erst  dicht  vor  Abschluss  und  sehr  be- 
schleunigtem Abgang  des  Manuskripts  in  die  Druckerei  benutzen,  mich  also 
nur  oberflächUch  mit  ihm  bekannt  machen  konnte.  Dies  alles  in  der  „Schluss- 
bemerkung" S.  130,  wie  meine  Absicht  war,  zu  berichten,  blieb  mir  versagt, 
da  der  mir  dort  noch  gewährte  Raum  nicht  reichte,  und  eine  neue  Seite 
wegen  der  folgenden  Arbeit  nicht  anzubrechen  war.  Ich  musstc  mich  also  sehr 
wider  Willen  damit  begnügen,  dass  ich  S.  1  meine  „unzünftigen  Kräfte"  be- 
tont hatte. 


224 

3.  \\'"as  im  Besonderen  die  Nichtbenutzung  der  angezeigten  Stelleu  bei 
Wende,  Stein,  Hegel  und  Draudt  anlangt,  so  hat  dieselbe,  wie  ich  sehe, 
meiner  Arbeit  nicht  die  mindeste  Einbusse  bereitet,  da  ich  alles  biete,  was  sie, 
und,  wie  ich  denke.  Vollständigeres,  deshalb  neugierig  wäre  zu  erfahren,  wie 
mir  nachgewiesen  werden  könnte,  „dass  unter  Benutzung  dieser  älteren  Unter- 
suchungen einzelne  Punkte  sich  würden  anders  haben  gestalten  können."  Merk- 
würdigerweise befinde  ich  mich  dazu  mit  den  drei  zuletzt  Genannten  in  der 
gleichen  Verdammnis,  wenigstens  die  Stelle  Wenck's  übersehen  zu  haben. 
Noch  mehr,  uns  allen  vieren,  wie  Herrn  S.,  ist  die  Behandlung  der  Sache  bei 
Dahl,  Rhein.  Archiv,  herausgeg.  (zuletzt)  von  Neeb  u.  Weitzel,  1814,  14, 
233,  von  der  ich  jetzt  erst  ohne  Nutzen  Einsicht  genommen  habe,  entgangen. 
Ausserdem  wäre  Hegel,  um  genau  zu  sein,  1.  c.  10  Anm.  12  doch  nur  als 
Bestreiter  der  Idee  abzuweisen  gewesen.  Da  aber  Herr  S.  selber,  wie  er  sich 
erinnern  dürfte,  anfänglich  Bestreiter  derselben  war,  so  darf  ich  es  eigentüm- 
lich finden,  dass  er  mir  ein  Versehen  zur  Last  legt,  dessen  er  sich  selber 
schuldig  gemacht  hat  und  als  Fachmann  in  nassoicis. 

4.  Ablehnen  muss  ich  leider  die  Anerkennung,  dass  ,,der  Wert  der  in 
selbständiger  Forschung  von  mir  gewonnenen  Ergebnisse  gesichert  wird".  Ge- 
sichert ist  doch  nur,  dass  die  genannten  Gelehrten  mit  mir  dasselbe  vermutet 
und  mehr  oder  minder  wahrscheinlich  gemacht  haben. 

5.  Das  mir  zur  Auflage  Gemachte  wegen  der  Frage,  ,,ob  die  Hattonen 
im  Wormsgau  Grafen  oder  nur  Grossgrundbesitzer  waren",  darf  lediglich  als 
Widerhall  von  Draudt's  Bemerkung,  1.  c.  478:  ,,dass  es  im  Zweifel  bleibt, 
ob  dieselben  Güter  im  Wormsgau  besassen  oder  aber  den  Gau  ganz  oder  teil- 
weise verwalteten  (s.  Hegel  in  den  Städtechroniken  XVHI,  2,  S.  10,  16)", 
bezeichnet  werden  und  ist  „in  entscheidender  Weise"  aus  selbstredenden  Grün- 
den nicht  festzustellen. 

6.  Über  die  genau  ein  Dutzend  umfassenden  „Versehen",  die  mir  nach- 
gewiesen werden  wollen,  habe  ich,  indem  ich  dieselben  der  Kürze  wegen  al- 
phabetisch bezeichne,  dies  zu  sagen : 

a)  Der  25.  für  den  15.  Juni  ist,  wie  ersichtlich  an  der  Verwechselung 
von  2  mit  1,  ein  leider  stehen  gebliebener  Schreibfehler  und  wohl  von 
keinem  höheren  Gewichte,  als  die,  die  Herrn  S.  Seite  195,  Z.  14  von 
oben  mit  „S.  550"  statt  541,  „10"  statt  11  und  Auslassung  der  Seiten- 
zahl bei  Stein,  wie  Z.  20  von  oben  mit  „im"  statt  „in"  selber  be- 
gegnet sind,  wenn  der  mir  vorliegende  Revisionsbügen  zum  Abdruck 
kam. 

b)  „3"  abermals  Schreib-  oder  Druckfehler,  das  Übrige  erledigt  durch 
meine  Beichte  in  No.  2. 

c)  „Randulf"  Druckfehler,  das  Übrige  durch  leidige  Verwechselung  von 
Juni  und  Juli  beim  L' bertragen  aus  dem  römischen  Kalender  entstanden. 

d)  Die  ., Donatio  Hattonis"  habe  ich  mit  Bedacht  ausser  acht  gelassen, 
da  die  Bezeichnung  ,,comes"  fehlte,    und  Egiuo  für  mich  ebensowenig 


225 

unterzubringen  war,   als  für   Draudt  478,    dem   der    Frager   erst    die 
Wissenschaft  vom  Vorhandensein  derselben  verdankt. 

e)  u.  f)  Meine  nach  No.  2  zu  beurteilende,  im  übrigen  nichts  von  irgend 
welchem  Belange  verschuldende  Schuld. 

g)  Indem  ich  mich  betreffs  Müiilbacher's,  dessen  Vcraagung  mir  "-erade 
bei  dieser  Feststellung  sehr  peinlich  war,  auf  No.  2  berufe  bcmfM-ke 
ich,  dass  die  nun  von  ihm  genommene  Einsiclit  mich  in  der  "leiclien 
Lage  lässt.  Denn  die  Urkunde  mit  ihrem  „actum  in  pubhco  (Mxicilio 
quod  dicitur  Pathrafons"  in  den  Juni  785  setzen  zu  solh.'n,  wie  die 
beiden  namliaft  gemachten  dieses  Datums  mit  „actum  ail  IMindra- 
buunen  publice"  und  „actum  ad  Phadrebunneu",  widerstrebt 
meinem  diplomatischen  Gewissen,  wie  sich  denn  auch  Mühlbacher 
wohl  aus  gleicliem  Grunde  gehütet  hat,  der  Urkunde  an  dieser  Stelle 
und  darum  überhaupt  zu  gedenken. 

h)  Die  Angabe  meines  Konzepts:  ,,Schannat  65,  No.  134"  ist  leider 
nicht  in  die  Reinschrift  gelangt,  und  da  erst  bei  der  Revision  dieser 
die  Vergleicbung  mit  Dronke  stattfinden  konnte,  die  letztere  unter- 
blieben. Übrigens  verbessere  ich  hier  noch  das  von  Herrn  S.  unan- 
gefochten gebliebene  ,,Harasheimo"  in  „Harahesheimo"  des  Konzeptes 
und  Textes,  wie,  die  Gelegenheit  benutzend,  gleichzeitig  S.  12S  den 
irrigen  ,, Heinrich"  in  den  richtigen  ,, Johann".  An  dem  irrigen  „25.  Okt." 
trügt  wieder  das  Versehen  beim  Übertragen  aus  dem  rümisclieu  Kalen- 
der Schuld. 

i)  Derselbe  letztere  Fall  und  von  gleicher  Schwere  wie  a)  b)  c)  e)  f)! 

k)  Dieser  Schein  ist  einfach  durch  Auslassung  eines  ,,f."  hinter  „No.  161" 
erweckt  worden.  Im  Übrigen  konnte  gar  nichts  versehen  werden,  da 
die  Urkunden  bei  Schannat  und  Dronke,  abzüglich  mehrfach  ver- 
schiedener Schreibung  derselben  Eigennamen,  bis  aufs  Wort  überein- 
stimmen. 

1)  Beide  Schriftsteller,  von  denen  der  letztere  auch  hier  des  ersteren 
Stelle  ebenso  unbeachtet  lässt,  wie  ich,  tragen  nicht  das  Geringste  zur 
Vermehrung  oder  Veränderung  des  von  mir  Gebotenen  bei. 

m)  Der  Versuch,  die  Urkunde  vom  Jahre  837  dem  Jahre  787  zuzuweisen, 
muss  so  lauge  als  verfehlt  bezeichnet  werden,  bis  es  dem  Versucher 
gelingt,  die  Leichtigkeit  der  Verwandlung  der  von  Schannat  gebote- 
nen römischen  Jahresziifer  in  die  seine  und  dabei  die  Gleichheit  der 
Zeugen  in  beiden  Urkunden  nachzuweisen.  Die  Namen  Adal])raht  und 
Adalfrid  der  Urkunde  von  787  sind  nicht  dieselben  mit  Odil-  (Dronke: 
Vodil-)praht  und  Altfrid,  vgl.  Forste  mann,  Ahd.  Namenb.  L  s.  vv., 
und  bei  den  anderen  fehlt  einer  787.  Auch  hier  wäre  zuerst  der  Ver- 
derb der  Ilschr.  nachzuweisen.  Meine  „Folgerungen"  werden  demnach 
bis  dahin  noch  zu  bestehen  ein  gutes  Recht  und  die  Streichung  der 
„Bezugnahme  S.  12"  zu  unterbleiben  haben. 


226 


Damit  ist  meines  Erachtens  klargestellt,  dass  sämtliche  erhobenen  An- 
stünde belanglose  Miuutien  betreffen,  die  dem  Gange  und  ^Verte  der  von  mir 
angestellten  Untersuchung  den  mindesten  Abbruch  zu  thun  nicht  die  -erino-ste 
kraft  besitzen.  Immerhin  bin  ich  im  Interesse  der  Sache  aufrichtig- "danlTbar 
für  diese  mühsam  mikroskopische  Reinigung  meiner  Arbeit  von  unliebsamen 
Menschlichkeiten,  auch  wenn  sie  selber  von  Menschlichkeit  zeugen  und  darum 
wohl  111  dieser  Form  nicht  geübt  sein  sollte. 

Wiesbaden,   13.  August  1895. 

L.  Conrady,  Pfarrer  a.  D.* 


*  Hiormit  ist  Jiese  Polemik  für  die  Anii.ilen  beendet. 

Die  Redaktion. 


Ve  r  e  i  n  s  -  N  a  c li r  i  c  li  t  e  n. 


Jahresbericht  des  Sekretärs. 

(Yom    1.   April    l»!i4    bis    Hl.   Mär/.    1895.) 

Allgemeines.  Auch  im  verflossenen  Etatsjahr  war  das  wissenscliaftliclie 
wie  gesellschaftliche  Leben  des  Vereins  ein  reges.  Vorstandssitzungen 
fanden  statt  am  25.  August,  27.  Oktober,  4.  u.  19.  Dezember  1894,  sowie  am 
7.  Januar,  3.  u.  12.  Februar  und  12.  März  1895,  die  gewöhnliche  General- 
versammlung am  15.  Dezember;  ihr  folgte  eine  ausserordentliche  Generalver- 
sammlung am  26.  März  1895. 

Auch  im  vergangenen  Jahre  wurden  während  der  Sommermonate  Aus- 
flüge unternommen,  um  den  persönlichen  Verkehr  der  Mitglieder  zu  ferneren 
gemeinsamen  gedeihlichen  Bestrebungen  zu  fördern.  Diese  Exkursionen  galten 
zunächst  dem  Besuch  der  Nachbarstadt  Mainz  und  zwar  den  eigenartigen 
Katakomben  unter  der  St.  Peter-  und  der  äusserst  sehenswerten  St.  Ignatius- 
Kirche,  sowie  einem  Besuch  der  altehrwürdigen  Stephans-Kirche.  Sodann 
folgte  eine  Fahrt  nach  Höchst  a.  M.  zur  Besichtigung  der  neurestaurierten, 
noch  aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen  herrührenden  Antoniter  -  Kirche  da- 
selbst, wobei  Herr  Pfarrer  Syring  in  liebenswürdigster  Weise  als  Führer 
diente;  von  Höchst  fuhr  die  zahlreiche  Gesellschaft  nach  Frankfurt  a.  M., 
um  dort  das  neu  eingerichtete,  nach  jeder  Richtung  vorzüglich  ausgeführte 
historische  Museum  unter  Leitung  des  Herrn  Konservator  Cornil  in  Augen- 
schein zu  nehmen.  Eine  dritte  Expedition  galt  dem  durch  Herrn  Professor 
Wolff  aufgedeckten  römischen  Kastell  bei  Hofheim,  welches  das  höchste 
allgemeine  Interesse  erregte.  Der  vierte  Ausflug  galt  wieder  der  weitberühm- 
teu  Saalburg,  wobei,  wie  ebenso  vorher  im  Saalburg-Museum  zu  Homburg 
V.  d.  Höhe,  Herr  Baumeister  Jacobi  die  Leitung  übernommen  hatte  und  seine 
hochwichtigen  Entdeckungen  über  die  römischen  Limitationen  und  Termina- 
tionen  an  Ort  und  Stelle  darlegte.  Diese,  sowie  die  inzwischen  neu  gemachten 
Entdeckungen  in  und  bei  der  Saalburg  führten  zu  dem  allgemeinen  Beschluss, 
auch  im  nächsten  Jahre  wieder  einen  Ausflug  nach  dieser  klassischen  Stätte 
zu  unternehmen.  Weitere  geplante  Exkursionen  mussten  der  anhaltend  schlech- 
ten Witterung  wegen  unterbleiben.  — 

Die  Drucklegung  des  diesjährigen  XXVIL  Annalen-Bandes  hat  eine 
unliebsame  Verspätung  erfahren,  hervorgerufen  durch  tief  eingreifende  Störungen 


228 

des  bisher  gewolmten  geschäftlichou  Vereinsbctriebes,  welclie  in  Auscbluss  an 
den  Ausfall  der  Wahlen  in  der  letzten  Generalversarainlung  nicht  nur  zu  einem 
neuen  Statuten -Entwurf ,  sondern  auch  zur  Bildung  einer  besonderen  „his- 
torischen Sektion"  unter  Vorsitz  des  Herrn  Professor  a.  D.  Friedrich  Otto 
führten.  AVir  werden  später  Gelegenheit  finden,  auf  diese  Ereignisse  eingehen- 
der zurückzukommen. 

Dieselben  Vorgänge  trugen  Schuld,  dass  die  Wahl  der  drei  Ersatz- 
männer des  Vorstandes  annulliert  werden  musste  und  denmach  der 
Vorstand  bis  auf  weiteres  nur  aus  folgenden  Herren  zusammengesetzt  ist: 

Direktor:    Herr  Dr.  Florschütz,    welcher   gleichzeitig   im   Auftrage 

der  Königlichen  Regierung  provisorisch  die  Geschäfte  des 

verstorbenen  Oberst  von  Cohausen  bis  zur  Neuwahl  des 

Königlichen  Konservators  übernommen  hat. 
Sekretär:    Herr  Dr.  Ritterling.*^ 
Ferner  die  Herren : 

Rentner  G  aab. 

Landgerichtsrat  Keutner. 

Oberlehrer  Dr.  Wedewer. 

Dr.  med.  Ahrens. 

Oberlehrer  Dr.  Lohr. 

Landgerichtsrat  Düssell. 

Major  a.  D.  Schlieben. 

Li  der  Vorstandssitzung  vom  25.  August  1S94  wurde  auf  Antrag  des 
versitzenden  Direktors  der  Professor  a.  D.  Friedrich  Otto  zu  Wiesbaden 
zum  Ehrenmitgliede  ernannt. 

Von  den  ordentlichen  Mitgliedern  schiedeu  aus: 

a)  durch  den  Tod: 

Herr  Albert  Charlier,  Rentner,  Wiesbaden  (f  22.  4.  94); 

„     Janotha,  Schloss-Inspektor  a.  D.,  Weüburg  (f  7.  5.  94); 

„     Büsgen,  Dr.  phil.,  Rintelen  (f  4.  6.  94); 

„     Liebe,  Hofrat,  Gera  (f  5.  6.  94); 

„  August  von  Cohausen,  Oberst  z.  D.  und  Konservator  des  Ver- 
eins für  Nassauische  Altertumskunde  und  Geschichtsforschung, 
Wiesbaden  (f  2.   12.  94); 

„     Max  von  Dungern,  Freiherr,  Wiesbaden  (f  23.   12.  94); 

„     Otto  Hoffmann,  Wiesbaden; 

„     Ferdinand  Schmidt,  Professor,  Dillenburg  (f  13.  2.  95); 

„     von  Wangen  heim.  Major,  Freiherr,  AViesbaden  (f  14.  2.  95); 

„  Hermann  von  Seydlitz,  Generallieutenant  z.  D.,  Excellenz, 
Wiesbaden  (f  1.  3.  95); 

„     Wilhelm  Winter,  Reg.-Präsident  a.  D.,  Elmshausen  (f  7.  3.  95); 

,,     Johannes  Reber,  Pfarrer  a.  D.,  Wiesbaden  (f  23.  3.  95). 


*)  Seit  1.  April  1895:  Dr.  Adalbert  Schroeter. 


I 


*J  M  t' 

b)  durch  Meldung  des  Austritts: 

Herr  Conrad  Reinhardt,  BuchhündU;r,  W.; 

„     Eduard  Ausfeld,  ])r.  phil.,  Arcliivur,  Kohlen/.; 

„     Eduard  Schmölder,  Weinhüudler,  liicihrjcli; 

„     Letzerich,  Dr.  med.,  \V. ; 

„     Kobelt,  Dr.  med.,  Schwanhoim ; 

„     Thoma,  Hotelbesitzer,  W.; 

„     August  Pfeiffer,  llegierungs-  und  Modi/.iiialrat,  \V.; 

„     Vogeler,  J.,  W.; 

,,     Wilhelm  Franz,  Regierungsbaufülirer,  W.- 

„     Hermann  Klein,  Karlshütte,  Kr.  Biedenkopf; 

,,     von  Trott  zu  Solz,  Landrat,  Marburg  i.  H. ; 

,,     Weber,  Amtsgerichtsrat,  Wetzlar; 

„     Friedrich  Otto,  Professor  a.  D.,  W.  (am  2.').  August  1894  zum 
Ehrenmitglied  ernannt) ; 

,,     C.  Abel,  Rechtsanwalt,  Hadamar; 

,,     Weitzel,  Premierlieutenant,  Mainz; 
Fräulein  Anna  Maria  Mawson,  W. ; 
Herr  Hugo  Schroeder,  Photograph,  W.; 

,,     von  Schw^artzkoppen-Rottorf,  Freiherr,  Weinheim  a.  d.  Bgstr. 

,,     Richard  Ad.  Meyer,  Generalagent,  W.; 

,,     Theodor  Blell,  Rittergutsbesitzer,  Lichterfelde  bei  Berlin; 

„     Friedrich  Rupp,  Reallehrer,  Herborn. 

Diesen  33  bis  zum  L  April  ausgeschiedenen  ordontliclien  Mit- 
gliedern stehen  folgende  34  bis  zu  demselben  Termin  neu  aur.geiioinnieue 
gegenüber: 

Herr  Schmidt,  Landgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  L.; 

,,     Franz  Bossong,  Buchhändler,  W. ; 

,,     Ferdinand  Nitzsche,  W. ; 
Se.  Durchlaucht  Prinz  Albrecht  zu  Solms-Braunfela; 
Herr  Moritz  Richter,  Landgerichtsrat,  W. ; 

„     Rudolf  Faber,   Chemiker,  W. ; 

,,     Rudolf  Engelmann,  Justizrat,  W.; 

„     Adam  Schleidt,  Gerichtsvollzieher,  W.; 

,,     Wahl,  Pfarrer,  Rüdesheim; 

„     von  Sachs,  Amtsrichter,  Mitgl.  der  Direktion  d.  Landesbank,  W.; 

„     Wilhelm  Vogelsberger,  Oberingenicur  n.  I).,   W.; 

,,     F.  Mensing,  Vizeadmiral  z.  D.,  W.; 

„     Oswald  Tschacher,  Rentner,  W.; 

„     Theodor  Schneider,  wissenschaftlicher  Hilfslehrer  an  der  Ober- 
realschule, W.; 

„     Georg  Piepenbring,  Schlossermeister,  Künigstein  i.   T.; 

„     Otto  Meinardus,  Archivar,  Dr.  phil.,  W.; 

„     Matthias  Stinnes,  Geolog,  Wiesbaden  u.  Mühllieim  a.  d.  K.; 

IG 


230 

Herr  Alex.  Schütte,  Major  a.  D.,  W.; 

„     Philipp  Hermann  Leonhard,  Bildhauer,  Eltville  a.  Rh.; 

„     Friedrich  Wilhelm  Kleidt,  Spengler,  W.; 

„     Adalbert  Schroeter,  Kustos  der  Königlichen  Landesbibliothek, 

Dr.  phil,  W.; 
„     Heinrich  Fresenius,  Professor,  Dr.  phil.,  W.; 
„     Paul  Giemen,   Dr.  phil.,    Provinzial-Konservator    der  Rheinpro- 

vinz,  Bonn; 
„     Otto  Fohr,  Gerichtsassessor,  W.; 
„     Georg  Thüsing,  Landrichter,  W.; 
„     Emil  Niederhäuser,  Dr.,  W.; 
„     Val.  Gerlach,  Dr.  med.,  W.; 
„     Karl  Roser,  Dr.  med.,  W.; 
„     H.  Stobbe,  Dr.  jur.,  W.; 
„     Wilhelm  Kaufmann,  Architekt,  W.; 
„     Ernst  Brackebusch,  Besitzer  der  Orauien-Apotheke,  W.; 
„     Heyn,  Pfarrer,  Marienberg; 
„     Jos.  Hilfrich,  Kaplan,  W. ; 
„     Wilhelm  Flügel,  Kaplan,  W. 
Weiterhin  verlor  der  Verein  vom  1.  April  d.  J.  bis  zum  Erscheinen  der 
Anualen : 

a)  durch  den  Tod: 

Herrn  Kohn-Speier,  Kommerzienrat,  Frankfurt  a.  M.  (f  19.  Mai); 
„       Christian  Wirth,  Landesdirektor  a.  D.,  Wiesbaden  (f  26.  Apr.); 
„       Wilhelm  Riecks,  Wirkl.  Geh.  Kriegsrat  und  Militär-Intendant, 
Wiesbaden  (f  2.  Juli). 

b)  durch  Abmeldung: 

Herrn  Schalk,  Bibliothekar,  Dr.  jur.,  Wiesbaden; 

„       Johannes  Kunz,  Bildhauer,  W.; 
Dagegen  sind  in  dieser  Zeit  als  Mitglieder  neu  eingetreten: 
Herr  Max  Guttmann,  Rechtsanwalt,  Wiesbaden; 

„     Hermann  Schroeter,  Pfarrer  a.  D.,  W.; 

„     Born,  Landesgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  L. ; 

„     Gerhardus,  Amtsrichter,  Limburg  a.  d.  L.; 

„     Josef  Kirchberger,  Buchhändler,  Ems; 

„     Lossen,  Oberlandesgerichtsrat,  Frankfurt  a.  M. ; 

„     S  eck  eis,  Gerichtsassessor,  Montabaur; 

„     Thewaldt,  Amtsgerichtsrat,  Ems; 

„     Tilemann,  Amtsrichter,  St.  Goarshausen; 

„     Gottfried    Zedier,    Kustos    der    Königlichen    Landesbibliothek, 
Dr.  phil.,  Wiesbaden; 

,,     Bellinger,  Bergrat,  Braunfels; 
Frl.    Emilie  Vogler,  Bad  Ems. 


231 

So  stehen  bei  Abschluss  des  Bandes  38  ausgeschiedonou  4«;  ueu  liiiizu- 
getretene  Mitglieder  gegenüber  und  besteht  der  Verein  gegenwärtig  ausser  dem 
Vorstande  aus  5  Ehren-,  7  korrespondierenden  und  343  ordentlichen  MifgHudorn. 
Die  Gesamtheit  des  Vereins  umfasst  in  Summa:  355  Personen. 

Bibliothek.  Die  Bibliothek  hat  einen  nennenswerten  Zuwachs  durch 
Ankauf  nicht  erfahren;  als  wertvolles  Geschenk  wurde  ihr  durch  Se.  Excellcn/. 
den  Herrn  Staatsminister  von  Stephan  das  Werk:  Veredarius,  Das  l'.uch 
von  der  Weltpost.  3.  Aufl.  zugewiesen.  Weitere  Geschenke  erfolgten  durch 
Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Flor  schütz,  Herrn  Oberstlieutenant  a.  D.  Sartor  ins 
(Kölner  Thorburgen  und  Befestigungen),  Herrn  G.  Piepenbring  (Die  Fest- 
ungsruine Königstein),  Herrn  Professor  aus'm  Werth  (Kunstdenkmäler  dos 
christlichen  Mittelalters  in  den  Rheinlanden,  Bd.  1  u.  2,  Atlas  m.  Text),  Herrn 
Professor  a.  D.  Dr.  Otto  (Berichte  über  die  Visitationen  der  nassauischen 
Kirchen  des  Mainzer  Sprengeis  in  den  Jahren  1548 — 1550). 

Vorträge.  Die  wissenschaftlichen  Vorträge  des  Vereins  wurden  Mittwoch 
den  31.  Oktober  1894  wieder  aufgenommen.  Die  Sitzungen  wurden  im  „Roten 
Hause"  fortgesetzt,  während  die  „historische  Sektion",  welche  sich  inzwischen 
gebildet  hatte,  um  gesondert  speziellere  Studien  zu  pflegen,  das  Lokal  gewech- 
selt und  für  ihre  besonderen  Vortragsabende  das  Civilkasino    auserlesen  hatte. 

Die  Vorträge  im  „Roten  Hause"  nahmen  folgenden  Verlauf: 

1)  Sitzung  am  31.  Oktober  1894  im  „Roten  Hause". 

Nach  der  Begrüssung  der  erschienenen  Mitglieder  und  Gäste 
durch  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz  berichtete  Herr  Oberst  von 
Cohausen  über  den  Verlauf  der  Eisenacher  Generalversammlung  des 
Gesamtvereins.  Von  Vorträgen  in  den  Hauptversammlungen  wurden 
hervorgehoben  derjenige  des  Herrn  Professor  von  Thudichum  über 
„die  Rechtssprache  als  Hilfsmittel  zur  Feststellung  der  ursprünglichen 
Gebiete  der  deutschen  Stämme",  weiter  der  des  Herrn  Superintendent 
Marbach  über  ein  im  Jahre  1322  in  Eisenach  aufgeführtes  geistliches 
Schauspiel  „Die  10  Jungfrauen",  sowie  des  Herrn  von  Thüna  über 
die  Geschichte  des  40.  Regimentes  im  siebenjährigen  Kriege.  An  die 
Hauptversammlungen  schlössen  sich  die  Sitzungen  der  Sektionen  an, 
von  denen  wie  üblich  1  und  2,  sowie  3  und  4  gemeinsam  tagten.  In 
der  ersteren  Gruppe,  in  welcher,  wie  gleichfalls  seit  Jahren  üblich, 
Herr  Oberst  von  Cohausen  den  Vorsitz  führte,  legte  derselbe  zunächst 
den  Fragebogen  über  die  prähistorischen  Kulturstätten  in  Deutschland 
vor;  ein  gleicher  Fragebogen  soll  auch  für  die  Mardellen  aufgestellt 
werden.  In  der  2.  Sitzung  wurde  die  Frage  über  den  Denkmalschutz 
im  Anschluss  an  einen  Vortrag  des  Herrn  Architekten  Wal  lue  aus 
Berlin  behandelt.  Danach  sprach  Herr  Baumeister  Jacobi  aus  Hom- 
burg über  die  wichtigsten  Entdeckungen  in  der  Limesfrage.  In  der 
3.  und  4.  Sektion  wurde  die  Frage  des  Herrn  Arcliivrat  Jacobs,  seit 
wann    die  Kirchenbücher   in  Deutschland    existieren,    behandelt,    sowie 

16* 


232 

der  "Wunsch  ausgesprocheu,  man  möge  eine  Ausstellung  von  Archi- 
valien  in  Marburg  veranstalten.  Au  seinen  eingehenden  Bericht  knüpft 
Herr  Oberst  von  Co  hausen  noch  einige  Bemerkungen  über  das  inner- 
halb des  schon  längst  bekannten  Saalbuig-Kastells  neuerdings  entdeckte 
ältere  Kastell. 

Darauf  hielt  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz  einen  Vortrag 
über  „slavische  Bauernburgen"  in  Mitteldeutschland,  speziell  in  der 
Gegend  von  Koburg  und  lleiuingen. 
Dieselben  sind  durcbgchends  reine  Erdbauten  und  unterscheiden  sich  dadnrch 
grundsätzlich  von  den  sogen.  Riugwällen  der  keltischen  Zeit.  Eine  ^veitere  Eigen- 
tümlichkeit ist  ihre  Lage  auf  der  vorspringenden  Xase  von  Bergen,  nie  auf  der  Kuppe, 
und  zwar  so,  dass  stets  von  der  einen  nach  der  anderen  Befestigung  Signale  gegeben 
werden  konnten,  Ihre  Gestalt  ist  meistens  oval  und  die  Anlage  ziemlich  klein,  nur 
für  die  Aufnahme  weniger  Familien  berechnet.  Im  Innern  des  vom  Walle  und  Graben 
umschlossenen  Raumes  finden  sich  die  einzelnen  Wohnstiitten,  deren  Mittelpunkt  eine 
trichterförmige  Mardelle  mit  tonnenartig  geglättetem  Bodeu  bildet.  Funde  von  Artefakten 
und  Scherben  finden  sich  vorwiegend  in  den  Gräben  der  Umwallung.  Charakteristisch 
und  für  die  Bestimmung,  welchem  Stamme  die  einstigen  Bewohner  dieser  Bauten  an- 
gehörten, allein  massgebend  sind  die  Gefässscherben.  Diese  Gefässe  sind  mit  der 
Drehscheibe  geformt,  aus  Glimmerthon  sehr  hart  und  klingend  gebrannt  und  zeigen 
meist  ein  wellenförmiges  Ornament,  Merkmale,  welche  ebenso  bei  den  slavischen  An- 
siedelungen der  Lausitz  und  des  Spreewaldes  wiederkehren.  Die  Zeit  dieser  slavischen 
Niederlassungen  geht  bis  in  das  Ende  der  Völkerwanderung  zurück,  doch  können 
dieselben  nicht  sehr  lange  bestanden  haben,  da  zur  Zeit  Karls  des  Grossen  diese 
Gegenden  bis  nach  Regensburg  hin  als  loca  deserta  et  silrestria  bezeichnet  werden. 
Karl  der  Grosse  hat  dann  30  000  transalbingische  Sachsen,  die  bereits  halb  slavisicrt 
waren,  dort  angesiedelt.  Von  ihnen  rühren  die  heute  dort  noch  so  häufigen  slavisclien 
Ortsnamen  her, 

2)  Sitzung  am  10.  November  1894  im  „Roten  Hause". 

Vor  einer  zahlreichen  Zuhörerschaft,  welche  diesesmal,  um  die 
Sitzung  mit  der  ^Fartinsfeier  zusammenfallen  zu  lassen,  sich  ausnahms- 
weise an  einem  Samstag  versammelt  hatte,  hielt  Herr  Major  Seh  lieben 
einen  Vortrag  über  „die  Martinsgans". 

Die  Martinsgans  wird  zum  Andenken  an  den  hl.  Martin  verzehrt,  der  im  Jahre 
316  unserer  Zeitrechnung  zu  Sabaria  (jetzt  Stein  am  Anger)  in  Ungarn  geboren 
wurde,  sicli  anfangs  dem  Soldateustande  widmete,  im  Jahre  375  aber  vom  Volke  zum 
Bischof  von  Tours  erwählt  wurde.  Sein  Namenstag  ist  der  11,  November;  der  Um- 
stand aber,  dass  Martin  Luther  am  10.  November  1483  in  Eisleben  geboren  wurde 
und  dass  die  Feier  zu  Ehren  des  Heiligen  in  der  Regel  am  Vorabende  stattfand, 
hat  zu  einer  Verwechselung  beider  Martine  geführt.  Der  hl.  Martin  galt  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  als  der  Patron  der  Schlemmer,  aber  ohne  seine  Schuld,  da  er 
in  der  christlichen  Kirche  an  die  Stelle  des  heidnischen  Wuotan  trat,  von  dem  er 
noch  den  Schinnnel  und  den  Mantel  als  Attribute  behalten  hat,  wie  ähnliches  auch 
den  Heiligen    Michael,    Georg,    Oswald    und    anderen    widerfahren    ist.      Die  Martins- 


233 

sclimäusc  sind  die  umgewandelten  hcidnisclien  Oitferfcsto,  im  Novcmhcr  fanden  bei 
unseren  Altvorderen  die  Erntcopfer  statt.  Bei  dem  Martinsschmaus  siiiclt  die  fians 
eine  Hauptrolle.  Dieser  Vogel  ist  seit  Urzeiten  in  Mitteleuropa  licimiscli  uml  stammt 
nicht  aus  Asien.  Die  Gaus  ist  tapfer  uml  wachsam  und  vordankt  es  diesen  Tugenden, 
dass  der  Vandalenfürst  Geiserich  sich  und  seinen  Sohn  Genzo  nach  ihr  benannte.  Die 
Römer  dankten  ihr  die  Rettung  des  Kajjitols,  sie  war  der  Juno  und  der  Proscri»ina 
heilig  und  ist  eines  der  ältesten  Haustiere.  Die  Gans,  auch  die  wilde,  galt  früher 
als  ein  schöner  und  lieblicher  Vogel,  Penelope  hielt  sie  zur  Zierde  des  Hofes,  zwischen 
Nal  und  Damajanti  machte  sie  den  Liebesboten.  Bekannt  ist  die  Gans,  welche  109G 
die  Führung  eines  Schwarraes  von  Kreuzfahrern  und  verlaufenem  Gesindel  aus  der 
Gegend  von  Mainz  übernahm ;  indem  sie  einem  Weibe  überall  hin  folgte,  erweckte 
sie  den  Schein,  dieses  infolge  göttlichen  Einflusses  zu  führen.  Bei  den  Grieclicn  war 
die  Gans  das  Sinnbild  einer  sorgsamen  Hausfrau,  bei  den  Chinesen  das  Symbol  der 
ehelichen  Treue,  bei  den  Indiern  der  Weisheit  und  der  Sonne.  Im  Haushalt  ist  die 
Gans  fast  so  nützlich  wie  das  Schwein  und  heisst  daher  bei  einem  Dichter  auch  ein 
geflügeltes  Schwein.  Ihr  Name,  wie  der  von  allen  Haustieren,  ist  jetzt  zum  Schimpf- 
wort geworden,  aber  mit  Unrecht  gilt  sie  als  dumm.  Die  Gans  kann  ein  hohes 
Alter  erreichen,  es  sind  ßO  bis  80  Jahre  alte  Gänse  beobachtet  worden.  Wilde 
Gänse  sind  Wetterpropheten.  Zu  Plinius'  Zeiten  gab  es  grosse  Herden  im  heutigen 
Belgien.  Die  verwöhnten  Römer  verschmähten  das  Fleisch  der  Gans,  sie  assen  nur 
die  Leber  und  kannten  schon  die  Kunst,  grosse  Lebern  zu  erzeugen.  Im  ^Mittelalter 
glaubte  man,  dass  die  sogenannten  Baumgänse  auf  Bäumen  wüchsen,  und  ass  sie, 
dieses  pflanzlichen  Ursprunges  wegen,  als  Fastenspeise  trotz  des  Verbotes  des  Papstes 
Innoceuz  III.  Wie  der  hl.  Martin  mit  der  Gans  in  Verbindung  gebracht  wurde, 
darüber  berichtet  die  Legende,  er  habe  sich,  zum  Bischof  gewählt,  in  einen  Gäusc- 
stall  versteckt,  um  sich  dem  Amte  zu  entziehen,  sei  aber  von  den  Gänsen  verraten 
worden.  In  Wirklichkeit  kam  der  hl.  Martin  zur  Gans,  weil  ihm  zahlreiche  Kirchen 
und  Klöster  geweiht  waren  und  zur  Zeit  seines  Namensfestes  ihre  Abgaben,  zu  denen 
vorzugsweise  Gänse  gehörten,  entrichten  mussten.  An  vielen  Orten  bestanden  die 
Abgaben  ausserdem  aus  Wein  und  Most,  wodurch  alles  zu  einem  Festessen  gegeben 
war.  Bei  den  Schmausen  wurden  Gedichte  gemacht,  deren  aus  dem  16.  und  17.  Jahr- 
hundert verschiedene  vorhanden  sind.  In  England  trat  an  die  Stelle  des  hl.  Martin 
der  hl.  Michael.  Zur  Erklärung  der  Sitte  des  Gänseschmauses  am  Michaelstagc 
(29.  September)  wird  erzählt,  die  Königin  Elisabeth  habe  gerade  eine  Gans  gegessen, 
als  sie  die  Nachricht  von  der  Vernichtung  der  Armada  erhielt.  Die  Sitte  ist  jedoch 
schon  viel  älter  und  mindestens  seit  dem   15.  Jahrhundert  nachweisbar. 

An  den  Yorfcrag  schlössen  sich  einige  Bemerkungen  des  Vorsitzen- 
den Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Flor  schütz  über  „die  Belouchtungsmittcl  des 
Altertums".  An  einige  während  des  nun  folgenden  Mahles  angezündete 
römische  Thonlämpchen  anknüpfend  sprach  er  die  Ansicht  aus,  dass 
dieselben  nicht  nur  zur  Beleuchtung,  sondern  auch  zur  Erhaltung  des 
Feuers  gedient  haben,  und  dass  dem  nach  auch  die  Lämpchen,  welche 
sich  so  zahlreich  in  Gräbern  finden,  als  Beigaben  für  den  Yerstorbe- 
uen,  um  sich  daran  die  Speisen  zu  kochen,  aufzufassen  seien,     la  der 


234 

sich  daran  schliessenden  Diskussion,  an  welcher  sich  die  Herren  Oberst 
von  Cohausen,  Major  Scli lieben,  Dr.  Lohr  und  Regierungsrat  Petri 
beteiligten,  wurde  die  Ansicht  vertreten,  dass  eine  grössere  Anzahl  sol- 
cher Lämpchen,  mit  Talg,  Fett  oder  Öl  gefüllt,  doch  wohl  hingereicht 
hätten  zur  Erleuchtung  der  verhältnismässig  engen  Iväume  der  Alten, 
wobei  freilich  auch  Kien-  und  Wachsfackeln  eine  bedeutende  Rolle 
gespielt  haben  werden. 

3)  Sitzung  am  28.  November  1894  im  „Roten  Hause". 

Nach  Begrüssung  der  aussergewöhnlich  zahlreich  erschienenen 
Mitglieder  und  Gäste  seitens  des  Vereinsdirektors  ur.d  nach  Verlesung 
des  Protokolls  der  vorigen  Sitzung  hielt  Herr  Oberstlieutenant  Sar- 
torius  einen  Vortrag  über  „das  Postwesen  der  Römer". 

Nach  einem  kurzen  I'berhiiek  über  die  postalischen  Einrichtungen  im  alten 
Orient  und  bei  den  Griechen  führte  der  Redner  des  weiteren  aus,  dass  die  Römer 
die  ersten  gewesen,  welche  eine  Einrichtung  schufen,  von  der  nicht  allein  der  Staat, 
sondern  auch  die  Allgemeinheit  Vorteil  hatte,  wenigstens  insofern  als  die  ausgezeich- 
neten Kuuststrassen  nicht  wenig  zur  Hebung  des  Handels-  und  Reiseverkehrs  bei- 
trugen. Eine  feste  Organisation  brachte  in  das  Postwesen  erst  die  Kaiserzeit.  So 
Bedeutendes  auch  der  Cursus  publiciis  (durch  seine  in  bestimmten  Zwischenräumen 
angebrachten  Mansionen  und  Stationen)  leistete,  bildete  er  doch  eine  schwere  Last 
für  die  Gemeinden ;  Kaiser  Nerva  befreite  wenigstens  die  Italicner  von  diesen  Ab- 
gaben, indem  er  die  Kosten  auf  den  kaiserlichen  Fiskus  übernahm.  Auch  spätere 
Kaiser,  so  Hadrian,  Pins  und  Severus,  bemühten  sich  in  dieser  Richtung  zu  wirken. 
Trotzdem  häufen  sich  die  Klagen  über  Bedrückungen  und  missbräuchliche  Benutzung 
der  Staatspost  seitens  der  Beamten  in  diesen  Jahrhunderten  immer  mehr,  wie  wir 
aus  den  darüber  erlassenen  Gesetzen  und  strengen  Verboten  namentlich  des  3.  und 
4.  Jahrhunderts  ersehen.  Noch  im  Ostgotenreicli  wurde  der  Cursus  puhlicns  nach 
dem  römischen  Muster  beibehalten.  Der  Redner  ging  näher  ein  auf  die  innere  Or- 
ganisation und  Verwaltung  der  Staatspost  und  schilderte  das  Leben,  welches  auf  und 
an  den  grossen  Ileerstrassen  geherrscht  hat.  Zum  Schluss  gab  er  noch  eine  Über- 
sicht über  die  wichtigsten  Routen  dieses  grossartigen  Strassennetzes,  welches  durch 
den  Mittelpunkt  Rom  die  Städte  Hispaniens  und  Galliens  mit  denen  des  Ostens  in 
beciuemc  Verbindung  setzte. 

Darauf  erläuterte  der  Vereinsdirektor  eine  Sammlung  von  india- 
nischen Waffen  und  Kleidungsstücken  aus  Dakota,  welche  für  diesen 
Abend  von  privater  Seite  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  waren 
und  die  besonders  wegen  ihrer  schönen  Perlenstickereien  von  den  an- 
wesenden Damen  bewundert  wurden. 

4)  7.'].  Hauptversammlung  am  15.  Dezember  1894  im  Museumasaale. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Flor  schütz,  begrüsste 
die  Erschienenen  und  hielt  eine  begeisterte  Rede  zum  Gedächtnisse 
von  Cohausens,  der  23  Jahre  lang  im  Vereine  verdienstvoll  gewirkt 
hatte.     Er  hob  seine  grossen  Kenntnisse   in   der  Altertumswissenschaft 


235 

hervor,  seine  Verdienste  um  die  Freilegung  der  Saalbiirg  und  forderte 
auf,  in  seinem  Geiste  weiterzuarbeiten.     Darauf  trug  der  Sei<retär  des 
Vereins,    Herr    Dr.  Ritterling,    den    ausfülirliciuMi   Jaliresbcricht    vor 
über    die   Thätigkeit   des  Vereins    in    Ausflügen,    Sitzungen,  Vorträgen 
und  Erwerbungen.     Die  ^Fitgliedcrzalil   ist   sieh   fast   gleich  geblieben, 
indem  29  austraten,  28  neu  eintraten.    Nachdem  Herr  Dr.  Flor-schütz 
kurz    die    einzelnen   Erwerbungen    aufgezählt   und    erklärt    hatte,    hielt 
Herr   Dr.   Heuer,    Bibliothekar    am    Goethehaus    zu    Frankfurt,    einen 
sehr   interessanten   Vortrag    über    „Wesen    und   Ziele  der   historischen 
Forschung". 
Die  Geistesrichtung  unserer  Zeit    ist  wescntlicli  eine  liistorischc,    auf  allen  fic- 
bietcn  herrscht    der   Sinn    für  das  Wirkliche,    Greifbare.     Zuerst    ist   die    Geschichte 
erzählend,    sagenhaft    wie   Homer,    Ilcrodot,    die  Nibelungen,    dann  wird  sie  Iclirhaft, 
subjektiv  wie  bei  Schiller,    zuletzt    wird    sie  genetische  Forschung,    wie  das  ?2iii/elnc 
geworden  ist  im  Zusammenhange   der  historischen  Begebenheiten.     Der  Forsclier  hat 
die  Quellen  zu  kritisieren,    Fcälschungen  aufzudecken   und  der  Lcgendenbildung  nach- 
zugehen, wie  den  Sagen  von  Teil,  den  400  Pforzheimern  bei  Wimpfcn,  den  Weibern 
von  Weinsberg.     Die  Geschichte  giebt,    wie  alles  Menschliche,  keine  absolute  Wahr- 
heit, sondern  nur  im  ganzen,  in  der  Hauptsache.    Zuletzt  trat  Redner  der  von  INIarx 
begründeten,   von  Friedrich  Engels,    Bebel  weitergeführten    materiellen  Geschichtsauf- 
fassung entgegen. 

Die  statutengemäss  ausscheidenden  Vorstandsmitglieder  wurden 
sämtlich  wiedergewählt  und  zwar  Oberlehrer  Dr.  Lohr,  Landgerichts- 
rat Düssell,  Major  a.  D.  Schlieben.  Als  Ersatzmänner  wurden 
gewählt:  Herr  Oberstlieut.  z.  D.  Sartorius  und  Archivar  Dr.  Hage- 
mann.*) Als  Konservator  wurde  Herr  Baurat  Winter  mit  28  Stim- 
men gewählt. 

5)  Sitzung  am  9.  Januar  1895  im  „Roten  Hause". 

Der  angekündigte  Vortrag   des   Herrn   Stinues   über   , prähisto- 
rischen Bergbau"  konnte  wegen  Erkrankung  des  Herrn  Redners  nicht 
stattfinden.    An  seiner  Stelle  sprach  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florschütz 
über  „die  Mardellen",    und  speziell  über  die  in  Schierstein  gemachten 
derartigen  Funde. 
Ausgehend  von  der  Bedeutung  des  Wortes,   dessen  beide  Bestandteile  uiar  und 
clclle   Einbuchtung,    Aushöhlung  bedeuten,    besprach  der  Redner  analoge  Erdaushöhl- 
ungen,   welche    noch  jetzt  zeitweilig   als  Wohnungen    dienen    und    deren  Formen  sich 
wiederholen    in    den    slavischen  Bauernburgen,    den    keltischen   Kingwällen,    u.  a.  auf 
dem  Taunus  und  bei  Meiningen.     Ob  auch  diese  Wohnungen  wie  die  jetzt  noch  be- 
stehenden Köhlerhütten  durch  oben  zusammengebogene,  im  Kreis  um  die  Aushöhlung 
gesteckte  Bäume  gedeckt  waren,   lässt  sich  natürlich  nicht  mehr  feststellen.     In  den 
eigentlich  so  genannten  Mardellen    glaubte    man    früher   dauernde  Wohnstätten  sehen 
zu  dürfen ;  doch  ist  dies  nicht  haltbar. 


*)  Vgl.  S.  228,  Z.  7  von  oben. 


236 

Die  Scbiersteincr  Funde,  von  denen  eine  Anzahl  scliwarze  Tliongefässc,  Geräte 
aus  Hirschhorn  und  Knochen  u.  s.  w.  die  Ausführungen  erläuterten,  gehören  der  neo- 
lithischen  Periode  an ;  ähnliche  werden  vielfach  im  Löss  gemacht.  Bei  den  Gofässcn 
ist  besonders  die  glockenartige  Form  bevorzugt.  Wer  die  Menschen  waren,  welche 
diese  Gefässe  fertigten  und  benutzten,  wird  schwer  zu  entscheiden  sein.  Redner 
verwies  hier  auf  die  Pfahlbauerbevülkerung  der  sogen,  turanischen  Race  des  Boden- 
sees. Die  Bestimmung  dieser  Mardellen  selbst  präzisierte  er  als  wahrscheinliche  Ab- 
fallsgruben und  Kellerräume  für  die  Bedürfnisse  der  Umwohner. 

An  der  folgenden  Debatte  beteiligten  sich  die  Herren  Schieren- 
berg,  Oberstlieutenant  Sartorius,  Herr  Direktor  Fischbach  und 
wurde  auf  verschiedene  analoge,  noch  jetzt  im  Gebrauch  beüudliche  Erd- 
wohnungen  hingewiesen. 

6)  Sitzung  am  23.  Januar  1895  im  „Roten  Hause". 

Da  Herr  Dr.  Stinnes  durch  einen  Auftrag  der  Regierung  be- 
hindert war,  seinen  angekündigten  Vortrag  zu  halten,  sprach  Herr 
Oberlehrer  Dr.  Wedewer  über  „die  Geisslerfabrten  und  andere  Buss- 
prozessionen des  Mittelalters". 

An  alte  Vorbilder  anknüpfend  trat  das  Büssertum  zuerst  öffentlich  hervor  im 
Jahre  12r30  in  Perugia  und  zwar  in  der  Absicht,  durch  solche  Selbstkasteiung  das 
Elend  und  Laster,  welches  damals  überhand  zu  nehmen  schien,  abzuwenden  und  zu 
sühnen.  Dieser  erste  Versuch,  welcher  in  seinem  weiteren  Verlauf  bereits  auszuarten 
begann,  erlosch  schon  nach  drei  Jahren,  etwa  1263/64.  Erst  im  Jahre  1349  zei- 
tigten ähnliche  Ursachen  wieder  gleichartige  Erscheinungen;  besonders  war  es  der 
,, schwarze  Tod",  welcher  durch  seine  Verheerungen  die  Gemüter  der  Busse  zugäng- 
lich machte.  Und  zwar  tauchten  jetzt  diese  Bussprozessionen  fast  gleichzeitig  in 
den  verschiedensten  Ländern  auf.  Aber  die  immer  stärker  auftretenden  Ausschweif- 
ungen und  Zügellosigkeiten  veranlassten  den  Papst  Clemens  VL,  gegen  das  ganze 
Wesen  einzuschreiten,  weil  unter  dem  Scheine  des  Guten  ,, alles  Böse  getrieben  werde". 
Denn  allmählich  hatte  sich  ein  ganzes  S}^stem  und  Dogma  der  Geisselung  heraus- 
gebildet; die  Führer  erklärten  ihr  vergossenes  Blut  für  wertvoller  als  das  der  Mär- 
tyrer, sodass  die  Richtung  in  antikirchliche,  revolutionäre  Bahnen  einlenkte.  Als 
charakteristisches,  zeitgenössisches  Zeugnis  verlas  der  Redner  den  Bericht  der  Lim- 
burger Chronik.  Er  ging  dann  noch  auf  andere  Prozessionen  über,  in  denen  derselbe 
Gedanke  der  Busse  zu  Grunde  lag,  aber  in  milderer  Form  zum  Ausdruck  gebracht 
wurde ;  besonders  eingehend  schilderte  er  die  noch  jetzt  bestehende  Echternacher 
Springprozession  aus  eigener  Anschauung. 

In  der  sich  anschliessenden  Debatte,  an  welcher  die  Herren 
Archivrat  Dr.  Sauer,  Meinardus,  Ruppel  und  Panzer  teilnahmen, 
wurde  noch  auf  verschiedene  Punkte  hingewiesen,  besonders  auch  da- 
rauf, dass  ausser  den  religiösen  und  sittlichen  Gründen  auch  volks- 
wirtschaftliche Zustände  die  Bewegungen  mit  beeintiusst  hätten,  wo- 
durch sich  erkläre,  dass  im  Anschlüsse  daran  auch  Juden-  und  Ketzer- 
verfulgungen  stattfanden;    bei   den   Springprozessionen    habe    auch    die 


237 

Tanzwut  als  Volkskrankhoit  mitgewirkt.  Die  Münchsordcn,  welche,  wie 
besonders  die  Dominikaner,  die  Geisslcrzügc  begünstigten,  handelten 
damit  direkt  gegen  das  Verbot  des  Papstes. 

Darauf  sprach  Herr  Dr.  Ritterling  über  das  im  liMnischen 
Kastell  bei  Wiesbaden  1858  gefundene  Militürdiplom.  Nach  allge- 
meinen Bemerkungen  über  die  Organisation  des  rijmischen  Heerwesens 
der  Kaiserzeit  erläuterte  er  den  Zweck,  die  Einrichtung  und  Verwen- 
dung dieser  Bronzetäfelchen,  welche  uns  Truppen  aus  den  verschieden- 
sten Völkerschaften  als  gemeinsame  Verteidiger  der  römischen  (Jrenzc 
gegen  die  Germanen  aufzählen. 

Zum  Schlüsse  wurde  noch  eine  Anzahl  koreanischer  Essgefässe, 
welche  Se.  Excellenz  Herr  v.  Brandt  dem  Museum  als  Geschenk 
überwiesen  hatte,  vorgezeigt. 

7)  Sitzung  am  7.  Februar  1895  im  „Roten  Hause". 

Nach  Verlesung  des  Protokolls  hielt  Herr  Regierungsrat  Caesar 
einen  Vortrag  über  „das  Leben  der  höfisch-ritterlichen  Gesellschaft  zur 
Zeit  der  Hohenstaufen". 

Wer,  besonders  bei  uns  an  den  Ufern  des  Rheins,  die  Reste  der  Ritterburgen, 
jener  Denkmäler  einer  interessanten  Periode  unserer  Geschichte,  die  man  gern  als 
die  „romantische"  bezeichnet,  betrachtet,  dem  steigt  leicht  der  Wunsch  auf,  näheres 
über  das  häusliche,  das  Familienleben  zu  jener  Zeit  und  in  jenen  Mauern  zu  wissen. 
Es  fehlt  uns  nun  glücklicherweise  nicht  an  Quellen,  die  uns  durch  Aneinanderreihen 
und  Vergleichen  derselben  ein  ziemlich  klares  Bild  jener  damaligen  Lebensumstände 
geben.  Es  sind  dies  besonders  die  epischen  und  lyrischen  Dichtungen  aus  der  Ilohcn- 
staufenzeit,  doch  sind  diese  im  grösseren  Publikum  nicht  in  wünschenswertem  Masse 
bekannt.  Rittertum  und  Adel  standen  sich  früher  gesondert  gegenüber,  und  zwar 
das  erstere  als  das  niedrigere,  vom  zweiten  vielfach  Abhängige.  Zum  echten  alten 
Reichsadel  gehörte  man  nur  durch  die  Geburt,  während  das  Rittertum  erworben 
werden  konnte.  Später  aber  umfasste  die  Bezeichnung  des  Rittertums  sowohl  die 
Edlen,  als  auch  die  adeligen  Dienstmannen  und  die  mit  kleinen  Ilofämtern  und  der- 
gleichen belehnten  eigentlichen  Ritter.  Auch  der  Edle  musste  erst  den  Ritterschlag 
empfangen.  Der  sesshafte  Ritter  schuf  sich  eine  feste,  wehrhafte  Wohnung,  im  ebenen 
niederdeutschen  Lande  gern  von  Wasser  umgeben,  in  Oberdeutschland  auf  schroffem 
Bergkegel  oder  an  steilem  Bergesrand,  der  an  der  flacheren  Seite  mit  künstlichem 
Schutz  versehen  wurde.  Der  Hauptbestandteil  der  P.urg  war  der  Bergfried,  jener 
starke  Mittelturm,  der  keiner  rechten  Burg  aus  jener  Zeit  fehlt.  Hier  drängte  sich 
zuweilen  alles  zusammen,  Wohnung,  Befestigung,  Speicher,  Gefängnis  u.  s.  w.  Denn 
zuerst  kam  damals  die  Sicherheit,  dann  erst  die  Bequemlichkeit.  Konnte  die  Woh- 
nung der  Insassen  hier  nur  erbärmlich  sein,  so  war  das  Gefängnis  fürchterlich,  eine 
Hölle.  Liessen  es  Raum  und  Mittel  zu,  so  stand  neben  dem  Bergfried  der  Pallas, 
das  Wohnhaus  des  Ritters.  Dies  konnte  recht  stattlich  und  geräumig  sein.  Ein 
schönes  Beispiel  davon  ist  der  Pallas,  das  lange  Hauptgebäude  der  Wartburg.  N  cr- 
mehrte sich  die  Burgfamilie  durch  Kinder  oder  Zuzug  von  Verwandten,  so  entstanden 
An-  und  Neubauten,    die  freilich  wegen  des  knappen  Raumes   oft   sehr  in   die  Höhe 


238 

gehen  miisstcn.  Für  eine  solche  Burg-Familienkolonie  ist  die  Burg  Eltz  in  einem 
Qucrthale  der  Mosel  das  schönste  —  und  vollständig  erhaltene  —  Cluster.  Hier 
lebte  nun  die  Ritterfamilie  schlecht  und  recht  —  d.  h.  im  langen  deutschen  Winter 
(im  heutigen  Sinne  des  Wortes)  herzlich  schlecht.  Mau  sass,  in  Pelze  gehüllt, 
fröstelnd  am  bekanntlich  schlecht  heizenden  Kamine,  oft  tagsüber  nur  bei  schwachem 
künstlichen  Lichte,  wenn  die  Fensterläden  wegen  Unwetters  geschlossen  werden  muss- 
ten,  da  die  kleinen  trüben  Hörn-  oder  Pergamentfensterscheiben  nicht  genügenden 
Schutz  dagegen  boten.  Eng  wohnte  alles  zusammen,  der  Wohnraum  war  oft  zugleich 
Schlaf-  und  Gastzimmer.  Die  heutigen  Gefängnisse  müssen  dagegen  als  äusserst 
traulich  und  gemütlich  bezeichnet  werden.  Daher  auch  die  sehnsüchtigen  Klagen  der 
Minnesänger,  dass  der  schlimme  Winter  gar  nicht  weichen  und  der  holde  Sommer, 
der  Erlöser  aus  der  bedrückenden  Enge,  nicht  kommen  wolle.  Zog  der  letztere  ein, 
so  zeigte  das  ritterliche  Hauswesen  ein  weit  freundlicheres  Gesicht,  Dann  war  es 
lustig,  vom  hohen  Erker  über  die  Wipfel  der  Bäume  ins  Thal  zu  schauen  oder  im 
Gärtcheu  au  der  Burgmauer  zu  sitzen,  wo  Lilien  und  Rosen  blühten.  Dann  sah  es 
auch  im  Saal,  dem  Hauptraum  des  Pallas,  lustig  und  hell  aus,  wo  schöne  Teppiche 
Wände  und  Fussboden  zierten,  wo  bunt  bemalte  Möbel  das  Auge  erfreuten,  wo  die 
Kronleuchter  —  natürlich  von  sehr  primitiver  Gestalt  —  von  der  Decke  hingen. 
Der  Raum  für  die  Frauen,  die  Kemenate  (von  caininata,  Raum  mit  Kamin)  war 
von  fleissiger  Frauenhand  geschmückt.  Denn  die  Edeldamen  von  damals  webten, 
nähten  und  stickten  das  meiste,  das  sie  bedurften,  selbst,  Audi  Fremdenzimmer 
gab  es  in  den  Burgen,  wo  aber  oft  zwei  Gäste  in  einem  Bett  untergebracht 
wurden.  In  grösseren  Burgen  fehlte  auch  die  Badestube  nicht.  Eine  Kapelle 
war  ebenfalls  stets  vorhanden,  deren  ,,Burgpfaff"'  zugleich  Sekretär  und  Hauslehrer 
sein  musste.  Auf  Reinlichkeit  und  schöne  Kleidung  wurde  sehr  gesehen,  ebenso  auf 
Schmuck.  Es  gab  da  schon  Schleppen,  spitze  Schuhe,  Handschuhe,  aber  auch  — 
Schminke  und  falsche  Haare.  Den  Freuden  der  Tafel  war  man  sehr  ergeben,  es 
wurde  viel  Fleisch,  viel  Gewürz  und  viel  (und  vielerlei)  Getränk  konsumiert,  heimische 
Weine,  diese  oft  wegen  ihrer  Rauheit  zu  Bowlen  verarbeitet,  fremde  Weine,  Meth, 
Obstwein  und  Bier.  Das  Fleisch  wurde  von  dazu  bestellten  Knaben  —  Junkern  — 
und  Jungfräulein  zu  mundrechteu  Bissen  zerkleinert,  so  serviert  und  —  direkt  mit 
den  Fingern  zu  Munde  geführt,  da  die  Gabeln  damals  zu  diesem  Zwecke  noch  nicht 
benutzt  wurden.  Glücklicherweise  fand  vorher  ein  allgemeines  ceremonielles  Ilände- 
waschen  statt,  ehe  alle  Finger  in  die  Schüsseln  fuhren.  Vielfach  wurde  aber  von 
zwei  Personen  aus  derselben  Schüssel  gegessen  uiul  aus  demselben  Becher  getrunken. 
Die  hütischen  Tischsitten  waren  sorgfältig  vorgeschrieben ;  die  Nägel  sollten  kurz  sein, 
man  sollte  sich  hüten,  in  das  Tischtuch  zu  schneuzen  —  und  was  sonst  löblich  zu 
wissen  und  zu  beobachten  war.  Dass  die  Frauen  sich  bei  Tisch  betranken,  galt 
schon  damals  für  unschicklich. 

8)  Sitzuuy  um  20.  Februar  1895  im  „lioteu  Hause". 

Nach  Yerlesiing  des  Protokolls  der  vorigen  Sitzung  macht  der 
Vorsitzende  die  Mitteilung  von  der  im  Anfang  des  ]\Ionats  erfolgten 
Konstituierung  einer  Sektion  des  Vereins  für  mittlere  und  neuere  Ge- 
schichte,   und  ladet  die  Mitglieder  des  Vereins    zum  Beitritt  ein.     Da- 


239 

rauf  hält    Herr   Dr.  Meinardus    einen  Vortra«^    über    „das   politische 
Testament  des  Grafen  Johannes  von  Idstein-Wicsbudon    lOOiJ     HITT''. 

Der  Redner  stellte  im  Verlaufe  des  Vortrags  fest,  was  man  unter  dem  iJcgiitf 
,, politisches  Testament"  fürstlicher  Personen  zu  verstehen  habe.    Dasselbe  sollte  keines- 
wegs ein  „letzter  Wille"  ihrer  politischen  Verfügungen  sein,  sondern  ein  Schriftstück, 
oft  lange  vor  dem  Tode  verfasst  oder  wenigstens  doch  begonnen,  in  welchem  sie  ihre 
politischen    und    wirtschaftlichen    Ansichten,     teils    zur    liechtfertiguiig    ihrer    eigenen 
Handlungen,    teils  als  nützliche  Winke  und  Fingerzeige    für  ihre  Nachfolger,    nieder- 
legten.   Es  existieren,  auch  aus  späterer  Zeit,  eine  Anzahl  solcher  itolitischcn  Testa- 
mente, so  z.  B.  das  Friedrichs  des  Grossen  und  das  von  Friedrich  Wilhelm  III.  von 
Preussen.     Das    des    obengenannten    nassauischen    Fürsten    verdient    als    das    ehrende 
Zeugnis  eines  tüchtigen,    hervorragenden  und  originellen  Herrschers   unsere  volle  Be- 
achtung.    In    die    Regierungsjahre    des    Grafen    Johannes    von   Idstein-Wiesbaden    lid 
Deutschlands  trübste  Zeit,    die    des    furchtbaren    dreissigjährigen    Krieges,    der    unser 
herrliches  Vaterland  in  eine  Wüste  und  in  einen  Völkerkirchhof  verwandelte,  da  man 
nach  glaubwürdigen  Schätzungen  annehmen  muss,  dass  Avährend  jener  30  Schreckens- 
jahre    sich  die  Bevölkerung  Deutschlands    auf   ein   Viertel    der    früheren  Zahl    ver- 
nnndert  hatte  !  Alle  Leiden  dieser  traurigen  Zeit  fielen  auch  auf  den  Grafen  Johannes 
und  auf  sein  Land.     Zuerst   suchte    er  in  der  Neutralität  Schutz  und  Rettung,    aber 
vergeblich.     Er  wurde  durch  die  Umstände  zur  Parteinahme   gedrängt.     Als  evange- 
lischer Fürst    war  er  ja  ohnehin  dem  Zorne  des  Kaisers   und  der  Jesuiten  verfallen. 
So  kam  es  dahin,  dass  er,   ein  Flüchtling,  das  bittere  Brot  des  Elends,  der  Verban- 
nung,   dreizehn  lange  Jahre  essen  musste.     Er  lebte  diese  lange  Frist  in  Strassburg 
—  und    zwar    zum  Teil    von    einer    (von  ihm  erbetenen)    französischen  Unterstützung 
von  jährlich  6000  Livres!  Diese  eigentümliche  Stellung  zum  Auslande  ist  der  dunkle 
Punkt  in  seinem  Leben.    Er,  der  echt  deutsch  fühlende    und  sich  in  seinem  ., Testa- 
ment"   äussernde  Fürst    nahm   ein   französisches,    immerhin  verdächtiges  Almosen  an. 
Er  sucht  sich    in    dem    genannten  Schriftstücke    deswegen    zu    rechtfertigen,    aber  — 
ganz  einwandfrei  und  klar  ist  der  Umstand  nicht,   wenn  auch  aus  der  —  sagen  wir : 
„Naivetät"  jener  Zeit  zu  erklären.     Graf   Johannes    war   ja    nicht    der   Einzige !  — 
Aus  seinem  Familienleben    ist   noch    besonders    erwähnenswert,    dass    er    den    grossen 
Schmerz  hatte,  seinen  Sohn  Gustav  Adolf,  infolge  jesuitischer  Bekehrung,  in  Regens- 
burg zum  Katholizismus  übertreten  zu  sehen.    Ein  masslos  heftiger  Brief  an  den  Ab- 
trünnigen,   in  welchem  er  diesen  mit  seinem  schwersten  Fluche  belegt,    und  der  uns 
erhalten  ist,    wird  in  seiner  Echtheit    angezweifelt.     Nach    dem    Ende    des    unseligen 
Krieges    ward   dem  zurückgekehrten  Fürsten  die  Aufgabe  zu  Teil,    sein   entvölkertes, 
total  verarmtes  Land  wieder  emporzurichten  und  die  verwilderte,  dünne  Bevölkerung 
wieder  sittlich  zu  heben.     Dies  schöne  Fürstenamt   hat  er  in  trefflichster  Weise  aus- 
geübt   und  sein  „politisches  Testament"  lässt  uns    die  Lauterkeit  seiner  Gesinnungen 
und  den  heiligen  Ernst,    mit  welchem  er  an  seine  Aufgabe  herantrat,   aufs  beste  er- 
kennen.    Es  wurde    schon    in  der  Zeit  seiner  Verbannung  begonnen    und    zerfällt    in 
drei  Teile.     Der   erste  Teil    handelt    meist    von    religiösen    Dingen,    der    zweite    vom 
weltlichen  Regiment,    der  dritte  von  Finanz-,  Staats-  und  wirtschaftlichen  Angelegen- 
heiten,   und  dieser  bricht    dann  unvollendet    mitten   im  Satze    ab,    als   der  Tod    dem 
Grafen  die  Feder  aus  der  Greisenhand  nahm.     Das  Ganze  ist  schon  von  K.  Fr.  von 


240 

Moser  in  seinem  „Neuen  patriotischen  Archiv''  (1792 — 94)  veröffentlicht  worden. 
Der  Vortragende  fülirte  dann  aus,  dass  aus  den  Betrachtungen  des  Grafen  Johannes 
über  das  künftige  Verhältnis  zwischen  Kaiser  und  Reich  ersichtlich  ist,  wie  schon 
im  frischen  Schutt  der  Verwüstungen  des  grossen  Krieges  die  Keime  des  modernen 
Staatslebens  Wurzel  zu  schlagen  begannen ;  wie  nötig  alle  Glieder  des  gemeinsamen 
Vaterlandes  hätten,  fest  zusammenzuhalten,  der  Gier  der  ungetreuen  Nachbarn  gegen- 
über. Zunächst  gelte  dies  für  alle  Fürsten  des  nassauischen  Gesamthauses.  Dann 
betont  der  Fürst  das  Bedenkliche  der  Separatbündnisse  mit  dem  Auslande  und  warnt 
eifrig  vor  den  Franzosen  (deren  Unterstützung  er  doch  früher  angenommen !).  Aus 
allem  geht  nach  Ansicht  des  Redners  hervor,  dass  Graf  Johannes  zwar  in  seiner 
äusseren  Politik  Schiffbruch  erlitten,  dass  er  aber  in  der  inneren  desto  schönere 
Erfolge  erzielt  habe.  Denn  seine  Betrachtungen  über  das  Herrscheramt  sind  ebenso 
richtig  als  ehrenvoll  für  ihn.  Die  Fürsten  sind  nicht  Herren  ihres  Volkes,  sondern 
Amtsleute,  Knechte  Gottes  und  Verwalter  des  Landes.  Er  selbst  fasst  sein  Herrscher- 
amt ganz  patriarchalisch  auf,  indem  er  für  die  sittliche  Erziehung  seiner  Unterthanen 
sorgt.  So  schrieb  er  sehr  eingehende  Laudvisitationcn  vor,  die  sich  auch  um  die 
häuslichen  und  sittlichen  Verhältnisse  der  Betroffenen  zu  kümmern  hatten.  Er  warnt 
vor  Luxus,  Kleiderpracht,  Wirtshauslaufcn.  Aber  —  kein  Licht  ohne  Schatten !  Als 
ein  Kind  seiner  geistig  unfreien  Zeit  stellt  er  auch  die  Vorschriften  für  die  schauder- 
liaften  Hexenprozesse  fest,  wenn  er  sie  auch  in  manchen  Einzelheiten  weniger  grau- 
sam macht.  Um  seines  Vaters  grosse  Schulden  zu  tilgen,  sorgte  er,  unter  anderem 
durch  Verminderung  des  Verwaltungsapparates,  für  Sparsamkeit.  In  seinen  wirtschaft- 
lichen Anordnungen  zur  Hebung  der  Landwirtschaft  und  des  Verkehrs  und  der  Ver- 
besserung der  Verwaltung  bricht  das  ,, politische  Testament",  wie  schon  erwähnt, 
plötzlich  ab.  Der  Vortragende  führte  ausserdem  noch  Einzelheiten  aus  dem  Schrift- 
stück des  Grafen  an,  so  z,  B.  seine  Vorschriften  über  Prinzen-Erziehung.  Er  eifert 
über  die  Modethorheit,  die  vornehmen  Jünglinge  zur  Vollendung  ihrer  weltmännischen 
Bildung  nach  Paris,  von  wo  sie  wenig  Gutes,  aber  desto  mehr  Laster  mit  heimbrächten, 
zu  schicken.  Eifrig  empfiehlt  er  die  Pflege  der  Musik,  wogegen  er  von  der  ,, Komödie" 
durchaus  nichts  wissen  will.  Der  Redner  schloss  seinen  Vortrag  mit  dem  Urteil, 
dass  Graf  Johannes,  wenn  auch  kein  Mann  der  hohen  Politik,  so  doch  ein  vortreff- 
licher fürstlicher  Hausvater  und  ein  echt  deutscher  Fürst  gewesen  sei. 

Nach  Eröffnung  der  Diskussion  teilte  Herr  Major  Kolb  einiges 
aus  dem  letzten  Willen  des  Grafen  Johannes  mit,  worin  er  besonders 
vor  der  kalviuistischen  Lehre  warnt.  In  einem  Inventar  seines  Nach- 
lasses, welcher  unter  den  Erben  verteilt  wurde,  sind  besonders  be- 
merkenswert die  zahlreiclien  dort  aufgezälilteu  Weiusorten,  meist  ganz 
junge  Jahrgänge.  Weiter  sind  darin  enthalten  die  Speisegeräte,  die 
.Schmuck-  und  Wertgegenstäude,  auch  ein  Verzeichnis  der  Bilder,  deren 
Taxierung  auffallend  gering  ist. 

Herr  Baron  v.  Bistram  hob  noch  hervor,  dass  bei  der  Stellung- 
nahme zu  den  Hexenprozesseu  in  jener  Zeit  auch  wohl  die  sittliche 
Verwilderung,  namentlich  des  weiblichen  Geschlechtes,  mitgewirkt  habe, 
gegen  welche  in  gewisser  Weise  die  llexenrichter  einzuschreiten  für 
nötig  erachteten. 


241 

0)  Sit7Aing-  am  G.  Mür/  1805  im    „I^)ten  Hause". 

Nach  Verlesung  des  Protükolls  ^\^>v  vorigen  Sitzung  hielt  Herr 
Stinnes  einen  Vortrag  über  „die  Eutwickelung  des  Uergbuues  in  dm 
ältesten  Zeiten". 

Obgleicli  für  uns  die  Griechen  und  die  Römer  als  die  ersten  Kulturvölker  des 
Altertums  gelten  iiiid  sie  auch  stets  in  Kunst  und  Wissenschaft  diesen  Hang  hc'hau|t- 
tcn  AYcrdcn,    so  nehmen    sie   doch    in    manchen  technischen  Fertigkeiten  nicht  die- 
selbe hohe  Stellung  gegenüber  anderen  Völkern  des  Altertums  ein.    So  auch   im  Hurg- 
bau.    In   vielen  asiatischen,  afrikanischen  und  europäischen  Ländern,   in  welchen  sich 
die  Griechen  und  Römer  als  Kolonisten   oder  als  Eroberer  festsetzten,  fanden  sie  im 
Rcrgbau    und   in    der  Erzbereitung  eine    viel    iilterc    und  höhere  Kultur  vor,    als  die 
ihrige  in  den  genannten  Gegenständen  war,     Sie  lernten   erst   von  ihren  Nachbarn, 
von  ihren  Besiegten,     Jahrhunderte,  sogar  Jahrtausende  vor  der  Blüte  Griechenlands 
und  Roms,    zu  einer  Zeit,    wo  der  Grieche  und  noch  mehr  der  Römer  noch  ein  un- 
beholfener halber  Barbar  war,    schürfte   der  Kleinasiate,  der  Phönizier,  der  Hebräer, 
der  Egypter   und   der   Kelte    schon   nach    dem    heissbegehrten    Gold,    Silber.    Kupfer. 
Eisen  und  Blei,  trieb  seine  Stollen  und  Gänge  in  das  harte  Gestein,  pochte,  schlemmte 
und  schmolz  das  Erz    und   formte  aus  ihm    den    edlen    Schmuck    und   die    schneidige 
Wafte.     Die  Anfänge  des  Bergbaues    mögen  aber  nicht  dem  spröden,    mit  schwachen 
Steinwerkzeugen  schwer  zu  gewinnenden  Erze  gegolten  haben,  sondern  der  so  zuträg- 
lichen Speisewürze,  dem  Salz.    In  den  Salzbergwerken  Halleins  hat  man  eine  Leder- 
tasche aus  uralter  vorhistorischer  Zeit  gefunden,  in  welcher  sich  eigentümlich  geformte 
rundliche  Steine  befanden.     Diese  wird    man    aus  triftigen  Gründen   als    die    ältesten 
bekannten  Geräte  zur  bergmännischen  Salzgewinimng  bezeichnen  müssen,  als  steinerne 
„Fäustel",     Die    ältesten  Spuren    des    Bergbaues    auf   Erz    finden    sich    im    mittleren 
Asien,  in  Iran,     Jedenfalls  wurde  das  erste  Metall  in  oberirdischem  Tagbau    uiul  in 
gediegenem  Zustande  gefunden,     Gold  und  Kuitfer    mögen   die  ersten  Funde  gewesen 
sein,    wogegen  das  Eisen  erst  später   in  die  Geschichte  tritt.     Lange    vor    den    euro- 
päischen Völkern    kannten    die  asiatischen  Semiten    schon    das  Eisen,    man    kann  an- 
nehmen, schon  länger  als  4000  Jahre  vor  Christo.    Die  ersten  Nachrichten  über  die 
Verarbeitung    der   Erze    beginnen    in   der  Zeit    von    etwa    3000  Jahren  v.  Chr,     Sie 
stammen    aus    Indien,  Assyrien  und  Egypten.     Doch  ist  die  Ansicht  falsch,    dass  die 
Egypter   zu  den  ältesten  Kennern  der  Erzgewinnung  und  Behandlung    gehört  haben; 
man  kann  vielmehr  annehmen,  dass  die  eingewanderten  hebräischen  Semiten,  also  die 
Juden,  ihre  eigentlichen  Lehrmeister  in  diesen  Fertigkeiten  gewesen  sind.    Eine  eigen- 
tümlich-interessante Hypothese  stellte  der  Redner  auf  (oder  gab  sie  aus  anderer  Quelle 
wieder)  über  den  Dienst  des  „goldenen  Kalbes",  dem  sich  aus  Egypten  ausgewanderte 
Juden  hingaben.     Sie  sollen    auf   ihrer  Wanderung    das   heissverehrte    edle    Gold  ge- 
funden und  ihm  die  Gestalt  des  Apis,  des  egyptischen  Sinnbildes  der  Arbeit  und  des 
Fleisses,  gegeben  haben,  natürlich    zum   grossen  Zorne  ihres  Führers  Moses,    der  das 
kostbare  Symbol  zerschlug  und  —  konfiszierte.     Schon  in  den    ältesten  Büchern  der 
Bibel  werden  die  Metalle  Kupfer,  Eisen,  Blei  u.  s.  w,  erwähnt,  wie  auch  ihre  Fund- 
orte.    Die  Griechen    empfingen  das  Eisen    von    den  semitischen  Phöniziern,    während 
die  Römer  auf  ihren  Eroberungszügen   nach  Norden,    besonders    bei    den  Kelten    und 


242 

Iberern,  einen  hochentwickelten  Bergbau  und  eine  weitgehende  Kunst  der  Erzbehand- 
lung fanden.  Die  alten  Schriftsteller  rühmen  u,  a.  das  vortreffliche  skj-thische 
Eisen.  Von  Phönizien  und  Egypten  kam  die  Kunst  der  Erzgewinnung  nacli  den 
grossen  Inseln  des  Mittelmeeres,  sowie  si)äter  nach  Griechenland,  während  Etrusker 
und  Kelten,  Iberer  und  Uritten  die  Lehrmeister  der  Römer  waren.  Erstaunlich  ist, 
wie  die  alten  Völker  mit  ihren  immerhin  unvollkommenen  Gerätschaften  das  harte 
Gestein  durchbrechen  und  wie  sie  die  Schächte  in  das  Innere  der  Berge  graben 
konnten.  Ihr  uraltes  Hilfsmittel,  welches  noch  zu  dem  gleichen  Zwecke  bis  zur  Er- 
findung des  Schiesspulvers,  des  neuen  Sprengmittels,  dienen  musste.  war  das  sogen. 
..Feuersetzen".  Man  zündete  dicht  vor  dem  erzhaltigen  Gestein  grosse  Feuer  an  und 
goss  dann  gegen  die  heisse  Felsmasse  Wasser  oder  Essig,  wodurch  das  Gestein  mürbe 
und  leichter  zu  bearbeiten  wurde.  Auf  ähnliche  Weise  Hess  Ilannibal  durch  keltische 
Bergleute  bei  seinem  berühmten  Alpen-Übergange  die  hindernden  Felsen  sprengen 
und  die  Strasse  herstellen.  Auch  in  Spanien  fanden  die  Römer  den  Bergbau  in 
hoher  Blüte,  nicht  minder  in  Gallien.  Den  Karthagern  waren  schon  gewisse  Vor- 
kehrungen gegen  schlagende  Wetter  bekannt,  auch  das  sogenannte  Rösten  des  Erzes. 
Was  das  jetzige  Deutschland  anbelangt,  so  fanden  die  Römer  schon  z.  B.  an  der 
Lahn  blühenden  Bergbau.  Ausser  dem  Zinn  fanden  sie  (oder  lernten  sie  vielmehr 
dort  kennen)  in  Britannien  auch  die  Steinkohle,  die  dort  schon  zum  ,, Feuersetzen" 
verwandt  wurde.  Wie  so  manche  Kultur  ging  auch  die  des  Bergbaues  in  den  Stürmen 
der  Völkerwanderung  in  vielen  Ländern  fast  ganz  unter,  nur  die  scsshaften  fränkischen, 
alemannischen  und  thüringischen  Volksstämme  hüteten  das  alte  Erbe  und  schufen  sich 
damit  eine  Quelle  des  Wohlstandes.  Hier  entstand  auch  das  alte  deutsche  Bergrecht, 
welches  keineswegs  römischen  Ursprungs  ist.  Der  Redner  verglich  zum  Schlüsse 
noch  die  Berggerechtsamc  der  verschiedenen  Nationen,  sprach  von  dem  Übergang 
vom  Gemeinbesitz  zum  fürstlichen  Regal,  von  der  Belehnung  gegen  Erstattung  eines 
Zehntel  oder  Fünfzehntel  des  Ertrages,  schilderte  das  Entstehen  der  sogenannten 
..Kuxe"  und  dergleichen  und  schloss  mit  dem  lebhaften  W^unsche  für  das  fernere 
Gedeihen  des  deutschen  Bergbaues. 

An  der  folgenden  Debatte,  an  welcher  sieh  ausser  dem  Redner 
Herr  Archivrat  Dr.  Sauer  und  Sanitütsrat  Florschütz  beteiligten, 
wurde  unter  anderem  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  Römer  den  Berg- 
bau speziell  im  mittleren  Rheingebiete  bereits  vorgefunden  hätten, 
weiter  wurde  darauf  hingewiesen,  dass  die  gewaltigen  in  den  Fels  ge- 
hauenen Burggräben  mittelalterlicher  Burgen  wohl  nur  durch  Anwen- 
dung der  Feuersetzung  hätten  ausgeführt  werden  können. 

tlber  die  Sitzungen  der  „historischen  Sektion"  im  Civilkasino  liegen 
folgende  Notizen  vor: 

Am  27.  Februar  sprach  Herr  Prof.  Grimm  über  ,, Marken  und 
Markgenossenschaften"  mit  besonderer  Beziehung  auf  Nassau. 

Der  Redner  wendete  sich  zunächst  im  allgemeinen  gegen  die  verbreitete  An- 
sicht, als  seien  die  grossen  Markwaldungen,  welche  in  der  Benutzung  der  Umwohnen- 
den standen    und    von    den    Berechtigten,    Märkern,    unter  Schirm  und  Leitung  eines 


243 

Obermärkcrs  genosscnschaftlicli  verwaltet  wurden,  niclits  anderes  gewesen,  als  der- 
jenige Teil  der  bei  der  ersten  Ansiedelung  der  deutschen  Stämme  gegründeten  Orts- 
inarken,  welcher,  nicht  als  Sondereigentum  verteilt,  im  gemeinsamen  tichrauche  der 
Gesamtheit  geblieben  sei,  somit  dasselbe  wie  Ahnende.  Nachdem  er  dann  die  ver- 
schiedenen Bedeutungen  des  Wortes  Mark  festgestellt  hatte  1.  als  Zeichen,  2.  als 
durch  Zeichen  festgelegte  Scheidungslinie  zweier  Gebiete,  wofür  seit  dem  II.  Jahr- 
hundert das  slavischc  Wort  graniza,  Grenze,  Eingang  gefunden  habe,  :!.  als  das 
begrenzte  Gebiet  selbst,  wurde  die  Art  der  ältesten  Ansiedelung  erörtert.  Die  ersten 
Niederlassungen  seien  im  gebirgigen  West-  und  Süddeutschland  zuerst  in  den  Thäleni 
der  Flüsse  und  der  in  sie  einmündenden  Wasserläufc  erfolgt.  Da  wo  diese  Thäler 
von  Höhenzügen  mit  dichtem  Urwald  begleitet  gewesen  seien,  habe  es  einer  Alt- 
grenzung  der  einander  allmählich  näher  rückenden  Ansiedelungen  nur  thalauf-  und 
thalabwärts  bedurft,  gegen  die  Höhe  bildete  der  Wald  die  natürliche  Grenze.  Schon 
frühe  habe  man  den  zusammenhängenden  Wald  die  Mark,  d.  i.  Grenze,  genannt. 
Auch  im  Nordischen  bedeutete  das  Wort  mörk  Wald.  Die  Erinnerung  an  die  Be- 
deutung Grenze  war  dort  geschwunden.  Die  Höhenwaldungcn,  welche  dir  Thäler 
voneinander  schieden,  waren  in  niemandes  Eigentum,  der  Wald  war  frei  und  die 
ringsum  Wohnenden  benutzten  ihn  nach  Bedarf  und  Belieben.  Erst  nach  Jahrhun- 
derten —  wohl  nicht  vor  dem  13.  Jahrhundert  —  führten  die  bei  der  vermehrten 
Bevölkerung  immer  bedrohlicher  werdenden  Devastationen  zu  einer  Organisation  der 
Markgenossen,  ihre  Rechte  wurden  geregelt  und  mit  zunehmendem  Einflüsse  der  Ter- 
ritorialherren mehr  und  mehr  beschränkt.  Die  Markgenossenschaften  seien  demnach 
nichts  Ursprüngliches,  sondern  Bildungen  einer  späteren  Zeit.  Zum  Beweise  wies  der 
Vortragende  auf  die  im  Nassauischen  bis  in  dieses  Jahrhundert  bestandenen  Mark- 
genossenschaften hin.  Er  erklärte  es  für  undenkbar,  dass  z.  B.  die  zu  der  Grefen- 
höhe  (Wiesbader  Mark)  gehörigen  Ortschaften,  darunter  Biebrich,  Dotzheim,  Schier- 
stein im  Süden,  und  Idstein,  Neuhof,  Orlen,  Wehen  im  Norden  der  Höhe  zu  irgend 
einer  Zeit  in  einer  Ortsmark  vereinigt  gewesen  seien.  Dasselbe  gelte  auch  von  der 
Fuchsenhöhle,  der  Markwaldung  auf  dem  linken  Ufer  der  Unter-Ahr.  Auch  hier 
kann  man  nicht  annehmen,  dass  die  markberechtigten  Orte  Katzenelnbogen,  Schön- 
born u.  s.  w.  einerseits  je  mit  den  andererseits  gelegenen  Orten  Flacht,  Hahnstätten 
u.  s.  w.  in  einem  Urdorf  oder  seiner  Mark  vereint  gewesen  seien.  Der  unwegsame 
meilenbreitc  Bergwald  inmitten  einer  Ortsmark  hätte  den  Verkehr  der  Ortsgenossen 
fast  unmöglich  gemacht.  Ganz  unrichtig  sei  es  auch,  die  Ahnend,  d.h.  denjenigen 
Teil  einer  Ortsgemarkung,  welcher  im  gemeinsamen  Genüsse  der  Bewohner  geblieben, 
mit  der  gemeinen  Mark  zu  identifizieren.  In  Wiesbaden  und  Biebrich  z.  B.  wurden 
Ahnend  und  gemeine  Mark  scharf  unterschieden.  Auch  im  Hochgebirge  des  Südens 
sei  die  Ahnend  nicht  gemeine  Mark  selbständiger  Dorfschaften,  sondern  gemeinsamer 
Besitz  aller  Bewohner  einer  Gemeinde. 

An  den  Vortrag  knüpfte  sich  eine  längere  lebliafte  Debatte. 

In  der  Sitzung  vom  13.  Mürz  erörterte  Herr  Prof.  Dr.  Cirimni 
zuerst  die  Zeit  und  Veranlassung  des  Baues  der  „Casteler  Landwehr 
und  ihrer  Warten"  auf  Grund  seiner  archivalischen  Studien. 


244 

Redner  beschrieb  an  der  Hand  einer  von  ihm  selbst  nach  älteren  Vorlagen 
angefertigten  grossen  Kurte  den  Zug  der  Casteler  Landwehr ;  sie  begann  in  der  Xähe 
der  Mündung  des  Salzbach  in  den  Rhein  und  erreichte  bei  Flörsheim  den  Main,  wo 
sie  endete.  Da  sie  nicht  genau  der  Landesgrenze  des  Kurfürstentums  Mainz  folgte, 
so  waren  Streitigkeiten  über  die  Iloheitsrechte  in  dem  Gebiete  zwischen  der  Land- 
wehr und  der  nassauischen  Grenze  zwischen  Nassau  und  Mainz  unausbleiblich ;  sie 
endeten  erst,  als  etwa  vor  50  Jahren  die  Sache  zu  Gunsten  Nassaus  beigelegt  wurde, 
üfienbar  weil  man  zu  Darmstadt  den  wahren  Sachverhalt  nicht  kannte. 

Sodann  sprach  Herr  Prof.  Otto  über  die  Mühlen,  welche  bis  zum 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  in  dem  Gebiete  der  Stadt  Wiesbaden  er- 
wähnt werden. 

Nachdem  er  kurz  die  rechtliche  Seite  der  Entwickelung  des  Mühlenbetriebes 
bis  zu  diesem  Zeitpunkte  skizziert  hatte,  zählte  er  die  einzelneu  Mühlen  auf,  die 
vom  Jahre  1022  an  bis  1500  und  vornehmlich  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
(1330 — 1380)  genannt  werden  (sie  erreichen  die  stattliche  Zahl  von  zwölf  Mühlen, 
von  denen  nur  wenige  unter  den  alten  Namen  dem  heutigen  Geschlechte  bekannt 
waren  oder  sind),  suchte  ihre  Lage  zu  bestimmen,  ihre  Namen  zu  erklären  und  ihre 
rechtliche  Stellung  anzugeben.  Die  meisten  von  ihnen  sind  während  des  30jährigen 
Krieges  eingegangen ;  die  später  genannten  sind  um  das  Jahr  1700,  manche  vielleicht 
an  der  Stelle  der  früheren,  errichtet. 

Au  beide  Mitteilungen  knüpfte  sich  eine  lebhafte  Besprechung 
einzelner  Punkte,  die  zu  Erläuterungen  und  näherer  Feststellung  von 
Einzelheiten  führte. 

Sitzung  am  29.  März.  Nach  Erledigung  einiger  geschäftlichen 
Angelegenheiten  besprach  Herr  Arcliivrat  Dr.  Sauer  die  „Wappen 
der  rheingauischen  Städte  und  Dörfer". 

Redner  schickte  einige  allgemeine  Bemerkungen  über  die  Wappen  voraus  und 
wies  auf  die  Bedeutung  hin,  welche  die  Wappenkunde  für  die  Geschichte  hat,  sowie 
auf  den  Aufschwung,  welchen  sie  in  neuester  Zeit  durch  sorgfältigeres  Studium  und 
in  den  freilich  nicht  immer  richtigen  Darstellungen  durch  unser  vollendeteres  Kunst- 
gewerbe gefunden  hat.  Veranlassung,  gerade  die  rheingauischen  Wappen  zu  erörtern, 
hatte  ihm  der  Umstand  gegeben,  dass  beabsichtigt  wird,  das  neuerbaute  Kreishaus 
zu  Rüdesheim  mit  den  Wappen  der  zu  dem  Kreise  gehörigen  Orte  zu  schmücken. 
Seine  Nachforschungen  ergaben  das  Resultat,  dass  diese  Städte  und  Dörfer,  wie  ander- 
wärts, ursprünglich,  wenn  sie  überhaupt  ein  eigenes  Wappen  hatten,  wohl  alle  das 
ihres  Landesherrn,  hier  des  Erzbischofs  von  Mainz,  also  das  zuerst  achtspeichige, 
dann  sechsspeichige  rote  Rad  in  silbernem  Felde  führten.  Jetzt  ist  Johannisberg 
der  einzige  Ort,  der  es  unverändert  erhalten  hat.  Die  anderen  haben  im  Laufe  der 
Zeit  mancherlei  Veränderungen  durch  Zusätze,  dann  Weglassungen  einzelner  Teile 
oder  Verstümmelungen  vorgenommen,  die  teils  als  historisch  gewordene  Gestaltungen 
jetzt  ihre  Berechtigung  haben,  sofern  sie  heraldisch  richtig  behandelt  werden,  teils 
wie  bei  Rüdesheim,  Ilattenheim  und  Neudorf  völlig  unverständlich  wurden  und 
gerade  dadurch  zur  Nachforschung  und  Erklärung  reizen.  Jenes  älteste  Wa])pen,  das 
Rad,    wurde  zunächst    durch  ein  zweites  Rad   erweitert,    das    mit    dem    ersten    durch 


24.' 


4:> 


einen  Balkon  oder  ein  Kreuz  verbunden  wurde;  so  in  ()stri(li.  (»der  man  fügte 
ein  /weites  Bild  hinzu,  das  die  Rechte  des  Zehntherrn  symholisierte,  teils  in  freier 
Grui)iiierung,  teils  so,  dass  es  die  eine  Hälfte  des  längsgeteilten  Schildes  einnahm, 
während  die  andere  dem  Rade  verblieb:  so  fügte  Lorch  den  h.  Martin  wegen  dri 
Mainzer  Dompropstei  zu,  Eltville  den  Schlüssel  wegen  des  St.  Peterstiftes.  Einzig 
steht  das  Stadtthor  von  Geisenheim  da,  ein  Symbol  seiner  Eigenschaft  als  Stadt. 
Nur  die  Anfangsbuchstaben  ihrer  Namen  haben  Eibingen  und  Niederwalluf. 
Andere  führen  nur  noch  ihren  Kirchenpatron  oder  dessen  Attribute  im  Siegel,  die 
kleineren  Orte  haben  wohl  erst  in  neuer  Zeit  ein  Wappen  nach  freier  Erfindung 
gewählt. 

Nach  diesen  Ausführungen,  die  der  Ileduer  durcli  und  an  den 
Abbildungen  der  betreffeudeu  Wappen  näher  erläuterte  und  begründete, 
legte  Herr  Generalsekretär  Dahlen  eine  Reihe  von  ihm  gesammelter 
rheiugauischer  Wappen  in  photographischer  Abbildung  mit  erläuternden 
Bemerkungen  vor.  Unter  ihnen  war  von  hohem  Interesse  ein  von  ihm 
zu  Geisenheim  gefundener  Wappenstein;  es  war  ihm  gelungen,  dessen 
Herkunft  (von  Weissenthurn)  zu  ermitteln  und  dadurch  seine  Bestim- 
mung und  Deutung  nachzuweisen. 

Dr.  Adalbert  Schroeter. 


Bericht   des   Konservators    über    die  Erwerbungen   für   das   Altertums- 
Museum   in  Wiesbaden  während  des  Jahres  1894. 

Dieselben  reihen  sich  folgendermassen  aneinander: 

Achat-  und  Thonperlen,  kleine  Proviuzial-Fibel ,  zwei  kleine  Thon- 
näpfchen,  Pfeilspitze  aus  Eisen  (sämtlich  römischen  Ursprungs). 

Ein  bronzenes  Gürtelschloss  und  eine  kleine  geschweifte  Franciska, 
fränkisch  (aus  den  Gemarkungen  Dotzheimerstrasse). 

Porzellanfigur  von  Höchst  (Knabe  mit  Katze  und  Hund). 

Bronze-Stempel   zum  Einbrennen   einer   gotischen  Ornamentik  in  Holz. 

Eisenring  mit  Kamee. 

Römischer   Wasserkrug  vom  Kranzplatz. 

4  Ziegeln   mit    dem    Stempel   der  22.  Legion,    ebendaher. 

Thürschloss  vom  Patersberg. 

Gusseiserne  Ofenplatte  aus  Emrichshauseu. 

Ein  Paar  römische  goldene  Ohrringe  mit  Steinen  und  Filigran,  an- 
geblich aus  Köln. 

Eine  goldene  Gewandnadel  mit  rotweisser  Kamee,  ebendaher. 

Bronze-Zindeln,  wahrscheinlich  einem  Leder-  oder  Linnenpanzer  auf'- 
genäht,  aus  einem  Hallstattgrabe  bei  Dexenheim. 

Rot  bemalter  Trinkbecher  aus  Guntersblum. 

Ein  Thonschälchen  mit  zwei  Hängelöchern,  ebendaher. 

Eine  Thonschale  aus  Niederingelheim  und  Schlangenfibula,  ebendaher. 

17 


246 


Ein  Panzerbreclier  mit  Brouzeknopf  (Kreuzzüge),    Fundort  unbekannt. 

Zwei  Eberzähne. 

Ein  Stück  vergoldetes  Blech. 

Ein  Steingeschirr  ältester  Art,  Topf  mit  rundem  Boden,  desgl.  lioher 
Trinkkrug  und  Yase  mit  gefälteltem  Fusse,  sämtlich  gcreifelt,  aus 
der  Goldgasse. 

Steinzeugkrug  (Bartmann). 
„  mit  Henkel. 

„  Topf  für  Topfgewülbe  (gereifelter  Becher.) 

Ein  römisches  goldenes  Armband  aus  dem  Rhein. 

Siegburger  und  Nass.  Trinkkrug.     Geschenk  von  Frl.  G.  Brau  mann. 

Ein  Marmorstück,  von  Trier. 

Ein  römisches  Thonlämpchen. 

Schwachgebrannte  Urne  von  der  Goldgasse  (Frühmittelalter). 

Kleine  römische  Thonvase  (Goldgasse). 

Grauschwarze  Urne  mit  Überresten  vom  Auerochs  u.  a.,  von  Nieder- 
ingelheim. 

Kleine  dunkelschwarze  Urne  von  etruskischer  Form,  ebendaher. 

Eiförmiger  Klopfsteiu  aus  Kieselschiefer,  ebendaher. 

Durchbohrtes  Steinbeil  aus  Kieselschiefer,  von  Bechtheim. 

Graubraune  Urne  von  Lausitzer  Typus  mit  Henkel,  aus  Ockenheim. 

Zettelbeschwerer  aus  gebranntem  Thon,  von  Bingen. 

Netzbeschwerer  mit  eingedrückten  gezackten  Ornamenten. 

Zwei  mittelalterliche  Eisenschlüssel. 

Silbernes  Arm-  und  Halsband,  gegliedert  mit  Intaglieu-  und  Glasfluss- 
einsätzen (Völkerwanderung). 

Kömisches  Bronzebesteck  mit  chirurgischen  Werkzeugen,  aus  dem 
Rhein  gebaggert  bei  Mainz. 

Bruchstücke  grösserer  neolithischer  Gefässe,  Bruchstücke  einer  durch 
Fiugereindrücke  ornamentierten,  gehenkelten  Tasse,  ein  in  gleicher 
Weise  verzierter  Spiunwirtel,  ein  Klopfstein  und  Knochenreste, 
aus  Grosswinternheim. 

Reichverzierte  Urne  der  Bronzezeit  mit  Thonperlen,  ornamentierter 
Spinnwirtel  und  Bruchstück  eines  Schmelztöpfchens,  aus  Bauchheim. 

Eine  mit  Dreiecken  und  Punkten  verzierte  graue  Urne,  neolithisch,  aus 
Königsstadt. 

Ein  goldener  Bauernring,  von  Herborn. 

Brouzepfanne  mit  etruskischem  Stiel,  angeblich  aus  Köln. 

Römische  Yogelfigur  mit  Jungen  auf  dem  Rücken  aus  Thon,  von  Kidn. 

Achatperlen  von  Andernach. 

Zwei  Haarpfeile  und  sieben  Frauenkämme  aus  Hörn,  von  Herborn. 

Eine  ganz  bedeutende  Kollektion  von  alten  Landestrachten  aus  den 
verscliiedenen  Kreisen  des  Nassauer  Landes,  in  erster  Linie  cha- 
rakteristisch durch  die  zierlich  gestickten  Kopfbedeckungen  der 
Frauen  und  Mädchen  (sogen.  Kommödchen). 


247 

Wir  verdanken  dieselbe  nach  der  durcii  Herrn  Zum  zu  llotlieiin  in  der 
vorletzten  Generalversammlung  gegebenen  Anregung  der  unermü.lliclieu  und 
opferwilligen  Thätigkeit  des  Herrn  Laudgerichtsrats  Düssell,  welcliem  wir  auch 
an  dieser  Stelle  für  diese  ganz  neue  und  ausserordentlich  interessante  Bereiche- 
rung unseres  Museums  den  herzlichsten  Dank  auss})rec!icn ! 

Folgenden  Personen  haben  wir  für  die  freundliciie  Fürderuug.  welche  sie 
unserer  Trachtensammlung  durch  Zuwendung  von  Geschenken,  durch  Erteilung 
von  Auskunft  oder  in  anderer  Weise  während  des  Jahres  1894  haben  zuteil 
werden  lassen,  hier,  mit  der  Bitte,  aucli  fernerhin  den  Verein  in  seinen  Be- 
strebungen zu  unterstützen,  unseren  verbindlichsten  wärmsten  Dank  uuszu- 
sprechen : 

Herrn  Professor  Braun  zu  Hadamar, 

,,       F.  R.  Born  zu  Wallau, 
Frau  Dr.  med.  Cuntz  Wwe.  aus  Heidelberg,  z.  Z.  in  Wiesbaden, 
Herrn  Landgerichtsrat  Ebenau  zu  Limburg  a.  d.  L., 

,,       Kaufmann  Flügel*)  zu  Montabaur, 

,,       Rechner  Groos  zu  Steinebach, 
Fräulein  Habel  zu  Wiesbaden, 
Herrn  Gerichtsassistent  Hansen   zu  Usingen, 

,,       Kaufmann  S.  Hess  zu  Wiesbaden, 

,,       Postmeister  Hey  mann  zu  Wied-Selters, 

„       Rentmeister  Hieb  er  zu  Montabaur, 
Frau  Pfarrer  Hummer  ich  Wwe.  zu  Aisbach, 
Herrn  Feldgerichtsschöffen  Kolb  zu  Walsdorf, 

„       Bürgermeister  Bauer  zu  Cransberg, 
Frau  Bürgermeister  Metz  zu  Heftrich, 
Fräulein  L.  Ochs  zu  Wiesbaden, 
Herrn  Bürgermeister  Reinhard  zu  Steinebach, 

,,       Bürgermeister  Reuter  zu  Brandoberndorf, 

„       Gastwirt  Rockenfeiler  zu  Dierdorf, 

,,       Bürgermeister  Schmidt  zu  Reichenbach, 
Familie  H.  Sparwasser  zu  Wallau, 
Frau  Pfarrer  Tecklenburg  zu  Heftrich, 
Herrn  Referendar  Tecklenburg  zu  Wiesbaden, 

„       Bernh.  Walch  zu  Hochheim, 

,,       Renteisekretär  Zeyher  zu  Dierdorf. 


*)  Inzwisclien  verstorben. 


17' 


Verzeicliiiis  der  Mitglieder/'') 


Vorstand. 

Direktor:  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Florscliütz. 
Sekretär:  Herr  Dr.  Ailalbcrt  Schroeter. 
Konservator :  y  2.  12.  94. 

Ferner  die  Herren: 

Rentner  Gaab, 
Landgericlitsrat  Keiitiier, 
Oberlehrer  Dr.  AVetlewer, 
Schuldirektor  "Weldert, 
Dr.  med.  Ahrens, 
Oberlehrer  Dr.  Lolir, 
Landgerichtsrat  Büssell, 
Major  a.  D.  Seh  lieben. 


Ehrenmitglieder. 

Herr  Hodü:liiii,  Thomas,  Esqu.,  Fahnouth. 
„     Dr.  Menzel,  Karl,  Professor,  Bonn. 
„     Dr.  Monimseii,  Theodor,  Professor,  Berlin. 
„     Otto,  Friedrich,  Professor,    Wiesbaden. 
„     Scliiici'inans,  H.,  Premier  president  do  la  cour  d'appel,  Liege. 


Korrespondierende  Mitglieder. 

Herr  Franz  Pascha,  Kairo, 

„     Dr.  Heider,  Sektiousrat  im  K.  K.  Minist,  f.  Kult.,  Wien. 


'* )  ün-sfre  p.  T.  ^fit<,'lio(lor    werden  dringeridst  ersuolit,   Vciändeningen  der  Titulatur 
und  dos  Wolinortf.s,  sowie  etwaiijf!   I'f>riclitiguiii,'oii  f,''"'t'.U''^t  dfui  Sekretariat   init/uteilfu. 


LMiJ 

IIciT  Michclant,  Henry,    Conservatcur  du  dopiirtcmciit  des  inanuscript.s  do  lu 
Bibliütlicquc  nationale,  Paris. 
„     Dr.  Naue,  Julius,  Münclicn. 

„     Dr.  Overbeck,  Joliannes,  Prof.,  Geheimer  Hofrat,  L('ii»/,ig. 
„     l^aron  de  Septciivillc,  Chateau  Ligni^ircs  (Poix). 
,,     Prüf.  (ir.  Tocilescu,  Jiukarest  (Rumänien). 


Ordentliche  Mitglieder. 

I.    In  Wiesbaden. 
Herr  Abegg,  Philipp. 

„     Dr.  med.  Ahreiis,  Friedrich,  Arzt. 

„     Auferiiiaiin^  Wilhehn,  Rentner. 

„     von  Aw(\vd('n,  Adolf,  Ober-Regierungsrat. 

„     IJartliiig',  Eduard,  Rentner  und  Stadtrat. 

„     Bechtold,  Rudolf,  Buchdruckereibesitzer. 

„     Becker,  Ludwig,  Kaufmann. 

„     Beckel,  Jacob,  Bauunternehmer. 

„     Begere,  Heinrich,  Rechuungsrat,  Rendaut  des  Vereins. 

„     Bergmann,  Fritz,  Verlagsbuchhändler. 

„     Berle,  Ferdinand  B.,  Banquier. 

„     Dr.  med.  Berlein,  Martin,  Arzt. 

„     Dr.  med.  Bertrand,  Carl,  Geh.  Sanitätsrat. 

„     Baron  von  Bistram. 

„     Bojanowsky,  Julius,  Rechtsanwalt. 

„     Bossong,  Franz,  Buchhändler. 

„     Dr.  Brackebnscli,  Ernst,  Besitzer  der  Oranien-Apothcke. 

„     von  Brandt,  Excellenz. 

„     Dr.  phil.  Bredemann,  Carl  Otto. 

„     Dr.  phil.  Bröckiug,  Wilhelm. 

,,     Busse,  Louis,  Rentner. 

,     Büdingen,  Wolfgang,  Kaufmann  und  J3adhausbesitzcr. 

„     Caesar,  Clemens,  Regierungsrat. 

„     Dr.  veter.  med.  Christmann,  Heinrich,  Tierarzt. 

„     Dr.  med.  Conrady,  Max,  Geh.  Sanitätsrat. 

„     Conrady,  Ludwig,  Pfarrer  a.  D. 

„     Cramer,  Landgerichtspräsident. 

„     Dr.  theol.  de  la  Croix,  Otto,  Oberregierungsrat  und   Kunsist.-Präs.  a.  1). 

„     Bahlen,  H.  W.,  Generalsekretär  des  deutschen   Weinbauvereins. 

J)orniann,  Philipp,  Bauunternehmer. 

Drexel,  Jacob,  Kaufmann. 

Bussel I,  Hermann,  Landgerichtsrat. 

Freiherr  von  Eberstein,  Alfred,  Oberst  z.  D. 

Ebhardt,  Karl,  Privatier. 

Eckeriin,  Heinrich,  Bauunternehmer. 


J? 


250 

Herr  Elcrershaiiseii,  Luitpold. 

„  Eiiirelmiuui,  Rudolf,  Justizrat. 

^  Dr.  theol.  Ernst,  Carl,  Generalsupcrintcudcut. 

„  Faber,  Rudolf,  Chemiker. 

„  Fehr,  Theodor,  Fabrikbesitzer. 

j,  Fischbticli,  Friedrich,  Gewerbeschuldirektor  a.  D. 

„  Fliiidt,  Wilhelm,  Königl.  Kanzleirat  a.  D. 

„  Flock,  Friedrich.  Architekt. 

„  Dr.  med.  Florscliütz,  Bruno,  Sanitätsrat. 

„  Flügel,  AVilhelm.  Kaplan. 

„  Fohr,  Otto,  Gerichts- Assessor. 

„  Dr.  med.  Frank,  Georg. 

„  Freinsheini,  Friedrich,  Rentner. 

„  Dr.  Fresenius,  Remigius,  Geh.  Hofrat,  Professor. 

„  Dr.  Fresenius,  Heinrich,  Professor. 

„  Friedrich,  Lothar,  Pfarrer. 

„  Fritz,  Heinrich,  Rentner. 

„  Fritze,  August,  Professor,  Oberlehrer, 

„  Fuclis,  Wilhelm,  Landgerichtsrat  a.  D. 

„  Gaab,  Christian,  Rentner. 

„  Gecks,  Leonhard,  Buchhändler.  ^ 

„  Dr.  med.  GerLach,  Valentin. 

„  von  (i!oeckinü:k,  Hermann,  Kgl.  Kammerherr  und  Premierlieutcnant  a.  D. 

„  Götz,  Friedrich,  Hotelbesitzer. 

„  (woruicki,  Wladislaus, 

„  Gräber,  Ferdinand,  Kommerzienrat. 

„  Dr.  jur.  Grimm,  Julius,  Professor. 

y,  Groschwitz,  Carl,  Buchbinder, 

„  Guttmann,  Rechtsanwalt. 

„  Dr.  med.  Güntz,  Theobald,  Privatier. 

„  Dr.  Hagemann,  Arnold,  Kgl.  Archivar. 

„  Heibig,  Hermann,  Baurat,  Kreisbauinspektor. 

„  Hensel,  Carl,  Rentner. 

„  Hensler,  Joseph,  ständischer  Ingenieur  und  Inspektor. 

„  Henzel,  Nicolaus,  Ingenieur. 

„  Herrniann,  Johannes,  Inspektor. 

„  Hess,  Johannes,  zweiter  Bürgermeister. 

„  Hess,  Simon,  Kaufmann  und  Stadtverordneter. 

„  Dr.  med.  Hcubacb,  Hans,  Arzt. 

„  Hey'l,  Ferdinand,  Kurdirektor,  Kais.  Ottomanischer  Vicekousul. 

„  Dr.  Ifilf'rich,  Jos.,  Kaplan. 

„  Dr.  phil.  Hintz,  Ernst  Jacob. 

„  von  Hirscli,  Friedrich,  Kaufmann. 

.,  Hob II,  August.  Polizeirat. 

y,  T)r.  jiir.   von   Ibell,  Oberbürgermeister,  Mitglied  des  Herrenliauses, 


25: 


IIciT  Dr.  med.  Ideler,  Carl,  Goli.  Sauitiltsrut. 

„  Iseiibcck,  Julius,  Rentner. 

„  Kjuit'iiiJiiiii,  Wilhelm,  Architekt. 

„  Keim,  Wilhelm,  Laudgerichtsrat. 

„  Dr.  theol.  Keller,  Adam,  päpstl.  llausprülat,  (ieistl.  Kai,  Del<.  u.  Studlplarrer 

„  Keutiier,  Joseph,  Landgerichtsrat. 

„  Kissliiig,  Carl,  Möbelfabrikant. 

„  Kleidt,  Friedr.  Willi.,  Spengler. 

„  KiiJiiier,  Friedrich,  Rentner. 

Frau  Freifrau  von  Kiioop. 

Herr  Koch,  Gottfried,  Kaufmann, 

,,  Koll),  Richard,  Major  a.  D. 

„  Kreidel,  Carl,  Mechaniker. 

„  Krieg:e,  Ernst  Jacob,  Oberst  a.  D. 

,  Kurtz,  Leouhard,  W.,  Hofphotograph. 

„  Dr.  phil.  Kurz,  Hermann,  Apotheker. 

„  Labes,  Otto  Friedrich,  Oberst  a.  D. 

„  von  Lehmann,  Peter,  Generallieutenant  a.  D. 

„  Leisler,  Ernst,  Rechtsanwalt. 

„  Leo,  Ludwig,  Rentner. 

„  Lex,  Adolf,  Regierungsassessor. 

„  Limharth,  Christian,  Buchhändler. 

„  Dr.  med.  Lossen,  Hermann,  Arzt. 

Freiherr  Low  von  Steinfurt,  Erwin,  Oberlieutenant  a.  D. 

,,  Dr.  phil.  Lohr,  Friedrich,  Gymnasialoberlchrer. 

„  Lützenkirchen,  Heinrich,  Buchhändler. 

„  Mäckler,  Heinrich,  Rentner  und  FeldgerichtsschöflFe. 

„  Meinardus,  Dr.  Otto,  Archivar. 

„  Mensing,  F.,  Vizeadmiral  z.  D. 

Dr.   phil.  Merljot,  Reinhold,  Sekretär  der  Handelskammer. 

„  Dr.  med.  Meurer,  Carl,  Augenarzt. 

„  Mondorf,  Georg,  Hotelbesitzer. 

„  Moritz,  Joseph,  Buchhändler. 

„  Nicol,  August. 

„  Dr.  Niederhäuser,  Emil. 

„  Niemer,  Louis,  Rentner. 

„  Nitzsche,  Ferdinand. 

„  Nörtershäuser,  Gisbert,  Buchhändler. 

„  Nötzel,  Wilhelm,  Fabrikbesitzer. 

„  Olsson,  Hans  Hermann,  Juweher. 

„  Opitz,  Hermann,  Oberregierungsrat  und  Konsistorialpräsidcnt. 

„  Dr.  phil.  Otto,  Heinrich,  Gymnasiallehrer. 

„  Dr.  phil.  Panzer,  Conrad,  Königlicher  Archivar. 

„  Peipers,  Hugo,  Rentner  und  Stadtverordneter. 
von  Pestel,  Eduard,  Oberst  a.  D. 


252 

Herr  Dr.  med.  Pfeiffer,  Emil.  Sanitätsrat. 

y,  Pohl,  Joseph,  Weinhändler. 

,  Pre.ver,  Wilh.,  Dr.  phil.  u.  med.,  Prüf.,  Ilofrat. 

„  (^uiel,  Gustav. 

„  Reuscli,  Heinrich,  Gerichtsreferendar. 

„  Richter,  Moritz,  Landgerichtsrat. 

„  Ritter,  Carl,  Buchdruckereibesitzer. 

„  Dr.  phil.  Ritterliiiir,  Emil. 

,  Dr.  jiir.  Roineiss,  Hermann,  Rechtsanwalt. 

„  Dr.  med.  Roser,  Carl,  Spezialarzt  für  Orthopädie. 

,  Roos,  Heinrich,  Kaufmann. 

„  Rospatt,  Lambert,  Geh.  Regierungsrat. 

„  Dr.  phil.  Rnppel,  Carl,  Oberlehrer. 

„  V.  Sachs,  Amtsrichter. 

„  Sartoriiis,  Adalbert,  Oberstlieutenant  z.  D. 

,  Sartori  US,  Otto,  Landesdirektor. 

„  Dr.  phil.  Sauer,  Wilhelm,  Staatsarchivar  und  Archivrat. 

„  von  Scliclllia,  Dietrich,  Oberst  a.  D. 

„  Schellenherj»-,  Alfred,  Architekt. 

„  Sfhelleiiberfi^,  Carl,  Rentner. 

„  Si'hellenberi^,  Louis,  Buchdruckereibesitzor. 

„  von  Scheveii,  Wilhelm,  Botschaftsbeamter  a.  D. 

„  Schierenberi»:,  Ernst,  Rentner. 

„  Schlaadt,  Willielm,  Oberlehrer. 

„  Schliebeu,  Adolf,  Major  a.  D. 

„  Schleidt,  Adam,  Gerichtsvollzieher. 

r:  Schmitt,  Adam,  Rentner  und  Stadtverordnetor. 

„  Dr.  phil.  Schmitt,  Conrad,  Hofrat. 

„  Schneider,  Theodor,  wissensch.  Hilfslehrer. 

„  Schroeter,  Adalb.,  Dr.,  Kustos  an  der  Kgl.  Landes bibliothek. 

„  Schroeter,  Hermann,  Pfarrer  a.  D. 

,  Schüler,  Tlieodor,  Archiv-Kanzlei-Sekretär. 

,  Schultz,  Otto,  Oberst  a.  D. 

,  Schütte,  Alex.,  Major  a.  D. 

„  von  Sclnvcder,  Adolf,  Oberst  z.  D. 

„  Schwedersky,  W.,  Lieutenant  a.  D. 

„  Schweisu:utli,  Carl,  Rentner. 
Se.  Durchlaucht  Prinz  Albrecht  zu  Solms-Rraunfels. 

.,  Dr.  pliil.  Spielmann,  Christiau,  Schriftsteller. 

„  Stein,  Christian,  Bauunternehmer  und  Stadtverordneter. 

,  Stinnes,  :Mattliias,  Geologe. 

„  Dr.  Stobbe,  H. 

„  Stolley,  Harald,  Hofdentist. 

.,  Sti-asburi,'er,  Paul,  Banquier. 

„  von  Tepper-Laski,  Victor,  Regierungspräsident. 


253 


Herr  Thüsiug,  Georg,  Landi-ichtcr. 

„  Thöiiü:es,  Hubert  Christoph,  Jiistizrat. 

Frau  TocM. 

Herr  Troii',  C,  Lehrer  a.  D. 

,  Tliurne.vsseii,  Alexander,  Rentner. 

„  Dr.  phil.  Tietz,  Oscar. 

„  Tschacher,  Oswald,  Rentner. 

„  Yietor,  Moritz,  Schulvorsteher. 

„  Yog'elsberger,  Willielm,  Oberingeniour  a.  D. 

„  Wagner,  Carl. 

„  Dr.  theol.  Wetlewer,  Hermann,  Oberlehrer. 

,  Weideiibuscli,  Hans. 

„  Weldert,  Carl,  Direktor  der  höheren  Töchterschule. 

„  Wieiicke,  Rudolf,  Königlicher  Lotterie-Einnehmer. 

„  Wilhelmy,  Otto,  Landgerichtsrat. 

„  Dr.  jur.  Wilhelmy,  Albert. 

„  Willet,  Martin,  Architekt  und  Stadtverordneter. 

„  Winter,  Ernst,  Baurat,  Stadtbaudirektor. 

„  von  Wunster,  Wilhelm,  Oberst  a.  D. 

„  Wissmann,  Eduard,  Landgerichtsrat. 

„  Worst,  Hermann,  Seminardirektor  a.  D, 

,,  Zais,  Wilhelm,  Hotelbesitzer. 

„  Zedier,  Gottfried,  Dr.  phil,   Kustos  der  Königl.  Landesbibliothek. 


II.  Ausserhalb  "Wiesbadens. 

Herr  Dr.  von  Achenbacli,  Heinrich,  Staatsminister  u.  Oberpräsident,  Potsdam. 

„  Achenbacli,  A.,  Königl.  Berghauptmann,  Klausthal. 

„  Dr.  Alefeld,  Darmstadt. 

„  Almenröder,  Pfarrer,  Ober-Biel  (Kreis  Wetzlar). 

„  Antlies,  Eugen,  Pfarrer,  Nassau. 

„  Balzer,  Pfarrer,  Bromskirchen. 

„  Biilir,  Joseph,  Landwirt,  Prauenstein  bei  Wiesbaden. 

„  Balil,  Chr.,  Ehren-Domherr,  Bischöfl.  Kommiss.  u.  Stadtpfr.,  Frankfurt  a.  M. 

„  Batton,  Postmeister,  Nassau. 

„  Baner,  Oberstlieutenant  an  der  Schiessschule,  Köln. 

„  Baunacli,  Willielm,  Frankfurt  a.  M. 

„  Dr.  Beck,  Ludwig,  Hüttendirektor,  Rheiuhütte  bei  Biebrich. 

„  Dr.  Beckmann,  Fr.,  Landrat,  Usingen. 

,  Bellinger,  Kgl.,  Bergrat,  Braunfels. 

„  von  Bertoucli,  Geh.  Regierungsrat  a.  D.  und  Kammerherr,  Biebrich. 

„  Bimler,  Oberbergamtsmarkscheider,  Breslau. 

„  von  Bocli,  Eugen,  Geh.  Kommerzienrat,  Mettlach. 

Frau  von  Bocli,  Ziegelberg  bei  Mettlach. 

Herr  Dr.  Bodewii^,  Oberlehrer,  Oberlahustcin. 


254 

Herr  ßoni,  Landgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  Lahn. 

„  Dr.  phil.  IJrauii,  Ansehn,  Professor,   Oberlehrer,  lladamar. 

„  Brofl't,  L.  II.,  Frankfurt  a.  M. 

„  Dr.  phiL  Freiherr  von  Canstein,  Ökonomierat,  Berlin. 

„  Dr.  Clemen,  Paul,  Provinzialkonservator  d,  Rheinprovinz,  Bonn. 

„  Coiirady,  Wilhelm,  Kreisrichter  a.  D.,  Miltenberg  a.  M. 

„  Deissmaini,  Pfarrer,  Erbach  am  Bhein. 

„  Dr.  med.   Dcttweiler,  Peter,  Geh.  Sanitätsrat,  Falkenstcin  i.  T. 

„  von  Donop,  Hugo,  ^[ajor  z.  D.  und  Oberhofmeister,  Weimar. 

^  Dr.  med.  Düttinann,  Otto,  Arzt,  Montabaur. 

Frau  Baronin  von  Düngern,  Schloss  Dehrn  bei  Limburg  a.  d.  Lahn. 

Herr  J).vckerlioff,  Rudolf,  Fabrikbesitzer,  Biebrich. 

„  Eggert,  Hermann,  Regierungs-  und  Baurat. 

„  Graf  zu  Eltz,,  Carl,  Eltville. 

„  Engelhard,  Otto,  Fabrikant,  Hofheim  im  Taunus. 

„  Graf  zu  Eulenburg,  Botho,  Ministerpräsident,  Berlin. 

„  Feldner,  Lehrer,  Kassel. 

„  Dr.  phil.  Fleckeisen,  Professor,  Dresden. 

„  Dr.  phil.  Focke,  Rudolf,  Kustos  der  Kgl.  Univ.-Bibliothek,  Göttingen. 

„  Fonck,  Geh.  Regierungsrat,  Rüdesheim. 

„  Dr.  phil.  Forst,  H.,  Osnabrück. 

„  Fromme,  Landrat,  Dillenburg. 

„  (ierhardus,  Amtsrichter  in  Liraburg  a.  d,  Lahn. 

„  Goltz,    B.,    Major  im  Westfälischen  Infanterie-Regiment  No.  57,    Wesel. 

„  Gossmami,  C.  G.,  Kloppenheim  (Post  Bierstadt). 

;,  Dr.  Grandll omme,  Sanitätsrat,  Kreisphysikus,  Frankfurt  a.  M. 

„  Haas,  P.,  Rektor  des  Realgymnasiums,  Limburg  a.  d.  L. 

„  Dr.  phil.  Hammeran,  A.,  Frankfurt  a.  M. 

„  Hauch,  Rudolf,  Frankfurt  a.  M. 

„  Hecker,  Gerichtsschreiber,  Nassau. 

„  Dr.  Hegert,  Archivrat,  Geh.  Staatsarchivar,  BerUn. 

,  Dr.  med.  Herxheimer,  Salomon,  Sanitätsrat,  Arzt,  Frankfurt  a.  M. 

„  Hess,  Heinrich,  Weinkoramissionär,  (Jstrich. 

„  Freiherr  v.  d.  Heydt,  Landrat,  Homburg  v.  d.  H. 

„  Heyn,  Pfarrer,  Marienberg. 

„  Heyne,  M.,  Oberlehrer  am  Real-Progymnasium,  Biebrich. 

,  Hilf,  Hubert  Arnold,  Justizrat,  Rechtsanwalt,  Limburg  a.  d.  Lahn. 

„  llill('l)rand,  Professor,  Oberlehrer.  Hadamar. 

liilpisch,  Johann  Georg,  Pfarrer,  Direktor  der  St. Leonhardskirche,  Frank- 
furt a.  ]\r. 

,  IfoirnKiiiii,  Gutsbesitzer,  Niederhöchstadt  (Post  Crouberg  i.  T.). 
Sc.  Königliche  Hoheit  Leopold  Fürst   von   Holienzollern,  Sigmaringen. 

Herr  Hosseus,  Lispektor  der  Heilanstalt  Falkenstein  i.  T. 

„  Hubaleck,  H.,  Limburg  a.  d.  L. 

„  Jacobi,  Baumeister,  Homburg  v.  d.  H. 


■>■> 


55 


255 

Herr  Ilü:eii,  Major  in  der  Kgl.  Niederlüud.  Armee,  Padiing  (Kosaradpil  Sumatra. 
„     (iraf  von  Ingelheim,  Geisenlieim. 
„     Dr.   Kjille,  Kommerzienrat,  Biobricli. 
„     Kaufmann^  Heinricli,  Gerbereibesitzer,  Luidi. 
„     K<'ller,  Justizrat,  Rechtsanwalt  und  Notar,   Limburg  a.  d.   L. 
Frau  Grätiu  von  Kiehnannsegge,  Nassau. 
Herr  Kircliberger,  Josef,  Ems  (Bad  Ems). 

„     Dr.  theol.  Klein,  Karl,  Biscliof,  päpstl.  Ilausprälat,  Limliurg  a.  d.   L. 
„     von  Knebel,  Heinrich,  Oberst  z.  D  ,  Sonnenberg  bei  Wiesbaden. 
Königstein,  KiHan,  Pfarrer,  Boruheim  bei  Frankfurt  a.  M. 
Dr.  phil.  Krans,  F.  X.,  Professor,  Freiburg  i.  B. 
„     Kröck,  Hauptmann  a.  D.,  Berlin. 
,,     von  Lade,  E.,  Geisenheim. 

„     Leonhard,  Phil  Hermann,  Bildhauer,  Eltvillc  a.   Kli. 
,,     Dr.  Lieber,  Keichstags-  und  Landtagsabgeordneter,  (Jauibcrg, 
„     Lossen,  Oberlandesgerichtsrat,  Frankfurt  a.  M. 
„     Lncas,  Fr.,  Hilfslehrer,  Weilburg  a.  d.  L. 
,,     Malmros,  Amtsrichter,  Limburg  a.  d.  L. 
Manger,  Fr.,  Pfarrer,  Dilleuburg. 

Freiherr  Marschall  von  Bieberstein,  Oberst  a.  D.,  Weil  bürg. 
Frau  Gräfin  von  Matnsclika,  Schloss  Vollrads  bei  Winkel  a.  Kh. 
Herr  Meckel,  J.  Fr.,  Kaufmann,  Herborn. 

„     Dr.  med.  Michel,  Theodor,  Arzt,  Niederlalmstein. 
„     Monrean,  Pfarrer,  Erbenheim  bei  Wiesbaden. 
„     Müller,  Mich.,  Pfarrer,  Seck  (Kreis  Westerburg). 
„     Müllers,  Erster  Seminarlehrer,  Montabaur. 
.,     Mulot,  Heinrich,  Rentner,  Haiger, 
,,     Musset,  Landgerichtsrat,  Limburg  a.  d.  L. 
„     Nick,  Pfarrer,  Salzig  bei  Boppard. 
„     Opperniann,  Ferdinand,  Bad  Soden. 

„     Osterroth,  Arthur,  Rittergutsbesitzer,  Schloss  Schönberg  bei  Obcrwcsel. 
,,     Ott,  Joseph,  Gymnasiallehrer,  Merzig  a.  d.  Saar. 
„     Dr.  Peters,  C.,  Schierstein. 

„     Pfarrius,  Alexander,  Pfarrer,  Dodenau  (Post  Battenberg). 
„     Pfau,  Emil,  Direktor  der  Aktienbrauerei,  Nassau. 
„     Piepenbring,  Georg,  Schlossermeister,  Königstein  1.  T. 
„     Freiherr  von  P reuschen  und  zu  Liebenstein,  Forstmeister,  Rüdesheim. 
„     Pulch,  Gerichtsschreiber,  Katzenelnbogen. 
„     Reichert,  Domänen-Rentmeister,  Weilburg. 
,,     Reifenrath,  H.,  Niederlalmstein. 
„     von  Reinach,  Albert,  Frankfurt  a.  M. 

„     Dr.  med.  Reinhold,  Medizinalrat,  Eisenberg  (Sachsen-Altenburg). 
Reusch,  G.  Ed.,  Bürgermeister,  Oberlahnstein. 
Reuter,  Fritz,  Weinhändlcr,  Rüdesheim. 
Riedel,  Amtsgerichtsrat,  Frankfurt  a.  M. 


55 


256 

Herr  Riiekor,  F.,  Lehrer,  Haider. 

„     Sclielleiilierg,  Carl.  Pfarrer,  Battenberg. 
.,     Schilo,  "Wilhelm,  Pfarrer  und  Kreis-Schuliuspektor,  Idstein, 
„     Schlitt,  J.,  Dekan,   Eltville. 
.,     Schmidt.  Landgerichtsdirektor,  Limburg. 
„     Sclniiit/,  Johann  Peter,  Professor,  Oberlehrer,  Montabaur. 
„     Dr.  Scliiieider,  Friedrich,  Domkapitular,  Geistl.  Rat,  Mainz. 
„     Schiioider,  Pobert,  Pfarrer,  Buchenau  (Kreis  Biedenkopf). 
„     Scholl,  Bernhard,  Rüdesheim. 
„     Sclireiner,  Pfarrer,  Barmen. 
„     Schröder,  J.,  Fabrikant,  Oberlahnstein. 
„     Schulz,  Forstmeister,  Kaub. 

„     Schuster,  Pfarrer,  Frischborn  bei  Lauterbach  (Oberhessen). 
„     Seckels,  Gerichtsassessor,  Montabaur. 
„     Seybertli,  Geh.  Roglerungsrat,  Landrat,  Hanau. 
„     Siegel,  Johannes,  Pfarrer,  Weilburg. 
Se.  Durchlaucht  Oeorg  Friedrich  Fürst  zu  Solms-Brauiifels. 
Sp.  Erlaucht  Friedrich  (iraf  zu  Solms-Laubach,  Jjaubach  (Oberhessen). 
Herr  Stahl,  Amtsgerichtsrat,  Ilachenburg, 

Stehiheimer,  C.  J.  B.,  Gutsbesitzer,  Östrich. 
Stier,  Hauptmann  a.  D.,  Fürsten walde. 
Stifft,  Amtsgeriehtsrat,  Höchst  a.  M. 
Stippler,  Bergwerksbesitzer,  Limburg  a.  d.  L. 
Stoff,  L.,  Dechant,  Kassel. 
Sturm,  E.,  Weingutsbesitzer,  Rüdesheim. 
Tliewaldt,  Amtsgerichtsrat,   Ems. 
Tilemaiiii,  Amtsrichter,  St.  Goarshausen. 
Trosieiier,  F.,  Ingenieur. 

Dr.  phil.  Telke,  Wilhelm,  Stadtbibliothekar,  Mainz. 
Tömel,  E.,  Pfarrer,  Homburg  v.  d,  H. 
Togel,  Arnold,  Pfarrer,  Kirberg. 

Vogel,  H.  A.,  Pfarrer,  Eppeurod  (Post  Nentershauseu,  Bez.  Wiesbaden). 
Frl.  Vogler,  Emilie,  Ems. 
Herr  Wahl,  Pfarrer,  Rüdesheim. 
Se.  Durchlaucht  Fürst  zu  Waldeck,  Arolsen. 
Herr  Walter,  G.,  Rentner,  Schloss  Gutenfels  bei  Kaub. 

Wehrlicim,  Wilhelm,  Direktor  des  Taubstummen-Instituts,  Camberg. 
Widmann,  Bernhard,  Frühmesser,  Eltville. 

Dr.  phil.  Widmann,  S.,  Rektor  des  Real-Progymnasiums,  Oberlahnstcin. 
Se.  Durchlaucht  Wilhelm  Fürst  zu  Wied,  Neuwied. 
Herr  >Vilhelmi,  (jeorg,  Pfarrer,  Diez. 

Wilhclmy,  August,  Prokurator,  Ilattenheim. 

AVilli,  Domlnikus,  Abt,  Abtei  Marienstatt  (Post  llachenburg). 

Zoi'U,  Richard,  Obstbaumschulbesitzer,   Hoflicjm  i.  T. 


2n7 


III.    Ordentliche  Mitglieder  sind  ferner  folgende 
Archive,  Behörden,  Bibliotheken,   Museen  und  Vereine. 

Itcrliii: 

Küiiigliclic  Bibliotliok  (W.,  Platz  am  Oponiliiniso). 

Künigliclie    geolog-ischo    Lantlcsaustalt    und    Berg- AUailcinic 

(N.,  luvalidoiiötrasse  44), 
KüuiglichesKuust-Gewerbe-Museuin  (HW.,  Prinz  AlI)i'echtHti'a.sHe). 

IJiebrich: 

Real-Progyranasium. 

Biedenkopf: 

Krcisausscliuss  des  Kreises  Biedenkupf. 
Königliches  11  e  al  -  P  r  o  g-  y  m  u  as  i  u  m. 

Cassel : 

Ständische  Landesbibliothek, 

Coblenz: 

Königliches  Staatsarchiv. 

Barnistadt : 

Grossherzoglich  Hessisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 

I)iez: 

Kreisausschuss  des  Unterlahnkreises, 
Real -Progymnasium. 

J)illeiil)iirg: 

Königliches  Gymnasium. 
Kreisausschuss  des  Dillkreises, 
Historischer  Yerein. 

Ems: 

Real- Progymnasium, 

Erbacli  im  Odenwald: 

Gräflich  Erbachischcs  Gesamthaus- Archiv, 

Frankfurt  a.  M. : 

Kreisausschuss   des  Landkreises  Frankfurt  a.  M. 

Magistrat. 
Stadtbibliothek, 

St.  Goarsliausen : 

Kreisausschuss  des  Kreises  St.  Goarshausen, 

Hadamar: 

Königliches  Gymnasium, 

Herl)orn: 

Altertumsverein, 

Höchst: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Höchst, 


258 


Homburg  v.  d.  Höhe: 

Kreisausschuss  des  Obertaunuski-eises. 
Ljuigenschwalbacli : 

Kreisausschuss  des  U utertauuuskroisea. 
Limburg  a.  d.  Lahn: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Linihur"'. 
Mainz: 

Stadtbibliothek. 
]\Iar))urg : 

Königliches  Staatsarchiv. 
Marienberg: 

Kreisausschuss  des  Oberwesterwaldkreises. 
Montabaur: 

Kreisausschuss  des  Unterwesterwaldkreises. 
Rüdesheim: 

Kreisausschuss  des  Rheingaukreises. 
Schlangenbad: 

Königliche  Kurkommission. 

Sclineidmühle  (bei  Audenschmiede,  Post  Woilniiinster): 
Gesellschaft  „Erholung". 

Usingen: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Usingen. 
AVeilburg  : 

Kreisausschuss  des  Oberlahnkreises. 
Westerburg: 

Kreisausschuss  des  Kreises  Westerburg. 
Wetzlar: 

Königliches  Staatsarchiv. 
Wiesbaden : 

Bezirksverband  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden. 

Königliches  Gymnasium. 

Kreisausschuss  des  Landkreises  Wiesbaden. 

Magistrat. 

Königliches  Staatsarchiv. 


Verzeichnis 

der 

AlüKlrniioii,  Oosell sc, haften,  Iiistituto  uinl  YcrciiKs  dn-oii  nrucksclirincii 
«1er  Verein  in  re2:elmiissigeni  Schrifteiiaustauseli  ciliillt.*) 


Aachen,  Gescbichtsverein. 

,  Verein  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Aarau,  Historische  Gesellschaft  des  Kantons  Aargau. 
Abbaye  de  Maredsous  (Belgien).    [„Revue  benedictine".] 
Altenburg,  Geschichts-  u.  altertumsforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes. 
Amiens,  Societe  des  antiquaires  de  Picardie. 
Amsterdam,  Koninklijke  Akademie  van  Wetenschappen. 
Annaberg,  Verein  für  Geschichte  von  Annaberg  und  Umgegend. 
Ansbach,  Historischer  Verein  für  Mittelfranken. 
Antwerpen,  Academie  d'archeologie  de  Belgique. 
Augsburg,  Historischer  Verein  für  Schwaben  und  Neuburg. 
Bamberg,  Historischer  Verein  für  Oberfranken. 
Basel,  Historische  und  antiquarische  Gesellschaft. 

Bayreuth,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  von  Oberfranken. 
Berlin,    Verein   für    Geschichte   der   Mark  Brandenburg.     („Forschungen  zur 
Brandenburgischen  und  Preussischen  Geschichte".] 

,  Verein  für  die  Geschichte  der  Stadt  Berlin. 

,  Archäologische  Gesellschaft. 

,  Verein  „Herold". 


,  Berhner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

,  Reichs-Postmuseum. 

,  Märkisches  Provinzial-Museum. 

Bern,  Historischer  Verein  des  Kantons  Bern. 

Birkenfeld,  Verein  für  Altertumskunde  im  Fürstentum  Birkenfeld. 

Bistritz,  Gewerbeschule. 

Bonn,  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskuude. 

,    Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande. 

Brandenburg  a.  d.  H.,  Historischer  Verein. 
Bregen z,  Museums- Verein. 


'*)  Die  mit  *  bezeichneten  Zeitsclirit'ten   iiält  der  Verein  auf  eigene  Rechnung. 


2G0 

Bremen,  Künstlervereiu,  Abteilung  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Breslau,  Schlesische  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur,  philusophisch- 
historische  Abteilung. 

,    Yereiu  für  Geschichte  und  Altertum  Schlesiens. 

,  Verein  für  das  Museum  schlesischer  Altertümer.  [„Schlesiens  Vor- 
zeit in  Bild  und  Schrift".] 

Bromberg,  Historische  Gesellschaft  für  den  Netzedistrikt. 

Brunn,  Mährisches  Gewerbemuseum. 

,  K.  K.  mährisch-schlesische  Gesellschaft  zur  Beförderung  dos  Acker- 
baues, der  Natur-  und  Laudeskuude. 

Brüssel,  Societe  des  bollandistes. 

Bukarest,  Revista  pentru  Istorie,  Archeologik  si  Filologie. 

Charleroi,  Societe  paleontologique  et  archeologique. 

Chemnitz,  Verein  für  Chemnitzer  Geschichte. 

Christiania,  Kongelige  Norske  Frederiks-Universitet. 

,  Museum  nordischer  Altertümer. 

Copenhagen,  Kongelige  Nordiske  Oldskrift-Selskab. 

Cottbus,  Niederlausitzer  Gesellschaft    für    Anthropologie   und    Altertumskunde. 

Danzig,  "Westpreussischer  Geschichtsverein. 

Darm  Stadt,  Historischer  Verein  für  das  Grossherzogtum  Hessen. 

Dessau,  Verein  für  Anhaltische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Dillingen,  Historischer  Verein. 

Donauesc hingen,  Verein  für  Geschichte  und  Naturgeschichte  der  Baar  und 
der  angrenzenden  Länder. 

Dresden,  Königl.  sächsischer  Altertums  verein. 

,    Verein  für  Geschichte  Dresdens. 

Dürkheim,  Altertumsverein  für  den  Kanton  Dürkheim. 

Düsseldorf,  Düsseldorfer  Geschichts-Verein. 

Eichstätt,  Historischer  Verein, 

Eisenberg  (S.-Altenburg),  Geschichts-  und  altertumsforschender  Verein. 

Eisleben,  Verein  für  die  Geschichte  und  Altertümer  der  Grafschaft  Mansfeld. 

Elberfeld,  Bergischer  Geschichtsverein. 

Emden,  Gesellschaft  für  bildende  Kunst  und  vaterländische  Altertümer. 

Erfurt,  Königl.  Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften. 

,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Essen,  Historischer  Verein  für  Stadt  und  Stift  Essen. 

Frankfurt  a.  M.,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

,  Taunusklub. 

Frankfurt  a.  d.  0.,  Historisch-statistischer  Verein. 

Freiberg,  Altertumsverein. 

Freiburg  i.  Br.,  Gesellschaft  für  Beförderung  der  Geschiclits-,  Altertums- und 
Volkskunde  v.  Freiburg,  dem  Breisgau  u.  d.  angrenzenden  Landschaften. 

St.  Gallen,  Historischer  Verein. 

Gi essen.  Oberhessischer  Verein  für  Lokalgeschichte. 

Glarua,  Historischer  Verein  des  Kantons  Glarus. 


2(51 

Görlitz,  Obcrlausitziöche  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

Göttingen,  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften.     IMiilulug.-histur.  Khis.s('. 

Graz,  Historischer  Verein  für  Steiermark. 

Greifswald,  Rügisch-Pomniersche  Abteilung  der  Gesellschaft  für  P.)jnnicrHcho 

Geschichte  und  Altertumskunde  in  Stralsund  und  (ireifswald. 
Guben,  s.  Cottbus. 

Schw.  Hall,  Historischer  Verein  für  Württembergisch  Franken. 
Halle  a.  S.,  Thüringisch-Sächsischer  Verein  für  Erforschung  des  vaterländischen 

Altertums  und  Erhaltung  seiner  Denkmale. 
Hamburg,  Verein  für  Hamburgische  Geschichte. 

Hanau,  Hanauer  Bezirksverein  für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Hannover,  Historischer  Verein  für  Niedersachsen. 

Heidelberg,  Hist.-philosophischer  Verein.    [„Neue  Heidelberger  Jahrbii(;her".| 
Heilbronn,  Historischer  Verein. 

Hermann  Stadt,  Verein  für  Siebenbürgische  Landeskunde. 
Hohenleuben,  Voigtländischer  altertumsforschender  Verein. 
Homburg  v.  d.  H.,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Jena,  Verein  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Innsbruck,  Ferdinandeum. 
Insterburg,  Altertumsgesellschaft. 

Kahla,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  zu  Kahla  und  Roda. 
Kaiserslautern,  Pfälzisches  Gewerbemuseum. 
Karlsruhe,  Grossherzoghches  Museum. 
— ,  Die  Badische  historische  Kommission.  [„Zeitschrift  für  die  Geschichte 

des  Oberrheins".] 

Kassel,  Verein  für  hessische  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Kempten,  Altertums-Verein  Kempten. 

Kiel,    Gesellschaft  für  Schleswig-Holstein-Lauenburgische  Geschichte. 

■ ,  Anthropologischer  Verein  in  Schleswig-Holstein. 

Klagen  fürt.  Kärntnerischer  Geschichtsvereiu. 

Köln,  Historischer  Verein  f.  d.  Niederrhein,  insbesondere  f.  d.  Erzdiözese  Köln. 

,  Stadtarchiv. 

Königsberg  i.  Pr.,  Königliche  und  Universitätsbibliothek. 

,  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft. 

,  Altertumsgesellschaft  Prussia. 

Kornik  in  Posen,  Bibliotheka  Kornicka. 

Krakau,  Akademie  der  Wissenschaften. 

Kreuznach,  Autiquar.-histor.  Verein  für  Nahe  und  Hunsrückon. 

Laib  ach,  Historischer  Verein  für  Krain. 

Landshut,  Historischer  Verein  für  Niederbayern. 

Leiden,  Maatschappij  der  nederlandsche  Letterkunde. 

Böhmisch-Leipa,  Nordböhmischer  Exkursionsklub. 

Leipzig,  Verein  für  Geschichte  Leipzigs. 

,  Museum  für  Völkerkunde. 

Leisnig,  Geschichts-  und  Altertumsverein. 

18 


202 

Lemberg,  Historischer  Yereiu.  [„Kwartalnik  historyczny,"] 

Lincoln,  Nebraska  State  Historical  Society. 

Lindau  i.  B.,  Verein  für  Goscliichte  des  Bodensees  und  seiner  Fnigobung. 

Linz  (Österreich),  Museum  Francisco-CaroHnnm. 

London,  Society  of  antiquaries  of  London. 

,  South  Kensiugton  Museum. 

Lübeck,  Verein  für  Lübeckische  Geschichte  und  AltLn-tumskunde. 
Lüneburg.  Museumsverein  für  das  Fürstentum  Lüneburg. 
Luxemburg,  Section  historique  de  l'institut  Royal  Grand-ducal  de  lAixenibourg. 
Luzern,  Historischer  Verein  der  fünf  Orte:  Luzern,  Uri,  Schwyz,  Unterwaiden 

und  Zug. 
Magdeburg,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde  des  Herzogtums  und 

Erzstifts  Magdeburg. 
Mainz,  Verein  zur  Erforschung  der  rheinischen  Geschichte  und  Altertümer. 
Mannheim,  Altertumsvereiu. 
Mein  Ingen,  Hennebergischer  altertumsforschender  Verein. 

,  Verein  für  Meiningische  Geschichte  und  Landeskunde. 

Meissen,  Verein  für  Meiningische  Geschichte  der  Stadt  Meissen. 

Metz,  Verein  für  Erdkunde. 

Mölln  i.  L.,  Verein  für  Geschichte  des  Herzogtums  Lauenburg. 

München,    Königl.  bayerische  Akademie  der  Wissenschaften,  piiil.-liisi.  Klasse. 

,  Historischer  Verein  für  Oberbayeru. 

,  Münchener  Altertums-Verein. 

Münster,    Verein  für  Geschichte  und  Altertunisknndo  Westfalens. 

Namur,  Societe  archeologique. 

Neubrandenburg,  Museumsverein. 

Neuburg  a.  D.,  Historischer  Verein. 

New- Castle,  Society  of  antiquaries. 

Novara,  Biblioteca  civica  di  Novara. 

Nürnberg,    Verein  für  Geschiclite  der  Stadt  Nürnberg. 

,  Germanisches  Nationalmuseum. 

Offenbach  a.  M.,  Verein  für  Naturkunde. 
Oldenburg,  Oldenburger  Landesverein  für  Altertumskunde. 
Osnabrück,  Verein  für  Geschichte  und  Landeskuiule. 
Paris,  Societe  nationale  des  antiquaires  de  France. 

,  Revue  archeologique.* 

Buda-Pest,  Magyar  Tudomanyos  Acadomia.  (Ungarische  Akademie  der  Wissen- 
schaften.) 

,  Ungarische  Revue. 

,  Ethnologische  Zeitschrift. 

St.  Petersburg,  Commission  Imperiale  archcologi(iue  Russe. 

Plauen  i.  V.,  Altertumsverein. 

Posen,  Historische  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen. 

,  Posener  Gesellschaft  der  Freunde  der  Wissenschaften. 

Prag,   Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in   Böhmen. 


2r.:{ 

Prag,  Lesehalle  der  deutschen  Studenten  /ii  V\'i^<r 

Prüm,  Gesellschaft  für  Aitertunislaindc. 

Stift  Kaisern  (bei  lirüun).   [„Studien   und   .MiKcilmii;..,!  aus  d...u  Ürncdjciii,,.,-- 

und  dem  Cistercienserorden".) 
Ptegensburg,  Historischer  Verein  für  Oberpfal/,   und    ll.'gciisliurg. 
Reiehenberg,  Nordbühmisches  Gevverbemuseuni. 
Keutlingcn,  Verein  für  Kunst  und  Altertun). 
Riga,  Gesellschaft    für   Geschichte    und    Altertumskunde    d.T    0.stse,.j,n,viii/on 

Russlaods. 
Rio  de  Janeiro,  Muscu  Nacional. 

Roda  (S.  Altenburg),  Der  geschichts-  und  altertumsforschende  Verein. 
Rom,  R.  Accademia  dei  Lincei. 
Saarbrücken,  Historischer  Verein  für  die  Saaraeffeud 

OD  • 

Salzburg,  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde. 

Salzwedel,  Altmärkischer  Verein  für  vaterländische  Geschichte  uiul  Tudustric 

Sarajevo,  Bosuisch-hercegoviuisches  Landesmuseum. 

Schaffhausen,  Historisch -antiquarischer  Verein  des  Kantons  Schaffhausen. 

Schmalkalden,  Verein  für  Hennebergische  Geschichte  und  Landeskunde. 

Schwerin,  Verein  für  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde, 

Sigmaringen,  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Soest,  Verein  für  die  Geschichte  von  Soest  und  der  Rörde. 

Spei  er,  Historischer  Verein  der  Pfalz. 

Stade,  Zeitschrift  des  historischen  Vereins  für  Niedersachsen. 

Stettin,  Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Stockholm,  Nordiska  Museet. 

,  Kongl.  Vitterhets  Historie  och  Antiquitets  Akademien. 

Strassburg,  Societe  pour  la  conservation  des  monuments  histori([ues  d'Alsace. 

,  Kaiserliche   Universitäts-   und   Landesbibliothek.     [„Jahrbuch    des 

historisch-litterarischen  Zweigvereins  des  Vogesenklubs".] 
Stuttgart,  Königliche  öffentliche  Bibliothek. 

,  Königlich  Württembergisches  Haus-  und  Staatsarchiv. 

Thorn,  Copernicus-Verein. 

Tokio  (Japan),  Imperial  üniversity  of  Tokio. 

Torgau,  Altertums  verein. 

Trier,  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen. 

,  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift.* 

,  Limesblatt.     Mitteilungen  der  Strecken-Kommissare  bei  der  RoichsMuiPs- 

Kommission.* 

,  Westdeutsche  Zeitschrift  für  Gewerbe  und  Kunst.* 

Tübingen,  Universitäts-Bibliothek . 

Ulm,  Verein  für  Kunst  und  Altertum  in  Ulm  und  Oberschwabon. 

Washington,  Smithsonian  Institution. 

Wernigerode,  Harzverein  für  Gescliichte  und  Altertumskunde. 

Wien,  Kaiserliche  Akademie  der  Wissenschaften. 

,  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich. 

18* 


264 

Wien,  Akademischer  Leseverein  der  K.  K.  Universität  Wien. 

j  Alcademisclier  Verein  deutscher  Historiker. 

^  K.  K.  Centralkommission    zur    Erforschung   und   Erhaltung    der   Kunst- 

und  historischen  Denkmale. 

,  Altertunisverein. 

^  Archüologisch-epigraphisches  Seminar  der  Universität  Wien. 

,  Anthropologische  Gesollschafr. 

,  Kais.  Königl.  heraldische  Gesellschaft  , Adler". 

Wiesbaden,  Gewerbeverein. 

,  Verein  für  Naturkunde. 

,  Rheinischer  Kurier. 

•,  Handelskammer. 

Worms,  Altertumsverein. 

Würzburg,  Historischer  Verein  für  Untorfrankon. 

Zürich,  Antiquarische  Gesellschaft. 

^  Allgemeine  geschichtsforschende  Gesellschaft  der  Schweiz. 

Zwickau,  Altertumsverein  für  Zwickau  und  Umgegend. 


liilialts-Ani^abe 

der 

Bände  I     XXVI  der  Annalen  des  Vereins  für  Nassauischc  Altertumskunde 

und  Geschichtsforschung. 


Band  J,  erstes,  zweites  und  drittes  Heft  (vergriffen). 


Band  II,  erstes  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte:  1.  Über  das  Hedderuheimer  Mithras-Monument  im  Museum  zu 
"Wiesbaden,  in  Vergleichung  mit  den  berühmtesten  bis  jetzt  bekannten  mithrischen  Denkmälern; 
samt  einer  Abhandlung  über  den  mithrischen  Symbolkreis  mit  Hinweisung  auf  die  mythischen 
Urbilder  desselben  im  alten  Hindostan,  von  Prof.  N.  Müller,  Mainz.  —  2.  Die  Domkirche  zu 
Limburg,  in  historischer  und  architektonischer  Beziehung,  von  Domkapitular  Dahl,  Mainz.  — 
3.  Historische  Nachrichten  von  den  Burgen  Driedorf,  Eigenberg  und  Holenfels  und  ihren  Be- 
sitzern den  von  Mudersbach,  von  Pfarrer  C.  D.  Vogel,  Kirberg. 
Mit  6  Tafeln. 


Band  II,  zweites  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte:  l.  Über  die  Lage  des  Munimentum  Trajani  von  Domkapitular 
Dahl,  Mainz.  —  2.  Die  Sueven,  von  Hofgerichts-Advokat  IL  C.  Hoffmann,  Darmstadt.  — 
3.  Bericht  über  die  Bearbeitung  einiger  Grabhügel  im  Ruhehaag  bei  Dotzheim,  von  I'farrer  Luja 
daselbst.  —  4.  Historische  Nachrichten  von  dem  ehemaligen  Kloster,  nachherigen  Ritterstift  zum 
heiligen  Ferrutias  in  Bleidenstadt,  von  Domkapitular  Dahl.  —  5.  Rucheslo,  die  Mallstätte  des 
Erdehegaus,  von  Pfarrer  Vogel,  Kirberg.  —  6.  Über  einen  vor  Castel  bei  Mainz  gefundenen 
Votivstein  der  Bürger  von  Wiesbaden,  von  Prof.  N.  Müller,  Mainz.  —  7.  Ludwig,  der  letzte 
Graf  von  Ärnstein,  aus  einer  alten  deutschen  Handschrift  mitgeteilt  von  Pfarrer  Vogel. 

Miscellen:  l.  Der  Tod  Adolfs  von  Nassau,  nach  den  Quellen  poetisch  dargestellt  von  Prof.  Dr. 
Braun,  Mainz. —  2.  Altertümliches  von  Mainz,  von  demselben.  —  3.  Über  die  Gesichtsbedeck- 
ungen an  Helmen  aus  dem  Mittelalter,  von  Dr.  C.  Put  trieb,  Halle.  —  4.  Altertümer  in  der 
Umgebung  von  Schierstein,  vom  Herausgeber. 


Biiud  II,  drittes  lieft  (vcr'jriffeu). 


266 


Band  III,  erstes  Heft. 


Abhandlungen  und  Berichte:  1.  Der  Eichelstein,  das  Ehrendenkmal  des  Urusus  zu  Mainz,  von 
Prof.  N.  Müller,  daselbst.  —  2.  Über  die  deutschen  Münzen,  von  Geh.  Medizinalrat  Prof.  Dr. 
Nebel,  Giessen.  —  3.  Geschichte  der  Burg  Adolfseck,  von  Dekan  C.  1).  Vogel,  Kirberg.  — 
4.  Wie  Graf  Ruprecht  17.  von  Nassau  der  Mitregierung  entsagt  und  in  den  deutscheu  Orden 
tritt,  von  demselben.  —  5.  Die  germanischen  Gräber  bei  Bilkheim,  von  Dekan  Hoffmann,  Meudt. 

Miscellen:  l.  Über  den  Grabstein  eines  römischen  Soldaten  der  XIV.  Legion,  von  Domkapitular  Dahl, 
Mainz.  —  2.  Vorschlag  zur  Gründang  eines  Verein.«  zur  Herausgabe  architektonischer  Denk- 
mäler des  Mittelalters,  von  Bauinspektor  von  Lassaulx  in  Coblenz. 

Biographische  Nachrichten  von  verdienten  vaterländischen  Gelehrten:  Nachrichten 
über  das  Leben  und  die  Schriften  des  ehemaligen  Professors  und  Nassauischen  Historiograitheu 
Ciriacus  Lentulus,  von  Decan  Vogel. 

Mit  4  Tafeln. 

Band  111,  zweites  Heft. 

Abhandlungen  und  Berichte:  1.  Untersuchung  einer  germanischen  Begräbnisstätte  bei  Bilkheim, 
Amt  Wallmerod,  aus  einem  Bericht  des  Dekan  H.  Hoffraann,  Meudt.  —  2.  Nachricht 
über  die  Burg  Waldenfels,  von  Dekan  C.  D.  Vogel,  Kirberg.  —  3.  Nachrichten  über  die  Burg 
Tringenstein,  von  demselben.  —  4.  Graf  Gerhard  II.  von  Sayn  wird  vom  Kaiser  Friedrich  III. 
zum  Statthalter  über  die  heimlichen  Westpfälischen  Gerichte  ernannt,  von  demselben.  —  5.  Kurze 
Geschichte  des  vormaligen  Klosters  Tiefenthal  im  Rheingau,  von  Domkapitular  C.  Dahl,  Mainz, 
mit  Nachträgen  von  Dekan  Vogel.  —  0.  Die  Kirche  zu  Mittelheim  im  Rheingau,  von  Ilofbau- 
meister  R.  Görz,  'Wiesbaden.  —  7.  Nachrichten  über  die  Gauen  des  Herzogtums  Nassau,  aus 
dem  Nachlass  des  verstorbenen  Prälaten  Dr.  Schmidt  in  Giessen,  mitgeteilt  von  Hofrat  Dr. 
Steiner,  Kleinkrotzenburg. —  8.  Über  Gelehrtenvereine,  insbesondere  über  die  "Wichtigkeit  der 
historischen  und  altertumsforschenden  Gesellschaften,  von  Prof.  N.  Müller  Mainz.  —  9.  Das 
Kömer-Castell  bei  "Wiesbaden,  von  F.  G.  Habel,  Schierstein. 
Mit  6  Tafeln. 


Band  III,  drittes  Heft. 

1.  Die  Krypta  des  heil.  Barde  im  Dom  zu  Mainz,  von  Domkapitular  Dahl,  Mainz.  —  2.  Beiträge 
zu  der  älteren  Genealogie  und  Geschichte  der  Grafen  von  Schönborn,  aus  den  nassauischen 
Archiven  mitgeteilt  von  Dekan  C.  1).  Vogel,  Kirberg.  —  3.  Nachrichten  über  die  Burg  und 
das  Geschlecht  der  Herren  von  Molsburg,  von  Hofbaumeister  E.  Görz,  Wiesbaden.  —  4.  Die 
Nassauischen  Gauen,  von  Hofrat  Dr.  Steiner,  Kleinkrotzenburg  (Forts,  v.  No.  7  des  2.  Heftes). 
Mit  6  Tafeln. 


Band  IV,  erstes  Heft  (vergriffen) 


Band  lA',  zweites  Heft. 

Abhandlungen:  I.  Kömische  Inschriften,  welche  in  den  letzten  .Jahren  au.sgegraben  worden  sind,  von 
Prof.  Klein,  Mainz.  —  2.  Die  römischen  Inschriften  des  Herzogtums  Nassau.  Erste  Abteilung. 
Von  demselben.  —  3.  Der  Dolichenische  Gott,  von  Dr.  Römer-Büchner,  Frankfurt  a.  M.  — 
4.  Über  eine  unedierte  Inschrift  des  Museums,  von  Konrektor  Becker,  Uadamar.  —  5.  Über 
Apollo,  den  lleilgott  der  Kelten,  von  demselben.  —  6.  Zur  Erklärung  nassauischer  Ortsnamen, 
von  Archivdirektor  Dr.  Friedemann,  Idstein.  —  7.  Die  lateinischen  und  deutschen  Lebens- 
beschreiber  Ludwigs,  des  letzten  Grafen  von  Arnstein,  von  demselben.  —  8.  Über  die  Abstammung 
der  Bewohner  des  sudlichen  Nassau,  von  Gymnasiallehrer  Seyberth,  AViesbaden. 


2fi7 

Miscellen:  1.  Bodmanns  und  Kindlingers  hinterlassene  handschriftliche  Sammlungen  7.ur  Ge.chichte  des 
Kheingau.s,v.  Archivdirektor  Dr.  Friede  mann,  Idstein.  -  2.  Notiz  über  die  Inachrifl-  Wiiinob.lc. 
von  demselben.  -  3.  Die  ältesten  Familien  in  den  Rhein-  und  Donaulandern,  von  Konrektor 
Becker,  Iladamar.  -  4.  Eine  Gebetsrolle,  von  Prof.  Kehrein,  lladamar.  -  5.  Di«  UeUKerou« 
von  Kronberg  1522.  Nach  einem  alten  Druck.  Von  Lehrer  Becker,  Kronberg.  -  G  D.-r  rom.sche 
steinerne  Löwe  zu  AViesbaden,  von  Archivdirektor  Dr.  Friedemann,  Idstein. 
Mit  zwei  Tafeln. 

Band  IV,  drittes  lIcH. 

Inscriptiones  latinac  in  terris  nassoviensibus  repertae  et  auctoritate  societatis  antiquariorum  nassoTieusis 
editae. 

Jiiiiid  V,  erstes  lieft  ^vcrgrifrni). 
JJjiiid  V,  zweites  Heft. 

Zur  Geschichte   des    römischen  Wiesbadens:    11    Das  Kümerkastell    bei  Wiesbaden,    von   Obermedizinal- 
rat a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 

Mit  vier  Tafeln. 

Eaiid  V,  drittes  Heft. 

Zur  Geschichte  des  römischen  Wiesbadens:   III.  Römische  Ansiedlungen    in    der    Umgebung    von    Wies- 
baden, von  Obermedizinalrat  a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 

Mit  vier  Tafeln  und  1  Übersichtskarte. 


Band  Y,  viertes  Heft. 

Zur   Geschichte   des   römischen  Wiesbadens:    IV.  Römische  "Wasserleitungen    in    Wiesbaden    und    seiner 
Umgebung,  von  Obermediziualrat  a.  D.  Dr.  K.  Reuter. 

Mit  sieben  Tafeln  und  einem  Plan. 


Band  Yl,  erstes  Heft. 

1.  Die  Heilgötter  (Über  ein  Knochenrelief  des  Museums  in  Wiesbaden),  von  Prof.  0.  Jahn,  Bonn.  — 
2.  Griechische  Kupfermünzen  von  der  Insel  Leuke  (im  Museum  zu  Wiesbaden),  von  Dr.  J.  Fried - 
länder,  Berlin.  —  3.  Die  römischen  Inschriften  des  Herzogtums  Nassau,  II.  Abteilung,  von 
Prof.  Klein,  Mainz.  —  4.  Der  heil.  Hildegard  Subtilitatum  diversarum  naturarum  creaturarum 
libri  novem,  wissenschaftlich  gewürdigt,  von  Prof.  Dr.  Reuss,  Nürnberg.  —  5.  F.  W.  Schmidts 
Lokaluntersuchungen  über  den  Pfahlgraben,  sowie  über  die  alten  Befestigungen  zwischen  Lahn 
und  Sieg.  Aus  den  Papieren  des  Verstorbenen  herausgegeben  von  dessen  Bruder,  Major 
E.  Schmidt,  Kreuznach. 

Mit  drei  Tafeln. 

Band  TI,  zweites  Heft. 

Abhandlungen:  1.  Das  Pfahlgrabeu-Kastell  bei  Holzhansen,  von  Landmesser  Wagner,  Kernel.  — 
2.  Germanische  GrabaUertümer,  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Ausgrabungen  bei  Rambach, 
von  Medizinalrat  Dr.  lleuLcr,  Wiesbaden.  —  3.  Die  Salziger  Meilensteine,  von  Dr.  Rössel, 
Wiesbaden.  —  4.  Graf  Eberhard  I.  von  Katzenelnbogen  und  die  Grabstatte  seines  Gescblecbt.H 
in  der  Abtei  Eberbach,  von  demselben.  —  5.  Die  Sauerburg,  von  .7.  B.  .Junker.  Lehrer  in 
St,  Goarshausen, 


268 

Miscellen:  l.  Antiquarisches  aus  Ems,  von  dem  Vereinssekretär.  —  2.  Explication  il'uue  inscription 
latine  du  Musee  de  Wiesbaden.  Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Becker,  Frankfurt  a.  M.  —  3.  über 
die  Richtung  der  römischen  "Wasserleitung  bei  Mainz,  von  Dr.  Malten,  Mainz.  —  4.  Über  die 
ältesten  Teile  der  Burg  Kronberg,  von  Architekt  Ph.  Klein,  Frankfurt  a.  M.  —  f).  Frei- 
heitsbrief für  die  Herrschaft  Uadaniar  und  Driedorf,  von  Lehrer  Junker,  St.  Goarshausen.  — 
G.  Erinnerungen  an  den  deutschen  König  Adolf  von  Nassau,  von  dem  Vereinssekretär.  —  7.  Kur- 
fürst Augusts  von  Sachsen  Badereise  nach  Schwalbach  1584,  mitgeteilt  von  demselben.  — 
8.  Keise  der  Königin  Christine  von  Schweden  durch  Nassau  1655,  von  Lehrer  Junker, 
St.  Goarshausen.  —  9.  Krönungsreise  König  Friedrichs  IV.  von  Frankfurt  nach  Aachen  1442, 
mitgeteilt  von  dem  Vereinssekretär.  —  10.  Kulturhistorisches  aus  Nassau,  von  J.  B.  Junker, 
St.  Goarshausen.  —  11.  Sphragistisches,  von  dem  Vereinssekretär.  —  12.  Über  eine  unedierte 
Inschrift  des  Wiesbadener  Museums,  von  Prof.  Dr.  Becker,  Frankfurt  a.  M. 

Mit  fünf  Tafeln. 

Band  VI,  drittes  Heft. 

Die  Limburger  Chronik  des  Johannes.    Nach  J.  Fr.  Faust's  Fasti  Limpurgeuses,    von    Dr.   K.  liossel. 
Mit  drei  Tafeln. 

Band  VII,  erstes  Heft  (vergriffen). 
Band  VII,  zweites  Heft. 

Abhandlungen:  1.  Die  ältesten  Spuren  des  Christentums  am  Mittelrheiu,  von  Prof.  Dr.  Becker, 
Frankfurt  a.  M.  —  2.  Geschichte  des  Grafen  Gerlach  I.  von  Nassau,  von  Konrektor  Colom bei, 
Hadamar.  —  3.  Bericht  über  die  Ausgrabung  der  Hügelgräber  am  Wcissenturm,  von  Dr.  Schalk. 

—  4.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Kugelherrenhauses  zu  Königstein,  von  demselben. 
Miscellen:   l.  Holzordnung  von  Laufenselten,    mitgeteilt   von  Rechnungskamraer-Probator  Geyer.   — 

2.  Eibteiluug   des    Grafen    Philipp    von   Nassau   v.   J.    1554,    mitgeteilt    von    Dr.    Schalk.   — 

3.  Druckwerke  von  Oberursel,  von  demselben. 

Mit  drei  Tafeln. 

Band  VIII. 

Abhandlungen:  1.  Der  Auszug  der  Rheinganer  auf  den  Wachholder.  Eine  Episode  aus  der  Ge- 
schichte des  deutschen  Bauernkriegs,  von  Assessor  Dr.  Petri.  —  2.  Einige  Bemerkungen  über  das 
Baudobrica  des  Itinearium  Antonini,  von  Pfarrer  Nick  in  Enkirch  a.  d.  Mosel.  —  3.  Die  Juden- 
verfolgung in  der  Glitte  des  XIV.  Jahrhunderts,  mit  besonderer  Beziehung  auf  Nassau,  von  Kon- 
rektor Colom  bei,  Hadamar.  —  4.  Die  heilige  Elisabeth  und  Egbert  v.  Schönau,  von  Prof. 
Nebe,  Herborn.  —  5.  Der  Sternerbund  und  Graf  Ruprecht  der  Streitbare  von  Nassau,  von 
Konrektor  Colombel.  —  6.  Archäologische  Bemerkungen  über  das  Kreuz,  das  Monogramm 
Christi,  die  altchristlichen  Symbole,  das  Kruzifix,  von  Kaplan  Münz,  Frankfurt  a.  M. 

Miscellen:   1.  Ein  Amulet  aus  dem  Museum  zu  Wiesbaden,  von  Prof.  Dr.  Becker,  Frankfurt  a.  M. 

—  2.  Römische  Inschriften  vom  Mittelrhein,  von  demselben.  —  3.  Kostheim  und  die  Main- 
spitze, von  demselben.  —  4.  Aus:  Johannes  Heidfeld:  „Sphinx  theologico-philosopbica,  von 
Prof.  Nebe.  —  5.  Altes  und  Neues,  von  Prof.  Nick.  —  G.  Zwei  Bemerkungen  zu  der  ältesten 
Geschichte  Nassaus,   von  Konrektor  Colombel. 

Band  IX. 

1.  Libor  donationum  ecclesiae  S.  Severi  Bopardiae,  von  Pfarrer  Nick,  Salzig  am  Rhein.  —  2.  Fürst 
Wilhelm  Hyazinth  von  Nassau-Siegen,  Prätendent  der  oranischen  Erbschaft,  seine  Regierung 
und  Zeitgenossen,  von  Kirchenrat  E.  F.  Keller,   Pfarrer,    .Sulzbach.  —   3.  Über  ein  angeblich 


200 

basilidianisches  Aiiiulet,  von  Dr.  theol.  et  phil.  F.  X.  Kraus,  Pfalzel  bei  Trier.  —  4.  Die 
ältesten  Spuren  des  Christentuni.s  am  Mittelrhein.  Nachtrag  zu  Annalen  VII.  Von  I'rofesBor 
Dr.  Becker,  Frankfurt  a.  M.  —  5.  Castellum  Mattiacorum,  das  röuiisehe  KaBtell.  NichtraK 
zu  Annaion  VII,  von  demselben.  —  G.  Tacitus'  Sittenschilderung  der  nllcn  Germanen,  bestätigt 
durch    den  h.  Bonifacius    und  den   Presbyter  Salvian,    von  Kaplan  Dr.  Münz,  Frankfurt  a.   M. 

—  7.  Ein  merkwürdiges  Kindergebet,  von  demselben.  -  8.  Beitrüge  zur  rhcini.seben  Kpigraphik. 
von  Dr.  B.  Lupus,  Iserlohn.  —  9.  Die  Blutauipullen  der  römischen  Kutiikoniben,  von  Dr.  theol. 
et  phil.  F.  X.  Kraus.  —  10.  Die  Burg  Caub  oder  Gutenfels  und  der  Pfalzgrafenstein  von 
Ilofrat  Weidenbach.  —  11.  Der  Flügelaltar  der  ehemaligen  Cislercienscr-Abtei-Kirche  Marien- 
stadt   und    seine    formverwandfe  Parallele  zu  Oberwesel,    von  Canonicus  Dr.  F.  Bock     Aachen. 

—  12.  Faldistorium  in  der  Altertunissanimlung  iles  Museums  zu  Wiesbaden,  von  demselben.  — 
13.  Der  Backenstreich  in  den  deutschen  Rechtsaltertümern  und  im  christlichen  Kultus,  von 
Kaplan  Dr.  Münz,  Frankfurt  a.  M.  —  14.  Die  neuesten  Funde  in  Wiesbaden,  von  Bibliothek- 
sekretär Dr.  Schalk,  —   15.  Miscellen,  von  Oberschulrat  Dr.  Schwartz. 


IJaiul  X. 

Die  Verträge  zwischen  den  Grafen  Adolf  von  Nassau  und  Diether  von  Isenburg- Büdingen  zur 
Beilegung  des  Streites  um  das  Erzstift  Mainz,  von  Archivsekretär  Dr.  'Menzel,  Weimar.  — 
2.  Die  Burgen  und  die  Burgfrieden  des  deutschen  Mittelalters,  von  Gyninasial-Oberlehrer  Colombel, 
lladamar.  —  3.  Taufnamen  als  Gattungsnamen  in  sprichwörtlichen  Redensarten  Nassaus,  von 
Dr.  Münz,  Pfarrer,  Oberhöchstadt.  —  4.  Zur  nassauischen  Schriftstellergeschichte,  von  Prof. 
Dr.  Nebe,  Herborn.  —  5.  Die  Eheinübergänge  der  Römer  bei  Mainz,  von  Prof.  Dr.  Becker, 
Frankfurt.  —  6.  Das  Dillenburger  Schloss,  von  Prof.  Spiess,  Dillenburg.  —  7.  Nassauische 
Territorien  nach  dem  Besitzstande  unmittelbar  vor  der  franz.  Revolution  bis  18G6,  nebst  einer 
Karte  des  Herzogtums  Nassau.  Von  Hofrat  Weidenbach,  Wiesbaden.  —  8.  Römische  Funde 
in  Wiesbaden,  von  Dr.  R.  Kekule.  —  9.  Christliche  Inschrift  aus  Wiesbaden,  von  demselben. 
—  10.  Mogon,  ein  Stamraesgott  der  Vangionen  und  Mogontiacum,  eine  vangionische  Stadt,  von 
Ober-Med.-Rat  Dr.  Reuter.  —  11.  Über  Lage  und  Namen  einiger  Örtlichkeiten,  von  Dr.  jur. 
J.  Grimm.  —  12.  Der  Aar-Übergang  im  Zuge  der  römischen  Greuzwehr,  von  Staatsarchivar  a.  D. 
Dr.  Rössel.  —   13.  Miscellen. 

Mit  fünf  Tafeln. 


Band  XI. 

Beiträge    zur  Geschichte  des  nassauiscben  Altertumsvereins  und  biographische  Mitteilungen  über  dessen 
Gründer  und  Förderer. 


Band  XII. 

Das  erste  Jahrtausend  christlicher  Bau-  und  Kunstthätigkeit  in  Mainz,  von  Dr.  V.  Ä.  Franz  Falk, 
Kaplan,  Worms.  —  2.  Beiträge  zur  Geschichte  des  deutscheu  Bauernkriegs,  1.525,  von  Prof. 
Dr.  Fr.  X.  Kraus,  Strassburg.  —  3.  Urkundliche  Mitteilungen  zur  Geschichte  des  Erzsliftes 
Mainz  während  der  ersten  Regierung  Diethers  von  Isenburg,  1459  —  1463,  von  Dr.  K.  Menzel, 
Archivsekretär,  Weimar.  —  4.  Römischer  Schmelzschmuck,  von  A.  v.  Cohausen,  Oberst  a.  D. 
—  5.  Die  Gräber  im  Kammerforst  zwischen  Lorch  und  Rüdesheim,  von  demselben.  —  6.  Eine 
p]pisode  aus  dem  Leben  der  Eltern  P.  P.  Rubens,  von  Prof.  A.  Spiess,  Dillenburg.  -  7.  Zu 
Goethe's  Aufenthalt  in  Ems  im  Sommer  17  74,  von  demselben.  —  8.  Über  die  Gründung  Ein- 
hart's  zu  Seligenstadt,  von  Fr.  Schneider,  Dompräbendat  in  Mainz.  —  9.  Ein  Portal  in  Lorch 
am  Rhein,    ob  römisch  ob  karolingisch,  von  A.  v.  Cohausen,    Oberst  a.  D.  —   10.  Miscellen. 

Mit  neun  Tafeln. 


270 


Band  Xlll. 

1.  Carl  Lönings  meuchelniörderischer  Anfall  auf  den  Regierungspräsidenten  von  Ibell  aus  Wiesbaden 
(1.  Juli  1819),  von  Geb.  Sanitätsrat  Dr.  Genth,  Schwalbach.  —  2.  Georg  Wilhelm  Lorsbach, 
nach  seiuem  Leben  und  Wirken,  von  Pfarrer  Cuno,  Hirzenhain.  —  3.  Regesten  des  Urällich- 
Solms-Rödelheim'schen  Archivs  zu  Assenheim,  von  Archivsekrefär  Dr.  Herquet,  Königsberg.  — 
4.  Die  Karolingische  Basilika  zu  Steinbach-Michelstadt  im  Odenwald,  von  Dompriibendat  Schneider, 
Mainz.  —  5.  Die  Schlösser  und  Schlüssel  der  Römer,  von  Cohausen,  Oberst  a.  D.  —  6.  Das 
Rheingauer  Gebück,  von  demselben.  —  7.  Römisch-fränkische  Altertümer  am  Mittelrhein:  a)  Die 
altchristlichen  Inschriften  von  Wiesbaden,  von  Prof.  Dr.  J.  Becker,  Frankfurt  a.  M.;  b)  Ein 
altchristlicher  Grabstein  des  Taunusgebietes,  von  Pfarrer  Dr.  Münz,  Oberhöchstadt;  c)  Römisch- 
fränkische Inschrift  eines  Bronzeringes  aus  Mainz,  von  Prof.  Dr.  J.Becker.  —  8.  Römischein- 
schriften aus  den  Rheinlanden.  Nachträge  zu  Brambachs  Corpus  Inscriptionum  Rhenanarum, 
von  demselben.  —  9.  Römische  Inschriften  von  der  Saalburg  bei  Homburg  v.  d.  Höhe,  von 
demselben.  —  10.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Georgenkirche  und  des  Georgenstifts  zu  Limburg, 
von  Staatsarchivar  Dr.  Götze,  Idstein.  —  11.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Kultur-  und  Rechts- 
gewohnheiten des  Mittelalters,  von  demselben.  —  12.  Johann's  VI.  Grafen  von  Nassau-Dillenburg 
Urteil  über  Hexenprozesse  (1582),  von  demselben.  —  13.  Die  Vermögensverluste  der  Oranien- 
Nassauischen  Lande  durch  französische  Truppen  während  des  siebenjähr.  Krieges,  von  demselben. 
—  14.  Henricus  de  Hassia  über  das  Wiesbadener  Badeleben  im  14.  Jahrhundert,  von  Archivrat 
Dr.  Will,  Regensburg.  —  15.  Miscellen. 
Mit  drei  Tafeln. 


Band  XIV,  erstes  Heft. 

Lebeusnachrichten  über  den  Regierungs-Präsidenten  K.  v.  Ibell,  von  Dr.  K.  Schwartz. 

Band  XIV,  zweites  Heft. 

1.  Die  St.  Michaels-Kapelle  zu  Kiedrich  im  Rheingau,  von  J.  Zaun,  Geistl.  Rat  und  Pfarrer  daselbst. 
—  2.  Über  die  Lage  der  Karthause  im  Petersthale,  von  demselben.  —  3.  Der  Aulofen  in 
Seulberg  und  die  Wölbtöpfe,  von  A.  v.  Cohausen.  —  4.  Ursprung  des  Dorfes  Glashütten  im 
Taunus,  von  demselben.  —  5.  Sphragistisches  auf  Steinkrügen  im  Altertums-Museum  zu  Wiesbaden, 
von  Edelherr  und  Graf  Maurin  Nahuys.  —  G.  Die  Hügelgräber  östlich  vom  Goldenen  Grund 
zwischen  Camberg  und  Neuweilnau.  von  A.  v.  Cohausen.  —  7.  Grabhügel  im  Schiersteiner 
Wald,  Distrikt  Pfühl,  von  demselben.  —  8.  Anatheme  und  Verwünschungen  auf  altchristlichen 
Monumenten,  von  Dr.  Münz,  Pfarrer,  Oberhöchstadt.  —  9.  Beitrag  zur  Controverse  von 
„Frenze-Win''  und  ^jHunzig-Win".  Kulturhist.  Studie  aus  dem  Gebiete  der  Önologie,  von 
A.  Wilhelmj,  Wiesbaden.  --  10.  Necrologium  I.  des  Chorherrnstiftes  St.  Lubentius  zu  Diet- 
kirchen,  mitgeteilt  von  Dr.  Erich  Joachim,  Idstein.  —  11.  Zusammenstellung  der  bisher  in 
Friedberg  aufgefundenen  römischen  Inschriften,  von  G.  Diefenbach.  —  12.  Das  vormalige 
Wilhelmiten-Kloster  zu  Limburg  a.  d.  L.  und  dessen  Archiv,  mitgeteilt  von  Dr.  W.  M.  Becker, 
Idstein.  —  13.  Das  Archiv  der  Stadt  Limburg  a.  d.  Lahn,  mitgeteilt  von  demselben.  —  14.  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  Eisenindustrie,  von  Dr.  Ludw.  Beck.  —  15.  Grabhügel  zwischen 
der  untern  Nahe  und  dem  Hunsrücken,  von  A.  v.  Cohausen.  —  16.  Die  römischen  Inschriften 
der  .,Altstadt"  bei  Miltenberg,  von  Wilh.  Conrady,  Miltenberg.  —  17.  Miscellen:  a)  Die 
Heidenmauer,  von  A.  v.  Cohausen;  b)  Römische  Gräber  in  Mainz,  von  demselben.  —  c)  Gräber 
bei  Nauheim  i.  d.  Wetterau,  von  demselben;  d)  Römisches  Panzergeflecht  von  Bingerbrück,  von 
Blell-Tüngen;  e)  Deutsche  Gläser,  von  A.  v.  Cohausen;  f)  Notizen  zur  (iewcrbthätigkeit 
in  Kiedrich  im  Mittelalter,  von  Zaun 


271 


«und  XV. 


Abhandlungen:   1.  Zwei  neue  Jupiterstatuüii  aus  den  Rheinlanden,  von  J)r.  A.  Duncker    Olicrltlirer. 
Wiesbaden.   —    2.   Zum  Aleniannenkriege  Caracallas  und  der  angebliclien  Alemannenschlftthl  dch 
Claudius  Gothicus  am  Gardasee,  von  demselben.  —  3.   Das  Sjiinnen    und  Weben  bei  den  Alt.-n 
von  A.  V.   Cohausen.   —   4.  Zur    Geschichte  der    Stadt  Wiesbaden,    von  F.  Otto     Oberlehrer 
AViesbaden.    —    5.    Das    nassanische    Miinzwe.'ipn,    I.    Teil,    von    J.    Isenbeck,    Wiesbaden.    -~ 
G.  Beitrüge    zur    Gescbiclite    der    Eisenindu.stric,    II,  von    Dr.   L.  Beck,    Biebrich    und    A.  von 
Cohausen,  Wiesbaden.   —   7.   Eine  Frinnerung  an  den  Orden  des  StacheischweinH,  du  Porc-upic 
von  Edelherr  und  Gnif  M.  Niihuys,  Wiesbaden.   —   8.  Regesten  der  in  dem  Archiv  des  Vereins  für 
Nassauische  Altertumskunde    und  Geschichtsforschung    aufbewahrten  Urkunden    aus    den  Jahren 
1145  —  1807,    von    Prof.    Dr.    K.  Menzel,    Bonn.   —  9.  Nicht    Eberhard,    sondern  Arnold   der 
2.  Abt  Eberbachs,    von  L.  Stoff,    Eberbach.  —   10.  Guttus,   Mamilla,  Vericulum,  von  A.  von 
Cohausen,   Wiesbaden.   —   11.  Der  römische  Mainübergang    zwischen    Hanau    und  Ke.sselstadt 
von  Dr.  A.  Duncker,  Oberlehrer,  Wiesbaden.    —    12.  Die  rechtsmainische  Limesforschung,   von 
demselben.   —    13.  Über  die  Ilühlenfunde  in  der  Wildscheuer  und  dem  Wildhaus  bei  Steeten  an  der 
Lahn,  von   Dr.  H.  Schaaffhausen,  Geh.  Medizinalrat  und  Professor,  Bonn.   —   14.  Die  Höhlen 
und    die  Wallburg    bei    Steeten    an    der  Lahn,    von    A.  v.  Cohausen,    Wiesbaden.   —    15.  Die 
AVallburgen,  Landwehren  und  alten  Schanzen   des  Regierungsbezirks  Wiesbaden,   von  demselben. 

Miscellen:  a)  Grüber  bei  Nauheim  in  der  Wetterau,  von  G.  Dieffenbach,  Friedberg;  b)  Funde 
im  Grund  des  neuen  Archivgebiiudes  in  Wiesbaden,  von  A.  v.  Cohausen;  c)  Hügelgrab  in 
den  Sonnenberger  Fichten,  von  demselben;  d)  Hügelgräber  zwischen  der  Aar  und  der  Dörsbach, 
von  demselben;  e)  Hügelgräber  in  der  Gegend  von  Zorn  und  Strüth,  von  demselben;  fj  Die 
Frankengräber  bei  Erbenheim,  von  demselben;  g)  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von 
demselben;  h)  Drei  Rodungen  in  der  Gemarkung  von  Wiesbaden,  von  F.  Otto;  i)  Merk- 
würdige Bäume,  von  A.  v.  Cohausen;  k)  Würfel,  von  demselben;  1)  Zur  Geschichte  der 
Abtei  Arnstein,  von  J.  Zaun,  Kiedrich;  ni)  Aus  der  Bürgermeister-Rechnung  der  Stadt  Wies- 
baden vom  Jahre  1524,  von  F.  Otto;  n)  Die  Schuldisziplin  zu  Wiesbaden  in  der  Mitte  des 
XVIII.  Jahrhunderts,  von  demselben;  o)  Ein  Brief  des  Fürsten  Karl  Wilhelm  von  Nassau, 
von  demselben. 

Mit  elf  Tafeln. 


Band  XVI. 

Das  Nekrologium  der  vormaligen  Prämonstratenser-Abtei  Arnstein  a.  d.  Lahn,  von  Dr.  Becker.     Ein- 
leitung.  —  Beschreibung  der  Handschrift.    —   1.  Bruchstücke  eines  Zinsregisters  aus  dem  13.  u. 

14.  Jahrhundert.  —  2.  Zusammenstellung  der  dem  Prämoustratenser-Orden  verliehenen  Ablässe 
aus  dem  14.  Jahrh.  —  3.  Notizen  über  unbedeutende  Legate  aus  dem  14.  Jahrh.  —  4.  Ver- 
zeichnis der  vornehmsten  Wohlthäfer  des  Klosters  aus  dem  13.  und  14.  Jahrh.  —  5.  Gleich- 
zeitige Abschrift  einer  Urkunde  vom  Jahre  1315.  —  6.  Abschrift  eines  Martyrologiums  in 
einem  Kalendarium  aus  dem  14.  und  15.  Jahrh.  —  7.  Abschrift  der  Regula  s.  Augustini  aus 
dem  14.  und  15.  Jahrh.  —  8.  Abschrift  der  für  den  Grünen  Donnerstag  vorgeschriebenen 
Lektion  aus  dem  14.  Jahrh.  —  9.  Gleichzeitige  Abschrift  einer  Urkunde  vom  Jahre  1359.  — 
10.  Summarisches  Verzeichnis    der   dem    Prämonstratenser-Orden    verliehenen  Ablässe   aus   dem 

15.  Jahrh.  —  11.  Gleichzeitige  Notiz  über  eine  im  Jahre  1589  zwischen  dem  Kloster  Arnstein 
und  dem  Minoriten-Kloster  zu  Limburg  a.  L.  abgeschlossene  Vereinbarung  zu  gegenseitiger  Für- 
bitte. —  12.  Notiz  über  eine  zwischen  der  Abtei  Arnstein  und  benannten  Klöstern  vereinbarte 
Verpflichtung  zu  gegenseitiger  Fürbitte  aus  dem  13.  Jahrh.  —  13.  Abschrift  der  im  Kloster 
Arnstein  üblichen  Professzettel  aus  dem  15.  Jahrh.  —  14.  Das  Nekrologium  der  Abtei  Arn- 
stein aus  dem  13.  — 18.  Jahrh.  —  15.  Die  bei  der  Segnung  der  klösterlichen  Gewänder  und 
bei  der  Einkleidung  der  Novizen  üblichen  Gebete  aus  dem  13.  Jahrh.  —  16.  Die  für  die  Auf- 
nahme eines  Mitglieds  in  die  Kloster-Bruderschaft  vorgeschriebenen  Gebete  aus  dem  13.  Jahrh. 
—  17.  Eine  Zauberformel  gegen  eine  tödliche  Krankheit  aus  dem  14.  Jahrh.  —   18.  Eine  Nach- 


272 


rieht  über  eine  im  Kloster  Ärnstein  übliche  besondere  Fastenandacht  nebst  den  Gebeten  und 
Gesängen  für  die  Feier  derselben  aus  dem  14.  Jahrh.  —  19.  Abschrift  der  bisher  unbekannten 
Bulle  .,Ex  parte  vestra"  Papst  Innocenz'  IV.  vom  31.  Januar  1245  aus  dem  13.  Jahrh.  — 
20.  Bruchstück  eines  Zinsregisters  aus  dem  14.  Jahrh.  —  21.  Beschreibung  eines  Gutes  des 
Klosters  Arnstein  aus  dem  14.  Jahrh.  —  Beilage  I:  „Zur  Geschichte  der  Abtei  Arnstein".  — 
Beilage  II:  ^Bremberg,  Brunnenbach  und  Brunnenburg,  Bremm  und  Neef,  eine  Untersuchung 
über  die  Lage  dieser  Örter.  —  Verzeichnis  der  Äbte  des  Klosters  Arnstein.  —  Zusätze  und 
Berichtigungen.  —  Glossar.   —  Orts-  und  Personenverzeichnis.   —   Tafel. 


Band  XA'II. 

1.  Zur  Geschichte  des  Rheingaus:  a)  Beiträge  zur  Geschichte  der  Klöster  Rupertsberg  und  Eibingeu, 
von  Staatsarchivar  Dr.  Sauer;  b)  Die  Beschreibungen  des  Rheingaus  von  Bartholoraaeus  Angelus 
und  Johannes  Butzbach  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahrhundert,  von  Prof.  Fr.  Otto;  c)  Kaspar 
Hedios  Sendbrief  an  die  Rheingauer  vom  25.  November  1524,  von  demselben;  d)  Brand  zu 
Bingen  1540,  27.  Juli,  von  demselben;  e)  Brief  des  Pfarrers  Georg  Steritz  zu  Bingen  1577, 
von  Dr.  TVidmann;  f)  Zur  Geschichte  von  Eberbach  während  des  dreissigjährigen  Krieges, 
von  demselben;  g)  Karte  des  Rheingaus  von  1575,  von  Prof.  Fr.  Otto.  —  2.  Statistisches: 
a)  Die  Waldschmieden  bei  Weilburg  im  XV.  Jahrhundert,  von  Prof.  Fr.  Otto;  b)  Die  Zahl  der 
Pferde  vor  dem  dreissigjährigen  Kriege,  von  demselben;  c)  Die  Zahl  der  in  den  Jahren  1629 
bis  1631  in  der  Herrschaft  Dillenburg  verbrannten  Hexen,  vom  Vizepräs.  d.  App. -Ger.  a.  D. 
Lautz.  —  3.  Kleine  Mitteilungen  zur  Geschichte  Königsteins,  von  Dr.  Widmann.  —  4.  Der 
Brand  von  Villmar  im  September  153G,  Gedicht  des  Reinh.  Lorich  von  Hadamar,  mitgeteilt  von 
Lic.  Dr.  A.  Krebs.  —  5.  Eine  Reise  des  Grafen  Ludwig  Friedrich  von  Nassau-Idstein  im 
Jahre  1G54,  mitgeteilt  von  J.  G.  —  6.  Nauborn,  nicht  Nievern.  Berichtigung  zu  Bd.  XV, 
pag.  153.  —  7.  Kindlinger,  Habel  und  die  nassauische  Altertums-Gesellscbaft,  von  Freiherr 
V.  Medem,  Kgl.  Archivrat  a.  D.,  Homburg.  —  8.  Vogels  litterarischer  Nachlass,  v.  Prof.  Fr.  Otto. 

—  9.  Die  Höhlen    bei  Steeten  a.  d.  Lahn,    von    Konservator    Oberst    z.  D.    v.   Cohausen.  — 

10.  Der  neue  Höhlenfund  von  Steeten,    von    Prof.    Dr.    Hermann  Schaaffhausen,    Bonn.  — 

11.  Gräber,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen.  —  12.  Römische  (?)  Hufeisen,  von 
Prof.  Fr.  Otto.   —  13.  Wallburgen,  von  Oberst  v.  Cohausen.  —   14.  Höhlen,  von  demselben. 

—  15.  Zur  Schlacht  bei  Cronberg  am  14.  Mai  1389,  von  Dr.  Widmann.  —  IC.  Römische  Bau- 
werke, von  Oberst  v.  Cohausen  und  Baumeister  L.  Jacob i  in  Homburg.  —  17.  Mittelalter- 
liche Bauwerke,  von  Oberst  v.  Cohausen  und  M.  Heckmann.  —  18.  Zur  Topographie  des 
alten  Wiesbaden,  von  Oberst  v.  Cohausen  und  Obermedizinalrat  Dr.  Reuter.  —  19.  Inschriften, 
von  Oberst  v.  Cohausen  und    Prof.  Fr.  Otto.   —   20.  Sonnenberg,  von  Prof.  Fr.  Otto. 

Mit  acht  Tafeln. 


«and  XVIII,  erstes  Heft. 

Nassauische  Biographie,  von  Fr.  Otto  und  Dr.  S.  Widmann.  —  2.  Neuere  historische  das  Ver- 
einsgebiet betr.  Litteratur  (abgeschlossen  Anfang  Sept.  1883),  von  Prof.  Otto  u.  Dr.  Widmann. 
—  3.  Der  Sinter  von  Wiesbaden,  von  Obermedizinalrat  Dr.  Reuter.  —  4.  Schauspieler  in 
Schwalbach,  von  Prof.  Otto.  —  5.  Das  älteste  Bücherverzeichnis  des  Klosters  Arnstein,  von 
Dr.  Widmann.  —  6.  Zur  Schönauer  Reimsage,  von  demselben.  —  7.  Zur  Geschichte  des 
Dorfes  Patersberg  von  1501  —  1796,  von  Pfarrer  W.  Ullrich.  —  8.  Joh.  Hofmeister,  von 
Professor  Otto.  —  '.>.  Des  Stadtpfarrers  Anton  Weber  zu  Idstein  Synodalchronik  der  Diözese 
Idstein:  1577  —  1595,  von  Archivsekretär  Dr.  Joachim.  —  10.  Chronikalische  Notiz  aus  der 
Zeit  des  SOjähr.  Krieges,  von  Dr.  Widmann.  —  11.  Das  Gerücht  von  einem  seitens  Kur- 
Mainz  beabsichtigten  Einfall  in  Wiesbaden  im  Jahre  1G09,  von  Dr.  E.  Ausfeld.  —  12.  Weid- 
gerechtigkeit von  Kloppenheim  und  Hessloch  in  der  Nauroder  Gemarkung,  von  Landgerichtsrat 
W.  Keim.    —    13.   Lebensnachrichten   über   Jean    Pauls    Geistesverwandten    und    Freund    Paul 


273 

Emil  Thieriot,  von  Oberschulrat  Dr.  K.  Schwartz.  -  U.  L.  A.  Knig'«  Salr.i|Uellen,  von 
Prof.  Otto.  —  15.  Zwei  Gedichte  aus  dem  XV.  Jahrhundert  über  Wiesbitdeii,  von  Oymiiasial- 
lehrer  Fritze  und  Prof.  Otto. 


IJaiKl  XVIII,  zweites  Jldl. 

Da.s  nassanischn  Müuzweson  (Fort.setzung),  von  Jul.  I.senbeck;  mit  Narhtrag:  Münznieisler  zu 
Wiesbaden,  von  P.  Joseph,  Lehrer  in  Frankfurt  a.  M.  —  2.  Pruhi-slorisdie  Funde  bei  Nieder- 
walluf  und  bei  Homburg,  von  Konservator  Oberst  z.  1).  v.   Cohausen  und  Baumci.ster  J  arobi. 

—  3.   Die  Hügelgräber  im  Schwanheimer  "Wald  und  die  Schwedenschanze  bei  Kelsterbach  a  M. 
von    Oberst    v.    Cohausen.    —    4.    Wallburgen    (Ältkünig),    von    Oberst    v.    Cohausen    und 
Dr.  Widmann.  —    5.  Römische  Bauwerke  in  der  Nähe  von  Homburg,    Frankfurt  und  Bergen 
von  Oberst  v.  Cohausen    und    Baumeister  Jacobi.    —    6.    Römische    Altertümer     von    Ober.sl 
V.  Cohausen,    Hr.  Widmann  und  Dr.  Hammeran.  —   7.  Zur  Geschichte   der  Feuerwatlen 
von  Oberst  v.  Cohausen.  —  8.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von  Oberst  v.  Cohausen. 

—  9.  Ärchivalische  Mitteilungen,  von  Staatsarchivar  Dr.  Sauer.  —  10.  Die  Lebensbeschreibung 
des  Grafen  Ludwig  III.  von  Arnstein.  Lateinisch  und  deutsch,  herausgegeben  von  Dr.  Wid- 
mann. —  11.  Ein  Lied  auf  Graf  Albrecht  von  Nassau,  mitgeteilt  von  Prof.  Otto.  —  12.  Nach- 
trag zur  Synodalchronik  des  Anton  AVeber,  mitgeteilt  von  Dr.  Joachim.  —  13.  Freskogemälde 
in  der  Kirche  zu  Idstein,  von  J)r.  Sauer.  —  14.  Konfiskation  verbotswidrig  gehaltener  Ziegen 
auf  dem  We.sterwald  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  und  desfallsige  Bittschrift  eines  Pfarrers 
zu  Driedorf,  mitgeteilt  von  Äpp.-Ger.-Vizepräsident  a.  D.  Lautz.  —  15.  Rekonstruktionen  von 
Waffen  vor  Sr.  Maj.  dem  Kaiser,  von  A.  v.  Cohausen. 

Mit  zehn  Tafeln. 


Btiiid 

1.  Neuere  historische  das  Vereinsgebiet  betr.  Litteratur  (abgeschlossen  im  Juli  1885).  Von  Prof.  Otto 
und  Rektor  Dr.  Widmann.  —  2.  Weistum  vom  Lindauer  Gericht,  1375,  1409,  von  Prof. 
Otto.  —  3.  Ärchivalische  Mitteilungen,  von  Archivrat  Dr.  Sauer.  —  4.  Ort  und  Tag  der 
Geburt  des  nass.  Superintendenten  J.  D.  K.  Bickel,  von  Prof.  Fr.  Otto.  —  5.  Zur  älteren 
Geschichte  der  Herren  von  Eppenstein  und  von  Homburg,  sowie  ihrer  Besitzungen  Homburg 
und  Braubach,  von  Archivrat  Dr.  Sauer.  —  6.  Gottfried  Hatzfelda  Chronicon  Domus  Nassa- 
vicae  1516 — 158C,  herausgegeben  von  Dr.  Herrn.  Forst.  —  7.  Der  Adel  im  Rheingau,  IC'U, 
von  Archivrat  Dr.  Sauer.  —  8.  Der  Fuchs  predigt  den  Gänsen.  Mit  einer  Abbildung,  von 
Rektor  Dr.  W^idmann.  —  9.  Die  ältesten  Bürgermeister-Rechnungen  der  Stadt  A\iesbaden. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Stadt  im  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts,    von  Prof.  Fr.  Otto. 

—  10.  Nachrichten  über  den  Umfang  der  Hexenverfolgung  in  den  deutschen  Gebieten  der 
Otto'schen  Linie    der  Grafen  von  Nassau,   mitgeteilt  von  App.-Ger.-Vizepräsident  a.  D.    Lautz. 

—  11.  Berichtigung  und  Zusatz  zu:  „Das  nass.  Münzwesen",  Fortsetzung,  Ann.  XVIIf,  p.  14.'i, 
von  J.  Isenbeck.  —  12.  Chronik  des  Schultheissen  Job.  Georg  Hoffmann  von  Rauenthal, 
1671  —  1725,  mitgeteilt  von  Rektor  Dr.  Widmann.  —  13.  Nachtrag  zu  pag.  55  sq.:  „Zur 
Geschichte  der  Herren  von  Eppenstein  und  ihrer  Besitzungen  Homburg  und  Braubach",  von 
Archivrat  Dr.  Sauer.  —  14.  Eine  Berichtigung  zuLoersch:  ,,Der  Ingelheimer  Oberhof",  von 
demselben.  —  15.  Der  römische  Grenzwall.  Zusätze  zu  dem  188  1  darüber  erschienenen  Werke, 
von  Konservator  Oberst  z.  D.  A.  v.  Cohausen.  —  16.  Grabhöhle  am  Daubhaus,  von  dem- 
selben. —  17.  Hügelgräber  auf  dem  Eichelberg  bei  Holzhausen  a.  d.  Dautphe,  von  demselben. 
18.  Die  Höhlen  Steinkammern  bei  Erdbach,  6,5  km  von  Herborn,  von  demselben.  —  19.  Der 
Wendelring,    von    demselben.  —   20.  Hügelgräber    im  Dauborner  Wald  Kippel,    von    demselben. 

—  21.  Hügelgräber  im  Heringer  Wald,  von  demselben.  —  22.  Hügelgräber  in  der  Gärtches- 
Heck,  von  demselben.  —  23.  Fraiikengräber  bei  Dauborn,  von  demselben.  -  24.  Der  Klausen- 
kippel  bei   Kalte  Eiche,  von  demselben.   —   2.").  Schlackenhalden   im   Crofdorfer  Wald,  von  dem- 


274 

selben.  —  26.  Kreuz  im  Kreuzgärtcben,  von  demselben.  —  27.  Slain-Altertüraer.  von  dem- 
selben. —  28.  Marieiistatt,  von  demselben.  —  29.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von 
demselben.  —  30.  Nachtrag  zu  der  Abhandlung  über:  „Die  ältesten  Bürgerniei.sfer-Retlinungen 
der  Stadt  Wiesbaden'',   von  Prof.  Fr.  Otto.   —    31.  Die  Besitzergreifung  der  nassau-oranischen 

Landesteile  für  den  Grossherzog  von  Berg  im  Jahre  1806,  von  Archivar  Dr.  E.  Ausfeld.    

32.  Nekrolog  des  am  3.  Juli  188.J  verstorbenen  Gymnasialdirektüis  a.  1).  Oberschulrats 
Dr.  K.  Schwartz,  von  Prof.  Fr.  Otto. 

Hand  XX,  erstes  Heft. 

1.  Der  cymbelnschlagende  Satyr,  von  Konservator  z.  D.  v.  Co  hausen  (mit  Abbildung).  —  2.  Die 
Hünerburg,  von  demselben  (mit  Abbildung).  —  3.  Ausgrabungen  und  Arbeiten  auf  der  Saal- 
burg, von  demselben.  —  4.  Alte  Wälle  und  Gräben,  von  demselben  (mit  Abbildung).  —  5.  Die 
Burgen  in  Rüdesheim,  von  demselben  (mit  Abbildungen).  —  6.  Zur  Topographie  des  alten  AVies- 
baden,  von  demselben.  —  7.  Die  kleine  Steinkammer  bei  Erdbach,  von  demselben.  —  8.  Die 
Einhornlegende  in  ihrem  Ursprung  und  ihrer  Ausgestaltung,  von  Dompräbendant  Dr.  Friedr. 
Schneider  (mit  Abbildung).  —  9.  Zur  Schönauer  Reimsage,  von  Archivrat  Dr.  Sauer.  — 
10.  Die  Ostgrenze  des  Schlossborner  Pfarrsprengels,  von  Pfarrer  J.  Bonn.  —  11.  Bemerkungen 
zu  dem  Aufsätze:  Die  Ostgrenze  des  Schlossborner  Pfarrsprengels,  von  Archivrat  Dr.  Sauer. 
—  12.  Die  Rnders-Kapelle  im  Cronberger  Wald,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen.  — 
13.  Archivalische  Mitteilungen,  von  Archivrat  Dr.  Sauer.  —  14.  Römische  Mainbrücken,  von 
Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen.  —  15.  Zur  Geschichte  Johanns  des  Älteren  von 
Nassau-Dillenbnrg,  von  Direktor  Prof.  Spiess.  —  16.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Kreises 
Höchst,  von  Dr.  W.  Kobelt.  —  17.  Graf  Wallrad  von  Nassau- Usingen  bei  den  oberrheinischen 
Kreistruppen  im  Türkenkriege  1044,  von  Dr.  Herm.  Forst.  —  18.  Nekrolog  des  am  IC.  Nov. 
1886  verstorbenen  Herrn  Max  Heckmann,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen. 

Band  XX,  zweites  Heft. 

1.  Nachruf  für  Kaiser  Friedrich.  —  2.  Führer  durch  das  Altertumsmuseum,  von  Konservator  Oberst  z.  D. 
V.  Cohausen.  —  3.  Römische  Sonnenuhren  in  Wiesbaden  und  Cannstadt,  von  Major  a.  D. 
Schlieben.  —  4.  Die  Hufeisenfrage  (eine  archäologische  Musterung),  von  demselben.  —  5.  Zu- 
sätze und  Berichtigungen  zu  den  archivalischen  Mitteilungen  XX  57fif:  No.  4  (Seelbuch  des 
Geschlechts  von  Langenau  und  Äbte  von  Arnstein)  und  No.  6  (zur  Geschichte  des  Stiftes  Blei- 
denstatt),  von  Archivrat  Dr.  W.  Sauer.  —  6.  Höhlen,  von  Konservator  Oberst  z.  D. 
V.  Cohausen  und  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Schaaffhausen.  —  7.  Hügelgräber  in  der  Halbehl 
bei  Fischhach,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen.  —  8.  Grabhügel  bei  Rodheim 
a.  Bieber,  von  demselben.  —  9.  Denkmal  des  Grafen  Wilhelm  zu  Lippe-Schaumburg,  von  Konser- 
vator Oberst  z.  D.  v.  Cohausen  und  Major  Freiherr  v.  Wangenheim.  —  10.  Zur  Topo- 
graphie des  alten  Wiesbaden,  von  Konservator  Oberst  z.  D.  v.  Cohausen.  —  11.  Nekrolog 
des  Herrn  Berthold  Reinhard  Vogel. 

Mit  neunzehn  Tafeln. 

Hand  XXI. 

1.  Sachverhalt  und  Deutung  der  alten  Verschanznngen  in  Nassau,  von  A.  v.  Cohausen.  —  2.  Das 
Fischbacher  und  Lorsbacher  Thal,  von  demselben.  —  3.  Die  Wallburg,  von  demselben.  — 
4.  Hügelgräber,  von  demselben,  a)  Im  Wald  Halbehl  (bei  Münster  i.  T.);  b)  Bei  Heckholz- 
hausen; c)  Im  Ruhehag.  —  5.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von  demselben.  — , 
6.  Die  Reit-  und  Packsättel  der  Alten,  von  A.  Schlieben,  Major  a.  D.  —  7.  Die  Franken- 
gräber von  Schierstein,  von  B.  Florschütz.  —  8.  Der  Hasselbacher  Turm,  von  .\.  v.  Co- 
hausen. --  9.  Grenzau,  von  demselben.  —  10.  Hügelgräber,  von  demselben  (Fortsetzung  von 
No.  4):  d)  Niederwalluf;  e)  Aus  der  Umgegend  von  Usingen:  WilhelmsJorf,  Eschbach,  Wern- 
born.    Im  Usinger  Wald  Schweinhardt,    Im  Pfailenwiesbacher  Jungenholz,    Schmidtholz,  Tauben- 


275 

köpfchen,  Oberloh,  Am  ^Altenniark'',  Capersburp  Strickert,  Am  Süssenberij,  Wormsteiu,  Hinter 
der  Altenburg;  f)  Im  NiederhoriicimiT  Wald  Jlalbehl.  —  11.  Karl  Hartwig  (Jregor  von  Meuse- 
bacli.  Lebensnachricbten  von  l)r.  K.  Schwartz.  Für  die  Annalen  bearbeitet  von  F.  Otto. 
I.  Jugend,  1781  —  1803,  II.  Dillenburg,  1803—1814.  —  12.  Chronogramm  auf  das  Jahr  deh 
grossen  Brandes  von  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  —  13.  Wiesbaden  im  Sommer  de8  Jahre«  179G. 
Nach  den  Aufzeichnungen  des  AVilh.  Lautz  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  14.  Das  nassauisrhi» 
Münzwesen,  von  Jul.  Isenbeck.  —  15.  Die  schlesische  Armee  in  Nassau  vom  Anfang  Nc 
vember  1813  bis  zum  1.  Januar  1814,  von  Dr.  W.  Sauer.  —  IC.  Die  Schildhalter  des  Wap- 
pens des  Herzogtums  Nassau,  von  demselben.  —  17.  Das  Jahr  der  Zerstörnng  der  Uurg  I.aiin- 
eck,  von  demselben.  —  18.  Seliwursteine  zu  Niederbrechen,  von  0.  Klee-fiiJttiDgen.  — 
19.  Waren  die  clerici  uxorati  coniugati  verheiratete  Geistliche  V  Von  demselben.  —  20.  FelJ- 
zugspflicht  der  Hoftrompeter  im  17.  Jahrh.,  von  Dr.  Forst.  —  21.  Neuere,  das  Vereinsgebiet 
betreö'ende  Litteratur,  von  F.  Otto. 
Mit  fünfzehn  Tafeln. 

liaiid  XXIT. 

1.  Karl  Hartwig  Gregor  von  Meusebach.  Lebensnachrichten  v«n  Dr.  K.  Schwartz.  Mit  2  Stamm- 
tafeln. Für  die  Annalen  bearbeitet  von  F.  Otto  (Fortsetzung).  III.  Coblenz,  1814  —  1819, 
IV.  Berlin,  1819  —  1847.  —  2.  Die  Burgen  in  Nassau,  von  A.  v.  Cohausen.  I.  Zahl  und 
Bestand;  II.  Ankauf  und  Restauration;  HI.  Ihre  Erhaltung;  IV.  Die  Lage  und  die  Anordnung 
alter  Burgen ;  V.  Der  Deurenberg.  —  3.  Nassau  unter  dem  Minister  von  Marschall,  von 
Dr.  W.  Sauer.  I.  K.  F.  vom  Stein  und  die  Entstehung  der  nassauischen  Verfassung.  Die 
erste  Ständeversammlung  1818.  —  4.  Urkundliche  Notiz  zur  Geschichte  des  Brümserhofs,  von 
Dr.  ^\'.  Sauer.  —  5.  Die  Gigantensäiile  von  Schierstein,  von  B.  Florschütz.  —  C.  "Weitere 
Funde  im  Rümerbrunnen  von  Schierstein,  von  demselben.  —  7.  Dr.  Karl  Reuter,  1803  —  1889, 
von  F.  Otto.  —  8.  Die  Hegung  des  Landgerichts  zu  Mechtildshausen.  (Nach  einer  Nieder- 
schrift aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts,  etwa  aus  dem  Jahre   1536),  von  Dr.  "W.  Sauer. 

9.  Über  das  Wappen  der  Herren  von  Kleberg,  von  demselben.  —  10.  Besprechung  von  Büchern 
u.  s.  w.,  von  Premierlieutenant  a.  D.  Hoffmann.  —  11.  Neuere,  das  Vereinsgebiel  betreffende 
Litteratur,  von  F.  Otto. 

Mit  vier  Tafeln. 

Band  XXIII. 

1.  Friedrich  von  Reiffenberg,  1515  —  1595,  von  F.  Otto.  —  2.  Das  Landgericht  der  vier  Herren  auf 
dem  Einrieb,  von  Pfarrer  a.  D.  Ludw.  Conrady,  Millenberg.  Mit  einer  Karte.  —  3.  Aus 
dem  Stammbuche  des  Georg  Birckell,  von  F.  Otto.  —  4.  Burg  Gutenfels  am  Rhein,  von 
A.  von  Cohausen.  —  5.  Felix  Meudelssohn-Bartholdy's  Lied:  „Des  Jägers  Abschied",  von 
F.  Otto.  —  6.  Die  Zerstörung  der  Burg  Lahueck,  von  Dr.  TV.  Sauer.  —  7.  Wallensteius 
Briefe  an  den  Grafen  Johann  den  Jüngeren  von  Nassau-Siegen,  von  F.  Otto.  —  8.  Ein  Reim 
.    Hellmunds  auf  sich  selbst,    von  F.  Otto.   —  9.  Römische  Reiseuhren,  von  A.  Schliebeu.  — 

10.  Die  Juden  zu  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  —  11.  Zur  Topographie  des  alten  "Wiesbaden,  von 
A.  von  Cohausen,  Dr.  B."  Florschütz  und  Prof.  Otto.  —  12.  Zwei  Todesurteile  des 
Schöffengerichts  zu  Wiesbaden,  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  13.  Die  Frankengräber  von  Schier- 
stein. IL,  von  Dr.  B.  Florschütz.  —  14.  Die  Gigantensäule  zu  Schierstein,  von  Dr.  B.  Flor- 
schütz. 


Mit  sieben  Tafeln. 


P.iiiul  XXIV. 


1.  Johann  Ililchen  von  Lorch,  von  F.  Otto.  —  2.  Konrad  Oerlin  von  Wiesbaden,  von  F.  Otto.  — 
3.  Fürst  Karl  Wilhelm  von  Nassau-Usiugen,  1775—1803,  mitgeteilt  von  F.  Otto.  —  4.  Georg 
August,    Fürst  zu  Nassau-Idstein,    1 077 -1721,    von    C.  Spiel  mann.    —   5.  Mitteilungen  über 


270 


die  Lage  und  Geschichte  der  Marau  bei  Mainz,  von  Geh.  Baurat  Cuno.  —  G.  Johann  Konrad 
von  Seibach.  Nebst  einem  Anhang:  „Einige  unbekannte  llerborner  Drucke'',  von  F.  Otto.  — 
7.  Die  Schönauer  Überlieferung.    Eine  historisch-kritische  Untersuchung  von  Ludw.  Conrady. 

8.  Das  alte  Wiesbaden,    mitgeteilt  von  F.  Otto,    mit  2  Abbildungen.  —    9.  Geschichte  der 

Steigbügel,  von  A.  Schlieben.  —  10.  Zur  Topographie  des  alten  Wiesbaden,  von  A.  v.  Co- 
hausen.  —  11.  Burgen  in  Nassau,  von  A.  v.  Cohausen.  I.  Neukatzenelnbogeu  oder  die  Katz 
bei  St.  Goarshausen;  II.  Sterrenberg,  Liebenstein  und  Bornhofeu,  —  12.  Die  Frankengriiber 
von  Schierstein.  III.,  von  Dr.  B.  Florschiitz.  —  13.  Eine  neue  Knochenhöhle  in  Steeten 
a.  d.  Lahn,  von  Dr.  B.  Florschütz.  —  U.  Der  Wilde  Putz  bei  Steeten,  von  A.  von  Co- 
hausen. —  15.  Grabschrift  des  Gustav  Ernst  v.  Seydlitz  zu  Nastiitten,  niilgeleilt  von  F.  Otto. 
—  16.  Der  römische  Grenzwall  (von  Cohausen  und  Mommseu). 
Mit  zehn  Tafeln. 


Band  XXY. 

1.  Die  Beziehungen  der  Geologie  zur  Altertum.skunde,  von  Dr.  B.  Florschütz.  —  2.  Die  „Ewige 
Lohe**  bei  Homburg  v.  d.  Hübe,  von  II.  Jacobi.  —  3.  Vorrümische  Altertümer,  von  A.  von 
Cohausen.  a)  Der  BrunhilJisstein  auf  dem  grossen  Feldberg;  b)  Der  Abschnittswall  und  der 
Ringwall  auf  dem  Rücken  der  Hofheimer  Kapelle;  ein  Jadeit-Beil.  —  4.  Römische  Altertümer, 
von  A.  von  Cohausen.  a)  Der  Stand  der  Limes-Forschung;  b)  Die  Saalburg;  c)  Römischer 
Schmelzschmuck  und  Goldschmiedgeräte.  —  b.  Burgen  in  Nassau,  von  A.  von  Cohausen. 
a)  Burg  Schwalbach;  h)  Der  Nolling  oder  Nollicht.  —  6.  Nachtrag  zur  Geschichte  der  Steig- 
bügel von  A.  Schlieben.  —  7.  Über  die  Gründung  der  Behem'schen  Druckerei  in  Mainz, 
von  Dr.  IT.  Forst.  —  8.  Neuere,  das  Vereinsgebiet  betreffende  oder  berührende  Litteratur, 
von  F.  Otto. 

Mit  neun  Tafeln. 


«and  XXVI. 

1.  Die  Geschichte  des  Hauses  Nassau,  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  den  ersten  Trägern  des  Namens 
Nassau,  von  Ludw.  Conrady.  —  2.  Der  Name  Wiesbaden,  von  W.  Streitberg.  —  3.  Gigan- 
tengruppen und  St.  Georg,  von  0.  Tietz.  —  4.  Die  Mennoniten  und  ihre  Bedeutung  für  die 
Kultur  in  Nassau,  von  C.  Spielmann.  —  5.  Alte  Topographie  des  Vereinsgebietes,  von 
A.  von  Cohausen.   —   6.  Der  Limes  im  Taunus,  von  Dr.  B.  Florachütz. 


Annal.  d.  Vereins  f.  Nass.  Altert,  u  Gesch  Bd.  XXVTL 


Taf.I 


•■    ,  '    ;  .^.    ^^'^sJiS^CS^ 1        I r^^rrw?T7^V=r  "S         mm^^^  ©PIaV^-  -i^^iN:;:.  ::■?:••-::;!•!:.-.:  ' 


^^^*#^^^*^^ 


I  Plan  der  Stadt  WiesbadcMi  1817 

nach  Ebhardl, 

olme  den  nördlichen  Teil  der  Stadt 
zu  Soiio  70. 


Ziegelhütte 


A 


Wilhelms      -     Strasse 


Rud    Bechtold   &  C»,  Wiesbaden. 


Annal.  d.  Vereins  f.  Nass.  Altert,  u  ücsch.  Bd.  XXVJl. 


Taf.  II 


Annal.  d.  Vereins  f.  Nass.  Altert,  u.  Gesch  Bd.  XX5II. 


Taf.  in 


Fig. 2. 


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Rud.  ßechtold   &  C?,  Wiesbaden 


ER  LIBRARY 


GETTY  CENT 


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