DIOGENES
LAERTI US
LEBEN UND MEINUNGEN
BERÜHMTER PHILOSOPHEN
ÜBERSETZT UND ERLÄUTERT VON
OTTO APELT
ERSTER BAND
BUCH I— VI
m
DER PHILOSOPHISCHES BIBLIOTHEK BAXD 53
LEIPZIG 1381 .'.VERLAG VOX FELIX MEINER
Druck von Paul Dünnliaupt, Cöthen i. Anh.
f
i
Vorwort.
III
Vorwort.
• *
Die vorliegende Übersetzung macht durchaus nicht
den Anspruch ein auch nur vorläufiger Ersatz zu sein
für die noch immer ausstehende kritische Ausgabe des
Diogenes Laertius, dessen letzte in Deutschland erschie-
nene Ausgabe meines Wissens die Tauchnitzsche vom
Jahre 1833 mit ihren weiteren Abdrücken ist. Die längst
notwendige und ersehnte kritische Ausgabe, die, wie ich
im Verlaufe meiner Arbeit nach bereits begonnenem
Drucke zufällig erfuhr, jetzt in Vorbereitung ist, ist eine
interne Angelegenheit der Phüologie. Bei meiner Arbeit
handelt es sich um etwas anderes: um Abtragung einer
alten Schuld der Philologie an die nicht philologische
Lesewelt, soweit sie für alte Philosophie Interesse hat.
Es war nicht unberechtigt, wenn kürzlich die Verfasserin
einer freien Übertragung von Stücken des Diogenes Laer-
tius einen temperamentvollen Appell an die Philologen
richtete, sich ihrer Pflichten gegen die Laienwelt in dieser
Hinsicht bewußt zu werden. Schon längst vorher hatte
der Verleger der Philosophischen Bibliothek in Erkennt-
nis des vorhandenen Bedürfnisses sein Augenmerk darauf
gerichtet, seine bekannte Bibliothek durch eine vollstän-
dige Übersetzung des Diogenes zu ergänzen, doch dauerte
es lange, ehe ich mich entschließen konnte, seinem
Wunsche gemäß die Ausführung der Arbeit zu über-
nehmen. Das Hauptbedenken war eben das Fehlen einer
kritischen Ausgabe. Die Cobetsche Ausgabe hat zwar
ihre großen Verdienste, doch weiß jeder, der sich ihrer
bedient, wie störend das Fehlen des kritischen Apparates
IV
Vorwort.
ist. Immerhin sind im Verlaufe der letzten Jahrzehnte
nicht unansehnliche Teile des Ganzen bekannt geworden
durch die Arbeiten von Bonnet, Diels, Wachsmut, Usener,
Arnim und anderen. Es erschien also nicht allzu ge-
wagt, sich der Befriedigung des Bedürfnisses anzu-
nehmen. Wenn die kurzen erklärenden Anmerkungen
sich ab und zu auf Textfragen einlassen mußten, so ist
das fast der einzige spezifisch philologische Tribut, den
die Sachlage mir für die Anmerkungen auferlegte. In
der Übersetzung macht sich die Berücksichtigung philo-
logischer Interessen nur bei Wiedergabe der Schriften-
kataloge insofern geltend, als ich da in den wichtigsten
Fällen, nämlich bei Aristoteles, Theophrast und Chrysipp,
die griechischen Titel ab und zu mit einigen Verweisungen
hinzugefügt habe, die für die genauere Auffassung un-
entbehrlich sind. Vielleicht dürfte auch das ziemlich
ausführlich gehaltene Register, wenn auch zunächst für
das Bedürfnis der Laien berechnet, doch auch dem Philo-
logen einigen Nutzen bieten, schon durch die bequemere
Form der Verweisungen nach Büchern und Paragraphen
als der einzig zweckmäßigen im Gegensatz zu der um-
ständlichen und dabei häufig genug ungenauen und irre-
führenden Bezeichnungsweise bei Hübner und Cobet,
welches letzteren Index nichts weiter ist als ein glatter
Abdruck des Hübnerschen.
Die letzte (und wohl zugleich auch erste) voll-
ständige Übersetzung liegt weit zurück. Est ist die
in zwei Bänden erschienene Übersetzung von August
Bor heck, Wien und Prag 1807, dann auch Leipzig
1809, für ihre Zeit eine achtbare Leistung, der in den
erzählenden Partien eine gewisse körnige Altertümlich-
keit des Ausdrucks einigen Reiz verleiht. Kurze Zeit
vorher war eine Übersetzung erschienen von J. F. und
P. L. Snell,. Gießen 1806, die sich indessen auf Auszüge
beschränkt. Erst unsere Zeit hat wenigstens einige Bei-
träge zu einer neuen Übersetzung geliefert, nämlich die
oben erwähnte Schrift (Titanen und Philosophen von
Anna Kolle, Gharlottenburg A. Seydel Nachfolger) und
Vorwort.
eine Ubersetzung (nebst kritischen Bemerkungen) des
zehnten Buches von A. Kochalsky, Leipzig 1914.
Mein Absehen war auf eine lesbare Übersetzung des
Überlieferten gerichtet, die den Diogenes wiedergeben soll
wie er in seinem Buche leibt und lebt, nicht wie er etwa
nach dem Wunsche eines Bearbeiters oder eines Lesers
hätte leiben und leben sollen. Der Leser muß also die
ganze Fülle der Zitate über sich ergehen lassen, in denen
Diogenes sehr zum Nachteil des Flusses der Darstellung
schwelgt: eine starke Belastung des Lesers, aber eine um
so wertvollere Beigabe für den Forscher auf dem Gebiete
der Geschichte der griechischen Philosophie. Die Er-
läuterungen zu diesem reichen Quellenmaterial in den
Anmerkungen -beschränken sich in der Begel auf kurze
Hinweise auf die einschlägige Literatur.
Ich kann dies Vorwort nicht schüeßen, ohne der
treuen Beihüfe zu gedenken, die mir bei Abfassung des
Buches meine Tochter Dr. Mathilde Apelt in unermüd-
licher Bereitwilligkeit mit Bat und Tat geleistet hat.
Dresden, 1. November 1920.
Otto Apelt.
VI Inhaltsverzeichnis.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . '. VIII— XXIV
Übersicht über die Literatur XXV— XXVIII
Erstes Buch 1—61
Prooemium 1 — 10
Thaies Kapitel I 11— 21
Solon „ II 22— 32
Chilon „ III 33— 36
Pittakos „ IV 36— 40
Bias „ V 40— 43
Kleobulos „ VI 43— 45
Periander „ VII 46— 49
Anacharsis „ VIII . 50— 52
Myson „ IX 52— 54
Epimenides „ X 54 — 58
Pherekydes „ XI 58— 61
Zweites Buch 62—128
Anaximander Kapitel I 62— 63
Anaximenes „ II 63 — 64
Anaxagoras „ III 64— 68
Archelaos „ iV 69 — 70
Sokrates „ V 70— 83
Xenophon „ VI 84— 89
Aischines „ VII 89— 91
Aristippos „ VIII 91—109
Phaidon „ IX 109
Eukleides „ X 110—113
Stilpon „ XI 113—116
Kriton „ XII 117
Simon „ XIII 117—118
Glaukon „ XIV 118
Simias „ XV 119
Kebes „ XVI 119
Menedemos „ XVII . 119—128
DrittesBuch 129—173
Piaton Kapitel I 129—173
Dogmen 147—173
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
Viertes Buch 174—206
Speusippos Kapitel I 174 — 176
Xenokrates „ II 176—182
Polemon „ III 182—184
Krates „ IV 184—186
Krantor „ V 186—188
Arkesilaos „ VI 188—197
Bion „ VII 197—202
Lakydes „ VIII 202—203
Karneades ,. IX 203—205
Kleitomachos „ X 205—206
Fünftes Buch t . . . . 207—257
Aristoteles Kapitel I 207—226
Theophrast „ II 227—241
Straton „ III 241—244
Lykon „ IV 244—248
Demetrios „ V 248—253
Herakleides „ VI 253—257
Sechstes Buch 258 — 307
Antisthenes Kapitel I 258-^266
^^"änope „ II 267—295
Monimos „ III 296
Onosikritos „ IV 297
Krates „ V 297—301
Metrokies „ VI 301—302
Hipparchia „ VII 303—304
Menippos „ VIII 304—305
Menedemos „ IX 305 — 307
Anmerkungen zu Buch I— VI 308—341
VIII
Einleitung.
Einleitung.
Das Buch, um dessen Übersetzung es sich in den- vor-
hegenden beiden Bänden handelt, nimmt eine ganz ein-
zigartige Stellung in der gesamten Weltliteratur ein. Es
ist eine populäre Geschichte der griechischen Philo-
sophie als einer mit dem griechischen Volkstum engver-
wachsenen Sache. Kein anderes Volk der Erde war oder
ist in der Lage, in diesem doppelten Sinne sich eine Ge-
schichte seiner eigenen Philosophie darbieten zu können.
Denn wo wäre die Philosophie — ich meine die praktische
Philosophie, die Ethik, um die es sich hier zunächst nur
handeln kann — auch nur annähernd zu einer Volks-
tümlichkeit gelangt wie bei den Griechen? Bei den
Griechen ist diese Bedeutung so ersichtlich, daß, wer ein
Bild von ihrem Volksleben in der Höhezeit ihrer Kultur
geben will, einen wesenthchen Zug vermissen lassen
würde, wenn er den Einfluß der Philosophie und ihrer
Träger auf den Volksgeist mit Stillschweigen übergehen
wollte. Die Philosophie war tatsächlich ein lebendiger
Faktor in dem Denken und Treiben der Griechen. Das
Auftreten ihrer Philosophen, ihrWirken und ihre Schick-
sale stellen zugleich ein Stück ihres Volkslebens dar und
wahrlich nicht das am wenigsten interessante.
Es wird immer eine bemerkenswerte Tatsache bleiben,
daß die Griechen bei ihrer hoch entwickelten Empfäng-
lichkeit für jedes Schöne in Natur und Kunst alles Kunst-
schöne zwar in seiner Wirkung auf den Beschauer wohl
zu würdigen wußten, aber doch einen auffallenden Unter-
schied machten in der Bangstellung derjenigen Künstler,
Einleitung.
IX '
die sich dem Wesen ihrer Kunst zufolge mit der Materie
zu befassen haben, und denjenigen, die sich rein geistig
betätigen, einen Unterschied also zwischen Bildhauern
und Malern einerseits und Dichtern anderseits. Den
Dichtern aber schließen sich, was die höhere Wert-
schätzung und die Stellung im geselligen Leben anlangte
unmittelbar die Denker, d. h. die Philosophen an. Man
kann sagen: die Forderung des Schönen für das Auge
war den Griechen so natürlich und selbstverständlich,
daß sie die dahin gehörenden Leistungen wie einen schul-
digen Tribut entgegennahmen, während ihnen rein geistige
Leistungen, in ihren gelungeneren Darbietungen wenig-
stens, wie Offenbarungen aus einer höheren Welt er-
scheinen mochten. Dabei bilden die Dichter das Mittel-
glied zwischen den bildenden Künstlern und den Ver-
tretern des reinen Gedankens, den Philosophen. Denn
als Herrscher im Reiche der freien Phantasie stellen sie
zwar immer in- engster Fühlung mit dem Formenreich-
tum der Sinnenwelt, die sie ihren jeweiligen Zielen gemäß
nach den Gesetzen der Schönheit umgestalten, haben es
aber nicht mit der Materie selbst zu tun, sondern mit der
Auffassungsweise und geistigen Welt des Menschen.
Der bedeutsame Schritt von der phantasievollen Auf-
fassung der Natur und des Lebens zu der denkenden Be-
trachtung derselben läßt die Griechen gewissermaßen sich
über sich selbst erheben. Denn je mehr sie für die Freude
am Anschaulichen und die künstlerische Verklärung der-
selben geschaffen erscheinen, um so schwerer, söllte man
meinen, müßte ihnen der Schritt in das Reich des Ab-
strakten, m. a. W. der Anfang der Philosophie, geworden
sein. Gleichwohl vollzog sich dieser Übergang nicht nur'
mit einer gewissen Selbstverständlichkeit sondern auch 1
mit bewundernswerter Stetigkeit des Fortschrittes. Mehr
und mehr suchen sich die Denker in der Welt der Ab-
straktionen heimisch zu machen, ohne dabei aber doch
die Fühlung mit der Gedankenwelt und den Lebensbedin-
gungen ihres Volkes in geselliger, staatlicher und reli-
giöser Beziehung zu verlieren. Läßt man die lange Reih
Einleitung.
der namhaften Philosophen an sich vorübergehen, so
findet man darunter Ärzte, Gesetzgeber, Staatsmänner,
Kaufleute, Feldherren, auch manche, die, aus den Kreisen
des Gewerbes oder des Handwerkes hervorgegangen, es
bis zur Gründung einer eigenen Schule oder zur Vor-
standschaft über eine bereits bestehende brachten. Die
Öffentlichkeit des Volkslebens, wie sie, begünstigt durch
ein glückliches Klima und den angeborenen Geselligkeits-
trieb der Südländer, schon an Werktagen sich allent-
halben geltend machte, fand ihren erhöhten Ausdruck —
von den großen nationalen Festtagen in Olympia, auf
dem Isthmos usw. gar nicht zu reden — an den fest-
lichen Tagen, die in reicher Fülle der Verehrung der
Stammesgötter geweiht waren: hier berührte sich vor-
nehm und gering, arm und reich, alt und jung, gebildet
und ungebildet in unbefangener Offenherzigkeit. Neu-
gierde einerseits, Mitteilungsbedürfnis anderseits Meß es
an reger Unterhaltung niemals fehlen, die, getragen von
dem Gefühle der Zusammengehörigkeit und Einheit,
nicht wenig dazu beitrug, die auch in Griechenland nicht
fehlenden Standesvorurteüe auf ein vergleichsweise sehr
bescheidenes Maß zu beschränken. Der demokratische
Geist der Stadtverfassungen einerseits, der politische Ehr-
geiz der Abkömmlinge altangesehener Familien ander-
seits sorgten schon an sich für eine gewisse Ausgleichung
■der Ansprüche; und was die Unterschiede der Bildung
anlangt, so stand von vornherein die Masse der Unge-
bildeten dem Häuflein der Gebildeten nicht so schroff
gegenüber wie bei uns, wo die grobe sowie die meiste rein
mechanische Arbeit nicht einem Heere von Sklaven son-
dern den Volksgenossen selbst anheimfällt. Der freie
Grieche war, bei leicht und billig zu beschaffender Be-
friedigung der Lebensbedürfnisse, nicht überlastet mit
druckender Arbeit; es blieb noch Zeit und Stimmung
übrig für Befriedigung des Triebes nach Geistesbildung,
•eines Triebes, der bei uns auch in den bürgerlichen
Kreisen oft völlig überwunden wird von der nicht abzu-
reisenden Sorge für des Lebens Nahrung und Notdurft
Einleitung.
XI
ja nur zu oft einer schrankenlosen Erwerbslust als dem
einzigen Lebensinhalt Platz macht.
Kurz, die Bedingungen für eine volkstümliche Stel-
lung und Wirkung der Philosophie waren in Griechen-
land, bei der angeborenen geistigen Gewecktheit des
Volkes überhaupt, so günstig wie nirgendwo sonst. Und
die Philosophen? Sie ließen es ihrerseits an sich nicht
fehlen. Nicht, als ob sie alle aus innerstem Triebe gleich
den Kynikern den Kreisen des niederen Volkes sich recht
geflissentlich beigesellt und an Einfachheit und Natür-
lichkeit den geringen Tagelöhner womöglich noch über-
trumpft hätten; ihre Neigungen waren in dieser Be-
ziehung sehr verschieden, es gab auch den und jenen,
auf den das Odi profanum volgus et arceo Anwendung
findet; aber irgend welche Fäden verbanden sie doch mit
dem öffentlichen Leben. Nicht wenige Schulhäupter
waren bei besonderen Anlässen geschätzte Batgeber für
öffentliche Angelegenheiten. Selbst die einem zurück-
gezogenen Leben huldigenden Lehrer wurden doch durch
den beständigen Verkehr mit den Schülern über den
Gang der äußeren Dinge immer auf dem Laufenden er-
halten. -Wer die Anmaßungen der Demokratie und die
unmittelbare Berührung mit ihr scheute, konnte, nament-
lich in der Diadochenzeit, gleichwohl zu Einfluß gelangen.
Nicht wenige führte in der Begel mehr der Ehrgeiz der
Herrscher als der eigene Ehrgeiz an diesen oder jenen
Fürstenhof, wo die Fäden einer weitverzweigten Politik
zusammenliefen. Auch als Gesandte oder in irgend wel-
cher Vermittlerrolle haben sie in dieser Beziehung zu-
weilen nicht unbedeutende Erfolge erzielt. Dem Volke
waren sie alle wohlbekannt, und gerade solche, welche
eine ganz ausgesprochene Neigung für Zurückgezogen-
heit hatten, fanden zuweilen bei der großen Menge die
augenfälligste Achtung. Trat z. B..der etwas menschen-
scheue Xenokrates ab und zu einmal den Weg von der
Akademie nach der Stadt an, so wichen ihm alle Schrei-
hälse und Lastträger voller Bespekt aus. Kein Wunder,
denn er war eine achtunggebietende Persönlichkeit, die
XII Einleitung;.
durch ihre bloße Erscheinung schon so etwas wie' Ehr-
furcht einflößte. Und prägnante Figuren sind sie alle
diese Philosophen, die der jüngeren Zeit so gut wie die
der alteren, von der erhabenen Würde eines Parmenides,
wie sie uns mit wenigen vielbesagenden Strichen Piaton
im Iheaetet zeichnet, bis herab zu den skurrilen Exzentri-
zitäten eines Theodoros Atheos und Bion.
Daß die Komiker sich diese Gestalten in ihrer reiz-
vollen Mannigfaltigkeit und zum Teil grotesken Absonder-
lichkeit nicht entgehen ließen, ist selbstverständlich, zu-
gleich aber auch ein deutlicher Beleg für die Popularität
dieser Gestalten. Denn ein dankbarer Stoff für die Bühne
konnte die Philosophenzunft nur dann werden, wenn ihr
wne gewisse Volkstümlichkeit anhaftete, als unentbehr-
liche Voraussetzung für ein entgegenkommendes Ver-
ständnis von Seiten eines zahlreichen gemischten Theater-
pubhkums. Der prickelnde Witz der Komiker ist nichts
weniger als ein Zeichen der Geringschätzung oder gar
der Verachtung: was sich liebt das neckt sich. Die Ko-
miker waren gewiß in ihrem Herzen dem Schicksal
dankbar, daß ihr Volk diese Philosophen, diese oft so
sonderbaren Käuze, in sich faßte; und die Philosophen
ihrerseits waren aufgeklärt und klug genug, um zu
wissen, woran sie mit den Komikern waren. Mochte das
lneater auch zuweilen von dem Gelächter über sie wider-
hallen, gleichviel: sie waren doch dessen ziemlich sicher
daß das Volk ihnen nicht den Rücken kehren würde, und
™ m, S er «eh er darüber, daß, wenn das Unerwartete
gleichwohl geschähe, der Nachteil nicht auf ihrer Seite
sondern auf der des Volkes liegen würde. Denn gewiß
war Antisthenes nicht der einzige Philosoph, der
die Frage welchen Gewinn er von der Philosophie ge-
habt mit den Worten beantworten konnte (Diog. L. VI
oj: „Die Fähigkeit, mit mir selbst zu verkehren"
Aus dem Gesagten erhellt zur Genüge, daß ein Grieche
äTL vf K K aiserz ^> der ekl Buch ähnlichen Charakters
ha teschreibenwollen, wie Gustav Frey tag es in seinen
Widern aus der deutschen Vergangenheit unserem Volke-
Einleitung.
XIII
geschenkt hat, ein Buch also, das den Griechen das Bild
ihrer Vergangenheit in den bezeichnendsten Zügen vor
Äugen gestellt hätte, sich schwerlich die Schilderung
des Anteils hätte entgehen lassen, den die Träger der
Philosophie an der Entwicklung und Bildung des grie-
chischen Volksgeistes gehabt haben. Und zwar wären das
nicht die undankbarsten Partien des Werkes geworden.
Zeigt doch die Menge der verloren gegangenen Mono-
graphien sowohl wie Sammelberichte über die Lebens-
läufe der Philosophen, über ihre Schulen und ihre
Lehren, die wir aus unserem Diogenes Laertius kennen
lernen, welche Anziehungskraft diese Art von Schrift-
stellerei gehabt haben muß. Und eben darin würde sich
ein wesentlicher Unterschied kundgeben zwischen unse-
rer deutschen Volksart in ihrer Entwickelung und der
der Griechen. Man hat uns Deutschen nicht selten das
(angesichts der Gestalt, in der wir uns jetzt der Welt
präsentieren) besonders schmeichelhafte Kompliment ge-
macht, wir seien ein Volk von Denkern, von Philosophen.
Gewiß, wir dürfen uns rühmen, einige der größten Denker
die unsern zu nennen; allein die Volkstümlichkeit der
Philosophie und der Philosophen, wie steht es damit?
Ist sie ein charakteristischer Zug, sei es der Gegenwart
sei es unserer. Vergangenheit? Man durchblättere das
genannte Werk, das mit so viel Liebe und Sachkenntnis
die charakteristischen Züge unseres Volkslebens auf den
verschiedenen Stufen seiner geschichtlichen Entwickelung
heraushebt: nur an einer Stelle wird man der Philo-
sophie und einiger ihrer namhaften Vertreter (Leibnitz,
Thomasius und Wolff) gedacht finden, und auch da nur
mehr im Vorbeigehen als zu einläßlicher Betrachtung.
Und niemand wird dem kundigen Verfasser einen Vor-
wurf daraus machen. Was von geistigen Strömungen
wirklich unser Volksleben tiefer ergriff, war nicht die
Philosophie, es waren die großen kirchlichen Bewegun-
gen: im Mittelalter namentlich das Wirken der Mönchs-
orden, in der Neuzeit die Beformation mit ihren folgen-
schweren Wirkungen. Man hat oft die Wirksamkeit der
XIV
Einleitung:.
Bettelorden mit dem Auftreten der Kyniker und ihren
späteren Nachfolgern, den kyllischen Wanderpredigern,
verglichen. Gewiß nicht mit Unrecht. Allein man kann
in dieser Richtung noch viel weiter gehen und sagen: die
Probleme und Aufgaben der praktischen Philosophie-
Cd. i. Ethik und Religionsphilosophie), die doch der Natur
der Sache nach auch im Altertume allein das Band ab-
gegeben hatte, das einen gewissen Zusammenhang zwi-
schan Philosophie und Volksseele herstellte, waren längst
vor Entwickelung unserer heimischen Philosophie eine
Domäne der Kirche und Geistlichkeit geworden. Damit
war der Boden der Volkstümlichkeit für die Philosophie
von vornherein so gut wie verloren.
Was unsere philosophischen Angelegenheiten im übri-
gen anlangt, so lassen sich zwar mit der wechselnden
Vorherrschaft gewisser Schulen im Altertum manche Er-
scheinungen, namentlich der nachkantischen Philosophie,
in Parallele stellen, indes die Frage der Volkstümlichkeit
bleibt dabei völlig unberührt. Unsere Lebensgewohnheiten
und unser Volkscharakter, bedingt durch Klima, wirt-
schaftliche Fragen und überwiegende Neigungen, ver-
halten sich mehr hemmend als fördernd zu einer volks-
tümlichen Richtung der Philosophie. Man denke an die
schone und heitere Sitte der Symposien bei den Griechen r
m den höheren Kreisen überall beliebt, in den Philo-
sophenschulen sorgsam und nie ohne Beiziehung auch
von Laien gepflegt, brachten sie Philosophen- und Laien-
welt auf ungezwungenste Weise in fruchtbare Berührung
miteinander und hielten das Interesse auch für philo-
sophische Fragen in der höheren Bürgerwelt aufrecht.
Wie steif, kalt, förmlich und unfruchtbar nimmt sich da-
gegen unsere Geselligkeit aus. Nur wenige unserer Philo-
sophen sind zu einer gewissen Volkstümlichkeit gelangt
und auch diese gab sich mehr aus respektvoller Entfer-
nung als in unmittelbarer Berührung kund.
Dem entspricht es, daß es eine populäre Geschichte
der Philosophie bei uns überhaupt nicht gibt, eine Tat-
sache, die über das Gesagte hinaus ihren höheren Grund
Einleitung.
XV
darin hat, daß die Philosophie, rein wissenschaftlich ge-
nommen, zur Hauptaufgabe die hat, sich mehr und mehr
der Abstraktionen zu bemächtigen und sich ihrer Be-
deutung bewußt zu werden. Je mehr sie sich von ihrem
Jugendalter entfernt, um so abstrakter werden die Vor-
stellungsweisen, mit denen sie es zu tun hat, um so größer
also auch der Abstand von der Gedankenwelt des Durch-
schnittsmenschen. Wie viel günstiger also stand es da-
mit bei den Griechen als bei uns. Sokrates und die So-
kratiker hielten sich vorzugsweise an die Sittenlehre, wo-
mit sie auf die weitesten Kreise wirken konnten. Der
eigentliche Erfinder und Begründer der Abstraktionen
war Aristoteles. Aber eben an den Schicksalen seiner
Lehre zeigte es sich, daß die große Masse der Griechen
für diese Welt der reinen Abstraktionen wenig Auf-
fassung hatte; dabjr das baldige Zurücktreten der peri-
patetischen Schule gegen die übrigen Schulen, die das
Interesse für die ethischen und religiösen Fragen bei dem
großen Publikum zu pflegen, ja zu steigern verstanden
und sich eines Vordringens oder gar einer Herrschaft
der abstrakten Bichtung zu erwehren wußten. Dieser
Umstand, in Verbindung mit dem hohen persönlichen
Interesse, das die originellen Gestalten mancher Schul-
häupter auch weiterhin bei der großen Menge erweckten,
macht- es erklärlich, daß bei den Griechen eine populäre
Geschichte der Philosophie recht wohl möglich blieb, ja
für Wißbegierige, deren es in der Kaiserzeit eine nicht
geringe Menge gab, geradezu ein Bedürfnis ward.
Für eine diesem Belehrungsbedürfnis entsprechende
populäre Geschichte der Philosophie war reichliches Ma-
terial vorhanden. Und zwar teilt sich dies Material in
zwei Hauptgruppen nach dem Gesichtspunkt einerseits
der philosophischen Probleme selbst hinsichtlich ihres Ur-
sprungs, ihrer Entwickelung und ihres Zusammenhangs
untereinander, anderseits hinsichtlich der persönlichen
Verhältnisse und des Charakters der Entdecker und
Träger dieser philosophischen Dogmen. Man bezeichnet
diese beiden Bichtungen, die längere Zeit getrennt neben-
XVI
Einleitung.
einander hergehen, kurz als die d o x o g r a p h i s c h e und als
die biographische. Schon Piaton hatte den Anfang ge-
macht zu einer kritischen Geschichte der Philosophie
nach dem ersteren Gesichtspunkt, namentlich im So-
phistes und im Theaetet. Weiterhin hat,te Aristoteles in
erheblich gesteigertem Umfang jeweilig im Zusammen-
hang mit der Entwickelung seiner eigenen Ansichten die
Lehren der früheren Philosophen einer kritischen Be-
leuchtung unterzogen. Seinen Spuren folgend hatte dann
sein Schiller und Nachfolger Theophrast ein umfassendes
Werk über die Ansichten der Physiker («pusixwv fto'Sou)
geschrieben, das die Grundlage und Hauptquelle bildet
für die weitere doxographische Literatur. Daneben regte
sich dann mehr und mehr, vor allem auch in der peri-
patetischen Schule, das biographische Interesse, dem
einige Schriften des Hermippos vo* Smyrna dienten,
nachdem vorher schon einige andere, außerhalb einer
bestimmten Schule stehende Schriftsteller diesen Weg
eingeschlagen hatten, unter ihnen vor allem der geist-
reiche Antigonos von Karystos (um 225 v. Chr.).
, nachchristliche Zeit vereinigte allmählich diese
neiden .Richtungen zu mehr oder minder lesbaren Ge-
samtubersichten, wie sie in den Werken der Pamphile
und des Favonn und anderer zum Ausdruck kamen
neben welchen auch Werke mehr kritisch-philosophischer
l^endenz einhergehen, wie das des späteren Peripatetikers
Anstokles, eine streitbare Geschichte der Philosophie, aus
der uns Eusebios längere Bruchstücke bewahrt hat und
späterhin des Porphyrios Geschichte der Philosophie, die
gewiß auch eine starke Parteifärbung nicht verleugnet
naoen wird. Wir würden diesen beiden Werken viel-
leicht ein gewisses philosophisches Interesse abgewonnen
haben. Ob damit aber der Wert des reichen Tatsachen-
materials aufgewogen worden wäre, das uns Diogenes
bietet, bleibe dahingestellt.
Für eine auf ein großes Lesepublikum berechnete Ge-
schichte der Philosophie kam viel darauf an, daß das
<k>xographische Material .auf ein bescheidenes Maß be-
Einleitung.
XVII
•schränkt und in möglichst elementarer Form gehalten
wurde unter grundsätzlicher besonderer Hervorkehrung
der ethischen Momente. Dergleichen Bücher hat es in
der Kaiserzeit gewiß mehr als eines gegeben und eines
davon, vielleicht auch mehrere, mögen unserem Verfasser
als nächste Unterlagen gedient haben. Aber wer war
denn dieser Verfasser? Auf die Frage Tfo rcoSsv ek
av5pov, 7c6Si toi koKk; tox^-sc (Wer denn bist du,
woher, weß Orts und welches Geschlechtes?), bleibt er uns
leider die Antwort schuldig, man müßte denn in seinem
Namen Diogenes Laertius selbst eine Art Antwort sehen,
nämlich einen beabsichtigten Anklang an den SioYcvfji;
AaspxiaSvj« des Homer, wie man gemeint hat. Damit
aber ist uns nicht viel gedient. Nur so viel läßt sich nach
gewissen Kombinationen mit einiger Bestimmtheit sagen,
daß seine Lebenszeit in die erste Hälfte des 3. Jahrhun-
derts nach (^istus""iSnr~"Tn3es" diese Dürftigkeit der
Personalnachrichten ist leicht zu verschmerzen angesichts
des unschätzbaren Wertes, den das Werk trotz aller ihm
anhaftenden Mängel hat. Ist es doch die einzige voll-
ständige Übersicht über die Geschichte der Philosophie,
die wir aus dem Altertum besitzen und ohne die wir
nicht einmal eine Vorstellung hätten von der Fülle da«
uns verloren gegangenen Materials, das einem Schrift-
steller der Kaiserzeit für eine derartige Arbeit zu Gebote
stand.
Das Werk stellt sich, wie Fr. Leo in seiner Schrift
über Griechisch-römische Biographie sagt, dar „als eine
vor Diogenes vorhandene Kompilation, die er selbst durch
größere oder kleinere Zusätze erweitert und, wie aus dein
Exemplar des Hesychios hervorgeht, durch Streichungen
gekürzt hat. Die Kompilation war in ihrer Masse aus
biographischen Schriften verschiedener Art zusammen-
geflossen. Voran steht eine Beihe von Schulnachfolge£i
(Sia&oxaQ, zu denen man auch Diokles rechnen mag,
das Ganze umfassend, wie Darstellungen einzelner
Schulen, und ein nach Demetrios Magnes gearbeitetes
Homonymenverzeichnis. Das gelehrte Material, auch
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. II
XVIII
Einleitung.
Apollodor, ist in der Regel durch diese Biographien ver-
mittelt; aber es muß immer mit dem Fall gerechnet wer-
den, daß Bücher, die noch in späterer Zeit vorhanden
waren, auch von den Kompilatoren gelegentlich zuge-
zogen wurden. Den Grundstock bildet nicht eine einheit-
liche Darstellung der Schulnachfolgen, der das ganze
Werk hindurch die übrigen nur ergänzend zur Seite ge-
treten wären, vielmehr ist das Werk aus Teilen zusam-
mengesetzt, die der Art ihres Bestandes und der zugrunde
liegenden Forschung nach verschieden sind."
Mir will es scheinen, als ob dies Urteil, wenn es auch
im ganzen den Sachverhalt den Verhältnissen ent-
sprechend darstellt, doch dem Diogenes einen etwas ge-
ringeren Anteil an dem Werke einräume, als ihm tat-
sächlich zukommt. Doch darauf kommt überhaupt nicht
allzuviel an. Mit Recht nämlich hebt Leo im Anschluß
an das eben Mitgeteilte hervor, daß es weniger darauf
ankommt, den nächsten oder vornächsten Vordermann
zu erkunden als darauf, die Primärquellen festzustellen
und ihren Wert zu bestimmen. Auf diesem Wege sind
fast verschollene Schriftsteller wie Apollonios von Tyros
und namentlich Antigonos von Karvstos, nachdem er
schon früher durch Köpke von den Toten erweckt war,
durch Wilamowitz wieder zu Blut und Farbe gelangt.
Anfänglich nämlich hatte sich die ganze Diogenesfrage,
seitdem sie durch Nietzsches Aufsätze im Rheinischen
Museum (s. die Literaturübersicht) zur Diskussion ge-
stellt war, darauf zugespitzt, die angeblich einheitliche
nächste Vorlage zu bestimmen, als deren flüchtig über-
arbeitete Wiedergabe das ganze Werk des Diogenes zu
betrachten sei. Aber der ganze darauf bezügliche mit
echtem deutschen Gelehrteneifer geführte Streit ist im
Grunde nichts als ein Streit um des Kaisers JBart. Die
zahlreichen Mitteilungen aus guten Quellen, die sich in
dem Werke des Diogenes finden, haben ihren Wert, der
ganz unabhängig ist von der Frage nach der Entstehung
des Werkes. Wesn mir irgend ein Bote eine auf den
ersten Blick sich als authentisch ausweisende Urkunde
Einleitung;.
IXX
überreicht, so kann es mir gleichgiltig sein, ob er der
erste ist, der sie in die Hand bekommen, oder ob er sie
erst von einem andern und dieser wieder von einem
andern erhalten hat.
Die in dieser Richtung sich bewegenden Unter-
suchungen haben dahin geführt, daß man den Diogenes
mitunter für einen völlig unselbständigen Skribenten, ja
für einen halben Idioten erklärte, der seine Vorlage auch
mit dem häufigen „Wir", ja sogar mit dem selteneren,
aber durchaus nicht fehlenden „Ich" (vgl. z. B. II 97,
VI i, VIII 53, IX 70) einfach abgeschrieben habe, so
daß man fast meinen müßte, er habe seine eigenen zahl-
reichen Verse auch schon in seiner Vorlage vorgefunden.
Ein großer Geist ist Diogenes gewiß nicht gewesen; er
mag sich meist an gewisse Vorlagen — sicherlich nicht
bloß an eine, sondern für verschiedene Partien an ver-
schiedene — gehalten haben, aber ein bloßer mechani-
scher Abschreiber ist er schwerlich gewesen. Gewisse
Liebhabereien, gewisse Spuren subjektiver Teilnahme an
dem Gegenstande lassen sich, für mein Gefühl wenigstens,
ziemlich deutlich erkennen. Er hatte ein Herz, er hatte
Interesse für die Sache, ja war vielleicht selbst nicht ohne
einen Anflug von philosophischer Parteifärbung, wie aus
manchen Anzeichen hervorgeht, die ihn, sei es den Skep-
tikern sei es der Richtung des Epikur zuweisen. Er war
ein Manu, in dem offenbar ein reger Wissenstrieb lebte
verbunden mit einer ziemlich umfassenden Literatur-
kenntnis und einem bemerkenswerten Sammeleifer, ähn-
lich dem eines Aulus Gellius. Man wird kaum irre
gehen, wenn man sich ihn im Besitz einer nicht unan-
sehnlichen Bibliothek denkt, nicht zu eitler Schaustellung
für etwaige Besucher sondern zu reger eigener Be-
nutzung. Sein Werk läßt erkennen, daß er bis zum
letzten Moment vor dem Erscheinen — wir' würden
sagen, bis zum Abschluß des Druckes — an der Vervoll-
ständigung desselben arbeitete; offenbar mit Hilfe seiner
Bibliothek und einer sie ergänzenden Notizensammlung,
die er sich angelegt. Aus diesem Notizenkasten stammen
II*
XX
Einleitung.
aller Wahrscheinlichkeit nach die mancherlei Zusätze,
die er in letzter Stunde, eilfertig und unüberlegt, nicht
.selten an unpassender Stelle noch einlegte. Er war, wenn
nicht alles täuscht, ein gutmütiger, harmloser Mensch,
literarisch interessiert und wohlbelesen, wenn auch ohne
jede kritische Ader; dabei nicht frei von einer gewissen
Eitelkeit, die sich in seinen dichterischen Prätensionon
mehr naiv als verletzend kundgibt. Nicht ganz ohne
Grund hat man die Vermutung ausgesprochen, sein
Buch verdanke sein Entstehen dem Umstände, daß er
mit seiner Gedichtsammlung, dfer „Pammetros", beim
Publikum wenig Glück gemacht und nun versucht habe,
den ihm besonders am Herzen liegenden Teil seiner Epi-
gramme in neuem Rahmen vielleicht besser an den
Mann zu bringen. Nur darf man dabei nicht vergessen,
daß tatsächlich schon diesem Liederbuch eine ziemlich
eingehende Beschäftigung mit den Schicksalen der Philo-"
sophen zugrunde gelegen haben muß, für die er offenbar
ein ganz besonderes Interesse hatte.
War er ehrgeizig, so war sein Ehrgeiz jedenfalls von
unverfänglicher Art. Sein W T erk ist der beste Zeuge da-
für, daß er ein ehrlicher Gesell war, der nicht mehr aus
sich machen wollte als er wirklich war. Er hätte reich-
lich Gelegenheit gehabt, dem Leser etwas Sand iu die
Augen zu streuen hinsichtlich der Originalität seiner
Darstellung; er hätte seine Quellen ausnutzen können
ohne sie dem Leser namentlich vorzuführen — ein Ge-
sichtspunkt, der freilich bei der Annahme bloßen Ab-
schreiben aus einer nächsten Vorlage ganz ausscheiden
müßte — , er hätte die Selbstverleugnung nicht so weit
zu treiben gebraucht, wie es tatsächlich geschieht; denn
er treibt das äjj.<x'pTupov oü8sv ästöo („ich singe nichts
Unbezeugtes") auch äußerlich durch Namennennung ge-
radezu auf die Spitze. Er scheint es als eine Art Ehren-
sache zu betrachten, die Gewährsmänner fast jederzeit
zu nennen, eine Manier, welche, die Sache rein vom
Standpunkt der Darstellungsweise betrachtet, weit mehr
nachteilig als vorteilhaft wirkt, wie denn überhaupt von
Einleitung.
XXI
stilistischer Kunst, von einheitlicher Färbung des Ganzen,
von wirksamer Gruppierung im einzelnen, von eindrucks-
voller Verteilung von Licht und Schatten und dergleichen
wenig oder nichts zu spüren ist, wenn auch die Gesamt-
disposition für das Werk, wie sie zu Anfang mitgeteilt
wird, treu eingehalten ist.
Ungeachtet aller Ausstellungen indes hat er der Nach-
welt, hat er der Wißbegierde unserer Tage, gleichviel ob
bewußt oder unbewußt, einen unschätzbaren Dienst er-
wiesen, indem er sozusagen den Vorhang weggezogen hat,
hinter dem sich für uns der Reichtum dieser ganzen
Literaturgatfung barg. Wir haben alle Ursache, ihm
dankbar zu sein. Ohne ihn hätten wir überhaupt keinen
Gesamtüberblick über die griechische Philosophie aus der
Hand eines Griechen. Auch wird man nicht leugnen
können, daß er einen gewissen Blick für die Bedürfnisse
eines größeren Leserkreises wie seiner Zeit überhaupt
hatte. Er hat es verstanden, den Geschmack der gleich-
zeitigen Lesewelt zu treffen. Es ist gewiß kein bloßer
Zufall, daß von einer Reihe von Vorläufern seines Buches
und vielleicht auch ein oder dem anderen gleichzeitigen
Konkurrenzwerk keines auf die Nachwelt gekommen ist.
Habent sua fata libelli! Gewiß, der Zufall ist ein gewal-
tiger Machthaber, ein launenhafter Verteiler von Ruhm
und oft unverdienter Verborgenheit. Allein in Sachen
der Büchervererbung sind seine Rechte doch keine
schrankenlosen. Schon der Erfinder des angeführten
Spruches, Terentianus Maurus, gibt ihn nur unter einer
beachtenswerten Einschränkung : pro captu lecto-
r.is habent sua fata libelli heißt es bei ihm, wofür wir
auch ruhig einsetzen können pro captu temporum. Ein
Werk, das dem Geschmack und Bedürfnis nicht bloß des
Augenblicks und der Gegenwart, sondern seiner Natur
nach dem eines gebildeten Publikums überhaupt ent-
spricht, hat in so höherem Maße Anwartschaft auf dau-
ernde Erhaltung, in je höherem Grade dies Verhältnis auf
es zutrifft. Der Zufall kann trotzdem manchen bösen
Streich spielen. Warum mußten des Demokrit Werke,
XXII
Einleitung.
warum die des Poseidonios uns vorenthalten werden?
Aber im allgemeinen können wir gegenüber den mannig-
fachen Anlässen zur Zerstörung des alten Literatur-
bestandes immerhin noch zufrieden sein mit dem, was
uns das Schicksal erhalten hat. Es war gewiß kein bloßer
Zufall, daß Ghrysipp, der Vielschreiber, der Vergessen-
heit anheimfiel, Piaton aber uns erhalten blieb.
Was also unsern Diogenes betrifft, so hat er alle seine
Konkurrenten aus dem Felde geschlagen. Wir dürfen so-
nach mit einiger Sicherheit sagen, daß, mag er auch vreder
eine Leuchte der Wissenschaft noch überhaupt ein her-
vorragender Geist gewesen sein, er doch ein. der Welt zu-
sagendes Werk geschaffen hat. Sein Buch gehört nicht
zu jenen schlechten Büchern, in Beziehung auf die Les-
smg sagte, kein Buch sei so schlecht, daß man aus ihm
nicht doch dieses oder jenes lernen könnte. Es bedarf
keiner Nachsicht, sondern fordert an erster Stelle zur
Dankbarkeit auf für das Viele, was uns ohne es verloren
wäre. Man durchblättere es: welche reiche Fülle des
Inhalts verbunden mit welcher Mannigfaltigkeit des Ge-
botenen! Eine stattliche Galerie hervorragender Cha-
rakterköpfe, eine Versammlung der tonangebenden geisti-
gen Lenker des geistvollsten Volkes der Erde, Männer
von kräftigster Eigenart, hier eine Gruppe, würdevoll,
imponierend, streng, ja wenn es not tut, grausam gegen
sich selbst, dort eine andere, geistreich, lebensfroh bis zu
frivoler Genußsucht, dabei aber doch in gewissem Sinne
über die Nichtigkeiten des Erdenlebens erhaben, weiter-
hin mehr vereinzelt stehende bizarre Naturen bis fast an
die Grenze der Karrikatur, kurz Geisteshelden und Son-
derlinge aller Art, interessant durchweg und jeder von
ihnen Vertreter einer besonderen Geistes- und Lebens-
richtung. Und ihre Schicksale, wie' mannigfach und
teilweis ergreifend zugleich und erhebend. Daneben hei-
tere Büder des Lebens, des Straßen- und Markttreibens,
der Begegnungen nicht nur an Fürstenhöfen, sondern
auch in Wirtshäusern oder am Brunnen, Schilderungen
von Reisen und Seefahrten. Szenen aus dem Schulleben
Einleitung.
XXIII
der einzelnen Sekten, aus dem Privatleben der Philo-
sophen, aus Palästen und Hütten bis herab zu den Stätten
der Unzucht. Und das alles nie ohne die Würze des
geistvollen, schlagfertigen Witzes, der fast nie eine Ant-
wort schuldig bleibt, und wo dies einmal der Fall ist, zu
einem tragischen Ende führt (II 112). Das Ganze eine
Wanderung vom Himmel durch die Welt zur Hölle, nur
nicht in einfach regelrechtem Zuge, sondern so, daß die
Büder kaleidoskopartig wechseln,, rasch überspringend
von dem einen Gebiet auf das andere.
Ein gewisser Reiz liegt ferner auch in dem belebenden
Wechsel zwischen anschaulichen Lebensschilderungen
und den dogmatischen oder lehrhaften Partien. Zu diesen
rechne ich nicht nur die im eigentlichen Sinne doxo-
graphischen Stücke, die nur zum Teil (vor allem die
stoische und die skeptische Lehre) von Wert sind, son-
dern auch die Spruchweisheit der Philosophen, die einen
sehr ansehnlichen Teil des Ganzen ausmacht und dem
Buche auch über das Interesse der bloßen Unterhaltung
und Belehrung hinaus einen gewissen erzieherischen
Wert verleiht. Denn welche Fülle erprobter Lebensweis-
heit liegt in diesen Aussprüchen der großen griechischen
Denker geborgen und wie gewinnen sie noch ab und zu
durch den Eindruck der persönlichen Anlässe, durch die
sie, sei es angeblich sei es tatsächlich, hervorgerufen
wurden.
Das alles sind Momente, die dem Buch für ein gebil-
detes Publikum aller Zeiten seine Wirksamkeit sichern.
Für uns Leser von heute gesellt sich dazu noch das
philologische Interesse an all den literarischen Fragen,
zu denen der reiche Inhalt des Werkes Anlaß gibt. Da-
von braucht aber hier weiter nicht die Rede zu sein.
Denn für den Philologen ist des Diogenes Buch keine Neu-
heit; er bedarf keiner Übersetzung, wogegen die gebil-
dete Laienwelt mit Recht eine solche verlangen darf, da
die einzige vollständige, die wir besitzen, dem Anfang des
vorigen Jahrhunderts angehört. „Wer Vieles bringt, wird
manchem etwas bringen." Das gilt gewiß von unserem
XXIV
Einleitung.
Buch, wie bereits oben angedeutet. Gleich der Eingang des
Werkes wird die sinnigen Leser zu nicht uninteressanten
Betrachtungen anregen über die Wanderungs- und
Wandelungsfähigkeit anekdotenartiger Erzählungen
(Dreifußgeschichte) und ihm zugleich einen Begriff geben
von der Fabulierlust der Griechen. Die durchschlagende
Kraft der Spruch Weisheit wird ihre Wirkung auf ihn so
wenig verfehlen, wie auf den antiken Leser, denn die
Lebensweisheit bleibt im Grunde immer dieselbe, wie die
Menschen immer dieselben bleiben. Die Charakterbilder
der Philosophen werden bei dem einen Leser diese, bei
dem andern jene verwandte Saite seiner Seele erklingen
lassen, und was die nicht philologischen Studierten be-
träft, so wird der Jurist nicht ohne Gewinn ein Buch in
die Hand nehmen, das uns als einzige derartige Quelle
aus dem Altertum die Testamente einer ganzen Beihe von
Philosophen im Wortlaute bietet. Niemand wird es dem
Leser übel nehmen, wenn er manches ganz übergeht,
manches mehr mit dem Finger als mit dem Auge liest:
die Bücherlisten wird er eben nur durchblättern und
vielleicht auch manches aus den doxographischen Pal-
lien. Was dagegen die zahlreichen poetischen Beigaben an-
langt, so wird er gewiß vieles, was aus Tragikern, Ko-
mikern, den Sillographen, Kallimachos und anderen
stammt, nicht ohne Interesse lesen. Was aber die eige-
nen Beiträge des Diogenes betrifft, so wird er in schul-
diger Bücksicht auf das viele Interessante, das ihm Dio-
genes geboten, sich diese unschuldigen Blüten einer dürf-
tigen Phantasie gern gefallen lassen, wie man sich das
Unkraut am Bande des Kornfeldes gern gefallen läßt,
zumal wenn, wie in unserem Falle, ab und zu unter dem
Unkraut auch ein anschuldiges Adonisröschen sich birgt.
Literaturübersicht.
XXV
Übersicht über die Literatur.
Die erste vollständige Ausgabe — einzelne Partien wäret*
schon früher in den Aldinischen Ausgaben des Aristoteles und
Theophrast erschienen — ist die B a s e 1 e r Ausgabe von 1533
aus der Druckerei des Hieronymus Fr oben und Nikolaus
Episkopius, daher Frobeniana oder Basileensis genannt. Eine
lateinische Übersetzung, ein Werk des Kamaldulenser Mönchs,
und nachherigen Generals seines Ordens Ambrosius
Civenius, war schon vorher erschienen, Venedig 1475, auch
Nürnberg 1476 und 1479. Es folgten:
Laertii Diogenis de vita et moribus philosophorum libri
decem opera Joannis Sambuci Tirnaviensis
Pannonii. Antwerpiae. Ex officina Plantini 1566.
Diogenes Laertius. Gr. et lat. cum notis ed. H. S t e p h a -
n u s. Paris 1570. 2 Tom.
Diogenes Laertius. Gr. et lat. cum J. Casauboni notis multo
auctior. Ed. H. Stephanus. (Zweite Ausgabe.)
Paris 1593. Die dritte Ausgabe erschien Genf 1615.
Allen diesen Ausgaben ist die lateinische Übersetzung
des Ambrosius in z. T. verbesserter Form beigegeben.
Diogenes Laertius. Gr. et lat. ed. Th. et Petr. Aldo-
brandinus. Rom 1594.
Diogenes Laertius. Cum J. Casauboni aliorumque notis ed.
M e n a g i u s. London 1664.
Diogenes Laertius. Gr. et lat. ed. M. Meibomius.
Amsterdam 1692. 1693. 2 Voll. (Prachtausgabe in
Folio.)
Diogenes Laertius. Gr. et lat. ed. P. D. Longo litis
Chur 1791.
Diogenes Laertius. Ed. H. G. H ii b n e r. 2 Voll. Lpz. 1828.
1831.
Diogenes Laertius. Edit. stereotypa (Tauchnitiana) Lpz.
2 Bde. 1833. Dann mehrfach wiederholt.
Diogenis Laertii libri decem. Ree. C. G. C o b e t. Paris
1850 (Didotiana).
Das zehnte Buch ist besonders herausgegeben mit lat.
Ubersetzung von P. Gassen di, Leyden 1649 und von C.
XXVI
Literattiriibersicht.
Nürnberger, Nürnberg 1791, 1808 und von H. U s e n e r in
den Epicurea, Lpz. 1887.
Von deutschen Übersetzungen gibt es nur eine
vollständige, nämlich die von August Borheck, Wien und Präs
1807 (auch Leipzig 1809). Die Übersetzung von J. F. und P. L.
S n e 1 1 , Oießen 1806, gibt nur Auszüge. Ebenso die neuerdings
unter dem Titel „Titanen und Philosophen nach Diogenes
Laertius" erschienene von Anna Kolle, Charlottenburg s. a.
Das zehnte Buch ist für sich übersetzt und textkritisch be-
handelt worden von A. Kochalsky, Lpz. 1914.
Erläuterungsschriften.
Arndt, W. Emendationes Epicureae. Diss. Berlin 1913.
Arnim, J. v. Fragmenta Stoicorum. 3 Voll. Lpz. 1905.
Bahnsch, F. Quaest. de Diog. L. fontibus. Königsberg 1868.
B e r g k , Th. Comment. crit. spec. II. IV. Marburg 1844—1847.
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Breitenbach, H., und Genossen. Diog. vita Plat. rec.
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(Darin auch Rohde über den Burbonicus.)
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Üj^V^ifl Literaturübersicht.
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fC6\ s¥ft 3 , ,1 J ( . ,J Animadversiones in Diog. L. S. Diels.
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R ! i tSW/fc 'Opusc. I 185 (zu I 16).
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R o h d e , E. ,K1. Sehr. I 208. II 102 ff.
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Ros.e, Y n Hermes I (1866) 367—97.
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SGh-a^eT&r^tjy Diog. L. prooemio. Diss. Lpz. 1877. 50 S.
St h nfi d3°, !< H. «tttöia Laertiana. Bonn 1906. 43 S.
:h.midt, L.,PhilnL 40 (1881) 383—84 zu Diog. L. VI 16.
stfn-gYtfbr^JiSQFD. Diog. L. und der Engländer Burley.
In.Wolfs Literar. Analektea 2. Bd. Berlin 1820. p. 227— 255.
S feh-#aP^!, ».'"AffläffiBrlicher Artikel über Diog. L. in Pauly-
Wissowa RealencyK^pädie.
S u s e m i h 1 , F^vtpm, L. VII 1—12. 24—29. Jahrb. f. cl.
, Phüol, 125W88W MP%890). Rhein. Mus. 1871. 1887. 1891.
Tannery.J*. Vie d'Eudoxe d'apräs Diog. L. Traduction. 1893.
tenWW MäMtaThe<bhr. Diss. Bonn 1858.
— Enjcurea., Lpz. 1887.
■^^irifflfe tKi 1 FP'p W2. p. 1023 ff.
^vOöfallybri^ de Diog. L. Prgr. Breslau
1 1890. II 1895., .llV.ba .
WilamowiW Ö?8 U ' ^Hitel-.' Unters. III (Antigonos v.
•ai'lKarystWlVs^ffH .01 rrms
— Hermes 34, 629 ff. Epistola ad MaaBium.
ptm v Wü'Cbee!afcnoBesianä der philos. Schulen in Athen.
Abh. d. Ak. d. W. Berlin 1842. Philol. hist. Kl. 27—119.
,Sö81 nihsH .oilav/ißO o,
nyitoernodiaM iab nl) .J .soiCI bß es
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(.euoinodiuS mb isdii sbiloM ifo
.I6S— TIS (0T8I) 5S-.H0IS (QÖ8I)
Erstes Buch.
Einleitung (Prooemium).
Die Entwicklung der Philosophie hat, wie manche
behaupten, ihren Anfang bei den Barbaren genommen.
So hatten die Perser ihre Magier, die Babylonier und
Assyrer ihre Chaldäer, die Inder ihre Gymnosophisten,
die Kelten und Gallier ihre sogenannten Druiden und
Semnotheen, wie Aristoteles in seinem Buche „Magi-
kos" ) und Sotion in dem dreiundzwanzigsten Buch
seiner „Sukzession der Philosophen (Diadoche)" berichtet.
Ochos soll: ein Phönizier, Zamolxis ein Thraker und
Atlas ein Libyer gewesen sein. Geben doch auch die
Ägypter den Hephaistos, den sie für den Urheber der
Philosophie halten, für einen Sohn des Nilstroms aus,
und diejenigen, die über der Philosophie walten, seien
eben seine Priester und Propheten.
Von da bis zu Alexander dem Makedonerkönig sollen
48 863 Jahre verflossen sein. Im Verlaufe dieser Zeit
soll es 373 Sonnen- und 832 Mondfinsternisse gegeben
haben. Von den Magiern ab aber, deren erster der
Perser Zoroaster gewesen sein soll, bis zum Falle von
Troja rechnet der Platoniker Hermodoros 2 ) in seinem
Buche von den Wissenschaften 5000 Jahre, der Lyder
Xanthos von Zoroaster bis zum Übergänge des Xerxes
über den Hellespont 6000 Jahre; danach, sagte er, hätte
es noch eine lange Reihe von Magiern gegeben, die ein-
ander ablösten, Ostanes und Astrapsychos, Gobryas
und Pazatas, bis zur Auflösung des Perserreiches
durch Alexander. Indes man täuscht sich und legt
fälschlich den Barbaren die Leistungen der Griechen
A p e 1 1 , Diogenes Laertins. i
Einleitung.
bei; denn die Griechen waren es. die nicht nur mit der
Philosophie, sondern mit der Bildung des Menschen-
geschlechtes überhaupt den Anfang gemacht haben.
Hat doch Musaios seine Heimat bei den Athenern und
Linos bei den Thebanern. Den ersteren nennt man
einen Sohn des Eumolpos und bezeichnet ihn als den
Verfasser eines Gedichtes von der Theogonie und von
der Himmelskugel. Ihm schreibt man den Ausspruch
zu: Alles entstehe aus Einem und löse sich in das Näm-
liche wieder auf. Er soll iseinen Tod in Phaleron ge-
funden haben, und auf seinem Grabmal soll folgende
Aufschrift zu lesen gewesen sein:
Schaue das Grab! es birgt des Eumolpos Sohn, den Musaios;
Hier auf Phalerischer Flur ruhet, was sterblich an ihm.
Vom Vater des Musaios leiten auch die Eumolpiden
in Athen ihren Namen her. Linos aber soll ein Sohn
des Hermes und der Muse Urania sein. Er soll eine
Kosmogonie gedichtet haben mit Schilderungen des
Laufes von Sonne und Mond und der Erschaffung der
lebenden Wesen sowie der Früchte. Der Anfang dieses
seines Gedichtes lautet folgendermaßen:
Einstmals war eine Zeit, wo alles zugleich ward erschaffen.
Daraus entnahm Anaxagoras sein Wort von dem ur-
sprünglichen Zusammensein aller Dinge und von dem
Hinzutritt des Geistes, der sie ordnete. Linos soll in
Euböa gestorben sein, getroffen vom Pfeil des Apol-
lon. 3 ) Seine Grabschrift soll gelautet haben:
Hier ruht Linos aus Theben gebürtig, Uranias Sprößling,
Die, mit Kränzen geschmückt, himmlischer Ehren genießt.
So hat denn die Philosophie ihren Ursprung bei den
Griechen, und auch ihr Name schon weist jede Ge-
meinschaft mit den Barbaren entschieden von sich ab.
Indes diejenigen, die den Ursprung der Philosophie
auf die Barbaren zurückführen, berufen sich auf den
Thraker Orpheus, indem sie ihn für einen Philosophen
erklären, und zw r ar für den ältesten. Allein ich weiß
I 3-7.
3
nicht, ob man einen Mann, der sich über die Götter in
so lästerlichen Reden erging, einen Philosophen nennen
darf, noch weiß ich 4 ) überhaupt, welche Bezeichnung
man für den ausfindig machen soll, der den Göttern
den ganzen Schwärm menschlicher Leidenschaften ohne
jede Scheu und Schonung andichtet, selbst solche Un-
züchtigkeiten, die nur selten von ein oder dem anderen
Menschen, sogar mit dem Stimmorgan, begangen wer-
den. Den Orpheus läßt denn die Sage durch die Wut
von Weibern umkommen, wogegen seine Grabschrift
zu Dion in Makedonien ihn durch Blitzschlag sterben
läßt. Sie lautet:
Hier begruben die Mus#n den Thrakischen Sänger, den Orpheus,
Mit seinem flammenden Pfeil traf ihn der waltende Zeus.
6 Die Anwälte des barbarischen Ursprungs der
Philosophie weisen auch noch hin auf die besonderen
Gestaltungen der Philosophie bei jedem einzelnen dieser
Volker. Sie behaupten, die Gymnosophisten und Drui-
den zielten in einer rätselhaften Sprechweise dahin,
man solle die Götter ehren, nichts Böses tun und sich
der Tapferkeit befleißigen. Was wenigstens die Gymno-
sophisten betrifft, so behauptet Kleitarchos im zwölften
Buch (seines Lebens Alexanders d. Gr.), sie verachteten
selbst den Tod, während die Ghaldäer sich mit Astro-
nomie und Sterndeutern befaßten; die Magier aber be-
fleißigten sich des Gottesdienstes, der Opfer und Ge-
bete, überzeugt, daß sie allein erhört würden, auch
gäben sie Auskunft über Wesen und Werden der
Götter, die aus Feuer, Erde und Wasser bestünden;
von Götterbildern aber wollten sie nichts wissen, und
am allerwenigsten von der Unterscheidung zwischen
7 männlichen und weiblichen Gottheiten. Über das Wesen
der Gerechtigkeit suchten sie ins klare zu kommen und
hielten die Feuerbestattung für gottlos; für erlaubt da-
gegen halten sie den geschlechtlichen Verkehr mit
Mutter und Tochter, wie Sotion im 23. Buch (der Dia-
dochae) schreibt. Auch befaßten sie sich mit der Seher-
1*
4
Einleitung.
kunst und der Prophetie, sogar unter der Versiche-
rung, daß ihnen die Götter leibhaftig erschienen. Auch
sei das Luftreich voll von Gebilden, die infolge der Aus-
dünstung sich in sanftem Flusse den Blicken der
Scharfsichtigen mitteilten. Auffälligen Putz und gol-
denen Schmuck untersagten sie. Ihr Gewand war weiß,
ihr Ruhebett war der Boden, ihre Nahrung Kohl, Käse
und grobes Brot, ihr Stock ein Rohrstengel, mit dem
sie — iso sagt er 5 ) — den Käse anspießten, um Bissen
davon sich zu Munde zu führen. Zauberspuk kannten
sie überhaupt nicht, wie Aristoteles in seinem „Magi- 8
kos" behauptet und Deinon im 5. Buch seiner Ge-
schichtsforschungen. 6 ) Dieser meint auch, aus der
Deutung seines Namens ergäbe sich* daß Zoroaster ein
Sternpriester sei. Die nämliche Behauptung findet sich
auch bei Hermodor. Aristoteles aber erklärt im 1. Buch
seines Werkes über Philosophie, die Magier seien sogar
älter als die Ägypter; es gebe nach ihnen zwei Ur-
gründe, eine gute Gottheit und eine böse, die eine heiße
Zeus und Oromastes (Ormuzd), die andere Hades und
Areimanios (Ariman). Die nämliche Behauptung findet
sich bei Hermippos, 7 ) im 1. Buch über die Magier und
bei Eudoxos 8 ) in dem Buche „Periodos" und bei Theo-
pomp im 8. Buch seiner Philippika. Dieser behauptet 9
sogar, nach dem Glauben der Magier würden die
Menschen zu neuem Leben erwachen und unsterblich
sein, und das All der Dinge würde infolge der Kreis-
bewegungen immer dasselbe bleiben. 9 ) Dies berichtet
auch der Rhodier Eudemos. Hekataios ferner meint,
nach ihnen seien auch die Götter gewordene Wesen,
und Klearch, der Solier, versichert in seinem Buche
über Erziehung, auch die Gymnosophisten seien ihrem
Ursprung nach auf die Magier zurückzuführen. Einige
behaupten das Nämliche auch von den Juden. Außer-
dem sind die Geschichtsschreiber, die über die Magier
berichten, sehr ungehalten über Herodot; denn weder
habe Xerxes seine Geschosse gegen die Sonne gerichtet,
noch habe er Ketten ins Meer hinabgelassen; denn das
I 7-12.
5
seien den Magiern zufolge Gottheiten; mit Götter-
bildern freilich wollten sie aus guten Gründen nichts
zu schaffen haben.
10 Was aber die Philosophie der Ägypter anlange, so
stünde es mit den Vorstellungen über die Götter und
über die Gerechtigkeit folgendermaßen. Ihrer Behaup-
tung zufolge ist der Urgrund die Masse (Materie) ; aus
ihr haben sich die vier Elemente ausgeschieden und
haben sich lebende Wesen gebildet. Ihre Götter, sagt
man, sind Sonne und Mond, erstere Osiris genannt,
letzterer Isis. Auf sie deuten sie in rätselartigen Be-
zügen hin durch den Käfer (den sogenannten Skara-
bäus) sowie durch eine Schlangenart und den Geier
und andere Tiere, wie Manetho in seinem Abriß über
Naturkunde berichtet und Hekataios in dem 1. Buch
über die ägyptische Philosophie. Sie errichten Götter-
bilder und Heiligtümer, da man ja die Gestalt der Gott-
heit nicht kenne. 10 ) Das Weltganze erklären sie für er-
schaffen und vergänglich und kugelförmig; die Sterne
11 für Feuer, durch deren wohltemperierte Wärme alles
Wachstum auf Erden erzeugt werde. Der Mond,
meinen sie, verfinstere sich durch das Eintreten in den
Erdschatten. Die Seele überlebe den Körper und
wandere in andere Leiber. Regengüsse seien eine Folge
des jeweiligen Luftwechsels. Auch über die weiteren
Naturerscheinungen stellen sie ihre Betrachtungen an,
wie Hekataios und Aristagoras 11 ) berichten. Auch über
die Gerechtigkeit stellten sie Leitsätze auf, die sie auf
Hermes zurückführten; und die nützlichsten Tiere
sahen sie für göttliche Wesen an. Sie selbst erklären
sich für die Erfinder der Geometrie, Astrologie (Astro-
nomie) und Arithmetik. So steht es mit ihren Erfin-
dungen. •
12 Den Namen Philosophie brachte zuerst Pythagoras
auf und nannte sich selbst einen Philosophen in dem
Gespräch, das er in Sikyon mit Leon, dem Tyrannen
von Sikyon oder Fhlius, führte, wie Herakleides, der
Pontier, in seinem Buche über die entseelte Frau be-
6
Einleitung.
hauptet; denn kein Mensch sei weise, sondern nur die
Gottheit. Ehedem wurde, was jetzt Philosophie heißt,
vielmehr Weisheit genannt, und ein Weiser hieß, wer
sich mit ihr berufsmäßig beschäftigte, also ein durch
besondere Geistesschärfe hervorragender Mann, wäh-
lend Philosoph nur einen Liebhaber der Weisheit be-
zeichnet. Die Weisen wurden aber auch Sophisten ge-
nannt, und nicht nur sie, sondern auch die Dichter,
wie denn Kratinos in den Archilochern in seinen 13
Lobesworten auf Homer und Hesiod sie so nennt.
Für weise aber galten folgende Männer: Thaies,
Solon, Periander, Kleobulos, Chilon, Bias, Pittakos. Zu-
gezählt werden ihnen Anacharsis der Skythe, Myson
von Chen, Pherekydes von Syros und Epimenides von
Kreta; von einigen auch noch der Tyrann Peisistratos.
Das wären denn die Weisen.
Die Philosophie aber hat zwei Ausgangspunkte, den
einen von Anaximander, den andern von Pythagoras.
Der erstere war ein Schüler des Thaies, Pythagoras da-
gegen hatte sich dem Pherekydes angeschlossen. Die
eine Schule wurde die ionische genannt, weil Tha-
ies, ein Ionier, — er war nämlich Mifesier — des Ana-
ximander Lehrer war; die andere die i t a 1 i s c h e von
Pythagoras her, weil er sich meist in Italien aufhielt.
Es endigt aber die erstere, die ionische, mit Kleito- 14
machos und Chrysippos und Theophrastos, die italische
mit Epikur. Denn auf Thaies folgen nacheinander
Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos,
Sokrates, der Begründer der Ethik, auf ihn dann die
Sokratiker und unter ihnen vor allem Piaton der
Stifter der alten Akademie; auf diesen folgen dann
Speusippos und Xenokrates, sodann Polemon, weiter
Krantor und Krates, auf diesen Arkesilaos. der Be-
gründer der mittleren Akademie; sodann Lakydes der
die neuere Akademie ins Leben rief; ihm folgte Kar-
neades und diesem Kleitomachos. So bildet denn Kleito-
machos den Schluß dieser Beihe. 12 )
Der Abschluß mit Chrysippos vollzieht sich in fol- |
5
I 12 17.
16
17
gender Reihe: auf Sokrates folgt Antisthenes, auf diesen
Diogenes der Hund, auf diesen Krates von Theben, auf
diesen Zenon von Kittion, auf diesen Kleanthes, auf
diesen Chrysippos.
Die auf Theophrast führende Reihe ist folgende: aui
Piaton folgt Aristoteles, auf diesen Theophrastos. So
endigt denn die ionische Schule.
Die italische aber zeigt folgenden Verlauf: auf
Pherekydes folgt Pythagoras, auf diesen sein Sohn
Telauges, auf ihn Xenophanes, auf ihn Parmenides.
auf ihn Zenon von Elea, auf ihn Leukrppos, auf ihn
Demokritos; auf diesen dann eine ganze Anzahl, unter
ihnen vor allen namhaft Nausiphanes und Naukydes,
an die sich Epikur anschließt. Für die hierhergehorigen
Philosophen sind zwei Richtungen zu unterscheiden:
die Dogmatiker und die Ephektiker 13 ) (Skeptiker).
Unter den Dogmatikern sind alle diejenigen zu ver-
stehen, die von der Voraussetzung ausgehen, daß
die Dinge unserm Verstände erfaßbar sind; unter den
Ephektikern alle diejenigen, welche mit ihrem Urteil
zurückhalten in der Voraussetzung, daß die Dinge für
unsern Verstand unfaßbar sind. Unter ihnen gab es
solche, die Schriften hinterließen, während andere über-
haupt nichts schrieben, wie nach der Meinung einiger
Sokrates, Stilpon, Philippos, Menedemos, Pyrrhon,
Theodoros, Karneades, Bryson, nach einigen auch
Pythagoras, Ariston aus Ghios, abgesehen von einigen
wenigen Briefen. Andere verfaßten nur je eine Schrift
wie Melissos, Parmenides, Anaxagoras, wogegen Zenon
(der Eleate?) viele, Xenophanes noch mehr verfaßte,
noch mehr Demokriit, noch mehr Aristoteles und noch
mehr Epikur und Chrysipp.
Ihre Namen haben die philosophischen Sekten nach
verschiedenen Gesichtspunkten erhalten; die einen
sind genannt worden nach ihren Heimatstädten; so
die Eher, die Megariker, die Eretrier und die Kyre-
naiker; andere nach ihren Lehrstätten : so die Akade-
miker und Stoiker; wieder andere nach zufälligen Um-
-
8 i Einleitung.
ständen: so die Peripatetiker. Auch boshafter Spott
konnte mitsprechen: so bei den Kynikern (den Hün-
dischen); bei andern wieder war es die Gemütsver-
fassung, die für den Namen den Ausschlag gab, so bei
den Eudaimonikern (den Befürwortern der Glückselig-
keit), bei andern auch der Hinweis auf eine gewisse
Eitelkeit, wie bei den Philalethen (Wahrheitslieb-
habern) und Elenktikern (Widerlegungsmeistern) und
Analogetikern (Analogiebeflissenen); noch andere be-
nannte man nach ihren Lehrern wie die Sokratiker
und Epikureer und sonstige. Was aber den Gehalt
ihres Philosophierens anlangt, so werden die mit den
Naturerscheinungen sich Beschäftigenden Physiker ge-
nannt, diejenigen, die es mit der Unterweisung für sitt-
liche Bildung zu tun haben, Ethiker (Sittenlehrer) und
die, welche sich mit wortklauberischer Begriffsbearbei-
tiing abgeben, Dialektiker.
Was die Teile der Philosophie anlangt, so unter- 18
scheidet man deren drei: Physik, Ethik und Dialektik.
Die Physik handelt von dem Weltganzen und dem, was
in ihm ist; die Ethik von der Lebensführung und dem,
was uns Menschen betrifft; die Dialektik endlich be-
handelt eingehend die begrifflichen Verhältnisse für
beide Gebiete.
Die Dichtung auf das physische Gebiet herrscht bis
auf Archelaos; mit Sokrates, wie schon früher bemerkt,
trat die Wendung zur Ethik ein, mit Zenon, dem Ele-
aten, die Wendung zur Dialektik. Der ethischen Sekten
gibt es zehn: die akademische, die kyrenaische, die
elische, die megarische, die kynische, die eretrische, die
dialektische, die peripatetische, die stoische, die epiku-
reische. Der Vorsteher der alten Akademie war Piaton, 19
der mittleren Arkesilaos, der neuen Lakydes. Vor-
steher der kyrenaisehen Sekte war zuerst Aristipp aus
Kyrene, der elischen Phaidon aus Elis, der megarischen
^ukleides aus Megara, der kynischen Antisthenes aus
Athen, der eretrischen Menedemos aus Eretria, der
dialektischen Kleitomachos aus Karthago, der peripate-
I 17-21.
9
tischen Aristoteles aus Stageira, der stoischen Zenon
aus Kittion; die epikureische trägt den Namen ihres
Stifters seihst. Übrigens vertritt Hippobotos in seiner
Schrift über die Sekten die Ansicht, es gebe nur neun
Sekten und Lebensrichtungen: erstens die megarische,
zweitens die eretrische, drittens die kyrenaisehe, vier-
tens die epikureische, fünftens die annikereische,
sechstens die theodoreische, siebentens die zenonische
oder stoische, achtens die alte akademische, neuntens
20 die peripatetische. Von einer kynischen ist bei ihm
ebensowenig die Rede wie von einer elischen und dia-
lektischen. Denn mit der pyrrhonischen Sekte wollen
die meisten überhaupt nichts zu tun haben wegen ihres
Mangels an Klarheit und Deutlichkeit; einige aller-
dings behaupten, in gewisser Hinsicht sei sie eine
Sekte, in anderer wieder nicht. Was ihr den Schein
einer solchen gibt, ist folgendes: Sekte nennen wir eine
solche Gemeinschaft, die einer bestimmten Auffassung
im Anschluß an das jeweilig Erscheinende folgt oder
zu folgen scheint; und hiernach können wir die Skep-
tiker mit vollem Recht eine Sekte nennen. Denken wir
uns aber unter einer Sekte eine Gemeinschaft, die sich
an feste Lehrsätze hält, welche in voller Überein-
stimmung miteinander stehen, dann paßt der Name
Sekte nicht mehr auf sie; denn sie hat keine (verbind-
lichen) Lehrsätze. So viel also von den Prinzipien, von
den Sukzessionsreihen, von den Teilen der Philosophie
21 und von ihren Sekten. Übrigens tat sich erst vor
kurzem noch eine eklektische Sekte auf unter Führung
des Potamon aus Alexandreia, der sich aus den Lehren
aller Sekten auswählte, was ihm gefiel. 14 ) Er ist, wie er
in seinem Lehrbuch erklärt, der Ansicht, daß es Krite-
rien der Wahrheit gibt: erstens die Geisteskraft, von
der das Urteil ausgeht; sie ist die leitende Macht; so-
dann das Mittel, durch welches die Wirkung erzielt
wird, und das ist die denkbar deutlichste Vorstellung.
Prinzipien für die Gesamtheit der Dinge seien, meint
er, die Masse (Materie) und das Bewirkende, die Quali-
10
Einleitung.
tat und der Raum. Denn sie stellen das Woraus dar
und das Wodurch und das Wie und das Worin. End-
zweck aber, auf den alles sich bezieht, sei ein in jeder
Beziehung vollendet tugendhaftes Leben, nicht ohne die
Ausstattung mit den naturgemäßen körperlichen sowie
äußeren Gütern. Nunmehr aber soll die Rede sein von
den Männern selbst, und zwar zuerst von Thaies.
I 21 2Z
I 1
Erstes Buch.
Erstes Kapitel.
Thaies. 640—562 v. Chr.
22 Des Thaies Vater war, wie Herodot, üuris und
Demokrit berichten, Examyos, seine Mutter Kleobulina
aus dem Hause der Theliden, eines phönizischen Ge-
schlechtes von höchstem Ansehen, das von Kadmos und
Agenor abstammte. Er gehörte zu den sieben Weisen, 15 )
wie auch Piaton bezeugt. Er war der erste, dem man
den Namen eines Weisem gab zur Zeit des athenischen
Archonten Damasias. Während dessen Archontats
(582 v. Chr.) kam es auch zur Feststellung der Sieben-
zahl der sogenannten Weisen, wie Demetrios, der Pha-
lereer, in seinem Verzeichnis der Archonten berichtet.
In die Bürgerliste von Milet ward er eingetragen, als
er dort in Begleitung des aus Phönizien verbannten
Neileos (Neleus, vgl. III 1) eintraf, doch behaupten
die meisten, er sei geborener Milesier gewesen aus vor-
23 nehmem Hause. Zunächst politisch tätig, wandte er
sich dann der Naturbetrachtung zu, hinterließ aber
einigen zufolge nichts Schriftliches. Denn die ihm
zugeschriebene Sternkunde für Seefahrer soll ein Werk
v des Samiers Phokos sein. Kallimachos aber kennt ihn
ab Entdecker 18 ) des kleinen Bärengestirns, worauf er
mit folgenden Jamben hinweist:
Man sagt, des Wagens Sternchen hat er auch entdeckt.
Die Führer auf der See für die Phönizier,
12
Thaies.
Nach einigen hat er zwei Schriften verfaßt und
nicht mehr, nämlich über die Sonnenwenden und über
die Tag- und Nachtgleichen, überzeugt, daß das Übrige
für den Verstand unfaßbar sei. Nach einigen ist er
der erste, der sich mit Sternkunde befaßt und Sonnen-
finsternisse und Wendezeiten vorausgesagt habe, wie
Eudemos in seiner Geschichte der Astronomie be-
richtet, weshalb ihn denn auch Xenophanes und Hero-
dot (I 74) bewundern. Es bezeugen dies auch Hera-
klit (Frg. 38 Diels) und Demokrit (Frg. 115a).
Einige bezeichnen ihn auch als ersten Vertreter 24
der Ansicht, daß die Seele unsterblich sei. Zu diesen
gehört der Dichter Choirilos. Thaies war es, der zu-
erst den Sonnenlauf von Wendekreis zu Wendekreis
feststellte, wie er denn nach einigen auch das Größen-
verhältnis der Sonne zum Sonnenkreise und so auch
das Verhältnis des Mondes zum Mondkreise dahin be-
stimmte, daß es das von 1:720 sei. 17 ) Er war es auch,
der zuerst den letzten Tag des Monats den dreißigsten
nannte. Nach einigen legte er auch den Grund zur
Naturphilosophie.
Aristoteles 18 ) und Hippias berichten, er denke sich
auch das Leblose beseelt, eine Ansicht, zu der ihn die
Beobachtung des Magnetsteines und des Bernsteines
führte. In der Geometrie ein Schüler der Ägypter hat
er, wie Pamphile berichtet, zuerst das rechtwinklige
Dreieck in den Kreis (Halbkreis) eingetragen und
daraufhin einen Stier geopfert. Andere schreiben dies 25
dem Pythagoras zu; zu ihnen gehört der Mathematiker
(der rechenkundige) Apollodor. 10 ) Er (Thaies) för-
derte sehr erheblich die Entdeckungen, die, wie Kalli-
machos m seinem jambischen Gedicht sagt, der Phryger
Euphorbos gemacht hatte, wie z. B. die sogenannten
Skalen (ungleichseitige rechtwinklige Dreiecke) und
l!äcM ") Uberbaupt und was zur Theor ie der Linien
Auch auf staatsmännischem Gebiet scheint er treff-
lich beschlagen gewesen zu sein. So wußte er es zu
I 23-27.
13
verhindern, daß das Bündnis zustande kam, um das
sich Kroisos durch eine Gesandtschaft an die Milesier
bemühte. Das rettete später, nach dem Siege des Kyros,
den Staat. Und er selbst behauptet, 21 ) wie Herakleides
berichtet, er sei menschenscheu und ein Sonderling
26 gewesen. Einige lassen ihn auch verheiratet und Vater
eines Sohnes namens Kybisthos sein. Nach anderen
dagegen ist er unverheiratet geblieben und hat den
Sohn seiner Schwester adoptiert. Auf die Frage, war-
um er auf den Kindersegen verzichte, soll er erwidert
haben: „Aus Liebe zu den Kindern." Gegen das
Drängen auf Verheiratung von Seiten seiner Mutter
soll er sich zur Wehr gesetzt haben mit den Worten:
„Noch ist es nicht Zeit dazu," und als sie ihn bei vor-
geschrittenem Alter heftiger bestürmte, soll er entgegnet
haben: „Nun ist die Zeit dazu vorüber." Ferner be-
richtet der Rhodier Hieronymos in dem 2. Buch seiner
vermischten Denkwürdigkeiten, er habe, um den Be-
weis zu liefern, daß es gar kein Kunststück sei reich
zu werden, in Voraussicht einer reichen Ölfruchternte
alle Ölpressen gemietet und dadurch ein enormes Ver-
mögen gewonnen.
27 Für den Urgrund aller Dinge erklärte er das
Wasser. Die Welt hielt er für beseelt und für erfüllt i
von göttlichen Wesen. Er soll zuerst die genaue
Scheidung der Jahreszeiten aufgebracht und das Jahr
in 365 Tage eingeteüt haben. Und zwar war er im |
Grunde Autodidakt, nur daß er eine Reise nach
Ägypten machte, wo er in engen Verkehr mit den
Priestern trat. Auch berichtet Hieronymos, er habe
die Höhe der Pyramiden gemessen vermittelst ihres
Schattens, den er genau in dem Zeitpunkt abmaß, wo
unser Schatten und unser Leib die gleiche Länge
haben. 22 ) In Milet stand er in engem Verkehr mit
Thrasybul, dem Herrscher von Milet, wie Minyes be-
richtet. Allbekannt ist ferner die Geschichte von dem
Dreifuß, der, von Fischern aus dem Meere gezogen,
von dem Volke der Milesier an die (sieben) Weisen
Thaies.
überwiesen ward. Man erzählt nämlich, einige ionische 28
Jünglinge hätten milesischen Fischern einen Fischzug
abgekauft. Als dabei der Dreifuß zu Tage kam, erhob
sich ein Streit darüber, der erst geschlichtet ward, als
die Milesier darüber das Orakel zu Delphi befragten.
Die Antwort des Gottes lautete folgendermaßen:
Bürger Milets, du befragst den Phoibos über den Dreifuß?
Wer der Weiseste ist, dem gebührt, so sag' ich, der Dreifuß.
So wird er denn dem Thaies überreicht. Dieser
übergibt ihn einem andern der sieben Weisen, und
dieser wieder einem andern bis auf Solon. Dieser aber
erklärte für den Weisesten den Gott und sandte den
Dreifuß nach Delphi. Kallimachos stellt die Sache in
seinen Jamben anders dar und zwar so, wie er sie bei
dem Milesier Maiandrios geschildert fand. Danach
hat ein gewisser Bathykles, ein Arkadier, eine Schale
hinterlassen mit der Anweisung, sie dem Trefflichsten
unter den Weisen zu überreichen. So ward sie dem
Thaies überwiesen; aus dessen Hand wanderte sie
reihum von einem Weisen zum andern und kam so
wieder zurück an Thaies. Dieser aber sandte sie an 29
den didymäischen Apollon mit folgenden Begleitversen
nach Kallimachos: 23 )
Als Ehrenpreis empfing mich Thaies schon zweimal;
Jetzt soll ich an das hehre Haupt Athens kommen.
In Prosa lautet es so: „Der Milesier Thaies, des
Examyos Sohn, weiht dem delphinischen Apollon dies
Ehrengeschenk der Hellenen, das er zweimal empfangen
hat." Der Überbringer der Schale, der Sohn des i
Bathykles, hieß Thyrion, wie Eleusis in seinem Buch
über Achilles sagt und Alexander, der Myndier im
9 Buch seiner mythischen Erzählungen. Eud'oxos
aber, der Knidier, und Euanthes, der Milesier be-
richten, einer von den Freunden des Kroisos habe von
dem Konig ein goldenes Trinkgefäß erhalten um es
dem Weisesten unter den Griechen zu überreichen, 30
dieser aber habe es dem Thaies überreicht; durch diesen
1 28 32.
LS
sei es weiterhin an Ghüon gelangt, der den pythischen
Gott befragt habe, wer weiser sei als er. Die Antwort
habe gelautet: „Myson." Über ihn soll seines Orts ge-
handelt werden. (Diesen setzt Eudoxos an die Stelle des
Kleobulos, Piaton [Prot. 343 A] an die Stelle des Pe-
riander.) Über ihn gab denn der Pythier folgende
Auskunft:
Myson in Chen am Oeta ist besser als du, so behaupt* ich,
Ausgerüstet mit 5 Geist zu hohem Flug der Gedanken.
Zum Fragen beauftragt war Anacharsis. Dagegen
berichten der Platoniker Daimachos und Klearchos,
die Schale sei von Kroisos an Pittakos gesandt und so
in Umlauf gesetzt worden. Andron wiederum be-
hauptet in seinem Buch „Der Dreifuß", die Argiver
hätten dem Weisesten der Hellenen einen Dreifuß als
Tugendpreis bestimmt, und als solcher sei Aristo demos
in Sparta anerkannt worden; dieser habe ihn an Chilon
31 abgetreten. Es gedenkt des Aristodemos auch Alkaios
in folgenden Versen [Fr. 50 Bergk"] :
So hat denn, wie es heißt, Aristodamos
In Sparta einst ein treffend Wort gesprochen :
Geld macht den Mann, vergebens
Sucht man nach einem armen Ehrenmann.
Einige erzählen, es sei von Periander an den mile-
sischen Tyrannen Thrasybul ein reich beladenes Last-
schiff gesandt worden. Dies habe bei Kos Schiffbruch
gelitten und einige Zeit darauf sei von einigen Fischern
der Dreifuß hervorgezogen worden. Phanodikos da-
gegen behauptet, er sei in der Nähe von Athen im
Meere gefunden, in die Stadt gebracht und auf Be-
schluß der Volksversammlung dem Bias übersandt
32 worden. Den Grund werden wir in dem Abschnitt über
Bias mitteilen. 24 ) Wieder andere behaupten, der Drei-
fuß sei ein Werk des Hephaistos und vom Gott dem
Pelops als Hochzeitsgeschenk dargereicht worden; dar-
auf sei er an den Menelaos gekommen, sei dann mit-
samt der Helena von Paris geraubt und von der Lako-
16
Thaies.
nerin in das koische Meer geworfen worden mit den
Worten: „Das wird der Grund zu vielem Streite
werden." Als späterhin Leute aus Lebedos den
Fischern dort einen Fang abkauften, sei auch der Drei-
fuß mit in ihre Hände gekommen. Darüber seien sie
mit den Fischern in Streit geraten, bis sie nach Kos
gekommen; und da sie es hier zu keiner Entscheidung
brachten, erstatteten sie Meldung an ihre Mutterstadt
Milet. Die Milesier schickten nun eine Gesandtschaft
nach Kos, wurden abgewiesen und überzogen die Koer
mit Krieg. Nach starkem Verlust an Menschenleben
auf beiden Seiten verkündete ihnen ein Orakelspruch,
sie sollten den Dreifuß dem Weisesten überreichen.
Beide Parteien einigten sich auf Thaies, dieser aber
weihte ihn nach vollzogenem Umlauf (bei den Sieben)
dem didymäischen Apollon. Der Spruch an die Koer 33
lautete so:
Nicht wird enden der Streit der Meroper und der Ioner,
Bis das Werk des Hephäst, der Dreifuß von Qold, der versenkte
Euerer Stadt entzogen ins Haus des Mannes gelangt ist,
Der mit Schärfe erkennt was ist, was kommt, was gewesen.
Der Spruch an die Müesier aber lautete:
Bürger Milets, du befrägst den Phoibos über den Dreifuß?
Die Fortsetzung ist oben schon mitgeteilt (I 28).
Darüber soviel.
Hermippos in seinen Lebensbeschreibungen über-
trägt einen von manchen dem Sokrates zugeschriebe-
nen Ausspruch auf den Thaies. Er legt ihm nämlich
das Wort bei: Drei Dinge sind es, die mich dem Schick-
sal zu Dank verpflichten: erstens, daß ich als Mensch
zur Welt kam und nicht als Tier; zweitens, daß ich ein
Mann ward und nicht ein Weib; drittens, daß ich ein
Hellene bm und nicht ein Barbar. Ferner läuft fol-
gende Erzählung von ihm um: Als er einst, um die- 34
Sterne zu beobachten, begleitet von einem alten Weib
seine Wohnung verließ, fiel er in eine Grube. Da rief
dem Aufschreienden das Weib die Worte zu- Du
I 32—36.
17
kannst nicht sehen, Thaies, was dir vor Füßen liegt,
und wähnst zu erkennen, was am Himmel ist?" Von
seinen astronomischen Forschungen übrigens hat auch
Timon 20 ) Kenntnis, und er lobt ihn darob mit folgen-
den Worten [Frg. 23 Diels] :
Zu den Weisen, den Sieben, zählt Thaies, als kundig der Sterne.
Was Thaies schriftlich hinterlassen hat, beläuft
sich nach Lobon von Arges 20 ) auf zweihundert
Verse. Sein Bildnis soll folgende Inschrift getragen
haben:
Ihn, den Thaies, erwies als ältesten Kenner der Sternwelt
Seine Mutter Milet, diese ionische Stadt.
Zu seinen poetischen Sprüchen sollen folgende ge-
35 hören:
Schwatzhafter Rede entstammt niemals verständige Meinung,
eines, was weise ist, suche;
Eines, was trefflich ist, wähle.
Oar mancher geschwätzigen Menschen lose Zungen wirst du
verstopfen.
Als Aussprüche von ihm sind folgende bekannt: Das
älteste der Wesen ist Gott, der unerzeugte; das
schönste die Welt, das Werk Gottes, das größte der
Raum, der allumfassende, das schnellste der Geist, der
alles durchdringende; das stärkste die Notwendigkeit,
die alles beherrschende, das weiseste die Zeit, die alles
erfindende. Der Tod, sagte er, unterscheide sich nicht
vom Leben. „Warum also," erwiderte ihm einer,
„stirbst du nicht?" Darauf er: „Eben weil es keinen
Unterschied macht." Auf die Frage, die einer an ihn
richtete, was früher entstanden sei, die Nacht oder der
36 Tag, erwiderte er: „Die Nacht um einen Tag früher." 27 )
Es fragte ihn jemand, ob der Mensch sich bei frevel-
hafter Tat dem Auge Gottes entziehen könne. „Nein,"
erwiderte er, „selbst nicht bei bloßer Absicht dazu."
Einem Ehebrecher, der fragte, ob er seine Unschuld be-
schwören dürfe, antwortete er: „Meineid ist nicht
schlimmer als Ehebruch." Weitere Fragen und Ant-
A p e 1 t , Diogenes Laertills. ?
18
Thaies.
worten: Was ist schwer? „Sich selbst erkennen." Was
leicht? „Einem andern einen Rat erteilen." Was das
Willkommenste? „Sein Ziel erreichen." W r as das Gött-
liche? „Was weder Anfang noch Ende hat." Was hast
du Erstaunliches 28 ) gesehen? „Einen greisen Tyrannen."
Wie kann man ein Mißgeschick am leichtesten tragen?
„Wenn man die Feinde in schlimmer Lage sieht." Wie
kann man am besten und gerechtesten leben? „Wenn
wir, was wir an andern tadeln, selber nicht tun." Wer
ist glücklich? „Wer gesunden Leibes, vom Schicksal be- 37
günstigt und mit trefflicher Seelenbildung ausgerüstet
ist." Ferner: Sei eingedenk der Freunde, der anwesen-
den wie der abwesenden. Suche nicht äußerüch zu
glänzen, sondern durch Streben und Tat Wohlgefallen
zu erwecken. Suche nicht auf verwerfliche Weise reich
zu werden. Mache dich keines Vertrauensbruches schul-
dig gegen solche, die dir in Treue verbunden waren.
Was du an Unterstützungen deinen Eltern hast zuteil
werden lassen, das darfst du auch von deinen Kindern
erwarten. — Das Anschwellen des Nils erklärte er als
Wirkung der Passatwinde, die, in ihrer Richtung der
Strömung entgegengesetzt, diese zurückdrängen.
Apollodor setzt in seinen Chronika die Geburt des
Thaies in das erste Jahr der 35. Olympiade (640 v.
Chr.). 29 ) Er starb in einem Alter von 78 Jahren oder, 38
wie Sosikrates sagt, von 90 Jahren. Denn er sei ge-
storben in der 58. Olympiade (548/545 v. Chr.) und
sei ein Zeitgenosse des Kroisos, dem er auch den
Übergang über den Halys ohne Drücke zu ermöglichen
versprochen habe durch Ablenkung des Stromes.
Es hat auch noch andere Männer des Namens Thaies
gegeben, wie der Magnesier Demetrius in seinen Homo-
nymen (Ruch über gleichnamige Dichter und Schrift-
steller) sagt, und zwar sind es fünf: erstens ein kalla-
tinischer Rhetor, eitel und gefallsüchtig; sodann ein
Maler aus Sikyon, ein geistvoller Mann; drittens ein
Mann der ältesten Zeit, Zeitgenosse des Hesiod, Homer
und Lykurg; viertens der, dessen Duris in seinem Werk
I 36—41. 19
über Malerei gedenkt; fünftens ein jüngerer und wenig
bekannter, den auch Dionysios in seinen „Kritika" er-
wähnt.
39 Unser Thaies also, der Weise, starb, als er einem
gymnischen Wettkampf zuschaute, infolge der Hitze,
des Durstes und der Altersschwäche, denn er stand
bereits in hohen Jahren. Seine Grabschrift lautet fol-
gendermaßen:
Schaue dies winzige Grab — doch es reicht der Ruhm bis zum
Himmel —
Thaies, der weiseste Mann, schläft hier den ewigen Schlaf.
Auch von mir gibt es ein Epigramm auf ihn im ersten
Buch meiner Epigramme oder Vermischten Gedichte.
Es lautet:
Einem Wettkampf wohnte er bei, o strahlender Herrscher,
Als du von dannen ihn riefst, Thaies, den Weisen, den Greis.
Dank dir! Du hast ihn entführt in deine Nähe; er konnte
Von dieser Erde nicht mehr schauen das Sternengezelt.
40 Von ihm stammt das „Erkenne dich selbst" her,
das Antisthenes in seinen „Philosophenfolgen (Dia-
dochae)" der Phemonoe zuschreibt; von ihr habe es
Ghilon sich zu eigen gemacht.
Über die sieben Weisen — denn es ziemt sich hier
im allgemeinen auch ihrer zu gedenken — liegen fol-
gende Überlieferungen vor. Dämon aus Kyrene, der
Verfasser des Buches über die Philosophen, macht alle
herunter, besonders aber die Sieben. Anaximenes rech-
net sie alle zur Gattung der Dichter. Dikaiarch erklärt
sie weder für Weise noch für Philosophen, wohl aber
für kluge und zur Gesetzgebung befähigte Männer.
Archetimos aus Syrakus hat ihre Zusammenkunft beim
Kypselos geschildert, der er selbst beigewohnt haben
wiE; Ephoros ihre Zusammenkunft bei Kroisos, wo
nur Thaies fehlte. Manche wollen auch von einer Zu-
sammenkunft in Panionion sowie in Korinth und in
41 Delphi wissen. Was ihre Kernsprüche anlangt, so
gehen die Ansichten darüber gleichfalls sehr ausein-
ander, indem der nämliche Spruch bald diesem, bald
2*
20
Thaies.
wieder jenem zugeschrieben wird. So z. B. [Diels Frg.
d. V. 2 616, 7]:
Cliilon war es, von Sparta, der Weise, der folgendes sagte:
Nimmer zu sehr. Es gefällt alles zur richtigen Zeit.
Auch über ihre Zahl ist man in Zwiespalt. Lean-
drios (Maiandrios) setzt an die Stelle des Kleobulos
und des Myson den Leophantos, des Gorgias 30 ) Sohn
aus Lebedos oder Ephesos, und den Epimenides aus
Kreta; Piaton im Protagoras (343 A) den Myson an
die Stelle des Periander; Ephoros den Anacharsis an
die Stelle des Myson. Andere rechnen auch den Pytha-
goras zu ihnen. Dikaiarch nennt vier als völlig sicher:
Thaies, Bias, Pittakos, Solon; außerdem nennt er noch
sechs, nämlich Aristodemos, Pamphylos, Ghilon den
Lakedaimonier, Kleobulos, Anacharsis, Periander, von
denen er dreien den Vorzug gibt. Einige fügen noch
den Akusilaos, des Kabas oder Skabras Sohn aus Argos
bei. Hermippos aber in seinem Buch über die Weisen 42
führt nicht weniger als siebzehn auf, aus denen der
eine diese, der andere jene Auswahl treffe; es seien
dies Solon, Thaies, Pittakos, Bias, Ghilon, Myson, Kleo-
bulos, Periander, Anacharsis, Akusilaos, Epimenides,
Leophantos, Pherekydes, Aristodemos, Pythagoras,
Lasos, der Sohn des Gharmantides oder Sisymbrinos
oder nach Aristoxenos des Ghabrinos aus Hermione,
endlich Anaxagoras. Hippobotos dagegen führt in
seinem Verzeichnis der Philosophen folgende auf: Or-
pheus, Linos, Solon, Periander, Anacharsis, Kleobulos,
Myson, Thaies, Bias, Pittakos, Epieharmos, Pythogoras.
Es sind von Thaies auch folgende (unechte) Briefe in
Umlauf:
Thaies an Pherekydes.
Wie ich höre, trägst du dich, als erster von den 43
Iouiern, mit der Absicht, dich öffentlich vor den
Griechen in einer Schrift über die göttlichen Dinge
vernehmen zu lassen. Und vielleicht tust du ganz recht
daran, durch eine Schrift die Sache lieber zum Ge-
I 41—44.
21
meingut zu machen als sie ohne eigentlichen Nutzen
irgend welchen beliebigen Leuten anzuvertrauen. Ist es
dir also recht, so will ich als Hörer mich von dem
unterrichten lassen, worüber du schreibst; und gibst
du mir deinen Willen kund, so will ich zu dir nach
Syros kommen. Denn wir, ich und Solon von Athen,
müßten doch alles Verstandes bar sein, wenn wir, die
wir seinerzeit nach Kreta gefahren sind, um uns über
die dortigen Verhältnisse zu unterrichten, sodann nach
Ägypten, um mit den dortigen Priestern und Astrono-
men zu verkehren, es unterlassen wollten, uns zu dir zu
44 begeben. Denn auch Solon wird sich bei dir einfinden,
wenn du es erlaubst. Kommst du ja doch, von Heimat-
liebe festgehalten, nur selten nach Ionien und fühlst
dich nicht hingezogen zum Verkehr mit fremden
Männern, sondern lebst, wie ich annehme, ganz der Ar-
beit an deiner Schrift, als deiner einzigen Beschäfti-
gung. Wir dagegen, von Beruf keine Schriftsteller,
durchwandern Griechenland und Asien.
Thaies an Solon.
Wenn du Athen verläßt, wirst du, wie mir scheint,
deinen Wohnsitz am passendsten in Milet aufschlagen.
Ist doch Milet eine Kolonie von euch; du hast also hier
nichts Schlimmes zu befürchten. Wenn du es aber
schwer empfindest, daß auch wir Milesier einem
Tyrannen Untertan sind — denn dir sind alle Gewalt-
haber verhaßt — so würde es dir doch eine Freude
sein, mit uns, deinen Genossen, zusammenzuleben. Auch
Bias hat dir geschrieben, du möchtest nach Priene
kommen. W enn du dieser Stadt als Wohnort den Vor-
zug gibst, so werden auch wir unsern Wohnsitz neben
dir aufschlagen.
■%
22
Saint.
ZweitesKapitel.
Solon. &35— 559 v. Chr.
Solon. des Exekestides Sohn, führte als erste Maß- 45
regel für Neuordnung des athenischen Staates die so-
genannte Seisaehthie (Schuldenabsehüttlung) ein. Das
war eine Befreiung von Leibeigenschaft und eine Siche-
rung des Besitzes. Denn man erborgte Geld unter
Preisgabe seiner Freiheit, und zahlreiche Bürger be-
gaben sich aus drückender Armut in eine Art Sklaven-
dienst So hatte er als Gläubiger eine Summe von
sieben Talenten zu fordern, die sein Vater ausgeliehen
hatte. Er war der erste, der diese Schuldenmasse er-
ließ, indem er die übrigen aufforderte seinem Beispiel
zu folgen. Das darauf bezügliche Gesetz ward Sei-
saehthie genannt; warum, erklärt sich nun von selbst.
Dann gab er seine übrigen Gesetze, die im einzelnen
aufzuzählen zu weit führen würde. Diese ließ er auf
hölzernen Tafeln öffentlich ausstellen. Seine größte
Tat war die Wiedergewinnung von Salamis. Da näm- 46
lieh um dieses, sein Vaterland, Athen und Megara mit-
einander in Streit lagen, wobei die Athener im Kampfe
vielfach im Nachteil blieben, war es zu einem Volks-
beschluß gekommen, es solle jeder, der zum Kampfe
um Salamis riete, mit dem Tode bestraft werden. Da
stellte sich denn Solon wahnsinnig und stürzte, mit
einem Kranze geschmückt, auf den Markt Dort ließ
er den Athenern durch einen Herold seine auf Salamis
bezüglichen Elegien vorlesen und wußte sie dermaßen
aufzustacheln, daß sie den Kampf gegen die Megarer
wieder aufnahmen. So gewannen sie durch Solon den
Krieg. Die Verse aber, die den Athenern am wirk- 47
samsten das Gewissen schärften, waren folgende:
Lieber möchte ich stammen von einer der kleinen Kykladen,
Tauschen ein anderes Land gegen mein Heimatgefild ;
Denn alsbald wird die Kunde sich unter den Menschen verbreiten :
Schauet den attischen Mann, ihn, der aus Salamis floh.
T 45-49. 23
Und weiter:
Auf! nach Salamis jetzt, zum Kampf um die liebliche Insel!
Von der belastenden Schuld gilt es jetzt uns zu befrein.
Er überredete sie auch, den thrakischen Chersones in
48 Besitz zu nehmen. Um aber den Schein zu vermeiden,
lediglich mit Gewalt und nicht auf Grund gerechten
Anspruches Salamis wiedergewonnen zu haben, ließ er
eine Anzahl von Grabstätten offenlegen, um den augen-
scheinlichen Beweis zu liefern, daß die Leiber in der
Richtung nach Sonnenaufgang gebettet lagen ganz
gemäß der bei den Athenern üblichen Bestattungs-
weise. Und nicht genug damit, wies er auch nach, daß
die Gräber selbst nach Osten gerichtet waren und daß
sich die Namen der Bemen (Gaue, Bezirke), denen ein
jeder angehörte, nach eigenartig athenischem Brauch
in Stein gehauen darin vorfanden.
Einige behaupten, er sei es gewesen, der in dem
Homerischen Schiffskatalog hinter dem Vers (Tl. 2,
557)
Aias führte daher zwölf Schiffe vom Salamisstrande
den weiteren Vers eingefügt habe:
Stellte sie dann, wo in Reih'n der Athener Schar sich- geordnet.
Von da ab war das Volk ihm so herzlich zugetan,
daß es ihn sogar als Tyrannen sich gern hätte gefallen
49 lassen. Boch er wollte nichts davon wissen und suchte
sogar, wie Sosikrates sagt, den Peisistratos, seinen
Verwandten, dessen Absichten er ahnte, mit aller Kraft
davon abzubringen. Er stürzte mit Speer und Schild
in die Volksversammlung und tat ihr den Anschlag des
Peisistratos kund; und damit nicht genug, erklärte er
sich auch bereit, ihnen beizustehen mit folgenden
Worten: „Athener, die einen von euch übertreffe ich an
Klugheit, die andern an Tapferkeit; an Klugheit die.
welche den Trug des Peisistratos nicht merkten, an
Tapferkeit die, welche es zwar merkten, aber aus
Furcht schwiegen." Barauf erklärte der Rat, dem
24
Solon.
Peisistratos zugetan, ihn für wahnsinnig, worauf er
erwiderte:
f Kurze Zeit und es wird mein Wahn sich allen enthüllen,
Wenn sich die Warhheit den Weg freimacht für jedermanns
Blick.
Die Verse aber, in denen er die Alleinherrschaft des 50
Peisistratos voraussagte, lauteten folgendermaßen:
Aus der Wolke ergießt sich Schneegestöber und Hagel,
Und auf den flammenden Blitz folget das Donnergebrüll;
Kraftvoller Männer Gewalt unterjocht sich die Städte; die Bürger.
Blind gegen alle Gefahr, fallen der Knechtschaft anheim.
Doch ohne Wirkung verhallten seine Worte. Schon
war Peisistratos im Besitze der Macht; da legte Solon
seine Waffen vor der Halle der Feldherrn nieder mit
den Worten: „Armes Vaterland, mit Wort und Tat habe
ich dir gedient." Alsbald segelte er gen Ägypten und
nach Kypros und gelangte darauf zum Kroisos. Von
diesem befragt, wer in seinen Augen glücklich sei, ant-
wortete er: „Tellos, der Athener, und Kleobis und
Biton" und was sonst noch in jedermanns Munde ist.
Es erzählten einige, Kroisos habe sich in vollem 51
Schmuck auf seinem Thron niedergelassen und ihn
gefragt, ob er je ein ^schöneres Schauspiel erblickt.
„Allerdings," erwiderte er, „Hofhähne, Fasanen und
Pfauen, denn sie strahlen im Glänze natürlichen
Schmuckes, der tausendmal schöner ist." Von da ging
die Reise nach Kilikien. Dort gründete er eine Stadt
die er nach seinem eigenen Namen Soli nannte In sie
nahm er eine Anzahl Athener als Kolonisten auf, die
im Verlaufe der Zeit ihrer Muttersprache entfremdet
wurden, so daß man ihre Mundart mit dem Ausdruck
„Solözismus" (aoXoixtfsiv, <joXoixiqj.o?) bezeichnete Und
zwar wurden sie selbst Solenser genannt, während
die Bewohner des kyprischen Soli Solier hießen. Als er
die Kunde von der bereits befestigten Tyrannenherr-
sciiaft des Peisistratos erhielt, richtete er folgende
Verse an die Athener:
I 49—54.
25
52 Seid ihr in Trauer verfallen durch eigne Feigheit, so messet
Euer Unglück und Leid nicht den Unsterblichen bei.
Ihr selbst habt sie erhoben, seid ihnen Bürgen gewesen,
Euere eigene Schuld hat euch zu Knechten gemacht.
Jeder von euch ist schlau wie der Fuchs für den eigenen Vorteil.
Gilt es das Ganze, so ist jede Besinnung dahin.
Nur der Zunge gebt ihr den Wert, der schillernden Rede;
Gilt es die Tat, so hat keiner ein Auge dafür.
So Solon. Peisistratos aber richtete an den Flücht-
ling folgendes Schreiben (unecht):
Peisistratos an Solon.
53 Ich bin nicht der einzige Hellene, der auf Allein-
herrschaft ausging, auch war es für mich nichts Un-
gebührliches, denn ich stamme aus Kodros' Haus. Ich
habe nur wieder an mich gebracht, was die Athener
uns Kodriden entrissen hatten ungeachtet ihres Eides,
sie würden es dem Kodros und seinem Hause immerdar
erhalten. Was das übrige anlangt, so weiß ich mich
frei von jeder Schuld gegen Götter und Menschen. Die
Athener dürfen ah Bürger mit meiner Erlaubnis ganz
nach den Gesetzen leben, die du ihnen gegeben. Und
sie fahren besser dabei als bei demokratischer Ver-
fassung, denn keiner darf sich Mißhandltingen gegen
andere erlauben. Auch bringt mir meine Alleinherr-
schaft keinen Vorteil an Würde und Ehre; es verbleibt
vielmehr bei dem, was die früheren Könige an recht-
lich festgesetzten Ehrengaben erhielten. Im übrigen
führt jeder Athener den zehnten Teil seines Frucht-
ertrages ab. nicht etwa für mich,' sondern zur Ver-
wendung für öffentliche Opfer und sonstige gemein-
nützige Zwecke, sowie für den Fall, daß kriegerische
54 Ereignisse eintreten. Dir aber mache ich keinen Vor-
wurf darüber, daß du meine Absicht den Bürgern auf-
gedeckt hast. Denn du tatest das mehr aus Liebe zur
Bürgerschaft, als aus Haß gegen mich; zudem machtest
du dir eine fälsche Vorstellung von der Art meiner
künftigen Herrschaff. Denn hättest du davon richtige
26
Solon.
Kunde gehabt, so würdest du dick leicht mit der poli-
tischen Neugestaltung abgefunden und nicht die Flucht
ergriffen haben. Kehre also zurück in die Heimat in
dem vollen Vertrauen, daß auch ohne Eidschwur dem
Solon von Peisistratos kein Leid widerfahren wird.
Denn wisse, daß auch sonst keinem meiner Feinde ein
Leid widerfahren ist. Entschließt du dich dazu, in den
Kreis meiner Freunde einzutreten, so wirst du zu den
Geschätztesten gehören; denn in dir ist, dessen bin ich
gewiß, kein Lug und Trug. Willst du es aber mit
deinem Umgang in Athen anders halten, so sei das
deinem Gutdünken überlassen. Nur sollst du meinet-
wegen nicht auf deine Heimat verzichten.
So Peisistratos.
Solon bezeichnet als Grenze des menschlichen Lebens 55
das siebzigste Jahr. In der Gesetzgebung hat er, wie
es scheint, die trefflichsten Regeln aufgestellt: Gewährt
einer seinen Eltern nicht den nötigen Unterhalt, so soll
er für ehrlos erklärt wenden, ebenso wer das väter-
liche Gut verschleudert. Und den Faulenzer soll jeder
Beliebige zur gerichtlichen Verantwortung ziehen
dürfen. Lysias sagt in seiner Rede gegen Nikias,
Drakon habe dies Gesetz entworfen, Solon habe es ge-
geben. Ferner, wer sich der Unzucht ergibt, soll von
der Rednerbühne ausgeschlossen sein. Auch die Aus-
zeichnungen der Athleten im Wettkampf setzte er auf
ein bescheidenes Maß herab. Wer in Olympia siegte,
sollte 500 Drachmen bekommen, wer auf dem Isthmos,
100 Drachmen, und in gleichem Verhältnis die übrigen.
Denn es zieme sich nicht, auf diese alle möglichen
Ehren zu häufen: das sei nur statthaft für die im
Kriege Gefallenen, deren Söhne denn auch auf öffent-
liche Kosten unterhalten und erzogen werden müßten.
Das war ein wirksamer Antrieb zu trefflicher Haltung 56
der Rürger im Kriege. Man denke an Polyzelos, an
Kynaigeiros, an Kallimachos und alle die Marathon-
kämpfer; ferner an Harmodios und Aristogeiton, an
Miltiades und zahllose andere. Die Athleten dagegen
I 54—58.
27
erfordern nicht nur während ihrer Übungszeit einen
großen Aufwand, sondern bringen auch als Sieger nur
Schaden; denn mehr zum Nachteil des Vaterlandes als
ihrer Gegenkämpfer werden sie mit Kränzen ge-
schmückt. Und sind sie Greise geworden, ......
So scheiden sie als abgenutzte Leute aus,
wie Euripides sagt. 81 ) Das war dem Solon klar und
darum verfuhr er in ihrer Ehrung mit größerer Spar-
samkeit. Besonders trefflich ist auch folgende Gesetzes-
bestimmung: Kein Vormund darf sich mit der Mutter
der Waisenkinder in ein Liebesverhältnis einlassen,
ebensowenig darf der, welchem das Vermögen im Falle
des Todes der Waisen zufällt, ihr Vormund werden.
57 Bemerkenswert ist auch folgendes Gesetz: Kein Siegel-
stecher darf das Muster Siegel des verkauften Ringes
bei sich behalten. Und: Schlägt jemand einem, der
nur ein Auge hat, dieses aus, so sollen ihm beide
ausgeschlagen werden. Und: Was du nicht nieder-
gelegt hast, das darfst du auch nicht wegnehmen, 82 )
sonst trifft dich der Tod. Und: Wird ein Archont im
Zustand der Trunkenheit betroffen, so ist die Strafe
dafür der Tod.
Die homerischen Gedichte sollten nach einer seiner
Gesetzesbestimmungen in der gehörigen Reihenfolge
von den Rhapsoden vorgetragen werden; wo der erste
abgebrochen, da sollte der nächste mit der Erzählung
fortfahren. Solon also tat für das Verständnis Homers
mehr als Peisistratos, wie Dieuchidas im 5. Buch seiner
Megarika sagt. Das bezieht sich vor allem auf den
Vers (II 546) „Dann, die Athenä bewohnt" und die
folgenden. Den dreißigsten Tag des Monats nannte er
zuerst svirjv xai vsav (den alten und neuen). 88 ) Auch ver-
58 anlaßte er zuerst das (regelmäßige) Zusammentreten
der neun Archonten zu gemeinsamer Besprechung, wie
Apollodoros im 2. Buche über die Gesetzgeber sagt. Als
aber die große Spaltung eintrat, hielt er es weder mit
den Städtern, noch mit den Pediäern, noch mit den
•
28 Solon.
Paraliern. Von ihm rührt auch der Spruch her, die
Rede sei ein Bild der Taten, und König sei der an
Macht Stärkste. Die Gesetze, so sagte er, gleichen den
Spinngeweben; denn fällt etwas Leichtes und Schwaches
hinein, so wird es festgehalten, wenn aber etwas
Größeres, dann schlägt es durch und kommt heil davon.
Die Rede, sagte er, sei durch Schweigen zu besiegeln,
das Schweigen aber durch die Zeit. Die, welche bei 59
den . T J rannen m Ansehen stehen, verglich er mit den
Steintäfelchen, wie sie bei den Zahlenberechnungen üb-
lich sind; denn auch bei diesen bedeutet ein jedes bald
mehr, bald weniger; ebenso halten es die Tyrannen mit
ihren Günstlingen: sie erheben sie bald zu Macht und
Glanz, bald erniedrigen sie sie zur Ehrlosigkeit. Auf
die Frage, warum er kein Gesetz gegeben hätte gegen
den Vatermord, erwiderte er: „Weil ich ihn für un-
möglich hielt," und auf die Frage, wie es zu erreichen
wäre, daß die Menschen so wenig als möglich Unrecht
taten: „Wenn sie Unrecht, das andere erlitten, so
empfanden, als wäre es ihnen selbst angetan." Ferner:
.Die Sättigung wird durch den Reichtum erzeugt, der
Frevelmut aber durch die Sättigung." Er hielt die
Athener dazu an, sich mit den Tagen nach dem Monde
zu richten. Dem Thespis untersagte er Tragödien auf-
zufuhren und einzuüben; denn das sei nichts als nutz-
w Jt^u 1 - ? nd als Peisis t™tos sich selbst eine 60
Wunde beibrachte, sagte er: „Das ist die Frucht solcher
iCf a- eU f ab er ' wie A P°»odor in seinem
Buch über die Sekten der Philosophen sagt, folgende
Ratschlage: Halte die Tugendhaftigkeit für zuver-
lässiger als den Eid. Lüge nicht. Bemühe dich eifrig
hTJ? \ ^ Sc J Heße nicht rasch Freundschaft;
hast du aber Freunde gewonnen, so stoße sie nicht
Ä V W ^ i f'f ^ h r SChe ' wenn du ^horchen
gelernt hast. Rate nicht das Angenehmste, sondern
das Beste. Mache die Vernunft zu deiner Führerin
. ld * d .? n Umgang mit Schlechten. Ehre die Götter
sei ehrfürchtig gegen deine Eltern. '
I
I 58-62.
29
Man sagt auch, er habe gegen die Verse des
Mimnerimos [Frg. 6 Bergk]:
Träf doch als Sechzigjährigen mich das Verhängnis des Todes,
Ohne Krankheit und Schmerz, ohne bekümmernde Pein,
61 seine Mißbilligung geäußert in folgenden Zeilen an ihn:
Weigerst du mir nicht alles Vertraun, so streich diese Worte,
Nimm mir nicht übel, daß ich besser Bescheid davon weiß.
Ändere, Meister des Sanges 34 ), den Vers und schreibe wie folgt ihn:
Träf doch im achtzigsten Jahr mich mit" dem Pfeile der Qott.
Zu seinen dichterischen Leistungen gehört auch
die folgende:
Sei scharf auf der Hut gegen jeglichen Mann, t.
Sieh zu, ob er Haß im Herzen nicht trägt,
Wenn er freundlichen Blicks dich umschmeichelt,
Und ob seine Stimme nicht zweizüngig ist
Und aus finsterer Brust sich emporhebt.
Was er schriftlich hinterlassen, besteht vor allem
bekanntlich aus seinen Gesetzen, sodann aus seinen
Volksreden, seinen Mahnungen an sich selbst, seinen
Elegien über Salamis und den athenischen Staat, fünf-
tausend Zeilen, ferner aus den Jamben und Epoden.
62 Die Inschrift auf seinem Bildnis lautet folgendermaßen:
Salamis, einst die Stätte, wo persischer Hochmut dahinsank,
Hat den Solon zum Sohn, der das Qesetzeswerk schuf.
Seine Blütezeit war die 46, Olympiade, in deren
drittem Jahr (594 v. Chr.) er Archont in Athen war, wie
Sosikrates sagt, und das ist auch das Jahr seiner Gesetz-
gebung. Er starb in Kypros im Alter von achtzig Jahren,
tl nd zwar gab er den Seinigen den Auftrag, seine Gebeine
nach Salamis zu bringen und nach der Einäscherung die
Asche über die Flur auszustreuen. Daher läßt ihn denn
auch Kratinos in seinen Cheironen folgende Worte
sprechen :
Die Insel ist mein Wohnplatz, wie die Rede geht.
Bin ich doch ausgestreut ringsum auf Aias' Land.
30
Solon.
Auch von mir gibt es ein Epigramm auf ihn in der 63
schon genannten Sammlung meiner vermischten Ge-
dichte, wo ich mich über alle verstorbenen berühmten
Männer in allen möglichen Versmaßen und Rhythmen,
in Epigrammen und Liedern habe vernehmen lassen.
Es lautet folgendermaßen :
Solons leibliche Hülle verschwand im kyprischen Feuer,
Salamis birgt sein Qebein, Ähren entwuchsen dem Staub.
Rasch entfloh seine Seele zum Himmel; seine Gesetze
Waren den Bürgern Athens eine erfreuliche Last.
Als Spruch von ihm gilt das Wort: Nimmer zu sehr!
Auch berichtet Dioskurides in seinen Denkwürdigkeiten
folgendes: als er über den Tod seines Sohnes — von
dem wir sonst nichts wissen — weinte und einer zu ihm
sagte: „Damit erreichst du nichts," so erwiderte er:
„Eben deshalb weine ich, weil ich nichts erreiche."
Auch folgende (gefälschte) Briefe gibt es von ihm:
Du teilst mir mit, daß viele dir nach dem Leben 64
trachten. Trägst du dich nun mit der Absicht, dich
ihrer aller zu entledigen, so wirst du nicht zum Ziel
gelangen. Es stellt dir ja doch auch mancher Unver-
dächtige nach, der eine aus Furcht für sich selbst, der
andere ays Verachtung gegen dich, weil es schlechthin
nichts gibt, wovor du nicht Angst hättest. Ja, es würde
sich einer Dank verdienen von seilen des Staates, wenn
er die Stunden ausfindig machen könnte, wo du frei
bist von Argwohn. 3 ') Das Beste wäre es also, du legtest
die Herrschaft nieder, womit der Grund zu aller Furcht
beseitigt wäre. Bestehst du aber durchaus auf der
Herrschaft, so mußt du darauf bedacht sein, dir Aus-
lander in größerer Zahl als Eingeborene zu deinem
Schutze heranzuziehen. Dann wird niemand dir
furchtbar sein und du brauchst niemanden mehr zu
verbannen.
Solon an Periander.
I 63—66.
31
Solon an Epimenides.
So sollten denn weder meine Gesetze den Athenern
viel Nutzen bringen, noch hast du ihrem Staat durch
dein Sühneverfahren wesentlichen Nidzen geschaffen.
Weder Religion noch Gesetzgeber können, rein auf sich
selbst gestellt, den Staaten aufhelfen; das können nur
diejenigen, welche die Volksmassen je nach ihrem Gut-
dünken dahin und dorthin zu leiten verstehen. Dem-
gemäß sind denn auch Religion sowohl wie Gesetze nur
dann von Nutzen, wenn diese Leitung eine gute ist; ist
65 sie schlecht, dann sind sie nutzlos. So sind auch meine
Gesetze und was ich für die Gesetzgebung getan, nicht
förderlich gewesen; dagegen haben die, welche in der
Handhabung der Gesetze sich schlaff erwiesen, das Ge-
meinwesen geschädigt, sie, die dem Peisistratos nicht
entgegentraten, als er die Hand nach der Herrscher-
macht ausstreckte. Mir aber und meiner Voraussage
glaubte man nicht. Ihm schenkte man mehr Vertrauen,
denn er schmeichelte den Athenern, während ich ihnen
die Wahrheit sagte. Ich also legte meine Waffen vor-
der Feldherrnhalle nieder mit den Worten, ich sei
klüger als die, welche nicht merkten, daß Peisistratos
nach der Tyrannis strebe, und tapferer als die, welche
sich nicht zur Abwehr entschließen könnten. 'Sie er-
klärten den Solon für wahnsinnig. Ich aber beschwor
sie schließlich mit folgenden Worten: „Armes Vater-
land, Solon hier ist bereit dir mit Wort und Waffen zu
dienen, und sie erklären mich für wahnsinnig. So gehe
ich denn von dannen als einziger Feind des Peisistratos;
die hier Versammelten aber mögen sich zu seinen Leib-
wächtern machen, wenn sie Lust dazu haben." Es ist
dir ja bekannt, mein Freund, durch welchen schlauen
Kunstgriff er sich der Herrschaft bemächtigte. Erst
66 umschmeichelte er das Volk und wiegelte es auf, dann
brachte er sich selbst eine Wunde bei, betrat die Ge-
richtshalle und rief die Hilfe der Richter an unter dem
Vorgeben, dies sei ihm von seinen Gegnern angetan
32 Solon. Chiion.
worden. Und so verlangte er, man solle ihm vierhundert
der kräftigsten Jünglinge zur Leibwache stellen. Sie
aber erfüllten das Verlangen ohne auf mich zu hören.
Die Leibwache ward mit Keulen ausgerüstet. Darauf
erklärte er die Volksherrschaft für erloschen. Wahr-
lich, vergeblich habe ich mich bemüht, die Armen unter
den Bürgern Athens vom Sklavendienst zu befreien:
jetzt müssen sie alle, arm und reich, dem einen
Peisistrafos dienen.
Solon an Peisistratos.
Ich traue deinem Wort, daß mir nichts Böses von
dir widerfahren wird. War ich doch nicht nur schon
vor deiner Herrschaft dein Freund, sondern bin auch
jetzt dir nicht feindseliger gesinnt als irgend ein Athe-
ner, dem die Tyrannis mißfällt. Ob es für sie besser
ist, von Einem beherrscht zu werden, oder ob die De-
mokratie den Vorzug verdient, darüber mag sich jeder
von uns beiden nach seiner Überzeugung sein Urteil
bilden. Auch gestehe ich, du bist von allen Tyrannen 67
der beste. Indes nach Athen zurückzukehren, ist für
mich wenig am Platze; denn wer würde mich nicht
tadeln, wenn ich, der ich in Athen die allgemeine Gleich-
heit und-die Gelegenheit, Tyrann zu werden, selber ab-
gewiesen habe, jetzt zurückkehren und mich mit deinen
Taten einverstanden zeigen wollte.
Solon an Kroisos.
Ich bin entzückt von deinem Wohlwollen für mich,
und, beider Athene, ginge es mir nicht über alles, einen
fireistaat zum Wohnsitz zu haben, so würde ich lieber
m deinem Königreich leben als in Athen, wo Peisistra-
tos ein Gewaltregiment führt. Allein ich ziehe es vor
da zu leben, wo Gleichheit und Recht herrschen Doch
werde ich zu dir kommen, gern bereit, deine Gast-
I reit lidschaft zu genießen.
I 66-69.
33
Drittes Kapitel.
ChilOll. Um 560 v. Chr.
68 Chilon, des Damagetos Sohn, war Lakodaimonier.
Er dichtete Elegien, etwa zweihundert Verse. Von der
Manne&tugend behauptet er, sie sei die durch scharfe
Überlegung zu gewinnende Voraussicht kommender
Dinge, Und zu seinem Bruder, der sich nicht darein
finden konnte, daß er nicht wie Chilon auch Ephor
wurde, sagte er: „Ich weiß mich darein zu fügen, wenn
mir unrecht geschieht, du aber nicht." 38 ) Er war
Ephor in der 55. Olympiade (560/557 v. Chr.). Pamphile
dagegen behauptet in der 56. Olympiade (556/553 v.
Chr.), und Sosikrates berichtet, er sei zum erstenmal
Ephor gewesen zur Zeit des Arehon Euthydemos. Er
war es nach Sosikrates auch, der es durchsetzte, daß
den Ephoren eine Stellung neben den Königen einge-
räumt wurde, während Satyros diese Maßregel auf
Lykurg zurückführt. Nach Herodot im 1. Buch (I 59)
war er es auch, der dem Hippokrates, als er in Olympia
ein Opfer darbrachte und die Becken ganz von selbst
(ohne Feuer) zu brodeln begannen, den Rat erteilte,
entweder überhaupt nicht zu heiraten, oder wenn er
schon eine Frau hätte, sich von ihr zu trennen und
sich von seinen Kindern loszusagen. Es heißt auch,
69 an ihn habe Aisop 37 ) die Frage gerichtet, wie es eigent-
lich mit Zeus stände, was er zu tun habe. Er aber habe
erwidert: „Er sorgt, daß das Hohe erniedrigt und das
Niedrige erhöht werde." Gefragt, wodurch sich die Ge-
bildeten von den Ungebildeten unterscheiden, 88 ) ant-
wortete er: „Durch gute Hoffnungen." Was ist schwer?
„Geheimnisse zu verschweigen, über seine freie Zeit
richtig zu verfügen und imstande sein, widerfahrenes
Unrecht zu ertragen." Auch folgende Vorschriften
stammen von ihm: die Zunge zu beherrschen vor allem
beim Gastmahl, seinem Nächsten nichts Übles nachzu-
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. 3
34
Chilon.
sagen, wofern man sich nicht der Gefahr der Wieder-
beleidigung aussetzen will. Niemanden zu bedrohen,
denn das sei Weiberart. Sich schneller aufzumachen 70
zu den Freunden, wenn es ihnen schlecht, als wenn es
ihnen gut geht. Für Hochzeiten darf man sich nicht
in Unkosten stürzen. Dem Toten soll man nichts Böses
nachsagen, das Alter soll man ehren, über sich selbst
soll man wachen, dem eignen Schaden den Vorzug
geben vor schimpflichem Gewinn, denn der erstere ist
bald verschmerzt, der letztere bleibt immer auf uns
sitzen. Lache nicht über das Unglück eines andern.
Der Starke muß milde sein, sonst wird er von seinen
Nächsten mehr gefürchtet als hochgeachtet. Lerne dein
eignes Hauswesen richtig verwalten. Laß die Zunge
nicht dem Verstände vorauseilen. Beherrsche den
Zorn. Verwünsch^ nicht die Wahrsagerei. Strebe
nicht nach Unmöglichem. Auf der Straße geh nicht im
Eilschritt. Beim Beden bewege die Hand nicht; denn
das ist ein Zeichen stürmischer Erregung. Gehorche
den Gesetzen. Befleißige dich eines ruhigen Ver-
haltens.
Von seinen sangesmäßigen Aussprüchen hat folgen- 71
der am meisten Anklang gefunden: „Mit Schleifsteinen
prüft man das Gold, und es gibt sich klar zu erkennen;
am Gold aber zeigt sich die Sinnesart der Männer, ob
sie gut sind oder schlecht." 39 ) Man erzählt, er habe,
bereits hoch in Jahren, den Ausspruch getan, er sei sich
keiner unverständigen Handlung bewußt, nur über
eines sei er mit sich nicht einig. Als Bichter nämlich
in einem Rechtshandel ein<js seiner Freunde habe er
für seine Person zwar nach dem Gesetz gehandelt (ge-
stimmt), habe aber einen befreundeten Bichter dazu
vermocht, den Angeklagten freizusprechen; mit diesem
Verhalten habe er sowohl dem Gesetze wie der Sache
des Freundes dienen wollen.
Besonders hohen Buhm erwarb er sich unter den
Hellenen durch seine Voraussage über die lakedaimo-
nische Insel Kythera]. 40 ) Denn wohl vertraut mit ihrer '
I 70-73.
35
natürlichen Beschaffenheit und Bedeutung, sagte ex:
„Wäre sie doch nie entstanden, oder wäre sie nach
ihrer Entstehung doch wieder von den Wellen ver-
schlungen worden." Und seine Voraussetzung bewährte
72 sich als richtig. Denn Demaratos, aus Sparta verbannt,
. gab dem Xerxes den Rat, bei der Insel eine Flotte bei-
sammen zu halten. Und hätte sich Xerxes überreden
lassen, so wäre Griechenland in seiner Hand gewesen.
Späterhin, während des peloponnesischen Krieges,
legte Nikias nach Unterwerfung der Insel eine athe-
nische Besatzung dabin, wodurch er die Lakedaimo-
nier auf das schwerste schädigte. Mit Worten war er
kurz angebunden; daher bezeichnet denn auch Arista-
goras aus Milet diese KürzederRede (ß?ax ,JA0 T^ a )
als Chilonische Art, sagt aber weiter, die Bezeichnung
leite sich her von Branchos, dem Gründer des Bran-
chidenheiligtums. 45 )
Er stand in der 52. Olympiade (572/569 v. Chr.) in
hohem Alter zur Blütezeit des F abeldichters Aisop. Der
Tod traf ihn, wie Hermippos berichtet, in Pisa, als er
seinen Sohn als olympischen Sieger im Faustkampf
beglückwünschte. Es war das Übermaß von Freude,
verbunden mit Altersschwäche, was sein Ende herbei-
führte. Die ganze zur Festfeier versammelte Menschen-
menge gab ihm das ehrenvollste Geleite. Auch ihm gilt
eines meiner Epigramme:
73 Dank dir, leuchtender Pollux, du hast dem Sohne des Chilon
üunst erwiesen im Kampi, hast ihm den Ölzweig verliehn.
Sank der Vater vor Freude dahin beim Anblick des Siegers,
Bleibe die Klage mir fern; gleiche dem seinen mein Tod!
Auf seinem Bild aber findet sich folgende Aufschrift:
Ihn, den Chilon, erzeugte das speerbewaffnete Sparta,
Der aus dem Siebenerkreis leuchtet als erster hervor.
Sein Kernspruch war: Bürgschaft bringet dir Leid.
Auch ein (unechtes) Briefchen gibt es von ihm, näm-
lich:
3*
M
Pittakos.
Chilon an Periander.
Du schreibst mir von einem auswärtigen Feldzug,
an dem auch du selbst teilnehmen willst. Ich aber
glaube, daß einen Alleinherrscher auch daheim Ge-
fahren bedrohen und preise denjenigen Tyrannen •
glücklich, der daheim eines ruhigen Todes stirbt.* 2 )
Viertes Kapitel.
Pittakos. Um 600 v. Chr.
Pittakos, des Hyrradios Sohn, stammte aus Myti- 74
lene. Duris dagegen berichtet, sein Vater sei ein
Thrakier gewesen. Er stürzte in Verbindung mit den
Brüdern desAlkaios den Melanchros, den Tyrannen von
Lesbos. Und als die Athener und Mytilenäer um die
Landschaft Achilleitis kämpften, führte er selbst das
Heer, während die Athener zum Führer den Phrynon
hatten, der als Pankratiasit in Olympia gesiegt hatte.
Mit ihm vereinbarte er einen Zweikampf. Dabei führte
er hinter dem Schilde ein Netz mit sich, das er unver-
sehens über den Phrynon warf. So tötete er ihn und
rettete die Landschaft für sich. Einige Zeit später aber
kam es, wie Apollodoros in den Chronika sagt, zu einem
Rechtshandel der Athener mit den Mytilenäern über
die Landschaft, und Periander, zum Richter bestellt,
sprach sie den Athenern zu. Pittakos kam damals bei 75
den Mytilenäern zu hohen Ehren, und sie händigten
ihm selbst die Herrschaft ein; er aber legte, nachdem
er zehn Jahre geherrscht und das Staatewesen in Ord-
nung gebracht, die Herrschaft nieder und lebte noch
zehn weitere Jahre. Die Mytilenäer schenkten ihm ein
Muci Land, das er zu einem heiligen Bezirk erhob, der
jetzt der Pittakeische heißt. Sosdkrates aber erzählt er
habe davon einen kleinen Teil abgesondert mit den
I 73-77.
37
Worten, die Hälfte sei mehr als das Ganze. Auch als
Kroisos ihm ein Geldgeschenk machte, nahm er es nicht
an mit den Worten, er habe doppelt so viel, als er
wünsche; denn er habe nach dem Tode seines kinder-
76 losen Bruders diesen beerbt. PamphiLe berichtet im
2. Buch ihrer Denkwürdigkeiten, seinen Sohn Tyrraios
habe, als er in einem Barbier laden in Kvme saß, ein
Schmied durch Beilwurf ums Leben gebracht. Als
die Kymaier den Mörder dem Pittakos auslieferten,
habe dieser, von dem Hergang unterrichtet, ihn fsei-
gegeben mit den Worten: „Verzeihung ist besser als
Reu e." Herakleitos dagegen behauptet, A 1 k a i o s
habe einen Missetäter in seine Gewalt bekommen und
freigelassen mit den Worten: „Verzeihung ist besser
als Rache." Er gab unter anderem folgendes Gesetz:
Wenn ein Betrunkener auf einer Missetat ertappt wird,
soll ihm die Strafe verdoppelt werden.* 3 ) Dadurch
sollte bei dem großen Weinreichtum der Insel der
Trunkenheit gesteuert werden. Eines seiner Worte
lautet: „Schwer ist es tüchtig zu sein", ein Spruch,
dessen auch Simonides gedenkt mit den Worten: „Ein
wahrhaft tüchtiger Mann zu werden ist schwer, nach
77 des Pittakos Wort." Auch Piaton gedenkt dieses Wortes
im Protagoras (343 B ff.). Weitere Aussprüche: Mit
der Notwendigkeit kämpfen seihst die Götter nicht. 44 )
Das Heirrscheramt zeigt, was am Manne ist. Einstmals
befragt, was das Beste sei, gab er zur Antwort: „Sich
mit dem gerade Vorliegenden gut abfinden." Und vom
Kroisos gefragt, welche Herrschaft die mächtigste sei,
antwortete er, „Die des bunten Holzes", womit er das
Gesetz meinte. Er mahnte auch dazu, die Siege ohne
Blut zu gewinnen. Zu einem Phokäer, der die Äuße-
rung tat, man müsse einen wahrhaft tugendhaften
Mann suchen, sagte er: „Du magst noch so sehr suchen,
du wirst ihn doch nicht finden." Auf die Frage einiger,
was besonders willkommen sei, erwiderte er, „die
Zeit"; was dunkel, „die Zukunft"; was zuverlässig, „die
Erde"; was unzuverlässig, „das Meer". "Ferner: Ver-
38
Pittakos.
\
ständige Männer müssen vor Eintreten der Wider- 78
wärtigkeit durch kluge Voraussicht sorgen, daß sie
üherhaupt nicht eintrete, tapfere Männer aber müssen,
wenn das Unglück eintritt, sich auf gute Weise damit
abfinden. Was du tun willst, darfst du nicht im vor-
aus sagen, denn mißlingt's, so wirst du ausgelacht.
Niemandem darf man sein Unglück zum Vorwurf
machen, denn das wird sich rächen. Hast du etwas
zur Aufbewahrung empfangen, so gib es auch wieder
zurnick. Mache den Freund nicht schlecht, ja selbst
auch den Feind nicht. Übe die Frömmigkeit. Liebe die
Mäßigkeit. Strebe nach Wahrheit, Treue, Einsicht, Ger-
schicklichkeit, Freundschaft und Hilfsbereitschaft.
Von seinen dichterischen Versuchen hat besondern
Beifall gefunden folgendes:
Wohlbewehrt mit Bogen, Pfeil und Köcher '
Ziehe aus zum Kampfe mit dem Schurken.
Kommt doch nichts Verläßliches von seiner Zunge,
Denn sie stößt nur Worte aus dem Munde,
Die geboren sind in falschem Herzen.
Auch Elegien dichtete er, sechshundert Verse; in Prosa 79
schrieb er für die Bürger über Gesetze. Seine Blüte-
zeit war die 42. , Olympiade (612/609 v. Chp.). Er starb
während des Archontats des Arktomenes im dritten
Jahre der 52. Olympiade (572/569 v. Chr.) über siebzig
Jahre alt. Auf seinem Grab liest man folgende In-
schrift:")
Lesbos, als weinende Mutter, des Sohnes beraubt, des geliebten,
Hat dich, Pittakos, hier trauernd ins Erdreich gesenkt.
Sein Kernspruch war: Erkenne die rechte Zeit: 49 )
Es gab auch noch einen anderen Gesetzgeber Pitta-
kos, wie Favorinus im ersten Buch seiner Denkwürdig-
keiten und Demetrios in den Homonymen berichten;
er wurde „der Kleine" genannt. Von unserem Weisen
wird erzählt, er habe einst einem. Jüngling, der ihn in
Heiratssachen um Bat fragte, die Antwort gegeben, die
Kalhmachos folgendermaßen in Verse gebracht hat-
I 78-81.
39
80 Fragte da aus Atarneus ein Freund den Pittakos also,
Ihn, des Hyrradios Sohn, in Mytilene daheim:
„Lieber Vater, ich habe die Wahl zwischen zweien zur Ehe;
Seh' ich auf Stand und Besitz, gleicht mir die eine genau.
Doch die zweite ist reicher bedacht. Was tu ich, mein Bester?
Rate mir; welche der zwei führ' ich als Ehefrau heim?"
Da erhob seinen Stab, die Waffe des Greises, der Weise:
„Diese dort — schaue nur hin — geben dir Lehre und Rat.'
Knaben waren's; sie ließen, bewaffnet mit Peitschen, die Kreisel
Hurtig im Kreise sich drehn auf dem geräumigen Platz;
„Ihnen folge!" Der Freund trat nunmehr heran an die Spieler,
Und was hörte er da? „Treibe den, der dir zunächst."
Diese Lehre, sie wirkte; den Jüngling zog es nun nicht mehr
Hin nach dem größeren Haus und nach gehäuftem Besitz.
So wie dieser die schlichtere Braut zur Gattin sich wählte,
Sollst, mein Dion 47 ), auch^du treiben nur, was dir zunächst.
81 Es scheint, als wäre er bei diesem Bescheid der eigenen ■
Herzensstimmung gefolgt. Seine Frau nämlich war
aus vornehmerem Hause als er selbst. Sie war die
Schwester des Drakon, des Sohnes des Penthilos, und
behandelte ihn sehr von oben herab. 48 ) ,
Alkaios nennt ihn einen Schleppfüßler (capairove)
und zwar deshalb, weil er plattfüßig war und die Füße
nachschleppte, einen Handfüßler (xsipoicoSv)«) wegen der
Risse in den Füßen, die man „Spalten" (xeipaSec)
nennt, einen Prahlhans (^aupa^), weil ersieh in hohler
Eitelkeit gefiele, einen Schmerbauch Opucxov), we il er
dickbäuchig und fett war; ferner auch einen Dunkel-
fresser (£o9o§opjt£&7)c), weil er sich keines Lichtes beim
Abendessen bediente, einen Schlapphans (a-yaeJupToe)
wegen seines schlappigen Äußern und seiner Unrein-
lichkeit. Seine Gymnastik bestand in Getreidemahlen,
wie der Philosoph Klearch sagt.
Es gibt auch ein (unechtes) Brief chen von ihm fol-
genden Inhalts:
Pittakos an Kroisos.
Du forderst mich auf nach Lydien zu kommen, um
deine Schätze zu besichtigen. Ich bin auch, ohne sie
gesehen zu haben, überzeugt, daß des Alyattes Sohn alle
40
Bias.
Könige an Scluüzeu utid Gold übertrifft. Eine Reise
nach Sardes fiat für mich wenig Sinn. Denn Goldes
bedarf ich nicht; was ich besitze, reicht hin für mich
»icht nur, sondern auch für meine Freunde. Gleich-
wohl werde ich kommen, um dir, meinem Gastfreund,
in enger Gemeinschaft nahe zu treten.
Fünftes Kapitel.
Blas. Um 570 v. Chr.
q a t™ ^-S Ut ? neS S ° hn ' War seMrtls aus Prie1 *- «2
\v J ^ atzt u lh \ ^ höcKsten «ater-den sieben
»>1 tu ? e B* 1 ** mn für b^ütert aus, Doris
SÜL ! ' «V* nur Btäaasx Kiesen. Phano-
dikos erzahlt von ihm, er habe kriegsgefangene Mäd-
chen aus Messene losgekauft, sie als Töchter aufer-
ÄÄ"* f tm auSßeßtatte * ™* ^h Messene
z lh t r ^ Elter \ hei ™Kesandt. Als einige Zeit darauf
zu Atnen, wie früher schon berichtet (I 31) jener
eherne Dreifuß von den Fischern aufgefunden
der die Aufschrift trug „dem Weisen", traten nach
I 81— «5.
41
raten der Stadt. Da dachte er an einen Vertrag und
sandte einen Boten in die Stadt, Bias aber ließ Sand-
haufen aufschütten, deren Oberfläche er mit Getreide-
körnern dicht überstreute, und zeigte sie dem Mann.
Auf diese Kunde schloß Alyattes schließlich Frieden
mit Priene. Bald darauf sandte der König dem Bias
eine Einladung zu, worauf dieser erwiderte: „Ich rate
dem Alyattes Zwiebeln zu essen," (d. h. so viel wie zu
84 weinen). 49 ) Auch das Rechtsprechen soll seine be-
sondere Stärke gewesen sein. Doch ließ er seine Bered-
samkeit immer nur der guten Sache dienen. Dies
deutet auch der Lerier Demodikos an mit dem Vers:
Wenn man dich bestellt zum Richter, sei Priene Vorbild dir!
und Hipponax mit den Worten (die er von einem
tüchtigen Richter aussagt) : „Selbst dem Bias von Priene
war als Richter er voraus" [Fr. 79 Bergk 3 ]. Seinen
Tod fand er auf folgende Weise. Er hatte, bereits hoch-
betagt, für einen Freund vor Gericht gesprochen und
lehnte sich nach Beendigung seiner Rede mit dem Kopf
an die Brust seines Tochtersohnes. Als nun auch der
Gegner geredet hatte und das Urteil zugunsten des von
Bias Verteidigten ausgefallen war, fand man ihn bei
Auflösung der Gerichtssitzung tot im Schöße des
85 Enkels. Der Staat bereitete ihm ein großartiges Be-
gräbnis und widmete ihm folgende Grabschrift:
Dieses Gestein hier birgt den Stolz Ioniens, Bias,
Der auf prienischer Flur lebte zur Ehre der Stadt.
Auch ich habe ihn gefeiert:
Hier liegt Bias beerdigt, umwallt von schneeigem Haupthaar,
Von dem Qeleiter Merkur friedlich zum Hades entführt.
Einem Befreundeten galt vor Gericht seine Rede; sich lehnend
An seines Enkels Brust sank er in ewigen Schlaf.
Er dichtete einen Gesang auf Ionien, dazu bestimmt,
seiner Heimat die Wege des Glückes zu zeigen, an die
zweitausend Verse. Von seinen poetischen Denk-
sprüchen haben folgende weithin Anklang gefunden: 80 )
42
Blas - Kleobulos.
Suche allen Bürgern zu gefallen, in welcher Stadt du
auch weilst, denn das bringt reichen Dank. Selbst-
gefälligkeit aber und Stolz führt meist zu schwerem
Schaden. , Körperstärke ist das Werk der Natur, aber 86
die Kraft zu raten, was dem Vaterlande nützt, ist das
Werk der Seele und der Einsicht. Überfluß an Geld
und Gut kann vielen auch durch das Glück beschert,
werden. Unglücklich, sagte er, sei der, der das Un-
glück nicht zu tragen wisse. Eine Krankheit der Seele
sei es, sich in das Unmögliche zu verlieben und fremder
Leiden nicht zu gedenken. Gefragt, was schwer sei,
antwortete er: „Den Umschlag zum Schlimmen mit
edlem Mut zu tragen." Auf einer Seefahrt in Gesell-
schaft von gottlosen Leuten erlebte er einen gewaltigen
Sturm, der das Schiff hin und her warf. Als da auch
jene Leute die Götter zu Hilfe riefen, sägte er:
„Schweiget, auf daß sie nicht merken, daß ihr hier auf
dem Schiffe weilt." Von einem gottlosen Menschen
gefragt, was denn die Frömmigkeit eigentlich sei,
schwieg er. Und als jener nach der Ursache des
Schweigens fragte, sagte er: „Ich schweige, weil du
nach Dingen fragst, die dich nichts angehen." Gefragt, 87
was den Menschen besonders erfreulich wäre, sagte er:
„Die Hoffnung." Lieber, sagte er, spräche er Recht
unter Feinden als unter Freunden, denn von Freunden
würde unvermeidlich einer sein Feind werden, von den
Feinden aber einer sein Freund. Gefragt, bei welcher
Tätigkeit der Mensch Freude empfände, sagte er, „wenn
er Gewinn hat". „Sein Leben," sagte er, „muß man
so abmessen, als ob uns sowohl eine lange als eine
kurze Lebenszeit beschieden sei." Man müsse so lieben,
als ob man später hassen würde, denn die Schlechten
seien in der Uberzahl. Folgende Ratschläge erteilte
er: Hast du ein Unternehmen vor, so gehe mit Bedacht
ans Werk; was du aber erwählt hast, dabei bleibe
auch fest bestehen. Rede nicht voreilig, denn das ver-
rät Torheit. Liebe die Einsicht. Von den Göttern be-
haupte ihr Dasein. Einen Unwürdigen lobe niemals 88
I 86-90.
43
äeines Reichtums wegen. Um etwas zu empfangen,
bediene dich der Überredung, nicht der Gewalt. Was
dir auch Gutes gelingen mag, setze es auf Rechnung
der Götter. Als Wegzehrung von der Jugend bis zum
Alter laß dir die Weisheit dienen, denn diese ist sicherer
als aller andere Besitz. Es gedenkt des Bias auch
Hipponax, wie bereits (I 84) bemerkt, und auch der
finstere Herakleitos spendete ihm hohes Lob mit den
Worten: „In Priene ward Bias geboren, des Teutames
Sohn, dessen Ruhm größer ist als der der andern."
(Frg. 39 Diels.) Die Priener haben ihm einen heiligen
Bezirk geweiht, genannt das Teutameion. Sein Spruch
war: Die meisten sind schlecht.
Sechstes Kapitel.
Kleobulos. Um 600 v. Chr.
89 Kleobulos, des Euagoras Sohn, stammt aus Lindos;
nach Duris war er ein Karier. Manche führen sein
Geschlecht auf den Herakles zurück. Man rühmt ihm
Körperkraft und Schönheit nach, auch soll er sich mit
der ägyptischen Philosophie bekannt gemacht haben.
Er hatte, wie es heißt, eine Tochter Kleobüline, Dich-
terin von Rätselversen in Hexametern. Ihrer gedenkt
auch Kratinos in dem gleichnamigen Drama, „Die
Kleobulinen", wie er es nannte, also im Plural. Er
soll das Heiligtum der Athene, welches von Danaos
herstammte, wieder hergestellt haben. Er dichtete
auch Lieder und Rätsel, an die dreitausend Verse.
Auch soll er der Verfasser des Epigrammes auf deu
Midas sein:
90 Auf dem Qrabe des Midas ruh' ich, die eherne Jungfrau.
Wisse, so lang das Wasser noch rauscht, die Bäume noch blühen.
Und so lange wie Sonne und Mond am Himmel noch leuchten,
Und die Flüsse noch fließen, das Meer die Gestade bespület,
44
Kleobulos.
Harr' ich beständig hier aus auf dem tränenbefeuchteten Grabmal
Und verkünde dem Wandrer: hier hat man den Midas begraben.
Zum Beweise dessen beruft man sich auf ein Lied
des Simonides, wo es heißt [Frg. 57 Bergk 3 ] :
Kann wohl, wer bei hellem Verstand ist,
Loben den Lindier Kleobulos.,
Wenn er den rastlosen Flüssen,
Wenn er den Blumen d'es Frühlings,
Wenn er dem Sonnenglanz und dem goldenen Monde
Und der Brandung des Meeres
Gleichsetzt ein Gebilde von sterblicher Hand?
Kann doch nichts mit göttlichem Werk sich messen.
Auch den Stein zerbröckelt der Sterblichen Armkraft.
Fort denn mit dem törichten Gedanken!
Das Epigramm, sagt man, kann nicht von Homer
sein, da Homer lange vor Midas gelebt hat. In den
Denkwürdigkeiten der Pamphile findet sich von ihm
auch folgendes Bätsei:
Vater ist e i n e r , der Kinder sind zwölf, von diesen zählt jedes 91
Wiederum zweimal dreißig, doch zwiefach beschaffen an Aussehn,
weiß sind die einen zu schaun, die andern schwarz, aber beide
sind sie unsterblich zwar, doch schwinden sie alle vorüber.
Auflösung: das Jahr. Von seinen poetischen
bpruchen sind folgende besonders berühmt: Unbildung
überwiegt bei weitem unter den Menschen und leerer
Wortschwall; aber der rechte Zeitpunkt wird das
Semige tun Bichte deine Gedanken auf etwas Edles.
Wicht unbedacht erstatte deinen Dank. 51 ) Die Töchter
sagte er, müsse man verheiraten, wenn sie noch in
jungfräulichem Alter stünden, aber an Einsicht doch
S£° M^ r t Uei \ War ^ 1 ; J WOmit er «beutete, daß auch
he Madchen der Bildung teilhaftig werden müssen.
ovLul ' Ä er ' ?T e man durch Wohltaten
ei freuen, um die Freundschaft zu festigen; den Feind
aber müsse man sich zum Freunde machen. Denn
man müsse sich hüten wie vor dem Tadel der Freunde
so vor den Nachstellungen der Feinde. Ferner Ter- 92
I 90—93.
45
läßt jemand sein Haus, so gebe er sich erst Rechen-
schaft von dem, was er tun will; tritt er wieder ein
ins Haus, von dem, was er getan hat. Er gab den
Rat, man solle fleißig den Körper üben, mehr darauf
aus sein, zu hören als zu reden, lieber lernbegierig als
ungelehrig sein, die Zunge vor Lästerung bewahren,
mit der Tugend vertraut, dem Laster fremd sein, Un-
recht meiden, dem Staate das beste raten, Herr sein
über die Lust, nichts mit Gewalt durchsetzen, die
Kinder erziehen, Feindschaft beilegen, mit der Frau
nicht zärtlich sein aber auch nicht zanken in Gegen-
wart anderer, das eine sei Unverstand, das andere Toll-
heit. Einen betrunkenen Sklaven nicht züchtigen, denn
das erwecke den Verdacht eigener Trunkenheit; sich .
eine Frau aus gleichem Stande wählen, denn wählst
du sie aus höherem Stand, dann machst du dir die
93 Verwandten zu Gebietern. 52 ) Nicht lachen über die,
die verspottet werden, denn das mache uns bei den
Betroffenen verhaßt. Lächelt dir das Glück, so sei
nicht übermütig. Geht es dir schlecht, so laß dich
nicht zu Boden werfen. Lerne den Wechsel des
Schicksals tapfer ertragen. Er starb als Greis, siebzig
Jahre alt. Seine Grabschrift lautete:
Tief betrauert den Tod Kleobulos', des Wersen, die Heimat,
Lindos, die liebliche Stadt, ringsum vom Meere umspült.
Sein Kernspruch war: Das Maß ist das beste. Und
dem Solon sandte er folgendes (unechte) Briefchen:
Kleobulos an Solon.
Der Freunde hast du eine reiche Zahl und überall
bist du zu Hause; doch glaube ich, dem Solon wird
Lindos als Freistaat am willkommensten sein. Es liegt
als Insel im Meer; schlägst du also da deinen Wohn-
sitz auf, so hast du nichts von Peisistratos zu be-
fürchten. Und von allen Seiten werden sich Freunde
bei dir einfinden.
46
Periander.
Siebentes Kapitel.
Periander. GG8— 584 v. Chr.
Periander, des Kypselos Sohn aus Korinth, stammte 94
aus dem Geschlecht der Herakliden. Er heiratete die
Lyside, 33 ) von ihm selbst Melissa genannt, die Tochter
des Prokies, des Tyrannen von Epidauros, und der
Eristheneia, der Tochter des Aristokrates und Schwester
des Aristodemos, die nahezu ganz Arkadien beherrsch-
ten, wie Herakleides der Pontier berichtet in seinem
Buch über die Herrschermacht. Von ihr hatte er zwei
Söhne: Kypselos und Lykophron; der jüngere war gut
beanlagt, der ältere stumpfen Geistes. Im Verlauf der
Zeit ereignete es sich, daß Periander in einem Anfall
von Zorneswut seine schwangere Frau durch den
Wurf mit einem Schemel oder durch einen Fußtritt
ums Leben brachte, verleitet durch die Verleumdungen
von Kebsweibern, die er später verbrennen ließ. Von
seinem Sohn Lykophron aber, der seine Mutter tief be-
trauerte, sagte er sich los und ließ ihn nach Kerkyra
(Korfu) bringen. Erst lange nachher, als er selbst 95
schon im Greisenalter stand, ließ er ihn zurückrufen,
um ihm die Herrschaft zu übergeben. Aber die Ker-
kyräer kamen der Ausführung des Planes zuvor und
töteten ihn. Darüber von Zorn übermannt, schickte er
Söhne der Kerkyräer zum Alyattes, um sie entmannen
zu lassen. Als aber das Schiff in Samos vor Anker ge-
gangen war, ließen sie sich schutzflehend am Altar der
Hera nieder und wurden von den Samiern gerettet.
Daruber geriet er völlig außer sich und starb, bereits
achtzig Jahre alt. Sosikrates berichtet, er sei einund-
vierzig Jahre vor Kroisos gestorben, vor der 49. Olym-
piade s (o84/81 v. Chr.). Herodot sagt im ersten Buch
tm, V er 80 Gastfreun d des' milesischen Tyrannen
lhrasybul gewesen. Aristipp erzählt im ersten Buch 96
S*£ " T, 6 Üppigkeit der alten Zeit" von ihm, seine
Mutter Krateia habe, verliebt in ihn, mit ihm in heim-
I 94—97.
47
lichem Umgang gestanden, und er habe sein Wohl-
gefallen daran gehabt. Als die Sache aber ruchbar
wurde, zeigte er sich tief verstimmt gegen jedermann
infolge seines Verdrusses über die Entdeckung. Ferner
erzählt Ephoros, er habe das Gelöbnis getan, in Olym-
pia eine goldene Bildsäule zu weihen für den Fall eines
Sieges mit seinem Viergespann. Als er dann diesen
Sieg errang, aber nicht Gold genug hatte, ließ er bei
Gelegenheit eines heimischen Festes, zu dem, wie er sah,
die Weiber in- ihrem Goldschmuck erschienen waren,
diese alle ihres Schmuckes berauben und vollzog so
die Weihung. Einige berichten folgendes: er wollte
seine Grabstätte unkenntlich machen, und zu diesem
Ende bediente er sich einer List: er befahl nämlich
zwei Jünglingen, sich des Nachts auf einen von ihm
genau bezeichneten Weg hinauszubegeben und den, der
ihnen begegnen würde, niederzuschlagen und zu be-
erdigen; dann sollten vier andere gegen diese aus-
ziehen, sie töten und beerdigen, und weiter gegen diese
eine noch größere Zahl. 54 ) Er selbst ging nun den
ersten entgegen und ward so beim Zusammentreffen
mit ihüen getötet. Die Korinther aber errichteten ihm
ein leeres Grabmal (Kenotaphion) mit folgender Auf-
schrift:
97 Reich an Weisheit und Qold, im Schöße korinthischer Erde
Ruht Periander der Fürst, nahe dem Meeresgestad.
Auch von mir gibt es ein Epigramm, nämlich:
Qeht dir die Hoffnung fehl, so gräme dich nimmer, dagegen
Freue dich jedes Geschenks, das dir die Gottheit verleiht.
Wurde doch Opfer des eignen Grams Periander 65 ) der Weise,
Weil ihm, was er geplant, nicht zu erreichen gelang.
Ihm gehört auch der Spruch: Tue nichts des Geldes
wegen, denn nur das Gewinnenswerte muß man zu ge-
winnen suchen. Auch dichtete er Denksprüche, an die
zweitausend Verse. Von ihm stammt das Wort: Wer
sicher herrschen will, muß sich durch Wohlwollen
schützen, nicht durch die Waffen der Leibwächter.
48
Periander.
Und einst gefragt, warum er auf der Herrschaft be-
stehe, antwortete er: „Weil der freiwillige Rücktritt
ebensoviel Gefahren in sich birgt wie der erzwungene."
Auch folgende Sprüche gehören ihm: Ich lobe mir die
Ruhe, Vorwitz ist gefährlich, listiger Gewinn ist
schimpflich, VoLksherrschaft ist besser als Tyrannen-
herrschaft; 5 ") die Lust ist vergänglich, die Ehre un-
sterblich. Im Glück sei maßvoll, im Unglück besonnen.
Den Freunden gegenüber bleibe stets derselbe, mögen 98
sie im Glück oder im Unglück sein. . Was du ver-
sprochen, mußt du auch halten. Geheim zu haltende
Dinge darfst du nicht ausplaudern. Bestrafe nicht nur
die Vergehen, sondern auch die Absicht dazu.
Er war der erste, der sich eine Leibwache hielt und
die Regierung zur Gewaltherrschaft umwandelte. Auch
erlaubte er nicht jedem nach Belieben seinen Wohn-
sitz in der Stadt aufzuschlagen. So berichten Ephoros
und Aristoteles. Seine Blütezeit fällt in die 38. Olym-
piade (628/625 v. Chr.), und seine Herrschaft dauerte
vierzig Jahre. Sotion, Herakleides und Pamphile im
fünften Buch ihrer Denkwürdigkeiten behaupten, es
habe zwei Periander gegeben: der eine der Tyrann, der
andere ein Weiser, und zwar ein Ambrakiote. Das
nämliche behauptet auch Neanthes aus Kyzikos mit 99
dem Zusatz, sie seien Vettern gewesen. Und Aristoteles
sagt, der Korinther sei der Weise, Plato dagegen
leugnet es." ) Ihm gehört das Wort: Reger Eifer ver-
mag alles. Wollte er doch auch den Isthmos durch-
stechen. Es gibt auch einen (unechten) Brief von
ihm:
Periander an die Weisen,
Vielen Dank dem Pythischen Apollon, daß er euch
zur Zusammenkunft vereint hat, so daß meine Briefe
euch auch nach Korinth führen werden. Ich aber
werde wie ihr selbst sehen werdet, euch auf das ent-
gegenkommendste empfangen. Wie ich höre, habt ihr
voriges Jahr eure Versammlung beim Lyderkömg in
I 97— 100.
49
Sardes gehabt. Säumt also nunmehr nicht, auch zu
mir zu kommen, dem Tyrannen von Korinth. Denn den
Korinthern wird es ein erfreulicher Anblick sein, euch
im Hause des Periander ein- und ausgehen zu sehen.
Periander an Prokies. 58 )
Den Frevel gegen meine Gemahlin habe ich wider
Willen begangen. Du aber tust mit voller Absicht Un-
recht, wenn du meinen Sohn mir abspenstig machst.
Entweder also tue der Entfremdung des Knaben Ein-
halt, oder ich werde mich gegen dich zur Wehr setzen.
Denn was mich anlangt, so habe ich meine Schuld
gegen deine Tochter bereits abgetragen, indem ich ihr
zu Ehren die Gewänder aller korinthischen Frauen
verbrennen ließ.
Auch Thrasybul schrieb an ihn folgenden Brief:
Thrasybulos an Periander.
Deinem Herold habe ich keinen Bescheid mit
Worten gegeben; wohl aber führte ich ihn auf ein Ge-
treidefeld und schlug die besonders hervorragenden
Ähren mit meinem Stabe ab in seinem Beisein. Er
wird dir auf Befragen melden, was er gehört oder ge-
sehen hat. Du also mußt, wenn du deine Tyrannen-
herrscliaft aufrecht erhalten willst, demgemäß handeln:
Du mußt die Spitzen der Bürgerschaft beseitigen,
gleichviel ob einer dir als Feind erscheint oder nicht.
Denn einem Tyrannen sind auch manche Genossen ver-
dächtig.
A p e I t , Diogenes Laertius.
4
50
Anacharsis.
Achtes Kapitel.
Anacharsis der Skythe. Um 600 v. Chr.
Der Skythe Anacharsis war der Sohn des ünuros
und der Bruder des Skythenkönigs Kaduidas, von
einer griechischen Mutter. Daher auch seine Beherr-
schung heider Sprachen. Er war Verfasser von Ge-
dichten über die Bräuche der Skythen und der Grie-
chen, an die achthundert Verse, in denen er eine
schlichte Lebensführung empfahl und die kriegerischen
Anforderungen behandelte. Durch seine freimütige
Redeweise bot er auch Anlaß zu einer sprichwörtlichen
Wendung, indem man eine derartig freimütige Bede
fortan als „skythische Bede" bezeichnete. IMach Sosi-
krates ist er in der 47. Olympiade (592/89 v. Chr.) nach
Athen gekommen unter dem Archontat des Eukrates.
Hernüppos berichtet, er habe sich nach dem Hause des
Solon begeben und dort einen Diener angewiesen, zu
melden, Anacharsis spräche vor und wünsche den
Solon zu seben und womöglich sein Gastfreund zu wer-
den. Der Diener machte seine Meldung und erhielt von
Solon den Befehl, ihm zu sagen, Gastfreundschaften
schlösse man nur im eignen Vaterlande. Alsbald trat
Anacharsis ein mit den W orten, jetzt sei er im Vater-
lande und habe das Becht, Gastfreundschaft zu
schließen. Diese Geistesgegenwart machte auf Solon sol-
chen Eindruck, daß er ihn bei sich aufnahm und zu
seinem innigsten Freunde machte. Nach Verlauf einiger
Zeit kehrte er nach dem Skythenland zurück und ar-
beitete, überzeugt von der Unzulänglichkeit der heimi-
schen Einrichtungen, mit aller Kraft auf eine Umgestal-
tung derselben im Sinne des Griechentums hin. Da
ward er auf der Jagd von seinem Bruder durch einen
.Pfeilschuß umgebracht und endete mit den Worten,
durch seiner Bede Kunst sei er glücklich aus Griechen-
land wieder heimgekommen, durch die Mißgunst da-
heim aber sei er ums Leben gekommen. Einige übrigens
1 101—104.
51
berichten, er sei, bei Verrichtung eines Opfers nach
griechischer Mysterienweise, unigebracht worden.
Unser Epigramm auf ihn lautet so:
103 Endlich nach Hause gelangt aus der Fremde, empfahl Anacharsis
Seinem Volke, sich ganz griechischer Sitte zu weihn.
Noch war halb nur das Wort aus seinem Munde entflohen,
Da entführte ein Pfeil rasch ihn ins himmlische Reich.
Ein Spruch von ihm besagt, der "Weinstock trage
drei Trauben: eine der Lust, die zweite des Rausches,
die dritte der Unlust. Er sprach seine Verwunderung
darüber aus, daß bei den Griechen die Meister der
Kunst im Wettkampf miteinander stritten, als Hichter
aber die Laien aufträten. Gefragt, wie einem die Trink-
sucht verleidet werden könne, sagte er: „Wenn man
ihm die widerwärtigen Gebärden der Trunkenen vor
Augen stellt." Seine Verwunderung sprach er auch
darüber aus, daß die Griechen, die doch .frevelhaften
Übermut gesetzlich straften, den Athleten Ehren er^
wiesen dafür, daß sie einander mit Schlägen trak-
tierten. Als er erfuhr, daß die Dicke einer Schiffswand
vier Finger betrage, sagte er: „So viel also beträgt die
Entfernung zwischen den Schiffenden und dem Tod."
104 Das Olivenöl nannte er ein Beförderungsmittel des
Wahnsinns, denn durch den Gebrauch desselben
würden die Athleten zu wahnsinniger Wut gegenein-
ander angestachelt. Wie kommt es, sagte er, daß die,
welche das Lügen verbieten, in den Schenkstuben ganz
unverfroren lügen? Auch das, meinte er, sei ihm auf-
fallend, daß die Griechen zu Beginn eines Gastmahls
aus kleinen Bechern tränken, gesättigt aber aus großen.
Seine Bildsäulen tragen folgende Inschrift: „Beherrsche
die Zunge, den Bauch, die Schamteile." Gefragt, ob es
in Skythien Flöten gäbe, antwortete er: „Nicht einmal
Weinstöcke." 59 ) Und gefragt, welche Schiffe die sicher-
sten wären, erwiderte er, „die auf den Strand ge-
zogenen." Und was er am wunderlichsten fände bei
den Griechen, sei dies, daß sie den Hauch auf den
Bergen zurücklassen, das Holz aber in die Stadt
4*
52
Anacharsis Myson.
bringen.'"') Gefragt, wer die Mehrzahl Meie, die Leben-
den oder die Toten, .sagte er: „Wohin rechnest du die,
die man die Mehrzahl nennt?" Von einem Attiker ver-
höhnt ob seines Skythentunis, sagte er: „Nun, mir
macht mein Vaterland Schande, du aber bist eine
Schande für dein Vaterland." Gefragt, was für den 105
den Menschen zugleich ein Gut und ein Übel sei, sagte
er,, „die Zunge." Besser, sagte er, sei es, einen wirk-
lich zuverlässigen Freund zu haben, als viele unzu-
verlässige. Den Markt nannte er einen Platz, der recht
eigentlich dazu bestimmt sei, sich gegenseitig zu
täuschen und zu übervorteilen. Von einem Jüngling
beim Becher durch übermütige Beden gereizt, sagte er:
...Mein junger Gesell, wenn du als Jüngling den Wein
nicht vertragen kannst, wirst du dich als Greis mit
ilvtn Wasser schlepipen müssen." Für den täglichen
l.i'bensgebrauch erfand er, wie einige meinen, den
Anker und die Töpferscheibe. Folgenden (unechten)
Hrief schrieb er:
Anacharsis an Kroisos.
König der Lyder! Ich habe mich nach Griechen-
land begeben, um mich mit griechischer Sitte und
Lebensari vertraut zu machen. Des Geldes bin ich
>ucht bedürftig, bin vielmehr zufrieden, als ein besserer
Mensch zu den Skythen zurückzukehren. Nun bin ich
nach Sardes gekommen, weil ich großen Wert darauf
lege, deine Achtung und Liebe zu gewinnen
Neuntes Kapitel.
Mysoil. Um 600 v. Chr.
Myson, Sohn des Strymon, wie Sosikrates mit Be- 106
i-utung auf Hermippos berichtet, stammte aus Chen
mm Ortschaft am Oeta oder in Läkoaden Man reell-
I 104—108.
53
aet ihn zu den sieben Weisen. Man sagt auch, er sei
eines Tyrannen Sohn gewesen. Von irgend jemand
wird behauptet, auf die Frage des Anacharsis an die
Pythische Priesterin, ob irgendeiner weiser sei als er
selbst, habe dieser folgende Antwort gegeben, deren wir
schon früher gedacht haben im Leben des Thaies mit
Bezug auf Chiton (I 30):
Myson in Chen am Oeta ist besser als du, so behaupt* ich.
Ausgerüstet mit Geist zu hohem Flug der Oedanken.
Dieser Orakelspruch versetzte den Anacharsis in große
Aufregung, und so sei er denn zur Sommerszeit in
jenes Dorf gekommen und habe den Myson angetroffen,
wie er gerade beschäftigt war, die Pflugsterze an der
Pflugschar zu befestigen. Auf seine Bemerkung: „Aber
Myson, jetzt ist doch nicht die Zeit zum Pflügen," er-
widerte jener: „aber gerade die rechte Zeit, zum Pflügen
107 sich zu rüsten." Andere behaupten, dasOrakel habe nicht
gelautet „Oetäisch" (am Oeta), sondern „Eteiisch" und
suchen zu ergründen, was dies letztere bedeute. Parme-
nides (?) versteht darunter einen Bezirk von Lakonien.
aus dem Myson herstamme. Sosikrates dagegen be-
hauptet in seinem Buch über die Philosophenfolgen
(Diadochae), er sei väterlicherseits, ein Eteier, mütter-
licherseits aber Chener. Euthyohron hinwiederum, des
Herakleides Pontikos Sohn, gibt ihn für einen Kreter
aus; denn Eteia sei eine Stadt auf Kreta. Anaxilaos
nennt ihn einen Arkader. Auch Hipponax gedenkt
seiner mit den Worten (Frg. 45 Bergk 8 ):
Myson auch, den Apollon
Erklärte für der Menschen Allerweisesten
Aristoxenos berichtet in seinen Vermischten Ge-
schichten, er habe starke Ähnlichkeit mit Timon und
Apemantos. Er sei nämMch ein Menschenhasser ge-
wesen. So habe man ihn in Lakedaimon beobachtet,
wie er ganz für sich allein in der Einsamkeit gelacht
108 habe. Und von einem, der ihn- in solcher Lage über-
54
Mysön. Epimenides.
raschte; gefragt, warum er fernab von jeder mensch-
lichen Gesellschaft Jache, habe er geantwortet: „Eben
deshalb." Aristoxenös behauptet, eben das sei die Ur-
sache seines mindern Ruhms, daß er nicht einmal aus
einer Stadt, sondern nur aus einem Dorfe stamme und
noch dazu einem ganz unbedeutenden. Eben diese Un-
berühmtheit sei auch schuld daran, daß manche seine
Sprüche dem Tyrannen Peisistratos zuschreiben, nur
Piaton nicht, der Philosoph. Auch dieser nämlich tut
seiner Erwähnung im Protagoras (343 A), wo er ihn
an die Stelle des Periander setzt. Ein Spruch von ihm
war folgender: Man soll nicht die Sachen aus den
Beden Entnehmen, sondern die Reden aus den
Sachen : M ) denn nicht verdanken die Sachen den Reden
ihren Bestand, sondern die Reden den Sachen. Er
starb in einem Alter von siebenundneunzig Jahren.
Zehntes Kapitel.
Epimenides. Um 600 v. Chr.
Eoimenides war. wie Th<vuiomnos und viele andere 109
hphannfpn. ein Sohn des Phaistios. nach andern d*8
■Rosinde« und nach nooh andern des Agesarkos. Er
starnrnfp aiis Kreta, und zwar ans TCnosos. Rangherab-
wallendos Haunthaar gab seinem Aussehen etwas
ErpmdarhVes. Er wurdp einst von seiwm Vater aufs
Feld ^Rfhictt Z11r AnfaeM über die Schafherde: in
dpr M'tfaeszeit hoc- er vom "Wegp ah und verfip.1 in einer
Grotte in einpn .wbenundfiinfzi?iähnVpn Schlaf. End-
lich erwacht, suchte er nach seinpr Herde, des Glau-
bens. p r ba.be nur kurze Zeit eesonlnmmert. Als er sie
nicht fand, gine er nach dem Felde hin und traf
hier alles in verändertem Zustand und den Acker im
Besitze eines andern. So kehrte er denn von schweren
I 108 — 111.
55
Gedanken geängstigt wieder in die Stadt zurück. Als
er dort in sein Hans eintrat, traf er auf Leute, die ihn
fragten, wer er wäre. Endlich fand er seinen jüngeren
Bruder, der schon ein altpr Mann geworden war; von
ihm erfuhr er die ganze Wahrheit. Bei den Griechen
dann bekannt geworden, wurde er als ganz besonderer
Liebling der Götter angesehen.
110 Da nun die Athener in jener Zeit von einer Pest
heimgesucht wurden und die Pythia ihnen verkündete,
sie sollten die Stadt sühnen, sandten sie den Nikias.
des Nikeratos Sohn, zu Schiff nach Kreta, um Eoime-
nides zu sich zu rufen. Er kam in der 46. Olvmm'ade
C596/93 v. Ghr.), reinigte ihre Stadt und machte der
Pest ein Ende, und zwar auf folgende Weise: Eine An-
zahl schwarzer und weißer Schafe mit sich führend,
ging er nach dem Areshügel (Areopag"); von da ab ließ
er ihnen völlig freien Lauf; seinen Begleitern gab er
die Anweisung, sie sollten immer da, wo sich eine«
niederlegte, es dem zuständigen Gott als Oofer dar-
bringen, dann werde das Unheil sein Ende haben.
Daher kommt es, daß man auch heute noch in den
athenischen Gauen namenlose Altäre findet, zur Er-
innerung an die damalige Sühnung. Andere be-
haupten, das Orakel 62 ) habe als Ursache der Pest den
Klonischen Frevel bezeichnet und zur Befreiung davon
Anweisung gegeben; zu diesem Ende hätten zwei Jüng-
linge, Kratinos und Ktesibios, in den Tod gehen
müssen, womit da« Unheil gehoben gewesen sei ; Die
111 Athener aber bewilligten dem Em'menides auf Volks-
beschluß ein Talent nebst dem Schiff, das ihn nach
Kreta zurückführen sollte. Er indes nahm das Geld
nicht an. wohl aber brachte er einen Freundschafts-
und Bündnisvertrag zwischen Knosiern und Athenern
zustande. Nicht lange nach seiner Bückkehr starb er,
wie Phlegon in seinem Buch über die Langlebigen
sagt, in einem Alter von hundertsiebenundfünfzig
Jahren, nach Meinung der Kreter von zweihundert-
neunundneunzig Jahren. Dagegen behauptet der Kolo-
56
Epimenides.
phonier Xenophanes gehört zu haben, er sei hundert-
vierundfiinfzig Jahre alt geworden.
Als Dichter besang er den Ursprung der Kureten
und Korybanten und die Theogonie in fünftausend
Versen, den Bau des Argonautenschiffs und die Fahrt 112
des Jason zu den Kolchern in .sechstausendfünfhundert
Versen. Aber auch Prosaschriften verfaßte er: So über
Opfer, über den kretischen Staat und über Minoe und
Rhadamanthys an die viertausend Zeiten. In Athen er-
richtete er auch, wie Lobon aus Argos in seinem Buch
über die Dichter sagt, das Heiligtum der „hehren
Göttinnen (Erinyen, Eumeniden). Er soll auch zuerst
Hauser und Felder durch Sühnung gereinigt und Tem-
pel errichtet haben. Manche behaupten auch fcr ha»
gar nicht geschlafen, sondern habe eine Zeitlang die
Menschengesellschaft, gemieden, ganz beschäftigt mit
dem Einsammeln heilkräftiger Kräuter. Auch ein Brief
an boten, den Gesetzgeber, wird ihm zugeschrieben, der
ufcsr die von Minos den Kretern gegebene Staatsver-
fassimg handelt. Allein der Magnesier Demetrios sucht
m semen) Buche über die gleichnamigen Dichter und
bchnftstelter (Homonymen) den Brief als eine Fäl-
schung nachzuweisen und als nicht in kretischer
Mundart geschrieben, sondern in attischer Sprache.
™I™w in S^W^" Ich aber habe ™* einen
jindeum funechten) Brief gefunden folgenden Wort-
Epimenides an Solon.
^JrÄT*'" «*■ nämlich Peisistratos „3
a2 rZ!^' SIL ?*J>*mM* nnd nicht an
wird, ?tltfnT W °} n u Äthemr unternommen, so
n^ m^l ^ 86,laft em \ da ^mde sein, indem er
die Huraei zu Sklaven gemacht hätte; so aber hat er es-
her semen Knechfun„sver,nchen mit Mänmm t, tun
dirf* Tr Sdtlechier Art sind. Sie norden chZ-
tcnanwtnhl erfüllt m» und sich die Tyrann enhrrr-
I 111—115.
57
^•lutfi nicht gefallen lassen. Mag auch Peisistratos
jetzt Herr der Stadt sein, so wird doch, wie ich gewiß-
lich hoffe, die Herrschaft nicht auf seine Kinder über-
gehen. Denn man kann es sich schwer ausdenken, daß
freiheitsliebende Menschen trotz trefflicher Gesetze
Sklaven bleiben. Du aber irre nicht in der Fremde
umher, sondern komm endlich zu uns nach Kreta.
Denn hier wird dir kein Alleinherrscher lästig sein.
Führt aber der Zufall dich auf deinen Wanderungen
mit einem der Genossen des Peisistratos zusammen, so
fürchte ich, stößt dir ein Unheil zu. -
114 So lautet das Schreiben. Demetrios sagt, noch einige
berichteten, er habe von Nymphen eine Art Speise be-
kommen und in einer Ochsenklaue verwahrt; diese habe
er in kleinen Dosen zu sich genommen und dann keiner
Entleerung bedurft, auch hätte ihn niemand je essen
sehen. Auch Timaios gedenkt seiner im zweiten Buche.
Einige behaupten, die Kreter opferten ihm wie einem
Gott. Auch einen besonders scharfen Blick für Er-
kenntnis der Dinge rühmt man ihm nach. Als er bei
seinem Aufenthalt in Athen Munychia sah. sagte er zu
den Athenern, sie wüßten gar nicht, welches Unheil
dieser Platz über sie bringen werde; sonst würden sie
ihn ohne weiteres mit den Zähnen zerbeißen. Das sagte
er so viele Jahre im voraus. Es heißt auch, er hätte zu-
erst den Namen Aiakos geführt, hätte den Lakedai-
moniern die schwere Niederlage durch die Arkader
vorausgesagt 84 ) und sieh den Anschein gegeben, als
115 wäre er schon oft zu neuem Leben erwacht. Theopomp
in den Wundererzählungen sa°rt. als er den Tempel der
Nymphen errichtete, habe sich eine Stimme vom
Himmel vernehmen lassen : ..Epimenides, nicht den
Nymphen, sondern dem Zeus!" Auch den Kretern habe
er die schon erwähnte Niederlage der Lakedaimonier
durch die Arkader vorausgesagt. Und tatsächlich er-
litten sie die schwere Niederlage bei Orchomenos. Und
er sei in ebensoviel Tagen dahin gealtert, als er Jahre
geschlafen habe; so berichtet derselbe Theopomp.
58 Pherekydes.
Myronianos aber behauptet in den Geschichtlichen
Parallelen, er sei von den Kretern Kures genannt
worden. Seinen Leichnam halten die Lakedaimonier
bei sich in Verwahrung gemäß einem Orakelspruch,
wie der Spartaner Sosibios sagt. Es gibt auch noch
zwei andere Schriftsteller Namens Epimenides, der
eine der Genealog, der andere der Verfasser der do-
rischen Schrift über Rhodos.
Elftes Kapitel.
Pherekydes. Um 540 v. Chr.
Pherekydes, des Babys Sohn aus Syros (Insel), war, 116
wie Alexander in den Philosophenfolgen sagt, ein
Hörer des Pittakos. Er hat, wie Theopomp berichtet,
den Hellenen zuerst Schriften geliefert über die Natur
und die Götter. Aber auch viel Wunderbares wird von
ihm erzählt. So soll er bei einem Spaziergang am
Strande von Samos beim Anblick eines mit vollen
Segeln dahinfahrenden Schiffes gesagt haben, nicht
lange werde es dauern, so gehe es unter. Und vor seinen
Augen noch sei es gesunken. Und als er aus einem
Brunnen geschöpftes Wasser trank, habe er voraus-
gesagt, in drei Tagen werde ein Erdbeben eintreten:
und so sei es auch gekommen. Als er auf dem Wege
nach Olympia nach Messene kam, habe er seinem Gast-
freund Perilaos geraten, sich mitsamt seiner Familie
anderwärts anzusiedeln. Dieser habe sich nicht dazu
verstehen wollen, und Messene sei in die Gewalt der
Feinde gekommen. Den Lakedaimoniern soll er, wie 117
Theopomp in den Wundererzählungen sagt, abgeraten
haben von dem Gebrauch von Gold und Silber; dies
habe ihm Herakles im Traume aufgetragen, und dieser
habe noch in derselben Nacht den Königen befohlen,
dem Rat des Pherekydes zu folgen. Einige schreiben
dies dem Pythagoras zu. Hermippos erzählt, als
I 115—119.
59
zwischen Ephesiern und Magnesiern ©in Krieg aus-
gebrochen war, habe er, von dem Wunsche beseelt, die
Ephesier möchten siegen, einen Vorübergehenden ge-
fragt, woher er wäre. Auf die Antwort „aus Ephesos"
habe er gesagt: „So fasse mich denn bei den Beinen,
ziehe mich auf magnesischen Boden und melde deinen
Mitbürgern, sie sollten nach errungenem Siege mich
dort beerdigen, dies habe Pherekydes dir aufgetragen."
118 Der Ephesier machte seine Meldung. Da griffen die
Ephesder am nächsten Tage an und errangen den Sieg
über die Magnesier. Sie beerdigten den Pherekydes,
nachdem sein Tod eingetreten, an der bezeichneten
Stelle und erwiesen ihm hohe Ehren. Einige dagegen
berichten, er sei nach Delphi gewandert und habe sich
von dem Korykischen Berge hinabgestürzt. Aristo-
xenos aber behauptet in seinem Buche über Pytha-
goras, er sei, nachdem er in eine Krankheit verfallen,
vom Pythagoras in Delos bestattet worden. Andere be-
richten, er sei an der Läusekrankheit 65 ) gestorben. Und
als Pythagoras sich zu einem Besuche einfand und
fragte, wie es ihm ginge, habe er den Finger durch die
Türspalte herausgestreckt mit den Worten: „An der Haut
magst du's erkennen." Daher kommt es, daß bei den
Philologen diese Bedensart in schlimmer Bedeutung
genommen wird; wer sie in guter Bedeutung (zur Be-
zeichnung des Besten) nimmt, braucht sie fehlerhaft.
119 Er behauptete, die Götter nennten den Tisch Thyoros
(^uwpoc). Der Ephesier Andron berichtet, es habe zwei
Männer Namens Pherekydes gegeben, beide aus Syros:
der eine ein Astrolog, der andre Theolog, Sohn des
Babys, dessen Schüler Pythagoras gewesen sei. Nach
Eratosthenes dagegen stammt nur der eine von ihnen
aus Syras, während der andere ein Athener sei, ein
Genealoge. Es gibt noch jetzt das von dem Syrier
Pherekydes verfaßte Buch, das mit den Worten be-
ginnt: ,.Zeus im d Chronos (die Zeit) und Chthonie
(die Erde") waren von jeher. Chthonie aber erhielt
den Namen Ge (Erde), da Zeus ihr die Erde als Ehren-
geschenk verleiht." Noch jetzt zeigt man auf der Insel
60 Pherekydes.
Syros eine Sonnenuhr. Duris versichert im zweiten
Buch seiner Hören (upoi, Annalen), seine Grabschrift
habe folgendermaßen gelautet (Biels Fr. d. V? 222):
Alle Weisheit wohnet in mir; gibt's aber noch höh're, 120
Bietet mein Freund Pythagoras sie, denn er ist der erste
Unter den griechischen Weisen : du kannst meinem Worte vertrauen.
Ton aber von Ghios singt von ihm:
Ihm, den männlicher Mut und erhabene Sinnesart zierte.
Ihm steht auch noch im Tod fröhliches Leben bevor;
Hätte doch sonst sich getäuscht der weise Pythsgoras, der doch
Hoch über alle hinaus ragte an Einsicht und Geist.
Auch von mir gibt es ein Gedicht auf ihn im Pherekra-
teischen Versmaß:
Syros' Sohn Pherekydes,
Er, der ruhmvolle Weise,
Ward den Läusen zur Beute, 121
Wie die Sage verkündet.
..Bringt mich," rief er, „alsbald nun
Hin zur Flur der Magneten;
Das bringt Ephesos' Bürgern
Sieg, bringt Sturz den Magneten."
Er allein war ja kundig
Jenes pythischen Spruches,
Und so starb er bei ihnen.
Wahr ist's also: der Weise
Ist — wenn wirklich ein Weiser —
Wie im Leben, so tot auch,
Stets uns Menschen ein Segen.
Er lebte um die 59. Olympiade (544/41 v. Chr.). Es
gibt von ihm folgenden (unechten) Brief:
Pherekydes an Thaies.
Möge dir ein gnädiges Ende beschieden sein, wenn m
die Schickung dich trifft. Mich hat eine Krankheit ge-
packt gerade als ich dein Schreiben empfing. Ich
strotzte geradezu von Läusen, und Schültelfleber er-
griff mich. Ich beauftragte also meine Hausgenossen,
nach meiner Beerdigung meine Schriften dir zu über-
mitteln. Und billigst du sie mit den übrigen Weisen,
I 119—122.
so sorge für ihre Veröffentlichung; billigt ihr sie nicht,
so unterlaßt die Veröffentlichung. Denn ich war noch
nicht mit ihnen zufrieden. Es sind keine beglaubigten
Tatsachen, die ich bringe, und ich mache mich nicht
anheischig, die Wahrheit zu wissen. Alles, was du von
göttlichen Dingen zu lesen bekommst, darf nicht wört-
lich genommen, sondern muß anders verstanden
werden. 67 ) Denn ich deute alles nur mehr oder weniger
dunkel an. Durch die Krankheit mehr und mehr mit-
genommen, gewähre ich weder irgendeinem Arzt noch
meinen Freunden Zutritt zu mir. Wenn sie sich vor
meiner Türe einfanden und nach meinem Befinden
fragten, streckte ich ihnen den Finger durch das Tür-
schloß hin und ließ sie so die Wut der Krankheit er-
kennen. Dabei mahnte ich sie, am nächsten Tage sich
zu meiner Beerdigung einzufinden.
Das wären denn die sogenannten Weisen, denen
einige auch den Tyrannen Peisistratos zuzählen. Nun-
mehr aber ist von den Philosophen zu handeln; und zu
beginnen ist mit der ionischen Philosophie, deren Be-
gründer Thaies ist. Dessen Schüler war Anaximander.
62 . Änaximander. Anaximenes.
Zweites Buch.
Erstes Kapitel.
Änaximander. Um 611—546 v. Ohr.
Änaximander, des Praxiades Sohn, war ein Mile- i
sier. Er behauptete, Anfang und Urelement sei das
Unbegrenzte (Apeiron), ohne Luft, Wasser oder sonst
irgend etwas abzusondern. Die Teile seien wandelbar,
das Ganze aber unwandelbar. Als Zentrum liege in
der Mitte die Erde in kugeiförmiger Gestalt; der Mond
leuchte mit geborgtem Licht, er werde von der Sonne
erleuchtet, die Sonne aber sei nicht kleiner als die Erde
und sei das reinste Feuer. 1 ) Er ist der Erfinder der
Sonnenuhr; er stellte sie auf einem geeigneten Platze
(axio^'/jp a) in Lakedaimon auf, wie Favorinus in seinen
Geschichtlichen Miscellen berichtet: sie ließ die Wende-
kreise und die Tag- und Nachtgleichen erkennen; auch
Horoskope stellte er her. Ferner gab er zuerst eine 2
Zeichnung von dem Umfang der Erde und des Meeres.
Auch einen Himmelsglobus fertigte er an.
Von .seinen Lehrmeinungen gab er einen zusammen-
fassenden Abriß, der auch dem Apollodoros aus Athen
zu Händen kam. Dieser berichtet in seinen Chronika
auch, er sei im zweiten Jahre .der 58. Olympiade
(547/46 v. Chr.) vierundsechzig Jahre alt gewesen und
bald darauf gestorben (seine Blütezeit fällt etwa in die
Zeit de® Polykrates, des Tyrannen von Samos). Durch
seine Singversuche, wird erzählt, habe er das Gelächter
der Kinder erregt; er aber habe auf die Kunde davon
gesagt: „Dank euch, ihr Kinder, denn ihr gebt mir die
Lehre, daß ich künftig besser singen muß." Es gab
II 1-4.
63
auch noch einen anderen Anaximander, einen Ge-
schichtsforscher, der gleichfalls Milesier war und in
ionischer Mundart schrieb.
Zw*eites Kapitel.
Anaximenes. Um 546 v. Chr.
Anaximenes, des Eurystratos Sohn aus Milet, war
Schüler des Anaximander. Einige wollen ihn auch zum
Schüler des Parmenides machen. Er erklart für den
Anfang der Dinge die Luft und diese für das Grenzen-
lose (Apeiron). Die Sterne, sagte er, bewegen sich nicht
unter die Erde, sondern (seitwärts) um die Erde herum.
Er schrieb in ionischer Mundart, einfach und unge-
künstelt. Er lebte, wie Apollodor berichtet, zur Zeit
der Eroberung von Sardes (durch Kyrps 546 v. Chr.)
und starb in der 63. Olympiade (528/525 v. Chr.). )
Es hat auch noch zwei andere Männer dieses Namens
gegeben, beide aus Lampsakos, der eine ein Rhetor,
der andere ein Geschichtsforscher, Sohn einer
Schwester des Rhetors, des Verfassers der Schrift über
die Taten des Alexander. .
Der Philosoph schrieb folgenden (unechten; «riet.
Anaximenes an Pythagoras.
i Thaies, des Examyos Sohn, hat hochbetagt kein
glückliches Ende gehabt. Als er seiner Gewohnheit
gemäß mit seiner Magd des Nachts aus dem Vorhot
seines Hauses ins Freie hinausging, um die bterne zu
beobachten, stürzte er, in Betrachtung des Himmels
verloren, einen Abhang hinab. Arme Milesier, deren
Himmelskundiger auf diese Weise enden mußte! Wir
aber, seine Schüler, wollen des Mannes eingedenk
bleiben, und ebenso unsere Kinder und Schuler, und
wollen auch weiterhin seine Lehren als unser VV aiir-
Anaximenes. Anaxagoras.
zeichen betrachten. Jede gemeinsame Untersuchung
soll mit Thaies anheben.
Und ferner:
Anaximenes an Pythagoras.
Wie gut hast du daran getan* — weit klüger als 5
wir — , daß du deinen Wohnsitz von Samos nach
Kroton verlegt hast, wo du in Ruhe lebst. Die Söhne
des Aiakes richten unsägliches Unheil an, und die Mile-
sier müssen sich nach wie vor von Tyrannen be-
herrschen lassen. Ein furchtbarer Gegner ist uns auch
der Perserkönig, den wir nur dadurch befriedigen
könnten, daß wir ihm tributpflichtig würden; indes die
Ionier sind entschlossen, für die Freiheit aller den
Kampf mit den Uedem (Persern) auf sich zu nehmen.
Ist es aber einmal zum Kriege gekommen, so ist jede
Hoffnung auf Rettung geschwunden. Wie könnte es
sich also Anaximenes noch in den Sinn kommen lassen,
die Himmelsgeheimnisse zu erforschen, er, der angst-
erfüllt nur noch die Wahl sieht zwischen Tod und
Knechtschaft? Du dagegen erfreust dich der herz-
lichen Verehrung der Krotoniaten und nicht minder
der übrigen Italioten. Ja auch aus Sizilien strömen dir
Schüler zu.
Drittes Kapitel.
Anaxagoras. 500—428 v. Chr.
Anaxagoras, der Sohn des Hegesibulos oderEubulos, 6
stammte aus Klazomenai. Er war Schüler des Anaxi-
menes und stellte zuerst der Materie den Geist zur Seite.
Seme Schrift nämlich, durch anmutige und geistvolle
Darstellung ausgezeichnet, hebt folgendermaßen an:-
Ahe Dmge waren zusammen, dann kam der Geist dazu
und ordnete sie. Daher ward auch er selbst Geist
genannt, und Timon sagt in den Sillen von ihm- 3 )
II 5-8.
65
Vom Anaxagoras sagt man: er war ein kräftiger Heros,
Nannte ihn Qeist, weil er geistvoll war, er führte auf einmal
Alles, was vorher verstreut und ungeordnet, zusammen.
7 Er ragte hervor durch Abkunft und Reichtum, aber
auch durch Seelenadel; trat er doch sein väterliches
Vermögen an seine Verwandten ab. Als ihm diese näm-
lich Vorwürfe machten wegen seiner Sorglosigkeit,
sagte er: „Nun, warum übernehmt ihr denn nicht die
Sorge an meiner Statt?" Und schließlich sagte er sich
völlig los davon und widmete sich ganz der Betrach-
tung der Natur, ohne sich um öffentliche Angelegen-
heiten zu bekümmern. So sagte er zu einem, der ihn
fragte: „Hast du denn gar kein Herz für dein Vater-
land?" „Laß das gut sein; nichts liegt mir mehr am
Herzen, als mein Vaterland," wobei er auf den Himmel
wies. Er soll beim Übergang des Xerxes über den
Hellespont zwanzig Jahre alt gewesen sein und zwei-
undsiebzig Jahre alt geworden sein. Apollodor be-
hauptet in seinen Ghronika, er sei geboren in der
70. Olympiade (500/497) und gestorben im ersten Jahre
der 88. Olympiade (428). Als Philosoph trat er zuerst
hervor zu Athen in dem Archontat des Kallias (456
oder Kalliades 480) im Alter von zwanzig Jahren, wie
Bemetrios der Phalereer in seinem Archontenverzeich-
nis sagt; dort soll er dreißig Jahre geweilt haben.
8 Er erklärte die Sonne für eine glühendheiße feurige
Eisenmasse, größer als der Peloponnes (andere nennen
statt seiner den Tantalos — den Physiologen — als
Urheber dieser Ansicht); der Mond aber, behauptete
er, habe Wohnstätten und Hügel und Schluchten. Ur-
anfänge seien die gleichartigen Körperchen (Homoio-
merien); wie nämlich das Gold aus den sogenannten
Körnchen (Stäubchen) bestehe, so sei das Ganze aus
den gleichartigen kleine^ Körpern zusammengesetzt.
Der Anfang der Bewegung sei der Geist. Von den
Körpern seien die schweren, wie z. B. die Erde, in der
unteren Region gelagert, die leichteren dagegen, wie
das Feuer, in der oberen, Wasser und Luft in der
mittleren. So nämlich habe das Meer zu seiner Unter-
A p e 1 1 , Diocenes Laertills. 5
66
Anaxagoras.
läge die Erde, die scheibenförmig flach sei, 4 ) während
das Wasser durch die Sonnenwärme in die Luft ver-
dunste. Die Sterne hätten anfangs eine kuppeiförmige 9
Bewegung gehabt, so daß der stets sichtbare Pol das
Zenith war, dann aber sei die Neigung eingetreten. 5 )
Die Milchstraße sei ein Reflex der von dem Sonnen-
licht nicht beleuchteten Sterne. Die Kometen 8 ) ent-
stünden durch das Zusammentreffen flammensprühen-
der Planeten, und diese prallten, wie Funken dahin-
schießend, von der Luft ab. Die Winde entstünden
durch Verdünnung der Luft infolge der Sonnenwärme.
Donner sei ein Zusammenstoß von Wolken, der Blitz
eine Reibung der Wolken, das Erdbeben ein Ein-
dringen der Luft in das Erdinnere. Die lebenden
Wesen entstünden aus dem Feuchten und Warmen
und Erdartigen, und weiterhin durch Zeugung ausein-
ander. Das Männliche sei Erzeugnis der rechten Seite,
das Weibliche der linken Seite.
Man sagt, er habe den Fall des Meteorsteins in der 10
Nähe von Aigospotamos vorausgesagt, von dem er be-
hauptete, er werde aus der Sonne herabfallen. Daher
habe denn auch Euripides, sein Schüler, in seinem
Phaethon die Sonne einen goldnen Klumpen genannt. 7 )
Bei einem Besuche von Olympia habe er dem Festspiele
in einem Ledermantel beigewohnt, wie in Erwartung
von Regenwetter; und so sei es auch gekommen. Als
ihn einer fragte, ob die Berge bei Lampsakos dereinst
zu Meer werden würden, soll er geantwortet haben:
„Ja, wenn die Zeit nicht ausgeht." Und befragt, wozu
er auf die Weif, gekommen sei, sagte er: „Zur Beobach-
tung von Sonne, Mond und Himmel." Als einer zu ihm
sagte: „Du mußtest auf Athen verzichten," erwiderte
er: „Nein, umgekehrt, Athen auf mich." Als er sich das
Grabmal des Mausolos ansalj, sagte er: „Ein kost-
spieliges Grab ist ein Bild versteinerten Vermögens." 8 ) 11
Einen, der es schwer beklagte, auf fremder Erde sterben
zu müssen, tröstete er mit den Worten: „Der Nieder-
stieg zum Hades ist allerwärts der gleiche." 8 ) Er
scheint, wie Favorinus in seinen Geschichtlichen Mis-
II 8-13.
67
zellen sagt, der erste gewesen zu sein, der darauf hin-
wies, daß die homerische Poesie von Tugend und Ge-
rechtigkeit handele, eine Ansicht, die dann sein Freund,
der Lampsakener Metrodoros, weiter ausgeführt habe,
wie dieser sich denn auch zuerst bemüht habe um Auf-
klärung der Naturkenntnisse des Dichters. Anaxago-
ras war auch der erste, der ein Buch in Prosa heraus-
gab 10 ) Silenos berichtet im ersten Buch seiner Histo-
rien, im Archontat des Demylos 11 ) sei ein Stein vom
12 Himmel gefallen; da habe Anaxagoras gesagt, der
ganze Himmel bestehe aus Steinen; nur durch den ge-
waltigen Schwung der Kreisbewegung werde er zu-
sammengehalten; ließe dieser nach, so wurde er zu-
sammenstürzen.
Über seinen Prozeß lauten die Berichte verschieden.
Sotion sagt in seinem Buche über die Sukzessionen der
Philosophen, er sei von Kleon wegen Gottlosigkeit an-
geklagt worden, weil er die Sonne für eine glühende
Steinmasse erklärt habe; nur durch das Eintreten
seines Schülers Perikles für ihn sei er mit einer Strafe
von fünf Talenten und Verbannung davongekommen.
Satyros dagegen behauptet in seinen Biographien, er
sei von Thukydides, 12 ) dem politischen Gegner des
Perikles, angeklagt worden, und zwar nicht nur wegen
13 Gottlosigkeit, sondern auch wegen Landesverrats an die
Meder und sei abwesend zum Tode verurteilt worden.
Gleichzeitig mit seiner Verurteilung habe er auch
Kunde erhalten von dem Tod seiner Söhne und seine
Verurteilung mit den Worten aufgenommen: „Schon
längst hat die Natur sowohl sie (die Richter) wie auch
mich verurteilt," den Tod der Söhne aber mit den
Worten: „Ich wußte, daß sie als- Sterbliche von mir er-
zeugt sind." (Manche schreiben dies letztere Wort dem
Solon, andere dem Xenophon zu.) 18 ) Demetnos der
Phalereer berichtet in seinem Buche über das Alter,
Anaxagoras habe sie eigenhändig begraben. ) Her-
mippos berichtet in seinen Biographien, er sei als des
Todes schuldig eingekerkert worden. Perikles aber sei
vor das Volk getreten mit der Frage, ob man ihn (den
68
Anaxagoras - Archelaos.
Perikles) einer Schuld im Leben zeihen könne, und da
sie stumm blieben, habe er gesagt: „Nun, ich bin ja
doch sein Schüler; laßt euch also nicht durch Ver-
leumdungen dazu hinreißen, den Mann in den Tod zu
stürzen, sondern folget mir und gebt ihn frei." Und so
ward er freigegeben. Er aber konnte sich über die ihm
zugefügte Unbill nicht hinwegsetzen und starb durch
eigene Hand. Hieronymos aber erzählt im zweiten 11
Buch seiner Vermischten Denkwürdigkeiten, er sei, ge-
leitet von Perikles, vor den Richtern erschienen, körper-
lich verfallen und abgemagert, so daß er seine Frei-
lassung mehr dem Erbarmen als einem unbeeinflußten
Richterspruch zu danken habe. So viel über seinen
Prozeß. Manche sprechen auch von einer Feindschaft
mit Demokrit, weil dieser ihm eine Unterredung abge-
schlagen habe. Schließlich zog er sieh nach Lampsakos
zurück, wo er starb. Als die dortigen Behörden ihn
nach seinem letzten Wunsche fragten, gab er zur Ant-
wort: in seinem Todesmonat sollten alljährlich sich die
Kinder mit Spielen belustigen dürfen. Noch jetzt wird
dieser Brauch eingehalten. Nach seinem Ende be-
statteten ihn die Lampsakener mit allen Ehren und 15
schmückten sein Grab mit folgender Inschrift:
Friedlich ruht Anaxagoras hier, der Sucher nach Wahrheit,
weit in den himmlischen Raum drang sein erleuchteter Geist.
Auch von mir gibt es ein Epigramm auf ihn:
W «,' e ü a . Is 2 lühende M asse, als Stein die Sonne erklärte,
Ward Anaxagoras einst schroff mit dem Tode bedroht
Doch es gelang seinem Freunde, dem Perikles, ihn zu erretten,
Aber von eigener Hand starb er, der Weise, verzagt.
Es hat auch noch drei andere Männer Namens
Anaxagoras gegeben, von denen aber keiner Hervor-
ragendes geleistet hat; 15 ) der eine war ein Rhetor aus
der Schule des Isokrates, der zweite ein Bildhauer,
dessen Antigonos gedenkt: der dritte ein Grammatiker,
Schüler des Zenodot.
II 13-17.
Viertes Kapitel.
Archelaos. Um 440 v. Chr.
16 Archelaos aus Athen oder aus Milet, Sohn des
Apollodoros oder nach anderen des Midon, war
Schüler des Anaxagoras und Lehrer des Sokrates. Er
verpflanzte zuerst die Naturphilosophie aus Ionien
nach Athen 10 ) und ward Physiker genannt, wie denn
mit ihm die Naturphilosophie erlosch und der Ethik
Platz machte, die durch Sokrates eingeführt ward.
Doch scheint auch schon Archelaos sich mit Ethik be-
faßt zu haben; denn er hat über Gesetze, über Schön-
heit und Gerechtigkeit philosophiert. Von ihm empfing,
wie man annahm, Sokrates seine Anregungen und
bildete sie bis zu dem Grade aus, daß man ihn auch für
den eigentlichen Erfinder hielt. 17 ) Er stellte zwei Ur-
gründe des Werdens auf, Wärme und Kälte. Die
lebenden Wesen sind nach ihm aus dem Schlamm ent-
standen. Von dem Gerechten und dem Verabscheuungs-
würdigen behauptete er, sie seien nicht ursprünglich
(«pussi), sondern durch Mensohensatzung (vo[io) be-
stimmt. Seine Lehre entwickelt sich folgendermaßen:
17 Das Wasser, sagt er, durch die Wärme in flüssigen Zu-
stand gebracht, wird, insoweit es sich zu einer Art
. Hefe 18 ) verdichtet, zu Erde; insoweit es aber in Um-
lauf bleibt, erzeugt es die Luft. So wird denn die Erde
von der Luft, die Luft aber von dem Umschwung des
Feuers zusammengehalten. Die lebenden Wesen, sagt
er, entstehen aus der Erde, die in (durch die Sonne)
erwärmtem Zustand einen milchähnlichen Schlamm als
Nahrungsstoff hervortreten läßt; und das hat denn
auch zur Menschenschöpfung geführt. Er stellte zuerst
die Behauptung auf, daß der Schall durch das An-
schlagen der Luft (an das Ohr) entstehe. Das Meer
bildet sich nach ihm in den Höhlungen der Erde, indem
es durch das Erdreich durchsickert. Das größte Ge-
stirn ist die Sonne, und das Weltall ist unendlich,
70
Archelaos - Sokrates.
Es hat noch drei andere Männer Namens Arche-
laos gegehen: der erste ist der Chorograph aller von
Alexander durchzogenen Länder, der zweite hat die
Naturseltenheiten in Versen beschrieben, der dritte ist
Rhetor und Verfasser einer Rhetorik.
Sokrates 469—399 v. Chr.
Sokrates. der Sohn des Bildhauers Sophroniskos 18 .
und der Hebamme Phainarete, wie auch Piaton im
Theätet (149 A) erwähnt, war Athener und stammte
aus dem Demos Alopeke. Es ging die Rede, er habe
dem Euripides bei seinen Dichtungen geholfen. Es be-
zieht sich darauf folgende Stelle des Mnesimachos:
*
„Die Phryger" sind das Neuste vom Euripides.
Dem Sokrates das Reisig ^eb*™) zu dem Werk beschafft.
und weiter:
Euripides. durch Sokrates zurechtgezimmert.
, Und Kallias in den „Gefangenen":
A. Schon forderst du Respekt und wirfst dich in die Brust.
B. Ich darf es, da mir Sokrates zur Seite steht.
Aristophanes in den Wolken:
Seht hier des Schauspiels Meister, den Euripides,
Er strotzt von Schwätzerlust und Weisheitsdunst.
Erst war er einigen zufolge Schüler des Anaxagoras 19
wie auch des Dämon, wie Alexander in seinem Buch
über die Philosophenfolgen sagt, dann, nach der Ver-
urteilung des Anaxagoras, ward er Schüler des Arche-
laos, dessen Liebling er auch nach Aristoxenos gewesen
sein soll. Duris behauptet, er habe auch im Dienste
Fünftes Kapitel.
II 17-21.
71
anderer gearbeitet, und zwar als Bildhauer. Von ihm
seien auch, sagt man, die mit Gewändern bekleideten
Charitinnen auf der Akropolis. Daher auch die Verse
des Timon in den Sillen [Frg. 25 Diels] :
Steinmetz ward er sodann und weltverbessernder Schwätzer,
Zauberfürst der Hellenen, spitzfindiger Rede Erfinder.
Nasenrümpfer, Rhetorenverspotter, halbattischer 18 ) Heuchler.
Denn er war auch stark in der Rhetorenkunst, wie
auch Idomeneus berichtet. Verboten ihm doch die
dreißig, seine Redekünste zu lehren, wie aus Xenophon
20 bekannt. 20 ) Auch Aristophanes verspottete ihn als
einen, der die schlechtere Sache zur bessern macht.
Denn, wie Favorinus in seinem Miszellenwerk be-
richtet, war er der erste, der im Verein mit seinem
Schüler Aischines die Rhetorenkunst lehrte. Das ver-
sichert auch Idomeneus in seinem Werk über die
Sokratiker. Er war auch der erste, der sich als Lehrer
über Lebensgrundsätze vernehmen ließ, sowie der erste
Philosoph, der gerichtlich verurteilt das Leben ein-
büßte. Aristoxenos, des Spintharos Sohn, behauptet,
er habe sich auch auf Gelderwerb gelegt, nämlich
fallen gelassene kleine Münze gesammelt und aufbe-
wahrt, und, war der Vorrat aufgebraucht, dann von
neuem gespart. Demetrios von Byzanz berichtet, Kri-
ton habe, entzückt von seinen geistigen Reizen, ihn
seiner Werkstatt abwendig gemacht und ihm eine
höhere Bildung zuteil werden lassen. Er aber habe er-
21 kannt, daß die Naturphilosophie für uns nichts tauge
und habe sich der Sittenlehre zugewandt, für die er in
Werkstätten und auf dem Markte wirkte, mit der Er-
klärung, er suche nach dem (Od. IV 392)
1 Was dir Böses und Gutes in deinem Hause geschehn sei.
Oft genug sei es vorgekommen, daß er bei seinen Unter-
redungen von den durch seine Nachforschungen ge-
reizten Beteiligten unsanft angefaßt und zerzaust und
meist verächtlich behandelt und verlacht wurde. Das
72
Sokrates.
alles aber habe er mit unerschütterlicher Langmut über
sich ergehen lassen. So sei er einmal auch durch einen
Fußtritt beschimpft worden und habe, als jemand
seine Verwunderung darüber äußerte, daß er sich das
gefallen lasse, erwidert: „Wie? Hätte mich ein Esel ge-
treten, hätte ich diesen etwa gerichtlich belangt?" So
also erzählt Demetrios.
Auf Reisen ins Ausland, wie die meisten sie lieben, 22
war sein Sinn gar nicht gestellt; nur wenn die mili-
tärische Pflicht ihn rief, ließ er sich darauf ein. Sonst
blieb er daheim und lag in regster Streitlust mit seinen
Mitunterrednern seinen Nachforschungen ob, nicht als
ginge er darauf aus, ihnen ihre eigenen Ansichten
auszutreiben, sondern lediglich in dem Streben, die
Wahrheit zu ergründen. Euripides soll ihm die Schrift
des Herakleitos zum Lesen überreicht- und ihn dann
gefragt haben, wie er darüber denke; da habe er er- .
widert: „Was ich davon verstanden habe, zeugt von
hohem Geist; und, wie ich glaube, auch was ich nicht
verstanden habe; nur bedarf es dazu eines delischen
lauchers." Auch auf Körperkräftigung legte er großen
Wert und erfreute sich trefflicher körperlicher Ver-
fassung. Er machte den Feldzug nach Amphipolis mit
(.422 v Chr.); und in der Schlacht bei Delion (424
: y. Lhr.) rettete er dem Xenophon, der vom Pferd«? ge-
tanen war durch sein Beispringen das Leben; auch
schritt er beim Rückzug inmitten der wilden Flucht 23
aller Athener ganz gelassen einher, ruhig sich um-
blickend und zur Abwehr bereit, falte einer an ihn sich
heranwagte. Auch den Feldzug nach Potidaia machte
er mit (430 v Chr.), und zwax fuhr er zu Schiff dort-
hin, denn zu Lande war es nicht möglich, da der Krieg
es mcht zuließ. Dort soll er auch eine ganze Nacht wie
festgebannt m der nämlichen Stellung ausgeharrt
haben, auch soll er dort den Ehrenpreis, der ihm für
treffliche Haltung zugesprochen war, an den Alkibiades
abgetreten haben, der übrigens von Aristipp in dem
vierten Buch über die üppige Lebensweise der Alten
II 21-25.
73
als sein Liebling bezeichnet wird. Ion von Ghios be-
richtet, daß er als Jüngling mit Archelaos nach Samos
ausgezogen sei (im samischen Feldzug 441/40 v. Chr.).
Aristoteles sagt, er habe auch einen Besuch in Delphi
gemacht, und Favorin läßt ihn im ersten Buch seiner
Denkwürdigkeiten auch nach dem Isthmos gekommen
24 sein. 21 ) In seinen Überzeugungen ließ er sich nicht
irre machen; er hielt sich zur Demokratie, wie ersicht-
lich ist aus dem Widerstande, den er dem Krjtias und
dessen Genossen entgegensetzte, als sie ihm den Befehl
gaben, den Leon aus Salamis, einen reichen Mann,
ihnen in die Hände zu liefern, um ihn zum Tode zu
verurteilen. Auch war er der einzige, der seine Stimme
für Freisprechung der zehn Feldherren abgab (Argi-
nusenschlacht). Und als es ihm möglich war, aus dem
Kerker zu entkommen, ließ er sich nicht darauf ein.
Die, welche sein Schicksal beweinten, ließ er hart an
und entwickelte, gefesselt im Kerker, jene erhabenen
Lehren. Er war genügsam und lauter. Pamphile be-
richtet in dem siebenten Buche ihrer Denkwürdigkeiten,
er habe, als Alkibiades ihm ein großes Grundstück zum
Bau eines Wohnhauses zur Verfügung stellte, ihm ge-
antwortet: „Auch wenn ich Schuhe nötig hätte ) und
du mir Leder anbötest, um mir selbst meine Schuhe
daraus zu machen, würde ich mich lächerlich machen,
25 wenn ich es annähme." Oft sagte er beim Anblick der
massenhaften Verkaufsartikel zu sich seihst: „Wie
zahlreich sind doch die Dinge, deren ich nicht bedarf!"
Und immer wieder hörte man ihn die Jamben
zitieren: 28 )
Die silbernen Gefäße und das Purpurkleid
Sind fürs Theater gut, fürs Leben nicht.
Vor den Großen dieser Erde, vor Männern wie dem
Makedonier Archelaos, dem Skopas in Krannon
(Thessalien), dem Eurylochos in Larissa hatte er Avenig
Respekt und nahm weder ihre Geldgeschenke an, noch
ließ er sich zu einem Besuche bei ihnen bewegen. In
seiner Lebensweise war er so einfach und streng, daß
74
Sokrates.
er allein in Athen von den zahlreichen Seuchen, die
dort wüteten, verschont blieb. Aristoteles berichtet 26
[s. Frg. 84 p. 1490b 8 ff.], er habe zwei Frauen gehabt;
von der ersten, der Xanthippe, stamme sein Sohn
Lamprokles ab, von der zweiten, der Myrto, der Tochter
Aristides' des Gerechten, die er ohne Mitgift geheiratet
habe, stammten seine Söhne Sophroniskos und Mene-
xenos. Andere wieder behaupten, Myrto sei seine erste
Frau gewesen. Einige lassen ihn auch beide Frauen
zugleich haben; zu ihnen gehören Satyros und der
Rhodier Hieronymos. Sie behaupten nämlich, die
Athener hätten, um die starken Lücken in der männ-
lichen Bevölkerung auszufüllen, durch Volksbeschluß
festgesetzt, man dürfe sich zwar nur mit einer
Bürgerin verehelichen, aber Kinder auch mit einer
andern zeugen. Danach habe sich auch Sokrates ge-
richtet. Er war der Mann, die ihn Verspottenden mit
Verachtung abzutun. Auf seine Anspruchslosigkeit 27
war er stolz, und niemals nahm er Bezahlung an. Er
pflegte zu sagen, wenn ihm sein Essen und Trinken am
besten schmecke, bedürfe er am wenigsten der Lecker-
bissen und rechne am wenigsten auf einen erst noch
(I zu erwartenden Trank. Und: wer am wenigsten be-
darf, der ist den Göttern am nächsten. Das kann man
auch aus den Komödiendichtern entnehmen, die, ohne
es zu merken, mit ihrem Spott ihn im Grunde nur
IG] 611 S ° Aristoplianes folgendermaßen [Nub. 411 bis
0 Mensch, mit Fug voll großer Begier nach der Weisheit Fülle
und Segen,
Wie wird dir das Leben von Glück umstrahlt in Athen und in
Hellas verlaufen.
Denn stark an Gedächtnis, ein denkender Kopf bist du und nicht
zu erschüttern
In deinem Gemüte und wirst nicht matt durch Stehen oder
durch Gehen,
Noch stört deine Laune des Frostes Gewalt noch quält dich die
Sehnsucht nach Frühstück.
Du verzichtest auf Wein und auf üppige Kost und auf andere
nutzlose Dinge.
II 25-30.
75
28 Ameipsias ferner bringt ihn in seinem „Mäntelchen"
auf die Bühne, wo es folgendermaßen heißt:
Mein Sokrates, Bester im engeren Kreis, zur Massenwirkung |
Auch du bei, uns, du Duldefund Held? Wie läßt sich ein Mantel
dir schaffen? .
A Dies Unheil, es schreibt von den Schustern sich her, sie
fühlten sich gröblich beleidigt.
B Doch dieser, wenngleich von Hunger gequält, hat nie sich
entschlossen zu schmeicheln.
Diesen seinen edlen Stolz und seine hohe Sinnesart
gibt auch Aristophanes zu erkennen LNub. 3bd\ :
Daß stolz auf den Straßen umher du gehst mit den Augen die
Umwelt durchmusternd,
Und, Unbill leidend vom Barfußgehn, auf uns wie von oben
herabblickst. f
Gleichwohl gab es auch Fälle, wo er sich den Um-
ständen anpaßte und in feinerer Kleidung erschien,
wie er z. B. in Piatons Gastmahl bei Agathon aut-
29 tT1 %v verstand sich in gleichem Maße auf beides, auf
das Ermahnen und auf das Abmahnen. So ließ er den
Theätet nach seiner Unterredung mit ihm über das
Wissen in hoher Begeisterung von sich gehen, Mie
Piaton sagt; den Euthyphron dagegen, der gegen seinen
Vater einen Prozeß anstrengte wegen Fremdenmordes,
warnte er davor durch eine Unterredung über die
Frömmigkeit. Den Lysis brachte er durch seine Mah-
nungen auf die Wege strengster Sittlichkeit Denn er
hatte die Gabe, seine Worte aus den Tatsachen gleich-
sam herauswachsen zu lassen-) ^ versöhnte er auch
seinen Sohn Lamprokles wieder mit seiner Mutter, mit
der er zerfallen war, wie Xenophon") irgendwo sagt..
Und den Glaukon, den Bruder Piatons, der als Staats-
mann auftreten wollte, brachte er davon ab, ] »weil ^ hm
Anläse und Erfahrung dazu fehlte, wie Xenophon
sagt. 28 ) Den Charmides dagegen trieb er dazu an weil
30 er sich dafür eignete. Auch den Iphikrates, den Feld-
78
Sokrates.
herrn, regte er zu stärkerein Selbstbewußtsein an,
indem er ihn aufmerksam machte auf die Hahnen-
kämpfe zwischen den Hähnen des Barbiers Meidias
und denen des KaLlias. Und ihn selbst wollte Glauko-
nides zum Schmuck der Stadt machen wie einen Fasan
oder Pfau. 29 ) Für sonderbar erklärt er es, daß ein
jeder leicht angeben könne, wieviel er besitze, aber
nicht sagen könne, wieviele Freunde er habe; so wenig
kümmere man sich um sie. Als er gewahr wurde, daß
Eukleides sich mit allem Eifer auf die Künste der
Erdstik warf, sagte er: „Mein Eukleides, mit den
Sophisten wirst du fertig werden können, mit den
Menschen aber gewiß nicht." Denn er hielt diese Spitz-
findigkeiten für unnützen Kram, wie auch Piaton im
Euthydem sagt, 80 ) Als ihm Charmides Sklaven anbot, 31
um durch $ie zu Einkünften zu gelangen, nahm er sie
nicht an; nach einigen machte er sich auch nichts aus
des Alkibiades Schönheit. Die^Muße lobte er sich als
den herrlichsten Besitz, wie auch "Xenophon im Sym-
posion (4, 44) sagt. Nur eines, pflegte er zu sagen, sei
ein wirkliches Gut, das Wissen, nur eins ein wirkliebes
Übel, die Unwissenheit; Beichtum und hohe Geburt
hätten keine Würde in sich, sondern im Gegenteil nur
Unheil. Als einer zu ihm sagte, Antisthenes stamme
von einer thrakischen Mutter, fertigte er ihn mit den
Worten ab: „Warst du denn des Glaubens, ein so edler
Mann stamme von zwei Athenern ab?" 31 ) Den Phai-
don, der als Gefangener sich in unwürdiger Lage be-
fand, ließ er durch Kriton loskaufen und machte ihn
zu einem geachteten Philosophen. Das Leyerspiel er- 32
lernte er noch, als die eigentliche Zeit dazu schon vor-
über war ) und begründete seinen Entschluß mit den
Worten, man brauche sich nicht zu schämen, wenn
man erlerne, was man noch nicht wisse. Ferner wid-
mete er sich auch gern der Tanzkunst, überzeugt, daß
eine solche Korperbewegung der Gesundheit dienlich
sei. wie auch Xenophon in seinem Symposion (2, 16)
sagt. Auch pflegte er zu sagen, sein Dämonium zeige
II 30-34.
77
ihm das Kommende im voraus an. Das gute Gelingen
sei zwar nichts Geringes, fange aber mit Kleinem an; 3 *)
ferner: er wisse nichts außer eben dies, daß er nichts
wisse. Von denen, die frühreife Früchte für schweres
Geld einkauften, sagte er, sie verzichteten auf die Hoff-
nung, die Zeit der Reife zu erleben. Und gefragt, was
die Tugend des Jünglings sei, antwortete er: „Nimmer
zu viel." Geometrie sollte man nach ihm so lange
treiben, bis man ein Grundstück nach Maß übernehmen
33 und übergeben könne. Als er im Theater bei Auffüh-
rung der „Auge" des Euripides in Beziehung auf die
Tugend dje Worte vernahm:
Am besten ist's, man trennt sich rasch von diesem Kram,
erhob er sich und verließ das Theater mit den Worten,
es sei doch lächerlich, wenn man es für geboten er-
achte, nach einem vermißten Sklaven eifrig zu suchen,
während man die Tugend dem Verderben überlasse. Auf
die Frage, ob man heiraten solle oder nicht, gab er die /
Antwort: „Was du auch tust, du wirst es bereuen."^
Auch sprach er seine Verwunderung darüber aus, daß
die Bildhauer, die doch alle Sorge darauf verwendeten,
ihre steinernen Bilder den Originalen möglichst ähn-
lich zu machen, nicht das geringste dafür täten, nicht
selbst den Steinen ähnlich zu erscheinen. 34 ) Für die
Jünglinge stellte er die Regel auf, sie sollten sich
immer wieder im Spiegel betrachten, um, wenn sie
schön wären, sich dessen würdig zu machen, wenn
aber häßlich, diesen Mangel durch gute Bildung aus-
34 zugleichen und zu verdecken. Als er einmal eine An-
zahl reicher Bekannter zum Mahle eingeladen und
seine Xanthippe wegen der Bewirtung in Angst war,
sagte er: „Nur Mut! Denn sind sie maßvoll, dann
werden sie sich leicht in alles finden, sind sie aber
Schlemmer, dann Gottbefohlen mit ihnen!" Die an-<>
deren Menschen, pflegte er zu sagen, leben, um zu essen;
er selbst aber esse, um zu leben. Von der großen Masse
des gemeinen Volkes sagte er, es stehe damit ähnlich,
wie wenn einer ein einzelnes Vierdrachmenstück ge-
78
Sokrates.
ringschätzig bewertete, dagegen einen Haufen solcher
Münzen als hochwertig gelten ließe. Als Aischines zu
ihm sagte: „Ich bin arm und habe sonst nichts, aber
mich selbst übergebe ich dir," da antwortete er: „Sagst
du dir nicht, daß es das Größte ist, was du mir über-
gibst?" ' Zu einem, der seinen Verdruß darüber
äußerte, daß man, als die Dreißig zur Macht kamen,
ihn übersehen habe, sagte er: „Wie? das tut dir doch
nicht etwa leid?" Und als einer zu ihm die Äußerung 35
tat: „Die Athener haben dich zum Tode verurteilt,"
sagte er: „Und die Natur hat s ie zum Tode verurteilt."
Andere schreiben dies Wort dem Anaxagoras zu. Als
seine Frau sagte: „Du stirbst ungerechterweise," er-
widerte er: „Wünschtest du etwa, daß ich gerechter-
weise stürbe?" Im Traum glaubte er einen zu ver-
nehmen, der die Worte an ihn richtete (Jl. IX 363.
Plat. Krit. 44 B):
Laß drei Tage vergehn, dann bist du im scholligen Phthia,
worauf er zu Aischines sagte: „Am dritten Tage muß
ich in den Tod gehen." Als er im Begriff war, den Gift-
becher zu leeren, wollte ihm Apollodor ein kostbares
Gewand reichen, um darin zu sterben; da sagte er:
„Wie? Mein eigenes Gewand soll gut genug gewesen
sein, darin zu leben, nicht aber um darin zu sterben?"
Als jemand zu ihm bemerkte, es führe einer üble Reden
gegen ihn, erwiderte er: „Recht so, denn von guten
Reden versteht er nichts." Als Antisthenes ein Loch in 36
seinem Mantel allen recht sichtbar machte, sagte er:
„Aus deinem Mantel sehe ich die Eitelkeit hervor-
leuchten." Jemand machte ihn auf einen Verleumder
aufmerksam, worauf er sagte: „Nein, das trifft mich
nicht, denn an mir findet sich nichts von dem, was er
vorbringt. Er verlrat auch die Meinung, man müsse
sich den Komikern recht geflissentlich preisgeben;
denn wenn sie auf wirklich uns anhaftende Fehler hin-
weisen, so werden sie dadurch auf unsere Besserung
hinwirken; wo nicht, so geht uns die Sache nichts an.
n 34-38. 79
Zur Xanthippe sagte er, als sie erst sich in Schmähun-
gen gegen ihn erging und ihn dann sogar mit schmutzi-
gem Wasser übergoß: „Sagte ich nicht, daß Xanthippe,
wenn sie donnert, dann auch Regen bringt?" Und als
Alkibiades äußerte: „Unausstehlich ist doch die keifende
Xanthippe," da entspann sich folgendes kleine W ort-
gefecht: „Aber ich bin doch längst daran gewohnt,
gerade so wie man sich an das unaufhörliche Geräusch
einer Rolle gewöhnt; und auch du läßt dir doch das
37 Geschrei der Gänse gefallen." — „Dafür bringen sie
mir auch Eier und Junge." — „Auch ich habe von
Xanthippe Kinder bekommen." Als sie einmal auf dem
Markte ihm sogar seinen Mantel vom Leibe riß und
seine Bekannten ihm rieten, sich doch handgreiflich
zur Wehr zu setzen, erwiderte er: „Beim Zeus, wolil
damit ihr in Parteien geteilt unsern Faustkampf mit
Zurufen begleitet: Hoch Sokrates, hoch Xanthippe!
Der Umgang mit einem widerspenstigen Weibe, sagte
er, gleiche dem der Rossebändiger mit besonders feu-
rigen Pferden. 8 *) „So wie sie, einmal solchen Pferdes
Herr geworden, leicht auch mit den andern fertig
werden, so werde ich mich infolge des Umgangs mit
Xanthippe auch leicht mit den andern Menschen zu-
rechtfinden." Solche Reden, verbunden mit den ent-
sprechenden Handlungen, brachten ihm auf Anfrage
des Ghairephon jenes wohlbekannte Zeugnis der Pythia
Gin*
An Weisheit nimmt es niemand auf mit Sokrates.
38 Daher denn auch die große Gehässigkeit gegen ihn, die
ihren Grund auch noch darin hatte, daß er die eiteln
Herren die sich wer weiß was auf sich einbildeten,
ihrer Torheit überführte, wie z. B. den Anytos, wie es
im Menon des Piaton zu lesen ist. Dieser nämlich, er-
bost über den Spott des Sokrates, reizte zunächst den
Arislophanes gegen ihn auf, dann überredete er auch
den Meietos, ihn gerichtlich zu belangen wegen Gott-
losigkeit und als Verführer der Jugend. So reichte denn
Meietos die Klage ein, Polyeuktos trug die Anklage vor
80
Sokrates.
Gericht vor, wie Favorinus in seinen Geschichtlichen
Miszellen behauptet; geschrieben aber war die Rede
von dem Sophisten Polykrates, wie Hermippos be-
hauptet, oder nach andern von Anytos, vorbereitet war
alles von dem Demagogen Lykon. Antisthenes in den 39
Sukzessionen der Philosophen und Piaton in der Apo-
logie nennen als Ankläger folgende drei: Anytos, Lykon
and Meietos, Anytos als grollenden Vertreter der Hand-
werker und Staatsmänner, Lykon als Vertreter der
Redner und Meietos als Vertreter der Dichter, weil
Sokrates ihnen allen übel mitgespielt. Favorinus aber
behauptet im ersten Buch seiner Denkwürdigkeiten, die
Rede des Polykrates gegen Sokrates sei nicht die wirk-
lich gehaltene; es wird nämlich in ihr des Wiederauf-
baues der Mauern durch Konon gedacht, der erst sechs
Jahre nach Sokrates Tode vollzogen ward. Das ist un- 40
leugbare Tatsache. Die Klageschrift aber, die, dem
Zeugnis des Favorinus zufolge, noch heute in dem
Metroon (Archiv) aufbewahrt wird, laufet folgender-
maßen: „Diese Anklage verfaßte und reichte unter Eid
ein Meietos, des Meietos Sohn aus dem Demos Pitthos,
gegen Sokrates, des Sophroniskos Sohn aus dem Demos
Alopeke: Sokrates versündigt sich durch Ableugnung
der vom Staate anerkannten Götter sowie durch Ein-
führung neuer göttlicher Wesen; auch vergeht er sich
an der Jugend, indem er sie verführt. Der Antrag
geht auf Todesstrafe." Lysias schrieb eine Verteidi-
gungsrede für ihn; als sie der Phüosoph gelesen hatte,
sagte er: „Eine schöne Rede, mein Lysias, aber nicht
passend für mich." Tatsächlich war sie auch mehr im
btil der Gerichtsreden, gehalten als im Geiste der
Jt'ünosophie Als nun Lysias sagte: „Wie kommt es, 41
daß die Rede, wenn sie doch schön ist, dir nicht paßt?"
antwortete er: „Würden nicht auch schöne Kleider und
bcüuhe für mich unpassend sein?" Während der Ge-
richtssitzung bestieg, wie Justus aus Tiberias in
seinem Stenima berichtet, Piaton die Rednerbühne mit
den Worten: „Als Jüngster, ihr Bürger von Athen,
II 38-43.
81
von allen, die die Rednerbühne bestiegen," da
unterbrachen ihn die Richter mit dem Rufe: „Nein, die
Rednerbühne verlassen haben [also: herunter mit
dir]." 36 ) So ward Sokrates denn verurteilt mit einer
Mehrheit von zweihunderteinundachtzig Stimmen. Als
dann die Frage nach Art und Maß der Strafe zur Ver-
handlung stand, erklärte er, fünfundzwanzig Drachmen
zahlen zu wollen — Eubulides allerdings berichtet, er
habe sich zur Zahlung von hundert Drachmen bereit
42 erklärt. Als darüber unter den Richtern ein starker
Lärm ausbrach, gab er die Erklärung ab: „In Rück-
sicht auf meine Verdienste beantrage ich als rechtliche
Entscheidung die Speisung im Prytaneion." Da ver-
urteilten sie ihn zum Tode, indem noch weitere achtzig
Stimmen sich der Majorität beigesellten. In den Kerker
gebracht, mußte er den Giftbecher leeren nach einer
Reihe von Tagen, denen er eine besondere Weihe ver-
lieh durch die herrlichen Mahnungen, die Piaton im
Phaidon mitteilt. e
Nach einigen dichtete er auch einen Päan (Lob-
gesang), der mit den Worten anhebt:
Qruß dem Apollon, der Artemis auch, den hehren Geschwistern!
Dionysodor aber behauptet, der Päan rühre nicht von
ihm her. Auch eine Äsopische Fabel dichtete er, nicht
besonders gelungen, deren Anfang lautet:
Richtet nicht über die Tugend mit Weisheit, der Masse entlehnet.
So sprach einstens Äsop zu den Bewohnern Korinths.
43 Nun weilte er nicht mehr unter den Menschen. Die
Athener aber wurden alsbald von Reue befallen. Sie
schlössen die Ringschulen und die Gymnasien, be-
straften einige durch Verbannung und verurteilten den
Meietos zum Tode. Den Sokrates »aber ehrten sie durch
Errichtung einer ehernen Düdsäule, die sie, ein Werk
des Lysippos, im Zeughaus (Pompeion) aufstellten.
Und was den Anytos anlangt, der damals verreist war,
so verwiesen ihn die Herakleoten gleich am Tage seiner
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. 6
»
82 Sokrates.
Ankunft des Landes. Dieser Vorgang mit Sokrates und
den Athenern steht übrigens nicht vereinzelt in der Ge-
schichte da, es gibt viele ähnliche Fälle. Ward doch
Homer, wie Herakleides berichtet, als angeblich nicht
recht bei Verstände, mit einer Buße von fünfzig
Drachmen belegt, Tyrtaios für verrückt erklärt, wäh-
rend man den Astydamas 37 ) früher als den Aischylos
durch eine Erzstatue ehrte. Darob tadelt sie auch 44
Euripides in seinem Palamedes mit folgenden Worten:
Gemordet habt ihr, gemordet
Den Künder der Weisheit,
Der Musen Nachtigall, die keinem 3S ) ein Weh tat.
Dem mag sein, wie ihm wolle. Philochoros 39 ) aber be-
richtet, Euripides sei vor Sokrates gestorben. Geboren
wurde er, wie Apollodor in den Chronika sagt, unter
dem Archontat des Apsephion im vierten Jahr der
77. Olympiade (469 v. Chr.) am sechsten des Monats
Thargelion, dem Geburtstage der Artemis, wie die De-
lier behaupten, an dein die Athener die Stadt durch
Sühnung reinigen. Er starb im ersten Jahre der
95. Olympiade (399 v. Chr.) im Alter von siebzig
Jahren. So lautet der Bericht des Phalereers Derne- 45
trios. Einige nämlich lassen ihn im sechzigsten Jahre
gestorben sein. Beide — Sokrates und Euripides —
waren Hörer des Anaxagoras, der im ersten Jahr der
75. Olympiade (480 v. Chr.) geboren war unter dem
Archontat des Kalliades. 40 ) Mir will es scheinen, als
hätte Sokrates auch die Naturphilosophie zum Gegen-
stand seiner Unterredungen gemacht. Ließ er sich doch
anch auf Darlegungen über die Vorsehung ein, nach
Xenophons Zeugnis, 41 ) obschon der nämliche Xeno-
phon behauptet, er habe es in seinen Unterredungen
nur mit den Gegenständen der Ethik zu tun. Ähnlich
verhält es sich auch mit Piaton. In der Apologie kommt
er auf Anaxagoras und andere Naturphilosophen zu
sprechen als auf Dinge, von denen Sokrates nichts zu
wissen behauptet. Und doch legt er da, wo er sich
selbst über Naturphilosophie ausspricht, alles dem
II 43-47.
83
Sokrates in den Mund. 42 ) Aristoteles berichtet von
einem syrischen Magier, der, nach Athen gekommen,
dem Sokrates unter anderm Schlimmen auch sein ge-
waltsames Ende vorausgesagt habe. Auch von mir gibt
es ein Epigramm auf ihn:
Trink im Olymp nun Nektar, o Sokrates! Hat doch die Gottheit
Dich für weise erklärt, sie, aller Weisheit Beschluß.
Deine Athener scheuten sich nicht dir den Becher zu reichen,
Aber mit deinem Mund tranken sie selber ihn aus.
Eine Art Nebenbuhler von ihm war, wie Aristo-
teles im dritten Buch seiner Poetik sagt, der Lemmer
Antilochos und der Zeichendeuter Antiphon, wie einst
der Krotoniate Kylon Nebenbuhler des Pythagoras.
Und so wetteiferte auch mit dem lebenden Homer
Saearis (?), mit dem verstorbenen der Kolophonier
Xenophanes, und mit dem lebenden Hesiod Kerkops,
mit dem verstorbenen der eben genannte Xenophanes;
und mit Pindar der Koer Amphimenes, mit Ihales
Pherekydes, mit Bias Salaros aus Priene, mit Pittakos
Antimenidas und Alkaios, mit Anaxagoras Sosibios und
I mit Simonides Timokreon. Von seinen Nachfolgern den
sogenannten Sokratikern, sind die hervorragendsten
Piaton, Xenophon, Antisthenes; von den sogenannten
Zehn" 43 ) sind die berühmtesten folgende vier: Aiscln-
nes Phaidon, Eukleides, Aristippos. Zunächst aber ist
von Xenophon zu reden, dann von Antisthenes in dem
Abschnitt über die Kyniker, sodann über die ! sokra-
tiker 44 ) und so schließlich von Piaton, der das \oibild
abgibt für die zehn Sekten und die erste Akademie
selbst gründete. Mit der Nachfolgeschaft also mag es
S ° Es'lab 8 auch noch einen andern Sokrates, einen
Historiker, der eine Beschreibung von Argos geliefert
hat, und einen zweiten, einen Peripatetiker au* » Bithy-
nien einen dritten, einen Epigrammendichter, und
Seh den Koer, der über die Götternamen ge-
schrieben.
84
Xenophon.
Sechstes Kapitel.
Xenophon. Etwa 430—354 v. Chr.
Xenophon 45 ) war der Sohn des Gryüos, Athener, 48
aus dem Demos Erchia, Achtung gebietend und von
außerordentlich stattlichem Äußern. Ihn soll Sokrates
bei einer Begegnung in einem engen Gäßchen mit vor-
gestrecktem Stock angehalten und gefragt haben, wo
man die verschiedentlichen Nahrungsmittel einkaufen
könne; nach erhaltener Antwort fragte er weiter, wo
denn die Stätten zu finden wären für Bildung der
Menschen zur Tugendhaftigkeit. Als jener darüber
nicht Auskunft geben konnte, soll Sokrates gesagt
haben: „So folge mir denn und laß dich belehren." Von
Stund an ward er der Schüler des Sokrates. Er brachte
zuerst durch schriftliche Aufzeichnungen die gehalte-
nen Gespräche zur Kenntnis des Publikums unter dem
Titel: „Denkwürdigkeiten" (Memorabilien). Auch war
er der erste unter den Philosophen, der Geschichte
schrieb. Aristippos erzählt im vierten Buch seines
Werkes über die üppige Lebensweise der Alten, er sei
in den Kleinias 46 ) verliebt gewesen und habe unter
anderem zu ihm gesagt: „Jetzt ist's mir lieber, den 49
Kleinias anzublicken als alles andre, was es unter
Menschen Schönes gibt. Und Blindheit für älles andere
wäre mir weniger schmerzlich, als blind zu sein für den
einzigen Kleinias. Des Nachts und im Schlafe bin ich
voll Kummer, daß ich ihn nicht sehe, und dem Tag und
der Sonne weiß ich mich zu größtem Dank verpflichtet,
daß sie mich den Kleinias sehen lassen "
Mit Kyros ward er auf folgende Weise befreundet:
Sn£ a Q ^ 5 eziehun g zu dem Böotier Proxenos,
einem Schuler des Gorgias aus Leontini, einem Freunde
des Kyros. Dieser sandte aus Sardes, wo er als Gast
des Kyros we,lte, einen Brief an Xenophon nach Athen,
F™,S t r l n na uJ? o Sardes einlud ' um m " Kyros
Freundschaft zu schließen. Diesen Brief zeigte er dem
II 48-52.
85
50 Sokrates und fragte ihn um Rat. Sokrates aber wies
ihn nach Delphi, um den Gott zu befragen. Xenophon
folgte dem Rat. Im Tempel erscheinend, fragt er aber
nicht, ob er zum Kyros reisen solle, sondern in welcher
Art und Weise; darüber war Sokrates zwar etwas ver-
stimmt, riet ihm aber doch, die Reise anzutreten. So
erscheint er denn vor Kyros und tritt ihm ebenso nahe
als Freund wie Proxenos. Was das weitere betrifft,
den Kriegszug hinauf und den Rückmarsch, so hat er
uns das selbst in trefflicher Weise geschildert. In
grimmer Feindschaft lebte er mit dem Pharsaliex
Menon, 4T ) der zur Zeit des Hinaufzuges der Fuhrer
des Fremdenkorps war. Ihm wirft er unter anderem
auch vor, daß er Lieblinge gehabt habe, die älter waren
als er selbst. Auch einem gewissen Apollonides wirft
er vor, 48 ) er habe durchlöcherte Ohren. Nach dem per-
51 stachen Feldzug, den Drangsalen am Pontos und dem
Vertragsbruch des Odryserkönigs Seuthes ) erschien
er wieder in Asien zur Unterstützung des Lakedaimo-
nierkönigs Agesilaos und überließ ihm gegen Rezahlung
die Truppen des Kyros. Auch war er aufs engste mit
ihm befreundet. In dieser Zeit erging über ihn von
Seiten der Athener das VerbannungsuTteil wegen Re-
«ninstigung der Lakedaimonier. Er begab sich nun
nach Ephesos und übergab die Hälfte seines ange-
sammelten Geldes dem Megabyzos, dem Priester der
Artemis, zur Aufbewahrung, bis zu seiner Ruckkehr;
käme er nicht wieder, so sollte. er eine Bildsäule her-
stellen lassen und sie der Göttin weihen. Die andere
Hälfte verwandte er für Weihgaschenke nach Delphi.
Von Ephesos kehrte er mit Agesilaos nach Griechen-
land zurück, da dieser zum Kampf gegen die Thebaner
heimkehren mußte. Da gewährten ihm die Lakedaimo-
nier das Recht der staatlichen Gastfreundschaft
52 (Proxenie). Jetzt trennte er sich von Agesilaos und
ging nach Skillus, einer Ortschaft ganz in der Nähe
von Elis. Dahin folgten ihm auch sein Weib ) Phile-
sia, wie der Magnesier Demetrios berichtet, und seine
86 Xenophon.
beiden Söhne, die sogenannten Dioskuren Gryllos und
Diodoros, wie Deinarchos sagt in seiner Rede wider
Xenophon 51 ) in Sachen pflichtvergessener Freigelasse-
ner. Als sich hier nun Megabyzos aus Anlaß der olym-
pischen Festspiele mit der ihm anvertrauten Geld-
summe einfand, kaufte er dafür ein Grundstück, das er
der Göttin weihte; es wurde durchflössen vom Flusse
Selinos, gleichen Namens mit dem in Ephesos. Dort
hatte er nun seinen Wohnsitz, beschäftigt mit Jagd,
mit Bewirtung seiner Freunde und Abfassung seiner
Historien. Deinarchos berichtet, die Lakedaimonier
hätten ihm auch ein Haus mit Ackerland geschenkt.
Ferner soll ihm der Spartiate Philopidas Gefangene 53
aus Dardanos als Geschenk übersandt haben, und er
habe nach Belieben über sie verfügt. Man sagt auch,
die Eleer seien gegen Skillus zu Felde gezogen und
hätten, da die Lakedaimonier mit ihrer Hilfe zauderten,
den Ort eingenommen. Seine Söhne entkamen, wie es
heißt, mit wenigen Sklaven nach Leprecn. Xenophon
selbst aber zunächst nach Elis, dann auch nach Le-
preon zu seinen Söhnen; von da, rettete er sich mit
ihnen nach Korinth und schlug dort seinen Wohnsitz
auf. Inzwischen hatten die Athener beschlossen, den
Snartanern Hilfe zu leisten. So schickte er denn seine
Söhne nach Athen, um für Sparta . Kriegsdienste zu
tun. ) Denn ihre Erziehung hatten sie in Soarta er- 54
halten, wie Diokles in den Biographien der Philosophen
sagt. Diodoros kam glücklich aus der Schlacht davon,
ohne etwas Hervorragendes geleistet zu haben. Er
hatte einen Sohn, der den gleichen Namen wie sein
Bruder führte. Gryllos daeresren. der bei der Beiterei
diente — <* war Schlarht bei ManWa (362 v. Chr.)
— flpl nach rühmlichem Kamof. wie Mnmq im fünf-
undzwanzig gsten Buch beruhtet: BeiWührer war
Kenhisodor. oberster Heerführer Eejressfiaos: es war
dies die Schlacht, in der auch Epaminondas fiel. Xeno-
phon soll, mit einem Kranze geschmückt, gerade mit
einem Opfer beschäftigt gewesen sein; auf die Meidimg
II 53-57. 87
vom Tode seines Sohnes soll er den Kranz abgelegt
dann aber wieder aufgesetzt haben l auf die Kunde daß
55 er als wahrer Held gestorben sei. Einige behaupten, er
habe ohne auch nur eine Träne zu vergießen, gesagt
Ich wußte, daß er als Sterblicher von mir gezeugt
ist <' 63 ) Aristoteles berichtet, 54 ) es hätten viele Tausende
Preislieder und Grabschriften auf Gryllos verfaßt, zum
Teil auch um dem Vater eine Aufmerksamkeit damit
zu erweisen. Und Hermippos behauptet m seiner
Schrift über Theophrast, auch Isokrates habe ein Preis-
lied auf Gryllos verfaßt. Timon aber treibt »einen Spott
mit ihm (Xenophon) in folgenden \ersen [Frg. 26 D/1 .
Schwächlicher Schriften gibt's, wenn du willst, zwei, dre, oder
Eben wie XenophoJ'schdeb oder Aischines, der sich gefügig
Zeigte. 66 )
So verlief sein Leben. Seine Blütezeit fällt in das vierte
Jahr der 94. Olympiade (401. v. dir ), und seinen Feld-
zug mit Kyros machte er unter dem Archontat des
56 Xenainetos ein Jahr vor dem Tode des Sokrates .Er
starb, wie der Athener Stesikleides m seinem Verzeich-
nis der Archonten und olympischen Sieger berichtet,
im ersten Jahr der 105.. Olympiade (359 v. Chr.) unter
dem Archen Kallidemides zur Zeit wo Phi lippos, des
Amyntas Sohn, in Makedonien zur Herrschaft gelangte.
Nach dem Zeugnis des Magnesiers Dernetrios starb er in
Korinth hochbetagt. Ein Mann von großer Tüchtig-
keit auf vielen Gebieten, besonders hervorragend auch
Sch seine liebevolle Vertrautheit mit .J^™*'
Jagd und Taktik, wie aus seinen Schriften hervor-
geht. Zudem war er gottesfürchtig gewissenhaft im
Opferdienst, kundig der Auslegung der Opferzeichen
und streng ergebener Nacheiferer des Sokrates Er
schrieb an die'vierzig Bücher über deren Einigung
die Meinungen weit auseinandergehen: die Anabasis,
57 in der jedes einzelne Buch sein besonderes Prooemium
hat. während das Ganze ohne Einleitung ist. die Kyru-
pädie, die Hellenika und die Memorabilien, das Sym-
88
Xenophon - Aischines.
posion, den Oikonomikos, über die Reitkunst, den
Kynegetikos und den Hipparchikos, die Apologie des
Sokrates, über die Einkünfte, den Hieron oder Tyranni-
kos, den Agesilaos und die Staatsverfassung der Athe-
ner und Lakedaimonier, von der der Magnesier Deme-
trios behauptet, sie sei kein Werk des Xenophon. Er
soll es auch gewesen sein, der die der "Welt noch unbe-
kannten Bücher des Thukydides ans Licht zog, und ob-
schon er sie als die seinigen hätte ausgeben können,
selber den Grund zu ihrem Ruhme legte. Man nannte
ihn auch die „Attische Muse" wegen der Anmut der
Darstellung. Daher stammt auch die gegenseitige
Eifersucht zwischen ihm und Piaton, auf die wir in
dem Abschnitt über Piaton näher eingehen werden. 06 )
Auch auf ihn gibt es einige Epigramme von mir. Sie 58
lauten:
Nicht gegen Person nur zog Xenophon aufwärts mit Kyros,
Nein er suchte zugleich aufwärts zur Gottheit den Weg.
Hellas Geschichte uns schildernd erwies er die eigene Bildung,
Und seines Sokrates Bild zeigt uns was Weisheit vermag.
Ein anderes über seinen Tod lautet so: 87 )
^iffeS^^ auch de ? Kranaos stadt und des Kekr °p s
r>Jt* ♦ ! Q " n . st, ' n £ aus dem Land verbannt grausam,
dJ &älÄ m K ° rinth eh l? gern dich empfangende Stätte.
Du wähltest sie zum neuen lieben Heim freudig.
T> v .f ni ?TS habe ich die Nachricht gefunden, seine 59
Blutezeit falle in die 89. Olympiade (424/21 v Chr )
zusammen mit der der übrigen Sokratiker, und Istros
berichtet, er sei verbannt worden auf Antrag des Eubu-
E^butos ™ rUckgekehrt Unfalls auf Antrag des
Es hat sieben Männer Namens Xenophon gegeben.
MhJI* p St / ei \ ebe " besprochene; der zweite ein
TW?' v™, " de f P ^ thostrato «. des Dichters der
S e ' Ve f fasse r/es Lebens des Epaminondas und
a , » eben a * d * r ^ Schriften; der dritte ein Arzt
aus Kos, der vierte der Verfasser einer Geschichte
1
II 57-61.
89
Hannibals; der fünfte Verfasser einer mythischen
Wunderfibel; der sechste ein Parier, Bildhauer; der
siebente ein Dichter der alten Komödie.
Siebentes Kapitel.
Aischlnes. Um 400 v. Chr.
60 Aischines, Sohn des Wurstmachers Gharinos, nach
anderen des Lysanias, aus Athen, ließ sich von Jugend
auf keine Anstrengung verdrießen. Daher denn auch
seine unerschütterliche Anhänglichkeit an Sokrates
und der Ausspruch des Sokrates: „Nur des Wurst-
machers Sohn weiß mich gebührend zu würdigen." Er
ist es nach Idomeneus gewesen, der dem Sokrates im
Gefängnis zur Flucht riet, und nicht Kriton. Piaton
hat nur deshalb, weil Aischines dem Aristippos näher
stand, den Kriton zum Unterredner gemacht. Auf das
schärfste wurde er von Menedemos, dem Eretrier, mit
der Verleumdung verfolgt, seine Dialoge seien zumeist
Werke des Sokrates; durch Xanthippe in ihren Besitz
gekommen, habe er sie als die eigenen ausgegeben. Von
ihnen sind die sogenannten Kopflosen (axs'<p<x\oi, d. i.
Dialoge ohne szenische Einleitung) matt und zeigen
nichts von der Somatischen Kraft; so behauptete denn
auch der Ephesier Peisistratos, sie gehörten nicht dem
• 61 Aischines. Die meisten dieser sieben Dialoge, behauptet
Persaios, 58 ) gehörten dem Pasiphon aus Eretria, der sie
unter des Aischines Werke eingereiht habe. Aber auch
unter des Antisthenes Werken hat er (Persaios) den
kleinen Kyros, den kürzeren Herakles und Alkibiades
als untergeschoben verdächtigt, ebenso anderer Werke.
Der Dialoge des Aischines nun, die ein Bild von der
Somatischen Geistesart zu geben suchen, gibt es sieben:
der früheste ist MiMiades, der sich denn auch noch
90
Aischines - Aristippos.
ziemlich ischwächlich ausnimmt, dann Kallias, Axio-
chos, Aspasia, Alkibiades, Telauges, Rhinon. 59 ) Man
erzählt, seine dürftige Lage habe ihn veranlaßt, nach
Sizilien zum Dionysios zu reisen; Piaton habe ihn dort
unbeachtet gelassen, wogegen Aristipp sich seiner an-
genommen habe; und gegen Überreichung einiger seiner
Dialoge habe er Geschenke empfangen. Dann nach
Athen zurückgekehrt, habe er nicht gewagt, als Lehrer 62
der Philosophie aufzutreten, da damals Piaton und
Aristipp in hohem Ansehen standen. Doch habe er
gegen Bezahlung Vorträge gehalten. Dann* habe er sich
aufs Redenschreiben verlegt zur Verteidigung un-
schuldig Verfolgter, daher denn auch Timon auf ihn
mit den "Worten zielte: „Die Kraft des Aischines, die
sich gefügig zeigte." 60 ) Sokrates aber soll ihm ange-
sichts seiner drückenden Armut den Rat erteilt haben,
er möge bei sich selbst eine Anleihe machen durch Ent-
ziehung der Nahrungsmittel. Seine Dialoge ver-
dächtigte auch Aristipp; denn als er in Megara 61 ) einen
davon vorlas, soll er spöttisch gesagt haben: „Woher
hast du das, du Räuber?" Polykritos aus Mende be- 63
richtet im ersten Buche seiner Geschichte des Diony-
sios, er habe bis zur Vertreibung des Tyrannen und bis
zur Rückkehr des Dion nach Syrakus beim Dionysios
gewohnt; mit ihm zusammen habe auch der Tragödien-
dichter Karkinos dort geweilt. Es geht auch ein Brief
des Aischines an Dionysios um. Auch in den Künsten
der Rhetorik war er sehr bewandert, wie sich aus der
Verteidigungsrede ergibt, die er für den Vater des Feld-
herrn Phaiax 62 ) schrieb, sowie aus der Art, wie er ins- •
besondere den Leontiner Gorgias nachahmt. Lysias
schrieb gegen ihn eine Rede, die den Titel führte „über -
Verleumdung" (wspiewxoq>avrfac\ Daraus erhellt, daß er
sich auch mit Rhetorik abgab. Von Freunden von ihm
wird einer genannt, Aristoteles mit dem Beinamen
Mythos.
Von allen Somatischen Dialogen hält Panaitios für 64
echt nur die des Piaton, des Xenophon, des Antisthenes
II 61-66.
91
und des Aischines, über 'die des Phaidon und Eukleides
ist er zweifelhaft, die übrigen verwirft er sämtlich. 63 )
Es hat acht Männer dieses Namens gegeben. Der
erste ist unser Aischines; der zweite der Verfasser der
Rhetorik; der dritte der Redner zur Zeit des Demosthe-
nes; der vierte ein Arkadier, Schüler des Isokrates; der
fünfte der Mytilenäer, den man auch die „Redner-
geißel" nannte; der sechste ein Neapolitaner, ein Aka-
demiker, Schüler und Liebling des Rhodiers Melan-
thios; der siebente der Milesier, politischer Schrift-
steller; der achte ein Bildhauer.
Achtes Kapitel.
Aristippos. Um 435^-350 v. Chr.
65 Des Aristippos Heimat war Kyrene, doch siedelte
er, wie Aischines berichtet, angezogen durch den
Namen des Sokrates, nach Athen über. Er war, wie der
Peripatetiker Phanias aus Eresos sagt, der erste unter
den Sokratikern, der für seine philosophische Lehr-
tätigkeit Bezahlung forderte und seinem Lehrer Geld
zuschickte. Als er ihm einst zwanzig Minen übersandte,
erhielt er sie alsbald wieder zurück mit der Versiche-
rung des Sokrates, das Dämonium verbiete ihm die An-
nahme. Sokrates war nämlich ungehalten darüber
Xenophon stand mit Arietipp auf gespanntem Fuß. )
So wählte er denn bei den Ausführungen über die
Lust den Aristipp als den, an welchen Sokrates sie
richtet. Auch Theodoras ließ es in seinem Buch über
die Sekten an Tadel gegen ihn nicht fehlen, auch
66 Piaton nicht in seinem Phaidon (59 BC), wie bereits
anderswo bemerkt. 60 ) Er wußte sich mit Gluck m Ort,
Zeit und Person zu schicken und jede Rolle den je-
weiligen Umständen gemäß zu spielen. Daher fand er
auch mehr als die andern den Beifall des Dionysios, da
Aristippos.
er jeder Lage stets die beste Seite abzugewinnen wußte.
Denn er genoß die Lust, die der Augenblick bot, ohne
ängstlich nach Genüssen zu jagen, die in dunkler
Ferne liegen. Daher auch das Wort des Diogenes, der
ihn einen „königlichen Hund" nannte. Timon 88 ) aber
macht sich über ihn lustig als über einen Weichling mit
folgenden Worten [Fr. 27 D.]:
Wie Aristippos' verwöhnte Natur, der tastend erkannte
Falsches.
Einst soll er ein Rebhuhn für fünfzig Drachmen ge-
kauft haben; und als ihm einer dies vorrückte, ant-
wortete er: „Du aber, hättest du es nicht für einen
Obolos gekauft?" und als jener ja sagte, erwiderte er: 67
„Das ist für dich gerade so viel wie für mich fünfzig
Drachmen." Dionysios ließ ihm einst drei weibliche
Schönheiten vorführen mit der Aufforderung, sich eine
auszuwählen; da führte* er alle drei weg mit den
Worten: „Auch dem Paris hat es keinen Segen ge-
bracht, einer den Vorzug zu geben." Doch führte er
sie nur bis in die Vorhalle und ließ sie dann laufen.
So geschmeidig war er im Wählen und Verwerfen.
Daher habe einst Straton oder nach anderen Piaton zu
ihm gesagt: „Du bist der einzige, dem es gegeben ist.
im Prachtgewand und in Lumpen aufzutreten." Als
Dionysios ihn einmal anspuckte, nahm er es ruhig
hin : und als ihm einer diese Gleichmütigkeit vorrückte,
erwiderte er: „Wie? sollen denn die Fischer es sich ge-
fallen lassen vom Meerwasser übersnritzt zu werden,
um einen Gründling zu fangen, und ich soll es nicht
über mich ergehen lassen, mit Speichel bespritzt zu
werden, um ein Fischgericht zu bekommen?" Als ihn 68
sein Weg einstens am Diogenes vorüberführte, der
damit beschäftigt war, sein Kraut abzuspülen, sagte
dieser spottend: ..Hättest du gelernt, dich mit solcher
Kost zu begnügen, so würdest du dich nicht zum
Dienst an Tyrannenhöfen erniedrigen." Aristipp aber
entgegnete: ..Und du würdest, wenn du mit Menschen
umzugehen verstündest, dich nicht mit Krautwaschen
II 66-70. 93
abgeben." 67 ) Auf die Frage, welcher Vorteil ihm aus
der Philosophie erwüchse, antwortete er: „Ein sicheres
Auftreten im Verkehr mit jedermann." Einem ge-
legentlichen Tadel wegen seines verschwenderischen
Lebens begegnete er mit den Worten: „Wäre das ver-
werflich, so würde es gewiß bei den Göttern nicht zu-
lässig sein." Und einstmals gefragt, was die Philo-
sophen vor anderen voraus hätten, antwortete er: „Ge-
setzt," 8 ) es wären sämtliche Gesetze aufgehoben, .so
werden wir Philosophen doch in unserer Lebensweise
keine Veränderung eintreten lassen." Auf die Frage
69 des Dionysios, weshalb die Philosophen an den Türen
der Reichen anklopfen, die Reichen aber nicht an den
Türen der Philosophen, antwortete er: „Weil die
ersteren wissen, was ihnen not tut, die anderen aber
nicht." Von Platon einst getadelt wegen seines ver-
schwenderischen Lebens, fragte er: „Hältst du den
Dionysios für tüchtig?" und nach bejahender Antwort
fuhr er fort: „Und doch lebt er verschwenderischer als
ich; nichts also hindert verschwenderisch und dabei
doch tadelfrei zu leben." Gefragt, wodurch sich die Ge-
bildeten von den Ungebildeten unterscheiden, ) sagte
er: „Wodurch sich die gezähmten Rosse von den un-
gezähmten unterscheiden." Als beim Eintritt in das
Haus einer Dirne einer seiner jungen Begleiter er-
rötete, sagte er: „Nicht im Eintritt liegt das Bedenk-
liche, aber nicht wieder loskommen können, das ist s!
70 Als ihm einer ein Rätsel vorlegte mit der Aufforderung:
„Löse es!" erwiderte er: „Tor du, wozu lösen, was uns
trotz der Banden, in denen es liegt, schon Schwierig-
keiten macht?" Besser, sagte er, sei es, ein Bettler zu
sein, alß ungebildet; denn jenem fehle es am beide,
diesem aber an der Menschlichkeit (Humanität). ;
Einem, der ihn schmähte, wich er einst aus; dieser
aber verfolgte ihn mit den Worten: „Warum fliehst
du?" — „Weil," sagte er, „du die Freiheit hast zu
schmähen, und ich die Freiheit, es nicht anzuhören. '
Als einer die Bemerkung machte, er sähe immer die
94
Aristippos.
Philosophen an den Türen der Reichen, erwiderte er:
„Sieht man doch auch die Ärzte immer an den Türen
der Kranken; allein deshalb möchte doch niemand lieber
krank sein als heilen." Auf einer Seefahrt nach Ko- 71
rinth geriet er infolge eines Sturmwetters in schwere
Beängstigung. Als da einer der Mitfahrenden zu ihm
sagte: „Wir ungelehrten Leute haben keine Angst, ihr
Philosophen aber zittert und zagt," antwortete er: „Es
ist nicht dieselbe Art von- Seele, um die du und ich uns
ängstigen." Als sich einer mit seiner Vielwissenheit
brüstete, sagte er: „Wie diejenigen, die im Essen und in
der Gymnastik keine Grenzen kennen, nicht gesunder
sind als die, welche darin das rechte Maß einhalten, so
sind nicht die achtbar, die vieles, sondern die Nütz-
liches lesen." Einem Redner, der seine (des Aristipp)
Sache vor Gericht mit Erfolg vertreten hatte und darauf
an ihn herantrat mit der Frage: „Was hat dir nun dein
Sokrates genützt?" entgegnete er: „Dieses, daß die
lobenden Worte, die du zu meinen Gunsten sprachst,
wirklich der W T ahrhedt entsprechen." Seiner Tochter 72
Arete suchte er die besten Grundsätze beizubringen und
gewöhnte sie durch strenge Erziehung an Verachtung
des Übermaßes. Auf die Frage, welche Förderung
seinem Sohne aus der Bildung erwachsen werde, ant-
wortete er: „Wenn auch sonst keine, so doch wenig-
stens die, daß er im Theater nicht dasitzen wird wie ein
Stein auf dem Stein." 71 ) Als ihm einer seinen Sohn
zuführte, verlangte er fünfhundert Drachmen, und als
jener erwiderte: „Dafür kann ich ja einen Sklaven
kaufen," sagte er: „Kaufe ihn nur, dann hast du zwei."
Geld, sagte er, nähme er von seinen Freunden nicht für
den eigenen Gebrauch, sondern um ihnen zu zeigen,
worauf man das Geld verwenden müsse. Einem Vor-
wurf darüber, daß er in eigner Sache für Geld einen
Anwalt angenommen habe, begegnete er durch die
Worte: „Wenn ich ein Gastmahl gebe, miete ich mir
doch auch einen Koch." Einst gebot ihm Diony- 73
sios, ein bestimmtes Kapitel aus der Philosophie zu er-
II 70-75.
95
örtern; da sagte er: „Es ist doch lacherlich, daß ich
über eine Sache zu deiner Belehrung reden, und von
dir erst lernen soll, w a n n man über diese Sache reden
muß u72 ) Darüber entrüstet habe Dionysios ihm seinen
Platz ganz unten an der Tafel angewiesen den er mit
den Worten eingenommen habe: „Du wolltest diesen
Platz zu einem Ehrenplatz machen." Ate einer sich
seiner Taucherkünste rühmte, sagte er: „Schämst du
dich nicht, mit Delphinenkünsten groß zu tun? be-
fragt nach dem Unterschied zwischen einem Weisen
und Nichtweisen, sagte er: „Schicke sie beide nackt zu
Unbekannten, und du wirst es erfahren. Als einer
damit prahlte, daß er wer weiß wie viel trinken könne,
ohne betrunken zu werden, sagte er: „Das kann ein
74 Maultier auch." Als ihm jemand \orhalt tat, daß er
mit einer Dirne zusammen lebe, antwortete er: »Macm
es denn etwa einen Unterschied, ob ein Haus, das ich
bekomme, viele Bewohner gehabt hat oder keinen? —
Nein' — „Und ob das Schiff, auf dem ich fahre schon
Tausende von Passagieren in sich gehabt hat oder
keinen einzigen?" - Durchaus nicht! — „Also macht
es auch keinen Unterschied, ob ein Weib mit dem ich
zusammenlebe, schon viele Liebhaber gehabt hat oder
keinen " Als ihm einer zum Vorwurf machte, dali er,
ein Schüler des Sokrates, sich den Unterricht bezahlen
lasse, sagte er: „Mit vollem Becht; nahm doch auch
Sokrates, wenn man ihm Brot und Wein zuschickte,
einiges davon an, während er den Best zurückschickte;
denn seine Wirtschaftsverwalter waren die ersten
Männer von Athen, während mein Wirtschaftsfuhrer
nur der Sklave Eutychides ist, den ich für Geld ge-
kauft habe." Er pflegte auch Umgang mit der Buhlerm
Lais, wie auch Sotion im zweiten Buche seiner
75 Sukzessionen berichtet. Den Tadlern antwortete er m
Bezug auf sie: „Ich bin ihr Herr und nicht ihr Knecht;
denn zu gebieten über die Lust und ihr nicht zu unter-
liegen, das ist wahrhaft preiswürdig, nicht sie sieb zu
versagen" WaTf ihm jemand seine Verschwendung
9«
Aristippos.
für die Freuden der Tafel vor, so sagte er: „Würdest
du das nicht kaufen, wenn du es für drei Obolen be-
kämst?" und auf die bejahende Antwort fuhr er fort:
„Ich bin also nicht so lustbegierig wie du geldgierig."
Als Simos, der Wirtschaftsverwalter des Dionysias, ein
Phryger und verlotterter Gesell, ihm einstmals pracht-
volle Häuser mit Mosaikfußböden zeigte, spie er ihm
aus vollem Halse ins Gesicht und gab dem darüber
Entrüsteten die Antwort: „Ich fand hier keinen schick-
licheren Ort dafür." Dem Gharondas oder nach an- 76
deren dem Phaidon antwortete er auf die Frage: Wer
ist der nach Salben Duftende? „Ich, der Unselige, und
unseliger noch als ich ist der Perserkönig. Aber frage
dich, ob nicht, wie von den übrigen Geschöpfen keines
dadurch an seinem Werte einbüßt, so auch der Mensch
nicht. Zum Henker aber mit den Wollüstigen, die
unsere herrliche Salbe in Verruf bringen." Gefragt,
wie Sokrates gestorben sei, antwortete er: „So, wie ich
es mir wünschte!" Als der Sophist Polyxenos ihn
einst besuchte und sich über die Damen verwunderte,
sowie über die verschwenderisch besetzte Tafel und
dann einen Tadel vernehmen ließ, sagte er nach einer
kleinen Pause: „Kannst auch du heute unser Gast
sein?" und nach erhaltener Zusage fuhr er fort: „Wozu 77
also dein Tadel? Es scheint, du tadelst nicht die Tafel,
sondern den Kostenaufwand." Als sein Diener unter-
wegs einen Geldsack zu tragen und an der Last schwer
zu schleppen hatte, sagte er, wie Bion in seinen Ab-
handlungen berichtet: „Schütte aus, was zu viel ist,
und trage nur, so viel du kannst." Einst merkte er auf
einer Seefahrt, daß er auf ein Seeräuberschiff geraten
sei; da nahm er sein Geld heraus, zählte es, und ließ
es dann, als geschähe es bloß aus Versehen, ins Meer
fallen mit einem deutlichen Seufzer. Andere berichten,
er habe noch die Worte hinzugefügt, es sei besser, der
Mammon gehe durch Aristipp zugrunde als umgekehrt.
Als Dionysios ihn einst nach dem Zwecke seines
Kommens fragte, sagte er, er wolle mitteilen von dem,
II 75-80.
97
was er besäße, und empfangen was er nicht besäße.
78 Einige aber formulieren seine Antwort so: „Als ich der'
Weisheit bedurfte, ging ich zum Sokrat,es; jetzt aber,
da ich des Goldes bedarf, bin ich zu dir gekommen."
Er tadelte die Menschen, daß sie bei ihren Einkäufen
die Geräte einer genauen Besichtigung unterzögen, da-
gegen mit Prüfung der Lebensführung es so leicht wie
möglich nähmen. Andere schreiben dies Wort dem
Diogenes zu. Als einst bei einem Gelage Dionysios den
Befehl gab, es solle Mann für Mann in einem purpur-
nen Gewände tanzen, habe Piaton sich nicht darauf
eingelassen mit den Worten [Eur. Bacch. 827] :
Wie könnt' ich je behängen mich mit Weiberschmuck?'
Aristipp dagegen habe es sich gefallen lassen und
seinen Tanz mit den treffenden Worten eingeleitet
[Eur. Bacch. 314 f.] :
Wird doch auch beim Bacchusfest
Ein züchtig Frauenherz sich wahren vor Verderb.
79 Als er einmal für einen Freund eine Bitte an Diony-
sios richtete und abschlägig beschieden ward, suchte
er ihn durch einen Fußfall umzustimmen. Darüber
machte sich jemand lustig, er aber entgegnete: „Nicht
ich trage die Schuld daran, sondern Dionysios, der
seine Ohren in den Füßen hat." Bei einem Aufenthalt
in Asien wurde er vom Satrapen Artaphernes in Ge-
wahrsam genommen. Da sagte jemand zu ihm: „Und
dabei bist du so guten Mutes?" worauf er erwiderte:
„Wann sollte ich denn, du Tor, mutiger gestimmt sein
als jetzt, wo ich Gelegenheit haben werde, mich mit
Artaphernes zu unterhalten?" Diejenigen, die, in den
üblichen Bildungsfäohern wohlgeschult, sich doch mit
der Philosophie nicht näher befaßt hatten, verglich er
mit den Freiern der Penelope, denn diese könnten auch
über Melantho und Polydora und die übrigen Mägde
verfügen, aber eher alles andere erreichen als die Ehe
mit der Herrin. Ähnlich lautet auch ein Ausspruch
80 des Ariston, nämlich: Odysseus habe bei seiner Fahrt
A p e f t , Diogenes Laertins. 7
98
Aristippos.
in die Unterwelt die Toten fast alle gesehen und ange-
redet, nur die Königin selbst habe er nicht zu sehen
bekommen. Auf die Frage ferner, was tüchtige Jüng-
linge lernen müßten, antwortete Aristipp: „Das, was
ihnen künftig als Männern sich nützlich erweisen
wird." Zu einem, der ihm vorrückte, daß er vom So-
krates den Weg zum Dionysios habe einschlagen
können, bemerkte er: „Zum Sokrates führte mich das
Bedürfnis nach Anspannung des Geistes, zum Diony-
sios das nach Abspannung." (OTu8s£a-7rai,8t.ä.) 7S ) Als ihm
der Verkehr mit den Schülern schon reichen Gewinn
abgeworfen hatte, fragte ihn Sokrates: „Wie kommet
du zu so vielem?" worauf er erwiderte: „Wie du zu
deinem Wenigen." Als eine Dirne zu ihm sagte: „Ich 81
bin schwanger von dir," antwortete er: „Das kannst
du unmöglich erkennen; ebensogut könntest du sagen,
du wärst bei einem Gang durch dichtes Binsengestrüpp
von dieser bestimmten Binse gestochen worden." Einer
warf ihm vor, daß er sich von seinem Sohne lossage,
als wäre es nicht sein eigenes Kind, worauf er er-
widerte: „Wissen wir doch auch, daß der Schleim und
die Läuse aus uns selbst kommen; gleichwohl schleu-
dern wir sie, nutzlos wie sie sind, so weit wie möglich
von uns." Als er von Dionysios Geld erhielt, während
Piaton ein Buch bekam, sagte er zu einem, der ihm
dies aufmutzte: „Nun, ich bedarf eben des Geldes,
Piaton dagegen der Bücher." Auf die Frage, weshalb
er vom Dionysios scheel angesehen werde, erwiderte er:
„Um dessenwülen, was die andern an Dionysios aus-
zusetzen haben." 74 ) Auf eine Bitte an Dionysios um 82
Geld antwortete dieser: „Aber du hast mir ja doch er-
klärt, der Weise werde nie in Verlegenheit geraten." —
„Nur erst heraus mit dem Geld," fiel ihm Aristipp ins
Wort, „dann wollen wir über diese meine Äußerung
weiter reden." Als er darauf das Geld erhalten, sagte
€ aÜ • Siehst ' ich bin niicht in Verlegenheit geraten."
Als Dionysios einmal die Worte zitierte [Fragm. aus
Sophokles] :
II 80-84.
99
Wer am Tyrannenhof sein Unterkommen sucht.
Der wird zum Sklaven, war er gleich ein freier Mann,
verbesserte er rasch einfallend:
Nie wird er Sklave, wenn als freier Mann er kommt.
So berichtet Diokles in seinen Lebensbeschreibungen
der Philosophen. Andere teilen das Wort dem Piaton
zu Von heftigem Zorne gegen Aischmes erfüllt, sagte
er doch bald darauf: „Wollen wir uns nicht verlohnen,
wollen wir nicht ablassen von diesem unsinnigen Hm-
und Herreden, willst du abwarten, bis irgendein Witz-
ling uns beim Becher versöhnt?" Darauf Aischmes:
83 „Von Herzen gern." Und Aristipp: „Denke also daran,
daß ich, obschon der Ältere, den ersten Schritt zur
Versöhnung getan habe," worauf Aischmes: „Ja. gewiü,
bei der Hera, du hast vollkommen recht, denn du uber-
triffst mich bei weitem an Güte: ich bin der btifter der
Feindschaft und du der Stifter der Freundschaft.
Alle diese Äußerungen werden ihm zugeschrieben.
Es hat aber vier Aristippe gegeben: der erste ist der
eben Besprochene; der zweite der Verfasser der be-
schichte Arkadiens; der dritte der Metrodidakt, der
Tochtersohn des ersten; der vierte das Mitglied der
neueren Akademie. • , , , -d- , ,
Dem Kyrenaiker Aristipp werden folgende Bücher
zugeschrieben: drei Bücher Libyscher Geschichte dem
Dionysios gewidmet, ein Buch Dialoge, und zwar fünf-
undzwanzig Dialoge teils in attischer teils in dorischer
84 Mundart geschrieben. Es sind dies folgende: 1. Arta-
bazos, 2. An die Schiffbrüchigen, 3. An die Verbannten,
4 An einen Bettler, 5. An Lais, 6 An Porös, 7^ Ab La*
über den Spiegel, 8. Hermeias, 9. Der Traum, 10. An
den Leiter des Gelages, 11. Philomelos, 12. An die
Hausgenossen, 13. An die Tadler seiner Neig^g für
alten Wein und für Dirnen, 14. An die Tadler seiner
reichen Tafel, 15. Brief an seine Tochter Arete 16 < An
einen, der sich für Olympia übte 17. A ™ge,
18. Zweite Anfrage, 19. Traktat (Ghrie) an Dionysios,
100
Aristippos - Kyrenaiker.
20. Ein zweiter über das Bild, 21. Ein dritter über des
Dionysias Tochter, 22. An einen, der sich für zurück-
gesetzt und verkannt hält, 23. An einen, der ihn mit
Ratschlägen behelligt. 75 ) Einige schreiben ihm auch
sechs Abhandlungen (Diatriben) zu, andere wieder
leugnen, daß er überhaupt etwas geschrieben habe. Zu
* ihnen gehört der Rhodier Sosikrates. Nach Sotion aber 8$
im zweiten Buch sowie nach Panaitios gehören ihm
folgende Schriften: Über Erziehung. Über die Tugend.
Protreptikos. Antabazos. Die Schiffbrüchigen. Die
Verbannten. Sechs Diatriben. Drei Ghrien. An Lais.
An Porös. An Sokrates. Über den Zufall.
Als höchstes Ziel stellte er die sanfte (glatte) zur
Empfindung sich steigernde Bewegung hin. Wir aber
wollen nach der Darstellung seines Lebens uns nun-
mehr seinen Schülern, den Kyrenaikern, zuwenden, die
sich selbst teils Hegesiaker, teils Annikereer, teils Theo-
doreer nannten. Aber auch der Schule des Phaidon,
deren hervorragendste Vertreter die Eretrier sind. Es
steht damit folgendermaßen: des Aristipp Schüler 86
waren seine Tochter Arete und Aithiops aus Ptolemais
und Antipater aus Kyrene. Der Arete Schüler war ihr
Sohn Aristippos der Metrodidakt (Mutterlehrling), und
dessen Schüler war Theodoros der Gottlose (ateoc), wie
er erst hieß, später der Gott (^so;). Schüler des Anti-
pater war Epitimides aus Kyrene, dessen Schüler
Paraibates, dessen Schüler Hegesias, genannt Peisi-
thanatos (zum Tode ratend) und Annikeris, der den
Piaton aus der Gefangenschaft loskaufte.
Diejenigen, welche den Grundsätzen des Aristipp
treu blieben und sich Kyrenaiker nannten, hielten sich
an folgende Lehrsätze. Sie nahmen zwei Seelenzustände
an, den einen als sanfte Bewegung, nämlich die Lust,
den Schmerz aber als rauhe (ungestüme) Bewegung.
Zwischen Lust und Lust, sagen sie, ist kein Unter- 87
schied,' ) und es gibt nichts, was sich durch einen
höheren Grad von Annehmlichkeit vor dem andern
Angenehmen hervorhebt. Die Lust ist allen Geschöpfen
II 84-89. 101
erwünscht, dem Schmerz aber weicht man aus Indes
ist es die körperliche Lust, die sie für das Ziel erklaren,
wie auch Panaitios behauptet in seinem Werke über die
Sekten, nicht aber die bewegungslose Lust bei ^ egtaü
der Schmerzen, jener Zustand der Ungestortheit dem
Epikur huldig! und den er für das Ziel erklart. Sie
machen auch einen Unterschied zwischen Ziel und
Glückseligkeit. Ziel nämlich sei die einzelne Lust, (
Glückseligkeit die Summe der einzelnen Lustempün-
düngen in der auch die vergangene und zukunftige ,
mitinbegriffen sind. Die einzelne Lust sei um ihrer
selbst willen begehrenswert, die Glückseligkeit dagegen
nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen der ein-
zelnen Lustempfindungen. Der Beweis dafür, daß die
Lust das Ziel ist, liegt in der Tatsache, daß wir ohne
alle vorausgegangene Überlegung von Kind auf uns
mit ihr verwandt fühlen und daß wir, in ihren Besitz
gelangt, nichts weiter begehren, während wir nichts
so sehr meiden wie *Me ihr entgegengesetzte Schmerz-
empfindung. Und zwar sei die Lust ein Gut selbst
dann, wenn ihre Quelle noch so schmutzig wäre. So
berichtet Hippobotos in seinem Buch über die Sekten.
Denn mag auch die Handlung verächtlich sein, dw
Lust rein für sich genommen ist doch um ihrer selbst
willen erstrebenswert und ein Gut. Dagegen scheint
89 ihnen die Beseitigung (u*e£«ips«i<;) des Schmerzes —
dies ist der Ausdruck, dessen sich Epikur für die Sache
bedient — noch nicht (eigentliche) Lust zu sein. Eben-
sowenig ist die Lustlosigkeit schon Schmerz. Denn die
Bedingung für beide sei Bewegung, eine Bedingung,
die weder auf die Schmerzlosigkeit noch auf die Lust-
: losigkeit zutreffe, denn die Schmerzlosigkeit sei ein Zu-
stand der Empfindungslosigkeit wie im Schlafe.
Manche, behaupten sie, seien wegen verkehrter Geistes-
verfassung eines Strebens nach Lust überhaupt nicht
fähig. Indes nicht alle geistigen Lust- und Schmerz-
gefühle beruhen auf körperlichen Lust- und Schmerz- #
empündungen. Denn schon aliein über das Wohl-
102
Aristippos - Kyrenaiker.
ergehen des Vaterlandes freue man sich wie über das
eigene. Anderseits reicht aber auch die bloße Er-
innerung an das Gute oder die Hoffnung darauf nicht
hin zum Zustandekommen der Lust, wie es nach Epi-
kurs Annahme der Fall ist. Denn der Zeitverlauf läßt 90
die Bewegung der Seele wieder verschwinden. Sie be-
haupten aber auch, daß das bloße Sehen oder Hören
noch nicht die Lust ausmache. Denn die Nachahmung
von Wehklagen (auf dem Theater) hören wir mit Lust
an, die wirklichen dagegen mit Unlust. 77 ) So bezeich-
neten sie denn Lustlosigkeit und Schmerzlosigkeit als
mittlere Zustände. Weit aber stehe an Annehmlichkeit
die körperliche Lust über der geistigen, und in dem-
selben Maße sei der Körperschmerz empfindlicher als
der Seelenschmerz. Daher würden denn auch die Ver-
brecher durch Körperschmerzen härter gestraft; 78 )
denn — so meinten sie — schwerer zu ertragen ist der
Schmerz, während die Lust unserer Natur mehr ent-
spricht. Daher wandten sie auch der letzteren eifrigere
Sorge zu. So komme es denn, daß, wenngleich die Lust
als ein selbständiges Gut für sich bestehe, sich doch
dem Genüsse mancher Lust oft der Umstand entgegen-
stelle, daß sie nur durch Unlust erkauft werden könne.
Die Glückseligkeit also, als die Gesamtsumme aller
Lust, erschien ihnen demzufolge als ein kaum zu er-
reichendes Ziel. Ihrer Ansicht nach führt zwar weder 91
der Weise ein durchaus lusterfülltes Leben, noch der
Tor ein durchweg schmerzvolles, aber sie sind doch
(vergleichsweise) gegen die andern im Übergewicht.
Es genügt, wenn einer in den einzelnen einschlagenden
Fallen der Lustempfindung teilhaftig wird. 79 ) Die Ein-
sicht halten sie für ein Gut, doch für erstrebenswert
nicht um ihrer selbst willen, sondern um der erfreu-
lichen Folgen willen. Freunde suche man um des
Nutzens willen; so habe man auch an einem Körper-
teil Freude, solange er da sei. Einige Tugenden,
meinten sie, fänden sich auch bei den Unweisen.
Fleißige Körperübung fördere uns auch auf dem Wege
II 89-93.
103
zur Tugend. Der Weiße, meinen sie, werde sich nicht
von Neid, Liebesleidenschaft oder Aberglauben be-
herrsche lassen. Denn diese Seelenregungen beruhen
auf ^Vorstellungen. Doch sei er dem Schmerz und
de Furcht zugänglich, denn das seien ^turgemaße
92 Vorgänge. Der Reichtum sei zwar nicht an und für
S zu erstreben, verhelfe uns aber doch (mit) zur
Lust. Die Seelenerregungen ^n^M ^ te-
-reifbar- sie selbst nämlich, 80 ) nicht aber ihr Ursprung.
Auch der Naturforschung enthielten sie sich wegen
deToffenLren Unbegreiflichkeit des Gegenstandes j, wo-
gegen äfsich mit logischen Fragen • 5"^g£
wezen des daraus erwachsenden Nutzens ) Meleagros
SnS Sn zweiten Buche der P^op^hen^
meintngen und Kleitomachos im ersten p f^J£l .
behaupten, sie hätten nicht nur die
auch die Dialektik für unbrauchbar erklart. Denn wer
Sch di ^wissenschaftliche Einsicht erworben habe in
das Wesen des Guten und Bösen, der ^
stände richtig und gut zu reden und sich freizuhalten
93 vST AbSÄn und Todesfurcht. _ Nichts, meinten ISA
™e sei von Natur (an und für ach) gerecht «der^
verwTrflich, sondern nur durch Menschensatzung und
äwohXit Aber der achtbare Mann wird sich nicht
2Äa Handlungen ve» tehen, der daran stehen-
den Strafe und des Leumunds wegen. Das Daaeia^s
Weisen sei Tatsache. Sie nehmen einen jjj^^
Fortschritt in der Philosophie wie auf all en and eren
Gebieten an. Auch behaupten sie, daß unter den
Setmerzen der eine mehr, der andere «n^tej
und daß die Sinneswahrnehmungen nicht durchweg
zuverlässig seien.
Was die sogenannten Hegesiaker anlangt, so stimm-
ten sie in Annahme der Ziele, nämlich der Lust und
des Schmerzes, mit dem Gesagten überein. In bezug
aber auf die selbständige Geltung der Dankbarkeit,
Freundschaft und Wohltätigkeit nahmen sie einen
völlig ablehnenden Standpunkt ein, 82 ) denn man er-
104
Aristippos - Kyrenaiker.
strebe sie nicht um ihrer selbst willen, sondern um des '
Nutzens willen, ohne den ihnen überhaupt kein Sein
zukäme. Die Glückseligkeit sei eine reine Unmöglich- 94
keit, denn der Leib werde von vielerlei Leiden heim-
gesucht, die Seele aber sei die Begleiterin des Körpers
und teile seine Leiden und Erschütterungen, und was
unsere Hoffnungen anlange, so würden viele durch
das Schicksal zuschanden gemacht; damit aber sei das
wirkliche Vorhandensein der Glückseligkeit ausge-
schlossen. Leben und Tod seien erstrebenswert. 83 ) Von
Natur, sagten sie, sei nichts angenehm und unange-
nehm: Seltenheit oder Neuheit oder Sättigung schaffe
den einen Lust, den andern Unlust. Armut und Reich-
tum kommen für die Lust nicht weiter in Rechnung,
denn die Lust der Reichen habe keinen Vorzug vor der
•der Armen. Knechtschaft und Freiheit seien in glei-
chem Grade bedeutungslos für das Maß der Lust, ebenso
hohe Geburt und niedere, Ruhm und Verachtung. Dem 9S
Unvernunftigen habe das Leben Wert, für den Ver-
nunftigen sei es gleichgültig. Der Weise werde um
seiner selbst willen alles tun, da er keinen andern für
gleichwertig mit sich selbst ansehe. Denn möchte er
von einem andern auch noch so viel Nutzen ziehen, so
komme das an Wert doch dem nicht gleich, was er
selbst für sich leiste. Sie bestritten auch die Wahrheit
der binneswahrnehmungen, da diese keine scharfe Er-
kenntnis lieferten; durchweg müsse man sich in seinem
lun und Handeln nach dem richten, was vernunft-
gemäß erscheine. 84 ) Verfehlungen aber seien verzeih-
lich, denn der Mensch verfehle das Rechte nicht aus
freiem Willen, sondern unter dem Zwang irgendwelcher
feilschen Erregung. Dem Haß dürfe man nicht die
^ugel schießen lassen, sondern müsse vielmehr den
andern eines Besseren belehren. Der Weise werde
sicü nicht so sehr auszeichnen durch die Wahl des
Guten wie durch das Meiden des Schlimmen, indem 96
er sich ein nicht von Mühsal und Leid beschwertes
Leben zum Ziele setze. Dieser Wunsch erfülle sich
II 93-98.
denen, die kein übertriebenes Gewicht auf die Er-
weckungsmittel der Lust legten.
Die Annikereer halten es im übrigesn ebenso wie
diese; was aber die Freundschaft im Leben betrifft und
die Dankbarkeit, die Ehrfurcht gegen die Eltern und
das tatkräftige Eintreten für das Vaterland, so lassen
sie diese in Geltung. Wenn also der Weise um des-
willen 85 ) sich auch Belästigungen gefallen lassen muß,
so wird er nichtsdestoweniger doch glücklich sein,
selbst wenn nur ein geringes Maß von Lust für ihn da-
bei abfällt. Das Glück des Freundes, meinten säe, sei
nicht um seiner selbst willen zu erstreben; denn es sei
für den Nächsten überhaupt nicht empfindbar. Fer-
ner: Der Verstand sei für sich nicht stark genug, um
volles Vertrauen zu gewinnen und sich über das Urteil
der großen Masse hinwegzusetzen; die gute Gewöhnung
müsse hinzukommen wegen der von jeher uns an-
97 haftenden Sündhaftigkeit. Freundschaft dürfe man
nicht nur des Nutzens wegen pflegen, so daß man,
wenn dieser ausbleibt, sich nicht mehr um den Freund
kümmere, sondern auch auf Grund des im Laufe der
Zeit erwachsenen Wohlwollens, das uns treibt, auch
Mühseligkeiten für den Freund auf uns zu nehmen.
Stellt man auch als Ziel die Lust auf, und empfindet
man es schwer, ihrer beraubt zu werden, so nimmt
man doch ohne Widerstreben Beschwerden auf sich
ans Liebe zum Freunde.
Die Theodoreer, wie man sie nennt, leiten diesen
ihren Namen von dem früher schon erwähnten Theo-
doros her und hielten an dessen Lehrsätzen fest. Dieser
Theodoros war es, der allen Meinungen über die Götter
den Garaus machte. Mir kam seinerzeit ein gar nicht
verächtliches Buch von ihm zu Händen, 86 ) betitelt
98 „Über die Götter", aus dem Epikur das meiste ent-
nommen haben soll von dem, was er vortrug. Theo-
doros hörte auch den Annikeris und den Dialektiker
Dionysios, wie Antisthenes in den Philosophenfolgen
sagt. Als Ziel setzte er die Freude und den Schmerz, f
Aristippos - Kyrenaiker.
die erstere als bedingt durch die Einsicht, den letzteren
durch den Unverstand. Güter seien die Einsicht und
Gerechtigkeit, Übel die entgegengesetzten Seelenver-
fassungen, in der Mitte zwischen beiden liege Lust und
Unlust. Die Freundschaft ließ er nicht gelten, weil sie
sich weder bei den Unweisen fände noch bei den
Weisen, denn für jene schwinde mit dem Wegfall des
Eutzens auch die Freundschaft; die Weisen aber be-
dürften, selbstgenugsam wie sie seien, überhaupt keines
Freundes. Er erklärte es auch für vernunftgemäß,
daß der brave Mann sich nicht für das Vaterland dem
Tode preisgebe. Denn man dürfe die Einsicht nicht
preisgeben, um den Unverständigen zu nützen. Vater- 99
land sei die Welt. Der Weise werde gelegentlich auch
stehlen, Ehebruch treiben und Tempelraub begehen.
Denn nichts davon sei an sich (von Natur) verwerflich,
sobald man absehe von der gangbaren Meinung, die
ihr Dasein nur dem Zwecke der Abschreckung der Un-
vernünftigen verdanke. Der Weise werde ohne jeden
Arg Umgang mit seinen Lieblingen pflegen. Daher
liebte er auch spitzfindige Fragen wie die folgenden:
„Wird eine grammatisch geschulte Frau, insofern sie
grammatisch geschult ist, nicht auch nützlich sein?"
Ja. „Und wird ein Knabe und Jüngling nützlich sein,
insofern er grammatisch geschult ist?" Ja. „Es wird
doch also auch eine schöne Frau nützlich sein, insofern
sie schön ist, und ein schöner Knabe unid Jüngling
nützlich, insofern er schön ist?" Ja. „Ein schöner
Knabe und Jüngling wird doch also nützlich sein für
das, wofür er schön ist?" Ja. „Er ist aber nützlich 100
für den Liebesumgang." Dies zugegeben folgerte er
nun weiter so: „Wenn also jemand mit ihm Liebes-
umgang pflegt, insofern er nützlich ist, so vergeht er
sich nicht; folglich wird er sich auch nicht vergehen,
wenn er von der Schönheit Gebrauch macht, insofern
sie nützlich ist." Fragen dieser Art waren es, durch
die er seine Verstandesstärke bekundete. Zu seinem
Namen „Gott" ist er, wie es scheint, auf folgende Weise
II 98-102.
101
102
gekommen: StUpon fragte ihn: „Theodoras, wenn du
behauptest, etwas zu sein, bist du es dann auch? und
nach bejahender Antwort: 87 )" „Du behauptest aber
doch, ein Gott zu sein?" „Ja." „Also bist du auch
ein Gott." Das ließ er sich gern gefallen; da sagte fc>til-
pon lachend: „Du Schelm, durch solche Schlußweise
würdest du auch zu dem Eingeständnis kommen, daß
du eine Dohle wärest und noch tausenderlei anderes.
Als Theodoras einst bei dem Oberpriester Eurykleides
weilte, sagte er zu ihm: „Sage mir, Eurykleides, wer
sind die Frevler wider die Heiligkeit der Mysterien?
Auf die Antwort: „Diejenigen, die diese Geheimnisse
den Uneingeweihten ausplaudern," erwiderte er:
Also frevelst auch du, da du von ihnen mit Unein-
geweihten sprichst." Mit knapper Not nur entging er
der Gefahr, vor den Gerichtshof des Areopags ge-
zogen zu werden; nur dem Phalereer Demetrios hatte
er seine Rettung zu danken. Amphikrates aber be-
richtet in seinem Buche über berühmte Manner, er
seL verurteilt worden und habe den Schierlingsbecher
getrunken. Als er am Hofe des Ptolemaios, des Sohnes
des Lagos, weilte, ward er einst von ihm als Gesandter
zum Lysimachos geschickt. Als er diesem gegenüber
sehr freie Reden führte, sagte Lysimachos zu ihm:
Sage mir, Theodoros, bist du es nicht, der aus Athen'
verbannt ward?" Darauf Theodoros: „Du hast recht
gehört, denn die Stadt der Athener konnte mich nicht
tragen so wenie wie Semele den Dionysos, und stieb
mich von sich." 878 ) Als Lysimachos dann sagte: „Sieh
dich vor und erscheine nicht noch einmal vor uns, ^
erwiderte er: „Nur, wenn Ptolemaios mich schickt.
Da sagte Mithras, der Schatzmeister des Königs, der
dieser Unterredung beiwohnte: „Du scheinst nicht nur
die Götter, sondern auch die Könige nicht zu kennen.
Die Antwort lautete: 88 ) „Wie wäre es für mich mög-
lich sie nicht zu kennen, da ich dich für einen Gotter-
feind halte?" Er soll einst in Korinth mit einer großen
Schar von Schülern umhergezogen sein; da habe der-
108
Kyrenaiker - Phaidon.
gerade seinen Kerbel abspülende Kyniker Metrokies
-zu ihm gesagt: „Du, mein Herr Sophist, hättest nicht
so viele Schüler nötig, wenn du Kraut wüschest." 89 )
„Und du," erwiderte er auf der Stelle, „würdest dich
gewiß nicht mit diesem Kraut abgeben, wenn du dich
auf den Umgang mit Menschen verstündest." Der 101
nämliche Vorgang wird auch, wie dem Leser schon
bekannt, von Diogenes und Aristipp erzählt. So lebte
und lehrte Theodoros. Zuletzt begab er sich wieder
nach Kyrene und lebte dort an der Seite des Magas
hochgeachtet noch lange Zeit. Als er zuerst von dort
verbannt wurde, soll er eine artige Äußerung getan
haben, nämlich: „Ihr tut gut daran, meine Kyrenäer,
daß ihr mich aus Libyen nach Griechenland ausweist."
Der Theodore hat es zwanzig gegeben: Der erste ist
der Samier, des. Rhoikos Sohn. Dieser ist es, der den
Rat gab, die Grundmauern des Ephesischen Tempels
durch eine Unterlage von Kohlen gegen die Feuchtig-
keit des Rodens zu schützen. Die Kohlen nämlich,
sagte er, erhielten nach Ablegung ihrer holzartigen
Eigenschaften einen Grad von innerer Festigkeit, der
die Feuchtigkeit nicht eindringen lasse. Der zweite
ist der Kyrenäer, der Mathematiker, dessen Schüler
Pia ton war; der dritte der eben behandelte Philosoph:
der vierte der Verfasser des prächtigen Ruches über
die Stimmübung; der fünfte der Verfasser des Ruches 104
über die Nomendichter, 90 ) von Terpander an; der
■sechste der Stoiker; der siebente der Verfasser der
römischen Geschichte; der achte der Syrakusaner, der
Verfasser des Ruches über Taktik; der neunte der Ry-
zantmer, bekannt als Redner und Staatsmann; der
zehnte desgleichen, ihn erwähnt Aristoteles in seinem
Abriß über die Redner; 91 ) der elfte der Thebaner, ein
-Bildhauer; der zwölfte ein Maler, dessen Polemon ge-
denkt; der dreizehnte ein Maler aus Athen, über den
es eine Schrift von Menodotos gibt; der vierzehnte ein
Lphesier, ein Maler, dessen Theophanes- gedenkt in
seinem Ruch über Malerei; der fünfzehnte der Epi-
II 102-105.
109»
graminendichter; der sechzehnte der Verfasser der
Schrift über die Dichter; der siebzehnte em Arzt,.
Schüler des Athenaios; der achtzehnte ein Chier, stoi-
scher Philosoph; der neunzehnte ein Milesier, gleich-
falls stoischer Philosoph; der zwanzigste der Trago-
diendichter.
Neuntes Kapitel.
Phaidon. Um 400 v. Chr.
105 Phaidon aus Elia, aus edlem Geschlecht, geriet mit-
samt seiner Vaterstadt in die Hände der Feinde und
mußte sich in drückende Dienststellung fügen. Bei
verschlossener Tür indessen genoß er den Umgang des-
Sokrates, bis dieser den Alkibiades oder Kriton ver-
anlaßte, ihn loszukaufen. Von da ab widmete er sich
in edler Muße der Philosophie. Hieronymos in seinem
Buche über das Ansichhalten des Urteils spöttelt über
ihn und nennt ihn einen Sklaven. Seine echten Dialoge
sind Zopyros und Simon; zweifelhaft der Nikias und
Medios, den einige für ein Werk des Aischinos, andere
des Polyainos erklären. Auch der „Antimachos" oder
„Die Alten" wird bezweifelt und so auch die Schuster-
gespräche ( «umxoO, die einige dem Aischines zu-
schreiben. Sein Nachfolger war Pleistanos (?) aus-
Elia und dritter von ihm ab der Eretrier Menedemos
nebst seinem Genossen, dem Phliasier Asklepiades, die
beide von Stilpon ausgegangen waren. Bis zu diesem
wurden sie Elische Philosophen genannt, von Menede-,
mos ab Eretrische. Über diesen wird später zu be-
richten sein, weil auch er Stifter einer Sekte war.
110
Eukleides.
Zehntes Kapitel.
Eukleides. Um 400 v. Chr.
Eukleides stammte aus Megara am Isthmos, oder 106
uaeh einigen, aus Gela, wie Alexander in den Philo-
sophenfolgen berichtet. Er beschäftigte sich eingehend
mit den Schriften des Parmenides; seine Schüler und
Nachfolger wurden Megariker genannt, sodann
Eristiker und späterhin Dialektiker. Diesen letzteren
Namen gab ihnen zuerst der Ghalkedonier Dionysios,
weil sie ihre Untersuchungen in Form von Frage und
Antwort führten. Bei ihm fanden sich, wie Hermo-
doros berichtet, Piaton und die übrigen Philosophen
nach dem Tode des Sokrates zusammen, aus Furcht
vor der Grausamkeit der Gewaltherrscher.
Er lehrte, das Gute sei Eins, mit vielen Namen be-
nannt: bald nannte er es Einsicht, bald Gott, anderswo
wiederum Vernunft und so weiter. Dem Guten Ent-
gegengesetztes aber ließ er nicht gelten. Beweise pflegte
er nicht in ihren Voraussetzungen, sondern nur in
ihren Schlußsätzen anzugreifen. 92 ) Auch leugnete er 107
die Zulässigkeit der Gleichnisreden, denn sie bestehen,
wie er sagt, aus Gliedern, die einander entweder ähn-
lich oder unähnlich sind; wenn also aus ähnlichen,
so hat man sich besser an die Sache selbst zu halten
als an das, dem sie ähnelt, wenn aber aus unähnlichen,
dann ist die Vergleichung überflüssig. Darum läßt
sich auch Timon über ihn folgendermaßen aus, zu-
gleich mit Sticheleien gegen die übrigen Sokratiker: 98 )
, Doch diese Schwätzer, sie gelten mir nichts, mich kümmert
von ihnen
Keiner, wer es auch sei, nicht Phaidon, auch nicht Eukleides,
Der, ein verbissener Zänker, die Megarer füllte mit Streitmut.
Dialoge schrieb er sechs: Lamprios, Aischines, Phoi- 108
nix, Kriton, Alkibiades, Erotikos (von der Liebe). Zu
den Nachfolgern des Eukleides gehört auch der Mile-
II 106-110.
111
sier Eubulides, der viele dialektische Spitzfindigkeiten )
aufgebracht hat, wie den Lügner, den Betrüger, die
Elektra, den Verhüllten, den Sorites (Gehäuften), den
Gehörnten und den Kahlkopf. Von ihm heißt es bei
einem der Komiker:
Eubulides, der Kampfhahn, der mit dem Gehörnten Staat macht,
Mit Prahlereien, Lug und Trug den Rednern kräftig mitspielt,
Zog zungenfertig ab von hier, Demosthenes vergleichbar.
Auch Demosthenes scheint sein Zuhörer gewesen
und durch ihn in der Aussprache des Rho (R) geför-
109 dert worden zu sein. Eubulides lag auch mit Aristo-
teles in Streit und hatte viel an ihm auszusetzen. Zu
den sonstigen Nachfolgern des Eubulides gehörte
Alexinos aus Elis, ein sehr streitfertiger Mann, daher
er denn auch Elenxinos (Widerleger) genannt wurde.
Am meisten lag er im Kampfe mit Zenon. Hermippos
berichtet von ihm, er sei von Elis nach Olympia über-
gesiedelt, um dort der Philosophie zu leben, und als
seine Schüler sich bei ihm erkundigten, warum er da
seinen Wohnsitz aufschlage, habe er erklärt, er beab-
sichtige, eine Schule zu gründen, die den Namen „Olym-
pische Schule" erhalten solle. Da seien sie wegen un-
zureichenden Lebensunterhaltes, und auch weil sie die
ungesunde Lage des Ortes erkannten, wieder abgezogen.
So habe denn Alexinos weiterhin vereinsamt dort ge-
lebt nur mit einem Diener. Später sei er beim Baden
im Alpheios durch ein spitziges Rohr verwundet worden
110 und habe so den Tod gefunden. Es gibt von mir ein
Epigramm auf ihn, das so lautet: 95 )
So war es denn nicht leere Sage, daß einstens
Einer, von Unglück verfolgt,
Im Bad auf einen Nagel mit dem Fuß aufstieß,
Denn der vortreffliche Mann
Starb, eh' er schwimmend noch gewann des Alpheios
Strand, durch ein Rohr gestochen.
Er hat aber nicht allein gegen Zenon geschrieben,
sondern ist auch Verfasser von anderen Büchern, so
112
Eukleides. Stilpon.
des gegen den Geschichtsschreiber Ephoros gerichteten.
Des Eubulides Schüler war zunächst Euphantos aus
Olynth, der Verfasser einer Geschichte seiner Zeit.
Auch dichtete er mehrere Tragödien, die ihm bei den
Wettkämpfen viel Ehre einbrachten. Zudem war er
Lehrer des Königs Antigenes, an den er auch eine Ab-
handlung über das Königtum gerichtet hat, die außer-
ordentlichen Beifall fand. Er starb ruhig in hohem
Alter.
Es gibt auch noch andere Schüler des Eubulides. 511
Zu ihnen gehört Apollonias, mit dem Beinamen Kro-
nos, dessen Schüler Diodoros, der Sohn des Ameinias,
der lasier, war, gleichfalls Kronos mit Beinamen. Ihm
sind in den Epigrammen des Kallimachos folgende
Worte gewidmet:
Ihn könnte auch Momos nicht tadeln;
Schrieb er doch selbst an die Wand: „Kronos ist weise fürwahr."
Auch er war Dialektiker und soll nach einigen die
Fragen nach dem Verhüllten und dem Gehörnten er-
funden haben. Er wurde während seines Aufenthaltes
bei Ptolemaios Soter von Stilpon aufgefordert, ge-
wisse dialektische Aufgaben zu lösen; da er dies aber
nicht gleich im Augenblick vermochte, ward der König
ungnädig gestimmt, ja nannte ihn sogar spottend
Kronos (d. i. Dümmling). Da verließ er die Tafel, 112
schrieb eine Abhandlung über die vorgelegte Frage und
gab sich aus Unmut selbst den Tod. Unser Vers auf
ihn lautet:
Welch böser Geist war's, der dich, Kronos, dazu trieb,
Daß du gequält von Herzensangst,
Dich selbst hinunterstürztest in den Tartaros,
Weil dir des Stilpon Rätsel nicht
Sich löste; aus dem Kronos ward ein Esel {ovo? = Esel) nun,
Wenn man das Rho und Kappa streicht.
Zu den Schülern des Eukleides gehört auch Ichthyas,
des Meitallos Sohn, ein trefflicher Mann, an den auch
der Kyniker Diogenes einen Dialog gerichtet hat.
II 110-114.
113
Ebenso Kleinomachos aus Thurioi, der zuerst über
Axiome und Aussagen und dergleichen schrieb, und
Stilpon aus Megara, der hochberühmte Philosoph, über
den nun zu handeln ist.
Elftes Kapitel.
Stilpon. Um 320 v. Chr.
13 Stilpon, aus dem griechischen Megara, hörte bei
einigen Schülern des Eukleides; andere behaupten, er
habe den Eukleides selbst gehört, aber außerdem auch
den Thrasymachos aus Korinth, den Freund des
[chthyas, wie Herakleides berichtet. Er übertraf die
anderen an Erfindsamkeit und Disputierkunst m einem
solchen Grade, daß nahezu ganz Griechenland die
Augen auf ihn richtete und sich zur Megarischen
Philosophie bekehren zu wollen schien. Uber ihn be-
richtet der Megariker Philippos wörtlich also: „Dem
Theophrast entfremdete er den Theoretiker Metrodoros
und den Timagoras aus Geld, dem Kyrenaiker Aristo-
teles den Kleitarchos und Simias, dem Vialektiker
Aristeides den Paioneios, wie er denn auch die Uialelt-
tiker Diphilos aus dem Bosporos, des Euphantos bolm,
und Myrmex, des Exainetos Sohn, die erschienen
waren, um ihn zu widerlegen, beide zu seinen eifrigen
14 Anhängern machte." Außerdem brachte er auch den
Peripatetiker Phrasidemos, einen kenntnisreichen
Physiker, auf seine Seite; auch den Lehrer der Rhetorik
Alkimos, der sich vor allen Rhetoren in Griechenland
hervortat, sowie den Krates und wer weiß wie viele
andere wußte er in seine Netze zu ziehen. Unter ihnen
war vor allem auch der Phönikier Zenon. Auch in
Staatssachen war er sehr bewandert. Er war ver-
heiratet, pflegte aber auch Umgang mit der Hetäre
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. 8
114
Stilpon.
Nikarete, wie Onetor irgendwo berichtet. Auch hatte
er eine auf schlechte Wege geratene Tochter, die mit
einem Bekannten von ihm, dem Simias aus Syrakus,
verehelicht war; da sie sehr ausschweifend lebte, sagte
einer zu Stilpon, sie mache ihm Schande. Er aber er-
widerte: „Die Schande, die sie mir macht, ist nicht
größer als die Ehre, die ich ihr mache."
Er stand auch in Ansehen bei Ptolemaios Soter. 115
Als dieser über Megara Herr geworden war, bot er
ihm ein Geldgeschenk an und lud ihn ein, sich mit ihm
nach Ägypten einzuschiffen. Stilpon aber nahm nur
einen mäßigen Teil des Geschenkes an, schlug dagegen
die Reise ab und begab sich deshalb nach Ägina, bis
jener von Megara abgesegelt war. Aber auch Deme-
trios, des Antigonos Sohn, trug nach der Einnahme von
Megara Sorge, daß sein Haus bewacht und alles Ge-
raubte ihm zurückgegeben würde. Als er zu dem Ende
ein Verzeichnis der verlorenen Gegenstände von Stü-
pon verlangte, erklärte dieser, er habe von seinem
Eigentum nichts verloren; denn niemand habe ihm
seine Bildung entführt, sein Verstand und sein Wissen
seien ihm geblieben. Und gelegentlich einer Unter- 116
redung über die Wohltätigkeit gegen die Menschen
nahm er den Herrscher so für sich ein, daß er sein
warmer Anhänger wurde.
Man erzählt sich, er habe über des Pheidias Athene
folgende Frage vorgelegt: „Ist des Zeus Tochter Athene
ein Gott?" Antwort: „Ja." „Diese aber ist nicht vom
Zeus, sondern von Pheidias." Antwort: „Ja." „Also
ist sie kein Gott." Darüber ward er auch, wie es heißt,
vor den Areopag geladen, wo er nicht leugnete, aber er-
klärte, seine Behauptung sei ganz richtig, denn sie sei
kein Gott, sondern eine Göttin; Götter seien männlich.
Da hätten aber die Areopagiten den Befehl über ihn er-
gehen lassen, die Stadt auf der Stelle zu verlassen.
Theodoros, der sogenannte Gott, soll damals spottend
gesagt haben: „Woher wußte denn das Stilpon? Hat
er ihr denn ihr Kleid aufgehoben und nach ihrem
11 114—119.
115
Garten geschaut?" Er war allerdings sehr unverfroren,
117 Stilpon dagegen sehr fein und gesetzt. Als z.B. Krates
ihn fragte, ob die Götter Freude hätten an Anbetungen
und frommen Bezeigungen, soll er gesagt haben: „Dar-
über, du Tor, frage mich nicht auf der Straße, sondern
wenn ich allein bin." Die nämliche Antwort soll auch
Bion gegeben haben auf die Frage, ob es Götter gäbe:
Willst du -die Menge nicht erst von mir wegscheuchen, du Alter?
Stilpon war in seinem Wesen schlicht und keiner
Verstellung fähig, auch im Verkehr mit dem Laien
entgegenkommend und gewandt. Als der Kyniker
Krates einst statt ihm auf eine an ihn gerichtete Frage
zu antworten einen streichen ließ, sagte er: „Vvußte
ich doch, daß du alles andere eher vernehmen lassen
118 würdest als das, was sich gehört." Ein andermal legte
Krates ihm eine getrocknete Feige und dazu eine Frage
vor; er nahm die Feige und verzehrte sie; da sagte
jener: „0 weh, ich bin um meine eigene Feige ge-
kommen." Darauf Stilpon: „Aber mit ihr auch um die
Frage, zu der die Feige das Angeld war." Und als er
zur Winterzeit den Krates einmal völlig erstarrt vor
Kälte erblickte, sagte er: „Es scheint mir, Krates, du
bedarfst eines neuen Mantels" (was auch bedeuten
konnte „eines Mantels und Verstandes"). 96 ) Das emp-
fand Krates schwer und rächte sich durch folgende
Spottverse auf ihn [Fr. 1 Diels]: 87 )
Auch den Stilpon erblickt' ich, von schweren Leiden betroffen,
In dem Gemach, wo das Lager der Wüstling sich üppig bereitet.
Kämpfe focht* er dort aus und mit ihm viele Genossen,
Und mit der Tugend trieben sie dort die verfänglichsten bpiele.
119 Als er sich in Athen aufhielt, soll er die Menschen
so bezaubert haben, daß sie aus den Werkstätten herbei-
strömten, um seiner ansichtig zu werden. Und als
einer sagte: „Stilpon, sie staunen dich an wie ein wildes
Tier," soll er geantwortet haben: „Nein, wie einen
wahren Menschen."
8*
116
Stilpon. Kriton. Simon.
Hervorragend als sophistischer Streitkünstler,
leugnete er auch die Gültigkeit der allgemeinen Be-
griffe. Er sagte, wenn jemand das Dasein des Menschen
(als allgemeinen Begriffes) behaupte, so meine er damit
keinen Menschen, er nenne ja doch weder diesen noch
jenen (bestimmten Menschen); denn welcher Grund
spräche mehr für den einen als für den andern? Also
meine er auch nicht diesen bestimmten. So ist auch der
Kohl (als Begriff) nicht ein bestimmtes Kohlgewächs
hier, denn Kohl gab es schon vor vielen tausend
Jahren; dies ist also nicht der Kohl. 98 )
Man erzählt, er sei einmal mitten im Gespräch mit
Krates davongeeilt, um Fische einzukaufen. Jener
wollte ihn zurückhalten und sagte: „Wie? du läßt das
Wort im Stich?" — „Nein," erwiderte er, „das Wort
habe ich, dich aber laß ich im Stich, denn das Wort
bleibt, der Fisch aber ist verkauft, wenn ich länger
warte."
Es gehen unter seinem Namen neun Dialoge ziem- 120
lieh blutloser Art: Moschos; Aristipp oder Kallias;
Ptolemaios; Ghairekrates; Metrokies; Anaximenes;
Epigenes; An seine Tochter; Aristoteles. Herakleides
behauptet, auch Zenon, der Gründer der Stoa, sei sein
Hörer gewesen. Hermippos berichtet, er sei in hohem
Alter gestorben, nachdem er Wein zu sich genommen
habe, um das Ende zu beschleunigen. Unser Epigramm
auf ihn lautet folgendermaßen:
Den Megarenser Stilpon — dir gewiß bekannt —
Warf Krankheit nieder und der Jahre Last, ein schweres Joch.
Doch fand er in dem Wein den überleg'nen Lenker
Des bösen Zwiegespannes, das er so zum Ziele trieb.
Er wurde auch bespöttelt von dem Komiker Sophilos
in dem Drama „Die Hochzeit":
Die Rede des Charinos ist des Stilpon Pfropf. 09 )
II 119—122.
117
Zwölftes Kapitel.
Kriton. Um 420 v. Chr.
Kriton aus Athen war dem Sokrates mit ganz be-
sonderer Liebe zugetan und sorgte so treu für ihn, daß
ihm an des Leibes Notdurft niemals etwas fehlte. Seine
Söhne waren Schüler des Sokrates, es waren dies
Etritobulos, Hermogenes, Epigenes, Ktesippos. Kriton
hat siebzehn Dialoge geschrieben, die zusammen e l n
Buch bilden. Ihre Titel sind folgende: 1. Gelehrigkeit
reicht nicht aus zur Tugend; 2. Von dem reichen Be-
sitz- 3. Von dem Erforderlichen oder Pohtikos; 4. Von
dem Schönen; 5. Von dem Bösetun; 6. Von der Ord-
nungsliebe (cu^jjLOöuvrj); 7. Vom Gesetz; 8. Von dem
Göttlichen; 9. Von den Künsten; 10. Von dem Bei-
sammensein; 11. Von der Weisheit; 12. Protagoras oder
Politikos; 13. Von den Buchstaben; 14. Von der Dicht-
kunst; 15. Von dem Schönen (vgl. No. 4); 16. Vom
Lernen; 17. Von der Erkenntnis oder von dem Wissen;
18. Von der Einsicht.
Dreizehntes Kapitel.
Simon. Um 420 v. Chr.
Simon aus Athen war Schuster. Sokrates besuchte
ihn in seiner Werkstatt und teilte ihm gesprächsweise
mancherlei mit, was er aufzeichnete, soweit sein Ge-
dächtnis reichte. Daher nennt man seine Dialoge, die
Schusterdialoge. Es sind, dies dreiunddreißig Dialoge
in ein Buch zusammengefaßt. Nämlich: 1. Von den
Göttern; 2. Vom Guten; 3. Vom Schönen; 4. DasVvesen
des Schönen; 5. u. 6. Von der Gerechtigkeit erstes und
zweites Gespräch; 7. Von der Tugend, daß sie nicht
lehrbar ist; 8., 9. und 10. Von der Tapferkeit, erstes,
118 Glaukon. Simias. Kebes. Menedemo a .
zweites und drittes Gespräch; 11. Vom Gesetz; 12. Von
der Volksverführung; 13. Von der Ehre; 14. Von der
Dichtkunst; 15. Von dem Wohlbehagen; 16. Von der
Liebe; 17. Von der Philosophie; 18. Von der Wissen-
schaft; 19. Von der Musik; 20. Von der Dichtkunst
(s. No. 14); 21. Das Wesen des Schönen (s. No. 4); 123
22. Vom Unterricht; 23. Von der wissenschaftlichen
Gesprächsführung; 24. Vom Urteil; 25. Vom Seienden;
2G. Von der Zahl; 27. Von der Sorgfalt; 28. Von der
Arbeit; 29. Von der Gewinnsucht; 30. Von der Prah-
lerei; 31. Von dem Schönen (s. No. 3), nach an-
deren: 31. Vom Beraten; 32. Vom staatsmännischen
Verstand oder vom Erforderlichen; 100 ) 33. Vom Böse-
tun. Er war, wie man sagt, der erste, der sich auf
Sokratische Dialoge legte. Perikles lud ihn zu einem
Besuche bei sich ein mit dem Versprechen, für seinen
Unterhalt zu sorgen, er jedoch erklärte, seine Bede-
freiheit sei ihm nicht feil.
Es gab auch noch einen anderen Simon, der eine
Anweisung zur Beredsamkeit verfaßt hat, und noch
einen, der Arzt war zur Zeit des Seleukos Nikanor;
ein dritter war ein Bildhauer.
Vierzehntes Kapitel.
Glaukon.
i.
Glaukon stammt aus Athen. Auch von ihm gehen 124
neun Dialoge um in einem Band: Pheidylos, Euripides,
Amyntichos, Euthias, Lysitheides, Aristophanes, Kepha-
los, Anaxiphemos, Menexenos. Außerdem gibt es unter
seinem Namen noch zweiunddreißig Dialoge, die für
unecht gelten,
II 133-126.
119
Fünfzehntes Kapitel.
Simias. Um 400 v. Chr.
Simias war Thebaner. Auch von ihm gehen . in
einem Bande dreiundzwanzig Dialoge xxm.l. Von
der Weisheit; 2. Von der ^^^^.^
Musik- 4. Von dem Epos; 5. Von der Tapferkeit,
6 Von der Philesophie; 7. Von der Wahrheit; 8 Von
den Buchstaben; 9. Von der Unterweisung; 10 Von der
Kunst- 11. Von dem Vorsteheramt; 12. Von dem
Senden- 13. Von dem Erstrebenswerten und dem
Verwerflichen 14. Vom Freunde; 15. Vom Vvissen;
TeToft 6 Seele; 17. Von der guten «hrung,
18. Von dem Möglichen; 19. Von Hab und Gut 20. Vom
Leben; 21. Vom Wesen des Schönen; 22. Von der Sorg-
falt; 23. Von der Liebe.
Sechzehntes Kapitel.
Kebes. Um 400 v. Chr.
125 Kebes war Thebaner. Auch von ihm gehen drei
DialogfunT: Die Tafel, 101 ) Der siebente (Monatstag),
Phrynichos.
Siebzehntes Kapitel.
Menedemos. Etwa 350—276 v. Chr.
Menedemos, 102 ) zu dem Kreise des
war der Sohn des zu dem sogenannten ^»1^**
hause gehörenden Kleisthenes, eines Mannes von edler
Erl der aber Baumeister und unbemittelt war.
AndSe behaupten auch, er sei Theatermaler gewesen,
120
Menedemos.
und Menedeui habe beide Künste erlernt. Als er daher
einen Antrag in der Volksversammlung stellte, tadelte
ihn ein Alexineer mit den Worten, ein Weiser dürfe
sich weder mit Theatermalerei noch mit Anträgen an
das Volk abgeben. Von den Eretriern zum militärischer)
Wachdienst nach Megara gesendet, suchte er Piaton
in der Akademie auf (?) und gab, hingerissen von ihm,
den Kriegsdienst auf. Allein Asklepiades aus Phlius 126
brachte ihn auf andere Wege und begab sich mit ihm
nach Megara, wo sie beide des Stilpon Schüler wurden.
Von da segelten sie nach Elis, wo sie mit Anchipylos
und Moschos, den Schülern des Phaidon, zusammen-
trafen. Bis zu dieser Zeit wurden sie, wie schon in dem
Abschnitt über Phaidon (II 105) bemerkt, Elische
Philosophen (Eliaker) genannt; weiterhin aber nach
dem Vaterland dessen, von dem hier die Rede ist, Ere-
triker.
Menedemos scheint ein achtunggebietender Mann
gewesen zu sein, wie denn Krates von ihm spottend
sagt [Fr. 2 D.] :
Hier den Asklepiossproß und dort den Eretrischen Ochsen
und Timon [Fr. 29 D.] : 103 )
Sein Gerede begann stolz blickend der törichte Schwätzer.
Er war so achtunggebietend, daß Eurylochos aus 127
Kassandria, als er vom Antigonos mitsamt seinem
jungen Begleiter Kleippides aus Kyzikos eingeladen
wurde, die Einladung abschlug; er fürchtete nämlich,
Menedemos werde davon erfahren. Denn er war ein
scharfer Tadler und nahm kein Blatt vor den Mund.
Als einst ein Jüngling mit unzüchtigen Reden um sich
warf, ließ er zwar kein Wort darüber laut werden,
nahm aber ein Stäbchen und zeichnete auf den Fuß-
boden die Gestalt eines Unzucht treibenden Jünglings.
Alle wandten ihren Blick darauf, so daß sich der
Jüngling, betroffen von dem unverkennbar ihm gelten-
den Schimpf, davonmachte. Als Hierokles, der Befehls-
II 125-130.
121
haber des Peiraieus, mit ihm im Tempel des Amphia-
raos auf und ab ging und viel von der Eroberung Ere-
trias sprach, erwiderte er nur mit der Frage, wozu ihn
128 Antigonos mißbrauche. Zu einem sich frech brüstenden
Ehebrecher sagte er: „Weißt du nicht, daß nicht nur
der Kohl, sondern auch der Rettig guten Saft hat?" )
Zu einem Buben, der laut schrie, sagte er: „Gib acht,
daß du nicht etwa unbemerkt etwas im Rücken hast."
Als Antigonos ihn um Rat fragte, ob er einem Gelage
beiwohnen solle, ließ er ihm nichts weiter zurück-
melden, als: „Denke daran, daß du eines Königs Sohn
bist." Einen beschränkten Gesellen, der eine ganz un-
passende Bemerkung zu ihm machte, fragte er, ob er
ein Landgut hätte, und als dieser antwortete, Guter
habe er eine Menge, sagte er: „So mache dich denn auf
und verwalte sie, sonst kannst du es erleben, daß du
dich nicht nur um deine Güter bringst, sondern auch
die Rolle des geschniegelten Einfaltspinsels aufgeben
mußt." Zu einem, der ihn fragte, ob ein ehrenwerter
Mann heirate, sagte er: „Bin ich in deinen Augen ein
ehrenwerter Mann oder nicht?" und als jener bejahte,
129 sagte er: „Nun, ich habe geheiratet." Einen, der ge-
sagt hatte, der Güter gäbe es viele, fragte er, wie hoch
die Zahl wäre, und ob er glaube, daß es mehr als hun-
dert seien. Als es ihm nicht gelang, den großen Auf-
wand eines seiner Gastgeber einzuschränken und er
wieder zu ihm eingeladen wurde, sagte er zwar nichts,
gab ihm aber schweigend eine verständliche Warnung
dadurch, daß er nichts weiter als Oliven aß.
Durch diesen seinen Freimut wäre er mit seinem
Freunde Asklepiades am Hofe des Nikokreon in Ky-
pros beinahe zu Fall gekommen. Denn als der Konig
sein monatliches Fest beging und wie die anderen
Philosophen so auch diese beiden zu sich einlud, soll
Menedemos gesagt haben, wenn es mit der Versamm-
lung solcher Männer wohlbestellt sei, so mußte das
Fest Tag für Tag gefeiert werden; wo nicht, so sei es
130 auch jetzt überflüssig. Und als der Tyrann ihm darauf
122
Menedemos.
entgegnete, er halte sich diesen Tag frei, um die Philo-
sophen zu hören, wurde er noch ausfälliger, indem er
bei der Opferspende 105 ) dartat, man müsse den Philo-
sophen jederzeit sein Ohr leihen. Hätte nicht die Macht
des Flötenspiels sie auseinandergebracht, wer weiß, ob
sie nicht umgekommen wären. Mit Bezug darauf soll
denn auch, als sie auf der Seefahrt einen Sturm durch-
zumachen hatten, Asklepiades gesagt haben, die treff-
liche Kunst des Flötenspiels hätte sie gerettet, die frei-
mütige Sprache des Menedemos hätte sie ins Verderben
gestürzt. 106 )
Auf die üblichen Äußerlichkeiten gab er, wie man
sagt, nicht viel und war gleichgültig gegen die gewöhn-
lichen Schuleinrichtungen. Von Ordnung war bei ihm
nichts zu sehen; kreisförmig aufgestellte Bänke suchte
man bei ihm vergebens; wo ein jeder gerade umher-
wandelte oder sich niedergelassen hatte, hörte er zu,
und e^r selbst machte es ebenso. Gleichwohl war er, 131
sagt man, ängstlich auf seine Würde bedacht und
nicht frei von Ehrgeiz. Als daher in früherer Zeit er
sowohl wie Asklepiades einem Baumeister beim Bau
eines Hauses Dienste leisteten, machte sich zwar Askle-
piades nichts daraus, sich nackend auf dem Dache
sehen zu lassen, wie er den Lehm zutrug, Menedemos
dagegen versteckte sich, sobald er einen kommen sah.
Als er sich der staatlichen Tätigkeit widmete, war
er so ängstlich, daß er einst bei Aufstellung des
Räucherwerks dies nicht in das Räucherfaß schüttete,
sondern daneben fallen ließ. Als Krates sich einmal
an ihn heranmachte und ihm seine staatliche Tätigkeit
vorwarf, befahl er, wie erzählt wird, einigen, ihn ins
Gefängnis zu bringen. Krates aber paßte nichtsdesto-
weniger ihn aus dem Gefängnisfenster, als er vorüber-
ging, ab und nannte ihn, sich herausbiegend, einen
Agamemnoneer und Stadtregenten ('H«ft\oiKokv>).
In gewisser Hinsicht war er verschlossen und nicht 132
frei von Aberglauben. Als er einst in einer Herberge
mit seinem Asklepiades ahnungslos von dem den
II 130-134.
123
Unterirdischen dargebrachten Fleische 10 ) gegessen,
wurde es ihm, als er die Wahrheit erfuhr, so übel, daß
er sich entfärbte und Asklepiades ihm erst zu Gemute
führen mußte, daß nicht das Fleisch schuld wäre an
dieser Erschütterung, sondern die Gedanken, die er
sich darüber gemacht. Im übrigen war er hochgemut
und freidenkend. Was seinen körperlichen Zustand
anlangt, so blieb er, als er schon Greis war, an Festig-
keit hinter keinem Athleten zurück, von Aussehen ge-
bräunt, wohlbeleibt und abgehärtet, von maßiger
Größe, wie man an seinem Bildnis sehen kann, das m
Eretria auf der alten Rennbahn aufgestellt ist. Es ist
nämlich, wie absichtlich, fast nackend und laßt die
133 meisten Körperteile unverhüllt sehen. Er war auch
gastfrei und liebte es, wegen des ungesunden Klimas
von Eretria, öfters Bekannte zu Gelagen bei sich zu
sehen, darunter auch Dichter und Musiker. ) Er war
auch befreundet mit Aratos und Lykophron, dem lra-
gödiendichter, sowie mit dem Rhodier Antagoras.
Über alle anderen ging ihm Homer, dann auch die
lyrischen Liederdichter, ferner Sophokles und auch
Achaios, dem er den zweiten Platz unter den Dichtern
des Satyrspiels zuerkannte, während er dem Aischylos
den ersten einräumte; daher er denn gegen seine
Gegner im Staate, wie man sagt, sich mit folgenden
Versen wehrte: - - m
So wird der Schnelle von dem Schwachen eingeholt,
So von der Schildkröt* auch der Aar in kurzer Zeit
134 Das sind Verse des Achaios aus seinem Satyrspiel Om-
phale. Mithin gehen die fehl, die da behaupten, er habe
nichts gelesen außer der Medea des Euripides, von der
einige sagen, sie sei das Werk des Neophron aus
Sikyon. , „
Was seine Lehrer betrifft, so wollte er von Piaton
und Xenokrates, auch von dem Kyrenäer Paraibates
nichts wissen; für Stilpon dagegen war er voll Be-
wunderung, und als man ihn einst nach ihm fragte,
124
Menedemos.
sagte er weiter nichts als: „Er war ein freidenkender
Mann." Übrigens war Menedemos ein scharfer Kopf,
der den Hörern viel zumutete und in seiner Gedanken-
fügung schwer zu widerlegen war. Er ging auf alles
ein und war um Auswege nie verlegen; daher er denn,
wie Antisthenes in den Philosophenfolgen sagt, in ganz
hervorragendem Maße streitfertig war. Unter anderem
hörte man öfters folgende Fragenkette von ihm: „Das
Verschiedene ist doch von dem Verschiedenen ver-
schieden?" — „Ja," — „Nun ist doch Nützlichsein ver-
schieden von dem Guten?" — „Ja." — „Also ist das
Gute verschieden von dem Nützlichsein." Er verwarf 135
auch die verneinenden Axiome, während er die be-
jahenden gelten ließ; doch auch von diesen ließ er nur
die einfachen zu, die nicht einfachen verwarf er und
nannte sie verflochten und verwickelt. Herakleides 108 )
bezeichnet ihn, was die Lehrmeinungen betrifft, als
einen Platoniker, der aber mit der Dialektik nur
Scherz treibe. So antwortete er auf die Frage des
Alexinos, ob er aufgehört habe, seinen Vater zu
sehlagen: 110 ) „Ich habe ihn weder geschlagen, noch
habe ich aufgehört." Auf dessen Entgegnung aber: „Du
mußtest mit Ja oder Nein die Frage unzweideutig
lösen," erwiderte er: „Es wäre doch lächerlich, euren
Gesetzen zu folgen, da es doch möglich ist, gleich an
der Schwelle Widerstand zu leisten." Als Bion sich in
unermüdlichen Angriffen gegen die Wahrsager erging,
sagte er von ihm, er gebe Toten noch einmal den Todes-
stoß. Und als er einmal die Behauptung hörte, das 136
höchste Gut sei, alles zu erlangen, was man wünsche,
_ soll er erwidert haben: „Weit besser ist es zu wünschen,
was not tut."
Antigonos der Karystier sagt, er habe nichts ge-
schrieben und verfaßt, also mache er auch nichts von
emer bestimmten Lehrmeinung abhängig. Bei den ge-
meinschaftlichen Untersuchungen, sagt er, war er so
kampfeseifrig, daß er oft mit rot unterlaufenen Augen
fortging. Trotz dieser Leidenschaftlichkeit im Bede-
II 134-138.
125
streit war er doch in seinen Handlungen so gutherzig
wie möglich. So zeigte er sich gegen Alexinos, den er
vielfach verspottete und hart mitnahm, doch ungemein
freundlich, indem er seiner Gattin auf dem Wege von
Delphi bis Ghalkis Begleitung beigab zum Schutz gegen
Diebe und Räuber, vor denen sie Besorgnis hegte. Die
137 Freundschaft 111 ) hielt er sehr hoch, wie aus seiner Ein-
mütigkeit mit Asklepiades hervorgeht, die der Freund-
schaftsliebe des Pylades an Innigkeit nichts nachgab.
Aber Asklepiades war der ältere, so daß man sagte, er
sei der Dichter, Menedemos aber der Schauspieler. Es
soll Archipolis ihnen einst eine Summe von dreitausend
zugewandt haben; da habe es einen heftigen Streit um
den zweiten Platz für die Annahme gegeben, und
so habe keiner von beiden angenommen.
Man erzählt auch von ihren Eheverhältnissen fol-
gendes: Sie heirateten Mutter und Tochter, Asklepiades
die Tochter, Menedemos die Mutter. Als dem Askle-
piades seine Frau 112 ) starb, heiratete er die des Mene-
demos, und dieser, da er die Staatsleitung antrat, hei-
ratete eine vermögende Frau. Nichtsdestoweniger
teilten sie nach wie vor ihre Wohnung, und Menede-
mos übertrug die Wirtschaftsführung seiner früheren
138 Gattin. Asklepiades starb vor ihm in bereits hohem
Alter, nachdem er bei stattlichem Vermögen doch in
schlichtester Einfachheit mit Menedemos vereint ge-
lebt hatte. Als dann einige Zeit darauf der Geliebte
des Asklepiades zu einem Gelage sich einfand und die
anwesenden Jünglinge ihm den Eingang versperrten,
gebot ihnen Menedemos, ihn einzulassen, mit den
Worten, Asklepiades halte auch noch unter der Erde
die Tür für ihn offen. Beiträge zu ihrem Unterhalt
erhielten sie von dem Makedonier Hipponikos und
dem Lamier Agetor. Der eine gab jedem von beiden
dreißig Minen, Hipponikos aber dem Menedemos zur
Ausstattung seiner Töchter zweitausend Drachmen; er
hatte nämlich, wie Herakleides berichtet, von seiner
Gattin Oropia drei Töchter.
j
126
Menedemos.
Seine Gastmahle veranstaltete er auf folgende 139
Weise: Zunächst nahm er in Gesellschaft von zweien
oder dreien seine Mahlzeit ein, bis sich der Tag zum
Abend neigte. Dann rief einer die sich einstellenden
Gäste, die auch ihrerseits bereits ihre Mahlzeit zu sich
genommen, herein. Kam einer zu früh, so fragte er,
auf- und abgehend, die Herauskommenden, was auf
der Tafel stünde und welche Zeit es wäre. Wenn nur
Gemüse oder Eingesalzenes, dann zogen sie wieder ab;
wenn aber Fleisch, so traten sie ein. Im Sommer
waren die Lagergestelle mit Binsenmatten belegt, im
Winter mit Fellen; sein Kopfkissen brachte jeder selbst
mit. Das herumgereichte Trinkgefäß war nicht größer
als ein mäßiger Becher. Der Nachtisch bestand aus
Lupinen oder Bohnen, mitunter auch aus Obst, wie
Birnen, Äpfeln, auch wohl aus Schoten oder gar bloß
aus getrockneten Feigen. Auf alles dies weist Ly- 140
kophron hin in dem auf ihn gedichteten Satyrspiel, be-
titelt „Menedemos", ein Drama, das er zum Lobe des
Philosophen gedichtet hatte. Eine Stelle daraus lautet
folgendermaßen:
Sieh wie beim schlichten Mahle unter ihnen kreist
Der kleine Becher! Doch des Mahles Würze ist
Das kluse Wort, auf das die Schar der Hörer lauscht.
Anfangs machte man sich nichts, aus ihm; er mußte
sich von Seiten der Eretrier die Beinamen Hund und
Schwätzer gefallen lassen; weiterhin aber erregte er so
hohe Bewunderung, daß man die Leitung des Staates
in seine Hände legte. Als Gesandter ging er zum
Ptolemaios und Lysimachos, überall mit Ehren auf-
genommen. Auch zum Demetrios begab er sich als
Unterhändler, und es gelang ihm, die zweihundert
Talente, welche die Stadt ihm jährlich zahlen mußte,
um fünfzig herabzusetzen. Als er bei diesem verleumdet
wurde, als wolle er die Stadt dem Ptolemaios in die
Hände spielen, verteidigte er sich durch ein Schreiben,
dessen Anfang lautet: „Menedemos bietet dem König 141
II 139-148.
127
Demetrios seinen Gruß. Wie ich vernahm, tst dir
mancherlei über mich zugebracht worden." Wie die
Rede geht, war es von seinen politischen Gegnern ein
gewisser Aischylos, der ihn verleumdet hatte. Be-
sonders eindrucksvoll soU seine Sendung an Demetrios
in der Sache für Oropos gewesen sein, wie auch
Euphantos in seinen Geschichtserzählungen erwähnt.
Auch Antigonos gewann ihn lieb und bekannte sich
als sein Schüler. Nach dem Siege des Antigonos über
die Barbaren bei Lysimachia beantragte Menedemos
einen Volksbeschluß an ihn, der schlicht und von
142 Schmeichelei frei mit folgenden Worten anhub: Ute
Feldherren und die Ratsvorsteher erklären: „Da der
König Antigonos nach seinem Siege über die Barbaren
wieder in sein Reich zurückkehrt und alles andere ihm
nach Wunsch gelingt, so haben Rat und Volk folgen-
den Beschluß gefaßt." Als er deshalb und wegen seiner
sonstigen Freundschaft mit Antigonos auf die Ver-
leumdungen des Aristodemos hin in den Verdacht kam,
die Stadt an den König zu verraten, entwich er heim-
lich aus der Stadt und barg sich in Oropos im Heilig-
tum des Amphiaraos. Als dort goldene Trinkgefaße
abhanden kamen, ward er, wie Hermippos berichtet,
auf gemeinsamen Volksbeschluß der Böotier des Landes
verwiesen. Innerlich völlig gebrochen, schlich er sich
von da heimlich in seine Vaterstadt, nahm sein Weib
und seine Töchter zu sich, floh zum Antigonos und
143 beschloß entmutigt sein Leben. Im völligen Gegensatz
dazu behauptet Herakleides, er habe als Ratsvorsteher
zu wiederholten Malen die Freiheit seiner Vaterstadt
verteidigt gegen die Anhänger des Demetrios, die diesen
zum Herrn der Stadt machen wollten; er habe also
keineswegs dem Antigonos die Stadt in die Hände
spielen wollen, sondern sei fälschlich verleumdet
worden; den Verkehr mit Antigonos habe er vielmehr
in der Absicht unterhalten, seinem Vaterland die Frei-
heit zu sichern, und da dieser sich nicht dazu ver-
stand, habe er aus Verzweiflung durch eine sieben-
128
Menedenios. Piaton.
tägige Hungersqual sein Leben beschlossen. Ganz
ähnlich lautet der Bericht des Antigonos Karystios.
Nur mit dem Persaios 113 ) lag ex in unversöhnlicher
Feindschaft. Denn dieser war es allem Anschein nach,
der, als Antigonos willens war, dem Menedemos zu-
liebe den Eretriern die demokratische Freiheit zurück-
zugeben, dies verhinderte. Daher tat Menedemos einst
beim Becher, nachdem er seine überzeugenden Gründe
gegen ihn dargelegt, unter anderen folgende Äußerung
über ihn: „So zeigt er sich als Philosoph, als Mann
aber ist er der schlechteste von allen, die da sind und
sein werden."
Er starb nach Herakleides im vierundsiebzigsten
Jahre seines Lebens. Auf ihn geht folgendes Epigramm
von mir:
Dein Schicksal, Menedemos, ist mir wohlbekannt,
Dein Tod nach sieben Tagen Hungersqual.
Freiwillig starbst du, als Eretrier, doch tapfer nicht,
Denn deine Tat entstammte der Entmutigung.
Dies also sind die Sokratiker und ihre Nachfolger.
Nunmehr gilt es, mich dem Piaton zuzuwenden, dem
Begründer der Akademie, und seinen Nachfolgern, so-
weit sie sich einen Namen geschaffen haben.
11 143 144. HI 1-2. 129
*
Drittes Buch.
PlatOtl. 427—347 v. Chr.
1 Platon 1 ) aus Athen war der Sohn des Ariston und
der Periktione oder Potone, 2 ) die ihr Geschlecht aui
Solon zurückführte. Des Solon Bruder nämlich war
Dropides; dessen Sohn war Kritias, dessen Sohn Kal-
laischros, dessen Sohn Kritias, das Haupt der Dreißig,
und Glaukon. Des letzteren Kinder waren Charmides
und Periktione, von der Platon stammte aus ihrer Ehe
mit Ariston, als sechster von Solon abwärts. Solon
aber führte sein Geschlecht auf Neleus und Poseidon
zurück. Auch Piatons Vater soll sein Geschlecht aui
Kodros, des Melanthos Sohn, zurückgeführt haben, die
nach Thrasyllos gleichfalls als Nachkommen des Po-
2 seidon gelten. Speusipp in seinem Leichenschmaus
Piatons — wie das Buch betitelt ist — und Klearch )
in seiner Lobschrift auf Platon, und Anaxilides im
zweiten Buche von den Philosophen berichten, es sei
in Athen die Bede gegangen, Ariston habe der in voller
Schönheit blühenden Periktione Gewalt antun wollen,
ohne seinen Willen durchzusetzen; und als er sich be-
schied, sei ihm Apollon erschienen, woraufhin er sie
unberührt gelassen habe bis zur Niederkunft. )
Piatons Geburt fällt, wie Apollodor in den Chronika
berichtet, in die 88. Olympiade (428/5 v. Chr.); sein
Geburtstag war der siebente des Monats Thargelion,
der Geburtstag des Apollon nach der Überlieferung der
Delier. Gestorben ist er. wie Hermippos berichtet, bei
A p e 1 1 . Diogenes Laertius. 9
130
Piaton.
einem Hochzeitsschmaus im ersten Jahre der 108.
Olympiade (348/5 v. Chr.) im Alter von einundachtzig
Jahren. Neanthes aber sagt, er sei als Vierundachtzig- 3
jähriger gestorben. Er ist also sechs Jahre jünger als
Isokrates. Dieser nämlich ist unter Lysimachos, Pia-
ton aber unter Ameimas geboren, in dessen Archontat
der Tod des PeriMes fällt. Er stammte aus dem Demos
Kolyttos, wie Antileon im zweiten Buche der Zeitrech-
nung schreibt. Nach einigen ist er in Ägina geboren
im Hause des Pheidiades, des Sohnes des Thaies, wie
Favorinus in seinen Vermischten Geschichten be-
richtet, da sein Vater mit andern an der Landverteilung
beteiligt war und nach Athen zurückkehrte, als die
Ansiedler von den den Ägineten zu Hilfe kommenden
Lakedaimoniern wieder von der Insel vertrieben wur-
den. Er ließ auch im Theater in Athen Chöre auf-
treten auf Kosten des Dion, wie Athenodoros im achten
Buche seiner Spaziergänge berichtet. Er hatte zwei 4
Brüder, Adeimantos und Glaukon, und eine Schwester.
Potone, die Mutter des Speusippos.
Seinen Unterricht in der Grammatik erhielt er bei
Dionysios, dessen er auch in den Anterasten gedenkt,
in der Gymnastik bei dem Argivischen Bingmeister
Ariston, welcher die Änderung seines Namens ver-
anlaßte, indem er ihn wegen seiner trefflichen Körper-
verfassung Piaton nannte, während er bisher nach
seinem Großvater Aristokles hieß, wie Alexander in den
Philosophenfolgen sagt. Einige wollen diesen Namen
auch auf seinen breiten Bedefluß zurückführen oder
auf seine breite Stirn, wie Neanthes behauptet. Manche
berichten von seinem Auftreten als Bingkämpfer auf
dem Isthmos. So auch Dikaiarch im ersten Buche
von den Lebensläufen. Auch mit Malerei gab er sich 5
ab 4a ) und mit dichterischen Versuchen, zuerst mit Dithy-
ramben, dann auch mit Liedern und Tragödien. Er
soll eine schwache Stimme gehabt haben, wie auch der
Athener Timotheos 6 ) in seinen Lebensbeschreibungen
behauptet. Es geht die Erzählung. Sokrates habe ge-
III 2- 7.
131
träumt, er halte auf seinem Schöße das Junge von
einem Schwan, das alsbald befiedert und flugkraftig
geworden, in die Lüfte emporgestiegen sei mit schallen-
den Jubeltönen; und tags darauf sei ihm Piaton vor-
geführt worden; da habe er gesagt, dies sei der Vogel.
Seine philosophischen Studien betrieb er zunächst in
der Akademie, dann in dem Garten am Kolonos, wie
Alexander 6 ) in den Phüosophenfolgen nach Hera-
kleitos 7 ) sagt. Als er dann mit einer Tragödie in den
Wettbewerb eintreten wollte, verbrannte er, des So-
krates Mahnungen folgend, seine Dichtungen vor dem
Dionysischen Theater mit den Worten (Jl. 18, dW.
Eile, Hephaist, zum Piaton herbei, der deiner bedürftig.
6 Von da ab — er war zwanzig Jahre alt — war er
ununterbrochen des Sokrates Hörer; nach dessen Hin-
scheiden hielt er sich an den Herakliteer Kratylos und
an den Hermogenes, der in seiner Philosophie ein An-
hänger des Parmenides war. Dann, im Alter von acht-
undzwanzig Jahren, wie Hermodor 8 ) sagt, entwich er
mit noch manchen andern Sokratikern nach Megara
zum Eukleides. Darauf reiste er nach Kyrene zum
Mathematiker Theodoros und von da nach Italien zu
den Pythagoreern Philolaos und Eurytos; von da nach
Ägypten zu den Propheten. Dort soll auch Euripides
sein Begleiter gewesen sein, der daselbst von einer
Krankheit befallen und durch eine Seewasserkur von
den Priestern geheilt ward; daher auch sein Vers Upn.
Taur. 1193):
Das Meer spült alles Weh und Leid der Menschen weg.
7 Auch soll er nach Homer gesagt haben, alle Ägypter
seien Ärzte. Piaton hatte auch beschlossen, die Magier
aufzusuchen, mußte aber wegen der Kriege in Asien
darauf verzichten. Nach seiner Rückkehr nach Athen
wählte er zu seiner Wohn- und Lehrstätte die Akade-
mie. Das ist ein baumreiches Gymnasium vor der
Stadt, das seinen Namen von einem Höros Hekademos
132
Piaton.
hat, wie auch EupoMs in den Astrateuten (Kriegs-
befreiten) sagt:
In Hekademos Hain mit seinen schatt'gen Gängen.
Auch Timon sagt von Piaton [Fr. 30 D.] :°)
Allen voran als Führer der Breiteste; Worte von süßem
Klange ertönen von ihm wie Gesang der Zikaden, der lieblieh
Von dem Geäste erschallt im Hain Hekademos des Helden.
Vordem nämlich wurde diese Stätte Hekademia ge- 8
nannt, also mit Epsilon (e) geschrieben. Unser Philo-
soph war auch mit Isokrates befreundet, und Praxi-
phanes hat in einer Schrift eine Unterhaltung über die
Dichter wiedergegeben, die sie auf einem Landgut des
Piaton geführt haben, wo Isokrates. als dessen Gast
weilte. Aristoxenos berichtet, er habe drei Feldzüge
luitgemacht, erstens nach Tanagra, zweitens nach
Korinth, drittens nach Delion, wo er sich auch aus-
gezeichnet habe.
Er faßte die Lehren des Heraklit, der Pythagoreer
und des Sokrates zur Einheit zusammen. Denn in
seiner philosophischen Lehre wird die sinnliche Er-
kenntnis nach Heraklit, die gedachte Erkenntnis nach
Pythagoras und die praktisch-politische nach Sokrates
beurteilt. Einige, zu denen auch Satyros 10 ) gehört, 9
erzählen, er habe dem Dion nach Sizilien den Auftrag
gesandt, drei pythagoreische Bücher vom Philolaos
für hundert Minen zu kaufen. Denn er gebot, sagt
man, über reiche Mittel, da er vom Dionysios mehr als
achtzig Talente empfing, wie auch Onetor 11 ) sagt in
seiner Schrift, die den Titel führt: „Ob der Weise sich
auf Gelderwerb legen wird?"
Eine reiche Fundgrube für ihn waren auch die
Werke des Komödiendichters Epicharm, aus dem er
sehr viel entlehnte, wie Alkimos in seinen Büchern an
Amyntas 12 ) schreibt, deren vier sind. Da heißt es in
dem ersten: „Es ist offensichtlich, daß Piaton vieles
votn Epicharm her übernimmt. Man sehe zv. Piaion
III 7-11.
133
behauptet, das sinnlich Wahrgenommene sei dasjenige,
das niemals weder ' nach Qualität noch nach Quantität
in demselben Zustande beharre, sondern immer in Fluß
und Veränderung sei, wie denn alles dasjenige, dem
10 man die Zahl (die Zählbarkeit) nimmt, weder gleich
noch überhaupt irgend etwas noch ein Ding von be-
stimmter Größe oder Beschaffenheit ist. Das ist das-
jenige, welches in einem beständigen Werden begriffen
ist, ohne jemals zum Sein zu gelangen. Das nur Denk-
bare dagegen ist das, was weder einen Verlust, noch
einen Zuwachs erfährt. Dies ist das Wesen der ewigen
Dinge, das immer sich gleich und das nämliche bleibt.
Und eben über diese Gegenstände der Sinneswahrneh-
mung xmd der gedachten Erkenntnis hat Epicharm sich
deutlich geäußert:
A Götter hat's doch stets gegeben, niemals haben sie gefehlt.
Was auf Erden hier geschiehet, hält den gleichen Lauf
stets ein. .... .. . 0i
B Aber Chaos war gewiß doch erste Gottheit wie es heißt.
a! Nein, unmöglich! Was zuerst kommt, stammt von andern
niemals her. ■
B. Niemals also kam ein Erstes? A. Auch ein Zweites nicht,
beim Zeus, .
11 Von den Dingen dieser Welt hier, nein, sie war von jeher da.
und
A Wenn zu einer Zahl von Steinen, sie sei ung'rad oder g'rad,
Einer einen neuen zufügt oder einen davon nimmt,
Ist die Zahl dann noch dieselbe? B. Nein, das glaub ich
nimmermehr!
A. Und zu einer Elle Tuches füge ein paar Zoll hinzu
Oder schneide vom Vorhandnen ebenso viel Zolle ab.
Hast du dann das alte Maß noch? B. Nicht doch! A. Gut.
So schau dir nun ,
Auch die Menschen an, die einen wachsen, andre schwinden hin,
Kurz in stetem Wechsel wandeln sie durch ihres Daseins Zeit.
Was nun. durch Naturtrieb wechselnd, nie am selben Platze
bleibt,
Ist ein anderes geworden nunmehr als es vorher war.
Und so waren du und ich auch gestern andere als heut ,
Und wie heut', so auch in Zukunft nach dem nämlichen Gesetz.
134
Piaton.
Weiter sagt Alkimos noch folgendes: „Es sagen die 12
Weisen, daß die Seele ihre Erkenntnis teils durch Wahr-
nehmung vermittelst des Körpers erhalte wie beim
Hören und Sehen, teils durch eignes Nachdenken ohne
jede Beihilfe des Leibes. Daher teile sich denn das
Seiende in Wahrgenommenes und Gedachtes. Darum
sagte auch Piaton, diejenigen, welche die Urgründe des
Alls zu erfassen trachteten, müßten zunächst die Ideen
an sich in ihrer Besonderheit genau bestimmen, als da
sind: Ähnlichkeit, Einheit, Menge, Größe, Ruhe, Be-
wegung; sodann müßten sie das Schöne an sich und
ebenso das Gute und Gerechte und was weiter von
dieser Art ist, als an sich bestehende Wesenheiten auf-
weisen; drittens den Überblick gewinnen über alle 13
Ideen, die ein Verhältnis der Gegenseitigkeit voraus-
setzen, als da sind Wissen oder Größe oder Herrschaft,
und dabei immer bedenken, daß die irdischen Dinge
wegen ihrer Teilnahme an jenen übersinnlichen Wesen
mit ihnen die gleiche Benennung tragen; das z. B. heißt
gerecht, was teil hat an der Gerechtigkeit, das schön,
was teil hat an der Schönheit. Es ist aber jede einzelne
der Ideen ewig und nur dem Geiste erfaßbar und über-
dies jeder Störung unzugänglich. Daher sagt er denn
auch, die Ideen ständen in voller Wirklichkeit (!» ffl
(puasi) gleichsam als Musterbilder da, die Einzeldinge
aber seien ihnen ähnlich in ihrer Eiaenschaft als Äb-
bildunaen") Emcharm nun läßt sich über das Gute
und über die Ideen folgendermaßen vernehmen:
A. Ist Flötenspiel ein Etwas? B. Ja. wie sollt' es nicht? 14 ) ^
A. Der Mensch nun, ist er Flötenspiel? B. Nein, nimmermehr.
A. Der Flötenspieler nun, sag' an, was masr er sein?
E>'n Mensch doch: oder nicht? B. Gewiß. A. Auf diese Art
Wird's wohl auch mit dem Outen stehn; das Oute wird
Ein Ding an sich sein, für sich selbst; und wer's erlernt
Und als ein Wissender beherrscht, wird eben srut,
So wie, wer Flöte lernt, ein Flötenspieler wird,
Wer tanzen lernt, ein Tänzer, Flechter, wer da flicht;
— Und nimm beliebig jedes Fach, aufs Q'ratewohl —
Ein jeder wird wohl Künstler, doch nicht selbst die Kunst.
III 12 17. 135
Piaton sagt in seiner Darlegung der Gründe für An-
15 nähme") der Ideen folgendes: „Wenn es ein Gedächtnis
gibt so muß es tatsächlich auch Ideen geben, denn das
Gedächtnis setzt etwas Ruhendes und ^Ä ^"
aus- es hat aber nichts anderes festen Bestand als die
Ideen Denn auf welche Art, sagt er, sollen die leben-
den Wesen sich erhalten, wenn sie nicht in gewissem
zlamnZhang mit den Ideen
,}pr Natur den Verstand empfangen hatten? öo aoei
erinnern st sich der Gleichheit von (Geträfn und
fahrung wie sie ihrer Art nach für sie paßt, wodurch
TTe%Znen geben, daß allen l^^Tdtnl
Kenntnis der Gleichheit eingepflanzt ist. Daher denn
auch Ze Sinnesempfindung für alles, was einerlei
Geschlechts mit ihnen ist. Wie heißt's nun bei Epi-
charm?
16 Eumaios, Weisheit ist auf e i n ^ Gattung nicht
Beschränkt, denn alles, was da lebt, hat auch Verstana.
So laß dich nur erinnern an das HennenvolK .
Denkst du genau nach, nicht lebend'ge Junge bnngts
Hprvhr- es brütet aus sie und beseelt sie so.
Kwie'l mttdieser Weisheit ist bestel H .das we.ß
Natur allein: sie hat es ganz von selbst gelernt.
Und weiter:
Kein Wunder, daß wir so uns äußern unter uns
QewÄfünkenTscS
17 Dieses und dergleichen mehr führt Alkimos im Ver-
laufe seiner vier Bücher an mit Hinweisungen auf die
£te Anregungen, die Piaton dem Epicharn i ver-
dankt Daß aher auch Epicharm selbst sich der Be-
deutung seiner Weisheit wohl bewußt war ist ersicht-
lich aus ienen Versen, in denen er prophetisch hin-
weist auf seine kommenden Nacheiferer:
136
Piaton.
Was ich glaube, oder vielmehr was ich sicher weiß, ist dies:
Kommen wird die Zeit, wo wieder meiner Lehre man gedenkt,
Und es wird sich einer finden, der das Versgewand vertauscht
Gegen einen Purpurmantel, reich verbrämt mit Wortgepräng,
Seine Gegner wird er schlagen, selbst ein schwerbezwungner
Held.
Wie es scheint, ist Piaton der erste gewesen, der 18
auch die bis dahin unbeachtet gebliebenen Werke des
Mimographen Sophron nach Athen gebracht und sie
zum Gegenstand mimischer Charakterstudien gemacht
hat. Sie sollen auch unter seinem Kopfkissen gefunden
worden sein. Er ist dreimal in Sizilien gewesen: das
erstemal, um die Insel und ihre Feuerschlünde zu be-
sichtigen, bei welcher Gelegenheit er auch mit dem
Tyrannen Dionysios, dem Sohne des Hermokrates, auf
dessen dringende Einladung, in Berührung kam. Doch
stieß er bei ihm hart an, als er bei einem Gespräch über
die Tyrannenherrschaft die Äußerung tat, nicht dem
sei der Vorzug zu geben, was ihm bloßen Nutzen
bringe, sondern es müsse etwas sein, das sich auch
durch seinen inneren Tugendwert vor anderem emp-
fehle. In zorniger Aufreizung erwiderte jener: „Deine
, Worte schmecken nach Altersschwäche." Darauf
Piaton: „Und deine nach Tyrannenlaune." Darüber
-entrüstet, war der Tyrann zuerst gesonnen, ihm das 19
Leben zu nehmen; dann aber, durch Dion und Aristo-
menes milder gestimmt, stand er davon zwar ab, über-
gab ihn aber dem zufällig gerade angelangten sparta-
nischen Gesandten Pollis, um ihn als Sklaven zu ver-
kaufen. Der nahm ihn auch mit nach Ägina und ver-
kaufte ihn dort. Da klagte ihn Gharmandros, des
Charmandrides Sohn, mit dem Antrag auf Todesstrafe
an gemäß dem dort bestehenden Gesetz, daß der erste
Athener, der die Insel betrete, ungehört des Todes sein
sollte. Er selbst aber war es, der dies Gesetz einge-
bracht hatte, wie Favorin in seinen Vermischten Ge-
schichten berichtet. Doch auf die wenn auch nur
scherzhafte Äußerung von irgend jemand hin, der Ge-
III 17 21. 137
landete sei ja ein Philosoph, ließ man ihn laufen.
Einige wieder erzählen, er sei vor die Volksversamm-
lung geführt worden und habe da, scharf von der
Menge beobachtet, kein Wort von sich gegeben, sondern
ruhig den Gang der Dinge abgewartet. Sie aber ent-
schieden sich zwar nicht für den Tod, wohl aber für
20 den Verkauf wie bei Kriegsgefangenen. So kaufte ihn
denn der zufällig gerade anwesende Annikeris aus
Kvrene los für zwanzig Minen, nach anderen iui
dreißig und schickte ihn nach Athen zurück zu seinen
Freunden Diese erstatteten dem Annikeris alsbaJd das
ausgelegte Geld zurück, was er aber abwies mit den
Worten, sie seien nicht die einzigen, die würdig waren,
sich eines Piaton anzunehmen. Einige berichten auch
Dion habe ihm das Geld geschickt, er aber habe es fui
sich nicht angenommen, sondern habe dem Piaton da-
für den Garten in der Akademie gekauft Von Pillis
geht die Rede, er sei von Chabrias, besiegt worden und
dann bei Helike im Meere umgekommen weil die Gott-
heit ihm gezürnt habe wegen des Philosophen So
stellt auch Favorin die Sache dar im ersten Buche
21 seiner Denkwürdigkeiten. Dem Dionysios aber ließ
sein böses Gewissen keine Ruhe; als er Kunde davon
erhielt, richtete er das briefliche Ansuchen an P aton,
Sn nicht durch nachteilige Äußerungen bloßzustellen
Piaton erwiderte darauf, er habe nicht Zeit genug, um
an den Dionvsios zu denken. *
leL zweite Reise nach Sizilien führte ihn zum
iüngern Dionysios, den er um Land und Leute bat,
She das vo'n ihm entworfene ,Staats,deal verwirk-
lichen sollten. Dionysios sagte das zwar zu, hielt J-ber
nicht Wort. Einige berichten auch, er habe sich in
"roße Gefahr gebracht durch den angeblichen Ver-
such den Dion und Theodotas zur Befreiung der Insel
Treizen; aus diesem Anlaß habe auch der Pythagoreer
\rchS ein briefliches Gnadengesuch an Dionysios
SShtefund dadurch seine Rückkehr nach Athen er-
wirkt. Der Wortlaut des Briefes ist folgender.
138 Piaton.
Ardlytas Heil dem Dionysios.
Wir Freunde des Piaton haben alle den Lamiskos 22
und Photidas an dich entsandt, um den Mann gemäß
der von dir erhaltenen Zusicherung zurückzubringen.
Du wirst gut tun, dich zu erinnern, mit welchem Eifer
du damals uns alle auffordertest, den Piaton zu dir
kommen zu lassen mit der Bitte, ihn dazu geneigt zu
machen und jede Bürgschaft zu übernehmen, insbeson-
dere für seine Sicherheit sowohl für den Fall des
Bleibens wie der Rückkehr. Erinnere dich ferner auch
daran, daß du seine Ankunft mit Jubel begrüßtest und
ihm seit jener Zeit deine Zuneigung zuwandtest, wie
sonst keinem deiner Gäste. Ist aber nun eine Ent-
fremdung eingetreten, so mußt du der Stimme der
Menschlichkeit folgen und uns den Mann unverletzt
wieder zustellen. Tust du dies, so wirst du gerecht
handeln und uns zu Bank verpflichten.
Seine dritte sizilische Reise hatte den Zweck, den 23
Dion mit Dionysios auszusöhnen. Dies gelang ihm
nicht, und so kehrte er unverrichteter Sache nach der
Heimat zurück. Hier befaßte er sich nicht mit staat-
lichen Angelegenheiten, obschon seine Schriften seine
Befähigung zum Staatsmann dartun. Schuld daran
war der Umstand, daß sich das Volk bereits in andere
staatliche Grundsätze und Anschauungen eingelebt
hatte. Pamphile behauptet im fünfundzwanzigsten
Buche ihrer Denkwürdigkeiten, die Arkadier und The-
baner hätten bei Gründung der Stadt Megalonolis ihn
zum Gesetzgeber berufen. 17 ) Er aber folgte dem Rufe
nicht, nachdem er erfahren, daß sie nicht gewillt seien,
den Grundsatz der bürgerlichen Gleichheit durchzu-
führen. Man erzählt auch, er habe die Verteidigung
des auf den Tod angeklagten Feldherrn Chabrias über-
nommen, da keiner der andern Bürger sich dazu ver-
stehen wollte. Als er damals mit Chabrias zur Akro- 24
pohs hinaufging, begegnete ihm der Sykopbant Kroby-
III 22-26. 139
los und sagte: „Du willst einem andern vor Gericht
Beistand leisten und weißt nicht, daß auch dich des
Schates Giftbecher erwartet." Da habe Piaton er-
widert- .Auch als ich fürs Vaterland zu Felde zog, habe
ch den Gefahren getrotzt; so werde ich auch jetzt
meine Pflicht gegen den Freund erfüllen und der Ge-
fX trotzen " Er hat zuerst, wie Favorin im achten
Buche s iner Vermischten Geschichten sagt, die dialo-
3 Lehrform aufgebracht, und er hat auch zuerst
ÄS Leodamas auf die analytische Methode
der Untersuchung aufmerksam gemacht Auch hat er
fn die ^Philosophie zuerst folgende Bezeichnungen ein-
geführt Antipoden (Tim. 63 A), Element, Dialekt k
Qualität (TtoioTTic), oblonge Zahl (im Gegensatz zur
Ouadratzahl). Unter den Begrenzungsausdrucken ist
Sfihn zurückzuführen der Name der ebenen Flache;
?m fibrigen auch noch der Ausdruck „göttliche \or-
25 sehung" Er war es auch, der zuerst unter den Philo-
Znhen gegen die Bede des Lysias, des Sohnes des
KephSos Einspruch erhob, indem er sie Wort für
Wort im Phaidros beleuchtete. Auch die Bedeutung
der Grammatik unterzog er zuerst der wissenschaft-
lichen Forschung. Da er nun auch der erste war, dei
fast allen früheren Philosophen ^^™\. s ?. h lf
die Frage nahe, weshalb er des Demokrit nicht ge-
Als er in Olympia erschien, so erzählt Neanthes aus
Kyzikos richteten sich aller Augen auf ihn; dort hatte
« Seite auch seine Zusammenkunft mit Dion, der
zum Zuge gegen Dionysios rüstete. In dem ersten
Che dt Denkwürdigkeiten des Favorin findet sich
Se^merkung, daß der Perser ^^Kfin"
säule des Piaton für die Akademie stiftete mit der ln-
Shrift Der Perser Mithridates, des Bhodobatos Sohn,
Sit 'den Musen dies Bildnis Piatons, ein Werk des
26 Sion Herakleides sagt, er wäre in seiner Jugend
?o züchtig und gesetzt gewesen, —
übermäßig hätte lachen sehen. Trotz dieser beJPst
140 Pia ton.
zucht entging doch auch er nicht dem Spotte der
Komiker. So sagt Theopomp von ihm im Hedychares:
denn Eins ist gar nicht Eins
Und zwei? Die Zwei ist schwerlich Eins, wie Piaton sagt.
Und auch Alexandrides im Theseus:
Als er Olivenfrucht verschlang, wie's Piaton tat.
Auch Timon sagt mit Anspielung auf seinen Namen
folgendes [Fr. 19 D.]: 19 )
Es
Solch ein Plattierer war Piaton und Schöpfer von Wunder-
gestalten.
Und Alexis in der Meropis:
Zur rechten Zeit erscheinst du, denn ich Ärmste weiß
Mir keinen Rat: wie Piaton wandl' ich auf und ab
Und finde nichts Gescheites, mache mich nur müd'.
Und im Ankylion:
Du red'st ins Blaue, läufst wie Piaton hin und her,
Und weißt von Laugensalz und Zwiebel bald Bescheid.
Und im Amphikrates:
Was eigentlich das Gute sei, das du durch sie
Erlangen willst, ist mir geheimnisvoller noch
Als das Platon'sche Gut, o Herr. B. So höre denn.
In dem Dexidemides:
0 Piaton,
Daß du doch ewig finster blickst und sonst nichts kennst,
Der Schnecke gleich die Brauen runzelnd feierlichst.
Kratinos im Fälschlich Untergeschobenen:
Ein Mensch bist du doch offenbar und bist beseelt.
Das weiß ich, zwar nach Piaton nicht, doch denk' ich mir's.
Alexis im Olympiodoroe:
Mein Leib, mein sterblich Teil, ist dürr und abgezehrt.
Doch mein unsterblich Teil entwich hinauf zur Luft.
B. Das klingt nach Piatons Schule doch?
III 26 31.
141
Und im Parasiten:
Als unbelauscht mit Piaton plaudern ganz intim.
Auch Anaxilas spöttelt über ihn im Botrylion und der
Kirke und den Reichen Frauen. Aristipp im vierten
Buche von der Schweigern der Alten behauptet, er
habe sich verliebt in einen Jüngling Namens Aster,
der mit ihm sich in der Sternkunde übte, und auch m
den schon erwähnten Dion. Einige nennen auch den
Phaidros. «Klare Zeugnisse für seine Liebe seien fol-
gende Epigramme, die er selbst auf sie verfaßt habe:
Auf zu den Sternen blickst du, mein Stern. 20 ) Ach wär' ich
der Himmel,
Tausendäugig alsdann würde ich blicken nach dir.
lind ein anderes:
Als du noch lebtest, leuchtetest du als Morgengestirn mir,
Nun als Abendgestirn spendest den Toten du Licht.
Auf den Bion aber so:
Tränen waren der Hekuba Los und der troischen Weiber;
Gleich bei ihrer Geburt war dies der Mören Beschluß.
Und dir, Dion, dem Helden, dem Tatenreichen, dem Sieger,
Schnitten die Himmlischen ach! weitere Hoffnungen ab.
In deiner Heimat geräumiger Flur, geehrt von den Bürgern,
Ruhest mein Herzblut du, Dion, so rasend geliebt.
Biese Verse sollen auch als Inschrift auf seinem Grabe
in Syrakus stehen. Aber auch auf Alexis, sagt man,
und auf Phaidros, seine angeblichen Geliebten, wie
vorher erwähnt, gibt es Vense von ihm. Nämlich:
Jetzt gilt nichts mein Alexis, doch sage das einzige Wort nur,")
Daß eine Schönheit er ist: jedermann schaut dann nach ihm.
Warum zeigest du, Herz, den Hunden den Knochen? Du wirst es
Später bereun, ward nicht so uns auch Phaidros geraubt?
Er soll auch die Archaianassa geliebt und folgende
Verse auf sie gedichtet haben:
Archaianassa lieb' ich, die Kolophonische Schönheit,
Die. wenngleich schon verblüht, reizvoll und lieblich noch ist.
1 42 Piaton.
Als sie noch strahlte im Reize der Jugend, wie habt ihr Unsel'gen
Aus der verzehrenden Glut euch zu erretten vermocht?
Und auch auf Agathon: 32 .
Als ich den Agathon küßte, da fühlten die Lippen die Seele,
Denn sie war krank und schien mich zu verlassen bereits.
Und noch eines:
Mit dem Apfel werf ich nach dir, und schenkst du mir, Beste,
Willig und freudig dein Herz, nimm ihn und gib dich mir hin.
Aber — wehe mir! — denkst du auch anders, so nimm doch
den Apfel,
Daß er dir zeige, wie bald Jugend und Anmut verblühn.
Und: _ I .A.A:J
Ich bin der Apfel; es wirft mich ein Liebender, beste Xanthippe,
Sei mir geneigt, denn bald werden wir beide verblüh'n.
Man schreiht ihm auch ein Epigramm auf die mit List 33
gefangenen Eretrier zu:
Von Euböa stammen wir her; doch nahe bei Susa
Ruhen wir hier; wie weit ach! von dem heimischen Land.
lind auch dieses:
Kypris sprach zu den Musen: Ihr Mädchen, ehrt Aphrodita,
Sonst soll Eros alsbald euch mit den Waffen bedreun.
Drauf die Musen : Laß ab von solchem Geschwätze : das Knäbchen
Wird sich nimmer verstehn zu einem Flug gegen uns.
Und noch eins:
Gold fand einer und ließ die Schlinge zurück; doch ein andrer
Hing an der Schlinge sich auf ob seines Goldes Verlust.
Molon") ihm feindlich gesinnt, sagt: „Nicht dar- 34
über darf man sich wundern, daß Dionysios in Ko-
rinth, wohl aber darüber, daß Piaton in Sizilien weilt."
Auch Xenophon scheint nicht in freundlichem Ver-
hältnis zu ihm gestanden zu haben. Denn es macht den
Eindruck der Nebenbuhlerschaft, daß sie die gleichen
Themata behandelt haben, wie das Symposion, Apologie
des Sokrates und die Denkwürdigkeiten. Ferner der
III 31—37.
14S
eine den Staat, der andere die Kyrupädie; und m den
Gesetzen erklärt Piaton die letztere für eine Erfindung,
denn einen solchen Kyros habe es nicht gegeben. )
Beide gedenken des Sokrates, nirgends aber tut einer
des andern Erwähnung, abgesehen von einer Stelle im
dritten Buche der Memorabilien, wo Xenophon den
Piaton erwähnt (Mem. III 51).
35 Es geht auch folgende Erzählung um: Antisthenes
wollte eine seiner Schriften vorlesen und lud dazu auch
Piaton ein. Als dieser fragte, 24 ) was er vorlesen wolle,
sagte er, eine Abhandlung über die Unmöglichkeit des
Widersprechens. Da sagte Piaton: „Wie kannst du
denn über eben dies Thema überhaupt schreiben?
wobei er ihm auseinandersetzte, daß er mit sich selbst
in Widerspruch stehe. 25 ) Da schrieb Antisthenes einen
Dialog gegen Piaton, betitelt Sathon. Seitdem waren
sie dauernd verfeindet. Man erzählt auch, Sokrates
habe nach Vorlesung des Platonischen Lysis gesagt:
„Beim Herakles, was der junge Mensch doch alles
über mich zusammenlügt." Der Verfasser nämlich hat
mancherlei zu Papier gebracht, was Sokrates nie ge-
36 sagt hat. Auch mit Aristipp stand Piaton auf ge-
spanntem Fuß. Denn in dem* Dialog über die Seele
(Phaidon) macht er es ihm zum Vorwurf, daß er beim
Tode des Sokrates nicht zugegen war, ) sondern in
dem doch so nahe liegenden Agina blieb. Auch mit
Aischines :stand er in einer Art Nebenbuhlerschaft,
weil wie es heißt, auch er beim Dionysios m Ansehen
stand; so sei er denn, als er von Mangel getrieben sich
am Hofe einfand, von Piaton nicht beachtet worden
während Aristipp sich seiner angenommen habe. Und
was die Bolle anlangt, die Piaton dem Kriton zuweist
als demjenigen, der im Gefängnis zur Flucht rat, so
• meint Idomeneus, sie gehöre von rechtswegen dem
Aischines; Piaton habe aber den Kriton gewählt wegen
37 seiner Feindschaft gegen jenen. Sich selbst hat mton
in keiner seiner Schriften erwähnt außer im Phaidon
(59 B) und in der Apologie (34 A).
144
Piaton.
Aristoteles sagt, seine Schreibart halte die Mitte
zwischen Poesie und Prosa. Er ist, wie Favorinus
irgendwo sagt, der einzige gewesen, der bei der Vor-
lesung des Phaidondialoges durch Piaton bis zu Ende
ausgeharrt hat, während alle übrigen sich entfernten.
Einige behaupten, Philippos der Opuntier habe seine
„Gesetze", die auf Wachstafeln aufgezeichnet waren,
umgeschrieben. Dieser soll auch der Verfasser der
Epinomis sein. Euphorion ferner und Panaitios haben
behauptet, der Anfang der Republik sei in mannigfach
veränderter Form vorgefunden worden, und Aristo-
xenos sagt, fast die ganze Republik sei aus des Prota-
gons Antilogika entlehnt; 27 ) sein erster Dialog aber
sei der Phaidros gewesen; denn der Gegenstand hat 38
etwas Jugendliches. Dikaiarch aber tadelt seine
Schreibart überhaupt als schwülstig.
Als Piaton einem Würfelspieler zusah, soll er ihm
Vorhalt getan haben, und auf dessen Entgegnung, es
ginge ja nur um geringen Einsatz, geantwortet haben:
„Aber die Gewöhnung ist nichts Geringes." Gefragt, ob
auch er einen Denkspruch hinterlassen werde ähnlich
dem der früheren, antwortete er: „Erst muß man sich
einen Namen geschaffen haben, dann können noch
. viele (Denksprüche) folgen." Als einst Xenokrates bei
ihm eintrat, bat er ihn, seinen Sklaven zu peitschen,
er selbst könne es nicht wegen der zornigen Erregung,
in der er sich befinde. Und auch zu einem Sklaven 39
sagte er einmal: „Du hättest Peitschenhiebe erhalten,
wenn ich nicht im Zorne wäre." Als er sich einmal
aufs Pferd gesetzt hatte, stieg er alsbald wieder her-
unter mit den Worten, er wolle sich hüten, in den
Reiterübermut zu verfallen. Den Trunkenen riet er,
sich im Spiegel zu beschauen, dann würden sie ab-
stehen von einer so entstellenden Unsitte. Bis zur
Trunkenheit sich dem Weingenuß zu ergeben, erklärte
er für durchaus unziemlich außer an den Festen des
weinspendeniden Gottes. Auch das übermäßige Schlafen
mißfiel ihm. So sagt er in den Gesetzen (808 B): „"Wer
III 37-42.
145
schläft, ist zu nichts nütze." Ferner sei erwähnt sein
Spruch: „Die Wahrheit ist lieblicher als jeder Ohren-
schmaus." Andere setzen für Wahrheit hier ein: „Die
Wahrheit zu reden." Über die Wahrheit läßt er sich in
den Gesetzen (Jl (5(53 E) folgendermaßen vernehmen:
40 „Schön ißt die Wahrheit, mein Freund, und unvertilg-
bar; doch scheint es nicht leicht, ihr in den Gemütern
Eingang zu verschaffen." Er war auch von dem
Wunsche beseelt, sein Andenken durch Freunde oder
durch Bücher erhalten zu sehen. Vom großen
Menechenverkehr hielt er sich meistens fern, wie
einige sagen.
Über die Umstände, unter denen er starb, haben
wir bereits berichtet. Sein Tod fällt in. das dreizehnte
Jahr der Herrschaft des Königs Philippos, wie Favo-
rin im dritten Buche seiner Denkwürdigkeiten sagt;
Theopomp bemerkt, er sei von diesem nachträglich ge-
ehrt worden. Myronian sagt in den Geschichtlichen
Parallelen, Philon gedenke eines Sprichwortes über
die Läusekrankheit Piatons, als sei er an dieser zu-
41 gründe gegangen. Beerdigt wurde er in der Akademie,
wo er die meiste Zeit mit philosophischer Arbeit zu-
brachte. Daher wurde denn seine Sekte auch die Aka-
demische genannt, wie denn auch die gesamte Bevölke-
rung dieses Bezirkes ihm das Grabgeleite gab.
Sein Testament lautete folgendermaßen: „Folgendes
ist die Hinterlassenschaft Piatons und seine Verfügung
darüber: Das Grundstück am Iphaistiaglenheiligtum, in
dessen Nähe nördlich der Weg vom Kephisiadenheilig-
tum sich hinzieht, südlich das Herakleion im Iphai-
stiadenheiligtum liegt, und das östlich den Archestratos
aus dem Demos Phrearrhoi, westlich den Philippos aus
dem Demos Chollidai zum Nachbar hat. Dies zu ver-
kaufen oder in andre Hände zu bringen, soll nie-
mandem erlaubt sein, sondern es soll, wenn irgend
möglich, im Besitz des jungen Adeimantos verbleiben.
42 Das Eiresideische Grundstück , das ich von Kalli-
machos gekauft habe, das nördlich zum Nachbar den
Apeit, Diogenes Laertius. in
14G Piaton.
Eurymedon aus dem Demos Myrrhinus hat, siidhch
den Demostratos aus dem Demos Xypeie, östlich den
Eurymedon aus Myrrhinus, und westlich an den
Kephisos grenzt. An Silber drei Minen, eine silberne
Schale im Werte von hundertfünfundsechzig Drach-
men ein Trinkbecher im Werte von fünf undvierzig, ein
goldner Fingerring und ein goldner Ohrring, beide zu-
sammen im Werte von vier Drachmen und drei
übolen Der Steinmetz Eukleides schuldet mir drei
Minen. Der Artemis schenke ich die Freiheil. Tychon,
Biktas, Apolloniades, Dionysios hinterlasse ich als
Sklaven An Geräten das, was im Verzeichnis steht, 43
ron dem Demetrios eine Abschrift hat. Ich schulde
keinem Menschen irgend etwas. Zu Testamentsvoll-
streckern ernenne ich den Sosihenes, Speusippos,
Demetrios, Hegias, Eurymedon, Kallimachos, Thra-
sippos." So lautet das Testament. Seinem Grabmal
sind folgende Epigramme gewidmet. Erstens:
Über die Menge erhaben an Reinheit und rechtlicher Denkart
Wahrhaft göttlichen Geists, ruhet Aristokles hier.
Gibt es einen, der allen an Weisheit weit überlegen.
Dann reicht keiner an ihn, Neid und Gehässigkeit schweigt.
Ferner :
Diese Erde, sie birgt in sich den Körper des Piaton,
Doch seine Seele, sie teilt jetzt mit den Göttern das Los.
Er, des Ariston Sohn, der Erschauer des göttlichen Lebens,
Wird von den Freunden des Rechts auch aus der Ferne
verehrt.
Und ein jüngeres:
A. Aar, was schwebst du über dem Grab? So nenne die
Gottheit,
Deren Sternenpalast du mit dem Auge erspähst.
B. Ich bin der Seele Piatons, der schon zum Olympos enteilten,
Bild; seinen irdischen Leib birgt hier die attische Flur.
Auch von mir gibt es ein Epigramm folgenden Wort-
lauts:
Hätte nicht Phoibos für Hellas den Piaton erschaffen, wie hätte
Je er den menschlichen Geist von seiner Rohheit geheilt?
44
III 42-47.
147
So wie Phoibos Sohn Asklepios Heiler des Leibes,
So ist Piaton der Arzt für den unsterblichen Ueist.
Und ein anderes, über seinen Tod:
Seinen Asklepios schenkte den Menschen Apollon, und Piaton,
Diesen als Heiler des Geists, jenen als Heiler des Leibs.
Bei einem Hochzeitsmahl entwich er zur Himmelsstadt droben,
Die er gegründet dereinst als eine Stätte des Zeus.
46 Das sind die Epigramme. Seine Schüler aber waren
Speusippos aus Athen, Xenokrates aus Chalkedon,
Aristoteles aus Stageira, Philippos aus Opus, Hestiaios
aus Perinthos, Dion aus Syrakus, Amyklos aus Hera-
klea, Erastos und Koriskos aus Skepsis, Timolaos aus
Kyzikos, Euaknon aus Lampsakos, Peithon und Hera-
kleides aus Aineia, 2S ) Hippothales und Kalldppos aus
Athen, Demetrios aus Amphipolis, Herakleddes Ponti-
kos und noch viele andere, unter ihnen auch zwei
Frauen, Lastheneia aus Mantineia und Axiothea aus
Phlius, die Männer Meldung anlegte, wie Dikaiarch be-
richtet. Einige behaupten, auch Theophrast sei sein
Zuhörer gewesen und der Redner Hypereides; das-
selbe sagt Chamäleon auch von dem Redner Lykurg.
Ähnlich berichtet Polemon. Auch von Demosthenes be-
47 hauptet es Sabinos mit Berufung auf den Thasier
Mnesistratos im vierten Buch seiner Übungsstoffe. Und
das hat auch manches für sich.
Da du, und zwar mit vollem Recht, eine Lieb-
haberin des Piaton bist und es an Eifer in Durch-
forschung der Lehren des Philosophen mit jedermann
aufnimmst, 29 ) so habe ich es für notwendig erachtet,
dir einen Umriß zu geben von der Eigenart seiner
Lehrweise und der Ordnung seiner Dialoge und der Art
seines Beweisverfahrens, durchweg so weit wie mög-
lich nur nach den Grundlinien und leitenden Gesichts-
punkten, um so die Übersicht über sein Leben durch
einen Blick auf seine Lehren zu ergänzen. Denn es
hieße, nach dem Sprichwort, Eulen nach Athen
tragen, wollte ich dir alles ins einzelne hinein vor-
10*
148
Piaton.
führen* 0 ) Man hört wohl, Zenon, der Eleate, habe als
erster Dialoge geschrieben. Aristoteles aber nennt als
«nh-hon im ersten Buche über die Dichter den Alexa- 48
inenos aus Styra (auf Euboia) oder aus Teos, wie auch
Favorin in den Denkwürdigkeiten. Ich dagegen meine,
daß Piaton sich durch seine strenge Behandlung und
Ausbildung dieser eigenartigen Schriftgattung den
\nspnu h gesichert habe auf den ersten Platz nicht
nur in Bezug auf die Schönheit, sondern auch auf die
Lrtindung. Es ist aber der Dialog eine sich in Frage
und Antwort abspielende Ausführung eines philoso-
phischen oder politischen Themas unter angemessener
Charakteristik der auftretenden Personen und ge-
höriger Rücksicht auf die sprachlichen Anforderungen.
Bio Dialektik aber ist die Bnterredungskunst, durch
die wir etwas als nichtig oder als richtig erweisen auf
Urund dos Frage- und Antwortverfahrens der Unter-
minor. Bio Platonische Darstellungswedse zeigt zwei 4!
Hauptformen: die unterweisende und die unter-
suchende. Die unterweisende teilt sich wieder in zwei
\rten: m den theoretischen und in den praktischen
Teil. Von diesen teilt sich der theoretische wieder in
Physik und Logik, der praktische in Ethik und Poütik.
Was die untersuchende Form anlangt, so hat auch
diese wieder zwei Hauptarten: die übende und die
streitende. Die übende zerfällt wieder in die auf Ge-
dankengeburt abzielende und die ausprobierende; die
streitende in die nachweisgebende und die wider-
legende.
Es ist mir nicht unbekannt, daß manche die Dialoge 1
anders einteilen, nämlich in dramatische, erzählende
und gemischte. Allein sie ließen sich bei dieser Be-
zeichnung dos Unterschiedes der Dialoge mehr von dem
dramatischen als von dorn philosophischen Gesichts-
punkt leiten. In das Bereich der Physik gehört der
Timaios, in das der Logik der Politiken Kratylos, Par-
monidos und Sophistes; in das der Ethik die Apologie,
Kviten. Phaidon. Phaidros, das Symposien. Menexe-
III 47-53.
149
110s, Kleitaphon, die Briefe, sowie Philebos, Hippar-
chos, die Anterasten; in das der Politik der Staat, die
Gesetze, Minos, die Epinomis und der Atlantikos (Kri-
51 tias); in das der Gedankengeburt die beiden Alkibiades,
Theages, Lysis, Laches; in das ausprobierende Gebiet
Euthyphron, Menon, Ion, Charrnides, Theätet; in das
nachweisende z. B. der Protagoras und in das wider-
legende Euthydemos, die beiden Hippias, Gorgias.
Und damit genug von dem Wesen des Dialogs und der
Unterscheidung seiner Arten.
Da aber viel darüber gestritten wird, ob sein Ver-
fahren ein dogmatisches ist, wie manche behaupten,
oder nicht, so wollen wir auch dies in Erwägung ziehen.
Es besteht doch das dogmatische Verfahren darin, daß
man ein Dogma aufstellt, wie das Verfahren des Ge-
setzgebers darin besteht, daß er ein Gesetz gibt. Der
Ausdruck Dogma aber wird für beides gebraucht, so-
wohl für das, was man als bloße Meinung äußert, wie
auch für die eigentliche Meinung selbst. Das bloß
Gemeinte ist ein erst zu untersuchender Satz, die Mei-
52 nung selbst aber die eigentliche Überzeugung. 31 ) Pia-
ton nun gibt über das, was er sicher erfaßt hat, klare
Auskunft, das Falsche widerlegt er, und über das noch
Unsichere hält er mit seinem Urteil zurück. Das aber,
was nach seiner Meinung richtig ist, gibt er durch vier
Personen kund, durch Sokrates, Timaios, den Athe-
nischen Gastfreund und den Fremdling aus Elea. Es
sind aber die Fremdlinge 32 ) nicht, wie manche gemeint
haben, Piaton und Parmenides, sondern ungenannte
erdichtete Personen; denn auch was er den Sokrates
und den Timaios vortragen läßt, sind seine eigenen
Dogmen. Als solche, deren Irrtümer widerlegt werden,
führt er Personen ein wie Thrasymachos, Kallikles und
Polos, Gorgias und Protagoras, ferner Hippias, Euthy-
dem und andere ähnliche.
53 Für die Beweisführung bedient er sich meist des
induktorischen Verfahrens, und zwar nicht in einer
Form, sondern in doppelter. Es ist nämlich die In-
150 PIaton -
duktion ein Schluß, der durch einige wahre Fälle die
gleiche Wahrheit für andere Fälle in angemessener
Weise erschließt. 33 ) Es sind zwei Arten der Induktion
zu unterscheiden, die eine durch Entgegensetzung, die
andere durch direkte Folgerung. Die der Entgegen-
setzung ist eine solche, aus der für den Gefragten 3 *)
bei jeder Antwort sich ein Widerspruch ergibt. 85 )
Z. B.: Mein Vater ist entweder ein anderer als dein
Vater oder einerlei mit ihm. Gesetzt nun, dein Vater
ist ein anderer als mein Vater, so ist er, da er ein
anderer ist als ein Vater, doch überhaupt kein Vater;
ist er aber einerlei mit meinem Vater, so ist er, da er
der nämliche ist wie mein Vater, doch wohl mein
Vater. Und wiederum: Wenn der Mensch kein leben- 54
des Wesen ist, so ist er doch wohl Stein oder Holz.
Nun ist er aber nicht Stein oder Holz, denn er ist be-
seelt und hat eigene Bewegung. Also ist er ein leben-
des Wesen; ist er aber ein lebendes Wesen und ist
lebendes Wesen auch der Hund und der Ochse, so
wäre der Mensch lebendes Wesen und Hund und Ochs.
Das ist die auf Widerspruch und. Kampf berechnete
Form der Induktion, deren er sich nicht zum dogma-
tischen Vortrag bediente, sondern zum Widerlegen.
Die Form der direkten Folgerung ist eine zwiefache :
die eine weist die gesuchte Gültigkeit des Besonde-
ren nach durch die des Besonderen; die andere be-
glaubigt die Gültigkeit des Allgemeinen durch
die des Besonderen. Die erstgenannte Art ist die
rhetorische, die zweite die dialektische. Bei der erste-
ren handelt es sich z. B. um die Frage: Hat dieser
Mensch da die Mordtat begangen? Beweis dafür ist, 36 )
daß man ihn um jene Zeit mit Blut bespritzt gefunden. 5S
Diese Schlußart ist die rhetorische, denn die Bhetorik
hat es mit dem Besonderen zu tun, nicht mit dem All-
gemeinen. Sie fragt nicht nach dem Gerechten an sich,
sondern was im einzelnen Falle gerecht ist. Die andere
Form ist der dialektische Schluß, wo erst das Allge-
meine durch das Besondere bewiesen sein muß. So
III 53-57.
131
wird z. B. gefragt, ob die Seele unsterblich sei und ob
die Toten wieder ins Leben eintreten. Der Beweis da-
für wird in dem Dialog über die Seele (Pbaidon) ver-
mittelst eines allgemeinen Satzes geführt, namhch, daß
das Entgegengesetzte aus dem Entgegengesetzten ent-
steht. 37 ) Und dieser allgemeine Satz seinerseits wird
durch gewisse Sätze, die sich auf besondere Gebiete
beziehen, erwiesen, wie z. B. den, daß das. Schlafen
mit dem Wachen, das Größere mit dem Kleineren in
notwendigem Wechselverhältnis steht. Dieser Hilfs-
mittel bediente er sich zum Erweis seiner Meinungen.
56 Wie vor Zeiten in der Tragödie zunächst nur der
Cher allein die ganze Handlung durchführte, sodann
Thespis einen Schauspieler einführte, um dem Chor
einige Pausen zu gönnen, Aischyles einen zweiten und
Sophokles den dritten, womit die Tragödie ihre Voll-
endung erreichte, so war auch der Betrieb der Philo-
sophie vordem auf das eine Gebiet der Physik be-
schränkt; dem fügte Sokrates als zweites die Ethik
hinzu, und Piaton als drittes die Dialektik, womit er
die volle Höhe der Philosophie erreichte.
Thrasyllos behauptet, er habe seine Dialoge nach
dem Muster der tragischen Tetralogien herausgegeben,
57 sowie man dort mit vier Dramen in den Wettkampf
eintrat (an den Dionysien, den Lenäen, den Panathe-
näen und den Chytren), von denen das vierte ein Satyr-
drama war. Die vier Stücke aber nannte man Tetra-
logie. Die Zahl aller echten Dialoge, sagt er, beträgt
demnach sechsundfünfzig, wobei für den Staat zehn
Dialoge gerechnet werden — von dem übrigens Favo-
vin im zweiten Buch seiner Vermischten Geschichten
sagt, daß er sich fast ganz schon in den Antilog-ika des
Protagoras finde 38 ) — und für die Gesetze zwölf. Der
Tetralogien aber sind neun, wobei für den Staat und
die Gesetze je e i n Buch gerechnet wird. Die erste
Tetralogie ist eine Zusammenstellung von Dialogen
gemeinverständlichen Inhalts; er will nämlich zeigen,
wie das Leben des Philosophen beschaffen sei. Für
152
Piaton.
jeden Dialog hat er eine doppelte Überschrift: die eine
ist ein Personenname, die andere eine Sachbezeichnung.
An der Spitze der. ersten Tetralogie steht Euthyphron 58
oder über die Frömmigkeit. Es gehört dieser Dialog
in die Klasse der ausprobierenden; als zweiter folgt die
Apologie des Sokrates, in die Klasse der ethischen ge-
hörend; als dritter Kriton oder über" das pflichtmäßige
Handeln, gleichfalls ethisch; als vierter Phaidon oder
über die Seele, auch ethisch. Die zweite Tetralogie wird
eröffnet durch den Kratyfos oder über die Richtigkeit
der Namen, logischen Inhalts; es folgen Theätet oder
über das Wissen, ausprobierend; Sophistes oder über
das Seiende, logischen Inhalts; Politikos oder über das
Königtum, logischen Inhalts. An der Spitze der dritten
Tetralogie steht Parmenides oder über die Ideen, lo-
gisch; es folgen Philebos oder über die Lust, ethisch;
Symposion oder über das Gute, ethisch; Phaidros oder
über die Liebe, ethisch. An der Spitze der vierten steht 59
der Alkibiades oder über die Natur des Menschen; er
gehört in das Gebiet der Gedankengeburt; es folgen
der zweite Alkibiades oder über das Gebet, demselben
Gebiet angehörend; Hipparchos oder der Gewinnsüch-
tige, ethisch; Anterasten oder über Philosophie, ethisch. ■
An der Spitze der fünften Tetralogie steht der Theages
oder über Philosophie, er gehört in das Gebiet der Ge-
dankengeburt; es folgen Gharmides oder über die Be-
sonnenheit, ausprobierend; Laches oder über die
Tapferkeit, Gedankengeburt; Lysis oder über die
Freundschaft, Gedankengeburt. Die sechste wird er- *
öffnet durch den Euthydem oder Eristikos, widerlegend;
es folgen Protagoras oder die Sophisten, nachweisend;
Gorgias oder über die Rhetorik, widerlegend; Menon
oder über die Tugend, ausprobierend. An der Spitze 60
der siebenten stehen die beiden Hippias, der erste mit
dem Nebentitel Über das Schöne, der zweite mit dem
Nebentitel Über die Lüge, beide widerlegend; es folgen
Ion oder über die Haas, ausprobierend; Menexenos oder
Grabrede, ethisch. Die achte eröffnet der Kleitophon
III 57-62.
153
oder Protreptikos, ethisch; es folgen der Staat oder
über die Gerechtigkeit, politisch; Timaios oder über die
Natur, physisch; Kritias oder Atlantikos, ethisch. Die
neunte eröffnet der Minos oder über das Gesetz, poli-
tisch; es folgen die Gesetze oder über die Gesetzgebung,
politisch; Epinomis oder die nächtliche Versammlung
61 oder der Philosoph, politisch; die dreizehn Briefe,
ethisch; bei diesen bediente er sich^als Uberschrift der
Formel: Heil und Wohlverhalten (su TcpaxTrsiv), während
Epikur die Formel: Wohlleben wünsch' ich (s;j öia-ystv
gut leben), Kleon: Freude sei dir beschert (x a ''? £lv < laß
dirs gut gehen), brauchte. Von diesen Briefen ist
einer gerichtet an Aristodemos, zwei an Archytas, vier
an Dionysios, einer an Hermeias und Erastos und Ko-
riskos, einer an Leodamas, einer an Dion, einer an
Perdikkas, zwei an die Anhänger des Dion, So teilt
Thrasyllos die Werke ein und mit ihm einige andere.
Einige aber, zu denen der Grammatiker Aristopha-
nes gehört, teilen die Dialoge nach Trilogien ein und
setzen als erste die aus Staat, Timaios und Kritias be-
stehende; als zweite Sophistes, Politikos und Kratylos;
62 als dritte Gesetze, Minos, Epinomis; als vierte Theätet,
Euthyphron, Apologie; als fünfte Kriton, Phaidon,
Briefe; im übrigen jeder Dialog für sich und ohne Ord-
nung. Manche fangen, wie bereits früher gesagt, mit
dem Staat an, andere mit dem größeren Alkibiades,
wieder andere mit dem Theages; noch andere mit dem
Euthyphron oder auch mit dem Kleitophon; einige
auch mit dem Timaios, andere mit dem Phaidros oder
auch mit dem Theätet, und viele machen den Anfang
mit der Apologie. 39 )
Für unecht gelten von den Dialogen allgemein Mi-
don oder Hippotrophos, Eryxias oder Erasistratos,
Alkyon, die Kopflosen, nämlich Sisyphos, Axiochos,
Phäaken, Demodokos, Chelidon, Hebdome, Epimenides.
Von ihnen scheint der Alkyon einen gewissen Leon zum
Verfasser zu haben, wie Favorin in dem fünften Bücher
seiner Denkwürdigkeiten sagt.
154
Piaton.
Was seinen Wortschatz anlangt, so bedient er sich 63
sehr mannigfacher Bezeichnungen, um den Unge-
lehrigen und Unberufenen den Überblick über seine
philosophische Schriftstellern nicht zu leicht zu
machen. Im eigentlichsten und allerstrengsten Sinne
ist ihm Weisheit die wissenschaftliche Erkenntnis des
nur Denkbaren und wahrhaft Seienden, in deren vollem
Besitz, wie er sagt, nur die Gottheit und die vom Körper
getrennte Seele sind. Im eigentlichen Sinne aber nennt
er auch die Philosophie Weisheit, als ein Hinstreben
nach der göttlichen Weisheit. Gemeinhin aber wird
von ihm die ganze erfahrungsmäßige Erkenntnis als
Weisheit bezeichnet. So nennt er z. B. die Werkmeister
weise. Auch benutzt er für verschiedene Dinge die
nämlichen Namen. So findet sich bei ihm das Wort
cxv).s; (schlecht, minderwertig) auch in der Bedeutung
„einfach", wie es auch bei Euripides im Likymnios vor-
kommt, wo es vom Herakles heißt:
Einlach, schmucklos, trefflich, wo's das Größte gilt,
Für die Tat nur alle Weisheit sparend,
Unberührt von leeren Rednerkünsten.
Platon braucht das Wort zuweilen auch vom Schö- 64
nen. zuweilen aber auch vom Kleinen. 40 ) Oftmals
braucht er verschiedene Namen für dieselbe Sache.
So nennt er die Idee auch Form (Eidos) und Gattung
'Genos) und Muster (-apoiSe'.-yiia) und Anfang (Prinzip)
und Ursache (a?-tov). Sogar entgegengesetzte Ausdrücke
braucht er für die nämliche Sache. So nennt er das
sinnlich Wahrgenommene sowohl seiend wie nicht
seiend; seiend, weil es Erzeugnis eines Werdens ist,
nicht seiend wegen seiner unaufhörlichen Verände-
rung. So sagt er auch von der Idee, sie sei weder be-
wegt noch ruhend, und so sei sie auch Eines und Vieles.
So machte er's noch bei gar manchen Dingen.
Für die Auslegung seiner Lehre gelten folgende drei 6S
Regeln. Zuerst gilt es Bescheid zu geben über Wort-
sinn und Bedeutung jeder Stelle; sodann über die zu-
III 63-68. 155
grundlegende Absicht, ob es als Hauptsache für sich
im eigentlichen Sinne oder bloß im bildlichen Sinn zu
nehmen ist, und ob es zur Stütze seiner Mirsatze oder
zur Widerlegung der Mitunterredner dient ; und
drittens, ob es mit dem Gesagten seine Richtigkeit hat.
Weil sich nun aber in seinen Büchern auch gewisse
kritische Zeichen dem Text beigesetzt finden, so mag
auch darüber Auskunft gegeben werden. Em beige-
setztes x (Chi) bezieht sich auf Wortbedeutungen, Rede-
figuren und überhaupt auf den Platonischen Sprach-
gebrauch; die Diple ( >-) auf die Lehrsätze und Mei-
66 nungen des Piaton. Ein mit Punkten umgebenes X UO
auf besonders hervorstechende Schönheiten des. Aus-
drucks; die mit Punkten versehene Diple (^) aut Be-
richtigungen durch Kritiker; der mit Punkten ver-
sehene Spieß oder Obelos (+) auf willkürliche Athetesen
(Unechtserklärungen); das mit Punkten versehene
Antisigma 00 deutet auf mehrfachen Gebrauch oder
auf mehrfache Schreibart der Wörter; ein Donnerkeil
(xspamov) auf die Philosophenschule; ein Sternchen
äoTspiaxoc) auf die Übereinstimmung der Lehrsatze, ein
Obelos auf die Verwerfung der Lesart. Das wäre es,
was sich auf die kritischen Zeichen und auf die Zahl
seiner Bücher bezieht. Antigonos der Karysüer sagt
in seiner Schrift über Zenon, wollte einer sie m der
neueren Ausgabe lesen^so mußte er den Besitzern da-
für Honorar bezahlen.' 40 ' 1 ) :
67 Seine Lehrmeinungen waren folgende: Die beele,
erklärte er, sei unsterblich und umkleide sich nach-
einander mit einer ganzen Reihe verschiedener Leiber;
ihr Ursprung gehe zurück auf die Zahl, wie der des
Körpers auf geometrische Raumfiguren. Er definierte
sie als Idee des nach allen Seiten sich zerteilenden
Lebenshauches, sprach ihr Selbstbewegung zu und er-
klärte sie für dreiteilig: ihr vernünftiger Teil nabe
seinen Sitz im Haupt, der mutvolle Teil im Herzen und
der begehrliche Teil in der Gegend des Nabels und der
68 Leber. Sie umschließe von der Mitte aus ringsum all-
156 Piaton.
seitig den Körper, setze sich aus den Elementen zu-
sammen und bilde, nach harmonischen Intervallen ge-
teilt, zwei ineinander gefügte Kreise, von denen der
innere, sechsfach geteilt, im ganzen sieben Kreise bilde,
und dieser liege 41 ) dem Durchmesser nach zur linken
Seite nach innen zu, der andere nach der Seite rechts
hin. Darum komme ihm auch die Herrschaft zu, da
er nur einer sei, während der andere nach innen zu
geteilt sei. Der erstere sei der Kreis des Selbigen, die
letzteren die Kreise des Anderen; der erstere, erklärte
er, sei die Bewegung der Seele, durch die letzteren
würde sowohl das Ganze wie auch die darin befind-
lichen Planeten bewegt. So von der Mitte aus bis zu 69
den Enden hin nach harmonischen Verhältnissen ge-
teilt, erkenne die Seele das Seiende und stehe mit allem
in Einklang, da sie in sich die harmonisch geordneten
Elemente habe. Meinung bilde sich nach Maßgabe des
Kreises des Anderen, wenn dieses sich in richtiger Ver-
fassung befinde (op'iouu.svou), Wissen aber nach dem des
Selbigen. 42 )
Er nahm zwei Urgründe des Alls an, Gott und die
Materie; jenen nennt er auch Vernunft und Ursache.
Die Materie sei gestaltlos und unbegrenzt; aus ihr bilde
sich das Zusammengesetzte. Vormals in ordnungs-
loser Bewegung, habe Gott sie, sagt er (Tim. 30 A), in
einen Raum zusammengeführt, überzeugt, daß Ord-
nung besser sei als Unordnung. Es habe sich aber 7»
dieser Wesensbestand in vier Elemente gewandelt:
Feuer, Wasser, Luft und Erde; daraus sei, wie die Welt
selbst, so alles, was in ihr ist, entstanden. Von diesen
Elementen erklärt er die Erde für das allein Unver-
änderliche, und zwar gilt ihm als Grund dafür der
Unterschied der geometrischen Figuren, aus denen die
Elemente bestehen. Danach nämlich sind die Figuren
der übrigen Elemente miteinander gleichartig, denn alle
setzen sich zusammen aus rechtwinkligen Dreiecken
mit einer längeren Seite, nur die Erde habe zur Grund-
lage ein Dreieck von besonderer Art (gleichschenkelig
III 68-73. 157
recht™««).") Das Element des ^ «to-
nicht so voneinander geschieden daß jedes immer ^oeu
?hm eigentlich zukommenden Platz einnähme, ) denn
Ä^hwung des Himmels
Teile -rück und $£^%£.
schaffenheit verändern, so ^ p ^ h ^ e ^%
Es eebe auch nur eine einzige erachat ene w«i
(Tim 30 E f., vgl. 31 B), denn sie sei von Gott j» gebüto
worden daß sie sinnlich wahrnehmbar is . ) Sie sei
beseelt v/eil das Beseelte vor dem Unbeseelten den Vor-
zug habe; und dies sei das Werk des an Gute unver-
gleichbaren Schöpfers. Eine e i n z i g e aber sei sie
SnS in unbegrenzter Zahl erschaffen, wed auch
das Muster, nach dem er sie * J J ^ W£:
72 Kugelförmig sodann sei sie, weil auch der *; rzeu g ei
St dTese Gestalt habe; denn die sichtbare Welt um-
fasse alle andern lebenden Wesen, er selbst aber die
^ret von allen. Sie sei glatt und habe J-to
Sinneswerkzeug und keine Gliedmaßen, denn sie be-
K£ durchaus nicht. Überdies beharre die
Wet aut S unvergänglichem Bes^ denn ^ lose
«nrh nicht auf, so wenig wie die Gottheit. JJie ge
Itte Schöpfung habe Gott zum Urheber weil das Gute
von Natur das Gute hervorbringe. Die Erschaffung des
Himmelsgebäudes aber könne nichts «W^J^Jj*
Beste zur Ursache haben; denn von /eui Schönsten
unter allem Erschaffenen könne nur das Beste ,unta
allem Denkbaren die Ursache sein. Dias« aber sei nu
Gott, und da das Himmelsgebaude dem Besten ahnlich
ist, so kann es als Schönstes kerne« der erschaffenen
Dinge ähnlicher sein als der Gottheit. )
73 Es bestehe aber die Welt aus Feuer, Wasser, Luft
158
Piaton.
und Erde. Aus Feuer, damit sie sichtbar sei; aus Erde
damit sie fest sei; aus Wasser und Luft, damit sie'
Spielraum biete für die proportionalen Verbindungen
— denn die stereometrischen Körper stehen mitein-
ander in Analogie durch zwei mittlere Proportionale
um das Ganze zur Einheit zu bringen — ; aus allen zu-
sammen aber, damit die Welt vollkommen und unver-
gänglich sei.
Die Zeit sei ein Bild der Ewigkeit, und die Welt
bleibe immerdar bestehen, die Zeit aber sei der Um-
denn N *H Ta g> Monat und
hos dahin gehört, seien alles Teile der Zeit. Ohne die
naturhche Ordnung der Welt gebe es also keine Zeit!
denn nur mit dem Eintritt ihres Bestehens sei auch
tnS M g ^ n - Y"^ 6 Zeit entsteb -en zu lassen, seien 74
TrTX M j ) . Ild , u "' d 1 Wandelsterne erschaffen worden.
rl£r ff t? Jahreszeiten dem Auge deutlich
™ ™ l T{ Iebenden Wesen der Zahl teilhaftig
zu rächen, habe Gott das Lieht der Sonne angezündet
£ t ; bCT , dem , ? dkreis habe MoL seine
den Vrüt v ann ,* )J « enden die, Sonne und in
den darüber hmaushegenden die Planeten. Die Welt
^ durchweg beseelt, denn es sei eine beseelte Bewe-
komLn sie g^ 11 * 11 sel Um ater die Welt voll-
™ r e ? dUrC , h An ^ lei chung an die nur dem
Sn aucr!Ä he ' «J«*»»*** lebendige Welt,
Sen F^?J lbn8 r i ^ bendei1 Wesen in ihrer natür-
sie hp£ g rt - erSChaffen worden ' den " da jene Welt
Götter u mUSSe a T h unsre WeIt sk ^ben. Die
D?r L lvo ^überwiegend feuerartiger Natur.
t ;172 n Rechter seien drei: Vögel, Waaser-
Munir^ ff" 6 - D ! e u Erde 861 unter alte n Gottheiten 75
wXl^ w^f die älteste ; sie gegründet
wirken T ^Ji?*"* VOn Nacht " nd Tag *u be-
wirken. In die Mitte gestellt, bewege sie sich um die
man D l^ f**- ZWei Arten von Ursachen gibt, so muß
man, sagt er, einräumen, daß die Dinge ihren Ursprung
III 73-77.
159
ide, teils in der Vernunft haben, teils in der Notvvendig-
sie keit. Das letztere ist der Fall mit Luft, Feuer, Erde*
?en Wasser; sie seien nicht Elemente im strengen und
in- eigentlichen Sinne, wohl aber Träger der Elemente; sie
ile, bestünden nämlich aus einer Zusammensetzung von
?u- Dreiecken, in die sie sich wieder auflösten. Die eigent-
er- liehen Elemente nämlich seien das rechtwinklige Drei^
eck mit einer längeren Seite und das gleichschenklige
elt 76 rechtwinklige Dreieck. Anfang und Ursache seien also ■
tn- die genannten zwei (Vernunft und Notwendigkeit), für
nd die das Muster die Gottheit und die Masse sei; die
iie letztere kann an sich nur gestaltlos sein, wie dies auch
it; bei den anderen für Aufnahme empfänglichen Dingen
ch der Fall sei.* 8 ) Die Ursache dessen trage den Charakter-
en 74 der Notwendigkeit, denn wenn sie (die Materie) der
n. Idee teilhaftig würde, erzeugte sie die entsprechenden
ch Einzelwesen. Durch die Ungleichartigkeat ihrer Kraft
ig würde sie in Bewegung gesetzt, und einmal in Bewe-
gt, gung, setzte sie auch ihrerseits das aus ihr Entstehende
le in Bewegung. Diese Massen hätten ursprünglich nur
in eine vernunftlose und ungeordnete Bewegung gehabt-
dt * Als sie aber einmal den Anfang gemacht hätten zum
3- Aufbau des Weltgebäudes, seien sie durch die Gottheit
1- nach Möglichkeit zur gleichmäßigen und festen Ord-
o 77 nung geführt worden. Denn schon vor der Schöpfung
t, des Himmels habe es die zwei Ursachen (Urgründe)
gegeben und als dritte das Werden, nur noch nicht in
It voller Deutlichkeit, sondern nur Spuren davon ohne
e die feste Ordnung. 4 ") Nachdem aber das W^eltgebäude
erschaffen, hätten auch sie sich der festen Ordnung ge-
fügt, und aus allen vorhandenen Körpern habe sich
a 75 das Himmelsgebäude gebildet. Gott und die Seele sind
>t seiner Meinung nach unkörperlich ; denn so seien sie
am sichersten bewahrt vor Verderben und Leid. In den
e Ideen aber sieht er, wie schon bemerkt (III 12 f.), die
Urgründe und Prinzipien dafür, daß die in der Natur-
} auseinandertretenden Einzeldinge ihr bestimmtes Ge-
il präge tragen.
160
Piaton.
Was das Gute und Böse anlangt, so hielt er es damit 78
folgendermaßen. Das Endziel sei die Verähnlichung
mit Gott. Die Tugend reiche zwar an sich zur Glück-
seligkeit aus, bedürfe aber doch gewisser Werkzeuge
und Beihilfen dazu, nämlich der körperlichen Vor-
züge, wie Kraft, Gesundheit, Sinnesschärfe und der-
gleichen, auch der äußeren Güter wie Beichtum, Ge-
burt, Name. Aber der Weise werde, auch wenn ihm
dieses abgehe, gleichwohl glücklich sein. Er werde sich
auch den Staatsgeschäften widmen, werde heiraten und
die bestehenden Gesetze nicht übertreten, ja er werde
sich auch selbst nach Möglichkeit für die Gesetzgebung
in seinem Vaterlande betätigen, sofern er den Stand
der Dinge nicht als völlig hoffnungslos''' 0 ) erkenne in-
folge maßloser Entartung des Volkes. Er glaubt auch 79
an eine Teilnahme der Götter an den menschlichen An-
gelegenheiten sowie an das Dasein von Dämonen. Den
Begriff des Schönen hat er zuerst erwiesen als im
engsten Zusammenhang stehend mit dem, was lobens-
wert, vernünftig, nützlich, ziemend und schicklich ist,
lauter Vorstellungen, die bei ihm aufs engste mit dem
zusammenhängen, was der Natur gemäß und mit ihr
in Ubereinstimmung ist. Auch über Dichtigkeit der
Wörter (Namen) hat er gehandelt, wie er denn auch
die Methode des richtigen Antwortens und Fragens in
wissenschaftlicher Weise zuerst festgestellt und reich-
lich angewendet, hat. In den Dialogen stellt er auch die
Gerechtigkeit als ein göttliches Gesetz hin, zur War-
nung an die Übeltäter vor Strafen nach dem Tode, also
zugleich als kräftigeren Antrieb zum rechtschaffenen
Handeln. Daher erschien er auch manchen als gar zu 80
starker Liebhaber des Fabelhaften, da er seine
Schriften mit dergleichen Erzählungen ausstattete zu
dem Zweck, durch solche dunkle Andeutungen unserer
Zustande nach dem Tode von frevelhaftem Tun abzu-
schrecken. So viel von seinen Lehrmeinungen.
Die Dinge teilte er, wie Aristoteles sagt, 51 ) in fol-
gender Weise ein. Die Güter gehören teils der Seele an,
111 78 - 82.
teils -dem Körper, teils liegen sie . außerhalb von uns.
Gerechtigkeit z. B. und Einsicht, Tapferkeit und Be-
sonnenheit und das dem Verwandte gehören der Seele;
die Schönheit, die. gute Leibesverfassung, GesuBdhj&ii
und Kraft zürn Körper; die Freunde, das Glück des
81 Vaterlandes und\ der: Beichtum zum Äußern. Es gibt
demnach, drei Arten von Gütern, seelische, körperliche,
ä*&fcrö£?Jß allst .dosiijsijfo^oeb aliei oel$ fwira aesaue&äi
Die Freundschaft zählt auch drei Arten:, erstens die
natürliche, zweitens die mit Genossen, drittens die
Gastfreundschaft.™) Als natürliche.. bezeichjQLeaiGsv'ir
diejenige, die zwischen Eltern und Kindern sowie Ver-
wandten untereinander besteht; diese , teilen auch an-
dere Geschöpfe mit uns. Genossenschaftsfreundschaft
dagegen ist diejenige, die aus dem Umgang erwächst
asach ohne jede verwandtschaftliche Beziehung, so wie
bei Pylades und Orestes. Die Gastfreundschaft end-
lich ist die, welche sich durch Empfehlung oder briejb
licheh>3^töefeiöanit den. Gastfreunden bildet. Die
Freundschaft ist also teils natürlicher Art, teils beruht,
sie auf genossenschaftlichem, teils auf gastlichem Ver-
kehr^dazu fügen manche noch als vierte Art die Ver-
liäMiedtiteät^önt) haäidößtisd eühb eib .aß'vüjg xiov
82 Staatsverfassungen gibt es fünf: erstens Demokratie,
zweitens Aristokratie, drittens .. Oligarchie^ viertens
Königtum, fünftens Tyrannis. Entscheidendes Merk-
mal für die Demokratie ist die Herrschaft der Yojks-
meÄg&änMen betreffenden Staaten und ihre Befugnis,
sich ihre Behörden und ihre Gesetze .selbst zu geban^
Eine Aristokratie ist derjenige Staat, in dem weder.sdie.
Reichen noch die Armen, noch die äußerlich. Hervor-
ragenden herrschen, sondern wo die Leitung nur in
der Hand der Edelsten und Besten, liegt. Oligarchie
(Herrschaft weniger) findet sich da, wo die BeÖordeji
nach Maßgabe der Vermögensstufen: erwählt werden ;
denn der Reichen gibt es weniger als ; der Armen. Was
die Königsherrschaft anlangt, so giht es;, awei; Arten::;
eine nach Gesetz, die andere nach der Herkunft. Die
A p e 1 1 , Diogenes Laertins. , ,
162
Piaton.
karthagische z. B. ist eine gesetzliche, denn der Staat
hat die Bestimmung darüber, die lakedaimonische und 83
makedonische ist eine nach Herkunft (erbliche), denn
das Königtum haftet an den Abkommen eines be-
stimmten Geschlechtes. Tyrannis endlich findet sich
da, wo die Bürger durch Trug oder Zwang unter die
Gewalt eines Einzigen geraten sind. Die Staatsver-
fassungen sind also teils demokratisch, teils aristokra-
tisch, teils oligarchisch, teils Königsherrschaft, teils Ty-
rannis.
Die Gerechtigkeit teilt sich in drei Arten: die erste
bezieht sich auf die Götter, die zweite auf die Menschen,
die dritte auf die Abgeschiedenen. Die, welche die
gesetzlichen Opfer darbringen und die Pflichten der
Frömmigkeit erfüllen, tun ihre Schuldigkeit gegen die
Götter; diejenigen, die Geliehenes und Anvertrautes
zurückgeben, handeln gerecht gegen Menschen, und
die, welche sich die Pflege der Grabmäler angelegen
sein lassen, gegen die Verstorbenen. Gerechtigkeit also
gilt gegen Götter, Menschen und Verstorbene.
Auch die Wissenschaft ist dreifacher Art: die erste §4
eine ausübende (praktische), die zweite ein Herstellen
von etwas, die dritte betrachtend (theoretisch). Die
Häuserbaukunde z. B. und Schiffsbaukunde sind her-
stellender Art, denn man kann ihr fertiges Werk be-
schauen. Die Staatskunst dagegen sowie die Kunst
des Flöten- und Zitherspielens und anderes dergleichen
sind ausübender Art, denn sie stellen kein fertiges Er-
gebnis ihrer Arbeit vor Augen, so daß man es be-
schauen kann, sondern sie üben etwas aus: der eine
spielt auf der Flöte, der andere auf der Zither, der
dritte betätigt sich für den Staat. Die Geometrie aber
und Harmonik und Astronomie sind betrachtender
Art; denn sie üben weder etwas aus noch stellen sie
etwas her, sondern der Geometer untersucht, wie sich
die Linien zueinander verhalten, der Harmoniker ver-
tieft sich in das Wesen der Töne, der Astronom in die
Betrachtung der Gestirne und des Weltbaus. Die
III 82-87.
163
Wissenschaften sind demnach teils betrachtender, teils
ausübender, teils herstellender Art.
85 Die Heilkunst ist fünffacher Art: sie betätigt sich
erstens nach seiten der Pharmazie, zweitens der
Chirurgie, drittens der Diätetik, viertens der Diagnostik,
fünftens der unmittelbaren Hilfeleistung. Die pharma-
zeutische Kunst heilt die Krankheiten durch Medizin,
die chirurgische durch Schneiden und Brennen, die
diätetische bekämpft die körperlichen Schwächungen
durch Regelung der Ernährung und Lebensweise, die
diagnostische durch Erkenntnis der Natur der Krank-
heit, die hilfeleistende entfernt den Schmerz durch un-
mittelbares Eingreifen. Die Heilkunst ist also teils
pharmazeutischer, teils chirurgischer, teils diätetischer,
teils diagnostischer, teils hilfeleistender Art.
86 Die Gesetze unterliegen einer Zweiteilung. Sie zer-
fallen in geschriebene und ungeschriebene. Das Ge-
setz, das unser staatliches Leben regelt, ist ein ge-
schriebenes; dagegen wird dasjenige, das auf bloßem
Herkommen beruht, ungeschrieben genannt. Danach
soll man zum Beispiel nicht nackend auf dem Markte
erscheinen oder in Frauenkleidung auftreten. Denn
dem steht zwar kein geschriebenes Gesetz hindernd im
Wege, gleichwohl tun wir es aber nicht, weil wir uns
durch ein ungeschriebenes Gesetz gebunden fühlen.
Das Gesetz ist also teils ein geschriebenes, teils ein un-
geschriebenes.
Der Vortrag umfaßt fünf Arten: erstens den soge-
nannten politischen Vortrag, dessen sich die Staats-
männer in den Volksversammlungen bedienen; zwei-
87 tens den den Rhetoren geläufigen, schriftlich ausge-
arbeiteten Prunkvortrag zum Zwecke der Lob-
preisung, des Tadels und der Anklage; das ist der
rhetorische Vortrag. Die dritte Art ist diejenige, die in
der gegenseitigen Privatunterhaltung zur Geltung
kommt, der sogenannte Privatvortrag. Eine weitere
Art ist diejenige, der gemäß die das Gespräch Führen-
zu
den sich iö 'kürzen -Frage^AöS* Äfltwor^^v^gert:
aas 5der so^^^^o^.^^
ÄJt>etts»dsfcäer :Kortiag r :dessen sich die. Meistei dt i
Künste^in,Sacliaiu;ihrei;-:feIgne3t Kunst- bemmem~sMm
ist der -teeinische, Vortrag. Der Vortrag. ist also, ent-
w^;^Mscten<^^^
Die Musik unterlagt einer Dreiteilung: nie erste ss
Art beschränkt sich ; iuf die btimmo, ist also der bloDe
Gesang- die zweite teüt ; Ith zwischen Mund' und Hand,
wie z 13 der -^esUür zur Läuterdie - dritte :wird--&trr:
S eh die Hand ausglüht, wie z.H::bei der 1
geschieht. Das wären also die ;
dürch-Mühd/durch Mund und Hand, durch Hand. .
Die.Edelbürtigkett zählt y^r . Arten: eig^ nejrnt
man solche edelbürtig, die von anerkannt trefflichen
ahd gerechten Vorfahren atetanmiou, zweitens nennt
än so die Nachkönun^r von Mannen, die einst
Mächthaber und Herrscher - gewesen sind; ferner die
Nachkommen' solcher, die' sich' einen Namen gemactrt
haben "als Feldherren .oder als bekränzte- Sieger in
VVettkä nmfen denn auch dies gibt den Nachkommen
die, welche selbst durch Seelenadel and Hochher
keit hervor ragen, denn auch diese nennt man e
bärtig, ja dies ist sogar 'die "beste Art von Edelbürtig-
keit. Es beruht also die Edelbürtigkeit entweder 1 - a\if
iä»iÄifiäinngüi?vroji: -trefflichen j^öpfahieni -©der ^üvon
M4ehthabeinrioiter-ivon Mäjsaierri/ großfiaizüSiameastiodec
aitf 8ig^i^ttich^rDtih£iiti^Eea;/8iIoY neb ni lennüßi
-*&m ^ÖM^MsaMtoe^-s^dgeröfe öttfiweä«* W
w%h%efällig (%eifa&wnrdig) wie die- sichtbare kbrper-
IMe/ WöhlgestaM-Mer 'äient^em&'Gfefeiä^eh, MW'&ü&l
<teiM ;;; ve&- eine^^
Hfeuse'-und-ähnliehem spricht, ©£4r ^£fW&8tä$&h sfe
nützlich in Beziehung auf Gesetze und Lebensgründ*
Sätze und alles dem ähnliche, Die Schönheit also geilt
III 87-92.
165
entweder auf das Lob oder den Gebrauch oder den
'■Nuten, -i« HA ViU iiov M ili.il i .ri'jll •>!>»"!•'! in u
90 Die Seele unterliegt einer Dreiteilung: der eine Teil
ist das Denkvermögen, der zweite das Begehrungsver-
mögen, der dritte die Herzhaftigkeit. Auf Grund des
Denkvermögens beraten wir, erwägen wir, überlegen
wir und was dergleichen mehr ist; der begehrliche Teil
ist der Grund unseres Verlangens nach Speise und
Liebesgenuß und dergleichen, der herzhafte Teil der
GrPnd zu mutvoller Stimmung, zu Lust, Leid und
Zornesaufwallung. Die Seele ist also teils denkender,
teils begehrender, teils herzhafter Art.
Die vollendete Tugend hat vier Arten: erstens die
Einsicht, zweitens die Gerechtigkeit, drittens die Tapfer-
91 1 kei*, 1 vie**teÄS die Besonnenheit. In der Einsicht liegt
der Grund für die Richtigkeit unserer Handlungen; in
der Gerechtigkeit der Grund für pünktliche Einhaltung
unserer Verpflichtungen* 'im Verkehrs- und Geschäfts-
leben; in der Tanferkeit der Grund zum Ausharren in
Gefahren und Sdireckriiis&en ohne Anwandlung zur
i'Patoe , nflPcW: i: in" der Besonnenheit der Gründl zur
Herrschaft über die Begierden und zu einem sittsamen
TerM\ ,/ uriter l! Abwehr feder Unterwerfung'' Unter das
Gebot : der (Lüetf 1 TMC Tugend »zerfällt 'also in Einsicht,
Gerechtigkeit, Tapferk&t',- 'Beeoflnenhelt,
Die Herrschaft ers,ens die
gesetzliche, zweitem dw* nafjfr^phj^ , drittens die nach
Herkommen,' und Gewohnheit, viertens die nach j$b-
kunft (Erblichkeit) fünftens die n<>waltherj^
92 Die staatlichen von den Burgern gewählten Beamten
' „)j9^ij^,jnach dem Gesetz; was die natürliche Herr-
schaft anlangt, so kommt diese dem männlichen Ge-
schlecht zu, nicht nur unter den Menschen, sondern
auch unter den übrigen Geschöpfen; de™ gemeinhin
herrscht das männliche Geschlecht über das weibliche.
Die gewohnheitsmäßige Herrschaft aber ist von der
Art. wie sie die Pädagogen über die Knaben ausüben
Piaton.
und die Lehrer über die Schüler. Die auf Abkunft sich
gründende Herrschaft ist von der Art wie die der
spartanischen Könige, denn ihr Königtum ist ein erb-
liches; auch in Makedonien besteht die gleiche Art von
Herrschaft, denn auch da gründet sich das Königtum
auf Abkunft. Dagegen herrschen die, welche durch
Gewalt oder Trug in den Beisitz ihrer Macht gelangt
sind im Widerspruch mit dem Willen der Burger-
schaft. Diese Art von Herrschaft nennt man eine be-
waltherrschaft. Es gibt also eine gesetzmäßige, eine
natürliche, eine gewohnheitsmäßige, eine erbliche unü
eine gewaltsame Herrschaft." 4 )
Die Beredsamkeit umfaßt sechs Arten: fordert näm- 93
lieh der Redner zum Krieg oder zu einem Bündnis-
vertrag gegen einen andern auf, so wird die darauf
abzielende Rede Mahnrede genannt; empfiehlt er aber
das Gegenteil, nämlich weder Krieg zu führen noch
ein Bündnis zu schließen sondern sich ruhig zu ver-
halten, so nennt man seine Rede Abmahnungsrede.
Eine dritte Art der Beredsamkeit bezieht sich auf Un-
recht, das einem, wie man darzutun sucht, von einem
andern widerfahren ist, den man als Urheber vielen
Unheils hinstellt; diese Art der Rede heißt Anklage-
rede. Die vierte Art der Beredsamkeit ist die Ver-
teidigungsrede; führt man nämlich den Nachweis, daß
einer weder das Recht verletzt noch sonst sich eine
Blöße gegeben hat, so nennt man das eine Ver-
teidigungsrede. Die fünfte Art der Beredsamkeit be- 94
steht darin, daß man einem Gutes nachsagt und ihn als
einen braven und tüchtigen Mann kennzeichnet; diese
Art heißt Lobrede. Die sechste Art besteht darin, daß
man einen als nichtswürdig kennzeichnet; diese Bede-
form wird Tadelrede genannt. Die Arten der Bered-
samkeit sind also Lob, Tadel, Mahnung, Abmahnung,
Anklage, Verteidigung.
Für das Richtigsprechen kommen folgende Punkte
in Betracht: erstens das Was, zweitens das Wieviel,
III 92-97.
167
drittens das Zu wem, viertens das Wann gur das
Was? ist die Antwort: „Was nützlich ist für den
Redenden sowohl wie für den Hörenden;" für das Wie-
viel- .Nicht mehr und nicht weniger als hinreichend
95 ist f für das Zu wem? : „Unterhältst du dich mit alteren
Leuten, in deren Gesellschaft du dich befindest, ) so .
muß deine Redeform dem höhern Alter angepaßt sein;
wenn mit jüngeren, dann muß sie einen lugendlicheren
Ton anschlagen;" auf das Wann?: „Weder zu früh
noch zu spät." Versieht man es m einem diesei Funkte,
so wird man fehlgehen und nicht richtig reden.
Die Wohltätigkeit teilt sich nach vier Gesichts-
punkten: sie vollzieht sich entweder durch Geldmittel
oder durch persönliches Eingreifen oder durch Kennt-
nisse oder durch Reden. Durch Geldmittel, wenn man
einem Bedürftigen dazu verhilft in Beziehung auf Geld
wieder über Wasser zu kommen; durch persönliches
Eingreifen hilft man einander, wenn man tätlich Miß-
handelten, auf die man stößt, zur Abwehr beisteht; was
96 aber die Kenntnisse anlangt, so erweisen sich die-
jenigen als wohltätig, die als Erzieher, als Arzte oder
als Lehrer Gutes wirken; und durch Rede wohltatig
wirkt einer, der bei Prozessen für einen andern ein-
tritt und eine angemessene Rede für ihn hält. So wird
demnach die Wohltätigkeit geübt entweder durch Geld-
mittel oder durch persönliches Eingreifen oder durch
Kenntnisse oder durch Reden.
Das Ende (der Abschluß) für die Dinge stellt sich in
vier Gestalten dar: erstens gibt es ein gesetzmäßiges
Ende der Dinge, nämlich wenn nach Zustandekommen
eines Volksbeschlusses dieser in Form des Gesetzes seine
' Vollendung erhält; zweitens ein natürliches Ende nach
Tag, Jahr und Jahreszeiten; drittens ein kunstmäßiges
Ende, wie z. B. bei der Baukunst, denn sie stellt ein
Haus fertig, oder bei der Schiffsbaukunst, denn sie
97 stellt Schiffe fertig; ein zufälliges Ende dagegen er-
halten die Dinge, wenn sie anders ablaufen, als man
Piaton.
vermutete. Das Ende der Dinge; ist also entweder
gesetzmäßig oder natürlich oder kunstgemäß oder zu-
fällig. 1 l>-)\;<\-, :.' I I •!•<!. ü.l'i •:• tl 1 1 i< J U < K\ l\'< 1 1 M') 1 im I \
Das Vermögen (die Kraft) umfaßt vier Arten: die
erste bezieht sich auf das, was wir durch unsern Ver-
stand erwägen und überdenken können; die zweite auf
das, was wir durch unsern Körper leisten wie gehen,
geben, nehmen und dergleichen; die dritte auf das,
was wir durch die Ansammlung von Kriegern oder
von Geldmitteln vermögen, woher denn ein König ein
vielvermögender Mann genannt wird; die vierte auf
unser Befinden und unsre Zustände und unser Tun
nach der guten und schlimmen Seite hin; wir ver-
mögen z. B. krank zu werden, erzogen zu werden, ge-
sund zu werden und alles dergleichen. Das Vermögen
bezieht sich also teils auf den Verstand, teils auf den
bezieht sich also teils auf den Verstand, teils auf den
Körper, teils auf Heeresmacht und Geldmittel, teils auf
Tun nnd,£eiden. 7 ,v,i.ji ..uim ,imn tiful yi-lint^iii)
Die Menschenliebe ist dreifacher Art: die eine be- 98
kündet sich in den Formen der Anrede, z. B. in der Art
und Weise, wie manche jeden ihnen Begegnenden be-
grüßen, ihm die Bechte entgegenstrecken und ihn be-
willkommnen; die zweite zeigt sich in der Hilfsbereit-
schaft gegen jeden Unglücklichen; die dritte in der
Gastlichkeit, mit der man andere zur Tafel zieht. Also
freundliche Begrüßung, Wohltätigkeit und Gastfreiheit
sind hier die unterscheidenden Merkmale.
Die Glückseligkeit teilt sich fünffach nach folgenden
Bestimmungen: sie ist teils Wohlberatenheit', -teils
Sinnesschärfe und körperliche Gesundheit, teils Glück
in unsern Unternehmungen, teils guter Buf bei den
Mitmenschen; teils endlich fünftens Wohlstand an Geld-
mitteln und dem. was sonst für das Leben wünschens-
wert ist. Die Wohlberatenheit ist eine Frucht der Er- 99
Ziehung und der reichen Erfahrung; die Sinnesschärfe
gründet sich auf die körperlichen Organe, z. B. wenn
einer das. worauf es ankommt, mit seinen Augen sieht,
III 97 101. I6 9
mit seinen Ohren hört und mit Nase und Mund Wahr-
nimmt und spürt; das also ist Sinnesscharfe, das
Glück aber besteht darin, daß es einem gelingt, <j»s
vorgesteckte Ziel zu erreichen, und zwar m der rich-
tigen Weise, so wie es sich für den braven und tugend-
haften Mann ziemt; der gute Ruf besteht
den Mitmenschen geäußerten Hochachtung für uns
Wohlstand beisteht darin, daß man m Bezug auf die
Lebensbedürfnisse so gestellt ist, daß man sich nicht
nur Freunden wohltätig erweisen, sondern auch den
öffentlichen Ehrenpflichten (Leiturgien) m stattliche!
und glanzvoller Weise nachkommen kann. Wer alles
dtes in sich vereinigt, der ist im Besitze der vollen
Sk eligkeit. Es besteht also die Glückseh gkeit in
Wohlberatenheit, in Sinnesschärfe und korperl chei
Gesundheit, in Glück, in gutem Ruf und m Wohlstand.
Die Künste teilen sich dreifach, in eine erste eine
zweite und eine dritte Klasse: die,- erste Klasse bilden
die Metallbeschaffung durch Grubenbau und die Holz-
fällungskunst, denn sie liefern das Material (to W-
stoff); 57 ) die zweite bilden die Schmiedekunst und die
Zimmermannskunst, denn sie sind die formenden; aus
dem Eisen stellt die Schmiedekunst die Waffen her
aus dem Holz die Holzbearbeitungskunst die Flöten
und Leiern; die dritte ist M«iW#ÄÄ;
dient sich z. B. die Reitkunst der Zügel, die Kriegs-
kunst der Waffen, die Musik der Flöten und der Leier.
Es gibt also drei Klassen von Künsten, eine erste, eine
zweite und eine dritte,
l Das Gute teilt sich in vier Gattungen: wir brauchen
das Wort erstens für den Tugendhaften als für den
im eigentlichen Sinne Guten; sodann auch s für di<>
Tugend selbst und für die Gerechtigkeit, die wir ja gut
nennen- drittens brauchen wir diese Bezeichnung tur
Dinge wie etwa Speisen, zuträgliche Körperubungen
und Heilmittel; viertens bezeichnen wir als gut solche
Dinge wie Flötenspielkumft, Schauspielkunst und der-
170
Piaton.
gleichen. Es gibt also vier Arten des Guten, erstens
den Tugendbesitz, zweitens die Tugend selbst, drittens
Speisen und zuträgliche Leibesübungen, viertens
Flötensipielkunst und Schauspielkunst.
Von den Dingen überhaupt sind einige schlimm, 102
einige gut, einige weder das eine noch das andere.
Schlimm nennen wir dasjenige, was immer schaden
kann, wie z. B. Unmäßigkeit, Unverstand, Ungerechtig-
keit und dergleichen; das dem Entgegengesetzte ist gut;
von andern Dingen wiederum sagen wir, daß sie bis-
weilen nützen, bisweilen aber auch schaden, so z. B.
das Spazierengehen, das Sitzen und Essen; oder daß
sie überhaupt weder nützen noch schaden können;
diese also sind weder gut noch schlecht. Die Dinge
sind also teils gut, teils schlimm, teils keins von
beiden/' 8 )
Die gesetzliche Ordnung ist dreifacher Art; erstens 103
wenden wir den Ausdruck auf Staaten an, wo sich
vortreffliche Gesetze finden; zweitens aber auch auf
solche, wo die Bürger den bestehenden Gesetzen treu
bleiben; drittens da, wo man auch ohne eigentliche
Gesetze nach Herkommen und maßgebenden Lebens-
formen ein befriedigendes staatliches Dasein führt. Die
gesetzliche Ordnung besteht also entweder 1n vortreff-
lichen Gesetzen oder in treuem Gehorsam gegen die
Gesetze oder in einer auf löbliches Herkommen und
guten Lebensbrauch gegründeten Staatsverwaltung.
Dementsprechend gibt es auch eine dreifache Gesetz-
losigkeit; erstens dann, wenn die Gesetze nichts taugen,
weder in Bezug auf die Fremden noch auf die Bürger ;
zweitens wenn man den bestehenden Gesetzen nicht
folgt, drittens wenn es überhaupt kein Gesetz gibt. Also 104
Untauglichkeit der Gesetze, Ungehorsam gegen die be-
stehenden Gesetze und das Fehlen jedes Gesetzes über-
haupt sind die unterscheidenden Merkmale für die
drei Arten der Gesetzlosigkeit.
Die Entgegensetzung ist von dreifacher Art. Wir
setzen z. B. das Gute dem Bösen entgegen, wie die Ge-
III 101-106. 171
rechtigkeit der Ungerechtigkeit, die Einsicht dem Un-
"SS und dergleichen; ferner * d* ^dem
Bösen entgegengesetzt wie z. FoUer^rual der
enW™ wie das Gute zum Bösen oder wie das Böse
zum ßSen oder so, daß keines der beiden Glieder gdt.
DieTüter zerfa ien in drei Arten: erstens in so che,
in deren BSt^man gelangen kann, zweitens m so che,
Lntn« AnteiUrlangen ^»mÄ
die ihren Bestand in sich selbst haben. Der buteraei
ersten Art kann man sich habhaft machen, wie z. B.
dir Gerechtigkeit und der Gesundheit; Guter der
zweiten Ä alle, die man zwar "fc^^
machen, an denen man aber Anteil haben kann ^
kann man z B. das Gute an sich zwar nicht seipst
hXn Sh sich Anteil an ihm verschaffen; m sich
ÄbS sind die Güter, die weder die Annahm,
noch den Besitz zulassen, sondern ein selbständiges
Sin haben, wie z. B. das Tugendhaftsein und daa Ge-
Stsein ein Gut ist. Dieses kann man weder besitzen
noch Anten an ihm haben, sondern beides deckt sich
106 ES unserer selbständigen Person. Sc . haben . denn d*
Güter ihre Bedeutung teils für den Besitz, teils für die
Anteilnahme, teils als selbständag.' )
Die Beratung ist dreifacher Art: man entnimmt
seine Gründe entweder der Vergangenheit oder der zu-
künftigen oder der gegenwartigen Zeit; die aus oei
Vergangenheit tragen den Charakter von Beispielen,
z B mit was für Leiden haben die Lakedannonier ihr
festes Vertrauen bezahlen müssen?" Die aus der
Gegenwart sind z. B. solche, die den Hinweis darauf
geben, daß die Mauern schwach, die Menschen feige
der Vorrat an Nahrungsmitteln gering sind. Die aut
17 2 ■" PW»a-lli
die Zukunft bezüglichen sind Warnungen wie die, man
solle die Gesandtschaften nicht verdächtigen, denn das
könnte Hellas in schlechten Ruf bringen. Die Beratung
holt also ihre Gründe teils ans der Vergangenheit, teils
aus der Gegenwart, teils aus der Zukunft.
Die Stimme (der Schall) teilt sich in zwei Arten 107
nach den Merkmalen der Beseeltheit und der UnbeseeR-
heit; beseelt ist die Stimme der lebenden Wesen, unbe-
seelt die Töne und der Widerhall; die beseelte Stimme
ist teils durch Schrift darstellbar, teils der Schrift un-
zugänglich; erste res ist der Fall bei der menschlichen
Stimme, lezteres bei der der Tiere. Die Stimme ist also
teils beseelt, teils unbeseelt.
Die Dinge sind teils teilbar, teils unteilbar; die teil-
baren wiederum sind teilbar entweder in gleichartige
Teile oder in ungleichartige. Unteilbar ist. was über-
haupt keine Teilung zuläßt und keine Bestandteile hat.
wie die Einheit, der Punkt und der Ton, teilbar da-
gegen, was aus Bestandteilen zusammen gesetzt ist. wie
?.. B. Silben. Zusammenklänge, lebende Wesen. Wasser,
Gold. Und gleichteilig ist, was ans gleichen Teilen zn- 108
rammen gesetzt ist und bei dem sich das Ganze und der
Teil durch nichts anderes unterscheiden als durch die
Menge, wie bei Wasser. Gold und allem • Flüssigen und
was dem ähnlich, ungleichteilig dagegen, was aus un-
gleichartigen Teilen zusammengesetzt ist, wie t. B. ein
Hans und dergleichen. Die Dinge sind also teils teil-
bar, teils unteilbar, die teilbaren- aber entweder gleich-
teilig oder ungleichteilig.
Die Dinge gelten entweder für sich, oder sie haben
eine Beziehung auf anderes; für sich gültig in der Bede
ist das. was zu seiner Deutung keiner weiteren Be-
stimmung bedarf, wie z. B. Mensch, Pferd aand die
andern lebenden Wesen, denn diese bedürfen keines
weiteren Zusatzes in der Bede; die Beriefaungswörter 109
dagegen bedürfen noch eines Zusatzes, wie z. B. größer
als etwas, schneller als etwas, schöner als etwas rand
dergleichen. Denn das Größere ist größer ais ein
III K»~-1W 173
Kleineres und da* Schnellere ^S^fS^Z o2£
Dintre gelten in der Rede also entweder für acn «wi
SXrffi« zu etwa, anderein. Und ebenso teilte er,
nach Aristoteles, auch das Erste ein. ;
Es hat auch noch einen andern Flaton gegeoen,
.inen rh*he„ .«^^?Ä
wie der Grammatiker Seleukos berichtet in dem ersren
Buch Jon der Philosophier^ zweiter war ein Pen-
pSklr Schüler des Aristoteles, und ein dritter, *»
Praxiphanes SohAt Wehte*-.«** *Uen Komödie.
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l aadif xwgflX'lieiJilC eioaxm ixw xraös&l» Jixu f a
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nah ni nsiobflüH ai» a9naoS &b «stiH i*b ßi o.
9flie is&dtecJ 9disi bß;; jn&ww ß^ßßxä
asb iiaxdooH sab um jd-juass &>aoi»i*lL do&fl
— j jfifuiiirrff n
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S C9bi9d 9ib dOiUS XJSÜOfc *i913b91ÖH ÄBffll»
" am* ßi9fl9dJa*J <ß9d*d Jiörfes äoj&H : ::ri^d^
&£I »däusCI .aoilil «iftaaA bßi; - '
-lol ßdi ߣ eteixS ßftflia ni soirmoiCL dws* Jinso ßoi«
174
Speusippos.
Viertes Buch.
Erstes Kapitel.
Speusippos. Etwa 407—339 v. Chr.
Damit schließen wir unsere Mitteilungen über Pia- 1
ton, die wir in unverdrossenem Bemühen unter sorg-
fältiger Durchsicht der Überlieferung nach dem Maße
unserer Kraft zusammengestellt haben. 1 )
Sein Nachfolger als Schulhaupt war Speusippos,
des Eurymedon Sohn, aus Athen, aus dem Demos Myr-
rhinus. Er war der Sohn der Potone, der Schwester
des Piaton. Acht Jahre stand er an der Spitze der
Schule, von dem Beginn der 108. Olympiade (347
v. Chr.) ab. Er stellte die Statuen der Charitinnen in
dem von Piaton in der Akademie errichteten Lehr-
saal auf.
An den Lehrsätzen Piatons hielt er fest, teilte aber
nicht durchweg dessen sittliche Hoheit. Er war näm-
lich jähzornig und genußsüchtig. So erzählt man, er
habe in der Hitze des Zornes sein Hündchen in den
Brunnen geworfen, und habe aus Lustbegier eine
Beise nach Makedonien gemacht, um der Hochzeit des
Kassander beizuwohnen.
Zu seinem Hörerkreis sollen auch die beiden 2
Schülerinnen des Piaton gehört haben, Lastheneia aus
Mantineia und Axiothea aus Phlius. Darüber läßt
sich denn auch Dionysios in einem Briefe an ihn fol-
gendermaßen spöttelnd vernehmen: „Man kann die
Philosophie auch bei deiner arkadischen Schülerin
IV 1-4. I 75
erlernen. PUUon machte seine Schuler steh gWM*^
SS du aber treibst die Auflage ein, glevhuel, ob
Je LI oder mit Widerstreben gegeben wird,
Ei war wie Diodor im ersten Buch seiner Denk-
würd LSn Sgt, der erste, der sein Augenmerk auf
^^e^Z^Uenhang der Wissenschaften . ruh-
Me und sie nach Möglichkeit in ^er^i^mrt-
einander brachte. Er war es auch, der zuerst die so
3 Rannten Geheimlehren 2 ) des Isokrates «j Ofent-
Hnbkeit brachte wie Kaineus') sagt. Auch eiianu ei
Ä Tat einem Geflechte von ™"^Z
Körbe zu machen. Als er infolge von Gliederlähmung
sich körperlich gebrochen fühlte, beschied er den Xeno-
krates zu sich/unr ihm die Leitungder Schu e anzu-
vertrauen Man erzählt auch, daß, als er sich aut
einl Wagen nach der Akademie fahren ließ er dem
SSS™ begegnet sei, den er ?f
Heil dir! Der aber habe erwidert: „Dir aber kein neu,
der du es über dich gewinnst, in einem solchen Zu-
Snd'e weiter zu lebem" Schließlich machte « *
hochbetagt, aus Verzweiflung seinem Leben
ehi Ende Es gibt von mir ein Epigramm auf An. )
Sicher weiß ich: es wollte Speusipp das Leben sich nehmen,
St hätt' ich nimmermehr solches behauptet,
KeÄfoiÄlrt floß in ihm, sonst wäre er mmmer
Ob einer Nichtigkeit zagend geschieden.
4 Plutarch 5 ) behauptet im Leben des Länder und
Sulla er sei an der Läusekrankheit gestorben. Er wai
aber an sTch schon durch seine Ausschweifungen kor
perlich geschwächt, wie Timotheos m seinen Buch
von den Lebensbeschreibungen sagt. Erjagte wie
dieser berichtet, zu einem Reichen, der in ein häßliches
Frauenzimmer verliebt war. Was soll sie .dir »Ich
wollte dir für zehn Talente schon eine schönere hnden.
Er hat sehr zahlreiche Abhandlungen und mehrere
Dialoge hinterlassen, 0 ) darunter auch den Arisüpp
riK&a^* ein Buch Vom Reichtum fat* utam*
tffö? Spetisippos.
Von der Lust (rcspi viScwrjc), Von. 'der Gerecht%keifc>{roipti
SixacoöüvT);), Von der Philosophie (irspi cpdoooipüac),. Von.
der .Freundschaft (rospt <pdoa?), Von den Göttern (rcs$
^$»3»),. Der Philosoph (#1X65.090;), Ah Kephalos (ttpbs
Ki<paXov), Kephatos-. (K£<paXo.;), Kleinomachos oder
L^sias (KXei.vey.axoc "fj Auaia;), Der Bürger (lloXirr,;),
Von der Seole (xspl 'i'jyr,;). An Gry floß U?b<J rpvXXov),
Aristipp ('Apiatutxsc), : Kritik der Künste • (texvwv
sXevx 0 ?)- Weitere Werke y^aiäMai sind : Dialogische 5
Denkwürdigkeiten - (uisojiD^iwerixol ÖtaXoYov), . und : zfaia>i:
ein Buch Kuastgespräch (T exvowv), zehn Gespräche
über die gleichen. Gesichtspunkte für die Wissenschaft*
lictoXB^ndlüi^'-<^^c^^ 7cpa7(Ji(x.Tsigt>.
ojurfuv), 7 ) Einteilungen (foatps'öeic) und Richtlinien Au-
sgleichende Übersichten -(repoi -ca spoia ujco?&«c).
Von den Gattungen und Artender Beispiele -(itspi yevün
xai siSwv ita.paöeqp.airov)._ An den Zeugenlosen, (rcpo;
xcv 'AjJiocpTupov), Lob Piatons (UXortwyo.s e7y.ut1.10v), Briefe
(^jiCöToXott) an Dion, Dionysios, Philippos, Über G^etz-
gebung (rospc yo(j.o3sö'a?), Mathematikos (Ma^p-a-cwo«),
Mahdrobülos (iUavöpofJouXo;). Lysias (. Au cia?) , Definitio-
nen (spei), . Ordnungen der Denkschriften feflSfi
()7i:op.v7)[jLaTr6)v). Im ganzen 43 475 Zeilen.
seiner Denkwürdigkeiten, Aristoteles habe seine Bücher
für; drei Talente gekauft. Es hat auch noch einen
andern Speusipp gegeben, einen herophiteischen Arzt
arö!AfagnlidarfDg?.uA aai&a tfomb aoäot doia aß toda
riooff ifieai9a ni aoodJöraiT 91 7/ t tdo-ßv/rfo89§ doirraq
%'vu ,9j 3ß8 -la „.laga 4 S9jrwch9idoa9dafi9d9 J nsb nov
aorioiiaßri nio afi$P}M<$ä ft a p 1 i e |
ifol ?-ri Xenokrates. 396—314 v. Chr.
.nobnd äTModäs 9n.ra nodoa 9tn9lßT nrl9x inl urfa 9tM»
9i9Kienokrates, des AgathenofcioSohni : stmwrfer^aus 1
Chälkedon. Von Jugend auf War er ein Hörer des
Piaton und begleitete ihn auch auf einer seiner Reisen")
IV 4-8. 177
nach Sizilien. Er war von lllitur schwerfällig, so daß,
wie man erzählt, Piaton, ihn mit Aristoteles verglei-
chend, sagte: „Er bedarf des Sporns, Aristoteles da-
gegen des Zügels", und „Der eine ist schwer anzu-
treiben wie ein Esel, der andere leicht wie ein Pferd.
Im übrigen aber hatte sein Auftreten etwas durchaus
Achtunggebietendes, verbunden mit finsterem Ernst,
so daß Piaton oft zu ihm sagte: „Xenokrates, opfere^
' den Grazien." .
7 Er hielt sich zumeist in der Akademie auf; trat er
aber einmal den Weg nach der Stadt an, so wichen
ihm alle Schreihälse und Lastträger aus. Einmal soll
auch Phryne, die Hetäre, ihn in Versuchung haben
bringen wollen;. sie habe, heißt es, scheinbar von andern
verfolgt, Zuflucht in seiner bescheidenen Behausung
gesucht; er aber habe aus Menschenfreundlichkeit ihr
Aufnahme gewährt und das einzige Bett, das er hatte,
mit ihr geteilt. Doch all ihr Bitten und Flehen war
vergeblich, so daß sie sich schließlich davon machte.
Zu den sie Befragenden sagte sie, sie käme nicht von
einem Manne, sondern von einer Statue. Einige be-
richten, seine Schüler hätten die Lais veranlaßt sich
neben ihn in sein Bett zu legen; er aber sei so enthalt-
sam gewesen, daß er auch häufig sich Schneiden und
Brennen an seinem Schamteil habe gefallen lassen.
Er genoß auch das größte Vertrauen; war er doch der
einzige, dem die Athener trotz des bestehenden Ver-
botes, unvereidigt Zeugnis abzulegen, dies erlaubten.
8 Auch war er über die Maßen genügsam. Als z. B.
Alexander ihm eine erhebliche Geldsumme übersandte,
nahm er davon nur 3000 attische Minen und schickte
das übrige zurück mit der Bemerkung, der Konig
brauche mehr, da er mehr Leute zu unterhalten habe.
Auch eine von Antipater ihm zugesandte Geldsumme
soll er abgewiesen haben, wie Myronianos in seinen
„Geschichtlichen Parallelen" berichtet. So soll er auch,
beim Becherwettkampf 10 ) an dem jährlichen Choenfesl,
mit einem goldenen Kranze geehrt, beim Herausgehen
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. 12
178
Xenokrates.
diesen Kranz an der dort stehenden Hermesstatue
niedergelegt haben, wie er auch die Blumenkränze
niederzulegen pflegte. Er soll auch mit .andern zu
Phüipp als Gesandter geschickt worden sein und seine
Mitgesandten sollen, durch Geschenke zur Nachgiebig-
keit gestimmt, den Einladungen des Philipp Folge ge-
leistet und sich in mancherlei Unterhaltungen mit ihm
ergangen haben; er aber habe beides gemieden Auch
ließ ihn Phüipp aus diesem Grunde nicht an sich heran.
So erklärten denn, wie es heißt, seine Mitgesandten 9
bei ihrer Rückkunft nach Athen, die Mitsendung des
Xenokrates sei völlig überflüssig gewesen, und die
4.th#her schickten sich schon an, ihn in Strafe zu
nehmen. Von ihm aber belehrt, daß sie fortan nur
noch mehr um den Staat besorgt sein müßten — denn
Phüipp hätte jene bereits durch Geschenke bestochen,
während er ihn selbst durch keine Vorsteüungen hatte
auf seine Seite bringen können — sollen sie ihn doppelt
geehrt haben. Und Phüipp soll später geäußert haben,
Xenokrates sei unter jenen Gesandten der einzige ge-
wesen, der sich nicht habe bestechen lassen. Auch zum
Antipater ward er während des Lamischen Krieges;
als Gesandter geschickt zur Verhandlung über die
kriegsgefangenen Athener, und soll, zur Tafel ge-
zogen, ihn folgendermaßen angeredet haben:
Kirke. welcher Mann, dem Recht und Billigkeit obliegt.
Hätte das Herz sich eher mit Trank und Speise zu laben.
Eh' er die Freunde gerettet und selbst mit Augen gesehen?
Antipater nahm dies treffende Zitat (Od. X 382 ff.)
wohl auf und gab die Gefangenen sofort frei.
Als einst ein Sperling, verfolgt von einem Habicht,
sich in seinen Schoß flüchtete, streichelte er ihn zärt-
lich und ließ ihn dann fliegen mit den Worten, einen
Schutzflebeaden dürfe man nicht ausliefern. Von
Bion bespöttelt, erklärte er, er werde ihm nicht ant-
worten, denn auch die Tragödie würdige den Spott der
Komödie gegen sie keiner Antwort. Zu einem, der
Musik noch Geometrie noch Astronomie ge-
IV 8-12.
179
trieben und sein Schüler werden wollte, sagte er : „Ziehe
dein«« Weges, denn du bist nicht im Besitze der Hand-
haben für die Philosophie." Andere lassen ihn fol-
i gende Antwort gehen: „Bei mir wird keine Wolle ge-
walkt " Als Dionysios zu Piaton sagte: „Du wirst noch
um deinen Kopf kommen," da zeigte der mitanwesende
Xenokrates auf seinen eigenen Kopf hin mit den
Worten: „Erst muß diesen das Schicksal ereilen." Man
erzählt, als Antipater einst nach Athen kam und ihn
herzlich begrüßte, habe er nicht eher geantwortet, als
bis er seinen Vortrag, in dem er gerade begriffen war,
beendet. Er war ein Verächter alles Hochmutes; häu-
fig des Tages überließ er sich dem angestrengtesten
Nachdenken, und e i n e Stunde, sagt man, widmete er
dpm Schweigen. „ • ,
Er hat zahlreiche Schriften, Gedichte und Mahn-
reden hinterlassen und zwar folgende:
I. Von der Natur. Sechs Bücher. (*«e/
2 Von der Weisheit. Sechs Bücher.. (*«P< o*pia f )
3. Vom Reichtum. Ein Buch. (*«e/ **>»»i>)
4. Der Arkadier. Ein Buch. (A»xas) , .
5. Vom Unbegrenzten. Em Buch, {»t* *«°
6. Vom Knäbchen. Ein Buch. <»8« «" . ,
12 7 Von der Selbstbeherrschung. Ein Buch. eyxgaieta ( )
8. Vom Nützlichen. Ein Buch. w.W) .
9. Von der Freiheit. Ein Buch. «*«»*«?°»)
10. Vom Tode. Ein Buch, t***
II. Von der Freiwilligkeit. Ein Buch. (*«<?' buvauv)
12. Von der Freundschaft. Zwei Bücher.,
13. Von der Billigkeit. Ein Buch.
14. Vom Gegenteil. Zwei Bücher. (-""P« t***™*) .
15. Von der Glückseligkeit. Zwei Bücher. (f«e< tv*upori* ( )
16. Vom Schreiben. Ein Buch. (»/£>< W«)
17. Vom Gedächtnis. Ein Buch, («e« A«Wff)
18. Von der Unwahrheit. Ein Buch. (**e< *»*w)
19. Kallikles. Ein Buch. (KalAizüjsy*)
20. Von der Einsicht. Zwei Bücher. ("'»', veor^-vt)
21. Der Haushälter. Ein Buch. (Oixovoutxos) >
22. Von der Besonnenheit. Ein Buch, ™<rt°«™V) ,
23. Von der Gesetzeskraft. Ein Buch. («e» t«*"H*<°s
24. Vom Staate. Ein Buch. ™hx*uts)
25. Von der Frömmigkeit. Ein Buch. («P< •«•"»»«)
12*
^gQ Xenokrates.
26. Von der Lehrbarkeit der Tugend. Ein Buch. (S" nagafoti,
v üQt*n) -. . \
27. Vom Seienden. Ein Buch. (*W ™« »w«)
28. Vom Schicksal. Ein Buch. <»«<?» «^«e.«^?)
29 Von den Leidenschaften. Ein Buch, (*«<?«
30* Von der Lebensweise. Ein Buch, (f fe» pw>")
31. Von der Eintracht. Ein Buch. (*«e< o/tovouv) _
32. Von Erlernbarem. Zwei Bücher. rt 1 ""), .
33 Von der Gerechtigkeit. Ein Buch. <^e< *f'<"""'^)
34. Von der Tugend. Zwei Bücher, w«
35. Von den Artbegrifien. Ein Buch. (»«»• ff«'")
36. Von der Lust. Zwei Bücher. f 0 "^. .
37. Von der Lebensführung. Ein Buch. fr*e* P tOÜ )
38. Von der Tapferkeit. Ein Buch. .N'^W
39. Über das Eine. Ein Buch. <;™e<, *>» f °f) 4
40 Von den Ideen. Ein Buch. {**Q\ «W) «
41. Von der Kunst. Ein Buch, («e« ™Z»"?ff) .
42. Von den Göttern. Zwei Bücher. **'»»';
43 Von der Seele. Zwei Bücher. <™Q l y'OTO
44. Vom Wissen. Ein Buch, ("«0* inu>tvms>
45. Der Staatsmann. Ein Buch, ("»hr txofi ( >
46. Von der Verständigkeit. Ein Buch, 'f «e« e*«rowiow»'ifff)
47. Von der Philosophie. Ein Buch. <**0' y^o<jo<pta f ) _
48. Von der Lehre des Parmcnides. Ein Buch. (»'S« ™"
/tEfllfov) , x
49. Archedemos oder über Gerechtigkeit. Ein Buch. KAQxmpn
50. Vom Guten. Ein Buch. (**°< thyn»nv\
51. Die auf den mathematischen Verstand bezüglichen Lehren.
Acht Bücher. (tO» *egi rrj» tfidvoin»)
52. Auflösung der Probleme über die Reden. Zehn (?) Bücher.
{Höh; Tiöf liegt rnrj X<'y<"'f) 13 ) , . .
53. Vorlesungen über Physik. Sechs Bücher, ispvoixrjs «xQoaa-
e<og)
54. Hauptstück. Ein Buch. (xeq?dX,-aov) _
55. Von den Gattungen und Arten. Ein Buch. (*«<»' r«"«" xm
elSiö»
56. Pythagoreische Lehren. Ein Buch. (IIv&ayÖQeia)
57. Auflösungen. Zwei Bücher. Q-vasip
58. Einteilungen. Acht Bücher, ('ha^iaen)
59. Sätze (Behauptungen). Zwanzig (dreiundvierzig) Bücher.
(»caswv ßißXia)
60. Von der Unterredungskunst. Vierzehn (40.**f. 2. 700. 40)
Bücher. 7lt 6' 70 dittktyioH-ai nQnyiiuTtLag ßißha)
61. Nächstdem fünfzehn Bücher und weitere sechzehn Bücher
Lehrvorschriften für die Vortragsweise. k^qI im^^uKoyw
IV 12—15.
181
62. Logische Erörterungen. Neun Bücher a«^'««) '
63. Auf die Lehrgegenstände Bezügliches. Sechs Bucher.
64. Auf den mathematischen Verstand Bezügliches. Weitere
zwei Bücher vgl. No. 51. , _»
65 Von der Geometrie. Fünf Bücher. (»«8« yewwrew)
66. Aufzeichnungen (Denkschriften). Ein Buch. (v*owt"™>)
67 Gegensätze. Ein Buch. («wm»»'), vgl. No. 14.
68. Von den Zahlen. Ein Buch, (»«e« »qi»^)
69. Theorie der Zahlen. Ein Buch, («e'*^" *«»e«»)
70. Von den Intervallen. Ein Buch. (»*e« ttaotw«™») ,
7L Astronomische Lehren. Sechs Bücher. (r W v ^ « ö r e o^)
14 72. Elemente an Alexander vom Königtum. Vier Bucher.
(oroixela ngbs 'AXiSaväoov tisqI ßaadetae)
73. An Arybas. {ptqU 'A Q ißav)
74. An Hephaistion. {" Q og HyMixuova)
75. Über Geometrie. Zwei Bücher. p<o(ietQuxs)
76. Verse 40. 20. 2. 4. 200. 30. 9. (<™*°0 [VerdorbenJ
Obschon er ein so hervorragender Mann war, haben
ihn die Athener doch einmal verkauft, weil er das
Schutzgeld nicht zahlen konnte. Da kaufte ihn Deme-
trios der Phalereer und heilte den Schaden für beide:
dem Xenokratas schenkte er die Freiheit, den Athenern
gab er das Schutzgeld. So berichtet Myronianos aus
Amastris im ersten Buch seiner „Geschichtlichen
Parallelen".
Er ward Nachfolger des Speusipp als Schulhaupt
unter dem Arehontat des Lysimachides und leitete sie
fünfundzwanzig Jahre lang von dem zweiten Jahre
der 110. Olympiade (340/336 v. Chr.) ab. Er starb des
15 Nachts infolge eines Anpralls an eine Wanne im Alter
von bereits 82 Jahren. Unser Spruch auf ihn lautet:
An eine eherne Wanne stieß einst Xenokrates tödlich
Mit seinem Kopf und starb mit einem gellenden Schrei,
Er, der sich überall als bester Mann bewährt.
Es hat noch sechs andere Männer dieses Namens
gegeben. Der erste ist; der alte Taktiker, (der zweite?) )
sodann ein Anverwandter und Mitbürger unseres Philo-
sophen, von dem es eine Hede „Arsinoetikos" gibt auf
den Tod der Arsinoe; der vierte ist ein Philosoph, der
182
Xenokrates. Polemon.
eine Elegie verfaßt hat, nicht besonders glücklich.
Aber so geht es eben: wenn Dich ter sich auf Pr osa
werfen, so glückt es ihnen, wollen dagegen Prosaiker
es mit der Poesie versuchen, so versagen sie — ein Be-
weis dafür, daß Prosa eine Sache der Natur, Poesie eine
Sache der Kunst ist. Der fünfte war ein Bildhauer,
der sechste ein Verfasser von Liedern, wie Aristoxenos
sagt.
Drittes Kapitel.
Polemon. Um 310 v. Chr.
Polemon aus Athen war ein Sohn des Philostratos, 16
aus dem Demos Oia. In seiner Jugend war er so un-
züchtig und ausschweifend, daß er sogar Geld unter
die Leute brachte, um sich zur Befriedigung seiner
Wollust zu verhelfen; ja er hatte in den engen Gäßchen
sogar seine Verstecke dafür. 14 ") Es wurde sogar in der
Akademie einmal ein an einer Säule angebrachtes
Dreiobolenstück gefunden, das für den gleichen Zweck
bestimmt war. Einstmals kam er auch auf Verab-
redung mit seinen jungen Freunden bekränzt und vom
Wein berauscht in die Schule des Xenokrates gestürmt;
dieser aber Meß sich in seinem Vortrag nicht irre
machen, sondern führte ihn ununterbrochen zu Ende.
Der Vortrag handelte von der Mäßigkeit. Der. Jüng-
ling, aufmerksam zuhörend, ward in kurzer Zeit für
die Sache gewonnen und widmete sich ihr mit so an-
haltendem Fieiße, daß er die anderen überholte und
selbst Nachfolger in der Leitung der Schule ward von
der HC. Olympiade (316/313 v. Chr.) ab.
Antigonos von Karystos berichtet in seinen Lebens- 17
besohreibungen, sein Vater sei ein hochangesehener
Mann unter seinen Mitbürgern gewesen und habe
einen Rennstall für Wagenwettkämpfe gehalten. Und
von Polemon selbst erzählt er, seine Gemahlin habe ihn
verklagt wegen Mißhandlung auf Grund seines straf-
IV 15—19.
183
Hchen Umgangs mit jungen Leuten. Aber einmal ge-
wonnen für das Studium der Philosophie, habe er an
Charakterstärke so zugenommen, daß er in Haltung
and Gebahren fortab immer derselbe blieb ^selbst
in der Stimmlage seines Vortrages nie einen Wandel
eintreten ließ. Dadurch sei auch Krantor für ihn ge-
wonnen worden. 15 ) Ja, als ein wütender Hund ihn an-
fiel und ihm die Kniekehle zerfleischte, habe er nicht
einmal die Farbe gewechselt; und als auf die Kunde
davon in der Stadt große Aufregung entstand, sei er
18 vollständig ruhig geblieben. Bei theatralischen Auf-
führungen war er tieferen Gemütserregungen völlig un-
zugänglich. Als der Dichter Nikostratos, der den Bei-
namen Klvtaimnestra führte, ihm und dem Krates
etwas von seinen Dichtungen vorlas, fühlte sich Krates
ganz in die entsprechende Stimmung versetzt, wah-
rend Polemon kalt blieb, als hätte er überhaupt nicht
mit zugehört. Kurz, er glich ganz dem Mann, wie er
von dem Maler Melanthios in den Büchern über die
Malerkunst geschildert wird. Da heißt es nämlich, die
Bildnisse müßten das Gepräge einer gewissen Selbst-
herrlichkeit und Härte tragen, und ähnlich stehe es
auch mit dem Charakter. Polemon pflegte zu sagen,
man müsse seine Kraft an den Aufgaben des Lebens
üben, nicht an dialektischen Spitzfindigkeiten, bei denen
man sich gleichsam in ein musikalisches Kunstwerk-
chen völlig versenke und hineinlebe; so komme es, daß
man im Fragespiel der Unterhaltung zwar Bewunde-
rung finde, in der Seelenverfassung aber mit sich selbst
in Widerspruch gerate. In seinem Auftreten war er
vornehm und fein, frei von allem „Essiggleichen und
Scharfgewürzten", wie Aristophanes vom Eunpides
19 sagt, was, wie Aristophanes gleichfalls sagt [fr. 180
Dind] :
Nur geile Unzucht ist an einem Klumpen Fleisch.
Bei seinen Vorträgen über ihm vorgelegte Fragen
ließ er sich, sagt man, nicht zum Sitzen nieder, son-
184
Polemon. Krates.
dern ging dabei auf und ab. Wegen seiner edlen
Sinnesart genoß er hohe Schätzung in der Stadt. Doch
hatte er dem öffentlichen Leben völlig den Rücken
gewandt 18 ) und hielt sich dauernd im Schulgarten auf.
an dessen Seiten die Schüler sich kleine Hütten er-
richtet hatten, um dem Museum und dem Versamm-
lungsraum nahe zu wohnen. Wie es scheint, eiferte
Polemon in allen Stücken dem Xenokrates nach; auch
behauptet Aristippos im vierten Buch seines Werkes
über die Schwelgerei der Alten, er sei in ihn verliebt
gewesen. Denn immer wieder kam Polemon auf ihn
zu sprechen und stellte in seiner Person das volle Ab-
bild seiner Sittenstrenge, seines Ernstes und seiner
Würde dar, vergleichbar einer dorischen Tonweise. Er
war auch ein Liebhaber des Sophokles und am meisten 20
an den Stellen seiner Dichtungen, wo, wie ein Komiker
sagt,
Ihm ein Molosserhund mit an der Arbeit half, 17 )
und wo es naeh Phrynichos
Nicht Most gab, auch nicht Mischwein, sondern Pramnier.
So pflegte er denn zu sagen, Homer sei der epische
Sophokles, Sophokles aber der tragische Homer. Er
starb in hohem Alter an der Schwindsucht und hinter-
ließ eine ziemliche Zahl von Schriften. Unser Spruch
auf ihn lautet so :
Polemons Grab ist dies; er ward von der zehrenden Krankheit
Dahingerafft, dem schlimmen Feind der Menschenwelt.
Doch nicht Polemon ist's, sein Leib nur; als zu den Sternen
Empor er stieg, ward hier versenkt sein toter Leib.
Viertes Kapitel.
Krates. Um 300 v. Chr.
Krates war der Sohn des Antigenes; er gehörte dem 21
Demos Thria an und war Zuhörer und Liebling des
Polemon, wie er denn auch dessen Nachfolger als Haupt
IV 19—23.
185
der Schule wurde. Das Freundschaftsband, das sie
umschlang, war so stark, daß sie nicht nur bei Leb-
zeiten in ihrer Berufstätigkeit ganz die gleichen Wege
gingen und bis zum letzten Atemzuge einander glichein,
sondern auch nach ihrem Tode das Grab miteinander
teilten. Daher dichtete denn Antagoras folgende Grab-
schrift auf sie:
Hier ruht Polemon neben dem gottesfürchtigen Krates
— Wanderer, ziehst du vorbei, lies es und künd' es der Welt —
Männer der edelsten Art, in Eintracht verbunden; die Rede,
Die ihrem Munde entfloß, zeugte von himmlischer Kraft.
Und ihr Wandel, getreu ihren unwiderruflichen Lehren,
War ein erhebender Schmuck für ihrer Zeiten Geschlecht.
So versteht man denn auch das Wort des Arkesi-
laos, der bei seinem Übertritt aus der Schule des Theo-
phrast in die ihrige gesagt haben soll, sie seien eine
Art Götter öder Überbleibsel aus der goldenen Zeit. Sie
waren beide nichts weniger als Hascher nach Volks-
gunst. Vielmehr hielten sie es damit wie der Flöten-
spieler Dionysodo ros, der einst sich" etwas darauf zu-
gute getan haben soll, daß, wie eT sagte, ihn nie jemand
auf einem Dreiruderer oder an einer Quelle habe
spielen hören wie den Ismenias. Seine Mahlzeiten nahm
er, wie Antigonos berichtet, bei Krantor ein, denn sie
und Arkesilaos lebten in herzlicher Eintracht mitein-
ander. Arkesilaos teilte seine Wohnung mit Krantor,
Polemon die seinige mit Krates und noch einem Mit-
bürger, einem gewissen Lysikles. Es war aber, wie
schon vorher bemerkt, Krates der Liebling des Pole-
mon, und Arkesilaos des Krantor.
3 Bei seinem Tode hinterließ Krates, wie Apollodor
im dritten Buch seiner Chronika sagt, eine Beihe von
Schriften teils philosophischen Inhalts teils Volksreden
und Gesandtschaftsreden. Aber nicht nur dies, son-
dern auch namhafte Schüler. Zu ihnen gehört Arkesi-
laos, über den wir noch zu berichten haben 18 ) — denn
er war auch Hörer des Krates — und Bion, der Bory-
sthenite, späterhin mit dem Sektennamen Theodoreear
löß Krates. Krantor.
bezeichnet, über den wir gleichfalls noch berichten
werden im unmittelbaren Anschluß an Arkesüaos.
Der Männer Namens Krates sind im ganzen zehn
gewesen: erstens der Dichter der alten Komödie,
Zweitens der Rhetor von Tralles, aus des Isokrates
Schule, drittens der Schanzenbauer im Dienste des
41exander, viertens der Kyniker, über den noch zu be-
richten ist, 19 ) fünftens ein peripatetischer Philosoph,
sechstens der eben besprochene Akademiker, siebentens
ein Grammatiker aus Mallos, achtens ein Verfasser von
geometrischen Schriften, neuntens ein Epigrammen-
diohter, zehntens ein akademischer Philosoph aus
Tarsos.
Fünftes Kapitel.
Krantor. Um 310 v. Chr.
Krantor aus Soloi, in seiner Heimat bewundert, 2 4-
siedelte nach Athen über, wo er in Gemeinschaft mit
Polemon des Xenokrates Hörer ward. Er hmterlieü
Schriften im Umfang von 30 000 Zeilen, von denen
einiges von manchen dem Arkesilaos beigelegt wird.
Gefragt, was ihn für den Polemon so eingenommen
hätte, soll er geantwortet haben, „dies, daß ich ihn
immer gleichmäßig reden hörte, nie in höherer oder
tieferer Stimmlage." 20 )
Er erkrankte und zog sich in den Tempelbezirk des
Asklepios zurück, wo er fleißig spazieren ging. Es
strömten ihm aber von allen Seiten Schüler zu in der
Annahme, er weile dort nicht seiner Krankheit wegen,
sondern in der Absicht, da eine Schule zu gründen. Zu
ihnen gehörte auch Arkesilaos, getrieben von dem
Wunsche, durch ihn beim Polemon eingeführt zu
werden, obschon Krantor mit ihm in einem Liebes-
verhältnis stand, wie wir in dem Abschnitt über Arke-
Äilaos des näheren berichten werden. 21 ) Aber er soll, 25
IV 23—27.
t8?
wieder gesundet, auch selbst Hörer des Potemoa ge-
worden sein, was diesem große Bewunderung ein-
brachte.") Er soll auch sein Vermögen dem Arkesuaos
hinterlassen haben im Betrage von zwölf Talenten.
Von diesem befragt, wo er beerdigt zu sein wunscne,
soll er gesagt haben:
Am besten läßt sich's in geliebter Erde ruhn.
Er soll auch Gedichte verfaßt und sie in seiner
Vaterstadt in dem Heiligtum der Athene versregelt
niedergelegt haben. Der Dichter Theaitetos besingt ihn
in folgenden Versen:
Krantor war bei den Menschen beliebt, noch mehr bei den-
Ack noch warmer S n?c'ht Greis, als ihm das Todeslos M.
Ze?ged*h freundlich, o Erde, dem Toten, dem he.hgen Mannet
Möge da droben er auch leben in Fülle und Glanz.
26 Krantor war ein besonderer Bewunderer des Homer
und des Euripides, die er allen anderen vorzog, kr er-
klärt es für außerordentlich schwer, den strengen
Charakter der Tragödie zu wahren und dabei doch zu-
gleich auch die menschliche Empfindung zum Aus-
druck kommen zu lassen, und er zitierte gern den Vers
aus dem Bellerophon:
Weh uns! Nein, nicht doch! Unser Leid war Menschenlos.
Man spricht auch von Versen des Dichters Anta-
goras auf den Eros als einem angeblichen Gedichte des
Krantor. Es lautet:
Schwankend bin ich im Herzen ob deiner dunkelen Abkunft:
Soll ich dich nennen den ersten der Gotter der ew Ero*
Jener Wesen, die Erebos einst mit der Nacht, der allmachtgefl
Drunten unter den Wogen des weiten Okeanos zeugtet
27 Oder entstammst du der Kypris, der Sinnigen oder der . Erde
Oder den Winden? Du bringst in stetem Wechsel bald Schlimmes
Bald auch Gutes dem Menschen als doppelgestaltiges Wesen.
Er war auch originell in Wortbildung und Aus-
druck. So sagte er von einem tragischen Dichter, er
188
Krantor. Arkesilaos.
habe eine unbehauene Stimme, noch voller Rinde; und
von den Versen eines Liederdichters, seine Verse seien
filzig; die Thesen des Theophrast, sagte er, seien mit
Purpur geschrieben. Von seinen Büchern wird am
meisten die Schrift über die Trauer bewundert. Er
starb noch vor Polemon und Krates, an der Wasser-
sucht. Unser Spruch auf ihn lautet:
So bist auch du denn, Krantor, der Wassersucht erlegen
Und bist hinabgesunken in die dunkeln Tiefen Plutons.
Dort weilst du jetzt in Freuden; doch deiner Rede Zauber
Vermißt mit Schmerz der Akademoshain und deine Heimat Soloi.
Sechstes Kapitel.
Arkesilaos. 316(?)— 240 v. Chr.
Arkesilaos, der Sohn des Seuthes oder des Skythes, 28
stammte, wie Apollodor im dritten Buch der Chronika
•berichtet, aus Pitane in Äolien. Mit ihm als ihrem
Haupt beginnt die mittlere Akademie. Er war es, der
zuerst die Zurückhaltung des Urteils als leitenden
Grundsatz aufstellte wegen der Widersprüche in den
Behauptungen der Menschen. Er war es auch, der es
aufbrachte, die Gründe nach beiden Seiten hin (nach
der bejahenden und nach der verneinenden) geltend zu
machen, auch war er der erste, der die überlieferte
Lehrweise des Piaton dahin abänderte, daß er sie
durch die Art der Frage und Antwort streitfertigex
machte. Dem Krantor näherte er sich auf folgende
Weise: Er war der vierte von Brüdern, deren zwei von
gleichem Vater und zwei von gleicher Mutter stammten.
Von ihnen hieß der ältere, der von der gleichen Mutter
stammte, Pylades, der ältere von dem gleichen Vater
Moireas, der sein Vormund war. Er hörte zuerst den
Mathematiker (und Astronom) Autolykos, seinen Mit- 2»
Mrger, ehe er nach Athen übersiedelte; mit ihm
IV 27—31. 18$
machte er auch eine Reise nach Sardes. Dann genoß
er den Unterricht des Musikers Xanthos m Athen und
weiter hörte er den Theophrast. Darauf wandte er sich
dem Krantor zu und trat zur Akademie über bem
oben genannter Bruder Moireas nämlich suchte ihn tur
die Rhetorik zu interessieren, 23 ) er aber hielt es mit der
Philosophie. Krantor, von Liebe zu ihm entflammt,
richtete an ihn mit des Euripides Worten aus der
Andromeda die Frage:
O Jungfrau, rett* ich dich, wirst du mir's danken auch?
worauf er mit dem unmittelbar folgenden Verse ant-
wortete :
Führ* mich, o Freund, als Sklavin oder Gattin heim.
30 Seitdem gehörten sie einander an. Theophrast soll
darüber verstimmt gewesen sein und gesagt haben.
Ein hochbegabter und hoffnungsvoller Jüngling hat
meiner Schule den Rücken gekehrt.". Denn außer-
ordentlich eindrucksvoll in seiner Art des Vortrags,
dabei zur Schriftstellerei aufgelegt und dann hin-
reichend geübt, befaßte er sich auch mit Poesie, bo
sind folgende Epigramme von ihm auf Attalos m
wetteren Kreisen bekannt:
Pergamos glänzt durch Waffen nicht nur ; auch seinen Gespannen
Tönet nicht selten der Preis auf der Olympischen Bah".
Darf man sich aber getraun die Plane der Gottheit zu deuten.
Dann gibt Pergamos einst Stoff noch zu größerem Ruhm.
31 Und auch ein Gedicht auf den Menodor, den Geliebten
des Eudamos, eines seiner Mitschüler:
Phrygien liegt fern ab, fern auch Thyateira, das heil'ge;
So auch Kadanade, dein Stammort, Menodor.
Aber zum Acheron hin, dem schaurigen, — wo man auch Her-
kommt — . •
Ist, wie es heißt, der Weg an Länge immer gleich.
Hier errichtete Eudamos dir ein herrliches Grabmal,
Dem du viel lieber warst als seiner Sklaven Schar.
190
Arkcsilaos.
Den Homer liebte er über alles: er konnte sich nicht
zu Bette legen, ohne noch ein paar Seiten Homer ge-
lesen zu haben; und auch des Morgens früh pflegte er,
wenn er ihn lesen wollte, zu sagen, er gehe zu seinem
Geliebten. Von Pindar aber sagte er, er mache den
Mund volltönender und schütte ein Füllhorn von
Namen und Wörtern über uns aus. In seinen jungen
Jahren versuchte er auch eine Schilderung von dem
Dichter Ion zu entwerfen.") Auch hörte er den Geo- 32
meter Hipponikos, über den er als über einen im
übrigen trägen und langweiligen Gesellen spöttelte,
aber doch sagte, beim Gähnen sei ihm die Geometrie in
den Mund geflogen. Ihn nahm er auch, als er eine Zeit-
lang in Irrsinn verfiel, in sein Haus auf und pflegte
ihn sorgsam so lange, bis er wieder völlig hergestellt
Nach des Krates Tod übernahm er die Fuhrung der
Schule, nachdem ein gewisser Sokratides zu seinen
Gunsten zurückgetreten war. Sein philosophischer
Standpunkt der Unentschiedenheit des Urteils soll
auch, wie einige sagen, schuld daran sein, daß er kein
Buch geschrieben hat. Andere wieder wollen wissen,
man habe ihn dabei betroffen, wie er Niedergeschrie-
benes verbesserte, das er nach einigen herausgegeben,
nach anderen verbrannt habe. Er war auch ein Be-
wunderer des Piaton und war im Besitz seiner
Schriften.") Aber auch dem Pyrrhon eiferte er nach. 33
MH der Dialektik beschäftigte er sich angelegentlich
und machte sich auch mit den Lehren der Eretrier ver-
traut. Daher auch die folgenden Verse des Ariston
über ihn:
Piaton räch vorn, Diodor in der Mitte und Pyrrhon von hinten.
Bnd Timon läßt sich über ihn folgendermaßen aus: 36 )
Mit Merredemos unter der Brust als helfendem Schwimmer
Wird er zum fleischigen Pyrrhon und zum Diodoros enteilen.
und ein Stück weiterhin läßt er ihn (den Arkesilaos)
sagen:
IV 31-3S. 10t
Schwimmen wer* ich zum Pyrrhon und Diodoros, dem Dunkeir,
Er war sehr würdevoll und gedrungen in der Rede
und ihr iha rf in der Unterscheidung der Worte, auch
M ein witziger Spötter und rückhaltloser Tadtor, weshalb
denn Timon sich auch so über ihn äußert.
Auch Verzögerung 2 ') tadelt er scharf an der säumigen Jugend.
So sagte er denn auch zu einem Jüngling, der sich
frecher Reden erdreistete: „Wird ihn nicht einer am
Genicke fassen?" Und einem, der m ^ Verdachte
stand, «ich mißbrauchen zu lassen und der Am _mi . dei
Behauptung gekommen war, es «eherne nicht eines
größer als das andere zu sein, begegnete er mit der
F™ge ob auch das Zehnzöllige nicht verschieden sei
von dem Sechszölligen. Und als ein gewisser Herncn
aus Ch£s, ein häßlicher Gesell, der sich aber embildete
achön zu sein und sich stets in feinen Gewändern
SS m, ihn fragte, ob seiner Meinung nach em
Weiser sich nicht verlieben werde, antwortete er Etwa
ruXdann, wenn einer nicht so schön st wie dt . und
nicht so schöne Gewänder tragt wie^ du?_ U ™ a * ^
(der nämliche), unzüchtig, wie er überdies war, zum
SS Arkesilaos wie zu einem gestrengen Herrn sagte.
Darf, Herrin, man dich fragen oder bleibt man stumm?
erwiderte er sofort:
Was soll, o Weib, dies rauhe, ungewohnte Wort?
Und als ein gewöhnlicher Schwätzer ihn belästigte,
sagte er [Frg. aus Euripides] :
Zuchtloses Schwatzen ist der Sklavenkinder Art.
Einen anderen Schwätzer fertigte er mit den
Worten ab, es wäre gut gewesen, wenn er wenigstens
eine gestrenge Amme gehabt hätte. 28 ) Es kam auch
wohl vor, daß er überhaupt nicht antwortete, kmern
Wucherer und dabei zugleich Liebhaber der Gelehr-
samkeit, der sagte, daß er über etwas nicht im klaren
sei, entgegnete er:
192
Arkesilaos.
. Kennt doch das Vogelweib auch nicht der Lüfte Zug,
Es müßte denn die Zeit des Eierlegens sein. 20 )
Das sind Verse aus des Sophokles Oinomaos. Einem 36
Dialektiker aus der Schale des Alexinos, der nicht im-
stande war, über eine Ansicht des Alexinos nach Ge-
bühr Auskunft zu geben, verwies er auf das Verfahren
des Philoxenos gegen die Ziegelbrenner; als dieser näm-
lich Ziegelbrenner singen hörte, die seine Lieder in er-
bärmlicher Weise verhunzten, stampfte er selbst mit
seinen Füßen die Ziegeln in Stücke mit den Worten:
„Wie ihr mir meine Sachen ruiniert, so ich euch die
euren."
Schlecht zu sprechen war er auf die, welche nicht
zur rechten Zeit sich an die Wissenschaften heran-
gemacht hatten. Beim dialektischen Unterricht war
es ihm gleichsam zur anderen Natur geworden, sich
der Wendungen zu bedienen: „Ich behaupte" und „dem
wird nicht beistimmen der N. N." mit Nennung des
Namens. Das machten ihm viele seiner Schüler nach,
ebenso wie seine Vortragsweise überhaupt nebst seiner
ganzen Haltung. Außerordentlich erfinderisch war er 37
in treffenden Entgegnungen sowie in der Kunst, der
Rede die rechte Wendung zu geben in der Richtung
auf den gerade vorliegenden Gegenstand und sich jeder
Situation anzupassen. Er gebot über eine unvergleich-
liche tiberredungskraft. Daher strömten ihm Schüler
in großer Zahl zu, trotz der Schärfe des Tadels, dem
sie sich ausgesetzt sahen. Sie fanden sich leicht damit
ab, denn er war von Herzen gut und machte seine
Hörer ganz allmählich hoffnungsvoller. Gegen Mit-
menschen war er sehr freigebig, immer bereit, sich wohl-
tätig zu erweisen, am liebsten ganz in der Stille, nie-
mals eitel oder auf Dank bedacht. Als er einst dem
kranken Ktesibios einen Besuch machte und die große
Bedürftigkeit bemerkte, unter der er zu leiden hatte,
steckte er ihm heimlich einen Beutel voll Geld unter
das Kopfkissen, und als dieser ihn fand, sagte er: „Das
ist eine artige Aufmerksamkeit des Arkesilaos." Aber
IV 35-40.
193
auch noch ein andermal überschickte er ihm tausend
Drachmen. Den Arkadier Archias führte er beim
Eumenes ein und brachte ihn dadurch zu hohem An-
sehen»
38 Freigebig und nichts weniger als am Gelde hängend
fand er sich doch als erster bei Schaustellungen von
silbernen Gefäßen ein und hatte das allergrößte Inter-
esse für dergleichen Schaustellungen von Silber und
Gold, wie man sie beim Archekrates und bei Kallikrates
sehen konnte. Vielen stand er mit seinen Geldmitteln
zu Diensten und unterstützte sie. Und als einmal einer
silberne Gefäße von ihm geliehen hatte zur Bewirtung
von Freunden und sie bei sich behielt, soll er sie ihm
absichtlich zum Gebrauch überlassen und sie ihm, als
er sie zurückgeben wollte, mit Rücksicht auf seine Be-
dürftigkeit zum Geschenk gemacht haben. Einen Teil
seines Vermögens hatte er in Pitane; die Sendungen
von dorther erfolgten durch seinen Bruder Pylades.
Auch dem Eumenes, dem Sohn des Philetairos, ver-
dankte er viele stattliche Ehrengaben, weshalb er denn
ihm allein von allen Königen seine Schriften widmete.
39 Viele andere bezeugten auch dem Antigonos ihre Er-
gebenheit und machten ihm, sobald er erschien, ihre
Aufwartung; er dagegen hielt sich zurück, um jeden
Schein von Aufdringlichkeit zu vermeiden. Herzliche
Freundschaft verband ihn mit Hierokles, dem Befehls-
haber über Munychia und den Peiraieus. Bei fest-
licher Gelegenheit erschien er stets bei ihm zu Gaste.
Dessen dringende Aufforderungen an ihn, sich dem
Antigonos vorzustellen, blieben ohne Erfolg: er ging
nur bis an das Eingangstor, um dann wieder umzu-
kehren. Als nach der Seeschlacht des Antigonos 80 )
sich viele an ihn herandrängten und schmeichlerische
Briefe an ihn richteten, verharrte er selbst in Schwei-
gen. Gleichwohl übernahm er im Dienste seiner Vater-
stadt eine Gesandtschaft an Antigonos nach Demetrias,
40 ohne den Zweck zu erreichen. So brachte er denn fast
seine ganze Zeit in der Akademie zu, allen Staats-
Ape lt , Diogenes Laertins. 13
194
Arkesilaos.
geschäften aus dem Wege gehend. Zuweilen hielt er
sich auch in Athen im Peiraieus auf und hielt dort
seine Disputationen ab aus Freundschaft für den Hie-
rokles. Das gab auch Veranlassung zu manchen Ver-
leumdungen gegen ihn.
An starken Aufwand gewöhnt — denn was war er
denn anders als ein zweiter Aristipp — fand er sich
gern mit Männern gleicher Sinnesart an der Tafel zu-
sammen. Auch verkehrte er öffentlich mit den Elischen
Hetären Theodote und Philaite und berief sich den
Tadlern gegenüber auf des Aristipp Schriften. Auch
gegen Jünglinge war er in dieser Beziehung nicht
gleichgültig, sondern starker Leidenschaft ergeben, wes-
halb denn der Stoiker Ariston aus Chios und seine Ge-
nossen ihn stark verhöhnten, indem sie ihn einen Ver-
derber der J ugend, einen Lüstling und Frechling nann-
ten. Auch in den Demetrios, jenen, der die Seefahrt 41
nach Kyrene machte, soll er stark verliebt gewesen
sein, und in den Kleochares aus Myrleia. Über diesen
soll er auch zu Zechgenossen die Äußerung getan
haben: Ich will immer die Tür aufschließen, er aber ver-
sperrt sie mir.
Er stand auch in einem Liebesverhältnis mit De-
mochares, des Laches Sohn, und mit Pythokles, des
Bugelos Sohn. Als er diese miteinander auf der Tat
ertappte, sagte er, er sei nachsichtig genug, es ihnen
zu gewähren. Daher denn die bissigen Angriffe der
vorhin Genannten gegen ihn; sie spotteten seiner als
eines Gunsthaschers bei der Menge und eines Ruhm-
süchtigen. Am stärksten aber setzte ihm der Peripa-
tetiker Hieronymos immer zu, wenn er seine Freunde
zur Feier des Geburtstages des Halkyoneus, des Sohnes
des Antigonos, um sich versammelte, bei welcher Ge-
legenheit Antigönos reiche Geldzuschüsse für die Tafel- 42
freuden zu senden pflegte. Bei solchem Anlaß ver-
bat er sich auch jedesmal die Erörterung gelehrter
Fragen beim Becher und sagte zum Aridelos, der ihm
IV 40-43.
195
ein Problem vorlegte und ihn zur Besprechung desselben
aufforderte: „Das ist ja gerade der besondere Vorzug,
der Philosophie, daß sie die schickliche Zeit für jede
Sache zu wählen weiß." 31 ) Was aber den Vorwurf der
Gunsthascherei bei der Menge anlangt, so läßt sich dar-
über auch Timon unter anderen folgendermaßen ver-
nehmen [Fr. 34D.]:")
Arso sprach er und tauchte hinein in die Menge der Hörer.
Diese staunten ihn an, wie Finken, umpiepend die Eule,
Auf ihn weisend, den Eitlen, den Buhler um Beifall der Menge.
Wahrlich, kein groBes Verdienst. Was machst du dich breit
•wie ein Dummkopf?
Indes lag ihm tatsächlich alle Eitelkeit so fern, daß
er seine Schüler sogar dazu anhielt, auch andere zu
hören. Als ein junger Chier sich durch seinen Unter-
richt nicht befriedigt fühlte und auf den vorhin ge-
nannten Hieronymos als ihm zusagend hinwies, führte
er ihn selbst zu ihm und stellte ihn dem Philosophen
vor mit der Mahnung, sich einer guten Haltung zu be-
fleißigen. Ein artiges Wort von ihm ist auch das fol-
43 gende: Als ihn einer fragte, wie es käme, daß aus den
anderen Schulen viele in die des Epikur überlaufen,
aus der epikurischen aber keiner in andere, sagte er:
„Aus Männern können Entmannte werden, nicht aber
aus Entmannten Männer."
Als er sein Ende nahe fühlte, vermachte er sein
ganzes Vermögen seinem Bruder Pylades als Dank
dafür, daß dieser ihn ohne Wissen des Moireas nach
Ghios gebracht und von da nach Athen geleitet hatte.
Im Verlaufe seines Lebens hatte er weder geheiratet
noch Kinder gezeugt. Er fertigte drei Niederschriften
seines Testamentes an und legte die eine nieder in
Eretria bei Amphikritos, die zweite in Athen bei einigen
seiner Freunde, die dritte sandte er in seine Heimat an
Thaumasias, einen seiner Verwandten, mit der
Bitte, sie wohl zu verwahren. An diesen richtete er
auch folgendes Schreiben:
13*
196
Arkesilaos. Bion.
Arkesilaos entbietet dem Thaumasias seinen Gruß!
Ich habe dem Biogenes mein Testament übergeben 44
mit dem Auftrag, es dir zuzustellen. Denn meine zu-
nehmende Schwäche und mein körperlicher Verfall
legen es mir nahe, mein Testament zu machen, um,
wenn mir etwas zustoßen sollte, mein Leben nicht mit
einem Unrecht gegen dich zu beschließen, der du mir
so viele Beweise deines tätigen Wohlwollens gegeben
hast. Bir schenke ich in bezug auf Wahrung der
Testamentsbestimmungen unter allen meinen dortigen
Bekannten das größte Vertrauen, 33 ) sowohl wegen
deines Alters als wegen deiner Verwandtschaft mit mir.
Eingedenk also des unbedingten Vertrauens, mit dem
ich das Testament bei dir niederlege, versuche mir volle
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, damit, soweit es
auf dich ankommt, meine Verfügungen des beabsich-
tigten Eindruckes nicht entbehren. Es ist aber dies
Testament niedergelegt in Athen bei einigen meiner Be-
kannten und in Erelria bei Amphikritos.
Er starb, wie Hermippos berichtet, nach über-
mäßigem Genuß starken Weines in Irrsinn verfallen,
bereits 75 Jahre alt, von den Athenern geschätzt wie
kein anderer. Unser Epigramm auf ihn lautet fol- 45
gendermaßen:
Arkesilaos, wie konntest du doch im Genüsse des Kraftweins
So überbieten das Maß, daß du in Irrsinn verfielst?
Mehr noch als deinen Tod beklage ich, daß du beim Becher
Dich an den Musen vergingst durch deinen Mangel an Maß.
Es hat noch drei andere Männer des Namens Arkesi-
laos gegeben: der eine war ein Dichter der alten
Komödie, der zweite ein Elegiendichter, der dritte ein
Bildhauer. Auf diesen hat Simonides folgendes Epi-
gramm gedichtet:
Dies ist der Artemis Bild, errichtet für zweihundert Drachmen,
Drachmen von Parischer Art, kenntlich am Zeichen des Bocks.
Arkesilaos fertigte sie im Geist der Athene,
Des Aristodikos Sohn, herrlich mit kunstvoller Hand.
IV 43—47.
197
Unser Philosoph hatte seine Blütezeit, wie Apollo-
dor in den Chronika berichtet, in der 120. Olympiade
(300/296 v. Chr.).
Siebentes Kapitel.
Bion. Um 300 v. Chr.
Bion 34 ) war seiner Herkunft nach ein Borysthenite.
Über seine Eltern und über die Umstände, die ihn der
Philosophie zugeführt haben, gibt er selbst genaue Aus-
kunft, und zwar in einem Gespräch mit Antigonos. Als
dieser nämlich ihn fragte (Od. X 325):
Wer, weß Volkes bist du? Und wo ist deine Geburtsstadt?
merkte er an dem Tone der Frage, daß er verleumdet
worden sei und sagte zu ihm: „Mein Vater war ein
Freigelassener, der sich die Nase am Arme abwischte —
womit er andeutete, daß er ein Salzfischhändler war — ,
von Herkunft ein Borysthenit, ohne eigentliches Ge-
sicht, wohl aber mit einer Handschrift im Gesicht, die
von der Grausamkeit seines Herrn Zeugnis ablegte.
Meine Mutter war von der Sorte, wie sie ein Mann
dieser Art zu heiraten pflegt — aus einem Bordell.
Wegen Hinterziehung von Zollabgaben ward dann
mein Vater mit der gesamten Familie verkauft. Mich,
einen jungen, nicht reizlosen Gesellen, kaufte ein
Redner, der mir bei seinem Tode seine ganze Habe
hinterließ. Ich verbrannte seine Schriften, zerriß alles,
siedelte nach Athen über und wandte mich der Philo-
sophie zu (Jl. VI 211):
Siehe, solches Geschlechtes und Blutes darf ich mich rühmen.
Das ist die Wahrheit über mich. Mögen also Per-
saios 35 ) und Philonides es nun bleibenlassen, über
mich Forschungen anzustellen. Lerne mich durch mich
selbst kennen."
Kein Zweifel: Bion war einerseits ein gewandter
und vielseitiger Sophist, der denen, die die Philosophie
196
Bion.
herunterreißen wollten, zahlreiche Handhaben bot;
unter Umständen war er aber auch entgegenkommend
im Verkehr und selbst duldsam gegen Hochmut**)
Er hat eine große Menge von Abhandlungen
hinterlassen, aber auch Sentenzen, die sich für die An-
wendung nützlich erweisen. Ate man ihm z. B. vor-
warf, daß er nicht versucht habe, einen Jüngling für
sich zu gewinnen, erwiderte er: „Es ist nicht möglich,
einen weichen Käse mit der Angel zu fangen." Auf
die Frage, wer sich das meiste Leid auflade, antwortete
er: „Der, welcher der Glücklichste zu sein strebt" Bei 48
Gelegenheit der Heiratsfrage — denn auch dieses "Wort
wird ihm zugeschrieben — sagte er: „Heiratest da eine
Häßliche, so kann sie dir nicht gefallen, wenn aber eine
Schöne, so gefällt sie allen." 17 ) Das Alter, sagte er, ist
der Sammelplatz der Übel; denn alle Übel suchen da
ihre Unterkunft. Ruhm ist die Mutter von Trübsal")
Die Schönheit ist ein fremdes Gut Der Reichtum ist
der Nerv der Dinge. Von einem, der sich durch Wohl-
leben um seinen Grundbesitz gebracht hatte, sagte er:
J)en Amphiaraos verschlang die Erde, du aber ver-
schlangst die Erde." Ein großes Unglück ist es, Un-
glück nicht tragen zu können. Er fand es verkehrt,
die Menschen zu verbrennen, als wären sie fühllos. und
sie doch anzurufen, als hörten sie noch. Oftmals sagte
er, es sei besser, seine Jugendschönheit einem andern 49
hinzugeben, als selbstsüchtig sich den Genuß einer
anderen zu verschaffen, denn das wirke schädigend
auf Körper und Seele. Auch äußerte er sich ungehalten
über Sokrates mit den Worten: „Hatte er es auf Alki-
biades abgesehen und enthielt er sich trotzdem, so war
er ein Tor; war das aber nicht der Fall, so Hegt in
seinem Verhalten gar nichts Außerordentliches." Der
Weg zum Hades, meinte er, sei leicht und biete sich wie
von selbst dar; denn man lege ihn mit geschlossenen
Augen zurück. Den Alkihiades tadelte er mit den
Worten: _Als heranwachsender Jüngling machte er die
Männer ihren Weibem abspenstig, ab junger Mann die
IV 47—51
199
Weiber ihren Männern." In Rhodos lehrte er, wäh-
rend sich die Athener dort der Rhetorik befleißigten,
Philosophie; als ihm nun einer darüber Vorhalt tat,
sagte er: „Weizen habe ich mitgebracht, und ich sollte
nun Gerste verkaufen?" Die Insassen des Hades, sagt«
50 er, würden härter gezüchtigt werden, wenn sie in un-
durchbrochenen Fässern Wasser tragen müßten als in
durchlöcherten. Zu einem schwatzhaften Gesellen, der
ihn um seinen Beistand vor Gericht bat, sagte er: „Ich
werde dir den Gefallen tun, wenn du Anwälte bestellst
und nicht selbst erscheinst." Als er in Gesellschaft von
Schurken auf einer Seefahrt in die Gewalt von See-
räubern fiel und jene ausriefen: „Wir sind verloren,
wenn wir erkannt werden," satrte er: „Und ich, wenn
wir nicht erkannt werden." Dünkelhaftigkeit, pflegt«
er zu sagen, ist ein Hemmnis des Fortschrittes. Von
einem reichen Geizhals sagte er: „Nicht er besitzt sein
Vermögen, sondern sein Vermögen ihn." Von A"T\ Geiz-
hälsen überhaupt sagt er, sie sorgten für ihr Hab und
Gut wie für das Ihrige, zögen aber, als wäre es etwas
Fremdes, keinen Nutzen für sich daraus. Junge Leute,
sagte er, müßten es mit der Tapferkeit halten. Greise
müßten ihre Stärke in der Einsicht haben. Die Einsicht
hebe sich so deutlich von den anderen Tugenden ab
51 wie das Gesicht von den übrigen Sinnen. Das AKeT,
sagte er, dürfe man nicht schmähen, denn wir alle
wünschen zu ihm zu gelangen. Zu einem sichtlich
übellaunigen Neidhammel saete er: „Ich weiß nicht,
ob dir etwas Schlimmes widerfahren ist oder einem
andern etwas Gutes." Niedere Geburt, sagte er. sei eine
schlimme Hausgenossin (Mitgabe) für freimütige Rede,
denn (Enr. Hipp. 434)
Sie duckt den Mann, so dreist er auch im Reden sei
Die Freunde, welcher Art sie auch sind, muß man
sich zu erhalten bestrebt sein, damit wir nicht in den
Verdacht kommen, übele Freunde zu haben odeT brave
Freunde abgestoßen zu haben.
200 Bloti.
Er hatte sich zuerst für die Akademie ent-
schieden, 30 ) in der Zeit, wo er des Krates Schüler war;
dann wandte er sich der kynischen Schule zu, den
schäbigen Mantel über den Schultern und den Quer-
sack auf dem Rücken. Diese äußere Veränderung war 52
aber auch das einzige, womit er sich zu dem kynischen
Grundsatz der Abhärtung gegen alles Leid bekannte.
Späterhin ging er zu den Theodoreern über, nachdem
er den Theodoros. den Atheisten, diesen Tausendkünstler
der sophistischen Rede gehört hatte. Darauf hörte er
den Peripatetiker Theophrastos. Er hatte auch einen
Stich ins Theatralische und war stark in der Kunst,
die Dinge ins Lächerliche zu ziehen, indem er mit
drastischen und derben Ausdrücken für die Dinge
nicht sparte. Weil er es verstand, seine Rede in allen
Farben schimmern zu lassen, soll Eratosthenes von
ihm gesagt haben, Bion habe zuerst der Philosophie
ein blumiges Gewand angelegt. Auch für Parodie hatte
er entschiedene Begabung. Dahin gehören z. B. fol-
gende Verse: 40 )
Trauter Archytas, der Laute verwandt, deiner Sache so sicher,
Allerkundigster du des Streits über Länge der Saiten.
Überhaupt trieb er mit Musik und Geometrie seinen 53
Spott. Er machte großen Aufwand, und darum wan-
derte er von Stadt zu Stadt und scheute sich zuweilen
auch nicht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.
So wußte er in Rhodos die Schiffer zu bereden, Schüler-
kleidung anzulegen und als sein Gefolge aufzutreten.
Mit ihnen trat er in das Gymnasium ein, wo er aller
Augen auf sich zog. Auch pflegte er einige seiner
Schüler an Sohnes Statt anzunehmen, teils um seine
Lustbegier an ihnen zu befriedigen, 41 ) teils um an ihrer
Zuneigung einen Schutz zu haben. Aber auch die
Eigenliebe war an ihm stark ausgeprägt, wie er denn
großes Gewicht auf den Spruch legte: Freundesgut ist
gemeinsam. Daher gibt es auch keinen Schüler, der
sich bestimmt nach ihm bezeichnete. Also trotz der
IV 51—58.
201
großen Zahl seiner Hörer gab es doch keine nach ihm
54 benannte Sekte. Doch verführte er manche zur Un-
zucht. So soll Betion, einer seiner Vertrauten, einst zu
Menedem gesagt haben: „Ich, Menedemos, verbinde
mich des Nachts mit Bion und glaube, es ist mir dabei
nichts Unziemliches widerfahren." Oft erging er sich
auch im Verkehr mit seinen Schülern in gottlosen
Äußerungen, eine Folge seiner Beziehungen zu Theo-
doras.
Als er dann später in eine Krankheit verfiel, lieü er
sich — so erzählt man in Chalkis, wo er auch gestorben
ist — überreden, Amulette zu tragen und reuig wieder
gut zu machen, was eT gegen die Gottheit gesündigt.
Der Mangel an Krankenwärtern brachte ihn in eine
traurige Lage, bis Antigonos ihm zwei Krankenwärter
zuschickte. Und er folgte auch selbst 42 ) in einem Trag-
sessel, wie Favorin in seinen Vermischten Geschichten
erzählt. Aber auch ich habe über sein Lebensende
meinen Tadel geäußert in folgenden Versen:
55 Als Skythe, vom Borysthenes, stammt Bion her, der dreiste,
Der sich, wie wohlbekannt, vermaß der Götter Sein zu .leugnen.
Und, blieb er fest bei diesem Satz, so könnte man wohl sagen:
Der Mann ist überzeugungstreu, so schlecht auch ist sein Glaube.
Doch nun, von Krankheit heimgesucht und bange vor dem
Sterben,
Was tat er jetzt, der Atheist, der keinen Tempel ansah
56 Und fromme Opf'rer fühlen ließ die Schärfe seiner Zunge?
Er füllte auf dem eig'nen Herd, auf Tisch und auf Altaren
Mit Fettgeruch, mit Räucherwerk, mit Dampf die Götternasen
Und betete : Vergebet mir, ich sündigte. Und mehr noch :
Er streckte willig einem Weib den Hals hin zur Besprechung,
Umwickelte mit Riemen auch gehorsam seine Arme,
57 Ließ ob der Türe an der Wand Lorbeer und Schwarzdorn
prangen,
Bereit zu allem, nur allein zum Tod sich nicht bequemend.
Der Tor, der Gottes Dasein nur durch Lohn erkaufen wollte,
Als gäb' es Götter eben nur, wenn Bion an sie glaubte!
All deine Weisheit half dir nichts, schon ward der Tor zur Kohle
Und reicht die Hand dem Pluton hin: Sei mir gegrüßt, o Pluton!
58 Es sind der Männer des Namens Bion zehn ge-
wesen: erstens der Zeitgenosse des Syriers Pherekydes,
202
Lakydes. Karneades.
ein Prokonnesier, von dem es zwei Bücher gibt; zwei-
tens ein Syrakusaner, Verfasser einer Schrift über
Rhetorik; drittens unser Bion hier; viertens ein Demo-
kriteer und Mathematiker aus Abdera, der in attischem
und ionischem Dialekte schrieb. Dieser war es, der zu-
erst das Vorhandensein von Gegenden behauptete, wo
Tag und Nacht je sechs Monate dauerten. 43 ) Der
fünfte war ein Solier, der Verfasser einer Schrift über
Äthiopien, der sechste ein Rhetor, von dem es neun
Bücher gibt, betitelt nach den Musen; der siebente ein
lyrischer Dichter; der achte ein Bildhauer aus Milet,
dessen auch Polemon gedenkt; der neunte der Dichter
einer Tragödie, betitelt Tarsiker; der zehnte ein Bild-
hauer aus Klazomenai oder Ghios, dessen Hipponax
gedenkt.
Achtes Kapitel.
Lakydes. Um 240 v. Chr.
Lakydes war der Sohn des Alexandros, seine Hei- 59
raat war Kyrene. Er ist der Stifter der neuen Aka-
demie und Nachfolger des Arkesilaos, ein hochacht-
barer Mann, der nicht wenige Nacheiferer gehabt hat.
Von jung auf war er an strenge Arbeit gewöhnt; er
war zwar arm, aber liebenswürdig und umgänglich.
Auch in Führung seiner Hauswirtschaft soll er sehr
gutmütig gewesen sein. Wenn er aus seiner Vorrats-
kammer etwas geholt hatte, versiegelte er die Eingangs-
tür dazu und schob den Siegelring durch eine kleine
Öffnung wieder nach innen, um so jeder Wegnahme
und Entwendung von Vorräten vorzubeugen. Die
Diener, die das gemerkt hatten, lösten das Siegel und
nahmen, was ihnen beliebte; dann schoben sie den
Siegelring auf die nämliche Weise durch die Öffnung
wieder in die Kammer hinein. Und so oft sich das auch
wiederholte, sie wurden doch nie ertappt.
IV 5S-62. 203
60 Lakydes hielt seine Schule in der Akademie in dem
von dem König Attalos, hergerichteten Garten, der nach
dem Schulhaupt Lakydeum genannt wurde. Er war
auch nach Menschengedenken der einzige, der noch bei
Lebzeiten die Schule an andere übergab, nämlich an die
Phokeenser Telekles") und Euander. Von Eu ander
übernahm sie dann der Pergamener Hegesmus, von
diesem Karneades. Ein hübsches Wort wird dem La-
kydes zugeschrieben. Als nämlich Attalos ihn zu sich
beschied, soll er gesagt haben, die Bilder müsse man
aus der Entfernung betrachten. Erst spat beschäftigte
61 er sich mit Geometrie; da sagte einer zu ihm: „Erst
jetzt findest du dazu Zeit?" Darauf er: Sollte ich
mich etwa noch länger besinnen, es zu tun?
Der Beginn seines Scholarchats fällt in das vierte
Jahr der 134. Olympiade (244/241 v. Chr.) und es
endigte nach sechsundzwanzig Jahren. Er starb an
Lähmung infolge zu starken Weingenusses. Wir haben
folgendes Liedchen auf ihn gedichtet:
Also auch dich, Lakydes, zog an den Füßen der Weingott,
Wie uns die Kunde bezeugt, grausam zum Hades hinab.
Ja, es ist wahr: Dionysos, in Fülle den Körper durchdringend.
Löset die Glieder und wird darum Lyaios (Loser) genannt.
Neuntes Kapitel.
Karneades. Um 160 v. Chr.
Karneades war der Sohn des Epikomos oder, wie
Alexander in den Diadochae (Nachfolgen) sagt, des
Philokomos. Er stammte aus Kyrene. Er war em
eifriger Leser der stoischen Schriften, vor allem der
Bücher des Chrysipp, die er in höflichem Tone be-
kämpfte, mit solchem inneren Wohlbehagen, daß er
den Spruch darauf machte:
Qäb's den Chrysippos nicht, wär's auch um mich geschehn.
204
Karneades. Kleitomachos.
Er besaß einen Arbeitstrieb, wie kaum sonst jemand.
In der Physik war er weniger bewandert, umsomehr
in der Ethik. So ließ er sich denn, unablässig mit
seinen Vorträgen beschäftigt, Haare und Nägel lang
wachsen. In der Philosophie war sein Auftreten von
stärkster Wirkung: sogar die Rhetoren verließen ihre
Schulen und kamen zu ihm, ihn zu hören. Er hatte
eine ungemein kräftige Stimme, so daß der Gymnasi- 63
arch zu ihm schickte, er solle nicht so laut schreien,
worauf er erwiderte: „So gib mir ein Maß für die
Stimme." Darauf habe jener sehr treffend geantwortet:
„Dein Maß hast du an den Zuhörern." 40 ) Er war hef-
tig und ungestüm im Tadel und bei Streitfragen schwer
zu bekämpfen. Tafelfreuden mied er aus den vorher
berührten Gründen.
Favorin gibt in den Vermischten Geschichten ein
Geschichtchen von seinem Auftreten gegen einen
Schüler und Hörer, den Bithynier Mentor, zum besten.
Dieser nämlich machte sich an die Beischläferin des
Karneades heran; da redete er ihn mitten im Vortrag
parodierend an (Od, 4, 349 ; 2, 401):
Siehe, ein Meergreis hält sich hier auf von untrüglicher Wahrheit 64
Gleichend dem Mentor sowohl an Gestalt wie auch in der Stimme.
Er soll von dieser Schule ausgeschlossen sein.
Sofort erhob sich jener mit den Worten (Jl. 2, 52):
Laut verkündeten sie's und flugs war die Menge versammelt.
Dem Tode scheint er mit nicht geringer Zaghaftig-
keit entgegengesehen zu haben, denn man hörte ihn
häufig die Worte sagen: „Die Natur wird, was sie zu-
sammengesetzt hat, auch wieder auflösen." Als er
hörte, daß Antipater durch Gift sich das Leben ge-
nommen habe, fühlte auch er sich angeregt zu mutiger
Stimmung gegenüber dem Tode und sagte: „So gebt
denn auch mir." — „Nun, was denn?" erwiderte man,
worauf er antwortete: „Honigwein." Bei seinem Tode
soll eine Mondfinsternis eingetreten sein zur Andeu-
IV 62-67.
205
tung, wie man wohl sagen könnte, des Mitgefühls des
65 nächst der Sonne schönsten Gestirnes. Apollodor be-
richtet in den Chronika, er sei im vierten Jahr der
1G2. Olympiade (132/129 v. Chr.) gestorben in einem
Alter von 85 Jahren.
Es gibt noch Briefe von ihm an Ariarathes, den
König von Kappadokien. Was sonst von ihm umgeht,
haben seine Schüler zusammengestellt; er selbst hat
nichts hinterlassen. Auch auf ihn gibt es ein Gedicht
von mir in logaödischem und archebulischem Versmaß:
Was soll ich, Muse, tadeln am Karneades? Auf! sag es mir!
Der kennt ihn nicht, der nicht Bescheid weiß über seine Furcht
Dem Tode gegenüber; als an ihm die böse Krankheit zehrte,
Da widersetzt' er sich der Auflösung, bis er vernahm,
Daß Antipatros selber sich durch Qift das Leben nahm.
66 „So gebt auch mir zu trinken," rief er. „Was denn? Was?"
„Gebt Honigwein." Nicht müde ward er vorzubringen diesen
Spruch :
„Es wird Natur, die mich zusammenfügte, mich auch dösen."
Er mußte gleichwohl abziehn in das Totenreich. Und doch!
Um wieviel leichter hätf er wandern können in des Hades Reich.
Es wird erzählt, er hätte an Verschleierung des
Augenlichtes gelitten, ohne es zu wissen, 40 ) und habe
dem Sklaven befohlen, Licht anzuzünden. Als dieser
es gebracht und mit den Worten hingesetzt habe: „Hier
ist es," habe er gesagt: „Gut, so lies du."
Unter den vielen Schülern, die er gehabt, war der
namhafteste Kleitomachos, über den gleich zu reden
sein wird. Es hat auch noch einen anderen Karneades
gegeben, einen frostigen Elegiendichter.
Zehntes Kapitel.
Kleitomachos. Um 130 v. Chr.
67 Kleitomachos stammte aus Karthago. Sein eigent-
licher Name war Asdrubas. In seiner Heimat philo-
sophierte er in seiner Muttersprache. Im Alter von
206 Kleitomachos. Aristoteles.
vierzig Jahren kam er nach Athen und hörte den Kar-
neades. Dieser fand Gefallen an seiner Arbeitsamkeit,
machte ihn mit griechischer Schrift und Literatur be-
kannt und bildete ihn aus. Er war so fleißig und be-
triebsam, daß er über 400 Bücher verfaßte. Er wurde
der Nachfolger des Karneades und erläuterte in seinen
Schriften vor allem die Lehren dieses Mannes. Er hat
drei Schulen besucht: die akademische, die peripate-
tische und die stoische. Die Akademiker insgesamt
hechelt Timon in folgendem Verse durch [Fr. 35 D.]:
Auch nicht die Akademie mit dem ungesalzenen Wortschwall.
Nachdem wir so des Piaton Nachfolger durchge-
sprochen, wenden wir uns nun zu den auch von Piaton
ausgegangenen Peripatetikern, an deren Spitze Aristo-
teles steht.
Fünftes Buch.
i
Erstes Kapitel.
Aristoteles. 384—322 v. Chr.
1 Aristoteles, des Nikomachos und der Phaistias
Sohn, stammte aus Stageira. Nikomachos war ein
Sohn des Nikomachos, dieser ein Sohn des Machaon
und dieser ein Sohn des Asklepios, wie Hermippos in
seiner Schrift über Aristoteles berichtet. Des Aristo-
teles Vater Nikomachos lebte am Hofe des Makedoner-
königs Amyntas als dessen Arzt und Freund.
Aristoteles war derjenige unter den Schülern Pia-
tons, der ihm an Geisteskraft am nächsten stand. Er
stieß beim Sprechen mit der Zunge etwas an, wie der
Athener Timotheos in seinen Lebensbeschreibungen er-
zählt, auch war er schwach auf den Beinen, wie man
sagt, und kleinäugig, kleidete ©ich aber stattlich und
ließ es an Fingerringen und Haarpflege nicht fehlen.
Er hatte auch einen Sohn Nikomachos von seiner Kon-
kubine Herpyllis, wie Timotheos sagt.
2 Er trennte sich von Piaton noch bei dessen Leb-
zeiten, so daß dieser gesagt haben soll: „Aristoteles hat
gegen mich ausgeschlagen, wie es junge Füllen gegen
die eigene Mutter tun." Hermippos erzählt in den
Lebensbeschreibungen, während einer Gesandtschafts-
reise des Aristoteles zum König Philippos zur Wah-
rung der Interessen Athens sei Xenokrates zum Haupte
der Akademie erhoben worden; als nun Aristoteles bei
208 Aristoteles.
seiner Rückkehr die Schule unter der Leitung eines
anderen gesehen hätte, habe er sich einen Garten des
Lykeions zur Stätte seiner Lehrtätigkeit erwählt, wo er
täglich bis zur Zeit des Salbens auf und abwandelnd
sich mit seinen Schülern in philosophischen Unter-
haltungen ergangen habe. Daher der Name Peripate-
tiker (Herumwandler). Andere führen den Namen
darauf zurück, daß er mit dem von einer Krankheit
wiedergenesenen Alexander Spaziergänge unter lehr-
reichen Gesprächen gemacht habe. Als die Zahl der 3
Schüler weiterhin wuchs, begann er seine Vorträge
auch im Sitzen zu halten, was er mit den Worten ein-
leitete:
Xenokrates soll reden und ich schweigen? Nein!
Er übte seine Schüler in Behandlung aufgestellter
Thesen, unterließ es aber nicht, sie zugleich nach der
rhetorischen Seite hin zu schulen. Späterhin begab er
sich zu dem Eunuchen (Verschnittenen) Hermeias, dem
Herrscher von Atarneus; einige behaupten, dieser
sei sein Geliebter gewesen, andere, Hermeias habe sich
mit ihm verschwägert und ihm seine Tochter oder
Nichte zur Frau gegeben, wie der Bericht des Magne-
siers Demetrios in seinem Homonymenbuch (Buch
über gleichnamige Dichter und Schriftsteller) lautet.
Er behauptet auch, Hermeias, von Abkunft Bithynier,
sei ehedem Sklave des Eubulos gewesen und habe seinen
Herrn umgebracht. Aristipp aber im ersten Buch über
die Schwelgerei der Alten berichtet, Aristoteles habe sich
in die Konkubine des Hermeias verliebt, Hermeias habe
sie ihm abgetreten, er habe sie geheiratet und im 4
Überschwange der Freude ihr ein Opfer dargebracht
nach dem Muster desjenigen, das die Athener der Eleu-
sinischen Demeter darbringen. Und dem Hermeias
widmete er einen Lobgesang, der weiter unten mitge-
teilt ist. Von da soll er sich nach Makedonien zu
Philipp begeben und den Unterricht seines Sohnes
Alexander übernommen haben. Auch soll er ihn ge-
V 2-6.
209
beten haben, seine Vaterstadt Stageira wiederherzu-
stellen, die von Philipp zerstört worden war; die Bitte
sei ihm gewährt worden, und er sei auch ihr Gesetz-
geber geworden. Trat er doch auch in seiner Schule
als Gesetzgeber auf nach dem Vorgang des Xeno-
krates, indem er alle zehn Tage einen neuen Vorsteher
erwählen ließ.
Nachdem er seine Aufgabe an Alexander erfüllt zu
haben glaubte, siedelte er nach Athen über, nicht ohne
ihm seinen Verwandten, den Olynthier Kallisthenes,
empfohlen zu haben. Da dieser dem König in seinen
Reden zu freimütig entgegentrat und sich den War-
5 nungen des Aristoteles nicht fügte, soll er (Aristoteles)
ihn mit den Worten zurechtgewiesen haben ( Jl. 18, 95) :
Bald,. mein Sohn, verblühet das Leben dir, so wie du redest!
Und das traf denn auch zu. Er geriet nämlich in den
Verdacht, an dem Anschlag des Hermolaos gegen
Alexander beteiligt gewesen zu sein und wurde, ver-
laust und jeder Püege bar, in einem eisernen Käfig
herumgeführt und schließlich einem Löwen vorge-
worfen. So kam er ums Leben.
Nach Athen übergesiedelt, blieb Aristoteles dreizehn
Jahre Leiter seiner Schule, bis er nach Ghalkis ent-
wich infolge einer Anklage, die der Oberpriester
Eurymedon oder, wie Favorin in seinen Vermischten
Geschichten schreibt, Demophilos gegen ihn wegen an-
geblicher Gottlosigkeit angestrengt hatte, auf Grund
eines Lobgesanges auf den vorbin genannten Hermeias
6 sowie auch eines Epigramms, das er auf dessen Statue
in Delphi hatte setzen lassen und das folgendermaßen
lautete:
Diesen brachte ums Leben der bogenkundigen Perser
Mächtiger Herrscher dereinst wider der Qötter Gebot.
Nicht mit der Lanze ward er erlegt im offenen Kampfe,
Nein, er ward durch die List eines Vertrauten gefällt.
Hier starb er an einem Schierlingstrank, wie Eume-
los in dem fünften Buch seiner Geschichten erzählt, in
A p e 1 1 . Diogenes Laertins. 14
210
Aristoteles.
einem Alter von 70 Jahren. Eben dieser behauptet
auch, er habe sich als Dreißigjähriger an Piaton an-
geschlossen. Beides beruht auf Irrtum. Er ist viel-
mehr nur G3 Jahre alt geworden, und sein Anschluß
an Piaton erfolgte in seinem 17. Jahre.
Der Lobgesang (Hymnus) aber lautet folgender-
maßen:
Tugend, schwer erringbar für die Menschen, 7
Schönstes Ziel uns für das Leben,
Hehre Jungfrau, deine Schönheit läßt die Menschen
Unverzagt die größte Mühe tragen,
Macht in Hellas selbst den Tod zur Freude.
Solche Himmelsfrucht erwächst durch dich dem Herzen.
Weder Qold noch Eltern noch des süßen Schlafes Ruhe
Kommen dir an Wert gleich und an Würde.
Dir zu Liebe scheute Herakles, der Zeusentsproß'ne,
Scheuten Leda's Söhne keine Mühsal
Deiner habhaft sich zu machen.
Dich ersehnend weihte sich Achilles,
Weihte Aias sich dem Tode.
Ja, dein Bild, das holde, 8
Ließ auch den Hermeias auf der Sonne Strahl verzichten.
Seine Taten leben fort im Liede
Und die Musen, Mnemosynes Töchter,
Mehren seines Namens Ruhm in Zukunft,
Zeus zu Ehren preisend seine Gastlichkeit und seine Freundschait.
Auch von mir gibt es Verse auf Aristoteles:
Den Aristoteles wollte belangen Eurymedon einstens,
Priester -der Ceres, da er frevele wider den Gott.
Doch er entzog sich durch Gift dem Gericht und errang ohne
Mühe
Uber die Feinde den Sieg, machte zu Schanden ihr Werk.
Wie Favorin in seinen Vermischten Geschichten be- 9
richtet, ist er der erste gewesen, der — eben in dieser
Anklagesache — eine gerichtliche Rede zu eigener Ver-
teidigung schriftlich abgefaßt hat, wobei er die Worte
des Homer auf Athen anwandte:
Birnen reifen auf Birnen und Feigen reifen auf Feigen. 1 )
Nach Apollodor in den Chronika ist er im ersten
Jahre der 99. Olympiade (384 v. Chr.) geboren, hat
V 6-11.
211
sich als Siebzehnjähriger an Piaton angeschlossen und
ist zwanzig Jahre dessen Schüler gewesen. Nach Mity-
lene ist er im vierten Jahre der 108. Olympiade (345
v. Chr.) unter dem Archontat des Eubulos gekommpn.
Nach Piatons Tode im ersten Jahre dieser Olympiade,
unter dem Archontat des Theophilos, ist er zum Her-
uieias gereist, bei dem er drei Jahre geweilt hat. Unter
dem Archontat des Pythodotos begab er sich zum Phi-
lo lipp, im zweiten Jahre der 109. Olympiade (343 v. Chr.),
als Alexander fünfzehn Jahre alt geworden war. Dar-
auf kehrte er im zweiten Jahre der 111. Olympiade
(335 v. Chr.) nach Athen zurück und lag im Lykeion
dreizehn Jahre seiner Lehrtätigkeit ob; dann begab er
sich im dritten Jahre der 114. Olympiade (322 v. Chr.)
nach Chalkis und starb da im Alter von 63 Jahren an
einer Krankheit, in demselben Jahre, in dem auch
Demosthenes in Kalauria starb unter dem Archontat
des Philokles.
Bekanntlich hat er durch seine Empfehlung des
Kallisthenes bei König Alexander sehr angestoßen.
Um ihn (den Aristoteles) zu kränken, soll Alexander
den Anaximenes 2 ) stark begünstigt und dem Xeno-
krates Geschenke geschickt haben. Auch der Chier
Theokrit ließ seinen Spott an ihm aus in einem Epi-
11 gramm, das nach Ambryon 3 ) in seiner Schrift über
Theokrit folgenden Wortlaut hatte:
Leeren Kopfes weiht Aristoteles einem Eunuchen,
Einem Sklaven Eubuls, leer dem Hermeias ein Grab.
Er, der, ergeben dem Dienste des Bauchs, es vorzog zu wohnen
An des Borboros Strand statt in der Akademie.
Aber auch Timon setzte ihm hart zu mit den Worten
1 Fr. 36 D.] :
Auch Aristoteles nicht mit seinem leeren Geschwätze.
Dies das Leben des Philosophen. Wir aber, haben
auch Einblick tun können in das Testament des
Mannes, das etwa folgenden Wortlaut hat: 4 )
14*
212
Aristoteles.
„Hoffentlich geht alles gut; für den Fall aber, daß
sich etwas ereignen sollte, hat Aristoteles folgende letzt-
willige Verfügungen getroffen: Die Aufsicht über alles
und in allen Stücken soll in der Hand des Antipater
liegen. 43 ) Bis zu dem Zeitpunkt, wo Nikanor*) eintreten 12
kann, sollen Vormünder sein Aristomenes, Timarchos,
Hipparchos, Dioteles, Theophrastos, wenn er dazu be-
reit und es ihm möglich ist, sowohl über die Kinder wie
Uber die Herpyllis und den gesamten Nachlaß. Und ist
das Mädchen herangereift, so soll sie dem Nikanor zur
Gattin gegeben werden; stößt ihr aber etwas zu — was
Gott verhüte und was nicht stattfinden wird — vor
oder nach der Hochzeit, ohne daß noch Kinder vor-
handen sind, so soll Nikanor Vollmacht haben, für den
Sohn und das Übrige die nötigen Anordnungen zu
treffen, so wie es seiner und unser würdig ist. Auch
soll Nikanor Sorge tragen für das Mädchen und für
den Knaben Nikonuichos in einer für beide") gebüh-
renden Weise wie an Vaters und Bruders statt. Sollte
aber dem Nikanor vorzeitig etwas ztistoßen, was Gott
verhüte, sei es vor der Hochzeit mit dem Mädchen, sei 13
es nachher, ohne daß Kinder vorhanden sind, so soll
den Anordnungen, die er etwa getroffen hat, Folge ge-
leistet werden. Wünscht aber Theophrast des Mäd-
chens Gatte zu werden, so soll es gehalten werden wie
bei der Ehe mit Nikanor; wo nicht, so sollen die Vor-
münder im Verein mit Antipater sowohl über das
Mädchen wie über den Knaben in gemeinsamer Be-
ratung ihre Anordnungen nach bestem Ermessen
treffen. [Es sollen aber die Vormünder und Nikanor
bei ihren Maßregeln stets meiner und der Herpyllis
als meiner treuen und fürsorglichen Genossin ein-
gedenk sein sowie ihrer sonstigen Pflichten; und
wünscht sie sich wieder zu verheiraten, so soll sie
keinem Manne überlassen werden, der meiner nicht
würdig wäre. Es sollen ihr aber außer dem, was sie
früher empfangen, ein Talent Silber aus dem Nachlaß
und wenn sie es wünscht, drei Dienerinnen überlassen
V 11—16.
213
werden, sowie die Magd, die sie hat, und der Bursche
H Pyrrhaios; und will sie in Chälkis wohnen bleiben, so
soll ihr das am Garten liegende Gasthaus überlassen
werden, oder, wenn in Stageira, dann das väterliche
Haus. Mag sie nun das eine oder das andere wollen, so
sollen ihr die Vormünder das Haus mit den erforder-
lichen Gerätschaften ausstatten, geschmackvoll und
den Wünschen der Herpyllis entsprechend. Nikanor
soll auch Sorge tragen, daß der junge Myrmex in einer
unser würdigen Weise wieder den Seinigen zugeführt
werde mit allem, was wir ihm Zugehöriges in Empfang
genommen haben. Ambrakis soll frei sein und, wenn
meine Tochter heiratet, 500 Drachmen erhalten nebst
der Magd, die sie hat. Auch Thaies soll außer der ge-
kauften Magd, die er hat, 1000 Drachmen erhalten und
eine Magd, Auch dem Simon soll man, abgesehen von
15 dem früher zum Kauf eines Burschen ihm überwiesenen
Geld, entweder einen Burschen kaufen oder Geld zum
Kaufe geben. Tycho soll frei sein, sobald meine Tochter
heiratet, ebenso Philon und Olympios und dessen Knab-
lein. Von den jungen Burschen, die den Dienst bei mir
versehen haben, sott keiner verkauft werden, vielmehr
sotten sie im Hausdienst verwendet werden; sind sie
aber herangewachsen, so sollen sie nach Verdienst die
Freiheit erhalten. Es soll auch Sorge getragen werden
für Fertigstellung der Bildnisse, die dem Gryllion in
Auftrag gegeben sind; nach ihrer Vollendung sollen sie
gehörigen Ortes aufgestellt werden, das BM des Nika-
nor und das des Proxenos, das ich in Auftrag zu geben
mir vorgenommen, sowie das der Mutter des Nikanor.
Und was das bereits vollendete Büdnis des Arimnestos
anlangt, so soll es eine Aufstellung finden, die es zu-
gleich als Denkmal erscheinen läßt, da er kinderlos ge-
16 storben ist. Auch soll ein Bildnis meiner Mutter der
Demeter in Nemea geweiht werden oder wo es sonst gut
scheint. Wo man mein Grab herrichtet, da sollen auch
die ausgehobenen Gebeine der Pythias beigesetzt wer-
den, wie sie es selbst angeordnet hat. Auch soll Nika-
214
Aristoteles.
not für seine zu hoffende Rettung das Gelübde erfüllen,
das ich für ihn getan habe: steinerne Bildsäulen') vier
Ellen groß dem rettenden Zeus und der rettenden
Athene in Stageira."
So steht es um sein Testament, Wie es heißt, fanden
sich bei ihm auch Tiegel in großer Zahl vor, und wie
Lykon behauptet, pflegte er sich in einer Wanne heißen
Oles zu baden und das Öl dann zu verkaufen. 8 ) Einige
wollen auch wissen, er habe die Gewohnheit gehabt,
sich einen Schlauch mit heißem Öl auf den Magen zu
legen, und wenn er sich zur Ruhe legte, habe er eine
eherne Kugel in die Hand genommen, unter der eine
Schüssel aufgestellt war, um beim Falle der Kugel in
das Gefäß durch den Schall geweckt zu werden.
Es werden auch folgende besonders treffende Aus- 17
sprüche auf ihn zurückgeführt. Auf die Frage, was die
Lügner für einen Gewinn von ihren Lügen haben, ant-
wortete er: „Daß man ihnen nicht glaubt, auch wenn
.sie die Wahrheit sagen." Als man ihm vorwarf, daß er
einem Taugenichts ein Almosen gegeben, sagte er:
„Mein Mitleid galt nicht seinem Verhalten, sondern
dem Menschen." 9 ) Oft pflegte er zu seinen Freunden
lind Schülern, wo auch immer im Tageslicht 10 ) er ver-
weilte, zu sagen: „Das Gesicht empfängt sein Licht von
der umgebenden Luft, die Seele aber das ihre von dem
Unterricht." Oft auch sagte er mit starker Betonung:
„Die Athener hätten den Getreidebau und die Gesetze
erfunden ; allein das Getreide zwar wußten sie zu ver-
werten, nicht aber die Gesetze." „Die Wurzeln der Bil-
dung," sagte er, „sind bitter, ihre Früchte aber sind
süß." Auf die Frage, was schnell veralte, sagte er: „Der 18
Dank." Gefragt, was die Hoffnung sei, sagte er: „Der
Traum eines Wachenden." Als ihm Diogenes eine ge-
trocknete Feige reichte, sagte er sich, daß, wenn er sie
nicht annähme, jener ein beißendes Wort gegen ihn in
Bereitschaft hätte; er nahm sie also an mit den
Av orten, Diogenes sei nicht nur um seine Feige, son-
dern auch um sein Witzwort gekommen. Und als er
V 16—20.
215
ihm wieder eine reichte, nahm er sie, hob sie nach
Knabenart hoch in die Luft und gab sie mit den Worten
0 großer Hrmmelssohn" (Ms-ra? Aio^c) zurück.
Dreierlei, pflegte er zu sagen, ist nötig für die Erziehung
und Geistesbildung: Naturanlage, Belehrung, Übung.
Als er von einem Verleumder hörte, der ihn verun-
glimpfte, sagte er: „Wenn ich abwesend bin, mag er
mir auch Geißelhiebe verabreichen." Die ^honhert^
19 pflegte er zu sagen, sei eine bessere Empfehlung als,
jeder Brief. Andere schreiben das Wort in dieser |
Fassung dem Diogenes zu, während er selbst die Wohl-
gestalt für ein Geschenk Gottes 11 ) erklärt habe. So-
krates erklärte sie angeblich für eine Gewaltherrschaf
(Tyrannis) von kurzer Dauer, Piaton für ein Vorrecht
der Natur, Theophrast für einen schweigenden Betrug,
Theokrit für einen elfenbeinernen Scha'den, Karneades
für ein Königtum ohne Leibwächter.
Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Ge-
bildeten und Ungebildeten antwortete er: »Er ist so
groß wie der zwischen Lebenden und Toten." ) Die
Bildung, sagte er, sei in glücklichen Zeiten eine Zierde,
im Unglück eine Zuflucht. Diejenigen Eltern, die
ihren Kindern eine gute Bildung gegeben hätten, seien
weit achtungswerter als die, welche sie bloß zeugten;
denn die letzteren schenkten ihnen nur das Leben, die
ersteren aber auch den Vorzug, tadellos zu leben. Zu
einem, der sich seiner Abkunft aus einer großen Stadt
rühmte, sagte er: „Nicht darauf kommt es an, sondern
darauf, daß man eines großen Vaterlandes auch wür-
20 dig sei." Die Frage, was ist ein Freund? beantwortete
er mit der Erklärung: „Eine Seele, die in zwei
Leibern wohnt." Die Menschen, sagte er, seien teils
so karg, als ob sie ewig leben, teils so verschwenderisch,
als ob sie im nächsten Augenblick sterben würden.
Als einer ihm die Frage vorlegte: „Wie kommt es, daß
wir mit schönen Leuten uns gern recht lange unter-
halten?" entgegnete er: „So kann nur ein Blinder
fragen." Als ihm einer mit der Frage kam, welcher
216
Aristoteles.
Gewinn ihm aus der Philosophie erwachsen wäre,
sagte er: „Daß ich ohne Befehl tue, was andere nur
aus Furcht vor den Gesetzen tun."") Auf die Frage,
wie die Schüler sich am besten in ihrem Fortschreiten
förderten, antwortete er: „Wenn sie denen, die einen
Vorsprung hätten, nacheilten, ohne auf die Rück-
ständigen zu warten." Einen Schwätzer, der ihn mit
seinem Gewäsch überschüttet hatte und fragte: „Ich
bin dir doch nicht zur Last gefallen?" fertigte er mit
den Worten ab: „Nicht im mindesten, denn ich habe
gar nicht auf dich geachtet." Auf den Vorwurf, den
man ihm machte, daß er einem Unwürdigen eine Unter-
stützung habe zuteil werden lassen — denn auch in 21
dieser Form tritt die Sache auf") — antwortete er:
..Nicht dem Menschen galt meine Gabe, sondern der
Menschlichkeit." Auf die Frage, wie wir uns gegen
unsere Freunde zu verhalten haben, erwiderte er: „Ge-
rade so, wie wir wünschen, daß sie sich gegen uns
verhalten." Die Gerechtigkeit erklärte er für diejenige
Seelentugend, die einem jeden zuweist, was ihm ge-
bührt. Als schönste Mitgabe für das Alter erklärte er
die Bildung. Favorin berichtet im zweiten Buch seiner
Denkwürdigkeiten, er habe immer wieder gesagt:
..Viele Freunde, kein Freund," ein Aussprach, der sich
auch im siebenten Buche der Ethik findet. 15 ) Das sind
die Denksprüche, die ihm beigelegt werden.
Die Zahl seiner Schriften ist außerordentlich groß.
Im Hinblick auf die hervorragenden Verdienste des
Mannes um alle Gattungen der Literatur halte ich es
für angemessen, ein Verzeichnis seiner Schriften folgen
zu lassen:")
1. Über die Gerechtigkeit 4 B. (xtaL SixaioaiW) 22
Dialog. [Zeller 58 f.]
2. Über die Dichter. 3 B. (Ttepi Trowrröv) Dialog.
[Z. 58, 61.]
3. Über Philosophie. 3 B. (zepi <piXo<joq>tac) Dialog.
[Z. 60.]
V 20—22.
217
4 Ober den Staatsmann. 2 B. (Trepl rcoXmxov) Dialog
[Z. 62.]
5. Von der Redekunst oder Gryllos. 1 B. frepi faroponiC
71 TpOXoc) " Dialog. [Z. 62. 106.]
6. Nerinthos. 1 B. (N-fav*o«) Dialog.) [Z. 62.]
7. Der Sophist. 1 B. (2o<piöxr^) Dialog. [Z. 62.]
8. Menexenos. 1 B. (Mcvtfgcvoe) Dialog. [Z. 62.1
9. Von der Liebe. 1 B. (ipö-cixoc) [Z. 62. 103.]
10. Gastmahl. 1 B. (3uu.7ccffi.0v i] luepl u.e^ir)?) Dialog.
[Z. 62 ]
11. Vom Reichtum. 1 B. (icept ttXoutov) [Z. 62.]
12. Der Ermahner. 1 B. OrpOTpsTCTOtb?) [Z. 63.]
13. Von der Seele. 1 B. (rcepi <]>»xrfi) Dialog. Auch
Eu5t]u.o£ genannt. [Z. 58 ff.]
14. Vom Gebet. 1 B. (icepl ttyfd Dialog. [Z. 62.]
15. Von edler Geburt. 1 B. (icept ev^evetac) Dialog.
[Z. 62.]
16. Von der Lust. 1, B. Oiepl ^oov^?) S. No. 66.
17. Alexander oder Über Kolonien. 1 B. ('AXs£avopo;
ri &xtp dbcoi'xov) [Z 63.]
18. Vom Königtum. 1 B. (icspi ßaaiXetaf) [Z. 63.]
19. Von der Erziehung. 1 B. (reept Trai&sia;) Dialog.
[Z. 63.]
20. Vom Guten. 3 B. (ropi la-fafrov) Dialog. [Z. 63.]
21. Auszüge. aus den Gesetzen Piatons. 3 B. (xa ix
töv vojjlöv nXaTuvof) [Z. 65 f.]
22. Auszüge aus dem Staat. 2 B. (xa ix. iroXtreta?)
[Z. 65 f.]
23. Von der Hauswirtschaft. 1 B. (rcept oixovou.£ac)
[Z. 105.]
24. Von der Freundschaft. 1 B. (repi qpiXia?) [Z.104.J
25. Vom Leiden oder Zuständlichen. 1 B. (zept xo3
ira5X& lv ■*) rceftov^evai) [Z. 88.]
26. Von den Wissenschaften. 1 B. (icspt &uujriju,ov)
[Z. 73.]
27. Von den Fangschlüssen. 2 B. Ocepl £pi<mxwv) [Z. 73.]
28. Lösungen von Fangschlüssen. 4 B. (XiScci? ipianxaQ
[Z. 75.]
218
Aristoteles.
29. Sophistische Einteilungen. 4 B. (Siaipeseic aotpwTixaQ
[Z. 75.]
30. Von den Gegensätzen. 1 B. (zspi svavriov) [Z. 74.]
31. Von Arten und Gattungen. 1 B. (xspt siSov xat
Ysvmv) [Z. 74.]
32. Von den eigentümlichen Merkmalen. 1 B. (itept
E8fcw) [Z. 74.]
33. ' Abhandlungen über Schlußfolgen. 3 B. ((>7co|j.vi}|i*~2
E7rix6i?^iJ-(x^'-x(x) [Z. 75.] '
34. Heischesätze für die Tugend. 2 B. (Tcporaffei? xtpl
äpsT? 1? ) [Z. 103.]
35. Einwürfe. 1 B. (svaxacei?) [Z. 75.]
36. Über die verschiedenen Bedeutungen philosophischer
Begriffe. 1 B. (itepi töv Kcaityfii Xsyou.svt)v t, xaira
Tcpocfteaiv) [Z. 81.]
37. Von den Leidenschaften oder vom Zorn. 1 B. {-zip.
xa^uv tj Tcspi bpyr t c) [Z. 103.]
38. Ethik. 5 B. ftW) [Z. 101.]
39. Von den Elementen. 3 B. (jcepl aTot^e'-wv) [Z. 88.]
40. Vom Wissen. 1 B. («spi s7UK7rr 1 |j.if)C. vgl No. 26.)
[Z. 73.]
41. Vom Prinzip. 1 B. (Tcepi apyr,;) [Z. 88 ]
42. Einteilungen. 17 B. (SiaipeW?) [Z. 66. 79.]
43. Von den Einteilungen. 1 B. (Sunperuc»*, vgl. No. 62.)
[Z. 79.]
44. Von Frage und Antwort. 2 B. (?:spi epoTr'aeu?
xal aTOxp-'aeuj) [Z. 73.]
45. Von der Bewegung. 1 B. Ocept xivt-tso?) [Z. 86. 88.]
46. Heischesätze. 1 B. (tz?oz<z<juc, vgl. No. 67.) [Z. 75.]
47. Eristische Heischesätze. 1 B. (7upc?aae'.c igarmui)
[Z 75 ]
48. Schlußfolgerungen. 1 B. (ayXXoyiaaot) [Z. 75.]
49. Erste Analytik. 9 B. f^perepa avaX-jTixa) [Z. 70f.]
50. Zweite große Analvtik. (aMüumxa jorepa p.sfaA!z)
[Z. 70 f.]
51. Über Probleme. 1 B. (zspi TcpoßATjjta-rov) [Z. 70t]
52. Methodische Fragen. 8 B. (;ie*o&wa) (Z. 72. 74.]
V 22—24.
219
53. Vom Bessern. 1 B. (wpi ttoü ßeATCovo;) [Z. 103.)
54. Über die Ideen. 1 B. (mpl t^q ihiad . [Z- 65_]
55. Definitionen zur Grundlegung für die Logik 7 B.
(opct wpo TWV TOJC'.XÖV) [Z 74.]
24 56. Lehre von den Schlüssen. 2 B. (crjXÄo-riajAÖv, vgl.
No. 48.) [Z. 74.1
57. Lehre vom Schluß und von der Definition. 1 B.
foottwjtfftucbv xat opoi) [Z- 74.]
58. Vom Erstrebenswerten und Zufälligen. 1 B. (rep-.
toO aCpeToü xal tou emfrfaptfobd l z - 103.]
59. Die Grundlagen der Topik 1 B. (t* 7:pc; tcjv -orov)
[Z. 74.] , ,
60. Topik für die Definitionen. 2 B. [wkoüt npcs tou?
opow;) [Z. 74.]
61. Leidenschaften. 1 B. {mfcfy vgL No. 37) [Z ; 103.]
62. Von den Einteilungen. 1 B. (5-.atpeTi.xdv, vgl. No. 43)
[Z 79.]
63. Vom Lernen (oder r von der Mathematik'' '<). 1 B.
{w&mäecatM [Z. 90.]
64. Definitionen. 13 B. (6p«j|io0 [Z. 78.]
65. Schlußverfahren. 2 B. (£jtixeipr)ii<r:a) [Z. 75.]
66. Von den Lüsten. 1 B. (xepi t ( oovov. vgl. No. 16)
[Z. 63, 103.]
67. Heischesätze. 1 B. (Trpo-raW;, vgl. No. 46.) [Z. 75.]
68 Von der Freiwilligkeit. 1 B. (W- s'xoWj) [Z. 103.]
69. Vom Schönen. 1 B. (z:spl y.a/.oü) [Z. 108.]
70. Sätze für Schlußfolgen. 15 B. (*e<ieic
wmQ [Z.75.]
71. Thesen über die Liebe. 4 B. frauf «puTixa-.)
[Z. 103.]
72. Thesen über die Freundßchaft. 2 B. (^eiet? fÜBtat)
[Z. 104.]
73. Thesen über die Seele. 1 B. (Sfoei; *lfi iptfc)
[Z. 94 ]
74. Thesen über den Staat 2 B. CrreVei? *fkxoc*L)
[Z. 106.]
75. Vorträge über Politik, wie bei Theophrast.^ 8 B.
( nbtwr ixpoaaü; ü; ig . eto^paVro-j ) |Ä 1 05. J
220
Aristoteles.
76. Vom Gerechten. 2 B. (nspi oixafov.) [Z. 103.]
77. Übersicht über die Redekunst. 2 B. (tsxvmv awoLfayn)
[Z. 77.]
78. Redekunst. 2 B. (t^vt) pijTopu«]) [Z. 77.]
79. Rhetorik. 1 B. (xspY)) [Z. 76.]
80. Zweite Übersicht über die Redekunst. 2 B. (aXX-»|
ts^vöv atovaywy»)'.) [Z. 76 f.]
81. Methodisches. 1 B. (p.s^o&ixdv.) [Z. 72.]
82. Rhetorik des Theodektes. IB. (-cs'xvvi^T^cöeoSsxTou
auva^oyT)') [Z. 76.]
83. Abhandlung über die Dichtkunst. 2 B. (^poiyp-axeia
T ^X V7 )S rcooiTuajc) [Z. 107.]
84. Rhetorische Enthymemen. 1 B. (sv^ujA^axa foTopixa)
[Z. 77.]
85. Von der Größe. 1 B. (nspi (isy^ouc) [Z. 77, 90.]
86. Einteilungen der Enthymeme. 1 B. £v'ä'uu,v)p.aTöv
SiaipsWc) [Z. 77.]
87. Von der Redeweise. 2 B. (rcspi Xs'^so?) [Z. 77 ]
88. Von der Beratung. 1 B. (ttspi dU(jLßouXtac) [Z. 77.] 25
89. Übersicht. 2 B. (avmyoy^, vgl. No. 77) [Z. 77, 79.]
90. Von der Natur (Physik). 3 B. (wspi «pu'aeoc)
[Z. 86, 88.]
91. Zur Physik. 1 B. (<pu<nxdv) [Z. 88.]
92. Von der Philosophie des Archytas. 3 B. (rcspi.
r»i<; 'Appmou <piXo<ro<p£a£) [Z. 65.]
93. Von der Philosophie des Speusippos und Xenokrates.
1 B. (rcspl TTii S7tsu(Jt7r7cou xai Ssvoxparou?) [Z. 66.]
94. Auszüge aus dem Timaios und aus dem Archytas
(t<x sx tou Ttp.ai'ou xai t£v 'AppTeiov) [Z. 65.]
95. Wider die Lehren des Melissos (Unsere Schrift MXG).
1 B. («pbc Ta MsXiWu) [Z. 66.]
96. Wider die Lehren des Alkmaion. 1 B. fapos xa
'AXxnafovo«) 1 B. [Z.66.]
97. Wider die Pythagoreer. 1 B. (ttooc tous üu^a-yo-
pefou?) [Z. 65.]
98. Wider die Lehre des Gorgias. 1 B. fapos ra
r 0 p 7 tou) [Z.65.] VgLNo.95.
V 24—26. 221
99. Wider die Lehre des Xenophanes. 1 B. (7rpb? xa
Sevoqpavou?) [Z. 66.] *
100. Wider die Lehre des Zenon. 1 B. (irpo{ xo
Zifvovo^ [Z. 66.] , .
101. Von den Pythagoreern. 1 B. (ircpi xov HuSayo-
petov) [Z. 65.]
102. Tiergeschichten. 9 B. (irepi ?u'ov) [Z. 91.]
103. Anatomische Beschreibungen. 7 B (dvaxou.a0
[Z. 93.]
104. Auszug aus den anatomischen Beschreibungen. 1 B.
(exXoyrj dv<xxo[j.<3v) [Z. 93.]
105. Von den zusammengesetzten Tieren. 1 B. (wcep
xov auräexuv £uov) [Z. 92.] #
106. Von den mythologischen Tieren. 1 B. (wep xüv
[i.u'iroXofouu.svuv Suov) [Z. 92.]
107. Über das Nichtzeugen. 1 B. (urcsp xoÜ u.tj yewäv)
[Z. 92.]
108. Von den Pflanzen. 2 B. (rcspl (puxüv) [Z. 98.]
109. Physiognomik. 1 B. (<pu<noYvu{uxov) [Z. 99.]
110. Von der Heilkunde. 2 B. (laxpixd) [Z. 99.]
111. Von der Einheit. 1 B. (wspl u.ovd8o?) [Z. 90.]
112. Anzeichen* von Unwetter. 1 B. (auweia xst[J-«vfc>v)
[Z. 89.]
26 113. Über Astronomie. 1 B. (dfjxpovojuxov) [Z. 91.]
114. Von der Optik. 1 B. (ottxixo'v) [Z. 90.]
115. Von der Bewegung. 1 B. (irepi xivuyieoc. vgl.
No. 45) [Z. 88.]
116. Von der Musik. 1 B. (Trepi. [xouaixf,?. vgl. No. 132)
[Z. 108.]
117. Von der Gedächtniskunst. 1 B. (u.vtj|j.ovixov.)
[Z. 77.]
118. Homerische Streitfragen. 6 B. (d7ropr,u.axa ' Ou.i)p(.xa)
[Z. 108.]
119. Dichtkunst. IB. («oi-irro«*) [Z. 108.]
120. Physikalische Problemein alphabetischer Anordnung.
38 B. (<pu<nxa xaxa (rzoiyjdov) [Z. 101.]
121. Anschauungsprobleme. 2 B. (&ri.xe^eaixsva 7cpo-
ß^xaxa) [Z. 101.]
222
Aristoteles.
122. Allgemeine Probleme. 2 B. (£yxuV.Xi<x) [Z. 101.]
123. Mechanische Probleme. 1 B. {^rcfjvKy.a.) [Z. 90.] .
124. Demokritische Probleme. 2 B. (Tzpofik^tTi Ix
tÜv AT]u.oxpt-ou) [Z. 65 f.]
125. Vom Magneten. 1 B. (icspi z^q Xftou) [Z. 90.]
126. Parabeln. 1 B. (icapaßoXaO [Z. 109.]
127. Ungeordnete Probleme. 12 B. (<rcaxra) [Z. 101,
109.]
128. Nach Gattungen geordnete Probleme. 14 B.
(SpfPU/utm xa-ra ye'voc) [Z. 101.]
129. Rechtsstreitigkeiten. 1 B. ( &ix*iop.aTa) [Z. 106.]
130. Olympische Sieger. 1 B. ('OXypTTiovixaO [Z. 109.]
131. Pythische Sieger. 1 B. (nröiovlxa-) [Z 109.]
132. Von der Musik. 1 B. (tts^I ixovaixr t c. vgl. No. 116)
[Z. 108.]
133. Über pythische Angelegenheiten. 1 B. (IIuSixs:;
[Z. 109.]
134. Nach Weisungen der Pythischen Sieger. 1 B.
(HuÄiovixöv sXsyxoO [Z. 100.]
135. Dionysische Siege. 1 B. (vixcu. AiovuoiaxaO
[Z 109.]
136. Über Tragödien. 1 B. (wspt TpaYoSuäv) [Z. 108.]
137. Didaskalien. 1 B. (SiSasxaXiai) '[Z. 108.]
138 Sprichwörter. 1 B. (wzpoiuAaO [Z. 77, 106.]
139. Gesetze für gemeinsame Mahlzeiten. 1 B. (vd|i<*
ouddinxoO [Z. 104.]
140. Gesetze. 4 B. («%u») [Z. 106.]
141. Kategorien. IB. (xa-nftoptai) [Z. 67 £]
142. Von der Auslegung. IB. ( K epi sppTpefo?) [Z.69fc]
143. Verfassungen von 158 Staaten in ihren öffentlichen 27
und privaten Einrichtungen, demokratische, olig-
archiscne, tyrannische, aristokratische (jz6k.-ze.itv.
ttoXsuv 8-jotv deovaatv p£ (xoivai) xai Ztuß, 5i)p.o-
xpa-nxai, oXi-yapxixflu, Tupawtxai, apurToxpafixai)
[Z. 106.]
144. Briefe an Philipp. Selymbrische Briefe. Vier Briefe
an Alexander. Acht an Antipater. Einer an
V 26-39. 223
.„eutor. Einer an Arihton. Einer an Olywpias.
Einer an Hephaistion. Einer an Themistagoras.
Einer an Philoxenos. Einer an Demokrit (im-
axokcd irpbc 4>&wwtov x. t. a.) [Z. 56.]
145. Gedicht in Hexametern, dessen Anfang ist: „Hei-
liger Gott, vor allen verehrt, Ferntreffer" (sV»), m
apx , »l', OLfi jsüv izpia frais' IxaTaßo'Xe) [Z. 56.]
146. Elegie, deren Anfang lautet: ,.Tochter der kinder-
gesegneten Mutter" (&eyeta, «v apx»l» xaXXix&tvou
u,7)Tpb? ^u'faTsp) [Z. 56.]
28 Insgesamt umfassen seine Schriften 445 270 Zeilen.
So groß ist die Zahl seiner Eücher. Ihr Lehrgehalt
ist folgender: 17 ) Die Philosophie verteilt sich auf zwei
Gebiete, das der praktischen und das der theoretischen
Philosophie. Dem praktischen gehören Ethik und
Politik an, von denen die letztere es teils mit dem Staat,
teils mit der Hauswirtschaft zu tun hat. Das theore-
tische Gebiet umfaßt Physik und Logik, doch bildet die
letztere keinen eigentlichen Teil für sich, sondern ist
aufs schärfste gekennzeichnet als Werkzeug für alle
Teilgebiete. Es sind ihr zwei Ziele gestellt: sie hat
klaren Aufschluß zu geben einerseits über das Wahr-
scheinliche, anderseits über die Wahrheit. Für jedes
dieser beiden Gebiete hielt er sich an zwei Behandlungs-
arten: an die Dialektik und Rhetorik für das Wahr-
scheinliche, an die Analytik und Philosophie (im enge-
ren Sinne) für das Wahre, dabei läßt er nichts außer
acht was entweder zur Erfindung oder zur Beurteilung
oder zur Anwendung gehört. Was die Erfindung be-
29 trifft, so liefert er mit seiner Topik und Methodik eine
Fülle von Sätzen, die uns in den Stand setzen, die
Probleme in überzeugender Weise zu behandeln. Was
aber die Beurteilung anlangt, so dient ihr die erste und
zweite Analytik: in der ersten Analytik werden die
Vordersätze (auf ihre Schlußkraft hin) beurteilt, 18 ) in
der zweiten handelt es sich um Prüfung des Schluß-
satzes. Zur Anwendung gehören die eristischen
224
Aristoteles.
Schlüsse, die verfänglichen Fragen, die sophistischen
Widerlegungen und Trugschlüsse und was dem ähn-
lich ist. Als Wahrheitskriterium galt ihm für Er-
scheinungseindrücke die Sinneswahrnehmung, für
alles Ethische, wo es sich um Staat und Haus und Ge-
setze handelt, die Vernunft. Als alleiniges Endziel
stellte er die Ausübung der Tugend in einem voll- 30
kommenen Leben hin. Die Glückseligkeit erklärte er
für einen durchgängigen Zusammenschluß von dreier-
lei Gütern: von seelischen, die er auch als die ersten dem
Range nach bezeichnet, zweitens von körperlichen
Gütern, also von Gesundheit, Kraft, Schönheit und der-
gleichen, drittens von äußeren Gütern, wie Reichtum,
hohe Geburt, Ruhm und was dem ähnlich. Die Tugend
für sich, meinte er, sei nicht hinreichend zur Glück-
seligkeit, sie bedürfe auch der körperlichen und äuße-
ren Vorzüge, denn der Weise würde ein unglückseliges
Dasein führen, sei es nun, daß er in qualvollen Leiden
oder in Armut oder in ähnlichen Umständen lebt. Da-
gegen sei Schlechtigkeit völlig ausreichend zum un-
glückseligen Dasein, möchten auch noch so viele äußere
und körperliche Vorzüge ihr zur Seite stehen.
Die Tugenden, behauptete er, stünden nicht in einer 31
Wechselbeziehung von der Art, daß eine aus der ande-
ren folge, denn es könne ein Einsichtiger und ebenso
auch ein Gerechter zugleich zügellos und maßlos 6ein.
Der Weise, erklärte er, sei nicht aller Leidenschaft un-
zugänglich, niemals aber werde er sich zur Maßlosig-
keit darin fortreißen lassen. Die Freundschaft, er-
klärte er, sei Gleichheit des gegenseitigen Wohlwollens.
Dabei unterschied er drei Arten: die eine beruhend auf
Verwandtschaft, die andere auf Liebe, die dritte auf
einem Verhältnis der Gastlichkeit. 19 ) Die Liebe aber
beziehe sich nicht nur auf das persönliche Zusammen-
sein, sondern auch auf die Philosophie. Der Weise
könne sich verlieben, könne als Staatsmann wirken,
könne auch heiraten und mit Königen Umgang pflegen.
Von den drei Lebensweisen, die er unterschied, der be-
V 29-33.
225
trachtenden (theoretischen), handelnden (praktischen)
und genußsüchtigen, gab eT der betrachtenden den
Vorzug. Auch die allgemein anerkannten Fächer der
Geistesbildung sind förderlich für den Erwerb der
Tugend.
32 Was die Naturwissenschaften anlangt, so ließ er an
Forschungseifer für Ergründung der Ursachen alle
anderen weit hinter sich zurück: selbst für die gering-
fügigsten Erscheinungen suchte er die Gründe anzu-
geben. Daher auch die große Zahl seiner Schriften,
die es mit physikalischen Betrachtungen zu tun haben.
Die Gottheit erklärte er, wie Piaton, für unkörperlich;
ihre Vorsehung, behauptete er, reiche bis zum Sternen-
himmel, sie selbst sei unbeweglich; alle irdischen Er-
scheinungen aber fänden ihre Regelung im engen Zu-
sammenhang mit diesen himmlischen Erscheinungen.
Neben den vier Elementen gebe es noch ein fünftes,
welches den Himmelsgebüden zugrunde hege; seine
Bewegung sei anderer Art, nämlich kreisförmig.
Die Seele, meinte er, sei unkörperlich; sie sei die
erste Wirklichkeit (Entelechie), nämlich eines natür-
lichen und organischen, der Möglichkeit nach belebten
Körpers. Diese Wirklichkeit ist nach ihm doppelter
33 Art. Er versteht unter Entelechie eine unkörperliche
Form und zwar erstens der Möglichkeit nach, wie die
Hermesgestalt in diesem Sinne auch schon in dem noch
ungeformten Wachs enthalten ist, das indes die Fähig-
keit hat, die bestimmten Gestaltungen in sich aufzu-
nehmen, ebenso wie das Erz in diesem Sinne eine Bild-
säule ist; zweitens aber, dem tatsächlichen Zustande
nach, heißt Entelechie erst der vollendete Hermes oder
die fertige Bildsäule. Von einem „natürlichen" Körper
spricht die Definition deshalb, weil es teils künstlich
hergestellte Körper gibt, wie die von den Werkmeistern
verfertigten, als da sind Türme, Schiffe und dergleichen,
teils von der Natur geschaffene, wie Pflanzen und
Tiere. Des Ausdrucks „organischen Körpers" aber be-
dient er sich deshalb, weil es sich um die Ausrüstung
A p e 1 1 , Diogenes Laertius. 15
226
Aristoteles. Theophrast.
desselben für bestimmte Zwecke bandelt, wie z. B. das
Gesiebt ihni zum Seben und das Gehör ihm zum Hören
dient. Und wenn es in der Definition heißt, eines „der
Möglichkeit nach belebten" Körpers, so bedeutet das
den inneren Besitz der belebenden Kraft. Das „der
Mögbchkeit (Kraft) nach" hat auch eine doppelte Be- 34
deutung. Es geht entweder auf den Besitz oder auf die
Wirksamkeit; auf die Wirksamkeit in dem Sinne, wie
man vom Wachenden sagt, er habe eine Seele, auf den
Besitz, wie man es vom Schlafenden sagt. Damit nun
auch dieser (der Schlafende) mit inbegriffen sei, hat
er das „der Möglichkeit nach" hinzugesetzt.
Auch über vieles andere hat er seine Ansichten ent-
wickelt; doch würde die Aufzählung zu weit führen.
Überhaupt war er unvergleichlich arbeitsam und er-
finderisch, wie schon aus dem vorher mitgeteilten
Bücherverzeichnis hervorgeht, das der Bücherzahl nach
nahezu 400 Nummern umfaßt, 20 ) wobei es sich nur um
die zweifellos echten Werke handelt. Denn es werden
ihm noch viele andere Schriften beigelegt sowie auch
treffende Aussprüche, die, ohne schriftlich festgelegt
zu sein, nur in mündlicher Mitteilung fortleben.
Männer des Namens Aristoteles finden sich acht. 35
Erstens der hier behandelte; zweitens der athenische
Staatsmann, 21 ) von dem es auch lesenswerte Gerichts-
reden gibt; drittens der Verfasser von Abhandlungen
über die Ilias; viertens ein sizilischer Bedner, der eine
Schrift gegen des Isokrates Panegyrikos veröffentbcht
hat; fünftens der mit dem Beinamen „Mythos", ein
Anbänger des Sokratikers Aischines; sechstens der Ky-
renäer, der über die Dichtkunst geschrieben hat; sie-
bentens der Turnlehrer, dessen Aristoxenos gedenkt in
seinem Leben Piatons; achtens ein unbedeutender
Grammatiker, von dem es ein Lehrbuch über den
Pleonasmus gibt. Unser Stagirit aber hat viele Schüler
gehabt, darunter als hervorragendsten den Theophrast,
von dem nunmehr zu handeln ist.
V 33—38.
227
Zweites Kapitel.
Theophrast. Etwa 370—285.
36 Theophrastos aus Eresos (auf Lesbos) war der
Sohn des Melantas, eines Walkers, wie Athenodor im
achten Buch seiner Spaziergänge berichtet. Er war
zuerst Hörer seines Mitbürgers Alkippos in seiner
Vaterstadt, darauf hörte er den Piaton und wandte sich
dann dem Aristoteles zu. Als dieser sich nach Ghalkis
zurückzog, übernahm er selbst die Leitung der Schule
in der 114. Olympiade (324/1 v. Chr.). Er soll auch
einen philosophisch gebildeten Sklaven namens Pom-
pylos gehabt haben, wie Myronianos aus Amastris (in
Paphlagonien) im ersten Buch seiner historischen Pa-
rallelen berichtet. Theophrast war ein Mann von höch-
ster Einsicht und unermüdlicher Arbeitsamkeit, und,
wie Pamphile im 32. Buch ihrer Denkwürdigkeiten
sagt, Lehrer des Komödiendichters Menander, übrigens
37 auch wohltätig und gern zu Gesprächen bereit. Bei
Kassander war er wohl angeschrieben und Ptolemäus
suchte den Verkehr mit ihm. Die Athener hielten so
große Stücke auf ihn, daß wenig gefehlt hätte, so wäre
Agonides, der es wagte, ihn der Gottlosigkeit anzu-
klagen, selbst der Anklage verfallen. Es sammelten
sich als Hörer um ihn an die zweitausend Schüler. Er
hat sich in dem Brief an Phanias, den Peripatetiker,
unter anderem über das Wesen des Unterrichts 22 ) fol-
gendermaßen ausgelassen: „Nicht zu reden von einer
Massenversammlung, ist es schon nicht leicht, eine
kleine Gesellschaft, wie man sie wünscht, um sich zu
haben. Die Vorlesungen machen Berichtigungen nötig.
Alles aufzuschieben und liegen zu lassen erlauben die
zunehmenden Jüngling sjahre nicht mehr." 23 ) In
diesem Briefe bediente er sich des Ausdrucks Scho-
lasticus (wohl im Sinne des gelehrten Pedanten). 24 )
38 • Ungeachtet seiner Beliebtheit mußte er sich doch,
wie auch alle übrigen Philosophen, einige Zeit aus der
15*
228
Theophrast.
Stadt entfernen, da Sophokles, des Amphikleides Sohn,
ein Gesetz durchgebracht hatte, es dürfe kein Philosoph
als Leiter einer Schule auftreten ohne die ausdrück-
liche Genehmigung des Rates und des Volkes; Wider-
setzlichkeit gegen diese Bestimmung sollte die Todes-
strafe nach sich ziehen. Doch schon im folgenden Jahr
kehrten sie wieder zurück, da Philion den Sophokles
wegen Gesetzesübertretung belangt hatte. Daraufhin
hatten die Athener das Gesetz wieder aufgehoben, dem
Sophokles eine Strafe von fünf Talenten auferlegt und
den Philosophen die Rückkehr gestattet, damit auch
Theophrast wieder zurückkehren und wieder in die
alten Verhältnisse eintreten möchte. Er hieß eigentlich
Tyrtamos, doch Aristoteles gab ihm wegen seiner gött-
lichen Redegabe den Namen Theophrastos. Aristipp
behauptet im vierten Buch von der Schwelgerei der 39
Alten, er habe auch ein Liebesverhältnis mit des Aristo-
teles Sohn Nikomachos gehabt, obschon er sein Lehrer
war. Auch erzählt man, Aristoteles habe über ihn und
Kallisthenes das Gleiche gesagt, was Piaton, wie früher
bemerkt (IV 6), von Xenokrates und Aristoteles selbst
gesagt haben soll, nämlich der eine bedürfe des Zügels,
der andere dagegen des Sporns; Theophrast nämlich
verstand es bei seiner erstaunlichen Geistesschärfe,
jedem Gedanken den entsprechenden klaren Ausdruck
zu verleihen, während Kallisthenes von Natur lang-
samen Geistes war. Ferner erzählt man, er habe nach
des Aristoteles Tod auch einen eigenen Garten erworben
unter Beihilfe des Phalereers Demetrios, mit dem er in
enger Beziehung stand.
Folgende mit Nutzen verwendbaren Aussprüche
sind von ihm bekannt: Eher darf man einem unge-
zäumten Pferde trauen als einer zerfahrenen Rede. 40
Zu einem, der sich bei einem Gastmahl durchweg
schweigend verhielt, sagte er: „Bist du unwissend, so
tust du ganz klug daran, zu schweigen; hast du aber
Bildung, dann unklug." Immer wiederholte er den
Spruch, die Zeit sei der kostbarste Aufwand.
V 3»-42.
229
Er starb hochbetagt in einem Alter von 85 Jahren,
und zwar war die Ursache seines Todes die, daß er in
seinem Arbeitseifer etwas nachließ. Unsere Verse auf
ihn lauten:
Glaub' es, der Weisheit Bogen zerbricht bei schlaffem Gebrauche!
Dies ist das treffende Wort eines verständigen Manns.
Blieb doch auch Theophrast, so lang er voll Eifer sich mühte.
Wohl und gesund, doch entspannt, starb er von Leiden be-
schwert.
Man sagt, er habe, von seinen Schülern befragt, ob
er einen Auftrag zu geben hätte, geantwortet: „Aufzu-
tragen habe ich nichts, wohl aber darf ich sagen, daß
das Leben mit seiner leidigen Ruhmsucht mancherlei
41 Freuden vortäuscht. Wenn wir anfangen zu leben, so
sterben wir. Nichts also ist unnützer als Ruhmsucht.
Ich wünsche euch Glück auf den Weg und rate euch:
entweder entsaget dem Betriebe der Wissenschaft —
denn die Mühe ist groß — oder nehmet es ernst mit ihr,
denn der Ruhm ist groß. Das Leben bietet mehr Nich-
tiges als Nützliches. Für mich ist die Zeit vorbei zu
raten was zu tun sei, an euch aber ist es auszuschauen
was zu tun sei." Bei diesen Worten gab er den Geist
auf — so wird erzählt — und die Athener gaben ihm
zu Fuß sämtlich das feierliche Geleit. Favorin sagt,
er habe sich im Alter auf einem Tragsessel herumtragen
lassen; so berichte Hermippos mit dem Zusatz, das er-
zähle der Pitanäer Arkesilaos in seiner Schrift an den
Kyrenäer Lakydes.
42 Auch er hat eine ungeheure Masse von Schriften
hinterlassen, die hier gleichfalls zu verzeichnen mir
angemessen erscheint wegen der Fülle vortrefflichen
Inhalts. Es sind folgende : SB )
1. Erste Analytik. 2 B. 'AvaXtmxa 7rpoTepa.
2. -Zweite Analytik. 7 B. 'AvaXu-cixa wrcepa.
3. Analytik der Schlüsse. 1 B. izcpi avaXwreuc m>XXo-
YWJJLMV.
4. Auszug aus der Analytik. 1 B. avaXuxtxov imxopr.
230
Theophrast.
5. Von hergeleiteten Sätzen. 2 B. <xvT)Y[«ivoi \6-yoi.
6. Theorie der Streit- oder Trugschlüsse. (2 B.)
<rywv(.<j-(.xa Trepi touc e'picrTixou? Xdyou{ $sop£a.
7. Über Wahrnehmungen. 1 B. xspi. ata^aewv.
8. Gegen Anaxagoras. 1 B. TCpbc 'Ava^ayopav.
9. Von der Lehre des Anaxagoras. 1 B. 7rspi töv A.
10. Von der Lehre des Anaximenes. 1 B. rcepi twv A.
11. Von der Lehre des Archelaos. 1 B. 7rspt tmv
'Ap^eXocou.
12. Über Salz, Natron und Alaun. 1 B. 7rspl aXwv
vixpo'j (JTUJrxvjpi'ac.
13. Über die Versteinerungen. ÜB. 7tepi,T«v X&ouu.£V6)v
14. Von den unteilbaren Linien. 1 B. uepi T6)v ato'u.Mv
•ypau.[X6)v.
15. Vorlesungen. 2 B. äxpoa'asic.
16. Von den Winden. 1 B. -nspl avs'u.«v.
17. Unterschiede der Tugenden. 1 B. äpstöv Siatpopou.
18. Vom Königtum. 1 H. 7rspi ßao-tXsia?.
19. Von der Königserziehung. 1 B. 7rspi 7tau8s£a?
ßaaiXeo?.
20. Von den Lebensweisen. 3 B. Trspi ßiwv.
21. Vom Alter. 1 B. ^spi. y»]'po?;. ,
22. Von der Astronomie des Demokrit. 1 B. 7repl pffi 43
Ar^oxpiirou ä(TTpoXoyia?.
23. Von Luft- und Himmelserscheinungen. 1 B. rcspi
Trj{ o.erapai.OASCT^tai;.
24. Von den Bildern. 1 B. 7cspt. tmv siSu'Xuv.
25. Von Säften, Farben und Fleisch. 1 B. 7rept y}>\i.üv
^powv crapxwv.
26. Von der Weltordnung. 1 B. uspt toü 5t.axdau.ou.
27. Von den Menschen. 1 B. Trspi twv av^pw7rov.
28 Sammlung von Sprüchen des Diogenes. 1 B. twv
Aioysvoi)£ CTuvaywYr'.
29. Definitionen. 3 B. 8iopt.au.ou
30. Liebesbuch. 1 B. sptmxd?.
31. Ein anderes Buch von der Liebe. 1 B. aXXo 7tepv
spwro;.
32. Von der Glückseligkeit. 1 B. wepl eüooau.ovt!a?,
V 42—44.
231
33. Von den Begriffen (Ideen?). 2 B. mpl etöov.
34. Von der Epilepsie. 1 B. rcspl imXifoea«. <
35. Vom Enthusiasmus. 1 B. wepl sVirouo-'.a<ifi.ou.
36. Über Empedokles. 1 B. Tcspl 'EjwceSoxXs'ouc.
37. Über dialektische Schlüsse. 18 B. sTd-x^pr^axa.
38. Einwendungen. 3 B. hmdasiz.
39. Von der Freiwilligkeit. 1 B. Ttspi sxousfou.
40. Auszug aus Piatons Staat. 2 B. imro\x.i\ UXa-
41. Von der Stimmverschiedenheit gleichartiger liere.
1 B. Trepi ETspo^ovia? £«<dv xöv ojxoyevwv.
42. Von dem, was in gedrängten Massen erscheint. 1 B.
7uepi xöv d&po'öv 9a1.vot1.svMv.
43. Von bissigen und schlagenden Tieren. 1 B. rcspt
SaxsxMv xai. ß)of]Tt,xwv.
44. Von den sogenannten neidischen Tieren. 1 B. rcspi
tmv £uuv oaa Xs'-ysTou f^ovstv.
45. Von den auf dem Trockenen bleibenden Tieren. 1 ü.
7cspt tmv sv ^po: &tan.evovT«v.
44 46. Von den ihre Farbe ändernden Tieren. 1 B. wspi
töv xot? XP°' a ^ {isxaßaXXo'vTMv.
47. Von den sich versteckenden Tieren. 1 B. 7repi tov
«poXsudvTov.
48. Von den Tieren. 7 B. Tcspi £co6>v. ( • „
49. Von der Lust nach Aristoteles. 1 B. Ttspi iq&ovY^
'AptaxoTs'XKiC. - . ' „
50. Ein anderes von der Lust. 1 B. wspi t)öov»i<; aXXo.
51. Thesen. 24 B. SsW?. _ j
52. Vom "Warmen und Kalten. 1 B. Ttspi ^spu,ou xou
i|<uxpou. .
53. Von Schwindel und Verfinsterungen. 1 B. Tvspt
JXtYY«v xa!. o-xotwctsmv.
54. Vom Schweiße. 1 B. 7tspt. CopwTöv.
55. Von Bejahung und Verneinung. 1 B. irspl xara-
cpaaswi; xwl awotpaasoc.
56. Kalhsthenes oder von der Trauer. 1 B. KaXXia^svTjc;
r\ 7TSpl 7cev^ou£.
57. Von der Ermüdung. 1 B. 7r.pl xo'ttov,
232
Theophrast.
58. Von der Bewegung. 3 B. n&pi xiv^'o-sm?.
59. Von den Steinen. 1 B. rcepi Xföov.
60. Von der Pest. 1 B. ize.pi Xo(.u.öv.
61. Von der Ohnmacht. 1 B. nepi Xsuvo^u/tav
62. Megarikus. 1 B. MsTapixo'?.
63. Von der Melancholie. 1 B. isepi u,eXaYXpMa£-
64. Von den Metallen. 2 B. 7vepi. u,exaXXwv.
65. Vom Honig. 1 B. wepl [neXiToc.
66. Sammlung der Sprüche Metrodors. 1 B. twv Mirtpo-
Wpou auvaywYii'.
67. Erwägungen über Lufterscheinungen. 2 B. (isTap-
aioXoYixa.
68. Von der Trunkenheit. 1 B. «spl
69. Gesetze nach alphabetischer Folge. 24 B. vdjtoi
xara azoiyj,lov.
70. Auszug aus den Gesetzen. 10 B. vo'jjmv imzopq.
71. Zu den Definitionen. 1 B. wpoc touj opt,<r[jLOU{.
72. Von den Gerüchen. 1 B. 7tspl oou,<3v.
73. Von Wein und Öl. ... rcepl oüvou xal &a£ou. (Zahl 45
fehlt.)
74. Die ersten Vordersätze. 18 B. 7rpuTai npozdaeit.
75. Gesetzgeber. 3 B. vou.o^sTai.
76. Von Staatsverfassungen. 6 B. 7coXixt.xa.
77. Von dem politisch Zeitgemäßen. 4 B. 7toXiTtxä
■rcpbc tou£ xatpou'?.
78. Vom politischen Herkommen. 4 B. «oXircxa siiq.
79. Vom besten Staat. 1 B. irspl rr t z apüvtii 7roXlTe£a{.
80. Sammlung von Problemen. 5 B. 7rpoßX-»iu.ai:MV
81. Von Sprichwörtern. 1 B. n&pi 7rapo<.u,M5v.
82. Vom Starrwerden und Schmelzen. 1 B. 7fspt
7nj'£sov xal tt)'£sov.
83. Vom Feuer. 2 B. wspl wupdc.
84. Vom Atmen. 1 B. reepi. 7rvsu[i.aTMv.
85. Von der Gliederlähmung. 1 B. wepl rcapaXii<ie6>£.
86. Vom Ersticken. 1 B. wspi 7nn.7u.ou.
87. Vom Irrsinn. 1 B. Trspt 7capacppoauv*)?.
88. Von den Leidenschaften. 1 B, xepi wa^MV.
V 44—46.
233
89. Von den Zeichen. 1 B. iz&pi cn)u,siuv.
90. Von den Trugschlüssen. 2 B. rcspl ao<pi<Tu.aT«v.
91. Von der Auflösung der Schlüsse. 1 B. wept.
auXXoY(.c7(j.MV dvaXuasdx;.
92. Topika. 2 B. Tomx.1T.
93. Von der Strafe. 2 B. n&pi Tifiopwt«.
94. Von den Haaren. 1 B. Ttspt Tpiyüv.
95. Von der Tyrannis. 1 B. izepi Tupaw&o?.
96. Vom Wasser. 3 B. 7rspl uSaxo«.
97. Von Schlaf und Träumen. 1 B. rcepl uirvou xai.
98. Von der Freundschaft. 3 B. rcspl yiUas,.
99. Von der Ehrliebe. 2 B. •rcepi. f <pt.XoTi[uac.
100. Von der Natur. 3 B. wept «pussu«;-
46 101. Physik. 18 B. 7cspl ^tXTixwv.
102. Auszug aus der Physik. 2 B. wepi «puaixüv ^totou-v
103. Physik. 8 B. <pucnxa.
104. Gegen die Physiker. 1 B. rcpbc tou? <pu<rt.xoui;._
105. Pflanzenforschungen. 10 B. wept qwxixuv [cnropuSv.
106. Von der Entstehung der Pflanzen. 8 B. <pu-uxa
aixia.
107. Von den Säften. 5 B. Trspl x^Xöv.
108. Von der falschen Lust. 1 B. wspl vbsuboü? YjSov^e-
109. Von der Seele eine These, rcspt *\>»x*iS ^s'oic [xia.
Erster Anhang.
110. Von den kunstlosen Beweisen. 1 B. nspi tov
(XTSpOV 7t£<JTSWV.
111. Von den einfachen Zweifelf allen. 1 B. wspi. twv
«hfXuv Sift7copn]|jLaTUV.
112. Harmonielehre. 1 B. ap^ovixa'.'
113. Von der Tugend. 1 B. 7cepl apeirJjc.
114. Stützpunkte oder "Widersprüche. 1 B. atpoppai. t
ivarawastC.
115. Von der Verneinung. 1 B. rcspi. dc7iro<paaeMC.
116. Von der Meinung. 1 B. xepi yvö'jxt)?.
117. Vom Lächerlichen. 1 B- *epi TfeXofov-
Theophrast.
118. Abendbetrachtungen. 2 B. SsiXiva.
119. Einteilungen. 2 B. StaipsW«;.
120. Von den Unterschieden. 1 B. 7uepl 8ia<pop<Sv.
121. Von den Rechtswidrigkeiten. 1 B. Tcspl T6 r v fax?
122. Von der Verleumdung. 1 B. wepi SiaßoX^c-
123. Vom Lobe. 1 B. xspi. &rafoou.
124. Von der Erfahrung. 1 B. icepi i^K&ipiat;.
125. Briefe. 3 B. imavoknL
126. Von den von selbst entstehenden Tieren. 1 B.
itspi. töv auTo^aTUV £g>'g>v.
127. Von der Absonderung. 1 B. rcspi. ^xxpteeo?.
128. Lob der Götter. 1 B. ^yxo'fn* ^rsov. 47
129. Von Festfeiern. 1 B. icspi sopxöv.
130. Vom Glück. 1 B. rcspi. suruxtac.
131. Von Enthymemen. 1 B. rcepi £v^u[j.n)[j.a-i:wv.
132. Von Erfindungen. 2 B. irspt sup-»ju,aTOv.
133. Ethische Lehrvorträge. 1 B. -r^ixat ayokcLi
134. Ethische Oharakterzeichnungen. 1 B. r^Moi
^apaxrJjpsi;.
135. Vom Lärmgetümmel. 1 B. rcspi. ^opußou.
136. Von der Geschichtsforschung. 1 B. rcspl £<rcopta{.
137. Von Beurteilung der Schlüsse. 1 B. ize.pl xptasu«
cruXXo'yi.CTpiüv.
138. Von der Schmeichelei. 1 B. xs-pi xoXaxeia?.
139. Vom Meere. 1 B. icepl ^aXaTr»)C.
140. An Kassander vom Königtum. 1 B. ~Jcpo<; Ka-
aavSpov 7tspl ßaaiXsta?.
141. Von der Komödie. 1 B. ' irspt xo^co&iai;.
142. Von den Versmaßen. 1 B. rcepl uirpuv (?).
143. Von der Darstellungsweise. 4 B. itept X^suc-
144. Sammlung vtm Lehrsätzen. 1 B. Xo'ymv awawri'
145. Auflösungen. 1 B. Xuast?.
146. Von der Musik. 3 B. Tcspt (jiouaixijs.
147. Von den Lufterscheinungen. 1 B. Tcspl jxsreopwv.
148. Megakles. 1 B. MeyaxXTji;.
149. Von den Gesetzen. 1 B. rcepl vo'tuw.
150. Von Gesetzesübertretungen. 1 B. itepl 7tapavo|j.ov.
V 46—48.
151.
152.
153.
154.
155.
156.
157.
48 158.
159.
160.
161.
162.
163.
164.
165.
166.
167.
168.
169.
170.
171.
172.
173,
174
175
235
1 B.
7CSp'.
Sammlung Xenokratischer Lehren. 1 B.
EUvoxpaTou? tTuvayMY'*)-
Vom Umgang. 1 B. ou.i.X-r]T(.xoc.
Vom Eid. 1 B. 7tept opxou.
Regeln der Rhetorik. 1 B. TrapocYye'Xu.a™ fo-copixvj?.
Vom Reichtum. 1 B. 7cspl tcXou'itou.
Von der Dichtkunst. 1 B. wspi. 7co(.K]Tuaj«.
Politische, ethische, physische, erotische Probleme.
1 B. 7tpoßXY)'u.aTa 7:oXi.Ti.xa -pixa 9uaixa. epomxa.
Von den Einleitungen. 1 B. TCpooi'jna-
Problemensammlung. 1 B. 7cpoßXir)[i.aTov auvonforr).
Von den physischen Problemen. 1 B. Tcepi xwv
7rpoßX7]U.aTMV <pucrt.xMv.
Vom Beispiel. 1 B. Tcepi. 7capaoetyu.aToc.
Von der Themastellung und der Erzählung,
wspi. TcpfÄscrso? xcu 8(.T)Tr[uai:o?.
Von der Dichtkunst, ein weiteres. 1 B.
TcoiYiTix-rj? aXXo.
Von den "Weisen. 1 B. rcspi. xwv cto9«v.
Vom Rat. 1 B. Tcspt. aupißouX'»)?.
Von Solöcismen 1 B. rapl aoXo(.xiqj.öv. ^
Von der Redekunst. 1 B. irspi ts'xvt)« foxopixTi?.
Von den rhetorischen Künsten. 17 Arten. Tcspt
T£X V « V p^TOp'.XWV sl'of) 1%.
Von dem schauspielerischen Vortrag. 1 B. .-wepi
U7toxpfoso<;. i" ...
Aristotelische und Theophrastische Denkschriften.
6 B. u7Cojj.vY)'p.aTa, 'ApiaxoTsXixa •») 0fiO9pa'crcs!.(X.
Physische Meinungen. 16 B. 9uaixou 8o'£ai.
Auszug aus den physischen Meinungen. 1 B.
9UCH.XWV S7ttTOU.Y]'.
Von der Anmut. 1 B. Tcepi x<*P lZ0 $- r
Ethische Charakterzeichnungen. (Zahl fehlt.)
yapaxT^ps? t^moL
Vom Falschen und Wahren. 1 B. Tcepi
xou aXif)^ou?.
t
236
Theophrast.
Zweiter Anhang.
176. Forschungen über die Gottheit. 6 B. t«v 7rspi xo
177. Von den Göttern. 3 B. Tcepi ^söv.
178. Geometrische Forschungen. 4B. Ccrcopfat Ys«u,eTpt,xa6
179. Auszug aus des Aristoteles Tiergeschichte. 6 B. 49
£7ttTO(J.a£ 'AptCTTOTsXoUiJ rcspi. ^m'ov.
180. Schlußfolgen. 2 B. ImxeipnjixaTa.
181. Thesen. 3 B. Ssae«;.
182. Vom Königtum. 2 B. 7tspl ßaeriXefrxc.
183. Von den Ursachen. 1 B. Tcepl aWov.
184. Über Demokrit. 1 B. rcepi A-»)u.oxpfr:ou.
185. Von der Verleumdung. 1 B. irepl cuaßoX-ijc.
186. Von der Entstehung. 1 B. rcspl ysvs'o-sui;.
187. Von der Klugheit und dem Charakter der Tiere.
1 B. 7cepl £uov q>povn]<TS&)C xal ^ou£.
188. Von der Bewegung. 2 B. rcspl xwrfcrsuc.
189. Vom Sehen. 2 B. rcepi o<J>eo£.
190. Zu den Definitionen. 2 B. 7cpbc opou$.
191. Von dem Gegebensein. 1 B. irepl roü oeSocfrai.
192. Vom Größeren und Kleineren. 1 B. rcepi uxi'£ovo{;
xai elarcovoi;.
193. Von den Musikern. 1 B. icepi töv [j.oucfi.xwv.
194. Von der göttlichen Glückseligkeit an die Akade-
miker. Ttepi TTjc ^eia<: suSatfxovi'ac ftpo£ tou? ^
'AxaSir)u.£a€.
195. Der Ermahner. 1 B. TcpoTps7n:txoc.
196. Uber die beste Staatsverfassung. 1 B. icöc apicrr'
av to'Xic; otxoixo.
197. Denkschriften. 1 B. ra uitou,vir)'u,aTa.
198. Über den sizilischen Krater. 1 B. icspl 0u'axos tou
199. Vom Zugegebenen. 1 B. respl tmv o(jloXoyouu.s'vuv.
200. Von den physischen Problemen. 1 B. wepi. tmv
7CpoßX , »)u.aT6)v qjucrixov.
201. Von den Arten des Wissens. 1 B. tivs«; oE tpoko'.
V 4&— 50.
237
202. Vom Lügner. 3 B. icepl tou ^eu&ouivov.
203. Vorhalle der Topik. 1 B, -cot icpb tüv to'icov.
Dritter Anhang.
50 204. An Aischylos. 1 B. icpbc Aloxu'Xov.
205. Geschichte der Astronomie. 6 B. a<rcpoXo-|f(.xr
Juropia.
206. Arithmetische Forschungen. . . . aprau.7iTi.xai
Earopi'ai. (Zahl fehlt.)
207. Von der Vermehrung. 1 B. icepl aü£»)'aeoG.
208. Akicharus. 1 B. 'Axfyapo?.
209. Über Gerichtsreden. 1 B. icepl 8(.xavt.xüv Xo'yov.
210. Von der Verleumdung. 1 B. icepl SiaßoXvjs.
211. Die Briefe an (?) Astykreon, Phanias, Nikanor. im-
crcoXal aC eYi 'AcrcuxpeovTi. $av£a Nixavopi.
212. Von der Frömmigkeit. 1 B. xspl eucreße£a<;.
213. Euias. 1 B. EviaSo? (Suia'Sec? üsener).
214. Vom günstigen Zeitpunkt. 2 B. rcepl xaipöv.^
215. Von eigenen Reden (?). 1 B. icepl olxefov^ Xo^ov.
216. Über Kindererziehung. 1 B. icepl ircuSov a^orfa-
217. Ein anderes verschiedenes. 1 B. aXXo 8ia'<popov.
218. Über Bildung oder über Tugenden oder über Be-
sonnenheit. 1 B. icepl TtatSsCa? t) icepl äpexov t)
wepl ou<ppo<iuvi)i;.
219. Der Ermahnen 1 B. icpotpeiCTixo'?.
220. Von den Zahlen. 1 B. icepl ap&u.üv (§vti\t.av
Usener nach Meursius).
221. Erklärungen zu der Darstellung der Schlüsse. 1 B.
opicxixa icepl Xe^e«? ctuXXoyiciu.üv.
222. Vom Himmelsgebäude. 1 B. icepl ovpavoü.
223. Politische Fragen. 2 B. icoXroxa'.
224. Von der Natur. 1 B. icepl «puaeo«.
225. Von den Früchten. Von Tieren, icepl xapjcöv.
icepl £oov.
Diese machen (insgesamt) 230 808 Zeilen aus. Auch
er also hat eine so beträchtliche Zahl von Schriften
verfaßt.
238
Theophrast.
Auch sein Testament ist mir zu Händen gekommen.
Es lautet so: 26 ) . 51
„Hoffentlich geht alles gut; sollte es aber anders
kommen, so verfüge ich letztwillig folgendes: Meine
ganze häusliche Habe") vermache ich dem Melanies
und dem Pankreon, den Söhnen des Leon. Aus den
Beträgen, über die Hipparch 2 *) zu verfügen hat, will ich
die Kosten für folgende Leistungen bestritten sehen: es
sollen daraus erstens die Arbeiten für Herstellung des
Museums 2 ") sowie der Göttinnen vollendet werden und
was sonst für letztere zur Verschönerung getan werden
kann; sodann soll davon die Bildsäule des Aristoteles
im Heiligtum aufgestellt werden, ebenso die übrigen
Weihgeschenjce, die vorher im Heiligtum ihren Platz
hatten. Ferner soll der kleine Säulengang am Museum
nicht schlechter als vorher wieder aufgebaut werden.
Auch sollen die Tafeln, auf denen die Erdkarte darge-
stellt ist, in dem unteren Säulengange aufgestellt wer-
den. Auch der Altar soll' so wiederhergestellt werden, 52
daß ihm nichts zu seiner Vollkommenheit und Schön-
heit fehlt. Ferner soll die Bildsäule des Nikomachos
seiner wirklichen Größe entsprechend 30 ) fertig gesieüt
werden. Das Geld für die Herstellung des Bildes ist be-
reits in der Hand des Praxiteles, der sonstige Aufwand
soll aus den genannten Mitteln bestritten werden.
Seine Aufstellung soll es an einem Platze finden, der
den Vollstreckern auch der übrigen Testaments-
bestimmungen angemessen erscheint. So viel von dem
Heiligtume und von den Weihgeschenken. Bas Grund-
stück, das ich in Stageira besitze, vermache ich dem
Kallinos, meine gesamte Bibliothek aber dem Neleus.
Den Garten und das Schulhaus nebst den an dem
Garten liegenden Häusern überlasse ich den Nachver-
zeichneten zu beliebigem Beisammensein und gemein-
samen philosophischen Erörterungen, 31 ) doch — da
nicht jedermann dort beliebig lange verweilen kann — 53
nur unter der Bedingung, daß sie es nicht veräußern
V 50—55.
239
und keiner es für sich allein in Besitz nimmt, ) viel-
mehr soll es wie ein Heiligtum gemeinsamer Besitz
sein, und sie sollen wie Verwandte und Freunde zu
ihrem Verkehr miteinander Gebrauch davon machen,
wie es ziemend und billig ist. Teilhaber dieser Ge-
nossenschaft sollen sein Hipparchos, Neleus, Straton,
Kallinos, Demotimos, Demaratos, Kaüisthenes, Me-
lanies, Pankreon, Nikippos. Auch dem Aristoteles, dem
Sohne des Metrodoros und der Pythias, soll es, wenn er
für Philosophie Interesse hat, verslattet. sein, in diesen
Kreis einzutreten, und es sollen die Alteren ihm alle
ihre Sorge zuwenden, um ihn in der Philosophie soweit
wie möglich zu fördern. Mich aber soll man auf dem
Platze des Gartens begraben, der am angemessensten
dafür scheint, ohne jeden Prunk bei der Beerdigung
54 oder für das Denkmal. Auf daß aber nun an das, was
mich selbst (meine eigene Person) betrifft, sich die-
jenigen Dienstleistungen anschließen, die sich auf das
Heiligtum sowie auf das Denkmal, den Garten und das
Schulhaus beziehen, 33 ) so soll auch mein Pompylos mit
dafür Sorge tragen, indem er selbst dort wohnt und
auch wie bisher das Wohl der anderen dort sich ange-
legen sein läßt. Für die Ausnützung des Grundstuckes
sollen die Besitzer selbst sorgen. Pompylos und Threp-
tes, die längst schon frei sind und sich mir sehr nutz-
lich erwiesen haben, sollen in ungestörtem Besitz alles
dessen bleiben, was sie früher von uns erhalten oder
selbst besessen haben nebst den 2000 Drachmen die
ich jetzt von Seiten Hipparchs ihnen zugewiesen habe;
in diesem Sinne habe ich selbst 3 *) häufig mit Melanies
und Pankreon gesprochen und mich ihrer völligen Bei-
stimmung versichert. Auch übermache ich ihnen
die Magd Somatale. Von den Burschen erklare ich jetzt
55 den Molon und Timon und Parmenon für frei. Was
den Manes und Kallias betrifft, so sollen sie noch vier
Jahre als Mitarbeiter im Garten bleiben, worauf ich sie,
ihre gute sittliche Führung vorausgesetzt, für frei er-
kläre. Von dem, Hausgerät sollen die Testamentsvoll-
■
■
240 Theophrast.
strecker dem Pompylos geben, so viel ihnen gut scheint,
das übrige sollen sie verkaufen. Den Karion schenke
ich dem Demotimos, den Donax dem Neleus. Eubios sott
verkauft werden. Dem Kallinos soll Hipparch 3000
Drachmen geben. Und wären wir uns nicht dessen be-
wußt, daß Hipparch früher für Melantes und Pankreon
sowie für mich selbst viel getan und jetzt in seinen
eigenen Vermögensverhältnissen einen schweren Schiff-
bruch erlitten hat, so würden wir verfügt haben, daß
er in Gemeinschaft mit Melantes und Pankreon die Be-
stimmungen des Testamentes ausführe.™) Allein da 56
ich sah, daß es ihnen nicht leicht würde, mit ihm in ge-
meinschaftlicher Wirtschaft zu leben, und es als nütz-
licher für sie erachte eine bestimmte Summe von
Hipparch zu erhalten, so soll Hipparch dem Melantes
und Pankreon einem jeden ein Talent geben. Auch sott
Hipparch den Testamentsvollstreckern zur Bestreitung
des Aufwandes für Ausführung der einzelnen testa-
mentarischen Bestimmungen je nach dem Fälligkeits-
termin Zahlung leisten. Ist er dem ordnungsgemäß
nachgekommen, so soll er aller Verpflichtungen gegen
mich ledig sein. Und hat Hipparch in Chalkis auf
meinen Namen etwas ausgeliehen, so soll das dem
Hipparch gehören. Zu Vollstreckern der Testaments-
bestimmungen ernenne ich Hipparch, Neleus, Straton,
Kallinos, Demotimos, Kallisthenes, Ktesarchos. Die
Testamentsabschriften, mit Theophrasts Siegelring ver- 57
siegelt, liegen die eine bei Hegesias, dem Sohne des
Hipparch — Zeugen sind Kallippos aus dem Demos
Pallene, Philomelos aus dem Demos Euonymia, Ly-
sander aus dem Demos Hybadä und Philion aus dem
Demos Alopeke — , eine zweite Abschrift hat Olympio-
dor; Zeugen sind dieselben. Eine dritte hat Adeimantos
in Verwahrung genommen; überbracht hat sie ihm
sein Sohn Androsthenes, Zeugen sind Aeimnestos, des
Kleobulos Sohn, Lysistratos, des Phaidon Sohn aus
Thasos, Straton, des Arkesüaos Sohn aus Lampsakos,
Thesippos, des Thesippos Sohn aus dem Demos Kera-
V 55—59.
241
meis, Dioskurides, des Dionysios Sohn aus dem Demos
Epikephisia."
So steht es mit seinem Testamente. Es behaupten
auch manche, der Arzt Erasistratos sei sein Hörer ge-
wesen, und das hat viel für sich.
Drittes Kapitel.
Straton. f 269 v. Chr.
58 Als Schulhaupt folgte ihm Straton, des Arkesilaos
Sohn, aus Lampsakos, dessen er auch in seinem Testa-
mente gedacht hat. Er war ein Mann von hervor-
ragender Bedeutung, Physiker genannt, weil er sich
mit unvergleichlichem Eifer der Naturbetrachtung
zuwandte. Er war auch Lehrer des Ptolemäus Phila-
delphus und erhielt von ihm, wie es heißt, achtzig Ta-
lente. Seine Schulherrschaft begann, wie Apollodor in
den Chronika sagt, in der 123. Olympiade (288/5
v. Chr.) und dauerte achtzehn Jahre.
59 Es gibt folgende Schriften von ihm: 1. Vom König-
tum 3 B.« 2. Von der Gerechtigkeit 3 B. 3. Vom Guten
3 B. 4. Von den Göttern 3 B. 5. Von den Urgründen
3 B. 6. Von den Lebensweisen. 7. Von der Glückselig-
keit. 8. Von der Philosophie (vom philosophischen
König). 9. Von der Tapferkeit. 10. Vom Leeren.
11, Vom Himmelsgebäude. 12. Vom Geisteshauch.
13. Von der Menschennatur. 14. Von Erzeugung der
Tiere. 15. Von der Mischung. 16. Vom Schlafe.
17. Von den Träumen. 18. Vom Gesicht. 19. Von der
Wahrnehmung. 20. Von der Lust. 21. Von den
Farben. 22. Von den Krankheiten. 23. Von den Ur-
teilen. 24. Von Geistesanlagen. 25. Über Metali-
maschinen. 26. Vom Wirbelwind 30 ) und Finsternissen.
27. Vom Leichten und Schweren. 28. Vom Enthusias-
mus. 29. Von der Zeit. 30. Von Ernährung und Wachs-
A p e I t , Diogenes Laertius. jg
242
Straton.
tum. 31. Von den zweifelhaften Tieren. 32. Von den
fabelhaften Tieren. 33. Von den Ursachen. 34. Auf-
lösung von Zweifelfragen. 35. Einleitung zur Topdi.
36. Vom Zufälligen. 37. Von der Definition. 38. Vom
Mehr und Weniger. 39. Vom Ungerechten. 40. Vom 60
Früheren und Späteren. 41. Von der höheren Gattung.
42. Vom eigentümlichen Merkmal. 43. Von der Zu-
kunft. 44. Zwei Bücher Untersuchungen der Erfin-
dungen. 45. Aufzeichnungen, deren Echtheit zweifel-
haft ist. 46. Briefe mit dem Anfang: „Straten wünscht
der Arsinoe Wohlergehen."
Er soll so abgezehrt gewesen sein, daß er ohne
Empfindung starb. Unsere Verse auf ihn lauten wie
folgt:
Schwächlichen Leibs war der Mann : das kam von der Menge
der Salben,
Den Straton mein' ich, acht' auf mich;
Lampsakos war seine Heimat; doch immer mit Krankheiten
ringend
Verfiel dem Tod er unvermerkt.
Männer Namens Straton finden sich acht: erstens 61
ein Schüler des Sokrates; zweitens unser Straton hier;
drittens ein Arzt, Schüler des Erasistratos oder nach
anderen sein Pflegekind; viertens der Geschichts-
schreiber, der die Kriege des Philippos und Perseus
mit den Römern geschildert hat; fünftens
sechstens ein Epigrammendichter; siebentens ein alter
Arzt, wie Aristoteles sagt; achtens ein Peripatetiker,
der in Alexandreia lebte.
Von dem Physiker hat sich noch folgendes Testa-
ment erhalten:
„Für den Fall meines Todes bestimme ich letzt-
willig folgendes: Meine gesamte häusliche Habe hinter-
lasse ich dem Lampyrion und Arkesilaos. Aus meinem
in Athen befindlichen Kapitalvermögen sollen die
Testamentsvollstrecker zunächst die Kosten für die Be-
erdigung bestreiten sowie für die üblichen Feierlich*-
keiten nach der Beerdigung, ohne Prunk, aber auch
V 59—64.
243
ohne Knauserei. Testamentsvollstrecker soüen sein:
62 Olympichos, Aristeides, Mnesigenes, Hippokrates, Epi-
krates, Gorgylos, Biokies, Lykon, Äthanes. Die Schule
hinterlasse ich dem Lykon, da die anderen teils zu all
sind teils durch Geschäfte zu sehr in Anspruch ge-
nommen; und die übrigen täten gut daran, wenn sie
dieser Bestimmung nach Kräften Vorschub leisteten.
Ihm (dem Lykon) vermache ich auch meine gesamte
Bibliothek, abgesehen von dem, was ich handschrift-
lich hinterlasse, ebenso alles Gerät für die gemein-
samen Mahlzeiten sowie die Polster und Trinkgefäße.
Bern Epikrates sollen die Testamentsvollstrecker 500
Drachmen geben und einen von den Burschen, dessen
Wahl dem Arkesilaos zusteht. Lampyrion und Arkesi-
laos sollen erstlich den Vertrag auf sich nehmen, den
63 Baippos für Iraios geschlossen hat. Er soll weder dem
Lampyrion noch den Erben des Lampyrion irgend
etwas schulden, sondern soll jeder Verbindlichkeit ledig
sein. Auch sollen die Testamentsvollstrecker ihm 500
Silberdrachmen und einen Burschen nach der Wahl
des Arkesilaos geben; denn er hat viel mit mir durch-
gemacht und sich mir nützlich erwiesen; darum soll
er nun auch auskömmlich und anständig leben können.
Auch dem Biophantos und Biokies und Abus schenke
ich die Freiheit. Ben Simias aber überlasse ich dem
Arkesilaos. Auch den Bromon gebe ich frei. Wenn
Arkesilaos ankommt, soll Iraios mit Olympichos und
Epikrates und den übrigen Testamentsvollstreckern
den Aufwand für das Begräbnis sorvie für die sonstigen
Erfordernisse berechnen. Was von dem Gelde noch
64 übrig bleibt, soll Arkesilaos vom Olympichos erhalten,
ohne ihm etwa Schwierigkeiten zu machen in Bezug
auf Termin und Fristen. Auch soll Arkesilaos den Ver-
trag auf sich nehmen, den Straton mit Olympichos und
Amemias abgeschlossen hat, und der bei Phüokrates,
des Tisamenos Sohn, niedergelegt ist. Mit dem Grabmal
soü man es halten wie Arkesilaos, Olympichos und
Lykon es für gut befinden."
16*
244
Straton. Lykon.
Das ist sein Testament in der überlieferten Fassung
wie sie sich in der Sammlung des Ariston aus Keos 1 ')
findet. Straton selbst , war übrigens, wie oben schon be-
merkt, ein höchst achtungswerter Mann, hervorragend
in allen Fächern der Wissenschaft, vor allem in dem
der Physik, diesem durch Alter und Würde besonders
hervorragenden Gebiet.
Viertes Kapitel.
LykOIl. 299—225 v. Chr.
Des Straton Nachfolger war Lykon, des Astyanax 65
Sohn, aus Troas, ein beredter und zur Erziehung von
Knaben hervorragend befähigter Mann. Von ihm
stammt der Ausspruch, man müsse, wie man den
Pferden mit Sporn und Zügel beikomme, so den
Knaben Scham und Ehr liebe mit auf den Weg geben.
Die Gewandtheit und Fülle seiner Ausdrucksweiße zeigt
sich am besten an einem Beispiel. Über ein armes
Mädchen nämlich äußert er sich so: „Eine schwere
Last für einen Vater ist ein Mädchen, das wegen
mangelnder Mitgift die Blüte ihrer Jahre versäumt"
Daher soll denn auch Antigonos von ihm gesagt haben,
es stehe mit ihm nicht so wie mit einem wohlriechenden
und lieblichen Apfel; den könne man abpflücken und
auch anders wohin bringen; des Lykon Bedefrüchte
dagegen müßte man gleichsam am Baum beschauen,
also am Manne selbst. 1 *) Damit sollte die hohe Anmut
seiner Bedeweise gekennzeichnet werden. Daher setzten *
auch manche ein Gamma (G) vor seinen Namen (und
nannten ihn Glykon „der Süße" statt Lykon). Wie vor-
teilhaft stachen seine mündlichen Äußerungen ab von
dem, was er niederschrieb. Wie anmutig scherzte er
z. B. über solche, die es bereuten, nicht rechtzeitig sich
in die Lehre begeben zu haben und die nun das Ver-
säumte wieder gut zu machen wünschten: sie klagen,
V 64—68.
3tf
sagte er, sich selbst an und legen durch unerfüllbare
Wünsche das Geständnis der Reue ab über ihre Träg-
heit, die nicht wieder gut zu machen ist. Und you
denen, die in ihren Ratschlüssen fehlgingen, sagte er:
sie betrügen sich vollständig in ihren Berechnungen,
ganz ähnlich denen, welche die Geradheit eines Dinges
mit einem krummen Richtholz prüfen oder ihr Gesicht
in einem wogenden Gewässer oder einem verbogenen
Spiegel sich spiegeln lassen. Und ferner: nach den
Kränzen des Marktes machen sich viele auf den Weg,
nach denen in Olympia wenige oder keiner.
67 Oftmals gab er den Athenern seinen Rat und er-
wies sich ihnen dadurch außerordentlich nützlich. In
seinem Anzug hielt er auf größte Sauberkeit; seine
Kleider mußten so weich und so fein wie nur möglich
sein, wie Hermippos berichtet. Dabei legte er aber
doch auch das größte Gewicht auf regelmäßige Leibes-
übung, war kräftigen Körpers und verleugnete nicht
die Spuren athletischer Neigungen, wie sie sich nach
dem Bericht des Antigonos von Karystos an den hart
nutgenommenen Ohren und der vom Salböl geglätteten
Haut kundgaben. So soll er denn auch in seiner Heimat
an dem Hieienfeste als Ringkämpfer aufgetreten sein
und sich im Ballspiel geübt haben.
Am Hofe des Eumenes und Attalog war niemand
beliebter als er. Diese Herrscher ließen ihm denn auch
sehr reiche Geschenke zukommen. Auch Antigonos be-
mühte sich um seine Freundschaft, doch ohne Glück,
fe Mit dem Peripatetiker Hieronymos war er dermaßen
verfeindet, daß er der einzige war, der sieb an der Feier
des Jahrestages, von dem wir in des Arkesilaos Leben
gesprochen haben (IV 41), nicht beteiligte. Er leitete
die Schule vierundvierzig Jahre lang von Straten*
Tode ab, der ihn in der 127. Olympiade (272/69 v. Chr.)
letztwillig zu feinem Nachfolger erkoren hatte.
Übrigens war er auch Hörer des Dialektikers Pan-
tboides gewesen. Er starb in seinem 74. Jahre am
Podagra. Unsere Verse auf ihn lauten:
246
Lykon.
Nimmer darf ich vergessen des Lykon, der an der FuBfficht
Starb, mich wundert zumeist diese verlängerte Qual.
War' er noch frisch auf den Beinen gewesen, er hätte in einer
Einzigen Nacht den Marsch hin nach dem Hades vollbracht.
Der Männer Namens Lykon hat es mehrere gegeben:
erstens den Pythagoreer, zweitens den hier besproche- 69
nen, drittens einen epischen Dichter, viertens einen
Epigrammendichter.
Auch in das Testament des Philosophen haben wir
Einblick tun dürfen. Es lautet: 39 ) •
folgendes ist mein letzter Wüte für den Fall, daß
ich dieser Schwäche erliege: alle meine häusliche* 0 )
Habe vermache ich den Brüdern Astyanax und Lykon,
und es muß meines Erachlens daraus alles das zurück-
erstattet und bestritten werden, was ich von irgend je-
mand in Athen zum Verbrauch erluüien oder in An-
spruch genommen habe* 1 ) sowie auch der Aufwand
für die Bestattung und die sonstigen Feierlichkeiten.
Was mir aber in der Stadt und in Ägina gehört, ver-
mache ich dem Lykon; denn er trägt meinen Namen 70
und hat die meide Zeit zu meiner großen Freude mit
mir zusammengelebt, entsprechend der Stellung als
Sohn, die er bei mir hatte. Das Schulhaus hinterlasse
ich denen unter meinen Anhängern, denen damit ein
Gefallen geschieht, dem Bulon, Kallinos, Ariston,
Amphion, Lykon, Python, Aristomachos, Eerakteios,
Lykomedes und meinem Neffen Lykon. Sie selbst sollen
sich als Leiter denjenigen wählen, der ihrem Dafür-
halten nach am fähigsten ist den Standpunkt der
Schule zu wahren und sie am wirksamsten zusammen-
zuhalten*') Dazu sollen auch meine übrigen Freunde
mit behülflich sein sowohl im liebevollen Gedenken an
mich wie auch m Rücksicht auf den Ort. Was die Be-
stattung und Verbrennung anlangt, so sollen Buten
und Kallinos mit ihren Genossen sie so veranstalten,
daß der Aufwand dafür weder zu_ knapp noch zu groß
wird. Von meinen Ölbäumen in Ägina soll Lykon nach 71
meinem Ableben den Jünglingen so viel zugute kommen
V 68-73.
247
hutmm als sie zur Salbung mit Öl nötig toben damit
VeSwndiiW *» Andenken an mich sowie
iE in Ehren gehalten, sich in Zunder
Weise fortpflanze. Auch eine Bildsäule von
a Zellen Den passenden Platz für die Auf Stellung
ZlTer nach gründlicher Beziehung
bei ihm Biophantos und Herakleides, des V™f*™ s
Sohn, zur Seite stehen sotten Aus nmnem *^ h ™
Vermögen soll Lykon alle Gläubiger, von denen ich
)Zh !eZ Abreise etwas erhalten habe, bepedigm.
iTu Zellen sich") Bulon und KalUnosmü ihren An-
sprüchen für das, was für die Begattung und die
sonstigen Feierlichkeiten aufgeweitet worden ist L
soU den Betrag entnehmen aus dem, was ich beiden
(Brüdern) an häuslicher Habe hinterlassen habe. Auch
72 soU er dm Ärzten Pasühemis und Medios ehreiideEr-
kennüichkeit erweisen, denn sie verdienen t ob ihrei
Fürsorge für mich und ob ihrer Kunst
größere Ehre. Ich vermache auch dem Sohne Oes
Kaüinos ein Paar Therikteischer Becher
Gattin ein Paar Rhodiakerbecher , eine feine Becke . eine
grobe Becke, eine Matratze und die zwei besten Kopf-
kissen des Nachlasses als Zeichen dafür, daß wir ihrer
in aller Verehrung gedenken. Über meine Dienerschaft
treffe ich folgende Bestimmungen, dem ^
schon längst frei ist, erlasse ich das Losegeld
„ache ihm fünf Minen nebst Mantel und Leibrock
denn nach so langem treuen Beistand, den er mir bei
der Arbeit geleistet, soll er ein anstandiges Leben
haben. Dem Chalkedonier Kriton erlasse ich gleich-
falls das Lösegeld und schenke ihm vier Minen. Auen
dem Mikros schenke ich die Freitod; Lykon soll ihm
den Unterhalt gewähren und von jetzt ab sechs Jahre
lang für seine Erziehung sorgen. Auch dem Lhares
73 schenke ich die Freiheit; den Unterhalt soll ihm Lykon
gewahren. Ich vermache ihm zwei Minen una meine
Bücher, soweit es sich um bereits bekannte hanaeu,
das noch nicht Veröffentlichte übermache ich dem
248
Lykon. Demetrios.
Kallinos zu sorgfältiger Herausgabe. Ich vermache
auch dem freigelassenen Syros vier Minen und die
Menodora; und falls er mir etwas schuldet, so erlasse
ich es ihm. Der Hilara hinterlasse ich fünf Minen, eine
grobe Becke, zwei Kopfkissen, eine Matratze und ein
Bett nach ihrer Wahl. Die Freiheit schenke ich auch
der Mutter des Mikros wie auch dem Noemon, Bion,
Theon, Euphranor und Hermeias. Auch Agathon soll
nach Ablauf von zwei Jahren freigelassen werden; so
auch die Sänftenträger Ophelion und Poseidonios nach
Ablauf von vier Jahren. Ferner vermache ich dem
Demetrios, dem Kriton und dem Syros je ein Bett nebst ™
Decken aus der Hinterlassenschaft nach Gutdünken
des Lykon. Dies soll ihr Eigentum werden, wenn sie ein
jeder seinen besonderen Verpflichtungen treu nachge-
kommen sind. Was mein Grab betrifft, ob es hier oder
in meinem Hause sein soll, so mag es Lykon damit
halten wie er will; denn ich bin überzeugt, daß er eben-
sogut wie ich das Schickliche richtig finden wird. Hat
er alles dies ordnungsgemäß erledigt, so soll die hiesige
Hinterlassenschaft ihm rechtsgültig zustehen. Zeugen
sind Kallinos von Hermione, Ariston von Keos, Euphro-
nios der Paianier."
Er, der alles was die Erziehung und jede andere
Art von Belehrung betrifft so verständig handhabte,
zeigt sich auch in seinen letztwilligen Verfügungen,
man kann wohl sagen, besonders haushälterisch und
sorgfältig, so daß er auch hierin Nacheiferung ver-
dient.
Fünftes Kapitel.
Demetrios. Ungefähr 350—280 v. Chr.
Demetrios, des Phanostratos Sohn aus Phaleron, 75
war ein Schüler des Theophrast. Er leitete als Volks-
jedner in Athen den Staat zehn Jahre lang und wurde
V 73— 77,_
mit dreihundertsechzig ehernen Bildsäulen geehrt, meist
Standbilder zu Pferd oder auf Wagen und Zweigespannen,
deren Herstellung noch nicht dreihundert Tage er-
fordert hatte. In so hohem Angehen stand er. Seine
staatsmännische Tätigkeit begann, wie der Magnesier
Demetrios in seinen Homonymen berichtet, zu der Zeit,
wo Harpalos, fliehend vor Alexander, nach Athen kam.
Er hat sich um seine Vaterstadt vielfach außerordent-
liche Verdienste erworben; denn er hat die Stadt ge-
fördert durch die Steigerung ihrer Einkünfte und
durch den Zuwachs an Bauwerken, obschon ex keinem
großen Hause entstammte. Er gehörte nämlich zum
76 Hause des Konon, wie Favorin im ersten Buch seiner
Denkwürdigkeiten sagt;") doch wohnte er zusammen
mit seiner Geliebten, Lamia, einer Bürgerin aus edlem
Hause, wie der nämliche Gewährsmann im ersten
Buche berichtet. Indes erzählt dieser auch in seinem
zweiten Buch, er habe sich von Kleon mißbrauchen
lassen. Didymos erzählt in seinen Symposiaca, er sei
nach einer Hetäre mit dem Namen „Goldblickende"
(Xapi7oßXs?apo;) und „Leuchtende" (Aaij.7reT(o) gekenn-
zeichnet worden. Auch geht die Erzählung, er habe
nach Verlust seines Augenlichts in Alexandreia dasselbe
durch den Sarapis wieder erhalten, auf den er denn
auch die Preislieder gedichtet habe, die noch heute ge-
sungen werden. Ungeachtet aber seiner glänzenden
Stellung in Athen zog sich doch über seinem Haupt
die Wolke des alles benagenden Neides zusammen.
Von einigen Gegnern heimtückisch verfolgt, ward er
77 abwesend zum Tode verurteilt. Da man aber seiner
Person nicht habhaft werden konnte, ließen sie ihren
giftigen Haß an dem Erze aus: sie rissen seine Stand-
bilder nieder und verkauften sie teils, teile versenkten
sie sie in die Fluten teils zerschlugen sie sie zu Nacht-
töpfen; denn auch dies wird erzählt. Nur eine einzige
Bildsäule von ihm ist noch auf der Akropolis erhalten.
Favorin erzählt in seinen Vermischten Geschichten, sie
hätten dies nur auf Befehl des Königs Demetrios getan,
250
Demetrios.
doch bezeichneten sie auch das Jahr seines Archontats
als Jahr der Ungesetzlichkeit, 46 ) nach Favorin. Her-
mippos berichtet, er habe nach Kassanders Tod aus
Furcht vor Antigonos bei Ptolemaios Soter Zuflucht 78
gesucht; bei längerem Verweilen daselbst habe er unter
anderem dem Ptolemaios geraten, die Herrschaft an die
Söhne der Eurydike (seines Kebsweibes) zu übertragen.
Darauf habe dieser sich nicht eingelassen, sondern
habe das Diadem dem Sohne der Berenike übergeben.
Dieser habe ihn nach dem Tode des Taters in seinem
Gebiete in Gewahrsam nehmen lassen bis zur end-
gültigen Beschlußfassung über sein Schicksal. Da ver-
sank er in eine mutlose Stimmung, und wohl halb
schlummernd von einer Schlange in die Hand gebissen,
gab er den Geist auf. Er ward im Busirischen Bezirk
in der Nähe von Diospolis beerdigt. Unser Epigramm 79
lautet folgendermaßen:
Der Schlange gift'gem Biß erlag Demetrios;
Ekelen Giftes genug
Enthielt ihr Leib, die Augen kündeten nicht Tag.
Nein, nur den finstern Tod.
Herakleides erzählt in seinem Auszug aus den Dia-
dochae des Sotion, Ptolemaios habe dem Philadelphos
die Herrschaft abtreten wollen, Demetrios aber habe
ihn davon zurückgebracht durch die Worte: „Gibst du
es einem andern, so hast du es selbst nicht mehr." Zu
der Zeit, als er in Athen von Verleumdern angeklagt
wurde, fehlte nicht viel — denn auch dies ward mir
kund — , daß der Komödien dichter Menander vor Ge-
richt gezogen wurde aus keinem andern Grunde, als
weil er sein Freund war; doch legte Telesphoros, der
Vetter des Demetrios, wirksam Fürbitte ein.
An Menge der Bücher und Zahl der Zeilen hat er, 80
ein Mann von höchster Bildung und reichster Erfah-
rung, fast alle Peripatetiker seiner Zeit hinter sich ge-
lassen. Sie sind teils historischen, teils polltischen In-
halts, teils handeln sie von den Dichtern, teils sind sie,
rhetorischen Charakters, Volksreden und Gesandt-
V 77—82.
251
schaftsreden, aber auch, Sammlungen, von I'abehi
Äsopischer Art und mancherlei anderes. Namkcn:
1 Von der athenischen Gesetzgebung o B. 2. Von den
athenischen Bürgern 2 B. 3. Über Demagogie 2 B.
4. Über Staatskunst 2 B. 5. Über Gesetze 1 B; 6. Uber
Rhetorik 2 B. 7. Strategik 2 B. 8. Von der Ibas 2 B.
9 Von der Odyssee 4 B. 10. Ptolemaios IB. '11. Von
81 der Liebe 1 B. 12. Phaidondas 1 B. 13. Maidon 1 B.
14. Kleon 1 B. 15. Sokrates 1 B. 16. Artaxerxes 1 B.
17. Homerisches 1 B. 18. Aristeides 1 B. 19. Aristo-
machos 1 B. 20. Der Ermahner 1 B. 21. Von der
Staatsverfassung 1 B. 22. Von dem Jahrzehent 1 B.
23 Von den Ioniern 1 B. 24. über Gesandtschaften
1 B 25 Über Vertrauenswürdigkeit 1 ß. 26. Von der
Anmut 1 B. 27. Vom Glück 1 B. 28. Von der Hoch-
herzigkeit 1 B. 29. Von der Verheiratung 1 B. 30. Von
der Meinung 1 B. 31. Vom Frieden 1 B. 32. Von den
Gesetzen 1 B. 33. Vom Lebensberuf. 34. Von dem
rechten Zeitpunkt 1 B. 35. Dionysios 1 B. 36. Chal-
kidische Rede 1 B. 37. Strafrede wider die Athener
1 B. 38. Über Antiphanes 1 B. 39. Historische Ein-
leitung 1 B. 40. Briefe 1 B. 41. Die vereidigte Volks-
versammlung. 42. Vom Alter 1 B. 43. Gerechtsame
1 B. 44. Äsopisches 1 B. 45. Ghrien IB. — Seine
82 Schreibart trägt philosophisches Gepräge, gemischt mit
rednerischer Wucht und Kraft.
Als er hörte, daß die Athener seine Bildsäulea zer-
trümmert hatten, sagte er: „Aber nicht zertrümmert
haben sie die Tugend, um derenwillen sie sie aufge-
richtet hatten." Den (unansehnlichen) Augenbrauen,,
sagte er, käme keine geringe Rolle zu, denn sie könnten
das ganze Leben mit Schatten bedecken. Nicht nur
der Reichtum ist blind, sondern auch das ihn leitende
Glück. Was im Kriege das Eisen ausrichtet, das leistet
in der Staatsverwaltung die Rede. Als er einmal einen
liederlichen Jüngling sah, sagte er: „Siehe da, ein vier-
eckiger Hermes mit Mund, 40 ) Bauch, Scham und
Bart." Von hoffärtigen Männern, sagte er, man müsse'
2ö2
Demetrios. Herakleides.
ihre Hoffart ihnen austreiben, ihr Selbstgefühl aber
ihnen lassen. Die Jünglinge, sagte er, müssen daheim
vor ihren Eltern, auf den Straßen vor den Begegnen-
den, in der Einsamkeit vor sich selbst Ehrfurcht haben.
Die (echten) Freunde, sagte er, finden sich bei glück-
lichen Anlässen nur ein, wenn man sie ruft, bei un- 83
glücklichen von selbst. — Das sind die bemerkens-
werten Sprüche, die wahrscheinlich von ihm stammen.
Namhafte Demetrier finden sich im ganzen
zwanzig.* 7 ) Ersten® der Chalkedonier, der Redner,
älter als Thrasymachos; zweitens unser Demetrios hier;
drittens der Byzantiner, ein Peripatetiker ; viertens der
sogenannte Graphicus (Maler), sehr klar im Vortrag,
zugleich auch Maler; fünftens ein Aspendier, Schüler
des Apollonios von Soli; sechstens der Kallatianer, der
20 Bücher über Asien und Europa verfaßt hat; sieben-
tens der Byzantier, der in 13 Büchern den Übergang der
Gallier aus Europa nach Asien und in anderen acht
die Taten des Antiochos und Ptolemaios und ihre Maß-
nahmen für die Verwaltung Libyens geschildert hat;
achtens der seinerzeit in Alexandreia lebende Sophist, 84
Verfasser einer Rhetorik; neuntens der Adramyte-
nische Grammatiker mit dem Beinamen Ixion, wegen
eines angeblichen Frevels widetr die Hera; zehntens der
Kyrenäer, ein Grammatiker, mit dem Beinamen Stam-
nos, ein beachtenswerter Mann; elftens der Magnesier,
ein reicher Mann aus vornehmem Haus und sehr ge-
lehrt; ihm verdankt auch sein Mitbürger Metrodor viel
für seine Bildung; zwölftens der Grammatiker aus
Erythrä, der das Bürgerrecht in Temnos (in Mysien)
erwarb; dreizehntens der Bithynier, Sohn des Stoikers
Diphilos, Schüler des Rhodiers Panaitios; vierzehnten«
der Smyrnäische Rhetor. Diese waren Gelehrte und
schrieben in Prosa. Dichter dieses Namens aber waren 85
erstens vier der alten Komödie, zweitens ein Epiker,
von dem allein sich erhalten haben folgende Verse gegen
die Neider:
V 82—87. 253.
Lebend ward er verachtet, gestorben wird er ersehnt nun.
Und es entspann sich über das Grab und über den Leichnam
Auch schon Krieg zwischen Städten mit starker Erregung des-
Volkes. .,
Drittens der Satirspieldichter aus Tarsos; viertens der
Jambendichter, ein scharf züngiger Mann; fünftens ein
Bildhauer, dessen Polemon gedenkt; sechsten» der
Erythräer, ein vielseitiger Schriftsteller, Verfasser von
historischen und rhetorischen Werken.
Sechstes Kapitel.
Herakleides, um 360 v. Chr. (bis über 330).
86 Herakleides aus Herakleia am Pontos, Sohn^dea
Euthyphron, war ein reicher Mann. In Athen schloß
er sich zunächst an Speusipp an; doch hörte er auch
die Pythagoreer und schwärmte für die Schriften
Piatons. Erst später hörte er den Aristoteles, wie So-
üon in den Diadochae sagt. Er hielt auf feine und
weiche Kleidung und war überaus stattlich von Figur,
so daß ihn die Athener nicht Pontikos nannten son-
dern Pompikos. Ruhig und feierlich schritt er einher.
Es gibt von ihm ganz hervorragende und treffliche
Schriften. So Dialoge, von denen ethischen Inhalts sind
drei Bücher von der Gerechtigkeit, eines von der Be-
sonnenheit, fünf von der Frömmigkeit, eines von der
Tapferkeit und noch eines allgemein von der Tugend,
87 eines von der Glückseligkeit, eines von der Herrschaft,
eines von den Gesetzen und verwandten Gegenständen,
eines von den Namen, eines von Verträgen, der Wider-
willige, von der Liebe (Erotikos), und ein Buch „Klei-
nias". Physischen Inhalts: von der Vernunft und?
der Seele' 8 ) sowie auch noch ein besonderes -Buch über
die Seele, sodann von der Natur und den Bildern, gegen
Demokrit, von den Himmelserscheinungen, von den
Herakleides.
Dingen im Hades, zwei Bücher von der Lebensweise,
eines von den Ursachen der Krankheiten, eines vorn
Guten, eines gegen Zenons Lehrsätze, eines gegen Me-
trons Lehren. Grammatischen Inhalts: zwei Bücher
über Homers und Hesiods Zeitalter, zwei Bücher über
Archilochos und Homer. Musikalischen Inhalts: drei
Bücher über Euripidei'sche und Sophokleische Fragen,
zwei Bücher von der Musik, zwei Bücher Homerische
Fragen, ein Buch Theorematikon, eines von den drei 88
Tragödiendichtern, ein Buch Gharakterzeichnungen,
eines von der Dichtkunst und den Dichtern, eines von
der Treffsicherheit, eines vom Voraussehen, vier Bücher
Erklärungen zu Heraklit, ein Buch erklärende Be-
merkungen zu Demokrit, zwei Bücher Lösungen
eristischer Fragen, ein Buch betitelt „Axiom", ein
Buch von den Begriffen, ein Buch Auflösungen, ein
Buch Ermahnungen, ein Buch an Dionysios. Bheto-
rischen Inhalts: von der Kunst öffentlicher Beden oder
Protagoras. Historischen Inhalts: über die Pythago-
reer und über Erfindungen.
Einiges davon hat er im Ton der Komödie gegeben,
wie seine Ausführungen über die Lust und über die
Besonnenheit, anderes in dem der Tragödie, wie die
Schilderungen aus dem Hades und die Ausführungen
über Frömmigkeit und über die Macht. In seiner Dar-
stellungsweise hält er eine gewisse Mitte ein, etwa so, 89
wie es die Verkehrsformen mit sich bringen, wenn sich
Philosophen, Feldherren und Staatsmänner gegenein-
ander aussprechen. Doch gibt es auch Abhandlungen
über Geometrie und Dialektik von ihm. Übrigens
zeichnen sich alle seine Schriften durch Mannigfaltig-
keit, durch Schwung der Darstellung und große An-
ziehungskraft aus.
Er soll auch seine von einem Tyrannen geknechtete
Heimatstadt in Freiheit gesetzt haben durch Ermor-
dung des Gewaltherrschers, 49 ) wie der Magnesier Deme-
trios in den Homonymen sagt. Dieser erzählt auch
folgendes Geschichtchen von ihm: Er habe eine
V 87—91.
255
Schlange von jung auf großgezogen und bei nahendem
Tode einen seiner Getreuen angewiesen, seinen Leich-
nam heimlich zu beerdigen und statt seiner die
Schlange auf die Bahre zu legen, um den Anscheinzu
erwecken, als sei er zu den Göttern entschwunden.
90 Altes wurde pünktlich ausgeführt. Und als die Mit-
bürger dem Herakleides das Grabgeleit gaben und üm
mit Lobgesängen priesen, kroch mittlerweile die
Schlange, durch das laute Geräusch aufgescheucht,
aus den Gewändern hervor und richtete großen
Schrecken bei den meisten an. In der Folge aber wurde
der ganze Hergang enthüllt, und Herakleides erschien
nun den Menschen nicht mehr in falschem Glänze son-
dern in seinem wahren Wesen.
Unsere Verse auf ihn lauten folgendermaßen:
Herakleides, du wolltest den Menschen dich künden als einer,
Der sich zur Schlange sofort 50 ) wandelte mit seinem Tod.
Aber du hast dich getäuscht, du Schlauer! Das Tier war in
Wahrheit
Schlange, doch du, o Tor, hast dich als Tier nun entpuppt.
91 Das berichtet auch Hippobotos. Indeß Hermippos
erzählt, aus Anlaß einer Hungersnot, die schwer auf
dem Lande lastete, hätten die Herakleoten die Pythia
um Rat zur Erlösung befragt. Da habe Herakleides
durch Geld nicht nur die Gesandten, sondern auch die
Pythia selbst bestochen, folgende Antwort zurückzu-
bringen: sie würden des Unglückes ledig werden, wenn
Herakleides, des Euthyphron Sohn, bei Lebzeiten von
ihnen mit einem goldenen Kranze geschmückt und
nach seinem Tode als Heros verehrt würde. In dieser
Fassung wurde der Orakelspruch überbracht, aber die
ihn ersonnen, kamen nicht auf ihre Rechnung. Denn
im Augenblicke, als Herakleides im Theater gekrönt
ward, kam er durch Schlagfluß ums Leben; die Ge-
sandten aber traf die Strafe des Steinigungstodes, Und
zur selben Stunde starb auch Pythia; beim Betreten
nämlich des Allerheildgsten ward sie von einer Schlange
tödlich gebissen. So viel über seinen Tod.
Herakleides.
Aristoxenos, der Musiker, erzählt, er habe auch 92
Tragödien gedichtet und sie für Werke des Thespis
ausgegeben, und Chamäleon") behauptet, er (Heraklei-
des) habe ihm seine Schriften über Hesiod und Homer
gestohlen und sie als Material für seine eigenen
Schriften verwendet. Auch der Epikureer Autodoros
läßt sich tadelnd gegen ihn aus und widerlegt seine
Schrift über die Gerechtigkeit. Ein weiterer Fall ist
der folgende: Dionysios, Metathemenos genannt, oder,
wie andere wollen, Spintharos, hatte einen Partheno-
paios gedichtet unter des Sophokles Namen. Heraklei-
des nahm die Sache gläubig auf und berief sich in einer 93
Stelle seiner eigenen Schriften darauf als auf Sopho-
kleische Zeugnisse. Sobald dies Dionysios erfuhr, ent-
hüllte er ihm das Geheimnis; Herakleides aber war
mißtrauisch und wollte der Mitteilung keinen Glauben
schenken. Da machte ihn jener auf die Anfangsbuch-
staben der ersten Verse aufmerksam, 32 ) die den Namen
„Pankalos" ergaben; das war der Geliebte des Diony-
sios. Als Herakleides aber noch immer ungläubig war
und behauptete, das sei ein reiner Zufall, da verwies
ihn Dionysios abermals auf sein Werk mit den Worten:
Du wirst auch folgende Verse finden:
A. Ein alter Affe fängt sich in der Schlinge nicht.
B. Gefangen wird er wohl, doch erst nach langer Zeit.
Ferner auch:
„Herakleides versteht die Buchstaben nicht und schämt sich
nicht."
Der Herakleidesse finden sich vierzehn: erstens
unserer hier; zweitens ein Mitbürger von ihm, der
Lieder zu Waffentänzen und allerhand Schnurren ge-
macht hat; drittens ein Kymäer, der fünf Bücher 94
Persergeschichte geschrieben hat; viertens noch ein
Kymäer, ein Rhetor, Verfasser einer Rhetorik; fünftens
tin Kallatianer oder Alexandriner, der das sechs-
V 92—94.
257
Irändige Buch über die Philosophenfolgen geschrieben
hat, und die Lembeutische Rede, wovon er auch Lem-
boa genannt wird; sechsten« der Alexandriner, der
Verfasser der Persischen Eigenheiten; siebentens der
Dialektiker aus Bargyle, der gegen Epikur geschrieben
hat; achtens der Arzt aus der Schule dös Hikesias;
neuntens der Tarentinische Arzt, der Empiriker;
zehntens ein Dichter, der moralische Sentenzen ver-
faßt hat; elftens ein Bildhauer aus Phokäa; zwölftens
ein klangreicher Epigrammendichter; dreizehntens der
Magnesier, der Verfasser der Geschichte des Mithri-
dates; vierzehntens der Verfasser der Astrologie.
\
17
258
Antisthenes.
Sechstes Buch.
Erstes Kapitel.
Antisthenes. 444 bis etwa 368 v. Chr.
Antisthenes, des Antisthenes Sohn, war geborener i
Athener. Er stammte aber, wie es hieß, nicht aus voll-
gültiger Ehe. Als ihn einer darüber höhnte, soll er er-
widert haben: „Auch die Göttermutter ist eine Phry-
gerin." Man glaubte nämlich, seine Mutter sei eine
Thrakerin gewesen. So gab er denn auch durch seine
rühmliche Haltung in der Schlacht bei Tanagra dem
Sokrates Anlaß zu der Äußerung, schwerlich wäre aus
einer Ehe eines Atheners mit einer Athenerin ein so
trefflicher Mann hervorgegangen. 1 ) Und er selbst sagte
höhnend von den Athenern, die sich nicht wenig
darauf zugute taten, erdgeborene Ureinwohner zu
sein, sie hätten, was ihre Abstammung anlange, nichts
voraus vor Schnecken und Heuschrecken.
Er war zuerst ein Schüler des Rhetors Gorgias.
Daher das rednerische Gepräge seiner Dialoge, beson-
ders in dem Dialoge „Wahrheit" sowie in den Protrep-
tika (den sittlichen Mahnungen). Hermippos berichtet, 2
er hätte die Absicht gehabt, bei der großen Isthmischen
Festfeier die Athener, Thebaner und Lakedaimonier zu
tadeln und zu loben; doch habe er diese Absicht auf-
gegeben angesichts der großen Zahl von Teilnehmern,
die sich aus diesen Städten zur Feier eingefunden.")
Späterhin schloß er sich an Sokrates an, wovon er so
VI 1-4.
259
großen Gewinn hatte, daß er seine eigenen Schüler auf-
forderte, seine Mitschüler beim Sokrates zu werden.
Im Peiraieus wohnhaft, legte er Tag für Tag den Weg
von vierzig Stadien zurück, um den Sokrates zu hören.
Seinem Vorbild verdankte er jene Beharrungskraft
und jene Reinigung der Seele von aller Leidenschaft,
womit er den Grund zur kynischen Schule legte. Und
daß Mühsal ein Gut sei, legte er dar an den Beispielen
des großen Herakles und des Kyros, indem er so Helle-
3 nen und Barbaren zum Zeugnis heranzog. Er gab
zuerst eine Definition der „Rede" durch die Formel:
„Rede ist der Ausdruck dessen, was ein Ding war oder
ist." Immer wieder sagte er: „Lieber verrückt werden
als der Lust erliegen." Und: „Man darf nur mit solchen
Weibern sich näher einlassen, die es einem Dank
wissen." Zu einem Pontischen Jüngling, der sein
Schüler werden wollte und sich erkundigte, was er dazu
nötig hätte, sagte er: „Ein neues Büchelchen, ein neues
Griffelchen und ein neues Täfelchen," wobei er mit dem
..neu" (xa'.voö = xai voü) immer zugleich mit auf den
Verstand hinwies. 8 ) Als ihn einer fragte, was für eine
Frau er heiraten solle, antwortete er: „Wenn eine
schöne, 60 gefällt sie allen, wenn eine häßliche, so
wird sie d i r nicht gefallen." 4 ) Als er einst hörte, daß
Piaton sich absprechend über ihn äußerte, sagte er:
..So geht es den Königen: sie tun Gutes und lassen
Böses über sich sagen." Als er in die Orphischen Myste-
4 rien eingeweiht wurde und der Priester sagte, die
dieser Teilhaftigen hätten im Hades viele Freuden zu
erwarten, erwiderte er: „Warum also stirbst du
nicht?" Als man ihn einmal höhnte, daß er nicht von
zwei Freien abstamme, sagte er: „Doch auch nicht von
zwei Ringkämpfern, und gleichwohl bin ich ein Ring-
kämpfer." Auf die Frage, wie es käme, daß er nur
wenige Schüler hätte, antwortete er: „Weil ich sie mit
silbernem Stabe hinaustreibe." 5 ) Auf die Frage, warum
er mit seinen Schülern so hart verfahre, sagte er:
„Halten es doch auch die Ärzte so mit ihren Patienten."
IT»
260
Antisthenes.
Als er einst einen Ehebrecher auf der Flucht sah, sagte
er: „Welcher Gefahr hättest du für einen einzigen
Obolos entgehen können." „Besser ist's," sagte er, wie
Hekaton in den Ghrien berichtet, „unter Geier als
unter Lob s c h r e i e r 6 ) zu geraten; denn jene fressen
die Toten, diese die Lebenden." Auf die Frage, was das
Beseligendste unter Menschen sei, sagte er: „Im Glück 5
zu sterben." Als einst ein Schüler ihm sein Leid klagte,
daß er seine Hefte verloren habe, sagte er: „Du hättest
den Inhalt in deine Seele und nicht auf deine Blätter
schreiben sollen." Wie das Eisen vom Bost, sagte er,
würden die Neider von ihrer eigenen Niedertracht ver-
zehrt. Ferner: „Wer unsterblich werden will, muß ein
frommes und gerechtes Leben führen." Und: „Als-
dann gehen die Staaten zugrunde, wenn sie nicht mehr
imstande sind, die Schlechten von den Guten zu unter-
scheiden." Als er einst von üblen Gesellen gelobt wurde,
sagte er: „Mir ist bange, daß ich irgend etwas
Schlimmes begangen habe." Das Zusammenhalten
einträchtiger Brüder erklärte er für stärker als jede
Mauer. Man muß seinen Beisebedarf, sagte er, so ein- 6
richten, daß er sich auch mit dem schwimmenden
Schiffbrüchigen retten kann. Einst wegen seines Ver-
kehrs mit schlimmen Gesellen zur Bede gesetzt, ant-
wortete er: „Auch die Ärzte sind mit ihren Patienten
zusammen, ohne Fieber zu bekommen." Es ist doch
widersinnig, sagte er, den Weizen vom Unkraut zu
säubern und im Kriege die unbrauchbaren Leute aus-
zusondern, dagegen von der Staatsverwaltung die
Schurken nicht auszuschließen. Auf die Frage, welchen
Gewinn ihm die Philosophie gebracht hätte, antwortete,
er: „Die Fähigkeit, mit mir selbst zu verkehren." Als
beim Becher einer zu ihm sagte: „Stimm doch ein Lied
an," gab er zur Antwort: „Blase du die Flöte dazu.''
Als Diogenes ihn um einen Leibrock bat, hieß ex ihn
seinen Mantel zusammenfalten. 7 ) Auf die Frage, was
man am nötigsten hätte zu lernen, erwiderte er: „Dem
Verlernen vorzubeugen." Diejenigen, welche
VI 4—9.
261
unter böser Nachrede zu leiden hatten, mahnte er
standhafter auszuharren als solche, die mit Steinen be-
worfen würden. Über Piaton spottete er als über einen
hoffärtigen Menschen. Als ein großer Festzug im
Gange war und er ein schnaubendes Roß vorüberziehen
sah, sagte er zu Piaton: „Auch du kommst mir vor wie
ein stolzes Prunkroß." Diese Äußerung hatte ihren
4nlaß darin, daß Piaton das Roß wiederholt lobte. Als
er den erkrankten Piaton einmal besuchte und eine
Schüssel sah, in die er sich erbrochen hatte, sagte er:
Die Galle sehe ich hier wohl, aber den Hochmut
8 nicht." Den Athenern gab er den Rat, durch eine Ab-
stimmung die Esel für Pferde zu erklären, und als sie
dies als unsinnig abwiesen, sagte er: „Rei euch kann
man ja auch Feldherr werden, ohne etwas gelernt zu
haben, durch bloßes Handaufheben." Als einer zu ihm
sagte: „Du hast zahlreiche Lobredner," erwiderte er:
„Was habe ich denn Röses getan?" 8 ) Als er ein
Loch in seinem Mantel recht sichtlich hervorkehrte,
sagte Sokrates, der dieses gewahr ward, zu ihm: »Deine
Eitelkeit blinkt mir aus deinem Mantel entgegen." )
Als, nach dem Eericht des Phanias in seinem Ruche
über die Sokratiker, einer die Frage an ihn richtete,
w as er tun müßte, um ein tüchtiger Mann zu werden,
antwortete er: „Wenn du von den Wissenden lernst,
daß das Schlechte, was dir anhaftet, zu meiden ist."
Zu einem Lobredner der Schwelgerei sagte er: „Meinen
Feinden gönnte ich es, daß ihre Söhne Schweiger
9 würden." Zu einem Jüngling, der sich für den Bild-
ner ein schönes Aussehen zu geben suchte, ließ er sich
.so aus: „Sage mir, wessen würde sich wohl das Erz
(einer Statue) rühmen, wenn ihm zu reden vergönnt
wäre?" — „Seiner Schönheit," lautete die Antwort. —
„Schämst du dich also nicht," erwiderte er, „deine
Freude an nichts anderem zu haben, als woran ein
seelenloses Eild sie hat?" Als ein Pontischer Jüngling
ihm reichliche Versorgung seinerseits zusicherte, so-
bald sein Schilf mit gesalzenen Fischen ankäme, nahm
262
Antisthenes.
er ihn bei der Hand und ging mit ihm, mit einem
leeren Sacke ausgerüstet, zu einer Mehlhändlerin, ließ
den Sack füllen und machte sich wieder auf den Weg;
als jene aber die Zahlung forderte, sagte er: „Der
Jüngling hier wird sie leisten, sobald sein Schiff mit
den Salzwaren ankommt." Er war es wahrscheinlich
auch, der die Verbannung des Anytos und den Tod des
Meietos veranlaßte. Alö er nämlich mit Jünglingen aus 10
dem Pontos zusammentraf, die der Name des Sokrates
nach Athen gelockt hatte, führte er sie zum Anytos mit
der ironischen Bemerkung, dieser sei weiser als So-
krates; darüber gerieten die Umstehenden in solchen
Unwillen, daß sie seine Verbannung durchsetzten. Sab
er irgendwo ein auffallend geputztes Frauenzimmer,
so ging er in ihre Wohnung und forderte ihren Mann
auf, sein Roß und seine Waffe sehen zu lassen; hätte
er solche, so brauche er von ihrer Putzlust nichts zu
befürchten; denn sie böten hinreichenden Schutz zur
Wahrung seiner Familienehre ; wo nicht, so müsse er
sie zwingen, ihren Putz abzulegen.
Sein philosophischer Standpunkt gibt sich in fol-
genden Sätzen kund: Die Tugend, so führte er aus, sei
lehrbar. Adel und Tugend sind nicht nach Personen
getrennt. Die Tugend sei ausreichend zur Glückselig- 11
keit und bedürfe außerdem nichts als die Sokratische
Willenskraft. Die Tugend bestehe im Handeln und be-
dürfe weder vieler Worte noch Lehren. Der Weise sei
sich selbst genug, denn alles was andere hätten habe
er auch. Die Ruhmlosigkeit sei ein Gut und stehe auf
gleicher Stufe mit der Mühsal. Der Weise werde sich
in Sachen der Staatsverwaltung nicht nach den be-
stehenden Gesetzen richten sondern nach dem Gesetze
der Tugend. Und er werde heiraten um der Nach-
kommenschaft willen, wobei seine Wahl auf die
schönsten Frauen fallen werde. Auch verlieben werde
er sich, denn der Weise allein wisse, wen man lieben
dürfe. Diokles verzeichnet von ihm noch folgenden 12
Ausspruch: Für den Weisen ist nichts fremd und un-
VI 9—14.
263
ergründbar. Der Tugendhafte ist liebenswert. Die
sittlich Tüchtigen sind Freunde. Entschlossene und ge-
rechte Männer muß man sich zu Bundesgenossen
raachen. Die Tugend ist eine Waffe, deren man nicht
beraubt werden kann. Es ist besser, mit wenigen
Trefflichen gegen die Gesamtheit der Schlechten, als
mit zahlreichen Schlechten gegen wenige Treffliche zu
kämpfen. Auf die Feinde muß man wohl acht haben,
denn niemand bemerkt unsere Fehler eher als sie. Die
Gerechten muß man höher schätzen als die Ver-
wandten. Für Mann und für Frau ist die Tugend die
nämliche. Das Gute ist schön, das Böse ist haßlich.
13 Alles Schändliche halte für fremd. Das sicherste Boll- .
werk ist die Einsicht, denn, sie kann weder weg-
geschwemmt noch verraten werden. Schaffe dir m dir
selbst ein Bollwerk durch die Unfehlbarkeit deiner Be-
rechnungen.
Seinen Unterricht erteilte er in dem Kynosarges,
einem Gymnasium nicht weit vor dem Tor, wovon nach
einigen die Schule auch ihren Namen bekommen haben
soll. Er selbst aber wurde Haplokyon (schlechtweg
Hund) 30 ) genannt. Er verdoppelte, wie Diokles be-
richtet, zuerst seinen alten Mantel 11 ) und beschränkte
sich ganz auf ihn ; dazu führte er Stock und Quersack
mit sich; auch Neanthes sagt, er habe zuerst den
Mantel verdoppelt. Sosikrates aber im dritten Buch
der Diadochae bemerkt, der Aspendier Diodoros habe
zuerst sich den Bart lang wachsen lassen und sich mit
Stock und Quersack ausgerüstet.
14 Antisthenes ist der einzige Sokratiker, den Theopomp
lobt mit den Worten, er sei ein hochbegabter Mann
und verstehe es. durch die gewandte Art seiner Unter-
haltung jedermann sich willfährig zu machen. Das er-
hellt auch aus seinen Schriften, wie auch aus des
Xenophon Symposion. Er gilt auch alis geistiger Ur-
heber der so überaus mannhaften Sekte der Stoiker,
wie denn der Epigrammendichter Athenaios sich
folgendermaßen über diese vernehmen läßt:
264
Antisthenes.
Heil euch stoischen Weisen! Ihr habt die erhabensten Lehren
Eueren Blättern vertraut, habt sie geheiligt durch sie
Tugend allein verbürgt das Heil der Seele; ihr findet
Keinen anderen Hort jemals für Menschen und Staat
Neischliche Lust, das gepriesene Ziel für andere Menschen,
Hat eine einzige nur sich von den Musen erwählt.
i Er war auch der Wegweiser zu des Diogenes leiden- 15
.schaftsloser Seelenruhe, zu des Krates Selbstbeherr-
schung, wie zu des Zenon Beharrlichkeit und hat selbst
den Grund zu der Staatstheorie gelegt. 12 ) Xenophon
bemerkt, er sei der angenehmste Unterhalter gewesen,
im übrigen außerordentlich enthaltsam.
Seine umlaufenden Schriften umfassen zehn Bände.
Der erste enthält folgende Abhandlungen: Von der
Ausdrucksweise oder von den Kennzeichen {^spi Xs'leoc
i\ ftspt xapaxTKi'pMv). Aias oder Aias Rede (Al'ac r t Aiavtof
Äop?), ^ Odysseus oder von Odysseus ('05i><t<tsu? tj ttip!
08-jaaswc), Des Orestes Verteidigung oder über die
Rechtsanwälte ('OpsVirou äizolojCa t] Trepi. twv Sixoypaqjov),
Isographe oder Lysias und Isokrates ('Ictoyp<x<pv) tj Av-
Ti'a ? xat'Iaoxpa'TY ) <;) ; Gegen den Zeugenlosen des Isokrates
(icpöS tov WpaTouc 'AjtapTupov). Der zweite Band:
Von der Natur der Tiere (rcepi. £w'uv cpucs«?), Von der
Kindererzeugimg oder von der Hochzeit, ein Liebes-
gespräch Ospi TraiSoTTou'ac r, «gpj ya'piou spcmxo's), Von
den Sophisten, eine physiognomische Abhandlung (mpl
-ov aoyvnm 9ua1.0Yvofj.txd?), über Gerechtigkeit und 16
Tapferkeit, ermahnender Dialog in drei Abteilungen
(«gpt otxawCTuvTj? xal ävopa'ac irpoTp£7mxb<: 7rpüro£,
Ssu'-cepoc, Tpiroc), Über Theognis (icepl ©soyviSoc 5' s j.
Dritter Band: Vom Guten fcrspt dya'äroO), Von der
Tapferkeit (^ept avSpsi'as), Vom Gesetz od er vom Staat
Otepi vojj.ou •») ^spl ic&XiTsto«), Vom Gesetz oder Vom
Schönen und Gerechten (jcspi. vop.ou v) Ttspi. xaXou xal
oixafou), Von Freiheit und Knechtschaft (rcepi eXeo^epi'ac
xat. öouXsta?), Vom Vertrauen faepi, ■Kiazstoc), Vom
Vormund oder vom Gehorchen (TcspUraxporcou T,7cspl xoü
rafirsafrai), Vom Siege, ein Haushaltungsbuch Oept
voetic otxovctuxo>). Vier ter Band : Kyros (Küpo;),
VI 14—18.
265
Der größere Herakles oder Von der Kraft ( HpoxVr)?o
asßov ri icspl ia X üo?). Fünfter Band: Kyros oder \ om
Königtum (KOpo? $ ßowiXste«), Aspasia ( Aaraciux).
Sechster Band: Die Wahrheit ('AX^eux) Von der
Disputierkunst, ein widerlegendes Gespräch (w- tou
S-aXe'Ysa^oi avTiXo^ixoc). Sathon oder \om Wider-
sprechen, drei Abteilungen (2d*wv ^ V Touav^
Xgyew a' ß' y')> Von der Bedeweise (ictpi iH.aXexirou),
17 Siebenter Band: Von .der Erziehung oder Von den
Namen in fünf Abteilungen («spi icai5eiac ij ovoiiotcüv
d ß' t' 5' e'), Vom Gebrauche der Namen, polemisch
(reepl 6vo|j.a'Tov xjP».««»« ^ $PW™»«)j Von Frage und
Antwort ("£?<• epu^aeoc xai drcoxpfesoc). Vom Meinen
und Wissen in vier Abteilungen («plSo^cxal fafTMtqc
a' ß' f »'), Vom Sterben (iwpl tou awÄcwil»), Uber
lieben und Tod (wspl frtfj« xai. Savairow), Von den
Dingen im Hades frspi. tov sv a5ou). Von der Natur in
zwei Abteilungen (wepl qiwreoc d ß'), Frage über die
Natur in zwei Abteilungen ('Epo^a wep«. «puaswc ß ),
Meinungen, polemisch (Ao£oa i\ s'pumxo'c). Probleme
über das Lernen (*ept xoO fx-xv^dvew -poßXTj'vrra),
Achter Band: Von der Musik (rapl jj.ouöoajO, Über
die Ausleger (^spi s^ytjtwv), Über Homer (-spl 0(XT,pou),
Über Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit (ttspt d5odas Kät
dssßetac), Über Kalchas KaX^vro«), Über den
Kundschafter (wepl xa-rao-xo-ou), Von der Lust (wspt
ySov^c). Neunter Band: Über die Odyssee
"()5yaaretaf), Über den Stab (*spl pdßäou), Athene oder
Über Telemach ('A^vd 3j itepl Ti]Xsfi.dx,ou), Über Helena
und Penelope (wepi 'EX^vijj xocl rtyvsXojt-K)?), Über Pro-
' teus (TCspt üpoTewc), Der Kyklop oder Über Odysseus
(Ku'xXö^ Tj 7T£pi 'Obvaaiuq). Vom Gebrauche des Weines
18 oder Von der Trunkenheit ^oder ^ Vom Kyklopen frepl
(owou xFl'c 12 "? "h KE 9 l ! J - £ '~'*l£ "h Ktpt toü KuxXotuos;), Von
der Kirke (Tcspf, K£px-*i<;), Von Amphiaraos (wepi.
'A(j.cpt.apdoo), Von Odysseus, Penelope und dem Hunde
(repi toÜ 'OSuaaso? xod fIv]veX67rr); xod 7irspl toü xuvos).-
Zehnter Band: Herakles oder Midas CHpaxXr,c %
.266 Antisthenes. Diogenes.
M{8a?), ^ Herakles oder Über Einsicht und Kraft
( HpaxX-^i ^ repi ^por^oc •»] iayvoi;). Kyros oder Der
Geliebte (KOpo; r, ^po^svo?), Kyros oder Die Kund-
schafter (K-ipoc •») xaTa'ffxawoi), Menexenos oder Vom
Herrschen (Msve^evo? wepl toü apx s '- v ), Alkibiades
( AXx-ßia'8-»)?), Archelaos oder Vom Königtum
('Apx^.ao? i] Trept ßaatXei'a?). Das sind seine Schriften.
Timon ergeht sich wegen der Menge seiner Schriften
in Tadel über ihn und nennt ihn einen „geschwätzigen
Tausendkünstler". [Frg. 37 Diels.] 13 )
Er starb an Kräfteverfall. Während seiner Krank-
heit besuchte ihn Diogenes und fragte ihn: „Du be-
darfst doch nicht etwa eines Freundes?" 14 ) Und ein
andermal trat er mit einem Dolch bei ihm ein. Als nun
Antisthenes die Worte ausstieß: „Wer kann mich wohl
von meinen Qualen befreien?" sagte er, den Dolch vor-
zeigend: „Dieser da." Da erwiderte Antisthenes: „Von
den Qualen, sagte ich, nicht vom Leben," denn, wie es
schien, war er wohl aus Liebe zum Leben duldsamer 19
gegen die Krankheit. Folgendes sind meine Verse
auf ihn:
•
Eine Hundenatur, Antisthenes, warst du im Leben;
Mit deinem bissigen Wort trafst du die Menschen ins Herz.
Schwindsucht raffte dich hin, wird mancher sagen. Wozu das?
Eines Fuhrers bedarf jeder zum Hades hinab.
Es gibt noch drei andere Antisthenes: einen Herak-
hteer, einen zweiten aus Ephesos und einen dritten,
einen Historiker aus Rhodos. Wie wir nun früher die
Schulen des Aristipp und des Phaidon nach ihren Ver-
tretern durchgesprochen haben, so wollen wir jetzt die .
von Antisthenes ausgehenden Kyniker und Stoiker zur
1 bersicht bringen, und zwar in folgender Ordnung.
VI 18—21.
267
f J
Zweites Kapitel.
Diogenes. 404—323 v. Chr.
20 Diogenes, 15 ) des Wechslers Hikesias Sohn stammte
aus Smopt Diokles erzählt, sein Vater habe ein
öffentliches Wechslergeschäft gehabt und «i^
Falschmünzerei flüchtig geworden. Lubuhdes aber be-
richtet in seinem Buch über Diogenes, diejars« *fl*
der Täter gewesen und sei mit seinem Vater in die
Fremde gegangen. Ja, er selbst sagt von sich in seinem
PorLos (vgl § 80), er habe die Münze verfälscht
Einige behaupten, er sei zum Aufseher gemacht worden
und habe sich von den Werkleuten ^eden la^n-
nach Delphi oder nach Delos, der Heimat des Apollor,,
zum deichen Tempel sich zu begeben, um dort anzu-
fragen, ob er das vornehmen dürfe, wozu man ihn auf-
'ordere (nämlich eine Änderung des Nomisma). Als
der Gott es erlaubte, nämlich eine Änderung der staat-
lichen Ordnung (7coX t Tix.bv voju^a) überhaupt (nicht
aber der Münze, vo^-au.*), faßte er es anders auf,
fälschte die Münze, ward gefaßt und mulite wie
einige vermelden, in die Verbannung gehen, wahrend
er nach anderen freiwillig aus der Stadt entwich, aus
Furcht; noch andere behaupten, er sei vom Vater zur
21 Münzfälschung veranlaßt worden, und dieser sei nn
Gefängnis gestorben, er aber sei flüchtig geworden
und nach Delphi gegangen und habe da angefragt,
nicht ob er das Geld fälschen dürfe, sondern was ihm
dazu verhelfen würde, alle an Ruhm zu ubertreffen,
und habe darauf jene Antwort erhalten. )
Nach Athen gelangt, wandte er sich dem Anti-
sthene* zu. Als dieser aber ihn von sich wies, da er
niemanden um sich leiden mochte, erzwang er sich
doch endlich den Zutritt durch seine geduldige Be-
harrlichkeit. Und als Antisthenes einmal seinen Stock
gegen ihn erhob, reckte er ihm seinen Kopf hm mit
drn Worten: „Schlage nur zu, denn du wirst kein Holz
2158
Diogenes.
finden, das hart genug wäre, mich fortzutreiben, so-
lange ich dich noch reden höre/' Von da ab ward ei-
sern Zuhörer und mußte als armer Flüchtling so spar-
sam wie möglich leben. Wie Theophrast in seinem
Megarikos 17 ) berichtet, ward er aufmerksam auf eine
hin- und herlaufende Maus, die weder eine Ruhestätte 22
suchte noch die Dunkelheit mied noch irgend welches
Verlangen zeigte nach sogenannten Leckerbissen. Das
gab ihm einen Wink zur Abhilfe für seine dürftige
Lage. Er war es nach einigen, der zuerst seinen
Mantel durch Übereinanderschlagen gleichsam ver-
doppelte,") um jedem Bedarf zu genügen und auch
das Bett zu ersetzen. Auch rüstete er sich mit einem
Ranzen aus, der seine Nahrung barg, und so war ihm
joder Ort recht zum Frühstück, zum Schlafen, zur
Unterhaltung, kurz für alles. So pflegte er denn, mit
seinem Finger auf die Säulenhalle des Zeus und auf
das Zeughaus (Pompeion) hinweisend, zu sagen, diese
Bauten hätten die Athener ihm zur Wohnstätte er-
richtet. Nach einem Krankheitsanfall bediente er sich 23
•■Ines Stabes zur Stütze, den er dann aber gewohnheits-
mäßig immer mit sich führte, nur in der Stadt nicht,
wohl aber auf seinen Wanderungen, ebenso wie auch
den Ranzen, wie Olympiodo res berichtet, der leitende
I5eamte Athens, und der Rhetor Polyeuktos und Lysa-
nias, des Aischrion Sohn. Als er einen brieflich ge-
beten hatte, ihm ein Häuschen zu besorgen und dieser
zu lange auf sich warten ließ, nahm er das Faß im
Metroon (Tempel der Göttermutter Kybele und Staats-
archiv) zu seiner Wohnung, wie er selbst in seinen
Briefen bezeugt. Im Sommer pflegte er sich auf dem
glühend heißen Sande umherzuwälzen, im Winter die
schneebedeckten Bildsäulen mit seinen Armen zu um-
fangen, nichts verabsäumend, um sich widerstands-
fähig zu machen.
Besonders stark war er darin, anderen seine Ver- 2*
achtung kund zu geben. Des Schulhauptes Eukleides
Hallo nannte er Galle und des Piaton Beleb-
Vi 21—26. 269
rung Verkelnung. 19 ) Die Bionysischeii Wett-
cämpfe nannte er große Wunderwerke ^r ^arren )
und die Demagogen Bediente des Pobels. ) Auch horte
nan ihn Sen, wenn er im Lehen Steuermännern be-
Sgne Äzten und Phüosophen, dann käme ahm
der Men-ch wie das verständigste unter allen be-
sth r ö£lor; wenn dann aber wieder T = *utern
und Sehern nebst ihrem gläubigen Anhang ode
Leuten die sieh auf ihre Berühmtheit oder ihren
Reichtum werweiß was einbildeten, dann erscheine ihm
SS erbärmlicher als der Mensch. Nicht Seiten sagte
er er glaube, man müsse sich zum Leten entweder
2S mit Vei^tand' ausrüsten oder mit ^.^Jg^
sich zu erhängen). Und als er sah, daß Piaton bei
e nem prunkvollen Mahle sich an die Ohven hielt, sagte
er Wie' Erst macht derWeise die große Seereise nach
Sizilien um der Tafelfreuden willen und nun, da hier
alles in Fülle zu haben ist, versagst du dar den Genuöj
worauf Piaton erwiderte: „Glaube mir, bei denGottern,
Biogenes, auch dort habe ich mich meist an _ Oliven ^und
dergleichen gehalten." - „Wozu also," fuhr Biogene,
fort, „hattest du es nötig, nach Syrakus zu fahrem
Gab es etwa damals in Attika kerne Ohven? Favorm
dagegen schreibt in seinen Geschichtemisz^llen diese
Äußerung dem Aristipp zu. Ein andermal begegnete
er, getrocknete Feige* essend, dem Piaton und sagte.
„Bu kannst auch teilnehmen." Und als jener zulangte
und aß, sagte er: „Teilnehmen, sagte ich nicht auf-
25 essen" Als Piaton ihn einst zu Gaste geladen hatte
nebst Freunden, die von Bionysios her eingetroffen
waren, trampelte er auf dessen Fußteppichen herum
mit den Worten: „Ich trete des Piaton anmaßhehe
Hohlheit mit Füßen," worauf Piaton sagte: Welchen
Grad von Aufgeblasenheit, o Biogenes, gibst du damit
kund der du dir einbildest, nicht aufgeblasen zu sein.
Andere erzählen die Sache in folgender Form : Biogenes
habe gesagt: „Ich trete des Piaton AufgeWasenheu mit
Füßen," worauf dieser erwidert habe: „Ja, mit emei
270
Diogenes.
anderen Aufgeblasenheit, Diogenes." Sotion aber im
vierten Buch schreibt diese Äußerung dem Kyniker zu
als gegen Piaton selbst gerichtet. (?) Einst hatte
Diogenes ihn um Wein gebeten, zugleich auch um ge-
trocknete Feigen; Piaton aber schickte ihm ein ganzes
großes Gefäß voll. Da sagte er: „Wenn man dich fragte,
wieviel zweimal zwei ist und du antwortetest
zwanzig, so würde deine Antwort so wenig zu der
Frage passen wie deine Gabe zu dem Verlangten." Er
spottete auch über ihn als einen Wortverschwender.
'Auf die Frage, wo in Griechenland er brave Männer 27
gesehen hätte, antwortete er: Männer nirgends, Knaben
aber in Lakedaimon." Als sich einst zu seiner ernsten
Rede niemand einstellen wollte, begann er wie ein
Vogel zu trillern; als sich daraufhin eine Masse Volkes
um ihn zusammendrängte, schalt er sie, daß sie sich
solchem Getändele mit vollem Eifer und Ernst zu-
wendeten, während sie für ernste Dinge keine Zeit und
keinen Antrieb hätten. Die Menschen, sagte er, wett-
eiferten darin, sich gegenseitig zu Fall zu bringen und
einander niederzutreten, aber um den Preis der Tu-
gend ringe niemand. Auch sprach er sein Befremden
aus über die Grammatiker, die des Odysseus Fehler
aufspürten, die ihrigen aber unbeachtet ließen, und
daß die Musiker zwar die Saiten der Leier zum Ein-
klang stimmten, ihre eigene Seelenverfassung aber dem
Mißklang preisgäben. So schauten auch die Mathe- 28
matiker nach Sonne und Mond, aber was ihnen vor den
Füßen läge, das übersähen sie, 22 ) und die Redner
würden nicht müde von dem zu sprechen, was recht
sei, es aber zu tun unterließen sie. Und die Hab-
süchtigen sprächen zwar verächtlich vom Geld, liebten
es aber über die Maßen. Er sprach sich ungehalten
ans über die, welche die Gerechten loben, daß sie über
Geld erhaben seien, dabei aber doch die mit Reichtum
Gesegneten preisen. Auch ging es ihm wider den
Mann, den Göttern um der Gesundheit willen zu opfern
und beim Opfer selbst zu schmausen auf Kosten der
VI 26—30.
271
Gesundheit. Auch . verhehlte er nicht seine Bewunde-
rung für die Sklaven, die die Eßgier ihrer Herren beim.
Mahle beobachteten, ohne sich eines Raubes an dfen
29 Speisen schuldig zu machen. Er lobte die, welche
heiraten wollen und nicht heiraten, die, welche ab-
segeln wollen und nicht absegeln, die, welche staats-
männisch tätig sein wollen und es unterlassen, die
Kinder aufziehen wollen und es nicht tun, die sich
fertig machen, in den Dienst der Fürsten zu treten und
davon abstehen. Von ihm stammt auch der Ausspruch,
nach Freunden dürfe man die Hand nicht mit einge-
bogenen Fingern ausstrecken." 3 ) Menippos erzählt in
dem „Verkauf des Diogenes", er sei bei seinem Verkauf
als Gefangener gefragt worden, auf welches Geschäft
er sich verstände, und seine Antwort habe gelautet:
.,Über Männer zu herrschen;" und dem Herold gab er
die Weisung: „Rufe aus, ob einer gewillt sei, sich einen
Herrn zu kaufen." Und als man ihm (bei diesem Ver-
kauf) das Sitzen verwehrte, sagte er: „Das macht
nichts aus; werden doch auch die Fische verkauft,
mögen sie nun so oder so gelagert sein." Auch sprach
30 er seine Verwunderung darüber aus, daß wir beim Ein-
kauf eines Topfes oder eines Tiegels die Ware sorg-
fältig beklopfen, beim Einkauf eines Menschen aber
uns mit dem bloßen Anblick begnügen (vgl. II 78). Zu
seinem Käufer Xeniades sagte er: du mußt mir ge-
horchen, ob ich gleich Sklave bin; gehorche er doch
auch dem Arzte oder Steuermann, gesetzt auch, daß
sie Sklaven wären. Eubulos sagt in der Schrift, die be-
titelt ist „Der Verkauf des Diogenes", er habe es mdt
der Erziehung der Kinder des Xeniades so gehalten,
daß er sie außer den übrigen Fächern im Reiten,
Rogenschießen, Schleudern, Speerwerfen unterwiesen
habe. Weiterhin in der Ringschule gestattete er dem
Ringmeister nicht, sie in den Athletenkünsten zu üben,
sondern als Ziel hatte er immer nur die gesunde Ge-
sichtsfarbe und die gute körperliche Verfassung im
Auge. Die Knaben prägten sich viele Stellen aus Dich-
212
Diogenes.
tern und Schriftstellern, auch aus des Diogenes eigenen
Schriften ein, und er ruhte und rastete nicht, ihnen
den Lernstoff in möglichster Kürze für das Gedächtnis
leicht behattbar zu machen. Im Hause hielt er sie an.
dienstfertig zu sein und sich mit einfacher Kost und 31
mit Wasser zu begnügen. Mit ganz kurz geschnittenem
Haar, ohne jeden Schmuck, ohne Mantel und Schuhe,
schweigsam und das Auge nur auf sich selbst gerichtet
mußten sie auf den Straßen einhergehen. Auch auf die
Jagd hinaus führte er sie. Sie aber waren ihrerseits
eifrig um des Diogenes Wohl besorgt und legten bei
ihren Eltern oft ein gutes Wort für ihn ein. Derselbe
Schriftsteller bezeugt, daß er im Hause des Xeniades
alt geworden und nach eingetretenem Tode von dessen
Söhnen beerdigt worden sei. Hierher gehört auch fol-
gender Ausspruch von ihm. Als Xeniades ihn fragte,
wie er ihn begraben solle, sagte er: „Auf dem Gesichte
hegend." Auf die Frage aber nach dem Grunde sagte 32
er: „Weil in kurzer Zeit das Untere zu oberst gekehrt
werden wird." Dies aber deshalb, weil die Makedoner
bereits die Herrschaft in den Händen hatten oder mit
anderen Worten von unten nach oben gelangt waren.
Als ihn einer in ein prunkvolles Haus führte und sich
das Spucken verbat, spie er ihm den im Munde ge-
sammelten Schleim ins Gesicht mit den Worten, er
habe jergebens nach einem schlechteren Platz ge-
sucht. ") Andere schreiben dieses dem Aristipp zu.
Einst rief er laut: „Heda, Menschen," und als sie her-
zuliefen, bearbeitete er sie mit seinem Stocke mit den
Worten: „Menschen habe ich gerufen, nicht Unflat."
So erzählt Hekaton im ersten Buche seiner Chrien. Es
geht auch die Rede, Alexander habe die Äußerung
getan, wenn er nicht Alexander wäre, möchte er Dio-
genes sein. Nicht Taube und Blinde, sagte er, sind zu 38
beklagen, sondern die, die den Rucksack nicht
trage n. s ") Einst kam er, wie Metrokies in den Chrien
erzählt, zu einem Gelage junger Leute und wurde, weil
^iur halbgeschoren, durchgeprügelt; da schrieb er die
VI 30—35.
273
Namen seiner Peiniger auf eine weiße Tafel, die er
sich umhing, und machte damit die Runde in der
Stadt. So rächte er sich an ihnen, indem er sie der
Verurteilung und der Verachtung preisgab. Er sagte,
er sei einer von den vielgepriesenen Hunden, 20 ) aber
keiner der Preisenden wage es, mit ihm auf die Jagd
zu gehen. Einem, der sich vor ihm rühmte: „In den
Pythischen Spielen besiege ich Männer," erwiderte er:
„Ich Männer, du nur Knechte." 27 ) Als er die Worte
zu hören bekam : „Du bist nun alt und mußt dir künftig
Ruhe gönnen," entgegnete er: „Wie? Gesetzt, ich liefe
in der Rennbahn um die Wette, dürfte ich dann, nahe
dem Ziele, nachlassen, statt meine Kraft nur noch mehr
zusammenzunehmen?" Eine Einladung zu einem Gast-
mahl schlug er aus mit der Begründung, auch kurz
vorher habe man sich für sein Erscheinen nicht dank-
bar gezeigt. Mit nackten Füßen wandelte er auf dem
Schnee und was sonst oben bereits mitgeteilt ist. Sogar
rohes Fleisch versuchte er zu genießen, doch konnte
er's nicht verdauen. Einmal traf er den Redner
Demosthenes in einem Wirtshause frühstückend, und
als dieser vor ihm sich mehr in das Innere des Raumes
zurückzog, sagte er: „Umsomehr wirst du im Wirts-
haus sein." Einst wollten Fremde gern den Demo-
sthenes sehen; da streckte er den Mittelfinger 28 ) aus
und sagte: „Seht, dieser da ist der athenische Dema-
gog." Als jemand ein Stück Brot hatte fallen lassen
und sich schämte, es wieder aufzuheben, wollte er ihm
einen Denkzettel geben: er schlang also um den Hals
eines irdenen Kruges eine Schnur und schleifte so das
Gefäß über den ganzen Töpfermarkt weg. 28 *) Er ahme,
sagte er, die Chormedster nach; denn auch diese gingen
im Tonangeben ein wenig über das eigentliche Maß
hinaus, damit die übrigen den richtigen Ton träfen.
Auf einen einzigen Finger, sagte er, käme es bei den
meisten an, ob sie verrückt wären oder nicht; wenn
nämlich jemand umherwandelnd mit dem Mittelfinger
auf etwas hinzeigt, so gilt er für verrückt, wenn aber
Apelt, Diogenes Laertius. 18
274
Diogenes.
mit dem Zeigefinger, dann nicht. Das Wertvolle, sagte
er, bekäme man auf dem Markte um einen Spottpreis
und umgekehrt; so wäre eine Bildsäule nicht unter
dreitausend Stück Kupfermünzen zu haben, ein Maß
Mehl dagegen schon für zwei Stück. Zu Xeniades,
seinem Käufer, sagte er: „Wohlan, nun tue, was dir
befohlen wird," und als dieser erwiderte (Eurip. Med. 36
410):
Aufwärts richtet sich nun der Lauf der Flüsse
entgegnete er: „Hättest du als Kranker einen Arzt ge-
kauft, würdest du ihm dann etwa nicht folgsam sein,
sondern sagen, aufwärts richte sich nun der Lauf der
Flüsse?" Als sich einer bei ihm in der Philosophie
unterweisen lassen wollte, gab er ihm einen Hering
mit der Weisung ihm zu folgen; der aber warf aus
Scham den Fisch weg und machte sich davon. Einige
Zeit darauf begegnete ihm Diogenes und sagte lachend:
, : Die Freundschaft zwischen dir und mir hat ein
Hering zerstört." Diokles aber erzählt die Geschichte
so: es sagte einer zu ihm: „Gebiete uns, Diogenes;" da
nahm er ihn mit sich und machte Anstalt, ihm einen
Käse für einen Halbobol zu tragen zu geben; der aber
ließ sich das nicht bieten, und da sagte Diogenes: „Ein
lumpiger Käse hat deine und meine Freundschaft zer-
stört."
Als er einmal ein Kind sah, das aus den Händen 37
trank, riß er seinen Becher aus seinem Banzen heraus
und warf ihn weg mit den Worten: „Ein Kind ist mein
Meister geworden in der Genügsamkeit." Auch seine
Schüssel warf er weg, als er eine ähnliche Beobachtung
an einem Knaben machte, der sein Geschirr zerbrochen
hatte und nun seinen Linsenbrei in der Höhlung eines
Brotstückes barg.
Er machte folgenden Schluß: Den Göttern gehört
alles; nun sind aber die Weisen Freunde der Götter,
unter Freunden aber ist alles gemeinsam; alles also
gehört den Weisen.
VI 35—39.
275
Als er einst sah, wie ein Weib sich in höchst an-
stößiger Weise vor den Göttern niederwarf, wollte er
ihr ihren Aberglauben austreiben, trat, wie Zoilos aus
Perga berichtet, an sie heran und sagte: „Schämst du
dich nicht, o Weib, dich vor dem etwa hinter dir
siehenden Gotte — denn alles ist seiner voll — bloß-
zustellen?" Dem AskLepios stellte er als Weihgeschenk
einen anstürmenden Fechter auf, der die vor dem Gott
aufs Gesicht Niederfallenden umzubringen drohte: Die
Flüche der Tragiker, pflegte er zu sagen, seien für ihn
eingetroffen, er sei 29 )
Der Vaterstadt, dem Haus, der lieben Heimat fern,
Ein Bettler, Flüchtling, kämpfend um sein täglich Brot.
Dem Schicksal, sagte er, stelle ich den Mut, dem
Gesetz die Natur, der Leidenschaft die Vernunft ent-
gegen. Als er im Kraneion 30 ) sich sonnte, trat Alexan-
der an ihn heran und sagte: „Fordere, was du wün-
schest," worauf er antwortete: „Geh mir aus der
Sonne."
Als ein Gelehrter eine lange Abhandlung von sich
vorlas und endlich an einem nur halb beschriebenen
Blatt erkennen ließ, daß der Schluß unmittelbar bevor-
stände, sagte er zu den Versammelten: „Mut, ihr
Männer, ich sehe Land." 31 ) Und als einer ihm durch
einen Schluß bewies, daß er (Diogenes) Horner hätte,* 2 )
befühlte er seine Stirn und sagte: „Ich merke nichts
davon." Ähnlich machte er's mit dem, der behauptete,
es gebe keine Bewegung: er stand auf und spazierte
hin und her. Als einer von Himmelserscheinungen
sprach, fragte er: „Wie lange ist es denn her, daß du
vom Himmel hierher gekommen bist?"
Als ein schuftiger Eunuch über seine Haustür die
Inschrift setzen ließ: jedem Bösen ist der Eintritt ver-
wehrt, fragte er: „Wie soll denn aber da der Herr des
Hauses selbst hineinkommen?" Als er seine Füße mit
wohlduftendem Öl salbte, sagte er: „Vom Kopf zieht
sich der Wohlgeruch des Öls in die Luft, von den
Füßen aber in die Geruchsorgane." 88 )
18*
276
Diogenes.
Als die Athener ihn aufforderten sich den heiligen
Weihen zu unterziehen und sagten, im Hades hätten,
die Geweihten den Vorrang, erwiderte er: „Das wäre
doch lächerlich, wenn ein Agesilaos und Epameinon-
das sich im Pfuhle herumtreiben, dagegen nichtige Ge-
sellen, nur weil sie die Weihe empfingen, auf den In-
seln der Seligen wohnen sollen." Als Mäuse auf seinen
Tisch krochen, sagte er zu ihnen: „Siehe da, auch Dio- -10
genes füttert Schmarotzer."
Als Piaton ihn Hund nannte, erwiderte er: „Jawohl,
denn ich bin zu denen, die mich verkauft haben,
wieder zurückgekehrt." Als er das Bad verließ, fragte
ihn einer, ob viele Menschen im Bade wären. „Nein!"
lautete die Antwort. Nun aber, ob viel Pöbel darin
wäre. „Ja," lautete die Antwort. Als Piaton die Defi-
nition aufstellte, der Mensch ist ein federloses zwei-
füßiges Tier, und damit Beifall fand, rupfte er einem
Hahn die Federn aus und brachte ihn in dessen Schule
mit den Worten: „Das ist Piatons Mensch;" infolge-
dessen ward der Zusatz gemacht „mit platten Nägeln".
Auf die Frage, zu welcher Stunde man frühstücken
müsse, antwortete er: „Der Deiche mag frühstücken,
wenn er Lust hat, der Arme, wenn er etwas zu beißen
hat." Als er in Megara die Schafe mit Schutzdecken 41
versehen, 34 ) die Kinder aber nackt herumlaufen sah,
sagte er: „In Megara hat es mehr für sich, ein Widder
zu sein als ein Sohn." Als ihm einer (aus Versehen)
einen Stoß mit einem Balken versetzt hatte und rief:
„Nimm dich in acht," sagte er: „Soll ich denn noch
einen Stoß bekommen?" 35 ) Die Demagogen nannte er
Volkslakeien, 30 ) die Kränze Ruhmgesichwüre. Er zün-
dete bei Tage ein Licht an und sagte: „Ich suche einen
Menschen."
Man fand ihn einmal ganz von Wasser beträuft,
und als ihn die Umstehenden bemitleideten, sagte
Piaton, der auch dabei war, „wenn ihr ihn bemitleiden
wollt, so müßt ihr euch entfernen," womit er auf seine
Ruhmsucht hinzielte. 37 ) Als ihm einer einen Faust-
VI 39—44.
277
schlag an den Kopf versetzte, sagte er: „Beim Himmel,
daran habe ich noch nicht gedacht, daß ich bei meinen
Ausgängen mir einen Helm aufsetzen muß." Und als
42 auch Meidias ihm einen Faustschlag versetzte mit den
Worten: „Dreitausend liegen für dich auf dem Tische,"
versah er sich am Tage darauf mit Faustriemen, boxte
ihn nieder und sagte: „Dreitausend liegen für dich auf
dem Tische." 38 )
Als der Arzneihändler Lysias ihn fragte, ob er an
Götter glaube, sagte er: „Wie könnte ich denn nicht an.
sie glauben? Halte ich doch dich für einen Götterfeind."
Andere schreiben dies Wort dem Theodoros zu. 30 ) Als
er einen sich über und über mit Weihwasser be-
sprengen sah, sagte er: „Du Unseliger, weißt du nicht,
daß du dich durch Besprengung mit Weihwasser
ebensowenig von deinen Sünden im Leben freimachen
kannst wie von deinen grammatischen Sünden?" Er
tadelte die Menschen ob des Gebetes, denn sie bäten nur
um das, was ihnen seihst gut scheine, nicht aber um
das, was wahrhaft gut wäre. Und zu denen, die sich
43 durch Träume schrecken ließen, bemerkte er: „Was ihr
wachend tut, das macht euch keinen Kummer, aber
was ihr im Schlafe euch einbildet, das macht euch viel
zu schaffen." Als zu Olympia der Herold verkündete:
„Dioxippos hat über Männer gesiegt," sagte er: „Über
Knechte hat er gesiegt, ich über Männer." 40 )
Er war auch bei den Athenern beliebt. Als ein
junger Mensch sein Faß zertrümmert hatte, ließen sie
diesem eine Tracht Prügel verabfolgen, ihn selbst aber
beschenkten sie mit einem anderen Faß. Der Stoiker
Dionysias erzählt von ihm, er sei nach der Schlacht
von Chaironeia als Gefangener vor Philipp geführt
worden, und da habe er auf die Frage, wer er sei, ge- I
antwortet: „Ein Erkunder deiner Unersättlichkeit." \
Das habe solche Bewunderung erweckt, daß er frei-
gelassen ward. Als Alexander einst einen gewissen
44 Athlias (Unheil) mit einem Schreiben an Antipater
nach Athen sandte, sagte Diogenes, der sich zur Stelle
278
Diogenes.
befand, „Athlias von Athlias durch Athlias an
Athlias" (Unheil von Unheil durch Unheil an Un- 44
heil). 41 ) Als Perdikkas ihn mit dem Tode bedrohte,
falls er sich nicht entschließen würde zu ihm zu
kommen, bemerkte er: „Das ist keine Heldentat; das
können Käfer und Spinnen auch vollbringen." Eher,
meinte er, hätte er drohen sollen, daß er auch ohne
mich glücklich leben könnte.
Oft schärfte er mit lauter Stimme den Menschen die
Lehre ein, daß ihnen das Leben von den Göttern an
sich nicht schwer gemacht sei, aber über dem Suchen
nach Leckerbissen, Wohlgerüchen und was dem ähn-
lich, sei das in Vergessenheit geraten. In diesem
Sinne sagte er auch zu einem, der sich von einem
Diener seine Schuhe anziehen ließ: „Noch hast du
nicht den Gipfel der Glückseligkeit erstiegen, solange
du dich nicht auch noch schneuzen läßt; das wird
dann der Fall sein, wenn du an den Händen gelähmt
bist."") Als er einst sah, daß die Priester (Hieromne- 45
monen) einen der Unterbeamten, der aus dem Tempel-
schatz eine Schale gestohlen, abführten, sagte er: „Die
großen Diebe führen den kleinen ab."
Als er einst einen Knaben sah, der Steine nach
einem Marterholz warf, sagte er: „Recht so, du wirst
das Ziel gewiß treffen." 43 ) Zu Knaben, die ihn um-
standen und sagten : „Wir trauen dir nicht, du könntest
uns beißen," sagte er: „Nur keine Angst, meine Kinder,
ein Hund frißt kein Grünzeug." 44 ) Einem Laffen, der
mit einem Löwenfell als Umwurf prunkte, rief er
zu: „Laß ab davon, die Hülle der Tapferkeit zu
schänden." Als einer den Kallisthenes glücklich pries
und sagte, er führe beim Alexander ein Leben in
Üppigkeit und Prunk, erwiderte er: „Der Unglück-
selige, der sich zu jeder Mahlzeit nur durch Alexander
kommandieren lassen muß." Wenn er Geld brauchte,
so ließ er es sich von seinen Freunden geben, aber, wie 46
er sagte, nicht als Gabe, sondern als Rückgabe (Rück-
erstattung).
VI 44—48.
279
Als er einst auf dem Markte Onanie trieb, sagte er:
Könnte man doch den Bauch auch ebenso reiben, um
den Hunger los zu werden." 45 ) Als er einen jungen
Menschen in Begleitung vornehmer Herren zu einem
Gastmahl gehen sah, riß er ihn los, führte ihn zu seinen
Angehörigen und empfahl ihn ihrer Obhut. Zu einem
geputzten Jüngling, der ihn nach etwas fragte, sagte
er, er werde ihm nicht eher antworten, als bis er sein
Gewand gelüftet und ihm gezeigt hätte, ob er ein Weib
oder ein Mann sei. Zu einem im Bade das Kottabos-
spiel 46 ) treibenden Jüngling sagte er: „Je besser, desto
Schimmer." Bei einer Mahlzeit warf man ihm
Knochen hin wie einem Hunde, doch er bepißte sie
47 beim Weggehen wie ein Hund. Die Bedner, sowie alle,
die in dieser Kunst ihren Buhm suchen, nannte er
Dreimenschen im Sinne von dreifach Elenden. Einen
unwissenden Deichen nannte er ein goldwolliges Schaf.
Als er an dem Hause eines Wüstlings die Aufschrift
sah „Verkäuflich", richtete er folgende Worte an das
Haus: „Ich wußte wohl, daß du, so im Bausche lebend,
deinen Herrn ohne weiteres wieder von dir geben
würdest." Als ein Jüngling sich über die Menge derer
beklagte, die ihn belästigten, sagte er: „Laß auch du
davon ab, die Anzeichen deiner Lustbegier der Öffent-
lichkeit preiszugeben." Beim Eintritt in ein schmutziges
Bad sagte er: „Die sich hier baden, wo baden sie denn,
um wieder rein zu werden?" Als ein elender Lauten-
schläger allgemein getadelt wurde, trat er allein für
ihn ein und lobte ihn; auf die Frage aber: „Warum
dies?" antwortete er: „Weil er trotz solcher Mangel-
haftigkeit es vorzieht, durch Lautenschlagen und nicht
48 durch Baub und Diebstahl sich zu nähren." Einen
Zitherspieler, dem alle Zuhörer immer davonliefen, be-
grüßte er mit den Worten: „Gruß dir, Hahn," und auf
die Frage: „Wieso denn?" gab er die Antwort: „Weil
du durch deinen Gesang alle auf die Beine bringst."
Als ein Jüngling sich öffentlich mit einer Bede ver-
nehmen ließ, füllte er den Bausch seines Mantels mit
280
Diogenes.
Lupinen und führte sie ohne weiteres 47 ) zum Munde;
dadurch lenkte er die Blicke der Menge von jenem
weg auf sich und fragte nun anscheinend verwundert,
wie es käme, daß sie jenen ganz sich selbst überließen
und nur ihn anstarrten. Als ein besonders aber-
gläubischer Gesell zu ihm sagte: „Mit einem Schlage ,
werd' ich dir deinen Schädel spalten," erwiderte er:
„Und ich werde dich zittern machen durch kräftiges
Niesen zu deiner Linken."
Als Hegesias ihn bat, ihm etwas von seinen
Schriften zu leihen, sagte er: „Du kommst mir doch
töricht vor, Hegesias; denn wenn es sich um getrock-
nete Feigen handelt, da willst du keine gemalten, son-
dern wirkliche haben; wo es .sich aber um Geistes-
übung handelt, da willst du von wahrer Übung nichts
wissen und wendest dich der geschriebenen zu."
Als ihm einer seine Verbannung vorrückte, sagte 49
er: „Eben deshalb, du Elender, bin ich Philosoph ge-
worden." Und als wieder einer zu ihm sagte: „Die
Sinopeer haben die Verbannung über dich verhängt,"
entgegnete er: „Und ich habe das Verbleiben über sie
verhängt." 48 ) Als er einst einen Olympischen Sieger
Schafe weiden sah, sagte er: „Wie schneU, mein Treff-
lichster, bist du von Olympia nach Nemea (Weideland)
gekommen." 49 ) Auf die Frage, warum die Athleten
stumpfsinnig seien, antwortete er: „Weil sie aus
Schweine- und Ochsenüeisch aufgebaut sind." Einmal
bettelte er eine Bildsäule an (um eine milde Gabe).
Und als man ihn fragte, was er damit bezwecke, sagte
er: „Ich übe mich in der Kunst, mir etwas abschlagen
zu lassen." Als er einen anbettelte — denn das tat er
zuerst wegen drückenden Mangels — lautete seine An-
rede: „Hast du einem anderen schon eine Gabe verab-
folgt, so reiche auch mir eine; wo nicht, so mache mit
mir den Anfang."
Von einem Tyrannen befragt, was für Erz am besten 50
tauge für eine Büdsäule, erwiderte er: „Das, aus dem
Harmodios und Aristogeiton gegossen worden sind."
VI 48—52.
Auf die Frage, wie es Dionysios mit seinen Freunden,
halte, antwortete er: „Wie mit Beuteln; sind sie voll,
so hängt er sie auf, sind sie leer, so wirft er sie weg.
Ein Neuvermählter hatte an sein Haus die Inschrift
setzen lassen: 00 )
Hier wohnt des Zeus Sohn Kallinikos Herakles,
Kein Unglück störe je den Frieden dieses Heims.
Dem setzte er die Worte hinzu: „Erst nach dem Krieg
der Herzensbund." Die Habsucht nannte er die
Mutterstadt alles Übels. Als er einen Schwelger in einem
Gasthaus Oliven essen sah, sagte er: „Aha, du hast
üppig gefrühstückt, sonst würdest du nicht so zu Abend
essen."
51 Tugendfeste Männer nannte er Ebenbilder der
Götter, die Liebe eine Beschäftigung für Müßiggänger.
Gefragt, was im Leben einen traurigen Anblick ge-
währe, antwortete er: „Ein hilfloser Greis." Und ge-
fragt, welches Tier am gefährlichsten beiße, sagte er:
„Unter den wilden Tieren der Sykophant, unter den
zahmen der Schmeichler." Als er einst zwei Kentauren
in elendester Weise gemalt sah, fragte er: „Welcher
von beiden ist Cheiron (der Schlechtere)?" 51 ) Schmei-
chelreden nannte er Honigschlingen. Den Bauch nannte
er die Charybdis des Lebens. Bei der Kunde, daß der
Ehebrecher Didymon ertappt worden sei, sagte er: „Er
verdient, daß man ihn an seinem Namen aufhänge." 52 )
Gefragt, warum das Gold bleich (blaß) ist, sagte er:
„Weil es Angst hat vor seinen vielen Nachstellern."
Als er eine Frau in einer Sänfte sah, bemerkte er: „Der
Käfig paßt nicht für das Tier." Als er einen flüchtigen
52 Sklaven an einem Brunnen sitzen sah, sagte er: „Hüte
dich, junger Mensch, vor dem Abgrund, du kannst
leicht hineinfallen." 53 ) Als er einen jungen Kleider-
dieb im Bade sah, fragte er: „Worauf hast du's abge-
sehen? Auf ein Salb mit tele he n oder auf ein
Kittelchen ?" 54 ) Als er einst Weiber an einem
Ölbaum erhängt sah, sagte er: „Möchten doch alle
Diogenes.
Bäume solche Frucht tragen." Beim Anblick eines
Kleiderdiebes sagte er («TL X 343):
Sag an, was führte dich hierher?
Willst du einen berauben der Leichname hier auf dem Schlacht-
feld?
Auf die Frage, ob er einen Burschen oder eine Magd
habe, sagte er: „Nein." Und auf die weitere Frage:
„Wenn du nun stirbst, wer wird dich aus dem Hause
xsegtragen?" entgegnete er: „Der, der das Haus nötig
hat." Als er einen schönen Knaben unbewacht im 53
Schlafe liegen sah, rüttelte er ihn auf mit den Worten:
„Wach auf (nach Jl. VIII 95, XXII 283):
„Daß dem Schlafenden nicht ein Speer den Rücken durchbohre."
Und zu einem, der Einkäufe machte zu einem schwel-
gerischen Mahl (nach Jl. XVIII 95):
Bald, mein Sohn, verblühet das Leben dir, wenn du so einkaufst.
Als Piaton sich über seine Ideen vernehmen ließ
und von einer Tischheit und einer Becherheit redete,
sagte er: „Was mich anlangt, Piaton, so sehe ich wohl
einen Tisch und einen Becher, aber eine Tischheit und
Becherheit nun und nimmermehr." Darauf Piaton:
„Sehr begreiflich; denn Augen, mit denen man Becher
und Tisch sieht, hast du allerdings; aber Verstand, mit
dem man Tischheit und Becherheit erschaut, hast du
nicht." [Auf die Frage, die einer an ihn richtete: „Wie 54
denkst du, Diogenes, über Sokrates?" antwortete er:
„Er war nicht recht bei Sinnen."] 55 )
Auf die Frage, wann man heiraten müsse, gab er
folgende Antwort: „Die Jünglinge noch nicht, die Alten
nicht mehr." 50 ) Man fragte ihn, welchen Gewinn er
sich von einem Faustschlag ins Gesicht verspräche?
Er antwortete: „Einen Helm." 57 ) Als er einen Jüng-
ling sich hübsch putzen sah, sagte er: „Wenn für
Männer, so ist's ein Schlag in die Luft, wenn für
VI 52—56.
283
Weiber, so machst du dich zum Schuf t." ) Als Br-
emen Jüngling erröten sah, sagte er: „Mut, meinbonn,
das ist die Farbe der Tugend." Als er einst zwei
Rechtskundigen zugehört hatte, verdammte er sie beide
mit den Worten, der eine habe gestohlen, der andere
nichts verloren. 50 ) Auf die Frage, welchen Wem er
am liebsten trinke, antwortete er: „Den ich von anderen
bekomme." Es sagte einer: „Viele Leute lachen dien
aus!" Er entgegnete: „Aber ich werde nicht nieder-
gelacht." Als einer sagte, das Leben sei ein übel, er-
widerte er: „Nicht das Leben, sondern ein böses
Leben." Als man ihm riet, seinen entlaufenen Sklaven
55 wieder zu suchen, sagte er: „Es wäre doch lächerlich»
wenn Manes ohne Diogenes, Diogenes aber nicht ohne
Manes leben könnte." Als er Oliven frühstückte und
ein Kuchen aufgetragen wurde, warf er jene weg mit
den Worten (Eurip. Phoen. 40):
Entweiche, Fremdling, mache den Tyrannen Platz,
und ein andermal (Jl. V 366 u. ö.):
Gefragt, welcher Hundeart er angehöre, sagte er:
„Wenn hungrig, bin ich ein Malteser, wenn gesättigt,
ein Molosser, einer von der Art, die die meisten zwar
loben; 01 ) aber wenn es gilt, mit ihm hinauszuziehen
auf die Jagd, so schrecken sie wegen der Beschwerlich-
keiten davor zurück. So könnt ihr auch mit mir nicht
zusammenleben aus Angst vor Beschwernissen."
Auf die Frage, ob die Weisen Kuchen essen, ant-
56 wortete er: „Just so wie die übrigen Menschen." Auf
die Frage, warum die Leute den Bettlern Gaben ver-
abreichten, den Philosophen aber nicht, erwiderte er:
„Weil sie sich vorstellen, sie könnten wohl dereinst
lahm oder blind werden, niemals aber, sie könnten
Philosophen werden." Er bat einen Geizhals um eine-
Gabe, und als dieser zögerte, sagte er: „Mensch, be-
Treibend schwane er die Geißel. 60 )
Diogenes.
denke, es gilt mich zu laben, nicht mich zu be-
grabe n." 82 ) Als er Vorwürfe zu hören bekam wegen
seiner einstigen Falschmünzerei, sagte er (im
Märchenton): „Es war einmal eine Zeit, wo ich einer
war, wie du es jetzt bist; aber so wie ich jetzt bin, wirst
du nimmermehr." Und einem anderen, der ihm den
nä m lichen Vorwurf machte, entgegnete er: „Ja, ich
pißte auch die Leute ohne weiteres an, aber jetzt nicht
mehr." Als er nach Myndos kam und das große Tor 57
vor der kleinen Stadt sah, sagte er: „Bürger von Myn-
ilos, schließet euer Tor, sonst wandert euch die Stadt
auß." Beim Anblick eines auf der Tat ertappten
Purpurdiebes sagte er (Jl. V 83):
Diesen ereilte der purpurne Tod und das grause Verhängnis.
Als Krateros ihn zu einem Besuch bei sich auf-
forderte, erwiderte er: „Nein, lieber will ich in Athen
Salz lecken, als beim Krateros an der prunkvollsten
Tafel sitzen." An den dickbäuchigen Bhetor Anaxime-
nes herantretend, sagte er: „Laß auch uns Bettlern
etwas von deinem Bauche ab; dies wird dir selbst Er-
leichterung und uns Nutzen schaffen." Als dieser
Bhetor einmal eine Disputation abhielt, machte sich
Diogenes durch einen emporgehaltenen Salzüsch be-
merklich, wodurch er die Aufmerksamkeit der Hörer
auf sich ablenkte, und als jener darüber ungehalten
war, sagte er: „Ein elender Salzfisch für einen Obolos
hat genügt, der Disputation des Anaximenes ein Ende
zu machen.'" 3 ) Als man ihm vorrückte, daß er auf bi
dem Markte gegessen habe, sagte er: „Habe ich doch
auf dem Markte auch gehungert." Einige beziehen
auch folgendes Geschichtchen auf ihn: Piaton beobach-
tete ihn, wie er seinen Kohl abspülte; er trat an ihn
heran und sagte leise zu ihm: „Hättest du dich dem
Dionysios fügsam erwiesen, so brauchtest du keinen
Kohl zu waschen." Dieser aber habe ebenso leise ge-
antwortet: „Und hättest du dich zum Kohlabspülen
herabgelassen, so hättest du dich nicht dem Dionysios
VI 56-60. 265
dienstbar gemacht." 64 ) Als einer zu ihm sagte, „es gibt
gar viele, die über dich lachen," erwiderte er: „Ja, und.
über sie lachen vielleicht wieder die Esel; aber so wenig
sich jene um die Esel kümmern, so wenig kümmere ich
mich um sie." Als er einen Jüngling mit Philosophie
beschäftigt sah, sagte er: „Brav so, du bekehrst die
Liebhaber deines Leibes zur Liebe für die Schönheit
59 der Seele." Als einer die Weihgeschenke in Samothrake
anstaunte, sagte er: „Es wären deren noch weit mehr,,
wenn auch die nicht Geretteten solche Stiftungen
machten." Andere schreiben dies Wort dem Melier
Diagoras zu. Als ein wohlaussehender Jungling sich
zu einem Gastmahl aufmachte, sagte er zu ihm: „Als
ein Schlechterer (Cheiron) wirst du wieder zurück-
kehren." Als er nun, zurückgekehrt, am folgenden
Tage sich mit den Worten meldete: „Ich bin zurück-
gekehrt und bin nicht schlechter geworden," sagte
Diogenes: „Zwar kein Cheiron, aber ein Eurytion." ")
Er sprach einen übellaunigen Menschen um eine Gabe
an. „Erst mußt du mich überreden," erwiderte dieser,
worauf Diogenes: „Könnte ich dich überreden, so hätte
ich dich schon überredet, dich zu erhängen."
Auf seiner Rückkehr von Lakedaimon nach Athen
sagte er zu einem, der nach dem Wohin und Woher
fragte: „Aus einer Männerstadt in eine Weiberstadt."
Als er von Olympia heimkehrte, gab er einem, der
fragte, ob viel Volks beisammen gewesen wäre, zur ^
60 Antwort: „Volks die Menge, aber wenige Menschen." 86 ) \
Die Wüstlinge verglich er mit Feigenbäumen, die auf
steilen Abhängen wachsen und deren Frucht nicht die
Menschen genießen, sondern Raben und Geier ver-
zehren. Als Phryne in Delphi eine goldene Aphrodite
als Weihgeschenk aufstellen ließ, soll er darauf die In-
schrift gesetzt haben: „Gestiftet von dem lüderlichen
Griechenland." Als Alexander einst bei einem Zu-
sammentreffen zu ihm sagte: „Ich bin Alexander, der
große König," sagte er: „Und ich bin Diogenes der
Hund."* 7 )
Diogenes.
Ate man ihn fragte, welches Verhalten ihm den
Namen Hund verschafft habe, erwiderte er: „Die mir
eine Gabe reichen, umwedle ich, die mir nichts geben,
belle ich an, und die Schurken beiße ich." Er pflückte
von einem Feigenbäume die Früchte ab. Da sagte ihm 6!
der Wächter: „An diesem Baum hat sich kürzlich ein
Mensch erhängt." — „Gut," erwiderte er, „so werde
ich ihn reinigen." Ali er einen Olympischen Sieger
seine Augen unverwandt auf eine Hetäre richten sah,
sagte er: „Sieh da, wie ein kampfesstolzer Widder
vom ersten besten Mädel am Halse fortgeführt wird."
Die stattlichen Hetären verglich er mit einer tödlichen
Honigmischung.
Als er auf dem Markte sein Frühstück verzehrte,
riefen ihm die Umstehenden fortwährend zu „Hund",
er aber erwiderte: „Ihr seid Hunde, da ihr euch um
mich, den Essenden, herumdrängt." Als zwei Weich-
linge sich vor ihm versteckten, sagte er: „Nur keine
Angst, ein Hund frißt kein Grünzeug." 68 ) Als man
ihn über einen unzüchtigen Knaben fragte, wo er her
sei, sagte er: „Aus Tegea." 88 ) Als er sah, daß ein un-
fähiger Ringkämpfer sich als Arzt auf tat, sagte er:
„Was soll das? Willst du etwa die, die dich früher be- 62
siegten, jetzt niederstrecken?" Als er sah, wie der Sohn
; einer Hetäre einen Stein in eine Volksmenge warf,
sagte er: „Sieh dich vor, daß du nicht deinen Vater
triffst." Als ein Bürschchen ihm ein Messer zeigte, das
er von seinem Liebhaber empfangen, sagte er: „Das
Messer ist gut, aber der Griff (daran) ist vom Übel." 70 )
Ate einige einen Geber lobten, der ihm eine Gabe ver-
abreicht hatte, sagte er: „Mich aber lobt ihr nicht als
würdigen Empfänger?" Als einer von ihm seinen
Mantel zurückforderte, sagte er: „Hast du ihn mir ge-
schenkt, so habe ich ihn; hast du ihn mir aber geliehen,
so brauche ich ihn." Als ein Untergeschobener ihm
sagte, daß er Gold in seinem Mantel hätte, erwiderte er:
„Ja, eben deshalb schiebe ich ihn mir auch beim Schlafen
als Unterlage unter." 71 )
VI 60-65.
287
63 Auf die Frage, welchen Gewinn ihm ^ Philosophie
gebracht hätte, sagte er, wenn sonst auch Richte, so
doch jedenfalls dies, auf jede Schicksalswendung ge-
faßt zu sein. 72 ) Gefragt nach seinem Heimatsort ant-
wortete er: „Ich bin ein Weltbürger." Als er Leute
den Göttern opfern sah, um durch sie einen Sohn zu
erhalten, sagte er: „Aber was aus ihm werden soll, das
scheint euch keines Opfers wert?" Als eine Beisteuer
von ihm verlangt wurde, sagte er zu den Einwohnern:
Andere magst du berauben, von Hektor ziehe die Hand ab. T2a )
Die Hetären, sagte er, seien die Königinnen der
Könige; denn sie könnten alles verlangen, was ihnen
in den Sinn käme. Als die Athener durch Volks-
abstimmung den Alexander zum Dionys erklart hatten,
bemerkte er: „Macht nun auch mich zum Sarapis." Zu
einem, der ihm vorhielt, daß er unreine Orte betrete,
sagte er: „Auch die Sonne scheint in die Aborte, wird
aber doch nicht besudelt."
64 Er nahm seine Mahlzeit in einem Tempel ein, und
als während dessen unreine Brote vorgelegt wurden,
nahm er sie und warf sie fort mit den Worten: „Da
einem Tempel dürfe nichts Schmutziges Eingang
finden." Es sagte einer zu ihm: „Du weißt nichts, und
gleichwohl philosophierst du," darauf er: „Auch wenn
ich mir die Weisheit nur anmaße, so ist das schon
philosophieren." Ein Vater führte ihm seinen Sohn zu
mit den Worten: „Er ist hochbegabt und durchaus
tugendfest." Darauf erwiderte er: „Wozu also bedarf
er dann meiner?" Von denen, welche die Tugend
immer im Munde führten, aber nicht danach handelten,
sagte er, sie unterschieden sich nicht von einer Leier;
denn auch diese habe weder Gehör noch Empfindung.
Ins Theater ging er, wenn die andern ihm daraus ent-
gegenströmten, und nach dem Grunde gefragt, sagte
er: „So halte ich es grundsätzlich in meiner ganzen
6S Lebensführung." 70 ) Als er einst einen weibischen
288
Diogenes.
Jüngling sah, sagte er: „Schämst du dich nicht,
schlechter für dich zu sorgen als die Natur? Diese hat
dich zum Manne gemacht, du aher machst dich mit
aller Gewalt zum Weibe." Als er einen unvernünftigen
Menschen ein Saiteninstrument stimmen sah, sagte er:
„Schämst du dich nicht, die Töne mit dem Holze in
Einklang zu bringen, dagegen deine Seele mit dem
Leben in Mißklang zu lassen?" Einem, der sagte, „ich
tauge nicht zur Philosophie," entgegnete er: „Wozu
also lebst du, wenn dir nichts daran liegt, dein Leben
schön zu gestalten?" Zu einem, der seinen Vater ver-
ächtlich behandelte, sagte er: „Schämst du dich nicht,
den zu verachten, von dem dein Hochmut doch her-
stammt?" Als er einen stattlichen Jüngling unstatt-
hafte Reden führen hörte, sagte er: „Schämst du dich
nicht, aus elfenbeinerner Scheide ein bleiernes Schwert
zu ziehen?" Und zur Rede gesetzt, daß er in einer
Schenke tränke, sagte er: „Lasse ich mich doch auch in 66
einer Scherstube scheren." Als man es tadelte, daß er
vom Antipater einen alten Mantel angenommen hatte,
sagte er (Jl. III 65):
Unverwerflich ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben.
Als ihn einer mit einem Balken angerannt hatte
und sagte, „Nimm dich in acht," versetzte er ihm mit
seinem Stocke einen Schlag und sagte: „Nimm dich in
acht."") Als einer eine Hetäre mit flehentlicher Bitte
bestürmte, sagte er: „Elender, wozu diese Bitte, deren
Versagung weit besser ist als ihre Erfüllung?" Zu
einem, der sich mit duftendem Öl salbte, sagte er:
„Nimm dich in acht, daß der Wobiger uch deines
Hauptes dich nicht in schlechten Geruch bei der Welt
bringe." Die Sklaven, sagte er, dienen ihren Herren,
und die Nichtsnutze ihren Begierden.
Gefragt, warum die Sklaven Mannfüße (ävopavro&a) 67
genannt würden, antwortete er: „Weil sie die Füße von
Männern hatten, aber eine Seele, die der deinigen
gleicht — ich meine dich, den Frager."
VI 65-69.
289
Einen Verschwender bat er um eine Mine. „Wie
kommt es," fragte dieser, „daß du die anderen nur um
einen Obolos bittest und mich um eine Mine?" Er
antwortete: „Weil, ich hoffe, von den anderen noch
öfters etwas zu bekommen, was aber dich anlangt, so
liegt es im Schöße der Götter, ob ich von dir noch ein-
mal etwas empfangen werde." Als er Vorwürfe dar-
über zu hören bekam, daß er bettele, was Piaton nie
tue, sagte er: „Auch der bettelt, aber (Od. I 157):
Nahe haltend den Kopf, damit es die andern nicht hörten.
Ais er einen unfähigen Bogenschützen sah, setzte
er sich unmittelbar neben dem Ziele nieder mit den
Worten: „Da bin ich sicher vor seinem Pfeil." Die
Liebenden, sagte er, müßten ihre Lust durch Leid und
68 Entsagung erkaufen. Gefragt, ob der Tod ein Übel sei,
sagte er: „Wieso ein Übel? Wenn er da ist, merken
wir ja doch nichts von ihm."
Als Alexander sich mit ihm in ein Gespräch ein-
ließ und ihn fragte: „fürchtest du mich nicht?" sagte
er: „Was bist du denn? Gut oder bös?" — „Gut," er-
widerte er. Und darauf Diogenes: „Das Gute also, wer
sollte es fürchten?"
Eine gute Bildung, sagte er, sei für die Jugend ein
Zuchtmittel, für das Alter ein Trost, für den Armen
Reichtum und für den Reichen ein Schmuck. 75 )
Als Didymon, der Ehebrecher, das Auge eines
Mädchens ärztlich behandelte, sagte er zu ihm: „Nimm
dich in acht, daß du nicht bei deiner ärztlichen Be-
mühung um das Auge der Jungfrau die Pupille zer-
störst." 78 )
Als ihm vermeldet wurde, daß seine Freunde ihm
nachstellten, sagte er: „Wie soll man sich helfen, wenn
man Freunde gerade so behandeln muß wie Feinde?"
69 Gefragt, was unter Menschen das Schönste sei, ant-
wortete er: „Das freie Wort." Als er in einen Lehrsaal
eintrat und daselbst viele Musenbilder sah, aber nur
A p e 1 t , Diogenes Laertius. 19
290
Diogenes.
wenige Schüler, sagte er: „Segne's Gott, mein Lehr-
meister, du hast viele Schüler." 77 )
Er pflegte alles in voller Öffentlichkeit zu tun, so-
wohl was die Demeter betrifft, wie auch die Aphrodite.
Darauf bezieht sich folgende Schlußfolgerung: Wenn
es nichts Absonderliches ist zu frühstücken, so ist es
auch auf dem Markte nicht absonderlich; nun ist aber
das Frühstücken nichts Absonderliches ; folglich ist es
auch nicht absonderlich auf dem Markte. Und da er
häufig öffentlich Onanie trieb, sagte er: „Könnte man
doch so durch Reiben des Bauches sich auch den
Hunger vertreiben." 78 ) So wird noch manches andere
ihm zugeschrieben, so viel, daß es zu weit führen würde,
es im einzelnen mitzuteilen.
Die Übung, lehrte er, ist eine doppelte, einerseits 70
eine geistige, anderseits jene körperliche, bei deren
regelmäßigem Betrieb sich eine Denkweise bildet, die
dem tugendhaften Handeln Vorschub leistet. 78 ) Zur
vollkommenen Bildung sei die eine so unentbehrlich
wie die andere; denn Wohlsein und Kraft gehören zu
den Forderungen für die Seele so gut wie für den
Körper. Er fügte auch Belege dafür bei, daß man
durch Übung leicht zur Tüchtigkeit gelange. Denn die
Beobachtung zeige, daß in den Handwerksfächern so-
wohl wie in den höheren Künsten die Berufsleute
durch eifrige Übung es zu keiner geringen Gewandt-
heit und Fertigkeit bringen; man brauche nur darauf
zu achten, in welchem Grade sowohl Flötenspieler wie
Athleten einander es zuvortun je nach dem Maße der
eigenen andauernden Übung. Hätten diese den
Übungseifer auch auf die Seele übertragen, so wären
ihre Anstrengungen nicht ohne Nutzen und Frucht ge-
blieben. Nichts, sagte er, gerate wohl im Leben ohne 71
Übung; diese sei imstande alle Hindernisse zu über-
winden. Da also Voraussetzung für ein glückliches
Leben die Wahl naturgemäßer Kraftanstrengung sei
statt nutzloser, sei der Unverstand die Ursache unseres
Unglücks. Denn die Verachtung gerade der Lust ge-
VI 69—73.
291
währt die allergrößte Lust, wenn man sie vorher durch
Übung sich angeeignet hat, und wie diejenigen, die
sich an ein angenehmes Leben gewöhnt haben, ungern
zu dem Gegenteil übergehen, so verachten diejenigen,
die sich ernstlich für das Gegenteil geschult haben, ,mit
um so größerer Lust eben die Lüste selbst.
Solches lehrte er und handelte auch danach, indem er
wirklich die Münze verfälschte dadurch, daß er weniger
Gewicht legte auf die Vorschriften des Gesetzes als auf
die der Natur. Als sein Vorbild für die Lebensführung
bezeichnete er den Herakles, der nichts höher hielt als
72 die Freiheit. Alles, sagte er, sei im Besitze der Weisen,
wobei er sich der oben schon mitgeteilten Schlußweise
bediente: 80 ) Alles gehört den Göttern; die Götter aber
sind Freunde der Weisen; den Freunden aber gehört
alles in Gemeinschaft; alles also gehört den Weisen.
Und was das Gesetz anlangt, so ist ohne ein solches
ein staatliches Leben nicht möglich; denn ohne Staats-
verfassung gibt es keinen Nutzen städtischer Gemein-
schaft; der Staat aber ist städtische Gemeinschaft; das
Gesetz hinwiederum hat ohne Staat keinen Nutzen;
folglich ist das Gesetz Bedingung städtischer Gemein-
schaft. Hohe Geburt und Ruhm sowie alles dergleichen
war für ihn nur Zielscheibe des Spottes. Er hatte
dafür die Bezeichnung „Schmuckhüllen der Ver-
worfenheit". Die einzig wahre Staatsordnung finde
sich nur im Weltall. Er erklärte sich auch für
Weibergemeinschaft, indem er die Ehe als nichtig be-
zeichnete und die gütliche Überredung allein für ent-
scheidend hielt für das Beisammensein; darum sollte
•auch Kindergemeinschaft gelten. Auch hielt er es nicht
für etwas Unerhörtes, einen Tempelraub zu begehen
73 oder Fleisch von irgendwelchem Tiere zu genießen; ja
selbst Menschenfleisch zu verzehren sei kein Vergehen
wider die Gottheit, wie sich aus dem Brauche fremder
Völker ergebe. Und zwar berief er sich auf folgende
Betrachtungen als beweisend dafür, daß streng-
genommen alles in allem enthalten sei und durch alles
*
292 Diogenes.
hindurchgehe: im Brote seien Fleisehteile und im
Kohl Brotteile und auch Teile von allen übrigen
Körpern, indem allenthalben durch gewisse unsicht-
bare Poren Stoff massen 81 ) eingesogen und wieder aus-
gedünstet würden, wie er es in seinem Thyestes klar
macht, wenn anders die Tragödien von, ihm stammen
und nicht vielmehr von dem Aigineten Phihskos,
einem Schüler von ihm, oder auch von Pasiphon des
Lukianos Sohn, von dem Favorin in seinen Ver-
mischten Geschichten berichfct, daß er nach seinem
(des Diogenes) Tode geschrieben habe.
Musik, Geometrie, Astronomie und dergleichen
könne man, meinte er, beiseite liegen lassen, als nutz-
lose und nicht notwendige Fächer. Ganz außerordent- 74
lieh treffsicher war er in seinen Antworten auf vorge-
legte Fragen, wie sich aus dem früher Mitgeteilten
ergibt.
Bei seinem Verkauf zeigte sich sein Edelsinn im
besten Lichte. Auf der Fahrt nämlich nach Agina fiel
er Seeräubern in die Hände, an deren Spitze Skirpalos
stand; von ihnen wurde er nach Kreta gebracht und
zum Verkauf ausgeboten. Als der Herold ihn fragte,
auf welches Geschäft er sich verstünde, antwortete er:
„Menschen zu beherrschen." Dabei wies er auf einen
vornehm gekleideten Korinther, den schon genannten
Xeniades hin mit den Worten: „Diesem verkaufe
mich; er bedarf eines Herrn." So kaufte ihn denn
Xeniades, nahm ihn mit nach Korinth, gab ihn seinen
Söhnen zum Lehrmeister und überließ ihm die Leitung
des gesamten Hauswesens. Er aber bewährte sich m
dieser Stellung dermaßen, daß Xeniades bei einem
Bundgang durch das Haus sagte: „Ein guter Geist
(Dämon) ist in mein Haus eingezogen." Kleomenes
erzählt in seinem Buche „Paidagogikos", seine Schüler 75
hätten ihn freikaufen wollen, er aber habe sie darob
Toren genannt; seien doch die Löwen keine Sklaven
ihrer Ernährer, sondern umgekehrt: die Ernährer
seien die Sklaven der Löwen; denn sich zu fürchten
VI 73—77.
»ei Knechtesart, vor den wilden Tieren aber hätten die
Menschen Furcht.
Wunderbar war die Überredungsgabe, die dem
Manne innewohnte: wer es auch sein mochte, es war
ihm ein Leichtes, ihn für sich zu gewinnen. So soll ein
gewisser Onesikritos in Ägina von seinen beiden
Söhnen den einen, Androsthenes, nach Athen geschickt
haben; hier habe er den Diogenes gehört und sei da-
durch an Athen gefesselt worden; der Vater habe
dann 82 ) auch noch seinen älteren Sohn, den oben schon
genannten 83 ) Philiskos nach Athen gehen lassen, und
auch dieser sei in gleichem Grade gefesselt worden;
76 und schließlich sei als dritter auch er noch hinzu-
gekommen und habe hier gemeinsam mit seinen
Söhnen sich der Philosophie gewidmet. Eine solche
Zauberkraft lag in den Vorträgen des Diogenes. Zu
.seinen Zuhörern gehörte auch Phokion, genannt der
„Rechtschaffene", sowie auch der Megariker Stilpon
und noch mehrere andere Staatsmänner.
Er soll in einem Alter von ziemlich ^eunzig Jahren
gestorben sein. Über seinen Tod lauten die Nach-
richten verschieden. Die einen nämlich berichten, er
sei nach Benagung eines rohen Ochsenfußes von der
Cholera ergriffen worden und an ihr gestorben.
Andere, er habe sich den Atem verhalten; diese Nach-
richt findet sich unter andern auch bei Kerkidas dem
Megalopolitaner oder Kreter, der in den Meliamben
sich so vernehmen läßt:
Nicht mehr, der früher er war, der Sinopeer,
Kenntlich an Stab, an Doppelmantel und Lust an der Freiluft,
Nein, die Lippen fest gegen die Zähne gepreßt, stieg er aufwärts,
77 Den Atem verhaltend; denn du warst wahrhaft
Diogenes, Zeus entsprossen, warst Hund des Himmels.
Andere sagen, er habe einen Polypen unter Hunde
verteilen wollen und sei dabei in die Fußsehne gebissen
worden, was seinen Tod herbeigeführt habe. Seine
Schüler aber blieben, wie Antisthenes in den Diädochar-
294
Diogenes.
sagt, bei der Annahme, daß ex an verhaltenem Atem
gestorben sei. Er hielt sich nämlich meist im Kraneion
auf, einem Gymnasium vor Korinth. Wie gewöhnlich
stellten sich dort seine Schüler ein, fanden ihn in seinen
Mantel gehüllt, waren aber doch nicht der Meinung,
daß er schliefe, denn er war kein Nachtfreund und
Langschläfer; sie schlugen nun den Mantel zurück und
fanden ihn leblos (nicht mehr atmend). Ihre Meinung
ging dahin, er habe sich dem weiteren Leben auf solche
Art entziehen wollen. Hier kam es auch, wie es heißt,
alsbald zu einem Streit unter den Schülern über die 78
Frage, wer die Beerdigung übernehmen sollte, ja es
kam bis zum Handgemenge. Als aber die Väter und
die Obrigkeiten dazu kamen, wurde er von diesen in
der Nähe des Tores, das nach dem Isthmos führt, be-
graben. Dort errichtete man ihm auch eine Säule, auf
der ein Hund aus Parischem Marmor stand. In der
Folge ehrten ihn seine Mitbürger auch durch eherne
Bildsäulen mit folgender Inschrift:
Auch das Erz wi^trsteht nicht der Zeit; doch, Diogenes, dein
Ruhm
Bleibet für immer bestehn, trotzend dem Zahne der Zeit;
Denn du wurdest uns Führer zum selbstgenügsamen Leben,
Zeigtest den leichtesten Pfad, der zu dem Ziele uns führt.
Auch von mir gibt es Verse auf ihn in prokeleusma- 79
tischem Versmaß:
A. Sage, Diogenes, welches Todesgeschick riß dich fort
Nach dem Hades? D. Ich erlag eines Hundes grimmigem
Zahn.
Einige berichten, er habe sterbend den Auftrag ge-
geben, 84 ) ihn unbeerdigt hinzuwerfen zur Beute für
jedes wilde Tier, oder man solle ihn in eine Grube
werfen mit einer kleinen Schicht Staub darüber; nach
anderen wieder, man solle ihn in den Elises 85 ) werfen,
um seinen Brüdern nützlich zu werden. Demetrios
übrigens berichtet in den Homonymen, Alexander sei
VI 77—81.
295
in Babylon an dem nämlichen Tage gestorben, an dem
Diogenes in Korinth sein Leben beschloß.
Es sind folgernde Bücher von ihm in ( Umlauf.
Dialoge: Kephalion, Ichthyas, Koloios, Pordalis, Volk
der Athener A^vatav), Staat (H°XiT6t'ot), Sitten-
kunst ( Ts'xvyi Vom Reichtum (xspl tcXoutou), Von
der Liebe ('Epmtoco'?), Theodoros, Hypsias, Aristarchos,
Vom Tode (rcspl ^avaxou t ; Briefe ('EranroXat'); sieben
Tragödien: Helena, Thyestes, Herakles, Achilleus, Me-
deia, Chrysippos, Oidipus. Dagegen behauptet Sosi-
krates in dem ersten Buche der Nachfolge und Satyros
in dem vierten Buch der Biographien, nichts davon
gehöre dem Diogenes, und Satyros versichert, die soge-
nannten Tragödien gehörten dem Aigineten Philiskos,
dem Schüler des Diogenes. Sotion aber führt im
siebenten Buch als allein echt folgende Schriften auf:
Von der Tugend (7tepi<ipsT?ic), Vom Guten (rept aya^oü),
Erotikos, Ptochos, Tolmaios, Pordalis, Kasandros,
Kephalion; Philiskos, Aristarchos, Sisyphos, Gany-
medes, Ghrien, Briefe.
Es finden sich der Diogenesse fünf: erstens der
Apolloniate, der Naturphilosoph, der Anfang seines
Buches lautet so: „Beim Beginn jeder Darlegung scheint
es mir nötig von einem Pritizip auszugehen, das keinem
Zweifel Raum läßt,**) zweitens der Sikyonier, der die Ge-
schichte des Peloponnes geschrieben hat; drittens un-
serer hier; viertens der Stoiker aus Seleukia, auch ge-
nannt der Babykmier wegen der Nachbarschaft; fünf-
tens ein Tarsier, der über poetische Fragen geschrieben
hat, die er zu lösen sucht. Von unserem Philosophen
sagt Athenodoros im achten Buch der Peripatoi (Spazier-
gänge), sein Gesicht habe immer geglänzt, da er sich stets
gesalbt habe.
29(5 Monimos. Onesikritos. Krates.
Drittes Kapitel.
Monimos. Um 340 v. Chr.
Monimos aus Syrakus war ein Schüler des Dio- 82
genes. Er war Diener hei einem Wechsler in Korinth,
wie Sosikrates sagt. Mit diesem Wechsler stand Xeni-
ades, der Käufer und Hörer des Diogenes, in regem
Verkehr und rühmte dessen hervorragende Tüchtig-
keit, wie sie sich in Taten und Worten bewährte. Da-
durch weckte er in Monimos die Liebe zu dem Mann
in dem Grade, daß er sich wahnsinnig stellte und das
Kleingeld sowie sämtliches Silbergeld auf den Wechs-
lertisch bunt durcheinander warf, bis ihn sein Herr
entließ. Und nun schloß er sich flugs dem Diogenes an.
Auch dem Kyniker Krates folgte er in vielen Stücken
und wandelte ähnliche Wege wie er. So kam es, daß
sein Herr noch mehr in dem Glauben an seinen Irr-
sinn bestärkt wurde. Er ward dann ein berühmter
Mann, so daß auch der Komiker Menander seiner Er-
wähnung tat. In einer seiner Komödien, dem Hippo-
komos, ließ er sich so über ihn vernehmen:
Mein Philon! Monimos war gewiß ein weiser Mann 83
Nur etwas weniger berühmt. A. Er, der den Ranzen trug?
B. Der Ranzen drei. Doch sprach ein Wort er, das, beim
Himmel, glaub's!
Nicht gleichkam nur dem allbekannten Delphispruch
„Erkenn' dich selbst" und was noch sonst an Sprüchen dort
Geschrieben steht: Der Bettler übertraf sie noch.
Denn jede bloße Meinung nannt' er eitel Dunst.
Er war ein Mann von ernstester Würde, ein Ver-
ächter des Ruhmes und ganz nur dem Dienst der
Wahrheit ergeben. Auch einige Schwänke gibt es von
ihm, tiefer Ernst in der Hülle des Scherzes, sowie zwei
Bücher über die Triebe und ein Ermahnungsbuch
(Protreptikos).
VI 82—85.
Viertes Kapitel.
Oneslkritos. Um 330 v. Chr.
84 Onesikritos stammte nach einigen aus Ägina, nach
dem Magnesier Demetrios aber aus Astypalaia. Auch
er gehörte zu den namhaften Schülern des Diogenes.
Es tritt bei ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit Xeno-
phon hervor. Xenophon zog mit Kyros zu Felde, er
mit Alexander; jener schrieb die Kyropädie, dieser
über die Erziehung Alexanders; jener verherrlichte
den Kyros, dieser den Alexander. Auch seine Dar-
stellungsweiße ist der des Xenophon ähnlich, nur daß
er als Nachahmer hinter dem Original zurücksteht.
Auch ein Menander, mit dem Beinamen Drymos,
war Schüler des Diogenes, ein Bewunderer Homers,
und Hegesaios aus Sinope, mit dem Beinamen Kloios
(Halseisen), und Philiskos aus Ägina, wie bereits
früher bemerkt. 87 )
Fünftes Kapitel.
Krates. Um 328 v. Chr.
85 Krates, des Askondas Sohn, war ein Thebaner.
Auch er gehörte zu den namhaften Schulern des
Hundes. Hippobotos dagegen sagt, er sei nicht Schuler
des Diogenes gewesen, sondern Anhänger des Achaers
Bryson. Von ihm kennt man folgende poetische
Spielerei [Fr. 4 Diels] : M )
Pere ist eine Stadt inmitten des rötlichen Dunstes
Schön und fett, aber fern von überfließender Fülle,
Nimmer betritt sie ein Tor, und auch kein loser Schmarotzer,
Auch kein lüsterner Wüstling, der seines Gesäßes sich rühmet.
Nichts als Quendel und Lauch und Feigen erzeugt sie zum Brote.
Darum liegen sie nie im Krieg miteinander; sie brauchen
Keine Waffen zum Kampf wegen Goldes und eitelen Ruhmes.
298
Krates.
Auch gibt es von ihm die wohlbekannte Ephemeris 85
(Tagebuch), die so lautet:
Zehn Minen gib dem Koch, dem Arzt e i n Drachmenstück,
Dem Schmeichler fünf Talent', dem Beirat ein „Qott lohn's!",
Der Dirne ein Talent, dem Weisen drei Obol'.
Man nannte ihn auch den Türenöffner, weil er in jedes
Haus hineinging und zum Guten mahnte. Von ihm
stammen auch folgende Verse [Fr. 8 D.] :
Was ich erlernt und erdacht und im Bund mit den Musen er-
worben,
Ist mein eigen; die Güter des Glücks sind eitel und nichtig.
Und über den Gewinn, der ihm aus der Philosophie
erwächst [Fr. 18,2 D.]:
Ein Tagmaß Bohnen und ein. kummerfreier Sinn.
r
Auch folgendes wird ihm zugeschrieben [Fr. 14
D.]:
Die Liebe heilt der Hunger und, wo nicht, die Zeit,
Und wem auch dies nicht hilft, dem hilft der Strick.
Seine Blütezeit fällt in die 113. Olympiade (328/25 87
v. Chr.). Antisthenes in den Diadochae erzählt, er
habe sich nach Anhören einer Tragödie, in der Telephos
mit einem Körbchen in der Hand, im übrigen aber
kümmerlich ausgestattet auftrat, alsbald der kynischen
Philosophie zugewandt. Er habe sein Vermögen zu
Gelde gemacht — denn er gehörte zu den reichst-
begüterten — und an die zweihundert 80 ) Talente zu-
sammengebracht, die er an seine Mitbürger verteilt
habe. Und er habe nun sich mit so ausdauernder Kraft
der Philosophie gewidmet, daß auch der Komiker
Philemon seiner gedenke. Bei ihm heißt es nämlich:
Im Sommer trug er einen dicken Mantel stets,
Im Winter Lumpen, um's dem Krates gleich zu tun.
VI 86—90.
299
Diokles berichtet, Diogenes habe ihn überredet, sein
Landgut zur freien Schafweide zu machen und was er
an barem Gelde habe ins Meer zu werfen. In dem
Hause 90 ) des Krates, sagte er, schlug Alexander seine
88 Wohnung auf, in dem der Hipparchia Philippos. Oft-
mals kam es vor, daß er seine Verwandten, die ihn be-
stürmten, von seinem Verhalten abzustehen, mit dem
Stocke fortjagte und so in seinem Edelmut sich uner-
schütterlich zeigte. Der Magnesier Demetrios erzahlt,
er habe sein Geld bei einem Wechsler niedergelegt mit
der Bestimmung, daß, wenn seine Kinder sich nicht der
Philosophie zuwendeten, er ihnen das Geld auszahlen
sollte; würden sie aber Philosophen, so sollte er es
unter das Volk verteilen; denn würden sie Philosophen,
so hätten sie nichts nötig. Eratosthenes erzählt, er habe
von der Hipparchia, von der weiterhin noch die Rede
sein wird, einen Sohn gehabt namens Pasikles. Als
dieser zum Jüngling aufgewachsen, habe er ihn in die
Wohnung einer Dirne geführt mit der Bemerkung, so
halte es sein Vater mit der Hochzeit. Die Ehen der
89 Ehebrecher nähmen einen tragischen Verlauf, ihr
Lohn bestehe am Ende in Flucht und Mord, die der
Hetärenbesucher einen komischen, denn sie fuhren
durch Unzucht und Trunkenheit zum Wahnsinn.
Sein Bruder Pasikles war ein Schüler des Eukleides.
Ein hübsches Wort von ihm führt Favorin an im
zweiten Buch seiner Denkwürdigkeiten. Nämlich: als
er für einen Jüngling Fürbitte einlegte beim Gym-
nasiarchen, umschlang er dessen Hüften, und als dieser
darüber in Zorn geriet, sagte er: „Gehören dir deine
Hüften nicht ebensogut an wie deine Kniee?" Er erklarte
es für unmöglich, einen völlig fehlerfreien zu finden;
immer finde sich wie im Granatapfel auch irgendein
fauler Kern. Als er den Zitherspieler Nikodromos ge-
reizt hatte, erhielt er von ihm einen Faustschlag ins
Gesicht; er klebte sich denn ein Läppchen auf die Stirn
mit der Aufschrift: „Nikodromos ist schuld daran.' )
90 Gegen die Dirnen erging er sich absichtlich in Schmä-
Krates. Metrokies.
hungen, denn er wollte sich dadurch zugleich auch im
Ertragen von Verleumdungen üben. Auf den Phale-
reer Demetrios, der ihm Brot und Wein zusandte,
schalt er mit den Worten: „Wenn doch die Quellen
auch Brot mit sich führten!", ein Beweis, daß er nur
Wasser trank.
Als er sich den Tadel der athenischen Stadt-
aufseher zuzog wegen seiner feinen Sidonischen Klei-
dung,* 1 ) sagte er: „Auch Theophrast kleidet sich so, ich
will es euch zeigen." Da sie ihm nicht glauben wollten,
führte er sie in die Barbierstube, wo er sich scheren
Meß, und wies auf ihn hin. Als er in Theben vom Gym-
nasiarchen mit der Peitsche gezüchtigt wurde — nach
anderen in Korinth von Euthykrates — und am Fuße
fortgeschleift ward, führte er, ohne sich in seinem
Gleichmut stören zu lassen, den Vers an (Jl. I 59) :
Schwang er mich hoch, an der Ferse gefaßt, von der heiligen
Schwelle.
Diokles aber bemerkt, er sei von Menedemos, dem 9t
Eretrier, fortgeschleift worden. Dieser nämlich war
eine stattliche Erscheinung und stand in dem Ruf, dem
Phliiasier Asklepiades zu Willen zu sein. Krates legte
also die Hand auf dessen Hüfte und sagte, „hier innen
ist Asklepiades." Darüber geriet Menedemos dermaßen
in Zorn, daß er ihn am Fuße fortschleifte, wobei jener
Vers angeführt ward. Zenon von Kition erzählt in den
Chrien, er habe sich, ohne sich irgendwie zu genieren,
einst ein Schaffell in seinen alten -Mantel eingenäht.
Von Gesicht war er häßlich und wurde bei den gym-
nastischen Übungen ausgelacht. Doch er pflegte, die
Hände erhebend, zu sagen: „Sei getrost, Krates, ob
deiner Augen und des übrigen Körpers; es wird die
Zeit kommen, wo diese Spötter, von Krankheit ent- 92
.stellt, dich glücklich preisen und ihren eigenen ge-
längten Zustand schwer beklagen werden." Solange,
sagte ei-, müsse man philosophieren, bis man die Feld-
herren für Eseltreiber halten würde. In Gesellschaft
VI 90—94.
301
von Schmeichlern, sagte er, lebe man ebenso einsam
wie Kälber, die unter Wölfe geraten wären; denn man
habe da keine Angehörigen, sondern nur lauernde
Nachstetter. Als er sein Ende nahe fühlte, machte er
auf sich selbst folgende Verse [Fr. 9 D.] :
So machst du dich auf, du buckliger Alter,
Wanderst zum Hades hinab gebeugt von der Last deiner Jahre.
93 Denn das Alter hatte ihn krumm gebeugt. Als Alexan-
der ihn fragte, ob er seine Vaterstadt wieder aufgebaut
zu sehen wünsche, sagte er: „Wozu das? Denn wer
weiß, bald wird wieder ein anderer Alexander kommen
und sie zerstören." Sein Vaterland sei die Ruhmes-
verachtung und die Armut, die gegen jeden Schicksals-
schlag gefeit seien, und er sei Mitbürger des vor jedem
Neide gesicherten Diogenes. Es gedenkt seiner auch
Menander in den Zwillingen in folgenden Versen:
Du wirst zur Seite mir im alten Mantel gehn
Wie mit dem Krates einst, dem Kyniker, sein Weib.
Und seine Tochter gab er, wie er selber sagt,
Auf Probe seinen Schülern dreißig Tage lang.
Es folgen nun seine Schüler.
Sechstes Kapitel.
Metrokies. Um 300 v. Chr.
94 Metrokies, der Bruder der Hipparchia, der zuerst
den Peripatetiker Theophrast hörte, war dermaßen ver-
schüchtert, daß, als ihm einst während der Schulübung
ein Wind entfuhr, er sich aus Verzweiflung in seinem
Zimmer einschloß in der Absicht, sich durch Hunger
das Leben zu nehmen. Als Krates dies erfuhr und sich,
aufgefordert durch die Angehörigen, zu ihm begab,
302
Metrokies. Hipparchia.
nachdem er absichtlich zuvor Bohnen genossen, suchte
er ihm zunächst durch vernünftige Vorstellungen klar
zu machen, daß er keine Schandtat begangen habe;
denn es müßte doch wunderbar zugehen, wenn nicht
auch die Winde sich ihren natürlichen Abzug ver-
schafften; schließlich aber richtete er ihn dadurch
wieder auf, daß er selbst sich dieser Sünde schuldig
machte und so zu seinem Tröste sich tatsächlich mit
ihm auf die gleiche Stufe stellte. Von da ab ward er
sein Zuhörer und brachte es in der Philosophie zu
einer beachtenswerten Stellung. Er verbrannte seine 95
Schriften, wie Hekaton im ersten Buch der Ghrien
sagt, mit den Worten:
Nur Nebelbilder sind's, der Traumeswelt entstammt.
Also nichts als leeres Geschwätz. Einige wieder
sagen, er habe Theophrasts Vorträge verbrannt mit den
Worten (Jl. XVIII 392):
Tritt hervor, Hephaistos; die Herrscherin Thetis bedarf dein.
Er lehrte, von den Dingen seien die einen für Geld
käuflich, z. B. ein Haus; die anderen nur für den Ein-
satz von Zeit und Fleiß, wie eine tüchtige Bildung.
Reichtum sei schädlich, wenn man ihn nicht in wür-
diger Weise verwende. Er starb als Greis durch Selbst-
verhalten des Atems. Schüler von ihm waren Tbeom-
brotos und Kleomenes, des Theombrotos Schüler war
Demetrios aus Alexandreia, des Kleomenes Schüler
Timarchos aus Alexandreia und Echekles aus Ephesos;
doch hörte Echekles auch den Theombrotos und diesen
dann Menedemos, von dem noch zu reden ist. Auch
Mcnippos aus Sinope zeichnete sich unter ihnen aus.
VI 94—98. 303,
Siebeates Kapitel.
Hipparchia. Um 300 v. Chr.
96 Auch Hipparchia, die Schwester des Metrokies,,
fühlte' sich durch die Lehren dieser Schule angezogen.
Sie stammten beide aus Maroneia. Sie schwärmte für
des Krates Lehren und Lebensweise, völlig unzugäng-
lich für die Bewerbungen ihrer Freier, und völlig,
gleichgültig gegen ihren Reichtum, ihre hohe Geburt,
ihre Schönheit. Mit Leib und Seele gehörte sie nur dem
Krates. Sie drohte sogar ihren Eltern, selbst Hand an
sich zu legen, wenn man sie ihm nicht gäbe. Krates,
von den Eltern aufgefordert, das Mädchen von ihrem
Vorhaben abzubringen, gab sich die erdenklichste Mühe.
Schließlich, als es ihm nicht gelang sie zu überreden,
erhob er sich, legte alles, was er bei sich trug, vor ihren
Füßen nieder und sagte: „Hier steht dein Bräutigam,
dies ist seine Habe, danach fasse denn deinen Ent-
schluß," denn er würde nicht mit ihr in Gemeinschaft
treten, wenn sie nicht seine Lebensweise völlig mit ihm
97 teile. Das Mädchen entschied sich alsbald, legte die
gleiche Kleidung an, wie er, zog mit ihm herum, wohnte
ihm im Freien" 1 ') bei und ging mit ihm zu den Mahl-
zeiten. So beteiligte sie sich auch an einem Gastmahl
beim Lysimachos, wo sie # den Theodoros, den soge-
nannten Gottesleugner, durch folgendes Sophisma ab^
führte: Was Theodoros tut, ohne dafür eines Unrechts
geziehen zu werden, das kann auch Hipparchia tun,
ohne dabei eines Unrechts geziehen zu werden; Theo-
doros aber tut nicht unrecht, wenn er sich selbst
schlägt, also tut auch Hipparchia nicht unrecht, wenn
sie den Theodoros schlägt. Dem setzte er keine Gegen-
rede entgegen, hob aber ihren Mantel in die Höhe.
Allein Hipparchia ließ sich dadurch nicht in Schrecken
oder Verwirrung bringen, wie es sonst Weiberart ist..
98 Und als er sagte (Eurip. Bacch. 1228):
Wer ist sie, die vom Weberschiffchen sich entfernt?
•304
Hipparchia. Menippos.
sagte sie: „Ich bin's, Theodoras; aber du glaubst doch
nicht etwa, daß ich mir selbst übel damit gedient habe,
wenn ich die Zeit, die ich auf den Webstuhl hätte ver-
wenden sollen, einer tüchtigen Geistesbildung zugute
kommen ließ?" So gibt es noch zahllose andere Sprüche
dieser Philosophin.
Von Krates 94 ) ist auch ein Buch „Briefe" in Um-
lauf, in dem sich treffliche philosophische Gedanken
finden, in der Darstellung zuweilen ähnlich dem Pia-
ton. Auch Tragödien hat er geschrieben in erhaben-
stem philosophischen Stil, wie z. B. folgende Stelle
zeigt:
Mein Vaterland umfaßt weit mehr als einen Turm
Und eine Hütte. Jede Burg und jedes Haus
Des ganzen Erdenrundes nimmt uns willig auf. 98 )
Er starb in hohen Jahren und ward in Böotien be-
graben.
Achtes Kapitel.
Menippos. Um 300 v. Chr.
Menippos, gleichfalls ein Kyniker, war von Haus 99
der Ethik sagt. Nach Diokies war sein Herr ein Pon-
tiker namens Baton. Durch seine von Geldgier eingegebe-
nen eindringlichen Bitten setzte er es endlich durch; The-
baner zu werden. Er ist kaum ernsthaft zu nehmen. Seine
Bücher strotzen von Possenreißerei und erinnern stark
an die Schriften seines Zeitgenossen Meleager. Her-
mippos behauptet, er sei ein Tagewucherer gewesen und
auch so genannt worden; er habe nämlich Geld auf
Schiffszinsen ausgeliehen und Pfänder zur Sicherung
genommen, wodurch er sich ungeheuer bereichert
habe. Schließlich sei er aber durch Nachstellungen
«m sein ganzes Vermögen gekommen und habe aus
aus ein Phünikier und
Sklave, wie Achaikos in
VI 98—102.
305
Verzweiflung seinem Leben durch Erhängen ein Ende
gemacht. Unser Gedichtchen auf ihn lautet so:
Phönizier von Abkunft, doch ein Kreterhund,
Ein Wucherer auf Tageszins — so hieß er auch —
Menippos, dir nicht unbekannt.
In Theben war's, wo er durch Einbruch in sein Haus
Sein ganzes Geld verlor und wider Hundesbrauch
Sich selbst erhängte.
Einige behaupten, seine Bücher seien nicht von ihm
sondern von den Kolophoniern Dionysios und
Zopyros, die ihm ihre scherzhaften Schriften als einem
gewiegten Kaufmann zum Vertrieb übergaben.
Der Menippe finden sich sechs: erstens der Ver-
101 fasser der Lydischen Geschichten und auch eines Aus-
zugs aus Xanthos, zweitens der unsrige hier, drittens
ein Sophist aus Stratonikeia, Karier von Abkunft,
viertens ein Bildhauer, fünftens und sechstem Maler,
deren beider Apollodor gedenkt.
Von dem Kyniker gibt es dreizehn Schriften und
zwar folgende: Die Unterwelt (Nexyta), Testamente
C^io&ijxai). Scherzhafte Götterbriefe ('EtckttoXk!. xsxo
4»su[J.svat a7co tou twv jcöv n:po(7W7irou). Gegen die
Physiker, Mathematiker und Grammatiker; über den
Geburtstag Epikurs und die von von ihnen gefeierten
Zwanzigsten flpcc tou? ^utrixouc xal [*<x'3t 1 [j.<xtixou(;
xal ypajxfj.a'rixoui; xai 70va? 'Eittxou'pou xoä xa? jp-qaxsu-
oixe'vai; vit aüxwv sixa'Sa?) und andere.
102 Menedemos war der Schüler des Kölotes aus Lamp-
sakos. Dieser trieb es, wie Hippobotos berichtet, im
Wunderglauben so toll, daß er als Erinnye verkleidet
Neuntes Kapitel.
/
Menedemos. Um 300 v. Chr.
Apelt, Diogenes Laertius.
23
306
Menedemos.
umherzog und sich ausgab für einen aus dem Hades
gesandten Erkunder der menschlichen Sünden, der da-
hin wieder zurückkehrend den dortigen Göttern über
das Geschaute Bericht erstatten müsse. Er ging in
folgender Tracht einher: ein bis auf die Füße herab-
gehender schwarzgrauer Leibrock, umschlungen von
einem purpurnen Gürtel; auf dem Haupte ein arka-
discher Hut mit den eingewirkten zwölf Zeichen des
Tierkreises, kothurnartige Schuhe, übermäßig langer
Bart, einen Eschenstab in der Hand.
So viel von den Lebensläufen der Kyniker. Dem 103
wollen wir aber nunmehr noch ihre gemeinsamen Lehr-
sätze hinzufügen, denn wir halten auch sie für eine
philosophische Sekte, nicht, wie manche meinen, bloß
für Vertreter einer bestimmten Lebensweise. Von
Logik also und Physik wollen sie nichts wissen, ähn-
lich wie der Chier Ariston, ihr Absehen ist allem auf
die Ethik gerichtet. Und was manche als besonders
charakteristisch für Sokrates anführen, das legt
Diokles dem Diogenes bei, indem er diesen sagen läßt,
es gelte zu fragen (Od. 4, 392) : 96 )
Was dir Böses und Gutes in deinem Hause geschehn sei.
Sie verwerfen auch die üblichen Wissensfächer.
Wer die Herrschaft über sich selbst gewonnen hat, —
so pflegte Antisthenes zu sagen, — der gibt sich nicht
mit grammatischen Künsten ab, um nicht durch fremd-
artige Dinge abgezogen zu werden. Auch die Geometrie
verwerfen sie und die Musik und alles dergleichen. So 104
sagte Diogenes zu einem, der ihm eine Sonnenuhr
zeigte: „Allerdings eine nützliche Einrichtung, um die
Mahlzeit nicht zu versäumen." Und zu einem, der ihm
eine musikalische Aufklärung gab, sagte er: 97 )
Der Männer Einsicht schafft dem Staat das WohlergehD
Und auch dem Haus, nicht Zither- oder Flötenspiel.
Als Endziel stellen sie hin ein tugendhaftes Leben,
wie Antisthenes in seinem Herakles sagt, ähnlich wie
VI 102—105.
307
die Stoiker, wie denn überhaupt zwischen diesen beiden
Schulen ein gewisser Zusammenhang besteht. Daher
auch die Bezeichnung des Kynismos als eines kurzen
105 Weges zur Tugend. So lebte auch der Kitier Zenon.
Sie predigen, ein genügsames Leben, begnügen sich mit
Speisen, die unmittelbar nur den Hunger stillen, und
mit ihrem Mantel, unter Verachtung des Reichtums,
des Ruhmes und der hohen Geburt. Zuweilen 08 ) leben
sie nur von Kräutern und durchgehends nur von
i kaltem Wasser; ihr Unterkommen finden sie unter
dem ersten besten Obdach, auch in Fässern, wie Dio-
genes, der zu sagen pflegte, es sei göttlich, nichts zu
bedürfen, und gottähnlich, nur wenig nötig zu haben.
Nach ihnen ist die Tugend lehrbar, wie Antisthenes in
seinem Herakles sagt, und unverlierbar. Der Weise
ist nach ihnen liebenswert und ohne Fehl und ein
Freund derer, die ihm gleichen; nichts stellt er dem
Zufall anheim. Alles, was zwischen Tugend und
Schlechtigkeit in der Mitte liegt, erklären sie für gleich-
gültig, ähnlich wie Ariston von Ohios.
So viel also von den Kynikern. Wir müssen uns
nun den Stoikern zuwenden, an deren Spitze Zenon
steht, der Schüler des Krates.
308
Anmerkungen zum ersten Buch.
1 ) S. 1. Diese Schrift, angeblich ein Dialog, wird hier wie
auch I 8 und II 45 fälschlich dem Aristoteles beigelegt,
während sie von dem Anonymus Menag. No. 191 zu der
Pseudepigrapha gerechnet und in dem Aristotelischen Schriften-
verzeichnis .des Diogenes V 21 ff. überhaupt nicht erwähnt
wird. Suidas s. v. 'Avtw'jsvt]? legt sie dem Antisthenes bei,
unter dem wahrscheinlich der Peripatetiker Antisthenes aus
Rhodos (um 180 v. Chr.) zu verstehen ist.
2 ) S. 1. Er gehörte noch zu den unmittelbaren Schülern
Piatons, über den wir ihm einige wertvolle Nachrichten ver-
danken.
3 ) S. 2. Also schnell- und schmerzlos, nach des Homer
häufiger Wendung olc; tkyoivoic. ßsXssaow.
4 ) S. 3. Der lahmen Stelle ist m. E. aufzuhelfen durch An-
nahme des Ausfalls eines oüos nach oyx oi%. Danach ist
folgendermaßen zu schreiben und zu interpungieren: s-y« 8s d
tov 7tsp£ t'swv s'^aycpeu'savTa roiaura £pf, cpdoa^ov xaXsiv
oux oiSa, (ou5s) riva bü TTposa^opsusw x t. X. Damit
scheint mir der Stelle besser gedient als mit Streichung des
Tiva bei xpoca-yopEik'.v, mit der man sich beholfen hat. Nach
einem oüx o?oa konnte ein ouos sehr leicht ausfallen.
5 ) S. 4. Nämlich Sotion. Denn es ist mit Reiske (Herrn. 24
p. 305) für 9<xai zu schreiben cpvjcJi.
°) S. 4. Nämlich Persergesrhichte. Vgl. Com. Nep. Conan
c. 5.
T ) S. 4. Hermippos von Smyrna, Peripatetiker, um 200
v. Chr.
8 ) S. 4. Nicht der Platoniker Eudoxos, sondern der Rhodier
Eudoxos um 225 v. Chr., Verfasser einer Schrift über eine Erd-
umsegelung (-yv]; Trspioöo;).
Erstes Buch.
309
9 ) S. 4. Es ist nämlich mit Holsten und Diels (Herrn. 24,
305) wohl zu schreiben: xat. xa ovra (xa aüta) xai? auxüv
srixuxXii'asat Siau.iveiv, zwischen ovxa und xt&C
nämlich ist in dem guten Cod. F (einem Laurentianus) eine
Rasur von etwa 7 Buchstaben. 'EtcixuxXtj'csgi. aber hat Holsten
wohl richtig für das kaum verständliche stuxXyi'gsgi. der Hss.
eingesetzt.
10 ) S. 5. Man dürfe also das fehlende Wissen durch die
freie Einbildungskraft ersetzen.
".) S. 5. Der Sohn des berühmten Grammatikers und
Kritikers Aristarch, in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. v. Chr.
12 ) S. 6. Dem entspricht auch die spätere Ausführung, die
IV 67 mit Kleitomachos schließt. Dagegen schließt die Reihe
der Peripatetiker nicht mit Theophrast sondern mit Lykon.
Nach dem Roseschen Index (Hermes I 370) hat die Reihe der
Stoiker bei Diogenes ursprünglich bis Cornutus gereicht.
13 ) S. 7. Von sTzs'xeiv »mit dem Urteil zurückhalten". Im
Vorhergehenden ist „Naukydes" vermutlich nur Variante zu
„Nausiphanes".
") S. 9. Eine bemerkenswerte und wenn man sie auf
Diogenes bezieht, allerdings auffällige Stelle. Wilamowitz
weist sie wie diese ganze Partie dem Hippobotos (nach 70 v.
Chr.) zu Antig. v. Kar. 327, 8.
' 15 ) S. 11. Diese Worte habe ich mit Diels (Frg. <L V. 2 p. 3)
eingesetzt. Damit klärt sich die Bezugnahme auf Piaton auf;
die Stelle bezieht sich dann auf Prot. 343A.
16 ) S. 11. Die Entdeckungen (supufsJiaTa) sind ein ständiger
Artikel der Lebensbeschreibungen. Neben Entdeckungen und
Erfindungen werden auch neue philosophische Lehren dazu
gerechnet. Vergl. F. Leo, Qriech.-röm. Biogr. p. 48 ff.
") S. 12. So ungefähr wird die Stelle gelautet haben nach
der wahrscheinlichen Wiederherstellung von Diels Herrn. 24,
306. Der scheinbare Durchmesser der Sonne ist 720 mal im
ganzen Sonnenlauf enthalten, indem er nahebei einen halben
Grad beträgt. Dasselbe Verhältnis wird für den Mond- an-
genommen.
1S ) S. 12. Arist. de anima 405» 19.
19 ) S. 12. Vergl. Diog. L. VIII 12.
310
Anmerkungen.
20 ) S. 12. Das ist ein Durcheinander von ionischer und
pythagoreischer Uberlieferung.
21 ) S. 13. Nämlich Thaies als Gesprächsperson des Hera-
kleides. Vgl. Diog. VIII 4 und Diels Frg. d. V. 2 651.
22 ) S. 13. Was für den Menschen galt, galt notwendig
auch für die Pyramide. In dem bezeichneten Moment brauchte
man also nur den Schatten der Pyramide zu messen um genau
das Maß ihrer Höhe zu erhalten.
") S. 14. Das sind Hinkjamben (Choliamben). Kallimachos
hat die prosaische Widmung des Thaies in diese Verse gebracht.
-*) S. 15. Diog. L. I 82.
25 ) S. 17. Frg. 1 Diels (Poet. phil. fr. p. 190). Vgl. Wachs-
muth Sillogr. Qr. p. 100 f., der den Vers abweichend von der
in unserer Ubersetzung befolgten Lesart folgendermaßen
schreibt: otov s7teiT<x Oa'VrjTot, aoowv aoipov, <xaTpovdfnr)fj.<x.
20 ) S. 17. Die Zeit des Lobon ist unbekannt. Vgl. Leo
a. a. 0. p. 22 Anmerk.
2T ) S. 17. Jedem Tag nämlich muß eine Nacht voraus-
gegangen sein, also auch dem ersten Tag, nicht aber jeder
Nacht ein Tag; denn vor Schöpfung der Sonne war ununter-
brochene Nacht. Vgl. Plut. Alex. c. 64, wo die nämliche Frage
anders beantwortet wird. Auch Clem. Alex. Strom. VI 38
kommt auf die Sache zu sprechen.
2S ) S. 18. Hier ist die Überlieferung unsicher.
29 ) S. 18. Für 35 fördert Diels (Rhein M. 31, 16) 39.
30 ) S. 20. So mit Reiske für das handschriftliche Qorsias.
31 ) S. 27. In dem verloren gegangenen Drama Autolykos.
32 ) S. 27. Vgl. Plat. Oes. 913 C.
GS ) S. 27. Vgl. Diog. L. I 24.
34 ) S. 29. At/paaraS-f) „Meister des Sanges", als Anrede an
den Mimnermus, ist dasjenige Wort, auf das die handschriftliche
Überlieferung nach Th. Bergks Vermutung hinweist.
35 ) S. 30. Die handschriftliche Überlieferung ist hier nicht
iehlerfrei. Qottfr. Hermann will die, Worte so geschrieben
wissen : xav rcöXst. x a 'P lv xoctoc ^ 0 1. o s|eup<ov vj [jlt] u7uo7rco{
sin); „du würdest dir den Staat zu Dank verpflichten, wenn du
ausfindig machen wolltest, inwiefern du nicht verdächtig bist".
S8 ) S. 33. Vgl. Plut. Mor. 190 A: Der König Teleklos
Erstes Buch.
311
sagte zu seinem Bruder, der sich beschwerte, daß die Bürger
ihn nicht mit gleicher Erkenntlichkeit behandelten wie jenen:
„Du weißt dich nicht darein zu finden, wenn man dir
unrecht tut". t _ „
3T ) S. 33. So nach Reiske, der a u t o u xai Ataoirov,
wie es der Sinn fordert, einsetzt fürauxbv xal AIöwtcou der Hss.
38 ) S. 33. Vgl. II 69. V 19. Nach unserem Spruch sind die
Gebildeten Leute, von denen man sich keiner schlimmen
Handlungen zu versehen hat.
S9 ) S. 34. Das Gold als ethischer Wertmesser hat schon
für das Altertum ebenso große Bedeutung wie in unserer Zeit.
40 ) S. 34. Jetzt Cerigo, vor der östlichen Landspitze
Lakoniens, dem berüchtigten Cap Malia (Malea) gelegen, am
Eingange zum griechischen Archipel.
41 ) S. 35. Danach wäre Brachylogie nicht eigentlich Kürze
der Rede, sondern die von Branchos geübte Redeweise =
«*) S. 36. Dies Brieflein ist selbst ein Muster von
Brachylogie.
43 ) S. 37. Unsere Jurisdiction folgt der entgegengesetzten
Maxime. Ihr ist Trunkenheit Milderungsgrund. Ob zum Vor-
teil für die Gesamtheit?
44 ) S. 37. Ein Quidproquo wie es scheint. Nach Piaton
nämlich (Prot. 345 D) gehört das Wort Äva-pq) cüos ^eoi. jJ.ax.ovTa!.
nicht dem Pittakos sondern dem Simonides. Der Umstand
aber, daß das Wort sich innerhalb der platonischen Erörterung
des Pittakosspruches über das stöXbv etvai findet, hat wohl
dazu geführt auch dies Wort dem Pittakos beizulegen. Ob
dies Mißverständnis dem Diogenes selbst oder schon seiner
Vorlage zur Last fällt, ist belanglos. Jedenfalls wird man gut
tun vor 'Avapca voll zu interpungieren.
") S. 38. Über den mutmaßlichen Urheber (Lobon) dieses
und anderer Grabepigramme (vgl. I 85. 93. 96) s. Diels Herrn.
24, 306 und Leo, a. a. 0. p. 22, 2.
40 ) S. 38. Vgl. I 26. 41. 91.
47 ) S. 39. Die Lesart Atov ist ganz treffend; denn man
darf nicht vergessen, daß man es mit einem Gedicht zu tun hat
nicht des Pittakos sondern des Kallimachos. Kallimachos macht
312
Anmerkungen.
eben hier die Nutzanwendung auf s e i n e n Fall, tut also genau
das, was man zu erwarten berechtigt ist.
") S. 39. Vgl. I 92.
40 ) S. 41. Das ist offenbar eine bloß erläuternde Rand-
bemerkung.
50 ) S. 41. Das folgende waren wohl ursprünglich Verse,
doch hat es wenig Bedeutung, sie wiederherstellen zu wollen.
01 ) S. 44. Das sind ursprünglich Verse, auf tieren Wieder-
herstellung aber wenig ankommt.
52 ) S. 45. Vgl. I 81.
53 ) S. 46. Vielleicht Lysidike nach Reiske. Zu dem
folgenden vgl. Herod. III 48. V 94.
") S. 47. Durch die Wiederholung in vermehrter Zahl
wird die Spur immer mehr verwischt und dadurch die Möglich-
keit der Entdeckung erschwert.
K ) S. 47. Rückweisung auf I 95, auf die Erzählung von
den durch die Samier geretteten Knaben.
58 ) S. 48. Sonderbar im Munde des Periander, aber nicht
unmöglich.
") S. 48. Nicht direkt, wohl aber indirekt Prot. 343 A.
58 ) S. 49. Vgl. I 94.
C9 ) S. 51. Das scheint darauf hinzudeuten, daß man im
Altertum Flöten auch aus Rebenholz machte.
00 ) S. 52. Anspielung auf Köhlereien im Gebirgswald, Im
folgenden ist wohl für das xas'ovt<x<; der Hss. mit Casaubonus
zu schreiben ItXeiova«; unter Anspielung auf ot ttAsiovs? =
ol ts^vsutsc. Die Toten sind die Majorität.
61 ) S. 54. Vgl. II 29.
62 ) S. 55. So nach Diels Frg. d. V. 2 489, 25.
63 ) S. 56. Ein gewiß auch unechter, vielleicht von Diogenes
selbst erdichteter Brief.
"*) S. 57. Vielleicht wird damit hingedeutet auf ihre schwere
Niederlage durch die Tegeaten Herod. I 66 f.
65 ) S. 59. Der Läusekrankheit begegnet man noch öfters.
Vgl. Leo a. a. 0. p. 58.
••) S. 59. Vgl. Diels Frg. d. V. 2 507 und Arch. f. Phil. I 11.
S. 61. So nach Reiske.
313
Anmerkungen zum zweiten Buch.
*) S. 62. Diese Bemerkungen über Mond und Sonne ge-
hören von Rechtswegen in den Abschnitt über Anaxagoras und
sind nur irrtümlich hierher geraten. Auch bei den folgenden
Bemerkungen handelt es sich um verschlagene Zettel. S. Diels
Frg. d. V. 2 p. 653 und desselben Parm. 1897 p. 111.
2 ) S. 63. Hier folge ich mit Diels der Umstellung Simsons
<Rh. Mus. 31, 27), dadurch kommt die nach den Hss. unent-
wirrbare Chronologie in Ordnung. •
3 ) S. 64. Vgl. Wachsmuth Sillogr. gr. 161 f.
4 ) S. 66. Diese Scheibenförmigkeit steht nicht in Wider-
spruch mit der Paukengestalt, die nach anderen Berichten
Anaxagoras der Erde gab. Die Erdscheibe nämlich wird ge-
tragen von der unter ihr liegenden Luft, die zufolge der gleich-
mäßigen Rundung des ganzen Himmelsgewölbes durch den sie
umgebenden Äther genau die Form einer Halbkugel erhält. Die
auf ihr ruhende Erdscheibe bildet gleichsam den Deckel dieser
unteren Luft. Beide zusammen aber, Luft und Deckel, geben
genau die Gestalt einer Pauke.
°) S. 66. Anaxagoras denkt sich also, daß das Himmels-
gewölbe sich anfangs aufrecht um den Horizont herumgedreht
habe wie die bewegliche Kuppel einer Sternwarte um ihre
Basis. Nachher sei aber die Neigung eingetreten. Durch diese
Neigung hat sich der Weltpol aus dem Zenith heraus nach
Norden gesenkt. Diese Neigung ist also die Polhöhe, nämlich
die Polhöhe von Jonien, die er sich als für die ganze Erde giltig
vorstellt.
8 ) S. 66. Diese von Aristoteles im ersten Buche der
Meteorologie bestätigte Angabe über die Kometen ist besonders
wichtig für die Geschichte der Astronomie. Wer nämlich die
>
314
Anmerkungen.
Kometen für ein zufälliges Zusammentreffen von Planeten er-
klärt, der konnte von der Zahl der Planeten und ihrem Laui
keine auch nur annähernd richtige Vorstellung haben.
7 ) S. 66. Dies ist die Stelle des Diogenes Laertius, an die
Goethe eine sinnige Vermutung über des Euripides Drama
„Phaethon" angeknüpft hat. Sie findet sich in „Kunst u. Alter-
tum" Bd. VI Heft 1. Weimar-Ausgabe Bd. 41« S. 244.
8 ) S. 66. Diese Äußerung kann aus chronologischen Gründen
— Mausolos gehört erst dem vierten Jahrhundert v. Chr. an —
nicht von Anaxagoras stammen. Diels hält sie für da-;
Apophthegma eines Kynikers.
9 ) S. 66. Vgl.Diog. L. IV, 31. 49.
10 ) S. 67. Für das konstruktionswidrige cuYYP a 9'n£ der
Handschriften ist vielleicht zu lesen auYYP«? 2 "?-
u ) S. 67. Für das überlieferte Air|p.oXou empfiehlt Diels
Frg. d. V. 2 704 <4ii)p.oi:udvo<; p.uXov>, womit das Jahr 470 v. Chr.
bezeichnet wäre.
1E ) S. 67. Der bekannte Staatsmann, nicht der Historiker.
1S ) S. 67. Das scheint eine Randbemerkung zu sein, daher
von Diels eingeklammert.
14 ) S. 67. Auch das Gnomologium Vaticanum unter No. 117
enthält diese Angabe von dem Tode zweier Söhne. Sternbach,
Wiener Stud. X 22. Sonst ist gewöhnlich nur von einem die
Rede.
15 ) S. 68. Hss.: ov £v oüosvi. itavira. Das korrupte Ttavira
ist m. E. zu ändern in epava. Vgl. Plat. Symp. 197 A sX'Xo'Yip.oe
y.ai ^avoc. Pausan. IV, 4 Uokuyjxgi-tiQ Mstfaijvio? xa ts aXXa
oüx d<pav»)<; xai vo«]v '0)a)p.7ua<jiv avYjpijp.Evoc-
Gebräuchlicher ist siu^avife, vgl. Diog. L. II, 54 ouSsv est*
oave? irpa£a<;.
16 ) S. 69. Ein wohl nur versehentlich hierher geratener
Satz, den Diels einklammert.
") S. 69. Die handschriftliche Überlieferung leidet hier an
einem schwer zu hebenden Fehler.
1S ) S. 69. In der Ubersetzung dieser korrupten Stelle bin
ich einer früheren Vermutung von Diels gefolgt.
18 ) S. 71. Wachsmuth, Sillogr. gr. 167 ff. schreibt UTcatmxoj
Zweites Buch.
315
iür vicarcutd;. Andere Vermutungen s. bei Diels Frg._ poet.
pbil. p. 190.
20 ) S. 71. Xenoph. Mem. I, 2, 31.
21 ) S. 73. Vgl. Pkt. Kriton 52 B.
**) S. 73. Des Sokrates Abhärtung in dieser Beziehung ist
bekannt.
2S ) S. 73. Wenn dies Verse des Philemon sind, so passe»
sie schlecht in den Mund des Sokrates.
24 ) S. 75. So auch im Eingang des platonischen Timaeus
20 C.
20 ) S. 75. Vgl. Diog. L. I 108.
M ) S. 75. Xen. Mem. II 2.
2T ) S. 75. Xen. Mem. III 6..
25 ) S. 75. Xen. Mem. III 7.
20 ) S. 76. Diese Übersetzung ist nichts weiter als ein Not-
behelf. Es galt der allem Anschein nach schlecht überlieferten-
Stelle irgend einen Sinn abzugewinnen. Von dem hier ge-
nannten Glaukonides wissen wir sonst nichts.
30 ) S. 76. Gemeint ist wohl Euthyd. 303 D, wo Sokrates
seine ironischen Bemerkungen gegen die Sophisten macht.
Was dann 304 E in ähnlichem Sinne gesagt wird, gehört nicht
mehr dem Sokrates an.
31 ) S. 76. Vgl. Diog. L. VI 1.
32 ) S. 76. Nach Reiske, der zwischen otts und xaipo; ein>
ouxe'ti einschiebt, das der Sinn fordert.-
S3 ) S. 77. Das Wort wird auch dem Zenon zugeschrieben
und zwar in einer klareren Fassung als hier. Vgl. Diog. L. VII
26 und Wyttenbach zu Plut, Mor. p. 486 der Lpz. Ausg. Zu,
denken ist natürlich an das Wort von dem Anfang als der
Hälfte des Ganzen. Plat. Ges. 753 E. Rpl. 377 A B.
84 ) S. 77. Vgl. Diog. L. II 72.
35 ) S. 79. Vgl. Xenoph. Symp. II 10.
30 ) S. 81. Eine ganz apokryphe Nachricht.
3T ) S. 82. Astydamas war der Schwestersohn des Aischy-
los, ein fruchtbarer Tragiker wie auch noch einige seiner Nach-
kommen.
B8 ) S. 82. Hier ist wohl für ou5s'v zu lesen ouoeV= oiosva.
39 ) S. 82. Ein gründlicher Forscher um 280 v. Chv.
316
Anmerkungen.
40 ) S. 82.
41 ) S. -82.
**) S. 83.
*») S. 83.
*♦) S. 83.
41 ) S. 85.
") S. 85.
* 9 ) S. 85.
M ) S. 85.
Vgl. Diog. L. II 7.
Xen. Mem. I, 4. Vgl. auch ebenda I, 6, 14.
Nämlich im Dialog Phaidon.
Vgl. Diog. L. I 18.
Eine verworrene Stelle, über die man vgl. Leo
•a. a. 0. p. 39 Anm. 2 und Gercke, de quibusdam D. L. auctoribus
p. 46 f.
4G ) S. 84. Über die Quellen des Diog. L. für das Leben
Xenophons s. Leo a. a. 0. 39 ff. Das Beste stammt aus der
Rede des Dinarch, wie Wilamowitz gezeigt hat. Diogenes hat
dies dem Magnesier Demetrios entnommen.
*") S. 84. Bruder des Alkibiades.
Bekannt aus dem Platonischen Dialog Menon.
Xen. Anab. III, 1, 31.
Vgl. das siebente Buch der Anabasis.
Griechisch •yu'voct.ov, das gewöhnlich in verächt-
lichem Sinne gebraucht wird. Daß es aber bei Diogenes auch
die ehrbare Gattin bedeuten kann, zeigt II 137.
") S. 86. Dieser Xenophon ist der Enkel des berühmten
Xenophon. Über die Rede des Dinarch vgl. Anm. 45.
z '") S. 86. Sie dienten also nicht im athenischen Heere.
53 ) S. 87. Vgl. Diog. L. II 13 (Dublette).
") S. 87. In dem verloren gegangenen Dialog rcspi. pvjxo-
.piXTjc r, rpu'XXo;.
M ) S, 87. So nach Wachsmuth, der Sillogr. gr. 173 f. die
Stelle folgendermaßen schreibt : ■»} t' Aio^ive«» oüx ixtcAt?
•vvg) ypadvai, die Worte werden II 62 noch einmal angeführt.
56 ) S. 88. Vgl. Diog. L. III 34.
") S. 88. Es wechseln Hexameter mit Hinkjamben.
") S. 89. Schüler des Stoikers Zenon, gebürtig aus Kitium
auf Cypern. Vgl. VII 36.
59 ) S. 90. Vgl. H. Dittmar, Äschines von Sphettos in den
Piniol. Untersuchungen von Kießling und Wilamowitz 21
(1912), 65 ff.
60 ) S. 90. Vgl. Diog. L. II 55.
") S. 90. Damit ist hier wohl das sizilische Megara
xemeint.
« 2 ) S. 90. Vgl. Thuc. V 4.
7
Zweites Buch.
317'
ss ) S. 91. Ein losgerissenes Stück, das eigentlich zu § 61
gehört. Panätius soll Piatons Phaidon für unecht erklärt haben.
Diese kaum glaubliche Notiz erklärt sich vielleicht aus unserer
Stelle, aus einer Verwechslung nämlich des plat. Dialogs mit
der Schriftstellerei Phaidons selbst.
M ) S. 91. Vgl. Xen. Mem. II 1, III 8.
° 5 ) S. 91. Eine darauf bezügliche Notiz findet sich zwar,
aber erst Diog. L. III 36. Es liegt also wohl keine RückWeisung
auf eine frühere Stelle unseres Buches sondern ein Hinweis
auf eine andere Schrift desselben Verfassers vor.
° 6 ) S. 92. Wachsmuth Sillogr. 175.
67 ) S. 93. Vgl. Diog. L. II 102, VI 58.
e8 ) S. 93. Die Philosophen nämlich folgen im Qriinde nur
den ungeschriebenen Gesetzen.
60 ) S. 93. Uber diesen Unterschied vgl. auch I 69 und V 19.
70 ) S. 93. Das Wort äv^pwx(.ö|j.c? scheint sonst nicht vor-
zukommen und klingt fast wie eine späte Qräcisierung des
lateinischen humanitas.
71 ) S. 94. Vgl. Diog. L. II 33.
72 ) S. 95. Vgl. Plut. Mor. 218 B eiSu? Xo^ov, xcn.1 TOV
toü Xsyeiv xoupov oiSsv.
7S ) S. 98. Ein Wortspiel, das durch die Übersetzung
einigermaßen wiedergegeben wird.
74 ) S. 98. Nämlich die Geldgier.
75 ) S. 100. Die Rechnung stimmt also nicht.
76 ) S. 100. Vgl. Plat. Phil. 13 C, wo Sokrates gegen diesen
Standpunkt des Protarchos aufs entschiedenste Verwahrung
einlegt.
") S. 102. Eine feine Bemerkung, die sich fruchtbar er-
weist für die Kunsttheorie überhaupt in Bezug auf die Frage der
Zulässigkeit des an sich Widerwärtigen und Häßlichen in der
künstlerischen Darstellung.
7S ) S. 102. Man sollte nun erwarten: „als durch Seelen-
schmerz"; allein die Fortsetzung entspricht dem nicht und
damit geht die Logik in die Brüche.
™)S. 102. Eigentlich „lustvoll zurückkehrt" (jjos'o? ^avay-f)),
eine etwas auffällige Wendung. .
80 ) S. 103. Das besagen hier die Worte sXs-yov ow auroc.
318
Anmerkungen.
") S. 103. Die Ethik bedarf zur Begründung ihrer Wahr-
heiten der Logik.
82 ) S. 103. Zu dem griechischen Text dieser SteHe s. Diels
Doxogr. 591, 32.
**) S. 104. Danach wäre also der Selbstmord wohl
zulässig.
84 ) S. 104. Diese entstellt überlieferten Worte habe ich
■den Anforderungen des Sinnes gemäß übersetzt.
M ) S. 105. Das Komma im griechischen Text ist nicht mit
•den Herausgebern hinter sondern vor oia -aij-a zu setzen.
M ) S. 105. Bei der herrschenden Neigung, dem Diogenes
L. jede Regung von Selbständigkeit abzusprechen, wird es
nicht an solchen fehlen, die auch diese Stelle mitsamt dem
„mir" der Vorlage zuweisen werden. Allein «*< modus in
rebus, sunt ctrli denique fines.
S7 ) S. 107. Das erklärt sich wohl durch die Beziehung auf
die subjektive Giltigkeit aller Urteile, welche die Kyrenaiker
mit Protagoras annahmen. Vgl. Zeller II, l 3 , 301.
87a ) S. 107. Vgl. II 10.
M J S. 107. Dazu vgl. Diog. L. VI 42.
* 9 ) S. 108. Vgl. Diog. L. II 68.
**) S. 108. Nomen (vou.0-. == Gesetze) sind feierliche
Lieder strenger und altertümlicher Art, vergleichbar unseren
Kirchenliedern.
M ) S. 108. Damit ist seine verloren gegangene Schrift
TexvMv ouvaYt>7Yj gemeint. Frg. 132 p. 1500 b 35.
*") S. 110. Das spricht mehr für Streitlust als für schlichte
Wahrheitsliebe.
85 ) S. 110. Vgl. Wachsmuth Sillogr. 152 f.
M ) S. III. Über diese beliebten Geistesspiele der Griechen
«eben Auskunft Zeller II, l 3 225 ff., Fries, Logik 3. Aufl. 351 ff.
und andere.
* 5 ) S. 111. Es sind Hinkjamben (Choriamben) abwechselnd
mit Daktylen.
M ) S. 115. Ein unnachahmbares Wortspiel. Das griechische
'.u.<xt£ou xatvou bedeutet „eines neuen Mantels", kann aber
auch, wenn manxaivoüin seine Silben zerlegt und dafür xatvov
schreibt, bedeuten „des Mantels und des Verstandes". Vgl. VI 3.
L
Zweites Buch.
319
° 7 ) S. 115. Vgl. Wachsmuth Sillogr. p. 193 f., wo man Aus-
kunft findet über die zahlreichen Anspielungen obscörter Art,
mit denen hier Timon den Lesern aufzuwarten scheint
9S ) S. 116. Vgl. meine Bemerkungen dazu im Rhein. Mus.
N. F. 53, 621 ff.
") S. 116. Der Name Stilpon war wohl überhaupt selten,
daher keine Homonymen.
10 °) S. 118. So nach Reiske, der vor Xd^ou einschiebt
•KoXiTtxoü mit Verweisung auf II 121 xi xb s7cir»)'6eiov .y'i
noXiTixo£.
101 ) S. 119. Das ist die uns erhaltene Cebetis tabula (z£va£),
ein allegorisches Gemälde des menschlichen Lebens.
102 ) S. 119. Die Mitteilungen über Menedemos zeichnen
sich nicht nur durch eine verhältnismäßige Fülle des Stoffs,
sondern auch durch eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit des
Colorits aus. Sie sind, wie Wilamowitz in seiner Schrift über
Antigonos von Karystos überzeugend nachgewiesen, dem
Diogenes, d. h. den Vormännern des Diogenes, durch Hera-
kleides Lembos, Zeitgenossen des Aristarch, vermittelt
worden. Herakleides kann aber das Material auch bei Sotion
gefunden haben, wie Leo a. a. O. S. 74 f. zeigt.
103 ) S. 120. Vgl. Wachsmuth Sillogr. 195.
S. 121. Es sind selbstverständlich geschlechtliche An-
spielungen, um die es sich hier handelt. Ihren Sinn wird man
einigermaßen erkennen, wenn man in den Problemen des
Aristoteles liest, was er 908b 5 ff. über die betreffenden
Wirkungen des Rettigs mitteilt Wenn Menedemos den Ehe-
brecher als einen Rettigf resser ($a.<pa.voy6pxai<:o<;) nach der
Komödie hinstellte, so wußte jeder Hörer, was er damit meinte.
Zugleich scheint darin eine Anspielung zu liegen auf jene
gerichtliche Strafe für Ehebrecher in Athen, die mit dem Aus-
druck pacpaviooüv bezeichnet wurde.
10 °) S. 122. Hier leidet die Überlieferung (ini tt ( ? ^uava?)
vielleicht an einem Fehler.
1<w ) S. 122. Ihre rasche Abreise bringt sie in den Sturm,
der ihnen den Tod droht Der Freimut des Menedemos trägt
also in gewisser Weise die Sehuld an ihrer jetzigen Todes-
gefahr.
320
Anmerkungen.
107 ) S. 123. Vgl. die Bemerkung Reiskes (Herrn. 24, 309):
Loquitur de epulis, quas divites in triviis Hecatae deisque
inferis deponere solebant.
108 ) S. 123. Die Gastfreiheit erscheint hier in etwas auf-
tauender Weise als eine Art Entschädigung für die Unbilden
des Klimas, als ein Gegengewicht gegen die durch das Wetter
verursachte übele Laune.
109 ) S. 124. Gemeint ist Herakleides Lembos.
110 ) S. 124. Hätte er einfach „Ja" geantwortet, so wäre
die Antwort gewesen : „Also hast du ihn doch geschlagen, denn
sonst hättest du nicht aufgehört." Hätte er aber einfach „Nein"
gesagt, so schlüge er ihn ja immer noch. Auf jeden Fall also
würde er als Missetäter gegen seinen Vater erscheinen.
Menedem nahm gegen dergleichen Fangschlüsse den ganz
richtigen Standpunkt ein.
U1 ) S. 125. Es ist hier mit Reiske für (f&ae, zu schreiben
cpiXixoc.
11S ) S. 125. Vgl. die Anmerkung zu II 52.
S. 128. Persaios war der Sohn des Demetrios.
/ _
321
Anmerkungen zum dritten Buch.
3 ) S. 129. Als Grundlage zu dieser Biographie gibt sich zu
erkennen die Einleitung des Thrasyllos zu seiner Ausgabe der
Platonischen Werke, .die auf guten Quellen beruht. Diogenes
Laertius oder sein Vorgänger hat diese Grundlage durch zahl-
reiche Zusätze aus bekannten Sammelwerken der Kaiserzeit
ergänzt. Vgl. Leo a. a. O. S. 54 f.
: ) S. 129. Das beruht wohl lediglich auf einer Vermengung
mit dem Namen der Schwester Piatons.
= ) S. 129. Klearch von Soli gehörte zu den unmittelbaren
Schülern des Aristoteles. Er wird noch einige Male von
Diogenes zitiert.
4 ) S. 129. Also unbefleckte Empfängnis. Es galt. Piaton
zu einem überirdischen Wesen, zu einem Sohn Apollons zu
machen.
4a ) S. 130. Die Genesis dieser verworrenen Steile bis
Mitte von 66 hat Usener aufgeklärt in der Epicurea XXIII f.
5 ) S. 130. Ein Schriftsteller unbestimmter Zeit, der in
einem wohl biographischen Werke auch über Piaton handelte
und mit besonderer Vorliebe Auffallendes in der äußeren Er-
scheinung seiner Helden nacherzählte. Vgl. Steinhart, Piatons
Leben Lpz. 1873 p. 19 f.
°) S. 131. Alexander der Polyhistor, der zu Sulla's Zeit
ein Buch über die Reihenfolge der Philosophenschulen
(tüv tpiXoaotpov hinboyjxC) schrieb.
') S. 131. Wer damit gemeint sei, ist fraglich.
■) S. 131. Ist der Schüler Piatons.
") S. 132. Vgl. Wachsmuth Sillogr. p. 102.
10 ) S. 132. Satyros war ein Freund des berühmten
Grammatikers und Kritikers Aristarch (um 170 in Alexandria).
n ) S. 132. Über ihn s. Leo a. a. 0. 55 Anm. 4.
A p e 1 1 , Diogenes Laerlius. 21
322
Anmerkungen.
12 ) S. 132. Der Mathematiker Amyntas aus Herakleia war
Schüler Piatons; er ward bekämpft von Alkimos, dem Schüler
Stilpons. Uber die Frage der Echtheit der hier zitierten Partien
aus dem Drama des Epicharm s. Diels, Frg. d. V. 2 p. 89 und 668.
13 ) S. 134. Vgl. Plat. Parm. 132 D f.
") S. 134. Ob hier mit Diels noch ein Vers hinter dem
ersten einzufügen sei, lasse ich dahingestellt.
15 ) S. 135. Griechisch: sv rr) ~spi tüv löewv utcoXij'vJjsi.
Das würde als Büchertitel, wie man es hat verstehen wollen
(vgl. z. B. Steinhart, Leben Piatons p. 13 f.), sich wunderlich
genug ausnehmen. Bedenkt man aber, daß Amyntas ein
Schüler Piatons war, so handelt es sich bei den angezogenen
Worten wahrscheinlich um Ausführungen Piatons vor seinen
Schülern, also um Lehrvorträge. So richtig Schwartz in dem
Artikel Alkimos in Pauly-Wissowa p. 1544. Das gibt den hier
mitgeteilten Ausführungen ein ganz besonderes Interesse. Wir
hören hier Piaton vor seinen Schülern sprechen und gewinnen
einen Einblick in seine geistige Werkstatt. Der Mechanismus
der Gedächtniskraft der Tierwelt wird ihm hier zur Stütze
seiner Lehre von der Anamnesis.
") S. 135. Im griechischen Text ist hier ein Wort aus-
gefallen.
") S. 138. Cobet schreibt richtig MsyaXTjv toXiv, denn
es ist offenbar Megalopohs gemeint, das auch bloß MeydtV»]
genannt wurde.
18 ) S. 139. Eine Frage, mit der man sich neuerdings mehr-
fach beschäftigt hat. Vgl. meine Anmerkung 124 p. 166 f.
meiner Ubersetzung des Timaeus.
19 ) S. 140. S. Wachsmuth Sillogr. 172.
20 ) S. 141. Im Griechischen „Aster" (Stern) als Eigen-
name.
21 ) S. 141. So nach Reiskes richtiger Deutung.
22 ) S. 142. Das ist Apollonius Molo, der berühmte Rhetor
in Rhodos, der geschätzte Lehrer des Cicero. Er schrieb u. a.
ein Buch gegen die Philosophen (xxcoc tmv (ptXoao'tpwv), dem
diese boshafte Bemerkung gegen Piaton angehört haben mag.
23 ) S. 143. Damit ist gemeint die Stelle 694 Äff. in den
Drittes Buch.
323
Gesetzen, wo eine offenbare Polemik gegen Xenophon vorliegt
und zwar ohne Namensnennung.
24 ) S. 143. Es ist mit Reiske tc\äo[j.svc'j zu schreiben.
») S. 143. Denn diese Schrift stand ja von vornherein
durch ihren Zweck und Inhalt in Widerspruch mit aller Welt
wie mit aller Erfahrung.
26 ) S. 143. Vgl. Diog. L. H 65.
27 ) S. 144. Vgl. Diog. L. III 57.
28 ) S. 147. Auf dem thrakischen Chersones.
29 ) S. 147. Wer die hier als Empfängerin — nicht des
ganzen Werkes, sondern — dieses Abschnittes bezeichnete ge-
lehrte Dame sei, läßt sich zwar nicht mit Sicherheit sagen,
doch vermutet man mit einiger Wahrscheinlichkeit, daß es die
aus Galen De theriac. ad Pison. 458. XIV p. 215 Kühn bekannte
Arria sei. Eine Widmung des ganzen Werkes an sie hätte nur
am Anfang des Buches ihren Platz finden können. S. U se n e r
Epicurea XXXIII Anm.
so ) S. 148. Was nun folgt, ist, abgesehen von einigen
Partien im ersten Teil, schablonenhafte, dazu mehrfach von
fremdartigen (aristotelischen) Gesichtspunkten beherrschte, im
Ganzen tote und geistlose Zusammenfassung des Lehrgehaltes
der platonischen Schriften im Stile etwa des Alkinous oder
Albinus, in den letzten Partien geradezu nur ein dürres
Herbarium, ohne Saft, Kraft, Farbe und Leben, ein deutlicher
Beleg dafür, in welcher Verzerrung und Verdörrung uns Piaton
erscheinen würde, wenn uns das Schicksal seine Schriften vor-
enthalten hätte. Die Einteilungssucht erinnert hier und da
geradezu an die Tabulaturquälereien der Meistersänger.
Diogenes selbst ist an diesen Dingen unschuldig; er lebt hier
offenbar ganz auf Borg, nur darf man nicht so weit gehen, auch
für die Anrede an die gelehrte Dame einen anderen verant-
wortlich zu machen als ihn selbst.
31 ) S. 149. Diese Unterscheidung schwebt in einer etwas
unbestimmten Mitte zwischen zwei sehr bestimmten Unter-
scheidungen Piatons, nämlich zwischen der von wahrer
Meinung und falscher Meinung einerseits und von Meinen und
Wissen anderseits.
3J ) S. 149. Damit sind gemeint die führenden Gesprächs-
21*
324
Anmerkungen.
Personen in den Dialogen Sophistes, Politikos und in den Ge-
setzen. Man hat sich — so meint der Verfasser — unter diesen
nicht eine bestimmte Person (also auch nicht den Piaton als
solchen), sondern nur Vertreter platonischer Ansichten über-
haupt vorzustellen.
3S ) S. 150. Vgl. Artet. Top. 105* 13 t| abcb -wv y.aV sxacra
inl xa. xo&oXou s9o5o<;. In unserem Text ist der Wortlaut
sehr wenig präzis.
34 ) S. 150. Reiske schreibt wohl richtig k rt ? a für zspl
35 ) S. 150. Das ist überhaupt kein induktiver Schluß
sondern ein Sophisma, das durch den Modus tollendo ponens
schließt. Die Induktion hat es immer mit der Verbindung
der Teile zum Ganzen zu tun, diese Schlußart dagegen mit
der Entgegensetzung der Teile i m Ganzen.
36 ) S. 150. Das ist überhaupt kein disjunktiver (induktiver)
Schluß sondern ein konjunktiver WahrscheinlichkeitsschluS.
Wir schließen im vollständigen konjunktiven Schluß auf eine
Begebenheit, deren Ursachen wir vollständig kennen oder auf
einen Tatbestand, dessen Merkmale wir vollständig kennen.
Bei gerichtlichem Verfahren handelt es sich in der Regel aber
nicht um vollständige sondern nur um partielle Kenntnis der
Merkmale. Es handelt sich also bloß um Wahrscheinlichkeit,
also um einen konjunktiven Wahrscheinlichkeitsschluß.
") S. 151. Der zu beweisende Satz wird hier mit Hilfe
eines altgemeinen Satzes bewiesen, der seinerseits durch
Induktion bewiesen wird.
3S ) S. 151. Vgl. Diog. L. III 37, wo für dieselbe alberne
Behauptung Aristoxenos als Zeuge genannt wird.
3B ) S. 153. Hier ist mit Reiske für das bloße 'Aito\oyia<;
der Hss. zu schreiben clk 'AteoXoyiok;.
40 ) S. 154. D. h. vom Schwachen, Unbedeutenden, dabei
aber Redlichen und Braven z. B. Gorg. 483 C dyarcoai ya'p,
o£u.ai, au-uoi av xb i'aov sx.ua <pauXöfepoi ovtsc-
Ale. I, 129 A.
40a ) S. 155. Die Akademie selbst betrieb den Verkauf.
Vgl. Wilamowitz Antig. v. Kar. 286.
41 ) S. 156. Nach Tim. 36 C sollte man für xsts^n viel-
mehr erwarten xtveiffS'ai, wie vielleicht auch zu schreiben ist.
Drittes Buch.
325
*-) S. 156. Das ist eine ungenaue Wiedergabe von Tim.
37 B, wo nur von der 5b£a dX?] ^ die Rede ist. Mit hfio-j-
p.svou soll das platonische bp^b? ov oder op^b; luv wieder-
gegeben werden; es müßte aber mindestens heißen bp^ou^evov,
auf xuxXov bezogen.
«) S. 157. Vgl. Plat. Tim. 54 Äff.
44 ) S. 157. Vgl. Plat. Tim. 58 B ff.
4I ) S. 157. Damit wird nur der Begriff des Erschaffenen
begründet; die Begründung der Einheit folgt dann erst.
4e ) S. 157. Der griechische Text bietet oiodu'efÄm sie fbv
^edv. Das gibt keinen Sinn. Einen solchen gewinnt man meines
Erachtens, wenn man slg durch o? — eine häufige Ver-
wechselung — ersetzt, nämlich o?rbv ^sbv seil, aqftapxov
oiotjJLs'vsiv. Die Analogie zwischen der Welt und Gott ist ja
hier durchgehend das Entscheidende.
47 ) S. 157. Vgl. Plat. Tim. 29 E.
45 ) S. 159. Vgl. Plat. Tim. 49 A. Formlosigkeit und blinde
Notwendigkeit stehen wie Wechselbegriffe zueinander.
4B ) S. 159. Eine dunkele Wiedergabe von Plat. Tim. 48 Äff.
50 ) S. 160. Es ist mit Casaubonus d7iapouTr;Ta zu lesen für
siiTüapottTijTa. der Hss.
51 ) S. 160. Es handelt sich um eine pseudo-aristotehsche
Schrift des späteren Altertums über platonische Einteilungen.
S. Zeller, Phil. d. Gr. II, 2 8 , 66 Anm. 2.
»i) S. 161. Vgl. Plat. Legg. 697 Äff. 743 E. 870 B. Epist.
355 B.
53 ) S. 161. Diese Einteilung findet sich als solche nirgends
bei Piaton, wenn auch von den drei Arten jede für sich
gelegentlich vorkommt. Dagegen hätte man die bekannte
treffliche aristotelische Einteilung der Freundschaft nach ihren
Motiven, nämlich nach 1. dem Nutzen, 2. dem Vergnügen. 3. der
Tugend aus dem platonischen Lysis wenn nicht unmittelbar
entnehmen, so doch herauserkennen können. Nicht besser steht
es mit den dann folgenden Einteilungen.
") S. 166. Man vgl. hierzu die echt platonische Einteilung
im dritten Buch der Gesetze 690 A ff.
8S ) S. 167. Zu dem „Wann" vgl. Diog. L. II 73 und viele
andere ähnliche Stellen, die alle auf die Wichtigkeit
326
Anmerkungen.
richtigen Wahl der Zeit zum Reden hinweisen, also die hohe
Bedeutung des jtaipos hervorheben.
**) S. 167.Es fragt sich, ob für das anstößigea[j.apTavovta;
der Hss. nicht einzusetzen ist o^apTowrac, das ich in meiner
Übersetzung zum Ausdruck gebracht habe.
57 ) S. 169. Also das, was Piaton mit einem besonders an-
schaulichen Ausdruck als irpMTO'yevsc XTrjp.a, als „erst-
geborenen Besitz" bezeichnet im Politikos 288 E.
B8 ) S. 170. Das Weder-Noch als mögliches drittes Glied
neben einem konträren Gegensatz spielt in den platonischen
Dialogen der ersten Periode eine ziemliche Rolle. Vgl. Gore.
467 E ff. Lys. 216 D ff. Menon88C. Charm. 161 AB. Auch noch
in Dialogen der mittleren Periode kommt Piaton darauf zu
sprechen, wie Euthyd. 280 E. Symp. 202 AB. In § 104 unseres
Abschnittes kommt Diogenes L. noch einmal auf die Sache
zurück.
59 ) S. 171. Weit klarer ist die Dreiteilung der Güter, die
Piaton selbst in den Gesetzen an mehreren Stellen gibt, wie
697 Äff., 743 E, 870 Bf., aber auch schon in früheren Dialogen
wie z. B. Gorg. 451 E. Euthyd. 278 E ff.
80 ) S. 173. Das entspricht nämlich in gewisser Weise der
Aristotelischen Unterscheidung von xa^' auxd und xai:a öup.-
ßsß-qxo'i;. Für Piaton nannte man diese Unterscheidung to
owso'v. Vgl. Meine Beitr. z. Gesch. d. gr. Phil, p, 90 t
327
Anmerkungen zum vierten Buch.
1 ) S. 174. Die Geschichte der Akademie ist nach Wifis»
mowitz im Wesentlichen einem Werke aus- dem Ende des
zweiten vorchristlichen Jahrhunderts entnommen, in dem das
treffliche Buch des Antigonos von Karystos benutzt worden
war. Was das Verhältnis zu den Fragmenten aus Philodem
(cuvra§is twv <piXo(jo9«v) über Speusipp und die Akademie
betrifft, so liegt beiden eine gemeinsame Quelle zu Grunde, die
aber bei Diogenes durch eine feindlich gehaltene Darstellung
durchbrochen ist. Bemerkenswert für dies vierte Buch ist
auch das gänzliche Fehlen des doxographischen Elementes.
Vgl. Leo a.a.O. 56 f. 59 f. 73.
2 ) S. 175. D. h. nur für den engeren Schulerkreis be-
stimmte Lehren oder Verhaltungsanweisungen.
8 ) S 175. Über ihn ist nichts Näheres bekannt.
*) S. 175. Der zweite und vierte Vers sind daktylische
Tetrameter. M
/ °) S. 175. Bei Plutarch ist wohl von Läusekrankheit üie
/ Rede, aber nicht in Bezug auf Speusipp. Nach Leo a. a. O.
S. 58 stammt die Kunde aus Myroniano* der nach Diog. L.
III 40 auch TceptTwv nXa'xwvo? cpSreipüv MSou-ro^TsXeuT^cavTO?
gehandelt hat in seinen historischen Parallelen.
°) S. 175. Hierzu vgl. Zeller II, l 3 858 f.
7 ) S. 176. Vgl. Zeller IL l s 849, 1.
s ) S. 176. Von ihm wissen wir nichts Näheres.
°) S 176. Nämlich der letzten. S. Zeller a. a. 0. 841.
10 ) S. 177. Dieser Vorgang hat sich am Hofe des Dionysios
in Syrakus abgespielt.
") S. 178. In den Jahren 323 und 322 v. Chr.
12 ) s! 179. Vielleicht über den Kallikles des platonischen
Gorgias.
328
Anmerkungen.
J3 ) S. 180. Die Zahlen in No. 52, 59, 60, 76 sind verdorben.
14 ) S. 181. Hier ist, wie die Unstimmigkeit der Zahlen
zeigt, mit Cobet eine Lücke anzunehmen.
" a ) S. 182. Vgl. Wilamowitz, Antigonos v. Kar. p. 63 Anm.
15 ) S. 183. Vgl. Diog. L. IV 24.
16 ) S. 184. Der Ausdruck s'xTcsTCaTTjXo's ist wohl zu er-
klären nach IX 3, wo es von Heraklit heißt: xal ts'Xo£ [u-
oa.täQoirrßtx.c, xoü i x IC a t vj <s a c, sv toi£ opsen. owjraTO,
sowie nach IX 63, wo es von Pyrrhon heißt: sxicaireüv auTov
xai s'pT|U.a£s(.v. Danach ist exraxstv in der Bedeutung sece-
dere zu nehmen. Angewendet also auf unsere Stelle heißt das:
„er hatte sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen",
nicht aber, wie es die Ubersetzer, lateinische und deutsche,
nehmen „er war spazieren gegangen"..
") S. 184. Nämlich als scharfer Wächter gegen Un-
ziemliches.
18 ) S. 185. S. § 28 ff.
") S. 186. S. VI 85 ff.
20 ) S. 186. S. Diog. L. IV 18.
21 ) S. 186. Vgl. IV 29.
22 ) S. 187. Sie waren ja beide schon berühmte Leute.
2 ?) S.189. Er wandte sich also von der strengeren Schule
des Theophrast einer Schule zu, die mit der Rhetorik auf
freundlicherem Fuße zu stehen schien, denn er wollte es mit
seinem Vormund (der zugleich sein Stiefbruder war) nicht ver-
derben.
24 ) S. 190. Da er nach § 32 nichts geschrieben (ver-
öffentlicht) hat, so sind mit dem sxapaxrrjpiSs eben wohl nur
Vorarbeiten gemeint.
25 ) S. 190. Das, sollte man meinen, wäre für einen
Akademiker selbstverständlich gewesen.
2e ) S. 190. Vgl. Wachsmuth Sillogr. 115 ff.
27 ) S. 191. Der Burbonicus hat hier: xod vs'ov iXT^-ufcst.?
e7U7rVrj'|s<nv iyx.a.za\Lt.yvv$. Die Varianten und Verbesserungs-
vorschläge s. bei Wachsmuth. Ich empfehle dafür zu schreiben:
y.a.1 vs'ov (jlsXXtj'csii; x. t. X.: „Er machte auch schon die
Säumnisse der Jünglinge mit zum Gegenstand seines Tadels
und seiner Mahnreden." Er konnte es nicht leiden, wenn nicht
Viertes Buch.
329
rasch und scharf geantwortet wurde. War er es doch, der nach
§ 28 auf die Methode St ifarr^aeai; xai arcoxpursoK
besonderen Wert legte.
2S ) S. 191. Das wäre etwa das, was wir mit der Redens-
art bezeichnen: „es fehlt ihm die Kinderstube".
20 ) S. 192. Die Verse finden sich auch bei Plutarch
Ouaest. Symp. 718 A, nur daß da nicht Xy^oikh steht, sondern
•rcXvl'irouGt.. Doch hat allem Anschein nach Arkesilaos absichtlich
das tcXy^ouci durch Xifcoucri ersetzt, weil es ihm eben auf das
X^av (äyvosw) ankam. Was ich mit „Zeit des Eierlegens"
gegeben habe, ist im Griechischen -zöxoc, „Gebären", zugleich
aber auch übertragen „die Zinsen". Beides also muß man sich
unter der Zeit des Eierlegens vorstellen. Wenn es sich um
Zinszahlen handelt, weiß der Wucherer stets trefflich Bescheid.
34 ) S. 193. Damit ist wohl der glänzende Sieg gemeint,
den Antigonos Gonatas bei dem Vorgebirge Leukolla auf Kos
um 263 v. Chr. über die ägyptische Flotte davontrug. Daraul
folgte die Unterwerfung von Athen.
31 ) S. 195. Das Lob der passenden Zeit kehrt häufig
wieder; vgl. I, 26. 41. 79. 91. II, 73. So sagt Immermann
(Putlitz, Immermanns Leben II, 135) : „der Liebesdienst wurde
zur rechten Zeit erwiesen und war daher wie alles, was zur
rechten Zeit kommt, ein unschätzbarer". Theophrast hat eine
besondere Schrift Tcspi. zatpov geschrieben s. V 5t).
32 ) S. 195. Vgl. Wachsmuth Sillogr. 119 f.
*») S. 196. So mit Emperius.
3i ) S. 197. Die Quellenanalyse s. bei Leo a, a. 0. 65 f.
**) S. 197. Schüler des Zenon.
30 ) S. 198. Griechisch dbroXauaai xu'tpou, eine nicht leicht
verständliche Wendung. Reiske will <x7caxXuaoa einsetzen für
<x7coX<xüaat,, aber da müßte man noch weiter ändern. Meine
Übersetzung zeigt vielleicht, daß man dem a7coXaüaai immerhin
sein Dasein gönnen kann.
37 ) S. 198. Das nämliche Wort wird VI 3 dem Antisthenes
beigelegt.
38 ) S. 198. Hier haben die Hss. stöv, das Reiske durch
dcv'.cÖv ersetzt.
39 ) S. 200. So mit Reiske izgo^-tfo für Trap^l-o.
330
Anmerkungen.
4 «) S. 200. S. Wachsmuth Sillogr. 201.
41 ) S. 200. Dagegen vgl. seinen Ausspruch § 49.
42 ) S. 201. So mit Reiske auTo'c für aÜT(J>.
43 ) S. 202. Das könnte immerhin auf dem Wege astro-
nomischer Forschung theoretisch erschlossen worden sein.
Aber empirisch hat wohl Pytheas von Massilia in der Zeit etwa
Alexanders des Gr. zuerst diese Erscheinung festgestellt.
44 ) S. 203. Seine Grabschrift bei Kaibel, Epigramme auf-
Steinen 40.
45 ) S. 204. Eine Maßbestimmung für das Anhören vorr
Reden, aber von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus, gibt
Piaton Rpl. 450 B C.
46 ) S. 205. Das bezieht sich offenbar auf das erste Stadium
der Erkrankung am Staar, wo der Leidende noch kein volles.
Bewußtsein seines Zustandes hat.
33i
Anmerkungen zum fünften Buch.
J ) S. 210. Das Wort Sykophant (Feigenanzeiger) war
ursprünglich Bezeichnung für diejenigen, die als Aufpasser
Leute zur Anzeige brachten, welche widergesetzlich Feigen aus
Attika ausführten. Die Feigen also erinnern an die gewerbs-
mäßige Anzeigerzunft.
2 ) S. 211. Das ist der mutmaßliche Verfasser der Rhetorik
an Alexander, ein Lampsakener.
s ) S. 211. Dieser (bezweifelte) Name findet sich jetzt auf
Thesaurosquittungen auf Ostraka als Name eines thebanischen
Sitologen. S. Leo Biogr. 52 Anm. 6.
4 ) S. 211. Vergleiche zu diesem sowie zu den weiter noch
mitgeteilten Testamenten C. G. Bruns, die Testamente der
griechischen Philosophen, Ztschr. der Savigny-Stiftung Abt. I.
46 ff. 1880.
3 ) S. 212. Sohn des Proxenos, der des Aristoteles Vor-
mund gewesen.
') S. 212. .Für das handschriftliche ocutov lese ich mit
Reiske auro.
7 ) S. 214. Griechisch £oa X&wa, das man begreiflicher
Weise mit „Tierbilder aus Stein" wiedergegeben hat. Richtiger
aber deutet man es, wie auch möglich, als „steinerne Bild-
säulen", hier wahrscheinlich — wegen der Größe — Götter-
bilder.
8 ) S. 214. Ähnlich dem, was von Jerome in Kassel erzählt
wurde, nur daß das Aristotelicum weniger Glauben verdient.
9 ) S. 214. Vgl V 21.
10 ) S. 214. Griechisch : sv'ira av xai o tz o u oiaxpißov ixufß.
Reiske streicht das otüou, das in der Tat nach stöa nicht nur
entbehrlich sondern vom Übel ist. Doch glaube ich, daß das
332
Anmerkungen.
xai oteou seine Entstehung einem ursprünglichen y.a-c'-Tou
verdankt „wo auch immer im Tageslicht er verweilte", denn
eben vom freien Tageslicht ist ja hier die Rede.
") S. 215. ^soü Süpov mit Cobet.
32 ) S. 215. Vgl. I 69. II 69.
") S. 216. Das erinnert an den schönen Ausspruch des
Xenokrates, den uns Cicero (Repl. I 3) aufbewahrt hat. Als
man ihn nämlich fragte, was denn seine Schüler bei ihm er-
reichten, soll er geantwortet haben: „daß sie aus freien
Stücken so handeln, wie es die Gesetze unter Androhung
von Gewalt beföhlen" M M ««» sponte facerent, quod cogerentur
fasert legibus).
") S. 216. Vgl. V 17.
*•) S. 216. Dem Sinne nach Eth. Nie. 1170b 20 bis 1171* 20.
16 ) S. 216. Es sind drei Verzeichnisse der aristotelischen
Schriften erhalten. Das unsere geht wie auch das des Hesychios
Illustr. wahrscheinlich zurück auf den Peripatetiker und Kalli-
macheer Hermippos, auf den auch des Diogenes Mit-
teilungen über das Leben des Aristoteles größtenteils zurück-
gehen (V 2); das dritte, dürftigste, weil nur trümmerhaft er-
halten, ist das des Philosophen Ptolemaios. Ich gebe unser
Verzeichnis, entsprechend seiner Wichtigkeit, deutsch und
griechisch, um die Vergleichung mit unserm Corpus Aristo-
telicum zu erleichtern, mit durchgängiger Verweisung in
eckigen Klammern auf Z e 1 1 e r Bd. II, 2, 3. Aufl., wo sich sehr
sorgfältige Notizen zur Orientierung über das Verhältnis zu
unserem jetzigen Schriftenbestand finden.
") S. 223. Das ist eine Art Ansatz zur Doxographie, die
in diesem Buche ebenso kärglich bedacht ist wie im vierten,
wo sich auch nur für Arkesilaos einige Hinweise finden.
1S ) S. 223. Es handelt sich da um den Mechanismus des
Schlusses, d. h. um seine innere Struktur in Bezug auf die
Stellung der Vordersätze zueinander.
10 ) S. 224. So, ungefähr wenigstens, in der Rhetorik, wo
es 1381*> 34 heißt: si'Sv] cpiXia? s-oupeüx, oüteidr»)?» auYY^ vsta-
Umfassender und zugleich tiefer in der Nikom. Ethik 1155b 12 :
sL'Sy) xpla., ha. xb fofo&öv, Sia to xP 7 l' a ^ 0V > Mt to f,5y.
Vgl. Diog. L. III 81 über Piaton.
Fünftes Buch.
33*
2B ) S. 226. Im Gegensatz zu der Zahl der Werke.
21 ) S. 226. Der als Jüngling im Parmenides des Piaton als.
Mitunterredner auftritt.
") S. 227. Für das unverständliche ö(.>cacrr»]pi'ou der Händ-
schriften ist hier m. E. zu lesen 8iSaxTY)piou, wonach ich
übersetzt habe.
23 ) S. 227. Dies scheint mir der Sinn der Stelle zu sein,
die wohl auf einen Anfall von Übellaunigkeit angesichts der
Schwierigkeiten und Mühsale des Lehrberufs zurückzuführen
ist. Die iqXoaou sind doch wohl auf die heranwachsende
Jugend zu beziehen.
24 ) S. 227. Dies Sätzchen erweist sich sowohl sachlich als
grammatisch — es fehlt das Objekt — als verdächtig.
25 ) S. 229. Dies Verzeichnis ist, wie Usener erkannt
hat (Analecta Theophrastea Lpz. 1858), alphabetisch geordnet
und durch drei gleichfalls (mit geringen Störungen) alphabetisch
geordnete Anhänge ergänzt.
2G ) S. 238. Vgl. Anm. 4.
2T ) S. 238. Mit der häuslichen Habe ist sein Hab und
Gut in seiner Heimat Eresos gemeint. Vgl. Wilamowitz p. 265
Anmerkung.
28 ) S. 238. Er hatte die Vermögensverwaltung sowohl für
die Schule wie für Theophrast übernommen.
28 ) S. 238. Die Zerstörung ist zurückzuführen auf die
zweite Belagerung Athens durch den König Demetdos im J..
294 v. Chr. Vgl. Wilamowitz a. ä. O. p. 267 f. Anm.
30 ) S. 238. So durfte in Olympia kein Siegerbild über die-
Lebensgröße hinaus gehen.
31 ) S. 238. Vgl. das Testament des Lykon IV 70.
32 ) S. 239. Der wechselnde Schülerbestand erforderte eine
feste Heimstätte, die gegen Veräußerung oder gegen Besitz-
nahme durch einen Eingeborenen gesichert war. Es . sollte zu
vorübergehendem Aufenthalt immer gutes Unterkommen vor-
handen sein.
33 ) S. 239. Diese Periode ist gründlich mißverstanden und
mit mehrfachen Änderungen bedacht worden, weil man das
auvei'pi)Tai falsch deutete. Dies hat hier nichts mit ctum.«?^^^
oder dergleichen zu tun, sondern ist passiver Konjunktiv zu-
334
Anmerkungen.
auvelpsiv „anreihen", und demgemäß ist otvco? = damit; sein
Subjekt erhält der Absichtssatz in dem dann folgenden ^spa-
7isudneva und zur Herstellung des Ganzen ist weiter nichts
nötig aJs die Einschiebung eines ra hinter aup.ßaVnx, durch
dessen letzte, gleichlautende Silbe es einfach verschlungen
worden ist — eine Leiche, wie unsere Setzer diesen in den
Handschriften wie in den Drucken gleich häufigen Fehler
treffend benennen.Es müssen also die Kommata nach cuvsipirrai
und nach cujJißavTa fallen, also: "Otsq<; hi ouveipuprai p-eta
Ta mpi •jjjJLa? aupißavTa <t<x> 7cspl xo Cepbv . . . ^spa7r£uo[isva,
•cruvsTCiiisisw^ai. vc. t. X. Im übrigen vergleiche man meine
Übersetzung.
34 ) S. 239. So mit Reiske, der richtig für auxoic ein-
setzt aurd?.
x ) S. 240. So ist wohl der etwas befremdende Ausdruck
i^a'Yetv zu deuten. Vgl. V 72.
30 ) S. 241. Für das überlieferte Xiy.oO setzt Reiske richtig
ein IX1770U. Vgl. Theophrast 7tspt tXXtytov-
a7 ) S. 244. Nicht Ariston aus Chios, wie es bei Cobet
unrichtig heißt. Vgl. Zeller II, 2 p. 41, 2.
38 ) S. 244. Nur seine lebendige Rede, nicht die ge-
schriebene (also von seiner Person losgelöste) weckte das
große Wohlgefallen.
33 ) S. 246. Dies Testament ist in seiner Art ein Zeugnis
für das zu Anfang (§ 65) über den Unterschied seiner Schreib-
weise von seiner Redeweise Gesagte. Die Sprache hat hier
etwas sehr Schwerfälliges.
40 ) S. 246. D. h. „in Troas" nach Wilamowitz a. a. 0.
D. 263.
41 ) S. 246. Der schwer zu deutende Ausdruck sx7r£7Tpax«?
wird von Reiske mit Recht bezweifelt.
* a ) S. 246. Für das überlieferte ctuvs£siv schreibt Cobet
<T\)vau£siv, ob aus der Handschrift (F), bleibt unbekannt. Doch
vgl. Speusipp an Xenokrates (Sokratikerbrief e 32) wapa-y svo'jxsvov
sie 'Axa8iQP.6iav auve'xstv tot 7cepfa<XTov. Das schützt
auch unsere Stelle, nur muß für auv^stv eingesetzt werden
* 3 ) S. 247. Das schwierige rcapaxoXo-j joüg'.v der Hand-
Fünftes Buch.
335
Schriften hat Cobet durch rcaps'/sö^offotv nebst weiteren
Änderungen ersetzt. Jedenfalls bietet die Stelle große
Schwierigkeiten.
44 ) S. 249. Vgl. Wilamowitz a. a. O. p. 46 Anm.
45 ) S. 250. Meine Ubersetzung folgt dem Text Cobets, der
hier die nächstliegende Verbesserung bietet.
46 ) S. 251. Nach Reiske, der das cv'pu.a der Handschriften
durch a-cdu-a ersetzt.
47 ) S. 252. Hier hätte Diogenes oder sein Vormann die
beste Gelegenheit gehabt, demjenigen, dem er an erster Stelle
seine Homonymenverzeichnisse verdankte, dem Magnesier
Demetrios, ein bescheidenes Denkmal zu setzen durch Nennung
seines Namens. War er etwa so unselbständig, daß er, was
der Magnesier aus begreiflichen Gründen unterließ, aus
sklavischer Abhängigkeit auch seinerseits unterließ? Oder
war der Magnesier zu wenig klassisch, d. h. nicht alt genug,
um ihn mit auf die Liste zu bringen? Auch Demetrios selbst
scheint in der Auswahl nicht zu weit herabgegangen zu sein;
doch läßt sich das wegen der Schwierigkeiten der Chronologie
nicht genau kontrollieren. Vgl. Wilamowitz, Antig. 104, 3.
48 ) S. 253. Nach Reiske, der nach voO ein xotl einsetzt.
49 ) S. 254. Wilamowitz will a. a. O. p. 24 für u.dvafx ov
lesen KXe'ap/ov.
50 ) S. 255. Ich folge hier der schönen Emendation Reiskes, der
arapti für aTOXOt, schreibt.
81 ) S. 256. War ein jüngerer Zeitgenosse des Herakleides.
M ) S. 256. Die sogenannte itapa.<sTwt). VgL VIII 78.
53 ) S. 256. Arnim, Stoic. f rg. 1 94 schreibt für ou5' jprfvv'Tti
hier vielleicht richtig o 5' ^oyu'v^»).
336
Anmerkungen zum sechsten Buch.
2 ) S. 258. Vgl. II 31.
-) S. 258. Hierzu lohnt es sich folgende kritische Äußerung
Lessings (Philologischer Nachlaß XIII, 295 f. Hempel) zu ver-
gleichen: „Diese Stelle bedarf offenbar eine Verbesserung. —
Wenn Antisthenes die Athenienser, Thebaner und Lacedämonier
zugleich loben und tadeln wollen, sehe ich nicht, warum ihn die
Gegenwart derjenigen, die seine Rede gerade das Meiste an-
ging, davon hätte abhalten können. Possen! Diogenes will
sagen, Hermippus melde, daß Antisthenes bei den isthmischen
Spielen einst die Athenienser in einer öffentlichen Rede habe
tadeln und bestrafen, die Thebaner und Lacedämonier aber
loben wollen; da er aber gesehen, daß von den beiden letzteren
allzu viele zugegen gewesen, so habe er es unterlassen, aus
Beisorge ohne Zweifel, nicht sowohl für einen Sittenrichter der
erstem als vielmehr für einen Schmeichler der letztern ge-
halten zu werden. Diese neue Auslegung gründet sich darauf,
daß, wie man aus Laertius sieht, Antisthenes mit den
Atheniensern sehr unzufrieden gewesen, da sich hingegen die
Lebensart der Spartaner und Thebaner zu der seinigen viel
besser schickte. Sein Schüler Diogenes war der nämlichen
Gesinnung."
3 ) S. 259. Zerlegt man xaivoO („des neuen", Genetiv des
Adjektivs xaivo'f) in seine zwei Silben, so erhält man neu. vou
= „und des Verstandes". Damit hänselt Antisthenes den
weisheitsdurstigen Jüngling. Vgl. II 118.
4 ) S. 259. Vgl. IV 48.
6 ) S. 259. Hierzu bemerkt Lessing a. a. 0. p. 296: „Dieses
heißt in der lateinischen Übersetzung: Interrogatus cur paucos
haberet disäpulos? Quoä, inquit, argentea illos virga non ejicio.
Sechstes Buch.
337
Casaubonus billigt die Negation. Ich finde auch ohne sie
einen sehr guten Verstand. Ich glaube nämlich, Antisthenes hat
weiter nichts damit sagen wollen als: weil ich sie weg-
prügele. Daß er dies wirklich tat, erhellt aus dem Exempel
des Diogenes VI 21. Aber warum mit einem silbernen
Stecken? Sollte er wohl auf den caduceus des Merkur alluddert
haben? Er war es, der zuerst den philosophischen Mantel, den
Stecken und die Tasche aufbrachte. Und so, wie Diogenes
diesen Stecken mit einem Szepter vergleicht, so wollte ihn
Antisthenes vielleicht im Scherze mit der Rute Merkurs ver-
gleichen (vgl. Hör. I 10); y_Qva6pptxKL$ war daher ein Beiname
Merkurs." (Ich bemerke dazu, daß Antisthenes selbst ein Buch
über den Stecken, 7rspi paßoou, geschrieben hat. Vgl. § 17.)
") S. 260. Im Griechischen lautet das Wortspiel xopaxa?
(Krähen) — ' xo'Xaxac (Schmeichler).
7 ) S. 260. Vgl. § 22.
8 ) S. 261. Vgl. § 5.
9 ) S. 261. Vgl. II 36.
,0 ) S. 263. Reiske will für 'AtcXoxümv lesen A-jtoxuov
") S. 263. Vgl. § 6.
12 ) S. 264. Nach Reiske, der TcoXtxei'a liest für ~dXa.
1S ) S. 266. Vgl. Wachsmuth Sillogr. gr. Ulf.
**) S. 266. Ein sprechendes' Zeugnis für die forcierte
Selbstgenügsamkeit (Autarkie) der Xyniker.
") S. 267. Vgl. die Quellenanalyse bei Leo, Biogr. p. 49.
1C ) S. 267. Was diesen verworrenen Ausführungen sowie
den willkürlichen Kombinationen Qöttlings (Ges. Abh. I 251 ff.)
Wahres oder Wahrscheinliches zu Grunde liegt, hat D i e 1 s
dargelegt im Archiv f. Gesch. d. Phil. VII (1894) 313—316.
1T ) S. 268. Vgl. V 44 (No. 60 des Theophrastischen
Bücherverzeichnisses).
") S. 268. Vgl. § 6.
38 ) S. 269. Die griechischen Wortspiele sind sx°^i —
ypkq und S'-arpißn] — xa-rarpißi).
30 ) S. 269. Vgl. § 64.
al ) S. 269. Vgl. § 41.
") S. 270. Vgl. I 34 das über Thaies Erzählte.
A r c 1 t , Diogenes Laertins. 22
ggg . Anmerkungen.
2l ) S 271. Etwa entsprechend unserem „Hand wird nur
von Hand gewaschen, wenn du nehmen willst, so gib".
24 ) S. 272. Vgl. II 75.
28 ) S 272 Das griechische Wortspiel, das durch die Uber-
setzung, wenn auch unvollkommen genug, angedeutet ist. spielt
mit den Worten ävaoipo; (verstümmelt) und aveu T^pa;
(ohne Rucksack).
18 ) S. 273. Vgl. § 55.
2T ) S. 273. Vgl. § 43.
28 ) S. 273. Eine starke Verhöhnung. S. weiter unten.
28 ») S. 273. Vgl. VII 3.
29 ) S. 275.. Nach Valckenar aus Euripides.
80 ) S. 275. Ein Hain und Ringplatz vor Korinth, Lieblings-
aufenthalt des Diogenes. .
81 ) S. 275. Dergleichen Vorlesungen stellten an die ue-
duld der Hörer oft nicht geringe Anforderungen. So soll, als
Piaton seinen Phaidon vorlas. Aristoteles der einzige gewesen
sein, der bis zu Ende ausharrte. Diog. L. III 37 (nach Favonn).
82 ) S. 275. Dieser bekannte Fangschluß hieß „der Oe-
^"s 8 ) S. 275. In dem ersteren Fall also verflüchtigt sich der
Duft, ohne unserem Qeruchsorgane zu Gute zu kommen.
84 ) S 276. Zum Schutze der kostbaren Wolle gegen die
Dornen. Vgl. Horaz 08 II, 6, 10 dulce pdlitis ovibm Gate«
flumen.
85 ) S. 276. Dublette dazu VI 66.
86 ) S. 276. Vgl. VI 24.
87 ) S. 276. Vgl. VI 48. . : r
zs ) S. 277. Das heißt: „Die hast du noch gut bei mir.
Dieser Meidias ist der bekannte Feind des Demosthenes.
8B ) S. 277. Vgl. II 102.
*°) S. 277. Vgl. VI 33.
41 ) S. 278. Dabei muß man sich „Unheil" zugleich als
Eigennamen denken.
") S. 278. Ein sehr treffendes und witziges Wort geien
die Selbsterniedrigung und gleichsam Selbstverstümmelung, die
darin liegt, daß man nicht selbst seine Arme zu seinem Körper-
dienst braucht.
Sechstes Buch. 339
«*) S 278 Läßt ^ch verschieden deuten: z. B. „Du wirst
gewiß einen Aufseher bekommen", oder: „Du wirst selbst an
den Galgen kommen" oder auch noch anders.
**) S. 278. Vgl. VI 61.
* 5 ) S. 279. Vgl. VI 69.
ie ) S 279. Ein Liebesspiel, eine Art Liebesorakel.
Ü) s. 280. Das heißt wohl „ungekocht". Im übrigen vgl.
VI 41
S. 280. Vgl. das stolze Wort des Anaxagoras II 10 und
des Theodoros II 102.
*») S 280 Unnachahmbares Wortspiel, indem der urts-
name Nemea als Ableitung von v^tstfrai „weiden" betrachtet
Wirds '°) S. 281. Von Cobet durch ganz geringe Änderungen in
Trimeter gebracht. .
B1 ) S 281 Cheiron ist der bekannte Kentaur, sein Name
aber hat als Adjektiv die Bedeutung „schlechter". Ähnlich das
Wortspiel VI 59.
M ) S. 281. Atöup.oi heißen die Hoden.
5S ) S. 281. Das Wort 9psap „Brunnen" war bei den
Griechen bildliche Bezeichnung für große Gefahr
8t ) S. 281. Wortspiel mit aXei(J.[Jiatiov (Salbe) und <xaa
tutraov (ein anderes Kleid).
") S 282 Dies ungereimte Dictum ist schon von Menagius
als Einschiebsel bezeichnet und seiner Herkunft nach erklärt
WOr M)"' s 28 2. Damit vgl. die Antwort des Thaies an seine
Mutter auf deren Wunsch, er möge sich verheiraten I 26.
5T ) S. 282. Nämlich zum Schutze.
58 ) S. 283. Im Griechischen wird mit den Worten axux 61 -«
und a5ixei? gespielt.
5B ) S. 283. Das würde man besser verstehen, wenn es
von den P a r t e i e n gesagt wäre.
* 4 ) S. 283. D. L hier: er peitschte die Oliven weg.
6I ) S. 283. Vgl. § 33. ; , ; ;
«*) S 284 Wortspiel mit xpotpr, und xatpirj. Sachlich Kann
entweder' die Zeit gemeint sein (Augenblick - Zukunft) oder
der Kostenpunkt (ein Begräbnis war eine kostspieligeSache).
340
Anmerkungen.
« 3 ) S. 284. Vgl. § 36.
64 ) S. 285. Vgl. II 68 die Begegnung des Aristipp und
II 102 die Begegnung des Theodoros mit Diogenes in Korinth.
65 ) S. 285. Der Kentaur Eurytion war es, der bei der
Hochzeit des Lapithen Peirithoos dessen Neuvermählte Hippo-
dameia entführen wollte, aber des Outen zu viel tat im Wein-
trinken. Od. 21, 295 ff. Im übrigen vgl. Diog. L. VI 51 zu dem
Wortspiel mit Cheiron.
° 6 ) S. 285. Vgl. § 33.
67 ) S. 285. „Hund" ward dem Diogenes wie den Kynikern
überhaupt zum Ehrennamen, ähnlich wie sich die Dominikaner
selbst als die Hunde des Herrn bezeichneten, die für ihren
Herrn bellen und kläffen. Vgl. § 61.
08 ) S. 286. Vgl. § 45.
e9 ) S. 286. Anspielung auf Bordelle.
70 ) S. 286. Der Griff, Xaß-q, ist im Griechischen auch das
Empfangen, der Anlaß des Nehmens, und dieser Anlaß ist eben
hier der Stein des Anstoßes.
71 ) S. 286. Cobet schreibt xotu.a für xo!.u.(3u.ai. Doch dürfte
s'xst sich wohl auf Diogenes beziehen, so daß Diogenes sagt:
„Jawohl, mein Mantel ist mir so viel wert, daß ich sogar
darauf schlafe." Doch kann vielleicht auch eine Obscönität
dahinter stecken.
T2 ) S. 287. Vgl. II 68. V 20. VI 86. Vgl. auch VI 65.
72a ) S. 287. Dieser anscheinend homerische Vers findet
sich nirgends in der Ilias. Wohl aber hat ihn Voß in seiner
Übersetzung an passender Stelle in der Patrokleia (XVI 91)
eingefügt und zwar eben aus dieser unserer Diogenesstelle.
78 ) S. 287. Vgl. VI 24. Er bezeichnet sich damit sehr
treffend als einen, der gegen den Strom schwimmt.
74 ) S. 288. Vgl. § 41.
75 ) S. 289. Vgl. Cic. pro Archia c. 7.
7e ) S. 289. D. i. „die Jungfrau schändest".
") S. 290. Das auv ^soi? kann aber auch heißen „zu-
sammen mit den Göttern (den Musen)", und diese Zweideutig-
keit ist hier wohl beabsichtigt.
7S ) S. 290. Vgl. § 46.
79 ) S. 290. Hier hat Reiske geholfen, der die Stelle sa
Sechstes Buch.
341
schreibt: ca\).azvArp TauTr ( v (ohne Interpunktion nach aojxa-
TOCqv) und dann cuvs^si für cuvs/st?.
80 ) S. 291. Vgl. § 37.
S1 ) S. 292. Ich folge, um eine dem Sinne entsprechende
Konstruktion zu bekommen, dem Vorschlage des Mericus
Casaubönus, der vcai. vor opcov streicht.
82 ) S. 293. stt' aütw für Ift' ayrov mit Reiske.
8S ) S. 293. Vgl. § 73.
S4 ) S. 294. Hier muß man für xotl sv-csiXaff^at entweder
schreiben wravr«£Xa<frai oder mit Cobet das x« streichen.
8B ) S. 294. Die Lesart ist nicht ganz sicher. Vgl. Gotting
a. a. 0. 271.
8e ) S. 295. Vgl. IX 57.
") S. 297. Vgl. VI 76.
88 ) S. 297. Parodie zu Od. 19, 172 ff. Vgl. Wachsmuth
Sillogr. p. 196 f. ,
«») S. 298. Schon Reiske hat das sxairov gestrichen, das
in den Handschriften noch neben ouxxocia steht. j
90 ) S. 299. Hier scheint hinter owo? ein coxsiro aus-
gefallen zu sein. Sein Haus war gewiß eines der stattlichsten
in Theben, also passend zu dessen Quartier. Andere helfen
anders.
91 ) S. 299. Vgl. VI 33.
92 ) S. 300. Das gehört also in seine üppige Jugendzeit.
8S ) S. 303. Das iv «pavspw braucht nicht gerade zu sein
„vor den Augen des Publikums",' sondern wie bei Goethe in dem
Gedicht „Die getreuen Gatten".
84 ) S. 304. Dieser Abschnitt gehört eigentlich zu dem
Kapitel über Krates, ist aber hierher geraten, wie dergleichen
Mißgriffe sich mehrfach bei Diogenes finden.
95 ) S. 304. Vgl. § 63.
") S. 306. Vgl. II 21.
97 ) S. 306. Aus des Euripides Antiope.
98 ) S. 307. Mit Reiske svioxs für svio£ ts.