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Full text of "Archaeologisch-epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich-Ungarn"

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THE  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


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ARCHAEOLOGISCH-EPIGRAPHISCHE 


MITTIf^^ILUNGEN 


AUS 


OESTERREICH-ÜNGARN 


HERAUSGEGEBEN 


0.  BKNiNDOKF  und  E.  BORMANN 


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DRUCK  UND  VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN 

1887 


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THE  J.  PAUL   aZTTY  MUGE'JM   LIBRARY 


INHALT 


Seite 
Bormanu  Etrurisches  aus  römischer  Zeit: 

1.  Der  Schriftsteller  Tarquitius  Priscus 94—103 

2.  Der  Städtebund  Etruriens 103—126 

Neugefundene  Inschriften : 

I.  Aus  Brigetio 85—87 

II.  Aus  Dalmatien 88—91 

Frankfurter  Neue    und    revidirte  Inschriften  aus  Ungarn,    Steiermark, 

Krain  und  Kärnten                    ,      .      .      .      .  71 — 85 

Gomperz  Grabepigramm  aus  Lydieu 188.     189 

Zu  griechischen  Inschriften 91 — 93 

Hauser,    v.   Domaszewski,    v.  Schneider    Ausgrabungen    in    Car- 

nuntum 1 — 18 

Klein  Studien  zur  griechischen  Malergeschichte: 

I.  Die  sikyonische  Schule 193 — 233 

Löwy  Antike  Sculpturen  auf  Faros 147 — 188 

Zur  Troilosschale  des  Euphronios 190 — 192 

Ortvay  Eine  angebliche  Binnenstrasse  in  Pannonien 129—140 

Mit  Nachtrag  von  Kubitschek .      .      .  140 — 146 

V.  Premerstein  Zu  einer  Gruppe  von  Inschriften  der  Augustalen   .      .  240 

K.  Schenkl  Grabepigramm  aus  Lesbos 93 

Tegläs  und  Kiraly  Neue  Inschriften  aus  Dacien 234 — 239 

Tocilescu  Neue  Inschriften  aus  der  Dobrudscha 19 — 70 


Ausgrabiiiigen  in  Cariiiiiitum 

(Tafel  I-IV) 


Die  Arbeiten  begannen  in  diesem  Jahre  mit  der  weiteren  Auf- 
deckung des  Lagers  und  setzten  dort  ein,  wo  sie  am  Schlüsse  der 
vorjährigen  Arbeitsperiode  unterbrochen  werden  mussten.  Von  der 
Ueberzeugung  geleitet,  dass  die  Aufdeckung  des  Lagers  vorerst  die 
wichtigste  Aufgabe  sei  und  dass  der  Erforschung  desselben  und 
Klarstellung  seiner  baulichen  Disposition  die  volle  Rücksicht  vor 
anderen  Arbeiten  zugewendet  werden  müsse,  hat  die  Leitung  auch 
in  diesem  Jahre  das  Schwergewicht  der  Thätigkeit  hierher  verlegt 
und  hier  gewissermassen  ihr  Hauptquartier  aufgeschlagen.  Die 
Bedenken ,  dass  unmittelbar  in  die  Augen  springende  Funderfolge 
vielleicht  im  Lager  am  wenigsten  zu  erwarten  seien,  ja  hier  viel- 
leicht in  letzter  Linie  jene  Schätze  zu  Tage  treten  dürften,  welche 
das  Interesse  an  den  Grabungen  in  die  weitesten  Kreise  zu  tragen 
geeignet  wären,  durften  für  eine  rein  wissenschaftliche  Erforschung 
der  Localität  am  wenigsten  bestimmend  werden.  Die  Arbeit  musste 
hier  ihre  Fortsetzung  finden ,  um  vorerst  den  Schleier  zu  heben, 
der  über  dem  Lager  und  dessen  erhaltene  Theile  gedeckt  ist,  und 
man  musste  sich  von  vorneherein  darauf  gefasst  machen,  dass  nicht 
jeder  Spatenstich  Neues  und  Interessantes  bringen  könne,  ja  selbst 
Wochen-  und  monatelange  Arbeit  erforderlich  sei,  um  in  einzelne 
Partien  der  Anlage  Klarheit  zu  bringen  und  endlich  in  die  Einsicht 
der  Gesammtanlage  zu  gelangen.  Schon  die  Grabungen  der  letzten 
Jahre  hatten  einzelne  grössere  Baucomplexc  und  Directionslinien 
für  die  Anlage  des  ganzen  Lagers  zu  Tage  befördert.  Um  diese 
grösseren,  in  abgeschlossener  Form  entgegentretenden  Baupartien, 
welche  zugleich  die  achsiale  Stellung  der  ganzen  Disposition  be. 
stimmen,  gruppiren  sich  eine  Unzahl  kleinerer  Räume,  die  nur  in 
ihrer  Gesammtfiguration .    nicht  im  Einzelnen ,    die  Vorstellung  der 

Arcbäologisch-epigraphische  Mittb.  XI.  ]_ 


Anlage  fördern  können.  Die  Aufdeckung  und  Klarstellung  muss 
jetzt  von  den  grossen  Räumen,  von  der  Mitte  des  Lagers  nach 
Aussen  gehen,  die  Auffindung  der  Lagerstrassen  und  Thore  diese 
Klarstellung  fördern.  Zum  Theil  ist  dies  auch  in  diesem  Jahre 
ermöglicht  gewesen.  Die  im  Berichte  von  1885  ausgesprochene 
Vermuthung,  dass  östlich  vom  Forum  eine  Strasse  in  südnördlicher 
Richtung  durch  das  Lager  laufe,  hat  ihre  volle  Bestätigung  gefunden. 
Die  Strasse  konnte  in  einer  Länge  von  60  Meter  vom  Forum  nach 
Süden  verfolgt  werden  und  war  durch  zwei  Reihen  Randsteine, 
die  im  Mittel  3-45  Meter  von  einander  entfernt  lagen,  gekennzeichnet. 
Allerdings  sind  nur  die  Randsteine  als  zwei  lange  hinlaufende 
Plattenreihen  erhalten,  während  zwischen  denselben  jede  Spur  von 
Steinpflasterung  fehlt. 

Im  Verfolge  der  Aufdeckung  an  der  Ostseite  des  Lagers 
stiessen  wir  wieder  auf  eine  Reihe  kleinerer  Räumlichkeiten,  deren 
Mauern  in  zum  Theil  sehr  zerstörtem  Zustande  waren  und  zwischen 
denen  Reste  von  Hypokausten  und  Wasserläufen  vertheilt  sind,  die 
aber,  weil  sichtlich  einer  argen  Verwüstung  ausgesetzt,  kein  deut- 
liches Bild  des  baulichen  Zusammenschlusses  geben  können.  An 
der  östlichsten  Grenze  der  diesjährigen  Grabung  wurde  ein  gewölbter 
Canal  von  l'TO  Meter  lichter  Breite  und  3-50  Meter  lichter  Höhe 
gefunden,  der  in  der  Richtung  der  Langachse  des  Lagers  gegen  die 
Donau  läuft  und  als  Abzugscanal  anzusehen  ist. 

Nachdem  nun  durch  fünf  Sommer  die  Aufdeckung  des  Lagers 
fortgesetzt  wurde  und  hierdurch  viele  Theile  desselben  blosgelegt 
waren,  schien  es  mir  wünschenswerth,  die  Resultate  dieser  Auf- 
deckungen zusammenzufassen  und  die  sämmtlichen  Pläne  zu  einem 
Plane  zu  vereinigen.  Der  Zweck  dieser  Vereinigung  ist,  einerseits 
ein  klares  Bild  des  bereits  Gewonnenen  zu  erhalten,  andererseits 
die  Aufgabe  zu  präcisiren,  welche  für  die  volle  Aufdeckung  des 
Lagers  noch  zu  erfüllen  ist.  Der  angeschlossene  Plan  Taf.  II  gibt 
die  Darstellung  des  Lagers,  soweit  seine  Disposition  bis  nun  erforscht 
wurde.  Die  Grabungen  fanden  durch  fünf  Jahre  statt  und  zwar 
in  den  Jahren  1877,  1878  und  1883  im  Auftrage  des  k.  k.  Mini- 
steriums für  Cultus  und  Unterricht  durch  die  k.  k.  Central -Com- 
mission  für  Kunst-  und  historische  Denkmale,. in  den  Jahren  1885 
und  1886  durch  den  Verein  Carnuntum.  Leider  war  es  mir,  als 
Leiter  der  sämmtlichen  Grabungscarapagnen,  nicht  immer  möglich, 
bei  der  Arbeit  schrittweise  vorzugehen,  da  die  längeren  Unt(M- 
brechungen  das  Wiedereinsetzen  der  Arbeit  an  der  Stelle  der  Unter- 


brechung  häufig  ausschlössen.  Es  rausste  dann  jeweih'g  zu  Beginn 
der  Arbeit  im  Mai  oder  Juni  auf  die  junge  Saat  Rücksicht  ge- 
nommen werden,  und  so  entstand  nur  allmälich  und  in  grösseren 
Aufdeckungspartien  das  Bild  der  Anlage,  das  sich  nun  wie  ein 
Mosaik  zusammenschliessen  muss. 

Der  ganze  bis  nun  aufgedeckte  Theil  des  Lagers  liegt  südlich 
von  der  von  Petronell  nach  Deutsch- Altenburg  führenden  Land- 
strasse, welche,  wie  sich  nun  deutlich  herausstellt,  nicht  unter  Be- 
nützung einer  Lagerstrasse  angelegt  wurde,  sondern  ohne  Rücksicht 
auf  die  römischen  Reste  im  schiefen  Winkel  zur  Lagerachse  durch 
das  Castrum  läuft. 

Der  grösste  Theil  der  Mittelpartie  des  Lagers  von  der  Porta 
decumana  bis  an  die  neue  Landstrasse  wurde  durch  die  Grabungen 
der  letzten  Jahre  aufgedeckt  und  tritt  im  beigeschlossenen  Plane 
ersichtlich  zu  Tage.  In  gerader  nördlicher  Richtung  von  dem  Süd- 
thore  aus,  der  Lagerachse  folgend,  gehen  wir,  den  Mauerzug  zur 
Rechten  lassend,  vorwärts.  Die  Grabung,  welche  hier  noch  aus- 
zuführen ist,  muss  Gewissheit  darüber  bringen,  ob  dieser  lange 
Bautrakt,  welcher  wohl  nach  Osten  weitere  Räume  und  Mauer- 
ansätze zeigt,  nach  Westen  vielleicht  aus  dem  Grunde  keine  er- 
kennen lässt,  weil  hier  die  Strasse  von  dem  Thore  direct  in  die 
Mitte  des  Lagers  führte.  Weiter  gegen  Norden  beherrschen  als 
wichtigste  Theile  der  ganzen  Anlage  zwei  grosse  Räume,  in  gleicher 
Achse  mit  der  Porta  decumana  und  dem  früheren  Mauerzuge  liegend, 
die  ganze  Disposition.  Die  jedenfalls  hofartigen  Räume  A  und  B 
bilden  die  Haupttheile  des  Lagers ,  um  welche  sich  jeweilig  eine 
ganze  Reihe  anderer  Räumlichkeiten  gruppiren.  Zwischen  den 
Räumen  A  und  B  lag  aber,  nach  den  Funden,  die  da  gemacht 
wurden,  zu  urtheilen,  der  bevorzugteste  Theil  des  Lagers. 

Bei  der  Beurtheilung  der  ganzen  Anlage  im  Plane  Taf.  II  muss 
man  die  Hauptlinien  und  Figurationen  der  Mauerzüge  ins  Auge 
fassen  und  dies  um  so  mehr,  als  sichtlich  hie  und  da  einzelne 
Mauerzüge  in  scheinbar  unerklärlicher  Weise  wie  zufällig  und  zum 
Ganzen  gar  nicht  gehörig  geführt  sind.  Bei  der  oft  sehr  bröck- 
lichen  Beschaffenheit  der  Bruchsteinmauern  ist  aber  auch  nicht 
immer  zu  constatiren  möglich,  ob  alle  diese  Fundamentmauern 
gleichzeitig,  ob  einige  einer  früheren  Anlage,  andere  vielleicht  spä- 
teren Veränderungen  angehören,  ja  selbst  ob  sie  die  Unterlage  für 
Wände   oder    nur   für  Gitterwerk  u.  dgl.  bilden.     Die    grossen    ge- 

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schlossenen  Linienzüge  der  Mauern  und  Räumlichkeiten  sind  dem- 
nach diejenigen,  an  welche  wir  uns  hauptsächlich  zu  halten  haben. 

Der  grosse  offene  Raum  A  ist  seinen  Dimensionen  und  seiner 
baulichen  Form  nach  der  hervorragendste  des  ganzen  Lagers.  Er 
kehrt  sich  mit  einer  monumentalen  Pfeiler-  und  Säulenstellung  nach 
einem  breiten  Vorräume  an  der  Südseite  und  steht  in  Bezug  zu 
Pfeilerstellungen  an  der  Süd-  und  Ostseite  und  einem  an  allen  vier 
Seiten  den  Raum  umgebenden  Umgange.  In  die  südwestliche  und 
südöstliche  Ecke  dieses  Umganges  ist  je  ein  kleiner  Raum  einge- 
baut', der  seiner  Ausstattung  und  den  daselbst  gefundenen  Objecteu 
nach  als  Lagerheiligthum  bezeichnet  wurde.  In  dem  Räume  (7  wurde 
eine  Ära  mit  reicher  Inschrift,  im  Räume  D  eine  Herkulesstatue 
gefunden*).  Zwischen  den  beiden  Räumen  befand  sich  der  offene 
weite  Vorraum  des  Forums  A  und  an  denselben  stiessen  gegen 
Süden  eine  Anzahl  Räume,  die  sich  durch  Grösse  und  Einrichtung 
auszeichnen.  Besondere  Beachtung  unter  diesen  fand  schon  der 
Raum  Ej  in  welchem  Fragmente  einer  Jupiterstatue,  eines  Local- 
genius  und  einer  Venus  und  Amorgruppe  gefunden  wurden.  Rechnet 
man  zu  diesen  Funden  noch  die  beiden  im  Jahre  1883  im  Vor- 
räume gefundenen  schönen  Statuen  und  hält  man  sich  die  ganze 
monumental  angelegte  Disposition  vor  Augen,  so  bleibt  kein  Zweifel 
über,  dass  hier  der  Mittelpunkt  des  Lagers  war  und  dass  wir  in 
den  besprochenen  Bauanlagen  das  Prätorium  mit  seinem  Forum 
erkennen  dürfen. 

Südlich  von  diesem  Baucomplexe  liegt  der  zweite,  in  seiner 
ganzen  Figuration  ebenfalls  geschlossene  Theil  des  Lagers.  Um 
den  offenen  Raum  B  gruppiren  sich  eine  Anzahl  keinerer  Räum- 
lichkeiten, welche  nach  einem  den  Hof  umgebenden  Umgang  münden. 
Ob  dieser  Umgang  nach  dem  Hofe  geschlossen  oder  wie  er  sonst 
geöffnet  war,  lässt  sich  nicht  mehr  bestimmen.  Der  Gesammtein- 
druck  dieses  Baucomplexes,  seinen  Dimensionen  und  seiner  Anord- 
nung nach,  ist  aber  der,  dass  er  dem  früheren  gegenüber  unter- 
geordnetere, weniger  monumentale  Bedeutung  hatte.  Darf  man  den 
früheren  Theil  des  Lagers  als  das  Prätorium  ansehen,  so  liegt  die 
Vermuthung  nahe,  dass  wir  es  hier  mit  dem  Quast orium  zu  thun 
haben. 


*)  Die  ausführliche  Besprechung  dieser  Räumlichkeiten  und  Funde  siehe  in 
den  .Jahresberichten  über  die  Grabungen  von  1883  und  188.''k  diese  Zeitschrift  VIII 
S.  65  ff.;  IX  S.  12  ff. 


Alle  bis  jetzt  westlich  und  östlich  vom  Forum  aufgedeckten 
Bauanlagen  haben  keine  solchen  Gruppirungen  ergeben ,  wie  die 
früheren ;  viele  und  kleine  Räume  sind  ziemlich  regellos  aneinander 
gefügt,  grössere  Höfe  fehlen  vollständig.  Die  ganze  rechts  vom 
Forum  blosgelegte  Anlage  ist  aber  durch  die  Strasse,  welche  von 
Süd  nach  Norden  läuft,  von  der  Mittelpartie  des  Lagers,  vom  Quä- 
storium  und  Prätorium  abgetrennt.  Die  Grenzen  des  Lagers  sind 
an  der  Westseite  durch  die  Bloslegung  eines  Theiles  der  Umfassungs- 
mauer, südlich  durch  den  Rest  der  Porta  decumana  gezogen,  lassen 
sich  aber  auch  in  der  Gesammtfiguration  des  Terrains  erkennen. 

Die  Zusammenstellung  der  bis  nun  im  Lager  aufgedeckten 
Theile  gibt  einen  Massstab  für  das,  was  hier  noch  zu  thun  übrig 
bleibt.  Bis  jetzt  wurde  im  Lager  eine  Fläche  von  40.800  Quadrat- 
meter aufgedeckt,  da  dasselbe  aber  eine  Ausdehnung  von  circa 
148.000  Quadratmeter  hat,  bleiben  noch  107.200  Quadratmeter  auf- 
zugraben und  zu  erforschen,  um  volle  Klarheit  über  die  ganze  An- 
lage zu  erhalten.  Noch  viel  ausgedehnter  ist  aber  das  ganze  Gebiet 
der  römischen  Ansiedelung,  das  zu  Carnuntutn  gerechnet  wird  und 
zunächst  Deutsch- Altenburg  und  Petronell  liegt,  das  Gebiet,  auf 
dem  durchweg  Ausgrabungen  gerechtfertigt  erscheinen,  um  mit  dem 
Lager  auch  das  Municipium  und  die  nächstliegenden  Strassenzüge, 
Gräber  und  Badeanlagen  kennen  zu  lernen.  Die  ganze,  an  Funden 
seit  vielen  Jahren  ergiebige  Ackerfläche,  von  Altenburg  bis  zum 
sog.  Heidenthor  bei  Petronell  und  von  der  Donau  herein  bis  zum 
Abfall  des  Plateaus  der  Ansiedlung  nach  der  Ebene  reichend,  ist 
das  Lager  inbegriffen,  circa  5  Kilometer  lang  und  2  Kilometer  breit 
und  demnach  3000  Hektar,  d.  i.  10  Millionen  Quadratmeter  gross. 

An  der  Hand  dieser  Zahlen  lässt  es  sich  leicht  erklären,  wie 
schwierig  es  ist,  ausserhalb  des  Lagers  jene  Stellen  aufzufinden, 
welche  eine  erfolgreiche  Thätigkeit  garantiren  und  wie  gross  die 
Aufgabe  ist,  einerseits  die  Angelpunkte  der  ganzen  Anlage  fest- 
zustellen, dann  aber  das  ganze  weite  Gebiet,  wenn  auch  nur  in 
diesen  wichtigsten  Theilen  bioszulegen. 

Gleicherzeit  mit  den  Grabungen  im  Lager  wurde  auch  die  im 
Jahre  1885  begonnene  Aufdeckung  des  Begräbnissplatzes  fortgesetzt. 
Auf  Taf.  HI  sind  die  gewonnenen  Resultate  verzeichnet.  Eine  An- 
zahl Mauerzüge,  nur  als  Fundamentmauern  erhalten,  wurde  blos- 
gelegt,  unter  diesen  eine  Räumlichkeit  mit  einem  absidialen  Ausbau 
und  mit  noch  zum  Theil  erhaltenem  Betonboden,  unter  dem  drei 
Rinnen  von   geringem  Querschnitte   hin  durchführen.     Die  Zahl  der 


gefundenen  Scarkophage  war  in  diesem  Jahre  eine  sehr  beträchtliche 
und  zwar  im  ganzen  70,  davon  41  aus  Stein  und  29  aus  Ziegel. 
Sie  lagen,  wie  die  im  vergangenen  Jahre  gefundenen,  sichtlich  ganz 
willkürlich  vertheilt  und  dürften  einer  späteren  Zeit  angehören,  als 
die  erhaltenen  Mauerreste.  Ein  grosser  Theil  der  übrigens  ganz 
schmucklosen  Gräber  war  schon  geöffnet  und  beraubt,  aber  auch 
die  geschlossen  gefundenen  enthielten  ausser  Knochen  oder  geringen 
Resten  von  Gewandung  nichts  von  Bedeutung. 

Von  dem  Bestreben  geleitet,  auch  in  Petronell,  wohin  bis  jetzt 
das  Municipium  Carnuntum  verlegt  wird,  eine  Sondirung  zu  ver- 
suchen, Hess  ich  mit  gütiger  Erlaubniss  des  Herrn  Grafen  Otto  v. 
Traun  auf  dem  Felde  unmittelbar  an  der  Ostseite  des  Marktes, 
landeinwärts  der  Strasse  nach  Altenburg,  an  der  Stelle,  die  unter 
dem  Namen  die  Petroneller  Burg  bekannt  iet,  eine  Grabung  vor- 
nehmen. Es  wurde  vorerst  mit  dem  Pfluge  eine  Streifung  unter- 
nommen und  es  zeigte  sich  dabei,  dass  die  tiefgestellte  Pflugschar 
allerwärts  auf  Mauerwerk  stiess.  Die  Arbeit  setzte  nun  an  einer 
Stelle  ein,  die  in  ihrer  grösseren  Erhebung  über  das  übrige  Niveau 
des  Ackers  ein  grösseres,  darunter  liegendes  Bauobject  vermutheu 
Hess.  Die  Erwartungen  gingen  durch  die  Aufdeckung  der  Fun- 
damentmauern eines  vollständig  begrenzten  Wohngebäudes  in  Er- 
füllung. Das  rechteckige  Gebäude  Taf.  IV  ist  22-20  zu  15-75  Meter 
gross  und  zeigt  in  seiner  Grundrissdisposition  zwölf  viereckige 
Räume,  die  sich  um  den  in  der  Mitte  angeordneten  Hof  gruppiren. 
Da  wir  es  auch  hier  nur  mit  Fundamentmauern  zu  thun  haben,  ist 
die  Lage  der  Eingangs-  und  Verbindungsthüren ,  wie  der  Fenster- 
öffnungen nicht  mehr  nachzuweisen.  Der  Hof  ist  mit  einem  Stein- 
pflaster versehen,  dürfte  also  ungedeckt  gewesen  sein,  in  den  Zim- 
mern sind  die  Böden  mit  einer  Art  Beton  überzogen,  der  aber,  so 
weit  er  erhalten,  als  Unterlage  einer  weiteren  Schichte  Mosaik  oder 
Terrazzo  zu  betrachten  ist.  Die  Mauern  sind  bis  O'öO  Meter  stark 
und  lassen  auf  ein  kaum  mehr  als  einstöckiges  Gebäude  schliessen, 
von  dessen  Aufbau  aber  kein  Stückchen  erhalten  ist.  Die  Anlage 
des  Hauses  ist  im  Allgemeinen  der  Anlage  des  antiken  Hauses  ver- 
wandt, ermangelt  aber  in  allen  Theilen,  wenn  man  nicht  die  beiden 
gangartigen  Räume  zur  Seite  des  Hofes  als  Alae  des  Atriums  an- 
sehen will,  der  ausgebildeten  Normalform  des  pompejanischen  Hauses. 
An  der  Westseite  des  Objectes  führte  die  Verfolgung  einer  Wasser- 
rinne auf  zwpi  isolirtc  rechteckige  Räume. 


Nachdem  diese  Arbeit  beendet  war,  wurde  noch  mit  der  hier 
l'reiwerdenden  Arbeitercolonue  eine  Sondirung  in  Deutsch-Altenburg 
zunächst  der  sogenannten  Mühlgartenmauer  vorgenommen.  Die 
Grabungsstelle  liegt  östlich  vom  Lager,  wo  das  Terrain  gegen  den 
PalfFygarten  abfällt.  Die  Grabung  konnte  hier  nur  begonnen,  aber 
in  Folge  des  bald  eingetretenen  Winters  nicht  zu  Ende  geführt 
werden.  Im  Ganzen  lässt  der  Charakter  der  hier  in  der  Erde  ver- 
borgenen Reste  ein  günstiges  Resultat  erwarten.  Die  Räume  treten 
durch  den  Umstand,  dass  die  Mauern  grösstentheils  noch  über  das 
Niveau  der  Schwellensteine  reichen,  deutlicher  in  ihrem  Zusammen- 
hange hervor,  die  Mauern  sind  solider  construirt  als  im  Lager  und  es 
mangelt  der  Aufschüttung  nicht  an  einer  Fülle  von  zu  den  Bauten 
gehörigen  Bruchstücken  und  Ziegeln.  Die  Zerstörungsschichte  ist  hier 
im  Ganzen  höher  und  unberührter  geblieben  als  im  Lager.  Auch 
die  grösseren  Dimensionen  und  die  Formen  der  Räume  stellen  für 
die  nächstjährige  Thätigkeit  hier  ein  dankbares  Gebiet  der  Forschung 
in  Aussicht. 

ALOIS  HAUSER 


II 

Inschriften 

1.  Ära  aus  Sandstein,  h.  0-69,  br.  036,  d.  026;  r.  der  Genius 
Centuriae,  1.  ein  Füllhorn.     Gef.  auf  der  Burg. 

DIS-  D  ABVS 
ET-  G  y  E  V  S 
L-    C  A.  V  E  N 
VICTOR 
5         O  PTIO • D  • 
•     D     - 

Dis   d(e)ahus   et    G{enio    centuriae)    eins   L.    Calven{tius)   Victor 
Optio  d{ono)  d(edit). 

2.  Ära  aus  Sandstein,  h.  0'66,  br.  0*35,  d.  0'37.    Gef.  auf  dem 
Gräberfelde. 

I     O     M 

S  A  C  RVM 

die  C  L  M  R  C  E  L 

sie  L  V  S  •  M  E  L 

5  _EG  Wiii 

V     S     L     M 


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3.  Ära  aus  Sandstein,  h.  0-60,  br.  0-28,  d.  0*12.   Gef.  auf  dem 

Gräberfelde. 

I  ■  O  -  M 

ü-  I VLI VS 
Q_y  A  R  T  V  S 
SACERVm 
5  S  -  L  •  L  •  M 

4.  Ära    aus    Sandstein,    h.  068,   br.  0'37,  d.  0-31.     Gef.    auf 

der  Burg.  » 

I       O       M 

H  E  L  1  O  P  O  L  I 

T  A  N  O 
LPOMPEIVS 
h        CAENEVS 
PR IN  C  E  PS 
LEGXnnCTW 
EX  VISO-V-S' 
•  L  •  M  -   • 

Die  Schrift  ist  bloss  mit  rother  Farbe  aufgemalt. 

5.  Ära  aus  Sandstein,  h.  0-34,  br.  0'20.  Gef.  auf  der  Johannis- 
breite  bei  Pctronell.     Jetzt  im  Schlosse  des  Grafen  Traun. 

S  1  L  V  A  N 
O  D  O  M  E 
ST  C  O  S 
M     B    V 

6.  Ära  aus  Sandstein,  h.  097,  br.  0'41,  d.  030.  Gef.  auf  dem 
Burgfeld. 

PRO    S  A  L  Xt 
ETRVSC ILL Ae 
AVGMATRIS 

CASTRORW 

Der  Rest  der  Inschrift,  5  Zeilen,  ist  cradirt. 

7.  Bruchstück  einer  Tafel  aus  Sandstein.    Gef.  in  der  Mülilau 
neben  der  Burg  von  Deutsch-Altenburg. 


Leg*a 


9 

Dieses  Bruchstück  rührt,  wie  der  Augenschein  lehrt,  von  einem 
dritten  Exemplar  der  bekannten  Bauinschrift  des  Lagers  her.  Und 
zwar  gibt  es  zum  ersten  Male  Reste  der  letzten  Zeile.  Die  Ergän- 
zungen, welche  Hirschfeld  Mitth.  V,  S.  216  vorgeschlagen,  werden 
bestätigt  und  gesichert.  Doch  scheint  die  Zeilenabtheilung  in  dem 
neuen  Exemplar  von  der  der  früher  bekannten  etwas  verschieden 
gewesen  zu  sein;  wenigstens  scheint  für  Valerio  in  der  drittletzten 
Zeile  kein  Raum: 

Festo  le]g.  [Aug.  pr.  pr. 

Q.  Egnat]io   C[ato  leg.  Aug. 

leg.  X[v  Apol. 

8.  Fragmentirte  Grabstele  mit  Giebel,  in  welchem  ein  Schild. 
H.  0-65,  br.  0-70,  d.  0-10.     Gef.  auf  dem  Gräberfeldc. 

C*  AI.j3IVS 

SAB  l// 

Rl/J 

9.  Fragmentirte  Grabstele,  h.  0-41,  br.  0-53.  Gcf.  auf  dem 
Gräberfclde. 


^- 

ANTONIE 

APIRIA  -    CELPJ 

y C  I  N  O ■ v/ 

L 

rCim-o 

LIBi 

U/ 

RTI 

d.]  m.  M.  Antoni[i  /.  /.  P]apiria  Cele[ris  T]icino  v[eter.]  hg.  Xllll 
</[em.]  M.  [F.]  Au.  .  .cns  [et]  Cit[us]  lib[e]7-ti  [/{aciendum)]  c{uraverunt) . 

Die  italische  Herkunft  eines  Veteranen  der  legio  XIlII  gemina 
aus  dem  Lager  von  Carnuntum  ist  bemerkenswerth.  Nach  Moramsens 
Ansicht  schloss  bereits  Vespasian  die  Italiker  vom  Legionsdienste 
aus  (Hermes  XIX  S.  20).  Mit  dieser  Annahme  steht  unsere  In- 
schrift im  Widerspruch.  Denn  die  14.  Legion  ist,  soweit  wir  sehen 
können,  erst  im  2.  Jahrhundert  nach  Pannonien  gekommen.  Dann 
aber  kann  dieser  Soldat,  der  hier  im  Lager  von  Carnuntum  seinen 


10 

Abschied  crliielt,  bei  der  damals  noch  zwanzig?) ähriscn  Dienstzeit 
nicht  vor  Vespasian  ins  Heer  getreten  sein.  Ueberhaupt  erscheint 
CS  wahrscheinlich,  dass  der  Ausschluss  der  Italilcer  vom  Legions- 
dienst im  Zusammenhange  steht  mit  der  Einführung  der  örtlichen 
Conscription  durch  Hadrian.  Vgl.  auch  meine  Bemerkungen  „die 
Fahnen  im  römischen  Heere"  S.  31  Anm.  1. 

10.  Grabstele  mit  Giebel,  h.  091,  br.  057,  Im  Tympanon  ein 
Schild  mit  zwei  Lanzen.  Gef.  auf  dem  Pfarracker  bei  Petroncll, 
jetzt  im  Schlosse  des  Grafen  Traun. 

C  •  A  VFIDI 
V  S-LFQyk 
SVRA  •  Do 
MO  ■  IBVl'O 
5  "'^TERANV 

[EG-XVAI'O 

Z.  3:  Das  o  ist  mit  d  ligirt. 
Z.    1:  Heupo  =  HeliopoUs? 

1 1 .  Tafel  aus  Kalkstein,  gef.  auf  dem  Gräberfelde. 


. ,  .  Lijccai  [fil{ius)]  Colap{ianus)  [mü{es)?]  cho(rtis)  1  Ulp{iae) 
[Pan{nonioruvi)]  an{norum)  VL  st(i)p[e7idiorum)  .  .  .  h[ic)  s(itus)  e{st) 
Prec[io?]   Ta. . .  , 

Liccaius  als  pannonischer  Name  bezeugt  in  der  Inschrift  C. 
I.  L.  III,  3224:  .  .  .  .  cemaes  Liccavi  /.  Amantinus;  vgl.  Mommsen 
z.  St.  Die  Colapiani  wohnen  nach  Plinius  n.  h.  3,  147  im  Thale 
der  Save.  Die  cohors  I  Ulpia  Pannoniorum  war,  soweit  wir  sehen 
können,  immer  in  Pannonia  superior  stationirt,  vgl.  C.  I.  L.  III 
p.  1152.  Precio  als  pannonischer  Name  auch  in  der  Inschrift  C. 
I.  L.  HI,  3400:  Perso  (?)  Precionis  /.  Scordisc{us)  Die  Ergänzung 
eines  peregrinen  Namens  wird  durch  den  Stil  unserer  Inschrift  nahe 
gelegt. 


11 

12.  Tafel  aus  Sandstein,   h.  039,  br.  043,  d.  0*12.     Gef.  auf 
der  Johannisbrcitc  bei  Petroncll,  jetzt  im  Schlosse  des  Grafen  Traun. 

T  I  T    V  L  V)  . 
N    I    M    E  N  t\ 
S  I  T  V-  EX-  CC 
COL  EGl  •  F A 
5  C  ■  £--- — 

.  .  .til:alu\ji  7/io]nivieid[l  po]säu(s)    ex  co\l{iata)  p{ccHnia)]   col{l)egi 
fa[b]\um)]  c{olonia(i)   C{aruunti)  .  .  . 

13.  Grabstele  gef.  in  Petronell;  bei  Grafen  Traun. 

L  •     C     L       1        t    e    r 

N  I  V  S  •   L  •  L  I  BJ  medicus 

VETER-    INARJ'VS-IL 

A  •       L       H    •  Sl         e 

5      CLITERNIAM  ///////  A 
P  ATRl-     SVO  ■    POSVIT 
aRBITRATV-  FLAVIA  E  SEC  uudac 
C  ONI  VGIS  •  EIVS-        ET-     j 
CLITERNI-PACATI-LlBERTl] 
10  EIVS  / 

14.  Grabstele   mit  leerem    Giebel,    h.  M4,  br.  062,  d.  0'25. 
Gef.   auf  dem  Gräberfelde. 

V  I  B  I  A   •    C   •    L 
C  I  T  H  E  R  I  S 

AN-    Xl-H-S-E- 
VIRCO  hIc  •  SEP  V  L 
b         TAFIDA  P  VE  1.  LA-  lA 
C  E  T    ANTE  Q_V  I  D  E  M 
TEMPVSFATAR  AP  VE 
RVNT-MALASCRIP  SI 
EGO     PERLACRIMAS 
10         MISERABILISMOR 
TEPVELLA  F_P__-_P 

Z.  4—11  sind  die  misslungenen  Verse  zu  beachten. 

15.  Tafel  aus  Sandstein,    gef.    in     der    Mühlau   bei  Deutsch- 
Altenburg.     Bei  Baron  LudwigstorfF. 


r2 


£1  A  L- 
^UPP-COR 

(O  VACH  AL- 

j 

Z.  1 :  Der  Mittelstrich  des  e  ist  nur  durch  die  Farbspuren 
erkennbar.  —  Z.  2  der  erste  Buchstabe  war  vielleicht  h.  —  Z.  2 
u.  3:  Vielleicht  tor[nicen  ex  coh.  n]ova  Chal{cidenorum). 

16.  Tafel  aus  Sandstein,  h.  047,  br.  0-36.  Gef.  auf  dem 
PfafFenberg. 


Von  einer  Ergänzung  dieser  schwer  zu  deutenden  Reste  habe 
ich  Abstand  genommen,  da  Baron  Ludwigstorff  am  Fundorte  Nach- 
grabungen veranstalten  wird.  Der  Pfaffenberg  ist  die  höchste  Spitze 
des  Hundsheimerberges.  Auf  diesem  beherrschenden  Punkte  hatten 
die  Römer  ein  Castell  errichtet,  in  welchem  zu  Zeiten  auch  eine 
Vexillation  der  14.  Legion  stationirt  gewesen  ist,  wie  bereits  die 
Inschrift  Eph.  epigr.  IV  n.  520  erkennen  Hess. 

17.  Tafel  aus  Sandstein,  gef.  auf  dem  Burgfelde;  bei  Baron 
Ludwigstorff. 

Schreitender  Stier 
in  einer  Aedicula 

L-    X   -   G  • 

p.p. 

Die  Münzen  des  Gallienus  (vgl.  „Die  Fahnen  im  römischen 
Heere"  S.  55)  zeigen  den  Stier  als  Fahnenthier  der  legio  X  gemina. 
Die  religiöse  Verehrung  der  Signa  erstreckte  sich  auch  auf  diese 
Thiere  und  sie  findet  ihren  Ausdruck  in  diesem  von  der  gesammten 
Legion  errichteten  Votivrelief. 

A.  V.  DOMASZEWSKI 


13 

III 
Bildwerke 

1.  Tanzende  Mänade,  Statuette  aus  Marmor.  Es  fehlen  der 
Kopf,  die  Arme  von  den  Schultern  an,  die  untere  Hälfte  des  linken 
Unterschenkels  mit  dem  Fusse,  der  rechte  Fuss  mit  der  Fusswurzel 
und  Theile  des  Gewandes.  Das  übrig  gebliebene  Stück  {0"53  hoch) 
ist  quer  von  der  linken  Brust  bis  zur  rechten  Hüfte  entzwei- 
gebrochen ,  überdies  an  der  Brust ,  den  Gewandsäumen  und  auch 
sonst  bestossen.  Die  Ergänzung  des  Fehlenden  ist  nicht  mit  voll- 
kommener Sicherheit  zu  bestimmen.  Die  gesenkte  linke  Hand 
muss    das    Gewand,    welches    in    der    leidenschaftlichen    Hast    des 


Tanzes  der  Mänade  zu  entgleiten  droht,  an  einem  Zipfel  ergriffen 
haben.  Einen  anderen  hielt  vielleicht  auch  die  rechte,  doch  ist 
es  möglich,  dass  der  Mantel  über  den  rechten  Vorderarm  geworfen 
war,  und  dass  die  erhobene  rechte  Hand  den  Thyrsos  oder  das 
Tamburin  geschwungen  hat.  Man  vergleiche  die  Mänade  der  borghesi- 
schen  Vase  Clarac  131,  143  rechts  oben,  und  eine  andere  auf  einem 


14 


albanischen  Reliefe  Zoega  hassiril.  ant.  II  82.  Der  fast  völlig 
entblösste  Körper  ist  von  schlankem  Wüchse,  die  Hüfte  breit 
und  die  Beine  kräftig.  Aehnlichen  tanzenden  Gestalten  begegnet 
man  öfter  unter  den  römischen  Denkmälern  der  österreichischen 
Länder,  so  auf  drei  Reliefs  im  Schlosse  Seckau  bei  Leibnitz  in 
Steiermark,  an  den  Schmalseiten  des  „Prangers"  in  Pettau  (Conze, 
römische  Bildwerke  einheimischen  Fundorts  in  Oesterreich,  Taf.  VI), 
auf  einem  Reliefe  zu  Tiffen  in  Kärnten  ,  auf  einem  nur  aus  Zeich- 
nungen des  Boissard  und  eines  Augsburger  Codex  bekannten  Votiv- 
steine  aus  Feistritz  (Corpus  Inscr.  lat.  5307)  u.  s.  w.  Sie  beruhen 
auf  hellenistischen  Vorbildern  und  gehören  zu  den  charakteristi- 
schen Motiven  der  provinciellen  Kunsttibung.  Die  Statuette  aus 
Carnuntum  fügt  sich  als  das  erste  unserem  Boden  entstammende 
Rundbild  in  diese  Reihe  ein.  Ihre  Arbeit  ist  von  handwerksraässiger 
Tüchtigkeit. 

2.  Fragment  eines  Grabsteins,  links  und  unten  gebrochen, 
0-39  hoch,  0'62  breit.  Erhalten  ist  ein  Stück  der  runden  Nische, 
rechts  in  ihr  der  Kopf  eines  Mannes  mit  kurz  geschorenem  Haupt- 
haare, ausserfialb  derselben  ein  Delphin.  Das  Ganze  ist  von  einem 
Giebel  bekrönt,  in  dem  noch  Spuren  rother  Bemalung  sichtbar  sind. 

3.  4.  Die  wichtigsten  Funde  der  vorjährigen  Ausgrabung  sind 
Bruchstücke  zweier  Reliefs.     Sie  zeigen  analoge  Darstellungen  von 


O-flh 


symnu'triscli<M-  Anordnung,  so  dass  sicli   aus  der  vorlumdenen  einen 
Hälfte  die  verlorone  andre  wenigstens  im  W^eseutlichen  herstellen  lässt. 


15 

Das  erstere  aus  Marmor,  links  und  unten  gebrochen,  0*085  hoch 
und  0126  breit,  zeigt  eine  aufrecht  stehende  verschleierte  weibliche 
Figur,  zu  welcher  jederseits  ein  Reiter  in  phrygischer  Tracht  heran- 
tritt. Die  Pferde  scheinen  aus  zwei  von  der  Frau  ihnen  vorge- 
haltenen Gefässen  von  der  Form  kleiner  Truhen  zu  fressen.  Hinter 
dem  vollständig  erhaltenen  Reiter  rechts  schwebt  eine  Victoria  mit 
Kranz  und  Palmenzweig.  Ueber  beiden  Reitern  ist  je  eine  Schlange 
angebracht  und  hinter  derselben  ragt  eine  zepterähnHche  Stange 
empor;  es  ist  nicht  zu  entscheiden,  ob  dieselbe  von  ihnen  gehalten 
oder  frei  in  die  Erde  eingepflanzt  zu  denken  ist.  Ueber  der  mitt- 
leren Figur  sieht  man  drei  Büsten  und  über  der  Schlange  rechts  eine 
vierte,  der  ohne  Zweifel  auf  der  anderen  Seite  eine  fünfte  entsprochen 
hat.  In  den  ersteren  sind  wohl  die  capitolinischen  Götter,  in  den 
letzteren  Helios  und  Selene  zu  erkennen;  bei  der  rohen  Ausführung 
des  Reliefs  ist  eine  nähere  Kennzeichnung  derselben  nicht  zu  erwarten. 

Das  andre  Relief,  0-076  hoch,  0072  breit,  ist  in  Kupfer  ge- 
trieben und  war  gleich  der  dem  Zeus  Dolichenos  geweihten  drei- 
eckigen Platte  aus  Traismauer  (jetzt  im  Antikenkabinet)  mit  einer 
dünnen  Schichte  aus  Silber  belegt.  Hier  steht  die  weibliche  Figur 
in  der  Mitte  etwas  höher  als  die  Reiter  und  hält  ein  zum  Schurze 


o     oy . 


•^ 


ml 


r^  «^^  ^ 


aufgenommenes  Gewand  vor  sich.  Der  Reiter  zur  Linken  ist  voll- 
ständig erhalten  und  mit  phrygischer  Mütze  und  im  Winde  flat- 
terndem Mäntelchen  bekleidet.  Ihm  folgt  zu  Fuss  in  gleicher  Tracht 
ein  Mann  mit  einer  Lanze.  Darüber  ist  die  Schlange  sichtbar, 
diesmal  deutlich  mit  einem  Kamm  und  bärtig.  Die  Zwischenräume 
sind  mit  Sternen  besäet.  Das  Relief  scheint  auf  Blei  getrieben 
worden  zu  sein  und  ist  nur  flüchtig  ciselirt  worden;  die  Formen 
sind  sehr  stumpf  und  zum  Theil  undeutlich. 


16 

Ihrem  Schema  nach  entsprechen  diese  Darstellungen  den 
Votivreliefs  der  Dioscuren  aus  Sparta,  Stobi  (Makedonien)  und 
anderen  Orten.  Aucii  sind  in  den  Reitern  rechts  und  links  von 
der  weiblichen  Figur  diese  Heroen,  welche  in  den  Vorstellungen 
des  späten  Alterthums  begrifflich  und  bildlich  mit  den  samothraki- 
schen  Kabiren  sich  deckten,  zu  erkennen.  Schwerer  ist  es,  die 
Erklärung  für  die  weibliche  Gottheit  zu  finden.  Im  zuerst  beschrie- 
benen Relief  füttert  sie  die  Pferde  und  muss  deshalb  in  diesem 
Falle  als  deren  Schutzgöttin  Epona  gelten.  Ob  aber  diese  Deutung 
auch  für  das  zweite  Relief  und  die  zahlreichen  analogen  Darstel- 
lungen, welche  in  Aquincum  und;  Brigetio,  Siscia  und  Siebenbürgen 
zum  Vorschein  gekommen  sind,  bindend  sei,  könnte  nur  auf  Grund 
einer  eingehenden  Untersuchung  dieser  Monumente  entschieden 
werden.  Es  ist  möglich,  dass  beide  Reliefs  aus  Carnuntum  sich 
noch  ein  gutes  Stück  nach  unten  fortgesetzt  und  mancherlei  sym- 
bolisches Beiwerk  enthalten  haben.  Ich  behalte  mir  vor,  auf  diese 
merkwürdigen  Denkmäler,  welche  für  den  Synkretismus  der  antiken 
Religionen  von  hohem  Interesse  sind,  an  anderer  Stelle  zurück- 
zukommen. 

5.  Fragment  aus  Elfenbein,  0-125  lang,  0-04  hoch,  O'OOS  dick, 
mehrfach  zersprungen   und  zum  Theile  auseinander  gespalten.     Es 


junnnncr 


--^^S..^ 


zeigt  auf  beiden  Seiten  Reliefs:    vorne   eine  mit  einem  Diadem  be- 
krönte weibliche  Büste  (wohl  Aphrodite)    und   ihr  zugewandt,    be- 


17 

quem  auf  dem  Boden  hingelagert,  Eros  mit  der  Kithara;  hinten 
eine  ähnliche  Büste,  daneben  den  Rest  eines  Flügels  und  den  kleinen 
Eros,  wie  er  mit  Schild  und  Speer  gegen  ein  Kaninchen  losstürmt, 
das  den  Angriff  erwartet.  Zur  Sache  vergl.  Mon.  ined.  IV  39  und  die 
verwandten  Darstellungen.  Die  Form  des  Bruchstückes,  sowie  der 
Umstand,  dass  es  auf  beiden  Seiten  mit  Darstellungen  verziert  ist, 
legt  den  Gedanken  nahe,  dass  dasselbe  als  Seitenlehne  einem  kleinen 
Thronstuhle  angehört  hat.  Am  oberen  Rande  bemerkt  man  die 
Reste  eines  Pantherkopfes  mit  heraushängender  Zunge. 

6.  Eine  ähnliche  Bestimmung  dürfte  auch  einem  aus  Elfenbein 
geschnittenen  Panther  (0*068  lang)  zuzusprechen  sein.  Derselbe 
hält  zwischen  seinen  Vordertatzen  einen  Widderkopf.  Das  Oehr 
in    dem    zur   Einfügung   zugerichteten  Ansätze   hinten,    sowie    eine 


:  66... 


tiefe  Furche,  die  längs  seines  Leibes  unten  angebracht  ist,  deuten 
auf  die  ornamentale  Verwendung  des  Figürchens  etwa  an  der 
Seitenwange  einer  kleinen  Kathedra. 

7.  8.  Zwei  Lampen  mit  Gladiatoren.     Auf  der  einen  ein  Gla- 
diator aufrecht  stehend  mit  viereckigem  Schilde,  gesenktem  kurzem 


(i^4*äfl*4<-:-''iVi'*lv^ 


Schwerte  und  über  das  Gesicht  gezogenem  Visirhelme,  zum  Angriffe 
bereit.  Um  die  Hüften  trägt  er  das  Subligaculum  und  den  Balteus ; 
seine  Unterschenkel  sind  mit  Riemen  umwickelt.    Auf  der  anderen 

Arcliäologiscli-epigniphische  Mitth.   XI.  o 


18 

Lampe  ist  ein  Gladiator  abgebildet,  der  sich  auf  ein  Knie  nieder- 
gelassen hat.  Er  trägt  in  der  Linken  eine  Parma,  auf  dem  Haupte 
einen  Helm  mit  Crista  und  zwei  im  Winde  flatternden  Bändern, 
um  die  Hüfte  einen  seitlich  hinaufgezogenen  Schurz  und  an  den 
Beinen  Ocreae.  Die  Waffe,  welche  er  in  der  mit  Riemengeflecht 
bewehrten  Rechten  führt  und  nach  der  sich  vielleicht  die  Gattung, 
der  er  angehört,  bestimmen  Hesse,  ist  nicht  sichtbar.  Der  Gladiator 
war  möglicherweise  im  Kampfe  mit  einem  Thiere  dargestellt,  für 
welches  auf  dem  abgebrochenen  Theile  der  Lampe  noch  Raum  war. 

9.  Ausserhalb  des  Ausgrabungsfeldes  wurde  im  Laufe  des 
letzten  Jahres  ein  Carneol  mit  dem  vertieft  geschnittenen  Bilde  des 
Kaisers  Antoninus  Pius  gefunden,  den  Freiherr  v.  Ludwigstorff"  für 
die  Sammlung  in  seinem  Schlosse  erworben  hat.  Der  Stein  ist  von 
dunkler  honiggelber  Farbe;  wenn  auch  stellenweise  abgesplittert, 
hat  sich  das  Porträt  auf  ihm  glücklicherweise  fast  unversehrt  erhalten. 
In  der  feinen  und  sorgfältigen  Ausführung  dürfte  dasselbe  die 
meisten  in  Stein  geschnittenen  Köpfe  dieses  Kaisers  (Wiener  Samm- 
lung n.  822.  823;  Berliner  V  175;  Neapler,  Visconti  iconogr.  vom. 
pl.  39  Fig.  4;  Lippert  H  734.  736.  739)  übertrefl'en.  Antoninus 
Pius  mit  dem  Paludamentum  und  dem  Lorbeerkranze  im  Haar,  ist 
hier  den  Stirnfalten  und  den  etwas  eingefallenen  Wangen  nach  in 
seinen  älteren  Jahren  dargestellt,  und,  wie  die  Vergleichung  mit  den 
Münzen  lehrt,  einigermassen  idealisirt.  Tafel  I  gibt  unter  1  den 
Intaglio  in  wirklicher  Grösse,  unter  2  die  Münze  (Cohen  687),  deren 
Aufschrift  „r^o?  Quadis  datus''^  nebst  der  in  Rom  gefundenen  Grab- 
schrift  eines  in  Carnuntum  verstorbenen  Beamten  seines  Hofstaates 
(Wilmanns  n.  256  -^  C.  L  L.  VI  8878)  auf  des  Kaisers  Anwesenheit 
in  dieser  Stadt  schliessen  lässt  (vgl.  Arch.  -  epigr.  Mitth.  X  S.  16 
=  Jahresbericht  des  Vereines  „Carnuntum"  1885  S.  23),  unter  3 
eine  Goldmünze  desselben  aus  dem  Jahre  154  (Cohen  312)  und 
unter  4  eine  andere  aus  dem  Jahre  159  (Av. :  antoninvs  avg-pivs 
p- p-TR- p- XXII  -  =  Cohen  llOl  —  Rev.:  vota  svscepta  dec  •  iii  cos- im 
=  Cohen  1120,  Darstellung  ^^  Cohen  1095).  Die  Münzen  sind  der 
kaiserlichen  Sammlung  entnommen. 

ROBERT  V.  SCHNEIDER 


19 


Neue  Inschriften  aus  der  Dobrudscha 

(Vgl.  Jahrgang  VI  S,  1  ff.,  VIII  S.  1  ff.) 


I.  Recka  (mtmicipium,  später  colonia  Romula). 

1.  Tafel  aus  Sandstein,  h.  0-9,  br.  1-08,  d.  0-25,  gefunden  im 
Herbste  des  Jahres  1884  in  den  Ruinen  nächst  dem  Dorfe  Recka, 
unweit  von  Carakal  (Distrikt  Romanatzi),  unmittelbar  am  Stadt- 
thore  des  alten  Romula.  Es  ist  die  Bauinschrift  der  römischen 
Festung.  Die  -Herren  Dr  v.  Domaszewski  und  Dr  C.  Schuchhardt 
haben  auf  ihrer  Reise  im  Sommer  vorigen  Jahres  diesen  Stein  im 
Hofe  des  Dorfpfarrers  aufgefunden.  Heute  befindet  sich  das  Denk- 
mal im  Nationalmuseum  zu  Bukarest. 

Obgleich  die  Inschrift  sehr  verwittert  ist,  besonders  in  den 
ersten  neun  Zeilen,  so  glauben  wir  doch,  sie  mit  Erfolg  und  voller 
Sicherheit  entziffert  zu  haben.  Wir  erfahren  durch  dieselbe  die 
Zugehörigkeit  jener  Ruinen  bei  Recka,  die  von  den  Einwohnern 
Antina  (für  Antonina)  genannt  werden.  Hier  lag  danach  Ro- 
mula, im  Zeitalter  des  M.  Aurel  und  L.  Verus  ein  Municipium 
(C.  L  L.  HI  753),  unter  Philippus,  nach  dem  Zeugnisse  unserer 
Inschrift,  Colonie.  Das  Denkmal  ist  vom  Jahre  248,  nach  dem 
Siege  Philippus  des  Vaters  über  das  dakische  Volk  der  Carpen, 
die  fortwährend  die  Provinz  beunruhigten.  In  dem  Kriege  hatte 
sich  die  Noth wendigkeit  ergeben,  einen  Mauerring  zu  errichten. 
Unter  den  Soldaten,  die  den  Bau  ausführten,  ist  wahrscheinlich  der 
nuvierus  Syrorum  sagütariorum  zu  verstehen,  der  sich  in  dieser 
Epoche  daselbst  befand  (C.  I.  L.  III,  1593;  diese  Zeitschrift  VIII 
S.  34). 

Der  Text  der  Inschrift  wurde  von  Herrn  Dr.  v.  Domaszewski 
und  mir  gemeinschaftlich  festgestellt. 


IMP  CAE«^  «lR-MiVL 
PVS  U  /    1     LIX'I     Jl     T\ 

/-^  I  R  t  Vr  TVCSn 

ETMIVLP      ILiPP  VMI 

OiIMPCal         O  INCEPS 

IVVENl-rliarillVahl       I 

avcetmotaciliasev'era 
sanctissimaavc  n    esti 

2* 


20 


TvTO«.  ESv^.vDiS      wlIVS 
10  OBTVTELAMCIVIT€L®IÄSVt 

R0MVLCIRCVIT\MMVRIMANV 
MILITARI   A   SOLOFECERVNT 

Imp.  Caesar  M.  Iul{ius)  [Phil{p]pus  Piu[s]  F[e]lix  i'nvi[c]tu[s 
A]ug(ustus)  t7H[biutncia)]  pot{estate)  V  c[o]s.  I[I]I  [p{ater)  piatriae) 
l.iroco{n)s{iil)\  et  M.  Iul(ius)  P\^h]ilipp[iis  i]u7iior  imp{erator)  c[6]s.  I[I 
pr]o[cos.  p7]mceps  iuvenfutis  p{ater)  p(afriae)  Pius  Fe\I\i\pc\  Aug{ustus) 
et  M{arcia)  Otacilia  Severa  sanctissima  Aug(usta)  n{pstrd)  {i-^estitutores 
orbis  [t]otius  ob  tutelam  civit{atis)  coloniae  suae  Rom,nl{ae)  circuitum 
niuri  manu  militari  a  solo  fecerunt. 

2.  Basis  aus  gewöhnlichem  Stein  mit  den  Resten  weiblicher 
Füsse  (einer  Diana)  und  den  unteren  Theilen  eines  Hundes;  h.  032, 
br.  0*25,  d.  0*1 .  Gef.  in  Recka,  jetzt  in  meinem  Besitz.  (Weniger 
genau  C.  I.  L.  III,  1588). 

sie        D  I A  ^E  E  E  T  a| 

Qs ton vk® 

NAPROSM  "Et^ 
F  I  L  I  O  RM  S    . 

Dian{a)e    Capito    JI  vir   co\l.    et~\    na  p'o    sahit*' 

e[t  redifn?]  ßliorum  s[uorum. 

II.  Platra. 

3.  Ziegel ,  gef.  in  Piatra  (der  ersten  Eisenbahnstation  von 
Slatina  nach  Virciorova),  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

OHI  ICOM 

c\oh{ors)  II  Com(magenorum), 

Denselben  Stempel  hat  ein  anderer  Ziegel,  gef.  in  Recka,  jetzt 
in  Bukarest  im  Besitze  des  Majors  Papazoglu. 

III.  Turn-Severin  (Drobetae). 

4.  Ära  aus  gewöhnlichem  Stein,  gefunden  zu  Turnul-Severin, 
befindet  sich  daselbst  im  öffentlichen  Garten.  H.  074,  br.  007, 
d.  062. 


21 

M  D  M 
A  B  V  C(EA 
C  L  A  V  D  I 

ANA 
V    S    L    M 

Z.  1 :   M(atri)  d(euTn)  m{agnae). 

IV.  Afumatzi. 

5.  Gewöhnlicher  Stein,  h.  1*90,  br.  0-80.  Gef.  im  Dorfe  Afu- 
matzi (Distrikt  Dolj),  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Die  Inschrift, 
von  Guirlanden  umgeben,  ist  ziemlich  verwischt. 

D  JW 

C  Q_V  I  N  T  I  N 
I  V  S  VICTOR 
IVNIORVIXT 
5         ANN  I  SVIII  PO 
S  V  I  T  C  Q_V  I  N 
TINIVS  VIC 
TORPATER 
F  ILIO  CARO 

d.  m.  C.  Quintinius  Victor  iunior ,  vixit  annis  VIII;  posuit  C 
Quintimus  Victor  pater  filio  caro. 

V.  Ghighen  {Oescus). 

6.  Ära  aus  weissem  Marmor,  gefunden  zu  Ghighen;  befindet 
sich  jetzt  in  Nicopolis  im  öffentlichen  Garten.  H.  11,  br.  0*51, 
d.  0-51.  (Weniger  genau  C.  I.  L.  III  6127.) 

D  *  I  *  M  * 
M  *  TITI  VS  * 
M  A  X  I  M  V  S  * 
n  VIRALI  S  * 
5  COL*  VO  TO 
LIBEN  S     PO 

SV1T*SCR<!>AELIAN* 

Z.  7  scr{ipsit)  AeUan{us) ,  wie  schon  im  Index  des  Corpus 
p.   1196  angenommen  ist. 


^ 


7.  Ära  aus  gewöhnlichem  Stein,  gef.  zu  Ghighen;  jetzt  im 
öffentlichen  Garten  zu  Nicopolis.  H.  0-82,  br.  0-43,  d.  0-4.  (Weniger 
genau  C.  I.  L.  III,  6128.) 


Z.  4  vielleicht  pfater),  s{acerdos)-^  vgl.  den  pater  et  sacerdos 
huius  loci  in  der  wohl  mithräischen  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  738. 

VI.   Rustschuk   {Sexanta  Frista). 

8.  Tafel  aus  Marmor,  h.  0'22,  br.  0-22,  d.  0-02,  mit  der  Dar- 
stellung des  sogenannten  thrakischen  Reiters,  Gef.  zu  Rustschuk 
im  Hause  des  Herrn  Ivanof. 

HERONI 

^MARQIAVVS  LECTl  VOT  SOL 

In  Zeile  2  scheint  es  zweifelhaft,  ob  zwischen  mar  und  avvs 
man  qi  oder  o  mit  einem  als  Interpunction  dienenden  Blatte  zu 
erkennen  hat. 

VII.  Si§tOV   {Nwae). 

9.  Gewöhnlicher  Stein,  h.  120,  br.  0'71.  Gef.  zu  Sistov,  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest.  Oben  eine  Aedicula  mit  zwei  Büsten 
(Frau  und  Mann),  unten  ein  Stuhl  und  ein  Tisch  mit  Speisen  (Dar- 
stellung des  Todtenmahles). 

I   V  L   I   V   S 
1  ERO  NEG 

//lAT/-- 

vixanlx 

Z.  1.  2  wohl  lulius  {H)iero  neg{otiator) .  —  Die  Lesung  von 
Z.  3  ist  noch  nicht  gelungen. 


23 

VIII.  Silistria  {Durostorum). 
10.  Grabschrift  aus  Kalkstein;  sammt  den  folgenden  drei  bei 
der    Niederreissung    der    Festungsmauern    von    Silistria    gefunden. 
H.  0-55,  br.  06,  d.  0-18. 


CTTtTl  V  S    A  Q_V  E  k 
CORN  •  T  RIB  •  LE<» 

-XI-    C  L  - 
Q_-     CARMATVS 
5      FELIX-    PATRO 
MO^-    B  E  N  E    -ME 

Etwa  [Q.  Carmaeus]  Lae[t]us  A(quis)  Quer  {quer  nie)  (?),  c&rn(i- 
cularius)  trib(un{)  leg{ionis)  XI  Cl{audiae) ;  Q.  Carma[e\us  Felix 
patrono  bene  me[re7iti  j^osuit]. 

11.  Tafel  aus  Kalkstein,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  H.  0'85, 
br.  0*71,  d.  0*14.  lieber  der  Inschrift  soll  ein  Ornament  oder  eine 
Sculptur  angebracht  gewesen  sein ;  leider  wurde  der  Stein  oben 
und  unten  abgeschnitten,  um  als  Baustein  zu  dienen.  Die  Inschrift 
ist  von  einem  einfachen  Rahmen  umschlossen.  Die  Form  der  Buch- 
staben weist  auf  das  3.  Jahrhundert. 

D  M 

VALERIO ■ MARCO 

M  I  L   •   LEG   •    XI  -  CL • 0 ■  V I 

X  I  T  •   A  ^N  •  XLV  ■    S  T  P 
.5  XXVI-      AVRELIA 

FAVSTINA-CONIVX 

ETffiReS  VNACV« 

VALERIIS     -    DECIBALM 

"E   -    SEICIPERE   -'E-MAMv 
10         TZIM-'EMACARIA- 

■E-MATIDIA-FILIIS 

SVIS-MARITO-    PIEN 

Xa_g_g_  IM       <s  R_B,_V  I    C   R_V_M 

Das  kleine  m  am  Schluss  von  Z.  8  soll  vielleicht  eine  Ligatur 
von  V  und  m  sein. 

Von  den  barbarischen  Namen  dieser  Inschrift  ist  Decihalus 
aus  der  Literatur  und  aus  Inschriften  (z.  B.  C.  I.  L.  III,  4150;  VII,  866 
=  539)  bekannt;  Seiciper  und  Mamutzis  erscheinen  hier  wohl  zum 
ersten  Mal. 


24 


12.  Tafel  aus  Stein. 


Ä/iAEIRENEO 
TANNIS  ■   LV  •  CAT 

RVS    -VECTIG 
y  IL-  STAT-DVRO  S 

5  |rarissimo 

Die  am  linken  Rande  hinzugefügten  schiefen  Buchstaben  sind 
der  Copie  eines  Romanen  aus  Silistria  entnommen. 

Vale?]riae  Irene  [quae  vixi]t  annis  LV  Cat rus  vectig(aUs) 

[lllyrici]  vil{icus)  stat{ionis)  Duros[tori ]  rarissimo   .... 

13.  Fragment  eines  Cippus  aus  weissem  Marmor  mit  schönen 
Buchstaben.  Von  mir  auf  dem  Friedhof  in  der  Nähe  der  Stadt 
gefunden. 

Imagi*^  "// 

14.  Die  Inschrift  aus  Silistria  (diese  Zeitschrift  VI  S.  3)  be- 
findet sich  jetzt  im  Museum   zu  Bukarest.     Z.  6   ist  zu  lesen  leg. 

IX.  Oltina  (Kreis  Silistra-Nova) . 

15.  Am  20.  März  v.  J.  waren  zwei  rumänische  Bauern  des 
Dorfes  Oltina,  im  Bezirke  Constantza,  mit  der  Grabung  eines 
Wasserablaufs  in  der  Nähe  des  Teiches  Oltina  beschäftigt.  Wäh- 
rend sie  die  Erde  aushoben,  stiessen  sie  mit  dem  Spaten,  in  einer 
Tiefe  von  etwa  0*3  M. ,  auf  eine  beschriebene  Bronzetafel,  welche 
sogleich  ins  Administrationsami  Ostrow  getragen  wurde.  Als  ich 
dies  erfuhr ,  ging  ich  eiHgst  dorthin ,  um  dem  Funde  nachzu- 
forschen. Ich  erweiterte  die  Spalte,  in  der  die  Tafel  gefunden  war, 
bis  auf  eine  Länge  von  8  M.  und  eine  Breite  von  2  M.  Bei  03  M. 
Tiefe  konnte  man  leicht  einen  Steg  bemerken,  und  aus  der  Ver- 
tiefung dieses  Stegs  wurden  Cementstücke ,  dünnere  und  dickere 
Topfscherben,  Henkel,  verkalkte  Knochen,  gebrannter  Thon  heraus- 
geholt, auch  waren  Reste  von  zwei  Oefen  noch  sichtbar,  nämlich 
das  obere  Gewölbe,  aus  Cement,  Ziegeln  und  Thon  geformt. 

Diese  Tafel  befindet  sich  jetzt  in  unserem  Nationalmuseum. 
Sie  ist  die  erste  von  den  zwei  Tafeln  eines  Militärdiploms.  Die 
Schrift  der  inneren  Seite  ist  nachlässig;  der  Wortlaut  ist  auf  beiden 
Seiten  der  gleiche,  abgesehen  von  der  Verschiedenheit  der  Zeilen- 
abtheilung  und  davon,    dass  auf  der  inneren  Seite  Z.  7  arvacorvm 


25 

steht,  auf  der  äusseren  ara'-acorvm,  und  dass  der  Text  der  inneren 
Seite  mit  quorum  nomina  subscripta  sunt  i])sis  liheris  schliesst. 

Aeussere  Seite : 

o 

ImP  •  CAESARDI  vi  •  NER  VAE  •  F  •  NERVA  •  TRAIAN  VS 

avgvstvs-  germanicvs-  pontifex-  maximvs 
t  r  i  b  v  n  i  c  •  potestat  ■  1 1 1  •  cos  -11-  p  •  p 
eqvitibvs-etpeditibvs-qyi-milttant- inalis 
5       tribvs-et-cohortibvssexqvaeappellanTvr 
gallorvm-flaviana-  et-i  pannoniorvm  •  et 
ü-hispanorvm-et-arnacorvm-et-i-svgam 

BRORVMVETERANA-  et-  I-  BRACAR-AVGVSTA 

norvm-  et-  i-  hispanorvm-  veterana-et-il 
10       mattiacorvm-  et-  tt-  gallorvm-  et-  vbio 
rvm-et-svnt-iniwoesia-inferiore-svb-q. 
pOMPONio-  rvfo-  item-  dimissis-  honesta 

MISSIONE  QVl  QVINA-ET-  VICUNA-  PLVRAVE 
STIPENDIA    JWERVERVNT  •  QyORVM  NOMINA 

o  o 

15  SvBSCRIPTA-  SVNT-IPSIS-LIBERIS  POSTERISQVE 

EORVMCIVITATEMDEDIT  •  ETCONVBIVM  •  CVM 

vxoribvs-qvastvnchabvissent-cvm-est 
civitas  iis  data  avt-  siqvi  caelibes  essent 
cvmiisqvaspostea  dvxissent  -  dvm  ta 
•jo        xat-singvll-singvlas 

a-    d-  xviii  1-   k  ■  septembr 

Q_-         FABIO-  BARBARO 

A-  CAECILIO-     FAVSTINO    CoS  g,.    99 

COHORT  -  II  •  GALLORVM-  CVI  -  PRAEST 
-25  VISVLANIVS    -pED  ixi  CRESCENS 

M-   ANTONIO  M-  F-  RVFO  ABRETTEN 
E  T  MA  RCO         ■        F   •  EIVS 

DESCRIPTVM-ET-RECOGNITVM-EXTABVLA-AE 
NEA-QVAEFIXA-EST-ROMAEINMVRO-POST 
30  TEMPLVM  ■  DIVI  AVG  •  AD  MINERVAM  O 

Innere  Seite: 

ImP- CAESAR- DIVI-NERVAE  F-NERVA- TRAIAN  VS 
AVGVSTVS   GERMANICVS    ■    PONTIFEX   MAXI 
MVS  TRIBVNIC  -  POTESTAT  -  TiT  -  COS  -  TT  -  P  -  P 


26 

EqVITIBVS  et  PEDITI  O  BVS  •  QVI  MILITANT  •  IN 
5  ALIS  TRIBVS  ET-COHORTIBVS  SEX-QVAE- APPELLAN 

TVR-GALLORVM  FLAVIANA  ET-I-PANNONIORVM 
ET  -  IT  -  HISPANORVJW  -  ET  •  ARVACORVM-  ET-  T-  SV 
GAMBRORVM  -  VETERANA  -  ET  -  T  BRACAR  •  AV 
GVSTANORVM-ET-I-HISPANORVM-VETERANA-ET 

10  11  •  MATTIACORVM  •  ET  -  Ü  •  GALLORVM  ET  VBIO 

RVM  •  ET  •  SVNT-  IN  •  MOESIA  INFERIORE  •  SVB  •  Q_- 
POMPONIO  •  RVFO  •  O  '"^EM  DIMISSIS  HO 
NESTA  ■  MISSIONE  •  QVI  QVINA  •  ET  •   VICENA 
PLVRAVE-STIPENDIA-MERVERVNT-QVORVM 

15         O    NOMINA  -SVBSCRIPTA-  SVNT- IPSIS  •  LIBERIS  O 

Imp.  Caesar,  divi  Nervae  /.,  Nerva  Traianus  Augustus  Germa- 
nicus,  pontifex  maximus,  trihnnic{ia)  potestat(e)  III,  co{n)s{ul)  II, 
p{ater)  p{atriae),  equitihus  et  peditihus,  gui  militant  in  alis  tribus  et 
cohortihus  sex,  quae  appellantur  (1)  Gallorum  Flaviana  et  (2)  /  Pan- 
noniorum  et  (3)  II  Hispanorum  et  Aravacorum*)\  et  (1)  /  Sugam- 
hrorum  veterana  et  (2)  /  Bracaraugustanorum ,  et  (3)  /  Hispanorum 
veteranu  et  (4)  II  Mattiacorum  et  (5)  II  Gallorum  et  (6)  Ubiorum, 
et  sunt  in  Moesia  inferiore  suh  Q.  Pomponio  Rufo,  item  dimissis 
honesta  nüssione,  qui  quina  et  vicena  plurave  stipendia  merueruut, 
quorum  nomina  subscrivta  sunt,  ipsis  liberis  posterisque  eorum  civita- 
tem  dedit  et  conubium.  cum  uxoribus ,  quas  tunc  habuissent,  cum  est 
civitas  iis  data,  aut,  siqui  caelibes  essent,  cum  iis  quas  postea  duxis- 
sent  dumtaxat  singuli  sir,gidas\  a.  d.  XVIIII  k(alendas)  Septembries) 
Q.  Fabio  Barbara,  A.    Caecilio  Faustino  co{n)s{:ulibus) . 

Cohortii)  II  Gallorum^  cui  praest  Visulanius  Crescens,  pediii, 
M.  Antonio  M.  f.    '^^/o  Abretten{si)  et  Marco  f{ilio)  eius. 

Descriptum  g^  recoqnitum  ex  tabula  aenea,  qtiae  fixa  est  Romae 
in  muro  post  tej^rpi^^^  (^{^i  Aug{usti)  ad  Minerva^». 

Bekanr^j.  ^g^^.  bereits  ein  anderes  Diplom  von  demselben  Jahre 
und  dems-jiben  Tage,  angeblich  bei  Philippopel  gefunden  (C.  I.  L. 
III  dipl.  XX  p.  863),  für  Auxilia  derselben  Provinz  unter  demselben 
Legat  gjj  Q  Pomponius  Rufus.  In  diesem  sind  andere  Auxilia  auf- 
^^^''j\\\t,  3  Alen,  7  Cohorten  und  die  Flotte.  Anzunehmen  ist  wohl, 
^-.'^Sei  die  Entlassungen  zwar  gleichzeitig,  aber  getrennt  angeordnet 
■worden  sind  für  zwei  ungefähr  gleich  grosse  Verbände  von  Auxilieu 


♦)  Arvcicoricni  innen. 


27 

dieser  Provinz^  von  denen  jeder  je  einer  der  beiden  dort  stationi- 
renden  Legionen  zugetheilt  war.  Es  gehören  also  zu  den  beiden 
Verbänden 

a)  nach  dem  neuen  Diplom:  b)  nach  Diplom  XX: 

Alen 
Gallorum  Flaviana  I  Asturum 

I  Pannoniorum  I  Flavia   Gaetulorum 

II  Hispanorum  et  Aravacorum  I  Vespasiana  Dardanorum 

Cohorten: 
/  Sugamhrorum  veterana  I  Lepidianac{iviurn)R{omanoru'm) 

I  Bracaraugustanorimi  I  Tyriorum 

I  Hispanorum  veterana  I  Lusitanorum  Cyrenaica 

II  Mattiacorum  11  Flavia  Brittonum 
II  Gallorum  II  Chalcidenorum 
Ubiorina  III  Gallorum 

VIT  Gallorum 

Aus  diesen  6  Alen  und  13  Cohorten  mag  die  vollständige 
Besatzung  der  Provinz  an  Auxilien  im  Jahre  100  bestanden  haben. 
Von  ihnen  erscheinen  in  dem  nächsten  auf  dieselbe  Provinz  sich 
beziehenden  Diplom  vom  Jahre  105  (dipl.  XXII),  das  3  Alen  und 
7  Cohorten  nennt,  2  Alen  und  3  Cohorten,  und  zwar  aus  dem  Ver- 
band a)  die  ala  Gallorum  Flaviana  und  die  cohors  II  Gallorum, 
aus  dem  Verband  h^  die  ala  I  Vespasiana  Dardanorwn  und  die 
coho^'tes  I  Lusitanorum  Cyrenaica  und  III  Gallorum.  Das  nächste 
Diplom  vom  Jahre  134  (dipl.  XXXIV)  zählt  2  Alen  und  5  Cohorten 
auf,  darunter  an  erster  Stelle  die  ala  I  Gall{orum)  et  Pann{oniorum), 
die  vielleicht  in  Zusammenhang  steht  mit  den  «rsten  Alen  von  <x), 
ausserdem  aus  a)  die  cJi^ortes)  I  Claud{{ä)  Sugamhr{orum) ,  die 
doch  wohl  mit  der  I  Sugambrorum  vetei^ana  identisch  ist,  und  I  Bra- 
car(augustanoruut)  und  //  Mattiacor(um),  aus  b)  die  ala  I  Vespasian{a) 
Dardan{orum)  und  die  coh{ors)  II  Chalcidenor{iim).  Dass  danach 
zu  verschiedenen  Zeiten  mehrere  Aenderungen  in  der  Zutheilung 
der  einzelnen  Abtheilungen  eingetreten  sind,  ist  nicht  weiter  auf- 
fallend, zumal  mit  Rücksicht  auf  die  mittlerweile  geführten  daci- 
schen  Kriege. 

X.  Dulgheru  (bei  Hirschova). 
16.  Ära  aus  gewöhnlichem  Stein,  gefunden  bei  Dulgheru,  Kr. 
Hirschova,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  H.  1*35,  br.  0'52. 


28 


I    e    O    B    M 

er  I  V  N  o  Nj  i 

r  E  G I  N  A  E  •  XEi 
VSNICEPHC 
RVSPOSVIT 
PROSA  LVT  E 
hV'  TITI  AELIN 
T  O  N  I  N  I 


17.  Marmorfragment,  gefunden  im  Dorfe  Sarai,  Bez.  Hirschova. 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  H.  0-25,  br.  0-52,  d.  0'20. 


lATPUJNOiMOL  TTaxpUJV    O    ejLlOg 

PI  AOL  TTttTjpibOg 
pTHNnVEAON  0   Tf^V    TTUeXoV 

5DYrENETOY  OU    Y6Ve'T0U 

'         — s^ — ii-LDj: g  \}\6g 

Vermuthlich  Reste  einer  metrischen  Grabschrift,  bei  der  viel- 
leicht jede  Zeile  ein  ganzes  Distichon  enthielt.  In  Zeile  2  ist  der 
Buchstabe  vor  moe  unsicher  und  war  vielleicht  ein  y. 

18.  Stück  einer  Säule  aus  Marmor,  gef.  zu  Hirschova;  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest. 


19.    Fragment    aus    Sandstein,    gef.   zu   Hirschova;   jetzt   im 
Museum  zu  Bukarest. 


^E  A  N 
/  F  "  r 


20.  Auf  allen  Seiten  gebrochenes  Stück  aus  Kalkstein,  gef. 
bei  Hirschova;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  H.  025,  br.  0'3, 
d.  0-28. 


29 

XI.  Seimeni  mari  (Kr.  Medgidie). 

21.  Fragment  einer  Marmorplatte,  das  selbst  in  zwei  .Stücke 
gebrochen  ist,  h.  0*13,  br.  0*12.  Gef.  in  den  Ruinen  eines  römischen 
Lagers  am  Ufer  der  Donau,  in  der  Nähe  des  Dorfes  Seimeni 
mari,  im  Bezirk  Medgidie,  Distrikt  Constanza.  Jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest. 

Imp.    Caes.    C.    Val.   Diojc  L  E  r>s^amis  et  imp.    Caen.    M. 

Aur.    Val.   Maximianus  ■  p  p  F  F  inuict.   Augg.   et  Fl. 
Val.    Constantius  et   Galr^Jj^LS^al.   Maximianus  nohh.    Caess. 

Xli.  Hinok  bei  Ostrov. 

22.  Auf  allen  Seiten  gebrochenes  Stück  Marmor,  gef.  am  Ufer 
der  Donau  gegenüber  der  Insel  Hinok,  in  den  Ruinen  des  römischen 
Lagers,  rechts  vom  Dorfe  Cokirleni ,  Bezirk  Medgidie.  Jetzt  im 
Museum  zu  Bukarest. 


XIII.  Iglitza  (Troesmis). 
23.  Tafel  aus  Sandstein,  gef.  bei  Iglitza,  h.  1-7,  br.  0*9,  d.  0*2, 
in    drei   Stücke    gebrochen.     Oberhalb   der  Inschrift   in    Relief  das 
Brustbild  eines  Mannes. 


Z.  4  f. :  qu{aestori?),  aedü(i),  quandam  du{u)mver(o);  vixif .  .  .  . 
24.  Tafel  aus  Kalkstein,  gebrochen  in  sechs  Stücke,  gefunden 
bei  Iglitza.     H.  1,  br.  09,  d.  0'18. 


t.  v  i"~vo  X 

ETCON VGE 
POS  VIT 


30 


Jj[is)  m{anibus).  F.  Ae[Lius\  Ahi\niiaeus'^^  vet[eran{us)]  t[eg.  V 
Mac.  s]e  vivo  et  con{i)uge  jyosutt. 

25.  Fragment  aus  Sandstein,  gefunden  zu  Iglitza. 

VET  •  LEG,  F  maced. 

MO  ■  V  L  p-1  uixit 

ANNIS    •    L' 

S  ■  TVTA  •  cl 

5  C  I  N  1  O  -    r/ 

MOE  T- 

P  Osuit 

Z.  1.  2  stand  vielleicht   [t/ojjjmo  Ulp(ia) —  Z.  4  ist  der 

Punkt  nach  s  vielleicht  zufällig  und  Re]  \\  shita  zu  verstehen ;  darauf 
kann  gefolgt  sein  c[oniugi  vir]\\g{mo  d[idcissi]\\mo  et  [sibi. 

26.  Marmorsiegel  mit  dem  Relief  eines  Schweines  auf  der 
oberen  und  den  retrograden  Buchstaben  p  r  auf  der  unteren  Fläche, 
h.  0'03^  br.  004.     Gef.  bei  Iglitza,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

27.  Die  Inschriften  von  Iglitza ,  die  ich  in  dieser  Zeitschrift, 
Band  VI  S.  41  u.  43  n.  86  u.  88,  als  Fragmente  von  zwei  ver- 
schiedenen Inschriften  veröffentlicht  habe,  gehören  zu  derselben 
Inschrift  und  schliessen  an  einander  an.  Die  Verschiedenheit  der 
Grösse  und  ihre  Entdeckung  an  verschiedenen  Orten  hatten  mich 
gehindert,  dies  früher  zu  bemerken;  ich  sah  es  erst,  als  man  die 
Steine  in  die  Mauer  einfügte.  Jetzt  nach  sorgfältiger  Reinigung 
glaube  ich  die  folgende  Lesung  als  völlig  gesichert  geben  zu  können. 

ßTöFe  POLIAß  MARC 

:ASV'E*LEGc5VßMACßE/ 

>Se  MILITts  COEPß  M» 

M*  IIII©S*FVNCT  *  EX 

r  *  O  R  I  E  N"Ai  S  V  B  S  T 

SeiV,  SEVER-// 

j//c  *  V*  11EM  GERM*SVB 

ilPVR*AGRieLßCLcsFRoN-o 

.CßV-M-HßMISSIohE  k  DA 

10  <i  A  •  CETffi*'E  CLARO  COS 

SVB  €  R  hE  ö  CLE^E^E  Co  Vo  R 

E  V  E  R  S  *  AT  LARES  SVO  S'E 

MRGABASIIlSS  •   MTRE 

DENDENVPT*SIBI\A.t5   LON 

1&  '^'^«oROREfcOSA-OSVAoSVoRQ 


31 

[T.  Val{erius)]  T{iti)  f(ilius)  Pol{l)ia  Marci\\[anus\  cas{tris), 
vet{eranus)  leg{ionis)  V  Mac{edomcae)  ex\\  [b(ene)f{iciario)  c\o{n)s{ularis); 
miUt{are)  coep(it)  imp{eratore)  ||  {Antoni\n{p)  IUI  co{n)s(ule),  funct{us) 
ex\[pedi\t{ione)  Orientali  suh  St\[at{io)  PWjsco,  Iul{io)  Sever{6),  [Mar\Ho 
Vero\  c{larissimis)  v{iris),  item  Germ{a7iica)  suh  |j  \Cal\'pur{nio)  Agri- 
col{a),  Cl{audio)  Fronto\\[n]e  c{larissimis)  v{iris),  m{issus)  li{oneda) 
missione  in  Da\\cia  Cetheigo)  et  Claro  co{n)s(ulihus)  suh  Corne{lio) 
demente  c(larissimo)  v(iro).  R\\evers{us)  at  lares  suos  et  Marcia  Ba- 
siliss{a)  matre.\\dend{rophororum)  enupt{ä)  sibi,  Val{eria)  Lon\gi[na\ 
sorore  pro  sal{ute)  sua  suor(um)q{ue). 

Die  Cas(tra),  aus  denen  unser  Soldat  nach  Z.  2  stammte  und 
zu  denen  (d.  h.  zu  deren  Canabae)  nach  seiner  Entlassung  er  nach 
Z.  11.  12  zurückkehrte,  sind  die  der  Legio  V  Macedonica,  die  in  der 
Zeit  von  Hadrian  bis  Marcus  sich  zu  Troesmis  befanden.  —  Den 
Namen  zu  Anfang  haben  wir  nach  dem  der  Schwester  in  Z.  14.  15 
ergänzt;  der  Raum  ist  beschränkt,  reicht  aber  für  t\a.  aus.  —  Für 
Z.  3.  4  hat  die  neue  Lesung  die  schönen  Ergänzungen  Mommsens 
(in  dieser  Zeitschrift  VIU  S.  248)  in  allem  Wesentlichen  bestätigt. 
Marcianus  ist  demnach  im  Jahre  145  ins  Heer  eingetreten.  Dann 
hat  er  den  parthischen  Krieg  unter  drei  Feldherren  nach  Z.  5 — 7 
mitgemacht.  Von  diesen  war  die  Betheiligung  des  ersten,  mit  vollem 
Namen  nach  seiner  Inschrift  C.  I.  L.  VI  1523 :  M.  Statins  M.  f. 
OL  Priscus  Licinius  Italiens,  bekannt ;  von  einer  Betheiligung  eines 
Julius  Severus,  der  an  zweiter  Stelle  genannt  ist,  weiss  man  weiter 
nichts,  zu  verstehen  ist  wohl,  wie  schon  Band  VI  S.  42  vermuthet 
wurde,  der  Consul  des  Jahres  155:  C.  lulius  Severus,  der  Statt- 
halter von  Syrien  gewesen  ist.  An  dritter  Stelle  habe  ich  ver- 
muthungsweise  den  Namen  des  Martins  Verus  ergänzt,  der  als 
Statthalter  von  Cappadocien  in  diesem  Kriege  operirte;  für  die 
Ergänzungen  ivs.  to  ve  ro  reicht  wohl  der  Raum.  —  Später  machte 
Marcianus  den  Markomannenkrieg  mit  unter  Sex.  Calpurnius  Agri- 
cola  und  M.  Claudius  Fronto,  der  in  diesem  Kriege  fiel,  und  wurde 
im  Jahre  170,  also  25  Jahre  nach  seinem  Eintritte  ins  Heer,  ent- 
lassen. Der  Cornelius  Clemens,  unter  dem  er  seine  Entlassung 
erhielt,  ist,  wie  Band  VI  S.  42  bemerkt  wurde,  der  Sex.  Coi-nelius 
Sex.  f.  Fal.  Clemens  co(n)s{ularis)  et  dux  trium  Daciarum  der  In- 
schrift C.  I.  L.  VIII  9365;  Marcianus  war  damals,  wie  wir  Z.  2.  3 
ergänzt  haben,  dessen  b{ene)f{iciarius) . 

28.  In  der  Inschrift  des  lulius  Ponticus  (Band  VI  S.  41  n.  84) 
ist  in  Z.  5.  6  natvs  amas  tris  statt  amasIsis  zu  lesen. 


32 

XIV.  Hassarllk  (Cms). 

29.  Grabdenkmal  aus  Marmor,  gefunden  im  türkischen  Be- 
gräbnissplatz zu  Hassarlik,  b.  1-73,  br.  0-64,  d.  0'26.  Ueber  der 
Inschrift  in  einem  Bogen  Darstellung  des  Todtenmahles.  Rechts 
auf  einer  Kline  ein  Mann,  in  der  Mitte  ein  Kind,  links,  auf  einem 
Stuhle  sitzend,  eine  Frau;  davor  ein  Tisch  mit  Speisen.  An  beiden 
Seiten  auf  niedrigerem  Plan  sieht  man  je  einen  Diener. 

Die  Inschrift  ist  von  einem  Traubengewinde  umgeben.  Einige 
Buchstaben  sind  etwas  verwittert.  Ihre  Form  weist  auf  das  dritte 
Jahrhundert. 

D  M 

IVL  •     \ALENS  VE 
EX    ALA   EX   SING 
V  I  X  I  T    A  N  N  I  S 
5       LXVIVLIAMN 
S"^l    M  A  R  IT    B  M 
P   O  S  V  I  T 

d.  m.  Iul{ius)  Valens  vet(eranus)  ex  ala  ex  sing{ulari) ,  vixit 
annis  LXV.  Inlia  Mansuet{a)  mar{t{o)   b(ene)  m{erenti)  posuit 

30.  Fragment  aus  gewöhnlichem  Stein,  h.  1-22.  br.  0-78,  d.  0*22. 
Ebenfalls  im  türkischen  Begräbuissplatz  zu  Hassarlik  gefunden. 
Im  oberen  Theil  sieht  man  fünf  Figuren;  darunter  auf  einer  Seite 
ein  Pferd,  auf  der  anderen  Seite  einen  Mann.  Von  der  Inschrift 
ist  nur  der  oberste  Theil  und  zwar  in  sehr  verstümmeltem  Zustande 
erhalten.     Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

D       •       M 
/  r  /  CETHl  •  THL 
clud/  V  I  V    A  S  V 
'  PTOE 

XV.  Mangalia  (Callatis). 

31.  Stele  mit  Giebel  aus  Kalkstein,  h.  103,  br.  0-37,  d.  017, 
Gefunden  in  Mangalia;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

CYNTaiKIOCYI  luVTlXlKlG^    Ul- 

OCKACCIANOY  oq  KacTaiavoO, 

CYPocTUjreNi  lupoq  tüj  -fe'vi, 

NOMIKOCTHN  V0|aiKÖq    l^V 


33 


5     eniCTHMHN 
KAIHTOYTOY 
rYNHMGAITIC 
GVrATHPAIAe 

cioveKnporo 
10   NuuNevreNeic 

XPONOICnOA 
AOICKAAOIC 
CYNBIUUCANTeC 
K  A  I  e  N  r  H  P  A  T  I  M  I  UU 
15     nPOBGBHKOTeC 
MeTAEYAiKAlUUN 
E*  e  A  n  I  AI  ANAC 
TAC6UÜC  6N0AA6 
^HKAMeNZUJ 
20  jl-EAIUUNIOYAnoAA' 

C6UUC 


5    eTTKJTniUllV 
Ktti    f]    TOUTOU 

Yuvf]  MeXiTi(;, 
ÖuTttTiip  Aibe- 
aiou,  ex  TipoTÖ- 
10  vuuv  euTeveig, 
Xpövoi^  TTOX- 
Xoic,  KoKwc; 
(juvßiuucravTe? 

Kai    £V    T^IP«    Tl|UlUJ 

15  TTpoßeßiiKOieq 
jueraEu  biKaiujv 
eqp'  eXiribi  dvaö"- 
Tdcreuuq  ivQ6.be 
fiKtt^ev  Ziuj- 

20  r\(;  aiuuviou  aTToXau- 
aeuuq 


Das  AnoAA'ceuuc  am  Schluss  ist  augenscheinlich  später  zugefügt. 
32.  Kleine  Ära  aus  weissem  Marmor,  gef.  zu  Mangalia,  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest.     H.  013,  br.  013,  d.  0-04. 

;^  O  N  I  A  N  I  0_Y 

InOAAANOZArYEOSTO"' 

InETAFEITN  IOYNOYMH' 

r  I  A  N  n  N  TA  I  B  O  Y  A  A  I  K  A  l\ 

^  IrOIKAISYNEAPOIEinA//] 

ONIAN  I  OZZTPATi////) 

AZKENTOPIASl'    //////y 
ITAGEIZ-///////// 

'vA_l_0_YA7iL^/^' 

.  .  .fioviaviou 
'Em  iep^uj(;  'A]ttöXXuuvo<;  'A-fueoi;  toO 
TTeTa-feiTViou  voujuii- 
viai,  eboEe  KaXXaJTiavOuv  läi  ßouXäi  Kai 
5      Tuui  bu|utjui,  Ol  aTpaTr|]-foi  Kai  auvebpoi  emafv] 
eireibn  .  .  .M]ovidvio<;  crTpaT|ivfö(;   ... 
, .  .TJäq  KevTOpiaq  k.  .  . 
.  . .  CTaGeiq  er . . . 
. .  .Xiou. . . 

Arcbäologisch-epigraphische  Mitlli.  XI.  3 


34 

33.  Zwei   zu    derselben  Platte  gehörende   und  an  einer  Stelle 

aneinander    stossende    Stücke    aus   weissem  Marmor    mit    ziemlich 

guten  Buchstaben.  Gef.  zu  Mangalia,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

a)  h.  0-14,  br.  0-11,  h)  h.  0'16,  br.  0-28. 
/ 

'K^t  n^S~K   E  t^A^xT^H   M   aT1\ 
/TT^.  N  riNOMENnNTOKnNKAlPEl-' 
/a.TO  YS  K  AIPO  Y2  APOB  AAiLNTA  0  I  A  2  I 
riKAXPHM..vTAKAlTOYKATATONNOiWON 
5        0*E1AHMATJ      ^APOAYGEIZOnnSOYNKA' 
OIGIA^IT/  T-inNTAITAZAEIAS 

TIMAZAT  'TE2:T0IZEI2EAYT0Y 

4>  I  A^T  I  MC,  'e  A  O  X  0  A  I  T  O  I  2  0  I 

otTTebüJKe  td  xP'lMaxa 

[laeid  Tilijv  Yivojuevujv  tökuuv  KaiTiep 
bi]d  Tou(;  Kaipoug  diroßaXujv  td  Biaffi- 
TiKd  xpn^ciTa  Ktti  ToO  Kaxd  töv  vöjuov 
5      ö(pei\riiuaT[o](^  d7ToXu0ei^  •  ÖTTa)(^  ouv  Kai 
Ol  0iaaiTa[i  qpajivuuviai  id^  d2ia<; 
Ti)ud(^  dTT[obiböv]Te(;  ToT^  ei^  eauTou[g 
cpiXoTi)uo[u|uevoi<;  b]eböxöai  toT(;  9i- 
lacTiTaK;]    

Dieses  Ehrendecret  eines  Thiasos  von  Callatis  scheint  nach 
den  Massen  sich  auf  derselben  Platte  befunden  zu  haben  wie  ein 
ähnliches,  anscheinend  von  demselben  Thiasos  und  nach  denselben 
kriegerischen  Verwicklungen  (Z.  2  —  4  darin  lauten:  [vjauv  |uaKpdv 
KUTacrKeuaEd)a[evo(;  eJk  tujv  ibiujv  töv  re  \i|ueva  K[ai  ikc^  dKJrdq  dTTO- 
Xe)uriTouq  etripiidev)  gefasstes  Decret,  das  in  dieser  Zeitschrift  VI 
p.   10  n.  16  herausgegeben  ist. 

34.  Rechts  und  links  gebrochenes  Stück  aus  Kalkstein;  gef 
zu  Mangalia,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  H.  0*29,  br.  047, 
d.  022.     Schrift  anscheinend  des  4.  Jahrh.  v.   Chr. 

A  x  A  A  o  X  /  Y  2:  x\  aq  oiXöx[o]u  (JX 

xifiNASZAEYcj  cTTuuv  üacja ?  cue 

NOYliHOYAriKEAJ  VOU    TTOoÜbuiKf 

O  Y  1:A  I"  ATTAiin  A  OUCTa    TTUlpU^    UJ 

Z.  3  ist  an  der  dritten  Stelle  das  ursprüngliche  n  in  y  cor- 
rigirt. 


35 

35.  Zwei  Bruchstücke  aus  Maraior,  gef.  am  Ufer  des  Meeres  bei 
Mangalia.    a)  h.  0-23,  br.  015,  d.  0*07;  h)  h.  O'O?,  br.  008,  d.  O'GS. 


0- 

eÜ€pY€ToOvTa<; 

iiuout;  ße\- 

KaGÜTTep 

TOI  TimJüVTeq,  6e6ö- 

öic,       eK  Toö  ÖÖY- 


uvöbou?  L  Ml  IS       ;  "A- 

<;  €U   EPTETA    jV    fa^V 

OU     qpl\0  '"IMON  AI-  /TOÖ 

O  AH    ^ 

AI  O     / 


Auch  ein  Ehrendecret  der  Thiasoten  und  zwar,  wie  das  zu 
n.  33  angeführte,  wegen  der  Verdienste  um  die  Stadt  und  um  den 
Thiasos. 

36.  Tafel  aus  weissem  Marmor,  gef.  mit  zwei  Statuetten  zu 
Mangalia  beim  Baue  des  Herrn  G.  Stavraca  gehörenden  Kellers, 
in  einer  Tiefe  von  3'5  M.  Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  II.  0*13. 
br.  0-18,  d.  0-05. 


NIKIS 
I  E  P  n  N  o  2 


NiKii; 
'lepoivoc; 


37.  Bruchstück  aus  weissem  Marmor,  gef.  zu  Mangalia;  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest.     H.  O'OS,  br.  008,  d.  0-08. 


Z  E  I  Z  A 
X 


38.    Bruchstück    aus    Marmor,    gef.    zu    Mangalia;    jetzt    im 
Museum  zu  Bukarest. 


3* 


36 


39.  Zwei  Bruchstücke  einer  Platte  aus  Kalkstein,  gef.  zu  Man- 
galia",  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

o)  b) 

/  A  B  i  /LMEMNH( 

/\  BOY/  ,.  YTHEK^ 

yi>PONIA  DCOYnOT 

/  A  n  1  A  E  E  ^viTA^MTj 

5         '?  I  A  l  O  E  t  E 

kozn  o  e^i  \ 

\  JAH  n  N  ■      I 

Die  Stelle  der  beiden  Stücke  ,ist  unsicher;  möglicher  Weise 
ist  sie  so  anzusetzen,  dass  man  ßouX|6]uTii(;  zu  lesen  hat  und  in  der 
Zeile  darauf  (ppovibo^  ouTTOife. 

XII.  Kotschiali  (Bez.  Tultscha).  Ophiusa. 

40.  Grabmonument  aus  Marmor,  h.  1*65,  br.  1"65,  d.  0*31; 
gef.  in  Kotschiali,  Bezirk  Tultscha,  in  einem  türkischen  Begräbniss- 
platz. Ueber  der  Inschrift  die  Darstellung  des  Todtenmahls:  ein 
.Mann  ruht  auf  einer  Kline,  vor  ihm  steht  ein  Tisch  mit  Speisen; 
eine  Frau  überreicht  ihm  einen  Kranz,  seitwärts  erblickt  man  einen 
Diener.     Die  Inschrift  ist  von  einem  Traubengewinde  umgeben. 

D       M 
AtL      D  I  O 
N  Y  S    I    A  E 
V  IX    ANXXV 
5  VALCL.  EM 

E  N  T  IN  VS 
MARITVS 
E  I  V  S  B  •  M 
C  O  I  VGI 

Z.   10  :=  [carissiviae]  po[8mt\. 


37 

41.  Basis  aus  Sandstein,  gef.  auf  der  Sclilangeninsel ;  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest.  H.  M2,  br.  0  24,  d.  17.  Publicirt  bereits 
von  Egger  hüll,  de  corr.  hell.  IX  (1885)  p.  375  f.  und  von  Latyschew 
inscr.  orae  septentr.  Pont.  Eux.  n.   171. 

/////////////// 

//i/iiiimui 
/oK^^'-.ii  iijiiiii 

(\NKAlToY2TEKATAAAbOI 
Arii'STEIAITn  NEAAH  Nn  N  5 

/kTEIIX  yAlTOYSMEGAYTnNEKTHZN 

'EBAAENKAIPAPArENoMENoSlZTHNnOAlN 
KAAKAlMErAAAXPHZIMOZrEIoNENTniAH 
oABlOnOAimNKAIAIATAYTAOAHMo^: 
\oNKAIinNTAETlMHZENAnPEAl  10 

\eAEYTH2ANTAE0AH'ENAHMOZ1A1 
\    N  T  n  I  AHMni  mWoABlOPO  A  I  TAN 
\aYToY  EIKONAOPnZANAITEnPAEEl 

NH  MONEYnNTAIKAl  H  P  O  AI2;<t>ANEV 

ZEA  AH21NOTIKA1T  HSNHZOYPOA-/      15 
FoEITAIKATATAFATPlAKAITOYX 
lNoYZEI2AYTHNKAlZnNTA2Tim 
•INA/ZolZA/lAZArOAlAnzi 


'0\ßio[Tro\ 

av  Kai  Toui;  te  KaTa\aß6[vTa<; 
5  BaXaaaav  Xiijcrieiai  tuuv  'EWrivujv 

dTTe]KTei[vev  K]ai  tou(;  lueB'  auTUJV  gk  th^  v- 
iiaou  egjeßaXev  Kai  TTapaTev6|uevo(^  i«;  Tfiv  ttöXiv 
TTOJXXd  Kai  fieTdXa  xPn(7if-io<;  Ye[TJovev  TuJi  h\y 
luuJi]  'OXßiOTToXiTOJV  Ktti  öid  TauTtt  ö  bn^og 
10  aiiTJöv  Ktti  Kbvxa  exif-iriöev  bujpeai 

Kai  TJeXeuxriaavTa  e0ai|jev  bimocriai, 
eboEejv  tou  brjuuji  xüuv  'OXßioTToXiTUJV, 
atiicrai]  auioO  eköva  öttuj^  dv  ai  xe  7TpdHei[5 
aüxoO  )a]vTi)uoveiiujvxai  Kai  fi  ttöXk;  (pavep[oT 
15  Ttdai  xoT](;  "EXXncriv  öxi  Kai  tx\c,  vncfou  TToX[ei- 

xa^  Tiepi  TToXXoö]  Tioeixai  Kaxd  xd  ndxpia  Kai  tovc,  [qpi- 
Xouq  Kai  eij]vou<;  ei^  auxriv  Kai  Ißdvxac,  xi|u[di  Kai 


38 


Te\euTr|craa]iv  a[iJT]oiq  dEia^  dnTobibuüGri 
xdpiTttc;  ktX.] 
Die  Erf^änzungen  weichen   thcilweisc   von    denen   Eggers   und 
Latyschews  ab. 

XIII.  Camäna  (Kr.  Babadagh). 
42.   Meilenstein ,    gcf.    bei   Ciamurilc    de   sus ,    Kr.    Babadagh, 
Distriet  Tulcea,  stammt  aus  Ruinen  in  der  Nähe  von  Camäna,  wo 
ein  römisches  Lager  war.  Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Höhe  0*9, 
Umfang  1-35,  Durchm.  0-41. 

imp.  C   A    E    S    •    C    i  u  l 
u  e  r  u  s   in  u  x  i  m  i 
JIM5PFAVGGE 
RniANlCVS/WAXlMVS 
5         DACICVS  MAXIMV  S 

SARMATCVSMAXM  sic 

VS-    I'ONTIFEXMAXI 
MVS-    TRIBVNICIA 


10 


1>  •   HI  •  I  M  P  V  C  O  S    P  R  O 
C  O  S  E  T   c   i  II  l   ue  r  u  g 


a.  287 


m  a  X  i7nus  N  o  b  i  l  i  s 

S  I  M  V  S  C  A  E  S  G  E  j  1  M  A  ÜC 

XIJWVS  DACICVS  MA 
XIM  VS   SARM  ■  MAXIM 
15         VSFILIVSEIVSMI 
liari  A  •  N  O  V  A  ET  VI 

as  et  po\'iT  -  Dis  KV  \         sie 
as  per TN 

Die  Namen  des  Maximinus  und  des  Maximus  Z.  1 — 3  und 
10—11  sind  getilgt. 

43.  Marmortafel,  in  zwei  Stücke  zerbrochen.  Gef.  zu  Kasapkioi, 
Kr.  Babadagh;  jetzt   im  Museum    zu  Bukarest.     H.  0-47,  br.  2'08. 


inrOAOXOYPAIAEZj    jOYHrHZArOPE  //// 
HENOKAHi;0EOEE^       i;    A    P    O   AA   AN    1  //// 

:i;niiHPErxHrHZAr|     eutoy  geoaq  '!'// 


'JTTTToXöxou  TTaibe<;  |t]oO  'Hfr|CTaf6p€[uj   ..J  HevoKXfiq,  0eöSev[o]<; 
'AttöXXuuvi  . .  .    tTTi  lepe'uj  'HYil(^«T[dp|euj  toO  0eobö[Tou. 


39 


XIV.  Kiistendsche  {Tomis). 
44.  Meilenstein,  mit  Resten  zweier  Aufschriften  aus  verschie- 
dener Zeit,  gef.  bei  öargalik  im  Kr.  Constantza,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest.     Höhe  2-0,  Durchm.  0'68. 

a) 
VAL 


D  N 
*)     V  L  I  AI      N 

VI  CT  Ol    Ig  •  ET 
S  E  M  P  E  R(  j  x  I  O 

'  o 

NOBIL 

a)  [dd.  nn.  C.  Aur.]  Val.  D[iocletiano  p.  f.  Aug.  et  M.  Aiir. 
Val.  Maximiano  p.  f.  Au]g.  et  [FL  Val.  Consta]ntio  [et  Gal.  Val. 
Maxirnian]o  nohil.   [Caes.^.  y 

h)     d.  n.  [I\aUan[o]  Victor[i\  semper  [Augiisto].  / 

45.  Kalkstein,  gef.  im  Meere  bei  Küstendsche;  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest.  

'WTiwiiiinii^''^'^"-^  •-  -- 

MENTOA^NIS•VII■FECl   t 

l   , 

S  T  I  P  E  N  D  I  A  •  XXIIII  •  E  T  V   t 

X  I  T  AIVNIS-XLU-  ETSPI 

RITVM-NATVRAE  SVAE 

REDDEDIT       AVRELIA 

CLAVDIA  CONIVX  BENE 

MERENTE  VIRGINIO 

SVO    ET    PARE  HVNC  TITV 

LO  VNACVM  FILIS   SVIS 

A  POS  VIT    * 


10 


vale  vi(i\  TORE 


46.  Fragment  aus  Sandstein,  eingemauert  im  Hause  des  Herrn 
Cogalnitscheano  zu  Küstendsche;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


Ilxvi  i;  R  S  E  C  Cc* 
ma  <  1  M  O  "E  A  E  L  I  ^  no 


40 

47.    Fragment    aus   Marmor,    gef.   zu  Küstendsche;    jetzt    im 
Museum  zu  Bukarest.     II.  0*24,  br.  035,  d.  0-14. 

marjx.  E  L  L  v  s  -  L 

n(«IVS    •   LIBRARI 

SHEREDES  •  P  A 
PIEN-ISS  IMIS  • 
S  E  R  V  NT  • 


SIC 


48.  Fragment  von  gewöhnlichem  Stein,  1.  O'OO,  br.  O'OO,  d.  O'OO. 
Gef.  zu  Küstendsche.  Der  Anfang  der  Inschrift  und  die  ganze 
linke  Seite  fehlt.     Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest 


inx.  an.   xxili  -M-  xi 

|l  O    D  V,  C  I  S 
f(V  O    C  O  N  T 
scpul  b  R  VW  C  O 
B  '/  M   V  A  S  W\ 

inf\i  R  "E  ■\E  L   A. 

lenare  v\o  l  w  r  it  i 

jS'E  ET-  R-  P 

tomita  iN  o  R  VA 


10 


VI  A TOR  v\ale 

I 


[Die  Herstellung  der  Inschrift  ist  noch  nicht  völlig  gelungen. 
Z.  5  ist  wohl  vasum  zu  verstehen.    Zum  Schlüsse  scheint  gestanden 

zu  haben:  et  r{ei)  p{uhUcae)  [Tomita]no7'um  [d{are)  d{ebehit)] 

Viator  v[ale].  Vielleicht  ging  der  Multa  nach  griechischer  Weise 
eine  Verwünschung  voraus,  etwa  /||[.s  pereat  pejste.     A.  d.  R.] 

49.  Grabschrift  aus  gewöhnlichem  Stein,  eingemauert  im  Hause 
des  Herrn  Cogalnitscheano  zu  Küstendsche.  Jetzt  im  Museum  zu 
Bukarest.     H.  0*45,  br.  063. 


M 


VAL  *  VALENS  *  VET  *  ///// 
,F  L  *  M  O  S  I  E  *  ME  //////////// 
jNO  MEO  Ml  *  et/////////// 
MEOCOIVGl*  m///////////// 

TATHNLYNBIOt  ///////////// 
NTINANTE0HN  e///////////// 
HEEIOINETn«t>lEKn  -/////// 


41 


Z.  2  ist  wohl  [cl{assis)]  Fi(aviae)  Mosi{a)e  (statt  Moesicae)  zu 
verstehen,  Z.  8  wohl   ...rjcrei,  [rJivtTuu  cpicfKUj   ... 

50.  Fragment  aus  Sandstein,  h.  0*12,  br.  0*19.  Gef.  zu  Kü- 
stendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


51.  Auf  einer  Thonlampc,  gef.  zu  Küstendsche. 

N  IM  E  N  =  Numen 

52.  Ein  Topfhenkcl  mit  Stempel.    Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest. 


PER • N AR 


=  Per{enni)  Nar{cissi). 

53.  Marmorfragment,    gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest. 


jG  A  L  S  V  M  1  A 
FO  RM AM V 


54.  Marmorfragment,    gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest.     IL  022,  br.  0'13,  d.  006. 


TYX  \ 

0EA2:Arpin\ 

:N02:EKTHnA\ 

'TlKHZEniMhj 

n  N  I  O  Y     A  P  x[ 

,02  KAIISI^ 
1  A  KE  IM  EN) 


P  1  A  A  *  I  A, 
eEOI2 


10 


\-i  TXIN 


55.  Weisser  Marmor,  gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest.     H.  10,  br.  0'30. 


EnilEPEXlA  nOAAXlNOS 
APXO  N  TEZEIHAN    EHEIA 
TYPAN02ANHPKAA02KA1 


42 


KAiEKnPoroNnNArA0.a 

5         iiAZKAinPOTEPONENTHI 
Tt  ANAiTPO^HNEYTAKTn 
KAlAS'ANAMttOrEPnN  EH 
AEHNXniMSeElZTEEIiin 
AAEYNOYNKAinPOOYMOI 

10        THZnO  AEaznAPESXET 
KAIAErnNAEIKAinPAi: 
AIATEAEIENAnOAEIKT 
THINEYNOIANKAIKATIA 
XANOYi;   I  THNnOAEI 

15        nOAEinANTnWTET 

TANElSOABlANnOAINn-" 
KAinPOXTATnNAlATEA 
4>lAOfIMIA2:OY0ENE" 
r  P  A  I  »»  N  A  E  ^  1"* 

20        MEINTA2A' 

0  A  1  o  n  n  x «.  I  /  N 1  ///  /  H  M 

TIMUN  TOY2KAAOY2KAIAr 
KAirNHZlANEYNOIANnrOSI 
EliTATHZnOAEnzni'ArMAT 

25        OHIAEAOXeAiTniAHM..,! 
MENEniTO  YT  O  12    NIACl 
AEAO20AlAEAYTv 
••••  I  A  N  n  O  A  E  I  T  H  A  N 
E  N  r  A  I  n  N  A  1  K  A  2  n  I  O 

30        KU AOYNnOAEMOY/A 
KAIAi;nONAEIEINA 
EniTHNBOYAHNKAirON 
TATAIEPAEN  F  P  A  S- A  I 
EISTEAAMANAAEYKCYAI 

35        E  N  T  H  1  A  r  O  P  A  rr  O  A  E  A  N  A  A 

[Es  fliirfte  zu  lesen  sein: 

Etti  lepeuj  'AttöXXujvoi^   [oi 

(ipXovTfcq  eiTTav  fcTTeib[ri  ö  beiva 
Tupav6<;  äviri()  KaXö«;  Kai  [dfaBöc;  iöJi 
Kai  fcK  iT()orövLUV  dYa6üu|v  eftveio  ttohi- 
5       aaq  Kai  TT()ÖTfc()ov  tv  rni  [feTTibiiiniai  tiiv 
Te  dvaaipocpnv  eÜTdKTuij[q  Kai   . . . 


43 

Ka[T']  d5[i|av  diLicpoTepiuv  t7T[i)iieXoü|Lifcvo<;  ttö- 

XtLuv,  xui)pioQei(;  xe  dq  nfaTpi- 

6a  euvouv  kqi  TTpd9u|Liü|v  eig  xd  rrpaTMaxa 
10       xf]q  TTÖXeuu^  Trape(TX€x[o  eauxöv 

Kai  Xeyuuv  dei  koi  npdcrfo'ijuv  xd  dpicrxa 

biaxeXei  evaiTobeiKfvujLievoc; 

xii(i)v  euvoiav  Kai  Kax'  i[öiav  xoi^  fevxuf- 

XctvoucTi  xüjv  TTüXeijxuuv  Kai  KaBöXtuc^  xf-ji 
15       TTÖXei  Trdvxoiv  xe  x[üjv   

xüuv  ei^  'OXßiav  rröXiv  TT|eTTOf)eujufevujv 

Ktti  xrpoaxaxujv  biaxeX[eT  OTxovbf\q  küX 

(piXox[e]i|Liia[(;]  ou6ev  e[vXeiTTuuv 

Tpd[(pei]v  be 
20       |ueiv  jac,  a 

9ai,  ÖTnjU(g  o[u|v  [küi  6  b]fi|u[o(;  qpaivnxai 

xijuüuv  xouq  KaXoix^  Kai  df[a6ou^ 

Kai  Yvncriav  euvoiav  7Tpoa[exovxaq 

eiq  xd  xfi(;  rröXeuj(;  Trpdxjuaxfa'  xux»]!  d-fa- 
25       6fii  beböxOai  xuji  brijUuai  [erraiveiaGai 

)Liev  em  xouxoi^  [xöv  beiva 

bebö(79ai  be  auxfOui  Kai  xoT<g  eKfövoi^  rrpote- 

v]iav  TToXeixi^av  [icToxeXeiav,  e'TKxricriv  xOuv 

evfaiujv,  biKa(;  TT[p]o[biKOu<;,  eicTTiXouv  Kai  e- 
30       kttXouv  TToXe'iaou  [K]a[i  eipr)V)i<^  Kai  dauXei 

Kai  dcTTTOvbei,  eiva[i  be  auxuui  eqpobov 

em  xrjv  ßouXfjV  Kai  xöv  [bfjiuov  irpuuxLui  jiie- 

xd  xd  lepd,  evTpdqjai  [be  xö  i|ir|qpi(j|aa 

ei^  xeXajLiOuva  XeuKoö  Xi[Gou  Kai  dvacrxficrai 
35       ev  xfii  dYOpdi,  xö  be  dvdX[iJU|ua   . . . 

Z.  1 :  lepeuu  s.  Dittenberger  zu  syll.  inner.  Gr.  I  p.  364  not.  7 
und  diesen  Aufsatz  n.  43. 

Z.  8.  Zur  Construction  xi^PicrOeiq  e\c,  Traxpiba  vgl.  Dittenbcrger 
n.  252  Z.  31,  wo  demnach  der  in  p.  174  not.  19  ausgesprochene 
Zweifel  unberechtigt  ist.     SZANTÜ.] 

56.   Aus  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

AHM02  TH2 
E  n  2  T  O  N  *  I  A  A  A  E 
,yONLYMENOYZAAEA*0 
KOIVIINIOYK/AYAlAKOYEPMA4>IAOY 


44 

5        n  o  N  T  A  p  X  o  /  A  p  s  A  N  r  A  r  H  N  n  1'  n  T  H  I 

APXHNtn  IXHMnXATOPANOMHZA 
T  A  Y  r  I  n  X  n  A  N  H  r  Y  P  I  A  P  X  H  2  A  N  r  A  T  H  z 
OYMHAIKHZZYNO'-OYOlAOTtlMn'-' 
TAMIEYZANTA  niZTnZ 
10        AHMOY 

i'l  ßouXv]  Kai  ö]  bn|U0(;  Tr\c,  [jiniTpo- 

TTÖXeujc;  Tö)ii]eou^  tov  cpi\dbt|Xcpov 

"AiTaXJuv  Eüjuevou^  dbeXqiofv 

Ko)lUViou  KXaubiavoö  'EpjuaqpiXou 
.s      TlovTdpxo[u]   dpHavia  xfiv  npoiniv 

dpxnv  £Tn(Jii,uuj^,  dYopavo)uti(Ta|  V- 

Ttt  uYiuJ<s,  TraviyfupiapxJicravTa  ifiq 

eujueXiKrj^  c5'uvö[b]ou  (piXoTei)uuj<g, 

Ta)Lueu(TavTa  tticttüjc;   ..... 
10     bn|uou 

T.  Cominius  Claudianus  Ilcmiaphilus  TTOVidpxil?  Tri<g  'EHaTTÖXeuu(^ 
wird    auf    der   Mittli.  VI  p.  22  n.  44  publicirten   Inschrift    geehrt. 

57.  Marmortafel,  in  mehrere  Stücke  gebrochen,  welche  einzeln 
zu  Küstendsche  gefunden,  sich  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest  be- 
finden. Fragm.  a  h.  026,  br.  0*49,  d.  0-12;  Fragm.  h  (in  7  Stücke 
gebrochen  und  auf  der  Chaussee  nach  Mangalia  in  Geni-Mahala 
gefunden)  h.  0-92,  br.  0-49. 

Fragin.  a 
A  FAGH -  I  •  TYXH •  I  • 


Fragin.  b 


YHEPTHZ    THNeEIOTATjaN    AYTOKPATO 
PnWTYXHZ  TE  KAI   NEIKHZ   KAIAiriNIOY 
AIAMONH2    A-  2EnTlM10YZE0YHP0YnEP 
5      TIN  A  KOZ-  KAI  -M-A  yJ  jYANTflNEINOY 

nj  N  n  N  M  H  A  '•'NIKnN  m  m 

//////////////// 
///////////xAITHr 
AIAZ  AYTOYZTHZ  KAITOYZYlNii, 
10       rriNO  IKO  Y  K  A  I  Y  n  EPTO  YAI  En  ONTOZ  H') 

EnAPXEI0NYnATlK0Y00^IN10YTE"TYA 
AOYO-  TAN-NE  IN  T  1  N  An.P  E  A  N  A  E  A'^KOTHN 
T-*A-ZAAAOYZTIOZ?^NANAZ  0E  A  AUNOZ 
T-OA-ZAABIANOZ     ^  W  TH^  AENAPOOOPriN 


45 


15     nnAAiriN  nnAAinNOz  iepeyz  -h-aiaiagaym 

AXIAAEYZAXIAAAHATHP     n/APXIPAB 
AAEEANAPOZHAEIAPXIAENAPO*  /  POZ  B  AOYXICA 
AAEHANAPOZ  AAEHANAPOY  \PXIAENAP  OOOPOE 
AHMHTP12    AJW4>10NIA/y  •  BA  CIAIKOC 

20    no2EiAUJNi02 nnnniios-  aaesanapoy 

TOYPBXIN  AIONYXl  (t>AABlOC    CYM 

ANAPriNAONrEINOY  *OPOC    -£>       AYP 
T-*A-P////2*  EEPAHOAUJPOC 

noceiAUUNSioY 
nn  a//////7ioy-        n- AiAiocePMGPUJC 

25       A  H  M  H  T  /////  E  I  nNOZ  lOYAiOC  hP  A  K  A  6  1  A  H  C 

t-*aey//Ah2  IAAPIUJNAOYKIOY 
,                                  /yP I 0  Y  A  '  XPYSOrONOC 

AlONY^  /  /  /AnTIOY  

,  AYP  lOYA-   ICTIO^/ 
AY"/n.NHAEI 

'  *AABI02  ICx/ 

EPJWOAnPO20EOAOTOY  ^yp.  ^©„^ 

30      NE1KO2TPAT02  MAPKO^'        /    M     Ay 

nONTIKoS  EPMOAaPOY 

XPYSAflN    AXIAAA 

ctYZIAEPAYKOY 

ZKEiniHNnONTI  K^V 
35      OKAinONTIKOZ 

nozEiAUJNiocn^ 

AYP  •  AAESANAP( 
AYP-YreiNOC 
T-  4>A-  EYTYXF^ 

'A-faGfii  Tuxni- 
Tirep  T\\c^  Tujv  eeioxdxujv  auTOKpato- 
puuv  Tuxn?  Te  Km  veiK^q  Kai  aiujviou 
biajuovfiq  A.  XeTTTi^iou  Ieou)ipou  TTep- 
5       TivaKO(;  Kai  M.  AufpnXioJu  'AvTwveivou 
TT|apei]KUJV  |Vliib[iKa)v  BpiTav]viKU)V 

1 1 1 1 1 1  n  1 1 1 1 1  '<«!  '^^'i'^  [MnTpö<s  'lou- 

Xia<;  AuToucmi?  Kai  xoO  (JLiv[TTavTO(^  au- 

10  TUJV    OIKOU    Kai    UTTep    TOÖ    bieTTOVTO^    [A^^V' 

eTTOtpxeiov  ÜTraxiKoO  'Oouiviou  TepxuX- 
Xou,  Tuuv  niueTv  x<fi)v  bujpeav  bebtuKOXOJV 
T.  OX.  laXXouaxio«;  —  Ndvac;  Gedbujvo^ 
T.  OX.  laXßiavoq  —  \xr\x\w  bevbpoqpöpujv 


46 

15       TTuuWiujv  TTaiXXiuuvoc^,  xepevc,  —  IT.  AiXia  'OXu)li- 
'AxiXXeu(g  'AxiXXä,  Trairip  —  TT[ia]  dpxipaß- 
'^\eEavhpo(;  "Hbei  dpxibevbpocp|öJpo(;  —   (ß)bouxiö'ü 
'AXeSavbpoq  'AXeEdvbpou  dpxibevbpoqpöpoq 
AiiLif|Tpi(;  'A^(piovib[o]u   —   BacriXiKÖi; 

20       TTocreibüJVio^  TTüjttujvoc;  —  'AXeHdvbpou 
Toüpßujv  Aiovua[iou]  —  OXdßioq  Zu|u- 
"Avbpuuv  AovT[eivo]u  —  cpopo(;"  Aup(riXiO(;) 
T.  0X.  0....^  —  lepaTTÖbuupoq 

TTuuX[Xi(juv  . . . .  lou  TToaeibuuveiou 

•25       Aiif.iiiT[pi(;]  .  .  .iuuvo(^  TT.  AiXiO(; 'Epfie'puuc; 

T.  0X.  EO[Tux]n<;  'loüXiog  'HpaKXeibiic; 

Aiovua[ioq]  AujTiou  'IXapiuuv  Aouki'ou 

Au,  .uuv  "HXei  Aup.  'louX.  XpucroYÖvoq 

'Epfiöbuupo^  GeobÖTou       Aup.  'louX.  "\aiioc, 

30       NeiKÖ(JTpaTO(;  MdpKOu         ct)Xdßio^  "laiioq 
TTovTiKÖ(;  'Epiaobojpou         Aup.  'A0ri[vaTo(;? 
Xpucrduuv  'AxiXXd  |Lia 

cpucTi  be  fauKOu  sie 

ZKemiuuv  TTovtik[ou 

35  Ö    Kttl    TTOVTIKÖ^ 

TTocreibuuvioq  TT[ujttuuvo^?J 

Aup.  'AXeSavbp[o<; 

Aup.  'Y-feivög 

T.  0X.  EuTux[ri<; 
In  Z.  7.  8  ist  der  Name  von  Geta  iictilgt  worden.  —  Ovinius 
TertuUus  war  in  den  Jahren  200  u.  201  Statthalter  von  Nieder- 
mösien;  v«;!.  die  unter  ihn  fallenden  Inschriften,  die  in  dieser 
Zeitschrift  VI  S.  13  n.  23  und  VIIL  S.  29.  30  n.  5.  6«  publicirt  sind.  — 
In  der  Liste  des  Collegiunis,  die  mit  Z.  13  beginnt,  sind  in  der 
Columne  links  zunächst  zwei  aufgelührt,  die  ihrem  Namen  nach 
römische  Bürger  sind,  darauf  ein  lepevc,,  ein  irainp  (nämlich  bev- 
bpocpdpuuv)  und  ein  dpxibevbpoqpdpoq;  in  der  Columne  rechts  stehen 
die  Namen  von  zwei  Frauen,  von  denen  die  erste  juriirip  bevbpoqpö- 
püuv,  die  zweite  dpxipaßbouxiö'a  heisstj  letzteres  ist  wohl  als  Particip 
von  dpxipaßbouxeiv  aufzufassen.  Es  folgt  in  Z.  18  über  die  Breite 
des  Steines  hinweg  ein  zweiter  dpxibevbpoqpöpoq.  Den  Schluss  bilden 
die  übrigen  Mitglieder  des  CoUegs  in  zwei  Columnen :  entweder 
römische  Bürger  mit  den  Gentihiamen  Iidius,  FlaviuH,  Aeliiis,  Au- 
relms,    oder  Nichtrümer ,    die   neben  ihrem  Namen  den  des  Vaters 


47 

angeben;  in  dem  Namen  Aup(riXioq)  IepaTT6bujpo<;  nocreibiuveiou 
(11  Z.  22—24)  scheint  eine  Vermengung  des  Ausdrucks  vorzuliegen. 
Augenscheinlich  ist  die  Inschrift  von  mehreren  Händen  eingegraben, 
aber  eine  genaue  Scheidung  derselben  ist  wohl   schwierig. 

58.  Bruchstück  einer  ähnlichen,  aber  nicht  derselben  Marmor- 
tafel, gleichfalls  in  Küstendsche  gefunden  und  jetzt  im  Museum  zu 
Bukarest.     H.  O'IS,  br.  0-14. 


öioq  lepei 
MjapKoq 
oq  'louXiavoO 
Oua\e[p]iav[o 
ujv]  OuaXepia 
oq  Ai)Ed[v 


59.  Fragment   aus    Kalkstein,    gef.  zu  Küstendsche;   jetzt  im 
Museum  zu  Bukarest.     II.  0-15,  br.  017, 


_^4l  E  P  T  ■ 

\BHNI  K  O Y 

\IAIUJN10YAIA 

\  lOYANTUUNElNoY 

//////////  KAIEAPOX    KAI 

,_AYrOYCTHE-KAIlE  PaC 

hPUUNETPATE  YMATUJN 

'lAIUJNKAlBOYAHEKAIAH 


10 


10 


OKAIAEUUNnP 
^Tl  r_S  o  Y.U-£ ' 

leTTTifiiGU  leoui'ipoul  rfepTi- 

vaKO^  leßacTToO  'ApaßiKoO  'AbiJaßnviKoO 

TTapeiKoO  ^e-fif^Tou  KJai  aiujviou  öia- 

ILiovfiq  MdpKOu  AupnjXiou  'Aviujveivou 

leßacTToO  Ktti  TT.  lerrT.  rexq]  Kaicrapo^  Kai 

auvTidcrnq  oiKialq  Autoucttik  küi  xefmc, 

ö-utkXiitgu  Ktti  ijepiliv  cTTpaTeuf-ittTiuv 

Küi  bniuou  'Paj|Li|aiuJV  küi  ßouXfiq  küi  br|- 

jLiou  Tfiq  |Ln-iTpoTr6jXea)(;  Tofjeinq 

ö  Ktti  Aeuuv 


48 

60.  Tafel   aus   Marmor,    gef.  zu   Hasiduluk ,    Kr.  Constantza, 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


ArNONYFEPeiASOIOnYPIBPOMESOITC 
\nP0NAn02*ETEPA2nrA2ENEPn 
AYZTIKONEMBAKXOlZIAAXriN  2T  E4)0'> 
TAPMIAOSAPXAIHNAEIKNYMENOZT 
AAAAZYTAYPOKEP.aSEPMATENEOSXEi 
1e  S  A  I  KAIFAZOYZSnZElEPONeiAZ 

[     'Atvöv  uTtep  Gidcroio,  Ttupißpo^e,  ao\  Td[b'  uYaXjua 
bÜLjpov  ttTTÖ  acpeiepäq  uj-rracrev  ep[Taaia<; 

u]uaTiKÖv  6)11  ßaKXOiCTi  Xaxoiv  orecpo[q   

TTjdpiaiboc;,  dpxauiv  beiKV\jjn6V0(;  T|eXeTiiv 
"AXXd  au,  laupoKepuuc;,  'EpjuaTe'veoq  xe[pö<;  ep'fov 
bjeEai  Kai  TTadoOt;  aüiJZ:'  lepöv  eia(T[ov. 

Der  Sohn  des  Parmis  weiht  dem  Stierbakchos  als  Priester 
eines  bakchischen  Thiasos  der  Paso  eine  Statue  aus  dem  Erträgniss 
seines  Gewerbes. 

Am  Ende  von  Z.  3  kann  nichts  anderes  gestanden  haben,  als 
der  Name  des  Weihenden.  Für  die  unschöne  Verlegung  des  Vater- 
namens in  die  folgende  Zeile  fehlt  es  nicht  an  Belegen,  z.  B.  Anthol. 
Pal.  VII 470  (Meleager) :  eiTTOV  dveipO|Lievuj  riq  Km  xivo^  ecTCTi;  0iXauXoq|l 
EuKpaiibeuu,  vgl.  Anth.  VII  5,  3;  Kaibel  n.  445. 

)iiu(Ttik6v  Xaxüjv  oiecpoc,  verstehe  ich  von  der  Uebernahme  der 
Priesterwürde,  vgl.  z.  B.  Ausdrücke,  wie  Aiöc,  toO  TToXie'ujq  dvaXaßibv 
0Te(pavov,  TÖv  eTTUJVU)Liov  Tr\c,  KÖXeuj^  'AttöXXujvo«^  dvabeHd|Lievo(;  aie- 
qpavov  (Inschr.  von  Istropolis,  arch.-epigr.  Mitth.  V  S.  37  Z.  19  ff.). 
Als  BdKXOi  werden  hier  die  Mitglieder  des  Thiasos  bezeichnet,  cf. 
schol.  Aristoph.  Eq.  409:  BdKXov  ou  xöv  Aidvuaov  |ii6vov  eKdXouv, 
dXXd    Ktti    Tou(;    leXovvTac,   rd    öpTia,    vgl.  Eurip.  frgm.  475,   10  ff.: 

laiKJTri?  T€vö)ariv (Kai)  ßdKXO<;  eKXiiGnv  ömoiGeiq.  Heraclit  frgm. 

124  Byw.  Das  iuucttiköv  aiecpo«;  findet  seine  Erklärung  in  der  Stelle 
des  Harpocratio  s.  v.  AeuKii  •  Vn  rd  ßaKXiKd  reXouiiievGi  rrj  XeuKi^  crie- 
(poviai,  bid  t6  xöoviov  eivai  tö  cpuTÖv'  verbunden  mit  der  Notiz  bei 
I^^okker  Anecd.  p.  279:  fi  Mdpaeot;  Kai  n  XeuKii  cpucfei  fiuariKd  tan. 
Vgl.  auch  Kaibel  153,  11:  lT£|U|ia  be  )lioi  TrXeEavTo]  Aiujvuaou  eiaaujiai. 

Unter  TeXeni  V.  4  sind  wohl  die  reXerai  inuarripibec;  BdKXOu  zu 
verstehen ;  beiKVU|aevoq  ist  activ  zu  fassen,  wie  nicht  selten  in  Poesie 
und  Prosa,    vgl.  z.  B.  C.  I.  A.  II  323:   tö   koivov  tö  tujv  AitujXüjv 


4Ö 

dTTob€iKVU)uevov  ifiv  7Tp6<;  Touq  Geou^  eucTeßeiav  und  das  Epigramm 
auf  der  Nikeratosbasis  (Loewy  147)  Z.  5:  oi  he  xepuJV  rexvaq  beiK- 
vü)iievoi  crcpeiepaiv. 

Zur   Ergänzung    X^po?  epTov    in    Z.  5    vgl,  Kaibel  569:    rrpiu- 

9rißr|v    eil    KoOpov    luoTpa    Ku9eT\e    ßiou ,    iroWd    (yoq)r\q    X^pöq 

epya  XeXomÖTa  und  die  von  Goniperz  publicirte  Bronzeinschrift  von 
Dodona,  arch.-epigr,  Mittli.  IV  S.  59:  öpYava  X^ipöc;.  Nennung  des 
Iviinstlers  finden  wir  auch  sonst  nicht  selten  in  den  Schhisszeilen 
von  Votivepigrammen,  vgL  Anth.  Pal.  VI  337  (Theocrit) :  'HeTiuuvi 
xdpiv  yXacpupäc;  x^po^ä  axpov  uttoctto«;  juiaööv;  VI  139.  153. 

Z.  6  ist,  wenn  mir  nichts  entgangen,  das  erste  Beispiel  eines 
nach  einer  Frau  genannten  Thiasos  gegeben.  Giacroi,  die  nach  den 
Namen  ihrer  Gründer  oder  Leiter  genannt  werden,  sind  sonst  nicht 
selten,  vgl.  die  teischen  Inschriften  Bull,  de  corr.  hell.  1880  S.  164. 
176.  (Weitere  Beispiele  sieh  in  den  von  Foucart  associations  reli- 
gieuses  gesammelten  Inschriften  n.  33.  36.  37.  41  u.  a.)  Ich  sehe 
hierin  aber  keinen  Grund,  an  der  Richtigkeit  der  Lesung  Tlaoovc, 
zu  zweifeln. 

Die  Anrufung  TaupoKepiJU(;  gibt  Aufschluss,  wer  der  Trupißpo|no^ 
Z.  1  sei.  Wir  kennen  das  seltene  Wort  als  Epitheton  des  Zeus 
und  des  Eros  aus  den  orphischen  Hymnen  (XVIIII,  2;  LVII,  2); 
ferner  findet  es  sich  bei  Nonnus  Dionys.  14,  229:  TrdvTuuv  b'  fiye- 
)Liöveu6  TTupißpo|uo(;  ElpaqpiuüTriq.  Eiraphiotes  ist  aber  auch  ein  Bei- 
name des  Dionysos,  aus  derselben  mythologischen  Sphäre.  Tima- 
chidas  in  seinem  Commentar  zu  Aeschylus  (zu  Aesch.  Sept.  207) 
erklärte  das  verwandte  Wort  TTupißpe|ueTa^  als  6  rrupi  ßpe'iuuuv,  i] 
biu  TTupöc;  ßpt,uovTO(;  Y^TOVUjq  (Hesych.  s.  v.).  So  mag  es  denn  nahe- 
gelegen haben .  den  Aiövuaot;  epißp0)U0(;  TTUpi^evric; ,  den  Sohn  der 
Semele,  auf  deren  Grab  fortwährend  die  heilige  Flamme  lodert 
(Eurip.  Bacch.  2.  590),  mit  dem  Beinamen  TTupißpoiiio^  zu  bezeichnen, 
und  wird  diese  Bezeichnung  im  Mysteriencult  wohl  häufiger  gewesen 
sein,  als  die  spärliche  literarische  Ueberlieferung  ahnen  lässt. 

Zu  crqpeTepaq  als  Possessivpronomen  des  Singulars  vergl.  u.  A. 
Kaibel  452.  Athenaios  I  196,  App.  Plan.  206.  Dass  der  Name 
TTdpiaK^  auch  im  griechischen  Norden  nicht  ungebräuchlich  war,  be- 
weist die  Inschrift  von  Olbia  bei  Latyschew  114  Z.  33.  Die  Genetiv- 
fonn  TTdpiuiboq  steht  durch  die  teische  Inschrift  C.  I.  G.  3117  fest. 
Dagegen  vermag  it;h  den  Namen  'Ep)uaYev»]<5  sonst  nicht  nachzu- 
weisen ;  die  Wortbildung  selbst  lässt  sich  aber  genügend  rechtfertigen. 

E.  RKISCH 

Ärihäologis(h-et)ii;i';iiiliiKclio  Millh.    XI.  4^ 


50 


61.  Postament  einer  Statue  aus  Marmor;  gef.  zu  Küsten dsclie, 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


YATPAIANOY 
OYSriTHPIAZ 
MHZKAIT-  cJ>AT 
TUN  AHMn 
<t>EPnZAN  * 


uTTep. .  .Ne'pojua  TpaiavoO 

Zeßaarjou  öujTripiai; 
?  'Ep]|ufi(;  Ktti  T(iToq)  0X(douiog)  T(itou) 

v{\öq)  ?  KaTTiJTUJV  bti|uuj 
?  To)LieiTijuv  d](p(i)epuj(Jav 


62.  Marmorfragment,  h.  0'15,  br.  0*18.    Gef.   zu   Küstendsche, 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


10 


r  I  p  o  c 

r   ■  i 

!V  N  I  n  A  T  I  A, 
-.•P  YNAONTI  ii) 
I  M  r  6  N  O  VAIN 
I   A    A   A   M    A 
4>AA-  M  APKIA| 
NE  E'P  B  A  E  E  O  e1 
KACICEYNO  yI 
i:YEXH/N*r/;//OY^ 
\    --//// TYAAOE-I  ////T 


63.  Marraorfragment;    gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest. 


64.  Deckel  eines  kleinen  runden  Thongefässes  mit  umlaufender 
Inschrift;  gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


l YOAHIMITi 


[Etwa  (JTi)u()a)i  'Hboöq  die  Schminksalbe  der  Hedo.  Die  Schrift 
ist  wohl  deshalb  linksliiufig,  weil  sie  in  der  Stempelhohlform  die 
gewöhnliche  Richtung  hatte.     0.  B.] 

O.ö.  Fragment  aus  Sandstein,  h.  0*18,  br.  014,  d.  O'lö.  Gef. 
zu  KUstendsciie,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


PflAAEEANAPl 


51 


66.  Marmorfragment;   gef.  zu  Küstendsche ,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest. 


/-  A  A  •  MA 

n  •  A  1 A 

AEI  ATI 

A  I  A  IT  A  AI 

M- AYH- A 

AOYK  •  m ' 

YA  •  M 


67.  Marmortäf eichen,  auf  welchem  eine  Frau  mit  einem  Hund 
oder  Löwen  dargestellt  ist.  Gef.  ausserhalb  Küstendsche's  sammt 
acht  Todtenurnen  voll  verbrannter  Menschenknochen;  jetzt  im  Mu- 
seum zu  Bukarest, 


I  enHKOO)  K  A  I  v 

[      TUJNAECnOT 


eTTriKOUJ    Kttl 

TUJV    be(TTTOT[uJV 


68.  Fragment  aus  Kalkstein,   h.  0-.34,  br.  0-32.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


e  N  M  o  I 

^6  S   1   A 

\  T  6  I 

\ 
\   € 


69.  Fragment  aus  Sandstein ;    gef    zu  Küstendsche,   jetzt    im 
Museum  zu  Bukarest. 

N   O  Y  Z   '; 
A  H  201 

A_P__PJJ^ 

70.  Tafel    aus   Marmor,    h.  0-24,  br.  0:30,  d.  008.     Gef.    zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

1 

H^    N     T 
\.  INEIKO  Y*!' 
'■  H  E  1  E    T  1-N  E 
5         'IaN  A  E  K  T^N 

\APlANOn  ■  B  •  N 
'  r  1  M  A  X  O  E  ,' 


|UUJVa    CK    TUJV 

'AJbpiavöi;  ß' 
Ajuaijuaxot; 


4* 


5ä 


71,  Fragment  aus  Sandstein,  gef.  zu  Iftüstendsche. 

I      IUI       M 


llIAE     AVG 
\ — T_n  S  I 


72.  Marmor,  li.  0G4,  br.  0-19,  d.  O'IS. 


lEPEIMEnSTaAHMAl 
TOMEITHN 


dpx]iepei  jue-fiaiLu  b»i)Lia[pxiKfi^  ilova'xac,  . 
TojueiTUJV 

73.  Fragment  aus  Marmor,  h.  0*26,  br.  0-12. 


T  O  Y  /'i 

TO  ^E 

m  HaC 
T  H  n! 

AE  r  ,' 

O  Yl 


74.  Fragment  ans  Sandstein. 


E  B  A  o  yi 
AlONY 


75.  Fragment  aus  Marmor. 


^'iv\  A  A  N 

'a  Z  A  M  E  I  N 
O  Y  X  P  O  N 


76.  Sandstein,  h.  0-60,  br.  035,  d.  U'23. 


B 

DE    SV 

C  VR 


53 


77.  Marmor,  h.  007,  br.  0  05.    Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


N. 

H 

2- 

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O  Z 

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Y  I 

M  H 

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PO  2 

TON 

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E  * 

Ai]o(JKOu[pib. .  . 
Ari])uriTpio  . . . 
?  TTjpiJUTO(;  Tr). 


7y.  Marmor,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


IC  KAI  F.niLHl 
HEYMBIOEf 
HKAIONH/ 
P   ZFriEl 


Ktti  tTncri'i[)ii 

n  (Tu)Lißio(; 

11  Kai  ö  YVii[cri 


79.  Fragment   aus  Kalkstein  5    gef.  zu  Küstendsche,   jetzt   im 
Museum  zu  Bukarest. 


fl  P  A  1 
/uU  N  O  ■«'/ 
T  OY  "« 
\  N  O 

5  O    V 


80.  Fragment  aus  Sandstein,  h.  0-16,  br.  0-18,  d.  0-10.     Gef. 
zu  Küßtendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


81.  Fragment  aus  Marmor,  h.  0-15,  br.  0*40,  d.  Ol 8.    Gef.  zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


AHM 
*    E  / 


82.  Auf  einem  Architrave  aus  Marmor,  h.  0"53 ,  br.  0'60, 
d.  0*23;  die  Höhe  der  Buchstaben  O'IO.  Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest. 


e  M  c   V I  o  ^ 


54 

83.  Fragment  aus  Marmor,  h.  010,  br.  O'IO,  d.  006.    Gef.  zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

EKAIt- 
l'ElKHrov)  VJeiKllTOU 


POCTi, 


84.    Fragment    aus    Marmor;    gef.  zu   Küstendsche,   jetzt    im 
Museum  zu  Bukarest. 


"  H  K  A  I  Y  1 

85.  Fragment  mit  grossen  Buchstaben,   gef.  zu   Küstendsche. 

j  AIAUJAe  I 

86.  Fragment  aus  weissem  Marmor,  h.  0*07,  br.  0'08,  d.  0'05. 
Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

\  A  I-HOY 


87.  Fragment  aus  Marmor,  h.  O'IO,  br.  0*18,  d.  005.  Gef.  zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Oben  sieht  man  den 
unteren  'J'heil  einer  Büste,  die  Hand  in  einer  Draperie  eingewickelt. 


M  O  C  0 
JNOYE 
iZ_Ll  r  a 


Anl^offe- 

e]vou? 


88.  Fragment  aus  Marmor,   Basis  einer  Statue.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


A  A  NIVN  n    -  A/ 


89.  Fragment  aus  Marmor,  gef.  zu  Küstendsche. 


a)N   CS 

Y  ACEI 


90.  Fragment  aus  Marmor,  gef.  zu  Küstendsche. 


55 

91.  Fragment  aus  Marmor,  h.  0-44,  br.  O'Sl,  d.  0-17.  Gef.  zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

3  4.IMCJ  Tp]0(pi|U0.. 

I  A  n  r' 

92.  Marmorfragment,  gef.  im  Meere  bei  Küstendsche  ^  jetzt  im 
Museum  zu  Bukarest. 


93.  Marmorsäule. 


94.  Marmor. 


ONIE 
m  I 


OP  I 

ie  TT 

ZA 
ZAN 
|eK  JVE 
[nUJ  N 
l  I  O  ^1 


YAH0H 


95.  Sandstein. 


A  I  O  u  / 
OnAONTEIi 
\MM ATE 
vpdjpONT 


XiO(; 

oc,  AovYei[vo^ 
Yp]a|U|uaTe[Li<; 
A]Lip(riXioq)  0p6vT[ujv 


96.    Fragment    aus    Sandstein,    h.    0-23,    br.    0-20.     Gef.    zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


OIKAIZOI 

\eixon 

|0  <t>  I  iw 

VnE 

'\  A  A  n 

POKA02 

m  *  E 1 M 

Tp]o(pi)Li- 


TT]p6kXo<; 


56 

97.  Marmorfragment,  eingemauert  in  einem  Gebäude  der  Strada 
Romana  in  Küstendsclic.  Die  Inschrift  cntliält  schöne  und  tief  ein- 
gegrabene Buchstaben. 

OEn 

) 

rcsiOYI 

98.  Fragment  aus  weissem  Marmor,  h.  030,  br.  020,  d.  0*15. 
Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Jkikarest.   Sicher  metrisch. 


Kl 


99.  Fragment  aus  gewöhnHchem  Stein,  h.  0-18,  br.  018,  d.  O-OS- 
Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Oben  sieht 
man  Spuren,  anscheinend  eines  Dreifusses    und  eines  Todtcnmahls. 


,    YEYKAnii;T02n 

2AF  YSOK  AITOM  E 

iZETOMMl  ME.1  ONtf 

,T  H  [•  V  N  A  1  K  I  B  A  A  i; 

f 

STH  X  e 


Eufc'\Tno'TO(;   n....aaeü(;   ö  Kai   Tojufc[0(;   . . .  .taTiijcrt   tö 

)iivii)aeiov  ..  TV)  -fuvaiKi  ßXdafiiic;   ....ijauic;. 

100.  Fragment  aus  Kalkstein,  h.  006,  br.  O'IO.  Gef.  zu 
Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.    Vielleicht  metrisch. 


t  n  AM  E0AI1  :  1: 
KA  1  MO  IX  HMAF 

/ilATOo   OKXn 

I 
IMONAoAAAAiY 


,  Ktti  |uoi  cffiua. 
,  aaio  ÖKTÜu. . . 
, |jüva  aWu  au. 


57 


101.  Marmorfragment,  h.  0"07,  br.  012.    Gef.  zu  Küstendsche, 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

NAELOP  A  E  n  A  P| 
jTEYHENEPUJTIEO. 
N^ETEPOET  lELOlM 

Metrische  Grabschrift;  merkwürdiger  Weise  auch  die  Zeile  3 
beginnende  Strafandrohung  metrisch : 

)]]v  b'  e(Topä<;  Trap[obeiTa  .  . . 

TeOHev  "EpujTi  ao[pöv  -^  ^-^  ■^  — 
av]  b'  eTepd(;  ti<;  crujju[a  Ti6ri  . . . 

102.  Fragment  aus  Sandstein,  h.  0-25,  br.  0-48.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


Yi'lrON02AE^O^ 


MO  lOETOl  E^N^2  c) 


KO  ixYiONonniFj 


)uoi  öeTo  fK]e[i]vriq   .  . 

KOXC,    UIÖV    ÖTTUU^    CK.  . 


lOo.  Cippus  aus  gewöhnlichem  Stein,  h.  0'8ö,  br.  043.  Gef.  zu 
Küstendsche.  Sammlung  des  Herrn  Cogalnitscheano  zu  Küstendsche. 
Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.    Z.  4  nach  n  alte  Beschädigung. 


^A    • 

KATYAA  OE 

Z  WN 

KAI   *  P  O  N\N 

anecth2:aton 

A  N  A  P  I  A  N  ///;  T 

THE 

0  Y  r  A  T  P  O  L 

M  O  Y 

KATYAA// 

<I>X.  KdTuXXoc; 
Z^üJv  Ktti  qppovüüv 
dvecrincTa  röv 
dvbpidvT[a 
tf\c,  eu-fatpoi; 
)uou  KanjXXü[^ 


104.  Fragment  aus  gewöhnlichem  Stein,  h.009,  br.0"20,  d.0'40. 
Gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


XaTpe  iTTapobiia 


105.  Fragment  von  gewöhnlichem  Stein,  h.  0*05,  br.  O'U. 
Gef.  bei  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Es  ist  voll- 
ständig an  der  rechten  Seite;  die  linke  Seite  fehlt,  ebenso  der 
Anfang  und  das  Ende. 


58 


|!  E  1  A  n  0 
p  JVE  1  T  I  2C  l\ 
YPIZKOKAA 
H  »E. 


T]o|ueiTiq    fU 
VI]  ZoiTTJupiaKüu  KaX 


I  O  Y  A  N 

-  0  E  n  N 

EETEEAY 

l  Z  Y  M  B  1  o  Y 

K  N  O  N 

106.  Fragment  aus  Sandstein;  gef.  bei  Küstendsche,  jetzt  im 
Hause  des  Herrn  Cogalnitscheano  zu  Küstendsche  eingemauert. 


aujLißiou 

Te]KVOV 


107.  Fragment  aus  gewöhnlichem  Stein,  h.  0-11,  br.O'lB,  d.  005. 
Gef.  bei  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


Krauz 


108.  Fragment  aus  Stein  ;  gef.  zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum 
zu  Bukarest. 


/// 
1 

0  A 

1 

A   E 

K  I  T 

A  O 

n  I 

I  Vi 

/A 

tv]edbe  KiT(e)  AoTTi   . 

^  , 

109.  Desgleichen. 

^ 

1 10.  Desgleichen. 


59 


111.  Desgleichen. 


M  A  P  K  /// 
;IATPE1N  H 
l\  A  H  A  O  Y  Z 

/ywhpazan 

V--  ^  Y  T  C 


d]X\r|Xou(; 
ö]vvjr\päoav[iec, 
eauT[oi(; 


112.  Desgleichen. 


113.  Desgleichen. 


ratojpveivri 
Xaipe  TTa]pobeiTa 

114.  Frcagment  aus  Sandstein,  h.  l'O,  br.  OiiO,  d.  0-40.     Gef. 
zu  Küstendsche,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


E  I  T  H  2       BOY 
1N<A'E2KEYA2EN 
VI  O  NC  A  I    T  PNI  Y 
AIKUAMATIXAIPE 
'nAPOAEITA       c 


?  To|u]eiTri<;  ßou[XeuTri(;  l](by  KaieaKeuacTev  [töv 
ßuL))u]öv  Ktti  TX]v  TTu[e\ov  Tvi  yuvjaiKi  'IdjuttTi.  Xaipe 
Trapobeira. 

115.  Basis  aus  Marmor,   Umfang  1*85,  h.  0*60.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

SnZIKPATHS 
2  n  Z  I  K  P  A  ToYS 
E  N  0  A  AEKE  IMA  I 
ZH2A2ETH-K- 
5      XAIPE  HA  PoAElTA 

TujcriKpdTri^  ZujaiKpdTou(;  evGdbe 
Kei)Liai  Z;iiaa(;  eTr]  k'*  xcnpe  TTapobeita. 

116.  Sandstein,    gef.  zu   Küstendsche.     Jetzt   im   Museum  zu 
Bukarest. 


60 


t  e  N  O  A  A  (-. 
K  A  T  A  K  1  T  6  M 
Al'OYejoN  AY 
Ol  MH  N  ON  •  I  •  H 
I  A  0  Y  r  A  T  H  P 
1  UU  A  N  N  O  Y  n 
1'  A  r  M  A  T  6  Y 
TOYATIOYIO) 


t  'EvBdbe  KaTotKiTe  Mdpou 
eT[üJ|v  büoj,  |unv[iL]v  i,  fi()aepujv) 
ib,  öuYomip  'luudvvou 
TrpaYMaTeuTOÖ  dTiou  'luu(dvvou) 


117.  Fragment  aus  Marmor,  h.  020,  br.  0*36,  d.  011.  Gef. 
zu  Küstendsche ,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Die  Inschrift 
scheint  nur  an  der  rechten  Seite  unvollständig. 


AIAIA  ■  lOYAIAN-i  T 
TATn-YinMnY-  AYP- 
NoY  •  K  A-ESKKv////^ 
T  H  X    Z  H  2 


Ai\(a  'louXiavn  t[lu  y^uku- 
xdTLU  Ulli)  |uou  Au[pri\iuj . . 
vou  KaTe(TK€u[a(Ta  . . 
Tti<;  lr]a[avT\. . 


118.  Fragment  aus  Marmor,    h.  O'IO,  br.  0-12.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


Blalt 


119.  Marmor,  h.  0-41,  br.  0"27,  d.  0*22.  Gef.  zu  Küstendsche. 


UJ 

\ 

— \ 

0 

H<  W  K 

^\ 

tAYTUJKEY^ 

TfEAN-l 

ON 

Z 

h:  A  N 

T.j 

UllKllV.  . 

tauTUJ .  . 
Ti'iaavTi. 


120.  Fragment  aus  Marmor,    h.  O'IO,  br.  010.     Gef.  zu  Kü- 
stendsche, jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


61 


121.  Marmorstein  von  etwa  028  Breite;  gef.  zu  Küstendsclie, 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Unterhalb  eines  Giebels  die  liier 
nach  einem  Abklatsch  wiedergegebene  Darstellung,  darunter  ein- 
facher Rand. 

••TOP_mAA^  ,,'-L^ 


[Zu  erkennen  ist  wohl  eine  der  vielen  künstlerischen  Umbil- 
dungen des  christlichen  Monogramms.  —  Die  Inschrift  ist  vielleicht 
TopmXXa  eTncpavi<j  (=  emcpovrii; ,  eine  Rangbezeichnung)  (eiiLv)  Ke 
zu  lesen.    A.  d.  R.] 

Nachtrag. 

XV.  Kreis  Constantza. 
122.    Fragment    aus    gewöhnlichem    Stein,    h.  0*63,    br.  0'47, 
d.  0'45.    Gef  bei   Hassiduluk,  Kr.  Constantza;  jetzt  im  Museum  zu 
Bukarest. 

n\  Cv^ 

m/,  /qv 

H  O  N  MTTTi  B  V  L 

5         TOMANLXVST/ 

T  V  A  M  V  S  P  S  E  C^-  ^ 

d[         ^»   1  E  TATEN 


Z.  3  ff.:  e]qu[est(ribuis)]?  /ion{oratus)  mil[itiis)  et  hul{enta)  To- 
m(itanorum)  an{norum)  LXV  statuam  v{ivus)  s{ibi)  p(osuit)  secund[um] 
pietatem 


62 

123.  Tafel  aus  Sandstein,  ll.  046,  br.  0-75,  d.  0-25.  Gef.  zu 
Kassapkioi,  Kr.  Constantza;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

/  /  B  R  A  E  M  V  b  TTv  V  O  R 
VET-LEGV-MAC-Mll 
AN-XXVI-   VIXIT-ANLX 
VAl.  -INGENVS   Fll.I  VS 
5  ET    HERES    PA  TRI    PIEN 

T  1  S  1  «  O   ET  Fl.A   Fl  R  SIC 

m  A  C  O  I  G  I    B  E  N  E  sie 

viere/iti  posuerunt 
Z.    1    =  Braelius  Favor. 

124.  Ein  kleiner  Altar  mit  einem  Adler  en  face  und  einer  In- 
schrift, h.  0-18,  br.  Ol 2,  d.  01)9.  Gef.  bei  Constantza  gelegentlich 
der  Ausgrabungen  zur  Errichtung  eines  Hauses,  neben  dem  Hause 
des  Herrn  Cogalnitscheano ,  gegenüber  dem  Meere.  Befindet  sich 
jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

THPiJ    Ion  xapi^^JTnpiov 

Adler 

125.  Stele  aus  Kalkstein,  h.  2*26,  br.  085.  Gef.  zu  Ilasancea, 
Kreis  Constantza;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Oben  die  Spuren 
eines  Reliefs,  anscheinend  ein  Dreifuss  und  ein  Todtenmahl. 

MENEOHAoE    * 
Z  H  C  A  E  E  T  H  M  ö 
HCYMBIOCAY  ToY 
0  101  CATT  AAMA 
5     TOICTEKNO  lLO^E 
PATMl  OEKIATTAKAI 
EOZEIM  YOYMENE 
KAEOYC  T  H  N  CTH 
A  H  NANE0H  K AN 
10     MNElAEXAPINo 

XAIPEnAPOAElTA 
Blätter 

Meve'cpn^oq  lr\aaq  ein  m''  n  cruMßioq  aurou  OieicrdTTa  ü^a  roTq 
T^KVOiq  'OvepctTmoq,  Kidita  koi  loZieiMUou  MeveKXeouq  t^v  OTr]h]v 
dve'öriKav  javciaq  x«P'v*  X«>pf  TTapobflra. 


63 


126.  Cippus    aus   Kalkstein,    h.   1*40,  br.  0*60,  d.  O'ÖO.     Gef. 
2U  Karamurat,  Kr.  Constantza;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

r  ■  n  O  N  T  1  O  i:  A  1  K  1  N  N  I  A  N  o  s 
rnONTIO    4>01BIAN0 
K  A  1   r  •    nONTIO  M  A  P  KI  A  NO  * 
TOlZ  AAEA<t>015;TOMN4MIoN 
5       EnOlHZENMNHMHZ 
X   A    P    I   N 

r.  TTövTio^   AiKivviavöq   f.  TToviio  Ooißiavö  (sie)   Km   f.  TTovtio 
MapKiavö  (sie)  xoTq  dbeXqpoi«;  tö  ^vri|uTov  eiroiriaev  Mvrmnq  x«piv. 

127.  Fragment  aus  Kalkstein,  h.  028,  br.  0  35,  d.  0-15.    Gef. 
zu  Palazu,  Kr.  Constantza;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


f      A    1"      L      1     rtl     A     l 

rENOYZreA-EH 

Y  E  A  E  I  A  A  K  A  I  T  O  hE 

ANAEAN.^HEI 

f 

WE  T  E  O  HM  A  U 

IET0TAiVE.10N 

Z.  2:    ...Ye'vou  V\(5(x{<^  l\r\.  —  Z.  4  f. :  e]av  be  dvd^ei  [erepov 
juei'  e]|ne  TeSfivai,  b[ujaeij  \<^  tö  lajueiov  ktX. 

XVI.  Kreis  Hirschova. 

128.  Grabschrift  aus  Kalkstein,  h.  1'02,  br.  0'80.  Gef.  im  Kr. 
Hirschova,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

Verzierung 

D  o  JWß 

Q_e    E  R  V  C  I 

O  V  I    C    T    O 

R  I    ■    M  E  D  I 

5        C  O    •    C^  N_ 

129.  Säule  aus  Kalkstein,  h.  0-65,  Umfang  0*90,  Durchm.  0*25. 
Gef.  im  Kr.  Hirschova,  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

./  ./  ./ 
./  ./  ./ 
/  /  / 


64 

Pn 

Fel\icis 

Tnv\icti 

Aiig\iisti 

Aure\ms 

Castor 

130.  Auf  einem  Topfhenkel,   gef.  zu  Hirschova,  jetzt  im  ]\Iu- 
seum  zu  Bukarest. 

mnhzikae////  Mv)icriK\e[ouq 

*1AoKPAT0y/  0l\OKpdTOu[q 

131.  Desgleichen. 

E  n  1  N  E  1  z  1  em  N[au](Ti- 

2  T  P  ATO  Y  (JTpdTOU 

nA///A0Y  •        na[vd)u]ou 

132.  Desgleichen. 

E  n  /  N  A  Y  2  eTT|ij  Nauö"- 

1  n  n  O  Y  ITTTTOU 

AnpiANio/  'A[-ff)]iaviü[u 

133.  Destrieichen. 


M 

E  r 

n 

im 

- 

O 

C 

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Ko 

i>i' 

e 

UJ 

l 

m 

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> 

O 

N 

ü 

1 

em  MeTUj[v]o<; 


134.  Fragment  aus  Marmor,  h.  0-43,  br.  030,  d.  0  22.  (i«it.  zu 
Dulgheru,  Kr.  Hirschova;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

ATAGH     TYX////  dfüGj^    TUXO.ll 

0EW  Oeiu 

,  n  X  Y  p  w  'IcrxupLu 

(iemcint  ist  wolil  Mithras,  der  <lms  Livictua. 

XVII.  Kreis  Tulcea.  Macin  (—  Armhin»,). 

135.  Statuenbasis    ans    Sandstein,    li.  0-73,  br.  0-<U),  d.  0-47; 
gef.  niciit  weit   von   Macin,  jetzt  im  Museum   zu  Bukarest. 


65 


IVLIAED  O  mnae 
A  V  G  V  S  T  A  vJmatri 
C  A  S  T  R  r/ruvi 
FL-  KE  cjinus? 


XVIIi.   Kreis  Medgidie. 

136.  Fragment  aus  weissem  Marmor,  h.  O'l?,  br.  0-24,  d.  ()*04. 
Gef.  zu  Besiul,  Kr.  Medgidie;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


Part]hici  et  divi  [Nervae  adnepoti.  .  .  .Au]g{usto)  imperat[(y)'i] . . . . 
GeoO  M[dpKOu  AupriXiou. 

1H7.  Fragment  aus  Stein,  h.  O'IS,  br.  011,  d.  0-02.  Gef.  zu 
Besiul ,  Kr.  Medgidie ;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest.  Unten  ein 
Reiter  zu  Pferde  (der  thrakische  Held). 


/  /  /  O  MI    DON 
//l  1  V  S    SE-^ 


[Her\om  Dom[ino]   [Iu]lius  Seve[rus  v.  s.  l.  m.]. 

XIX.  Kreis  Mangalia. 

138.  Fragment  aus  Sandstein,  h.  0*20,  br.  030.    Gef.  zu  Tat- 
ligeak.  Kr.  Mangalia;  jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 

^___,,--^l  1 1  O  2  O- 
AMATPIOY 
_p  AKA6 


. .  .  [A]a|uaTpiou  ....  'HpaKXe.  . . 

XX.   Anadolköi. 

139.  Fragment  aus  Kalkstein,  h.  006,  br.  OiO.   Gef.  bei  Ana- 
dolköi^ jetzt  im  Museum  zu  Bukarest. 


aBin  *  *  IAA 

I  AM.OI  N  EMD 


Aitliäologibcli-epigra.phiscUe  Mittb.  XI. 


66 

XXI.  Karaharmatt. 

140.  Kalkstein,  h.  0-75,  br.  1-45,  d.  060.  Gef.  im  türkischen 
Friedhofe,  neben  dem  Hügel  Karanasup,  nicht  weit  von  Karahar- 
man   (IsfrapoUs). 


KM  ri02    APTEMlAnPOY  T  O  Y ///////_  P  E  Xli 

E.Y0H  N  I  APXO  Y   K  A  I    n  O  A  A  A  K  I  2    EN/ 
*K0YNTA£H:EN0Y2:    ePE^ANTOS) 
/    1   M  n  2  A  P  S  A  N   r  o  >.;  K  A  I  n  P  E  2  >" 

////////////////////////////  T  P  O  -  //// 

///////////////////////////////////// 


KXiTio^  'Apiejuiötjupou  toö  [dpxie]p€uj|"q, 
euGfividpxou,  Kai  ttoWoekk;  ev[oi- 
KOvvTaq  Hevouq  GpevjjavTO(;,  fTrpo- 
[6ü]|uaj(;  apEavTO(;  Kai  TTpe(j[ßei)(JavTO<; 

In  der  fünften  Zeile  ist  wohl  der  Name  der  Stadt  'la]Tpö[7ToXi^ 
zu  erkennen.     Es  könnte  darauf  noch  eine  Zeile  fehlen. 

XXII.  Kloster  Dragomirna  (Bukovina). 
141.  Tafel  aus  Marmor  in  der  Kirche  des  Klosters  Dragomirna, 
nicht  weit  von   Suceava.     Im  Mai    1885  genommene  Copie. 


AeKATHOISYN  EAP  O  I  EI^ 
nEIAHPPESBEYTHZAPOST^ 
EYPOAIi;*!  AOM  H  AO  Y  EIZB  Y   Jv 
TIONKAll'POXTAXHNAABnNE 


rEINAPXlTEKT0NAEMI20n^l 
TOLPIKPATHNOXI'  APA  TENO/ 
NOXl'OAAA  KAIAY2;iTEAHi;YNE' 
AEZATO  nAPATASErAOZEIimr 

10         h  P  I'  a  N  r  O  1  i;  T  E  K  A  I  P  O  II  2  Y  M  1'  E  P  l 
<t>EPOMEN  Oi;TOI2;KATATHM^OAI^ 
TOYilMIZOOYiEAAMBANEN 
OYiOAllMOXHHIOYI'OAEmOYTEl 
r  P  O  i;  A  I' r  E  AOENT  Oi:0  A  ATIKOY       j 

15  I  AP  POl  rO  N  K  A  I  PON  EM  PEIPnZKAl 

npoOYmai;nAPti.KEYAi:E  nonhn, 

XPEIAEIZIETOM  META  TAY  lA 


6t 


40 


XPONONEPIMEA  HTA2EAOJWENOY  I 
TOYAHMOYXriNTEIXnNEIZETH  1 
•20  AYOEPIKAHOEI  SYnOTaNZYNEAPfIN( 
EP  E2TA  THSES  YM<t>EPO  NTnZPA  j 
PEPIAHMnNTEETHnAEin  ANEFKAP 
TOZnNAlETEAEXENKAITAAOl  PAE"*' 
NOYSnNAI  ATEAElXniAH  JWniAOH, 
-^  HIBO  YAHIK  AITai  AHMaiEPAlNEZAl 

^XITEKTON  AEPIKPATHNNIKOBOy// 
I  ANTION  APETHZ  ENEKEKAIEYlli 
'A2TH2E1XTHMPOA1NKAI  XTE*,' 
2A1  A  Y  T  O  N  XPYZni  2TEcl>ANni  Tc/ 
^^  |rHAIOI2ENTni0EATPn[AIAO2l 

'ytiiitetap  xni  zithpezia  kai  j*/ 

EINAIAEAYXni  KAIEKFONOISPPOS 
POAITEIANEI2  PAOYNKAIEKPAOY 
M  nOAE/Wni  KAI  ENEIPHNHI  A£  YAl* 
^^  ZnONAEI  KAI  E<t-OAON  EPl  THmBOY;) 

"ON  AHMON  META  TA  lEPA  TO  AE  1^1/ 


vi  ©INON  YPOTfXN  APXONTHN  KAI  ZT 

!l  A  1  E  NXai  lEPni  TOY  APOAAriNO  S  T 

I 

:N  A  A  n  M  A  T  O  EI2  TON  TEAAMHN  AA 

rOYZOIKONOMOYZA^riNXEIPIXOYZ 

O  I  K  A  AE2AI  AE  AYTON  KAI  EPIHEN     / 

OlEPONTO  Y  A  P  OAAaNOZ^ 


Lorbeerkranz 

lecy 

b]€KdTii(i)  Ol  aüvebpoi  6T[TTav  e- 
TTeib»!  TTpeaßeuific;  dTTO(JT[aXei(; 
EuTToXiq  OiXojLn'iXou  ei<;  Bu[cdv- 

[,      Tiov  Ktti  TTpoaiaxviv  Xaßuuv  GJTTa- 
■feiv  dpxiTeKTOva,  e)Liia0uu|(Ja- 
To  'ETTiKpdiiiv  ö^  7Tapa-fevö||ue- 
voq  KoXXd  Ktti  XucTireXf]  (Juvefre- 
Xecraro  irapa  läc,  eyböaeis  tüj[v 

10  epYujv  roxg  xe  Kaipoic^  au)HTTepi- 
(pepö|uevoq  ToTq  Kaxd  xriiii  rroXiv 
xouq  |uia6ouq  eXd|ußavev, 


68 

ou<;  6  bni^oc;  iiHiou,  TroXejuou  t€ 

TTpocraYTeXöfeVTo^  'OXaiiKOÖ 
15     Tct  7Tpö(;  Tov  Kttipöv  e)LiTreipuu<s  Kai 

7TpoGü|uuu(;  TTapecTKeuacTev  iLv  r\v 

Xpeia,  ei^  le  töju  juerd  laöia 

Xpövov  emineXiiTdq  e\o)Lievou 

Tou  brijaou  TuJv  Teixoiv  eic;  eir) 
20      buo  eTriKXr|6ei^  ijttö  tujv  (Juvebpuuv 

errecJTdTricre  aujucpepövTUJt;,  Tia- 

pembrilLiiJuv  le  eiri  TrXeiuj  dvexKXii- 

T0<;  uuv  bieieXeae  küi  td  Xomd  e[ij- 

vou^  ujv  biaieXei  tuji  ötiiuuji,  öö£[ai 
25      T]fii  ßouXfii  Ktti  TOJi  briiuuui,  knawloai 

dJpxiTCKTOva  'EmKpdTriv  NiKoßou[Xou 

Bu]Z;dvTiov  dpeTfi<^  eveKe  Kai  eu[v- 

oijaq  Tf]^  €\q  TrijLi  ttöXiv  Kai  (JTe(p[a- 

viu](Tai  auTÖv  xpucrüji  aiecpdvuui  To[iq 
30      OapJxriXioiq  £V  tüji  eedtpiui,  biboa[6ai 

be  aJÜTuii  Teidproii  aiTripecTia  Kai  [)ue- 

0u?],  eivai  be  auxuji  Kai  cktövok;  •irpoH[€- 

viav],  TToXireiav,  eicTTrXouv  Kai  e'KTTXou[v 

Kai  e])u  TToXe|uuji  Kai  ev  eiprivrii  d(JuX[ei 
35      Kai  dJcTTTOvbei  Kai  eqpobov  em  rr\}jL  ßou[Xriv 

Kai  t]öv  bfiiuov  lueid  xd  lepd*  tö  be  M^[r|cp- 

lOlxja  TOÜTO  dvaYpaqpfjvai  eiq  TeXa)Li[üj- 

va  X]i0ivov  UTTÖ  tüjv  dpxövTuuv  Kai  aT[a- 

öfivjai  ev  TUJi  lepiiii  tou  'AttöXXuuvo^  t[6 
40      be  d]vdXuu|aa  tö  exe,  töv  TeXajuojva  b[ou- 

vai  t]ou^  oiKOVöjuouq  dcp    iLv  X£ipi^ou(j[iv 

auTJoi,  KaXecTai  be  auTÖv  Kai  em  Eev[ia 

ei^  t]ö  lepöv  toO  'AttöXXluvo^. 
Ueber  die  Herkunft  des  Steines  wissen  die  Mönche  so  viel 
wie  nichts.  Sie  erzählten,  dass  es  der  Grabstein  des  Kloster- 
Architekten  sei.  Das  Kloster  selbst  ist  eine  Gründung  des  rumäni- 
schen Metropoliten  Krimka  aus  dem  Anfang  des  17.  Jahrh.  Die 
Inschrift  ist  schlecht  publicirt  in  der  griechischen  Zeitung  aus 
Leipzig  EznEPOz  vom  15. /27.  März  1885.  —  Das  Decret  stammt 
sicher  aus  einer  griechischen  Stadt  am  Ufer  des  schwarzen  Äleeres 
und  zwar  vielleicht  aus  Callatis,  da  auch  in  dem  oben  S,  33  n.  32 
abgedruckten   Decret  von   dort  die  auvebpoi,  hier  allerdings  zugleich 


69 

mit  den  Strategen,  als  Antragsteller  erscheinen.  —  [Der  in  unserem 
Decret  geehrte  Architekt  Epikrates,  Sohn  des  Nikobulos  aus  Byzanz, 
scheint  sonst  nicht  bekannt  zu  sein.  Wie  er  aus  Byzanz  von  dem 
Gesandten  Eupolis  geholt  wurde,  ist  ähnlich  nach  der  Urkunde 
C.  I.  Gr.  n.2158  (vgl.  Untersuchungen  auf  Samothrake  II  S.  113)  in 
Folge  einer  Gesandtschaft  ein  Architekt  von  Kyzikos  nach  Samo- 
thrake gesendet  worden.  Auch  der  Z.  13.  14  erwähnte  TTÖ\e|uoq 
'OXaiiKÖi;,  der  während  der  Anwesenkeit  des  Epikrates  gemeldet 
VA  urde,  scheint  unbekannt  zu  sein,  und  selbst  der  Name  ist  für  uns 
unverständlich.     A.  d.  R.] 

XXIII.   Karanasib. 

142.  Sandstein,  der  als  Fuss  des  Altars  in  der  Kirche  des 
Dorfes  Karanasib  dient.  ^Spätere  Schrift.  Links  und  rechts  ist  der 
'thrakische  Reiter'  mit  vom  Winde  gehobenem  Mantel  dargestellt. 
Ein  Baum  steht  gegenüber.     H.  0-80,  br.  0*40,  d.  040. 

AioNYciocKAi  H  Aiovucnoc;  Kai  'H- 

POAWPOCOl  pÖbuJpO<g    Ol 

CATYPiujNoc  ZaTupiujvo(; 

KAI  APTEMI  AUJP  Km    'ApTejUlbUUp- 

öocAiONYCioY  oq   AlOVUCTlOU 

ToeproNTOY  t6  epYOV  toö 

ABITUUPIOYKAI  dßlTUjpiOU    Ka[T]- 

ecKeYACAN6K  ecTKeuacfav  eK 

TUJNIAIUJNTHKO)  TUJV    iblUJV    T\}    KUJ- 

10       MH  YnEP  MAFIETPAT  jJLT]    UTiep    jUaTlCTTpClT- 

Hc  n? 

[Das  dßiTUjpiov  in  Z.  7  wird  wie  das  |LiaTicrTpdTri<j  in  Z.  10.  11 
ein  lateinisches  Wort  sein,  abitorium  ist  bisher  nicht  belegt;  die 
Bedeutung  des  von  abire  abgeleiteten  Wortes  ist  wohl  die  gleiche 
wie  in  der  deutschen  Sprache  des  von  dem  entsprechenden  Worte 
abtreten  gebildeten.     A.  d.  R.] 

XXIV.  Meilensteine. 

143.  Meilenstein,  gef.  in  der  Umgegend  von  Cernavoda;  jetzt 
im  Museum  zu  Bukarest.     Höhe  2*10,  Umfang  1-20,  Durchm.  0-35. 

I  M  P  C  A  E  S  L  «;  r  p  T  I  M  I V  S 

severvspivs//rti 


70 


NAXAVGAR  Ao/\DIAB 
1' ARTH  ICVSMAXrON 
ö        MAX    TR  IB  POT  VIII 
I  M  P   X  I   r  P  E 

IMP   CAES  M  AVREL 
ANTONINVSAVG  B 

POT  II   ET 

10    !!!!!!!!!!!!!! I 
1 1 ! !  1 1 1 !  E 

per/ovini        er 
tvllvm  leg 

PR      P  R 

Die  Inschrift  stimmt,  abgesehen  vom  Schluss,  mit  den  in  dieser 
Zeitschrift  VIII  S.  29.30  n.  5.  6a  piiblicii  tcn,  der  beiden  bei  Hir- 
ßchova  j:;cfiindcnen  jMcilensteine  übcrcin.  —  Derselbe  Statthalter 
kommt  auch  in  der  Inschrift  der  Dendro[>liorcn  von  Toini  oben 
S.  44  n.  57  vor. 

144.  Meilenstein,  h.  M5,  Umf.  045.  Gef.  bei  Macin,  jetzt  im 
Museum  zu  Bukarest. 


/\  e  s  s  c 


10 


15 


O  A  V  R  V  A  L 

I  O  C 

1,   E  ' 

r  1 

N    O 

E    T 

M 

R  C    • 

A  V 

'\ 

L      M 

A   X 

1     ' 

I    A 

N    O 

E 

V   A 

I.     C 

O 

V  N  T 

1  O 

E 

q  A  I. 

V   A 

1-  1 

\  A  X 

1   M 

\   N   O 

l^ 

M    P 
1  1  1  1 

/ 

C\ae8s,   Ca[?]- 

0  Ai(r{elio)  VaKerio) 
[Djiocleti- 

[a]no  et  M- 
\(i\yc{o)   Aur{elio) 

1  Va]lierio)  Maxl- 

[Fl{avio)]  Val{erio)   Co[n- 
\jii\antio  et 

Gal{erio)   Val{erio) 

[M]aximi- 

ano 

m{ilia)  j){assimui) 
IUI 


I»cr  SflilusH,    (1(  r    namciitlicli    eine    KoiJie    von    Gevvicliten   enthält.,    soll    im 
nachslrn   Hefte  folgen.      A.  d.  K. 

Bukarest  0.  TOÖILESCU 


71 


Neue  und  revidirte  Inschriften  aus  Ungarn, 
Steiermark,  Krain  und  Kärnten 


Mit  Unterstützung  des  hohen  k.  k.  Ministeriums  für  Cultus 
und  Unterricht  machte  ich  im  Sommer  1885  eine  Reise  nach  West- 
ungarn und  Slavonien,  im  Sommer  1886  nach  Steiermark,  Krain 
und  Kärnten  zum  Zwecke  der  Revision  der  besonders  in  den  letzten 
Jahren  bekannt  gewordenen  epigraphischen  Funde,  die  in  den  Pro- 
vinzialzeitsehriften  und  danach  in  dem  von  mir  (im  VIII.  und  IX. 
Band  dieser  Zeitschrift)  gegebenen  epigiaphischen  Bericht  ver- 
öffentlicht worden  sind.  Bei  dieser  Gelegenheit  revidirte  ich  auch, 
soweit  es  mir  möglich  war,  die  schon  im  Corpus  und  in  der  Eijhe- 
rneris  epigrapJiicd  enthaltenen  Inschriften  und  copirte  eine  Anzahl 
noch  nicht  bekannter.  Bei  meinen  Arbeiten  wurde  ich  von  den 
Vorständen  der  Localmuseen  auf  das  freundlichste  unterstützt,  und 
ich  erfülle  eine  angenehme  Pflicht,  indem  ich  hier  den  Herren  Prof. 
P.  Buräny  in  Steinaraanger,  Prof.  Müller  in  Essegg,  Conservator 
Bergrath  Riedl  in  Cilli ,  Custos  v.  Deschmann  in  Laibach,  Baron 
Ilauser  in  Klagenfurt,  ferner  Hrn.  kön.  Rath  Ivan  Paur  in  Oeden- 
burg,  Director  Lipp  in  Keszthely  und  Advocat  Horvath  in  Fünf- 
kirchen meinen   Dank  wiederhole. 

Ich  gebe  zuerst  die  Inschriften  aus  Ungarn,  dann  die  aus  den 
Alpenländern. 

A.  Neue  Inschriften. 

Oedenburg,  beim  königl.  Rathe  Ivan  Päur. 

I.    Cippus    aus    Kalkstein,    gef.   17.  Mai  1879    in    Szärozvän 

(Mühlendorf)  an  der  Raab  -  Oedenburg  -  Ebenfurter  Bahn;    h.  0"55 

br.  035,  d.  0*10.     Überhalb  der  Inschrift  die  Büste    eines  Knaben 

mit  einem  Apfel,   unter  derselben  ein  freier  Raum  von  025  Höhe. 

V  A  L  E  R  I  V  S 
N  A  T  A  L  I   S 
GAVNI  •   F  !  • 
A  N  N  ■  IUI  • 
5       PATER -POSVI    T 

Z.  5  das  letzte  t  auf  der  Randleiste  eingehauen. 

Valerius  Natalis  Gauni  fi{lius)  anniorum)   IUI;  -pater  posuit. 


72 

2.  Ein  Ziegel;,  gef.  1879  in  einem  Hypocaustum  in  Bodacson 
Tömay;  1.  0-47,  br.  0-33.  Vor  dem  Brennen  anscheinend  mit  einem 
Stäbchen  eingegraben. 

L)A-PRSSTiNTIA:fTRä  Q^V  ä 
R  3    OPVS 

Es  fehlt  nur  das  obere  Ende  des  d.  Die  Lesung  ist  völlig 
sicher,  die  Schrift  ziemlich  sorgfältig  bis  auf  das   i    statt  e. 

Dass  der  Ziegelarbeiter,  der  diese  Worte  bei  der  Arbeit  auf 
den  Thon  aufgetragen  hat,  requere  statt  require  schrieb,  ist  nicht, 
auffallend.  Schwierig  ist  das  ■prestentla.  Gemeint  hat  er  wohl 
pr{a)est(a)ntia  und,  wie  Prof.  v.  Hartel  glaubt,  mit  Adresse  an  den 
Aufseher  oder  Fabriksherrn,  sagen  wollen,  gib  was  den  Unter- 
halt gewährt  [quae  vitam 'praedant)  und  verlange  das  Werk; 
man  darf  vom  Arbeiter  Leistungen  verlangen,  wenn  er  erhält,  was 
er  braucht.  —  Bekanntlich  ist  opus  (doUare)  die  regelmässige  Be- 
zeichnung der  Ziegel  auf  den  Ziegelstempeln. 

Steinamanger,  im  Museum  (bischöfl.  Palast). 

3.  Votivrelief  aus  steirischem  Marmor,  die  obere  Umrahmung 
und  die  linke  Seite  ist  weggebrochen;  gef.  im  November  1885  auf 
der  Wiese  „Köves  mezö"  bei  Steinamanger,  h.  0'35,  br.  0'25,  d.  0  06. 
Silvan  en  face  (der  Kopf  fehlt),  in  der  erhobenen  L.  die  Sichel,  in 
der  R.  einen  Fruchtkorb  tragend,  auf  den  vor  ihm  I.  stehenden 
Altar  zuschreitend.  Rechts  kauert  ein  Hund;  auf  dem  Sockel  in 
schöner  Schrift : 

lO- A  VG-  SA  c- 

L- jw 

.  .  .  Silvanjo  Aug{usto)  sac(rum)  [v(otum)  s{olvit)]  l{ibens)  m{erito). 
Oben  stand  wohl  der  Name  des  Dedicanten. 

4.  Ära  aus  Kalkstein,  h.  0-73,  br.  0*31,  d.  0-21;  gef.  in  Stein- 
amanger.    Stark  verwittert. 

\  V 
T       AEL 

V  s  I,  L  m 


73 

5.  Cippus  aus  Kalkstein,  1882  in  Steinamanger  gefunden,  in 
zwei  Theile  gebrochen  (durch  Zeile  4  hindurch);  h.  0*57,  br.  0'43, 
d.  0"30.     Oben  i>t  die  Inschrift  durch  Gesims  abgeschlossen. 

V-ARVRSVS 
VIR  S  A  C  E  R" 
O  M  N   1   B  V   S 
H  O  N  C  R  i  B  V  r. 
5      FVNCTVS 
V  ■  S      L  L     M 
SäRIVS-  FlMk 
NESTIS  •    PXRONO 

Die  Lesung  ist  ganz  sicher.  —  Der  Name  des  Dedicanten  ist 
wohl  Aur{elius)  Ursus  gewesen  und  die  Umstellung  var  ein  Ver- 
sehen des  Steinmetzen;  ebenso  wird  wohl  der  Name  des  dienten 
nicht  Satrius  Fimrinestis  sondern  Firminestis  gelautet  haben.  — 
Z.  2:  vir  sacerd{otaUs).  —  Z.  6:  v(otuni)  s{olvit)  l{aetus)  l{ibens) 
m[erito).  —  Das  Fehlen  der  Gottheit  Hesse  sich  daraus  erklären, 
dass  der  Stein  in  dem  Heiligthume  derselben  aufgestellt  werden 
sollte.  Auffallend  ist  jedoch,  dass  auf  die  Dedication  des  Ursus 
an  die  Gottheit  in  Z.  1  —  6  noch  eine  Widmung  an  ihn  selbst  in 
Z.  7  und  8  folgt.  Ich  kann  mir  dies  nur  so  erklären,  dass  der 
Dedicant  an  der  persönlichen  Ausführung  seines  Vorhabens  ver- 
hindert wurde  und  für  den  Patron  der  Client  Satrius  Firminestis 
eintrat.  Unterstützt  wird  diese  Auffassung  durch  den  Umstand, 
dass  die  Schrift  im  oberen  und  unteren  Theile  keinerlei  Unter- 
schiede zeigt. 

6.  Marmortafel,  gef.  1873  in  Steinamanger;  h.  0*82,  br.  0*65, 
d.  0*06,  Schriftfeldh.  0"42.  Unter  der  Inschrift  ein  ruhender  Löwe. 
Schöne  Schrift, 


n  -lx  •'e  ap  vlei. 
/avstin;5.-con-  n( 

ET  •  AVREL  -  FAVSt/ 
(nIAN  VS-'''E-  A  V  R| 
Ir  ESPE  Ca-  fLi-  HEf) 
(:X  •  -ESXJVENT  •  F  ■  q 

Anrelio ]  an{noriim)  LX  et  Apuleia^e  F]austinae  con{iugi) 

aninorum)  . . ,   et  Aurel{ius)  Faust[i]nianus  et  Aur[el(ia)]  Respecia  ßH 


74 

he[red{es)]    ix   trstament{o)  f{aciendum)    c(i(rnvernnf).     Der  Ausdruck 
ist  verwirrt  durch  die  irrif]!;e  Anfügung  der  Namen  der  Söhne  mit  et. 

I.  Mannortafel,  h.  0-40,  br.  028;  gef.  18S0  in  Steinamanger. 
Schöne  Schrift  (Buchstabenh.  in  Z.  1  ^  0-07,  Z.  2  =  0  Ofi,  Z  3.  4 
=  005). 

k-L-  FIL  ~ 
LINA 
B  I   -    ET 

jl     F  I  L 

5  .)  A  f-  •    .<.  N 

Z.  5  fin.:  an(norum) .  . . 

8.  Ein  Kalksteinkübel,  8  Liter  fassend,  h.  0-30,  d.  004,  Umfang 
110,   oberer   Durchm.  0*33,    unterer    Durchm.  031;    gef.    1885   in 

Torony  im  Eisenburger  Comitate,  mit  den  Zeichen: 

Nii\  H-r     (Massbezeichnung?) 

Fiinfkirchen,  beim  Advocaten  Horväth. 

9.  Votivara  aus  Kalkstein ,  gef.  auf  dem  Weinberg  bei  Racz- 
väros;  h.  0*42,  br.  0  24.  Sehr  verwittert  und  schwer  zu  lesen,  die 
Lesung  jedoch  auch  nach  dem  Abklatsch  sicher. 

S  1  L  -  D 

OM  -  DEO 

V  S  L  M 

SU{vano)  dom{estico)  deo  v(otuni)  s(olvit)  l{ihens)  m{erit6). 

10.  Fragment  aus  Sandstein,  gef  in  Fiinfkirchen,  Franziskaner- 
gasse.    Schöne    Schrift   des    2.  oder   3.  Jahrh.     Buchstabenh.  005. 

P  R  0\ 
CAR-U' 

D  V.  G  S  .| 

Links  und  unten  vollständig.  Nach  r  in  Z.  2  sicher  ein  Punkt, 
aber  wohl  irrthümlich  und  zu  lesen:  cnris[sim...    xxxxA  didciss[im . . . 

II.  Fragment  aus  Kalkstein,  gef.  in  Fünfkirclien,  Franziskaner- 
gasse. 

(•  F    •  S  \ 

|V  I  X  •    l! 

Z.  2  war  wohl  v{ivus)']  f{ecit)  8i\bi\. 


75 

12.  Fragment  aus  Marmor,  sehr  schöne  Schrift;  Buchstabenh. 
0'13.  Gef.  in  Görcsöny  in  dem  Fundament  einer  gothischen  Kirche. 

F  ö  cl 


Links  vollständig,  /(aciendum)  c(itravif). 

lo.  Fragment    aus  porösem    Sandstein,    gef.  in  Fünfkirchen, 

Franziskanergasse.    Die  Sclirift  ist  sehr  stark  verwittert  und   auch 

im  Abklatsch  nicht  viel  mit  Sicherheit  zu  cntzifTern: 

F  R  7E.  R   1  ■  I 
V  C    /    E  X 

/    /    /    /    / 
////    / 

Keszthely,   beim   Direclor  Lipj.. 
1-1.  Sundsteinfragment  aus  einem  Hypocaustum  in  Zänka,  sehr 
stark  verwittert,    so  das-s  nur  einige  Buchstaben   mit  Sicherheit  zu 
erkennen  sind 

^AE     •    C 
L   -     N 
T  C  A  r 

c 

15.  Leibnitz,  im  Rathhause,  wo  auch  das  Localmuseum  unter- 
gebracht ist,  im  Hofe  rechts  eingemauert.  Gef.  im  alten  Steinbruch 
des  Schilha  bei  Aflenz. 

D    -  D  •  c 

A     V     R     E     L 
S     V     R     V    S 
ET-  AEL-ATTI 
5        C  I  A  N  V  S 
V-  S  •  L  •  M 

Z.  1 :  J^{is)  d{eahus)  o{mitibus)  Aurel{ius)  Surus  et  Ael{ius) 
Atticianus  v'otum)  s{olverunt)  l[ibentes)  m{erito). 

16.  Fragmente  aus  Aflenz,  schöne  Schrift. 

1q_  ■  F 


76 

Gamlitz. 

17.  In  dem  von  Prof.  Franz  Ferk  gegründeten  und  nach  ihm 
benannten  Localmuseum  befindet  sich  vorläufig  im  Hofe  aufgestellt 
—  wie  mir  der  Custos  des  Museums,  Hr.  Lehrer  Kernreich,  sagte, 
soll  der  Stein  an  der  Kirche  eingemauert  werden  —  ein  auf  dem 
sogen.  Fuchskogel,  westl.  von  Gamlitz,  gelegentlich  einer  von  Prof. 
Ferk  veranstalteten  Ausgrabung  am  2.  September  1884*)  gefundener 
Grabstein  aus  krystallinischem  Kalk.  Oberhalb  der  Inschrift  in 
einem  Giebeldreieck  ein  Adler,  zu  beiden  Seiten  des  Giebels  je  ein 
Löwe,  unter  demselben  in  der  Mitte  zwei  einander  zugewandte 
Köpfe,  rechts  und  links  nach  aussen  gekehrte  Greifen.  H.  2-24, 
br.  U'93;  Inschriftfeld  h.  1*11,  br.  0'75;  unter  der  Inschrift  ein  leerer 
Raum  von  0'43  Höhe,  Hübsche  Schrift  des  2.  Jahrb.,  sehr  schwach 
eingehauen. 

Q_C  V  R  I  A  N  O 
C  L  E  ISTO  AN  I 
APPI  A  ■  BRIGIA 
STATER  •  FECIT 
5  AV 

Der  Name  Brigla  auch  C.  I.  L.  III  n.  5408. 

Cilli,  im  Museum. 

18.  Inschriftstein  aus  Bacher-Marmor,  schöne  Schrift,  h.  0-59, 
br.  0-23,  d.  0-48;  Inschriftfeld  h.  0-39,  br.  0-23.  [War  vorher  im 
Hause  Nr.  125  Herrengasse,  nach  einer  von  der  Central-Comraission 
für  Kunst-  und  historische  Denkmale  uns  mit  einem  Abklatsch 
übermittelten  Mittheilung  des  Herrn  Bergrath  Riedl.     A.  d.  R.] 

M         o       ?x 

L-LOT-FELI 

■£  M  B  O   N   I  ll 

1 

E  I  V  S     P  R  O  fj 

5  ■£    S   V   I   S    O   J 

N    1    B    V    S        ( 

V    -    S     L     •    w| 

I{ovi)  o(ptimo)  wj[aa;i7noj  L.  Lott{ius)  Feli[x]  et  M{arcia?)  Bonil\a 
c{oniunx)]  eius  jjro  s[e\  et  suis  omnibus  v{otum)  s{olvernnt)  liihentes) 
m{erit6). 

Am  Schlüsse  von  Z.  4  u.  5  noch  geringe  Spuren  des  s  resp.  m. 

*)  Vj^l.  den  Bericht  in  der  Grazer  „Tagespost"  (Morgenblatt)  vom  6.  Sep- 
tember 1884. 


11 

19.  Fragment  aus  Sandstein,  gef.  beim  Bau  des  Theaters. 
Schlechte  Schrift,  stark  verwittert;  rechts  vollständig;  h.  0*17, 
br.  0-32,  d.  0-13.     [Vorher  mit  n.  18  durch  Herrn  Riedl  mitgetheilt.] 

b  -  O  S  1  C  V  ■ 
EGETIO  NI  •  F 

Z.  1  :  Der  Rest  des  ersten  Buchstaben  scheint  eher  einem  b 
als  einem  s  anzugehören,  dann  folgt  ein  Punkt.  Der  Name  der 
Bestatteten  scheint  Osicu  zu  sein;  Sicu  als  Frauenname  begegnet 
C.  I.  L.  III  707.  —   Z.  2   vermuthet   Prof.  Tomaschek  [Br]egeti07ii 

f{ilia). 

20.  Ziegel: 

1)  LuGüiTALiCA         in  drei  Exemplaren 

POMPII-ANV 

2)  L  E  q    IT    I  T  A 

^^     ^^^^'^^H         efr.  C.  I.  L.  III  n.  5757,  4. 

Q_l  N  T   I  A  Nj 
4)       C-    IVLJ 

Laibach,  im  Museum. 

21.  Marmorfragment,  gef.  nach  einer  von  Herrn  Dr.  J.  Binder 
der  Redaction  dieser  Zeitschrift  geschickten  Notiz  Ende  Mai  1885 
gelegentlich  einer  baulichen  Aenderung  an  einem  Hause  am  Domplatz 
in  Laibach;  h.  0385,  br.  0335,  d.  0'20. 

M 
I  V  L  1 

AI  VNATt  •  InnI  V  •  ET 

[D{is)]  m{anibus)  . .  luli  [For]tunati  VI  v{iri)  et  [patr{pni)  oder 
magiistri)  col]legi  navicular{iorum) . 

Schifferinnungen  bestanden  sowohl  in  Rom  und  Italien,  als 
auch  allenthalben  in  den  grösseren  Provinzstädten;  unsere  Inschrift 
ist  die  erste,  die  auch  für  diese  Gegend  ein  solches  Colleg  nach- 
weist. Dasselbe  dürfte  auf  der  Save  seinen  Betrieb  und  in  Emona 
seinen  Sitz  gehabt  haben.  Es  ist  danach  vielleicht  zu  vermuthen, 
dass  das   Gebiet  von  Emona  sich  bis  an  den  Savus  erstreckt  habe. 


78 

Ueber    die    collejjia   naviculariorum    und    nauiarum.    vgl.  Marquardt, 
Privatleben  der  Römer  p.  404  ff.,  bes.  411. 

22.  Kalksteineippus,  gef.  zwisclien  Drnovo  und  Brege,  Gebiet 
von  Neviodunura,  h.  l'OS,  br.  0-52,  d.  0-13;  Inschriftfeld  h.  OöG, 
br.  0  335.  Die  Form  der  Buchstaben  weist  etwa  auf  das  2.  — 3. 
Jahrb.,  die  Höhe  derselben  (Z.  1  =  OOG,  Z.  2  ^  005,  Z.  3  :=  0  045, 
Z.  4.  5  =  0-04,  Z  6.  7  =  0  035,  Z.  8  =  003),  sowie  die  Sorgfalt 
der  Ausführung  nimmt  gegen  das  Ende  ab  —  so  fehlt  in  Z.  5  am 
Ende  ein  Buchstabe  (e  -=  e.?/) ,  obwohl  Matz  dazu  vorhanden  ist, 
und  ist  in  Z.  7  der  Steinmetz  in  die  Enge  gekommen.  Die  Schrift 
war  mit  rother  Farbe  ausgemalt. 

C-  MARCI 
VS     C  ■  F  ■ 

C    E    I    L   E  R  • 
P  R  A  E  C    ■     G  R 
5         AN  •  L  -  H  •  S  • 
P  OM  P  E  I  A  • 
Q   ■    F  •    RESPEC 
TA-SIBI-ET-CON 
?'  V  G  I  -  V  •  F  • 

Z  7  der  erste  Buchstabe  o  mit  ganz  schwachem  Ansatz  zum 
cii  Auffallend  ist  die  Form  Ceiler  in  Z.  3;  das  i  zeigt  einen  ge- 
ringen Ansatz  zum  l,  ist  aber  doch,  wie  ich  mich  vor  dem  Steine 
überzeugte,  ein  i.  —  Z.  4  vielleicht  j)rae[ceptor)  gr(ammaticus)  oder 
gr(aecus)f  doch  möchte  ich  eher  das  erstere  annehmen.  Zwar  be- 
zeichnete grammaticus  allein  den  Elementarlehrer  (ein  grcmimaticiis 
lafinus  C  I.  L.  II  2892.  V  4333.  5278),  ebenso  bezeichnet  p-aeajjtor 
schlechtweg  den  Lehrer  (cfr.  C.  I.  L.  VI  9427.  9824.  10008  sq.),  also 
wohl  auch  den  Grammatiker,  doch  konnte  es  auch  als  der  umfassendere 
Ausdruck  durch  den  Zusatz  cpammaticus  näher  bestimmt  werden. 
Vgl.  über  praeceptores  und  grcmiuiaiici  Friedländer  S.  G.  I''  p.  280  ff. 

23.  Aus  Drnovo,  Kalkstein,  h.  015,  br.  ()'32.    Lesung  sicher. 


B  O  N  I  A  T  V  s 
PROSE-T-ISVIS 

Z.   ]    etwa  Caes{ius).  —  Z.  3  -ti  veihauen  statt  et- 


79 

24.  Drnovo-ßrege,  gef.   1885.  Kalkstein,    Inschriftfeld  h.  O'öl, 
br.  U"28.     Lesung  ganz  sicher. 


L    •    M  A  il  nliuK  ? 
F  A  V  S  T  1  CUf.   /. 

S  IBI  ■  ET  •  m\anliae  ? 
P  V  s  I  L  L  Ae   coiugi 

A  N  ■   XX 


25.  Gef.  zwischen  Drnovo  und  Brege.  [Anfang  Februar  1885, 
2  Kilom.  südöstl.  von  Gurkfeld;  1.  0  31,  br.  035.  Dr.  J.  Binder.] 
Schöne  Schrift,  links  vollständig. 

D  1-, 

M  O  G     ■     iW  /! 

NVS  •  V-  F  •  sl 

R  -  S  V  A  D  P-' 

5        arIs  S^ 

D{is)  m{am/ms)  Mog[ms  oder  etius)  Ma[ti\nus  v(ivus)  f{ecit) 
s{ib'i)   [et]   R{u/)riae?)  Suadr[ae  c(onnigi)   c]ariss[imae]. 

2G.  Ebenda  ein  kleines  Fragment  aus  dunklem  Kalkstein  mit 
den  OOG  hohen  Buchstaben: 

BEC\ 

27.  Instruraentum,  meistens  aus  Brege  (Gebiet  von  Nemodunum) : 
1)  Auf  einem  zweihenkligen  Gefäss  aus  rothem  Thon  mit 
Schildbuckelverzierung  in  erhabenen  Buchstaben :  i  roi 
viTALis  —  2)  Auf  einem  grossen  Topf  eingeritzt:  clavdiam 
(einigemal)  kara  {ClauJiana  coro)  —  3)  Auf  einem  Becher 
aus  St.  Lorenz  an  der  Temenitz,  auf  dem  oberen  Rande: 
ARiVARiA  —  4)  Auf  einem  bauchigen  Thongefäss  cursiv 
eingeritzt:  livia. 
Auf  Lampen:    5)  fortis   —    6)  crescens   —   7)  cerialis   — 

8)     LlTOGE^E    9)    ATIMETI    10)    VIBIANI   —    11)    C-A-S-    

12)    COMVN, 

Terra  sigillata:  1.])  Auf  dem  Boden  einer  Schale  innerhalb 
eines  Fusses:  l  -gel  —  Ebenso  14)  i.  ■  gell  —  15)  sevei(W?) 
(aus  Brege)  —  16)  ti  ■  sivcif  (?)  —  17)  g-jvere  —  18)  atti 
I9j  CRi  —  20)  YEN  (dreimal)  —  21)  agalo  —  22)  co/wvvnis. 


80 

Saifnitz. 

28.  Im  Hause  Nr.  145  in  der  Ecke  ein  Bruchstück  aus  Marmor, 
sehr  schöne  Schrift;  h.  0-43,  br.  O'd'd. 

D 
Q_-     P) 

s  A  ^ 

29.  Beim  Pfarrhaus  ein  Rinnstein  aus  schönem  weissem  Marmor, 
h.  0'31,  br.  ü'53,  mit  Buchstabenresten. 

R        1        o 

//pat// 

Scheint  von  einem  Römerstein  herzurühren ,  der  zu  einem 
Rinnstein  zubehauen  wurde. 

Klagenfurt  (Monumentenhalle). 

30.  Fünfseitiger  Pfeiler,  gef.  auf  dem  Loiblpasse,  aus  kristalli- 
nischem Kalkstein  mit  rundem  Sockel  und  Aufsatz;  h.  0*28,  br.  0'20; 
Durchm.  des  Sockels  032.  Die  Seitenflächen  hatten  Sculpturen, 
doch  ist  nur  auf  der  Fläche  links  von  der  Inschrift  eine  sitzende 
nackte  männliche  Figur  von  roher  Arbeit  zu  erkennen  (Cautes?). 
Auf  der  Vorderseite  die  Inschrift: 

C 

gavillIvs 

RES'r'ECTVS 
V    S    L    M 

C{auti?)     GavüUus    Respectus   v{otwn)   s{olvit)    l{ihens)   in{erito). 

Die  Inschrift  ist  klein  und  schwach  eingehauen ,  die  Buch- 
staben der  3.  Zeile  nur  schwach  zu  erkennen.  Das  c  in  Z.  1  ist 
doppelt  so  gross  als  die  Buchstaben  der  anderen  Zeilen.  Zwischen 
Z.  3  und  4  etwas  grösserer  Zwischenraum.  Für  die  Ergänzung 
Cauti  (als  Dativ)  spricht  die  Analogie  der  Inschrift  C.  I.  L.  III 
473G,  gleichfalls  auf  einem  in  Spital  gefundenen,  angeblich  sechs- 
seitigen Pfeiler. 

31.  Ära,  h.  0-53,  br.  022;  gef  Ende  des  Jahres  1882  zu 
Töltschacli  im  Zollfelde  und  von  der  Baronin  Keinlein  dem  Museum 
in  Kiagenfurt  geschenkt.  Oben  belindet  sich  ein  rundes  tiefes  Locli, 
vielleicht  zur  Aufnahme  einer  Statue  bestimmt.  Auf  der  Seiten- 
fläche rechts  von  der  beschriebenen  Adler,  auf  der  linken  Donner- 


81 

keil.     Unten  und  an   den  Kanten   fragmentirt ,    daher   die  Inschrift 
unvollständig. 

|-  O  -  ]V| 
j-  M  /| 
JMVS  "l 

Wenn  die  unsicheren  Spuren  zu  Anfang  von  Z.  2  von  einem 
R,  wie  es  scheinen  kann,  herrühren,  so  lautete  die  Inschrift  wohl: 

i-OM  II  A'RMA  I  xiMvs.   Ob  noch  eine  vierte  Zeile  folgte,  ist  nicht  sicher. 

Tentschach 

32.  Beim  Umbau  des  Schlosses  wurde  ein  Römerstein  mit  der 
Inschrift  nach  innen  gefunden.  Derselbe  soll  nach  Angabe  des 
Besitzers  wieder  in  die  Mauer  eingesetzt  werden.  Der  Stein,  der 
ohnehin  schon  beschädigt  war,  litt  durch  die  Unvorsichtigkeit  der 
Arbeiter,  so  dass  in  Z.  1  am  Schlüsse  noch  etwas  abgesprungen 
ist,  ebenso  wurde  die  Umrahmung  verletzt.  H.  0'42,  br.  072, 
d.  0-18;  Buchstabenh.  Z.  2:  0*8,  Z.  3:  0-7. 

'v~^V~~-     5  •  f  1   l 

C   ■    BOTTiOME  rcatori 

ET-C-BOTTIO-ADn^  tori 
AN    XXIIII-    ET  •  BOTTIO  ... 
5  AN-VII    BOTTIO-PAV  tmo    an. 

Unten  und  links  fehlt  nichts.  Z.  1  wohl  v{ivus)  f{ecit)  s(ihi) 
ß[Kus)l  Ein  C.  Bottius  Mercator  auch  C  T.  L.  III  n.  4864  (Glanegg). 
Das  Fehlen  der  Pränomina  in  Z.  4  und  5  spricht  für  die  durch 
den  Auct.  de  praen.  c.  3  wenigstens  für  die  ältere  Zeit  bezeugte 
Sitte,  den  Knaben  erst  bei  der  Verleihung  der  toga  virüis  das  Prä- 
nomen beizulegen ;  es  scheint,  dass  auch  in  der  späteren  Zeit  dieser 
Brauch  öfter  beobachtet  worden  ist,  vgl.  Marquardt  Privatleben  P 
p.  10  A.  5. 

Wieting 

33.  In  der  Sacristei  als  Pflasterstein,  stark  abgenützt,  so  dass 
nur  wenige  Buchstaben  mit  Sicherheit  zu  erkennen  sind;  h.  046, 
br.  0-59. 

F    D    II    H  F  I  I  T  1 


E 

1  1  A  E  G 

I 

AE 

T  IT  1  O 

V  F 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  XI. 


82 

34.  In  der  Benedictinerprobstei  als  letzte  Stufe  vor  der  Keller- 
thüre;  h.  0-34,  br.  0*76;  0*09  grosse,  sehr  schöne  Buchstaben. 

KSTIONIS 

B.  Revidirte  Inschriften*) 

Pettau,  am  Stadtthurra 

C.  I.  L.  Iir  4060;  h.  2-34,  br.  0-58.  Inschriftfeld  1.  0-50,  br.  0-47. 
Oberhalb  der  Inschrift  Helm  mit  quergestellter  crista  (vgl.  Mittli. 
V  p.  208),  unter  derselben  5  phalerae  und  Beinschienen. 

Z.  7  und  8  lauten  so: 

P-FRATER-ET  CON 
l.  E  G    A      o      POSJnit 

Oedenburg 

Im  Stadtbause  befindet  sich  jetzt  das  vor  Kurzem  eingerichtete 
Localmuseum,  in  welchem  ausser  anderen  Römerfunden  jener  Gegend 
auch  einige  Inschriften  untergebracht  sind,  so  vor  allem  die  aus 
dem  Mithraeum  in  Kroissbach  C.  I.  L.  n.  4236 — 39.  Ausserdem  4235. 

n.  4235  Z.  i  oben  gebrochen,  Z.  4  posvvit,  unter  der  Inschrift 
Juppiter  mit  ßlitzkeule  und  Scepter,  daneben  ein  Adler. 

n.  4236  Z.  3:  roc  —  Z.  4  sicher  karn 

n.  4237  Z.  3:  satvriJnvs 

n.  4238  Z.  2:  set  •  ivSi  —  Z.  3:  o  nicht  mehr  vorhanden,  — 
Z.  4:  G  (kleinei-). 

n.  4239  scheint  ganz  identisch  mit  4238: 

SET  -  I  ^  Tj 
ANVS 

xhu/Z/an 

/////'-M 

Also:  [/\eo)\  i{nvicto)  \Mührae\  ..  Sept{imms)  Iust[im](inus 
\c{ustos)  a{rmorum)  liegionis)]  X [fll  [gem{inae)]  A)i[fon{mianae)  v{otum) 
8{olvit)\  l{ihens)  m(erito). 


*)  Ich  gebe  uuH  flein  Ertrag  meiner  licvisioii  mir  eine  Auswalil;  <la<>  Uchrin'p 
li.-ilie  ich  Prof.  O.  Hir.sclifeld  zur  Verwerthung  für  das  voilxieitete  Siiijplenuiituiii 
zu   Kaud  III  dc8  C.  I.  1-..  zur   Verfügung  gestellt. 


i 


83 

n.  4241  Z.  3:  veies,  also  Veie(n)s. 

n.  4251  ,  jetzt  bei  Päur.  Z.  2  ganz  sicher  pf  —  Die  i  in 
Z.  6 — 9  sind  grösser. 

n.  4253,  gef.  am  weissen  Weg  nächst  der  Florianicapelle,  fand 
ich  als  Trittstein  vor  der  Thttre  des  Bauern  Johann  Schandrei. 
Die  Inschrift  hat  in  Folge  dessen  stark  gehtten,  doch  zeigte 
sich  die  Lesung  nach  der  gründlichen  Reinigung,  die  ich 
vornehmen  liess,  ganz  deutlich.  Z.  2  am  Schlüsse  ganz 
sicher  si  —  Der  Bauer  versprach  mir,  den  Stein  auszuheben 
und  an  geschützter  Stelle  in  die  Wand  einzulassen. 

Eph.  ep.  II  n.  871:  statt  Ära  soll  es  Sarkophag  heissen,  der- 
selbe existirt  noch  in  Neckenmarkt  und  dient  heute  als 
Wassertrog.  Doch  wurde  der  obere  Theil,  der  die  Inschrift 
trug,  abgesägt.  Die  Abbildung  bei  Paur  zeigt  am  Schlüsse 
C3 ,  so  dass  also  nichts  fehlt. 

n.  4263  las  ich  am  Schlüsse  von  Z.  1:  r4.  —  Am  Schlüsse 
von  Z.  6  und  nach  posit  in  Z.  8  Punkte. 

n.  4830  Z.  4:  vfs  et  accio  m,  also  v(ivi)  /(ecerunt)  s(ibi). 

n.  4881.  An  der  Gartenmauer  beim  oberen  Wirthe  in  Zoll- 
feld, gegenüber  dem  Stationsgebäude. 

CL-   A  T  E  R  I  V  S 
ffiRMA  -ET-  ÄER 
PRIMIGENIAE 
5  VX- ET  •  INGENVAE 

FEL,  •  P  .  P  • 

n.  4944  Z.  4.  5:  bovterionis  •  f- c® 

ET  -  CITVLIAE  ■  Pl// 

n.  4966  Z.  1:  Rvwfsis-r,  also  Rumonis. 
n.  4967  Z.  5—9: 


n.  5092  b  Z.  4—6; 


T-  ■  P  •  A  E  r 
TUM  Ij 
F  R  A  TRI 


84 

Der  Stein  ist  eingemauert  gegenüber  dem  Eingang  der  Kirche, 
r.  neben  dem  Aufgang  zum  Thurm,  mit  dicker  Kalkschichte  über- 
deckt, daher  schwer  zu  lesen.     Z.  6  unsicher. 

Die  Inschrift  aas  Essegg,  die  ich  unter  n,  330  meines  Be- 
richtes (Bd.  IX  dieser  Zeitschr.  p.  140)  publicierte,  ist  in  einigen 
Punkten  ungenau  gegeben.  Der  Stein,  grobkörniger  Kalkstein,  ist 
ziemlich  verwittert,  doch  die  Buchstaben  ganz  deutlich ;  die  Inschrift 
steht  in  vorgerissenen  Zeilen  und  war  mit  rother  Farbe  ausgefüllt 
Z.  1  steht  auf  der  oberen  Randleiste.  —  In  Z.  2  lautet  der  Name: 
CARELiÄ.  SABiÄAE ;  der  Steinmetz  setzte  zuerst  sabiäa  =  Sahinae,  da 
er  aber  noch  hinreichend  Platz  hatte,  fügte  er  noch  das  nun  über- 
flüssige E  hinzu.  —  Z.  3  das  g  hat  die  Form  q.  —  arabellon.  — 
Z    4  zwischen  i  und  t  ein  Punkt.   —  Z.  5:  et  —  Z.  8 :  =e 

C.  I.  L.  n.  5139  befindet  sich  im  Laibacher  Museum  und 
lautet  nach  meiner  Abschrift  so: 

B  A  S  S  V  S  • 
QVINCTI  -  l. 
V-I  SIBI-  ET 
CATAEI  •  VX 
5  an// 

I  1 1 

Z.  3:  v{ivus)  [f](ecif). 

Zu  Mitth.  IX  p.  267  n.  394:  Die  äussere  Ornamentik  des 
Ringes  besteht  in  einer  von  Rosetten  begleiteten  Wellenlinie.  Ebenso 
sind  im  Inneren  die  Buchstaben  von  Rosetten  getrennt.  Die  In- 
schrift lautet: 

::  I  ::  A  O  «  FAC  ::  O  ::  A  k  I 

Zwischen  dem  ersten  ao  fehlt  das  Trennungszeichen,  weil  hier 
der  Ring  gelöthet  ist.  Für  die  Deutung  ist  von  den  nicht  durch 
Punkte  getrennten  mittleren  Buchstaben  auszugehen ,  die  den  Im- 
perativ fac  ergeben.  Nach  diesem  Worte  hin  liest  man  von  beiden 
Seiten  lao.  Die  Inschrift  lautet  danach:  lao  fac  lao  'mache,  be- 
wirke, lasse  gelingen  lao !'  lao  ist  ein  auf  ähnlichen  Denkmälern 
oft*)  begegnender  mystischer  Gottesname  und  entspricht  wolil  dem 


*)    Vgl.  z.  B.  flie  Avigfnoner  Tafel,    znlotzt    behandelt    von   Frcihnor    im  V. 
Smiiileincntband  des  Philologua  p.  45, 


85 

hebräischen  Ja/fve;  das  Ganze  ist  die  Uebersetzung  der  in  jüdischen 
Gebeten  oft  begegnenden  Gebetformel:  Jahve  asse  oder  umgekehrt: 
asse  Jahve.  Der  Ring  diente  demnach  als  Amulet.  Die  Umstellung 
des  Namens  an  der  zweiten  Stelle  sollte  einerseits  die  Lesung  für 
den  Nichteingeweihten  unverständlich  machen  —  diesem  Zwecke 
diente  auch  die  Trennung  der  zusammengehörigen  Buchstaben  — 
andererseits  erhöhte  sie  die  Kraft  der  Gebetformel,  weil  sowohl 
nach  rechts  als  nach  links  gelesen  derselbe  mystische  Name  sich 
ergab. 

Wien  S.  FRANKFURTER 


Neugefundene  Inschriften 


I.  Aus  Brigetio 

Herrn  Major  Voetter  in  Komorn  verdanken  wir  die  Mittheilung 
der  unter  n.  1—5  stehenden  Grabschriften,  die  im  Winter  1886/7 
unter  vielleicht  200  Gräbern  in  Brigetio  aufgedeckt  wurden.  Von 
n.  1 — 3  hat  Herr  Voetter  selbst  Abschriften  und  Abklatsche  ge- 
nommen und  beides  eingeschickt;  von  n.  4  konnte  er  nur  die  Ab- 
schrift eines  Bauern,  von  n.  5  die  verschiedenen  Abschriften  von 
Bauern  einsenden,  n.  1  u.  2  sind  hohe  Grabsteine,  in  drei  Felder 
eingetheilt,  von  denen  die  beiden  oberen  Sculpturen,  das  unterste 
die  Inschrift  enthalten. 

1.  Undeutliche  Darstellung 


Anscheinend  Tisch  mit  drei 

Füssen  und  zu  beiden  Seiten 

desselben  ein  Diener 

D  M 

A^R-PLOTIA^O-MIL 
LEG-IAST-V-N- XXV 
.VR-IV-IVS-  W-'EA^R 
FESTINA    •   PARE  •    VIVI 


(I.  m.  Aur{eHo)   Plofiano  mil{{ti)  leg{ionis)  J  a{Jivlricis)  sf{ipen- 


86 

dioi-u,m)  V,  aninorum)  XXV,  Aur{elms)  lulius  vet{eranus)  et  Aur{elia) 
Festina  pare{ntes)  vivi  f{aciendum)  c{uraverunt). 
2.  Ungefähr  2  M.  h.,  0-75  br. 

Undeutliche  Darstellung 
Vielleicht  Schild 


D  M 

ELVIO.VETALI 
ET  ■  FLORO-  FILIO 
ELV  lA-S  VCES  A 
PA-RONO  •  COIVG 
P  I  E  N  TI  S  VM  O 
ET-  SIBI  •  VIVA 


d.  m.  Elvio  Vetali  et  Floro  filio  Elvia  Sucesa  patrono  coiug{i) 
pientisumo  et  sibi  viva  fec{it). 

In  Z.  2  scheint  das  v  zwischen  elvio  und  etali  später  ein- 
gefügt. —  Es  ist  zu  bemerken,  dass  die  Gemination  eines  Conso- 
nanten  regelmässig  vermieden  ist,  in  pientisumo  Z.  6  und  zweimal 
in  Sucesa  7i.  4. 

3.  H.  0-18,  br.  0-25. 

D  M 

LICTORIÄ  •  REST  VE 
QVE  VIXIT    •  ANNOS 
^38Kl   FACIENDVM 
5  CVIA/ITA'RROM 

VLIANVS-BF-CO 
NIVGI  AMAKTISSI 
/Ä  A  C  O  B  S  E  Q_\E  R  I  S  S    I  /Vt 

d.  m.  Lictoriae  Restut{d)e,  quae  vixit  annos  XXXXI,  faciendum 
curavit  Aur{elitis)  Romuliamis  h{ene)f(iciarius)  coniugi  amantissimae 
ac  ohseqventissimae. 

4.  Die  Abschrift  des  Bauern  lautet: 

LRETONIO   LVICOQJPI  EGIA 

Q_y  I  V  I  X  A  N  N  LXXVIII  S  T  I  P  LVIII 

D  ,        M 

RETONIROMANVS  STAT VRA'  N 

ET  LVCILIA   II  L   FEC 

Zu    lesen    ist  wohl:   L.  Retonio  Lh[ci\o  (?)  q{uondam)  p(rimo) 


87 

p{rlo)  legiionis)  I  a{diutricis) ,  qui  vix({t)  annUs)  LXXVIIT,  stip(en- 
diorum)  LVIII,  Rloni Romnntis  8[a\tur[ni\n{us)  (?)  et  Lucil[l]a  [f]il(n) 
fec(erunt). 

5.  Aus  den  drei  Abschriften  der  Bauern   lässt   sich   der  Text 
bis  auf  Z.  4  mit  ziemlicher  Sicherheit  so  herstellen: 

Rosette 

D  M 

E    P    A    P    H    R    O 

DITOALVWNO 

SVOTSTAtLvSSOLo 

5         PF  -legTadpf 

ET    PORTVWIA 
FLORA 

enA*POAeiT6HPUJC 

XPHCTEXAIPe 

d.  m.  Epaphrodito  alumno  suo  T.  Statilius  (?)  Solo  p(rimus) 
p{ilus)  leg{iomx)  1  ad{iutricis)  p{iae)  f{idelis)  et  Portumia  Flora.  — 
ErraqppöbeiTe  fipuuq,  XP'lö'fe  \(x\p^. 

Z.  4  haben  nach  svo  die  Abschriften:  iciailvssolo  und  isiailvs 
SOLO  und  isiAiEvs  SOLO  ;  am  Schluss  der  vorletzten  Zeile  hploo  und 
HPÄO  und  iipooo.  Das  Wort  hpuuc,  denn  so  ist  wohl  sicher  her- 
zustellen, scheint  nach  der  Abschrift,  vom  Anfange  abgesehen,  auf 
dem  Rande  zu  stehen  und  könnte  daher  vielleicht  nachträglich  ein- 
gegraben sein. 

Gleichzeitig  übersandte  mir  Herr  Voetter  Abklatsche  zweier 
in  seinem  Besitze  befindlicher  Inschriften: 

6.  Stück  einer  Marmortafel,  mit  sorgfältigen  Buchstaben  aus 
guter  Zeit;  h.  026,  br.  0-27,  Buchstabenh.  0'06. 

b  A  B I  ^l 

lA  •  M  I  L 
,\BIN 

Vielleicht  Sahin[o  oder  iano\  . . , .  a  mü[itns]  (?)...  .[S]abm[us, 
ianus]. 

7.  Kleine  Ära,  h.  0-024,  br.  O'OS. 

Ä-SC  VLAB 

'avg//////! 

Ia//////////I 

\    L   M    ^ 

Aesculap(io)  Aug{iisto)  [sac{rum)?]  A l(ihens)  ni(erito). 


88 

II.  Aus  Dalmatlen 

(Nach  an  die  k.  k.  Central -Commission  für  Kunst-  und   historische  Denkmale  ge- 
langten und  von  derselben  mitgetheilten  Berichten) 

Ueber  die  bei  der  Anlage  der  Eisenbahnstrecke  Siveric-Knin 
in  der  Nähe  der  Ortschaft  Tepliü,  wo  jetzt  anscheinend  richtig  die 
Stelle  des  antiken  Promona  vermuthet  wird,  in  der  Zeit  vom  Herbst 
1885  bis  April  1886  gemachten  Funde  von  Antiken  hat  Herr  Con- 
servator  Michael  Glavinic  zu  Zara  mehrfach  an  die  Central- Com- 
mission für  Kunst-  und  historische  Denkmale  nach  eigener  Besich- 
tigung berichtet  und  von  Herrn  Ingenieur  Oskar  Striegl  ausgeführte 
Zeichnungen  eingeschickt.  Aus  den  von  der  Central -Commission 
uns  freundlich  mitgetheilten  Berichten  bringen  wir  hier  die  gefun- 
denen Inschriften  zum  Abdruck.  Von  allen  lagen  die  Zeichnungen 
des  Herrn  Striegl  vor;  von  den  Inschriften  1.  3.  4.  5.  6  auch  auf 
meine  Bitte  von  Freund  Glavinic  mir  zugesendete  Abklatsche. 

Bei  Kil.  85.920  wurde  etwa  7  M.  rechts  von  der  Bahn,  0-4  M. 
tief,  ein  vollständiges  Grab  mit  gemauerten  Wänden  gefunden,  in 
welchem  sich  ein  morsches  Skelett  befand.  Am  Kopfende  war  die 
Steinplatte  1  mit  nach  der  Strasse  gerichteter  Inschrift,  am  Fuss- 
ende  die  Steinplatte  2.  Ueber  den  Fund  ist  schon  berichtet  Mitth. 
d.  k.  k.  Central-Commission  12  (1886)  S.  LXXXVI. 

1.  H.  0-70,  br.  0-30. 


EMPRDNIE 
\PVLElh 
Q_V  E  •  V  l  X  1  T 
M  E  C  V  M  /, 
XXII  -  AVaf 
TICIVS- A 
TVS-B-A 


[d.  m.]  Semproni{a)e  A'puUi{a)e,  qu{a)e  vixit  mecum  \an{nis)] 
XXII,  Aur{eUas)  [At]ticius  (?)  m[ari\tus  b(ene)  m{erenti)  [j^iosuit)]. 
Der  Name  [At]ticms  ist  natürlich  höchstens  ein  möglicher. 

2. 

M  •  H  -  N  ■  S 

m{onumentum)  h(eredem)  n{on)  s{equetur). 

3.  Bruchstück  einer  Ära,  gefunden  im  Bahneinschnitte  Kil. 
85.910,  0  M.  links  von  der  Bahn,  30  Centim.  unter  dem  Boden. 
H.  0-20,  br.  017,  d.  0-12. 


89 

'  J  I  A  N  A  E  •  Aj  / 

U//NAE-jy// 

Der  Beiname  der  Diana  hat  sich  bis  jetzt  nicht  ermitteln 
lassen. 

Bei  Kil.  85.8f  f  wurden  2  —  4M.  rechts  von  der  Bahn ,  in 
einer  Tiefe  von  020  —  0'50  Cent,  zerstreut  liegend  gefunden :  der 
untere  Theil  einer  Grabplatte,  auf  welcher  eine  Sichel  und  ein 
anderes  Werkzeug  (einer  I^eiste  ähnlich)  erhaben  eingemeisselt  sind, 
ein  Armband,  eine  Fibula,  ein  Ring  mit  eingravirter  Zeichnung, 
alle  drei  aus  Bronze,  und  folgende  Inschriften  (4 — 7) : 

4.  Grabstein  mit  Giebel,  h.  1'24,  br.  0'60;  die  Formen  der 
Buchstaben  sprechen  für  die  erste  Kaiserzeit. 

FLAVOS  •  BO 
VTI-F-MIL- 
COHILVCE 
ANN  -  XXXI  ■ 
5         STIPXDOM 

LVCO-AVG-H-FC 
H  •        S    •     E  • 

F/avos  IJouti  f(ilms)  mü(es)  coh{ortis  primae)  Luce{nsium)  an- 
n(orum)  XXXI ,  stip(endiorum)  X,  dom{o)  Luco  Aug[usti).  H(eres) 
fiaciendum)  ciuravit).  H(ic)  s{itus)  e{st). 

Die  cohors  prima  Lucensium  befand  sich  nach  dem  Zeugniss 
des  Militärdiploms  vom  13.  Juni  80  (XI)  damals  in  Pannonien. 
Ausserdem  waren  bis  jetzt  zwei  Inschriften  bekannt,  die  diese 
Gehörte  nennen,  die  in  den  J.  1880  und  1882  nicht  weit  von  Humatz 
im  Bezirke  von  Ljubuski  (in  der  Herzegowina)  am  Flusse  Trebisat 
gefundenen  Grabschriften  von  Soldaten  dieser  Gehörte  (Bull.  Dalm. 
VI  p.  3  u.  17  =  diese  Zeitschrift  VIII  S.  108  n.  16.  17):  Rufus 
Angeti  f.  mil.  coh.  I  Luce.,  annorum  XXX,  stipen.  XI,  h.  s.  e.,  h.  p. 
und  Andamionius  Andami  f.  eq,  coh.  I  Lucens.,  arm.  XXXV,  st.  XV, 
h.  s.  e.,  C.  Aurelius  Freris  posit.  Anscheinend  sind  diese  Inschriften 
wie  die  neugefundene  älter  als  das  Jahr  80,  und  es  hat  danach  die 
Gehörte  zur  Besatzung  des  südlichen  oder,  wie  die  Römer  sagen, 
oberen  Illyricum  oder  der  Provinz  Dalmatien  gehört,  bevor  sie 
nach  Pannonien  versetzt  wurde.  Wenn ,  wie  wahrscheinlich,  die 
in  der  Mainzer  Inschrift  (Brambach  n.  1235:  Behurrus  Corottiretis 
f.  miL  cho.  I  Lucensiu{m)  Hispanorum,  an.  IIIL,  sti.  XXXIIII,  h.  s. 


90 

e.,  h.  ex  t.  f.  r.)  erwähnte  cohors  I  Lvcensinm  Hispanonnu  mit  ilir 
identisch  ist,  so  hat  sie  auch  einmal  und  zwar  gleichfalls  anschei- 
nend in  früher  Zeit  in    Germania  superior  gestanden. 

Die  Heimat  des  Soldaten  der  neugefundenen  Grabschrift  ist 
Lucus  Augusti,  ohne  Zweifel  das  spanische,  dieselbe  Stadt,  nach 
der  die  cohortes  Lucensmm  ihren  Namen  hatten*).  Unser  Soldat  ist 
also  noch  für  einen  Truppentheil  ausgehoben  worden,  der  Anfangs 
aus  dem  Bezirke  seiner  Heimat  gebildet  war.  Sein  eigener  Name 
ist  römisch  und  wohl  von  seiner  Haarfarbe  hergenommen,  der  Name 
des  Vaters  rindet  sich  in  spanischen  Inschriften,  namentlich  des 
benachbarten  Lusitaniens,  ziemlich  häufig. 

5.  H.  0*38;  die  Buchstaben  zeigen  späte  Zeit. 


VALoVAIENTIoV 
^  O  T  E  C  TO  R  I  -  DEFVj 
iB  EL  LOCI  VI  lein' 
5  A  L  I  A  e  ^ijy  ^^L_!-~ 

Z.  2  ist  I  statt  L  eingehauen.  —  In  Z.  2  und  wohl  auch  Z.  3 
scheinen  die  kleineren  oder  grösseren  Kreise  Punkte  zu  bedeuten, 
die  also  zum  Theil  vom  Buchstaben  o,  der  auch  kleiner  gebildet 
wird,  sich  nicht  unterscheiden. 

d.  m.  Val{erw)  Va[l]enti  [pjrotectori  defu[ncto]  hello  civile  in  [It]alia 
ann(orum)  L  (?). 

Die  Zeit  der  Inschrift  wird  einigermassen  dadurch  bestimmt, 
dass  der  Verstorbene  protector,  kaiserlicher  Leibwächter,  war.  Da- 
nach kann  sie  frühestens  kurz  vor  die  Zeit  Diocletians  fallen.  Viel 
weiter  hinabzugehen,  widerräth  die  Form  der  Inschrift,  die  mit 
d{is)  m{anihus)  beginnt  und  auch  sonst  durchaus  antike  Fassung 
hat.  Auch  weist  der  Gentilname  Valerius,  den  Diocletian  und 
einige  seiner  Mitherrscher  und  unmittelbaren  Nachfolger  führten, 
aber  seit  Constantin  dem  Grossen  wohl  kein  Kaiser  mehr,  darauf 
hin,  dass  Valens  in  dieser  Zeit  gelebt  und  Kriegsdienste  gethan 
hat.  Welches  das  bellum  civile  war,  das  in  Italien  ausgefochten 
wurde  unter  Theilnahme  mindestens  eines  Kaisers,  lässt  sich  wohl 
nicht  mit  Sicherheit  bestimmen.  Indessen  möchte  ich  es  doch  für 
ziemlich  wahrscheinlich  halten,  dass  der  Krieg  zwischen  Maxentius 
und  Constantin  zu  verstehen  ist,  der  durch  die  Schlacht  nicht  weit 


*)  Wenigstens  mittelbar,  zunächst  nach  dem  Conventus  Lucensis. 


91 

von  2>onte  MoJle  seine  Entscheidung  fand  und  der  bei  den  Schriftstellern 
ausdrücklich    als    hellwn  civile    bezeichnet    wird;    z.  B.  bei  Eutrop 

10,  4:   Constantinus bellum  adversus  Maxeniium  civile  commovit^ 

und  in  der  ein  Jahr  nach  der  Schlacht  geschriebenen  Schrift  de 
mortibus  persecutorum  c.  44 :  lam  mota  inter  eos  fuerunt  arma  civilia. 
6.  Grabstein,  unten  ojebrochen,  jetzt  h.  0-59,  br.  040,  d.  0-17. 
Oben  ein  Giebel,  an  dessen  Spitze  ein  Gesicht  (Medusa?)  darge- 
stellt ist,  zu  beiden  Seiten  eine  halbe  Palmette.  Die  Inschrift  ist 
durch  eine  der  Höhe  nach  gemeisselte ,  2Vo  Cent,  tiefe  Rinne  ver- 
stümmelt. 


D 

VlTALIO> 

D  VL  C  I  S  S 

C  O  N  I  V  q 

VIXIT  AN  > 

EICRESCEI 

ONIINFELIC 

d.  [m.]  VitaUon\i]  dulc{ss[im]o  cotiing[i  qu]i  vixit  an{nis)  X..I, 
et  C'resce[nt]ioni  i)ifelic[i].  —  In  Z.  5  würde  dem  Raum  nach  xxi 
oder  XLi  oder  xlii  möglich  sein. 

7.  Bruchstück,  h.  0-20,  br.  0-18,  d.  0*12.  Nach  Zeichnung  von 


Herrn  Striegl. 


V  I  S  A  N  N 

V  S         H 


Nach  der  Zeichnung  sind  in  der  letzten  Zeile  der  erste  und 
dritte  Buchstabe  nicht  sicher  verständlich.  Das  v  zu  Anfang  hat 
noch  einen  Ansatz ,  der  es  einem  n  ähnlich  macht ,  aber  vielleicht 
zufällig  ist.     Sollte  gemeint  sein  i'is{{f)   [für  vix{it)]  annus  L  ? 

Einige  Bruchstücke,  die  nicht  mehr  als  drei  Buchstaben  ent- 
halten, sind  ausgelassen. 

E.  B. 


Zu  griechischen  Inschriften 

Im  Aprilhefte  des  Bull,  de  corr.  hell,  hat  Herr  G.  Fougeres 
(S.  253 — 55)  eine  von  ihm  auf  Delos  gefundene  Weihinschrift  ver- 
öffentlicht, welche  auf  der  Basis  einer  nicht  mehr  vorhandenen 
Statue  des  Simalos  von  Salamis   eingegraben  ist.     Das   prosaische 


92 

Praescript  gleicliwie  ein  Theil  der  hierauf  folgenden  Distichen 
ist  vom  Herausgeber  aufs  beste  hergestellt  und  eingehend  erklärt 
worden.  Da  jedoch  ein  Theil  der  Verse  eine  weitergehende,  und 
zumal  V.  6  und  1 1  eine  sichere  Herstellung  gestatten ,  so  will 
ich  den  poetischen  Theil  der  Inschrift  hier  wiederholen  und  mit 
den  erforderlichen  Erläuterungen  versehen ,  wobei  ich  Herrn  Fou- 
geres'  Ergänzungen  in  eckige.,  die  von  mir  herrührenden  in  runde 
Klammern  einschliesse : 

'AXkivöou  iLieXdGpoicri  TTpo[creiK]eXa  bajuaia  vaiiuv, 

Zi|ua\e,  tuc,  dcpeXoO<;  b[erf|ua]  cpiXoSevia^, 

'A-rrXöe  Kai  eju  luueoicn  Kai  (eju  ßiOTLu)  TtepiKaXXti, 

TTpocTqpiXe^  Aitutttou  K[oipav]iai(^  e'pujua, 
5      Kai  Püü,ua^  uTrdTOKTi  Kai  d[TVi^  Ke]KpoTro?  ai»ii 

Kai  AdXou  vaeTa<(i)q  7rXe[icrTa]  ('xap)iZ;ö|ueve  * 

Ei'öe  xpovoK;  kcivok;  (öre  6eö"~TTeai)]cr(iv  doibai«;  ?) 

Tpojuuv  Kai  AavaOuv  d(9avdTiZ;e)  [pjdxac;, 

Maiovi5a<;  rdv  oäv  ivi[v]  (Oeoeibe'  €K)Xeicr(€v, 
10     Xpucreov  eji  ßußXoK;  (luvctju'  dveYeipdju)6V0(;. 

OuK  dv  6  0aidKUJV  Yd(p  äjöq  töcjgv  rjpaTo  KÖ)bo(; 

'Qc,  üü,  böjiiov  Eev[iov]  (Trd(Ji  TrapaaxoMevoq). 
V.  3  schrieb  Hx'.  Fougeres:  Kai  [ev  KOCTjauj]  TtepiKaXXei  und 
paraphrasirt  den  ganzen  Vers  wie  folgt:  "sans  pretenfion  dans  tes 
recits  comn,e  dans  i'eclat  de  ta  haute  ntnalion  .  Er  nimmt  hiebei  an, 
dass  Simalos  'des  recits  verdfies  verfasst  habe.  Ich  ward  vielmehr 
an  das  homerische  |uu9luv  xe  pr|Tf|p'  epevai  TrpiiKTfjpa  le  epYtuv  ge- 
mahnt und  glaube  an  nichts  anderes  denken  zu  müssen,  als  an  den 
so  gewöhnlichen  Gegensatz  von  Wort  und  That,  Xd^uj  Kai  epTUJ. 
Ist  ßiÖTLU  richtig,  so  gestattet  die  zwischen  Lebensführung  und 
Lebensumständen  schillernde  Bedeutung  die  Gegenüberstellung  zu 
puBoKTi  sowohl  als  die  Hinzufügung  des  Beiwortes  TrepiKaXXn<;. 

V.  7  sind  die  von  Hrn.  Fougeres  mitgetheilten  Zeichen  am 
Schluss:  PEziHs. ANNA,  mit  den  Erfordernissen  des  Versmasses  nicht 
zu  vereinbaren.  Einer  endgültigen  Herstellung  müsste  eine  Nach- 
prüfung des  Originals  oder  des  Abklatsches  vorhergehen.  Ich  setzte 
zunächst  ein,  was  dem  Sinn  und  Zusammenhang  gemäss  schien. 
V.  9  hat  der  Her.  idv  crdv  ivi[v]  zweifellos  richtig  geschrieben, 
aber  diesen  sammt  dem  vorhergehenden  und  dem  nachfolgenden 
Vers,  auf  deren  weitergehende  Restitution  er  durchweg  verzichtete 
in  freier  Uebertragung   also    wiedergegeben:  'plCd  au  ciel  que,  dans 


93 

ces  temps  oii  il  raconte  les  comhats  des  Troyens  et  des  Grecs,  Homere 
eüt  ä  celebrer  ta  magnificence ,  deroulmt  dans  ses  vers  le  flot  d'or  de 
sa  fohie  .  Meine  Auffassung  ist  eine  andere.  Wenn  der  Gefeierte 
mit  Alkinoos,  so  wird  seine  Tochter  mit  Nausikaa  verglichen; 
daher  der  Wunsch  des  Dichters :  hätte  doch  Homer  deine  Tochter 
statt  jener  des  Phäakenkönigs  verherrlicht.  eK\ei(7ev  schrieb  ich, 
obgleich  aeizoi  als  überliefert  erscheint.  Das  Supplement  öeoeibea 
soll  natürlich  nur  eine  unter  mehreren  Möglichkeiten  darstellen. 
Vielleicht  weilte  des  Simalos  Tochter  nicht  mehr  unter  den  Leben- 
den ;  dann  war  TToXuKXauTOV  das  angemessenste  Beiwort.     In 

V.  10  meinte  ich  weniger  einen  Hinweis  auf  den  Goldstrom 
homerischer  Dichtung  als  eine  Ausführung  des  Inhalts  von  V.  9 
suchen  zu  sollen.     Zu 

V.  11  bedarf  es  kaum  der  Erinnerung  an  homerische  Phrasen 
wie  Ku&0(;  dpeaGai,  iipdjueBa  jaefa  KObo<g,  acTTreTOV  fjpaTo  Kubo^. 

Wien,  im  Mai  1887  TH.  GOMPERZ 


Grabepigramm  aus  Lesbos 

Für  die  bei  Mytilene  gefundene ,  von  Lolling  in  den  Mitthei- 
lungen des  athenischen  Instituts  XI  (1886)  S.  269  n.  11  veröffentlichte 
metrische  Grabschrift  hat  Petersen  in  einem  Anhang  a.  a.  0.  S.  293  ff., 
sowohl  was  die  Herstellung  des  Textes  als  auch  was  die  Erklärung 
anbetrifft,  sehr  Dankenswerthes  geleistet.  Kur  scheint  mir  v.  7  ap' 
für  das  wohl  kaum  mögliche  av  und  v.  10  öujk'  emTujußibia  zu  setzen. 
Dass  der  Verfasser  des  Epigrammes  buuKev  TU)a[ßox6a  geschrieben 
hat,  ist  bei  der  Correctheit  des  ganzen  Gedichtes  nicht  anzunehmen 
und  daher  ev  statt  em  als  ein  Versehen  des  Steinmetzen  zu  be- 
trachten. Die  Intorpunction  v.  5  abiKO(;,  bai)ULUv  ist  sicher  ein  Druck- 
fehler. In  der  Erklärung  von  v.  3  qppoupo^  eTreati  bö|ULU  xöpoiröq, 
KeuGei  b'  utto  ß[d0puj]  (denn  so  und  nicht  ß[a\öv  ist  zu  schreiben) 
weiche  ich  von  Petersen  ab.  Das  Grabmal  bestand  aus  einem 
Untersatze,  auf  welchem  sich  ein  Löwe  erhob.  Unter  bö)Lio<;  ist  die 
Grabkainmer  zu  verstehen,  was  bei  der  allgemeinen  Bedeutung 
dieses  Wortes  gleich  unserem  "^Haus"  nicht  auffallen  kann. 

Wien  KARL  SCHENKE 


94 


Etrurisches  aus  röniisclier  Zeit 


Im  Folgenden  habe  ich  einige  Bemerkungen  oder  Vermuthungen 
zusammengestellt,  die  mir  aufstiessen,  als  ich  vor  kurzem  behufs 
der  Herausgabe  im  Corp.  Inscr.  Lat.  die  lateinischen  Inschriften 
des  südlichen  Etruriens  ordnete.  Sie  schliessen  sich  grossentheils 
an  neuerdings  bekannt  gewordene  Denkmäler  an  und  stehen  unter 
einander  in  einem  gewissen  Zusammenhang.  Das  mag  es  recht- 
fertigen, dass  ich  sie  trotz  ihrer  Unfertigkeit  hier  vereinigt  vorlege ; 
vielleicht  wird  durch  sie  eine  oder  die  andere  der  mannigfachen 
Fragen,  mit  denen  sie  zusammenhängen,  gefördert. 

I.  Der  Schriftsteller  Tarquitius  Priscus 

Auf  von  Rom  aus  unternommenen  Ausflügen  nach  Etrurien 
sahen  0.  Hirschfeld  im  J.  1867  und  ich  1869  in  Corneto-Tarquinii 
im  bischöflichen  Palaste  ein  lose  daliegendes,  von  allen  Seiten  ge- 
brochenes Stück  einer  Inschriftplatte  aus  Marmor  massigen  üm- 
fanges ,  das  angeblich  von  den  Monterozzi ,  dem  Begräbnissplatze 
des  etruskischen  und  auch  des  römischen  Tarquinii,  stammte.  Beide 
haben  wir  die  Inschrift  in  Eile  abgeschrieben,  und  als  ich  bei  der 
Bereisung  von  Etrurien  wieder  nach  Corneto  kam ,  war  das  Stück 
nicht  mehr  aufzufinden.  Doch  stimmen  unsere  Abschriften  im 
Wesentlichen  überein  und  es  war  danach  etwa  Folgendes  zu  lesen  ^)  : 

A  •  COMln 
/MINA-ARVS- 
3VIS-ET-IVSTITIAEfc> 
-RANDVM  -  DISCIPVL' 

I-CARMINIBVS-EDIDIX' 

/ 

TA  -  ANNIs  ■  AMPLP) 

SCVS  •  T  R  I  B  ■  Jv/ 
vPRISC-i'^ 


Von    den  Abweichungen   unserer  Abschriften  sind  die  bedeu- 
tendsten ,    dass    in    Z.  1    ich   nur  noch  itiow   las ,    Ilirschfeld's  Ab- 


')  Gedruckt  ist  die  Inschrift  jetzt  in  dem  nocii  nicdit  ausgegebenen  Band  XI 
es  Corpus  unter  n.  3370. 


95 

Schrift  vor  n\o-if  noch  den  etwas  undeutlichen  Rest  eines  Buch- 
stabens zeigt,  der,  wie  es  scheint,  wohl  nur  zu  /  (von  v)  passt, 
und  dass  in  Z.  3  ich  iMiNAARVbr^  las,  Hirschfeld  /minaarvsa/v  — 
Ueber  die  Zeit  der  Inschrift  ist  unseren  Abschriften  keine  Ver- 
muthung  zugefügt. 

Die  Reste  sind  zu  gering,  als  dass  bei  der  Eigenartigkeit  des 
Inhalts  eine  wohlbegründete  Herstellung  des  Ganzen  möglich  schiene. 
In  dem  auf  den  Zwischenraum  folgenden  Theile  stand  wohl  sicher 
in  beiden  Zeilen  der  Name  Priscus,  und  in  der  ersten  folgte  darauf 
trih{unua)  ni{il{itum)\.  In  der  letzten  Zeile  vor  dem  Zwischenraum 
(Z.  7)  stand  vor  annis  anfpliuls]  wohl  eine  auf  [in\ta  endende  Zahl, 
also  ein  Zehner  zwischen  triginta  und  nonaginta.  Dabei  liegt  am 
nächsten  anzunehmen,  dass  ein  Wort  wie  vixif  ausgefallen  ist  und 
die  Lebensdauer  von  mehr  als  so  und  soviel  Jahren  angegeben 
war;  doch  könnte  auch  von  irgend  einer  lange  dauernden  Thätig- 
keit  die  Rede  gewesen  sein.  Das  arvs-  in  Z.  3  kann,  soviel  ich 
sehe,  entweder  nur  der  etruskische  Vorname  Aru{n)s  sein  oder  die 
allerdings  sehr  befremdende  Abkürzung  des  Wortes  arns{'pexy)  oder 
eines  davon  abgeleiteten.  Z.  4  muss  wohl  etwa  gewesen  sein: 
[I\ovis  et  lu&tüiae  et.  Unverkennbar  ist  ferner  im  Ganzen  der  Sinn 
von  Z.  5.  6.  Diese  Zeilen  besagen,  dass  die  Persönlichkeit,  von 
der  die  Rede  ist,  etwas  carminibus  edidit,^  also  in  metrischer  Form 
herausgegeben  hat,  und  nennen  als  Gegenstand  dieser  Schriftstellerei 
discipuli[nam  oder  etwas  mit  discipulina  zusammenhängendes,  etwa 
wie  Hirschfeld  mir  vorschlug:  ven]erandiim  discipuli[nae  . .  .ritum^). 
Welche  Art  von  Lehre  oder  Wissenschaft  hier  gemeint  ist,  kann 
kaum  zweifelhaft  sein  bei  einer  solchen  Inschrift,  in  der  lovis  et 
lustitiae  und  wahrscheinlich  die  Erwähnung  der  Haruspicin*)  voraus- 


')  Die  Schreibung  des  Wortes  mit  oder  ohne  h  und  mit  u  oder  i  schwankt; 
in  anderen  Inschriften  von  Tarquinii  findet  sich  die  Schreibung  arispex  (XI  n.  3382 
zweimal)  und  karispi.  (XI  u.  3390j. 

^)  Die  Hirschfeld'schen  Ergänzungen  sind  für  mich  der  erste  Anlass  ge- 
wesen, der  Sache  weiter  nachzugehen. 

*)  Auch  wenn  hier  wirklich  der  Vorname  Ai-wns  zu  erkennen  wäre,  so  würde 
doch  vielleicht  auch  mit  diesem  eine  Beziehung  auf  die  Haruspicin  verbunden 
sein.  Der  etruskische  Name  A7-ant  (oder  arnt,  lat.  gewöhnlich  Aruns)  war  wohl 
gleichen  Stammes  mit  dem  ersten  Element  des  Wortes,  das  die  Römer  arispex  oder 
aruspex  nannten.  Daher  wird  der  Name  denjenigen  zugeschrieben  sein,  die  die 
Wissenschaft  der  Haruspicin  erfunden  oder  befördert  oder  wenigstens  hervorragend 
geübt  haben  sollen.     Das  ist  wohl  auch  der  Grund,    weshalb    Lucan    den  ältesten 


96 

ging,  und  die  auf  dem  Boden  Etruriens  und  zwar  in  Tarquinii 
gefunden  worden  ist,  wo  nach  der  schon  zu  Cicero's  Zeit  geläu- 
figen Angabe  Tages  aus  dem  Boden  aufgestiegen  sein  soll  und 
(nach  den  Worten  bei  Festus  S.  359)  'discipulinam  dedisse  aruspicii 
duodecim  populis  Etruiiae'.  Es  muss  die  Lehre  sein,  die  in  be- 
sonderem Sinne  disciplina  und  zwar  Etrusca  discipUna  hiess:  die 
Wissenschaft  der  Haruspices  oder  die  Haruspicin. 

Mit  einem  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  lässt  sich  aber, 
wie  ich  denke,  die  Persönlichkeit  bestimmen,  die  in  dieser  Inschrift 
gemeint  ist,  und  der  Nachweis  erbringen,  dass  der  hier  erwähnte 
Schriftsteller  über  die  disciplina  Tarquitius  Priscus  ist,  über  den 
nach  der  sorgfältigen  Zusammenstellung  von  Haupt  im  Berliner 
Universitätsprogramm  für  Sommer  1859  (=  opusc.  II  152  ff.)  neuer- 
dings namentlich  G.  Schmeisser^)  gehandelt  hat.  Die  namentlichen 
Erwähnungen  desselben  in  der  antiken  Literatur  sind  nicht  gerade 
häufig.  Von  unsicheren  oder  unwesentlichen  Beziehungen  abgesehen, 
wird  er  als  Schriftsteller  de  Etrusca  disciplina  von  Plinius  unter 
seinen  Quellen  für  Buch  2  und  Buch  11  angeführt").  Macrobius 
hat  aus  ihm  zwei  Citate,  die  ich  weiter  unten  anführen  werde,  das 
eine  aus  Tarquitius  Priscus  in  ostentario  arborario',  das  andere  aus 
dem  'über  Tarquitii  transcriptus  ex  ostentario  Tusco',  und  nach 
dem  Bericht  von  Ammianus  Marcellinus  25,  2,  7  riethen  vor  dem 
Kampfe,  in  welchem  Kaiser  Julian  seine  Todeswunde  erhielt,  die 
wegen  des  Erscheinens  eines  Sternzeichens  befragten  etruskischen 
Haruspices  von  dem  Gefecht  ab,  mit  Berufung  auf  'ex  Tarquitianis 
libris  in  titulo  de  rebus  divinis'').  Wer  aber  erwägt,  dass  es  be- 
greiflicher Weise  sehr  wenig  derartige  Schriftsteller  gegeben  hat 
und  dass  in  unserer  Inschrift  nicht  nur  das  Cognomen  dieses 
Schriftstellers  sich  zweimal  findet  und  zwar  an  einer  Stelle,  wo  nahe 
Angehörige  des  Geehrten   anzunehmen    sind,    die  die  Inschrift  ge- 


und  hervorragendsten  vates  Ttiscus,  den  er  vor  Beginn  des  Bürgerkrieges  nach  Rom 
gerufen  sein  lässt,    um  die  drohenden  Prodigien  zu  süliiien ,    Amins  nennt  (1580). 

^)  Die  etruskische  Disciplin  vom  Bundesgenossenkriege  bis  zum  Untergange 
des  Heidenthuras  (1881.  Programm  der  Ritterakademie  zu  Liegnitz). 

")  Für  Buch  2  lauten  die  Worte:  'Caecina  qui  de  Etrusca  disciplina,  Tar- 
(luitio  qui  item,  lulio  Aquila  qui  item';  für  Buch  11:  'lulio  Aquila  (|ui  de  Ktrusca 
disciplina  scripsit,  Tarquitio  qui  item,  Umbricio  Meliore  qui  item'. 

')  Auch  wird  er  wohl  mit  ziemliciier  Wahrsclieinlichkeit  in  iler  Stelle  der 
Vergil'schen  Katalekten  5  (7)  Z.  3.4  verstanden:  'et  vos  Selique  Tarquitique  Var- 
roque  I  scholasticorum  natio  madens  pingui . 


97 

setzt  haben,  am  natürlichsten  die  Söhne  (die  regelmässig  das 
Cognomen  des  Vaters  erbten  und  deshalb  das  gleiche  hatten),  son- 
dern dass  auch  zu  Anfang  in  Z.  1,  die  sehr  wohl  die  erste  Zeile 
der  Inschrift  überhaupt  gewesen  sein  kann^  das  Wortende  /itio 
trefflich  zur  Ergänzung  Tarquitio ,  dem  Namen  des  Geehrten  im 
Dativ  passt,  aber  sich  zu  wenig  anderen  Namen  und  überhaupt  auf 
wenig  andere  Arten  angemessen  ergänzen  lässt  —  wer  dies  erwägt, 
wird  nicht  leicht  dies  Zusammentreffen  für  ein  Werk  des  Zufalls 
halten,  sondern,  wenn  nicht  Entscheidendes  entgegensteht,  die  Er- 
gänzung Tarquitio  als  wohl  begründet  bezeichnen. 

Zur  Sicherheit  verhilft  vielleicht  eine  weitere  Erwägung.  Von 
dem  Schriftsteller  unserer  Inschrift  heisst  es  carminibiis  edidit,  also 
da  man  für  die  Zeit  derselben,  die  sicher  nicht  über  das  Ende  der 
Republik  hinauf  zu  verlegen  ist,  die  Worte  nicht  anders  erklären 
kann,  dass  seine  Werke  über  die  Disciplin,  wenigstens  theilweise, 
poetische  Form  gehabt  haben.  Nun  haben  wir,  wie  ich  oben  an- 
gab, bei  Macrobius  zwei  wörtliche  Citate  aus  Tarquitius  Priscus. 
Das  eine,  aus  dem  ostentarium  arborarium',  vermag  ich  zunächst 
nicht  weiter  zu  verwerthen^).  Lehrreicher  scheint  mir  das  andere. 
Macrobius  führt  3,  7  aus,  dass  Vergil  bei  den  Versen  (Bucol.  IV 
43.  44)  'ipse  sed  in  pratis  aries  iam  suave  rubenti  |  murice,  iam 
croceo  mutabit  vellera  luto'  Augustus  im  Sinne  gehabt  habe;  er 
sagt:  'traditur  autem  in  libris  Etruscorum,  si  hoc  animal  insolito 
colore  fuerit  inductum,  portendi  imperatori  rerum  omnium  felici- 
tatem'^)  und  fährt  darauf  fort: 

est  super  hoc  liber  Tarquitii  transcriptus  ex  ostentario  Tusco ;  ibi 
reperitur 

purpureo  aureove 
colore  Ovis  ariesve  si  aspergetur,  principi  ordinis 

et  generis  summa  cum 


*)  Es  heisst  bei  Macrobius  3,  20,  3 :  Tarquitius  autem  Priscus  in  ostentario 
arborario  sie  ait,  arbores  quae  inferum  deorum  avertentiumque  in  tutela  sunt,  eas 
infelices  nominant ,  alternum,  sanguinem,  filicem,  ficum  atrura,  quaeque  bacam 
nigram  nigrosque  fructus  ferunt,  itemque  acrifolium,  pirum  silvaticum ,  ruscum, 
rubum  sentesque  quibus  portenta  prodigiaque  mala  comburi  iubere  ojjortet'.  Vgl. 
unten  S.  99  A.  11. 

")  Dasselbe  und  mit  fast  völlig  gleichen  Worten  steht  im  Commentar  des 
Servius  zu  der  angeführten  Vergil'schen  Stelle:  'traditur  enim  in  libris  Etruscorum, 
si  hoc  animal  miro  et  insolito  colore  fuerit  infoctum ,  omnium  rerum  felicitatem 
portendi'. 

Archäologisclt-epigraphiKclie  Mitth.   XI.  n 


98 

felicitate  largitatem  äuget,  genus 

progeniem  propagat 
in  claritate  laetioremque  efficit. 
liuius  modi  igitur  statum  imperatori  in  transitu  vaticinatur. 

Ich  habe  hierbei  nichts  geändert,  nur  innerhalb  des  Citates 
die  Zeilen  nach  Gutdünken  abgetheilt  und  das  Subject  im  Vorder- 
satze 'ovis  ariesve'  durch  besonderen  Druck  hervorgehoben.  Es  ist 
nämlich  wohl  einleuchtend,  dass,  da  das  Original  die  Bedeutung 
von  vielerlei  Ostenta  aufzählte,  der  Gegenstand,  an  dem  eine  Reihe 
derselben  zum  Vorscheine  kam  (das  Thier) ,  nicht  bei  jedem  ein- 
zelnen genannt  zu  v^erden  brauchte,  Macrobius  aber,  wenn  er  ein 
einzelnes  Ostentum  herausnahm,  in  diesem  Falle  das  Subject  er- 
gänzen musste,  zumal  es  ihm  hier  auf  das  Wort  aries  wesentlich 
ankam.  Ich  sollte  überhaupt  denken,  dass  im  Original  das  Thier 
anders  und  genauer  bezeichnet  war,  wohl  als  Opferthier.  Wie  dem 
auch  sein  mag,  es  darf  wohl  die  Möglichkeit,  dass  'ovis  ariesve' 
an  dieser  Stelle  erst  ein  Zusatz  des  Macrobius  sei,  als  eine  fast 
völlig  gleichberechtigte  angesehen  werden;  bei  dem  Zusetzen  kann 
dann  leicht  auch  das  zunächst  Stehende  eine  geringe  Aenderung 
etwa  in  der  Stellung  erlitten  haben.  Wird  dies  zugegeben,  so  ist 
wohl  unverkennbar,  dass  der  Wortlaut  metrisch  ist  oder  wenigstens 
sein  sollte,  und  ziemlich  sicher  scheint  mir,  dass  ein  System  aus 
einem  iambischen  Senar  und  einem  kürzeren  Verse  zu  erkennen 
ist.  In  dem  Nachsatze,  der  mit  'principi'  beginnt,  sind  'feli- 
citate largitdtem^auget  geniis'  und  'in  claritate  lat^tioremque^^fficit' 
streng  und  unter  sich  völlig  gleichmässig  gebaute  Senare,  und 
ebenso  ist  'principi^ordinis'  der  tadellose  Schluss  eines  solchen. 
Das  Vorhergehende  kann,  wie  ich  eben  sagte,  auch  ausser  der  Ein- 
fügung des  'ovis  ariesve'  leicht  eine  oder  die  andere  Aenderung 
erlitten  haben.  Und  in  der  That  ist  'cölöre  si  äspergetur,  prin- 
cipi ördinis'  anstössig,  da  'tur'  durch  Position  lang  werden  müsste, 
an  dieser  Stelle  aber  nach  der  sonst  hier  beachteten  griechischen 
Kegel  eine  Kürze  geboten  wäre ;  der  Anstoss  Hesse  sich  durch  eine 
leichte  Umstellung  oder  Aenderung ,  wie  'si  aspergitur  colore'  be- 
seitigen '"j.  Schwieriger  ist  allerdings  die  Bestimmung  des  kürzeren 
Verses.     Zwar    dass   in    'pürpüreo  aureove'    und  'et  genOrls  süramä 


'")  Damit,  würde  auch  «las  Futnnini   im  Vonlorsatzo  wop^falicii.  «las  a\in';ili('ii<l 
uiiil   iiiclit   ruclit  erklärlich   ist. 


99 

cum*  und  'prog«5njem  pröpägät*  derselbe  Vers  zu  Grunde  liegt, 
will  mir  noch  immer  unverkennbar  scheinen,  aber  zu  einer  sicheren 
Ansicht,  welcher  Vers  zu  erkennen  sei,  bin  ich  noch  nicht  ge- 
kommen. Davon  abgesehen,  dass  wir  es  hier  mit  einer  anscheinend 
sonst  nicht  vorkommenden  Verbindung  von  Versen  zu  thun  haben, 
ist  es  erschwerend,  dass  in  'propagat'  die  Silbe  'pro'  sowohl 
lang  wie  kurz  sein  kann  und  dass  die  Messung  der  zu  Anfang 
stehenden  Worte  ('purpureo  aureove'),  zumal  sie  vielleicht  nicht 
völlig  dem  Original  entsprechend  überliefert  sind,  unsicher  ist.  In 
dem  Nachsatz  passt  sowohl  'et  generis  summa  cum'  als  'progeniem 

propagat'  zum  Schema  -^  ^ — ,  und  der  Anfang  würde  passen, 

wenn  man,  wie  von  befreundeter  Seite  vorgeschlagen  wurde,  lesen 
wollte:  'pürpüreö  si  aureöve  (aspergitur  colore)'.  Aber  ein  Vers 
—  v-  ^ ist  unbezeugt  und  wohl  überhaupt  nicht  leicht  zu  er- 
klären. Dagegen  ist  der  Vers  — -.v---— ^  der  Aristophanius,  wohl 
bekannt  und  auch  von  Horaz  zur  Verbindung  mit  einem  nach- 
folgenden längeren  Verse  verwendet  worden,  nämlich  zu  der  soge- 
nannten grösseren  sapphischen  Strophe  carm.  1,  8.  Zu  diesem 
Schema  passen  "pürpüreo  aureöve'  und  'progeniem  pröpägiit',  aber 
zunächst  nicht  und  anscheinend  überhaupt  nicht  ohne  stärkere 
Aenderung  'et  generis  summa  cum'.  So  bin  ich  nicht  zu  einer 
sicheren  Entscheidung  gekommen,  und  ich  muss  auch  die  Möglich- 
keit einräumen,  dass  die  ursprünglichen  Verse  des  Tarquitius,  die 
ja  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  gebraucht  und  weiter  überliefert 
worden  sind,  im  Laufe  der  Zeit  stärkere  Umwandlungen  erlitten 
haben  und  der  Text  des  Macrobius  von  dem  ursprünglichen  be- 
trächtlicher abweiche''). 

Immerhin  bleibt  zweifellos  bestehen,  dass  das  besprochene  Citat 
poetische  Form  hat  oder  doch  früher  hatte,  und  damit  ist  wohl 
beides  so  gut  wie  sicher   nachgewiesen,    dass    unsere  Inschrift  auf 


")  Dies  hatte  Büclieler  in  einer  brieflichen  Mittheilung  an  mich  ausgeführt. 
Er  hielt  es  darin  für  wahrscheinlich,  dass  hei  beiden  Citnten  des  Macrobius  Verse 
des  Tarquitius  zu  Grunde  liegen  und  zwar  trochäische  Septenare,  dass  aber  die- 
selben durch  mehrfache  Ueberarbeitung  und  Umgestaltung  eine  solche  Modifi- 
cation  erfahren  hätten,  dass  die  Verse  nicht  mehr  sicher  herzustellen  seien.  Das 
Gewicht  seines  Einwurfes,  dass  für  die  Lehrdichtung  des  Tarquitius  das  oben  voraus- 
gesetzte Metrum  und  der  (bei  rein  epischen  Versen  alUirdings  wohl  schwer  erträg- 
liche) Versschhiss  mit  'cum'  schwer  glaublich  sei,  ist  durcli  das,  was  ich  weiter  unten 
über  das  etruskische  Vorbild  gesagt  habe,  jetzt  für  ihn  selbst  ermässigt. 

7* 


100 

Tarquitius  Priscus  sich  bezieht  und  dass  dessen  Schriftstellerei 
wenigstens  zum  Theil  poetisch  war.  Zu  weiterer  Verwerthung 
dieses  Ergebnisses   möchte   ich  noch  einige  Bemerkungen  zufügen. 

Die  Schrift  des  Tarquitius,  aus  der  Macrobius  die  bespro- 
chene Stelle  entnommen  hat,  bezeichnet  er  als  'transcriptus  ex 
ostentario  Tusco',  also  als  eine  Uebersetzung  aus  dem  Etruskischen. 
Nun  heisst  es  mehrfach  und  in  der  Kaiserzeit  wohl  regelmässig, 
dass  die  etruskiscbe  Haruspicin  den  Menschen  und  zwar  den 
Etruskern  oder,  wie  Festus  sagt,  den  'duodecim  populi  Etruriae', 
zunächst  überliefert  sei  von  einem  gewissen  Tages,  der,  als  in  Tar- 
quinii  ein  Landmann  pflügte,  aus  dem  Boden  aufstieg.  Natürlich 
musste  dieser  Tages  etruskisch  gesprochen  haben.  Wir  haben  aber 
bei  Ammian  17,  10,  2  aus  den  Schriften  des  Tages  ein  Citat  in 
lateinischer  Sprache,  und,  wie  längst  erkannt  ist  ^'^)  und  mir  unzweifel- 
haft scheint,  metrisch  in  Hexametern.  Es  steht  dort:  '(Severus) 
tunc  dissuasor  pugnandi  videbatur  et  timidus  mortem  fortasse 
metuens  adventantem,  ut  in  Tageticis  libris  legitur  Vegonicis  (so 
oder  'Veiovis'  die  Ueberlieferung)  fulmine  mox  tangendos  adeo  hebe- 
tari  ut  nee  tonitrum  nee  maiores  aliquos  possint  audire  fragores'.  Die 
Herstellung  der  ersten  Worte  ist  zweifelhaft;  liest  man  etwa  (mit 
Benützung  von  Vorschlägen  von  Bücheier  undDeecke) :  ^Vediovis  scis 
fulmine  iamiam',  so  hat  man  die  hexametrischen  Reihen: 

Vediovis  scis  fulmine  iämiam 
tdngendos  adeo  hebetäri  ut  nee  tonitrum  nee 
maiores  aliquos  possint  audire  fragores. 

Es  drängt  sich  hier,  meine  ich,  der  Schluss  auf,  dass  die 
'libri  Tagetici  und  die  'Tarquitiani' ,  wenigstens  zum  Theil,  nicht 
verschieden  sind,  indem  Tarquitius  in  seiner  Darstellung  der  Lehre 
oder  einzelner  Theile  derselben  angab,  er  gebe  das  lateinisch  wieder, 
was  einst  Tages  etruskisch  gelehrt  habe.  Die  etruskischen  Dar- 
stellungen, die  vorhanden  waren  oder  vorausgesetzt  wurden,  galten 
wohl  als  in  einer  Art  Metrum  abgefasst.  Nun  haben  wir  von  etrus- 
kischen Dichtungen  keine  Vorstellung.  Aber  gerade  deshalb,  und 
weil  doch  wohl  sicher  die  Verkündiger  der  heiligen  Lehre  als  eine 
Art  Seher  erschienen,  darf  es  uns  vielleicht  weniger  befremden, 
wenn  ein  römischer  Schriftsteller  bei  Nachbildung  etruskischer  Dich- 


')  Vgl.  O.  Miillcr-Deecko,  Etruskor  11'  S.  25  A.  24. 


101 

tungen,  in  denen  die  heilige  Lehre  dargestellt  war,  auch  eine  sonst 
nicht  nachweisbare  und  nach  unserem  Urtheil  für  lyrische  Dichtung 
passende  Verbindung  von  Metren  wählte,  wenn  also  Tarquitius,  wie  es 
scheint,  zwar  für  einiges  (es  scheint  die  Darstellung  der  Blitzlehre 
zu  sein)  den  Hexameter  nahm,  für  die  Darstellung  gewisser  Ostenta 
aber  das  vorher  besprochene  System  aus  einem  iambischen  Senar 
und  einem  kürzeren  Vers^^). 

Wir  gewinnen  durch  die  vorgeschlagene  Combination  mit 
Tages  vielleicht  auch  eine  genauere  Zeitbestimmung.  So  viel  ich 
sehe,  findet  sich  die  älteste  uns  erhaltene  Erwähnung  des  Tages, 
bei  der  auch  der  Bericht  völlig  der  geläufig  gewordene  ist,  bei 
Cicero  'de  divinatione'  2  c.  23,  stammt  also  aus  dem  Jahre  44 
V.  Chr.  In  der  Rede  'de  haruspicum  responsis'  10,  20  erwähnt 
Cicero  auch  die  Herkunft  dei'  Haruspicin,  nennt  sie  aber  Veterem 
ab  ipsis  dis  immortalibus,  ut  hominum  fama  est,  Etruriae  traditam 
disciplinam':  ein  Ausdruck,  der  die  Ableitung  von  Tages,  der  wie 
Cicero  an  der  anderen  Stelle  sagt:  'puerili  specie  dicitur  visus  sed 
senili  fuisse  prudentia'  und  der  nach  Isidor  nach  der  Verkündigung 
sofort  starb,  jedenfalls  nicht  deutlich  bezeichnet,  vielleicht  sich  mit 
ihr  überhaupt  nicht  verträgt.  Das  Werk  des  Tarquitius  müsste 
demnach  vor  dem  J.  44  erschienen  und  allgemeiner  bekannt  ge- 
worden sein.  Das  passt  anscheinend  wohl  zu  den  Zeugnissen  der 
Litteratur  und  unserer  Inschrift  über  Tarquitius.  Fällt  seine  metri- 
sche Behandlung  der  Lehre,  die  ihn  berühmt  machte,  etwa  in's 
Jahr  50,  so  konnte  er  wohl  mit  Selius  ^^)  und  Varro  in  den  Vergil- 
schen  Katalekten  5  (7)  als  bekannter  Grammatiker  angeführt  werden. 
Andererseits  spricht  der  Ausdruck:  . .  .(jm]ta  annis  amplius  in  der 
Inschrift  dafür,  dass  er  ein  ziemlich  hohes  Alter  erreicht  hat,  dass 
also,  wenn  vixit  dagestanden  haben  sollte,  etwa  sephiagin^ta  oder 
noch  eher  octogtn]ta  zu  ergänzen  ist.    Wenn  man  danach,  was  zu- 


")  lieber  die  Form  des  'ostentarium  arborarium',  aus  dem  das  andere  Citat 
von  Macrobius  genommen  ist,  weiss  ich,  wie  ich  früher  gesagt  habe,  nicht  zu 
urtheilen.     Vgl.  S.  99  Anm.  11. 

")  Ich  hatte  nicht  beachtet,  dass  die  Haupt'sche  Vermuthung,  nach  der  an 
dieser  Stelle  der  bekannte  Stilo  genannt  war  (Stiloque),  jetzt  beseitigt  ist,  und 
verdanke  den  Hinweis  Bücheier,  der  mir  jetzt  schrieb:  'Selique  handschriftlich 
überliefert  und  richtig  in  den  neuesten  Ausgaben  (Bährens,  Thilo),  vgl.  Rhein.  Mus. 
38  p.  514:  die  Zusammenstellung  der  Namen  erlaubt,  wenn  nöthig,  bis  nach  Cäsars 
Tod  herabzugehen'. 


102 

lässig  scheint'^),  annähme,  dass  er  etwa  90  —  10  v.  Chr.  gelebt 
habe,  so  könnte  unsere  Inschrift,  obwohl  sie  weder  in  der  Form 
der  Buchstaben  noch  in  Ausdruck  und  Schreibung  (etwa  von  'arus' 
und  'discipulina'  abgesehen)  Zeichen  eines  höheren  Alters  zeigt, 
doch  bei  seinem  Tode  oder  bald  nach  demselben  gesetzt  sein. 

Dass  die  Inschrift  in  Tarquinii  gefunden  ist,  spricht  dafür, 
dass  Tarquitius  daher  stammte.  Vielleicht  war  auch  seine  Her- 
kunft von  dort  ein  Grund  für  ihn  ,  dass  er  die  Fassung  der  Sage, 
nach  der  die  Disciplin  zuerst  auf  dem  Boden  von  Tarquinii  gelehrt 
war,  aufnahm  und  damit  zur  herrschenden  machte.  Ferner  lehrt  das 
M,  das  in  der  Inschrift  nach  unserer  Annahme  auf  Tarquitio  folgte, 
mit  Wahrscheinlichkeit,  dass  sein  Vater  den  Vornamen  Marcus 
hatte;  er  selbst  mag  den  gleichen  gehabt  und  auf  dem  Steine  ge- 
standen haben:  M.  Tarq]uitio  M.  [/.  SteU{atina,  der  Tribus  von 
Tarquinii)  Prisco  '^).  Der  M.  Tarquitius  Priscus,  der  unter  Nero  Statt- 
halter von  Bithynien  war  und  wegen  Missbrauchs  dieser  Stellung  im 
J.  61  verurtheilt  wurde  (Eckhel  2  S.  402;  Tacitus  ann.  14,46,  vgl. 
12,  59),  kann  zu  seinen  Nachkommen  gehören.  Auch  wird  wohl  mit 
ihm  verwandt  gewesen  sein  die  Tarquitia  Prisca,  die  zu  Veji  ihren 
Gatten  M.  Saenius  Marcellus  bestattete  (C.  I.  L.  XI  3840). 


Es  sei  mir  gestattet,  von  der  Inschrift,  die  zu  den  vorstehen- 
den Erörterungen  Anlass  gegeben  hat,  eine  Ergänzung  abzudrucken, 
die  nur  etwas  Mögliches  darstellen  will ''). 


'■■^j  Sehmeisser  möchte  die  schriftstellerische  Thätigkeit  des  Tarquitius  iu  die 
Zeit  des  Bundesgenosseukrieges  setzen,  doch  ist  seine  Beweisführung,  wie  mir 
sclieint,  nicht  zwingend. 

'^)  Der  C.  Tarquitius  P.  f.  Priscus,  der  Offizier  des  Sertorius  und  vorher 
Quästor  in  Spanien  war  (Mommsen,  Rom.  Miinzwesen  S.  600  A.  393),  wird  auch 
mit  dem  Schriftsteiler  verwandt  und  kann  etwa  sein  Vatersbruder  gewesen  sein. 

")  Namentlich  für  Z.  7.  8  hätte  ich  auch  einige  andere  Ergänzungen  vor- 
schlagen kfjnnen.  —  Wo  und  wie  die  Inschrift  angebracht  war,  ist  bei  dem  Fehlen 
genauer  Analogien  kaum  mit  Wahrschcinliclikeit  zu  bestimmen.  Bei  den  geringen 
Dimensionen  (die  Buch.staben  sind  in  Z.  1-7  etwa  l^i»  Z.  9.  10  etwa  l7g  Cm. 
hoch)  ist  eine  Aufstellung  unter  freiem  Himmel  wenig  glaublich.  Eher  könnte  sie 
sich  unter  einem  Medaillon  (clipeua)  oder  einer  Büste  befunden  haben,  und  es 
lassen  eich  ja  manche  Räume  denken,  für  die  Bildnisse  von  Männern,  in  deren 
Kreis  unser  Tanjuitius  gehörte,  ein  passender  Schiiinck  waren. 


103 

m.   tarq^-ifVTXO-flx  f.  stell,  priscö, 

qui  pnmus  rituM  ■  CO N^Ui^alem  et  sacra, 
quibus  placare  7^^!/MINA■ARVS^S7l^  agfiS^ro 
edoctus  erat  ex  kpvis-ET-ivsTniA'E^c\fat{s, 

5         it    reliquom  Men^RANDVM  •  DisciPVL'wae 
antiquae       ri^MR'i-CARMiNiBVS-EDiDiX'  et  in 
urbe  roma  trigimTA  ■  annIs  •  amplpI  s  arteni 
auam  docuit,  J 

m.  tarquitius  pri\SQVS  ■  tkib  -  Pfj  iL   leg. .  .  . 

10       et     I     tarquitius  \p  R  i  s  CJ!^ 

parenti  carissimo  posuerunt 

Zur  Ergänzung  von  Z.  2  Titu]m  comi[tialem  kann  verglichen 
werden  die  Stelle  von  Festus  p.  285,  wo  es  von  den  libri  rituales, 
der  einen  der  drei  Gattungen ,  in  die  nach  Cicero  die  gesammte 
Literatur  der  Disciplin  zerfiel,  heisst:  Bituales  nominantur  Etrtiscorurn 
libri,  in  quibus  praescribtum  est,  ....  quomodo  tribus,  curiae,  centuriae 
distribuantur.  —  Zu  Z.  3  die  beiden  Stellen ,  an  denen ,  wie  man 
meint,  die  acherontischen  Schriften  erwähnt  werden,  an  denen  aber 
früher  und  vielleicht  mit  Recht  statt  Acheruntia  und  Ächeronticis 
auch  gelesen  wurde  Aruntia:  Servius  zur  Aeneis  8,  398  sciendum 
secundum  äruspicinae  libros  et  sacra  Acheruntia,  quae  Tages  compo- 
siiisse  dicitur,  fata  decem  annis  quadam  ratione  differri  und  Arnobius 
adv.  nat.  2,  62  neque  quod  Eiruria  libris  in  Ächeronticis  pollicetur 
certorum  animalium  sanguine  numinibus  certis  dato  divinas  animas  fieri. 
Die  Ergänzung  e[ffatis]  in  Z.  4  schlug  mir  Herr  Fr.  Löhr  vor. 

2.  Der  Städtebund  Etruriens*). 

Wie  in  der  oben  S.  96  von  mir  angeführten  Stelle  des  Festus, 
so  werden  häufig  die  duodecim  populi  Etruriae  als  gleichbedeutend 
mit  Etrurien,  nämlich  dem  eigentlichen '),  genannt.  Von  den  Fragen, 
die  damit  gestellt  sind,  ist  die  gewissermassen  erste,  welche  Ge- 
meinden als  die  zwölf  anzusehen   sind,    zwar  mehrfach   behandelt, 


*)  Den  Inhalt  dieser  und  der  folgenden  Erörterung  habe  ich  in  der  Haupt- 
sache in  einer  Sitzung  des  archäologischen  Instituts  zu  Rom  am  1.  April  d.  J.  vor- 
getragen. 

*)  Die  Reiche,  die  die  Etrusker  in  der  Ebene  des  Po  und  in  Campanien 
gründeten,  die  aber  keinen  langen  Bestand  hatten,  zählen  hierbei  nicht  mit,  aber 
ihrerseits   soll  jedes  von  diesen  auch  wieder  aus  zwölf  Gemeinden  be.standen  haben. 


104 

aber  noch  zu  keiner  allgemein  gebilligten  Lösung  geführt  worden. 
In  den  vor  nun  60  Jahren  geschriebenen  'Etruskern  von  Otfried 
Müller,  in  der  Neubearbeitung  von  Deecke  noch  immer  dem  Haupt- 
werk über  etruskisches  Alterthum,  läuft  das  Ergebniss  der  Erörte- 
rung (I  S.  327)  darauf  hinaus,  dass  etwa  siebzehn  Gemeinden 
triftigen  Anspruch  darauf  hätten,  zu  den  zwölf  gezählt  zu  werden, 
nämhch  (indem  ich  sie  alphabetisch  ordne) :  Arretium,  Caere,  Clu- 
sium,  Cortona,  Faesulae,  Falerii,  Perusia,  Pisae,  Rusellae,  Salpinum, 
Saturnia  (das,  wie  Müller  meint,  früher  Aurinia  oder  Caletra  hiess), 
Tarquinii,  Veii,  Vetulonium,  Volaterrae,  Volci,  Volsinii.  Mommsen 
dagegen  spricht  sich  auch  noch  in  der  neuesten  Auflage  seiner 
Römischen  Geschichte  so  aus  (1"  S.  125) :  'Im  eigentlichen  Etru- 
rien  war  die  Metropole  Volsinii ;  von  den  übrigen  Zwölfstädten 
desselben  kennen  wir  durch  sichere  Ueberlieferung  nur  Perusia, 
Vetulonium,  Volci  und  Tarquinii'.  Und  vorher  ist  gesagt  (S.  120), 
dass  wir  von  Populonia  'sicher  wissen,  dass  es  zu  den  alten  Zwölf- 
städten nicht  gehört  hat\ 

Ich  war  veranlasst,  diese  Frage  zu  prüfen,  da  ich  vor  kurzem 
unter    die   lateinischen    Inschriften   von  Caere   ein  Bruchstück  auf- 
zunehmen hatte,  welches  auf  ein  Gesammtdenkmal  der  Zwölfstädte 
bezogen  worden  ist,  und,  wie  ich  jetzt  glaube,   mit  vollem  Recht. 
Es  ist  dies  eine  mit  einem  Rande  versehene,  als  Relief  bearbeitete 
Marmorplatte,  die  links  der  ganzen  Höhe  nach  gebrochen  ist,  wäh- 
rend  rechts   nur   oben  ein  Stück  fehlt.     Gefunden    wurde    sie    an- 
scheinend an  der  Stelle  des  Theaters  von  Caere  zugleich  mit  einer 
Reihe  von  Statuen,    die  Mitglieder  des  julisch-claudischen  Kaiser- 
hauses darstellen,    und  von  Inschriften,    die  sich  auf  Sockeln  von 
solchen  Statuen  befanden,  grossentheils  gesetzt  vom  senatus -poimlusque 
Caeres.  Der  erhaltene  Theil  der  Platte  zeigt  auf  der  Vorderseite  in  mas- 
sigem Relief  nebeneinander  drei  Gestalten,  die,  wie  die  Unterschriften 
besagen,   drei    Gemeinden    Etruriens  vertreten,  nämlich  von  rechts 
beginnend  die   Tarquinienses ,    die  V[ol]centa)n   und    die    Vetulonenses. 
Die  beiden  ersten  Gestalten  befinden  sich  auf  Sockeln,  die  nackte 
männliclie  Gestalt,  die  die  Vetulonier  vertritt,  steht  frei,  ragt  aber, 
da  sie  entsprechend  grösser  gebildet  ist,  gleich  hoch  hinauf.     Nun 
hat  L.  Canina,  der  zuerst  von  dem  Funde  berichtete  {Jmll.  delV  Insf. 
1840  p.  92  —  94)    und    in    seinem  Werke  Eiruria  niarittima  Abbil- 
dungen und  einen  Restaurationsversuch  herausgab,  die  Vermuthung 
aufgestellt,    diese    Platte   wie    der  gleiclizeitig  gefundene  Obertheil 


105 

> 

einer  Statue  des  Kaisers  Claudius  in  sitzender  Stellung  gehörten  zu 
einem    Denkmale,    welches    die    Zwölfstädte    dem  Kaiser  Claudius 
errichtet  hätten,  der  ja,  wie  überliefert  ist,  eine  Geschichte  Etruriens 
*in  griechischer  Sprache  geschrieben  hat. 

Diese  ansprechende  Vermuthung  ist  von  denen,  die  nach 
Canina  das  Denkmal  herausgegeben  oder  besprochen  haben,  so  von 
Emil  Braun  cmyi.  d.  Inst.  1842  S.  37  fF.  zu  Tafel  C,  von  Garrucci 
'  Mvseo  Lateranense  S.  19  ff.  zu  Tafel  X,  von  Benndorf  u.  Schöne  in 
der  Beschreibung  des  lateranischen  Museums  S.  130  ff.  n.  212,  und 
jetzt  ebenfalls  von  mir  beim  Abdruck  der  Inschrift  unter  n.  3609 
des  Bandes  XI  des  Corpus,  gebilligt  worden,  da  die  bei  diesem 
Anlass  von  mir  angestellten  Nachforschungen  nach  den  Mitgliedern 
des  Zwölfbundes  mir  die  Richtigkeit  derselben  einleuchtend  machten^). 

Bei  dieser  Nachforschung  schien  das  zuerst  sich  darbietende 
Mittel  sofort  zum  Ziele  zu  führen.  Wie  nämlich  hier  mehrere  Ge- 
meinden derartig  vereinigt  sind,  dass  sie  Glieder  des  Zwölf bundes 
gewesen  zu  sein  scheinen,  so  stellte  ich  zunächst  die  entspre- 
chenden, in  der  Litteratur  sich  findenden  Listen  zusammen.  Das- 
selbe Mittel  hat  als  eines  von  mehreren  auch  0.  Müller  angewendet, 
aber  er  kannte  dies  neue  Denkmal  natürlich  noch  nicht  und  hat 
ausserdem  auffallender  Weise  die  bei  weitem  vollständigste  Liste 
nicht  verwerthet^).  Die  Listen,  die  ich  gefunden  habe,  sind  folgende: 

1.  Dionysius  v.  Halik.  erzählt  3,  51,  dass,  als  im  Kriege  gegen 
den  älteren  Tarquinius  die  Latiner  bei  den  Etruskern  um  Hülfe 
baten,  von  diesen  oux  ömavTec,,  sondern  Tre'vxe  ttöXek;  fiiövai  Hülfe 
versprachen,  und  zwar  (indem  ich  dieselben  in  die  Reihenfolge  des 
Alphabets  der  entsprechenden  römischen  Namen  bringe):  'Appr|Tivoi, 
KXouaivoi,  'PoucTiXavoi,  OueTuXujviärai,  OuoXareppavoi. 

2.  Zum  J.  444  d.  St.  berichten  Diodor  20,  35,  5  und  über- 
einstimmend Livius  9,  37,  12 ,  dass  der  Krieg  der  Römer  gegen 
die  Etrusker  beendet  wurde   mit   einem  Waffenstillstand   Tipöc,  |uev 


')  Die  Art,  wie  Canina  sich  die  Platte  an  dem  Denkmal  angebracht  dachte, 
soll  damit  nicht  gebilligt  sein,  vgl.  S.  124  ff. 

')  Benützt  hatte  dieselbe  schon  der  alte  Cluverius  und  nach  ihm  Niebuhr, 
und  die  von  beiden  aufgestellten  Verzeichnisse  der  Zwölfstädte  kommen  daher  der 
Fassung,  die  ich  in  gewissem  Sinne  für  die  richtige  halte,  ziemlieh  nahe.  —  Dass 
ich,  wie  die  meisten  Vorgänger,  zunächst  den  Unterschied,  den  die  Zeit  machen 
kann,  nicht  berücksichtige,  soll  weiterhin  seine  Entschuldigung  finden. 


106 

'Appniivouc;  Ktti  KpoTUJVidTa?,  eii  be  TTepuaivouc;,  nach  Diodors  Worten; 
ebenso  hat  Livius:  a  Perusia  et  Cortona  et  Arretio,  quae  ferme  capila 
Etruriae  poimlorum  ea  tempestate  erant,  legaii  u.  s.  w. 

3.  In  entsprechender  Weise  berichtet  Livius  10,  37,  4  zum 
J.  460,  dass  tres  vulidissimae  urbes,  Etruriae  capita^  Volsinn,  Perusia, 
Avretium  pacem  petiere  und  indutias  in  qiiadraginta  annos  impetra- 
verunt. 

4.  Die  reichste  Liste  haben  wir  bei  Livius  28,  45.  Es  wird 
dort  erzählt,  dass,  als  im  J.  549  d.  St.  der  Consul  Scipio  eine  Flotte 
rüstete,  um  nach  Afrika  hinüber  zu  fahren,  Etruriae  primum  po]tnU 
pro  suis  quisque  facultatibus  consulem  adiuturos  polliciti,  und  es  wird 
weiter  angegeben,  was  die  einzelnen  populi  versprochen  haben.  Er- 
wähnt werden  dabei  im  Ganzen  acht  populi  und  zwar  (indem  ich 
sie  nach  der  alphabetischen  Folge  aufzähle)  die  Arretini,  Caerites, 
Clusini,  Perusim,  Populonienses,  Eusellani,  Tarquinienses,  Volaterrani. 
Bei  Besprechung  dieser  Stelle  bemerkt  Niebuhr,  wie  ich  glaube  mit 
Recht,  der  Ausdruck  sei  derart,  dass  man  erwarten  dürfe,  sämmt- 
liche  populi  Etruriens  aufgezählt  zu  finden.  Wenn  dennoch,  wie 
es  scheint,  einige  fehlen,  so  hält  er  es  für  wahrscheinlicher,  dass 
die  Aufzählung  des  nicht  sehr  sorgfältigen  Livius  unvollständig  sei, 
als  dass  einzelne  Gemeinden  sich  von  dem  Beschlüsse  fern  gehalten 
hätten.     Auch  hierin  möchte  ich  ihm  beistimmen. 

Zu  diesen  Listen,  die  bei  Schriftstellern  vorkommen,  würde 
nun  die  der  Marmorplatte  kommen,  auf  der  jetzt  noch  die  Tarqui- 
nienses, Volcentani  und  Vetulonenses  stehen;  und  da  diese  zu  Caere 
gefunden  ist,  so  ist  wohl  sicher,  dass  an  einem  anderen  Theile  des- 
selben Denkmals  die  Caerites  angebracht  waren. 

Sieht  man  nun  zu,  welche  Namen  in  diesen  fünf  Listen  vor- 
kommen, so  ergeben  sich  gerade  zwölf,  nämlich  die  Arretini,  Caerites, 
Clusini,  Cortonenses,  Perusini,  Populonienses,  Eusellani,  Tarquinienses, 
Vettdonenses ,  Volaterrani,  Volcentes,  Vohinienses ,  und  wir  hätten 
damit  eine  vollständige  Liste  der  Zwölfstädte  gewonnen. 

Allerdings  mag  das  Ergebniss  zunächst  nicht  sehr  sicher  be- 
gründet erscheinen.  Die  Zahl  der  Zeugnisse  ist  verhältnissmässig 
gering,  und  es  sind  unter  den  zwölf  nicht  weniger  als  vier,  die  nur 
einmal  vorkommen,  Cortona  zum  J.  444  bei  Diodor  und  Livius, 
die  Populonienses  nur  bei  Livius  28,  45,  die  Volcentani  nur  auf 
dem  Kelief  und  Volsinii    nur  bei  Livius  10,  37  zum  J.  460.     Aber 


107 

zunächst    ergibt    sich    eine   nicht   unwesentliche  Bestätigung  durch 
eine  genauere  Betrachtung  der  ReHefplatte. 

Wie  diese  an  dem  Denkmal  angebracht  gewesen  ist,  ist  aller- 
dings nicht  leicht  zu  sagen  ^).  Schwierigkeit  macht  namentlich, 
dass,  während  die  Rückseite  im  Ganzen  glatt  ist,  doch  auf  der- 
selben ein  schmaler,  nur  etwa  22  Centim.  breiter  Streifen  längs  der 
erhaltenen  Verticalseite  auch  Relief  zeigt,  nämlich  einen  auf  einem 
Altar  stehenden  Eber  mit  Oel-  oder  Lorbeerbaum  dahinter,  und  erst 
dann  die  glatte  Fläche  folgt.  Auch  ich  habe  keine  völlig  befriedigende 
Lösung  der  Schwierigkeit  gefunden  (vgl.S.  124 ff.);  nur  dass  die  Masse 
der  Platte  wie  der  erhaltenen  Statue  des  Claudius  sich  gut  damit  ver- 
tragen, dass  beides  Theile  des  gleichen  Denkmales  sind,  schien  Herrn 
Dl*.  Loewy  und  mir,  als  wir  im  April  im  Lateran  die  Originale 
untersuchten,  unbedenklich.  Aber  die  Untersuchung  des  Reliefs 
war  doch  belehrend. 

Wenn  man  sieht,  dass  auf  dem  Relief  neben  einander  stehen: 
Tarquinienses,  Volcentani,  Vetulonenses ,  also  auf  die  Gemeinde,  deren 
Namen  mit  T  beginnt,  zwei  folgen,  deren  Namen  mit  V  anfangen, 
so  ist  wohl  einleuchtend,  dass  an  diesem  Denkmal  die  Gemeinden 
alphabetisch  geordnet  waren,  nämlich  in  der  im  Alterthume  gebräuch- 
lichen Weise,  dass  dabei  nur  der  erste  Buchstabe  des  Wortes  be- 
rücksichtigt wurde,  nicht  auch  die  folgenden^).  Waren  aber  hier 
die  zwölf  popuU  dai'gestellt  und  galten  damals  als  solche  die- 
jenigen, die  wir  oben  ermittelt  haben,  so  mussten  auf  Tarquinienses 
und  die  beiden  mit  V  anfangenden  Volcentani  und  Vetulonenses  im 
Ganzen  noch  zwei  folgen,  die  ebenfalls  V  zum  ersten  Buchstaben 
haben,  die  Volaterrani  und  Volsinienses.  Nach  der  Gestalt  der  Ve- 
tulonier  ist  nun  die  Platte  abgebrochen.  Aber  schon  wie  ich  nur 
die  wenig  genauen  Abbildungen  vor  mir  hatte,  glaubte  ich  mit 
Wahrscheinlichkeit  aus  der  Beschaffenheit  des  Reliefs  folgern  zu 
können,  dass,  als  die  Platte  vollständig  war,  auf  jene  Gestalt  in 
der  That  noch  zwei  folgten.  Das  hat  sich  bei  der  Besichtiguno- 
des  Originals  bestätigt.    Der  obere  Theil  des  Reliefs  hat  noch  Reste 


*)  Canina  nalim  zuerst  vier  Platten  mit  je  drei  Gestalten  an,  nachher  drei 
mit  je  vier. 

■^)  Vgl.  das  alphabetische,  auf  Augustus  zurückgehende  Verzeichniss  der 
Gemeinden  der  Region  Etrurien  unten  S.  120.  Wie  ich  sehe,  ist  diese  Bemerkung 
auch  von  Dessau  gemacht  worden  Arch.  Zeituii<r  1884  ,S.  73. 


108 

der  Verzierung  mit  Guirlanden,  deren  Enden  von  Eroten  getragen 
werden.  Nun  zeigt  sclion  einigermassen  die  Abbildung,  bestimmt 
das  Relief  selbst,  dass  die  grosse  Guirlande  gerade  über  der  Mitte 
der  Figur  der  Vetulonier  am  tiefsten  lierabreicht  und  also  dort  ibre 
Mitte  hat ,  dass ,  wie  rechts  davon  der  erhaltene  Erot  das  rechte 
Ende  fasst,  so  auf  dem  verlorenen  Stücke  ein  in  der  Lage  ent- 
sprechender Erot  das  linke  gehalten  und  die  Figur  der  Vetulonier 
demnach  die  Mitte  der  Platte  eingenommen  haben  wird.  Diese  von 
der  Symmetrie  der  Ornamente  geforderte  Annahme  wird  nun  weiter 
dadurch  gestützt,  dass  Dr.  Loewy  und  ich  in  dem  erhaltenen 
oberen  Rande,  und  zwar  gleichfalls  etwa  über  der  Mitte  der 
Figur  der  Vetulonier,  ein  verticales  Loch  fanden,  welches  ohne 
Zweifel  zur  Befestigung  der  Platte  mittelst  einer  Klammer  diente. 
Das  steigert  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  durch  den  Vertreter 
der  Vetulonier  eingenommene  Stelle  die  Mitte  der  Platte  war  und 
dass,  wie  rechts  neben  dieser  stehenden  Figur  zwei  auf  Sockeln 
sich  befinden,  so  auch  zur  Linken  sich  zwei  befunden  haben  werden. 
Damit  wird  beides,  die  Beziehung  des  Reliefs  auf  ein  Denkmal  der 
Zwölfstädte  und  die  Genauigkeit  der  ermittelten  Liste,  wenigstens 
für  die  Zeit  des  Denkmals,  in  erwünschter  Weise  bestätigt. 

Wie  hier  noch  erkennbare  monumentale  Spuren,  so  gibt,  glaube 
ich,  die  Beschaffenheit  der  Liste  selbst  bei  genauerer  Prüfung  eine 
Gewähr  für  ihre  Richtigkeit.  Nur  muss  die  Liste  richtig  aufgefasst 
werden. 

Die  benützten  Berichte  der  Schriftsteller  wollen  zunächst  nur 
für  den  Zeitpunkt  beweisend  sein^  auf  den  sie  sich  beziehen,  und 
auch  hierbei  ist  die  Beweiskraft  nicht  bei  allen  die  gleiche.  Nach 
unserer  allgemeinen  Kenntniss  der  Ueberlieferung  kann  von  vorn- 
herein nur  die  Stelle  des  Livius  (28,  45)  für  die  letzte  Zeit  des 
hannibalischen  Krieges  (das  Jahr  549  d.  St.)  Anspruch  auf  völlige 
Glaubwürdigkeit  erheben.  Und  danach  ist,  denke  ich,  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  die  in  derselben  genannten  acht  populi  selbst- 
ständige und  vollberechtigte  Mitglieder  der  Verbindung  waren,  die 
Etrurien  zu  sein  oder  zu  vertreten  schien  und  die  im  Stande  war, 
Beschlüsse  zu  fassen.  Geringer  ist  an  sich  die  Glaubwürdigkeit 
der  Berichte  bei  Diodor  und  Livius  über  die  Friedensschlüsse, 
mittelst  deren  die  Kriege  Roms  gegen  Etrurien  in  den  Jahren  444 
und  4G0  d.  St.  beendet  sein  sollen.  Indess,  die  Einzelheit,  um  die 
es  sich  hier  handelt,  die  namentliche  Anführung  derjenigen  Städte, 
die    in    dem    etrurischen    Bunde    die    mächtigsten    und    führenden 


109 

Glieder  waren,  ist  doch  derartig,  dass  sie  auch  in  einem  im  Allge- 
meinen massig  beglaubigten  Berichte  einen  hohen  Grad  von  Zu- 
verlässigkeit hat.  Man  wird  also  mit  ziemlicher  Sicherheit  aus 
diesen  Berichten  entnehmen  dürfen,  nicht  nur  dass  die  beiden  Städte, 
die  an  beiden  Stellen  genannt  werden  und  auch  in  der  livianischen 
Liste  für  den  hannibalischen  Krieg  stehen  und,  wie  wir  sehen  werden, 
auch  noch  Jahrhunderte  später  Mitglieder  waren,  Arretium  und 
Perusia,  in  dieser  Stellung  schon  ein  Jahrhundert  vor  dem  hanni- 
balischen Kriege  gewesen  sind,  sondern  auch,  dass  ebenfalls  die 
beiden  Städte  damals  Mitglieder  waren ,  die  nur  zum  Jahre  444 
oder  zum  Jahre  460  genannt  werden  und  in  der  Liste  des  Livius 
für  das  Jahr  549  fehlen,  Cortona  und  Volsinii.  Da  diese  aber 
gleichfalls,  wie  weiter  unten  dargelegt  ist,  in  der  Kaiserzeit  Mit- 
glieder waren,  so  erscheint  auch  das  gesichert,  dass  sie  in  der  da- 
zwischen liegenden  Zeit,  auch  während  des  hannibalischen  Krieges, 
es  geblieben  waren. 

Anders  steht  es  mit  dem  Berichte  des  Dionysius  für  den  Krieg 
gegen  Tarquinius  Priscus.  Aus  dieser  Zeit  haben  die  Römer  keine 
zuverlässigen  Berichte  gehabt,  sondern  selbst  das  Aelteste  und 
Reste  von  dem,  was  den  erhaltenen  Erzählungen  für  dieselbe  zu 
Grunde  liegt,  ist  wohl  grösstentheils  nicht  vor  dem  drittletzten 
Jahrhundert  der  römischen  Republik  entstanden  und  demnach  vor- 
aussetzlich  von  den  Verhältnissen  dieser  späteren  Zeit  bestimmt. 
Wenn  nun  Dionysius  hier  fünf  Städte  anscheinend  als  Glieder  des 
Bundes  nennt,  so  sind  diese  vielleicht  es  wirklich  in  verhältniss- 
mässig  früher  Zeit  gewesen;  ich  sehe  wenigstens  nichts,  was  dem 
entgegenstünde.  Aber  eben  so  gut  möglich  ist,  dass  diese  Angaben 
aus  den  Verhältnissen^  die  etwa  in  der  Zeit  des  hannibalischen 
Krieges  bestanden,  entnommen  sind.  In  diesem  Falle  hat,  da  von 
den  fünf  genannten  Städten  sich  vier,  Arretium,  Clusium,  Ruseliae 
und  Volaterrae ,  auch  in  der  livianischen  Liste  für  das  Jahr  549 
finden,  die  Nennung  des  Dionysius  für  diese  vier  nur  den  Werth 
eines  zweiten,  bestätigenden  Zeugnisses,  und  für  die  eine,  die  in 
der  livianischen  Liste  nicht  steht,  aber  auf  dem  Relief  sich  findet, 
Vetulonium,  würde  das  dionysische  Zeugniss  allein  nicht  genügende 
Beweiskraft  haben,  um  ihre  Zugehörigkeit  zum  Bunde  in  sehr  frühe 
Zeit  zu  setzen®). 


^)  Doch  wird  die  frühe  Selbständigkeit  der  Stadt  Vetulonium  schon  durch  ihre 
Münzen  bewies>'n,  die,  wie  jetzt  feststeht,    die  Aufschrift  vatl  haben,    s.  I.  Falchi 


110 

So  ergibt  sich,  dass  die  Liste,  die  wir  ermittelt  haben,  im 
Wesentlichen  erst  für  die  Zeit  vom  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  an 
beglaubigt  ist.  Es  ist  nun  möglich ,  und  vielleicht  in  dem  einen 
oder  anderen  Falle  auch  nachzuweisen,  dass  in  der  Organisation 
Aenderungen  eingetreten  sind,  indem  eine  Stadt,  die  früher  Mitglied 
war,  es  nicht  blieb,  oder  eine  früher  nicht  zugehörige  eintrat,  viel- 
leicht erst  im  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.,  nach  der  Beendigijjng 
der  grossen  Kriege  Etruriens  gegen  Rom.  In  diesem  Falle  muss 
in  unserer  Liste  eine  Stadt,  deren  Mitgliedschaft  aufgehört  hatte, 
fehlen,  andererseits  diejenige  stehen,  die  vor  dem  hannibalischen 
Kriege  Mitglied  geworden  war. 

Hält  man  sich  dies  gegenwärtig,  so  wird  die  Genauigkeit  der 
Liste  durch  nähere  Erwägung  bestätigt.  Ich  will  nur  Einzelnes 
hier  erörtern.  Am  meisten  fällt  zunächst  auf,  dass  zu  den  zwölf 
Gemeinden  nicht  Veji  gehört  haben  soll ,  das  doch  Jahrhunderte 
lang  hauptsächlich  den  Kampf  für  den  etruskischen  Stamm  gegen 
die  Römer  geführt  hat.  Es  ist  denn  auch  Veji  wohl  in  allen  bisher 
aufgestellten  Listen  aufgenommen  worden,  auch  in  denen  von 
Cluver,  Niebuhr  und  Dennis,  die  von  der  oben  gefundenen  am 
wenigsten  sich  entfernen.  Aber  das  Fehlen  von  Veji  in  dieser  ist 
durchaus  in  Ordnung.  Eine  sichere  Kunde  über  die  Gliederung 
Etruriens  aus  der  Zeit,  in  der  zu  Rom  Könige  herrschten,  können 
wir  in  der  litterarischen  Ueberlieferung  nicht  haben.  Es  mag,  ob- 
wohl wir  es  nicht  behaupten  können,  Etrurien  auch  schon  zur  Zeit 
der  römischen  Könige  einen  Bund  von  zwölf  Gemeinden  gebildet 
haben,  und  in  diesem  wird  dann  wohl  sicher  Veji  gewesen  sein. 
Aber  in  der  Zeit,  für  die,  wie  ich  vorhin  ausgeführt  habe,  die  Liste 
beglaubigt  ist,  kann  die  Gemeinde  Veji  nicht  zu  den  zwölf  Ge- 
meinden gehört  haben,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  es  damals 
überhaupt  keine  Gemeinde  Veji  gab.  Mit  der  Eroberung  Veji's  durch 
die  Römer,  also  vor  der  Zeit  des  Gallischen  Brandes,  hört  Veji, 
soweit  wir  sehen  können,  zu  existiren  auf,  und  erst  unter  Augustus 
ist  es  wieder  erstanden,  indem  dieser  eine  Stadt  gründete  mit  dem 
Namen  municipium  Augiistum  Veiens  oder  Vei'). 


ann.  nuvdsm.  1884  pl.  V.  VI.  Wenn  Silins  8,  488  fi'.  von  ilir  die  zwölf  Lictorcn 
null  die  iibrij^cn  magistratischen  Insignien  herstammen  lässt,  so  muss  sogar  die 
Ansic.lit  bestanden  haben,  dass  sie  einmal  die  llaui)tstadt  Etruriens  war. 

')  Der  Gegensatz    zwischen    dem  gesehic-.litlich  bekannten  Zustaiul,    wonach 
Veji  nicht  zu  den  zwölf  Gemeinden  gehörte,    und    der  Ansicht,    dass    es    zu  einer 


111 

Das  Gegenstück  zu  Veji  bildet  Populonia  oder  Populonium. 
Dies  steht  in  der  obigen  Liste,  fehlt  aber  wohl  fast  durchgehend 
in  den  bisher  aufgestellten  Listen,  bei  Cluver,  Niebuhr,  Dennis,  wie 
bei  O.  Müller,  und  auch  an  der  angeführten  Stelle  Momrasens  heisst 
es,  dass  Populonia  sicher  zu  den  alten  zwölf  Städten  nicht  gehört 
habe.  Der  Grund  ist,  dass  von  den  verschiedenen  im  Commentar 
des  Servius  zur  Aeneis  10,  152  angeführten  Erzählungen  von  dem 
Ursprünge  dieser  Stadt ,  eine  sie  nach  der  Festsetzung  der  Zwölf- 
städte durch  aus  Corsika  gekommene  Ansiedler  gegründet  sein 
lässt,  nach  den  beiden  anderen  sie  von  Volaterrae  gegründet  oder 
erobert  ist.  Diese  Erzählungen,  schliesst  man,  hätten  nicht  auf- 
kommen können,  wenn  Populonium  eine  selbständige  Gemeinde 
gewesen  wäre.  Ob  eine  derartige  Folgerung  aus  Erzählungen,  die 
für  uns  nur  in  ganz  später  Zeit  auftreten,  einwandfrei  ist,  kann 
vielleicht  bezweifelt  werden,  aber  die  Berechtigung  der  Folgerung 
zugegeben^  so  gilt  dies  nur  für  die  älteste  Zeit.  Dass  aber  zur  Zeit 
des  hannibalischen  Krieges  Populonium  selbständig  und  ein  Glied 
des  Bundes  gewesen  sei,  wie  die  Liste  des  Livius  bezeugt,  wird 
dadurch  gar  nicht  erschüttert.  Auch  wird  die  Selbständigkeit  von 
Populonium  für  ziemhch  frühe  Zeit,  von  den  Schriftstellern  abge- 
sehen^ durch  die  Münzen  bewiesen.  Denn  wenn  auch  vielfach 
die  Zutheilung  etruskischer  Münzen  an  bestimmte  Städte  unsicher 
ist,  so  kann  das  nicht  bezweifelt  werden,  dass  die  zahlreichen 
Münzen  mit  piipluna  der  mit  römischer  Umwandlung  Populonium 
genannten  Stadt  gehören. 

Mit  dem  Fehlen  von  Veji  und  dem  Vorkommen  von  Popu- 
lonium in  unserer  Liste  sind  zugleich  die  eine  der  beiden  oder  zwei 
der  vier  Abweichungen  derselben  von  der  durch  den  Begründer 
der  antiken  Landeskunde  aufgestellten  erörtert  worden,  der  auch 
für  diese  Frage  die  antike  Litteratur  umfassend  und  sorgfältig  ver- 


Zeit nicht  wohl  ausserhalb  derselben  gestanrlen  haben  könne,  spiegelt  sich  in  unseren 
Berichten.  Einerseits  hielten  nach  Dionysius  9,  18,  nachdem  Veji  mit  Eom  Frieden 
geschlossen  hatte,  ai  |ur]  inexaaxoOaai  rrjc;  6ipnvr](;  ?v  bcKO  iröXen;  eine  Versamm- 
lung ab  und  beschwerten  sich  über  den  Einzelt'rieden  der  Vejenter,  und  bei  Livius  5, 
1,  4  war  der  König  von  Veji  schon  früher  mit  dem  etruskischen  Volke  (gens)  zer- 
fallen, quod  suffragio  duodecim  populorum  alius  sacerdos  ei  praelatus  esset.  Andrer- 
seits senden  bei  Livius  4,  23,  5  Vejenter  und  Falisker  Gesandte  circa  duodecim 
pojmhxt,  niul  7,  21,  9,  nachdem  das  Gebiet  von  Veji  längst  römisch  geworden  war, 
ist  von  dem  Gerücht  die  Kede  coniurasse  duodecim  poptdos. 


112 

werthet  hat.  Die  Cluver'sche  Liste,  die  allerdings  die  Zeiten  nicht 
scheidet,  stimmt  mit  der  unseren  in  zehn  Namen  überein:  es  fehlt 
ihr  ausser  Populonium  noch  Volci;  mehr  hat  sie  Veji  und  Falerü, 
Die  Mitgliedschaft  von  Volci  wird  durch  das  Relief  von  Caere  be- 
zeugt. Allerdings  gehört  dies  der  ersten  Kaiserzeit  an,  und  danach 
ist  Volci  die  einzige  der  zwölf  Städte  unserer  Liste,  für  die  das 
benützte  Zeugniss  nicht  wenigstens  bis  zur  Zeit  des  hannibalischen 
Krieges  hinaufreicht.  Aber  dass  sie  schon  weit  früher  Bundes- 
mitglied gewesen  ist,  scheint  mir  sicher.  Volci  war  in  der  Kaiser- 
zeit, nach  den  übereinstimmenden  Anzeichen  der  Litteratur  und 
der  Denkmäler,  sehr  geringfügig.  In  früher  Zeit  ist  es  mächtig 
gewesen,  wie  am  glänzendsten  der  Reichthum  und  das  Alter  seiner 
Nekropolen  beweist;  und  wie  O.  Müller  bemerkt  hat,  geht  seine 
Stellung  als  unabhängiges  Bundesmitglied,  mindestens  aber  seine 
Selbständigkeit,  daraus  hervor,  dass  noch  280  v.  Chr.  ein  römi- 
scher Triumph  gefeiert  wurde:  de  Vulsiniensibus  et  Vulcientib{us) 
und  dass  273  v.  Chr.  in  seinem  Gebiete  die  römische  Colonie  Cosa 
ano-elegt  wurde;  vgl.  Plinius  n.  h.  3,  51:  Cosa  Volcientium  a  populo 
Romano  deducta.  Sicher  hat  demnach  Volci  die  Stelle  als  eines  der 
zwölf  populi  nicht  später  erlangt,  sondern  es  hat  sie  trotz  seines 
materiellen  Niederganges  behauptet. 

Mehr  hat  Cluver  ausser  Veji,  das  ich  schon  besprochen  habe, 
noch  Falerü;  dies  hat  auch  0.  Müller.  Die  Annahme  von  Falerü 
ist  schon  deshalb  als  verfehlt  zu  betrachten,  weil  dessen  Bürger, 
die  Falisker,  überhaupt  nicht  etruskischen  Stammes  waren.  Dies 
wird  schon  in  der  antiken  Litteratur  angedeutet,  und  als  Denk- 
mäler in  faliskischem  Dialekt  bekannt  wurden  (zuerst  geschah  es 
1860j,  zeigte  sich,  dass  derselbe  dem  lateinischen  nahe  verwandt  ist. 

Nach  diesen  Darlegungen  könnte  wohl  die  Zuverlässigkeit  und 
Genauigkeit  der  Liste  der  Zwölfstädte  Etruriens,  wenigstens,  wie  ich 
ausgeführt  habe,  für  die  Zeit  vom  dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  an,  für 
hinreichend  gesichert  gelten.  Aber  ich  habe  bisher  etwas  unerwähnt 
gelassen,  was  meine  bisherige  Darstellung,  wenigstens  soweit  das 
Relief  in  Frage  kommt,  zu  modificiren  scheint:  nämlich  die  Um- 
gestaltung des  Bundes  in  der  Kaiserzeit,  auch  in  Beziehung  auf 
den  Bestand  seiner  Mitglieder.  Das  Etrurien  der  so  und  soviel 
pojmli  hat  auch  in  der  späteren  Kaiserzeit  fortbestanden,  wie  wir 
aus  Inschriften,  die  seine  Beamten  nennen,  wissen,  wenn  auch 
voraussetzlich  ohne  weitere  Wirksamkeit,  als  die  mit  einem  gemein- 


113 

Samen  religiösen  Feste  verbundene.  Von  dieser  religiösen  Feier, 
die  allerdings  im  Laufe  der  Zeit  wohl  umgestaltet  und  zwar  stark 
umgestaltet  war,  handelt  der  in  Marmor  eingegrabene  und  noch 
jetzt  in  Spello,  dem  antiken  Hispellum,  befindliche  Erlass  Kaiser 
Constantins^).  In  demselben  wird  genehmigt,  dass,  während  bisher 
in  Folge  der  Verbindung  mit  Tuscien  ein  von  den  Angeredeten, 
sicher  Vertretern  von  Umbrien,  jährlich  gewählter  Priester  instüufo 
con.suetudinis  j)riscae  in  Volsinii  {aput  Vulsmios  Tusciae  civitatem) 
dramatische  und  Fechterspiele  zu  geben  hatte,  von  jetzt  an  der 
jährlich  von  Umbrien  bestellte  Priester  die  Feste  in  dem  umbrischen 
Hispellum  gebe,  welche  Stadt  gleichzeitig  den  Namen  Flavia  Constans 
und  eine  aedis  Flaviae  gentis  erhält;  dass  aber  in  Tuscien  es  dabei 
bleibe,  dass  der  jährlich  aus  Tuscien  erwählte  Priester  die  Fest- 
lichkeit wie  früher  in  Volsinii  abhalte.  Mit  dieser  Festlichkeit 
Etruriens  hat,  wenigstens  in  der  Zeit,  bevor  Umbrien  dabei  betheiligt 
war,  sicher  der  in  Inschriften  der  Kaiserzeit  mehrfach  vorkommende 
praetor  Etruriae  zu  thun  gehabt^).  Ausser  diesem  erscheint  in  den 
Inschriften  ein  voraussetzlich  dem  Prätor  irgendwie  bei-  oder  unter- 
geordneter aedilis  Etruriae^^),  und  vereinzelt  kommt  vor  ein  iurat{iis) 
(i<l  Sacra  Etr{jiriae).  Nun  heisst  aber  der  Prätor  Etruriens,  wenn 
der  Titel    voll    angegeben    wird,  praetor  Etruriae  XV  "populorum^^). 


*)  Henzen  n.  5580  :=  Wilmanus  n.  2843;  ich  habe  den  Stein  gesehen 
und  verglichen.  Dass  die  Urkunde  früher  als  unecht  gegolten  hat  und  erst  durch 
die  schöne  Darlegung  von  Mommsen,  epigr.  Analekt.  9  in  den  Berichten  d.  säclis. 
Ges.  1850  zur  verdienten  Würdigung  gekommen  ist,  mag  dem  jüngeren  Geschlechte 
leicht  unbegreiflich  erscheinen. 

^)  Auf  die  Zeit,  in  der  das  Fest  den  beiden  Landschaften  gemeinsam  war, 
bezieht  sich,  wie  öfter  bemerkt  ist,  sicher  das  coronatus  Tusc{iae)  et  Umb(riae)  des 
0.  Matrinius  Aurelius  C.  f.  Lem(onia)  Antoninus ,  der  nachher  auch,  wohl  in  Folge 
des  oben  besprochenen  Erlasses  Kaiser  Constantins  und  wohl  in  Hispellum  pont{i- 
fex)  gentis  Flaviae  gewesen  ist  (Inschrift  desselben  noch  jetzt  zu  Spello  befindlich: 
Orelli  n.  3866  =  Wilmanns  n.  2102,  von  mir  gesehen). 

'")  Das  ist  wenigstens  das  wahrscheinliche  Verhältniss.  Allerdings  ist,  da 
von  den  erhaltenen  Erwähnungen  des  Prätor  Etruriens  keine  älter  ist  als  das  zweite 
Jahrhundert  n.  Chr.,  die  Inschriften  mit  aedilis  Etruriae  aber  sicher  zum  Theil 
und  vielleicht  alle  noch  in  das  erste  Jahrhundert  n.  Chr.  gehören,  die  Möglichkeit 
nicht  völlig  ausgeschlossen,  dass  hier  statt  eines  Nebeneinander  ein  Nacheinander 
VDiliege  und  später  an  die  Stelle  des  Aedilen  der  vornehmere  Prätor  getreten  sei. 

^')  Unter  den  neun  Inschriften,  die  das  Amt  meines  Wissens  erwähnen  und 
die  ich  unten  anführen  werde,  heisst  das  Amt  fünf  Mal  praetor  Elruriae  XV  2}opn- 

Archäologisch-epigraphische  Mitlh.  XF.  8 


114 

Wenn  danach  einerseits  wahrscheinlich  oder  sicher  ist,  dass  das 
Etrurien  dieses  Amtes  mit  den  früher  besprochenen  duodechn  popidi 
Etruriae  zusammenhängt,  so  andererseits  nicht  minder,  dass  dabei 
eine  Aenderung  eingetreten  ist,  indem  statt  der  zwölf,  nun  fünfzehn 
popnli  erscheinen.  Eine  Untersuchung  über  diese  fünfzehn  popull 
ist  meines  Wissens  noch  nicht  geführt  worden.  O.  Müller  erwähnt 
am  Schlüsse  seines  Capitels  von  der  Bundesverfassung  (Buch  11 
Cap.  1)  diese  Inschriften  später  Zeit  und  sagt  dann :  'Wie  aus  den 
zwölf  Völkern  fünfzehn  geworden  sind,  ist  dunkel,  entweder  sind 
einige  früher  mit  andern  verbundene  Städte  besonders  gerechnet 
worden  oder  Umbrien  ist  hier  unter  demselben  Namen  befasst'. 

Zunächst  wäre  das  Thatsächliche  möglichst  zu  ermitteln,  welche 
Gemeinden  auf  Grund  bestimmter  Zeugnisse  zu  dem  Etrurien  der 
fünfzehn  Gemeinden  zu  rechnen  sind.  Das  Hauptmittel  dazu  ist 
die  Zugehörigkeit  der  als  Beamte  dieses  Etruriens  vorkommenden 
Personen  zu  bestimmten  Gemeinden,  indem  zunächst  es  selbstver- 
ständlich scheint,  dass  nur  Bürger  der  einzelnen  Bundesgemeinden 
zu  den  gemeinsamen  Bundesämtern  berufen  wurden.  Dies  trifft 
auch  durchaus  zu  auf  das  oder  besser  die  niederen  Aemter.  Wenn 
ich  nichts  übersehen  habe,  erscheint  der  aedilis  Etruriae  bis  jetzt 
auf  fünf  Inschriften,  die  sämmtlich  Grabinschriften  sind,  und  von 
diesen  gehören,  wie  für  mich  sicher  steht,  drei  nach  Clusium"^), 
eine  nach  Caere  ^'''),   eine  nach  Cor  ton  a"*),   in  der  Weise,   dass 


lorum  C.  I.  IX,  3667.  XI,  1941.  2699.  XIV,  172  und  Henzen  618,3;  zwei  M.il 
praetor  Etruriae  XI,  1432.  3364  und  zwei  Ma)  anscheinend  praetor  XV populonim 
XI,  2114.  2115. 

")  Es  .sind  dies  die  in  Clusium  (Chiu.si)  gefundenen  Inschriften  XI,  2116 
'—  Ann.  d.  Inst.  1863  p.  284)  und  2120,  und  die  Inschrift  XI  1806  (=  Gori  inner. 
Etr.  2,  60,  3),  die  ich  unter  Siena  (Saena)  abg^edruckt  habe,  da  sie  niclit  weit  von 
dort  gefunden  ist;  aber  schon  die  Tribiis  Arnensis  beweist  die  Zugehörigkeit  zu 
Clusium. 

*')  Sic  ist  jetzt  von  mir  als  XI,  3615  unter  die  Inschriften  von  Caere  gesetzt, 
wollin  sie  sicher  gehört.  Da  sie  sich  jetzt  in  Sutri  befindet,  wo  sie  auch  Garrucci 
sah  {dissert.  arch.  1  p.  31,  daraus  bull.  d.  Insf.  1865  p.  248),  so  hatte  icli  sie  schon 
unter  n.  3257  unter  Sutri  gegeben,  ohne  die  richtige,  allerdings  nur  von  einem 
Fälscher  (Ligorio)  überlieferte  Ortsangabe,  die  aber  in  entscheidender  Weise  durch 
ein  Caere  eigenthümliches  Gemeindeamt  gestützt  wird,  genügend  zu  würdigen. 

")  XI,  1905  (=  Gori  inscr.  Etr.  2  p.  369).  Dass  [aPAl{iUit)]  Etruriae  zu  er- 
gänzen  ist,  h.abe   ich   erst  nachtr.-iglicli   gesehen. 


115 

der  Verstorbene  Bürger  der  angegebenen  Gemeinde  gewesen  ist, 
in  derselben  auch  Gemeinde-  oder  Priesterämter  bekleidet  hat  und 
innerhalb  ihres  Gebietes  begraben  ist.  Ganz  gleichartig  ist  das 
Amt  des  iurat{us)  ad  sacra  Etr[uriae),  das  bis  jetzt  nur  einmal,  in 
der  Grabschrift  eines  Arretiners  vorkommt*^).  Etwas  anders 
aber  steht  es  mit  der  Würde  eines  Prätors  von  Etrurien,  wie  schon 
die  einzige  Stelle  in  der  Litteratur  lehrt,  an  der  ein  Beamter  des 
zur  Besprechung  stehenden  Etruriens  genannt  wird.  Nach  der  uns 
erhaltenen  Lebensbeschreibung  des  Kaisers  Hadrian  (c.  19  zu  An- 
fang: in  Etrnria  praeturam  imperatoi^  egif.)  ist  derselbe  als  Kaiser 
Prätor  von  Etrurien  gewesen  und  er  war  bekanntlich  nicht  Bürger 
einer  etrurischen  Gemeinde.  Wie  hiermit  Hadrian  nicht  so  sehr 
von  Etrurien  eine  Ehre  erhielt,  als  diesem  eine  Ehre  erwies, 
so  haben  auch,  vielleicht  in  Folge  dieses  kaiserlichen  Vorganges, 
nach  dem  Zeugnisse  der  Inschriften  mehrfach  Männer  des  höchsten 
Ranges  im  römischen  Reich  dies  Amt  bekleidet.  Solche  Personen 
konnten  leicht  zu  einzelnen  oder  mehreren  Städten  Etruriens  in 
Beziehungen  getreten  sein,  auch  ohne  dass  sie  Burger  derselben 
waren,  und  es  kann  daher  aus  der  Bekleidung  des  Amtes  wohl 
nicht  mit  Sicherheit  auf  die  Zugehörigkeit  zu  einer  der  Bundes- 
geraeinden  geschlossen  werden.  Danach  sind  die  Inschriften,  die 
uns  Prätoren  von  Etrurien  kennen  lehren,  einzeln  zu  erwägen.  Ich 
kenne  deren  bis  jetzt  neun.  Von  diesen  sind  gleichartig  zwei  nach 
Clusium"*)  und  eine  nach  Perusia'*)  gehörende,  die  in  diesen 
Städten  gefunden  sind  und  angesehene  Bürger  derselben  rühmen, 
die  sich  um  ihre  Vaterstadt  auch  auf  andere  Weise  verdient  ge- 
macht haben.  Zwei  weitere  (4.  5)  Inschriften  aus  Tarquin  ii  "*)  und 
Volsinii'^)  haben  das  Gemeinsame,  dass  mit  ihnen  Männer  hohen 
Ranges  geehrt  werden,  die  im  römischen  Reiche  die  Aemterlaufbahn 
gemacht  haben,  aber  aus  diesen  Städten  stammen  ;  in  der  Inschrift 


''")  XI,  1848  (=  Gruter  479,  1;  Gori  /.  E.  1,  448,  79;  Orelli  n.  •2182).  Die- 
selbe ist  im  Gebiet  von  Arezzo  gefunden,  die  Tribus  ist  die  arretinisclic  und  die 
in  der  Inschrift  vorkommenden  Gemeindeämter,  Qnästnr,  Aedilitht,  ])nnvirat,  werden 
.•mch   arretinisch   sein. 

'•)  XI,  2114  und  2115  =  Muratori   1039,  1. 

'')  XI,   1941  —  Gruter  37.5,  4;  Orelli  n.   97  mit  Sn|i|.I. 

'»)  XI,  3.3G4  =   Henzen  n.   G497. 

")  XI,  2099  =  Grnt.T  .385,  1  ;  Orelli  n.  90  mit  Sni>).l. 

8* 


116 

aus  Volsinii  wird  diese  Stadt  ausdrücklich  als  patria  bezeiclmet, 
und  der  Geehrte  von  Tarquinii  hat  die  tarquinisclie  Tribus  und  ist 
auch  quinquennalis  Tarquinis  gewesen.  An  diese  würde  sich  (6) 
die  verstümmelte  Inschrift  von  Pisae  anschliessen  (XI,  1432  =  Gori- 
I.  E.  2,  18,  12),  die  nach  sicherer  Ergänzung  zu  Ehren  eines  L. 
Venuleius  Apronianus  gesetzt  ist,  der  im  Jahre  168  n.  Chr.  zum 
zweiten  Male  Consul  war.  Nach  den  Resten  praetori  -  etrvriae  •  v  ■ 
pIsIs...  und  m  PATRiAM  svAM  •  BENEFiciA  hat  er  fünf  Mal  die  Prätur 
in  Etrurien  bekleidet,  war  selbst  aus  Pisae  und  hat  dort  wohl  auch 
ein  Gemeindeamt  bekleidet  [nach  dem  Pisis  muss  eine  derartige 
Bezeichnung  gefolgt  sein,  etwa  qninq{uennalis)].  Während  aber  die 
Städte,  aus  denen  die  fünf  ersten  Inschriften  herrühren,  in  der  Liste 
der  duodecim  fopuli,  wie  wir  sie  aufgestellt  haben,  stehen,  findet 
sich  Pisae  nicht  darin  '^^).  Aus  der  eben  besprochenen  Inschrift 
lässt  sich  vielleicht  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  dafür  ableiten, 
dass  Pisae  zu  den  XV  'populi  gehört  habe ,  aber  durchaus  keine 
Sicherheit.  Das  wird  noch  deutlicher  durch  die  Betrachtung  der 
drei  letzten  Inschriften  (7 — 9).  Diese  sind  anscheinend  ausserhalb 
der  Landschaft  Etrurien  gefunden.  Die  eine  (Henzen  n.  6183), 
die  in  Bettona  (Vettona),  also  in  Umbrien,  aber  nahe  der  Grenze  des 
antiken  Etruriens,  als  Baumaterial  verwendet  war,  ist  sehr  ver- 
stümmelt und  nur  aus  einer  einzigen  Abschrift  bekannt.  DeutHch 
ist  darin  die  Erwähnung  des  Amtes  (tore  aetrvriae  xv-p-p)  und  das 
Aetruriae  ludos  aedidit'^  auch  ist  vorher  Titscia  erwähnt.  Aber  bei 
dem  Fehlen  eines  Stadtnamens  bleibt  auch  das  unsicher,  zu  welcher 
Stadt  der  Geehrte  in  näherem  Verhältniss  stand,  und  da  Bettona  nahe 
bei  Perugia  liegt,  so  wäre  vielleicht  möglich,  dass  die  Inschrift  nach 
dieser  Stadt  gehört.  Die  achte  (C.  IX  3667  =  Orelli  3149)  war  in  dem 


")  Allerdings  ist,  vielfach,  auch  von  O.  Müller,  Pisae  zu  den  Zwölfstädten 
gerechnet  worden.  Aber  schon  Cluver  und  Norisius  haben  sich  gegen  diese  An- 
nahme erklärt,  und  auch  ich  habe  es  in  der  Einleitung  zu  den  Inschriften  von 
Pisae  (XI  S.  273)  gethan,  bevor  ich  mir  eine  Ansicht  über  den  Bestand  der  Liste 
gebildet  hatte.  In  den  mancherlei  Erzählungen  über  den  Ursprung  von  Pisae 
kommt  allerdings  auch  die  Gründung  durch  die  P^trusker  vor,  aber  die  anscheinend 
bessere  Ueberlieferung  weist  die  Stadt  den  Ligurern  zu;  lange  Zeit,  voraussefzlicli 
bis  auf  Sulla,  lag  sie  ausserhalb  der  Grenzen  Italiens,  die  an  dieser  Stelle  mit 
denen  Etruriens  zusammenfielen;  als  sie  das  römische  Bürgerrecht  erhielt,  wurde 
sie  der  für  die  Ligurer  bestimmten  Tribus,  der  Galeria,  zugewiesen,  und  Etruskisches 
ist,  80  viel  icli  weiss,  bis  jetzt  weder  in  Pisa  selbst  noch  in  der  Umgegend  ge- 
funden worden. 


117 

Haupiort  der  Marscr  einem  IManne  senatorischen  Standes  gesetzt,  der 
nach  den  Worten  yraelori  eodemqi^ue)  tempore praetor[{]  Aetrur{iae)  XV 
jjopul[or{u7n)\  in  demselben  Jahre,  in  welchem  er  die  Prätur  in  Rom 
verwaltete,  auch  die  Würde  eines  Prätor  von  Etrurien  übernommen 
hatte.  Irgend  eine  sonstige  Beziehung  zu  Etrurien  oder  einer  Stadt 
desselben  ersieht  man  nicht.  Schliesslich  die  letzte  (C.  XIV  172 
mit  Add.  =  notiz'e  degli  scavi  1880  p.  476  und  1886  p.  82)  ist  im 
Jahre  184  in  Ostia  einem  Q.  Petronius  Melior  gesetzt,  der  ritter- 
lichen Standes  und  damals  proci^urator)  ann{onae)  war,  vorher  aber 
unter  anderem  gewesen  war  ////  vir  q{}iin)q{v.ennalis)  Faesulis  und 
pontif(ex)  Faesulis  et  Florentiae  und  curator  rei  publ(icae)  Saenensium 
und  praetor  Etruriae  XV  populoriim  bis.  Anscheinend  ein  Enkel 
von  ihm ,  der  gleichnamig  ist  und  es  zum  Consulat  gebracht  hat, 
war  nach  der  Inschrift  XI.  3367  =  Henzen  n.  6048  cur{ator)  r(ei) 
p(ubHcae)  Tarquiniens(ium)  und  Patron  derselben  und  hatte  ihnen  die 
Thermen  wiederhergestellt;  begraben  aber  ist  er  vielleicht  in  Florenz 
oder  Fiesole,  wo  sein  Grossvater  Gemeinde-  oder  Priesterämter 
bekleidet  hatte,  da  sein  Sarkophag  (Xl,  1595  =  Orelli  n.  3775  vgl. 
Suppl.)  in  Florenz  zum  Vorschein  gekommen  ist.  Der  Grund  der 
Beziehungen  der  Familie  zu  Etrurien  ist  danach  wohl  kaum  fest- 
zustellen; dass  sie  aus  Faesulae  stammte,  wäre  möglich,  ohne  dass 
es  wahrscheinlich  genannt  werden  könnte.  Mit  nicht  viel  geringerer 
Berechtigung  könnte  man  die  Familie  auch  für  eine  tarquiniensische 
halten. 

Damit  wäre  die  Musterung  der  inschriftlichen  Denkmäler  für 
das  Etruria  XV  populorum  beendet.  Dieselben  geben  mit  einer 
allerdings  nicht  überall  gleichen  Sicherheit  dafür  Zeugniss  ab,  dass 
zu  den  fünfzehn  Gemeinden,  die  den  Bund  bildeten,  gehörten: 
Arretium,  Caere,  Clusium,  Cortona,Perusia,Tarquinii, 
Volsinii,  die  wir  bereits  als  Mitglieder  der  älteren  zwölf  Ge- 
meinden kannten,  und  eine  Inschrift  spricht  mit  einer  gewissen 
Wahrscheinlichkeit  für  die  Zugehörigkeit  von  Pisae.  Ferner  ist 
hier  zu  verweisen  auf  das  Zeugnis  des  oben  ausführlicher  bespro- 
chenen, der  frühen  Kaiserzeit  angehörenden  Reliefs  für  [CaereJ, 
Tarquinii,Vetulonium,Vo!ci,  so  dass  das  wohl  sicher  scheint, 
dass  alle  XH  populi  auch  zu  den  A'F  gehörten  und  nur,  wie  aus  dem 
neuen  Namen  folgt,  drei  hinzugekommen  sein  müssen "'}. 


'*)  Bei  dieser  Sachlage  ist  es  für  die  Untersuchung  unbedenklich,  dass  ich 
früher  das  Relief  für  die  Liste  der  zwölf  Städte  verwerthet  habe,  auch  wenn  zu  der 


118 

Wie  ist  nun  diese  Vermehrung  zu  denken?  Von  den  oben 
S.  114  erwähnten  Erklärungen  ist  die  aus  der  Vereinigung  mit  Um- 
brien  hergenommene,  die  ein  gewisser  Adami  aufgestellt  hatte,  über- 
haupt nur  durch  die  falsche,  jetzt  beseitigte  Lesung  in  XI,  1941  = 
üruter  375,  4  'praetor  Umhriae  (statt  Etruriae)  XV  populorum  ver- 
anlasst und  sicher  abzuweisen.  Dass  Umbrien  und  Etrurien  oder 
Tuscien  ein  gemeinsames  Fest  erhielten,  wird  erst  Folge  ihrer  Ver- 
einigung zu  eineni  Verwaltungsbezirk  sein,  die  einer  weit  späteren 
Zeit  angehört,  als  in  der  die  XV  populi  zuerst  vorkommen.  Aber 
es  haben  auch  während  der  Zeit  der  Vereinigung  beide  Landschaften 
ihre  besonderen  Priester  gehabt  und  der  praetor  Etruriae  XV popu- 
lorum würde,  auch  wenn  er  mit  dem  Priester  für  Etrurien  oder 
später  Tuscien  identisch  sein  sollte,  zunächst  in  keiner  Beziehung 
zu  Umbrien  stehen.  So  passt  denn  auch  die  Erhöhung  um  nur 
drei  Älitglieder  wenig  zu  dem  Eintritt  einer  ganzen  und  so  städte- 
reichen Region,  wie  es  Umbrien  war. 

p]s  bliebe  die  zweite  Möglichkeit,  dass  bei  einer  Neuord- 
nung des  Bundes  einige  Gemeinden  Etruriens,  die  früher  nicht 
^Mitglieder  waren,  aufgenommen  wurden.  Welcher  Zeit  und  welcher 
Persönlichkeit  dieselbe  zuzuschreiben  sein  mag,  ist  wohl  noch  nicht 
erörtert.  Indess  wenn,  wie  wohl  höchst  wahrscheinlich  ist,  die 
Aedilen  Etruriens,  deren  Inschriften  wenigstens  zum  Theil  schon  der 
ersten  Kaiserzeit  angehören'^"),  ebenso  wie  die  Prätoren  erst  nach  der 
Neuordnung  eingesetzt  sind^^),  so  ist  wohl  ziemlich  sicher,  dass  der 
Begründer  auch  dieser  in  der  Kaiserzeit  bestehenden  Ordnung 
Augustus  gewesen  ist.  Dass  dies  ohnehin  die  grösste  Wahrschein- 
lichkeit hat,  werden  die  Kundigen  sofort  einräumen;  doch  will  ich 
hier  auf  eine  begründende  Darlegung,    die  einen  weiteren  Rahmen 


Zeit,  wo  es  entstand,  schon  aus  den  zwölf  Gemeinden  fünfzehn  geworden  sein 
sollten.  In  dem  letzten  Theile  der  alphabetischen  Liste  nach  dem  Buchstaben  T 
ist  wohl  sicher  keine  Aendcnuij,'  vortrekommen.  Wenn  die  Erklärung,  die  ich 
weiterliin  vorschlage,  richtig  ist,  sind  übrigens  die  XII  und  die  XV  überhaupt 
identisch. 

")  Es  kann  z.  B.  die  im  Gebiet  von  Cortona  gefundene  Inschrift  des  aedilia 
Etruriae  f  XI,  1905,  s.  Anm.  14),  dessen  Namen  noch  kein  Cognomen  enthält,  kaum 
später  als  in  augusteische  Zeit  gesetzt  werden. 

")  Das  deuten  schon  die  rfimischen  Benennungen  dieser  Scheinraagistrate  an, 
Trätorcn  und  Aedilen.  Auch  nennt  Livius  denjenigen,  der  in  älterer  Zeit  von  den 
diiodecim  populi  gewählt  wurde,  sacerdoa  {b,   1,  5). 


119 

erfordern  würde,  nicht  eingehen.  Augustus  hat  nun  auch  den 
später  bestehenden  politischen  Bezirk  Etrurien  geschafFen.  Er  hat, 
wie  beicannt,  als  er  zuerst  Italien  eine  Gliederung  für  die  Verwal- 
tung gab,  dasselbe  in  eilf  Regionen  getheilt  und  dabei  sich  im 
Ganzen  an  die  alten  Stammesgrenzen  angeschlossen.  Auch  die 
Region,  die  Etrurien  umfasste  und  diesen  Namen  hatte,  die  siebente, 
folgte  im  Ganzen  den  Grenzen  des  Stammes,  wenn  auch  die  Region 
namentlich  nach  Norden  und  Nordwesten  hin  ausgedehnt  ward, 
indem  für  sie  jetzt  eine  grössere  Strecke  entlang  der  Kamm  des 
Appennin  die  Grenze  bildete.  Wenn  nun  Augustus  gleichzeitig  den 
religiösen  Bund  Etruriens  wiederherstellte  oder  neu  belebte,  so  wäre 
ja  an  sich  eine  nicht  sehr  bedeutende  Aenderung  in  dem  Bestände 
der  Mitglieder  nicht  besonders  auffallend.  Es  könnten,  wie  Müller 
bei  seiner  zweiten  Möglichkeit  es  sich  dachte,  die  neuen  Mitglieder 
solche  sein,  die  jetzt  als  selbständige  Gemeinden  betrachtet  wurden, 
während  sie  früher  einer  anderen  zugetheilt  waren.  Möglich  wäre 
aber  auch,  dass  Augustus  Gemeinden  aufgenommen  hätte,  die  früher 
ausserhalb  des  Bundes  standen,  solche  die  mit  den  alten  Zwölf- 
städten jetzt  in  derselben  Region  zusammen  waren  und  doch  auch 
als  etruskischen  Stammes  betrachtet  werden  konnten '^*).  Vielleicht  ist 
dies  wirklich  geschehen,  und  dann  hat  nach  dem,  was  oben  gesagt 
ist,  wohl  Pisae  besonders  begründeten  Anspruch  darauf,  als  eines 
der  neu  hinzugefügten  Glieder  betrachtet  zu  werden.  Es  gehörte 
seit  Augustus  zur  Region  Etrurien,  hatte  durch  ihn  Colonisten  und 
den  Namen  Opsequens  In/ia  erhalten,  und  beide  Adoptivsöhne  des 
Kaisers  sind  seine  Patrone  gewesen.  Auch  zählt  Vergil  schon  die 
Pisaner  und  zwar  als  eigene  Abtheilung  unter  den  Etruskern  auf, 
die  dem  Aeneas  Hülfe  leisteten.     Dies    unterstützt    sehr   das    oben 


")  Offenbar  bat  der  Bund  diesen  Charakter  der  Zugehörigkeit  zum  etruski- 
schen Volksstamm  auch  in  der  Kaiserzeit  bewahrt  und  ist  nicht  zu  einer  Vereini- 
gung der  selbständigen  Gemeinden  der  Landschaft  Etrurien  oder  wenigstens  der 
bedeutendsten  derselben  geworden.  Solche  Gemeinden  gab  es  nach  dem  augustisch- 
plinianischen  Verzeichniss  fast  fünfzig  (s.  S.  120),  aber  es  haben  z.  B.  alle  Ge- 
meinden römischer  Gründung,  die  schon  im  4.  Jahrhundert  der  Stadt  errichteten 
Festungen  Sutrium  und  Nepet,  wie  die  späteren  Gründungen  Cosa,  Castrum  Novum, 
Alsium,  Fregenae,  Pyrgi,  Saturnia,  Graviscae,  Luna,  Florentia,  ausserhalb  des 
sacralen  Etruriens  gestanden.  Beloch  (der  italische  Bund  S.  162)  ist  durch  die 
irrige  Zuweisung  von  Inschriften  mit  Aedilen  Etruriens  an  Saena  (Siena)  und 
Sutrium  g-etäuscht  worden. 


120 

angeführte  urkundliche  Anzeichen.  Weiter  käme  etwa  Faesulae  in 
Betracht,  für  das  ja  auch  einigermassen  ein  urkundliches  Anzeichen 
da  ist. 

Aber  es  hat  sich  mir  noch  eine  andere  Erklärung  aufgedrängt. 
Augustus  hat,  nachdem  er  Italien  eine  Gliederung  gegeben  hatte, 
dieselbe  veröffentlicht  in  Form  eines  Verzeichnisses,  das  die  neuen 
Regionen  mit  ihren  Bezirken  enthielt.  Dasselbe  ist  uns  im  Wesent- 
lichen in  dem  betreffenden  Abschnitt  der  Darstellung  Italiens  in 
des  Plinius  hidoria  naturalis  erhalten.  Das  augusteische  Verzeichniss 
der  Region  7  oder  Etruriens  hat  nun,  wie  ich  in  dem  INIarburger 
Rektoratsprogramm  für  das  Jahr  1884  darzulegen  versucht  habe, 
etwa  folgenden  Wortlaut  gehabt: 

Älsienses  \  Arretini  veteres  j  Arretini  fidentiores  \  Arretinl 
lulienses  \  Amitinensps  \  Aquem^es  Taurini  \  Blerani  j  Castronovani  \ 
Caerites  (  Cosani  \  Cortonenses  |  Capenates  \  Ciasini  novi  \  Clusini 
veteres  \  Falisci  Eirusci  \  Fregenates  |  Florentini  \  Faesulani  \  Fe- 
rentienses  |  Fescennini  \  Graviscani  \  Hortani  \  Herbani  \  Lucenses 
col.  I  Lucoferonienses  col.  \  Lunenses  \  Nepesini  \  Novein  Pafji  \ 
Fisani  col.  \  Popidonienses  \  Pyrgenses  \  Praefedtira  Claudia  Foro- 
clodi  I  Pistorienses  \  Perusini  \  Eusellani  col.  \  Saenienses  col.  \  Su- 
trini  col.  \  Suanenses  \  Saturnini  \  Suhertani  \  Stafonenses  \  Tarqui- 
nienses  \  Tuscanienses  \  Vetulonienses  \  Veientani  \  Visentini  \  Vola- 
terrani  \   Volcentani  Etrusci  \  Volsinienses. 

Dies  Verzeichniss  enthält  einiges  Eigenthümliche ,  nämlich, 
dass ,  während  es  wie  die  Verzeichnisse  der  anderen  Regionen  im 
Allgemeinen  aus  populi,  wie  wir  sagen  dürfen^  besteht,  neben  diesen 
vorkommen  die  Novem  Pagi  und  die  Praefectura  Clandia  Foroclodi 
(vgl.  den  folgenden  Abschnitt),  und  dass  nicht  Arretini  und  Clusini 
stehen,  sondern  statt  der  ersteren  Arretini  veteres.,  Arretini  fidentiores, 
Arretini  lulienses,  statt  der  Clusini  aber  Clusini  novi  und  Clusini 
veteres.  Es  haben  also ,  wenn  auch  die  Arretiner  sowohl  wie  die 
Clusiner  nur  einen  Mauerring  gehabt  haben  werden,  innerhalb  des- 
selben bei  jenen  drei  Gemeinden  (populi)  bestanden,  bei  diesen 
zwei.  Nun  gehörten  die  Arretiner  wie  die  Clusiner  zu  den  dtio- 
dccim  populi  Etruriae.  Wenn  wir  also  seit  der  Ordnung  durch 
Augustus  statt  der  zwölf  populi  fünfzehn  finden  und  gleichzeitig  in 
dem  von  demselben  Augustus  herrührenden  Verzeichnisse  der  Ge- 
meinden Italiens  von  zwei    früher    zu  den  zwölf  populi  gehörenden 


121 

die  eine  in  drei,  die  andere  in  zwei  populi  gespalten  ist,  so  liegt 
es  allerdings  sehr  nahe ,  das  eine  als  eine  Folge  des  anderen  an- 
zusehen und  uns  die  Sache  so  zu  denken,  dass  Augustus  bei  der 
NcuscliafFung  des  Bundes  ausnahmslos  diejenigen  Gemeinden  auf- 
nahm oder  beliess,  die  bis  dahin  Mitglieder  gewesen  waren  oder 
als  solche  gegolten  hatten,  dass  aber,  da  eine  von  diesen  jetzt  in 
drei,  eine  andere  in  zwei  gespalten  war,  aus  den  zwölf  Gemeinden 
fünfzehn  wurden. 

Ist  diese  Erklärung  richtig,  so  wäre  in  dem  Etrurien  der  so 
und  so  viel  populi  bei  der  Neubelebung  der  Bestand  im  Grunde 
gar  nicht  geändert  worden;  aber  auch  im  anderen  Falle  wären  die- 
jenigen, die  früher  Mitglieder  waren,  es  alle  geblieben  und  die  Ver- 
änderung hätte  sich  auf  den  Zutritt  von  verhältnissmässig  wenig 
neuen  Mitgliedern  beschränkt.  Damit  ist  im  Wesentlichen  der  Be- 
stand des  etrurischen  Bundes  durch  etwa  ein  halbtausend  Jahre 
ermittelt,  mittelst  eines  Materials,  das  nicht  vollständig  ist,  aber 
doch,  wie  ich  darzulegen  versucht  habe,  zu  begründeter  Beweis- 
führung ausreicht.  Dass  eine  so  lange  Zeit  hindurch  der  Bestand 
des  Bundes  sich  im  Ganzen  nicht  geändert  hat,  erklärt  sich  dadurch, 
dass  er  keine  politische  Bedeutung  mehr  hatte,  sondern  nur  eine 
religiöse.  Das  scheint  schon  für  die  Zeit  zu  gelten .  seit  der  wir 
überhaupt  zuverlässige  Nachrichten  über  die  Mitgliedschaft  haben, 
also  seit  Etrurien  endgültig  unter  römischen  EinfJuss  gekommen 
war  (nach  der  Unterwerfung  im  Anfange  des  dritten  Jahrhunderts 
V.  Chr.).  Von  irgend  einer  gemeinsamen  Thätigkeit  Etruriens  seit 
dieser  Zeit  hören  wir  nur  in  dem  angeführten  Berichte  des  Livius 
über  die  Unterstützung  des  Consuls  Scipio  durch  die  Populi  Etru- 
riens. Es  ist  dies  augenscheinlich  ein  gemeinsamer  Beschluss  ge- 
wesen, durch  welchen  das  zur  Ausrüstung  für  die  Fahrt  nach  Afrika 
Nöthige  in  angemessener  Weise  auf  die  einzelnen  Populi  vertheilt 
wurde.  Aber  wenn  auch  diese  Thätigkeit  gewissermassen  eine  poli- 
tische genannt  werden  kann,  so  kann  doch  das  Band,  das  damals 
die  Populi  vereinigte,  kein  politisches  gewesen  sein,  schon  wegen 
der  verschiedenen  staatsrechtlichen  Stellung  der  einzelnen.  Von  den 
acht  Populi,  die  Livius  nennt ,  bestand  die  Mehrzahl  sicher  aus 
Städten,  die  zu  Rom  im  Bundesverhältnisse  standen,  aber  von  den 
Caeriten  nimmt  man,  so  viel  ich  weiss,  ausnahmslos  an,  dass  sie 
damals  als  Bürger  zweiter  Classe  zu  der  römischen  Gemeinde  ge- 
hörten,   und   für  die  Tarquinienser  hat  Beloch  (der  italische  Bund 


122 

S.  69),  dem  ich  mich  angeschlossen  habe  (C.  I.  L.  XI  S.  510),  aus 
guten  Gründen ''•^j  dasselbe  angenommen.  Dass  aber  in  der  Kaiser- 
zeit das  Gemeinsame  der  12  oder  15  altetruskischen  Städte  inner- 
halb der  jetzt  sich  auf  etwa  50  belaufenden  Städte  oder  politischen 
Bezirke  der  Region  Etrurien  nur  etwas  Religiöses  war,  ist  selbst- 
verständlich'^*'). Aber  dies  ist  natürlich  nicht  massgebend  für  die 
Bedeutung  des  Bundes  in  der  Zeit,  da  der  etruskische  Stamm  von 
den  Römern  unabhängig  war.  Wenn  Livius  die  gemeinsame  reli- 
giöse Feier  schon  für  diese  Zeit  angibt,  so  kann  dieselbe  von  ihm 
aus  den  Verhältnissen  späterer  Zeit  entnommen  sein,  ist  aber  ohne- 
hin auch  für  die  älteste  Zeit  wahrscheinlich.  Indess  wird  die  reli- 
giöse Gemeinschaft  in  römischer  Zeit  nur  ein  Rest  der  früheren 
politischen  Gemeinschaft  gewesen  sein,  und  aus  dem  Bestand  jener 
wird  man  auf  diese  Rückschlüsse  machen  dürfen.  0.  Müller  hat 
dargelegt,  dass  nach  der  Ansicht  der  uns  erhaltenen  Schriftsteller 
der  Bund  so  beschaffen  war,  dass  ganz  Etrurien  in  die  Gebiete 
der  zwölf  Städte  zerfieP"),  nicht  etwa  dass  neben  den  zwölf  Städten 
es  innerhalb  Etruriens  auch  andere  unabhängige  Städte  gab  ,  die 
nur  nicht  im  Bunde  stimmberechtigt  waren.  Wenn  0.  Müller  dann 
Bedenken  hat,  weil  er  bei  der  Zählung  17  Städte  fand,  und  die 
Aushülfe  versucht,  dass  einzelne  popuU  verschiedene  7TÖ\ei<;  inne- 
gehabt hätten,  die  sonst  selbständig  gewesen  wären,  aber  gemein- 
sam eine  Stimme  im  Bunde  gehabt  hätten,  so  sind  wohl  IMüller's 
Bedenken  durch  das,  was  ich  oben  über  die  Liste  gesagt  habe, 
unmittelbar  oder  mittelbar  grossentheils  gehoben  worden.  Es  wird 
demnach  was  wir  gefunden  haben,  auch  verwerthet  werden  können, 


'^)  Zu  denselben  gehört,  dass  zum  J.  544  d.  St.  aus  Tarquiiiii  nach  Rom 
ein  Prodigium  gemeldet  wurde  (Liv.  27,  4,  14). 

""')  Auf  die  Frage,  in  welchem  Verhältnisse  die  15  Gemeinden  und  in  wel- 
chem die  übrigen  der  Kegion  Etrurien  oder  der  späteren  Provinz  Tuscien  zu  dem 
wenigstens  in  der  späteren  Kaiserzeit  in  Volsinü  (nämlich  dem  neueren ,  das  nach 
der  Zerstörung  des  alten  Volsinü  von  den  Römern  an  dem  später  danach  genannten 
See  angelegt  war)  gefeierten  Feste  gestanden  haben  mögen,  will  ich  hier  nicht 
eingehen. 

*')  Das  steht  am  bestimmtesten  bei  Dionysius  G,  75:  Tuppr|viav  änaaav  (.ic, 
bibbeKO  veveuim^vriv  i^fefiovia^,  aber  auch  bei  Livius.  Und  wenn  bei  Strabo 
5,  4,  3  p.  242  anscheinend  Polybius  in  Campanicn  von  den  Etruskern  zwölf  Städte 
gegründet  sein  lässt,  so  muss  er  doch  auch  gemeint  haben,  dass  das  Heimatsland, 
von  dem  man  sich  diese  Verhältnisse  entlehnt  dachte,  im  Ganzen  zwölf  unab- 
hängige it6X€K  gehabt  habe. 


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123 


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Stadtgebiete,  in  denen  Inschriften 
gefunden  wurden  mit 

praet.  Etrur*) 
s.  S.   115 

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aed.  Etinir,  (und 
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Etr.) 
s.  S.  114 

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Liv.  28,  45 
zum  J.  549 

s.  S.  106.  108 

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Liv.   10,  37 

zum  J.  460 

s.  S.  106.  108 

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Diod.  20,  35 

=  Liv.  9,  37 

zum  J.  444  d.  St. 

s    S    105.  108 

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Dionys.  3,   51 

zur  Zeit  des 

Tarq.  Priscus 

s.  S.  105.  109 

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124 

um  die  Zahl  und  die  Gebietsausdehnung  der  alten  etruskischen 
Städte,  wie  in  römischer  Zeit,  so  in  der  Zeit  der  Unabhängigkeit 
zu  bestimmen.  Doch  will  ich  jetzt  darauf  nicht  eingehen,  auch 
nicht  auf"  die  Art  der  Organisation  selbst  und  deren  etwaige  Ein- 
wirkungen auf  ähnliche  Gestaltungen  innerhalb  des  römischen 
Reiches"^).  Dagegen  ist  es  vielleicht  bequem,  wenn  ich  zum 
Schlüsse  die  hauptsächlichen,  früher  verwendeten  Städtereihen,  die 
entweder  bei  Schriftstellern  angeführt  werden  oder  aus  Inschriften 
sich  ergeben,  übersichtlich  zusammenstelle  [s.  S.  123]. 


Auch  bei  dieser  Erörterung  sei  mir,  wie  bei  der  vorigen,  ge- 
stattet, auf  das  Denkmal,  durch  welches  sie  angeregt  worden  ist, 
hier  das  Relief  aus  Caere,  zurückzukommen,  da  in  ähnlicher  Weise 
das  Ganze,  von  dem  es  einmal  einen  Theil  bildete,  räthselhaft  ist. 
^  Der  Gedanke,  der  in  demselben  ausgeführt  ist,  eine  Reihe  von 
Gestalten,  die  Gemeinden  vertreten,  im  Relief  zu  einem  Gesammt- 
denkmal  zu  vereinigen,  findet  seine  nächste  Analogie  in  der  be- 
kannten puteolanischen  Basis  (O.  Jahn,  Ber.  d.  sächs.  Gesellschaft 
1851  Taf.  1—4  S.  119  ff.;  C.  T.  L.  X,  1624)  mit  der  Widmung  an 
Kaiser  Tiberius  und  den  Gestalten  der  14  asiatischen  Städte.  Diese 
sind  äusserst  symmetrisch  angeordnet.  Die  Nebenseiten  der  Basis 
sind  beträchtlich  schmäler  als  die  Vorder-  und  Rückseite,  und  es 
enthalten  die  beiden  Nebenseiten  je  eine  entsprechende  Gruppe  von 
drei  Gestalten,  die  Rückseite  zwei  solche  Gruppen,  also  sechs 
Städte,  während  auf  der  Vorderseite  zu  beiden  Seiten  der  den 
grössten  Theil  der  Fläche  einnehmenden  Inschrift  noch  je  eine 
Stadt  angebracht  ist.  Die  Vertheilung  zeigt  das  folgende  Schema, 
bei  welchem  ich  in  der  Beziflferung,  die  willkürlich  ist,  Jahn  und 
Mommsen  gefolgt  bin : 


'''*)  Vielleicht  noch  nicht  erörtert,  aber  wohl  der  Erwägung  werth  ist  die 
Frage,  ob  und  wie  weit  bei  der  Organisation,  die  Angustus  in  manchen  Provinzen 
traf,  mit  von  den  populi  beschickten  Landtagen  und  deren  religiöser  Feier  bei 
einem  gemeinsamen  Heiligthume  und  durch  einen  jährlich  gewählten  Priester, 
Ktrurien  als  Vorbild  gedient  hat.  In  dem  fünften  Bande  von  Mommsens  römischer 
Geschichte  liaben  dieselben  eine  Darstellung  gefunden.  Namentlich  bei  der  uns 
genauer  bekannten  Organisation  der  drei  Gallien,  für  die  der  Altar  bei  Lyon  mit 
der  jährigen  Festfeier  der  Mittelpunkt  war,  liegt  wohl  das  Vorbild  Etruriens  näher 
als  etwa  hellenische  Amphiktiouien. 


125 


11 

10 

9 

8 

7 

G 

12 

13 

14 

lasch 


i   f  t 


Dass  es  sich  bei  dem  Denkmal  von  Caere  um  eii.e  ähnliche 
Basis  handle,  ist  dadurch  ausgeschlossen,  dass  die  erhaltene  Platte 
auf  der  Rückseite  einen  Streifen  Relief  hat,  also  wenigstens  auf 
einer  Seite  vorsprang.  Nun  hat  Canina,  naciidem  er  seinen  ersten 
Vorschlag  zurückgezogen,  an  ein  Gestühl  gedacht,  dessen  untere 
Seitenwände  sich  nach  vorn  in  einem  Vorspi'ung  zu  beiden  Seiten 
der  Beine  des  sitzenden  Kaisers  fortsetzten.  Dieser  Gedanke  eines 
Thrones  ist  vielfach  gebilligt  worden,  und  in  der  That  kann  als 
Vorbild  die  Ausschmückung  des  Thrones  des  Zeus  in  Olympia  an- 
geführt werden ,  dessen  Rückseite  unten  und  dessen  Nebenseiten 
unten  mit  je  drei  Gemälden  des  Panainos  geschmückt  waren.  Nur 
ist  bei  einem  Throne  der  Zweck  eines  derartigen  Vorsprunges  nicht 
einleuchtend.  Vor  allem  spricht  aber  gegen  Canina's  Vorschlag  die 
Reihenfolge  der  Städte,  seitdem  die  Anordnung  nach  dem  Alphabet 
erkannt  ist.  Da  danach  die  Reihenfolge  der  Richtung  von  rechts 
nach  links  folgt  und  die  Gestalt,  welche  die  fünfte  von  dem  Schluss 
ist,  die  der  Tarquinienser,  eine  Platte  beginnt,  und  da  auf  der  Rück- 
seite der  ihrer  Stelle  entsprechende  Streifen  sculpirt  ist,  so  könnte 
bei  einem  derartigen  Throne  die  Stellung  nur  folgende  sein,  je 
nachdem  man   12  oder  15  Gestalten"^)  annimmt: 


")  Ich  lasse  dabei  die  Vermehrung  auf  15    entstanden    sein  durch  Si)altung- 
der  Arretiner  und  Clusiner.     Für  die  archäologische  Frage,    um    die    es    sich    hier 
handelt,  ist  die  Benennung  gleichgiltig  und  macht  es  keinen  Unterschied,  wenn  für 
zwei  Gestalten  von  Arretinern    und    eine  von  Clusinern    mit   unterscheidendem  Zu 
namen  etwa  die  Gestalt  der  Pisaner  und  zwei  andere  eingesetzt  werden. 


126 


AR  RET         CLVS- 


.  ABRTID- ABB  rVI    JKT!  TFT    Cl,  XOV   CI.  VCT 


TARQ.' 


CORT- 


NOLS 

VOLAT 

VETVL- 

1; 

\-OLC- 

m 

TARO 

■l 

«143 

c.^EB- 

COBT- 

PERVS 

POPVL- 

BVS- 


Man  sollte  aber  doch  voraussetzen,  dass  die  Reihe  entweder 
an  der  rechten  oder  linken  Vorderecke  des  Thrones  begonnen  und 
hinten  herum  bis  an  die  andere  Ecke  sich  fortgesetzt  hätte,  nicht 
aber,  dass  sie  an  der  Rückseite  begann,  sich  auf  einer  Nebenseite 
fortsetzte  und  durch  die  Vorderseite  unterbrochen  wurde,  um  auf 
der  anderen  Nebenseite  zum  Abschluss  zu  kommen. 

Dieser  Verstoss  gegen  die  natürliche  Angemessenheit  wird, 
so  viel  ich  sehe,  vermieden  bei  der  Annahme  eines  Sockels  oder 
Altars,  der  auf  zwei  entgegengesetzten  Seiten  parastadenartige  Vor- 
sprünge hätte.  Die  Anordnung  wäre  dann,  je  nachdem  man  12 
Gestalten  annimmt  oder  15: 


PERVS- 

CORT 

CAER- 

CLVS- 

ARRET- 


n 


POPVL   RVS- 


TARQ. 
voLr- 
VETVL- 
VOLAT- 


CLVEt 
CLNOV 
AKR-VET 
/iRRB-L 

ARRrm 


CAER-  CORT-  PERVS  POPVL    R\'S 


Aber  auch  für  diese  Anordnung  mujs  ich  bekennen,  dass  es 
meines  Wissens  an  einer  Analogie  für  einen  derartig  gestalteten 
Grundriss  eines  Altars  oder  einer  Basis  fehlt*). 

*)  Die  dritte  Erörterung,  über  die  Praefectura  Claudia  Foroclodi,  deren  Inhalt 
ich  gleichfalls  im  Wesentlichen  in  der  Sitzung  des  archcäologischen  Instituts  am 
1.  April  vorgetragen  habe,  soll  im  nächsten  Hefte  nachfolgen.  Veranlasst  war  sie 
durch  eine  vor  kurzem  gefundene  und  damals  noch  ungedruckte  Inschrift,  die  ich 
in  Band  XI  des  Corpus  noch  hal)e  als  n.  .'JSlOo  einschieben  können,  und  die  seit- 
dem von  Gatti  lull.  com.  di  Roma  1887  p.  10.'j  und  notizie  degli  scavi  1887  p.  107 
herausgegeben  worden  ist. 


Verlag  von  Carl  Gerold's  Sohn  in  Wien. 


Arclaeolopcli-epiErapl.  Miieiliiiiiett  m  Oesterreicli-lJüprB, 

Herausgeber 

O.  Benndorf,  ().  Hirschfeld  und  E.  Borniaim. 

1877—1886. 


1.  Jahrgang  1877.  Früher  M.  9. —,  jetzt  M.  5. — .  I.Heft.  Mit 
4  Tafeln.  Inhalt:  Gnrh'ff,  Sannrüung  Millosirz.  —  Justi,  Ein  Brief 
WiiicMmarms.  —  Gooss,  Zu  Corpus  Inscriptionum  Latinarum  III.  — 
Majonica,  Triest,  Pola,  Aquileja.  —  Pichler,  Inschriftstein  aus  Pettau.  — 
Inschriften  aus  Tartar-Pazardschik.   —  Jirecek,  Inschriften  aus  Lipljan. 

—  Ausgrabungen  in  Salona.  —  Bauer,  Amulet  aus  Regensburg.  — 
Hoernes,  Römische  Ruine  bei  März.  —  Römischer  Reliefstein  bei  Baden. 

—  Tocilescu,    Inschrift    aus    Sticlea.    —    Conze,    Tlietis    und   AcJu'llfits. 

—  Majonica,  Fälschungen  aus  Aquileja.  —  Conze,  Reliefstatuette  aus 
Aquileja.  —  Zu  Corpus  Inscriptionum  Graecarum  11.  —  Statut  des 
archaeologisch-epigraphischen   Seminars    der  k.  k.   Universität  in  Wien. 

2.  Heft.  Mit  4  Tafeln  und  2  Holzschnitten.  Inhalt:  Michaelis, 
Die  Pricqiosara  des  Eujjortis  aus  Aquileja.  —  Conze  und  Reinisch, 
Sphinx  des   Amenhotep   III.   in    Spalato.  —  Gurlitt,  Sammlung  Millosicz. 

—  Gooss,  Zu  Corpus  Inscriptionum  Latinarum  III.  —  Mommsen,  Schoell, 
Mittheilungen  ans  Handschriften.  —  Hirschfeld,  Ausgrabungen  in 
Carnuntum.   —  Majonica,  Bericht  über  eine  Reise  im  westlichen  Ungarn. 

—  Hirschfeld ,  Inschriften  vom  Helenenberge.  —  Mittheilungen  der 
Redaction. 

II.  Jahrgang  1878.  Früher  M.  9.—,  jetzt  M.  5.  — .  1.  Heft. 
Mit  5  Tafeln  und  2  Holzschnitten.  Inhalt:  Benndorf,  Mercurrelief 
von  Carnioituni.  —  Majonica  und  Schneider,  Bericht  über  eine  Reise 
im  westlichen  Ungarn.  —  Hoernes,  Beschreibung  griechischer  Vasen 
in  Triest.  —  Majonica,  Mithras  Felsengeburt.  —  Dilthey,  Drei  Votir- 
liände  aus  Bronze.  —  Gurlitt,  Mercur  mit  Schildkröte.  —  Hampel, 
Fimdbericht  aus  Ungarn.  —  Gooss,  Inschriften  aus  Siebenbürgen.  — 
Hirsciifeldj  Ejjigraphischcr  Bericht  aus  Oesterreich. 

2.  Heft.    Mit  4  Tafeln.  Inhalt:    Hübner,  Römische  Schildbuckel. 

—  Conze,  0£bg  sk  Ttstgag.  —  Hoernes,  Beschreibung  griechischer  Vasen 
in  Triest  (Fortsetzung).  —  Gurlitt,  Bronzen  der  Sammlung  Trau  in 
Wien.  —  Benndorf,   Vasen   von  Adria.  —  Majonica,  Ledarelif  aus  Enns. 

—  Benndorf,  Archaeologischer  Bericlit  aus  Oesterreich,  —  Hirschfeld, 
Ausgrabungen   in   Carnuntum.   —   Epigraphische   Mittheilungen. 


III.  Jahrgang  1879.  Früher  M.  9.—,  jetzt  M.  5.  — .  1.  Heft. 
Mit  4  Tafeln  und  1  Holzschnitt.  Inhalt:  Momna^en^  Pririlecjium  mili- 
tare.  —  Kehde,  Mannorgruppe  der  Saiinidiing  Modena  in  Wien.  — 
ScJiiielder^  Fischerbilder.  —  Kenner^  Zum  Badener  Relief.  —  Klein, 
Ztio^ridsia  ccvdvxrj.  —  Tocilescu,  Inschriften  aus  Rumänien.  —  Hirsch- 
feld, Epigraphischer  Bericht  aus  Oesterreich.  —  Hoernes,  Beschreibung 
griechischer  Vasen   in   Triest. 

2.  Heft.  Mit  4  Tafeln.  Inhalt:  Petersen,  Die  Grupj)e  der  Tgriniiien- 
inördrr.  —  Torma,  Neue  Inschriften  aus  Dacien.  —  Brunsmid,  An- 
tiken in  Cibalis.  —  Bauer,  Herculesstatuette  von  Stuhlweisscnburg.  — 
Sacken,  Neuere  Encerbiimjen  der  Antikensamndung  des  A.  h.  Kaiser- 
hauses. —  Kubitschek  und  Loewy,  Bericht  über  eine  Reise  in  Ungarn, 
Slavonien  und  Croatien.  —  Bojnicic,  Epigraphischer  Bericht  aus  Croatien. 

—  Majonica,  Unedirte  Inschriften  aus  Aquileja.  —  Gurlitt,  Bronzen  der 
Sanunlung  Trau  (Fortsetzung).  —  Benndorf,  Heraklesstatuetten.  —  Gooss, 
Zu  Corpus  Insriptionum  Latinarum  III.  —  Richter,  Inschrift  aus  Salzburg. 

IV.  Jahrgang  1880.  Früher  M.  0.—,  jetzt  M.  5.—.  1.  Heft. 
Mit  2  Tafeln.  Inhalt:  Klein,  Studien  zur  griechischen  Künstlergeschichfe. 
I.  Die  parisch-attische  Küustlerschule.  —  Schneider,  Ausgrabungen 
auf  dem  Palatin  in  den  Jahren  1722  bis  1728  (Basaltstatuen-Wand- 
gemälde).  —  Hoernes,  Römische  Alterthümer  in  Bosnien  und  der 
llercegovina.    —    Gurlitt,    Bronzen    der    Sammlung   Trau    (Fortsetzung). 

—  Gomperz,  Gurlitt,  Schneider,  Dodonäische  Aehrenlese.  —  Benndorf, 
Zur  Venus  von  Milo,  Ausgrabungen  iu  Ossero.  —  Majonica,  Aus- 
grabungen in  Ronchi  und  Aquileja.  —  Kubitschek  und  Brunsmid, 
Bericht  über  eine  Reise  in  die  Gegend  zwischen  Essegg  und  Mitrovica. 

—  Torma,  Revidirte  und  neue  Inschriften  zu  Corpus  Inscriptionum 
Latinarum  III.  (Dacia;.  —  Heinrich,  Grabstein  in  Cilli.  —  Hirschfeld, 
Inschrift  aus   Carnuntum. 

2.  Heft.  Mit  6  Tafeln.  Inhalt:  Torma,  Revidierte  und  neue 
Inschriften  zu  Corpus  Inscriptionum  Ijatinarum  111.  (Dacia).  —  Petersen, 
Die  dreigestaltige  llekate.  —  Böhm,  Alterthümer  längs  der  Donau  von 
Pancsova  bis  Orsova.  —  Hoernes,  Römische  Alterthümer  in  Bosnien 
und  der  llercegovina.  —  Domaszewski,  Bericht  über  eine  Reise  in 
Kärnten.  —  Löwi,  Bronzegefiiss  aus  Constantiiiopel.  —  Loewy,  Tele- 
phos'  Verwundung.  —  Böhm,  Funde  von  Alt-Puläuka  im  Temeser 
(Jomitate.   —   Binder,   Zu   C.   I.   L.   III.   5134. 

V.  Jahrgang  1881.  Früher  M.  9.—,  jetzt  M.  5.— .  1.  Heft. 
Mit  4.  Tafeln.  Inhalt:  Petersen,  Die  drcigestidtigc  IIe/,<de.  —  Klein, 
Stildien  zur  griechischen  Künstle rgeschielite.  II.  Die  Dädaliden.  —  Gurlitt, 
Bronzen  der  Sammlung  Trau  (Schluss).  —  Orsi,  Viaggio  jircheologico 
nelh;  vallatc;  occidentali  del  Trentino.  —  Majonica,  Unedirte  Inschriften 
aus  A(Hiil(!Ja.  —  D(jmaszewski,  Bericht  über  eine  Reise  in  Kärnten 
(Schluss).  —  G()m])erz,  Dodonäische  Aehrenlese.  II.  —  Schneider, 
Palaestriten. 


2.  Hell.  Mit  o  Tafeln.  Inhalt:  Schneider ,  Antikensaiiindumj  auf 
Schloss  Tersatto  bei  Fiume.  —  Löwi,  Bericht  über  die  Antiken  von 
Salzburg.  —  Petersen,  Der  Reliefschumck  der  Hekate  von  Hermann- 
stadt. —  Domaszewski,  Grabstein  eines  Centurio  aus  Carnuntuni.  — 
Hirschfeld,   Inschriften   aus    Carnuntuvi,    Epigraphische    Mittheilungen : 

1.  Inschriften  aus  Kärnten,  2.  Inschriften  von  Samothrake.  —  Doma- 
szewski, Inschrift  aus  Pola.  —  Orsi,  Scoperte  archeologico-epigrafiche 
nel  Trentino. 

VI.  Jahrgang  1882.  Früher  M.  9.— ,  jetzt  M.  5.—.  I.  Heft.  Mit 
?}  Tafeln.  Inhalt:  ToHlescu,  Inschriften  aus  der  Dobrudscha.  —  Petersen, 
Angebliche  Phineusdarstellung.  —  Loewy,  Antikensammlung  des  Fürsten 
Liechtenstein.  —  Hübner,  Die  Beinschienen  der  römischen  Legionare.  — 
Tchudi,  Eine  unbekannte  Replik  der  Laokoongruppe.  • — •  Orsi,  Scoperte 
archeologico-epigrafiche  nel  Trentino  (Schluss).  —  Majonica,  Unedirte 
Inschriften  aus  Aquileja.  —  Gomperz,  Eine  archaische  Inschrift.  — 
Ilirschfeld,   Epigraphische  Mittheilungen. 

2.  Heft.  Mit  5  Tafeln.  Inhalt:  Torma,  Inschriften  aus  Dacia, 
Moesia  superior  und  Pannonia  inferior.  —  Schneider,  Bronze-Henkel 
aus  Dodona.  —  Benndorf]  Vorläufiger  Bericht  über  zwei  österreichische 
archaeologische  Expeditionen  nach  Kleinasien. 

VII.  Jahrgang  1883.  Früher  M.  9.—.  jetzt  M.  5.—.  I.Heft. 
Mit  3  Tafeln.  Inhalt:  Siüobofla,  Vortrag  des  Amyntas  von  Makedonien 
mit  Olynth.  —  lUein,  Studien  zur  griechischen  Kimstiergeschichte.  III.  Die 
Dädaliden.  —  Diner  ,  Archaeologisch  •  epigraphischer  Bericht  au.s 
Oesterreich-Ungarn.  I.  —  Loewy,  Unedirtes  aus  Rhodos,  Inschriften  aus 
Gjölbaschi.  —  Orsi,  Iscrizioni  dell'  Albania.  —  Benndorf,  Griechische 
Inschriften  von  Physkos.  — -  Gomperz,  Zu  griechischen  Inschriften.  — 
Ilirschfeld,   Epigraphische   Mittheilungen:    \.    Inschriften    aus    Bosnien, 

2.  Inschriften   aus   Kärnten. 

2.  Heft.  Mit  5  Tafeln.  Inhalt:  Dütschke,  Kleobis  und  Biton.  — 
Domaszewski ,  Inschriften  aus  Kleinasien.  —  Mommsen,  Inschrift  aus 
Kostolac.  —  Hauser,  Inschriften  aus  Kärnten.  —  Klein,  Terracottagruppe 
des  österreichischen  Museums.  —  Studniczka,  Mithraeen  und  andere 
Denkmäler  aus  Dacien.  —  Loewj,  Sandalenlösende  Venus.  —  Binder, 
Römische  Gewichte. 

VIII.  Jahrgang  1884.  Früher  M.  9. — ,  jetzt  M.  5.—.  1.  Heft. 
Mit  3  Tafeln.  Inhalt:  ToHlescu,  Neue  Inschriften  aus  der  Dobrudscha 
und  Bumänien.  —  Studniczka,  Mithraeen  und  andere  Denkmäler  aus 
Dacien  (Fortsetzung).  —  Tegläs  und  König,  Neue  Inschriften  aus 
Dacien.  —  Hauser,  Ausgrabungen  in  Carnuntuni.  —  Studniczka, 
Bildwerke  aus  Carnuntum.  —  Ilirschfeld,  Inschriftliche  Funde  in 
Carnuntum,  Epigraphische  Mittheilungen :  I.  Inschriften  aus  Serbien, 
II.  Inschriften  aus  Nicolitzel,  III.  Inschriften  aus  Dalmatien  und  der 
Hercegovina,  IV.  Inschriften  aus  Aguntum,  V.  Inschrift  aus  Stein  bei 
Laibach,  VI.  Inschrift  aus  Reinegg,  VII.  Römische  Grabstätte  in 
Steiermark,    VIII.  Inschriften    aus  Brigetio,    IX,  Inschrift  aus  Mödling, 


X.  Grabfund  in  Wien,  —  Domaszewsky,  Briefe  der  Attaliden  an  den 
Priester  von  Pcssimis.  —  Knbitschek,  Die  Glaubwürdigkeit  des  Cyriacus 
von  Ancona.  —  Frankfurter,  Epigraphischer  Bericht  aus  Oesterreich. 
2.  Heft.  Mit  2  Tafeln.  Inhalt:  Frankfurter,  Epigraphischer 
Bericht  aus  Oesterreich  (Fortsetzung).  —  Mordtmann ,  Griechische 
Inschriften  aus  dem  Hauran,  Inschriften  aus  Kleinasien,  Zur  Epigraphik 
von  Thracien.  —  Rollet  und  Benndorf,  Scherbe  aus  Carnuntum.  — 
Hoernes,  Römisches  Denkmal  in  Cilli.  —  Wünsch,  Inschriften  aus 
Armenien.  —  Domaszewski,  Inschriften  aus  Bosnien.  —  Frankfurter, 
Bericht  über  eine  Reise  in  Kärnten.  —  Hirschfeld,  Inschriften  in  Pola.  — 
Mommsen,  Z%i  den  Inscliriften  ans  der  Dobrndscha.  —  Frankfurter, 
Berichtigungen  und  Nachträge  zu  dem   epigraphischen  Bericht. 

IX.  Jahrgang  1885.  Früher  M.  9.—,  jetzt  M.  5. — .  1.  Heft. 
Mit  4  Tafeln.  Inhalt:  Hirschfeld  und  Schneider,  Bericht  über  eine 
Reise  in  Dalmatien.  —  Petersen,  Die  Irisschale  des  Brygos.  — 
Schuchhardt,  Die  römischen  Grenzwälle  in  der  Dobrugea.  —  Doma- 
szewski,  Inschriften  aus  Kleinasien.  —  Szanto,    Zur  Sammlung  Millosicz. 

—  Frankfurter,   Epigraphischer  Bericht   aus    Oesterreich. 

2.  Heft.  Mit  2  Tafeln.  Inhalt:  Klein,  Bathykles.  —  G.  Hirsch- 
feld, Das  Gebiet  von  Aperlai.  —  Schuchhardt,  Wälle  und  Chausseen 
im  südlichen  und  östlichen  Dacien.  —  Torma,  Das  Amphitheater  zu 
Aquincum  (Auszug).  —  Tcglas  und  Domaszewski,  Inschriften  aui;; 
Dacien.  —  Gregorutti,  Inschriftfunde  in  dem  Gebiete  von  Aquileja.  — 
Frankfurter,    Epigraphischer  Bericht  ans    Oesterreich. 

X.  Jahrgang  1886.  Früher  M.  9. — ,  jetzt  M.  5.—.  1.  Heft. 
Mit  6  Tafeln.  Th.  Mommsen,  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die 
römischen  Fahnen.  —  Domaszewski,  Hauser,  Schneider,  Ausgrabungen 
in  Carnuntum.  —  Gomperz,  Zu  attischen  Grab-Epigrammen.  —  Jirecek, 
Archäologische  Fragmente  aus  Bulgarien.  —  Schön,  Weisshäupl,  Denk- 
mäler aus  Brigetio.  —  Dürr,  Zu  der  Inschrift  von  Samothrake.  — 
V.   Premerstein,   Römischer   Votivstein   aus   Unter-Haidin   nächst  Pettau. 

—  Rollet,   Die   antiken    Schrift-Gemmen   meiner  Sammlung. 

2.  Heft.  Mit  2  Tafeln.  Jirecek,  Archäologische  Fragmente  aus 
Bulgarien  (Fortsetzung).  —  Studniczka,  Aus  Serbien.  —  Loewy,  In- 
schriften aus  Rhodos.  —  Masner,  Ein  Spiegelrelief  aus  Caere.  — 
Bormann,  Die  Tribus  PoUia.  —  Gomperz,  Zu  den  neu  entdeckten 
Grabinschriften  der  jüdischen  Katakomben  nächst  der  Via  Appia.  — 
K.  Baron  Hauser,  Epigraphisches  aus  Kärnten.  —  v.  Premerstein, 
Neugcfundcne  römische  Inschriften  aus  Poetovio.  —  v.  Domaszewski, 
Griechische  Inschriften  aus  Moesien  und  Thrakien.  —  Zu  griechischen 
luachriften. 


Eine  angebliche  Binnen  Strasse  in  Pannonien 

(Mit  Einwilligung  des  Verfassers  im  Auszuge  mitgetheilt) 


Franz  Salamon ,  einer  der  ersten  unter  Ungarns  Geschichts- 
forschern ,  hat  in  dem  grossen  Prachtwerke ,  das  von  der  Landes- 
hauptstadt herausgegeben  wird,  die  Ansicht  aufgestellt  und  be- 
gründet'), dass  die  Hauptstrasse  Pannoniens  nicht,  wie  die  land- 
läufige Ansicht  ist,  dicht  am  rechten  Donauufer  (Semlin — Altofen — 
Altszöny — Wien) ,  sondern  von  Essegg  aus  einige  Meilen  von  der 
Donau  entfernt  und  ausserhalb  ihres  Ueberschwemmungsgebietes 
gelaufen  sei.  Von  dieser  Hauptader  des  Verkehres  seien  Seiten- 
wege zu  den  an  der  Donau  gelegenen  Orten  gezogen  und  diese 
möglicherweise  auch  durch  eine  Uferstrasse  verbunden  worden.  Den 
Beweis  hiefür  stützt  Salamon  namentlich  auf  die  Angaben  des 
Itinerarium  Antonini,  indem  er  diejenigen  Orte,  deren  Entfernungen 
daselbst  in  Millien  ausgedrückt  sind,  an  der  Hauptstrasse  gelegen 
denkt,  die  Donauorte  aber,  zu  denen  man  von  der  Reichsstrasse 
auf  Seitenwegen  gelangte,  in  jenen  erkennt,  die  als  in  medio  ge- 
legen bezeichnet  sind.  Ich  halte  indess  den  Beweis  für  diese  An- 
nahmen für  nicht  erbracht  und  will  es  hier  versuchen,  Salamon's 
Gründe,  zumal  sie  Viele  tiberzeugt  und  selbst  auf  die  bedeutendsten 
Fachmänner  Eindruck  gemacht  zu  haben  scheinen ,    zu  entkräften. 

1.  Der  die  pannonische  Reichsstrasse  betreffende  Text  des 
antoninischen  Itinerariums  lautet: 

Item  per  riparn  Pannoniäe  a  Tauruno  in  Gallias  ad  leg.  XXX  usque. 

Teutihurgio  mpm  XVI 

Mursa  mpm  XVI 

Ad  Novas  et  Aureo  monte 
Antianis  mpm  XXIV 


*)  Budapest  tört,,  1878,  Bd.  1,  p.  230—259. 

ArchäologiBch-epigraphiBche  Mitth.  XI. 


130 

Altino  in  medio 
Lugione  mpm  XXV 

Ad  Statuas  in  medio 
Alisca  ad  latus 
Ripa  alta  mpm  XXIX 

Lussunio  mpm  XV  111 

Annamatia  in  medio 
Intercisa  mpm  XXIV 

Vetus  Salina  in  medio 
Matrica  mpm  XXVI 

Campona  in  medio 
Acinquo  leg.  II  adiut.  mpm  XXlll 
Ad  lacum  felicis  in  medio 
Crumero  mpm  XXVI 

Azao  in  medio 

Bregetione  leg.  I  adiut.  mpm  XVIII 
Ad  Mures  et  ad  Statuas  in  medio 
Arrabona  mpm  XXX 

Quadratis  in  medio 
Flexo  mpm  XXII 

Gerulata  in  medio 

Carnunto  mpm  XXX  leg.  XIIIl  gemina 

Aequinoctio  et  Ala  nova  in  medio 
Vindohona  mpm  XXV III  leg.  X  gemina 

u.  8.  w. 

Salamon  zieht  nun  die  Worte  in  medio  jedesmal  statt  zu  dem 
in  derselben  Zeile  befindlichen  Namen  zu  dem  nächstfolgenden'*). 
Allein  schon  ähnliche  Wendungen  wie  (p.  122  P)  Alicano  XL  \  in 
medio  Curta  |  Poetovione  XXXI,  oder  (p.  99)  Sebastia  XXIIII  |  in 
medio  XXV  \  Ariarathia,  oder  (p.  99)  in  medio  XXV  \  Tonosa  XXV\ 
in  medio  XXV  \  Ariarathia  XXV  würden  eine  solche  Interpretation 
verbieten,  und  ferner  geben  die  peutingersche  Karte  und  Ptolemaeus 
einige  der  im  Itinerar  als  in  medio  gelegen  bezeichnete  Orte  in  fort- 
laufender Reihe  mit  denen,  deren  Entfernungen  von  einander  aus- 
drücklich angegeben  sind ;  demnach  ist  die  von  Salamon  beabsich- 
tigte Zerlegung   der  Ortsreihe   des  Itinerars    in    zwei    unabhängige 


')  Demnach    wäre    Annamatia   in    medio  \  Inlei'cisa   mpm   XXIII    zu    lesen; 
Annamatia  {in  medio  Intercisa)  mpm  XXIIII 


I3i 

Reihen  nicht  gestattet,  und  die  durch  seine  Interpretation  hervor- 
gerufenen Widersprüche  zwischen  Itinerar  und  Tab.  Peut.  sind  nicht 
vorhanden. 

2.   In  medio   findet   sich  im  ganzen  17  Male  im  It.  Ant.;    da- 
neben steht  vereinzelt  per  medium  oder  ad  medias;  ähnliches  ist  in 


[Die  obige  Karte  hat  Herr  Dr  Kubitscliek  die  Freundlichkeit  gehabt,  an 
Stelle  der  ausführlicheren  Karte,  die  Herr  Dr  Ortvay  seinem  Manuscripte  beigelegt 
hatte,  zu  zeichnen.  Die  genügend  bezeugte  oder  wenigstens  wahrscheinliche  Linie 
der  pannonischen  Donaustrasse  ist  mit  zwei  parallelen  Linien  bezeichnet,  der  von 
Salamon  angenommene  Strassenzug  mit  einem  gebänderten  Streifen.  Die  von  Salamon 
vorausgesetzte  Lage  der  Stationen  ist,  wo  sie  von  der  sonst  bezeugten  oder  ver- 
mutheten  abweicht,  durch  zwei  Ringe  bezeichnet,  und  die  betreffenden  Namen  sind 
unterstrichen.  Die  Eedaction.] 

9* 


132 

der  peut.  Karte  und  im  lt.  Hierosolymitanum  zu  lesen.  Um  die 
vielen  Erklärungen  dieses  Ausdrucks  hier  nicht  näher  zu  besprechen, 
die  von  verschiedenen  Forschern  herrühren,  bemerke  ich,  dass 
Salamon  in  medio  als  terrainus  technicus  aufgefasst  wissen  will;  in 
medio  habe  zunächst  einen  Knotenpunkt  zweier  Strassen,  der  nicht 
in  eine  Station  fiel,  bezeichnet;  im  It.  Ant.  erfahre  der  Reisende 
durch  derlei  Zusätze  die  für  ihn  gewiss  wissenswerthen  Anschluss- 
linien und  ihre  Endpunkte.  Dagegen  ist  einzuwenden,  dass  diese 
Zusätze  zum  Theile  dort  stehen,  wo  an  das  Vorhandensein  einer 
Anschlusslinie  niemand  denken  kann  (so  wäre  es  gefehlt,  bei  Ali- 
cano  XL  —  in  medio  Curla  —  Poetovione  XXXI  an  ein  Einmünden 
irgend  einer  von  der  Gegend  des  Plattensees  kommenden  Strasse 
in  die  Linie  Wien — Pettau  zu  denken) ;  ferner  dass  so  viele  An- 
schlusslinien,  die  wirklich  vorhanden  waren,  nicht  im  Itinerar  auf 
diese  Art  kenntlich  gemacht  wurden;  ferner  dass,  wenn  Salamon's 
Theorie  richtig  wäre,  nur  die  Anschlusslinien  der  rechten  Seite 
(von  Süden  aus  gerechnet)  aufgezählt,  die  der  linken  hartnäckig 
übergangen  sind.  Die  mit  in  medio  bezeichneten  Stationen  müssen, 
was  diese  Worte  deutlich  genug  besagen ,  Zwischenorte  zwischen 
zwei  Hauptstationen  gewesen  sein,  die  aber  nicht  mathematisch 
genau  in  die  Weghälfte  zu  fallen  brauchten.  Hier  an  der  Donau 
waren  dies  bedeutendere  Orte,  volkreiche  Städte,  Ortschaften, 
Festungen,  die  im  Itinerar  aufgezählt  werden  mussten.  Auf  anderen 
pannonischen  Strassenlinien  gab  es  entweder  solche  Zwischen- 
stationen nicht,  oder  wenn  ja,  so  waren  sie  weniger  bedeutend, 
etwa  Remisen,  mit  deren  Aufzählung  man  den  Umfang  des  Buches 
nicht  unnöthiger  Weise  vergrössern  wollte. 

3.  Salamon  hat  ferner  übersehen,  dass  das  Itinerarium  die 
Strasse  Taurunum — Aquincum — Brigetio  u.  s.  w.  als  Uferstrasse 
ausdrücklich  durch  die  Ueberschrift:  item  per  ripam  Pannoniae 
a  Tauruno  in  Gallias  bezeichnet  und  eine  Binnenstrasse  von  ihr 
unterscheidet:  item  de  Pannoniis  in  Gallias  per  mediterranea  loca,  id 
est  a  Sirmi  per  Sopianas ;  diese  Binnenstrasse  läuft  übrigens  bis 
Sopianae  ungefähr  in  der  Richtung  der  von  Salamon  vermutheten 
Hauptstrasse.  Wo  bleibt  also  da  Raum  für  die  wirklich  über- 
lieferte Binnenstrasse?  Auch  ist  nicht  genügend  beachtet,  dass 
Ptolemaeus,  der  in  seiner  Beschreibung  beider  Pannonien  die  Donau- 
Uferstädte  und  die  Binnenorte  gesondert  aufzählt,  unter  jenen  unter- 
schiedslos solche  aufführt,  die  Salamon  bald  an  das  Donauufer, 
bald  in  das  Binnenland  setzt.    Hier  missbraucht  Salamon  die  prin- 


ms 

cipielle  Fehlerhaftigkeit  der  astronomischen  Daten  des  Ptoleraaeus, 
um  dessen  g;eographische  Leistung  herabzusetzen,  und  man  muss 
es  tadeln,  dass  er  sagt,  Ptolemaeus'  Angaben  über  den  Lauf  der 
Donau  und  die  Lage  der  Orte  an  der  Donau  seien  deshalb  weniger 
von  Gewicht  als  seine  astronomische  Fixirung  der  Orte,  weil  die 
ihm  zur  Verfügung  stehenden  Strassenbücher  wohl  sagen  konnten, 
wie  viele  Millien  die  einzelnen  Orte  von  einander  entfernt  seien, 
aber  nichts  über  ihre  Lage  zur  Donau  enthielten.  Vielmehr  muss 
man  sich  wohl  hüten,  die  ptolemaeischen  Masszahlen  als  vollgiltig 
anzunehmen,  sonst  käme  BpeYOtiTiov  irgendwo  ins  Szatmarer  Comitat 
in  die  Gegend  von  Barlafalu,  Koupia  an  die  südliche  Grenze  des 
Comitates  Besztercze-Naszod,  ZaXoua  in  dasselbe  Comitat  in  die 
Gegend  von  0-Radna,  Kapftic;  an  das  Ende  des  Marmaroser  Comi- 
tates an  die  Grenze  von  Galizien,  'Akoüiykov  in  die  Bukowina, 
ZaXTvov  nach  Rumänien,  Aoutiujvov  und  die  folgenden  Orte  gar  in 
die  Länder  der  unteren  Donau.  Eine  andere,  wenn  auch  nicht  un- 
bedingt sicher  belehrende  Quelle  hätte  Salamon  in  der  Peutingeriana 
zu  berücksichtigen  gehabt  und  sie  jedenfalls  nicht  ohne  weiteres 
Besinnen  verwerfen  sollen.  Sie  kennt  nur  eine  Linie  zwischen 
Semlin  und  Ofen  und  hat  an  ihr  fortlaufend  Orte,  die  Salamon 
zwei  verschiedenen  Strassenzügen  zuweisen  will. 

Die  Meilensteine  endlich  sprechen  gleichfalls  nicht  zu  Gunsten 
Salamon's.  Es  ist  zweifellos,  dass  die  Römer  die  Strassenkörper 
in  einzelne  Abschnitte  theilten  und  innerhalb  dieser  von  einem  Mittel- 
punkte aus  die  Entfernungen  nach  rechts  und  links  berechneten. 
Solche  Mittelpunkte  waren  Novioduuum,  Poetovio,  Vindobona,  Car- 
nuntum,  Brigetio,  Aquincum,  Malata,  Cusum.  Für  uns  genügt  zu 
bemerken,  dass  die  Distanzzählung  auf  den  Meilensteinen  von  Essegg, 
Ladjarak  und  Mitrovica  von  Aquincum  beginnt;  Aquincum  aber 
liegt  nach  Salamon  nicht  an  der  Hauptstrasse,  wohl  aber  sei  dies 
bei  Mursa  der  Fall.  Wie  kommt  es  nun,  dass  die  Steine  auf  der 
Strasse  nach  Essegg  von  Ofen  aus  gerechnet  wurden?  Wenn  Sala- 
mon's Binnenstrasse  einst  existirt  hat,  dann  würden  wir  auf  den 
bei  Mursa  und  weiterhin  gegen  Sirmium  stehenden  Meilensteinen 
nicht  den  Namen  Aquincum,  sondern  den  eines  Binnenmittelpunktes 
lesen.  In  die  Richtung  von  Carnuntum  fällt  nach  Salamon  Gerulata, 
in  die  von  Brigetio  Azao  oder  (mehr  östlich)  Ad  lacum  felicis; 
südlich  von  Aquincum  Campona,  Vetus  Salina,  Annamatia^,  Lus- 
sunio,  Altinum,  Antianae.  Eine  von  diesen  Städten  würden  die 
Römer  zum  Mittelpunkte  gemacht  haben,  und  zw.ar  am  besten  und 


134 

für  Mursa  am  entsprechendsten  Lussunio.  Da  dies  aber  nicht  der 
Fall  ist,  so  scheint  mir  durch  das  Zeugniss  der  Meilensteine  die 
Unhaltbarkeit  der  Salamon'schen  Ansicht  erwiesen. 

4.  Es  ist  nicht  nöthig,  noch  erst  im  Einzelnen  nachzuweisen, 
dass  auf  die  von  Salamon  construirte  Strasse  die  Masse  des  Itinerars 
gar  nicht  passen.  Dafür  soll  an  einem  Beispiele  gezeigt  werden, 
wie  die  praktische  Verwendbarkeit  des  Itinerariums  durch  Salamon 
ad  absurdum  geführt  wird. 

Wir  müssen  von  den  Verfassern  des  Itinerariums  entschieden 
voraussetzen,  dass  sie  über  das  Wenige,  was  sie  den  Reisenden 
boten,  ebenso  gute  und  verlässliche  Auskunft  geben  wollten  und 
konnten,  wie  sie  der  heutige  Eisenbahnreisende  von  seinem  „Courier" 
verlangen  darf.  Diesen  Erwartungen  hätte  das  Buch  „des  Antoninus" 
nun  nicht  entsprochen,  falls  wir  Salamon's  Combination  acceptiren. 
Davon  überzeugen  wir  uns  sofort,  wenn  wir  den  auf  der  Binnen- 
strasse  Reisenden  verfolgen.  Er  soll  nicht  von  Mursa,  sondern  von 
Vindobona,  dem  heutigen  Wien,  ausgehen.  Sein  Ziel  ist  Lugio, 
oder  nach  Salamon's  Auffassung  Paks.  Unser  Reisender  kommt 
mit  seinem  Itinerarium  ohne  Anstand  nach  Bicske  und  nach  Märton- 
vasdr.  Darüber  hinaus  triflft  er  auf  eine  Wegtheilung.  Da  könnte 
er  nach  Ercsi  und  so  auf  die  Donauuferstrasse  gelangen ,  welche 
ihn  direct  nach  Paks  führen  würde.  Da  ihn  aber  sein  Buch  hier 
nicht  auf  Lugio,  sondern  auf  Matrica  aufmerksam  macht,  so  eilt 
er  weiter,  bis  er  einige  Milliarien  hinter  Säskeresztur  eine  zweite 
Seitenstrasse  erreicht.  Diese  würde  ihn  gleichfalls  an  die  Ufer- 
strasso  führen  und  das  wäre  der  eigentliche  Weg  desjenigen,  der 
nach  Paks  will.  Aber  das  Itinerarium  macht  ihn  auch  hier  nicht 
darauf  aufmerksam,  sondern  sagt  nur,  dass  die  Seitenstrasse  nach 
Intercisa  führt.  Darum  eilt  er  weiter  auf  das  angebliche  Lussunium 
zu,  nach  Vajta  oder  Pdlfa.  Wie  er  dann  5  -  G  Milliarien  weiter 
südlich  kommt,  denkt  er  gar  nicht,  da  sein  Buch  keine  Landkarte 
ist,  dass  er  sich  auf  demselben  Breitengrade  wie  Paks  befindet. 
Das  Itinerarium  macht  ihn  darauf  nicht  aufmerksam,  und  so 
versäumt  er  es,  den  Feldweg  zu  benützen,  der  ihn  von  hier  vielleicht 
in  schnurgerader  Richtung  nach  Paks  führt.  Er  muss  nach  der 
Reihenfolge  des  Itinerariums  glauben  ,  dass  Lugio  noch  sehr  weit 
ist  und  darin  täuscht  er  sich  anscheinend  auch  nicht;  denn  es 
dauert  noch  sehr  lange,  bis  er  ans  Ziel  kommt.  Er  erreicht  Kömlöd, 
Medina,  Bonyhdd.  Ehe  er  an  letzteren  Ort  gelangt,  zeigt  ihm  sein 
Buch    an,    dass    er    auf    dem    dort    befindlichen    Seitenwege    nach 


135 

Szegszdrd  und  Tolna,  d.  i.  Alisca  und  Altaripa,  kommen  kann. 
Doch  sein  Ziel  ist  Lugio  und  deshalb  lenkt  er  auch  hier  nicht  von 
der  grossen  Strasse  ab  und  eilt  weiter  in  südlicher  Richtung.  Er 
kommt  über  P^csvdrad  hinaus  und  erst  als  er  Szederkeny  erreicht, 
macht  er  Halt,  um  von  der  grossen  via  strata  Abschied  zu  nehmen. 
Szederkeny  ist  nämlich  der  Punkt,  wo  das  Itinerarium  nach  Sala- 
mon's  Lesung  durch  ein  „in  medio  Lugione^  darauf  aufmerksam 
macht,  dass  er  die  Nebenstrasse  einschlagen  muss.  Er  biegt  gegen 
Mohäcs  ein  und,  sich  gegen  Norden  wendend,  steuert  er  durch 
Bata,  Szekcsö,  Bataszök  und  Tolna  auf  Paks  zu,  d.  h.  er  macht 
in  umgekehrter  Richtung  auf  der  Provinzialstrasse  dieselben  vielen 
Meilen,  welche  er  auf  der  Reichsstrasse  ganz  überflüssiger  Weise 
zurückgelegt  hat.  Er  ist  so  ziemlich  hundert  römische  Meilen  weiter 
gegangen,  als  nöthig  gewesen  wäre.  Dieses  einzige  Beispiel  wirft 
Salamon's  Combination  einer  Binnenstrasse  und  seine  Bestimmungen 
über  den  Haufen ;  es  zeigt  aber  auch,  wie  sehr  wir  von  der  Wahr- 
heit abweichen  können,  wenn  wir  der  Phantasie  zu  freien  Flug 
gestatten. 

Salamon  führt  seine  Hypothese  weiterhin  dazu,  die  Strasse 
des  Itinerars :  ah  Äquinco  Crumero  quae  castra  constituta  sunt  (42  Mil- 
lien  lang),  da  sie  an  die  Donau  zu  verlegen  ihm  nicht  räthlich 
erscheint,  mit  der  Vörösvärer  Strasse  zu  identificiren,  wo  doch  das 
Terrain  keine  strategische  Bedeutung  besitzt  und  obendrein  sich 
keine  Spuren  von  Castra  finden.  Hingegen  stossen  wir  auf  solche, 
wenn  wir  von  Aquincum  am  Donauufer  aufwärts  gehen,  und  es  ist 
also  nicht  einzusehen,  warum  die  dieselben  verbindende  Strasse 
nicht  als  Fortsetzung  der  Uferlinie  Taurunum —Aquincum  angesehen 
werden  soll.  Weiterhin  kommt  Salamon,  da  er  die  Uferstrasse  als 
Hauptlinie  nicht  gelten  lassen  will,  arg  ins  Gedränge  mit  dem  un- 
abweislichen  Gedanken,  dass  der  grosse  Donaustrom  eine  wichtige 
Handels-  und  Verkehrslinie  war  und  ganz  besonders  der  Grenz- 
vertheidigung  diente,  und  darum  auch  der  Verkehr  längs  ihrem 
Laufe,  also  auf  der  genügend  bezeugten  Uferstrasse,  ein  lebhafter 
sein  musste. 

5.  Stellen  wir  uns  nun  die  Binnenstrasse  vor,  deren  Existenz 
Salamon  behauptet,  ohne  indess,  um  auch  dies  noch  zu  bemerken, 
irgend  einen  Anhaltspunkt  für  diese  Annahme  in  irgend  welchen 
baulichen  Resten  oder  Meilensteinen  finden  zu  können.  Wir  sehen, 
dass  sie  zwar  von  Essegg  angefangen  bis  hinauf  nach  Noricum  im 
Grossen    und  Ganzen    der  Richtung    des  Donaulaufes    folgt,    aber 


136 

nicht  genau  am  Ufer  des  Flusses,  sondern  einige  Meilen  davon 
entfernt  im  Innern  der  Provinz  läuft  und  mithin  den  volkreichen 
Städten  und  Festungen  des  Donauufers  ausweicht,  mit  denen  sie 
bloss  durch  Seitenwege  verbunden  ist.  Wir  fragen,  hat  eine  solche 
Führung  der  Strasse  Zweck  und  Sinn?  Es  Hessen  sich  hiefür  nur 
zwei  Gründe  denken:  1.  Die  Römer  wünschten  eine  Strasse  zu 
bauen,  die  kürzer  war  als  die  am  Donauufer  und  schneller  durch 
das  Land  hindurchführte;  oder  2.  Das  Terrain  war  für  den  Bau 
der  grossen  Strasse  im  Innern  der  Provinz  günstiger  als  am  Fluss- 
ufer. Beide  Gründe  würden  eine  hinreichende  Erklärung  geben, 
aber  in  Wahrheit  gilt  hier  keiner  von  beiden.  Salamon  selbst  gibt 
zu,  dass  seine  Binnenstrasse  in  einer  Krümmung  nach  Westeuropa 
führt.  Faktisch  ist  sie  eben  so  lang,  wie  die  Donauuferstrasse 
selbst,  denn  sie  nimmt  alle  Milliarien-Masse  in  Anspruch,  welche 
das  Itinerarium  für  die  Uferstrasse  verzeichnet  und  zeigt  daher 
nicht  eine  gerade  Linie,  sondern  grosse  Krümmungen.  Und  doch 
sind  diese  durch  das  Terrain,  welches  die  Strasse  durchzieht,  durch- 
aus nicht  bedingt.  Die  Römer  hätten  gewiss  diese  Strasse  eben  so 
gerade  angelegt,  wie  es  von  ihren  übrigen  Strassen  bekannt  ist, 
und  sich  von  der  geraden  Richtung  nicht  abbringen  lassen,  selbst 
wenn  bedeutende  Hindernisse  im  Wege  gestanden  wären.  Hatte  sie 
nämlich  den  Zweck,  ohne  Rücksicht  auf  die  Städte  so  schnell  als 
möglich  aus  dem  Lande  hinauszuführen,  dann  gab  es  für  die  Römer 
keinen  Grund,  vor  oro-  oder  hydrographischen  Schwierigkeiten 
zurückzuschrecken.  Aber  ihre  Krümmung  ist  nicht  durch  physische 
Hindernisse  verursacht,  sondern  dadurch,  dass  Salamon  gezwungen 
war,  die  Masse  des  Itinerariums  auf  dem  Terrain  zu  placiren.  Bei 
einem  geraden  Laufe  der  Strasse  wäre  dies  unmöglich  gewesen, 
der  krumme  Weg  aber,  der  nun  entstanden  ist,  führt  nicht  schneller 
durch  Pannonien,  als  die  Donauuferstrasse.  Ja,  noch  mehr.  Könnten 
wir  die  Strasse  auch  ganz  gerade  ziehen,  so  würde  dies  doch  nicht 
ihre  auf  die  Städte  keine  Rücksicht  nehmende  Richtung  rechtfer- 
tigen. Denn  obwohl  sie  ein  wenig  kürzer  wäre ,  als  die  Donau- 
uferstrasse, so  hätte  sie  dem  Zwecke  der  Erbauung  auch  so  nicht 
entsprochen.  Wäre  der  Kaufmann  oder  der  Beamte,  Kaiser  oder 
General ,  den  sein  Geschäft  oder  Amt  aus  London,  Paris,  Strass- 
burg  plötzlich  nach  Byzanz  rief,  auf  Salamon's  Binnenstrasse  ge- 
reist? Ohne  Zweifel  hätte  er,  falls  er  nicht  sonst  in  Pannonien  zu 
thun  hatte ,  die  grosse  Stras.senHnie  längs  der  Drau  oder  Save  als 
die  kürzeste  gewählt.     Der    christliclie   Pilger,    der    von  Bordeaux 


137 

nach  Jerusalem  ging,  wählte  die  Strasse  Pettau-Mitrovicz  längs  der 
Drau,  Beweis  das  Itinerarium  Hierosolymitanum.  Auch  wer  aus 
Nürnberg  oder  Wien  durch  Pannonien  nach  Moesien  oder  Bithynien 
eilte,  wählte  nicht  Salamon's  Strasse,  sondern  die  Linie  Steinam- 
anger-Fünfkirchen,  oder  höchstens  Raab-Fünfkirchen,  welche  gleich- 
falls im  antoninischen  Strassenverzeichuiss  erwähnt  ist.  Oder  in 
Zahlen  gesjDrochen:  Die  Strasse  Wien-Semlin,  welche  am  Donau- 
ufer, oder  nach  Salamon  in  der  Nähe  der  Donau  hinführte,  war 
1033,  die  Strasse  Wien-Fünfkirchen-Semlin  412,  die  Savethalstrasse 
288,  die  Drauthalstrasse  237  römische  Meilen  lang.  Am  schnellsten 
führte  demnach  die  Drauthalstrasse  durch  Pannonien.  Diese  war 
auch  die  natürliche  Wegrichtung  für  diejenigen  ,  welche  aus  dem 
Innern  Noricums  oder  Raetiens  durch  Pannonien  reisen  wollten. 
Auf  dieser  Strasse  konnte,  wer  Eile  hatte,  in  28  Stunden  durch 
Pannonien  kommen,  200  römische,  40  heutige  Meilen  auf  24  Stunden 
gerechnet.  Nach  ihr  empfahl  sich  die  Savethalstrasse  als  kürzeste 
für  Einen,  der  von  der  Adria  herkam.  Auf  dieser  konnte  man 
Pannonien  in  35  Stunden  durcheilen.  Bedeutend  länger  war  die 
Strasse  Wien-Fünfkirchen-Semlin,  indess  war  sie  immerhin  für 
Reisende  aus  der  Donau-  und  Rheingegend  die  kürzeste.  Salamon's 
Binnenstras>e  war  aber  stets  die  längste,  von  woher  auch  immer 
ein  Reisender  ausserhalb  Pannoniens  aufbrach.  Nehmen  wir  bei- 
spielsweise an ,  ein  bei  Wien  lagernder  Kaiser  oder  Feldherr 
erhalte  die  Kunde  von  dem  drohenden  Ausbruche  der  Revolution 
einiger  mösischer  Legionen.  Um  den  Aufruhrsversuch  zu  ersticken, 
muss  er  augenblicklich  in  Viminacium  erscheinen.  Wenn  er  die 
Strasse  nahe  der  Donau  wählt,  braucht  er  124  Stunden;,  um  an  die 
Grenze  Mösiens  zu  gelangen.  Auf  der  Fünfkirchner  Strasse  kann 
er  sein  Ziel  in  nicht  ganz  50  Stunden  erreichen.  Offenbar  kann 
also  die  in  Rede  stehende  Binnenstrasse  nicht  in  dem  Sinne  „Reichs- 
strasse"  heissen,  als  ob  sie  (nach  heutigem  Sprachgebrauch)  inter- 
national gewesen  wäre.  In  Pannonien  gebührt  der  Titel  einer 
Reichsstrasse  in  diesem  Sinne  bloss  der  Wien-Fünfkirchen-Semliner 
Strasse  und  jener  längs  der  Drau;  jede  andere  Strasse  hat  hier 
rein  provlncialen  Charakter,  wohl  nicht  in  dem  Sinne,  als  ob  sie 
nicht  als  Vermittlungsstrasse  zwischen  den  westlichen  und  östlichen 
Provinzen  des  römischen  Reiches  gedient  hätte,  sondern  weil  sie 
nicht  die  kürzeste  Verkehrs-Diagonale  durch  Pannonien  Avar. 

Unter    solchen    Umständen    können    wir    unmöglich    glauben, 
dass  die  Strasse   den   grossen  Städten    und  Festungen  des  Donau- 


138 

ufers  ausgewichen  wäre.  Wer  nicht  allenfalls  durch  eine  Lieblings- 
combination  befangen  ist,  wird  es  nicht  für  möglich  halten,  dass 
die  Metropole  einer  grossen,  blühenden  Provinz  ausserhalb  der 
grossen  Reichsstrasse  gefallen  wäre.  Denn  wenn  sich  die  Reichs- 
strasse bei  Bicske  nach  Westen  wendete,  so  konnte  Aquincum  mit 
ihr  nur  mehr  durch  eine  Provinzial-  oder  Vicinalstrasse  zweiter 
Ordnung  verbunden  sein.  Ich  habe  schon  hervorgehoben,  dass  die 
Hauptader  des  römischen  Lebens  in  Pannonien  eben  in  den  Ort- 
schaften an  der  Donau  pulsirte.  Nirgends  sonst  gab  es  so  viel 
Castra,  so  viel  Gemeinden,  so  zahlreiche  Bevölkerung.  Weiter 
drinnen  im  Lande  können  weder  die  rein  römischen  Funde  an 
Zahl  mit  denen  des  Donauufers  wetteifern,  noch  zeigen  die  Nieder- 
lasungen  und  Grabstätten  einen  so  ausschliesslich  römischen  Cha- 
rakter. Dort  fällt  der  barbarisch-römische  Charakter  in  die  Augen, 
und  wir  können  absolut  nicht  voraussetzen,  dass  die  Römer  dieses 
schäumende  militärische  und  bürgerliche  Leben  des  Donauufers 
bloss  durch  Strassenlinien  zweiter  und  dritter  Ordnung  mit  der 
Reichsstrasse  und  so  mit  der  grossen  römischen  Welt  in  Verbindung 
gebracht  hätten.  Die  Strasse,  welche  Salamon  im  Sarviz-  und 
Vadl-Thale  tracirt,  zog  sich  in  Wirklichkeit  am  Donauufer  hin^). 
Bloss  dort  entsprach  sie  den  Interessen  der  römischen  Politik, 
Strategie  und  Nationalökonomie.  Dort,  nicht  aber  im  Inneren  der 
Provinz,  hatte  sie  Sinn  und  Berechtigung.  Aus  dem  Itinerarium 
geht  hervor,  dass  sich  von  Fünfkirchen  eine  gerade  Strasse  in 
nördlicher  Richtung  durch  das  Gebiet  von  Alt-Szöny,  Stuhlweissen- 
burg  und  Totis  erstreckte.  Die  Existenz  dieser  Strasse  hätte  schon 
an  und  für  sich  Salamon's  Binnenstrasse  überflüssig  gemacht,  weil 
wir  ja  annehmen  müssen,  dass  letztere  nicht  den  Städten,  sondern 
dem  schnelleren  Verkehr  zu  Liebe  entstanden  sei.  Was  Salamon 
mit  seiner  Binnenstrasse  von  den  Römern  erreicht  wissen  will,  das 

')  Sehr  richtig  wird  in  einem  österreichischen  Organ  behauptet:  «In  Nieder- 
pannonien  i.st  gewiss  die  Uferstrasse  seit  alter  Zeit  die  wichtigste  Verkehrsader 
gewesen  und  als  Verbindungsglied  für  zahlreiche  Vertheidigungswerke  und  An- 
siedlungen,  wovon  sich  zahlreiche  Spuren  noch  vorfinden,  stets  mit  besonderer  Auf- 
merksamkeit in  gutem  Stand  erhalten  worden,  wie  die  vielen  Meilenzeiger,  welche 
wir  von  dieser  Linie  besitzen,  bekunden.  Dagegen  scheint  das  Innere  zwischen 
Donau  und  Pluttensee,  sowie  zwischen  Drau  und  Sau,  von  römischer  Cultur 
weniger  überzogen  worden  zu  sein,  wie  nicht  nur  das  spärlichere  Vorkommen  rein 
römischer  Funde,  sondern  auch  mehrfache  Ansiedlungeu,  resp.  Begräbnissstätten 
gemischten  barbarisch-römischen  Charakters  bezeugen."  (Diese  Zeitschrift  II  (1878) 
S.  75.) 


139 

erreichten  sie  viel  passender  und  zweckmässiger  durcli  die  Fünf- 
kirchen-Altszönyer  und  noch  mehr  durch  die  Fünfkirchen-Raaber 
Strasse.  Diese,  vom  Gesichtspunkte  des  lokalen  Verkehres  und 
Interesses  erbaut,  waren  nicht  für  internationale  Zwecke  geplant 
und  fanden  die  Rechtfertigung  ihres  Bestandes  darin,  dass  sie  Arra- 
bona  und  Brigetio,  bei  Berührung  der  Zwischenstationen,  auf  den 
kürzesten  Linien  mit  Sopianae  verbanden  Der  Binnenstrasse  Sala- 
raons  kann  man  weder  internationales,  noch  locales  Interesse  zu- 
schreiben. Internationales  nicht,  da  sie  keine  Radial-,  sondern  eine 
sehr  gewundene  Ausweich  Strasse  war;  locales  nicht,  da  sie  nicht 
in  die  Städte  und  Ortschaften,  nicht  einmal  in  die  bedeutendsten, 
einkehrte.  Die  Römer  hätten  sie  also  ganz  und  gar  ohne  Grund 
gebaut.  Die  Strasse  ist  so  beschaffen,  dass  sie  alles  eher  beweist, 
als  dass  ihr  Erbauer  mit  den  Verhältnissen  und  seinem  Capital 
klug  zu  rechnen  verstand.  Jede  römische  Strasse  repräsentirte  in 
ihrer  Herstellung  und  Erhaltung  ein  grosses  Grundcapital.  Die 
Römer  selbst  betrachteten  sie  als  monumentales  Werk,  sonst  hätten 
die  strassenbauenden  Kaiser  nicht  daran  gedacht,  den  Ruhm  ihres 
Namens  und  des  vollendeten  Werkes  in  Stein  graben  zu  lassen. 
Salamon  meint,  dass  im  Allgemeinen  jede  römische  Strasse,  was 
den  Unterbau  betrifft,  kaum  weniger  hoch  zu  stehen  kam,  als  die 
heutigen  Eisenbahnen.  Den  Preis  der  Schienen  wog  das  liarte 
Steinpflaster  auf,  welches  die  prächtige  Füllung  deckte.  Erdarbeit, 
Brücken,  Dämme,  Einschnitte  —  selbst  in  Felsen  —  gab  es  gleicher- 
weise. An  dieser  Behauptung  lässt  sich  factisch  nicht  viel  rütteln ; 
sie  ist  vielmehr  vollkommen  richtig,  wenn  man  die  römischen  Strassen 
zu  den  heutigen  Arbeitspreisen  bauen  müsste.  Da  würden  die 
Kosten  des  römischen  Strassenbaues  den  durchschnittlichen  Kosten 
des  heutigen  Eisenbahnbaues  in  jeder  Hinsicht  gleichkommen.  Die 
Römer  arbeiteten  freilich  nicht  mit  Taglöhnern.  sondern  mit  ihren 
aus  Bundesgenossen  und  Bürgern  gebildeten  Truppen,  wie  dies 
pannonische  Inschriften  auch  für  Ungarn  beweisen.  Dies  vermin- 
derte die  Ausgaben,  doch  lange  nicht  in  dem  Grade,  dass  die 
Römer  sich  leichtfertig  auf  eine  solche  Anlage  eingelassen  hätten. 
Neben  der  wohlfeileren  Arbeitskraft  gab  es  noch  immer  schwere 
Auslagen,  so  für  die  Beschaffung  des  Materials,  dessen  Bearbeitung, 
die  Erhaltung  der  Arbeiter  und  des  Zugviehes.  Dazu  kommt  auch 
noch  die  Erhaltung  der  fertigen  Strasse  selbst.  Die  Kosten  für 
letztere  wurden  reichlich  gedeckt  bei  Strassen,  auf  denen  der  Ver- 
kehr gross  war.     Da   konnte   sogar   über   die    Conservirungskosten 


140 

hinaus  eine  schöne  Summe  zu  Gunsten  der  Staatscasse  übrioj  bleiben. 
Auf  der  Binnenstrasse  Salamons  freilich  können  wir  uns  den  Stras- 
senzoll,  der  von  den  Passanten  eingehoben  wurde,  nur  geringfügig 
denken. 

Es  erübrigt  mir  nur  noch,  nachdem  ich  die  Unhaltbarkeit  der 
von  mir  angefochtenen  Sätze,  wie  ich  glaube,  genügend  beleuchtet 
habe,  den  Wunsch  auszusprechen,  dass  die  ungarischen  Mitforscher, 
statt  unfruchtbare  Hypothesen  im  Studirzimmer  aufzustellen,  sich  der 
weit  dankbareren  Aufgabe  unterzögen,  die  römischen  Strassenkörper, 
die  dank  ilirer  trefflichen  Ausführung  gewiss  noch  grossentheils  er- 
halten sind,  durch  Ausgrabungen  an  geeigneter  Stelle  zu  Tage  zu 
fördern.  Dann  werden  auch  Einzelfrag§n  leicht  ihre  befriedigende 
Lösung  finden. 

In  diesem  Sinne  sei  diese  Angelegenheit  ihrer  Aufmerksamkeit 
wärmstens  empfohlen. 

Pressburg  Dr.  TH.  ORTVAY 


Nachtrag 

Auf  Wunsch  der  Redaction  dieser  Zeitschrift  füge  ich  folgende 
zwei  ergänzende  Bemerkungen  hinzu,  die  ich  bei  einem  gelegent- 
lichen Durchlesen  des  von  Herrn  Dr  Ortvay  eingesandten  Manu- 
scriptes  gemacht  habe,  ohne  ihnen  indess  selbständigen  Werth  zu- 
zuschreiben. 

1.  Zu  S.  131,  Absatz  2. 

Soviel  ich  sehe,  hat  Herr  Dr.  Ortvay  in  dem  mir  vorliegenden 
Manuscripte  die  Frage  nach  der  Veranlassung  der  eigenthümlichen 
Stilisirung  dieser  Stelle  des  Itinerars  nicht  ausführlicher  erörtert; 
gelegentlich  lässt  er  erkennen ,  dass  er  daran  festgehalten  wissen 
will,  dass  die  Notizen  über  die  pannonischen  Strassen  derselben 
Zeit  und  demselben  Redacteur  angehören.  So  ist  er  auf  zwei  Fragen 
nicht  eingegangen:  erstens  nämlich,  wie  ihre  Entstehung  zu  erklären, 
und  zweitens,  welches  ihr  Verhältniss  zu  den  entsprechenden  Stelleu 
des  zweiten  grossen  Itinerars,  das  uns  aus  dem  Alterthume  erhalten 
ist,  der  Tabula  Peutingeriana  sei,  in  der  doch  einige  der  als  in  medio 
gelegen  bezeichneten  Orte  mit  Millienzahlen  versehen  sind. 

]\Iun  hat  bei  der  Behandlung  dieser  Stelle,  die  schon  so  viele 
namentlich  unter  den  Herausgebern  von  Provinzdenkmälern  zu  halt- 
losen Verniuthungen  geführt  hat,  meist  nicht  scharf  genug  zwischen  den 


141 

in  Tnetiio-Stationen  Pannoniens  und  denen  aus  dem  übrigen  Reiche 
geschieden  ;  bei  ersteren  (242.  244  bis.  245  ter.247  bis.  248.  262  Wess.) 
ist  immer  noch  irgend  ein  Ortsname  genannt,  so  dass  dieser  Ort 
dem  unbefangenen  Leser  als  in  medio  zwischen  dem  vorhergenannten 
und  dem  nachfolgenden  Orte  nicht  bloss  im  Itinerar,  sondern  auch 
an  der  Landstrasse  gelegen  erscheinen  muss,  und  es  haben  also  die 
letzten  Herausgeber  des  Itinerariums  (im  Index  S.  357)  gewiss 
richtig  bemerkt,  dass  jene  Worte  pro  numero  milium  gesetzt  seien; 
an  den  übrigen  Stellen  (einmal  in  Thrakien,  sonst  auf  einem  ziem- 
lich eng  begrenzten  Gebiete  in  Asien)  erscheint  in  medio  ohne  Zu- 
satz eines  Ortsnamens,  aber  mit  Hinzufügung  der  Millienzahl ;  es 
sind  dies  folgende  Angaben: 

175  Wess.    Orudisza  od  Burgum  XXV  in  medio  XXIIIf  Hadrianopoli 

188  Arahisso  XXII  in  media  XXVI  Muzana 

jl89  Canaba  XII  in  medio  XV  Edissa 

(191  Canaba  XXII  in  medio  XVIII  Edissa 

197  Scytopoli  X  in  medio   VII  Neapoli 

(212  Sehastia  XXV  in  medio  XXV  Tonosa  XXV  in  medio 
I  XXV  Ariarathia 

)213  Sehastia  XXV  [in  medio  XXV  Tonosa  XXV]*)  in  medio 
\  XXV  Ariarathia 

Soweit  man  den  Zahlen  trauen  darf,  erscheint  die  Station  in 
medio  nur  auf  der  Strecke  Sehastia-Tonosa-Ariathia  als  genau  in  der 
Mitte  zweier  Orte  gelegen,  sonst  sind  die  beiden  Theilstrecken  vor 
und  nach  in  medio  ziemlich  verschieden.  Es  erscheint  unabweislich, 
diese  in  medio  ■  Orte  auf  eine  Stufe  mit  den  ad  medias  oder  ad 
mediam  genannten  Orten  zu  stellen  (es  sind  meines  Wissens  folgende : 

1.  Itin.  Ant.  82  W.  Molaria  XII  ad  medias  XII  Foro   Iraiani 

2.  Itin.  Hier.  560      Adrante  XIII  ad  medias  XIII  Celeia 

3.  611       Tarracina  X  ad  medias    Villi  Appi  Foro 

4.  616      Bononia  XV  ad  medias  X  Victuriolas 

5.  557       Eigomago  X  ad  medias  XIII  ad  Cottias 

6.  Tab.  Peut.  3  f.^)  Badias  XXV  ad  medias  XXVIII  ad  maiores 

7.  7  a       Tierva  XI  ad  mediam  XIIII  Pretorio) 


*j  Die  in  Parenthese  stehenden  Worte  habe  ich  hinzugefügt,  in  den  Iland- 
schiit'ten  fehlen  sie. 

^)  V-1.  i;av.  20.3  :  Druhelis  Medilas  Pretorich, 


142 

und  in  gleicher  Weise  zu  erklären,  also  sie  auf  Baulichkeiten,  An- 
lagen, Gewässer,  Felsen  und  andere  Gegenstände  zu  beziehen,  die 
ungefähr  mitten  zwischen  zwei  Stationen  am  Wege  zu  bemerken 
waren,  oder  zwischen  denen  jene  Station  gelegen  war.  Ad  i'zibras 
der  Tab.  Peut.  u.  s.,  das  bei  Prima  Porta  gelegen  ist,  ist  bekannt- 
lich so  viel  als  ad  rubras  nipes,  saxa  rubra;  ad  pictas  des  Itin. 
umschreibt  Strabo  5,  3,  9  (p.  237  C.)  mit  TTiktük;  TravboxeTa,  also 
ad  pictas  tabernas;  zahlreich  genug  sind  die  Orte  ad  nuvas  {tabemas 
u.  ä.)  u.  s.  w.  Meines  Erachtens  hat  daher  Mommsen  mit  richtigem 
Takt  den  Namen  der  dacischen  Station  ad  mediam  (heute  Mehadia) 
von  ihrer  Lage  zwischen  dem  Donaustrom  und  den  nahen  Gebirgs- 
pässen abgeleitet  (C.  I.  L.  III,  p.  248)  ,  und  ähnliches  scheint  mir 
bei  den  obengenannten  Fällen  vorzuliegen®). 

Nichts  berechtigt  uns,  glaube  ich,  zu  der  Vermuthung,  dass 
die  Worte  in  medio  eine  freilich  undeutliche  Bezeichnung  für  ein 
besonderes  Rechts-  oder  militärisches  Verhältniss  u.  ä.  bilden  können; 
schon  dass  neben  den  vielen  als  in  medio  gelegen  bezeichneten 
Orten  Älisca  ad  latus  angeführt  wird,  welche  Worte  man  doch 
schlechterdings  nicht  in  ähnlicher  Weise  wie  jene  zu  deuten  ver- 
mag, sollte  warnen').  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass, 
wenn  es  sich  um  ein  anderes  antikes  Schriftwerk  als  das  in  Rede 
stehende  handelte,  man  die  Spuren  einer  erneuten  Bearbeitung  hier 
würde  finden  wollen.  Man  hält  indess  das  Itinerar  für  ein  amtliches 
Schriftstück,  das  gleichsam  in  einem  Gusse  hergestellt  und  im 
Ganzen  trefflich  erhalten  sei.  Und  dieser  Glaube  ist  doch  noch  durch 
keine  genauere  Erwägung  bestätigt  worden.  Denn  fürs  erste  ist  der 


®)  Nach  Abdruck  dieser  Zeilen  ist  eine  (allerdings  lange  nicht  erschöpfende) 
Zusammenstellung  und  Sichtung  der  mit  dem  Beisatze  ad  verbundenen  Stations- 
namen der  Itinerarien  von  K.  Miller,  die  Weltkarte  des  Castorius  (Ravensburg 
1888)  S.  103  S.  gegeben  worden.  Miller  sieht  in  diesen  Stationen  solche,  'welche 
erst  neu  entstanden  sind,  insbesondere  an  den  groj«sen  Verkehrsstrassen,  weshalb 
fast  immer  der  Ursprung  des  Namens  noch  nachweisbar  ist'.  Diese  Bemerkung 
wird  man  wohl  im  Ganzen  und  Grossen  billigen,  wenn  mau  auch  Einzelheiten 
ihrer  Begründung  nicht  gutheissen  darf,  wie  wenn  z.  B.  der  Namen  ad,  septevi 
fratres  (It.  Ant.  9,  3.  Kav.  1G3,  1)  statt  auf  die  bekannte  Berggruppe,  an  deren 
Fuss  sie  lag,  auf  ein  'Wirtshausschild'  bezogen  wird.  Auch  ist  es  ganz  gut  denkbar, 
dass  manche  dieser  Orte  als  kleine  Ansiedlungen  ohne  städtischen  Charakter,  be- 
nannt nach  einer  hervorragenden  Baulichkeit  u.  dgl.,  lange  vor  dem  Bau  der  Strasse, 
die  später  an  ihnen  vorbeizog,  entstanden  waren  oder  zugleich  mit  ihr  entstanden  sind. 

')  Eine  Station  ad  novas  et  aureo  monte  ist  obendrein  sowohl  ohne  Millien- 
zahl  als  ohne  den  Zusatz  in  viedio  geblieben. 


143 

gegenwärtige  Zustand  des  Itinerars  ein  trauriger.  Ich  spreche  nicht 
von  den  Zahlenverderbnissen,  nicht  von  den  Namensverunstaltungen, 
auch  nicht  von  den  vielen  Lücken,  ich  betone  bloss,  dass  sich  zahl- 
reiche Ergänzungen,  Zusätze  und  Detaillirungen  späteren  Ursprungs, 
von  denen  sich  die  anerkannt  beste  Handschrift  auch  nicht  immer 
frei  erhalten  hat,  unschwer  nachweisen  lassen,  und  dass  für  West- 
afrika die  Angaben  der  Kechtsstellung  der  einzelnen  Städte  (Colonie, 
Municipium,  Vicus®)  u.  s.  f.)  ziemlich  regelmässig  wiederkehren,  in 
den  anderen  Ländern  fast  gar  nicht  erscheinen,  welchen  merkwür- 
digen Zustand  des  Textes  man  doch  ebensowenig  für  einen  gün- 
stigen und  auf  treffender  Unterscheidung  besonderer  Verhältnisse 
beruhenden  wird  erklären  wollen,  als  es  jemandem  einfallen  wird, 
aus  der  Unvollständigkeit  in  der  Aufzählung  der  Standorte  römi- 
scher Heerestheile  sachliche  Schlüsse  zu  ziehen.  Fürs  zweite  ist 
die  Verwandtschaft  des  Itinerars,  der  peutingerschen  Tafel  und  der 
ravennatischen  Erdbeschreibung  zu  gross  und  dies  zum  Theil  nicht 
im  besten  Sinne,  wie  z.  B.  bei  der  Behandlung  der  Städte  von 
Westafrika  gegenüber  dem  übrigen  Reiche,  als  dass  man  nicht  den 
Ursprung  aus  einer  gemeinschaftlichen  Vorlage,  doch  wohl  einer 
Karte,  annehmen  müsste.  Endlich  ist  das  Itinerar,  in  dem  dieselbe 
Strasse  mitunter  ganz  wiederholt  oder  mit  einem  grossen  Stücke 
drei-,  vier-,  ja  fünfmal  zur  Behandlung  kommt,  höchstens  noch  für 
einen  privaten  Ausschreiber  einer  Karte  gut  genug.  Eine  amtliche 
Arbeit,  die  auf  den  amtlichen  Aufzeichnungen  über  die  römischen 
Reichsstrassen  fusste ,  konnte  nicht  so  kläglich  ausfallen.  —  Ich 
sehe  überdies  nach  dem  Gesagten  nicht  ein,  weshalb  ich  die  in 
medio-Orte  des  pannonischen  Landes  nicht  als  spätere  Zuthat  eines 
Mannes  betrachten  dürfte,  der  die  Entfernungen  der  von  ihm  einge- 
schalteten Orte  nicht  genau  anzugeben'  wusste^). 


*)  Die  Fälle,  in  denen  in  den  Itinerarien  vicu^  u.  a.  vor  einem  Genetiv  oder 
einer  adjectivischen  Form  eines  Eigennamens  als  Theil  des  Namens  gebraucht 
erscheint,  dürfen  nicht  hiehergezogen  werden. 

^)  Er  befand  sich,  glaube  ich,  in  derselben  Lage,  wie  z.  B.  der  sogenannte 
Skylax  von  Kaiyanda,  der  bei  der  Verarbeitung  ungleichmässig  gearteter  Vorlagen 
gleichfalls  vielfach  nur  duroh  ein  ^v  Ttü  |U^auj  u.  ä.  die  Lage  von  Oertlichkeiten 
bezeichnen  konnte,  statt  die  Entfernungen  genau  anzugeben ;  so  ist  nach  ihm  c.  6 
Korsika  von  Tyrrhenia  l'/j  Tagfahrten  entfernt,  Kai  vf\aoc,  kv  ^eao)  TU)  irXu)  toutuj 
oiKOU^evri,  rj  övo^a  AieaXia;  c.  7  Korsika  —  Sardinien  Vg  Tagfahrt,  Kai  vf]ao<; 
IpriMn  ev  tA  MexaEü ;    c.  67  Paktye— Kardia   6id    Toö   aiixivoc,  Tielrj   axäbia   |li', 


144 

Schliesslich  bemerke  ich,  dass  wir  selbstverständlicher  Weise 
über  die  in  medio  genannten  und  mit  Millienzahlen  versehenen  Orte 
sicherer  urtheilen  könnten ,  wenn  wir  die  Topographie  der  betref- 
fenden Gegenden  genauer  kennten.  Dann  würde  auch  jeder  Zweifel 
schwinden,  ob  jene  Orte  wirklich  so  genannt  wurden,  wie  dies  im 
Itinerar  geschieht.  Allein  nur  für  die  Strecke  ScythopoUs — NeapoUs 
kennen  wir  m.  W.  das  Material  genauer,  und  gerade  hier  ist  das 
Itinerar  (p.  197  Wess.)  verdorben,  so  dass  wir  die  in  medioSta.tion 
nicht  mit  den  übrigen  an  jener  Strasse  gelegenen  Oertlichkeiten  zu- 
sammenstellen können. 

2.  Zu  S.   133,  Z.  21: 

Ich  gestatte  mir  indess  nicht,  als  ob  ich  dies  zur  Widerlegung 
der  Salaraon'schen  Hypothese  für  nöthig  erachtete,  auf  die  beachtens- 
werthe  Uebereinstimmung  zweier  von  Ortvay  nicht  herangezogenen 
Quellen  mit  den  Angaben  des  Itinerars  und  der  Tabula  Peutinge- 
riana  hinzuweisen,  nämlich  mit  den  allerdings  arg  verderbten  und 
verstümmelten  Angaben  der  ravennatischen  Erdbeschreibung  über 
die  Donaustrasse  Pannoniens  und  den  Reihen  der  (sämmtlich  am 
Donauufer  gelegen  zu  denkenden)  Städte  und  Castelle,  die  sich  in 
der  Notitia  dignitatnm^  occ.  c  32  —  34  finden.  Ich  bemerke  noch, 
dass  ich  dieselben  in  eine  Reihe  zusammengezogen  habe ,  jedoch 
alle  Orte,  deren  Einreihung  in  die  Liste  auf  Grund  der  Angaben  der 
Notitia  dignitatum  nicht  mit  voller  Gewissheit  sich  durchführen  Hess, 
ausschied,  und  dass  ich  die  im  Itinerar  als  in  medio  gelegen  be- 
zeichneten Orte  mit  einem  Sternchen  versah.  —  Dass  ich  die  von 
Ptolemaeus  als  Uferstädte  bezeichneten  Orte  gleichfalls  aufnahm, 
wird  der  Kundige  gewiss  billigen;  nur  bei  XepiößoXoq  habe  ich, 
C.  Müllers  Wink  folgend,  die  Reihenfolge  des  griechischen  Gewährs- 
mannes verlassen.  Eines  sonstigen  Commentars  bedarf  diese  Liste 
nicht,  deren  Zweck  lediglich  der  ist,  den  Ausfall  der  ausführlichen 
Darlegungen  Herrn  Dr.  Ortvays  über  die  Zusammengehörigkeit  und 
strenge  Abfolge  der  im  Itinerar  mit  Entfernungsangaben  oder  dem 
Zusätze  in  media  versehenen  Orte  zu  ersetzen '") : 


und  ir6\i^  ^v  tuj  jli^öijü  (auxevi  ergänzt  m.  E.  unnöthig  C.Müller)  r\  övo|Lia  'Ayopd; 
c.  108  TTexpac;  6  lUiKpöc;  bis  Xe/i^övriöo(;  'kx\k\h(.c,  1  Tagfahrt,  ev  h^  tiI>  [xiaui 
TTdTpavToq  koI  Xe^^ovriaou  eial  vfiöot  'Ariöuuvia  koI  *  TTXaxeiai. 

'")  Eine  ähnliche  Liste  hat,  was  ich  erst  nach  dem  Abdrucke  obiger  Zeilen 
bemerkt  habe,  bereits  Böcking  zu  den  angeführten  Stellen  der  Notitia  dignitatum 
entworfen. 


145 


Reihenfolge  der  Städte 
in  der    N.    D.,    soweit 
sie  mit  Sicherheit  fest- 
zustellen ist 

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Archäologisch-epigraphische  Mitth.  XI. 


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W.  KUßlTöCHEK 


1 


147 


Antike  Sculpturen  auf  Faros 

(Hiezu  Taf.  V— IX) 


Bei  einem  mehrwöchentlichen  Aufenthalte,  den  ich  im  An- 
schlüsse an  einen  Besuch  von  Delos  von  October  bis  Anfang  No- 
vember 1885  auf  Faros  nahm,  leitete  mich  die  Erwägung,  dass  eine 
zusammenfassende  Aufnahme  des  Antikenbestandes  begrenzter  Ge- 
biete, wie  sie  für  andere  Teile  Griechenlands  vielfach  und  zum 
Teile  mit  weiter  gesteckten  Zielen  vorliegt,  bei  den  Kykladen 
schon  wegen  deren  relativ  geringer  Zugänglichkeit  besonders  wün- 
schenswert sei.  Die  nicht  allzuhäufigen  Bereisungen  derselben, 
welche  in  letzter  Zeit  stattfanden,  hatten,  wenn  nicht  ausschliess- 
lich der  Nachforschung  nach  unbekanntem  Material,  doch  nur  be- 
stimmten einzelnen  archäologischen  Fragen  gegolten.  Speciell  Faros 
hat  seit  Ross  nur  zweimal,  1860  durch  Michaelis*)  und,  wie  aus 
zerstreuten  Notizen  in  verschiedenen  Aufsätzen  hervorgeht.  1882 
durch  Furtwängler  Besuche  erfahren,  die  in  archäologischer  Hin- 
sicht fruchtbar  wurden,  während  der  fortgesetzten  Veröffentlichung 
parischer  Inschriften  durch  das  Interesse  sachkundiger  Einhei- 
mischer, wie  Krispis'^)  und  Olympios^),  wiederholt  auch  durch 
Fublicationen  im  Bulletin  de  correspondance  hellenique  Rechnung 
getragen  worden  ist.  Um  so  leichter  konnte  ich  mein  Hauptaugen- 
merk auf  die  oben  erwähnte  Absicht  concentrieren,  bei  deren  Ver- 
wirklichung mich  der  freundliche  Sinn  der  Bevölkerung  und  mit 
besonderer  Liebenswürdigkeit  der  Dimarch  Herr  Konstantinos  N. 
Kondylis  auf  das  Entgegenkommendste  unterstützten. 

Für  das  Bild,  welches  die  Insel  im  Hinblicke  auf  die  Reste 
des  Altertums  gewährt,  kann  auf  die  Schilderung  bei  Ross*),  die 
in  allem  Wesentlichen  noch  zutrifft,  verwiesen  werden.  In  der 
Stadt  Farikia^),  deren  Trümmergebiet  noch  die  umliegenden  Felder 


')  Vgl.  Annali  1864  S.  267  ff. 

')  MouöeTov  Kai  ßißXioGriKTi  rriq,  eva-{-ie\iKf\c,  a)ioXf\c,  (Smyrna)  II  2.  3 
S.  1  ff.,  III  1.  2  S.  150  ff.;  Bull,  de  corresp.  helUn.  IV  1880  S.  284  ff.,  dazu  416. 

^)  'AOiivaiov  V  S.  3  ff.  mit  Tafeln. 

*)  luselreisen  I  S.  44  ff.,  vgl.  Wanderungen  in  Griechenland  (Königsreisen) 
I  S.  254  f. 

^)  Die  von  Michaelis  daselbst  erwähnte  kleine  Privatsammlung  des  Herrn 
Damias  ist  nach  dessen  Tode  samt  dem  Hause  nach  Laudessitte  in  den  Besitz  seines 

10* 


148 

und  zahlreichen  Capellen  umfasst,  hat  sich  das  CastelP)  auch  neuer- 
dings als  Antikenfundstätte  erwiesen,  indem  dicht  an  demselben 
die  S.  162  beschriebene  Nikestatue  (Taf.  VI,  1)  ausgegraben  wurde. 
In  der  mit  Mühlen  besetzten  Halbinsel  südwestlich  von  der  Stadt, 
etwa  in  der  Gegend,  in  welcher  das  Asklepieion  angesetzt  wird'), 
bei  H.  loanna,  zeigte  man  mir  im  felsigen  Ufer  mehrere,  nur 
mit  einem  Boote  zugängliche  Grotten,  in  deren  Wände  viereckige, 
nicht  über  einen  Meter  lange  Nischen  —  in  einer  Grotte  zählte  ich 
deren  sieben  —  flach  eingeschnitten  waren.  Von  den  früher  an- 
geblich sichtbaren  Reliefs  und  Inschriften ,  sicher  Votiven  an  die 
Gottheiten  des  Meeres,  ist  bei  der  starken  Zerfressenheit  nichts 
mehr  zu  erkennen.  In  entgegengesetzter  Richtung  von  der  Stadt 
hat  der  Bau  einer  Bahn  zu  den  Lychnitesbrüchen  ein  neues,  kaum 
noch  ausgebeutetes  Fundgebiet  eröffnet.  Kurz  nach  ihrem  Beginne 
unweit  der  Hekatontapjliani  läuft  dieselbe  in  einem  übermanns- 
hohen Einschnitt,  bei  dessen  Herstellung  die  weiter  unten  beschrie- 
benen Sarkophage®)  zum  Vorschein  kamen  (Taf.  VII— IX),  die  ich 
allerdings  nicht  mehr  an  Ort  und  Stelle,  sondern  vor  der  genannten 
Kirche  sah").  Doch  ragten  aus  den  Wänden  des  Einschnittes 
noch  mehrfach  antike  Reste,  darunter  die  Ecke  eines  Unterbaues 
von  mehreren  Stufen,  hervor;  andere  grössere  Stücke  von  Archi- 
tektur lagen  in  der  Nähe.  Die  Beschaffenheit  des  Terrains,  in 
welchem  der  Einschnitt  geführt  ist  und  welches  aus  Massen  von 
Conchylien  gebildet  ist,  weist  auf  eine  nach  Aufstellung  der  Sar- 
kophage eingetretene  Ueberschwemmung  vom  Meere  aus  hin  ^"). 


Schwiegersohnes,  Herrn  Nikolaos  Kussos,  übergegangen.  Ausserdem  sind  nur  noch 
bei  dem  Sohne,  Herrn  Alexander  Daniias,  und  den  Herren  Michail  und  Nikolaos 
Dellagrammati  antike  Gegenstände  in  kleinerer  Anzahl  vereinigt. 

*)  Leake,  travels  in  northern  Greece  HI  S.  85 ;  Thiersch ,  Abhandl.  d.  hair. 
Akad.  1835  S.  589;  Koss,  Inselreisen  I  S.  48  f.;  Bursian,  Geographie  von  Griechen- 
land II  S.  487. 

')  Ross,  Inselreisen  I  S.  46  f. ;  Bursian  a.  a.  O. 

")  Vgl.  Krispis,  Mouöetov  III  1.  2  S.  150  und  Bull,  de  corresp.  hellen,  a.  a.  O. 

')  Auch  von  dem  von  Krispis  MouffeTov  S.  157  näher  bezeichneten  Inhalt 
der  Sarkophage  habe  ich  nichts  gesehen, 

")  Eine  geologische  Würdigung  dieser  Erscheinung  hat  nach  meinen  Mit- 
teilungen der  Chefgeologe  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien,  Herr  Dr. 
E.  Tiet^e,  in  einem  in  der  Sitzung  des  genannten  Instituts  vom  1.  Februar  d.  J. 
gehaltenen  Vortrage  gegeben.  Vgl.  Verliandlungen  der  k.  k.  geolog.  Reichsaust. 
1887  Nr.  2  S.  63  S. 


149 

Das  Felsrelief  des  Odrysen  Adamas  am  Eingange  des  einen 
Schachtes  in  den  Lychnitesbrüchen  bei  H.  Minds  fand  ich  nicht 
mehr  intact  vor.  Dem,  wie  man  erzählte,  von  einem  Engländer 
unternommenen  Versuche,  das  Relief  aus  dem  Felsen  herauszu- 
schneiden")? sind  zwei  der  Mittelfiguren  zum  Opfer  gefallen,  deren 
Reste,  arg  verstümmelt,  in  dem  unweit  gelegenen  Kloster  ein- 
gemauert sind.  An  dem  Neubetriebe  der  Marmorbrüche  selbst 
hatte  sich  zur  Zeit  meiner  Anwesenheit  bereits  die  zweite  oder 
dritte  Unternehmung  verblutet.  Die  Ursache  davon  liegt  nach 
der  von  dem  fachmännischen  Leiter  der  Arbeiten  vertretenen  An- 
sicht nicht  sowol  in  eigentlicher  Erschöpfung  des  Lychnites  "^), 
als  darin,  dass  der  Stein  nur  mehr  in  kleinen  Blöcken  gebrochen 
werden  könne,  die  ihn  höchstens  zur  Verwendung  für  Büsten, 
nicht  aber  für  grössere  Statuen  geeignet  machen*^).  Leider  fehlte 
auch  mir  die  Möglichkeit,  über  die  Stelle  des  Nymphenreliefs 
hinaus  in  einen  der  Schächte,  die  indessen  nicht  mehr  in  ihrem 
früheren  Zustande  belassen  sein  sollen,  einzudringen.  Doch  geht 
aus  den  Berichten  von  Fiedler  und  Ross  "*)  hervor,  dass  dieselben 
in  antiker  Zeit  sehr  eng  und  für  das  Hinausschaffen  grosser  Blöcke 
schwerlich  geeignet  gewesen  sein  müssen,  so  dass  die  Frage  ent- 
steht, ob  jene  die  Erneuerung  des  Betriebes  vereitelnden  Umstände 
nicht  vielmehr  in  der  Verschmähung  der  Stücktechnik  seitens  der 
heutigen  Sculptur,  als  in  geänderten  Gewinnungsverhältnissen  des 
Steines  selbst  ihren  Grund  haben.  Inwieweit  diese  Eigentümlich- 
keit der  feinsten,  aber  nur  unterirdisch  vorkommenden  Sorte  des 
parischen  Marmors  überhaupt  an  dem  Aufkommen  oder  wenigstens 
der  Ausbildung  der  Stückung  in  der  antiken  Marmorsculptur  Anteil 


•>)  So  berichtet  auch  Furtwängler,  Samml.  Sabouroff  CXXXVII,  S.  4,  Anm.  21. 
Einen  von  einem  älteren  Versuch  herrührenden  „Schräm",  den  ich  auch  sah,  er- 
wähnt Fiedler,  Keise  durch  Griechenland  II  S.  187. 

'*)  Die  geläufige  Volksetymologie  will  diesen  Namen  von  der  Transparenz 
des  Marmors  herleiten.     Vgl.  auch  Fiedler  S.  186. 

")  Dieselbe  Wahrnehmung  machte  bereits  Fiedler  (S.  185)  in  einem  Schachte, 
in  welchem  er  den  Marmor  am  feinsten  fand.  Wenn  er  von  dem  durch  das  Nymphen- 
relief bezeichneten  Schachte  das  Vorkommen  von  Marmor  in  grösserer  Mächtigkeit 
berichtet  (S.  188),  so  können  das  nur  vereinzelte  Stellen  gewesen  sein,  da  sich  die 
heutigen  Betriebsversuche  auch  auf  diesen  Schacht,  in  den  ein  Schienengeleise 
hinabführt,  erstreckt  haben.  Uebrigens  war,  wie  Fiedler  selbst  betont,  unter  den 
Umständen,  unter  welchen  er  in  die  Tiefe  drang,  eine  genauere  Untersuchung  gar 
nicht  möglich. 

'^)  Fiedler  II  S.  185;  Eoss,  Inselreisen  I  S.  50,  Wanderungen  I  S.  255. 


150 

hat,  würde  sich  vielleicht  verlohnen^  au  den  vorhandenen  ältesten 
Steinsculpturen  von  grösseren  Dimensionen  zu  verfolgen  ;  der  Hinweis 
auf  den  auf  der  Schwesterinsel  Naxos  erhaltenen,  über  10  Meter 
hohen  Monolith,  in  welchem  Ross  '^)  das  wegen  mehrerer  Risse  im 
Marmor  unvollendet  gebliebene  ursprüngliche  Exemplar  des  nach 
Delos  gestifteten  Apollonkolosses  *®)  erblickte,  liegt  dabei  beson- 
ders nahe. 

Ein  Ausflug  zu  den  auf  der  Ostseite  der  Insel  gelegenen 
Kdxuj  xiJupid^'^)  führte  mich  an  dem  Dorfe  Kost6s^^),  wo  mir  in 
einen  Steinzaun  eingebaut  eine  weibliche  Statue  (S.  165)  gezeigt 
wurde ,  und  weiterhin  an  einem  zu  Tage  liegenden  Marmorbruch 
vorbei,  dessen  kaum  begonnene  Ausbeutung  nach  dem  Tode  des 
Unternehmers  wieder  ins  Stocken  geraten  ist.  Von  den  Kdio) 
XUjpid  bot  mir  das  erste,  Tragulas ,  nichts,  das  zweite,  IMdrmara, 
ausser  einer  bereits  bekannten  Inschrift  nur  geringe  Fragmente, 
Doch  lohnte  den  Ausflug  das  altertümliche  Relief  einer  Gorgo 
(Taf.  V,  2),  das  sich  nach  längerem  Suchen,  mit  einer  dichten 
Schmutzkruste  bedeckt,  in  dem  Winkel  einer  Oelpresse  in  Tschi- 
pidi  (ei(;  lovc,  K^mbovq)  fand,  und  das  mit  der  im  Anhang  mitge- 
teilten, wenngleich  jüngeren  Inschrift  für  das  Alter  der  an  jener 
Stelle  vorauszusetzenden  antiken  Ansiedlung  '*')  in  Betracht  kömmt. 
Zwei  kleine  Marmorfiguren,  die  ein  „Engländer"  nicht  lange  vorher 
daselbst  erworben  haben  soll,  gehörten  vielleicht  jener  primitiven 
Inselkunst  an,  von  welcher  gleich  unten  auf  S.  152  die  Rede  ist. 

Zufolge  einer  unterwegs  erhaltenen,  freilich  recht  unbestimmten 
Angabe,  die  mir  indess  auf  ein  archaisches  Bildwerk  zu  deuten 
schien,  suchte  ich  endlich  die  weiter  südlich  an  der  Ostküste  be- 
findliche Gegend  Drako  auf.  Eine  Viertelstunde  südlich  von  dem 
dort  befindlichen  Brunnen  Assömato  steht,  in  eine  Felshöhle  eingebaut, 
das  Kirchlein  des  H.  loannis  Spiläos '^°),  an  dessen  Eingang  rechts 


•^)  Inselreisen  I  S.  40. 

•*)  Vgl.  Röhl,  inscr.  gr.  antiquiss.  Nr.  409;  Furtwängler,  Arch.  Ztg.  1882 
S.  331. 

")  Ross,  Inselreisen  I  S.  51. 

")  Leake  a.  a.  O.  S.  02;  Ross,  Inselreisen  I  S.  52. 

")  Bursian  a.  a.  O.  S.  488. 

'*)  Die  Legende,  nach  welcher  der  Heilige  einen  in  der  Höhle  hausenden 
Drachen  vertrieben  haben  und  nach  dessen  Tödtung  durch  den  Erzengel  aus  dein 
Blute  der  Brunnen  entstanden  sein  soll,  erklärt  die  angeführten  Namen. 


151 

die  von  Olympios  ^^)  entdeckte  archaische  Weihinschrift  an  Artemis 
eingemauert  ist.  Nachricht  und  Vermutung  erwiesen  sich  als 
richtig:  unter  Steinhaufen  fanden  sich  an  verschiedenen  Punkten 
auseinandergetragen  die  Trümmer  einer  sitzenden  weiblichen  Ko- 
lossalfigur (S.  157  fi".),  deren  ursprünglicher  Aufstellungsort'^^)  nicht 
entfernt  gewesen  sein  wird;  die  tiefe  Einsamkeit  der  hügeligen 
Wiesengründe,  die  sich  hier  vor  den  waldigen  Berghöhen  zum  Meere 
hinabziehen,  begünstigt  den  Gedanken  an  eine  der  Artemis  heilige 
Stätte,  den  die  erwähnte  Inschrift  nahelegt.  Da  meine  Zeit  auch 
noch  durch  die  resultatlose  Besichtigung  einer  weiter  nördlich  bei 
Hirtenhütten  (Ka)adpai(;)  gelegenen  Capelle  des  H.  Vlassios  in  An- 
spruch genommen  wurde,  in  welcher  ein  irpöcrujTrov  eingemauert 
gewesen  sein  sollte,  so  blieb  mir  nur  der  Rest  des  kurzen  November- 
tages zur  flüchtigen  Aufnahme  der  einzelnen  Bruchstücke,  deren 
Zusammensetzung  ich ,  da  es  mir  bei  der  Abgeschiedenheit  des 
Ortes  an  Hilfe  gebrach,  nicht  einmal  versuchen  konnte.  An  ein 
Uebernachten  war  ebensowenig  zu  denken .  wie  an  die  Herbei- 
schaffung von  Nahrung,  und  da  mich  die  Umstände,  die  auch  die 
beabsichtigte  Fortsetzung  der  Reise  auf  einige  andere  Inseln  nicht 
zuliessen,  alsbald  zur  Abreise  von  Parikia  nötigten,  ohne  mir  die 
Möglichkeit  eines  zweiten  Besuches  geboten  zu  haben,  so  bleibt 
nur  zu  wünschen,  dass  die  bei  der  Generalephorie  angeregte  Ueber- 
führung  nach  Athen  das  Bildwerk  vor  dem  Untergange  schützen 
und  genauerer  Kenntnis  zugänglich  machen  möge. 

Den  Besuch  von  Levkäs*^^)  und  Naussa  unterliess  ich,  da  ich 
für  beide  Orte  nichts  über  antike  Denkmäler  erfahren  konnte;  der 
in  letzter  Stunde  erhaltenen  Mitteilung  über,  wenn  ich  recht  ver- 
stand ,  antike  Felsabarbeitungen  im  Hafen  von  Naussa  vermochte 
ich  nicht  mehr  nachzugehen. 

Die  den  folgenden  Beschreibungen  beigegebenen  Skizzen,  die 
ich  an  Ort  und  Stelle,  wie  die  Verhältnisse  es  zuliessen,  aufnahm. 


^*)  'A9rivaiov  V  S.  8  f.  n.  3;  Inscr.  gr.  antiqu.  Nr.  401.  —  Oben  und  unten 
profilierte  Basis,  H.  0-95,  Br.  0-38,  Inschriftfeld  0-685  h.,  0*305  br.  Unter  der  In- 
schrift bis  zum  Rande  des  Schriftfeldes  0'52  frei. 

")  Da  die  Statue  ganz  ausgeführt  ist,  so  wird  die  Bezeichnung  der  Stelle 
als  antiker  Steinbruch  zum  Mindesten  nicht  auf  sie  zu  begründen  sein.  Immerhin 
kann  jene  sonst  zutrefi'en :  an  einer  Stelle  sah  ich  ein  im  Felsen  ausgehauenes 
Halbrund  mit  Humus  ausgefüllt.  Auch  bei  H.  Vlassios  lagen  einige  bearbeitete 
Marmorstücke. 

")  Vgl.  Ross,  Inselreisen  I  S.  51. 


152 

bezwecken  selbstverständlich  nur,  die  Beschreibungen  zu  veran- 
schaulichen und  zugleich  zu  vereinfachen.  Wo  nichts  Anderes  be- 
merkt wird,  ist  als  Material  der  einheimische  weisse  Marmor,  als 
Standort  Parikia  zu  verstehen. 

Das  beistehend  abgebildete  Figürchen  aus  alabasterähnlichem 
Marmor  (H.  008.  Br.  0-06,  D.  0012)  im  Besitze  des  Petros  Mo- 
stratos  ist  einer  der  primitivsten  Vertreter  der  zuletzt  wieder  von 
Köhler  und  Beut  behandelten  vorhellenischen  Kykladensculptur -*). 
Von  des  Letzteren  Funden  auf  Antiparos  bietet  das  aus  dem- 
selben Grabe  stammende  Paar,  in  welchem  der  Herausgeber  die 
rohe  Darstellung  von  Mann  und  Weib  erkannt  hat"^),  besonders 
mit  der  in  der  Tat  an  eine  Violine  erinnernden  weiblichen  Gestalt 
die  nächste  Analogie  zu  unserer  Figur,  über 
deren  Herkunft  ich  übrigens  nichts  erfahren  habe. 
Auf  der  Rückseite  ganz  flach  gehalten,  beschränkt 
^  sich  ihre  Modellierung  auf  die  Abrundung  der 
Contouren  und  die  Eintiefung  an  der  Taille.  Bis 
auf  den  oben  gebrochenen  Hals  ist  sie  voll- 
ständig. Kerbartig  eingeschnittene  Linien  be- 
zeichnen an  der  oberen  Hälfte  die  Begrenzung 
des  Halses,  in  der  Mitte  die  Taille.  In  den 
correspondierenden  Kerben  über  der  Letzteren 
wird  man  die  wagrecht  vor  der  Brust  gehal- 
tenen Arme  zu  erkennen  haben,  wie  sie  auch 
sonst  erscheinen  ''^) ;  dagegen  ergibt  die  tiefe  Anbringung  der  Vulva"') 
die  bemerkenswerte  Tatsache,  dass  von  der  Angabe  der  Beine 
ganz  abstrahiert  wurde.    (Fig.  1.) 

Von  Werken    der    archaischen    griechischen    Kunst    seien 
zunächst  drei  Reliefs  genannt.    Das  älteste  davon  scheint  ein  im 


Fio-.   1 


^*)  Köhler,  Mitt.  d.  atlien.  Inst.  IX  S.  166  flf.,  Taf.  (> ;  Bent,  Journal  of  hellen, 
atudies  V  S.  49  ff.  (die  daselbst  S.  51  angeführten,  S.  50  Nr.  (5.  7  abgebildeten 
Exemplare  sind  vielleicht  mit  den  S.  150  erwähnten  aus  Tscliipidi  identisch).  Vgl. 
auch  die  Charakteristik  bei  Newton,  essoj/t  on  art  and  arrhaeolog//  S.  281  und 
Synopsis  of  the  contents  of  Ihe  British  Miiseum,  second  vase  room  II  8.  40  ff. 

*')  A.  a.  O.  S.  49,  Fig.  1  und  2. 

'•)  Vgl.  ausser  Newton,  easays  a.  a.  O.  Beut  S.  50,  Fig.  5.  7.  8.  Ein  besonders 
grosses  Exemplar  hatte  ich  Gelegenheit ,  in  Athen  im  Bureau  der  archäologischen 
Gesellschaft  zu  sehen, 

")  Vgl.  Beut  Fig.  7;   Synopsis  a.  a.  O.  Nr.   1.  G,  zur  Anbringung  Nr.  4.  5. 


153 


Hause  Melao:ardis  eingemauertes  zu  sein  (Fig.  2) ,  welches  ich 
leider  ganz  mit  Kalktünche  überdeckt  fand.  Aus  Scheu,  den  Marmor 
zu  verletzen,  gieng  ich  mit  der  Reinigung  nur  so  weit  vor,  um  die 
Umrisse  verfolgen  zu  können ,  so  dass  die  Möglichkeit  nicht  aus- 
geschlossen ist,  dass  der  Grund  zwischen  den  Figuren  noch  etwas 
enthält-^).  L.  eine  Frau,  r.  ein  Mann  mit  weit  vorschreitendem  1. 
Beine  stehen  einander  im  Profil  gegenüber.  Beide  halten  in  der 
dem  Beschauer  abgewandten  Hand  Gegenstände,  welche  ganz  flach 
durch  Eintiefung  in  den  Reliefgrund  hergestellt  sind.  Leider  sind 
diese  Gegenstände,  auf  die  es  auch  schon  für  die  Bestimmung  der 
Gattung  ankäme,  welcher  das  Relief  zuzuweisen  ist,  sehr  undeut- 
lich. Leake,  aus  dessen  kurzer,  offenbar  auf  dasselbe  bezüglichen 
Notiz '^^j  nicht  hervorgeht,  ob 
er  den  jetzt  abgestossenen 
oberen  Teil  noch  sah,  be- 
zeichnet sie  als  Fackeln, 
doch  scheinen  die  von  mir 
gesehenen  Reste  bei  der 
weiblichen  Figur  eher  auf 
einen  Bogen,  bei  der  männ- 
lichen auf  ein  Aehrenbüschel 
zu  führen.  Letzteres  ist 
freilich  recht  unsicher,  da 
die  Abzweigung  links  auch 
nur  auf  Verletzung  beruhen 
kann;  auch  zwischen  dem 
Attribute  und  dem  Körper 
sind  noch  einige  eingetiefte, 
doch  wahrscheinlich  zufäl- 
lige Linien  sichtbar.  Eben- 
sowenig lässt  sich  entschei- 
den ,  ob  die  andere  Hand, 
wie  es  besonders  bei  dem  Manne  scheinen  könnte ,  etwas  hielt. 
Sicherer  scheint  mir  das  hohe  Alter  des  Stückes  zu  sein,  wofür 
die  einfache  Behandlung  des  flachen  Reliefs,  das  Elementare  in 
Composition  und  Motiven,    die  Bildung  der  Hände  und  Beine,   bei 


Fig.  2 


**)  Auch  ob  sich  die  Anzahl  der  Figuren  auf  die  zwei  erhaltenen  beschränkte, 
ist  nicht  gewiss. 

^^)  Travels  in  northern  Greece  III  S.  86. 


154 

denen  sich  namentlich  im  Knie  das  mangelnde  Verständnis  ausspricht, 
Zeugnis  ablegen.  Auch  für  das  gegürtete  Gewand ,  welches  bei 
der  Frau  an  die  Füsse  reichend  die  untere  Körperhälfte  verhüllt, 
bei  dem  Manne,  wo  es  sich  dem  Körpercontour  anschliesst,  an- 
scheinend nur  ein  kurzer  Rock  ist,  bieten  in  Behandlung  und  Form 
sehr  altertümliche  Bildwerke  Parallelen^").  —  H.  noch  0*55,  L.  0*48. 
Von  dem  auf  Taf.  V,  1  abgebildeten  Relief  im  Hause  des 
Anastasios  Kondostavlos  hat  bereits  Furtwängler^*)  Nachricht  ge- 
geben. Die  Aehnlichkeit  mit  den  altspartanischen  Heroenstelen 
und  dem  Relief  von  Ince  Blundell  Hall'""^),  mit  welch  Letzterem  das 
von  Parikia  besonders  auffällige  Uebereinstimmung  der  Compo- 
sition  aufweist,  hat  Furtwängler  wol  zunächst  auf  seine  wahr- 
scheinliche Erklärung  aus  dem  Kreise  heroischer  Vorstellungen 
geleitet.  Dafür,  dass  die  linke  Hand  drei  „CTiaxi'"  gehalten  habe, 
berief  sich  mir  die  Frau  des  Besitzers  auf  die  Mitteilung  ihrer 
Mutter,  und  die  noch  vorhandenen  Spuren,  die  von  abgeschlagenen 
Aehren  herrühren  können,  scheinen  dies  zu  bestätigen:  immerhin 
wäre  es  denkbar,  dass  die  Angabe  sich  bloss  auf  jene  Spuren 
gründet.  Von  der  links  unten  angeblich  noch  befindlichen  Inschrift 
habe  ich  auch  auf  einem  Abklatsch  der  Stelle  nichts  entnehmen 
können;  auch  auf  dem  jetzt  bestossenen  rechten  Teile  sollen  Buch- 
staben gestanden  haben.  Die  Figur  selbst  mit  dem  in  breiter,  am 
Contour  gewellter  Masse  auf  den  Rücken  fallenden  Haar  und 
kurzem  hemdartigen  Gewand  macht  einen  noch  sehr  unbeholfenen 
und  plumpen  Eindruck ^^).  Die  Proportionen  sind  missraten,  die 
Schulter  liegt  zu  weit  zurück,  wodurch  die  Brust  zu  breit  wird, 
das  hoch  gestellte  Knie  lässt  den  Oberschenkel  zu  kurz  erscheinen, 


'")  Vgl.  Einiges,  was  Milchhöfer,  Mitt.  d.  athen.  Inst.  II  S.  456,  Heibig, 
homer.  Epos  ^  S.  173  ff.,  Studniczka,  Beitr.  zur  Geschichte  der  altgriech.  Tracht 
S.  114  beibringen;  Analogien  bieten  ferner  für  den  Mann  die  neugefundene  Platte 
des  Frieses  von  Assos  Clarke,  investigations  at  Aaaos  Taf.  22  und  der  altsparta- 
nische Pfeiler  (Friederichs-Wolters  Nr.  55) ,  für  die  Frau  die  Nike  aus  Delos  {Bull, 
de  correap.  helUn.  III  Taf.  VI  f.)  und  die  Statue  der  Nikandre  (ebenda  Taf.  I  = 
HomoUe,  de  antiquisaimia  Dianae  aimulacria  Deliacia  Taf  I),  auf  die  sich  auch 
Winter  zu  den  Frauen  auf  dem  Grabmal  Mitt.  d.  athen.  Inst.  XII  Taf.  II  beruft, 
und  mit  der  eine,  soviel  ich  weiss,  unedierte  Bronze  im  Museo  etrusco  zu  Florenz 
grosse  Uebereinstimmung  aufweist. 

")  Mitt.  d.  athen.  Inst.  VII  S.   170  und  Samml.  Sabouroff  Sc.  E.  S.  25. 

")  Michaelis,  Arch.  Ztg.   1874,  Taf.  5 ;  Friederichs-Wolters  Nr.  240. 

'')  In  der  Reproduction  ist  durch  zu  starke  Aetzung  die  charakteristische 
Form  der  vorspringenden  Nase  verloren  gegangen. 


155 

und  nur  in  der  perspectivischen  Hintereinanderstellung  der  Unter- 
schenkel ist  eine  mehr  als  primitive  Auffassung  zu  erkennen.  Weit 
grössere  Gewandtheit  zeigt  der  Künstler  in  den  sicher  gezeichneten 
geometrischen  Linien  des  Stuhles'*^),  wenn  auch  bei  der  ganz 
flachen  Reliefbehandlung  hier  der  Gedanke  an  die  unmittelbaren 
Traditionen  der  Holzschnitzkunst  nicht  so  nahe  gelegt  wird,  wie  bei 
den  analogen  spartanischen  Stelen.  —  H.  0*58,  Hr.  0-415,  D.  0*]65. 
Die  Skizze  Taf.  V,  2  reproduciert  das  bereits  zu  Eingang 
(S.  150)  erwähnte  Gorgonenrelief  im  Besitze  des  Dimitrios  Patellis 
zu  Tschipidi.  Der  Stein  (H.  0-62,  Br.  0-385,  D.  0-25)  lag  zum 
Glücke  mit  dem  Bildfelde  (0*54  X  0"34)  nach  abwärts,  so  dass  hier 
die  Schmutz-  und  Fettkruste  verhältnismässig  dünn  war;  auf  den 
anderen,  namentlich  den  seitlichen  Flächen  leistete  sie  der  Wa- 
schung beharrlichen  Widerstand.  Das  Loch  auf  der  oberen  Fläche 
bezeichnete  der  Besitzer  selbst  als  modern,  rückwärts  ist  der  Stein 
ausgehöhlt;  dass  dies  so  antik  sei,  schien  mir  nicht  unmöglich.  Das 
Bild,  wie  es  nach  der  Reinigung  zum  Vorschein  kam ,  wirkte  bei- 
nahe ebenso  durch  den  Contrast  der  Verwitterungstöne,  wie  durch 
sein  Relief,  das  fast  nur  durch  sehr  geringe  Abarbeitung  des 
Grundes  um  die  Silhouette  der  flachen  Figur  hergestellt  ist.  Die 
meisten  Details  waren  offenbar  bloss  der  Malerei  überlassen,  welcher 
—  und  dies  scheint  mir  nicht  allein  in  diesem  Falle  die  richtige 
Formulierung  des  Verhältnisses  zu  sein  —  das  massige  Relief  nur 
z'\  Hilfe  kam.  Die  Flügelgestalt,  die  in  dem  bekannten  Schema 
laufend  dargestellt  ist^^),  trägt  einen  eher  kurz  zu  nennenden  Rock, 
welcher  sich  dem  Umriss  des  Körpers  vollständig  anschliesst  und 
nur  mit  dem  vom  1.  Oberschenkel  herabkommenden  Saume  und 
den  Falten  zwischen  den  Beinen  selbständig  hervortritt^^).  Der 
vorn  geknüpfte  Gürtel  ist  nicht  sicher  als  Schlange  zu  erkennen, 
wie  eine  solche  jederseits  von  der  Hand  gehalten  ihren  Schweif 
um  die  Unterarme  schlingt.  Die  Innenzeichnung  der  Brust  ^'')  sowie 
die  heraushängende  Zunge    und    der    eine  Zahn    gründen    sich  nur 


"^j  Nur  eine  Weitergestaltung'  der  hier  erscheinenden  Form  der  umgebogenen 
Stuhllehne  sind  meiner  Ansicht  nach  die  anderwärts  (Fran(;nisvase,  Harpyien- 
monument)  vorkommenden  Schwanenköpfe. 

^^)  Vgl.  Furtwängler  in  Roschers  Lexikon  der  Mj'thologie  S.   1709  ff. 

^*)  Ein  ähnlicher,  aber  weitergehender  Vermittlungsversuch  in  der  Gewand- 
behandlung  der  Figuren  rechts  von  Hermes  und  links  von  Apollon  auf  dem  thasi- 
schen  Nymphenrelief. 

'')  Zur  Bildung  wäre  Beundorf,  Metopen  von  Selinunt  S.  44  zu  vergleichen. 


156 


auf  sehr  zweifelhafte  Spuren.  Von  dem  Haar  ist  der  das  Gesicht 
umgebende  Aussencontour  mit  der  Begrenzung  über  der  Stirn  er- 
kennbar.    An    den    aufgebogenen    Flügeln    lässt  noch    der   wellige 


Fi?.  3 


Fie.  5 


Fig.  4 


Fig.  6 


Contour    unter    der    r.  Achsel  die  Federn   entnehmen.     Das    ganze 
Bild,    dessen  ursprüngliche  Verwendung  man  sich  vielleicht  inner- 


157 

halb  eines  grösseren  architektonischen  Zusammenhanges  zu  denken 
hat,  ist  trefflich  in  den  viereckigen  Rahmen  hineingepasst;  den 
oben  frei  bleibenden  Raum  füllte  wol  ein  Ornamentstreifen'*"). 

Von  statuarischen  Werken  der  altertümlichen  Kunst  erregt 
die  überlebensgrosse  Sitzstatue  von  Drako  (S.  150  f.,  Fig.  3—12)  als 


Fig.  7   (b) 


Fig.  8  (b) 


sitzende  Variation  eines  namentlich  durch  Funde  der  letzten  Zeit  reich 
vertretenen  Typus  weiblicher  Gewandfiguren  besonderes  Interesse. 
Der  weisse  Stein,  aus  dem  sie  besteht,  hat  an  den  der  Luft  aus- 
gesetzten Flächen   eine   blaue   Färbung    angenommen,    welche    im 


'»)  Von  Inschrift  war  nichts  zu  bemerken.    Wahrscheinlich   trugen   auch  die 
Seitenflächen  weder  Bild  noch  Inschrift. 


158 

Vereine  mit  der  fast  überall  wuchernden  Steinflechte  die  Verfolgung 
des  zumeist  wenig  tief  eingehauenen  Details  vielfach  erschwerte; 
in  Gips  würde  dasselbe,  soweit  die  Verwitterung  nicht  geradezu 
zerstört  hat ,  deutlicher  erscheinen.  Auch  die  Rückseite  scheint 
bearbeitet  gewesen  zu  sein,  ist  aber  bei  a,  wo  sie  allein  erhalten 
ist,  stark  verletzt.  Die  Stücke  a  und  c  lagen  neben  einander,  die 
anderen  etwa  30  Schritte  entfernt  unter  einem  Haufen  anderer 
Steine,  der  vielleicht  noch  das  eine  oder  andere  Fragment  birgt. 
Dass  die  Figur,  sei  es  gewaltsam  oder  durch  Sturz,  zerbrochen 
ist,  geht  aus  der  Beschaffenheit  der  Trennungsflächen  hervor,  welche 
nirgends  für  die  Annahme  von  Stückung  glatt  genug  sind,  auch 
Vorrichtungen  für  die  Verbindung  vermissen  lassen.  —  Das  Stück  a 
(Fig.  3—6  in  vier  Ansichten)  enthält  den  Oberkörper  mit  einem 
Teil  des  Stuhles.  Kopf,  1.  Arm  von  der  Schulter  ab  wie  der  grösste 
Teil  des  r.  Armes  fehlen.  An  dem  Halssaume  des  Untergewandes 
war  in  guter  Beleuchtung  der  Bund  deutlich.  H.  noch  1*00,  grösste 
Br.  080,  die  Sitzfläche  ist  noch  0*20  tief.  Die  vordere  Bruchfläche, 
welche  etwas  unterhalb  des  zurückgeschlagenen  Teiles  des  Ober- 
gewandes beginnt,  ist  0'78  hoch,  0*55  breit.  Brust  und  Schulter 
sind  bestossen.  —  Das  zweite  grössere  Stück,  b  (Fig.  7.  8  in  zwei 
Ansichten),  enthält  die  untere  Partie  von  über  den  Knieen  ab  mit 
dem  Sockel,  auf  welchem  die  Füsse  aufruhen.  Die  Beine  sind  in 
archaischer  Weise  dicht  aneinander  geschlossen,  der  1.  Fuss  etwas 
vorgesetzt.  Von  dem  Obergewand  fällt  der  Faltensaum  des  einen 
Zipfels  am  1.  Oberschenkel  hinab,  der  entsprechende  rechts  ist  ganz 
abgeschabt  und  zerstört.  Vorn  in  der  Mitte  am  r.  Knie  ist  noch 
ein  undeutlicher  Rest  erhalten ,  den  die  krumme  Linie  in  Fig.  8 
andeutet.  Das  knapp  anliegende  Untergewand  lässt  zwei  Arten 
von  Faltung  unterscheiden :  die  breite  Mittelfalte  vorn,  welche  rechts 
in  drei,  links  in  zwei  Seitenfalten  übergeht,  hat  gleich  den  Letzteren 
ihre  volle  plastische  Modellierung;  daran  schliessen  sich  aber  beider- 
seits eine  Reihe  flach  eingearbeiteter  Falten,  die  so  aussehen,  wie 
wenn  ein  regelmässig  in  Falten  gelegter  gesteifter  Leinenstofi"  durch 
einen  senkrecht  auf  die  Mitte  jeder  Falte  ausgeübten  Druck  ge- 
plättet wird.  Die  so  gebildeten  schmalen,  nur  massig  convexen 
Faltenrücken  trennen  sich  in  scharfen  Linien  von  der  zwischen  je 
zwei  Falten  liegenden  Einsenkung.  Da  Letztere  nur  wenig  tiefer 
liegt  und  die  Bugkanten  der  Falten  mit  eingetieften  Linien  begleitet, 
80  erhält  die  ganze  Oberfläche  ein  eigentümlich  geriefeltes  Aus- 
sehen.    Dieselbe  Behandlung  weist  die  grosse  stehende  Figur  des 


159 

Leukotheareliefs  der  Villa  Albani  und  besonders  die  eine  esquilini- 
sche  Stele  im  Conservatorenpalast*')  auf,  bei  welcher  die  Falten- 
rücken nur  flacher  sind.  Die  Sandalen  der  Kolossalfigur  sind  mit 
gekreuzten  Riemen  festgehalten,  Stiftlöcher  waren  nicht  zu  bemerken. 
An  den  Füssen  ist  die  zweite  Zehe  zum  Mindesten  nicht  kleiner 
als  die  grosse.  Ueber  dem  r.  Knie  ist  das  Stück  gebrochen,  die 
wagrechte  Fläche  darüber  bestossen;  ebenso  reicht  eine  Beschädi- 
digung  vorn  bis  zum  1.  Knie.  Rückwärts  ganz  unregelmässiger 
Bruch  (H.  0-77,  Br.  0-35).  Der  Sockel  ist  ü-30  hoch,  0-435  breit, 
bis  zum  Bruch  0'39  dick,  das  Stück  der  Figur  selbst  noch  r.  0'62, 
1.  0*77  hoch.  —  In  dem  aus  zwei  Fragmenten  zusammengesetzten 
Stück  c  (Fig.  9),  dessen  bearbeitete  Fläche  gewölbt  ist,  sind  die 
Teilung  der  Falten  und  der  gefältelte  Saum  deutlich.  H.  0*28.  — 
d  (Fig.  10)  gehört  vielleicht  an  die  Stelle  des  Ueberganges  der 
oberen  in  die  untere  Partie,  zwischen  Fig.  4  und  7.  H.  063.  All- 
seitig Bruch.  —  Etwa  an  dieselbe  Stelle,  etwas  höher,  wird  e 
(Fig.  11)  zu  setzen  sein.  H.  0"19,  Br.  OßO.  Unsicher  blieb,  ob  das 
Loch  zufällig  oder  beabsichtigt  sei.  —  f  (Fig.  12),  mit  dreiseitigem 
Grundriss,  gibt  eine  Ecke  des  Stuhls  (ob  an  d  anschliessend?), 
dessen  Seiteuflächen  nach  unten  zu  zurücktreten;  ein  Gewandzipfel 
hängt  hinab.  H.  0"42.  Rückwärts  unregelmässiger,  meist  annähernd 
glatter  Bruch.  • 

Ueber  das  auf  Taf.  VI,  2  und  mit  einem  Teil  der  Rückseite 
in  Fig.  13  abgebildete  Exemplar  des  zuletzt  namentlich  von  Ghi- 
rardini**^)  und  HomoUe''^)  behandelten  sogenannten  Spestypus  werden 
nach  der  von  Michaelis'**)  gegebenen  Beschreibung  wenige  Worte 
genügen,  umsomehr,  als  sich  seither  unser  Besitz  an  derartigen 
Figuren  bedeutend  vermehrt  hat.  Der  Fundort  allerdings  sichert 
der  parischen  Statue  für  die  hier  nicht  zu  erörternde  Frage  nach 
dem  Ursprünge  des  Typus  unvermindert  Beachtung,  und  ebenso 
muss  nach  wie  vor  auf  die  besonders  nahe  Verwandtschaft  mit  den 
delischen  Exemplaren  hingewiesen  werden ,  welche  schon  Furt- 
wängler"*^)    bemerkt    hat.      Dieselbe    erstreckt    sich    auch    auf   die 


^')  Bullettino  della  commissione  comunale  XI  Taf.  XIII  f.  —  Täuscht  mich 
meine  Erinnerung  nicht ,  so  hat  auch  die  Sitzfigur  des  Akropolismuseums  Sybel 
Nr.  5001  dieselben  Falten. 

")  Bull.  d.  comm.  comun.  IX  S.  106  S. 

■"^j  De  antiquissimis  Dianae  simulacris  Deliacis  S.  25  ff. 

**)  Ännali  1864  S.  267. 

•">  Arch,  Ztg.  1882  S.  326  f.,  Anm.  7. 


160 


Masse,  hineichtlich  deren  Homolle "*")  Uebereinstimmung  innerhalb 
der  delischen  Gruppe  bezeugt.  Leider  war  die  Statue,  wie  ich  sie 
vor  dem  Hause  des  Herrn  Russos  auf  der  Strasse  vorfand,  mit 
Oelfarbe  beschmiert;  auch  durch  Hestossung  und  —  wol  absicht- 
liche —  Beschädigung  an  den  Brüsten  hat  sie  geHtten.    Gleiehwol 

verfehlen  die  gewohnte  liebevolle  Sorg 
falt  und  Feinfühligkeit  in  der  gesamten 
Durchführung  und  die  Sicherheit  in 
Linien  und  Flächen  ihren  Reiz  nicht, 
Die  Körperformen  treten  vorn  und  noch 
mehr  rückwärts  unter  dem  straff  an- 
liegenden Chiton  hervor,  dessen  Falten 
von  der  Stelle,  wo  ihn  die  gesenkte 
Linke  hob ,  divergierend  verlaufen. 
Vorn  ist  die  Mitte  des  Untergewandes 
durch  einen  Streifen  ausgezeichnet,  von 
dessen  einstiger  Bemalung  ich  nichts 
mehr  entnahm^").  Auch  der  Bund  am 
Halse  war  kaum  sichtbar,  sein  Vor- 
handensein ist  jedoch  daraus  zu  schliessen,  dass  die  eingezeichneten 
Wellenlinien  oben  nicht  bis  an  den  Rand  des  Gewandes  reichen. 
Das  Haar,*  welches  rückwärts  ^^)  in  der  bekannten,  bisweilen  ge- 
radezu an  Serviettenkünste  erinnernden  Weise  behandelt  ist,  zeigt 
in  der  Mitte  einen  breiten  glatten  Streifen.  Das  Obergewand  ist  am 
r.  Arm  mit  fünf  Schlitzen  geknüpft. 

Als  männliches  Gegenstück  zu  der  eben  betrachteten  Statue 
vermehrt  der  Jünglingstorso '*")  in  gleichem  Besitze  (Fig.  14.  15) 
die  Reihe  der  altertümlichen  sogenannten  Apollonfiguren.  Der  Ver- 


**)  A.  a.  O.  8.  26 :    Danach   sind   die  Figuren   capitis  crurumque  a  genu  ex--^ 
pertia  0-95  hoch.     Die  parische  Statue  misst  noch  1-05,    das   erhaltene   Stück  des 
Unterschenkels  vom  Knie  ab  macht  auf  der   Zeichnung   ein   Zehntel  der  gesamten 
Höhe  aus.    (Fig.  13  gibt  die  Chitonfalteu  am  1.  Ann  etwas  zu  stark.) 

•")  Vgl.  die  auch  sonst  sehr  nahestehende  kleine  Statue  aus  Eleusis,  'Ecpr^. 
dpxaioX.  III  1884  Taf.  8,  6  und  6  a  (jetzt  im  Ceutralmuseum) ;  Bull.  d.  comm.  com. 
XI  Taf.  V;  les  Muadea  d'Athknea  Taf.  II.  III;  die  Statue  des  Antenor,  Studniczka, 
Jahrb.  d.  Inst.  II  S.  138  'S. 

")  Vgl.  die  Figur  aus  Eleusis  Aiun.  47 ;  Mm^ea  d'Athenes  Taf.  VIII  u.  A. 

*'^)  H.  noch  0-81;  vom  Hals  bis  zur  Spitze  des  Öchamdreiecks  0-55,  Abstand 
der  beiden  Brustmitten  0-18,  Brustumfang  unter  den  Achseln  0  77,  Breite  der  Schul- 
tern, soweit  erhalten,  0-43,  Umfang  der  Taille  0-62,  der  Hüften,  um  die  Glutäen 
gemessen,  0-83;  das  Schamdreieck  0-12  breit,  O'll  hoch. 


161 


such,  seine  Stelle  innerhalb  derselben  zu  präcisieren,  könnte  ohne 
Vergleichung  an  Gipsabgüssen  kaum  zu  verlässlichen  Ergebnissen 
führen;  ich  beschränke  mich  daher  auf  die  Charakterisierung  seiner 
Formgebung  an  sich.  Zunächst  fällt  die  deutliche  Abgrenzung  des 
an  der  Taille  stark  eingezogenen  Oberkörpers  von  den  Beinen  in 
die  Augen.  Die  Verbreiterung  an  den  Hüften  setzt  sich  in  der 
starken  Ausladung  des  Oberschenkels  (am  Trochanter)  fort;  die 
Schultern  laden  gleichfalls  breit  aus  und  sind  wenig  gesenkt,  die 
Brust,  in  deren  1.  Hälfte  ein  tiefes  Loch  eingehauen  ist,  und  be- 
sonders die  kräftig  gerundeten  Glutäen  treten  stark  vor.  Das  Drei- 
eck der  Schamgegend  ist 
schmal  und  langgestreckt. 
Innerhalb  der  geschilder- 
ten Hauptanlage  zeichnet 
sich  die  Figur  durch  eine 
sehr  geringe  Durchmodel- 
lierung der  einzelnen  For- 
men aus.  Dieselbe  be- 
schränkt sich  auf  den  un- 
teren Rand  der  grossen 
Brustmuskeln  und  Schul- 
terblätter ,  die  Rücken- 
furche mit  der  viereckigen 
Eintiefung  an  dem  stark 
eingezogenen  Kreuze; 
auch  die  seitliche  Grube 
an  den  Glutäen  ist  an- 
gedeutet, ebenso  die  Musculatur  des  Oberschenkels  durch  eine  in 
der  Profilansicht  den  rückwärtigen  Contour  begleitende  Schwel- 
lung. Sonst  aber  ist  Alles,  namentlich  auf  der  Vorderseite  des 
Rumpfes,  in  einfachen  geglätteten  Flächen  mit  abgerundeten  Ueber- 
gängen  behandelt;  die  Seiten  der  Brust  sind  wie  flach  gehobelt, 
so  dass  der  Querschnitt  derselben,  scharf  ausgedrückt,  ein  Oblon- 
gum  mit  abgestumpften  Ecken  bilden  würde.  Aehnlich  sind  die 
Hüften  wie  gedrechselt  und  zeigen  Oberschenkel  und  Glutäen  zwar 
schwellende,  aber  doch  einheitliche,  geglättete  Flächen.  —  Das  1. 
Bein  war,  soviel  sich  aus  dem  erhaltenen  Stumpf  entnehmen  lässt, 
auch  hier  vorgesetzt,  von  den  Armen  wenigstens  der  r.  anscheinend 
nicht  ganz  gesenkt,  wie  der  über  der  r.  Hüfte  erhaltene,  vielleicht 
sogar  von  der  Hand  herrührende  Ansatz  zeigt.     Das  Haar  bedeckt 


Fig.  U 


Fiff.   15 


Archsolopsch-epigraphiBche  Mitth.  XI. 


11 


162 


in  breiter  Masse  den  Nacken,  innerhalb  derselben  in  wellige,  abwech- 
selnd erhabene  Strähne  geteilt,  mit  spiralförmigen  Enden,  deren 
noch  vierzehn  zu  unterscheiden  sind.  Vorn  fällt  es  in  ähnlichen 
Locken  mit  gleicher  Beendigung  —  an  der  1.  Schulter  erkennt  man 
vier  —  auf  die  Brust.  Zur  Anfügung  des  Gliedes  diente  das  Bohr- 
loch,   in  dem  ich  keinen  Stift  fand. 

\ 
Dem  fünften  Jahrhundert  gehört  die  Taf.  VI,  i  und  Fig.  16  ab- 
gebildete Statue  der  Nike  aus  feinem  Marmor,  wol  Lychnites,  bei 

Herrn  Angelos  Kambanis  an,  der  sie  un- 
mittelbar vor  seinem  dicht  am  Castell  ge- 
legenen Hause  ausgegraben  hatte '*^).  Nur 
Kopf,  beide  Arme  und  r.  Fuss ,  sowie  der 
grösste  Teil  der  Flügel  fehlen,  doch  sind 
die  Kanten  der  Falten  stark  bestossen.  Die 
Flügel  setzen  am  Rücken  über  dem  Gewand 
in  spitzem  Winkel  neben  einander  an.  Die 
Tracht  ist  das  ungegürtete  lakonische  Frauen- 
kleid ''^),  l.  mit  hängenden  Aermeln,  r.  offen  ^''). 
Zwei  Löcher,  dazwischen  eine  Längsritze, 
auf  der  Schulter  rühren  von  metallenen 
Fibeln  her.  Bei  der  Nestelung  auf  der  Achsel 
ist,  wie  mich  Studniczka  belehrte,  in  unge- 
wöhnlicher Anordnung  der  vordere  Ge- 
wandteil über  den  rückwärtigen  gelegt  ^^). 
Der  Fuss  ist  beschuht. 

Die  Bewegung  der  Figur  ist  die  des 
Schweben s  und  zwar  geradeaus  nach  vorn 
auf  den  Beschauer  zu,  dem  auch  der  Kopf 
zugewandt  war.  Von  den  Armen  war,  wie 
auch  die  frei  ausgearbeitete  Innenfläche  des 
Fig.  16  Aermels  zeigt,    der    1.  mit    dem    vorauszu- 


")  H.  noch  1-38,  davon  das  vom  Körper  Erhaltene  1-22 ;  der  geradlinige 
Abstand  vom  Rande  des  Ueberfalls  auf  der  Brust  bis  unter  den  Ballen  des  1. 
Kusses  0*90,  von  der  Mitte  des  Knies  dahin  040.  —  Die  Aufstellung  der  Figur 
war  leider  sehr  ungünstig. 

^*)  Vgl.  Böhlau,  quaestiones  de  re  vestiaria  S,  79ff. ;  Studniczka,  Beiträge  S.  6  ff. 

")  Kückwärts  am  Halse  sieht  das  Gewand  allerdings  nicht  wie  umgebogen, 
sondern  so  aus,  als  wäre  der  Kragen  gesondert. 

*')  Ebenso  bei   der  Stele  von  Pharsalos  (Friederichs -Wolters  Nr.  41). 


163 

setzenden  Attribut  (Kranz)  gehoben,  der  r.  hielt  die  Säume  des 
offenen  Gewandes  zusammen.  Das  vorgesetzte  r.  Bein  tritt  zur  Seite 
und  ist  von  der  übrigen  Masse  in  seinem  unteren  Teile  ganz  los- 
gelöst. So,  mit  vorgelegtem  Oberkörper  und  gesenkter  Spitze  des 
1.  Fusses,  gewährt  die  Gestalt  in  der  Tat  völlig  den  Eindruck 
ruhigen  Schwebens  und  macht  in  ihrer  Anlage  der  materiellen  For- 
derung einer  Unterstützung  keinerlei  Concession:  erfüllt  wird  die- 
selbe durch  die  runde,  glatt  bearbeitete  Masse,  an  welcher  der 
1.  Fuss  anliegt,  und  mit  deren  unterem  Teil  die  Figur  wol  in  die 
Basis  eingesetzt  war^").  Sehe  ich  recht,  so  sollte  dieselbe  weiter 
nichts  vorstellen  und  hat  sonach  der  Künstler  von  einer  Motivierung 
jener  Unterstützung  ganz  abgesehen,  wie  eine  solche  bei  jener 
Nikebildung  gegeben  ist,  neben  welcher  die  parische  die  nächste 
Stelle  findet,  der  des  Paionios.  Nur  dass  dort  überdies  die  Stütze 
in  ungleich  geschickterer  Weise  ganz  nach  rückwärts  verlegt,  freilich 
auch  zum  Teile  durch  das  kühn  componierte  Gewand  maskiert  ist. 
In  Letzterem  hat  Petersen  ^^)  noch  ein  Rudiment  der  von  ihm  er- 
kannten archaischen  Lösung  des  Problems  erblickt,  und  Gleiches 
lässt  sich  wol  bei  der  parischen  Statue  von  dem  rückwärtigen  un- 
teren Teile  des  Gewandes  sagen,  welcher  über  das  gerundete  Fuss- 
stück  hinabfällt  und  dasselbe  mit  seinem  jetzt  durchaus  abgebro- 
chenen Saume  ganz  verdeckt  haben  kann.  Auch  das  Motiv  der 
r.  Hand  weist  noch  leise  auf  jene  archaische  Tradition  zurück,  doch 
dient  es  hier  einer  veränderten  Absicht  und  erklärt  sich  innerlich 
aus  der  Anlage  der  Figur  selbst;  und  ebenso  ist,  entsprechend  der 
gemässigteren  Bewegung,  das  r.  Bein  zwar  zum  Teile  losgelöst, 
doch  nicht  entblösst. 

Wenn  ich  auch  Bedenken  trage,  das  Verhältnis  der  parischen 
Statue  zu  der  Nike  des  Paionios  für  die  Zeitbestimmung  unmittelbar 
verwerten  zu  wollen,  so  wird  man  doch,  wie  ich  meine,  mit  der  An- 
setzung  der  Ersteren  im  fünften  Jahrhundert,  dessen  Ausgange  wol 
nicht  zu  nahe,  nicht  fehlgehen.  Dafür  spricht  die  ziemliche  Strenge, 
welche  noch  in  ihrer  Anlage  herscht,  die  breite  Entwicklung  von  Schul- 
tern und  Brust •^^)  und  ihr  gegenüber  die  geringe  Ausbildung  dessen, 


^^)  Dieselbe  ist  nur  unten,  aber  nicht  nach  der  Seite  des  r.  Fusses  gebrochen. 
Am  1.  Fuss  geht  sie  vorn  in  einen  kleinen  vorspringenden  Steg  über,  der  in  der 
Vorderansicht  nicht  sichtbar  ist. 

■'^)  Mitt.  d.  athen.  Inst.  XI  S.  396. 

*')  Der  geradlinige  Abstand  der  beiden  Löcher  auf  dem  Gewand  über -dei- 
Brust  beträgt  0-23,  jener  der  höchsten  Stellen  der  Brust  0-22. 

11'^ 


164 

was  die  Figur  als  weiblich  charakterisiert,  das  Unvollkommene  des 
Versuches,  die  Transparenz  des  Gewandes  wiederzugeben,  wie  es 
sich  namentlich  auch  in  den  wenigen  schüchternen  und  harten 
Falten  über  dem  r.  Beine  ausspricht  ^^).  In  der  Bewegung  der  un- 
teren Partie  dagegen  kündigt  die  Statue  —  hierin  wol  etwas  vor- 
geschrittener als  die  Nike  des  Paionios  bei  all  ihrem  sonstigen 
Schwünge  —  bereits  merklich  das  Bestreben  an,  die  einheitliche, 
geradlinige  Körperaxe  zu  verlassen  ^^).  Besondere  Liebe  ist  in  der 
Composition  des  Gewandes^  namentlich  an  der  r.  Seite  ersichtlich, 
wo  das  Aufheben  und  Zusammenhalten  in  die  Entwicklung  der  herab- 
fallenden Falten  eingreift.  Für  die  Art,  wie  diese  nicht  von  einem 
einfachen  Saum,  sondern  von  der  doppelten  Stofflage  mitgemacht 
werden,  bieten  die  giustinianische  Stele  in  Venedig  "),  das  Tauben- 
mädchen von  Faros  ^'='),  wie  der  Apollon  vom  thasischen  Nymphen- 
relief ^^)  naheliegende  Analogien;  mit  Letzterem  teilt  das  Gewand 
der  Nike  auch  die  Eigentümlichkeit  der  Salkante^").  Die  Rück- 
seite mit  ihren  wol  ausgearbeiteten,  aber  ganz  parallel  hinablau- 
fenden Falten  war  anscheinend  für  die  Ansicht  minder  bestimmt. 
Nicht  unerwähnt  soll  endlich  die  an  einem  Werke  parischer  Marmor- 
kunst so  vielleicht  überraschende  blechartig  scharfe  Behandlung 
namentlich  der  oberen  Gewandpartien  bleiben. 

Bei  dem  folgenden  Rest  statuarischer  Stücke  ist  von  einer 
zeitlichen  Anordnung  abgesehen  worden. 

Das  am  besten  erhaltene  ist  eine  bei  Herrn  Russos  befindliche 
weibliche  Gewandfigur  (Gesamthöhe  0-65),  von  welcher  nur  der 
Kopf*^*)  und  beide  Hände  fehlen;  die  Vorderseite  des  vom  1.  Arm 
herabfallenden  Gewandsaumes,  das  r.  Knie  und  die  niedrige  Flinthe 
sind  bestossen.  Der  Grundriss  der  Letzteren  (H.  0-023)  schliesst 
sich  ziemlich  eng  an  die  Standfläche  an.  Die  Figur,  mit  1.  Stand- 
bein, trägt  ein  langes  Unter-  und  darüber  ein  etwas  kürzeres  Ober- 


")  Auch  die  Oberfläche  ist  noch  nicht  poliert. 

*«)  Vgl.  Mitteil,  des  »sterr.  Museums  für  Kunst  und  Industrie  1884  S.  258. 

")  Friederichs-Wolters  Nr.  241.  Vgl.  Furtwängler,  Samml.  öabouroflf  Sc.  E. 
S.  6,  Anm.  6. 

"*)  Michaelis,  ancient  marblea  S.  229,   17. 

5«)  Arch.  Ztg.  1867  Taf.  CCXVII,  3;  Rayet,  monum.  de  l'art  antique  I. 

«»)  Vgl.  auch  die  Athena  im  Hauptsaal  der  Villa  Albani  (Friederichs-Wolters 
Nr.  524). 

•')  Derselbe  soll  indessen  vorhanden  gewesen  sein. 


165 

gewand,  bei  dessen  complicierter  Anlegung  anscheinend  der  wieder- 
holte Wechsel  in  der  nach  aussen  gekehrten  Seite  des  Stoffes  eine 
Rolle  spielt.  Auf  der  Rückseite  streicht  es  in  schrägen  Falten,  die 
nur  an  der  1.  Schulter  von  einem  übergeworfenen  Zipfel  verdeckt 
sind,  nach  1.  hinauf  und  ist  auch  über  die  r.  Schulter  nach  vorn 
gelegt,  wo  es  dem  darin  wie  in  einer  Binde  ruhenden  r.  Arm  zur 
Stütze  dient.  Um  diesen  einmal  herumgewickelt,  geht  es  zur  J. 
Schulter  und,  mit  etwas  zurückgeschlagenem  Saum  über  diese  und 
den  gesenkten  1.  Arm  geworfen,  über  den  Rücken  hinab,  dort 
in  den  erwähnten  mit  zwei  Fransen  geschmückten  Zipfel  endend. 
Zu  demselben  vom  r.  Unterarm  zur  1.  Schulter  gehenden  Streifen 
leiten  zugleich  von  beiden  Hüften  aus  kleine  Faltenzüge,  die  sich 
etwa  vor  der  Mitte  der  Brust  in  spitzem  Winkel  begegnen  und 
hier  also  einen  herzförmigen  Ausschnitt  bilden,  unter  welchem  das 
Gewand  in  einheitlicher  Fläche  schräg  nach  abwärts  zieht,  um 
rückwärts  in  die  ersterwähnte  Fläche  überzugehen.  Das  Hinter- 
haupt blieb  frei.  Die  wol  fleissige,  aber  trockene  und  einförmige 
Arbeit  des  Gewandes  weist  auf  späte  Zeit  hin;  Halsgrube  und 
Schlüsselbein  sind  einfach  eingeschnitten. 

Auf  der  Mauer  über  dem  Tore  des  Hauses  des  Stavros  Minda 
sah  ich  eine  kopflose  weibliche  Doppelfigur  unter  Lebensgrösse 
aufgestellt.  Dieselbe  besteht  aus  zwei,  mit  dem  Rücken  dicht  an- 
einandergelehnten ,  r.  und  1.  in  spitzwinkeligem  Einschnitt  ausein- 
andergehenden Einzelfiguren  in  hochgegürtetem  Gewand  mit  Ueber- 
fall ;  die  untere  Gewandpartie  wird  durch  eine  senkrechte  Mittel- 
falte in  zwei  Hälften  geteilt,  in  deren  jeder  die  Falten  symmetrisch 
der  Stelle  zustreben,  wo  das  Kleid  von  den  gesenkten  (grösstenteils 
fehlenden)  Armen  gefasst  und  aufgehoben  wird.  —  Stark  ver- 
wittert. 

Die  in  Kostos  auf  dem  Acker  der  Kalliopi,  Frau  des  loannis 
Nikiphorakis ,  gefundene  weibliche  stehende  Figur  (S,  150)  trägt 
ein  hochgegürtetes,  auf  beiden  Schultern  geheftetes  Gewand  mit 
langem  Ueberfall.  Der  Kopf  und  anscheinend  auch  die  Arme  waren 
einzusetzen ;  von  dem  Haar  ist  rückwärts  noch  der  untere  Teil  des 
breiten  Schopfes  erhalten.  Auf  der  Vorderseite,  welche  sich  weiterer 
Untersuchung  entzog,  da  sie  der  Wand  zugekehrt  ist,  geht  ein 
Band  schräg  abwärts  unter  die  1.  Brust.  —  Scheint  ziemlich  ge- 
wöhnliche Arbeit.    H.  noch  1055. 

Gering  und  meist  stark  zerstört  sind:  Ein  weiblicher  Torso 
bei  Andreas  Psarakis  (H.  037);    gegürtetes  Untergewand,  Oberge- 


166 

wand  um  den  Unterkörper  geschlungen  und  über  den  1.  Arm  ge- 
worfen, der  gesenkte  r.  Unterarm  anscheinend  anzusetzen.  Rück- 
seite fast  unbearbeitet.  —  Ein  weibliches  Rumpffragment  bei  loannis 
Vitzaras  (H.  noch  0"30).  —  Ein  reifmännlicher  Torso  beim  Arzt 
Papavassilios  (H.  noch  0'64)  ist  von  den  Hüften  abwärts  mit  Hi- 
mation  bekleidet ,  von  dem  ein  Zipfel  vorn  von  der  r.  Schulter 
herabhängt.  L.  Standbein ;  Kopf,  Unterschenkel  und  beide  Arme, 
deren  r.  gehoben  war,  fehlen.  Seitwärts  am  r.  Knie  Ansatz  für  eine 
Stütze.  —  Ein  anderer  kleinerer  bei  Petros  Mostratos  (H.  0  13)  mit 
den  r.  Oberkörper  freilassendem  Gewände  war  anscheinend  1.  auf 
einen  Stab  gestützt  (Asklepios?).  —  Eine  männliche  Figur  auf 
Plinthe  im  „Typus"*'')  bei  Herrn  Russos,  1.  Standbein,  ohne  Kopf 
H.  0-21. 

Die  Statuette  einer  sitzenden  (weiblichen?)  Figur,  die  mir 
gezeigt  wurde,  war  leider  zu  zerstört,  um  eine  Entscheidung 
über  ihr  Alter  zu  gestatten.  Altertümlich  gemahnt  die  Art  des 
Sitzens  mit  steif  aufgerichtetem  Oberkörper  und  aneinanderge- 
schlossenen  Beinen,  auch  hüllt  das  die  r.  Schulter  und  Brust  frei 
lassende  Gewand  die  Figur  dicht  ein.  Doch  stimmt  dessen  Falten- 
gebung  mit  jenem  Eindrucke  kaum.  Kopf  und  r.  Arm  fehlen,  vom 
gesenkten  1.  ist  nur  ein  Stumpf  geblieben.  Ungewöhnlich  ist  auch 
die  Form  des  Sitzes:  ein  Cubus ,  von  dem  oben  an  der  Sitzfläche 
zu  beiden  Seiten  eine  dicke  Leiste,  rückwärts  eine  ebenso  aus- 
ladende Lehne  vorspringt.  Letztere,  oben  geradlinig  abgeschlossen, 
ist  nur  sehr  niedrig,  doch  reicht  ihr  wie  eine  stumpfe  Lanzenspitze 
geformter  mittlerer  Teil  noch  etwa  bis  zu  Schulterhöhe.  —  H.  noch 
0-18,  Br.  0-115. 

Ein  weibliches  Köpfchen  bei  Herrn  A.  Damias  (H.  0'13, 
Gesichtslänge  0*075) ,  welches ,  wenn  auch  stark  Verstössen  und 
namentlich  im  Haar  ziemlich  skizzenhaft  angelegt,  von  guter 
Arbeit  ist,  gehört  in  der  Bildung  des  Gesichtes  dem  etwa  durch 
die  Venus  von  Milo  zu  kennzeichnenden  Typus  an.  Um  das 
gescheitelte  Haar  geht  vorn  ein  Band ,  welches  seitwärts  von  der 
über  Schläfen  und  obere  Hälfte  der  Ohren  zu  dem  Nest  nach  rück- 
wärts gestrichenen  Haarpartie  verdeckt  ist.  Die  Mundwinkel  sind 
ein  wenig  herabgezogen,  der  Kopf  scheint  etwas  zur  1.  Seite  ge- 
neigt gewesen  zu  sein.  Nase,  Kinn  und  1.  Augonknochen  sind  ab- 
gestössen.  —  Ziemlich  ähnlich,   nur   ohne  Band  in  dem  gleichfalls 

•■')   Vgl.  V.  Sybel,  Scul]>ture!i  zu  Athen  8.   XIX. 


167 

nur  flüchtig  angelegten  Haar''^),  ist  ein  viel  kleineres  Köpfchen  bei 
Michail  Protolakis.  —  Stark  zerstört  ist  ein  weibliches  Köpfchen 
mit  Diadem,  bei  Herrn  Russos  (H.  Ol 6). 

Ein  lockiges  Knabenköpfchen  mit  abgebrochenem  Halse  bei 
Herrn  A.  Damias  (H.  0-15)  ist  nicht  ohne  Ausdruck,  wenn  auch 
etwas  flüchtig  und  flau.  An  dem  Munde  und  der  1.  Wange  an- 
setzende, schräg  verlaufende  Bruchspuren  scheinen  von  den  ver- 
einigt zum  Munde  gehaltenen  Fingern  einer  Hand*''*),  möglicher- 
weise auch  von  einer  Syrinx  herzurühren.  Das  runde  Gesicht  ist 
poliert,  Nasenspitze,  Kinn  und  1.  Augenknochen  bestossen,  die  1. 
Seite  des  Kopfes  oben  schräg  abgeschnitten. 

Von  den  übrigen  Statuettenköpfchen  gehören  zwei  Jüng- 
lingen anscheinend  älterer  Typen  an.  Das  eine,  unten  mit  Einsatz- 
zapfen, bei  Herrn  Russos  (H.  0'06),  hat  gewölbten  Schädel,  ovales 
Gesicht,  ziemlich  niedrige  Stirn,  voll  und  rund  ansetzende  Wangen, 
breites  Kinn ,  kräftigen  Nacken.  Das  andere ,  unten  mit  Stiftloch, 
bei  Herrn  Michail  Dellagrammati  (H.  006),  ist  zu  stark  zerstört,  um 
mehr  als  die  gewölbte  Schädelform  mit  dicht  anliegendem  Haar, 
die  dreieckige,  schwach  vorschwellende  Stirn,  den  kurzen  Mund 
und  das  nicht  zu  schmale  und  kurze  Kinn  entnehmen  zu  lassen.  — 
Bei  Herrn  Nikolaos  Dellagrammati  sah  ich  ein  unten  gebrochenes, 
hinten  glattes  Köpfchen  eines  unbärtigen  Herakles  mit  über  den 
Kopf  gezogenem  Löwenfell  (H.  0"035)  5  bei  G.  Mahonis  ein  wenig 
ausgeführtes    bärtiges  Köpfchen    mit  Binde    (oder  Reif?)   im  Haar. 

Mehrere  kleine  Fragmente  von  Statuen  und  Statuetten,  Tier- 
krallen ,  Simen  mit  Löwenköpfen  als  Wasserspeier  etc.  seien  nur 
summarisch  angeführt^*). 

Das  Nymphenrelief^^)  des  Adamas,  von  dessen  Beschädi- 
~ung    bereits    die    Rede    war    (S.  149),    befindet   sich    im    zweiten 

•'')  In  demselben  sitzt  noch  vielfach  rote  Farbe. 

*")  Dies  war  meine  Vermutung  vor  dem  Originale.  Von  den  Ohren  notierte 
ich  keine  ungewöhnliche  Bildung,  das  linke  sieht  auf  meiner  Skizze  etwas  in  die 
Länge  gezogen  aus. 

•'*)  Davon  mag  der  Unterschenkel  einer  Kolossalfigur  bei  Barozzi  (H.  0*50) 
deswegen  hervorgehoben  werden,  weil  der  Besitzer  angab,  derselbe  habe  zu  einem 
grossen  Bildwerke :  zwei  Kinder,  die  sich  umarmt  hielten,  und  eine  weibliche  Figur 
mit  Schwert,  gehört.  Falls  dieser  Angabe  überhaupt  etwas  Tatsächliches  zu  Grunde 
liegt,  dürfte  sie  sich  auf  einen  Medeasarkophag  beziehen.  —  Eine  in  den  Stein- 
brüchen gefundene  unvollendete  Statue  (H.  1"30,  beide  Arme  wagrecht  vor  der  Brust) 
war  mir,  da  der  Schlüssel  zu  dem  betreffenden  Magazin  fehlte,   nicht    zugänglich 

<"')  Vgl.  auch  die  Inschrift  Krispis,  Mouaeiov  II  2.  3  S.  6  n.  pitö'. 


168 

Schachte  bei  H.  Minas  an  der  Wand  einer  Art  Grotte  links  unweit 
vom  Eingange,  etwa  180  über  dem  Boden  beginnend.  Es  ist  l'öO 
breit,  0-84  hoch,  wozu  noch  O'll  als  Höhe  der  Inschrift  kömmt®'). 
Die  Letztere  scheint  mit  ihren  Schriftformen  auf  höheres  Alter  hin- 
zuweisen ®®),  als  dem  Relief  nach  den  darin  benutzten  Motiven  und 
dem  Charakter  der  Gruppen  zugestanden  werden  kann.  In  Com- 
position  und  Ausführung  verrät  sich  allerdings  geringes  künst- 
lerisches Geschick;  namentlich  die  obere  Hälfte,  in  welcher  vielfach 
bloss  eingeschnittene  Linien  die  bessere  Durchmodellierung  ersetzen 
müssen,  erscheint  bei  näherem  Zusehen  roh,  und  der  durch  die 
dunkelfleischrote  Färbung  der  Oberfläche  wachgerufene  Gedanke 
an  mittelalterliche  Holzschnitzwerke  erfährt  durch  die  harte  Be- 
handlung der  Formen  eine  Verstärkung.  Unter  diesen  Umständen 
dürfte  sich  auch  der  altertümliche  Charakter  der  Schriftformen  zum 
Teil  als  Härte,  vielleicht  Ungeübtheit,  erklären:  ob  der  Odryse 
Adamas  mehr  als  bloss  der  Stifter  des  Reliefs  war,  lässt  er  ans 
seiner  Inschrift  wenigstens  nicht  entnehmen.  Das  Relief  hat  übri- 
gens von  Verwitterung  und  sonstiger  Verletzung  sehr  gelitten,  wo- 
durch viele  Details,  auch  abgesehen  von  der  Ungunst  der  Beleuch- 
tung und  des  Standpunktes,  schwer  erkennbar  geworden  sind; 
namentlich  die  r.  Partie  mit  den  Adoranten  ist  stark  zerstört.  Rings 
um  das  Bild  war  die  Fläche  des  Felsens,  soweit  dies  die  Absägung 
noch  erkennen  lässt,  anscheinend  geglättet,  doch  liegt  das  Ganze 
nicht  strenge  in  einer  Ebene.  Die  stärkste  Relieferhebung  findet 
sich  links  unten  bei  den  thronenden  Gestalten   (Kybele). 

Im  Nachfolgenden   verzeichne    ich    die    wesentlichsten  Abwei- 
chungen von  der  zugänglichsten  Abbildung   bei  Müller- Wieseler *'^), 


®'j  Die  Figuren  des  Attis  und  der  Nymphe  r.  neben  ihm  sind  0-47,  die 
Mittelfigur  der  Gruppe  in  der  oberen  Reihe  und  die  r.  von  ihr  befindliche  0-22, 
Acheloos  0-185,  Pan  026,  die  höchste  Adorantenfigur  (bis  zum  Boden  unterhalb 
der  knieenden)  0*33  hoch. 

*')  Nach  den  Formen  M,  ^,  N,  <i>  kannte  man  versucht  sein,  dieselbe  bis 
ziemlich  nahe  an  den  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts  zu  rücken. 

")  II  Taf.  XLIII,  814  (nach  Stuart,  antiquities  of  Athens  IV,  s.  VI,  Taf.  V: 
von  dem  Stiicharakter,  namentlich  der  Behandlung  von  Gewand  und  Haar,  gibt 
diese  Zeichnung:  kein  richtiges  Bild).  Die  von  Le  Bas  II  Nr.  2070  zu  der  Inschrift 
citierte  Tafel  123  der  Monumenta  fiijiirea  scheint  nicht  zur  Ausgabe  gelangt  zu  sein. 
Eine  Zeichnunu  Schauberts  lug  Michaelis  bei  seiner  Besprechung  Annali  18G3 
S.  314  f.  328  ff.  vor;  auf  Autopsie  basiert  Furtwängler,  Samml.  Sabouroff  XXVII. 
XXVIU  S.  4  f.,  CXXXVII  S.  4,  Anm.  21.  Zur  älteren  Litteratur  vgl.  ausserdem 
C.  I.  G.  II  2387. 


169 

die  sich  aus  meinen  Notizen  und  einer  zur  Reproduction  nicht  ge- 
eigneten Skizze  ergeben.  Von  den  drei  Nymphen  in  der  Mitte  sind 
die  zwei  rechts  herausgehauen;  zu  dem  im  Kloster  eingemauerten 
stark  übertünchten  Fragment,  welches  die  Körper  bis  etwas  über 
die  Kniee  enthält,  ist  nichts  zu  bemerken,  ausser  etwa  die  ein- 
fachere Haartracht  der  vordersten  Figur  r.  An  der  ursprünglichen 
Stelle  sind  nur  der  zurückgesetzte  r.  Fuss  der  voranschreitenden 
mit  dem  1.  der  mittleren  Nymphe  nebst  Stücken  des  beiden  vom 
1.  Arm  herabfallenden  Gewandes  zurückgeblieben.  Die  dritte,  deren 
untere  Hälfte  zerstört  ist,  hat  den  r.  Arm  gleichfalls  unter  dem 
Gewände;  was  in  der  Abbildung  als  Saum  eines  langen  Kragens 
erscheinen  könnte,  ist  nur  eine  Falte.  Ihr  Haar  ist  nach  Mädchen- 
art in  einem  Schopf  hoch  aufgebunden.  Vom  Attis,  dessen  sicht- 
bare r.  Brust  ganz  weiblich  erscheint,  ist  die  Nebris  an  der  r. 
Hüfte  etwas  zurückgeschlagen  und  lässt  das  bis  nahe  an  das  Knie 
reichende  Untergewand  sehen.  Der  1.  Oberschenkel  und  der  Grund 
r.  daneben  sind  zerstört.  Die  r.  Hand  ist  nicht  so  jäh  abgebrochen, 
der  Stierkopf  einem  Bukranion  ähnlich  gebildet.  Die  Figur  1. 
von  Attis  sclieint  den  r.  Arm  gegen  seine  Schulter  zu  heben "").  L. 
neben  dem  bärtigen  Kopf  (Pluton :  Furtwängler)  war  mir  das  Füll- 
horn nicht  deutlich;  bei  dem  folgenden  weiblichen  (Demeter:  Furt- 
wängler) sah  auch  ich  einen  Schleier,  nicht  Locken.  Die  als  Kybele 
erklärte  Figur  trägt  einen  über  der  Brust  zusammengehaltenen, 
das  ganze  Gesicht  frei  lassenden  Schleier;  der  Löwe  auf  ihrem 
Schoss  ist  ganz  abgeschlagen,  die  Stelle  sah  mir  beinahe  so  aus, 
wie  wenn  der  1.  Unterarm  quer  über  den  Schoss  gelegt  wäre.  Die 
1.  neben  ihr  befindliche  Figur  mit  zerstörtem  Gesicht  und  Haar- 
nest ist  so  dicht  an  sie  angefügt,  dass  ihre  Beinpartie,  von  unten 
aus  gesehen,  mit  dem  gewandbedeckten  r.  Bein  der  Kybele  in  Eins 
verschmilzt  und  sie  wie  jener  zur  Rechten  thronend  erscheint.  Der 
Sitz  ist  ziemlich  unregelmässig  und  liesse  vorn  auch  noch  einen 
Altar  annehmen,  wenn  anders  der  Gegenstand,  welcher  die  Ver- 
längerung des  r.  Armes  der  äussersten  Figur  1.'*)  bildet,  eine  Fackel 
ist'^).    Ob  der  fast  parallel  damit  laufende  breite  Streif  die  Thron- 


"")  Unter  dem  Ellbogen  sah  ich  nur  eine  zerstörte  Stelle ,    nicht  die  „lastra 
o  qualche  oggetto  simile^  der  Zeichnung  Schaubert.s  (Michaelis  S.  329  f.). 

'*)  Nach    Furtwängler    Hekate    mit    Fackeln,     der    bärtige     Kopf    daneben 
Dionysos. 

•^)  Vgl.  Michaelis  S.  330. 


170 


lehne  vorstellt,  ist  unsicher.  Die  eben  erwähnte  weibliche  Figur 
hat  gegürtetes  Gewand  mit  Ueberfall,  das  r.  Bein  tritt  daraus 
nicht  hervor.  —  In  der  oberen  Reihe  erschien  der  Kopf  ganz  1. 
mit  auf  die  Schultern  fallendem  Schleier  (Gaia :  Furtwängler)  auch 
mir  weiblich.  An  der  (als  Silen  erklärten)  hockenden  Figur  da- 
neben ist  das  Gesicht  zerstört,  doch  Haar  und  Bart  als  lang  zu 
erkennen;  mir  schien  der  1.  Unterarm,  mit  geöffneter  Hand  schräg 
aufgerichtet,  mit  dem  Ellbogen  auf  dem  1.  Knie  aufgestützt.  Von  der 
Gruppe  weiter  r. ,  welche  durch  ihre  lebhafte  Action  gegenüber 
der  sonstigen  ruhigen  Nebeneinanderstellung  auffällt,  ergab  sich 
mir  nur  die  mittlere  Figur  als  bestimmt  weiblich;  für  sie  wie  für 
die  1.  von  ihr  befindliche  männliche  trifft  die  Abbildung  im  Ganzen 
zu.  Die  dritte  r.  hielt  ich  für  männlich,  und  zwar  schien  mir,  was 
freilich  unsicher  ist,  ein  Teil  des  vorn  herabhängenden  Gewandes 
ihr  als  Chlamys  zu  gehören,  ein  runder  Gegenstand  an  ihrem  Rücken 
ein  Petasos  zu  sein,  sie  selber  den  Arm  um  den  Rücken  der  Mittel- 
figur zu  schlingen.  Zu  dem  Achelooskopfe  gehören  zwei  tierische 
Beine  in  Vorderansicht'^);  auch  Pan  hat  Bocksbeine,  sein  r.  Ober- 
schenkel, 1.  Unterarm  mit  Syrinx,  Gesicht  und  1.  Hörn  sind  be- 
stossen.  Was  r.  von  ihm  im  oberen  Streifen  angebracht  war,  sah 
ich  auf  dem  losgelösten  Stück  unter  der  Tünche  ganz  undeutlich 
wie  ein  en  face  gestelltes  halbtierisches  oder  auf  die  Arme  ge- 
stütztes Wesen  mit  Flügeln  (vielleicht  nur  Gewand,  wie  bei  Pan). 
—  Von  den  sehr  zerstörten  adorierenden  Figuren  ist  die  vor- 
derste 1.  weiblich  mit  hinten  hinabhängender  Flechte  (?),  die  L. 
unter  dem  Gewand;  ebenso  die  knieende  Figur  weiblich  (mit  Haar - 
nest);  die  drei  ersten  der  hinteren  Reihe  männlich,  die  kleinere  an 
vierter  Stelle  weiblich.  Unsicher  ist  das  Geschlecht  der  zwei  letzten 
r.  Von  dem  Löwen  ist  nur  noch  in  Umrissen  der  Vorderleib  vor- 
handen, der  aber  auch  einem  grossen  Hunde  angehören  könnte.  — 
Die  Inschrift  hat  in  meiner  Skizze  keine  Umrahmung. 

Von  sonstigen  Votivreliefs  bemerkte  ich  nur  ein  spätes, 
allseitig  fragmentiertes,  an  Asklepios,  mit  dem  unteren  Stück  eines 
Unterschenkels  nach  1.,  darunter  die  Inschrift  'Aeiivaiov  V  S.  32 
n.  23. 


")  So  zeichnete  auch  Schaubert  (Michaelis  S.  328).  Furtwängler  a.  a.  O. 
XXVII.  XXVIII,  4  kann  mit  dem  von  ihm  gesehenen  „vor  der  Acheloosniaske 
aufgestellten  Tisch"  (vgl.  Samml.  Sabouroff  Taf.  XXVII)  kaum  etwas  Anderes  als 
diese  Vorderbeine  meinen. 


171 

Am  zahlreichsten  vertreten  sind,  wie  nicht  anders  zu  erwarten, 
die  Denkmäler  sepulcralen  Charakters. 

Unter  den  Grabreliefs  verdient,  der  Zeit  und  dem  Kunst- 
werte nach,  das  obere  Stück  einer  Giebelstele  mit  der  überlebens- 
grossen  Darstellung  eines  Jünglings,  bei  dem  Marangon  Kyriakos 
Charatzari,  die  erste  Stelle.  Leider  ist  nicht  mehr  als  der  schöne, 
in  strengem  Profil  nach  rechts  geneigte  Kopf  bis  unter  den  Beginn 
des  Nackens  und  der  Nase  erhalten  (Br.  0'24).  Das  Auge  mit 
sanft  trauerndem  Ausdruck  und  das  trefflich  gearbeitete  Ohr  (L.  0*06) 
sind  vollständig.  Das  dichte,  am  Nacken  nach  den  beiden  Seiten 
gestrichene  Ephebenhaar  ist  zu  einzelnen  geringelten  Partien  zu- 
sammengefasst,  ohne  dass  durch  allzu  scharfe  Herausarbeitung  das 
natürliche  Ineinanderfliessen  derselben  beeinträchtigt  würde.  Die 
Stirne  ist  in  der  sogenannten  lysippischen  Weise  ein  wenig  bewegt, 
die  Kopfform  gewölbt,  doch  geht  der  Contour  vom  Wirbel  ab  in 
sanfterer  Ausladung  zum  Halse  über.  Die  Entfernung  von  den 
erhaltenen  Rändern  beträgt  rechts  0*115,  links  021,  die  Figur  wird 
also  stehend  gewesen  sein;  vielleicht  war  rechts  unten  noch  ein 
kleiner  Sklave  dargestellt.  Die  Contouren  sind  nicht  glatt  abge- 
schnitten, sondern  alle  Flächen  bis  zum  Grunde  ausgeführt,  gleich- 
wol  ist  die  Reliefhöhe  gering  (0"05).  Der  Grund  ist  als  einfache 
Platte  ohne  Randeinfassung  behandelt,  der  Giebel  massig  steil  (etwa 
30°).  Mit  der  sorgfältigen  Arbeit  des  Reliefs  stimmen  die  über  der 
Mitte  und  den  Enden  des  Giebels  (bei  Letzteren  0'035  einwärts) 
angebrachten  Vorrichtungen:  in  runde  Löcher  sind  Bronzehülsen 
eingelassen,  in  deren  0*007  im  Quadrat  messenden  Hohlraum  die 
gesonderten  Akroterien  eingesetzt  waren.  Das  Relief,  welches  dem 
vierten  Jahrhundert  augehören  dürfte,  könnte  für  attisch  gelten: 
doch  stehen  ihm  in  der  Empfindung,  wie  sie  sich  namentlich  in  der 
Neigung  des  Kopfes  ausdrückt,  auch  ältere  Grabreliefs  jenes  Insel- 
gebietes nicht  ferne.  —  H.  noch  0385,  grösste  Breite  0*65,  an  der 
Platte  0-62,  D.  0*077-0*10. 

Das  bereits  von  Michaelis*'*)  kurz  erwähnte  untere  Fragment 
eines  vorliegenden  Hochreliefs  mit  Fussleiste '^j  bei  Herrn  Russos, 
welches  sich  dem  Gegenstande  nach  bereits  vollständig  unter  die  gang- 
baren Typen  des  „Inselstils"  einreilit,  überrascht  hiebei  durch  seine  an 
attische  Reliefs  etwa  des  ausgehenden  vierten  Jahrhunderts  erinnernde 


*)  Annali  1864  S.  267. 

'")  Vgl.  zur  Bezeichnung  v.  Sybel,  Sculpturen  zu  Athen  S.  VIII, 


172 

Ausführung.  Links  sitzt  auf  einem  Stuhl  mit  geschweiften  Beinen  eine 
Figur  im  Profil  nach  r.  (der  Oberkörper  fehlt) ,  die  Füsse  (der  1. 
zurückgesetzt)  auf  einem  Schemel ;  unter  dem  bis  an  die  Knöchel 
reichenden  Himation  mit  guter  Faltenbehandlung  ist  kein  Unter- 
gewand zu  sehen.  Wahrscheinlich  durch  Händedruck  mit  ihr  ver- 
bunden war  die  in  Vorderansicht  die  Mitte  einnehmende  Figur  (nur 
untere  Hälfte)  mit  um  die  Hüften  geschlungenem  und  an  der  1. 
Seite  hinabfallendem  Obergewand,  das  anscheinend  von  der  L.  ge- 
fasst  war.  Vor  dem  Stuhl  steht  en  face  eine  kleine  weibliche  Ge- 
stalt in  langem,  gegürtetem  ärmellosen  Chiton,  die  R.  gesenkt,  die 
im  Ellbogen  gebeugte  Linke  zu  dem  (bestossenen)  Gesicht  gehoben; 
nur  wenig  grösser  ist  eine  andere  in  wartender  Haltung  der  Mitte 
zugekehrte  Dienerin  ganz  rechts,  in  Chiton  mit  Ueberfall,  das  r. 
Bein  vorgesetzt,  mit  der  vor  dem  Körper  gesenkten  Rechten  die 
Linke  am  Handgelenk  fassend ;  Brust  und  1.  Oberarm  sind  be- 
stossen.  —  H.  noch  0-28,  L.  noch  0-65,  D.  0-18. 

Auch  eine  bei  Dimitrios  Zaphyropulos  befindliche  Stele  mit 
Einsatzzapfen,  deren  oberer  Teil  mit  dem  Kopfe  der  Hauptfigur 
fehlt,  scheint  trotz  der  starken  Verscheuerung  der  Oberfläche  zu 
den  besseren  ihrer  Art  zu  gehören.  Die  Darstellung  selbst  unter- 
scheidet sich  nicht  erheblich  von  der  des  Sarkophages  B,  Nr.  2 
(Taf.  Vni) :  nur  entspricht  die  Anordnung  des  Gewandes  mehr 
dem  Brauche  einer  besseren  Zeit,  unter  der  Kline  liegt  nichts,  1. 
von  dem  flachen  langen  Untersatz,  auf  dem  die  Füsse  ruhen,  steht 
ein  unbenutzter  eigentlicher  Schemel,  die  Dienerin  erscheint  mehr 
vom  Rücken  gesehen.  Die  dem  gegenüberstehende  Uebereinstim- 
mung  selbst  in  untergeordneten  Details,  die  sich  ebenso  durch  eine 
Reihe  anderer  Repliken  verschiedenen  Fundortes  verfolgen  lässt, 
macht  diesen  Typus  zu  einem  guten  Beispiel  für  die  der  Massen- 
production  jener  In  seigrab  reliefs  überhaupt  zu  Grunde  liegenden  Ver- 
hältnisse. —  H.  noch  0-32,  L.  0-34,  D.  0-05. 

Im  Laden  des  Nikolaos  Cigalla  fand  ich  die  fragmentierte 
Stele  mit  der  unteren  Hälfte  eines  auf  einer  Schitfsprora  nach  r. 
stürmenden  Kriegers  in  kurzem,  zurückflatterndem  Chiton  vor,  der 
an  der  gesenkten  L.  den  runden  Schild  trägt.  Von  den  nackten 
Beinen  ist  das  zurückgesetzte  rechte  besonders  sorgfältig  durch- 
gearbeitet. Im  Felde  darunter  die  Inschrift  (—  'AGrivaiov  V  S.  21  f. 
n.  8,  Kaibel  «/?iV/r.,  add.  n.  242a,  Mouaeiov  II  2.  3  S.  2  n.  poe'): 


173 


A  I  *  I  A  O  Y  O  Y  T  O  2  O  A  E  2  T  1 
TYn02T0YA|cI>l  AOYY  I  OY 
OZKAIEni2''PATIH5:AOEAN 
EXENMErAAHN 

AicpiXou  ouTocg  öh'  ^CTTi  TUTTOc;  ToO  AiqpiXou  uioO, 
oq  Ktti  eiTi(T[T]paTiTi(;'*)  böHav  e'xev  )ueYaXr|V- 

Unten  Ablauf.  Links  geht  die  Randleiste  mit  einer  Wölbung  in 
den  Reliefgrund,  der  an  verschiedenen  Stellen  ungleich  tief  liegt, 
über.  Das  Relief  selbst  ist  stark  übertüncht  und  zerstört.  Das- 
selbe kann  nach  der  Schrift  noch  ziemlich  guter  vorchristlicher 
Zeit  angehören.  H.  noch  0-41,  Br.  0'35,  D.  0-12.  —  Vgl.  die  Stele 
aus  Rheneia,  Sybel  Nr.  518,  Mitteil.  d.  athen.  Inst.  XI  S.  151,  2. 

Den  besseren  Stücken  ist^,  wie  es  scheint,  noch  ein  im  Hause 
des  Herrn  Konstantin  N.  Kondylis  über  dem  Balkon  eingemauertes, 
etwa  080  breites  Heroenmahl  anzureihen.  Auf  der  verhängten 
Kline  lagert  mit  aufgerichtetem  Oberleib  der  Mann  nach  1.  (Kopf 
ergänzt),  die  L.  auf  das  Kissen  gestützt,  in  der  vorgestreckten  R. 
die  Schale  haltend ,  zu  welcher  sich  von  hinten  die  Schlange  (nur 
Oberteil  sichtbar)  ringelt.  Vor  der  Kline  ein  auf  drei  Tierbeinen 
ruhendes ,  mit  einem  Kuchen  zwischen  je  zwei  Granaten  besetztes 
Tischchen.  R.  sitzt  in  bequemer  Haltung  mit  übergeschlagenem  1. 
Bein  auf  niedrigem  lehnenlosen  Stuhl  mit  Schemel  die  Frau  nach 
1.,  die  sichtbare  r.  Brust,  wie  es  scheint,  entblösst,  mit  der  R.  das 
über  den  Kopf  gezogene  Obergewand  lüftend,  die  Linke  quer  über 
den  Schoss  gelegt,  von  welchem  ein  breites  Gewandende  über  den 
1.  Oberschenkel  herabhängt.  —  War  anscheinend  ohne  Randein- 
fassung. 

Ganz  übertüncht  ist  ein  im  Hause  des  Emmanuil  Kalakonnas 
eingemauertes  kleines  Relief:  in  vertieftem  Felde  Frau  nach  1.,  r. 
Standbein,  Gewand  mit  Ueberfall;  die  L.,  wie  auf  etwas  aufgestützt, 
fasste  vielleicht  herabfallendes  Gewand,  die  R.  hebt  etwas  wie 
Spiegel  oder  Spindel  gegen  das  Gesicht. 

Besonders  häufig  erscheint  auf  Faros  jene  späte  Form  des 
Heroenmahles''),  bei  welcher  die  Verstorbenen,  allein  oder  zu  meh- 


'")  Das  T  scheint  zu  fehlen,  die  Verletzung  links  von  P  nicht  auf  eine  Ligatur 
T  zu  weisen. 

")  Vgl.  auch  Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff  Sc.  E.  S.  35. 


174 

reren,  auf  der  mit  Rücken-  und  zwei  Seitenlehnen  versehenen  Kline 
liegend  dargestellt  sind,  mit  den  Füssen  nach  1.,  die  R.  querüber 
nach  vorn  gelegt,  den  Kopf  auf  die  durch  das  Kissen  erhöhte  L. 
gestützt.  Ich  notierte  die  folgenden,  durchaus  geringen  und  meist 
sehr  zerstörten  Exemplare,  alle  mit  eingetieftem  Relieffeld. 

a)  Mann  und  Frau  neben  einander  gelagert;  er  legt  seine  R. 
auf  ihre  Schulter: 

1.  Bei  Nik.  Dellagrammati.  Auf  dem  Inschriftfeld  darunter  nichts 
mehr  zu  erkennen.     H.  0*44,  Br.  0*26. 

2.  Haus  des  Emm.  Rangus.  Vor  der  Kline  noch  ein  Speisen- 
tischchen mit  einer  kleinen  Figur  r.  davon. 

3.  Im  Haus  der  Marigo  Skordili  eingemauert.  Die  Frau  scheint 
r.  vom  Manne  zu  liegen.     Vorn  Tischchen. 

b)  Die  Frau  (in  Nr.  1  unter  der  Brust  gegürtet)  liegt  allein, 
das  Obergewand  kömmt  in  schmalem,  die  r.  Brust  freilassendem 
Streifen  von  der  1.  Schulter;  Füsse  bloss.  Am  Fussende  der  Kline 
sitzende  Frau  nach  vorn,  die  R.  vor  der  Brust  zur  Stütze  der  den 
Schleier  an  der  1.  Wange  fassenden  L. ,  die  Füsse  auf  Schemel. 
R.  vor  der  Kline  dreibeiniges  Tischchen  mit  vier  rundlichen  Gegen- 
ständen'*^).    Unter  dem  Relief  die  Inschriften: 

1.  Bei  Michail  Dellagrammati.  Oben  abgerundeter  Giebel  mit 
Rosette  im  Feld.     H.  0385,  L.  0-355. 

AiocKOYCAne AioY  Aio(TKOu[p]a  (?)  TTeXiou 

XPHCTHXAIP6  XP^C^ff)    XCIPE- 

2.  Bei  Nik.  Dellagrammati.  Oben  bestossen.  An  der  1.  Brust 
der  Liegenden  anscheinend  undeutlicher  Gegenstand.  H.  0*49, 
L.  0-34. 

_.iiTYxiA  ['ErrjiTuxia 

EPaTAOvrATHP  'EpüJTa  [ö]uYdTnp. 

:=  'AGnvaiov  V  S.  44  n.  54. 

c)  Frau  ganz  allein  auf  der  Kline.     Tracht  wie  in  b  ''••) : 

1.  Im  Hause  des  E.  Rangus  eingemauert.  Vorn  Tischchen,  worauf 
von  1.  eine  kleine  Dienerin  mit  Haarnest,  in  Chiton  mit  Ueber- 
fall,  ihre  R.  legt.     H.  040,  L.  0425,  soweit  sichtbar. 


'*)  Vgl.  die  Nebenseite  von  Sarkophag  A  S.   180. 

'")  Vgl.  Nr.  ()  nnfl  die  Nebenseite  von  Sarkophag  D  S.  182. 


175 

2.  Marmara.  Links  abgebrochen,  vielleicht  also  unter  b  gehörig. 
Vorn  Tischchen.  R.  bildet  den  Abschluss  ein  breiter  Streif, 
der  unten  in  vier  Voluten  wie  bei  Klinen-  oder  Stuhlbeinen 
endigt;  davon  r.  noch  bis  zum  Bruche  0'145  frei.  Im  Felde 
unter  der  Darstellung  der  Rest  einer  grossen  schräggestellten 
Palmette   in   flachem  Relief  erhalten.     H.  noch  0'50,  L.  0*44. 

"  3.  Vor  dem  Magazin  des  Herrn  Nik.  Dellagrammati.     Unter  der 
Kline  Schemel  mit  zwei  Tierbeinen.  H.  0*80,  L.  0'54. 

EYOAiAnANKAEiTHs  Euobitt  TTavKXeiTriq. 

=  'Aenvmov  V  S.  46  n.  66. 

Nur  kurz  erwähnt  seien  noch:  Eine  unten  abgebrochene 
Stele  (H.  0'38)  bei  Barozzi  mit  einer  männlichen  öewandfigur  im 
„Typus".  —  Eine  andere,  ganz  rohe,  bei  Herrn  Alex.  Damias, 
oben  gebrochen  (H.  noch  0*48):  1.  Mann  von  vorn,  im  Himation 
(Brust  und  Kopf  fehlen),  auf  der  L.  ein  offenes  Kästchen  (?),  r.  ein 
kleiner  Diener  aufblickend,  die  R.  am  Kinn.  Darunter  umrahmen 
zwei  concentrische  Kreise  ein  nach  Angabe  des  Besitzers  inschrift- 
loses Feld  (ich  sah  es  verschmiert).  —  Ein  schlanker  Pfeiler  (H.  r03, 
L.  0-26,  D.  0"28)  in  der  Werkstatt  der  Marmorunternehraung  trägt 
in  der  Mitte  in  eingetieftem  Feld  die  Darstellung  eines  Mannes  im 
„Typus",  1.  steht  der  kleine  Sklave  schlafend.  —  Von  Herrn  Zoras, 
Leiter  der  Marmorbrüche  bei  H.  Minas,  wurde  mir  das  Fragment 
einer  Stele  mit  einer  sitzenden  Frau  wie  auf  dem  Sarkophage  C, 
Nr.  5  (Taf.  IX)  gezeigt;  Kopf,  r.  Hand,  Stuhlbeine,  wie  Alles  von 
der  Mitte  der  Oberschenkel  ab  fehlen.     L.  Rand;  H.  noch  0'17. 

Hieher  gehört  wol  auch  ein  Relief  im  Hause  Vatirabela 
(H.  0'60,  L.  0'30),  bei  dem  man,  ganz  übertüncht  wie  es  ist, 
zweifeln  könnte,  ob  es  archaisch  oder  spät  sei.  L.  auf  Klappstuhl 
mit  Schemel  eine  bekleidete  Figur  nach  r. ,  in  den  vorgestreckten 
Händen  anscheinend  etwas  haltend;  eine  kleinere  r.  dürfte  den 
stehend  schlafenden  Sklaven  vorstellen^"). 

Wahrscheinlich  sepulcrale  Verwendung  hatte  auch  ein  Relief- 
fragment mit  zwei  erhobenen  Händen  bei  Anast.  Karamagas  (H.O*27) ; 
auf   einem  anderen,    bei  Dim.  Murlas  (H.  0*18),    ist    nur    eine    er- 


*»)  Anscheinend    dasselbe    Relief    beschreibt   Thiersch,    Abh.  d.  bair.  Akad. 
1835  S.  039  f. 


176 

halten  ®').  —  Unsicher  ist  der  sepulcrale  Bezug  bei  einem  in  der 
Gegend  AiovuadTO  in  Parikia  eingemauerten  Fragment  mit  dem 
Vorderteil  eines  nach  r.  schreitenden  Rindes,  darunter: 

. .  (?)  X  X  o  Y 

TIA 

In  engster  Verbindung  mit  der  eben  betrachteten  Denkmäler- 
classe  stehen  die  eingangs  (S.  148)  erwähnten ,  nördlich  von  der 
Hekatontapyliani  gefundenen  Sarkophage,  deren  Inschriften  mit 
kurzen  Beschreibungen  der  Reliefs  Krispis^'')  bereits  publiciert  hat. 
Obgleich  der  künstlerische  Wert  der  Letzteren  ein  sehr  geringer 
ist,  verdienen  die  Sarkophage  doch  eine  erneute  Besprechung.  Die- 
selben repräsentieren  nemlich  eine,  soviel  ich  sehe,  bisher  nicht 
bekannte  Art  der  Sarkophagdecoration ,  für  welche  ausser  ihnen 
noch  ein  in  Athen  befindliches,  gleichfalls  aus  Faros  stammendes 
Fragment  (Sybel  Nr.  572)  in  Betracht  kömmt;  doch  mögen  sich 
noch  manche  Stücke  in  anderen  Museen  dazu  finden  lassen.  Anstatt 
der  sonstigen  einheitlichen  Ausschmückung  der  Aussenfläche  er- 
scheint hier  vielmehr  eine  Reihe  einzelner,  von  einander  unabhän- 
giger Bilder  und  Inschriften,  welche  es  ausser  Zweifel  setzen,  dass 
diese  Sarkophage  Collectivgrabstätten  waren,  in  denen  eine  Anzahl 
Leichen  nacheinander  Aufnahme  fand.  Dementsprechend  dienten 
die  Aussenwände  dieser  gemeinsamen  Gräber  einfach  als  Collectiv- 
flächen  für  die  Anbringung  der  Aufschriften  und  Gedächtnisbilder, 
wie  man  sie  von  den  Einzelstelen  her  in  Brauch  hatte;  der 
Typenvorrat,  der  für  diese  zu  Gebote  stand,  musste  auch  der 
veränderten  tektonischen  Voraussetzung  genügen.  Dabei  ist  es 
charakteristisch,  dass  man  gelegentlich,  wie  B  zeigt ®^),  bei  den 
einzelnen  Bildern,  die  ja  jedes  seine  Existenz  für  sich  besassen, 
auch  in  der  architektonischen  Form  der  Einfassung  die  Einzelstele 
wiedergeben  wollte,  sowie  andrerseits  die  bis  auf  die  Verschieden- 
heit der  Nebenfigur  sich  dreimal  nacheinander  wiederholende  Dar- 


*')  Zwei  Votivhände  in  Relief  mit  der  Inschrift:  . . . 'l(J|nriv{ou 'AaKXriTTid)  Kai 
'Yf{(jt  führt  Kri.spis,  Mouöeiov  II  2.  3  S.  7  n.  pTTS'  an. 

^'')  MouöeTov  III  1.  2.  S,  150  und  gleichlautend  Bull,  de  corresp.  helUn.  IV 
S.  284  ff.,  dazu  S.  416  einige  Verbesserungen  von  Fontrier.  —  Der  mitgefundene 
fünfte  Sarkophag,  den  Krispis  beschreibt,  trägt  bloss  ein  Relief  mit  Inschrift: 
Zk^ttüc;  XXöriq. 

"=•;  Vgl.  auch  V.  Sybel  Nr.  572. 


177 

Stellung  auf  D,  Nr.  2.  3.  4,  eine  Parallele  zu  der  Monotonie  bietet, 
welche  in  den  Grabreliefs  jener  späten  Epoche  her?cht.  Nur 
in  einem  Falle  (A)  ist  ausschliessliche  Benutzung  des  Sarko- 
phages  für  Angehörige  derselben  Familie  gesichert;  auch  bei 
D  ergibt  sich  wenigstens  für  Nr.  4  und  6  der  Bezug  auf  Ge- 
schwister. Dagegen  ist  auf  B  nicht  zu  entnehmen,  ob  und  in  wel- 
chem Verwandtschaftsverhältnis  L.  Nostius  Apollonius  (1)  zu  Epar- 
chis,  der  Tochter  des  Sostratos  und  der  Archippe  und  Gattin  des 
A.  Babyllios ,  steht:  auf  diese  bezieht  sich  offenbar  das  Relief 
Nr.  2^  wonach  sich  die  darunter  angebrachte  Inschrift  Mefi(TTa 
Xpriairi  xcipe  als  eine  spätere,  übrigens  auch  anscheinend  nicht 
einheitliche  Hinzufügung  darstellt^*).  Da  das  Epigramm  bis  zum 
Rande  reicht,  so  sind  die  zwei  ganz  geringen  Reliefs  Nr.  3  und  4 
darunter  angebracht  worden.  Wie  man  neue  Bilder,  ohne  sich 
sonderlich  um  regelmässige  Raumfüllung  zu  kümmern,  zu  den  be- 
reits vorhandenen  hinzufügte,  sowie  sich  eben  der  Anlass  dazu 
ergab,  lässt  sich  mehrfach  noch  in  Einzelheiten  verfolgen.  So  ent- 
hielt in  C  das  Relief  Nr.  2  ursprünglich  nur  die  Figur  des  Karpas; 
das  Bild  der  Epiteuxis  ist  später  daneben  gesetzt  und  der  Rahmen 
des  Reliefs  dafür  erweitert  worden ;  dabei  gieng  man  in  der  Aus- 
arbeitung der  weiblichen  Figur  tiefer  in  den  Stein ,  so  dass  der 
Reliefgrund  hinter  den  beiden  Figuren  von  auffälliger  Ungleichheit 
ist.  Auf  D  ist  das  Relief  Nr.  5  erst  nach  der  Anbringung  von 
Nr.  4  und  6  in  den  Raum  zwischen  diesen  hineingezwängt  worden, 
wie  die  enge  Schrift  und  das  dem  Rande  von  Nr.  6  ausweichende 
N  verraten.  Vervollständigt  wird  diese  Beobachtung  durch  die 
Lücher,  welche  meist  über  den  zwei  oberen,  seltener  auch  an  den 
zwei  unteren  Ecken  der  Reliefs,  bei  D,  4  anscheinend  an  den  Enden 
der  Inschriftzeile  angebracht  sind,  und  in  welchen  mehrfach  noch 
die  antiken  Bronzestifte  stecken  ^^).  Bei  dem  Relief  des  Karpas 
(C,  2)  bezeichnen  die  beiden  Löcher  die  ursprüngliche  Ausdehnung 
der  eingetieften  Fläche,  als  sie  nur  das  Bild  des  Mannes  enthielt; 
von  den  vier  Stiften  in  C,  4  steckt  der  eine  am  Rande  des  Reliefs 
Nr.  3,  welches  freilich  selber  so  aussieht,  als  wäre  es  in  den  Zwi- 
schenraum hineingeflickt  worden:  jedenfalls  ist  von  der  Inschrift 
der  Epiteuxis    ein  Teil   dem  jüngeren  Nachbarrelief  zum  Opfer  ge- 


")  S.  auch  noch  unten  S.  181,  Anm.  95. 

^)  In  letzterem  Falle  sind  dieselben  in  der  Skizze  durch  Schraffierung  aus- 
gefüllt, 

Archäologisch-epigraphiBche  Mitth.  XI.  19 


178 

fallen.  Aehnlich  drang  der  eine  Stift  D,  5  in  die  Bildfläche  nebenan. 
Trotz  der  geringen  Tiefe  der  Löcher  und  der  Kleinheit  der  Nägel 
können  Letztere  kaum  einen  anderen  Zweck  gehabt  haben,  als  die 
Befestigung  von  Kränzen ,  wofür  analoge  Vorrichtungen  sich  an 
Einzelstelen  vielfach  vorfinden^*').  Man  ersieht  hieran  so  recht, 
wie  das  einzelne  Bild  unabhängig  von  den  anderen  auf  der  gemein- 
schaftlichen Fläche  angebrachten  dem  Cult  des  betreffenden  Ver- 
storbenen diente,  ein  Umstand,  durch  welchen  diese  eigentümliche 
Form  von  Familien-  oder  wol  auch  einfach  Massengräbern  noch 
eine  besonders  charakteristische  Beleuchtung  erhält. 

Die  einzelnen  Reliefs  sind,  wie  selbstverständlich,  von  un- 
gleicher Tiefe.  Die  untere  Fläche  des  Sarkophagbodens  ist  bei  A, 
B,  C  vorn  und  an  den  beiden  Seiten  mit  einem  breiten  Randbe- 
schlag versehen^  so  dass  der  Sarkophag  lediglich  auf  dem  rauhen 
Kern  in  der  Mitte  aufruhte.  Bei  C  läuft  parallel  dem  glatten  Rand 
noch  ein  innerer,  rauhgehaltener  Saum  vertieft  an  den  drei  Seiten 
um.  Bei  B  sind  die  Aussenflächen  der  beiden  Nebenseiten  in  ihrem 
vorderen  Drittel  der  ganzen  Höhe  nach  glatt ,  die  übrige  Fläche 
liegt  als  rauhgehaltener  Werkzoll  vor,  sollte  also  wol  noch  für 
weitere  Reliefs  reserviert  bleiben.  In  D  treten  die  beiden  Schmal- 
seiten unten  zu  einer  Art  Fussleiste  vor. 

Da  die  Sarkophage  dicht  nebeneinander  vor  einer  Mauer,  die 
Vorderseite  nach  oben  gewandt,  aufgestellt  sind,  so  musste  sich  die 
Skizze  und  Beschreibung  hauptsächlich  auf  diese  Letztere  be- 
schränken"). 

Sarkophag  A  (Taf.  VII).  H.  100,  L.  2-215,  D.  MO.  — 
1)  Vereinigung  zweier  Scenen:  L.  legt  Parmenion  in  doppeltem 
Gewände  die  Rechte  an  eine  1.  von  ihm  auf  hohem  Postamente 
aufruhende  bärtige  Herme  *^),  mit  viereckigem  Armansatz  an  der  1. 
Seite,  r.  steht  in  schlafender  Haltung  ein  kleiner  bekleideter  Sklave. 
R.  sitzt  Theotime   in    doppeltem    Gewände    auf  Stuhl  mit  Schemel, 


'«)  öybel  Nr.  447.  448.  451.  454.  459.  468  und  Öfter;  vgl.  Benndorf,  Eeisen  iu 
Lykien  und  Karlen  I  S.  102,  2. 

"')  Die  bei  greller  Beleuchtung  aufgenommenen  Skizzen  genügen  hoffentlich 
dem  Zwecke  der  Veranschaulicliung  der  Gesamtersclieinung,  auf  welchen  es  bei 
diesen  Denkmälern  allein  ankommen  kann;  auf  die  Wiedergabe  der  einzelnen  Bilder 
grössere  Sorgfalt  zu  verwenden,  erschien  überflüssig. 

")  Vgl.  Conze,  Arch.  Anz.  1867  S.  102*,  Diitschke  IV  zu  Nr.  407.  626  u.  ö. 


179 

mit  der  R.  den  Schleier  fassend,  eine  kleine  Dienerin  r.  hält  ihr  ein 
Kästchen  hin^®).    Darunter: 

TTapiaeviujv  0€OTi|uri  (i) 

KTr|(7i|uevou(;.  'AXeSdvbpou. 

2)  Der  dreizehnjährig  verstorbene  Parmenion,  als  Heros  in  der 
Bildung  eines  Jünglings^"),  mit  Chlamys,  die  L.  wie  speerhaltend 
gehoben,  gibt  mit  der  R.  der  um  einen  Baum  (Pinie?)  gewundenen 
Schlange  zu  trinken,  r.  unter  dem  Baum  trägt  ein  kleiner  Sklave 
auf  beiden  Armen  undeutliche  Gegenstände,  etwa  Grewand  oder 
Rüstungsstücke;  ganz  1.  das  vom  Rande  abgeschnittene  Vorderteil 
des  etwas  unter  Mannshöhe  gehaltenen  Rosses.  Die  Vorstellung  des 
Verstorbenen  als  Heros  spricht  sich  auch  in  dem  darunter  befind- 
lichen Epigramm  aus  (vgl.  besonders  Vs.  1  und  7): 

'Hpiju<i)ujv  TÖv  apicTTov  6pä[T]e  |ue  TTapjueviuuva, 

öv  TToG'  6  TTaTpoTrdTUjp  ^Tpecpe  TTapiueviuuv, 
irarpi  xe  Kai  TrarrTTOK;  Kai  rraipiöi  Kubo(;  apicTtov, 

Traibfia(;  dYa9aT(;  fibö|uevov  lueXetai?  • 
5       uiöv  MvricTieTTOu  Kai  TTavKXeixri«;  veov  epvoc;, 

KOtXXei  Kai  TTivuTaT(;  Tepirdiuevov  TTpaTTi(Tiv 
Tov  TpeKTKaibexetfi  be  Tipo«;  fipuu(i)uuv  xopov  dYVÖv 

fipTtacTev  eHaTTivri«;  TravbaiadTeipa  Tüxri. 

Rechts  am  Rande  in  einem  flach  eingezeichneten  Kranze  die  auf 
denselben  Parmenion  bezügliche  Inschrift: 

'H  ßouXn<i> 

Kai 

6  bfi|uo(; 

TTapi^eviujva 

5         MvriaieTTOu. 

Von  den  zwei  unter  1  in  ebensolchen  Kränzen  erscheinenden  Namen 
dürfte  Mnesiepes  dem  Vater,  Ktesimenes  dem  Grossvater  des  jungen 
Parmenion  (2)  angehören,  welcher  sonach  Urenkel  des  Parmenion 
von  1  wäre  (vgl.  Nr.  2,  Vs.  2  und  3):  den  beiden  Genannten 
gelten  sicher  die  zwei  in  der  Fläche  zwischen  1  und  2  in  blossen 


•9)  Aehnlich  z.  B.  Clarac  II  pl.  155,  269. 

3«)  Vgl.  dazu  C.  I.  A.  m  1460;  Furtwängler,  Samml.  Sabouroflf,  Sc.  E.  S.  19; 
Milchhöfer,  Jahrb.  d.  Inst.  U  S.  32. 

12* 


180 

Umrissen  seicht  eingezeiciineten,  fast  identischen  Pinien  mit  der 
sich  daran  hinaufringelnden  Schlange,  wol  der  Ersatz  für  eigent- 
liche Reliefbilder. 

'H  ßou\ri<i>  'H  ßouXfi<i> 

Kai  Ktti 

6  bfj|uo(;  ö  bfjjuoi; 

KTiimiaevriv  Mvricriemiv 

TTap|Lieviujvo(g.  5  KTTicrijLievou(;. 

In  jedem  Falle  können  die  einzelnen  Reliefs  und  Inschriften,  nach 
der  ziemlich  gleichartigen  Ausführung  der  Ersteren,  sowie  der  Ueber- 
einstimmung  in  der  Form  der  Buchstaben  und  Kränze  zu  schliessen, 
zeitlich  nicht  weit  von  einander  abliegen.  Die  Entstehung  dieses 
wie  der  anderen  Sarkophage  wird  man  etwa  innerhalb  der  zwei 
Jahrhunderte  um  Christi  Geburt  ansetzen  dürfen  ^^). 

An  der  linken  Schmalseite  befindet  sich  noch  ein  Relief  mit 
der  oben  S.  174  unter  b  aufgeführten  Darstellung.  Darunter  in 
einem  Kranz,  ganz  undeutlich : 

K  A  A  A I N I  KaXXivi- 

miT    \H  [ktii?...] 

O)  k  6    (?)  

Sarkophag  B  (Taf.  VIII).  H.  0-775,  L.  189,  D.  0-93.  — 
])  In  einer  Aedicula,  deren  oberster  Balken  beiderseits  wie  bei 
Holzconstruction  unten  einen  viereckigen  Ausschnitt  zeigt  ^'^),  steht 
Apollonios  im  Himation,  wie  im  Gespräch  mit  dem  kleinen  Sklaven 
rechts.  —  2)  Bild  des  oben  S.  172  erwähnten  Typus.  Unter  dem 
Stuhl  Korb  (oder  Vase?).  —  3)  Figur  im  Himation,  in  der  erhobenen 
R.  etwa  Lanze  (dann  nur  die  Spitze  plastisch  angegeben) ,  die  L. 
vor  der  Brust.  —  4)  Doppelt  bekleidete,  anscheinend  weibliche 
Figur,  beide  Arme  gesenkt.  —  Oben  bei  3  spitzer,  bei  4  runder 
Giebel,  im  Feld  beidemal  Rosette. 


**')  Müssiges  Iota  steht  in  0eoTi|iri,  ßouXri,  i'ipuüujv  (vgl.  Ritschi,  opiucula  I 
S.  782).    S.  auch  B,  Nr.  2. 

'')  Um  und  in  eine  ähnliche  Aedicula  ist  auch  die  Inschrift  Krispis,  Mouaetov 
II  2.  3  S.  4  n.  por]',  Olympios,  'AGnvaiov  V  S.  29  n.  16  verteilt.  Des  Letzteren 
Tafel  gibt  die  Form  nicht  genau:  der  vorspringende  Unterbau  hat  zwei  Stufen,  die 
Säulen  eine  Basis  in  Gestalt  eines  einfachen  Wulstes  und  ein  ausgeschnittenes 
Kapital,  der  Epistylbalken  eine  Art  Kyma. 


181 

Unter  1:    AeuKioq  NöaTiO(;  Unter  2:    McTicvta 

'AttoXXwvio?.  XPntJTri  xaipe- 

Rechts  von  2»^): 

Tiq  cre,  Tuvai,  TTapiriv  uttö  ßüüXaKa  GnKaTo;  nc,  ao(i] 

guvöv  uTxep  Tu^ßou  (Tä)ua  i6b'  ä-iXäioev] 
„luvTaiLieTaq  AuXoi;  BaßuXXioc;,  ei?  e|ue  b(e)iHa? 
(jTOpYav  ctevaov."  Ti(;  Ti'voq;  eiire  irdTpav. 
5     „Ouvo(i'  'Euapxiba  )aoi  Gero  TMöTpaioq  r\  6'  öfi6XeKTpo(; 
'ApXinTTTi<i),  KXeivdv  böHav  £ve[i]Kd|uevoi, 
av  MuKOVot;  |uev  e'Gpeipe  Traipa,  ttoXititiv  'ABrivoJV 

KeKpOTToq  aÜTÖxeuuv  bä)uo(;  dvaTpdqpeiai."  ^^) 
Xmpe,  Tuvai,  Toioub'  6)nocruvTeveT[a]o  YeTÜJcra. 
10  „Kai  av  xapexq,  ujvGpiuTTe,  eprre  auv  euTuxia<i)".9^) 

Sarkophag  C  (Taf.  IX  oben),  der  roheste  von  allen.  H.  083, 
L.  1-83,  D.  0-95.  Beide  Seitenflächen  glatt.  —  1)  Männliche  Figur 
im  „Typus"  ®^).  —  2)  Karpas,  in  kurzem  gegürtetem  Chiton,  hält 
stehend  in  der  gesenkten  R.  einen  nicht  deutlichen  Gegenstand 
(Hasen?),  in  der  L.  an  der  Schulter  eine  Schaufel  (?  Keule  und 
auf  der  Schulter  ein  Tuch?).  R.  davon  Epiteuxis  in  Unter-  und 
schürzenartig  gelegtem  Obergewand,  hebt  in  der  R.  Spindel  oder 
Aehnliches.  S.  oben  S.  177.  —  3)  Bärtiger  im  „Typus".  —  4)  Frau, 
Tracht  ähnlich  wie  bei  Epiteuxis,  steht,  die  R.  gesenkt,  die  L.  in 
die  Hüfte  gestützt.  —  5)  Frau,  das  Obergewand  als  Schleier  auf 
dem  Kopf,  sitzt  nach  r.,  das  Kinn  auf  den  r.  Arm  gestützt,  in  der 
L.  etwa  Spindel.  Unter  dem  Stuhl  Korb.  —  6)  Mann  im  „Typus", 
1.  kleiner  Sklave  aufschauend,  Hand  am  Kinn;  r.  sitzt  nach  1.  Frau 
auf  Stuhl  mit  Schemel,  Hand  am  Kinn.  —  Unter  2: 

KapTTd<;  *E7TiTe[uHi(;] 

OiXriTou.  OucTia?. 

Sarkophag  D  (Taf.  IX  unten).  H.  0-72,  L.  1-87- 1-92, 
D.  0-97.  Die  Ausführung  der  einzelnen  Reliefs  ist  hier  besonders 
ungleich,  am  rohesten  sind  5  und  6 ;  auch  die  Schrift  ist  sehr  ver- 
schieden. Die  Reliefhöhe  beträgt  0-011;  0-045;  0  003;  0016;  0'016; 


»ä)  Vgl.  das  ähnliche,  gleichfalls  einer  Parierin  (aus  der  Familie  von  A?) 
geltende  Epigramm  Kaibel  Nr,  218. 

9*)  Vgl.  Inschriften  griech.  Bildh.  Nr.  62. 

9»)  Unter  3,  respective  4  steht  nach  Krispis:  3)  Kä|LiaTO<;  'EXeuGepiou ; 

4)  Tyiö  AcuKiou. 


182 

0*025.  —  1)  Kalliope  sitzt  nach  1.,  mit  der  L.  einen  Vogel  haltend, 
mit  der  R.  eine  Rolle  (?)  hebend.  —  2)  Agathe  sitzt  in  reicher 
Gewandung  ^^);  r.  fast  gleich  gross  eine  Dienerin,  wie  zu  ihr  spre- 
chend. —  3)  Aehnlich  sitzende  Frau,  1.  kleine  Dienerin,  Hand  am 
Kinn.  —  4)  Ammia ,  auch  diese  ähnlich ,  r.  kleine  Dienerin ,  ganz 
en  face,  auf  beiden  Händen  ein  Kästchen  präsentierend.  —  5)  Rufion 
steht  in  kurzem  gegürtetem  Gewände  mit  Mantel,  der  vorn  drei- 
eckig herabfällt,  die  L.  vor  der  Brust,  mit  der  gesenkten  R.  etwa 
eine  Traube  tragend.  —  6)  Typus  c  (oben  S.  174),  eine  kleine  Die- 
nerin von  1.  legt  die  R.  an  das  Tischchen. 

Unter  1:    KaWiOTTTi.  Unter  2:    'AyttGri  xPHö'llTri  xaipe. 
„      4:    'A|ujuia  Tpoq)i)uri<^.        „      6:    OdWoucra  Tpocpi'iLiri?")- 
.,      5:    'Pouqpiujv  Eübeiuujv. 

EuTTÖpou.  EubaijLiujv. 

Von  der  letzten  Inschrift  war  zuerst  anscheinend  bloss  Z.  3  vor- 
handen. 

Auf  der  linken  Nebenseite  rohes  Relief  des  Typus  c  (oben 
S.   174).     Darunter,  undeutlich: 

e  p  ^  I  T     (?) 
oc 

Hier  möchte  ich  auch  ein  im  Hause  des  Lehrers  Olympios 
in  der  Höhe  des  ersten  Stockwerkes  eingemauertes  Relief  anfügen, 
dessen  Darstellung  ich  freilich  auch  mit  verschärftem  Auge  nicht 
sicher  auszunehmen  vermochte.  In  viereckig  eingetieftem  Felde 
steht  1.  ein  Mann  in  Vorderansicht  (1.  Standbein),  bekleidet  mit 
Himation,  welches  die  r.  Brust  frei  lässt,  die  R.  gehoben,  die  L. 
vor  der  Brust.  Rechts  von  ihm  schreitet  eine  kleine,  anscheinend 
nackte  Figur  weg,  umblickend  (?),  die  L.  an  der  Brust,  die  R.  mit 
Schale  (?)  gesenkt.  Die  rauhgelialtene  Fläche  rechts  von  dem  Bilde, 
welche  die  grössere  Hälfte  des  Steines,  soweit  er  sichtbar  ist,  aus- 
macht, gestattet  vielleicht,  denselben  als  das  Stück  (die  Neben- 
seite?) eines  Sarkophages    wie   die   eben  beschriebenen  zu  denken. 

Von  einem  Sarkophag  mit  mythologischer  Darstellung,  und 
zwar  jener  des  Achilleus  auf  Skyros,  rührt  das  auf  Taf.  VI,  3  ab- 


*^)  Das  sehr  bäulig   verwandte  Motiv    (vgl.  z.  13.  Dütschke  IV  Nr.  428.  636. 
wird  in  letzter  Linie   auf    ein  Vorbild  wie  die  Tyche  von  Antiocheia  zurückgehen) 
*';  Nennung  nach  der  Mutter  auch  S.   175,  3. 


183 

gebildete  Fragment  bei  Herrn  Russos  her.  Erhalten  ist  der  Ober- 
körper des  nach  1.  eilenden  Odysseus^®),  welcher,  die  L.  am  Schwerte, 
mit  gespannter  Aufmerksamkeit  den  in  der  Mitte  des  Bildes  sich 
abspielenden  Vorgang  verfolgt.  Von  einem  nach  links  geführten 
Pferde  ist  über  seiner  1.  Schulter  noch  ein  Stück  des  Kopfes,  von 
dem  es  am  Zaume  führenden  Griechen  der  r.  Daumen  erhalten. 
Nicht  deutlich  ist  das  runde  Stück  über  Odysseus  r.  Schulter, 
vielleicht  ein  Helm  oder  eine  pralle  menschliche  oder  tierische  Form. 
—  Hochrelief.  H.  und  L.  noch  035,  D.  im  Ganzen  0*155,  der 
Platte  allein  0'07. 

Auch  ein  auf  dem  Grundstück  des  Herrn  Frangopulos"^  tö' 
GöXo'  unmittelbar  vor  der  Stadt  neben  einer  zerstörten  Kirche  lie- 
gendes Fragment  dürfte  dem  oberen  Teile  eines  Sarkophages  an- 
gehört haben.  Zwischen  zwei  Leisten  lesbisches  Kyma  mit  abwärts 
gekehrten  Akanthosblättern ,  von  der  Darstellung  darunter  nur  ein 
Kinderkopf  erhalten,  die  beiden  ungleich  weit  ausgestreckten  Hände 
mit  aufwärts  gekehrter  Innenfläche  wie  stützend  an  die  Randleiste 
gelegt;  r.  vom  Kopf  anscheinend  Stück  eines  Flügels,  davor  r.  etwa 
in  der  Mitte  des  Unterarmes  ein  undeutlicher  Gegenstand.  —  H.  noch 
0-28,  L.  noch  0-97,  D.  0-16. 


Von  einer  Anzahl  meist  unbedeutender  Terracotten  seien 
hier  nur  einige  kleine  Masken  im  Besitze  des  Herrn  Michail  Della- 
grammati  mitgeteilt.  Ein  Paar  Löcher,  wel- 
ches sich  bei  allen  —  die  eine  zerstörte  aus- 
genommen —  auf  der  Rückseite  vorfindet, 
beweist,  dass  dieselben  zum  Aufhängen  be- 


stimmt waren    ). 

Von  der  schönsten  und  grössten  (H.  0*1 15) 
lassen  wol  die  Skizzen  Taf.  V,  3  und  Fig.  17 
alle  Details  ersehen.  Sie  ist  bis  auf  ein  Stück 
des  Halses  und  der  Locken  und  das  1.  Ohr 
vollständig.    Die  im  Original  ungemein  an- 
ziehende Lebhaftigkeit  und  Munterkeit  des  F'?-  i' 
Gesichtsausdruckes   ist    mit  grosser  Feinheit  namentlich  durch  den 
offenen  Mund    und    die    wirkungsvolle   Durchbohrung    der  Pupillen 
erzielt.     Mit  gleicher  Verve   sind    Kopfputz    und   Haar    disponiert, 


^*)  Ziemlich    nahe    kömmt    der  Odysseus    des   Pariser  Sarkophags  Clarac  II 
pl.  112,  241  =  Wiener  Vorlegebl.  B,  Taf.  VII,  2. 

99)  Vgl.  Robert,  Mitt.  d.  athen.  Inst.  III  Taf.  II  S.  83  ff. 


184 


für  deren  Anlage  sich  Analogien  mehrfach  an  Terracotten  finden. 
Die  auf  einem  dünnen  Ueberzug  (Pfeifenton)  aufgetragene  Bemalung 
ist  nicht  mehr  bestimmt  im  Einzelnen  zu  verfolgen.  Die  Löcher 
zum  Aufhängen  befinden  sich  unter  dem  am  Wirbel  aufgesteckten 
Zopf   (in  den  Skizzen  nicht  sichtbar). 

Eine  zweite,  tragische  Maske,  die  unbemalt  war  (H.  0'095: 
nur  Kopf,  ohne  Hals) ,  ist  auch  rückwärts  ganz  geschlossen  und 
unten  wagrecht  abgeschnitten.  Die  Augen  starren  unter  hoclige- 
zogenen  Brauen  hervor,  das  Haar  sträubt  sich  über  der  Stirne 
in  die  Höhe  und  fliesst  zu  beiden  Seiten  nieder,  teilweise  ver- 
deckt von  einer  Binde,  deren  befranste  Schleifen  r.  und  1.  herab- 
fallen '"").  Darüber  liegt  ein  Kranz ,  bestehend 
je  aus  einer  Traube  über  der  Bandinitt.e  und 
vier  symmetrisch  nach  den  beiden  Seiten  ge- 
wandten Epheublättern,  welche  die  Ecken  über 
den  Schläfen  ausfüllen.  —  Von  einer  dritten  Maske 
mit  borstigem,  nach  allen  Seiten  stralenförmig 
abstehenden  Haar  (H.  O'IO),  gibt  Fig.  18  die  allein 
erhaltene  1.  Gesichtshälfte.  —  Ganz  corrodiert  sind 
Kopf  und  Hals  eines  Stieres  (H.  008)  mit  kurzen 
Hörnern,  der  auf  der  vorderen  Fläche  des  kurzen, 
^'^"  ^^  kräftigen  Kopfes  über  der  Schnauze   und  in  der 

.Mitte  der  Stirne  einen  linsenförmigen  Ansatz*"')  hat.  Die  zwei  Löcher 
befinden  sich  am  Nacken. 

Auch  ein  Paar  goldener  Ringe  von  einer  nicht  ungewöhn- 
lichen Form  '<>'^),  deren  einen  Taf.  V,  4  zeigt  (L.  0'025) ,  seien  er- 
wähnt, obwol  sie  nicht  aus  Paros  stammen,  sondern  nach  Angabe 
des  Besitzers,  Herrn  Panajotis  Dimitrakopulos,  von  dessen  Gross- 
vater auf  Delos  gefunden  wurden.  Von  den  zwei  Perlen  schien 
mir  die  obere  aus  einem  grünen  Stein  zu  bestehen,  die  untere  ist 
schwarz   mit   weissem   Querband  (ob  Achat?).     Zwei  Doppelreihen 


"">)  Aelmlich  z,  B.  v.  Roliden,  pompej.  Terracotten  S.  13,  8;  14,  9;  33,23; 
T;if.  XIV  1 ;  XV  3  u.  a. 

"")  Vielleicht  Rosetten,  etwa  wie  bei  dem  Kopf  von  Mykene,  Scliliemann, 
Mykcnae  Nr.  327  f. 

""j  Z.  B.  Expedition  dt  Morde  111  Taf.  1'.»,  W  \,  Antike  Denkmiiler  des  In- 
stituts 1  Tüf.  1-2,  15.  19.  21.  Foutenay,  lea  bijoux  anciens  et  modernes  S.  104  bringt 
gegen  die  Vurwendung  als  Ohrringe  Bedenken  vor,  die  auch  für  das  obige  Paar 
zutreffen. 


185 

kleiner  Buckel  fassen  das  breite  Ende  des  gekrümraten  Schuftes  ein, 
auf  welchen  der  Länge  nach  verlaufende  feine  Stege  aufgesetzt  sind. 


Als  Anhang  mögen  hier  einige  Inschriften  Platz  finden, 
die  ich  anderwärts  noch  nicht  mitgeteilt  fand  '"^). 

Nr.  1,  welche  ich  in  der  Ecke  des  Herrn  Markos  K.  Damias 
gehörigen  Hauses  eingemauert  unter  einer  dichten  Tünche  entdeckte, 
ist  0-205  hoch,  0-425— 0-535  lang,  0-495  dick,  die  Buchstaben  bis 
0*024  hoch.  Die  durch  längere  Zeit  wiederholte  Waschung  hat  den 
Kalk  nicht  ganz  entfernt,  doch  schien  mir  sicher,  dass  keine  weitere 
Zeile  fehlt;  wahrscheinlich  war  auch  Z.  3  links  frei.  Z.  1  war  der 
erste  erhaltene  Buchstabe  wol  E,  obgleich  auch  3E  denkbar  wäre, 
der  letzte  M.  Durch  Zuschneiden  des  Steins  "*^)  sind  in  Z.  1  etwa 
drei,  Z.  2  zwei  Buchstaben  verloren  gegangen,  die  anscheinend  den 
Beginn  der  zwei  Verse  des  Distichons  enthielten;  der  des  vermut- 
lichen Hexameters  Vs.  3  hätte,  wenn  das  oben  Bemerkte  zutriflft, 
noch  in  Z  2  gestanden.  Die  Schrift,  die  man  sich  für  A  (mit 
schrägem  Mittelstrich),  P  (die  Schlinge  bis  hinab  gezogen),  t,  il 
etwa  nach  Inschr.  griech.  Bildh.  Nr.  1,  für  die  anderen  Buchstaben 
nach  Nr.  40  vergegenwärtigen  kann  '°^),  weist  auf  jüngere  Zeit  als 
Inschr.  gr.  Bildh.  Nr.  6  oder  Inscr.  gr.  aiit.  Nr.  401,  immerhin  dürfte 
die  Inschrift  nicht  weit   unter  das  sechste  Jahrhundert  gehören  "'®). 

Nr.  2  fand  ich  in  Tschipidi  (s.  S.  150)  als  Schwelle  eines 
Hauses  (Tii(;  KußepvnaeujO-  H.  0-49,  L.  0-32,  D.  0-08,  Buchst.  0-016  h. 
Rechts  und  unten  Rand;  in  dem  freien  Räume  unter  Z.  10  (H.  0*32) 
sind  noch  fünf  horizontale  Linien  schwach  vorgezeichnet.  In  Z.  10 
folgte  nichts  mehr.  Das  abgebrochene  1.  Stück  sollte  noch  vor- 
handen sein,  konnte  aber  nicht  aufgefunden  werden ;  dasselbe  wird 
jedoch  schwerlich  zur  Ergänzung  ausgereicht  haben.  Erhalten  ist 
anscheinend  nur  der  Schlussteil,  der  Strafbestimmungen  vorschreibt 


'"')  Die  Inschrift  Le  Bas  II  2062  steht  auf  einer  oben  und  unten  einfach  pro- 
filierten, oben  ausgehöhlten  viereckigen  Basis  (H,  0-39,  L.  0-75,  D.  0*56)  bei  Herrn 
Nik.  D ellagram mati.  Z.  1  ist  ^TPATHrOl,  Z.  5  *ANIS,  Z.  10  PA^IKAH^  (ver- 
druckt) zu  lesen;  durchgängig  P.     Schrift  guter  Zeit,  etwa  3.  Jahrh. 

"'^)  Die  obere  Lagerfläche  konnte  ich,  da  der  Stein  verkehrt  eingemauert  ist, 
nicht  untersuchen.     Die  Kante  scheint  Schnittkante  zu  sein. 

"')  Auch  an  Inschr.  gr.  Bildh.  Nr.  48  erinnern  H,  O,  M,  t,  XL,  sowie  die 
Gesamthaltuiig. 

'"8;  H  hat  doppelte  Geltuu.- ;  vgl.  Kirchhuff,  Studien  '  S.  82, 


186 

für,  wenn  ich  richtig  fasse,  Beschädigung  von  Pflanzungen  in  einem 
heiligen  Bezirk;  a]s  die  mit  der  Ueberwachung  und  Ahndung  be- 
traute Behörde  erscheinen  Theoren  '"').  Orthographie  und  Schrift- 
form lassen  die  Inschrift  '""*)  wol  schwerlich  später  als  das  fünfte 
Jahrhundert  ansetzen,  ich  halte  es  sogar  für  möglich,  dass  sie  in 
dasselbe  ziemlich  hinaufreicht,  da  der  Schriftcharakter  noch  viel 
Altertümliches  hat'"^). 

Nr.  3  steht  auf  einer  grossen,  schön  gearbeiteten,  viereckigen 
Basis  bei  Nikolaos  Montanos,  unten  mit  einfachem  Ablauf,  oben 
in  antiker  Weise  viereckig  ausgehöhlt.  H.  0515,  Br.  073  (Schrift- 
feld 0"43  X  0'65),  D.  0"56.  Leider  ist  die  Inschrift  fast  ganz  zer- 
stört; der  zweite  Buchstabe  Z.  2  lässt  sich  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit als  *  erkennen,  vom  achtletzten  ist  nur  der  Rest  der  Vertical- 
haste  vorhanden,  der  auch  nach  dem  Abstand  von  I  wahrscheinlich 
T  war.  Die  Ergänzung:  'A(pp[obiTr)  tJiiuouxlu,  welche  ein,  soviel  ich 
sehe,  bisher  nicht  belegtes  Epitheton  der  Göttin  enthalten  würde, 
scheint  den  Raum  nicht  ganz  zu  füllen.  —  Schrift  etwa  des  zweiten 
Jahrh.  vor  Chr. 

Nr.  4  lag  vor  dem  Hause  des  Nikolaos  St.  Zumis  in  die  Erde 
eingegraben ;  die  Schriftfläche  wurde  von  mir  freigemacht.  Grosse 
Buchstaben  (0-018  h.)  römischer  Zeit.  —  Das  Fragment  Nr.  5,  in  dem 
den  Kapuzinern  von  Naxos  gehörigen  Hause  nahe  der  Hekatonta- 
pyliani  eingemauert  (H.  O'IT,  L.  O'SO) ,  scheint  nach  den  in  ver- 
schiedener Grösse  und  Schrift  darauf  geschriebenen  Namen  an  einem 
öffentlichen  Orte  (als  Bankplatte?)  angebracht  gewesen  zu  sein.  — 
Nr.    6    steht    auf   einem    kleinen    profilierten    Grabstein    (H.   0*17, 


"")  Zu  den  öeiupoi  in  Mantineia  und  Tegea  vgl.  Gilbert,  griecli.  Staatsaltert. 
II  S.  328. 

"*)  Dieselbe  erinnert  mit  den  fein  eingestochenen  Buchstaben  an  Inschr.  gr. 
P.ildh.  Nr.  62. 

"")  Die  Zeilen  stehen  sehr  enge  aneinander  ,  der  dritte  Schenkel  des  nicht 
zu  Boden  reichenden  H  geht  bisweilen  noch  etwas  schief,  die  drei  Horizontal- 
striche sind  in  E  ganz,  in  3E  fast  gleich  lang,  das  XL  ist  ziemlich  klein  und  weit 
geöffuet,  V  hat  geschwungene  Schenkel,  bei  P  geht  die  Schlinge  über  die  Mitte 
der  Verticalh.iste  hinunter,  die  selber  etwas  unter  die  Zeile  reicht.  Der  letztge- 
nannte Buchstabe  ist  genau  so  in  der  überhaupt  (auch  in  der  Form  des  Sigma:  f.) 
ähnlichen  Inschrift  Jnscr.  gr.  ant.  Nr.  406,  die  vor  der  Schwelle  der  Kirche  der 
Panagia  Marmariani  zu  Marniara  liegt:  Grosser  Pfeiler  (Br.  0'46,  D.  0-105),  das 
Schriftfeld  mit  den  grossen  Buchstaben  (OOSf) — 0-04.'3)  liegt  etwas  vertieft,  die  Fläche 
darunter  (H.  1-25)  ist  rauh  gehalten.  Der  Stein  soll  vor  etwa  25  Jahren  in  einem 
der  benachbarten  Höfe  gefunden  worden  sein ;  die  umliegenden  Felder  gelten  als 
Stelle  eines  Artemisheiligtums. 


187 

Br.  040),  oben  mit  oblongem  Zapfenloch,  in  der  Christoskirche  zu 
Tschipidi.  —  Nr.  7  auf  einem  einfachen  viereckigen  Block  mit  Ein- 
satzloch in  einem  Garten  ausserhalb  der  Stadt^'"). 

Nr.  1 


'EMEPYOO^AXCHil.v,  l 
/HMAKACIA/VHTHIPAPO) 
OYAATPil^AP 


Etwa:  "Eve*]  e^e  TTuGOuvaS  6  M-  — v^ 

(iv]fi)ua  Ka(yi[T]vr|Tri  TTap6[ev  ^ 

0]uYaTpö(;  dp[iöTr|(;? 


10 


Nr.  2 


V^   <    l_     A     I 


t    P 


-"^lAIKOPTENOT 
TOIEPOHOP  ///// 
ItTI  TO  XTSl  NPAPIH 
ilOOEA-Q-NPPOCOEOP 
XETilTOHMUYTOHAEN 
Ö  P  O  H  E  3E  O  P  K  jn  H  T  Jl  N  O  E  O  P 
'\HTiNAIAHlKOPTONTAPAPT 
_KrihJOMENAKATEP'"NPPO^T 
^GEOPO^ 


ai    KOTTieiV    CT . . 

c,  TÖ  lepov  öp[a? 

?edv  Txlc,  Ti  TOUTuuv  Trapifi[i 

5        .  .  T-  oder  a0]uu  6  öeXuuv  irpöq  Qeoj[povc, 

(TJxeTuu  TÖ  fiiuiau,  TÖv  be  v. . 

,  Bejuupov  eH  öpKUüV  tuiv  9eajp[üuv 

.  .  ,?ed]v    TlVa    lb»l    KÖTTTOVT[a]    TT[d]p    T.  . 

....  e]KYivd)ueva  KaTep[ei]v  irpöc;  T[ouq 
10    ?  6€uupou<g TOu](;  Qeujpovc,. 


Nr.  3 
©  P  A  <.  /////////////////////////  ^  N  o  . 
A*P/////////////////.  IMOYXill 


")  A  hat  gekrümmten  Mittelstrich. 


188 

Nr.  4 


nYPh, 

nupp[ 

OIMETOIKO 

Ol    )LieTOlKO[lV 

TONTYMNAII/ 

TÖv  YuluvacTifdpxilv 

ZillAONZillA 

ZuuiXov  ZujiX[ou  dpe- 

THIENEKEN 

5 

Tfi<;  evcKev  [Km  eü- 

NO|/xIKA14>IA/ 

voi[a]^  Ktti  (piX[aTa9ia(; 

THI//-AIEIIEA 

Ti]^   [KJai  eiq  ea[uToij(; 

EPMI///  KAIHPAI 

'EpM[ri]  Ktti  'Hpa[KXei. 

Nr.  5 

Nr.  6 
rJlKPATElAC 

lATYPoY            I 
'^  I  1  <j)  P  O  N  O  7 

n 
< 

ZuüKpaTeiai;. 

Nr.  7 

EY  rPAZIo^ 

Ei)7TpdBo(;. 

Wien  EMANUEL  LOEWY 


Ein  Grabepigramm  aus  Lydien 

von  sehr  eigcL artiger,  frisch-heiterer  Färbung,  auf  dessen  Resti- 
tution der  Herausgeber  (G.  Radet  im  Bulletin  de  corr.  hell.  XI  477) 
verzichtet  hat,  lässt  sich  zum  Theil  wie  folgt  herstellen: 

i(K)oaTÖv  TTpuuTov  TrXr|p(uJv  ä)Toq  rjjuaaiv  eTrrd 

tck;  (dqp)aveT^  dTpdTrou(g  ei^  'Aib(riv  Ka)Te(ß)r|v. 

eijui  be  Tiq  MaK(eb)ijuv  irdvTUJv  qpiXo«;,  oiibev(6q  eK9)pö(;, 
TtpiJUTa  7TaXai(jTpe(iTri)(^  eita  Kai  euT(p)dTreXo(^). 
5      ao)i  (?)  Trdcrai?  Moucrai^  7Tecp(iXri)M^v(a)>i  ou(bevöq)  euxriv 


TnO   (?)  dTaGn?  U^uxfKq  |u)€()n)v(r||u)evoi  ibq  ev  6veipoi(?- 
10  K)oivö(q  T)d(p  6)vri(T)aJV  ecrxi  (9e)ö(S  0dvaTO(;. 

Zu  V.  4  sei  bemerkt,  dass  dieselbe  Verbindung  bei  Plutarch, 
Quaest.  renn.  40  (Mor.  274'')  vorkommt:  uqp'  iLv  eXaGov  ^Kpuevre? 
TU)v  öttXuuv  Ktti  df aTTr|cravTfc(; . .  . t ü T p d TT fc X 0 1  Kai  TraXaicTTpiTai  icai 


189 

KaXoi  Xe'TeaOai.  —  V.  5  schimmert  der  Gedanke  durch,  dass  der 
Verstorbene  durch  seinen  Tod  niemandens  Wunsch  erfüllt  hat.  Ob 
(joi  —  7T€(piXri)uev<uu>i,  oder  oi  —  Tr€(pi\r||uevi  =  (irecpiXnMevoi)  oder 
endlich  mit  unstatthaftem  Hiatus  Kai  —  7TecpiXriMev(e)  zu  schreiben 
ist,  wird  sich  schwerlich  entscheiden  lassen.  In  der  lückenhaften 
Partie  sind  einzelne  Worte,  wie  )aevToi,  lurjöe,  (e)(JTti(7avT(o)  erkenn- 
bar, das  letztere  zweifellos  auf  die  Errichtung  des  Grabdenkmals 
bezüglich. 

V.  9  drückt  im  Zusammenhang  mit  dem  nicht  mehr  zu  ent- 
räthselnden  V.  8  offenbar  den  Wunsch  aus,  die  zurückbleibenden 
Kameraden  mögen  der  ehrlichen  Haut,  des  frohen  Turn-  und  Zech- 
genossen treu,  aber  ohne  heftige  Trauer  gedenken,  sich  von  seinem 
Bild  heiter  umschweben  lassen,  wie  man  von  Traumbildern  um- 
gaukelt wird.  Steckt  in  KAU  V.  8  etwa  Kda(7Taaiujq)?  V.  10  ist 
vom  Her.  also  wiedergegeben  worden: 

OINO.TAcDONHIQNEITIO 
OI0ANATOI 

Zu  dem  Vers  vgl.  Kaibel  Nr.  35,6:  KOivoq— Ta|iia(;;  404,  2: 
KOivöq— -bai|iujv  u.  a.  (Ist  nicht,  nebenbei,  266,  1  der  Abklatsch 
eines  besseren  Originals:  koivöv  iboöcja  cpdo^  koivöv  e'xuj  tö  TeXoq?) 

Einer  zwiefachen  Nachhilfe  bedarf  das  ebendas.  p.  461  mit- 
getheilte  Epigramm.  Am  Ende  von  Z.  5  ist  nämlich  ohne  Zweifel 
ein  T  unlesbar  geworden  und  nicht  ouvo|li'  sondern  Touvofi'  zu 
schreiben,  wodurch  der  Hiat  beseitigt  und  die  Phrase  sprachrichtig 
wird  (vgl.  z.  B.  563,  1  Kaibel:  Touvofia  Ounpav).  Desgleichen  war 
das  Schlusswort  sicherlich  eßr|,  nicht  eai(e),  mag  nun  I  statt  B 
verlesen  oder  irrthümlich  eingemeisselt  sein.  So  haben  denn  die 
von  Hrn.  Radet  im  übrigen  richtig  behandelten  vier  Verse  also 
zu  lauten : 

TTaipoc;  }JLe.\/  'ApTd)aujvo<;  i|lii  AuKibeuu? 
Ktti  MnTpöq  'A|U|uioio,  (t)ouvo|ii'  'ApTe)uujv 
edqjev  b'  äbeXcpöq  'ApxeXaoq  aüj|u'  £MOV, 
ip)uxd  be  ineu  rrpög  daipa  Kai  9eou<;  e(ß)n- 

TH.  G. 


190 

Zur  Troilosschale  des  Euphronios 


Das  freundliche  Entgegenkommen  des  Sindaco  von  Perugia, 
Herrn  Comm.  T.  Berardi,  sowie  der  Directoren  des  städtischen 
Museums  daselbst,  der  Herren  Graf  Rossi-S  co  tti  und  L.  C  a- 
rattoli,  ermöglichte  es  mir  im  verflossenen  September,  die  von 
Miss  Harrison  in  dem  genannten  Museum  wiederaufgefundene  Troilos- 
schale des  Euphronios^)  näher  zu  untersuchen  und  neu  zu  zeichnen '*). 
Als  ich  die  Vase,  halb  verdeckt  vom  Rahmen  der  Vitrine,  in  nicht 
ganz  vorwurfsfreier  Umgebung  und  mit  der  Fundetiquette  „Tarros, 
Sardegna"  gewahr  wurde,  wollte  ich  im  ersten  Augenblicke  an  eine 
moderne  Copie  denken;  doch  überzeugte  ich  mich  bald,  dass  es 
in  der  That  das  Original  sei,  welches  die  Verwaltung  des  Museums 
vor  wenigen  Jahren  mit  anderen,  zum  Theil  aus  Tarros  stammenden 
Stücken  aus  dem  Besitze  des  nach  Afrika  versetzten  Obersten 
Begni  erworben  hatte. 

Die  aus  zahlreichen  Fragmenten  zusammengesetzte  Schale  ist 
in  überaus  roher  Weise  restaurirt.  Nicht  nur  sind  die  Zwischen- 
räume zwischen  den  einzelnen  Scherben  wie  die  ergänzenden  Füll- 
stückchen mit  einem  rothen  oder  schwarzen  Firnis  dick  überschmiert, 
der  auch  die  Zeichnung  nicht  verschonte  und  selbst  nach  versuchter 
Waschung  mit  Spiritus  nicht  immer  die  Begrenzung  der  Stücke 
sicher  verfolgen  Hess,  sondern  es  sind  mehrfach  antike  Stücke  mit 
neuer  Zeichnung  versehen  worden.  Von  diesem  Verfahren  sind  im 
Innenbilde  am  Achill  nebst  einem  Stückchen  der  r.  Achselklappe 
hauptsächlich  der  untere  Theil  des  kurzen  Chitons ,  der  r.  Ober- 
schenkel und  Fuss  —  von  Letzterem  glaubte  ich  noch  eine  schwach 
eingerissene  Spur  der  Fersenlinie  zu  erkennen  —  betroffen  worden ; 
am  Troilos  fast  das  ganze  1.  Bein ,  die  Altarvolute  mit  dem  be- 
nachbarten Stück  Gewand,  der  Gewandtheil  am  Hals,  besonders 
aber  der  Kopf,  an  dem  nebst  dem  grössten  Theil  der  Wangen- 
linien auch  der  Mund  und  der  linke  Halscontour  überfahren  sind, 
eine  Entstellung,  die  sich  noch  dadurch  erhöht,  dass  die  ins  Ge- 
sicht fallenden  Löckchen  abgesprungen  und  links  eine  Lücke  un- 
geschickt  unten    schwarz,    bei    den   sich  kreuzenden  Händen  roth 


•)  Vergl.  Klein,  Meistersign.»  S.  222. 

')  Sie  8oll  danach  in  einer  der  nächsten  Serien  der  „Wiener  Vorlegeblätter" 
reproducirt  werden. 


191 

überschraiert  ist.  Obwohl  dieser  modernen,  sehr  schlechten  Ueber- 
zeichnung,  die  mit  Ausnahme  von  Troilos  1.  Fusse  der  begreiflicher- 
weise nicht  allzukräftigen  Waschung  widerstand,  vielfach  Spuren 
antiker  Risslinien  zu  Grunde  liegen  mochten,  sind  sie  in  der 
Zeichnung  doch  weggelassen  worden,  da  sich  diese  auf  strenge 
Wiedergabe  alles  Echten  beschränkte.  So  entfallen  auch  als  er- 
gänzt: Im  Innenbilde  am  Achilleus  das  r.  Stück  des  Panzers  bis 
zu  den  Pteryges,  die  untere  Hälfte  des  1.  Armes,  der  halbe  r.  Unter- 
schenkel mit  einem  Stück  des  Schildes ,  am  Troilos  r.  Arm  und 
Schulter,  sowie  bis  auf  einen  schmalen  Saum  oben  und  unten  die 
rechte  grössere  Hälfte  des  Gewandes  nebst  dem  anstossenden  Stück 
des  Altars.  Auf  den  Aussenseiten  sind  ausser  den  bereits  bei  Ger- 
hard, auserl.  Vasenb.  IIL  Tf.  CCXXIV  f.  angegebenen  Ergän- 
zungen alle  Theile  antik;  nur  klaffen  in  A  (nach  Klein,  Meister- 
sign.'^  S.  141  f.  Nr.  8)  an  den  Pferden  durch  die  Köpfe,  an  dem 
Handpferd  auch  durch  den  Unterleib,  in  B  durch  den  Helm,  wel- 
chen der  Jüngling  r.  herabholt,  die  Füsse  der  beiden  Mittelfiguren, 
den  1.  Arm  und  die  Brust  des  anderen  Jünglings  die  auf  erwähnte 
Weise  verschmierten  Fugen.  Dagegen  hat  aussen  das  Abspringen 
der  schwarzen  Farbe  um  die  Silhouetten  und  in  den  Linien  der 
Zeichnung^),  welches  im  Innenbilde  fast  nur  die  r.  Schulterlocken 
des  Achilleus  zerstört  hat,  so  weit  um  sich  gegriffen,  dass  in  A 
Oberkörper  und  Kopf  des  Troilos  ganz  verloren,  die  Palmenkrone 
nebst  dem  Schwanz  des  Handpferdes  aber,  gleichwie  in  beiden 
Bildern  sämtliche  Köpfe  und  das  Meiste  an  den  Gewändern  nur 
in  sehr  schwachen  Risslinien  erhalten  sind,  welche  ich,  da  sie  zum 
Theil  nur  mit  grösster  Anstrengung  und  bei  scharfer  Beleuchtung 
zu  erkennen  waren ,  mehr  nachzeichnete  als  bauste.  Diese  im 
Doppelcontour  wiedergegebenen  Risslinien  gehören  wenigstens  theil- 
weise,  wie  am  r.  Arm  der  bärtigen  Mitteltigur  von  B  und  vielfach 
an  den  Gewandfalten  zu  entnehmen  ist,  der  Vorzeichnung  an,  da 
die  erhaltene  Ausführung  davon  abweicht;  in  den  meisten  Partien, 
so  besonders  den  Gesichtern ,  deckte  sich  allerdings  die  definitive 
Zeichnung  damit.  Die  auf-  und  absteigenden  Contouren  der  Gewand- 
säume verrathen  nebenbei  eine  sehr  flotte  Hand,  die  sieh  offenbar 
mit  diesem  mechanischen  Detail  rasch  abfinden  wollte. 


')  Die  Begrenzung  dieser  abgesprungenen  Theile    des  Firnisses   ist    um    die 
I'jgtiren  durch  zitternde  Linien  angegeben. 


192 

Dass  für  die  Zeichnung  Gerhards*),  welche  jene  Unterschiede 
nicht  hervorliebt,  die  Vase  noch  in  besserer  Erhaltung  des  Vor- 
handenen vorlag,  ist  möglich:  dass  vollständiger,  bezweifle  ich 
trotz  der  Hervorhebung  einiger  Ergänzungen  —  übrigens  nicht 
durchaus  in  correcter  Begrenzung  —  und  trotzdem  im  Innenbilde 
bei  Achill  von  dem  oberen  Ende  der  Schwertscheide  oder  dem  wohl 
auf  Missverständnis  beruhenden  Klappeuende  unter  der  1.  Schulter 
heute  nichts  zu  sehen  ist.  Andrerseits  lässt  aber  die  Abbildung 
Gerhards  Dinge,  die  noch  jetzt  zu  erkennen  sind,  wie  das  u  in 
uvKoz^)  oder  das  gehobene  r.  Vorderbein  des  einen  Pferdes,  ver- 
missen, sowie  sie  den  Panzer  des  Achilleus  in  A,  das  Ortband  am 
Schwert  des  ersten,  den  Helm  des  zweiten  Jünglings  in  B  nicht 
treu  wiedergibt,  Schwierigkeiten  begegnet  die  Annahme,  dass  die 
keinen  wesentlichen  Punkt  betreffenden  Abweichungen  vom  Original 
lediglich  Ergänzungen  in  der  Zeichnung  sind  —  die  Falten  in  dem 
Chitonbausch  auf  A  und  B  gehen  sicher  auf  die  in  blassen  Strichen 
erhaltenen  des  bärtigen  Kriegers  in  der  Mitte  von  B  zurück  — 
nirgends;  vielmehr  beruht  in  den  als  unantik  bezeichneten  Theilen 
des  Kopfes  von  Troilos,  der  Beine  von  Achill  und  Troilos  in  /  die 
Zeichnung  unverkennbar  auf  dem  gegenwärtigen  Zustande,  nur  die 
elenden  Füsse  sind  etwas  verbessert.  Ebenso  liegt  dem  Ueber- 
schlag  am  Chiton  des  Troilos  sicher  die  eigenthümliche  schuppen- 
artige Abgrenzung  eines  oberen  und  unteren  Theiles  zu  Grunde, 
die  sich  heute  an  jener  Stelle  vorfindet.  Die  Begrenzung  des  Er- 
gänzten ist  übrigens  dort  am  schwierigsten  und  auch  darin  die 
Zeichnung  aus  dem  jetzigen  Zustand  heraus  verständlich. 

Die  Backenlasche  und  die  künstlichen  Haarbuckel  an  dem  Helm 
des  Achilleus  im  Innenbilde  sind  in  feinem  Relief  gebildet,  welches 
jetzt  bloss  die  rothe  Thonfarbe  zeigt ;  nur  an  der  Backenlasche  sind 
Reste  schwarzer  Zeichnung  erhalten.  Auch  bei  dem  eingesetzten 
rechten  Pterygesfragment  besteht  eine  solche  Erhöhung  des  oberen 
Theiles,  doch  ist  derUebergang  zu  den  Gewandfalten  ein  allmählicher. 
Ebenso  bleibt  es  unsicher,  ob  in  B  an  der  Hackenlasche  des  bär- 
tigen Kriegers  in  der  Mitte  das  gleiche  Verfahren  zu  erkennen  sei. 
V^ien,  14.  November  1887  EMANUEL  LOEWY 


')  Dieselbe  lag  mir  bei  Anfertigung  der  Banse  nicht  vor. 

*)  Derselbe  Name,  vereinigt  mit  dem  des  Panaitios,  findet  sich  auch  auf  dem 
Bilde  einer  Ilachen  Schale  des  Duris  in  dem  Museum  des  Grafen  Faina  zu  Orvieto 
(Inv.  Nr.  70),  wovon  ich  gleichfalls  eine  Bause  zur  Veröflfentlichung  genommen  habe. 


193 

Studien  zur  griechischen  Malergeschichte 


I 

Die  sikyonische  Schule 

Auf  die  Frage,  wer  die  Malerei  erfunden  habe,  gab  es  im 
Alterthum  verschiedene  Antworten.  Nach  Aristoteles  war  es  ein 
Verwandter  des  Dädalos,  Eucheir  mit  Namen,  und  Theophrast  hat 
auch  gewiss  hierin  seinem  Lehrer  nicht  widersprochen,  wenngleich 
Plinius  so  berichtet '),  als  habe  er  in  directem  Gegensatze  zu  ihm 
Polygnot,  für  dessen  Würdigung  gerade  Aristoteles  das  Beste  that, 
diese  That  zugesprochen.  Das  ist  sicherlich  ein  Missverständniss. 
Theophrast  mag  wol  gemeint  haben,  dass  die  Malerei  erst  bei 
Polygnot  anfange,  eine  Anschauung,  mit  der  er  weder  in  alter  noch 
in  neuer  Zeit  allein  steht,  aber  für  das,  was  Plinius  ihm  zumuthet, 
ist  er  gewiss  nicht  haftbar^).  Des  Aristoteles  Eucheir  weist  uns 
nach  Korinth,  wo  wir  von  einem  Töpfer  und  einem  Bildhauer  dieses 
Namens  aus  der  Urzeit  hören,  oder  in  das  benachbarte  Sikyon,  wo 
die  Söhne  des  Dädalos  ihren  Wohnsitz  aufgeschlagen  hatten.  Dazu 
stimmt  des  Plinius  Angabe  35,  15:  Graeci  autem  alii  Sicyone  alii 
Q'pud  Corinthios  repertam  {sc.  piduram  adfirmant),  omnes  umbra  ho- 
minis lineis  circumdiicta.  Diese  Schattenmalerei,  die  Plinius  Linear- 
malerei nennt,  soll  entweder  der  Aegypter  Philokles  oder  der  Ko- 
rinthier  Kleanthes  erfunden  und  Aridikes  von  Korinth  und  Tele- 
phanes  von  Sikyon  zuerst  ausgeübt  haben.  Der  Aegypter  mit  dem 
famosen  Namen  Philokles  ist  nicht  das  einzige  Wunderbare  in  dieser 
Notiz,  doch  da  er  in  der  genannten  Gesellschaft  besonders  auffällt, 
darf  man  ihn  zunächst  etwas  genauer  betrachten.  Er  hängt  sicher- 
lich irgendwie  zusammen  mit  der  von  Plinius  im  selben  Satze  ver- 
worfenen Angabe,  dass  die  Aegypter  die  Malerei  sechs  Jahrtausende, 
ehe  sie  nach  Griechenland  kam,  erfunden  haben  wollten.  Die  Frage 
ist  nur,  in  welcher  Weise.  Urlichs  meint,  man  habe  Philokles  für 
einen  aus  Aegypten  eingewanderten  Sikyonier    gehalten,    aber  das 


')  VII  205.  Der  Lyder  Gyges,  der  unter  gleichem  Anspruch  seine  Erwäh- 
nung in  Brunns  Künstlergeschichte  II  S.  5  u.  6  gefunden  hat,  gehört  nicht  hieher. 
Die  betreffende  Stelle  lautet:  pilam  lusoriam  (invenü)  Gyges  Lydus,  picturam 
Aegypti  et  in  Graecia  Euchir  Daedali  cognalua  ut  Aristoteli  placet,  ut  Theophrasto 
Polygnotus  Athenienais. 

')  Vergl.  Studniczka,  Jahrbuch  d.  arch.  Inst.  1887  S.  153. 
Archäologisch-epigraphisclie  Mitth.  XI.  13 


194 

erklärt  den  hellenischen  Namen  nicht,  wie  das  Beispiel  des  Vasen- 
malers Amasis  zeigen  mag,  den  man  ja  jüngst  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit für  einen  nach  Athen  eingewanderten  Afrikaner 
erklärt  hat.  Fast  das  gerade  Gegentheil  hat  mehr  Anspruch  auf 
Glaubwürdigkeit.  Die  Funde  in  Naukratis,  die  uns  den  Nikosthenes 
auf  ägyptischem  Boden  vertreten  zeigen,  lassen  uns  vermuthen, 
dass  hier  auch  einmal  ein  archaisches  Werk  mit  dem  Künstler- 
namen Philokles  zu  sehen  war.  Das  musste  dann  zum  Beweise 
dafür  herhalten ,  dass ,  war  die  Malerei  schon  einmal  in  Aegypten 
erfunden,  sie  doch  auch  dort  von  einem  Griechen  erfunden  wurde. 
Unser  Philokles  braucht  aber  deswegen  seine  hellenische  Heimat, 
sei  sie  nun  Athen ,  sei  sie  Sikyon  gewesen ,  niemals  verlassen  zu 
haben. 

Die  zweite  Sonderbarkeit  der  plinianischen  Stelle  ist  die,  dass 
weder  Philokles  noch  Kleanthes  von  ihrer  wichtigen  Erfindung  Ge- 
brauch machen,  sondern  dass  dies  Aridikes  von  Korinth  und  Tele- 
phanes  von  Sikyon  vorbehalten  bleibt.  Die  haben  zwar  daran  etwas 
verbessert,  und  diese  Verbesserung  wird  uns  als  weitere  Sonderbar- 
keit noch  zu  beschäftigen  haben,  aber  das  ändert  an  der  merk- 
würdigen Enthaltsamkeit  ihrer  Vorgänger  nichts.  Auch  mit  einem 
operativen  Eingriff  ist  der  Stelle  nicht  zu  helfen.  Michaelis  Vor- 
schlag, für  exercuere  excoluere  zu  setzen^  oder  gar  Overbecks  exa- 
cuere  haben  mit  Recht  keine  Zustimmung  gefunden.  Zu  dem  alii 
Sicyone  alii  apud  Corintliios  gehört  das  korinthisch-sikyonische  Paar 
so  eng  wie  möglich,  es  ist  geradezu  auf  sie  gemünzt,  und  das  frimi, 
das  doch  nur  vo^  dem  exercuere  bleiben  kann,  zeigt  uns  nur  noch 
deutlicher,  dass  auch  sie  als  die  eigentlichen  Erfinder  galten  und 
dass  wir  hier  einen  Compromissversuch  vor  uns  haben,  wie  er  nicht 
leicht  einfältiger  gedacht  werden  mag.  Aber  Plinius  erzählt  ja  an 
einer  anderen  Stelle  dieselbe  Geschichte  unter  anderen  Namen. 
Butades  und  Tochter  machen  dort  auch  die  grosse  Erfindung,  den 
Schatten  eines  Menschen  nachzuzeichnen.  Butades  macht  sie,  ob- 
gleich er  Sikyonier  ist,  zu  Korinth,  offenbar  aus  Gefälligkeit  für 
die  Rechtsansprüche  der  beiden  Städte,  und  doch  erfinden  Philokles 
und  Kleanthes,  Aridikes  und  Telephanes  dieselbe  Sache.  Ja,  aber 
Butades  hat  den  Schatten  gebacken  und  deswegen  gehört  er  in  ein 
anderes  Fach  und  stört  hier  nicht  weiter.  Wir  werden  freilich  bald 
auf  ihn  wieder  zurückkommen  müssen. 

Und  nun  zur  dritten  Sonderbarkeit.  Die  grosse  Erfindung, 
die  stets  durch  Umreissen  eines  Schattens  gemacht  wurde,  war  die 


195 

Linearmalerei.  Ziehen  wir  unsere  monumentale  Ueberlieferung  zu 
Rathe,  die  doch  heute  zum  Mindesten  so  hoch  hinaufreicht  als  zur 
Zeit  des  Plinius  und  seiner  Gewährsmänner,  so  erhebt  sie  gegen 
die  Theorie  von  der  Priorität  der  farblosen  Zeichnung  gebieterisch 
Einspruch.  Denselben  zu  entkräften,  daran  hat  man  begreiflicher 
Weise  nicht  gedacht^),  aber  jüngst  hat  Robert  den  Versuch  ge- 
macht, ihn  zu  umgehen.  Er  meint,  da  von  Kleanthes  wenigstens 
Bilder  noch  bei  Strabo  und  Athenäus  ausführhcher  erwähnt  werden, 
so  sei  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  der  griechische  Autor  der 
euprijuaia,  den  er  für  den  Gewährsmann  des  Plinius  hält,  „zur  Aus- 
füllung seiner  Rubriken  beliebig  archaische  Künstlernamen  ver- 
wandte", und  vermuthet,  die  Erklärung  für  seine  befremdlichen  An- 
gaben sei  in  dem  damaligen  Zustande  der  Bilder  zu  suchen.  Zur 
schlechten  Erhaltung  sei  vielleicht  noch  schlechte  Aufstellung  und 
schlechte  Beobachtung  hinzugekommen,  bis  denn  keine  iSpur  von 
Farbe  mehr  erkennbar  blieb.  Besonders  dankenswerth  scheint  es 
mir  nun  zu  sein,  dass  Robert  dadurch,  dass  er  selbst  die  letzten 
Consequenzen  seiner  Hypothese  zog,  seine  Gegner  der  Mühe  ent- 
hob, ihn  auf  diesem  Wege  ad  absurdum  zu  führen.  Er  fügt  dieser 
Auseinandersetzung  die  Vermuthung  hinzu,  dass  die  Bilder  der 
plinianischen  Monochromatiker  „Gemälde  schwarzfiguriger  Technik 
waren,  von  denen  im  Laufe  der  Zeit  die  rote  und  weisse  Deckfarbe 
abgesprungen",  und  dass  ferner  die  weisse  Farbe  der  Frauen  erst 
bei  Eumares  zu  halten  angefangen  habe.  Aber  ein  Problem  hätte 
doch  noch  der  Erklärung  bedurft.  Wie  kam  man  denn  bei  diesen 
Umrisszeichnungen  auf  die  Vorstellung,  dass  sie  reproducirte  Schatten- 
bilder seien?  So  falsch  diese  Vorstellung  auch  ist,  ihre  Entstehung, 
der  allgemeine  Anklang,  den  sie  im  Alterthum  fand,  bedarf  der 
Erklärung.  Der  schwarzfigurige  Silhouettenstii  der  archaischen  Vasen- 
und  Pinakesmalerei  macht  sie  völlig  begreiflich.  Dem  hat  es  auch 
in  moderner  Zeit  an  Versuchen  nicht  gefehlt,  ihn  mit  dem  Schatten 
in  genetischem  Zusammenhang  zu  bringen,  an  den  er  so  sehr  ge- 
mahnt. Vor  blosser  Conturzeichnung  ist  ein  solcher  Einfall  wohl 
noch  Niemandem  gekommen. 

Plinius  ist  nicht  der  einzige  Autor,    der   von    der  Entstehung 
der    Malerei    aus    dem    Schattenriss    berichtet.     Auch   Athenagoras 


^)  Das  wurde  geschrieben ,  ehe  dem  Verfasser  der  erwähnte  Aufsatz  Stud- 
niczkas  vorlag.  Warum  es  nicht  geändert  wurde,  dürfte  aus  dem  Zusammenhange 
ersichtlich  sein. 

13* 


196 

weiss  davon  zu  erzählen.  Leg.  pr.  Christ.  14:  ai  be  eiKÖve«;,  |uexpi 
}^)]^T^x}  TrXacTTiKri  Kai  fpa^iKrj  Kai  dvbpiavTOTTOUiTiKri  rjffav,  oube  evo- 
|uiZ;ovTo  •  Zaupiou  be  toö  Zaiuiou  Koti  KpdTuuvo<;  toü  Zikuoüviou  kqi  KXeav- 
9ouq  TOÖ  KopivGiou  Kai  KÖp^c,  Kopivöiac;  e7TiYevo)aevuuv  Kai  (TKiaYpa9ia(; 
pev  eupcöeia»]«;  uttö  Zaupiou  ittttov  ev  i]Km  TTepiYpai|;avTO(;  *  Tpa9iKnq 
be  Kai  KpoLTVJVOc,,  ev  irivaKi  XeXeuKUJiaeviu  (Jkiok;  dvbpoq  Kai  YuvaiKÖ(; 
evaX€ivpavTO(;.  Ich  kann  in  dieser  Angabe  die  Priorität  des  Zeich- 
nens und  die  Fosteriorität  des  Malens,  die  Robert  hier  wieder  findet, 
nicht  entdecken.  Denn  dass  Öaurias  von  Samos  älter  sei  als  Kraton 
von  8ikyon,  geht  aus  der  Stelle  nicht  hervor  und  ich  glaube  auch 
nicht  einmal  so  viel,  dass  jener  das  Zeichnen,  dieser  das  Malen 
erfunden  haben  soll.  ZKiaypaqpia  bedeutet  doch  nicht  das  Zeichnen. 
Freilich  die  Gegenüberstellung  Treprfpdil^avToq  und  evaXeiipavToq 
würde  das  bei  einem  Kunsischriftsteller  deutlich  sagen,  bei  Athena- 
goras,  der  bekanntlich  Theodoros  aus  Milet  stammen  lässt,  ist  es 
bloss  rhetorische  Figur.  Denn  nicht  im  technischen  Verfahren,  trotz 
der  geweissten  Tafel,  liegt  der  Gegensatz  beider  Arten,  sondern  im 
Vorwurfe;  der  eine  malt  ein  Pferd,  der  zweite  Mann  und  Weib. 
Der  Grund  ist  leicht  einzusehen.  Die  Malerei  heisst  im  Griechi- 
schen nicht  blos  YpaqpiKi'i,  sondern  auch  Z^aiYpacpia,  und  das  "muss 
erklärt  werden.  Wenn  unser  Autor  statt  des  letzteren  cfKiaYpacpia 
hersetzt,  so  wissen  wir  freilich,  dass  dies  gute  und  echte  Kunst- 
wort ganz  etwas  anderes  bedeutete,  als  er  meint,  aber  wie  er  darauf 
gekommen  ist  es  hier  zu  verwenden,  ist  sehr  verständlich.  Es  passt 
sehr  gut  für  die  Schattenhypothese.  Ebenso  erklärt  ja  das  Wort 
KOpOTiXacTTiKr)  die  rührende  Geschichte  vom  gebackenen  Schatten. 
ZoiYpacpia  muss  aber  doch  in  seiner  Quelle  gestanden  haben,  das 
ergibt  sich  auch  aus  einem  anderen  Umstände.  Es  fehlt  nämlich 
eine  Erfindung.  Kleanthes,  der  einzige  uns  von  Plinius  her  be- 
kannte Namen,  hat  rein  gar  nichts  zu  thun.  Lassen  wir  dem  Thier- 
maler  die  ^uuYpaqpia,  dann  wird  er  der  Skiagraph  Kai'  eEoxnv,  ganz 
wie  bei  Plinius.  Welcher  Art  diese  Quelle  gewesen  sei,  wird  da- 
durch noch  deutlicher.  Unser  Autor  ist  aber  damit  nicht  zu  Ende, 
er  führt  als  besonders  wirkungsvollen  Abschluss  noch  die  Geschichte 
von  der  korinthischen  Jungfrau  weiter  aus,  dieselbe  die  uns  schon 
bei  Plinius  rührte,  und  wir  müssen  nun  von  unserem  Wege  abweichen, 
um  genauer  auf  sie  einzugehen,  zumal  jüngst  der  Versuch  gemacht 
wurde,  durch  eine  Vergleichung  beider  Versionen  ein  Stück  unserer 
Ueberlieferung  in  helleres  Licht  zu  bringen.  Ich  lasse  also  nun 
den  Bericht  des  Athenagoras  folgen :  ötTTÖ  be  ty]<;  Köpns  H  KoponXa- 


197 

axiKf)  eupe'en  •  epuuTiKuJ?  Yap  tivo^  exoucra  TtepieTpaiijev  auxoö  koi|LIUj- 
lue'vou  ev  ToixqJ  xfiv  (JKidv  eiö'  6  Tratrip  ficr0€i?  ÄTrapaXXdKTUJ  ouffT] 
tri  ofioiörriTi  —  Kepajuov  hk  6ipTdZ:eT0  —  dvafXuipa?  rfiv  TtepiTpaqpnv 
TTnXuJ  7Tpo(TaveiTXripuu(Jev  6  tutto^  eii  Kai  vOv  ev  KopivBuj  a\hleTau 

Daneben  halten  wir  nun  den  pHnianischen  Bericht  35,  151 : 
Fingere  ex  argiUa  similiütdlnes  Butades  Sicyonius  figulus  primus  in- 
venit  Corinthi  filiae  opera,  quae  capta  amore  iuvenis,  abeunte  illo 
peregre,  umhram  ex  fade  eins  ad  lucernam  in  pariete  lineis  circum- 
scripsit,  guihus  pater  eins  impressa  argilla  typum  fecit  et  cum  ceteris 
ßctilihis  indurahim  igni  proposuit;  eumque  servatum  in  Nymphaeo, 
donec  Muwmiufi  Corinthum  everterit,  tradunt. 

Athenagoras,  der  die  Koroplastik  ableiten  will,  findet  es  nicht 
nöthig,  den  Namen  des  Butades  zu  nennen,  dagegen  gibt  Plinius, 
der  die  Entstehung  der  similitudine.s  erzählt,  ausdrücklich  an,  dass 
nur  die  Gesichtszüge  des  Geliebten  verewigt  wurden,  während  Athena- 
goras darauf  nicht  näher  eingeht.  Ein  Unterschied  ist  noch  in  der 
Situation.  Der  schlafende  Jüngling  bei  Athenagoras  ist  wirkungs- 
voller  als  der  Reisende  des  Plinius.  Der  wichtigste  Unterschied 
liegt  aber  offenbar  darin,  dass  Athenagoras  das  Werk  als  zu 
Korinth  befindlich  angibt,  während  Plinius  es  der  Zerstörung  Ko- 
rinths  zum  Opfer  fallen  lässt,  aber  den  Ort,  wo  es  sich  befand, 
anzugeben  nicht  unterlässt.  Ist  es  hier  nun  wirklich  nöthig,  zwei 
zeitlich  wesentlich  verschiedene  letzte  Quellen  anzunehmen,  den 
Gewährsmann  des  Athenagoras  vor  146  v.  Chr.,  den  des  Plinius 
nach  dieser  Zeit  anzusetzen,  wie  es  Robert  S.  131  thut?  Dass 
Athenagoras  das  Bildwerk  seiner  Zeit  noch  existiren  Hess ,  das 
gehört  so  nothwendig  zum  Schluss  seiner  Geschichte,  dass  man  da- 
für kaum  eine  besondere  Quelle,  die  er  erst  falsch  zu  benützen 
hatte,  verlangen  darf.  Die  Frage  liegt  vielmehr  einfach  so,  ob 
das  Werk  überhaupt  jemals  existirt  hat.  Das  scheint  die  genaue 
Ortsangabe  des  Plinius  zu  verbürgen,  aber  die  Geschichte  ist  doch 
so  ungereimt,  dass  sie  dadurch  kaum  glaublicher  wird.  Ich  will 
nur  an  das  berühmte  gemeinsame  Werk  von  Protogenes  und  Apelles, 
an  jene  tabula  nihil  aliud  continens  quam  lineas  visum  effugientes 
erinnern,  von  der  Plinius  ausführlich  berichtet  und  schliessHch  hin- 
zufügt, dass  er  gehört  habe,  sie  sei  beim  ersten  Brande  der  kaiser- 
lichen Burg  (4  n.  Chr.)  zu  Grunde  gegangen.  Hier  liegt  es  doch 
auf  der  Hand,  dass  dieser  Brand  dem  Gewährsmanne  des  Plinius 
sehr  gelegen  kam  und  dass  dies  Bild  wie  die  zugehörige  Geschichte 
nichts  weiter    ist    als    eine    pedantisch  alberne  Exemplification  des 


198 

nuUa  dies  sine  linea  des  Apelles,  ein  Sprüchlein,  dessen  Original  in 
seiner  Lehrschrift  an  Perseus    gestanden    haben  wird.     Liesse  sich 
nun  für  das  Porträtrelief  des  Butades    ein    ähnlicher  Anlass   nach- 
weisen,   dann   wäre    die  Analogie  wohl  zutreffend,  und  ich  glaube, 
es  ist  das  in  der  That  der  Fall.     Mit   dem   legendarischen  Porträt 
steht  sicherlich-  eine  andere  Erfindung  des  Butades    in  Zusammen- 
hang,   die  einen  etwas  realeren  Hintergrund  hat.    Plinius  berichtet 
noch  von  ihm,   dass  er  primus  'personas  iegularum  extremis  imbricihns 
imposuit,  also  die  uns  wohlbekannten  Masken  der  Frontziegel  erfand, 
deren  grellrothe  Bemaluug  auch  die  andere  Erfindung  ruhricam  ad- 
dere  aut  ex  rubra  creta  fingere    ganz    erklärlich    macht.     Der  Voll- 
ständigkeit wegen  fügen  wir  gleich  hinzu,    dass  er  auch  noch  erst 
das  B'lachrehef  {jjrostypa) ,    dann   das   Hochrelief  (ectypo)    erfunden 
hat.     Es   ist   für  unseren  Zweck   nun    ziemlich  belanglos,    ob  jene 
Maskenziegel  wirkHch  des  Butades  Erfindung  waren  oder  nur  dafür 
galten.   Ich  will  zwar  gleich  gestehen,  dass  ich  es  für  ganz  denkbar 
halte,  dass  ein  Epigramm  im  Stile  der  erhaltenen  des  Euergos  und 
Kleoitas'*)  der  antiken  Kunstforschung  vorlag,    aber    dem    sei   wie 
immer,    das    eine  ist   doch  klar,    dass  sich  aus  der  Erfindung  des 
maskentragenden  Frontziegels    die  anderen  Erfindungen  von  selbst 
ergeben.    Der  hochalterthümliche  Kopf  auf  dem  Ziegel  erregte  die 
Frage  nach  der  Erfindung  des  Porträtes  und  damit  war  die  Antwort 
gegeben,  die  mit  dem  Fragen  sich  selbst  ergibt.    Aber  er  war  Hoch- 
relief, der  nothwendige  Uebergang   von   dem   gefüllten  Schattenriss 
und  diesem  spricht  sich  noch  in  der  Aufeinanderfolge  von  prostypa 
und  ectyf-a  aus.  Die  rothe  Farbe  gehört  natürlich  zur  späteren  Er- 
findung.   Damit    können    wir   nun   diese  Zwischenfrage   für   beant- 
wortet halten  und  uns  unserem  Hauptthema  wieder  zuwenden. 

Da  haben  wir  demnach  über  die  Verbesserungen  des  Aridikes 
und  Telephanes  nach  Plinius  zu  sprechen.  Auch  sie  malten  sine 
ullo  colore,  iam  tarnen  spargentes  lineas,  intus  ideo  et  quos  pingerent 
adscribere  institutum.  Ich  habe  über  diese  Stelle  bereits  Euphronios  '^ 
S.  48  gehandelt  und  dort  darauf  hingewiesen,  dass  man  mit  Un- 
recht diese  Worte  auf  die  Innenzeichnung  gedeutet  hat  und  dass 
sie  vielmehr  auf  die  Linearornamente  textilen  Charakters  gehen,  mit 
denen  auf  den  ältesten  Malereien  der  Zwischenraum,  den  die  Figuren 
übrig  lassen,  förmlich  besäet  zu  werden  pflegte.  Es  schien  mir 
dies   namentlich   aus    dem  Schlussatz  von  den  Beischriften    hervor- 


*)  Overbeck,  Schriftqu.  320  u.  1031. 


199 

zuleuchten.  Den  Zusammenhang  zwischen  diesen  Ornamenten  und 
den  zuerst  mit  ihnen  gepaarten  und  dann  sie  nach  und  nach  ver- 
drängenden Inschriften  konnte  die  alte  Kunstschriftstellerei  gerade 
so  gut  bemerken,  als  die  moderne.  Dagegen  hat  sich  Robert  nach- 
drücklich ausgesprochen^).  Die  Namen,  vermuthet  er,  schrieb  man 
nach  der  Meinung  des  Verfassers  der  eupriiuaTa  bei,  weil  die  blosse 
Zeichnung  ohne  Färbung  zur  Charakteristik  nicht  genügte.  Aber 
that  denn  die  „Innenzeichnung"  nicht  das  Ihrige?  Robert  kann 
das  freilich  nicht  annehmen,  er  gibt  ja  zu,  dass  hiebei  an  Muskeln- 
und  Adernangabe  nicht  zu  denken  sei,  die  Kimon  von  Kleonä  erst 
später  erfunden  hat,  sondern  er  beschränkt  sich  auf  die  ^Angabe 
des  Auges,  der  Nasenflügel,  kurz  alles  dessen,  was  über  die  Wieder- 
gabe der  blossen  Silhouette  hinausgeht".  Aber  Robert  glaubt  doch 
nicht  etwa,  dass  die  Figuren  des  Kleanthes  von  Korinth  blind  ge- 
wesen seien?     Bei  Strabo  und  Athenäus  finde  ich  davon  nichts. 

Gegen  meine  Auffassung  spricht  allerdings,  wie  Robert  be- 
merkt hat,  der  ganze  Zusammenhang,  aber  es  kommt  eben  nicht 
allzuviel  darauf  an,  in  welchem  Zusammenhang  sich  Plinius  die 
unverstandenen  Notizen  ordnete.  Für  ihn  war  es  ein  Fortschritt, 
dass  bei  Aridikes  und  Telephanes  sich  dabei  „Innenlinien"  fanden, 
mit  denen  er  nichts  weiter  anzufangen  wusste,  die  uns  aber  an  die 
rhodischen  Teller,  melischen  Gefässe,  an  Ariston  von  Kos  und  Aehn- 
liches  erinnern.  Die  Bilder  des  Kleanthes  haben  wji'  uns  ohne 
solche  zu  denken.  Er  ist  daher  ganz  aus  demselben  Grunde  als 
jünger  anzusetzen,  aus  dem  ihm  Plinius  die  beiden  anderen  Meister 
vorzog,  und  hat  die  Malerei  nicht  erfunden.  Nach  Aridikes  und 
Telephanes  kommt  bei  Plinius  Ekphantos  von  Korinth  und  mit  ihm 
die  Farbe.  Primus  inlevit  eas  colore  testae  ut  ferunt  tritae.  Das 
aufgesetzte  Roth  der  altkorinthischen  Vasen  und  Pinakes  erläutert 
diese  Worte  deutlich,  es  ist  gewiss  dasselbe  Ziegelroth,  das  auf 
Bildern  des  Ekphantos  in  die  Augen  fiel  und  daher  auf  sein  Conto 
übertragen  wurde.  Die  Monumente  aber  lehren  uns  auch  hier,  wie 
bei  Aridikes  und  Telephanes ,  die  „neue  Erfindung"  ihrem  wahren 
Werthe  nach  schätzen.  Es  ist  zweifellos  die  ältere  Gruppe  korin- 
thischer Malereien,  auf  denen  das  Roth  die  Hauptrolle  spielt  und  an 
die  goldenen  Figuren  der  alten  Einlegetechnik  erinnert.    Erst  nach 


^)  Der  Vorwurf,  den  mir  Robert  macht,  ich  hätte  Euphronios  '  S.  48  durch 
Interpunktiousäuderung'  einen  monströsen  Satz  hergestellt,  habe  ich  so  nicht  ver- 
dient.    Der  Weglassiing  des  Punktes  lag  jede  böse  Absicht  fern. 


200 

und  nach  verliert  es  an  Boden,  und  hierin,  nicht  in  seinem  Auf- 
kommen, ist  ein  wesentHcher  Fortschritt  zu  erkennen*').  Es  ist 
demnach  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  Ekphantos  gleich- 
falls hinter  Kleanthes  zurücktreten  muss,  wenn  wir  ihn  auch  für 
jünger  als  Aridikes  und  Telephanes  halten  dürfen. 

Für  Ekphantos  hat  Plinius  ein  Zeitansatz  vorgelegen,  der  in 
sein  chronologisches  System  keine  Aufnahme  finden  konnte.  Der- 
selbe sollte  nämlich  nach  Cornelius  Nepos  Korinth  im  Gefolge  des 
verbannten  Demarat  verlassen  haben.  Die  Thatsache  wagt  Plinius 
natürhch  nicht  zu  bezweifeln,  aber  er  half  sich,  indem  er  einen 
zweiten,  bedeutend  jüngeren  Ekphantos  annahm.  Ekphantos  ist 
aber  nicht  der  einzige  Künstler,  der  mit  Demarat  nach  Italien  aus- 
gewandert ist.  An  einer  anderen  Stelle,  bei  Gelegenheit  der  Töpferei, 
bringt  Plinius  dieselbe  Notiz  ausführlicher  und  zählt  Euchir,  Eu- 
grammos  und  Diopos  auf  Des  Euchir  aus  dem  VII.  Buche  hat  er 
sich  weder  in  der  Malergeschichte  noch  in  dem  Töpferanhang  er- 
innert, er  hätte  sonst  zweifellos  auch  diesen  auseinander  spalten 
müssen.  Wir  aber  treffen  nun  den  „Erfinder  der  Farbe"  in  guter 
Gesellschaft  mit  dem  Vetter  des  Daidalos  und  „Erfinder  der  Malerei" 
wieder. 

Plinius  bricht  nun  plötzlich  die  Auseinandersetzungen  über 
die  Anfangender  Malerei  in  Griechenland  ab  und  springt  mit  den 
stolzen  Worten:  iam  enim  absuluta  erat  pictura  etiam  in  Italia  auf 
den  heimatlichen  Boden  hinüber.  Seine  Absicht  ist  zunächst,  wie 
bereits  Furtwängler  bemerkt  hat,  nur  den  Beweis  zu  liefern,  dass 
der  Ekphantos  des  Cornelius  Nepos  nicht  der  richtige  gewesen  sein 
kann,  und  dazu  zählt  er  eine  Reihe  völlig  farbiger  Bilder  zu  Ardea, 
Lanuvium  und  Caere  auf,  die  sämmtHch  noch  vor  der  Gründung 
Roms  entstanden  seien.  Einmal  im  Zuge,  erzählt  er  von  der  ein- 
heimischen Malerei  in  Rom  und  den  griechischen  Bildern  daselbst 
bis  in  die  Kaiserzeit  und  bricht  wieder  ebenso  plötzlich  mit  dem 
Ausruf:  hactemts  dictum  dt  de  dicpdtate  artis  morientis  ab.  Nun  weist 
er  wieder  auf  den  Anfang  hin  und  verknüpft  ihn  mit  den  Dingen, 
die  da  kommen  sollen.  Quihus  colorihus  singidis  primi  pinxissent 
diximus  cum  de  Jus  pigmentis  traderemus  in  metallis'^)  qui  monochro- 


«)  Vergl.  P.  J.  Meier,  Athen.  Mitth.  1885  S.  249. 
')  .3.3,  lir>.   117.  160, 


201 

mata  —  ea  genera  picturae  vocantur  —  qui  deinde  et  quae  invenerint 
et  quihus  temporibus,  dicemus  in  mentione  artißcum^). 

Wir  wenden  uns  nun  dahin,  obgleich  die  hier  angeschlossene 
Entwicklungsgeschichte  der  malerischen  Technik,  ein  kleines  Frag- 
ment eines  guten  alten  Kunstbüchleins ,  das  sich  gar  vornehm  von 
seiner  Umgebung  abhebt,  zu  längerem  Verweilen  einlädt.  Die 
mentio  fängt  53  mit  der  üblichen  Ankündigung,  die  Sache  so  flüchtig 
als  möglich  abzumachen,  und  einer  Klage  über  den  Mangel  an 
diligentia  bei  den  Griechen  ,  die  ihre  Maler  erst  mit  Olympias  90 
zu  bewundern  begonnen  haben,  an.  Für  diesen  Ausfall  hat  man 
Varro  verantwortlich  machen  wollen,  es  ist  aber  doch  kaum  gerecht- 
fertigt, diesem  eine  so  naive  Aeusserung  zuzumuthen.  Sie  ist  so 
echt  plinianisch,  wie  nur  irgend  eine.  Er  macht  es  uns  ja  gar  nicht 
schwer  zu  erkennen,  welches  Missgeschick  ihm  diesen  Ausruf  ent- 
lockt hat.  Die  Schrift,  die  seinen  weiteren  Ausführungen  zu  Grunde 
liegt,  handelte  von  den  Tafelmalern.  Das  ergibt  sich  sowohl  aus 
dem  Anfang,  der  Apollodor  als  den  eigentlichen  Begründer  der 
Tafelmalerei  feiert  und  mit  den  Worten  schliesst:  neque  ante  eum 
tabula  ullius  ostenditur,  als  aus  dem  Schluss  des  ersten  Theiles,  der 
die  Temperamaler  behandelt:  Sed  nulla  gloria  artificum  est  nisi  qui 
tabxdas  pinxere.  Daran  fügt  Plinius  eine  salbungsvolle  Betrachtung 
über  die  nie  genug  zu  preisende  Weisheit  der  Alten ,  welche  aus 
kluger  Rücksicht  auf  die  Feuersgefahr  sich  der  Wandmalerei  ent- 
halten haben,  während  zu  Zeiten  des  Kaisers  Augustus  Ludius  oder 
Studius  ganze  Wände  zu  bemalen  begonnen  habe.  Deutlicher 
konnte  Plinius  wohl  nicht  gestehen,  dass  er  von  der  grossen  Epoche 
der  hellenischen  Wandmalerei  gar  keine  Ahnung  habe''). 


*)  Ich  liabe  mir  erlaubt,  für  mox  neogrammata ,  was  der  Detlefsensche  Text 
bietet,  vionochromata  herzusetzen.  So  wäre  doch  sicherlich  zu  conjiciren,  auch 
wenn  es  die  jüngeren  Handschriften  nicht  bieten  würden.  Denn  neogrammata 
kommen  sonst  nicht  vor,  und  ich  wüsste  nicht,  was  man  sich  darunter  vorstellen 
könnte. 

^)  Die  wenigen  Stellen  des  Plinius,  welchen  eine  dunkle  Kunde  von  diesen 
Werken  zu  Grunde  liegt,  wimmeln  von  Irrthümern.  Dass  Polygnot  Wandgemälde 
geschaffen  habe,  erfuhr  er  bloss  durch  die  Restauratorenthätigkeit  des  Pausias,  vou 
dem  er  35,  123  mittheilt:  pinxit  et  ipse  penicillo  purietes  Thespis  cum  reßcerentur 
quondam  a  Polygnoto  picti.  Diese  thespischen  Gemälde  sind  doch  wohl  keine  an- 
deren als  die  delphischen ,  die  Plinius  sonderbarerweise  35,  58  für  Tempelbilder 
ausgibt.  Die  Notiz  36,  177,  die  vom  Safrangeruch  und  Geschmack,  der  sich  so 
lange  an  dem  von  Panainos  gefertigten  Wandbewurf  des  Athenatempels  in  Elis 
erhielt,  berichtet,  steht  ganz  harmlos  unter  anderen  Beispielen  von  Wandverklei- 
dungen. Dass  sie  von  der  Zerstörung  berühmter  Fresken  Kunde  gibt,  hat  er  in 
der  Eile  des  Excerpirens  nicht  bemerkt. 


202 

Die  grosse  Lücke  zwischen  jenem  Zeitpunkte  vor  der  Grün- 
dung Roms   und   Olympias  90    versucht    nun   Plinius    aus    eigenen 
Mitteln  auszufüllen.    Er  erinnert  sich  zunächst ,  dass  die  chronolo- 
gische Tabelle  der  Erzgiesser  im  voraufgehenden  Buche  mit  Phidias 
und  der  83.  Olympiade  begann,  und  bemerkt  nun    überlegen,    dass 
Phidias  als  Maler  seine  Künstlerlaufbahn  eröffnet  und  einen  Schild 
gemalt  habe,   dass  Panainos,  den  auch  er  für  den  Bruder  desselben 
hält,  in  dieselbe  Olympiade   gesetzt    werde   und   gleichfalls  (wie  es 
einem  Bruder  ziemt)   einen  Schild  und  zwar  innen  bemalt  habe  — 
freilich  erzählt  er  später,    dass    derselbe    auch  noch  die  Marathon- 
Schlacht    mit    den    wohlgetroffenen    Porträts    der   Commandirenden 
darstellte,    denn   adeo   tarn  colorum,  usus  increbruerat.    Nach  Phidias 
und  Panainos  kommen  dann  Polygnot  und  Mikon,  gewiss  eine  etwas 
seltsame  Chronologie,  aber  das  beste  an  der  Sache  ist  doch,  dass 
er    von    diesen    beiden    die    gemeinsame  Ausschmückung   der  Stoa 
poikile  in  einer  Weise  erwähnt,    die    uns   lehrt,    dass  er  gar  nicht 
wu><ste,    dass  jenes    Bild   der   Marathonschlacht   ihres   angeblichen 
Vorgängers  mit  zum  Schmucke   dieser  Halle  gehörte.    Wir  werden 
darauf  noch  zurückkommen  müssen ,    für  jetzt   wenden  wir  unsere 
Aufmerksamkeit    seinem   Versuche    zu,    einen    noch   weit   früheren 
chronologischen  Fixirpunkt  für  die  Datirung  undatirter  Meister  zu 
gewinnen.    Die  schöne  Geschichte  von  der  Freigebigkeit  des  Lyder- 
königs  Kandaules,  der  dem  Maler  Bularchos  ein  Schlachtenbild  mit 
Gold  aufwiegt,  zeigt,  meint  Plinius,  wie  viel  die  Kunst  schon  vor 
Olympias  18  werth  war,  in  welcher  Olympiade  besagter  König,  und 
zwar    merkwürdigerweise    im   selben  Jahre  mit  Romulus  das  Zeit- 
liche gesegnet  hat.     Sie  wird  dadurch  nicht  besser,  dass  sie  nicht 
ganz  neu  ist.    Unser  Autor  hat  sie  schon  einmal  im  VII.  Buche  126 
kurz  erzählt :   Candaules  rex  Bularchi  picturam  Magnetum  exiti,  haud 
mediocris  spafi,   pari  rependit   auro.     Die    Ausgleichung   der  Todes- 
daten   des    Kandaules    und    Romulus    (nach    Herodot    stirbt  jener 
Olymp.   16)    weist    einer  Quellenuntersuchung   die  Wege.     Ich   be- 
schränke mich  zu  bemerken,  dass  ich  für  die  unmittelbare  Vorlage 
Cornelius  Nepos  halte,    der   auch  im  Index  zum  VII.  Buche  citirt 
ist  und   über  Romulus  sicher  im  Buche  De  regihus  Romanorum  ge- 
schrieben hat,  aber  auch  über  Kandaules  im  Buche  De  regihus  ex- 
terarnm  gentium  geschrieben  haben  wird.   Die  letzte  Quelle  ist  Psc- 
doxantiios,  wie  bereits  Welcker  bemerkt  hat  "^). 


»")  Ueber  die   unechten    Lydiaka  des  Xanthos,  Kleine  Schriften  I  439.     Au 
Xanthos  rieth  sclion  Creu/,er  a.  a.  O. 


203 

An  der  Wahrheit  der  Geschichte  zu  zweifeln,  kommt  Plinius 
gar  nicht  in  den  Sinn,  er  ist  fest  überzeugt  von  der  Wichtigkeit 
der  Entdeckung,  die  ihm  nun  gestattet,  alles  was  vor  die  volle  Ent- 
wicklung der  Malerei  fällt,  auch  vor  Olymp.  18  zu  datiren  '^).  Also 
in  möglichst  weite  Entfernung  davon  die  „p7'^nc^p^a",  da  man  ohne 
Farbe  gemalt  hat,  etwas  näher  die  Monochromatiker,  von  denen  er 
bisher  nur  Ekphantos  erwähnt  hat  und  nun  drei  aufzählt:  Hygiänon, 
Dinias  und  Charmadas,  mit  dem  Zusätze:  quorum  aetas  non  traditur, 
dann  „Eumarus"  von  Athen,  der  Männlein  und  Weiblein  unter- 
schied und  dazu,  wie  uns  die  Vasen  sagen,  zwei  Farben  brauchte, 
schliesslich  Kiraon  von  Kleonä,  der  des  „Eumarus"  inventa  exc'duerit. 
Glücklicherweise  sind  wir  jedoch  weder  für  Eumares  noch  für  Kimon 
auf  Plinius  Zeugniss  allein  angewiesen  und  haben  daher  jetzt  nur 
die  drei  Monochromatiker  näher  zu  betrachten,  für  welche  jedes 
andere  fehlt.  Ich  glaube  sie  sind  in  die  Reihe  der  archaischen 
Maler  gekommen,  wie  Pontius  ins  Credo.  Plinius  hat  ihre  Namen 
nicht  in  einem  chronologisch  geordneten  Verzeichniss  gelesen ,  das 
beweist  sein  Geständniss,  es  kann  also  nur  ein  systematisches  ge- 
wesen sein,  wo  sie  wahrscheinlich  vor  den  Tetrachromatikern  ge- 
standen haben  werden,  über  welche  unser  Autor  eine  seiner  schönsten 
Dummheiten  gesagt  hat'**).  Von  dieser  Technik  hören  wir,  soviel 
ich  weiss,  nur  noch  einmal  und  zwar  von  Plinius  selber,  der  35,  64 


")  Im  folgenden  Buche  15  hat  er  aber  dieselbe  völlig  vergessen ,  da  er 
von  der  Marmorbildhauerei  daselbst  anmerkt:  Non  oviittendum  hanc  artevi  tanto 
veiustiorem  fuisse  qitam  picturam  aut  statuariam,  quarum  utraque  cum  Phidia  coepit 
octogesima  tertia  olyvipiade,  post  annos  circiler  CCCXXXII.  Ich  kann  darin  nichts 
sehen,  als  was  bereits  Furtwängler  S.  17  darin  sah,  das  »naive  Bestreben  des 
Plinius,  jeweils  der  Kunst,  von  der  er  gerade  spricht,  das  höchste  Alter  zu  vindi- 
ciren«.  Als  Beispiel  solcher  Naivetät  mögen  hier  drei  Stellen  aus  dem  36.  Buche 
nebeneinander  gehalten  werden: 

20.  sed  ante  omnia  est  nön  solum  Praxitelis  verum  in  toto  orhe  terraruvi 
Venus  .  . . 

26.    . .  .praeterea   Venus  (von  Scopas)  Praxiteliam  illam  antecedens. 

37.  (vom  Laocoon)  opus  omnium  et  picturae  et  statuariae  artis  praefere^iduvi. 
Robert,  arch.  Märchen  S.  26,  sch'iesst  aus  diesem  Widerspruch  zu  viel,  gibt  er 
doch  S.  62  und  S.  159  seines  Buches  selbst  ein  hübsches  und  lehrreiches  Beispiel. 

'^)  35,  50:  Quattuor  coloribus  solis  immortalia  illa  opera  fecere  —  ex  albis 
Melino,  e  silaciis  Attico,  ex  ruhris  Sinopide  Pontica,  ex  nigris  atraviento  —  Apelle.i, 
Aetion,  Melanthius,  Nicomachus  clarissimi  pictores  cet.  Folgt  die  unveVmeidliche 
Diatribe  auf  den  zeitgenössischen  Luxus.  An  diese  Mittheilung  erinnert  er  35,  92 
die  Leser  vor  dem  coloristisch  so  wirksamen  ephesischen  Porträt  Alexanders  mit 
dem  Blitze   von  Apelles :    legentes    meminerint    omnia    ea    quattuor   coloribus  facta. 


204 

über  Zeuxis  berichtet:  1)1111x11  et  monochromata  ex  alho.  Das  ex  kann 
keinen  anderen  Sinn  geben,  als  dass  die  Farbe  ausgespart  worden  ist, 
also  das  gleiche  Verfahren,  das  der  rothfigurigen  Technik  zu  Grunde 
liegt.  Hinter  diese  unsere  drei  Meister  hinabzudrücken,  halte  ich 
für  völlig  ausgeschlossen. 


Literarische  wie  monumentale  Zeugnisse  verkünden  vereint 
die  Existenz  einer  alten  korinthisch- sikyonischen  Malerschule  und 
nöthigen  uns,  die  seltsame  Vorstellung  aufzugeben,  als  ob  an  der 
Wende  zum  vierten  Jahrhundert  der  alt  einheimischen  ehrwürdigen 
Erzgiesserzunft  eine  neugeschaffene  Malergilde  auf  den  Ruf  eines 
Mannes  urplötzlich  zur  Seite  getreten  wäre.  Sie  sind  beide  der- 
selben Wurzel  entstammt.  Gleichwie  jene  ihren  Ursprung  von  den 
Söhnen  des  Dädalos  ableitete  und  in  ihm  ihren  fipui<;  KTicTTriq  an- 
erkannte, so  knüpft  auch  die  letztere  an  ihn  an.  Eucheir,  des  Dädalos 
Verwandter,  ist  nach  Aristoteles  der  Erfinder  der  Malerei,  und  da- 
mit hat  das  geschwisterliche  Verhältnis  beider  Schulen  seinen  mythi- 
schen Ausdruck  gefunden.  Den  Heros  Dädalos  nennt  auch  Kimon 
von  Kleonä  selbst  in  dem  köstlichen  Epigramm,  das  uns  die  An- 
thologie aufbewahrt  hat,  und  die  Art,  wie  er  ihn  nennt,  lehrt  deut- 
lich, dass  auch  er  als  Dädalide  sich  betrachtet  hat: 

ouK  dbaiic;  efpotvjje  Kifioiv  xdbe,  iravTi  b    i-a   epYUJ 

)LiOu|uo(;,  öv  oub'  fipuj(;  AaibaXo<^  eSecpuYev. 
Ich  will  es  hier  nur  gleich  hinzusetzen,    dass   ich    mit    dieser  Auf- 
fassung des  Epigrammes  nicht  allein  stehe  und  wohl  im  Zusammen- 
treffen mit  Franz  Studniczka  eine  besonders  erfreuliche  Bestätigung 
erblicken  darf'^). 


In  seiner  Quelle  stand  aber  genau  das  Umgekehrte,  da  waren  diese  Meister  als 
solche  gedacht,  die  nicht  mehr  mit  vier  Farben  malten,  wie  Ciceros  genaueres 
Citat  beweist,  das  auf  die  gleiche  Stelle  zurückgeht.  Brutus  18,  70  =  Overb. 
Schriftq.  1067:  similis  in  piclura  ratio  eat  in  qua  Zeuxin  et  Polygnotum  et  Timan- 
them  et  eorutn  qui  non  sunt  nsi  plus  quam  qualtuor  coloribus,  formas  et  lineamenta 
lavdamus ;  at  in  Aetione,  Nicomacho,  Protogene,  Apelle  iani  pierfecta  sunt  omnia. 
Von  vier  Namen  sind  drei  bei  Plinius,  nur  für  Protogenes  hat  er  Melanthios.  Es 
standen  wohl  alle  fünf  in  der  Vorlage,  die  auch  als  Tetrachromenmaler  mehr  als 
die  drei  mit  Namen  genannt  haben  wird,  welche  das  e*  eorum  verschweigt. 

")  Vergl.  Studniczka  a.  a.  O.  S.  153.  Das  Zeugniss  des  Aristoteles  wider- 
legt sclilagend  Roberts  Erörterungen  von  dem  „Märchen"  der  Dädaliden.  Aber 
auf  Urlichs  Auseinandersetzungen  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  S.  3  n.  4  rauss  ich 


205 

Der  grosse  Pinakesfund  von  Pente  -  Skuphia  lehrt  uns  an- 
schaulich, wie  das  Gefühl  regster  Zusammengehörigkeit  von  Anfang 
an  die  einzelnen  Techniken  der  bildenden  Kunst  hier  durchdringt. 
Er  hat  uns  in  die  günstigste  Lage  versetzt,  die  wir  uns  wünschen 
konnten,  die  altkorinthische  Malerei  des  siebenten  Jahrhunderts 
selbst  über  diese  Fragen  vernehmen  zu  können.  Sie  plaudert  ganz 
unbefangen  von  ihren  Geschwistern.  Am  nächsten  steht  ihr  die 
Töpferei.  Die  Pinakes  zeigen  uns  den  Töpfer  an  der  Drehscheibe, 
den  Töpferofen,  sogar  einmal  im  Durchschnitt,  um  nur  recht  deut- 
lich zu  sein,  dann  das  mit  Thongefässen  beladene  Schiff,  und  der 
einzige  Künstlername,  den  sie  uns  bieten,  stand  schon  lange  in 
unseren  Verzeichnissen  der  Vasenmaler.  Die  Metallarbeit  findet 
auch  in  zahlreichen  und  überaus  lebendigen  Schilderungen  des 
Bergbaues  und  des  Schmelzens  im  Hochofen  ausführliche  Erwäh- 
nung. Vereinzelt  tragen  diese  Fragmente  auch  plastischen  Schmuck 
in  enger  Vereinigung  mit  dem  malerischen. 

Die  Pinakes  sind  erheblich  älter  als  die  Einwanderung  der 
kretischen  Dädaliden  in  die  korinthische  Landschaft.  Sie  reprä- 
sentiren  eine  Kunst,  deren  mythischer  Feingehalt  noch  sehr  gering 


hier  desshalb  eingehen,  weil  ihnen  so  oft  nachgesprochen  wird,  dass  ich  mich  doch 
endlich  wehren  oder  unterwerfen  muss.  Das  Streitobjekt  ist  das  xe  Kai  in  dem 
Urtheil  des  Pausanias  über  Onatas  5,  25,  13:  TÖv  b^  'Ovärav  toötov  o|uuj<;  Kai 
TEXvrjc;  ic,  xct  äydiXiaaTa  övra  AiYivaiaq  oöbevö^  üarepov  9riöO|nev  tuüv  dtirö  Aai- 
bäXov  xe  Kai  epYacfxripiou  xoO  'AxxikoO,  daraus  soll  die  Identität  derer  airö  Aai- 
ödXou  und  derer  dtrö  xoO  ipf.  x.  'A.  erwiesen  werden.  Dafür  werden  folgende 
Beispiele  aus  dem  I.Buche  des  Pausanias  beigebracht:  3,  1  ist  der  Heros  Keramos 
Aiovüöou  xe  Kai  'Apiüövriq,  11,  2  ic,  irpÖYOvov  xoOxov  dvdßaive  TTüppoc;  xe  ö 
AiaKiöcu  Kai  oi  tiüTlpec,.  Aber  Dionysos  wird  deswegen  nicht  Ariadne ,  Pyrrhos 
nicht  seine  Ahnen  und  dass  xe  Kai  die  „verwandtschaftliche  Abkunft"  bezeichnen 
soll,  ist  ihm  bisher  nicht  zugemuthet  worden.  Ernstlicher  ist  der  Einwand  «da 
eine  Negation  vorhergeht,  müsste  es  heissen  entweder:  ovbä  xujv  äiTÖ  AaibdXou 
ouxe  epYöcrxripiou  x.  'A.  oder  x.  d.  A.  oübe  e.  x.  'A."  Gewiss  würde  diess  das 
Gewöhnliche  und  Kegelrechte  sein.  Das  Fehleu  der  Negation  zwischen  beiden 
Gliedern  beweist  nur  ihre  enge  Zusammengehörigkeit,  die  dem  dritten  gegenüber 
scharf  hervortritt,  nicht  ihre  Identität.  Wir  sagen  ja  auch  z.  B. :  es  ist  weder  roth 
noch  grün,  noch  blau,  aber  wir  sagen  auch:  es  ist  weder  roth,  noch  grün  und  blau, 
weil  grün  und  blau  einander  näher  stehen  als  dem  roth.  Dass  uns  in  der  Stelle 
etwas  anderes  mehr  interessirt,  als  das  was  Pausanias  Interesse  erregte,  ist  eine 
Sache  für  sich.  Ich  hätte  mich  mit  der  Uebersetzung  „Dädaliden  und  der  atti- 
schen Kunstgilde"  zufrieden  geben  sollen.  Ich  habe  Arch.-epigr.  Mitth.  V  S.  90 
erklärt,  dass  ich  mich  mit  ihr  zufrieden  geben  kann,  „denn  auch  sie  trennt  Däda- 
liden und  attische  Kunstgilde". 


206 

ist,  und  die  dem  hesiodeisclien  Schilde  weit  näher  steht  als  der 
korinthischen  Kypsele.  Um  so  werth voller  ist  das  Zeugniss,  das 
sie  für  die  gleichzeitige  Plastik  und  Toreutik  abgibt.  Für  die 
nächste  Folgezeit  zeigt  uns  jede  korinthische  Vase  die  stricteste 
Abhängigkeit  in  Technik  wie  in  Typus  von  den  Werken  jener 
Schnitzorgilde,  die,  soweit  ihre  Wirkung  räumlich  reichte,  das  ganze 
künstlerische  Schaffen  gründlich  umgestaltet  haben. 

Wenn  den  griechischen  Kunsthistorikern  die  Erfindung  der 
Malerei  als  zwischen  Korinth  und  Sikyon  strittig  gelten  konnte,  so 
liegt  darin  für  uns  selbstverständlich  kein  Anlass,  einen  Gegensatz 
der  künstlerischen  Entwicklung  in  beiden  Städten  zu  suchen.  Dazu 
liegen  sie  allzu  eng  beisammen,  und  wie  das  Alphabet  hüben  und 
drüben  das  gleiche  ist,  so  haben  sie  trotz  aller  politischen  Selb- 
ständigkeit für  die  Kunstgeschichte  nur  als  ein  Gebiet  zu  gelten. 
Korinth  und  Sikyon  treten  in  die  Erbschaft  von  Mykenä  und  Argos 
ein.  Erst  zum  Schlüsse  einer  langen  Entwicklung  wird  Sikyon 
endgültig  zum  Centrum  der  peloponnesischen  Kunst,  in  dem  Augen- 
blicke, als  die  aufblühende  Erzgusstechnik  eines  solchen  festen 
Mittelpunktes  bedurfte.  Es  ist  in  hohem  Grade  bezeichnend,  wie 
Kleisthenes,  der  das  Bundesverhältniss  zu  Korinth  aufrecht  hielt, 
die  geistigen  Bande  zwischen  Sikyon  und  Argos  völlig  zu  lösen 
sich  mühte;  und  doch,  kaum  hundert  Jahre  nach  seinem  Tode  holt 
sich  Argos  seinen  vollen  Antheil  an  der  sikyonischen  Kunst  wieder 
zurück.  Es  ist  auch  nicht  weniger  bezeichnend,  dass  die  ältesten 
der  Dädaliden  in  gleicher  Weise  wie  am  Hofe  der  Orthagoriden 
in  Sikyon,  an  den  Höfen  der  Kypseliden  zu  Korinth  und  Ambrakia 
ihre  Thätigkeit  entfalten  und  Argos  und  Kleonä  mit  ihren  Werken 
füllen. 

Die  Legende  erklärt  die  weiten  Wanderungen  der  Kunst  immer 
wieder  durch  die  Verfolgung  der  Künstler.  Wie  Dipoinos  und 
Skyllis  aus  Sikyon,  so  fliehen  aus  Korinth  den  selbstverständlich 
kunstfeindlichen  Tyrannen  Kypselos  Eucheir,  Eugrammos,  Diopos 
und  Ekphantos  und  ziehen  nach  Italien.  Es  folgt  aber  daraus, 
dass  die  Italienfahrt  dieser  altkorinthischen  Künstler  legendarisch 
ist,  nicht  dass  auch  sie  ganz  und  gar  der  Legende  angehören. 
Für  die  ersten  drei  hat  man  das  ganz  allgemein  angenommen  und 
zwar  auf  Grund  der  Namen,  aber  Künstlernamen  wie  Eucheir  und 
Euergos  finden  wir  in  archaischer  Zeit  ganz  sicher  bezeugt,  und 
Diopos  ist  ein  Eigenname  so  gut   wie    ein   anderer    und    löst    sich 


207 

im  kritischen  Scheidewasser  nicht  auf'*).  Bezüglich  Ekphantos 
kann  davon  gar  nicht  die  Rede  sein.  Wir  haben  früher  bemerkt, 
dass  dasjenige,  was  von  ihm  gemeldet  wurde,  auf  bezeugte  Werke 
sicher  schliessen  Hess  '^),  und  ihn  zeitlich  nach  Aridikes  und  Tele- 
phanes  einzuordnen  versucht.  Auch  Kratons  von  Sikyon  müssen 
wir  noch  erwähnen.  Die  Nachricht  des  Athenagoras,  er  habe  die 
schwarzen  Figuren  eines  Mannes  und  einer  Frau  auf  einen  weiss 
überzogenen  Pinax  gemalt,  klingt  sehr  glaublich,  und  Robert  hat 
dabei  auf  schwarzfigurige  Malerei  auf  Pfeifenthongrund  hingewiesen. 
Diese  Technik  nöthigt  uns  aber  keinesfalls,  unseren  Meister  viel 
später  als  die  vorher  erwähnten  anzusetzen  und  der  Gegenstand 
wohl  auch  nicht'").  Er  gemahnt  uns  doch  zunächst  an  die  Paare 
auf  der  olympischen  Kypsele  und  auf  der  spartanischen  Basis. 
Etwas  mehr  erfahren  wir  von  Bildern  des  Kleanthes  und  Aregon. 
Strabo  erwähnt  als  sehr  berühmte  Gemälde  dieser  beiden  korin- 
thischen Meister  im  Tempel  der  Artemis  Alpheionia  und  zwar  vom 
ersteren  eine  lliupersis  und  eine  Athenageburt,  von  dem  letzteren 
eine  Artemis  auf  einem  Greifen.  Die  Quelle  Strabos  ist  wohl  De- 
metrios,  aus  dessen  TpuuiKo«;  bmKOOjjLoq  Athenäus  (VIII  346  C)  ein 
Detail  des  Athenageburtbildes,  den  Poseidon  Büvvov  xiu  Aü  rrpocT- 
qpepuuv  ujbivovTi,  erwähnt.  Der  Ausdruck  dvaKei|uevri  an  dieser 
Stelle  macht  es  allein  schon  wahrscheinlich,  dass  wir  uns  diese 
Bilder  nicht  als  Wandbilder,  sondern  als  einfache  Votivtafeln  vor- 
zustellen haben,  und  ich  denke,  sie  werden  die  einzigen  an  dieser 
Stelle  nicht  gewesen  sein  und  ihre  Hervorhebung  vor  Allem  der 
Künstlerinschrift  verdanken.  Ihren  hochalterthümlichen  Charakter 
erweist  schon  der  Umstand,  dass  man  Kleanthes  die  Erfindung 
der  Malerei  zuschreiben  konnte,  und  es  ist  kaum  anzunehmen, 
dass    sich    seine   zwei  Bilder    von    der    im    siebenten    Jahrhunderte 


'^)  Eucheiros  als  Vasenfabrikant  und  Euergos  als  Bildhauer  und  Ziegel- 
fabi-ikant  sind  die  nächsten  Analogien  hiefür.  Auch  Eueheir,  Eubulides  Sohn,  und 
Eubulides,  Eucheirs  Sohn,  sind  bekanntlich  durchaus  real. 

''")  Den  Melier  Ekphantos  der  coluvma  Ncmiana  Löwy,  Inschr.  gr.  Bildh.  5,  und 
seinen  Landsmann  der  entsprechenden  Inschrift  L(3wy  25  hat  Studniczka  für  Vasen- 
oder Pinakesraaler  erklärt.  Ich  kann  ihm  hierin  um  so  lieber  beistimmen,  als  ich 
gleichfalls,  freilich  zu  spät  für  meine  Meistersignaturen,  zur  Einsicht  gekommen 
bin,  dass  die  beiden  Säulen  melische  Thongefässe  tiugen.  Seiner  Identificirung 
der  beiden  Ekphantos  kann  ich  aber  nicht  folgen. 

"')  lieber  das  Alter  und  die  Verbreitung  dieser  Technik  vergleiche  Puchstein, 
Arch.  Zeit.  1881  S,  221. 


208 

üblichen  Darstellungsweise  dieser  Stoffe  viel  unterschieden  haben 
werden.  Der  Poseidon  mit  dem  von  Demetrios  so  arg  missver- 
standenen Thunfisch  begegnet  doch  auch  auf  den  Pinakes  von  Pente- 
Skuphia.  Dagegen  ist  die  Artemis  dvaq)epo)uevii  erri  ^pvTxöc,  etwas 
so  völlig  vereinzeltes,  dass  man  auch  hier  ein  Missverständniss 
desselben  Exegeten  wird  vermuthen  dürfen.  Die  späten  Darstel- 
lungen des  auf  einem  Greifen  reitenden  Apollo  beweisen  für  einen 
altkorinthischen  Pinax  sehr  wenig.  Hier  wird  man  zunächst  an  den 
geflügelten  thiertragenden  Typus  denken  und  wenn  auch  Artemis 
in  dieser  Verbindung  mit  dem  Greifen  bisher  nicht  nachgewiesen 
werden  kann,  so  werden  wir  vielleicht  annehmen,  dass  Hirsch, 
Steinbock,  Löwe,  Panther,  Hase,  Vögel  noch  nicht  alle  zulässigen 
Combinationen  erschöpfen  '').  Artemis  mit  Vögeln  bietet  auch  ein 
Stück  unserer  Pinakes.  Indessen  das  letzte  Wort  wird  auch  hier 
wohl  einmal  noch  die  monumentale  Ueberlieferung  sprechen. 

Zu  diesen  literarisch  genannten  Meistern  der  altkorinthisch- 
sikyonischen  Malerschule  können  wir  noch  die  sich  selbst  nennen- 
den Chares  und  Timonidas  hinzufügen  und  wohl  auch  noch  des 
ersteren  Vater  Bias.  Auch  sie  sind  nicht  später  als  in  der  ersten 
Hälfte  des  VI.  Jahrhunderts  anzusetzen,  während  ein  Theil  der 
vorher  genannten  Namen  noch  dem  VII.  Jahrhundert  angehört. 

Und  nun  zu  Kimon  von  Kleonä.  Es  wird  kaum  nöthig  sein, 
über  ihn  ausführlicher  zu  handeln,  da  er  in  jüngster  Zeit  bereits 
mehrfach  Gegenstand  eingehender  Untersuchung  gewesen  ist,  ich 
nenne  zunächst  Winters  Studie  über  Vasen  mit  Umrisszeichnung '^) 
und  Studniczkas  Behandlung  im  Antenoraufsatze '''j;  aber  ich  darf 
es  mir  doch  gestatten,  die  betreffenden  Worte  des  Plinius  noch 
einmal  auszuschreiben  (35,  56) :  ...  quique  inventa  eius  (des  Eu- 
mares)  excoluerit  Cimonem  Cleonueum.  hie  catagrapha  invenit,  hoc 
est  obliquas  imagines,  et  varle  formare  voltus,  respictentes,  suspicientesve 
vel  despicientes.  articulis  membra  disfinxi't,  venas  protidif,  praeterque  in 
veste  rugas  et  sinus  invenif.  Ich  habe  früher  darzulegen  versucht, 
dass  alle  die  von  Plinius  angeführten  Neuerungen  auf  den  Vasen 
des   epiktetischen  Kreises   wiederkehren,   und   demnach   catagrapha 


")  Arch.  Zeit.  1854  Taf.  61—63;    Milclihüfer,  Auf.  d.  gr.  K.  S.  86;   Antike 
Denkmäler  I  Taf.  VII  12.     Vergl.  Berliner  philol.  Wochenschrift  1887  S.  1647. 
'")  Arch.  Zeit.  1885  «.   187. 
•«;  A.  a.  O.  S.  156. 


209 

nicht  so  erklärt,  wie  es  bei  Plinius  übersetzt  wird,  sondern  als 
Umriss  gedeutet.  Aber  gerade  dieser  Einwand  hat  den  lebhaftesten 
Widerspruch  hervorgerufen,  während  die  These  selbst,  so  viel  ich 
sehe  nur  mit  Ausnahme  Roberts,  bei  allen  auf  diesem  Gebiete 
thätigen  Gelehrten  Anklang  gefunden  hat.  Zunächst  hat  Winter  und 
ihm  folgend  P.  J.  Meier  und  Robert  für  catagrapha  die  plinianische 
Bewerthung  wieder  eingesetzt,  aber  ihre  Behandlung  der  Stelle 
sagt  es  am  besten,  wie  wenig  man  sich  bei  der  Angabe,  Kimon 
habe  die  Profilzeichnung  erfunden,  beruhigen  könne.  Studniczka 
stimmt  mit  mir  darin  überein,  dass  die  plinianische  Erklärung  nicht 
nothwendig  auch  die  richtige  sein  müsse,  und  deutet  auf  Grund  der- 
selben Stellen,  auf  die  hinblickend  ich  zu  meiner  Deutung  kam, 
catagrapha  mit  ?iProjection«  und  vermuthet  demnach  bei  Kimon 
Kenntnis  der  Linearperspective.  Er  beruft  sich  dabei  neben  Otfried 
Müller  auch  auf  die  älteren  Maler  rothfigurigen  Stiles,  die  «bekannt- 
lich" in  der  perspectivischen  Darstellung  der  Menschengestalt  grosse 
Fortschritte  gemacht  haben.  Ich  muss  gestehen,  davon  bisher 
nichts  bemerkt  zu  haben.  Aber  wie  es  sich  immer  mit  der  Deu- 
tung dieses  Wortes  auch  verhalten  möge,  als  feststehend  wird  der 
Zusammenhang  der  Umrisszeichnung  mit  den  übrigen  kimonischen 
Neuerungen  doch  gelten  müssen.  Ich  mag  hier  nicht  wiederholen, 
was  ich  an  anderer  Stelle  über  die  Bedeutung  dieses  Momentes 
gesagt  habe,  und  nur  auf  Winters  Einwurf,  es  sei  unwahrscheinlich, 
dass  die  Umrisszeichnung  in  der  grossen  Malerei  jemals  anders  als 
für  den  ersten  vorläufigen  Entwurf  verwendet  sein  sollte,  erwidern, 
dass  die  grosse  Malerei  dieser  Zeit  mit  der  Vasenmalerei  doch  wohl 
als  wesensgleich  betrachtet  werden  müsse  und  dass  auch  eine  leichte 
Colorirung,  wie  sie  das  Alabastron  des  Pasiades  zeigt,  das  Wesen 
der  Umrisszeichnung  keineswegs  aufhebt.  Die  colorirten  Holz- 
schnitte sind  ja  auch  darum  nicht  weniger  Holzschnitte.  Die  Lyseas- 
stele  aber  hat  meines  Erachtens  mit  der  neuen  Technik  so  gut  wie 
gar  nichts  zu  thun;  käme  es  nur  darauf  an,  ob  die  Figuren  hell 
auf  dunklem  Grunde  sich  abheben,  dann  gehörten  am  Ende  Männ- 
lein und  Weiblein  der  schwarzfigurigen  Vasen  zwei  verschiedenen 
Stilen  an. 

Ueber  Kimon  von  Kleonä  findet  sich  noch  eine  Notiz  bei 
Aelian  Vai^ia  historia  VIII  8:  Kijuuav  ö  KXeujvaTo^  eteipTctcJaTO  qpacTi 
Tiiv  Tfexvriv  Ttiv  YPCtcpiKfiv  UTToqpuoiaevriv  eii  Kai  dTe'xvuj(;  vuö  tujv  Ttpo 
aÜTOÖ  Ktti  dTTeipujq  eKTeXoujaevriv  Kai  Tpörrov  Tivd  ev  airapTÖtvoi^ 
Kai  YdXativ   oöcrav.     bid    Tauid    toi    Kai    |ui(76oi)q   tujv   npö   aiiToO 

Archäologisch-epigt'aphische  Mittb.  XI.  14 


210 

irpuJToq  eXaßev  dbpoiepout;.  Mit  dieser  Stelle  allein  lässt  sich  nicht 
viel  anfangen,  indess  findet  sich  bei  unserem  Schriftsteller  X  10 
das  anpassende  Stück.  Denn  es  kann  doch  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  die  folgenden  Worte:  "Oie  uTrnpxeTO  f]  YpaqpiKVi  rexvn 
Ktti  fjv  xpÖTTOV  Tivct  ev  Yö^^cHiv  Ktti  aTrapTotvoK;,  oÜTUjq  dpa 
dTexvuj(;  eiKalov  rd  Iwa,  ujare  eTirfpdcpeiv  auroTq  toij(;  Ypoi<pe«?  'toOto 
ßou<;,  eKeivo  itttto^,  toOto  bevbpov',  derselben  Quelle  entstammen  und 
dort  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  als  Einleitung  der  Notiz  über 
Kimon  gedient  haben.  Die  Fassung  verräth  so  deutlich  als  nur 
möglich  den  Ursprung  aus  einem  der  vielen  Bücher  irepi  eupr|)udTUJV, 
aber  auch  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  der  Ueberlieferung  bei 
Pliniiis  tritt  hervor.  Nur  knüpft  hier  Kimon  direct  an  die  ersten 
Anfänge  an,  wahrscheinlich  werden  Aridikes  und  Telephanes  nicht 
blos  gemeint  sondern  auch  genannt  gewesen  sein,  während  dort  der 
Athener  Eumares  in  den  korinthisch -sikyonischen  Zusammenhang 
störend  eingreift,  und  gerade  das  Werthvollste  in  der  plinianischen 
Ueberlieferung,  die  nüchterne  analytische  Stilbetrachtung  fehlt  völlig. 
Ich  halte  es  darum  für  wahrscheinlich,  dass  Aelians  Quelle  weiter 
hinaufgeht  und  vor  jene  Zeit  der  wissenschaftlichen  geschulten 
Kunstforschung  fällt,  von  welcher  Plinius  abhängig  ist,  und  möchte 
am  ehesten  auf  Theophrast  rathen.  Auf  welchen  Umwegen  eine 
Nachricht  von  da  zu  Aelian  kommen  konnte,  zeigt  das  Stemma  bei 
Felix  Rudolph  S.  IS?**").  Eine  Vermehrung  unseres  Wissens  vom 
kleonäischen  Meister  bieten  uns  die  Worte  freilich  nicht,  denn  die 
Angabe  seiner  besseren  Bezahlung  ist  eine  müssige  Folgerung  ge- 
scheuter Leute  vom  Werthe  auf  den  Preis ;  hätte  er  auch  wirklich, 
wie  Arkesilas,  des  Aristodikos  Sohn,  einmal  die  Quittung  mit  ins 
Epigramm  gesetzt,  von  dieser  Seite  erführen  wir  nichts  davon.  Die 
Lücken  unseres  Wissens  bieten  hier  der  Combination  dankbaren 
Stoff,  und  so  hat  es  denn  Studniczka  versucht,  den  Schauplatz  von 
Kimons  Wirken  nach  Athen  zu  verlegen,  wohin  er  ihn  zur  Zeit 
des  Peisistratos  einwandern  lässt,  und  vermuthet,  dass  aus  der 
Perserkatastrophe  Bilder  von  ihm  durch  Restauration  gerettet  worden 
seien.  Auch  für  Beziehungen  zur  nesiotischen  Plastik  daselbst 
glaubt  er  Anhaltspunkte  zu  finden.  Dümmler  hat  seine  Zustim- 
mung ausgesprochen'^^),  ich  kann  aber  diesen  Vermuthungen  nicht 


^°)  Leipziger   Studien    zur  class.  Philologie  VII.  Bd. :  De  fontibus  quibus  Ae- 
lianua  in  varia  historia  componenda  usus  ait 
")  Arch.  Jahrb.   1887  S.  175 


211 

folgen.  Auch  Winters  Zeitansatz ,  der  auf  Grund  der  Lyseasstele 
Kimon  vor  die  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  hinaufrückt,  scheint 
mir  unzulässig.  Ich  glaube  die  Chronologie  Kimons  nur  danach 
bestimmen  zu  dürfen,  dass  er  nach  Eumares  und  in  Zusammenhang 
mit  dem  epiktetischen  Kreise  anzusetzen  ist.  Und  über  beides 
werde  ich  noch  zu  handeln  haben. 

Das  Epigramm  unseres  Meisters  hat  Schule  gemacht.  Mag 
das  )LUJU)Lir|aeTai  riq  juäWov  f|  )ui)Liri(JeTai  Apollodors  und  vielleicht  auch 
des  Zeuxis  wirklich  auf  Theognis  369  f.  zurückgehen  ^^)  und  in  der 
glücklichen  Fassung,  die  ihm  wer  weiss  wer  gab,  zum  beliebten 
Motto  geworden  sein,  das  d|ua))ur|Tov  b'  oubev  e'Y€VTo  ßpOToTc;  des 
Parrhasios  lehnt  sich  an  Kimon  an.  Aber  weit  inniger  noch  das 
Epigramm  eines  Iphion  von  Korinth ,  von  dem  wir  nichts  als  die 
zwei  Epigramme  Anth.  Pal.  XIII  17  u.  IX  757  kennen.  Das  eine: 
'Icpiujv  (töö')  ^■xpa\\)ev  iä  xepi,  töv  TroKa  liboip 
Gpeqje  TTeiptivriq  diro 
trägt  den  Localpatriotismus  so  stark  auf,  wie  nur  irgend  eines  der 
nesiotischen  Bildhauer,  zunächst  gewiss  aus  ähnlichem  Grunde ;  ob 
aber  nicht  auch  ein  gut  Stück  Rivalität  gegen  seine  lieben  sikyoni- 
sehen  und  kleonäischen  Vettern  darin  steckt?  Ich  glaube,  dies 
sagt  das  zweite  klärlich.     Es  lautet: 

'Iqpiujv  TÖb'  e'fpaijje  KopivOio^*  ouk  evi  )liuj|uo(; 
Xepcriv,  eirei  böEaq  epT«  ttoXu  ixpocpipei. 
Es  ist  längst  bemerkt  worden,  dass  hier  das  kimonische  Epigramm 
directe  Voraussetzung  ist*'''^),  aber  der  Schluss,  den  man  zunächst 
daraus  gezogen  hat,  dass  beide  Epigramme  nicht  authentisch  seien, 
bedarf  heute  keiner  Widerlegung  mehr.  Die  Zusammengehörigkeit 
Iphions  mit  Kimon  beweist  es  klar,  und  das  hat  auch  Bergk  ge- 
sehen, wenngleich  seine  Vermuthung,  derselbe  habe  in  dem  Tempel 
mit  Kimon  und  Dionysios  gearbeitet,  unbeachtet  bleiben  muss. 
Aber  dennoch  mag  es  nicht  unnöthig  sein,  diese  Zusammengehörig- 
keit auch  heute  zu  betonen,  zumal  beide  Meister  in  der  Overbeck- 
schen  Schriftquellensammlung  durch  nicht  ganz  6UU  Nummern  von 
einander  getrennt  erscheinen. 

Hieher  möchte  ich  auch  Deinias^    Hygiainon  und  Charmadas 
setzen,    von    denen  ich  oben  gehandelt  habe.     Der  dorische  Name 


')  Benndorf,  de  anth.  gr.  epigr.  S.  27. 
')  Benudorf  a.  a.  O.  S.  30. 

14* 


212 

des  letzteren  ist  allerdings  der  einzige  Anhaltspunkt  hiefür,  dann 
verdankt  Plinius  die  Kenntniss  der  Namen  in  letzter  Linie  Poleraon. 
Aber  wenn  es  auch  immerhin  gelingen  möchte ,  noch  einen  oder 
den  anderen  Malernamen  in  die  Liste  der  altsikyonischen  Schule 
einzureihen,  die  Lücke  zwischen  ihr  und  der  neueren  Schule  ist  zu 
gross ,  um  dadurch  geschlossen  zu  werden.  Daran  ist  aber  nicht 
zu  zweifeln,  dass  diese  Lücke  eben  nur  in  unserer  Ueberlieferung 
besteht.  Müssen  wir  doch  auch  für  den  Meister,  welcher  den  Ueber- 
gang  zwischen  beiden  vermittelte,  Timanthes,  den  Nachweis  seines 
Sikyonierthums  erst  erbringen. 

Bekanntlich  liegen  über  die  Heimat  des  Timanthes  zwei  ver- 
schiedene Angaben  vor.  Eustathios  nennt  ihn  bei  der  Erwähnung 
seines  Iphigenienbildes  ö  ZiKUuuvioq  YPöcp£u<S-  Gewiss  mit  Recht.  So 
heisstnochzuAratos  Zeiten,  also  sechs  Y^veai  später,  ein  hervorragender 
sikyonischer  Maler,  und  das  deutet  verständlich  darauf  hin,  in  unserem 
Timanthes  den  Ahnherrn  eines  kräftigen  Künstlergeschlechtes  zu  er- 
blicken, welchem  mancher  der  uns  überlieferten  sikyonischen  Maler- 
namen angehören  mag'^^).  Aber  er  stammte  vielleicht  aus  Kythnos? 
So  hat  man  seit  Brunn  die  Angabe  Quintilians,  Timanthes  ut  opinor 
Cylhnius ,  mit  der  eustathischen  in  Einklang  zu  bringen  gesucht. 
Es  ist  nicht  blos  die  Unsicherheit  des  Autors,  welche  mir  diese  Nach- 
richt zweifelhaft  macht,  sondern  vor  allem  der  Umstand,  dass  so- 
wohl Eustathios  wie  Stephanos  von  Kythnos  erzählen ,  es  habe 
neben  seinem  bekannten  Käse  auch  den  Maler  Kydias  producirt, 
und  der  konnte  doch  allein  nur  genannt  werden,  wenn  ein  Meister 
ersten  Ranges  aus  Kythnos  eben  nicht  zur  Hand  war.  Ich  möchte 
daher  die  Vermutliung  wagen,  die  Angabe  Quintilians  verdanke 
ihre  Entstehung  einer  Verderbniss  der  ihm  vorliegenden  Ueberlie- 
ferung. Wie  leicht  konnte  (etwa  in  einer  Künstlerinschrift)  zekvonioz 
zu  KV0NIO2  verlesen  werden.  Ich  kann  daher  nicht  wie  Robert 
glauben,  dass  Antigonos  unserem  Meister  den  Platz  in  der  asiati- 
schen Schule  zugewiesen  habe,  zumal  auch  noch  das  einzig  übrig 
gebliebene  Indicium,  sein  ephesisches  Bild  versagt.  Es  hat  nur  die 
Autorität  des  Tzetzcs  für  sich,  und  wieviel  diese  werth  ist,  wird  sich 
sofort  ebenso  deutlich  als  sonst  zeigen.  Ptolemaios  Hephaistion 
erwähnte   im    \.   Buche   seines   Anekdotenschatzes   ein    zu  Ephesos 


'^')  Bereits  Bruun,  Künstlerg.  II  290,  denkt  an  einen  Familieuzusamnienhang' 
der  beiden  Timanthes  und  verrauthet  in  dem  jüngeren  den  Begleiter  des  Aratos 
auf  seiner  ägyptischen  Reise. 


213 

befindliches  Bild,  welches  die  Ermordung  des  Palamedes  darstellte 
und  Alexander  dem  Grossen,  als  er  die  dortige  Galerie  besuchte, 
einen  peinlichen  Eindruck  gemacht  haben  soll,  weil  der  König  eine 
merkwürdige  Aehnliclikeit  zwischen  dem  Ermordeten  und  einem 
seiner  Günstlinge  fand*^^).  Den  Namen  des  Malers  hat  Ptolemaios 
nicht  genannt,  weil  er  nichts  zur  Sache  that,  denn  dass  ihn  Photius 
zu  excerpiren  vergessen  haben  soll,  ist  doch  nicht  wahrscheinlich. 
Tzetzes  erzählt  dieselbe  Geschichte  Chil.  VIII  198  unter  dem  Schlag- 
wort TTepl  TTappacriou  in  folgender  Verballhornung.  Alexander  wird 
zu  Ephesos  durch  den  Anblick  dreier  Bilder  erschüttert;  es  sind 
diese:  der  Megabyzos  des  Parrhasios,  der  Menelaos  des  Zeuxis 
und  der  Palamedes  des  Timanthes.  Nun  ist  das  erste  Bild  nicht 
von  Parrhasios,  sondern  von  Apelles,  wie  Plinius  35,  99  längst  hätte 
lehren  können ;  den  Menelaos  am  Grabe  seines  Bruders  von  Zeuxis 
halte  ich  für  ebenso  glaubwürdig,  als  die  damit  verbundene  Nach- 
richt, dass  derselbe  ein  Ephesier  gewesen  sei,  und  das  Bild  des 
Timanthes  ist,  wie  bereits  bemerkt,  bei  Ptolemaios  Hephaistion 
anonym.  Diesen  Schriftsteller  scheint  Tzetzes  gut  zu  kennen,  Chil. 
VIII  397:  El'  TTOU  TÖv  'HcpaiöTioiva  Yivuu(JKei(;  TTTo\e)LiaTov ,  dennoch 
gibt  er  hier  als  seine  Quelle  die  Ephemeriden  des  Aischron  von 
Mytilene  an,  also  eine  Alexander  zeitgenössische  Schrift;  das  ist 
doch  eine  sehr  durchsichtige  Lüge,  und  sie  legt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  schon  Ptolemaios  sich  auf  diesen  berufen  habe.  Aber 
der  Umstand,  dass  von  Timanthes  nur  wenige  Bilder  erwähnt  werden, 
soll  uns  nicht  zum  Verzicht  auf  kritische  Betrachtung  der  Ueber- 
lieferung  ermuntern,  noch  weniger  aber  gibt  er  uns  das  Recht,  die 
Zahl  derselben  mit  schlechten  Vermuthungen  zu  vermehren,  und 
deshalb  bitte  ich  Nr.  2  bei  Overbeck  =  3.  Bild  bei  Brunn  von 
der  Liste  einfach  zu  streichen.  Die  Sache  liegt  ja  einfach  genug. 
Parrhasios  wird  zu  Samos  im  Wettkampf  besiegt,  von  Timanthes, 
wie  Plinius  durchaus  glaubwürdig  berichtet,  während  Athenäus, 
Eustathios  und  Aelian  den  glücklichen  Sieger  verschweigen.  Er 
hatte  den  Aias  gemalt,  welcher  dem  Odysseus  im  Waffenstreit  unter- 
liegt, und  rächte  sich  nun  mit  dem  guten  Worte,  es  thue  ihm  nur 
um  seinen  Helden  leid,  der  jetzt  zum  zweiten  Male  von  einem 
Unwürdigen  besiegt  worden  sei.  Das  hätte  nun  gar  keinen  Sinn, 
wenn  das  Bild  des  Gegners,   von  dem  wir  nicht  das  Geringste  er- 


'*)  Er  hiess  Aristonikos  und  war  der  Genosse  Alexanders  im  Ballspiele ;  von 
seinen  Ehren  Athenäus  I  p.  19  A. 


214 

fahren,  den  gleichen  Gegenstand  vorgestellt  hätte.  Dann  hcätte 
Parrhasios  wie  sein  Heros  sich  selbst  besiegen  und  vor  dem  Urtheil 
verneigen  müssen.  Von  den  drei  übrig  gebliebenen  Bildern  des 
Timanthes,  es  sind  die  drei  von  Plinius  erwähnten,  weiss  ich  zu- 
nächst mit  dem  Heros  im  Friedenstempel  zu  Rom  nichts  anzufangen. 
Dass  er  ein  schöner  Mann  war,  glaubt  man  dem  Epigramm,  welches 
man  aus  dem  Plinius  heraus  hört,  gern.  Aber  wer  er  war,  erfährt 
man  daraus  nicht,  und  an  einen  blos  akademischen  Heroen  denkt 
natürlich  niemand.  Vielleicht  war  es  ein  Siegerbild,  wie  das  einzig 
uns  überlieferte  Werk  seines  Nachfolgers  Eupompos.  Von  seinem 
Kyklops  erfahren  wir  mehr,  es  war  ein  kleines  Gemälde,  und  die 
Grösse  des  schlafenden  Unholdes  war  auf  gefällige  Weise  dadurch 
zum  Ausdruck  gebracht,  dass  Satyrn  mit  einem  Thyrsos  die  Mes- 
sung seines  Daumens  unternahmen.  Robert  glaubt  hier  den  Ein- 
fluss  des  euripideischen  Satyrspieles  zu  entdecken,  welches  die  eigent- 
liche Veranlassung  zu  dem  launigen  Einfall  des  Malers  gewesen 
sei,  und  wenn  er  hiefür  geltend  macht,  dass  Polyphem  sonst  nir- 
gends mit  Satyrn  zusammenkomme,  so  scheint  mir  das  wohl  be- 
stechend aber  keineswegs  zwingend.  Die  Satyrn  hier,  denen  der 
Riese  etwas  fremdes,  neuentdecktes  ist,  zu  dem  sie  sich  verhalten 
ganz  wie  die  Pygmäen  zum  schlafenden  Herakles,  sind  nicht  aus 
den  Sklaven  des  Polyphem  abzuleiten,  und  Odysseus  wäre  dann 
auch  allzu  real  der  —  Niemand.  Herakles  und  die  Pygmäen,  die 
Löwin  mit  der  sie  umspielenden  Erotenschaar  des  Arkesilaos,  die 
Nilbilder,  das  sind  die  nächsten  Geistesverwandten  dieses  Polyphem, 
der  nicht  der  Odyssee  und  Odysseus ,  sondern  Galatea  und  dem 
Idyll  angehört.  Den  Namen  Timanthes  hier  anzutasten ,  bin  ich 
nicht  genöthigt.  Dies  Räthsel  löst  sich  von  selbst,  wenn  wir  uns 
nur  daran  wieder  erinnern,  dass  der  Meister  des  Iphigenienbildes 
nicht  der  einzige  dieses  Namens  war.  Als  Meister  des  Iphigenien- 
bildes kannte  ihn  das  ganze  Alterthum ,  und  auf  diese  Thatsache 
beschränkt  sich  fast  unser  Wissen  von  Timanthes.  Der  Sieg,  welchen 
er  damit  über  Kolotes  von  Teos,  der  den  or  zu  Samos  über  Par- 
rhasios davon  trug,  lehrt  uns  nichts  weiter,  als  da?s  er  auch  seiner 
Zeit  genug  gethan  hatte,  was  uns  aber  über  seine  künstlerische 
Weise  gemeldet  wird,  das  geht  auch  nur  auf  die  IpJngenia  oratorum 
laudibus  celebrata  zurück.  Den  Anstoss  zu  solcher  rhetorischer  Be- 
geisterung bot  der  Zug  des  sein  Haupt  verhüllenden  Agamemnon, 
darum  ist  in  seinen  Bildern  mehr  darinnen  als  er  gemalt  hat,  und 
eine  Erfindungsgabe,    die  über  die  Grenzen  der  Kunst  hinausgebt. 


215 

Die  moderne  Kunstrhetorik  hat  das  von  ihrer  antiken  Schwester 
angeschlagene  Motiv  pflichtgemäss  weiter  variirt  und  sinnig  aus- 
geführt —  leider  dabei  nur  das  Nächstliegende  vergessen  oder 
gar  vergessen  wollen,  dass  die  gefeierte  Verhüllung  Agamemnons 
so  selbstverständlich  wie  nur  möglich  und  keineswegs  die  Xuai<g 
einer  aTropia  war.  Der  Standpunkt  der  alten  Rhetorik  wird  aber 
noch  deutlicher,  wenn  wir  an  die  völlig  gleichwerthigen  Notizen  über 
den  Zeus  im  Zwölfgötterbilde  desEuphranor  gedenken,  welche  Valerius 
Maximus  und  Eustathios  offenbar  aus  der  gleichen  Quelle,  die  sie  hier 
benutzten,  auch  dort  vorbringen '^^).  Ein  Wort  noch  über  den  Preis, 
den  man  für  solche  Waare  hat  entrichten  müssen.  Da  man  trotz 
der  leichtverständhchen  Warnung  der  Eingangsworte  Plinius'  Decla- 
mation  für  eine  Beschreibung  genommen,  so  musste  man  auch  die 
Phrase  „qua  staute  ad  aras  peritura"'  für  stricte  verbindlich  halten. 
Damit  gab  man  das  herrliche  pompeianische  Bild,  welches  uns  allein 
eine  reale  Vorstellung  von  der  Grösse  unseres  Timanthes  und  eine 
Ahnung  seines  Schaffens  bot,  einfach  hin,  höchstens  dass  man  zur 
Erklärung  seiner  hohen  Schönheit  sich  einen  Archaisten  des  kaiser- 
lichen Rom  erträumte,  als  das  Erträumen  von  Archaisten  eben 
Mode  war. 

Als  Zeitgenossen  des  Timanthes  führt  Plinius  unter  anderen 
Namen  auch  den  eines  anderen  sikyonischen  Meisters,  des  Eupompos 
an.  Indess  folgt  aus  diesem  Citat  ihre  Gleichzeitigkeit  schon  darum 
nicht,  weil  jene  aequales  et  aemuli  des  Zeuxis  sich  zu  diesem  chro- 
nologisch ebenso  verhalten,  wie  die  aemuli  des  Phidias  34,  49  zu 
ihrem  Vorbilde.  Auch  dass  Plinius  diese  Gleichzeitigkeit  noch 
einmal  erwähnt,  fällt  nicht  weiter  ins  Gewicht.  Die  Zeit  des  Ti- 
manthes kann  nur  nach  Parrhasios  berechnet  werden,  und  die 
Möglichkeit,  ja  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  Eupompos  sein  Nach- 
folger gewesen  sei,  lässt  sich  kaum  in  Abrede  stellen,  denn  die  von 
ihm  ausgehende  Schulfolge  Pamphilos  -  Apelles  spricht  dafür  '^'). 
Während  wir  von  den  Werken  des  Eupompos  nichts  weiter  als 
das  früher  erwähnte  Sieger bild  erfahren  und  auch  die  Anekdote, 
welche  ihn  mit  dem  jungen  Lysippos  in  Verbindung  bringt,  lehrreicher 


2«)  Vgl.  Overb.  Schriflq.  1737  u.  1739  mit  1792  u.  1793. 

*')  Mit  ihr  in  vollem  Einklänge  sind  die  chronologischen  Ansätze  Quintilians 
XII  10,  welcher  Zeuxis  und  Parrhasios  um  die  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges, 
die  von  Eupompos  ausgehende  Hchulfolge  aber  in  die  Zeit  Philipps,  Alexanders 
und  der  Diadocheu  setzt. 


216 

für  Duris  von  Samos,  der  sie  erzählt,  als  für  Eupompos  ist,  wir 
demnach  also  kaum  in  der  Lage  wären,  auch  nur  daran  zu  denken, 
die  Summe  seines  künstlerischen  Wirkens  zu  ziehen,  erhalten  wir 
diese  von  Plinius  selbst  in  dürren  Worten:  Ipsius  auctoritas  tanta 
fuit  ut  diviserit  picturam  in  genera :  guae  ante  eum  duo  fuere  —  Hella- 
dicum  et  Asiaticum  appellabant  —  propter  hunc  qui  erat  Sicyonius 
diviso  Helladico  t na  facta  sunt,  lonicum,  Sicyomum,  Atticum.  Da- 
nach fängt  für  die  moderne  Geschichtschreibung  der  griechischen 
Kunst  die  sikyonische  Malerei  mit  Eupompos  an,  weil  es  die  antike 
so  that,  ich  hoffe  aber  das  Eine  festgestellt  zu  haben,  dass  die 
sikyonische  Malerschule  nicht  weniger  Ahnen  zählte,  als  die  Bild- 
hauerschule der  Dädaliden.  Aber  diese  Eintheilung  in  genera  will 
auch  nicht  mehr  sagen ,  als  sie  sagt.  Eupompos  war  nicht  der 
Stifter  einer  besonderen  Schule,  für  den  er  bisher  gegolten  hat,  und 
wenn  was  man  genus  Sicyonium  nannte  bei  ihm  anfing,  so  rührt 
dies  einfach  daher,  dass  für  das  Stilgefühl  der  antiken  Kunstge- 
lehrten sich  die  sikyonischen  Bilder  vor  Eupomp  aus  der  Masse 
der  „helladischen"  nicht  genau  genug  abhoben.  Es  ist  uns  leider 
nicht  bekannt,  welcher  der  antiken  Gelehrten  diese  Eintheilung 
schuf '^^j,  an  deren  Berechtigung  ich  nicht  zweifeln  will,  aber  unver- 
kennbar ist  es  doch,  dass  sie  unseren  historischen  Bedürfnissen 
nicht  genügen  kann. 

Erst  von  Eupompos  ab  ist  in  unseren  Quellen  von  einer 
sikyonischen  Malerei  in  dem  Sinne  die  Rede,  in  welchem  wir  etwa  von 
venetianischer  sprechen,  also  in  dem  eines  künstlerischen  Gesammt- 
charakters.  Und  wie  nirgends  sonst  wird  hier  gerade  dieses  Moment 
so  stark  betont.  Von  sikyonischer  Malerei  hören  wir  fast  mehr, 
als  von  sikyonischen  Malern.  Die  Meister  sind  es  nicht,  die  in 
den  Vordergrund  treten,  sondern  die  von  ihnen  geübte  Manier. 
Sie  erhält  das  Prädicat  der  xpnt^TOTpatpia  und  ist  die  allein  selig- 
machende uj<s  MÖviK  dbidcpeopov  €X0VJCr»K  t6  Ka\öv-''j.  Von  überall 
strömen  die  Schüler  herbei,  so  dass  Pamphilos  schon  das  Lehrgeld 
auf  ein  Talent  in  zwölf  Jahresraten  erhöhen  konnte,  und  in  Ale- 
xandria wie  in  Pergamon    zahlte   man    für  alte  Sikyonier  horrende 


")  Der  Alazon  des  Theophrast,  von  seinen  erlogenen  asiatischen  Feldzügen 
Kchwadronirend,  kommt  auch  auf  die  Kunst  zu  sprechen  Cbarakt.  23  Kai  uepl  tiIjv 
T€xviTü)v  Tujv  ky  Trj'Aöia,  öxi  ßeXxiou^  eial  tuiv  iv  xrj  EüpiÜTir),  d.\x(p\a^r\xf\<5a\. 

")  Plut.  Arat.  12  u.  13  =  Overb.  1749. 


217 

Summen^").  Aiatos  besorgte  persönlich  in  Sikyon  Ankäufe  für  Pto- 
lemaios  IL,  besonders,  wie  ausdrücklich  angegeben  wird,  Bilder 
von  Pamphilos  und  Melanthios^'),  und  so  kam  dieser  in  den  Besitz 
einer  schönen  Sammlung  von  alten  Sikyoniern,  die  sich  offenbar 
sehen  lassen  konnte.  Wie  er  damit  geprunkt  hat,  davon  erzählt 
Kallixenos  bei  Athenäus  V  p.  196  E.  Zu  den  finanziellen  Bedräng- 
nissen, welche  die  Galerien  Sikyons  leeren  halfen,  gesellte  sich  noch 
gleichzeitig  politischer  Vandalismus,  und  doch  fand  Polemon  da 
noch  Stoff  genug  für  seine  beiden  der  sikyonischen  Malerei  gewid- 
meten Schriften,  Sollten  da  nicht  die  „apogi^apha'^  ihren  Theil  an 
diesem  Wunder  haben?  Die  lebhafte  Nachfrage  musste  doch  auch 
die  zeitgenössische  Kunstübung  nothwendig  ein  wenig  reizen. 

Aber  worin  bestanden  denn  diese  so  allgemein  anerkannten 
Vorzüge  der  sikyonischen  Malerei  ?  Man  hat  zur  Beantwortung 
dieser  Frage  auf  die  gelehrte  Thätigkeit  vor  allem  des  Pamphilos 
aber  auch  seiner  Nachfolger  hingewiesen  und  auf  die  feste  Schul- 
tradition, die  da  an  allen  Ecken  und  Enden  zum  Vorschein  kommt. 
Brunn  hat  hierin  eine  bewusste  und  siegreiche  Reaction  gegen  die 
von  ihm  düster  geschilderten  Ausschreitungen  des  Zeuxis  und  Par- 
rhasios,  welche  er  bereits  dem  Verfalle  zusteuern  sah,  erblickt;  Heibig 
und  Wustmann  haben  die  Vertheidigung  der  Angeklagten  über- 
nommen, der  eine  defensiv  in  seinem  Aufsatze  über  Zeuxis  und 
Parrhasios,  der  andere  offensiv,  indem  er  die  sikyonische  Maler- 
schule seinerseits  einer  neuen  Betrachtung  unterwarf ''2)^  wobei  denn 
die  „moralischen  Reformatoren'-'  glücklich  zu  ..zopfigen  Akademikern" 
geworden  sind.  Auf  solche  Streitfragen  einzugehen,  dürfen  wir 
füglich  ablehnen,  da  für  sie  die  Verjährungsfrist  längst  abgelaufen 
ist,  deren  allgemeiner  Geltung  nur  innerhalb  der  populären  Dar- 
stellung eine  Art  Gewohnheitsrecht  entgegensteht. 

Der  Ausgangspunkt  unserer  Erörterungen  ist  durch  das  be- 
reits erwähnte  auffällige  Prädicat,  welches  Plutarch  der  sikyonischen 

*•)  Als  Beispiel  Attalos  Kaut'gebot  von  hundert  Talenten  für  den  Dionysos 
des  Aristeides.  Man  wird  hier  einwenden,  dass  es  sich  dabei  um  kein  Werk  der 
sikyonischen,  sondern  der  „thebanischen"  Schule  gehandelt  habe,  und  ich  mnss 
allerdings  gestehen,  dass  ich  damit  der  folgenden  Darlegung  vorgreife.  Uebrigens 
ein  Meisterstück  sikyonischer  Plastik,  der  Diadumenos  des  Polyklet,  kostete  be- 
kanntlich genau  so  viel. 

^*)  Bei  Overbeck  Schriftqu.  1749  ist  hier  statt  Ptolemaios   Philadelphos  der 
dritte  Ptolemaeer  eingesetzt.  Vergl.  Droysen,  Gesch.  d.  Hellenismus  III  S.  343, 
")  Fleckeisens  Jahrb.  1867  S.  649;  Rhein,  Mus.  1868  S.  454. 


218 

Malerei  verleiht,  gegeben.  Ich  glaube,  es  Hegt  in  der  Stelle  kein 
Anlass  für  die  Annahme,  als  hätten  sich  die  Meister  selbst  als 
Chrestographen  bezeichnet,  und  damit  fehlt  der  Anlass,  dem  Worte 
XpilcTTOYpacpia  rückwirkende  Kraft  zuzumuthen.  Zu  seiner  Erklä- 
rung hat  Wustmann  treffend  auf  ein  Fragment  des  Demetrius  von 
Byzanz  verwiesen,  welches  von  der  Musik  der  Lakedämonier  handelt 
und  von  der  Aufgabe  der  Choregen  berichtet:  r\w  be  aiJToT(;  Kai  t6 
XpncrTO|uou(Teiv  Kai  faf]  Tiapaßaiveiv  tovc,  dpxaiouq  Tf\c,  nova\K?\(;  v6}jiovc,^^) . 
Dies  wird  im  Zusammenhange  mit  den  kühnen  Neuerungen  des 
Timotheos  erzählt,  gegen  welche  Sparta  als  ein  revolutionäres  Be- 
ginnen mit  offener  Gewalt  einschritt.  Die  Analogie  wird  noch  deut- 
licher, wenn  wir  uns  nach  dem  Revolutionären  gegen  die  alther- 
gebrachten Satzungen  der  Malerei  erkundigen.  Wir  haben  früher 
gesehen,  in  welch  lebhafter  Weise  gerade  das  Ptolemäerreich  sein 
Interesse  für  die  sikyonische  Chrestographie  kundgab.  Ein  solches 
Interesse  wird  um  so  begreiflicher,  wenn  wir  hören,  dass  es  mit  der 
Malerei  in  Aegypten  nicht  zum  Besten  stand.  Diese  Kunde  verdanken 
wir  dem  Petronius.  Er  klagt  über  den  Niedergang  der  Litteratur  und 
fügt  der  heftigen  Diatribe  folgenden  charakteristischen  Schluss  an: 
pictura  quoque  non  alium  exitum  fecit,  postquam  Aegyptiorum  audacia 
tarn  wagnae  artis  compendiariam  invenit.  Eine  andere  Angabe  über 
diese  Erfindung  liegt  bei  Plinius  vor.  Da  ist  es  Philoxenos  von 
Eretria,  der  Schüler  des  Nikomachos,  von  dem  sie  ausgeht.  Hie 
celeritatem  praeceptoris  secutus  breviores  etiamnum  quasdam  pictnrae 
compendiarias  invenit^  und  danach  möchte  man  glauben,  die  audacia 
der  Aegypter  des  Petronius  hätte  nur  in  der  schwungvollen  Praxis 
des  abgekürzten  Malverfahrens  bestanden.  Heibig  hat  die  Ansicht 
ausgesprochen  und  näher  begründet,  dass  die  Expectoration  des 
Petronius  die  Neuerung  betreffe,  „welche  die  wirklichen  an  der  Wand 
angebrachten  Tafelbilder  durch  Nachahmung  auf  dem  Frescogrunde 
ersetzte"  ^*).  Ich  kann  derselben ,  ganz  abgesehen  von  anderen 
Gründen,  schon  darum  nicht  zustimmen,  weil  dieselbe  auf  Philoxenos 
nicht  passt,  dessen  Tafelgemälde  Plinius  erwähnt,  und  glaube,  die 
Lösung  liegt  näher.  Plinius  beschreibt  die  Arten  der  Enkaustik 
35,  149  folgendermassen :  Encausto  pingendi  duo  fuere  antiquitus 
genera:  cera  et  in  ebore  cestro,  id  est  vericulo  doneo  classes  pingi  coepere. 
hoc  tn-tinm  accessit  resolutis  igni  ceris  penicillo   utendi,    quae  pictura 


")  Athenäus  XIV  p.  633  B. 

")  Untersuchungen  über  die  camp.  Wandni.  S.  136  f. 


219 

navibus  nee  sole  nee  sale  ventisque  corrurrvpiiur.  Ich  glaube,  dass  alle 
angewandten  Interpretationskünste  aus  diesen  Worten  die  angekün- 
digten drei  Arten  nicht  hervorzaubern  werden  "^^),  denn  die  zwei 
ersten  Manieren,  mit  Wachs  auch  auf  Elfenbein  mittelst  des  eestrum 
zu  malen,  sind  eben  eine  Art,  und  wenn  man  das  einzige  Element, 
(las  eines  Ersatzes  fähig  ist,  den  Malgrund  verändert,  so  entsteht 
dadurch  auch  keine  andere  Technik.  Plinius  charakteristischeste 
Eigenthümlichkeit  ist  es  ja,  dasjenige  nicht  zu  verstehen,  was  er 
schreibt,  und  diese  Gabe  verlässt  ihn  hier  auch  nicht.  Die  zweite 
Methode,  mit  dem  Pinsel  und  gelöstem  Wachse  zu  malen,  für  Bemal  ang 
ganzer  Flotten  geeignet —  unser  Autor  merkt  keinen  Spass.  Ich  zweifle 
nicht,  dass  man  Schiffe  so  bemalt  haben  wird  und  dafür  nicht  immer 
einen  Protogenes  oder  auch  nur  einen  Herakleides  fand,  aber  der 
Streit  des  eestrum  mit  dem  Pinsel  ist  hier  noch  heraus  zu  hören.  Ich 
vermuthe,  jene  vereinfachte  Malart  ist  nichts  anderes  als  das  Auf- 
geben des  eestrum  und  damit  der  tarda  pieturae  ratio  ^^).  Philoxenos 
Name  macht  hier  keine  Schwierigkeit.  Sein  Lehrer  Nikomachos, 
dessen  Technik  er  veränderte,  war  auch  Enkaustiker;  dass  er  hier 
unter  den  Temperamalern  steht,  ja  dass  mit  ihm  die  Geschichte 
von  der  gloriapenicüli  schliesst,  die  nöthigen  Postscripta  ausgenommen, 
ist  unter  dieser  Annahme  kein  Gegengrund ^^). 

So  wäre  denn  die  Chrestographie  der  alten  sikyonischen 
Meister  die  alte  unverdorbene,  aber  etwas  schwerfällige  Enkaustik, 
die  KiOjpüJOiq.  Plutarch  lässt  nach  Sikyon  den  Apelles  durch  den 
Ruhm  der  Chrestographie  hingezogen  werden;  Plinius  überliefert, 
Pamphilos,  Apelles'  Lehrer,  lehrte  die  Enkaustik  auch  den  Pausias 
primum  in  hoc  genere  nohilem.  Immer  wieder  hat  man  für  die 
sikyonische  Malerschule  auf  die  sikyonische  Bildhauerschule  als 
die  nächstliegende  Parallele  verwiesen.  Dabei  hat  man  fast  allein 
die  theoretischen  Studien  und  den  festen  Schulverband  ins  Auge 
gefasst,  aber  weder  das  eine  noch  das  andere  ist  bei  dem  heutigen 


^°)  Die  Litteratur  bei  Blümner  Technologie  IV  S.  444. 

'»)  Plinius  35,  124. 

")  Die  Nachricht  des  Plinius  von  der  Malerin  und  alten  Jungfer  laia  aus 
Kyzikos  35,  147:  et  penicillo  pinxit  et  cestro  in  ehore  imagines  viulieruvi  maxume  et 
Neapoli  anum  in  grandi  tabula,  suam  quoque  imaginem  ad  speculum,  glaube  ich  dem- 
nach einfacher  deuten  zu  können,  als  dies  Blümner  a.  a.  O.  S.  445  thut.  Er  meint, 
„laia  malte  sowohl  penicillo,  d.  h.  a  tempera,  als  cestro,  d,  h.  enkaustisch ;  und  in 
letzter  Malvveise  sowohl  in  ebore  kleinere  Bildchen,  als  auch  in  grandi  tabula,  also 
auf  Holz".  Ich  denke,  sie  malte  enkaustisch,  et  penicillo  et  cestro  in  ebore,  ihre; 
Frauenbilder,     Das  alte  Weib  auf  Holz  ist  der  Technik  nach  nicht  bestimmt. 


220 

Stande  der  Forschung  nur  mehr  ausschliesslich  sikyonische  Eigen- 
thümlichkeit.  Dagegen  ist  ein  anderes  Element  in  den  Vordergrund 
getreten,  und  ich  brauche  nur  daran  zu  erinnern,  dass  wir  die  Dä- 
daliden  zuerst  als  Meister  der  Chryselephantin- Technik  und  dann 
als  die  des  Bronzegusses  kennen  gelernt  haben.  Da  würde  es  denn 
von  vornherein  kaum  als  unwahrscheinlich  gelten  dürfen,  auch  für 
die  sikyonische  Malerschule  die  besondere  Pflege  solider  Maltechnik 
zu  erwarten.  Natürlich  nicht  in  dem  Sinne,  als  ob  zu  Sikyon  die 
Enkaustik  erfunden  und  als  Schulgeheimniss  verwahrt  worden  wäre, 
sondern  in  jenem,  auf  welchen  die  Parallele  hinweist. 

Die  Prüfung  dieser  Annahme  würde  eine  sehr  einfache  Sache 
sein,  wenn  die  Malergeschichte  desPlinius  so  vortrefflich  angelegt  wäre, 
wie  Robert  meint.  Nun  ist  sie  aber  ein  genau  ebenso  wüstes  Durch- 
einander kritiklos  zusammengeraffter  Notizen ,  wie  die  Geschichte 
der  Erzgiesser  oder  der  Marmorbildhauer.  Aus  allen  Ecken  und 
Enden  müssen  wir  uns  die  zusammengehörigen  Stücke  hervorsuchen, 
und  wenn  uns  nicht  andere  Hilfsmittel  zur  Verfügung  stünden,  so 
würde  die  Arbeit  wenig  lohnend  sein.  Unsere  Sikyonier  geben 
davon  das  allerstärkste  Zeugniss.  Obgleich  Plinius  die  sikyonische 
Schule  mit  Eupompos  geräuschvoll  ins  Leben  treten  lässt,  weiss  er 
doch  in  dem  Abschnitte  über  die  Temperamaler  ausschliesslich  nur 
noch  von  Pamphilos  zu  erzählen,  dem  Makedonier,  der  wohl  freilich 
den  Weltruf  der  Schule  begründet  hat.  Dass  Melanthios  sein 
Schüler  war,  wie  Apelles,  erfahren  wir  hier,  sonst  nichts  von  ihm, 
dessen  Schrift  über  die  Malerei  Plinius  doch  eingesehen  haben  will, 
und  wenn  jemand  beispielsweise  aus  der  Art,  wie  Melanthios  und 
Pamphilos  sonst  zusammen  genannt  werden,  die  Vermuthung  wagte, 
auch  dieser  wäre  kein  eingeborener  Sikyonier,  sondern  könne  eben- 
sogut Makedonier  gewesen  sein,  ich  wüsste  nicht,  wie  man  dem 
wehren  könnte.  Von  den  unserem  Autor  als  Sikyonier  bekannten 
Meistern  erscheint  nur  noch  Nikophanes,  aber  gleichfalls  incognito, 
während  er  später  bei  den  Enkaustikern  unter  den  Schülern  des 
Pausias  wieder  behandelt  wird.  In  dem  kurzen  Capitel  über  die 
Enkaustiker  ist  allerdings  von  Sikyon  verhältnissmässig  mehr  die 
Rede  doch  wir  wollen  die  ganze  Reihe  der  Meister  dieser  Technik 
erst  aufzählen.  Plinius  beginnt  hier  mit  einer  Polemik  gegen  die 
Annahme,  dass  Aristeides  der  Erfinder  der  Enkaustik  sei,  die  Pra- 
xiteles   völlig    ausgebildet    habe^^).     Wir   erfahren    nicht,    wer  die 


'*)  3ft,  122:  Ceris  pingere  ac  picturam  innrere  quis  primus  excogitaverit  non 
conatat.  quidam  Aristidis  inventum  putcmt  poatea  conmmmatum  aProxitele,  sed  aliijiianto 


221 

quidam  gewesen  sind,  die  solches  behauptet  haben,  aber  die  Art 
der  Widerlegung  scheint  auf  Polemons  Gegenschrift  gegen  Antigonos 
zu  deuten ,  der  Beweis  durch  die  alte  Inschrift  ist  dessen  "würdig. 
Die  Worte  Aeginae  incturae  suae  deutet  man  jetzt  nach  dem  Vor- 
gange Stephanis  und  Panofkas  auf  eine  Darstellung  des  Raubes 
der  Aegina,  während  doch  die  alte  Erklärung  eines  zu  Aegina  be- 
findlichen Bildwerkes  die  weit  natürlichere  ist^^).  Dadurch  kommt 
auch  etwas  mehr  periegetische  Färbung  in  die  Stelle.  Räthselhaft 
bleibt  jedoch  Praxiteles  in  dieser  Gesellschaft,  da  Nikias  Anekdote 
bezeugt,  dass  er  sich  nicht  als  Maler  fühlte,  und  welcher  Art  das 
Missverständniss  sein  mag,  welches  ihn  hier  vielleicht  statt  des 
Nikias  zum  Meister  der  Enkaustik  macht,  ist  kaum  bestimmt  zu 
sagen.  Aber  an  der  Enkaustik  war  er  gewiss  ebenso  unschuldig 
als  au  den  Tyrannenmörderstatuen. 

Nach  dieser  Einleitung  folgen  sehr  ungleich  behandelt  als 
Hauptmeister  : 

Pamphilos 

Pausias,  Bryes  Sohn 

Euphranor 

Kydias  (aus  Kythnos) 

Antidotos,  Euphranors  Schüler 

Nikias  von  Athen,  Antidotos  Schüler 

Athenion  aus  Maroneia,  Giaukions  des  Korinthers  Schüler 

Herakleides,  Makedonier 

Metrodoros 

Timomachos  von  Byzanz 

Aristolaos,  Pausias  Sohn  und  Schüler 

Nikophanes,  Pausias  Schüler 

Sokrates. 

Bevor  wir  weitergehen,  haben  wir  die  vielbesprochene  Schluss- 
stelle von  Nikophanes  und  Sokrates  einer  eingehenden  Betrachtung 
zu  unterziehen.  Sie  lautet  (35,  137) :  Sunt  quibus  et  Ntcophane  eiusdem 
Pausiae  disciptdus  placeat  diligentia  quam  intellegant  soll  artißces, 
alias  durus  in  coloribus  et  sile  multus;  nam  Socrates  iure  omnibus 
placet;    tales    sunt   eins    cum   Äesculapio  filiae    Hygia   Aegle  Panacea 


vetustiorea  encaustae  picturae  exstitere,  ut  Polygnoti  et  Nicanoris  et  Arcesilai  Pario- 
ruin.  Elasippus  quoque  Aeginae  picturae  suae  inscripsit  ^v^Koev,  quod  profecto  non 
fecisset  nisi  encaustica  inve^ita. 

")  Vergl.  Arch.  Zeit.  1852  S.  446. 


222 

laso  et  piger  qui  appellatur  Ocnos ,  spartum  torquens  quod  asellus 
adrodit.  Ich  will  nicht  näher  auf  die  recht  merkwürdige  Thatsache 
eingehen,  dass  uns  Plinius  bei  Gelegenheit  der  Temperamaler  dieses 
Künstlerurtheil  über  Nikophanes  bereits  aufgetischt  haf*"),  die  vor- 
liegende Frage  für  sich  ist  allein  interessant  genug.  Es  gibt  bisher 
drei  verschiedene  Erklärungen  für  unsere  Stelle.  Die  eine  von  Sillig 
und  Brunn  vertretene  hält  den  Sokrates  für  ein  Porträt  des  Niko- 
phanes und  zwar  für  sein  bestgelungenes  Bild;  sie  gilt  mit  Recht 
als  die  wenigst  gelungene,  da  ein  Maler  Sokrates  bei  Plinius  36,  2 
ausdrücklich  erwähnt  wird.  Die  beiden  anderen  Versuche  unter- 
scheiden sich  bezüglich  der  Frage  nach  der  Zugehörigkeit  der  auf- 
gezählten Bilder.  Die  einen  weisen  sie  dem  Nikophanes  zu,  so 
Wustmann,  Urlichs,  Overbeck''^),  und  wenn  sie  dann,  wie  der  erst- 
genannte, den  hinderlichen  Zwischensatz  nani  Socrates  iure  omnihus 
placet  einklammern,  so  verfahren  sie  zwar  willkürlich,  aber  nur 
consequent;  die  anderen  sehen  sie  für  Werke  des  Sokrates  an  und 
finden  sich  mit  den  „tales^*  so  gut  ab,  als  es  eben  gehen  will"). 
Dass  auch  diese  beiden  Erklärungen  nicht  befriedigen,  dazu  braucht 
es  keiner  weiteren  Auseinandersetzungen.  Die  angeführten  Werke 
gehören  eben  weder  dem  Nikophanes  noch  dem  Sokrates.  Ihr 
rechter  Meister  steht  wohlerhalten  neben  ihnen  und  ist  nur  durch 
den  Ausfall  eines  et  nach  placet  so  unsichtbar  geworden ,  wie  der 
Lyciscus  34,  79^^).     Es  ist  zu  lesen; 

nam  Socrates  iure  omnihus  placet  et  Thaies;  sunt  eius.... 

Es  ist  derselbe  Thaies,  den  wir  bisher  nur  aus  der  Notiz  bei  Dio- 
genes Laertius  I  38  kannten""*).  Er  nennt  ihn  ZiuuYpaqpoq  Iikuujvig^ 
)Liefa\oqpur|(;  und  führt  aus  Duris  ev  tlu  irepi  JuuYpaqpia?  einen  Namens- 
bruder an,  der  schon  längst  als  sein  Doppelgänger  erkannt  worden 


*')  35,  111:  Nicophanes  elegans  ac  concinnus ,  ita  ut  venustale  ei  pauci  con- 
parentur.  Die  Herkunft  dieses  Künstierurtheils  lässt  sich  ziemlich  sicher  ermitteln. 
Es  Bland,  wie  der  auf  die  venustaa  gelegte  Ton  verräth,  in  dem  berühmten  Send- 
schreiben des  Apelles  an  Perseus,  das  fast  anschliessend  erwähnt  wird.  Nur  das 
kleine,  aber  sicher  nicht  hieher  passende  Dictum:  colhumus  et  gravitaa  artia  a 
Zeuxide  et  Apelle  aheat  steht  dazwischen,  l^ie  Klammern,  die  ihm  Wustmann  a. 
a.  O.  S.  477  zuspricht,  verdient  es  aber  deswegen  kaum,  es  ist  ja  jetzt  ganz  ver- 
ständlich, wie  es  herkam. 

")  Rhein.  Mus.  XXII  S.  21;  Chrest.  Plin.  p.  374;  Schriftqu.   1765. 

")  Vergl.  Carl  Th.  Michaelis,  Arch.  Zeit.  1876  S.  38. 

";  Arch.-epigr.  Mitth.  VII  S.  73. 

**)  Schriftqu.  1770. 


isf*^).  Einen  so  bedeutsam  hervortretenden  Meister  konnte  Plinius 
unmöglich  übersehen,  und  ich  denke,  dass  sein  Fehlen  bisher  wohl 
manchem  als  eine  sonderbare  Anomalie  erschienen  sein  dürfte.  An 
der  Stelle,  wo  er  jetzt  steht,  unter  den  Hauptmeistern,  steht  er 
gewiss  mit  vollem  Rechte;  ich  glaube  aber,  dass  seine  und  Sokrates 
enge  Verbindung  mit  den  Pausiasschülern  Aristolaos  und  Nikophanes 
keine  bedeutungslose  ist.  Die  beiden  Bilder,  die  uns  Plinius  über- 
liefert, weisen  deutlich  auf  eine  enge  Verbindung  mit  Pausias  hin. 
Die  Familie  des  Asklepios  erinnert  uns,  dass  in  der  Heimat  dieses 
Heros,  in  Epidauros,  Pausias  die  Tholos,  die  sein  Landsmann 
Polyklet  gebaut  hatte,  mit  seinen  Bildern  schmückte*^),  und  wen 
der  Oknos  direct  an  Polygnot  gemahnt,  der  mag  daran  erinnert 
sein,  dass  Pausias  dessen  Fresken  restaurirt  hat. 

Mit  der  Hinzufügung  des  Namens  des  Thaies  ist  die  Kritik 
der Enkaustikerreihe  noch  nicht  abgeschlossen.  Robert*')  hat  treffend 
bemerkt,  dass  sich  die  Partie  über  Herakleides  Metrodoros  und 
Timoraachos  als  ein  Einschiebsel  aus  Varro  verrathe,  von  dem  es 
durchaus  fraglich  sein  muss ,  ob  es  dorthin  gehört ,  wo  es  unter- 
gebracht worden  ist,  und  man  kann  dieser  Meinung  auch  dann  bei- 
pflichten, wenn  man  über  seine  «Rettung"  des  Plinius  in  der  Timo- 
machosfrage  ganz  so  denkt  wie  Oehmichen***).  Als  aus  derselben 
Quelle  stammende  oder  als  eigene  plinianische  Zusätze  erkennt 
Robert  auch  die  in  diesem  Abschnitte  in  römischem  Besitze  ange- 
führten Bilder  von  Kydias  und  Nikias.  Dem  Versuch  dieses  Ge- 
lehrten, den  Euphranor  als  dem  ursprünglichen  Bestände  dieser 
Enkaustiker  fremd  und  gleichfalls  erst  in  letzter  Stunde  hinzuge- 
kommen nachzuweisen,  kann  ich  jedoch  nicht  mehr  zustimmen. 
Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  Euphranor  auch  unter  den  Tempera- 
malern bequem  dort  Platz  gefunden  hätte,  wo  am  Schlüsse  das 
nEuphranoVy  de  quo  mox  diceinusu.  steht,  aber  doch  auch  wieder  be- 
greiflich, dass  es  dem  Plinius  zu  viel  war,  dreimal  über  denselben 
Meister  ausführlich  zu  handeln.  Die  Olympiadenzahl  ist  am  wenig- 


^^)  Die  sonderbare  Stelle  des  Theodorus  Hyrtacenus  =  Schriftqu.  789,  iu 
der  neben  Phidias  als  Meister  der  XiGoEoiKrj  und  Apelles  als  der  der  YP^cpiKri, 
Thaies  der  TrXaariKr)  wegen  genannt  wird,  hat  mit  unserem  Meister  nichts  zu  thun. 
Es  ist  statt  GaXfiq  hier  TTpaEiTe\r|(;  einzusetzen. 

**)  Wie  Kroker,  gleichnamige  griech.  Künstler  S.  18,  vermuthet  hat,  der 
jüngere. 

*')  Arch.  Märchen  S.  86. 

<^)  Berliner  philol.  Wochenschrift  1887  Nr.  49. 


224 

sten  beweisend,  denn  erstens  steht  er  damit  neben  Nikias,  dessen 
Olymp.  112  zu  seiner  besonders  gut  passt,  und  dann  könnte  sie 
allenfalls  ein  Nachtrag  sein,  weil  sie  bereits  34,  50  neben  ihm  steht, 
ohne  dass  er  es  deswegen  sein  müsste.  Auch  dass  das  posf  enm 
auf  Pausias,  zu  dem  es  gehören  soll,  sehr  schlecht  passt,  ist  kein 
Gegengrund,  zumal  da  Robert  selbst  die  Frage  aufwirft,  ob  das- 
selbe nicht  ursprünglich  auf  Pamphilos  gemünzt  war.  Indessen  ist 
auch  diese  Annahme  nicht  einmal  nothwendig.  Stand  in  der  Quelle 
des  Plinius  Euphranor  nach  Pausias,  vielleicht  auch  nach  dessen 
Schule,  so  mochte  er  ihn  trotz  des  Widerspruches ,  in  den  er  sich 
damit  thatsächlich  gestürzt  hat,  für  den  späteren  halten.  Dass  er 
aber  in  der  Vorlage  stand,  darauf  deutet  doch  der  Umstand  hin, 
dass  sowohl  sein  Lehrer  als  auch  seine  Schüler  und  Schülersschüler 
mit  ihm  vereint  sind. 

Nach  der  von  Robert  vollzogenen  Ausscheidung  der  drei 
Namen  enthält  unsere  Gruppe  von  Enkaustikern  ein  merkwürdiges 
Gepräge.  Bis  auf  Kydias  und  Athenion  sind  es  zwei  Schulen,  deren 
Mitglieder  nur  ein  wenig  durcheinander  geworfen  erscheinen  5  die 
an  Aristeides  anknüpfende  Schule  des  Euphranor  und  die  auf  Pam- 
philos zurückreichende  des  Pausias,  und  darnach  will  es  beurtheilt 
sein,  dass  Aristeides  und  Pamphilos  an  die  Spitze  dieses  Abschnittes 
gestellt  sind.  Trotz  des  ausdrücklich  vorgebrachten  Einwandes 
Polemons  schrieb  Plinius  diejenige  Liste  ab,  die  Aristeides  als  den 
Erlinder  der  Enkaustik  voranstellte.  Wie  kamen  nun  Kydias  und 
Athenion  in  diese  geschlossene  Gesellschaft?  Für  den  ersten,  den 
Kythnier,  lässt  sich  die  Frage  kaum  beantworten;  ich  sehe  zwar 
keinen  rechten  Grund,  seine  von  Hortensius  so  schön  aufgestellten 
Argonauten  für  nicht  enkaustisch  zu  halten,  und  die  Anekdote,  die 
Theophrast  von  seiner  Entdeckung  einer  neuen  Farbe  beim  Brande 
einer  Schenke  erzählt,  passt  auch  für  einen  Enkaustiker,  aber  wir 
wissen  sonst  nichts  von  ihm,  als  dass  er  Zeitgenosse  der  Schüler 
des  Euphranor  war.  Eine  Vermuthung  aber  glaube  ich  hier  vor- 
tragen zu  dürfen,  die,  wenn  sie  sich  als  stichhältig  erweist,  die 
Stellung  unseres  Meisters  klarzulegen  geeignet  sein  möchte.  Hor- 
tensius Ankauf  des  Argonautenbildes  um  144.000  Sesterzien  weist 
auf  Rom  als  den  Versteigerungsort  des  Bildes  hin.  Nicht  gar  viel 
früher  zahlt  Lucullus  (86  v.  Chr.)  zu  Athen  zwei  Talente  für  eine 
blosse  Copie  nach  Pausias.  Im  Jahre  59  trieb  der  Erzwucherer 
Atticus  Sikyon  in  den  Gant.  Die  gesammte  Staatsgalerie  wurde 
von  dem  Aedilen  Scaurus  versteigert,   und  da  war  denn  für  Leute 


225 


von  den  Mitteln  und  dem  Geschmacke  des  Hortensius  eine  herrliche 
Gelegenheit  zu  Bilderkäufen.  Stammten  aber  die  Argonauten  aus 
dieser  Auction,  dann  gehörte  ihr  Meister  zur  sikyonischen  Schule. 
Athenion  wird  Schüler  des  Korinthiers  Glaukion  genannt  und  seine 
Vergleichung  mit  Nikias  ist  auffällig,  auch  seine  Thätigkeit  in 
Athen.  Sollte  sein  Lehrer  als  Korinthier  nicht  gleichfalls  in  engeren 
Zusammenhang  mit  der  Schule  des  Isthmiers  Euphranor  zu  setzen 
sein? 

Ich  setze  nun  die  Stemmata  der  beiden  an  Aristeides  und  Pam- 
philos  anknüpfenden  Schulfolgen  her,  selbstverständlich  ohne  die 
in  dem  Enkaustiker-Kataloge  oder  im  Plinius  überhaupt  erwähnten 
Namen  zu  beschränken ;  der  rascheren  Orientirung  halber  füge  ich 
die  Belege  nach  Nummern  von  Overbecks  Schriftquellen  hinzu.  Die 
Abstammung  ist  durch  einen  dickeren  Strich,  die  Schulfolge  durch 
einen  dünneren  markirt. 

Euxeinidas  *^) 


Aristeides  I.  1) 


Antenorides  6)     Euphranor  b)     Nikoraachos  2)     Ariston  3)     Nikeros  4) 


Leonidas  10)  Charmantides  9)  Antidotes  8)  Aristeides II.7)  Philoxenos  11)  Koroibosl2) 


V.  Anthedon 


V.  Eretria 


Nikias  13) 
Nikomedes  Sohn 


Omplialion  14) 

Eupompos  ^'^) 

1 
Pampiiilos  1)  Bryes 


Apelles  2)       Melanthios  3)       Pausias  4) 


Nikoplianes  6)     Aristolaos  B)       Sokrates  (?)     Thaies  (?) 


^9)  1)  1778.     2)   1771.     3)  1775  ii.  1785.     4.  5  u.  6)  1785.     7)  =  3).    8)  1810. 
9)  1807.     10)  1808  n.  1809.     11)  1775.     12)  1776.     13)  1810.     14)  182(5. 

^o)  1)  1745.     2)  1745—1750.  1751.     3)  1748.     4)  1760.      5)  1764.      6)  1765. 
Archäologisch-epigrapbische  Mitth.  XI.  ]^5 


226 

Die  beiden  hier  friedlich  nebeneinander  gestellten  Stemmata, 
von  welchen  Plinius  oder  richtiger  sein  Gewährsmann  ein  paar 
Namen  herabgepflückt  und  durcheinander  geworfen  hat,  sind  in 
unserer  kunstgeschichtlichen  Literatur  auf  das  strengste  geschieden. 
Das  erste  ist  das  der  sogenannten  thebanisch-attischen  Malerschule, 
von  der  die  Alten  nichts  wussten,  wir  aber  desto  mehr  wissen; 
das  zweite  ist  das  der  sikyoni sehen,  von  der  hinwieder  die  Alten 
sehr  viel  wussten  und  wir  sehr  wenig  wissen.  Dieses  letztere  in- 
teressirt  uns  hier  zunächst.  Seine  Construction  beruht  bis  auf  die 
beiden  rechts  von  Aristolaos  gestellten  Namen  durchaus  auf  sicherer 
Ueberlieferung.  Sie  enthält  aber  nicht  alle  der  uns  genannten 
Namen  sikyonischer  Maler  nach  Eupompos,  und  ich  halte  es  daher 
für  unerlässlich,  den  Rest  noch  nachtragsweise  anzufügen.  Vor 
allem  verdienen  nachdrückliche  Erwähnung  zwei  Namen,  welche  die 
Verbindung  mit  der  sikyonischen  Erzgiesserschule  bedeuten :  Euty- 
chides,  des  Lysippos  Schüler,  den  Plinius  35,  141  als  Meister  einer 
Nike,  die  ein  Zweigespann  lenkt,  nennt,  und  Arkesilas ,  der  Sohn 
des  Tisikrates,  eines  Schülers  von  Lysippos  grossem  Sohne  Euthy- 
krates.  Das  Datum  der  Akme  des  ersteren,  Olymp.  121,  verträgt 
sich  mit  dem  Ansatz  neben  den  Pausiasschülern,  den  ihm  das 
Parallelstemma  der  Lysippschule  zuweist.  Der  andere,  der  zwei 
Generationen  später  wirkt,  reicht  demnach  in  die  Zeit  des  Aratos 
hinein,  um  den  sich  die  letzten  sikyonischen  Maler  zu  einer  wirk- 
samen Schlussgruppe  vereinigen.  Timanthes  II.  malte  diesem  ein 
Schlachtenbild,  das  seinen  Sieg  bei  Pellene  verherrlichte;  Leontiskos 
malte  ihn  als  Sieger,  das  Tropaion  errichtend,  Mnasitheos  scheint 
sein  Kampfgenosse  aus  der  Revolutionszeit  gewesen  zu  sein*^),  und 
Nealkes  wird  von  Polemon  ausdrücklich  Aratos  Freund  genannt, 
der  die  rührende  Geschichte  erzählt,  wie  dieser  vor  dem  grausamen 
Wütherich  gegen  alle  gemalten  Tyrannen  das  berühmte  Bild  des 
Aristratos,  an  dem  auch  Apelles  mitgeholfen  haben  soll,  rettet, 
indem  er  den  Tyrannen  in  eine  Palme  verwandelt,  aber  so,  dass 
man  die  Füsse  desselben  noch  hervorgucken  sah.  Polemons  In- 
teresse verdankt  Nealkes  seine  häufige  Erwähnung  in  der  Literatur. 
Hätte  Polemon  nicht  die  Anekdote  erzählt  vom  Zufall,  der  bei 
seinem  Poppyzon  das  vollendet,  woran  der  Meister  verzweifelt,  sie 
wäre  nicht  so  oft  nacherzählt  worden.  So  kam  es  auch,  dass  uns 
noch  ein  Stemma  seiner  Schule  erhalten  ist. 


227 


Nealkes*') 


Xenon  2)        Anaxandra  1)         Erigonos  3) 

I 

Pasias  4) 

Der  letzte  Ausläufer  Pasias  verbindet  durch  seinen  Bruder,  den 
Bildhauer  Aeginetes,  noch  einmal  zum  Schlüsse  die  beiden  Schwester- 
künste; freilich  ein  Zufall,  aber  doch  ein  recht  bezeichnender  Zu- 
fall. Da  nun  die  Zeit  des  Nealkes  und  seiner  Genossen  in  die 
130er  Olympiaden  fällt,  halten  wir  mit  dem  Ausläufer  bei  dem  Ende 
der  140er  Olympiaden,  mithin  geradezu  direct  bei  Polemon,  der 
Olymp.  151,  1  die  delphische  Proxenie  erhielt.  Seinem  grossen 
Inventarwerk  ward  die  hohe  Ehre  zu  Theil,  dem  Busenfreunde 
Ciceros  als  Auctionscatalog  zu  dienen. 

Wir  wenden  uns  nun  zum  ersten  Stemma  zurück.  Hier  dreht 
sich  alles  um  den  Namen  Aristeides,  der  denn  auch  der  Ausgangs- 
punkt einer  ganzen  Reihe  gelehrter  Untersuchungen  geworden  ist^'). 
Als  feststehendes  Ergebniss  derselben  darf  man  die  folgenden  zwei 
Punkte  bezeichnen.  Die  von  Plinius  über  den  Maler  Aristeides,  den 
er  auch  gelegentlich  Thebanus  zubenennt,  gebrachten  Nachrichten 
lassen  sich  nicht  auf  eine  und  dieselbe  Person  vereinigen,  sondern 
setzen  zwei  Meister  dieses  Namens  voraus.  Das  zuerst  nachge- 
wiesen zu  haben,  ist  Urlichs  Verdienst,  der  zugleich  auch  den 
zweiten  Punkt  erledigt  hat.  Da  der  eine  jüngere  Aristeides  als  Sohn 
des  Nikomachos  überliefert  ist,  der  andere  aber  zwei  Generationen 
vorher  fällt,  so  ist  dieser  mit  dem  Vater  des  Nikomachos  zu  iden- 
tificiren,  dessen  Namen  man  früher  Aristiaios  las,  der  aber  in  der 
handschriftlichen  Ueberlieferung  offenbar  aus  Aristides  verdorben 
ist^^).  Plinius  hat  darüber  nachzudenken  sich  nicht  angeregt  ge- 
funden und  die  widersprechendsten  Nachrichten  kühl  aneinander- 
gereiht,  so  dass  Aristeides  einmal  als  Schüler  zur  Zeit  da  Zeuxis 


51)  1)  Schriftq.  2104.  Clemens  Alex,  nach  Didymos.  2)  2106,  die  Aenderung 
Nealkes  aus  Neokles  ist  mindestens  wahrscheinlich.     3  u.  4)  2105. 

*')  Urlichs,  Rhein.  Mus.  25  S.  506  (Einige  Gemälde  des  Aristides).  Brunn  in 
Meyers  Künstlerlexikon  unter  Aristides.  Oehmichen,  Plinianische  Studien,  Anhang 
(Die  Lehenszeit  des  Aristides  von  Theben).  Kroker,  gleichnam.  griech.  Künstler 
(Cap.  11,  Aristeides).  Kobert,  Arch.  Märchen  (Cap.  III,  Aristeides  und  Euphranor), 
Oehmichen,  Berliner  phil.  Wochenschrift  1887  Nr.  49  S.  1528. 

")  Vergl.  Urlichs  a.  a.  O, 

15* 


228 

und  Parrhasios  Meister  waren,  und  knapp  darauf  als  Zeitgenosse 
des  Apelles  erscheint  und  Euphranor,  des  ersteren  Schüler,  einmal 
richtig,  dann  wieder  in  die  dritte  Generation  nach  sich  selber  an- 
gesetzt wird.  Doch  das  sind  bekannte  und  erledigte  Dinge,  und 
des  Strittigen  gibt  es  in  der  Aristeidesfrage  gerade  noch  genug. 
Zunächst  ist  sowohl  die  Zutheilung  der  überlieferten  Werke  wie 
des  auf  den  Namen  Aristeides  gehäuften  Ruhmes  und  des  Ethnikon 
Thebanus  an  Grossvater  oder  Enkel  in  verschiedenem  Sinne  be- 
antragt worden,  und  auch  die  chronologischen  Ansetzungen  beider 
entbehren  der  wünschenswerthen  Sicherheit.  Für  die  letztere  Frage, 
die  mit  den  übrigen  nicht  vermengt  werden  darf,  ist  von  Nikoma- 
chos  als  dem  relativ  am  sichersten  bestimmbaren  auszugehen-  Er 
malt  für  den  Tyrannen  Aristratos  von  Sykion,  den  Zeitgenossen 
Philipps  von  Makedonien,  denselben,  dessen  von  Melanthios  und 
seinen  Genossen  gemalte  Siegerbilder  wir  früher  erwähnten ,  und 
nach  Pseudoplutarch  irepi  d(TKri(Jeuj(;  ein  Porträt  des  Antipatros,  der 
da  als  König  der  Makedonier  eingeführt  wird.  Auf  diese  in  unseren 
jiSchriftquellen"  fehlende  Stelle  hat  Bücheier**)  nachdrücklich  auf- 
merksam gemacht,  und  in  der  That  ist  ihre  Verwerthung  sehr 
lockend;  der  Künstler  rechnet  dort  dem  nKönig"  selbst  seine  Chro- 
nologie vor.  Die  Bezahlung,  meint  Antipatros,  sei  für  40  Arbeits- 
tage sehr  splendid;  dagegen  bemerkt  Nikomachos,  er  habe  ja  genau 
genommen  40  Jahre  daran  gemalt.  Es  ist  selbstverständlich,  dass 
es  mit  dieser  schönen  Geschichte  nicht  so  einfach  steht,  wie  Bü- 
cheier meint,  aber  gar  so  schlecht,  wie  Kroker  annimmt,  ist  sie  doch 
nicht.  Erfunden  ist  sie  einmal  und  das  vierzigjährige  Malerjubiläum 
des  Nikomachos  will  sie  wirklich  nicht  verherrlichen,  aber  wenn 
eine  dürre,  nach  bekanntem  Schimmel  gefertigte  Akmerechnung 
lebendig  wird,  so  kann  sie  eben  nur  eine  Anekdote  werden.  Ge- 
geben ist  das  Bild  einer  datirbaren  historischen  Persönlichkeit, 
deren  Blüthe  bekannt  ist,  hier  etwa  Olymp.  115.  Der  Maler  muss 
damals  auch  schon  in  der  Vollkraft  gestanden  haben.  Richtig  ist 
die  Rechnung  freilich  nicht,  aber  ein  Stück  Ueberlieferung  haben 
wir  hier  immerhin.  Wenn  Nikomachos  überhaupt  bis  zu  dieser 
Zeit  hin  anzusetzen  ist.  Kroker  setzt  ihn  bis  Olymp.  112,  und  ich 
möchte  es  gleichfalls  bezweifeln ,  die  Blüthe  liegt  jedenfalls  weit 
davon ,  aber  da  man  einmal  überhaupt  mit  so  traurigen  Nothbe- 
helfen  rechnen   muss,    scheinen    mir   die   Krokerschen  Ansätze  der 

s')  Rhein.  Mus.  XXVII  S.  .536  Anni.    t. 


229 

Akme  des  Aristeides  I.  auf  Olymp.  98,  seines  Sohnes  auf  Olymp.  105 
und  seines  Enkels  auf  Olymp.  112  doch  zu  hoch,  und  ich  möchte 
die  alten  Urlichs'schen,  um  zwei  Olympiaden  tieferen  Ansätze  doch 
vorziehen,  ohne  dabei  die  ansprechende  Vermuthun^  Krokers,  der 
den  älteren  Aristeides  mit  dem  Polykletschüler  gleichen  Namens 
identificiren  will,  abzuweisen.  Das  Ethnikon  Thebanus  wird  heute 
allgemein  auf  den  Schüler  des  Euxeinidas  nach  Massgabe  von 
Plinius  35,  111  bezogen  und  wohl  mit  Recht";  auf  die  Anführungs- 
weise des  Plinius  ist  aber  kein  sicherer  Verlass,  da  er  das  be- 
rühmte Dionysosbild  7,  126  dem  Aristides  Thebanus  und  35,  24 
dem  Aristides  kurzweg  zutheilt.  Schwerer  ist  die  gerechte  Ver- 
theilung  der  erwähnten  Bilder  und  der  verschiedenen  Ruhmestitel. 
Der  angebliche  Erfinder  der  Enkaustik  ist  zweifellos  der  ältere 
Aristeides.  Aber  auf  welchen  geht  die  ausführliche  Würdigung 
35,  98:  is  oyiinium  primus  animum  pinxit  et  sensus  hominum  expressü, 
quae  vocant  Graeci  ethe,  item  perturbationes^  durior  paulo  in  cohribus. 
Plinius  gibt  uns  hier  die  Wahl  förmlich  ausdrücklich  frei,  denn  er 
nennt  zwar  Aristides  Thebanus  als  Subject,  bezeichnet  ihn  aber 
fürsorglich  zugleich  als  aequalis  des  Apelles.  Das  omnium  primus 
dieses  Urtheiles  gehört  zu  seinesgleichen,  aber  ohne  jede  Analogie 
in  der  antiken  Kunstkritik  ist  das  harmlose  Nebeneinander  des 
ganz  typischen  Gegensatzes  von  r\Qoc,  und  TrdBoq^^).  Die  Ankoppe- 
lung  dieses  Pathos  ist  ungeschickt  genug  und  hat  auch  Osann  An- 
lass  zu  einer  schlechten  Conjectur  gegeben  ^'^),  aber  diese  nUngleich- 
heit«  ist  charakteristisch  und  darf  nicht  weggetüftelt  werden.  Wie 
hier  Grossvater  und  Enkel  in  einer  Person  auftreten,  sind  auch 
folgerichtig  ihre  Weisen  ineinander  geflossen.  Aber  noch  können 
wir,  wenn  auch  nicht  ganz  ohne  Rückstand,  die  Scheidung  voll- 
ziehen. Dem  Aristides  Thebanus  das  Ethos,  dem  aequalis  des 
Apelles  das  Pathos  und  für  das  durioi'  paulo  in  coloribus  mögen 
Glücklichere  sorgen.  Der  berühmtere  und  bedeutendere  ist  zweifel- 
los Aristeides  L,  dessen  dominirende  Stellung  auch  schon  das  Stemma 
verkündet,  und  der  vielgefeierte  Dionysos  muss  ihm  als  Siegespreis 


^ä)  Ich  denke,  man  wird  sich  hier  nicht  auf  Aelian  V.  H.IV3  =  Schriftqu. 
1076  berufen  mögen,  wo  das  -aadoc,  gewiss  nur  aus  Versehen  zum  fjBo«;  gekommen 
ist,  und  zwar  darum  nicht,  weil  es  sich  hier  um  Polygnot  handelt,  bei  dem  das 
Ethos  exemplificirt  und  durch  Gegensatz  erläutert  war. 

ä»*)  id  est  für  üem.  Jahn,  Ber.  d.  sächs.  Ges.  1850  S.  114,  hat  unsere  Stelle 
ausführlich  besprochen  und  das  nöthige  Material  beigebracht,  so  dass  es  genügt, 
auf  ihn  zu  verweisen. 


230 

in  diesem  Kampfe  zugesprochen  werden ;  ihm  als  dem  Thebaner 
gehört  auch  das  von  Alexander  zu  Theben  erbeutete  Bild  der  er- 
oberten Stadt  an,  eine  Iliupersis^  wie  sie  des  Ethographen  besonders 
würdig  ist").  Für  den  jüngeren  bleibt  noch  allerlei  übrig.  Die 
Perserschlacht,  die  er  für  Mnason  von  Elatea  malte,  dessen  Kunst- 
sinn sich  in  der  Art,  wie  er  zahlt,  recht  sonderbar  ausnimmt ^'^i, 
die  Leontion,  ja  auch  der  endlos  gelobte  Kranke  —  doch  ich  breche 
hier  ab,  ich  hatte  vor,  von  den  sikyonischen  Malern  zu  handeln, 
und  bin  mitten  in  das  Gestrüpp  der  Fragen,  die  sich  um  die  nthe- 
banisch-attische«  Malerschule  schlingen,  gerathen.  Der  Grenzpfahl, 
der  den  Eindringling  zurückschrecken  sollte,  ist  doch  wahrhaftig 
gross  genug  und  weithin  sichtbar,  denn  er  ist  ganz  neu.  Sehen 
wir  ihn  uns  ein  wenig  näher  an. 

Die  thebanisch-attische  Malerschule  taucht  als  Hypothese  bei 
Brunn,  Geschichte  d.  gr.  Kstl.  II  S.  159  zum  erstenmale  auf.  Ihre 
Begründung  war  ziemlich  dürftig.  Aristides  Thebanus  und  ein  Bild 
in  Theben  und  dann  der  Hinweis  auf  die  rasch  zusammenbrechende 
Macht  Thebens  und  auf  seine  Zerstörung,  welche  die  Verlegung 
der  Schule  nach  Athen  erklären  sollte.  Und  trotzdem  ist  diese 
Hypothese  niemals  in  Frage  gestellt,  ja  auch,  so  viel  ich  wenigstens 
weiss,  niemals  weiter  erörtert,  sondern  einfach  der  Reihe  der  ar- 
chäologischen Glaubensartikel  einverleibt  worden,  und  wenn  man 
sich  doch  gelegentlich  ihres  hypothetischen  Charakters  erinnert  hat, 
so  geschah  es  nur,  um  das  'placet  wirkungsvoll  anzufügen.  Und 
das  blieb  so,  obgleich  sich  der  Stand  der  Frage  recht  wesentlich 
verschoben  hat.  Die  chronologischen  Ansätze  haben  sich  verän- 
dert. Zwei  Aristides  stehen  heute  auf  dem  Plan,  der  Thebanus  ist 
nicht  mehr  Sohn  des  Nikomachos,  sondern  dessen  Vater,  und  Brunn 
hat  hier  selbst  weiter  gefördert,  ja  sogar  den  Versuch,  einen  dritten 
Aristides  in  das  Stemma  zu  stellen,  gewagt.  Dann  hat  Kroker  den 
älteren  Aristides   mit   dem  Schüler  Polyklets   identificirt,    was    mir 


*')  Plinius  erwähnt  als  die  Hauptsache  einen  besonders  <;^raiisigcn  Zug  ad 
matris  morientis  ex  volnere  mamviam  adrepens  in/ans,  intellegiturque  seniire  vialer 
et  timere  ne  emortuo  lacte  aanguinem  lambat.  Fürwahr  sehr  fein  und  es  überläui't 
einem  ganz  ordentlich,  wenn  man  dies  liest.  Glücklicherweise  haben  wir  aber 
noch  ein  schlichtes  Epigramm  Anthol.  Pal.  VII  G23,  das  die  einfache  und  tragische 
Grösse  dieser  Episode  klar  zum  Ausdruck  bringt. 

**)  Er  z;ihlt  ihm  100  Personen  das  Stück  zu  10  Minen,  dem  Theomnestos 
für  jeden  Heros  20  Minen,  dem  Asklepiodor  für  12  Götter  das  Stück  zu  30  Minen. 
Er  liat  also  seiiun  'i';irif  iiacli   der  Rangliste  der  Dargcstellttu  geregelt. 


231 

niclit  unmöglich  erscheint,  hat  Euxeinidas,  der  jetzt  an  der  Spitze 
des  Stemmas  steht,  bei  dem  er  die  Malerei  erlernte,  ftlr  einen 
Sikvonier  erklärt,  was  ich  sehr  gut  zugeben  kann,  und  ihn  dann 
reich  mit  Wissensschätzen  beladen  wieder  ruhig  in  seine  böotische 
Heimat  ziehen  lassen. 

Dort  hüren  wir  von  epichorischen  Malern  auch  zur  Zeit  der 
liüchsten  politischen  Blüthe  nichts.  Die  künstlerische  Verherrlichung 
der  thebanischen  Grossthaten  bleibt  freilich  nicht  aus;  in  Theben 
selbst  malt  als  Staatsauftrag  Androkydes  der  Kyzikener  eine 
Orossthat  von  Pelopidas  und  Epameinondas,  die  dann  durch  Volks- 
beschluss  auf  eines  anderen  Rechnung  gesetzt  wird;  die  Schlacht 
bei  Mantineia  verherrlicht  zu  Athen  Euphranor  der  Isthmier,  und 
der  Sohn  des  Pausias,  Aristolaos,  malt  eine  Apotheose  des  Epamei- 
nondas  und  Perikles.  Nun,  da  in  Theben  absolut  nichts  aufzu- 
finden ist,  müssen  wir  das  Suchen  in  Athen  fortsetzen.  Es  wäre  ja 
gar  nicht  so  verwunderlich,  hätten  die  sich  die  ganze  Schule,  von 
der  ihnen  nur  ein  Theil  gehören  sollte,  einfach  angeeignet.  Aber 
auch  davon  finde  ich  nichts.  Die  bekannte  Stelle  im  Plutarch  d 
r/loria  Atheniensiura  2,  wo  die  Verdienste  Athens  um  die  Malerei 
mit  besonderem  Nachdrucke  aufgezählt  werden,  nennt  Apollodoros, 
Euphranor,  Kikias,  Asklepiodoros  und  Panainos.  Euphranor  ist 
aber  nicht  'AÖnvaioq.  wie  der  Panegyriker  will,  und  nur  seine  grossen 
Werke  in  Athen  hätten  hier  mit  Recht  herbeigezogen  werden  können. 
Dass  Kikias  auch  im  Stemma  vorkommt,  beweist,  zumal  da  er 
einen  ausserhalb  desselben  stehenden  Vater  hat,  nichts.  Ebensogut 
könnte  man  des  Apelles  halber  das  sikyonische  Stemma  nach 
Ephesos  verpflanzen,  und  da  Kikomachos  und  sein  Sohn  nicht  als 
Athener  ausgerufen  werden,  so  waren  sie  es  auch  sicher  nicht. 
Grössen  wie  Antenorides  kann  man  vielleicht  auch  ohne  ausdrück- 
liches Zeugniss,  und  hier  mag  der  Name  dazu  führen,  als  Athener 
ansprechen^"),  bei  anderen  muss  das  Athenerthum  sehr  sicher  über- 
liefert sein,  sollen  wir  es  ruhig  gelten  lassen  können*^). 

Es  ist  mir  besonders  auffällig,  dass  der  ältere  Aristeides  sein 
Ethnikon  fast  ständig  führt.  Dreimal  nennt  ihn  Plinius  so,  der 
Euphranor  beispielsweise   nur    einmal  als  Isthmius  oder  Pamphilus 


'»)  Dass  er  so  heisst,    hat  schon  Letronne,    Ann.  1845  p.  258,    gelehrt,  die 
handschriftlich  überlieferte  Form  Antorides  steht  nur  noch  in  den  Plinius- Ausgaben. 
•";  Loeschcke,  Dorp.  Progr.  1887  S.  8. 


232 

als  Macedo'  bezeichnet.  Der  Grund  ist  längst  erkannt,  aber  wie 
soll  denn  das  Thebanus  die  Unterscheidung  besorgen,  wenn  der 
andere  nicht  anderswo  heimatsberechtigt  ist?  Euphranor  führt  uns 
schon  in  den  Bannkreis  der  sikyonischen  Schule,  als  Bildhauer 
gehört  er  dahin,  und  dass  er  als  Maler  anders  zu  beurtheiien  wäre, 
ist  meines  Erachtens  eine  haare  Unmöglichkeit.  Nikomachos  ar- 
beitet in  Sikyon  und  zwar  für  den  Herrscher  Aristratos,  der,  wie 
sein  Porträt  bezeugt,  die  einheimische  Schule  zu  fördern  wusste. 
Ich  glaube,  dieser  Nachricht  kommt  ein  ganz  besonderes  Gewicht 
zu,  denn  damals  hatte  die  sikyonische  Malerei  den  Höhepunkt 
erreicht,  und  nichts  in  dem,  was  von  Nikomachos  überliefert  ist, 
erhebt  gegen  den  daraus  zu  ziehenden  Schluss  Widerspruch. 

Aber  es  ist  recht  überflüssig,  nach  neuen  Indicien  auszuspähen, 
wenn  ein  ganz  directes  und  klares  Zeugniss  vorliegt,  und  ein  solches 
enthält  eine  durchaus  nicht  unbeachtete,  aber  immer  nur  ihres  In- 
haltes wegen  behandelte  Stelle  bei  Athenäus,  der  Aristeides,  Pau- 
sanias  und  Nikophanes  Pornographen  nennt *'^)  und  hinzufügt: 
|uvr||uoveuei  be  öutujv  mc,  laOia  KoKwq  yP«9Övtujv  TTo\e)Liijuv  ev  tuj 
irepi  Tujv  ev  Zikuuuvi  irivdKUJV.  So  gehen  denn  die  beiden 
Stemmata  auf  das  engste  zusammen. 

Aristides  Thebanus  ist  ebensogut  wie  Pamphilos  von  Amphi- 
polis  Grossmeister  der  Schule  von  Sikyon.  Der  gewaltige  Auf. 
Schwung,  den  die  Tradition  begreiflicherweise  an  einen  sikyonischen 
Namen  anknüpft,  er  ist  gewiss  ihr  Werk,  denn  er  wird  erst  ver- 
ständlich durch  die  Erkenntniss,  dass  ihm  eine  Auffrischung  uud 
Durchdringung  des  uralten  Stammbaumes  mit  nordgriechischem 
Blute  voranging.  Von  dorther  kam  ihr  die  Technik  der  Enkaustik 
zu,  die  sie  zur  höchsten  Vollendung  entfaltete,  und  darum  konnte  der 
Glaube  entstehen,  Aristides  und  Pamphilus  wären  die  ersten  En- 
kaustiker  gewesen.  Noch  finden  wir  andere  nordgriechische  Namen 
in  der  sikyonischen  Schülerliste,  Leonidas  von  Anthedon,  Athenion 
von  Maroneia,  aber  freilich  auch  Namen  von  ionischen  Künstlern, 
die  für  ihren  Weltruf  zeugen.  Die  erste  und  notwendigste  Con- 
sequenz  der  gewonnenen  Erkenntniss  ist  der  Bruch  mit  der  alten 
Anschauung  von  der  Einseitigkeit  und  Enge  der  sikyonischen  Manier. 


")  XIII  p.  667  B.  Es  steht  Pausanias,  und  Sillig  Brunn  iind  andere  wollen 
dafür  Pausias  einsetzen.  Icli  halte  aber  dafür,  dass  es  so  richtig  steht  und  Pole- 
mon  noch  die  vollere  Namensform  gekannt  hat,  er  scheint  auch  Melanthos  für 
Melantfkios  gekannt  zu  haben,   vergl.  Plut.  Arat.   12  u.  13  =  Schriftqu.  1749  u.  1759. 


233 

Es  bedarf  nur  eines  Blickes  auf  die  uns  erwähnten  Vorwürfe  ,  um 
zu  erkennen,  dass  hier  alle  Richtungen,  vom  Schlachtenbild  bis  zur 
Miniatur  und  zum  Pornogramm  vertreten  waren.  Der  einheitliche 
Charakter  geht  damit  nicht  verloren,  die  hervorragende  Pflege  einer 
bestimmten  künstlerischen  Technik  hat  gewiss  auch  hier  ihre  stil- 
bildende Kraft  bewährt,  und  die  geschlossene  Tradition  war  vor 
allem  geeignet,  den  einmal  geschaffenen  Stil  zu  wahren  und  weiter 
zu  bilden ,  und  in  diesem  Punkte  war  auch  der  Einfluss  der  eng 
verbundenen  sikyonischen  Erzgusswerkstatt  von  Bedeutung.  Das 
sind  Dinge,  die  auch  ohne  jedes  Zeugniss  vermuthet  werden  müssten, 
es  ist  aber  doch,  da  uns  stilistische  Urtheile  vorliegen,  nötig,  auf 
die  Belehrung,  die  sie  gewähren,  hinzuweisen.  Wir  haben  bereits 
der  Urtheile  über  die  beiden  Aristeides,  wie  über  Nikophanes  Er- 
wähnung gethan.  Wir  heben  aber  aus  beiden  ein  identisches  Mo- 
ment hervor,  weil  sich  an  dasselbe  alles  anfügen  lässt,  was  an 
solchen  Urtheilen  noch  vorhanden  ist. 

Von   Aristeides:  jjaulo  durior  in  colorihus. 

Nikophanes:  alias  durus  in  coloribus  et  sile  multus. 

Antidotos:  diligentior  quam  numerosior  et  in  colorihus  severus. 

Athenion:  austerior  in  colore  et  in  austeritate  iucundiur  ut 
in  ipsa  pictura  eruditio  eluceat. 

Aristolaos:  .  .  .  .e  severissimis  pictoribus. 
Das  ruft  uns  zunächst  die  classische  Stelle  von  Euthykrates  in 
Erinnerung,  der  trotz  seines  Vaters  austero  mahiit  genere  quam  iu- 
cundo  placere.  Auf  welche  Quelle  jene  Urtheile  zurückgehen,  mag 
vorläufig  dahingestellt  bleiben ,  es  sei  jedoch  darauf  hingewiesen, 
dass  ihr  Autor  ebensowenig  wie  Polemon  in  dem  Pornographen- 
Citate  und  Plinius  in  der  Enkaustiker- Aufzählung  die  beiden  Stem- 
raata  als  etwas  streng  zu  scheidendes  gekannt  haben  kann.  Dass 
aber  die  Richtung,  die  jene  Urtheile  weisen,  eine  zielbewusst  ver- 
folgte gewesen  sei ,  lehrt  noch  deutlicher  als  jener  Bericht  über 
Euthykrates  der  herrliche  Ausspruch  des  Melanthios,  den  wir  füg- 
lich als  Schlusswort  hersetzen  dürfen:  Oriai  yctp  (ev  TOii;  irepi  Zioi- 
YpaqpiKfK)  beiv  aü9dbeidv  xiva  Kai  öKXnpÖTnTa  toTc;  epYOiq  eTTiipexeiv. 

Prag,  im  Januar  1888  WILHELM  KLEIN 


134 

Neue  Insel)  rifteü  aus  Dacien') 


I 

1.   Värhely.     Am   unteren  Rande  einer  Statue  aus   Marmor. 

AESC  ETHYG1Ä=. 
P    A  EL  •   THEIMES 

Bei  der  Seltenheit  des  Cognomen  Theimes  dürfte  der  aus 
einer  anderen  Inschrift  von  Sarmizegetusa  (III,  1472)  bekannte 
gleichnamige  P.  Ael.  Theimes  mit  diesem  identisch  sein. 

*2.  Ära  aus  weissem  Marmor,  h.  0*51,  br.  02,  d.  0"05;  jetzt 
im  Museum  zu  Deva, 


3.  Ära  aus  Bukovaer  Marmor,  gefunden  in  der  Nähe  des 
Amphitheaters,  jetzt  in  Privatbesitz.  Oben  zwei  Löwen.  H.  0'41, 
br.  0-39. 

GEN lO     DEC 
XiTT      COLI.o 

FABRö 
'  "  •   Rß  SA 

Das  coU(egium)  fabr{itm)  zu  Sarmizegetusa  war  aus  manchen 
Inschriften  bekannt;  die  dec(nria  tertia)  desselben  wird  erwähnt 
III,  1494,  die  dec{uria  quarta)  III,  1431**);  unsere  Inschrift  lehrt» 
dass  dasselbe  mindestens  dreizehn  Decurien  enthielt  —  Z.  4.  5 
ist  vielleicht  L.    Vib{ms)  Sa\tnrninvfi\  zu  losen. 

4.  Fragment  aus  Marmor;  in  llaszeg  aus  den  Ruinen  einer 
mittelalterlichen  Kirche. 

SObO 


'j  Zu  (1(11  liis(  liriftei)  2.  8.  18.  19.  20  sind  von  A.  v.  Domaszewski  genominenc 
AliHclirjfteu  und  Aljklatsche  vergliclien  worden.     A.  d.   R. 

')  Im  Ciiriiiis   war  irrtliüiilich  dec{nriarum  Iriiivi  und  <iHatli(or)  gcdesen. 


235 


5.  Fragment  einer  Tafel,  h.  0'47,  br.  OSS. 


I    AVG   I 


P    V  B  I.  I  C  j 

G.  Aus  Sandstein,  beim  Gemeindecassier  Albuleseu  Mihaly. 


D  iW 

CIVIIOL  VC"A  11' 
F  A  M  I  L  I  A - C"S 


7.  Fragment    aus    Marmor   mit   sehr    schönen,     10  Centimf^ter 
hohen  Buchstaben. 


Vielleicht  ist  das  Fragment  auf  Traian  zu  beziehen  und  Z.  1 
Dac(ico),  Z.  2  trib.  po\t.  XV. . .   zu  verstehen. 

*8.  Fragment  einer  Tafel  aus  blauem  Bukovaer  Marmor.  H.  1"5, 
br.  0-2,  d.  Ol 8. 

1^  A  P 

I 

3 

A  RM 

ebv  t 

[.        p  a  1 

A  C  R 

PI  S 

,\NO  K 

ON  1  I 
10         ji  A 

-  L  ! 

IWll  <J> 

OS 
okwAM 
15  sarJMIZ 
fMO 

Z.  1  ist  wohl  die  Tribus  Pap{iria)  zu  erkennen.  —  Z.  8  steht 
am  Schluss  ein  von  rechts  nach  links  gewendetes  r.  —  Die  geringen 
Reste  gestatten  eine  einigermassen  sichere  Ergänzung  nicht,  doch 
ist  es  wahrscheinlich,    dass    sie    zu   einer  Ehreninsclirift   für  einen 


236 

aus  Sarmizegetusa  Gebürtigen  gehörten,  der  mehrfach  militärische 
Stellungen    bekleidet    (Z.  2   etwa   [p{rimo)p{ilari) ,   praef(ecto)  levis] 

armiaturae),  Z.  4  etwa  praef{ecto)  coh{prtis) e\quit{atae))  und  in 

seiner  Vaterstadt  irgend  welche  oniamenta  (Z.   14)  erhalten  hat. 

9  [=  diese  Zeitschrift  IX  S.  240  n.  13].    Fragment    aus    den 
Ruinen  des  Mithrastempels,  aus  Sandstein. 

SOR 

IN  AE 
S  -  VIL 

10.  Fragment,  h.  041,  br.  0-21. 


11.  Fragment  aus  Marmor   mit  sehr  schönen  Buchstaben. 


12.  Am  Rande  eines  Reliefs  bei  Herrn  Petrovits,    k.  k.  Lieu 
tenant  in  Haszeg. 

I  V  A 


13.  Fragment  einer  Marmorplatte. 


\K\ 


14.  Fragment  einer  Marraorplatte,  h.  007,  hr.  O'l,  d.  0  02. 


15.  Fragment  einer  dünnen  Platte. 


o  c 


Deva.  GABR.  TEGLAS 

PAUL  KIRALY 


237 

II 

16.  Mikhäza  (C.  I.  L.  III  p.  178,  XII).  Fragment  aus  grobem 
Kalk,  h.  0-45,  br.  0-4. 

L  XXXV 
!  V  R  I  o 
?    jJ  (a  T  R  I 
?   pienf]isS\N\0 
5  pO|SVIT 

Z.  1  war  wohl  das  Lebensalter  angegeben ,  Z.  2  der  Name 
desjenigen,  der  den  Stein  gesetzt  hat.  Die  Reste  führen  auf  ein 
Cognomen  wie  Saturio,  Surio. 

17.  Torda.  Ära,  in  den  Weingärten  gefunden,  jetzt  im  Devaer 
Museum;  h.  0-32,  br.  02. 

I     D  «  M 
N  A  D 
VOT 
I  B 
5  POS 

I{nvicto)   D{eo)   M(ithrae)    .  .  .    vot{um)   [l]ib{ens)  pos{uit). 

*18.  Apuium.  Fragment  aus  Cerithien-Kalk,  h.  0  16,  br.  0*2, 
d.  016. 


*19.  Petrosan  bei  Zalatna,  im  Hause  des  Pfarrers  Georg 
Popovits.     Ära  aus  Brearar- Sandstein,     H.  0*55,  br.  0"45,  d.  0*36. 

— ETM  •  I  V,  •    A~7\(9Z/i 
N  A   R   I  S     V   K  R  s\ 

A'  G  •     N  •     R?   m   A      ) 

5  N  '  S    A  V  G  ■  N   V  E  R  N 

sie  V\  I  L      P  O  S  V  1  T  1 

Zum  Schluss  von  Z.  2  und  3  ist  p  und  ^  nicht  ganz  erhalten. 
Zu  lesen  ist  Z.  3  ff.  Verus  Aug{usti)  n{ostri),  Romanus  Aug{usti)  n(ostri) 
vern{a)  vil{icus). 

*20.  In  der  Nähe  des  Vulkojer  Bergwerkes,  unter  dem  Berge 
Korabia,    entdeckte    Bela   v.  Lukacs,   Präsident    der    ung.   Staats- 


238 

eisenbahn,  im  Jahre  1878  zwei  römische  Gräber  (Arch.  Ertesitö 
Jahrg.  1879  S.  14  u.  350).  Bei  meinen  Ausgrabungen  fand  ich 
einen  Grabstein  aus  Nummulithen-Kalk,  welcher  50  Kilom.  von 
dort  beim  Dorfe  Igen  (in  der  Nähe  von  Karlsburg)  bricht.  H.  0*35, 
br.  0-45,  d.  Ol. 


tro 


Ziegelinsclirifteii 

1.  Mlkhäza,  jetzt  im  Museum  zu  D6va. 

C    PA  I 

Vielleicht  =  C.  I.  L.  1633,  23  und  add.,  sowie  Eph.  ep.  IV  n.  203. 

2.  Zaiatna. 

LEG  XIII   GLM 
AEL   II  KIIV  S 

3.  Rea,  zwischen  Hatzeg  und  Varhely  von  Hrn.  Adam  v.  Buda 
in  einem  römischen  Fundament  gefunden  —  C.  I.  L.  1633,  16. 

^  I  A  B 

4.  Ebendort. 

L  E  G  /l  iii  g 

5.  Ebendort.  Vgl.  diese  Zeitschrift  VI  S.  138  f.  u.  VIII  S.54  n.3. 

leg  iii  j  I  F  F 

6.  Värhely. 

MARC 

7.  Pjbendort. 

LEG  Xm   GE 

8.  Burghall  (das  andere  Värhely)  bei  Bistritz,  jetzt  im  cvang. 
Gymnasium  zu  Bistritz. 

9.  Ebendort. ' 

/  A  B  L  Y 

10.  Dicsö  Szt, -Märton,   im  Thal  des  kl.  Kokcl. 

LEG   XIII   G 

11.  Heviz-Galt  (C.  I.  L.  p.  179,  XV),  jetzt  in  Maros-Vasarhely 
bei  Herrn  Kovats. 

X  X      N. 


239 

12.  Veczel. 

Ieq  XIII    qEJm 
i  VA  P  O  L  L  0 1/ 

13.  Ebendort  =  C.  I.  L.  1629,  22. 

L  V  C  r/  aquila 

14.  KÖboldogfalva  bei  Kis-Kalan  (C.  I.  L.  p.  227,  XXIV). 

A  S  C  L  E  P  I 

15.  Maros-Porto,  im  Fussboden  bei  Todoran  Ariton. 

F  •  A-  T 

16.  Ompolyica,  l'/a  Stunden  westl.  von  Karlsburg;  jetzt  im 
Besitze  des  reformirten  Collegiums  in  Nagy  -  Enyed  =  C.  I.  L. 
1629,  10. 

LEG    XIII    GE 
AVCALLISTRI 

17.  FÖldvar  bei  Felvincz;  jetzt  in  Dev^a  im  Museum. 

AL  BA  c»     =:     al{u)   Ba(tavorum  miliaria) 

18.  Ebendort. 

LEG  X 

[Ob  zum  Schluss  verstümmelt?] 

19.  Ebendort,  jetzt  im  reform.  CoUegium  zu  Nagy-Enyed. 

LEG  XIII   GEM 

20.  MarOS-Keresztur,  jetzt  Märos-Vasdrhely  bei  Hrn.  v.  Kovats 
=  Mitth.  VI  S.   140. 

AL  Bos     =     al{a)  Bos{poranoruiii) 

Lampen 

1.  Zaiatlia,  vom  Vulkojer  Grabfeld.     Zwei  Exemplare. 

F  E  S  T  1 

2  (diese  Zeitschr.  VI  S.  145  n.  36).  Ebendort.  Drei  Exemplare. 

OPTATI 

3  (ebenda  n.  34).  iNVAk 

Gefässstempel  aus  Varhely. 

[eim 
Deva  G.  TEGLAS 


240 

Zu  einer  Gruppe  von  Inschriften  der 
Augustalen 

Bei  Vorarbeiten  zu  einer  neuen  Behandlung  der  Augustalen- 
frage  stiess  ich  auf  eine  Gruppe  von  Inschriften,  die  alle  aus 
einem  und  demselben  engbegrenzten  Landstriche  innerhalb  der 
XI.  Region  Italiens,  aus  Mediolanium  und  seinem  Gebiete  (C.  I.  L. 
V5465.  5749.  5844.  6349.  8922),  sowie  aus  Novaria  (V6518)  stammen, 
in  denen  zu  der  Bezeichnung  sexvir  Augustalis  oder  einfach  Augn- 
dalis  die  abgekürzte  Formel  c.  d.  d.  oder  in  einem  Falle  (n.  6518) 
s.  c.  d.  d.  zugefügt  ist.  Nach  dem  Vorgange  der  Früheren  erklärten 
Mommsen  (C.  I.  L.  V  p.  635,  dazu  Index  p.  1198)  und  nach  ihm 
Johannes  Schmidt  (De  seviris  Augustalibus  1878  S.  21  f.)  diese 
Abkürzungen  mit  c{reatus)  d^ecurtonum)  d{ecreto) ,  ersterer  jedoch 
mit  dem  zweifelnden  Zusätze:  'quamquam  hoc  displicet,  cum  nihil 
proprium  creati  vocabulo  adiciatur.  Mir  scheint  es  namentlich 
wegen  V  6518  {Augustalis  s.  c.  d.  d.)  ansprechender,  zur  Deutung 
zwei  im  benachbarten  Vercellae  gefundene  Inschriften  (n.  6657. 
6658)  heranzuziehen ,  auf  welchen  seviri  Augustales  socii-^  cultores 
domus  divinae  erscheinen,  und  daneben  auch  einige  Inschriften  aus 
Brixia  zu  vergleichen,  die  für  diese  Stadt  ein  coU(egium)  {sex)vi- 
)(uin)  soccior{um)  (V  4410,  cf.  4203)  und  {sex)vir{i)  Aug{ustales)  soci 
(4428)  bezeugen.  Danach  ist  wohl  in  n.  6518  Augustalis  s[ocius) 
c(ultor)  d{omus)  d{ivinae) ,  in  den  übrigen  Inschriften  Aug{ustalis) 
oder  sexvir  Aug{ustalis)  c{ultor)  d{omus)  d{ivinae)  zu  lesen.  Zu  dem 
Alter  der  Steine  —  keiner  derselben  scheint  vor  die  antoninische 
Zeit  zu  fallen  —  und  zu  dem  Zwecke  des  Augustaleninstitutes 
passt  dies,  so  viel  ich  sehe,  recht  gut. 

Wien  A.  V.  PREMERSTEIN 


Archaeoirepigr  Math  aus  Oesterreich-Ungam  XI 


Taf 


ANTONINVS      PIV: 


JTelUfffn  J.Slec/u/wei 


Druck  V  ZFts 


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Archaeol -epigraph.  Mitth.  aus  Oeaterreich-Ungarn  XI 


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Taf.  III 


Archaeol.-epigraph,  Mitth.  aus  Oeaterreich-Üngam  XI 


SlXoLfe/itiv^   llOO. 


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Archaec 


Taf.  IV 


Archaeol.epigraph.  Mitth.  aus  OesterreichUngam  XI 


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Archaeol.-epigraph.  Miltli.  ans  Oesterreich-Ungarn  XI 


Taf.  V 


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Archaeol.-epigraph.  Mittli.  aus  Oesterreich-Ungarn  XI 


Taf.  VI 


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Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich-üngarn  XI 


Taf.  VII 


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Archaeol.-epig-raph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungarn  XI 


Taf.  VI  LI 


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cliaool.-epitn'aph.  Mittti.  aus  Oesterreich-Ungarn  XI 


Taf.  IX 


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02 


ARCHAEOLOG ISCH  -  EPIGRAPHISCHE 


MITTHEILUNGEN 

/v^  f  *;     \      .   ^^ 


OESTERREICH- UNGARN 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


0.  BENNDORF  und  E.  BORMANN 


JAHKGANG    XII 

MIT  9  TAFELN 


WIEN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN 

1888 


/l^.I.  ^Oj^- 


INHALT 


Seite 

Bormaun  Die  antiken  Inschriften  zu  Wodena  (Edessa) 18G— 195 

Bulic  Eine  Zeusstatuette  im  Museum  von  Spalato 24 — 26 

V.  Domaszewski    Eine     zweite    Handschrift    der    Inschriftensammlung' 

des  Peter  Alexander  Boghetich 26 — 38 

Römischer  Pferdeschmuck  aus  Siebenbürgen        .      .    138 — 145 

Gomperz    Die  älteste  attische  Staatsurkunde 61 — 65 

Hauser,  Schmidel,  Bor  mann    Ausgrabungen  in  Carnuntum  .  .    146 — 174 

Hülsen  Eine  römische  Strasse  in  Serbien 175 — 182 

Hula    Eine  Inschrift  aus  Lagina 77 — 79 

Kenner;    v.  Domaszewski  und  Kenner    Römische    Goldbarren    mit 

Stämpeln 1 — 24.  66—73 

Klein    Zur  Daidalidenfrage 60  —  61 

Studien  zur  griechischen  Malergeschichte: 

II.  Die  helladische  und  asiatische  Schule 85  — 127 

Kubitschek    Inschriften  aus  Oedenburg  (Scarabantia)       .....      80—84 
Der  'römische   Sarkophag'  in  Gumpoldskirchen        .  .    182 — 186 

V.  Premerstein  Zur  Inschrift  C.  I.  L.  III  4307 131  —  137 

Nachtrag  zu  Mittheilungen  XI    S.  240 137 

Reichel    Ueber  eine  neue  Aufnahme  der  Fran^oisvase 38 — 59 

Szanto  Zu  den  amorginischen  Staatschuldurkunden 74 — 77 

Weinberger  Zum  Ehrendecret  aus  Tomi 127 — 130 


Eömisclie  Goldbarren  mit  Stampeln*) 

(Hierzu  Tafel  II) 


Ein  epigraphisches  Novum  von  grosser  Wichtigkeit  lieferte 
der  im  September  1887  in  Siebenbürgen  gemachte  Fund  von  abge- 
stämpelten  römischen  Goldbarren  aus  der  zweiten  Hälfte  des  vierten 
Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung,  die  den  Gegenstand  der  folgen- 
den Besprechung  bilden;  in  ihr  sind  die  dankenswerthen  Mitthei- 
lungen benützt,  welche  Herr  Director  Gabriel  Tegläs  in  Deva 
über  die  Umstände  des  Fundes,  das  Aussehen,  die  Dimensionen 
und  Gewichte  der  Barren  an  die  Redaction  dieser  Zeitschrift  richtete. 
Auch  die  Facsimile  der  Stämpel  beruhen  auf  Zeichnungen,  die  seiner 
Güte  verdankt  werden. 

Er  schreibt  über  den  Fund  Folgendes:  „Die  Goldbarren  wurden 
in  der  südöstlichen  Biegung  des  Häromszeker  Comitates  an  dem 
Bache  Bodza  bei  Gelegenheit  eines  Strassenbaues  aufgegraben. 
Der  Ort  liegt  fast  gegenüber  von  Czofalva,  wo  im  Jahre  1840  vier 
goldene  Handbeile,  mehrere  goldene  Phalerae,  das  Ende  einer  gol- 
denen Kette,  goldene  Perlen,  der  Theil  eines  Zaumes  und  eine  Gold- 
platte, die  22  Loth  schwer  ist,  zum  Vorscheine  kamen.  Aus  diesem 
Fund  ist  ein  Handbeil  mit  mehreren  Phalerae  im  Antiken -Cabinet 
zu  Wien  zu  sehen  ^). 


*)    Die    folg-ende  Besprechung    wird    auch   in    der  Wiener  „Numismatischen 
Zeitschrift"  zum  Abdruck  kommen.     [A.  d.  K.] 

')  Arneth  in  den  archäol.  Analecten,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  VII, 
Taf.  14.  —  V.  Sacken  u.  Kenner,  Die  Sammlungen  des  k.  k.  Münz-  und  Antiken- 
Cabinetes  S.  344,  n.  29.  Die  sogenannten  Phalerae  sind  hohle,  gewölbte  Beschläg- 
scheiben aus  Goldblech  mit  Löchern  zum  Aufnähen  auf  Stoffen.  Sechs  in  der  kais, 
Sammlung  in  Wien  befindliche  Stücke  haben  je  25  Cm.  Durchm.,  0-5  Cm.  Höhe. 
Die  Ornamente  bestehen  aus  einem  grösseren  Buckel,  der  von  kleineren  umgeben 
ist.  Das  Gesammtgewicht  der  sechs  Stücke  beträgt  nur  14-02  Gr.  Augenscheinlich 
bildeten  diese  Scheiben  die  Verzierung  eines  Gürtels  oder  Wehrgehänges. 
Archäologiech-epigrapMsche  Mitth.  XII.  1 


Dem  Bodzaflusse  entlang  auf  der  rumänischen  Seite  liegt  die 
berühmte  Pietrosa,  wo  im  Jahre  1837  ein  werthvoller  Fund  aus 
der  Zeit  der  Völkerwanderung  gemacht  worden  ist,  welcher  Schatz 
jetzt  im  Bukarester  Museum  sich  befindet'"'). 

Auf  dem  strategischen  Wege,  der  über  den  Bergrücken  laufend 
von  Szitabodza  ausgeht,  in  dem  Kraszna  genannten  Waldtheil, 
welcher  zwar  noch  in  Ungarn,  doch  der  rumänischen  Grenze  sehr 
nahe  liegt,  beschäftigten  sich  Zigeuner  (zwei  Brüder  Bisziok  und 
Stephan  Miklos  aus  Szitabodza)  und  der  Kisborosnyoer  Insasse 
Radnj  Szavu  in  oben  erwähnter  Zeit  mit  Schotter-Abbrechen  und 
fanden  an  einer  nassen  Berglehne,  kaum  ein  paar  Meter  vom  Wege 
entfernt,  neun  Goldbarren  von  der  Grösse  einer  Siegelwachsstange. 
Die  Zigeuner,  die  den  Werth  dieser  mit  Morast  bedeckten  Stangen 
kaum  kannten,  theilten  den  Fund  auf  der  Stelle  und  jeder  bekam 
zwei  der  Stangen,  nur  Szavu  Radnj  löste  sich  die  neunte,  als  ge- 
meinsame Beute  übriggebliebene  Stange  für  den  Preis  von  2  fl. 
40  kr.  ein.  Letzterer  scheint  von  dem  Werthe  dieser  Stangen  am 
meisten  verstanden  zu  haben,  und  es  kommt  mir  sehr  verdächtig 
vor,  dass  der  Genannte  später  noch  drei  Barren  ausgrub  und  so 
in  den  Besitz  von  sechs  Barren  gelangte." 

Es  wird  weiter  erzählt,  wie  die  Finder  ihre  Barren  zu  Gelde 
zu  machen  suchten,  indem  die  Gebrüder  Bisziok  sie  an  Geldwechsler 
in  Kronstadt  verkauften,  welche  sie,  um  Metallproben  zu  machen, 
zerstückelten ,  so  dass  nur  zwei  ganz ,  die  übrigen  in  fünfzehn 
Bruchstücken  in  die  Hände  der  Obrigkeit  gelangten.  Hingegen 
lieferte  Szavu  seine  sechs  Barren,  von  denen  nur  eine  in  zwei  Theile 
zerschnitten  wurde,  von  selbst  an  die  Behörde  ab,  so  dass  sein 
Antheil  glücklicher  Weise  der  Verstümmelung  entgieng. 

Wie  schon  bemerkt  wurde  und  wie  die  beiliegende  Abbildung 
einer  ganz  erhaltenen  Barre  zeigt,  die  sich  augenblicklich  in  Wiener 
Privatbesitz  befindet  (Taf.  U),  haben  diese  die  Form  unserer  Siegel- 
lackstangen, doch  ist  die  obere,  abgestämpelte  Fläche  etwas  breiter 
als  die  untere,  so  dass  der  Durchschnitt  nicht  ein  Rechteck,  son- 
dern ein  Trapez  ergiebt. 

Die  folgende  Aufzählung  der  Barren  und  der  Bruchstücke, 
welche  der  Fund  enthielt,  wird  genügen,  ein  beiläufiges  Bild  des- 
selben zu  geben.    Dimensionen  und  Gewichte  sind  den  Mittheilungen 


*)  Arneth,    Die    antiken   Gold-  und    Silbermonumente   des   k.  k.  Müiiz-  nud 
Antiken-Cabinetes  S.  85,  Taf.  Beilage  V  und   VI. 


des  Herrn  Directors  Teglas  entnommen ;  die  Art  der  Zusammen- 
stellung der  verschiedenen  Stämpel  wird  durch  eine  Reihe  von 
arabischen  Ziffern  veranschaulicht ,  die  sich  auf  die  Nummern  be- 
ziehen, unter  welchen  die  Stämpel  im  Folgenden  einzeln  aufzuführen 
sein  werden ;  die  aufrechte ,  verkehrte  oder  liegende  Stellung  der 
Ziffern  bezeichnet  zugleich  die  Richtung,  in  welcher  die  Stämpel 
eingeschlagen  sind. 

I.     Ganze  Barre,    16*5  Cm.  lang,  2*3  Cm.  breit,  6  Mm.  dick, 
476  Gramm. 

2        2         ö         1         6 

IL     Ganze  Barre,    17"5  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,   6  Mm.  dick, 
472  Gramm. 

2        2        1         g        g 

III.  Ganze  Barre,    17  Cm.  lang,   2  Cm.  breit,    8  Mm.  dick, 
248  Gramm. 

2        2        2        S        1 

IV.  Ganze  Barre,    14  Cm.  lang,    2  Cm.  breit,    5  Mm.  dick, 
37565  Gramm. 

2         2         12 

V.,  VI.,  VII.     Bruchstücke;  110-15,  102'02,  133-65  Gramm^). 

2   ■' 

VIII.     Bruchstück,    6  Cm.   lang,    2  Cm.   breit,    8  Mm.  dick, 
134-06  Gramm. 


IX.  Bruchstück,   6*5  Cm.  lang,  18  Cm.  breit,  10  Mm.  dick, 
192-87  Gramm. 

X.  Bruchstück,    5-5    Cm.  lang,    2    Cm.  breit,    8   Mm.  dick, 
164*15  Gramm. 

XI.  Bruchstück,    45  Cm.  lang,   2*1  Cm.  breit,  6  Mm.  dick, 
1037  Gramm. 

1     2      . 


^)  Die  Maasse  sind  nach  der  Reihe  der  ohen  angegebenen  Gewichte:  45  Mm.  1., 
18  Mm.  br.,  6  Mm.  dick;  45  Mm.  1.,  18  Mm.  br.,  8  Mm.  dick;  60  Mm.  1.,  20  Mm.  br., 
7  Mm.  dick. 

1* 


XII.  Bruchstück,  6  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  7  Mm.  dick, 
145'5  Gramm. 

3      1  i 

XIII.  Bruchstück,  6-5  Cm.  lang,  2-1  Cm.  breit,  8  Mm.  dick, 
166'65  Gramm. 

2  2   ( 

XIV.  Ganze  Barre,  16-5  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  6  Mm.  dick, 
372  Gramm. 

1  1  6  -J 

XV.  Ganze  Barre,  16  Cm.  lang,  1'7  Cm.  breit,  7  Mm.  dick, 
339  Gramm.     Diese  ist  auf  Tafel  II  wiedergegeben. 

1  6      -^ 

XVI.  Ganze  Barre,  17  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  7  Mm.  dick, 
409  Gramm. 

4         1      6     <i 

XVII.  Ganze  Barre,  14  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  1  Cm.  dick, 
524  Gramm. 

1  6 

XVIII.  Bruchstück,    5  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  5  Mm.  dick, 

151"66  Gramm. 

6  über  5     6/ 

XIX.  Bruchstück,  6  Cm.  lang,  2  Cm.  breit,  7  Mm.  dick, 
127-17  Gramm. 

Hiezu  kommen  noch  vier  ausgehämmerte  Bruchstücke  ohne 
Stämpel  von  128,  69*75  (zwei  Stücke  zusammen)  und  684  Gramm. 

Die  Stämpel  stellen  sich  in  den  Abdrücken  auf  den  Barren 
als  seicht  vertiefte  Vierecke  dar  und  zeigen  kein  anderes  Ornament, 
als  Perlenstäbe,  die  innerhalb  der  Vertiefung  an  den  Rändern 
herumgehen. 

Sie  sind  theils  Schrift-,  theils  Bildstämpel,  die  ihrer  Arbeit 
nach  dem  Charakter  des  vierten  Jahrhunderts  entsprechen.  Die 
Buchstaben  auf  den  Barren  I  bis  IV  sind  kleiner  und  gedrängter 
als  auf  den  Barreu  XIV  bis  XVII. 


')  Der  Stämpel  ist  zweimal  eingeschlagen,  einmal  sclüef,  (hiriiber  gerade. 


Die  Schriftstämpel  lauten: 

1.       LVCIANVS 
OBRISIG  i 

Vgl.  die  Abbildung  auf  Tafel  II. 

Die  Nominativform  des  Namens  lässt  in  der  zweiten  Zeile  die 
Aussage  einer  Thätigkeit  und  ein  Object  der  letzteren  voraussetzen, 
welches  nur  in  der  Sigle  OBRI-  vermuthet  werden  kann,  so  dass 
in  der  anderen  Sigle  SIG  das  Zeitwort  enthalten  sein  muss.  Ohry- 
zum,  obryza  {ohrusmm,  ohrussa)  ist  das  reine,  geläuterte  Gold  ohne 
merklichen  Zusatz  von  unedlen  Metallen;  das  Vorkommen  dieses 
Wortes  in  dem  vorliegenden  Stämpel  verräth,  dass  Lucianus  es 
mit  der  Prüfung  des  Feinhaltes  der  Goldbarren  zu  thun  hatte. 
Diese  konnte  nun  bei  ganzen  Barren,  an  welchen  keine  Spur  der 
Abtrennung  eines  noch  so  kleinen  Theiles  zum  Zwecke  chemischer 
Analyse  bemerkbar  ist,  nur  auf  dem  Wege  der  Strichprobe  ge- 
schehen. Darauf  bezieht  sich  augenscheinlich  die  nach  OBR  ein- 
gestellte Ziffer  I.  Sowie  wir  feines  Gold  mit  Nr.  4  und  weiter  je 
nach  der  Grösse  der  Zusätze  andere  Goldsorten  mit  Gold  Nr.  3, 
Gold  Nr.  2,  Gold  Nr.  1  bezeichnen,  ebenso  scheint  im  römischen 
Probiramte  eine  Feinhaltscala  bestanden  zu  haben  und  bedeutete 
OBR-I-  Feingold  erster  Güte^).  Wahrscheinlich  ist  die  Ziffer  I 
mit  nota  (primae  notae)  zu  ergänzen,  da  nota  den  Strich  bezeichnet, 
welchen  das  Gold  auf  dem  Probirstein  hinterlässt  **).  Der  vorlie- 
gende Stämpel  wird  also  zu  lesen  sein:  Lucianus  obryzum  primae 
notae  signavit,  Lucianus  bezeichnet  die  betreffende  Barre  als  Fein- 
gold erster  Güte ;  der  Stämpel  stellt  demnach  die  amtliche  Feinhalts- 
marke dar. 

Das  beigefügte  Wappen  ist  das  Monogramm  Christi-,  es  wird 
weiter  unten  darüber  gesprochen  werden. 

2.      FLFLAVIAN  iK^Fä^S^ 

VS  PRO  SIG  |terr^)-^0i5'J(€;,| 

ADDIGMA/  i^i^^l. 


*)  Ueber  die  an  den  Barren  angestellte  Goldprobe   liegt  eine  amtliche  Aus- 
sage nicht  vor.    Doch  wurde  versichert,  dass  das  Materiale  reines  Ducatengold  sei. 
•)  Mommseu,  Gesch.  d.  röm.  Miinzwesens  S.  799. 


6 

Auch  hier  wird,  analog  der  Stilisirung  der  Inschrift  des  ersten 
Stämpels,  zu  dem  Namen  Flavianus  ein  Zeitwort  und  ein  Object, 
auf  welches  sich  die  in  letzterem  ausgesagte  Thätigkeit  bezieht, 
vorausgesetzt  und  beides  in  den  Siglen  der  zweiten  Zeile  gesucht 
werden  müssen.  Einen  Aufschluss  über  sie  gewähren  die  Worte 
ad  digma  der  dritten  Zeile,  indem  sie  sofort  erkennen  lassen,  dass 
Flavianus  einen  Gegenstand  mit  einem  Muster,  das  sich  in  seiner 
Verwahrung  befand,  zu  vergleichen  hatte.  Dieser  Gegenstand  muss 
sich  auf  den  Barren  selbst  befinden  und  kann,  da  auf  den  Nummern 
I  bis  IV  neben  dem  Stämpel  des  Flavianus  nur  noch  jener  des 
Lucianus  vorkommt,  nichts  anderes  gewesen  sein,  als  eben  die 
Feinhaltsmarke  des  Letzteren.  Aufgabe  des  Flavianus  war  es  also, 
den  Stämpel  des  Lucianus  mit  einem  in  seiner  amtlichen  Verwah- 
rung befindlichen  authentischen  Abdruck  {digma)  zu  vergleichen, 
die  Echtheit  des  ersteren  zu  prüfen  und  zu  bestätigen.  Die  In- 
schrift wird  also  zu  lesen  sein:  Flavius  Flavianus  prohavit  signuvi 
ad  digma\  er  giebt  die  amtliche  Garantie  für  die  Echtheit  der  Fein- 
haltsmarke des  Lucianus. 

Das  Wappen  ist  der  Palmzweig. 

3.  QV  I  R  I  L  L  V  S 
ETDIONISVS 
SIRM  SIG  / 


Qjy  IRILL  VS 
ETDIONISVS 
j^cSIRMSIG 


Beide  Stämpel  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  in  Nr.  3  zu 
Ende  der  dritten  Zeile  der  Palmzweig,  also  dasselbe  Wappen, 
welches  auch  im  Stämpel  Nr.  2  vorkommt,  angebracht  ist,  während 
in  Nr.  4  zu  Anfang  der  dritten  Zeile  ein  Stern  als  Wappen  er- 
scheint. Die  Form  Nr.  3  begegnet  auf  einem  Bruchstück  (XII), 
die  Form  Nr.  4  auf  einer  ganzen  Barre  (XVI).  Wie  der  Vergleich 
der  beiden  letzteren  Stücke  mit  den  Barren  I  bis  IV  zeigt,  tritt 
der  Stämpel,  von  dem  eben  die  Rede  ist,  an  die  Stelle  jenes  des 
Flavianus  (Nr.  2) ;  es  muss  also  auch  der  Sinn  desselben  der  gleiche 
sein:  die  Aufgabe,  welche  Flavianus  zu  lösen  hatte,  ist  auf  zwei 
obrigkeitliche  Personen,  Quirillus  und  Dionisus  übergegangen,  welche 


bald  die  Palme,  bald  den  Stern  als  Amtswappen  führen.  Die  ab- 
weichende Stilisirung  der  Inschrift  ihres  Stämpels  kann  daher  nicht 
aus  einer  Verschiedenheit  ihrer  Function  hergeleitet,  sondern  muss 
aus  einem  äusserlichen  Umstände  erklärt  werden.  Da  der  Raum, 
welchen  die  Oberfläche  der  Barre  darbietet,  so  schmal  ist,  dass 
nur  für  Stämpel  mit  höchstens  drei  Schriftzeilen  Platz  war,  und 
da  die  Namen  der  beiden  Beamten  schon  für  sich  zwei  Zeilen  ein- 
nehmen, die  Formel  aber,  wie  sie  Flavianus  beifügte  (PRO  -  SIG  | 
AD  DIGMA),  nebst  dem  Wappen  wieder  zwei  Zeilen  beansprucht 
hätte,  würden  bei  ihrer  Anwendung  im  Stämpel  des  Quirillus  und 
Dionisus  vier  Zeilen  Schrift  noth wendig  gewesen  sein,  wofür  der 
Platz  mangelte;  um  die  vierte  Zeile  zu  ersparen,  wurde  jene  Formel 
weggelassen  und  der  kürzere  Beisatz  gewählt,  welcher  mit  SIRM 
SIG  sowohl  den  Amtssitz  als  auch  die  Function  der  beiden  Beamten 
bezeichnete.  Ob  „Sirmii  signaverunt'*  oder  „  Sirmienses  signatores'-'' 
zu  lesen  sei,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die  erste  Lesung 
würde  die  Analogie  mit  den  Stämpeln  1  und  2,  die  andere  den 
Umstand  für  sich  haben,  dass  im  zweiten  Stämpel  der  gleichen  Barre 
doch  wahrscheinlich  nicht  derselbe  Ausdruck  (signare)  wieder  ge- 
braucht worden  ist,  welcher  schon  im  ersten  Stämpel  angewendet  ist. 
5.  Auf  einem  Bruchstück  (XVIII)  ist  ein  Bildstämpel  nach- 
träglich über  einem  Schriftstämpel  eingeschlagen,  so  dass  von  letz- 
terem nur  mehr  die  Enden  der  zwei  oberen  Zeilen  seiner  Inschrift: 

VS 

SIG 


und  des  Palmzweiges  noch  sichtbar  sind.  Da  keine  der  bisher  be- 
sprochenen Marken  gleiche  Ausgänge  zeigt"),  darf  hier  an  den 
Rest  eines  fünften  Schriftstämpels  gedacht  werden ,  der  abgesehen 
von  Namen  und  Wappen  der  Obrigkeit  wohl  ähnlich  so  wie  jener 
des  Flavianus  (Nr.  2)  stilisirt  gewesen  ist  und  auch  die  Palme  bei- 
gefügt hatte  ^). 


')  Stämpel  Nr.  1  zeigt  das  SIG  in  der  zweiten  Zeile  weiter  hineingerückt, 
so  dass  unter  den  Ausgang  {Liicicm)VS  nicht  SIG,  sondern  das  Wappen  zu  stehen 
kommt.  Stämpel  Nr.  2  geht  in  der  1.  Zeile  auf  AN,  nicht  auf  VS  aus.  Stämpel 
Nr.  3  hat  an  der  betreffenden  Stelle  zwei  VS   untereinander. 

®)  Nach  einer  zweiten  Abschrift  des  Herrn  Director  Te'gläs,  die  mir  nachträglich 
zu  Gesicht  gekommen   ist,    sind  unter  SIG  als  Ende  der  dritten  Zeile  Eeste  einer 


8 

Auf  den  Barren  XIV  bis  XVII  (und  den  Bruchstücken  XVIII 
und  XIX)  sind  neben  den  Marken  Nr.  1  und  Nr.  4  auch  zwei 
Bildstämpel  angewendet.  Vergleiche  die  Wiedergabe  der  Barre 
XV  auf  Tafel  II.     Der  eine  derselben  zeigt 

6.  drei  von  vorne  gesehene  Kaiserbüsten  nebeneinander, 
ähnlich  so  angeordnet,  wie  sie  auf  den  Exagien  vorkommen;  zwei 
von  ihnen  zur  Rechten  des  Beschauers  sind  fast  gleich  gross;  die 
dritte  zur  Linken  des  Beschauers  ist  merklich  kleiner.  An  den 
Schmalseiten  sind  die  Siglen  für  Dominorum  nostrorum,  seil,  triam 
in  der  hier  veranschaulichten  Weise  vertheilt: 

Z  ö 

Z  ö 

Z  ö 

7.  Der  andere  Bildstämpel  ist  in  allen  Fällen  gestürzt  einge- 
schlagen, da  er  wegen  seines  überhöhten  Formates  aufrecht  ein- 
gestellt den  verfügbaren  Raum  überschritten  hätte.  Er  enthält  das 
Bild  der  Stadtgöttin  von  Sirmium  als  eine  thronende  Frauen- 
gestalt in  langen  Gewändern ,  ähnlich  so  wie  die  Constantinopolis 
auf  den  bekannten  Münzen  des  vierten  Jahrhunderts  dargestellt 
ist;  das  Bild  der  letzteren  hat  sicher  auch  das  Vorbild  für  die 
Tyche  von  Sirmium  abgegeben.  Letztere  trägt  die  Thurmkrone 
auf  dem  Haupte  und  das  Füllhorn  im  linken  Arme,  sowie  die  Con- 
stantinopolis, in  der  Rechten  aber  hält  sie  einen  Zweig;  sie  sitzt 
nicht  auf  einem  Thronsessel,  sondern  auf  einem  würfelförmigen 
Postamente,  auch  das  Schiff  unter  dem  einen  Fusse  fehlt.  Im  Ab- 
schnitt unten  steht  die  erklärende  Beischrift  SIRM,  im  Felde  oben 
vor  der  Figur  ist  auf  den  Barren  XIV,  XV  und  auf  dem  Bruch- 
stück XIX  das  Monogramm  Christi,  das  Amtswappen  des  Stärapels 
Nr.  1;  auf  Barre  XVI  der  Stern,  das  Amtswappen  des  Stämpels 
Nr.  4,  angebracht. 

Beide  Bildsiegel  sind  für  die  Bestimmung  der  Zeit,  in  welcher 
die  Abstämpelung  der  Barren  erfolgte,  wichtig.  Weist  schon  im 
Allgemeinen  der  Stil  der  Arbeit  auf  das  vierte  .Jahrhundert  hin, 
so  wird  der  Zeitraum  noch  weiter  eingeengt  einerseits  dadurch, 
dass   dem   Bilde   der  Stadtgöttin  von  Sirmium   jenes    der  Constan- 


Palme    kenntlich.      Auf    dem    mitgesendeten     Stauiolabdruck,    der    verdrückt    ein- 
langte, vermuchtc  ich  den  üherpriigteu  Stämpcl  nicht  zu  erkennen. 


9 

tinopoHs  zu  Grunde  liegt,  das  nicht  vor  dem  Jahre  der  Einweihung 
dieser  Stadt  (330)  in  Anwendung  gekommen  sein  kann;  anderer- 
seits verschwindet  die  Sigle  SIRM  von  den  Münzen  zur  Zeit  des 
Kaisers  Valens  (er  starb  378);  die  Münzstätte  Sirraium  scheint 
damals  aufgelassen  worden  zu  sein  und  wird  auch  in  der  Notitia 
dignitatum  thatsficlilich  nicht  mehr  aufgeführt. 

Es   handelt    sich  also  um  die  Epoche  zwischen  330  und  378. 

Der  andere  Bildstämpel  stellt  nach  der  Uebung  jener  Zeit 
zwei  ältere  und  einen  noch  in  jugendlichem  Alter  stehenden  Au- 
gustus,  erstere  grösser,  letzteren  kleiner  dar.  In  der  gedachten 
Epoche  gibt  es  nun  nur  eine  Regierung,  auf  welche  jene  drei  Kaiser- 
bilder bezogen  werden  können,  jene  Valentinians  L,  der  im  Jahre  364 
mit  43  Lebensjahren  Augustus  wurde  und  sofort  seinen  Bruder 
Valens,  damals  36  Jahre  alt,  zum  Mitaugustus  für  den  Orient  und 
im  Jahre  367  auch  seinen  damals  achtjährigen  Sohn  Gratianus  zum 
Augustus  ernannte.  Da  Valentinian  375  starb,  werden  die  Jahre 
367  bis  375  als  die  Zeit  der  Abstämpelung  unserer  Barren  be- 
stimmt werden  können. 

Eine  Vergleichung  der  Combinationen  der  einzelnen  Stämpel 
untereinander  führt  zu  folgenden  Ergebnissen. 

Nur  einer  von  ihnen,  jener  des  Lucianus  (Nr.  1),  findet  sich 
auf  allen  ganzen  Barren,  welche  allein  hier  in  Betracht  kommen, 
er  kehrt  unverändert  immer  wieder,  wogegen  die  anderen  Schrift- 
stämpel  (2  bis  5),  die  neben  ihm  angewendet  werden,  wechseln. 
Schon  dies  ist  ein  Zeichen,  dass  jener  der  wichtigere,  der  Haupt- 
stämpel  ist,  während  letztere  eine  secundäre  Bedeutung  haben  und 
als  Nebenstämpel  betrachtet  werden  müssen.  In  der  That  enthält 
er  die  wichtigste  Aussage  bezüglich  der  Barren,  die  Bestätigung 
der  Reinheit  des  Goldes,  die  übrigen  bezeugen  nur  die  Echtheit 
der  Feinhaltsmarke. 

Da  letztere  erst  von  Schriftstämpeln  allein  (I  bis  IV),  dann 
von  Schrift-  und  Bildstämpeln  (XVI) ,  endlich  von  Bildstämpeln 
allein  (XIV,  XV,  XVII)  begleitet  wird,  müssen  auch  die  letzteren 
den  Nebenstämpeln  zugerechnet  werden,  d.  h.  sie  dienten  ebenso, 
wie  die  Siegel  des  Flavianus,  Quirillus  und  Dionisus,  dazu,  die 
Echtheit  der  Marke  des  Lucianus  zu  bestätigen. 

Der  Wechsel  der  Nebenstämpel,  mögen  sie  aus  Schrift  oder 
Bild  oder  aus  beiden  bestehen,  hat  sich  in  nachweisbarer  chrono- 
logischer  Aufeinanderfolge   vollzogen.      Die    älteste    Combination 


10 

ist  augenscheinlich  jene  der  Feinhaltsmarke  (Nr.  1)  mit  dem  Neben- 
stämpel  des  Flavianus  (Nr.  2),  die  sich  auf  den  Barren  I  bis  IV 
zeigt.  Die  zweite,  nächstjüngere  Combination  verbindet  die  Fein- 
haltsmarke mit  dem  Nebenstämpel  des  Quirillus  und  Dionisus  (Nr.  3, 
Bruchstück  XII):  der  Zusammenhang  mit  der  älteren  Art  der 
Gegenzeichnung  ist  durch  die  Palme  angedeutet,  deren  sich  sowohl 
Flavianus  als  auch  Quirillus  und  Dionisus  bedienen.  Ob  schon 
damals  die  Bildstämpel  als  weitere  Nebenstämpel  aufgenommen 
worden  seien,  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  nicht  sagen,  da  für  die 
zweite  Combination  nur  ein  Bruchstück,  nicht  eine  ganze  Barre 
zur  Verfügung  steht. 

Sicher  war  dies  aber  bei  der  nun  folgenden  dritten  Com- 
bination der  Fall;  wir  finden  in  der  Barre  XVI  neben  der  Fein- 
haltsmarke und  neben  dem  Stämpel  des  Quirillus  und  Dionisus  das 
Dreikaisersiegel  und  jenes  von  Sirmium.  Die  beiden  eben  genannten 
Beamten  führen  gleichzeitig  nicht  mehr  die  Palme,  sondern  den 
Stern  als  Wappen. 

Endlich  schliesst  sich  daran  eine  vierte  Combination,  welche 
neben  der  Feinhaltsmarke  nur  mehr  die  beiden  Bildsiegel  verwendet 
(Barren  XIV,  XV,  XVJI).  Deutlich  zeigt  sich  der  Uebergang  aus 
der  vorletzten  in  die  letzte  Art  in  dem  Bruchstücke  XVIII ,  in 
welchem,  wie  schon  erwähnt,  das  Kaisersiegel  über  einen  Neben- 
stämpel mit  Schrift  aufgeschlagen  wurde.  Von  den  beiden  Bild- 
stämpeln  ist  ferner  jener  mit  den  drei  Kaiserbüsten  für  den  vor- 
nehmeren geachtet  worden;  einen  deutlichen  Beweis  hiefür  liefert 
die  Barre  XVII,  auf  welcher  ausser  der  Feinhaltsmarke  nur  das 
Dreikaisersiegel  erscheint;  wäre  letzteres  für  weniger  wichtig  als 
das  Amtssiegel  gehalten  worden,  so  würde  man  eben  dieses, 
nicht  jenes  in  Anwendung  gebracht  haben.  Wenn  also  gleich  die 
beiden  Bildstämpel,  wo  sie  neben  einander  erscheinen,  nichts  anderes 
sind  als  der  bildliche  Ausdruck  für  den  Begriff  „kaiserliches  Münz- 
amt Sirmium",  so  liegt  wie  billig  der  Nachdruck  doch  auf  der  Be- 
zeichnung „kaiserlich";  augenscheinlich  sollte  damit  documentirt 
werden,  dass  die  Goldprobe  von  den  Beamten  nicht  als  Privatper- 
sonen, sondern  ex  officio  vorgenommen  wurde. 

Es  lässt  sich  also  ein  viermaliger  Wechsel  in  den  Combina- 
tionen  der  Nebenstämpel  nachweisen;  er  ist  keineswegs  ein  zufäl- 
liger oder  willkürlicher;  vielmehr  erkennt  man  in  ihm  das  Bestreben, 
die  Garantie  für  die  Echtheit  der  Feinhaltsmarke  zu  steigern,  indem 
die  Verantwortung    dafür    von    einem    einzelnen  Beamten  erst  auf 


11 

deren  zwei,  dann  auf  das  kaiserliche  Münzamt  Sirmium  selbst  über- 
tragen wird ;  nicht  der  Beamte  persönlich,  sondern  das  Amt  selbst 
übernimmt  späterhin  die  Bürgschaft  für  die  Feinhaltsmarke.  Zur 
vollen  Ausgestaltung  der  Bezeichnungsweise  fehlte  nur  noch  der 
eine  Schritt,  auch  in  der  letzteren  den  Beamtennamen  zu  unter- 
drücken und  statt  seiner  den  Feinhalt  allein  in  der  herkömmlichen 
Weise  mit  OBR  I,  II,  III  u.  s.  w.  anzugeben.  Die  vorliegenden 
Barren  zeigen  diese  Stufe  der  Entwicklung  nicht  mehr. 

Die  eben  besprochene  Steigerung  der  Garantie  lässt  weiter 
einen  Beweggrund  durchleuchten,  welcher  für  die  Verwendung 
der  Barren  charakteristisch  ist.  Der  interne  Verbrauch  für  die 
Münze,  etwa  zur  Ausprägung  von  ein-  und  mehrfachen  Solidi,  und 
die  Hinausgabe  für  gewerbliche  Zwecke  reichen,  wenngleich  die 
Barren  dazu  gedient  haben  mögen,  nicht  aus,  um  jene  Erscheinung 
zu  erklären,  da  für  diese  Zwecke  die  Marke  1  genügt  haben  würde. 
Vielmehr  wird  die  Vermehrung  der  Bürgschaften  für  die  Feinhalts- 
marke nur  dann  verständlich,  wenn  den  Barren  die  Geltung  eines 
öffentlichen  Verkehrs-  oder  Zahlungsmittels  eingeräumt  war.  In 
der  That  unterscheiden  sie  sich,  seit  sie  mit  dem  sacrosancten 
Kaiserbilde,  der  Feinhaltsmarke  und  dem  Amtssiegel  von  Sirmium 
versehen  sind,  nur  in  einem  Punkte  von  dem  rollenden  Geldstück 
gleicher  Zeit:  in  dem  Mangel  eines  festbestimmten  gleichen  Ge- 
wichtes, an  dessen  Stelle  hier  eben  die  Bezeichnung  des  Feinhaltes 
tritt;  im  Uebrigen  sind  beide  gleichmässig  durch  das  Bildniss  der 
Kaiser,  als  der  Vertreter  der  Staatsautorität,  durch  die  Angabe 
des  Münzamtes  und  durch  Beizeichen  als  gesetzliches  Verkehrs- 
mittel bezeichnet.  Da  in  jener  Zeit  auch  die  Goldmünze  bei  grös- 
seren Zahlungen  zugewogen,  ja  Gold  auch  in  Barrenform,  wenn 
es  feinhältig  war,  sowie  die  Münze  angenommen  wurde  ^),  kam  das 
Gewicht  der  einzelnen  Barren  nicht  in  Betracht;  sie  boten  auch 
ohne  Gewichtsangaben  für  Grosszahlungen  unter  den  damals  be- 
stehenden Verhältnissen  gewisse  Vortheile  dar;  vor  allem  wurde 
die  Umständlichkeit  vermieden,  welche  das  Abwägen  einer  grösseren 
Anzahl  einzelner  Goldstücke,  auch  wenn  sie  in  Beuteln  einge- 
schlossen waren,  mit  sich  brachte.  Zudem  wurde  der  Schlagsatz 
erspart.  Die  Barre  hatte  also  nicht  bloss  die  Möglichkeit  rascherer 
Abwicklung  bei  grossen  Zahlungen,  sondern  auch  den  Vortheil  der 
Billigkeit    vor    der  Goldmünze   voraus.     Diese  Vortheile    gewährte 


")  Mominsen,  Gesch.  d.  röm.  Münzw.  S.  835. 


12 

sie  aber  nur  dann,  wenn  ihr  Feinhalt  sichergestellt  war.  Letzteres 
war  für  diese  Form  des  Geldes  um  so  wichtiger,  als  sie  weit  mehr 
Materiale  enthielt,  als  das  einzelne  Goldstück,  also  ein  Abgang  an 
Feinhalt  dem  Besitzer  grossen  Schaden  brachte.  Wenn  wir  nun 
sehen ,  dass  gerade  auf  die  Vermehrung  der  Bürgschaft  für  die 
Echtheit  der  Feinhaltsmarke  ein  grosses  Gewicht  gelegt  und  diese 
stets  mehr  gesteigert  wurde,  so  wird  daraus  eben  die  Verwendung 
der  Barren  als  öffentliches  Zahlungsmittel  gefolgert  werden  können. 
Wahrscheinlich  wurde  Handelsleuten  gestattet,  fremde  und  antiquirte, 
nicht  coursfähige  Münzen  und  Bruchgold  in  den  kaiserlichen  Münz- 
häusern einschmelzen,  scheiden  und  in  Feingoldbarren  uragiessen 
zu  lassen,  die  durch  die  aufgeschlagenen  amtlichen  Marken  die 
Geltung  eines  vom  Staate  verbürgten  Verkehrsmittels  erlangten. 
Die  zunehmende  Beliebtheit  dieser  Geldforra  in  jener  Zeit ,  der 
unsere  Barren  angehörten,  veranlasste,  um  die  Sicherheit  des  Ver- 
kehres und  den  Credit  des  Staates  zu  erhalten ,  die  mehrfachen 
Aenderungen  der  Nebenstämpel  und  den  Fortschritt  vom  Beamten- 
zura  kaiserlichen  Amtssiegel. 

Mit  diesem  Fortschritt  hängt  wohl  auch  die  verschiedene  Art 
der  Abstämpelung  selbst  zusammen.  Zunächst  wurde  auf  allen 
Barren  die  Feinhaltsmarke  (Nr.  1)  eingeschlagen,  bald  in  der  Mitte 
(II,  XVI)  bald  an  den  Enden  [Ul  XIV,  XV,  XVII)  oder  sehr 
nahe  den  letzteren  (I,  IV)  und  zwar  auf  jeder  Barre  nur  einmal; 
die  einzige  Ausnahme  bildet  Barre  XIV,  indem  auf  dieser  der 
Stämpel  1  zweimal  neben  einander  erscheint.  Die  Nebenstämpel 
dagegen  zeigen  eine  verschiedene  Behandlung.  Jener  des  Flavianus, 
der  nur  aus  Schrift  besteht,  wurde  auf  der  kleineren  Barre  IV 
dreimal,  auf  drei  anderen,  grösseren  (I  bis  III)  sogar  viermal  wieder- 
holt, so  dass  der  vom  Stämpel  1  freigelassene  Theil  der  Oberfläche 
mit  ihm  völlig  überdeckt  erscheint.  Der  Zweck  solchen  Vorgehens 
war  offenbar  das  Bestreben,  die  Bedeutung  der  Garantiemarke 
durch  Wiederholung  nachdrücklich  hervorzuheben.  Man  wendete 
dazu  noch  ein  anderes  Mittel  an ,  indem  man  für  jene  Abdrücke, 
welche  unmittelbar  neben  der  Feinhaltsmarke  auf  der  einen  oder 
auf  beiden  Seiten  derselben  zu  stehen  kommen  sollten  (I  bis  III) '"), 
den  Stämpel  verkehrt  einschlug,  so  dass  die  Buchstaben  auf  dem 


'")  Die  Uarrc  IV    macht  die  einzig-c  Au.siialiiiH!  von  dieser  Art,    iudem    alle 
ihre  Stämpel  aufrecht  ateheu. 


13 

Kopfe  stehen.  Dadurch  wird  nicht  bloss  die  Feinhaltsmarke  auf- 
fallend hervorgehoben,  sondern  auch  der  Beschauer  veranlasst,  auf 
die  Garantiemarke  eine  besondere  Aufmerksamkeit  zu  verwenden, 
ähnlich  so,  wie  wir  uns  durch  verkehrt  eingestellte  Annoncen  in 
unseren  Zeitungen  unwillkürlich  veranlasst  finden,  das  Blatt  zu 
wenden,  um  den  Inhalt  solcher  Anzeigen  lesen  zu  können. 

Hingegen  bei  der  späteren  Anwendung  von  Bildstämpeln  unter- 
blieben solche  Kunstgriffe;  sie  sind  weder  wiederholt  noch  verkehrt 
eingeschlagen,  offenbar  weil  der  bedeutungsvollere  Inhalt  derselben 
schon  auf  den  ersten  Blick,  den  der  Beschauer  darauf  warf^  in 
diesem  den  Eindruck  voller  Sicherheit  bezüglich  des  Feinhaltes 
hervorrief. 

Es  ist  noch  der  Beizeichen  oder  Wappen,  die  sich  in  den 
Stämpeln  Nr.  1  bis  5,  dann  in  Nr.  7  finden,  zu  gedenken.  Sie 
haben  keine  persönliche  Geltung,  was  sich  schon  daraus  ergibt, 
dass  zwei  Functionäre  (Quirillus  und  Dionisus)  sich  desselben 
Zeichens  bedienen  (Nr.  3)  und  beide  es  gleichmässig  ändern  (Nr.  4), 
dies  könnte  nicht  der  Fall  sein,  wenn  sie  Familien-  oder  persön- 
liche Abzeichen  wären.  Die  gleichen  Wappen  erscheinen  überdies 
auf  denselben  Barren  sowohl  im  Schrift-  als  im  Ortssiegel  von 
Sirmium.  Sie  sind  also  als  Abzeichen  bestimmter  Functionen  oder 
bestimmter  Abtheilungen  des  Münzamtes  anzusehen,  die  wir  nach 
den  dermaligen  Kanzleiausdrücken  als  Sectionen  oder  Departements 
des  Münzamtes  bezeichnen  würden. 

Auf  unseren  Barren  sind  zwei  solche  Unterämter  nachzuweisen; 
das  eine  hat  als  Abzeichen  das  Monogramm  Christi,  das  andere, 
so  lange  es  nur  von  einer  Person  versehen  wird,  die  Palme,  später, 
nachdem  die  Function  auf  zwei  Beamte  übergegangen  war,  den 
Stern.  Die  Aenderung  hatte  wohl  den  Zweck,  die  Verantwortung, 
die  früher  auf  einem  Functionär  ruhte,  auf  zwei  zu  übertragen  und 
dadurch  eine  grössere  Sicherheit  des  Dienstes  zu  erlangen. 

Als  die  Bildstämpel  aufkamen,  wurden  die  Abzeichen  der 
Unterämter  auch  in  das  Siegel  von  Sirmium  aufgenommen  und 
dieses  eben  dadurch  aus  einem  einfachen  Orts-  zum  Amtssiegel 
der  betreffenden  Section  des  Münzamtes  Sirmium  gemacht.  Zu- 
nächst erscheinen  die  Abzeichen  jener  Section,  welcher  es  oblag, 
die  Echtheit  der  Feinhaltsmarke  zu  bestätigen.  Da  die  Barre  XII 
nur  mehr  in  einem  Bruchstücke  vorhanden  ist,  lässt  sich  nicht  mit 
völliger  Bestimmtheit  sagen,   ob  mit  dem  Stämpel  3  (des  Quirillus 


14 

und  Dionisus  mit  der  Palme)  Bildstämpel  combinirt  waren  oder 
nicht.  War  es  der  Fall,  so  hat  das  Ortssiegel  sicher  auch  die 
Palme  enthalten.  Dies  zeigt  die  Barre  XVI,  auf  welcher  dieselben 
Functionäre  schon  mit  dem  Sterne  zeichnen,  der  denn  auch  in  dem 
Amtssiegel  derselben  Barre  auftaucht.  Als  endlich  die  Neben- 
stämpel  mit  Schrift  ganz  aufgegeben  wurden,  verschwanden  folge- 
richtig auch  die  Symbole  dieses  Unteramtes  aus  dem  Amtssiegel 
und  trat  an  ihre  Stelle  das  Symbol  des  anderen  Unteramtes ,  das 
Monogramm  Christi.  Es  ist  nicht  nothwendig,  daraus  auf  die  Auf- 
lösung des  mit  dem  Sterne  zeichnenden  Departements  zu  schliessen, 
es  wird  nach  wie  vor  fortbestanden  haben,  aber  es  stämpelte  nicht 
mehr  mit  dem  Beamtensiegel,  sondern  mit  dem  Bilde  der  Kaiser, 
welches  jede  andere  Garantiemarke  überflüssig  machte,  weshalb 
das  Unteramt  nicht  mehr  genannt  zu  werden  brauchte.  Eine  Aen- 
derung  erlitt  nur  die  Rückbeziehung  des  Ortssiegels  statt  auf  das 
eine,  auf  das  andere,  offenbar  im  Ansehen  höher  stehende  der  beiden 
Unterämter,  dessen  Vorstand  ja  auch  fortan  persönlich  verantwort- 
lich blieb. 

Der  Uebergang  von  der  älteren  in  die  jüngere  Art  der  Ab- 
stämpelung  scheint  sich  rasch  vollzogen  zu  haben ,  da  unter  den 
aufgefundenen  ganzen  Barren  die  erstere  in  vier,  die  letztere  in  drei 
Exemplaren  vertreten  ist,  während  die  Stadien  des  Ueberganges 
nur  aus  je  einem  nachgewiesen  werden  können. 

Die  Thätigkeit  der  beiden  Unterämter  lässt  sich  aus  den  An- 
gaben, die  in  ihren  Schriftstämpeln  enthalten  sind,  folgern.  Zum 
Ressort  des  mit  dem  Monogramme  Christi  bezeichneten  gehörte  all' 
Dasjenige,  was  mit  Schrot  und  Korn  der  Münze  zusammenhängt, 
es  hatte  die  Aufgabe,  aus  dem  ihm  zugewiesenen  Roh-  und  Bruch- 
metalle das  Münzmetall  in  der  vorgeschriebenen  Reinheit  (bei  Gold 
und  Silber)  und  in  der  gesetzmässigen  Legierung  (bei  Kupfer)  durch 
Schmelzprocesse  darzustellen  und  die  genaue  Einhaltung  der  vor- 
geschriebenen Gewichte  zu  überwachen ,  welche  ja  mit  dem  Fein- 
halte so  innig  zusammenhängen;  andererseits  mochte  es  ihm  ob- 
liegen, verdächtige  Münzen  nach  Schrot  und  Korn  zu  prüfen  und 
etwaige  Fälschungen  nachzuweisen.  Am  nächsten  würde  der  Ver- 
gleich mit  dem  Ressort  eines  Münzwardeins  liegen. 

Das  andere  Departement,  welches  mit  Palme  und  Stern  be- 
zeichnet wird ,  hatte  es  mit  einem  anderen  wichtigen  Bestandtheil, 
mit  den  Stämpeln  der  Münze  zu  thun.     Man    wird    nicht    glauben 


15 

wollen,  dass  seine  Thätigkeit  sich  auf  die  Marken  beschränkte, 
welche  für  Barren  allein  bestimmt  waren.  Vielmehr  ergibt  schon 
die  natürliche  Forderung  der  damaligen  Beschaffenheit  der  Münze 
mit  ihren  vielen  Varietäten  in  Bildern,  Umschriften,  Münzbuch- 
staben und  Beizeichen,  dass  die  Corabinationen  derselben  auf  einem 
amtlichen  Schlüssel*^)  beruhten,  nach  welchem  im  Falle  neuer  Emis- 
sionen die  Zusammenstellung  jener  einzelnen  Bestandtheile  des  Ge- 
präges vorzunehmen  und  mit  welchem  verdächtige  Münzen,  die  zur 
Untersuchung  zugewiesen  wurden,  zu  vergleichen  waren,  um  aus 
der  Richtigkeit  oder  aus  Fehlern  in  den  Combinationen  ihre  Echt- 
heit oder  Unechtheit  zu  constatiren. 

Zu  diesem  Zwecke  mussten  in  jedem  Münzamte  Beispiele 
jeder  Emission  und  jeder  Serie  derselben,  sei  es  in  schriftlicher 
Aufzeichnung  oder  in  Natura^  am  wahrscheinlichsten  die  Stämpel 
selbst  oder  Abdrücke  derselben,  übersichtlich  geordnet  verwahrt 
sein;  anders  lässt  sich  die  schwierige  Manipulation  bei  der  dama- 
ligen Einrichtung  der  Münze  kaum  denken.  Vielleicht  könnte  man 
dieses  Amt  als  iStämpelverwahramt  bezeichnend^). 

Nach  diesen  Merkmalen  wird  man  in  dem  ersten  Unteramte 
das  des  exactor  auri  argenti  et  aeris  erkennen  und  den  öfter  ge- 
nannten Lucianus  als  solchen  bezeichnen  dürfen.  Wie  in  einer  aller- 
dings viel  älteren,  aus  dem  Jahre  115  stammenden  stadtrömischen 
Inschrift  ein  Felix  Äug [usti)  Ub(ertus)  optio  et  exactor  auri  argenti 
et  aeris  an  der  Spitze  der  officinatores  der  Münze  in  Rom  steht  ^^), 
so  nimmt  auch  unser  Lucianus  auf  den  älteren  Barren  eine  hervor- 
ragende Stelle  neben  dem  anderen,  in  den  Garantiemarken  ge- 
nannten Beamten  ein  und  ist  späterhin  nur  sein  Name  in  der  Fein- 
haltsmarke beibehalten  worden.  Auch  die  Anwendung  des  Mono- 
grammes  Christi  als  Wappen  seines  Amtes  scheint  auf  ein  grösseres 
Ansehen  des  letzteren  hinzuweisen,  da  doch  dieses  Symbol  gewiss 
als  das  vornehmste  betrachtet  werden  muss  unter  allen,  die  in  jener 
Zeit  angewendet  werden  konnten  und  auch  wurden. 


")  Ein  Beispiel  hat  Missoug  in  den  Münzen  des  K,  Probus  nachgewiesen. 
Numism.  Zeitschr.,  Wien,  V  (1873)  102  f.  Vgl.  darüber  Mommsen  in  der  Zeitschr. 
f.  Numism.,  Berlin,  XV  (1887)  251. 

")  Analog  ist  die  Thätigkeit  der  Sigillarii  im  hohen  Mittelalter,  Kanzlei- 
personen, welche  die  Echtheit  der  Siegel  an  Documenten  zu  prüfen  hatten.  Vgl. 
Du  Gange  s.  v. 

'^)  C.  I.  L.  VI  42—44. 


16 

In  der  erwälinten  Inschrift  werden  zunächst  nach  dem 
Exactor,  als  welcher  nur  eine  Person  auftritt,  mehrere  Signatores, 
welche  die  bildlichen  Darstellungen  für  die  Münzen  lieferten,  also 
Münzgraveure  genannt.  Es  ist  durchaus  wahrscheinlich,  dass  einer 
der  älteren  Signatores ,  oder  der  rangälteste  und  erfahrenste  von 
ihnen,  die  Stärapel  und  den  Schlüssel  für  die  Combinationen  von 
Münzbildern  und  Münzbuchstaben  in  Verwahrung  hatte;  einen 
künstlerisch  und  technisch  gebildeten  Fachmann  für  diese  Stelle  zu 
wählen,  war  eine  naheliegende  Forderung  des  Dienstes.  Als  solche 
werden  die  auf  unseren  Barren  genannten  Beamten  Flavianus, 
Quirillus  und  Dionisus  zu  betrachten  sein;  ja  in  dem  Stämpel  der 
letzteren  scheint  eine  Hinweisung  auf  ihren  Titel  zu  liegen,  wenn 
die  Auflösung  SlKMieiises  SlGnatores  die  richtige  ist. 

Zum  Schlüsse  möge  eine  Vergleichung  der  Wappen  unserer 
Barren  mit  den  Beizeichen  auf  den  Münzen,  welche  unter  den 
Kaisern  Valentinian,  Valens  und  Gratian  geprägt  wurden,  einen 
Platz  finden.  Da  es  sich  hier  nicht  um  eine  erschöpfende  Darstel- 
lung dieses  Thema' s  handeln  kann,  beschränke  ich  mich  auf  das 
treffliche  Materiale,  das  die  Münzsammlung  des  a.  h.  Kaiserhauses 
darbietet. 

Zunächst  soll  veranschaulicht  werden,  welche  Gepräge  dieser 
Kaiser  in  der  genannten  Sammlung  aus  der  Münzstätte  Sirmium 
vorhanden  sind  und  welche  Art  der  Bezeichnung  sie  zeigen.  Es 
sind  folgende: 

Goldmünzen  (Solidi). 

Rückseite  Münzstätte 

Valentinian.  . .  .   Restitutor  rei  inihlicae t^  SIRM 

Valens Ebenso ^  SIRM 


Gratian Victoria  Augg.^*). 


SIR  OB 


Silbermünze. 
Valentinian Vot.  V.  MhU.  X  (J.  368)  ..    SIRM 

'*)  Die  Münze  stammt  aus  der  Zeit  zwischen  Valentinian's  und  Valens'  Tode 
(375 — 378).  Die  Palme  ist  im  Felde  zwischen  den  thronenden  Figuren  beider 
Kaiser  Valens  und  Gratian ,  die  Siglen  SIR  OB  sind  im  Segment  der  Münze  ange- 
bracht. 


17 


Kupfermünzen 

Valentinian Vot.  V.  multis  X  {PI  III)  . .  .  A  SIRM 

Valentinian ....    Restitutor  rei  pnhlicae  {ßl  II)  B  SIRM 

Valens Gloria  Tiorttawrum  {PI  III)  .  B  SIRM 

Valentinian.  .  .  .   Securitas  relpuhlicae  {Pi.  III).  H  SIRM 

Valens Restitutor  reipuhlicae  (/c-  III).  0  SIRM 


Aus  diesen  Beispielen  ersieht  man,  dass  die  Prilgethätigkeit 
in  Sirmium  damals  schon  eine  sehr  geringe  war,  im  Vergleich  zu 
der  weit  ausgedehnteren  anderer  Münzhäuser,  wie:  Antiochia,  Roma, 
Thessalonica,  insbesondere  Siscia.  Dennoch  finden  sich  unter  den 
Goldmünzen  von  Valentinian  und  Valens  solche,  die  dasselbe  Wappen 
wie  der  Stämpel  4  unserer  Barren  zeigen,  den  Stern;  von  Gratian 
taucht  ein  jüngerer  Solidus  auf,  der  die  Palme  unserer  Stämpel 
2  und  3  enthält. 

Weit  reicher  gestaltet  sich  das  Bild,  wenn  die  übrigen  Münz- 
stätten jener  drei  Kaiser  zum  Vergleich  herangezogen  werden.  Es 
zeigt  sich,  dass  auch  in  anderen  Münzstätten  dieselben  Wappen 
Anwendung  fanden,  welche  auf  unseren  Barren  vorkommen;  ja, 
andere  Beizeichen ,  wie  :  Kranz,  Blatt,  Pantherkopf  u.  s.  f.  werden 
sogar  seltener  angewendet,  als  das  Monogramm  Christi,  das  Kreuz, 
die  Palme  und  der  Stern.  Es  sollen  hier  Beispiele  aufgeführt 
werden,  um  die  Art  der  Anwendung  der  einzelnen  Symbole  zu  ver- 
anschaulichen und  daran  Bemerkungen  über  die  Analogien  zwischen 
ihnen  und  den  Wappen  auf  den  Barren  zu  knüpfen  '^). 

Das  Monogramm  Christi 
1.  Valentinian,  Salus  reipublicae,  kleine  Kupfermünzen: 

-f  _^ 'P  'P 

ANTA  SMKB  CONS  CONS B 


'";  Für  Nicht-Numismatiker  sei  bemerkt,  dass  die  Zeichen  über  dem  Strich 
im  Felde  der  Münze  rechts  oder  links,  jene  unter  dem  Strich  im  Abschnitt 
der  Münze  sich  befinden.  Die  Münzstcätten  sind  bezeichnet  mit  ALE  (Alexandria), 
ANT  oder  AN  (Antiochia\  AQ_(Aquileja),  CONS  oder  C  oder  KONS  (Constautino- 
polis),  H  (Heracleia),  K  (Karthago),  LVG  (Lugdunum),  MD  (Mediolanum),  N  (Nico- 
media), R  (Koma),  SIS*^  (Siscia),  SIRM  (Sirmium),  TES  oder  T  (Thessalonica),  TR 
(Treviri).  Die  häufig  vor  den  ebengenannten  Siglen  erscheinenden  Buchstaben  SM 
bedeuten  sacra  moneta,  die  auf  Goldmünzen  ihnen  häutig  folgenden  OB  (72) 
bezeichnen  den  Solidus  als  J^  des  römischen  Pfundes.  Andere  Einzelbuchstaben 
geben  die  Oft'icinen  und  Emissionen  an. 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  XH.  9 


18 

2.  Valens,  Victoria  Aiigustorum,  vof.  F,  mult.  X  (J.  368),  Gold- 
münzen: 

t_  t 

ANOBB  PANOBO 

3.  Gratian,  Goldmünzen  mit  demselben  Gepräge  (J.  371): 

i^ 

CONOB 

4.  Valens,  vot.  VX  (sie)  mult.  XX  (J.  378),  Silbermünzen: 

C   X    S  C   X    S   Kranz  T   a.   E 

5.  Gratian,  ebenso  (J.  381): 

T  i  E 

Das  Kreuz. 

6.  Valentinian,  Bestiiutori  reipuhlicae,  Goldmünzen : 

± .  + ± . '') 

ANTej^c  ANTI  3^  coNsrr? 

7.  Valens,  ebenso: 

+ 
%ANTA3f 

8.  Gratian,  Concordia  Autjgg.  (wahrscheinlich  J.  367),  kleine 
Kupfermünzen: 

+  _± 

SMKB  SMKr 

Wie  diese  Beispiele  zeigen,  ist  das  Monogramm  Christi  auch 
in  Antiochia,  Constantinopel,  Karthago  und  Thessalonica,  das  Kreuz 
nebenher  in  Antiochia,  Constantinopel  und  Karthago  (von  anderen 
Münzstätten  fehlen  in  der  kais.  Sammlung  Beispiele)  angewendet 
worden.  Das  eine  wie  das  andere  Symbol  ist  gross  und  deutlich 
dargestellt  und  nimmt  mit  wenigen  Ausnahmen  eine  hervorragende 
Stelle  im  Felde  '*)  ein ;    auch    wenn  es  in  den  Abschnitt  verwiesen 


'*)  Letztere  Siglcn  finden  sich  nnf  grilsscrcn  Kuj)ferniiinzcn  mit  Virtua  exercili. 

")  Eh  sind  nur  jene  Fälle  aufgenommen,  in  welchen  Monogramm  und  Kreuz 
frei  im  Felde  stehen,  losgelöst  vom  Münzbilde,  also  nicht  einen  Ijestandtheil  des 
letzteren  bildend. 


19 

wird,  steht  es  durchaus  an  wichtiger  Stelle,  in  der  Mitte,  und  trennt 
die  Siglen  der  Münzstätten  von  jenen  der  Officinen  (4,  5) ;  ja  es 
kommt  vor,  dass  neben  dem  Monogramm  und  dem  Kreuze  auch 
noch  andere  Symbole,  diese  aber  dann  an  untergeordneter  Stelle, 
d.  h.  am  Ende  der  Siglen  des  Segmentes  ersichtlich  werden,  so  der 
Stern  (6,  7)  und  der  Kranz  (4). 

Analog  dieser  Behandlung  ist  jene,  welche  dasselbe  Symbol, 
das  Monogramm ,  auf  unseren  Barren  gefunden  ,  indem  es  in  dem 
wichtigsten  aller  Stämpel,  der  Feinhaltsmarke,  auftritt  und  mit 
dieser  auf  allen  Barren  erscheint. 

Die  Palme 

9.  Valentinian,    Virtus  Romanorum,  Goldmünzen: 

CONS/ 

10.  Valens,  ebenso : 

\  CONS  / 

11.  Valentinian,  Resütuior  reipuhlicae,  Goldmünzen: 

R  Q_# 

12.  Valentinian,    Virtus  exerciti,  grössere  Kupfermünzen: 


SMNB? 
13.  Valens,   Victoria  Äugg.,  Goldmünzen  (J.  375 — 378)  ^^) 


TROB* 
oder  TROBS,  TROB  T,  TROB  G  ? 
14.  Gratian,  ebenso  '^j : 


ACLPB 
oder  COM,  MDOB,  TESOB,  TROB,   •,   S,  T,  C 


'*)  Die  Goldmünzen  von  13  und  14  sind,  wie  ihre  Aufschrift  zeigt,  in  den 
Jahren  zwischen  375  und  378  geschlagen,  da  nur  zwei  Augusti  (aVGg),  nicht  ihrer 
drei  (avGGG),  wie  etwa  in  8  und  36,  angedeutet  sind. 

2* 


20 


lö.  Valens;  Seairifas  rpipuhlicae,  kleine  Kupfermünzen: 

\      \____ 

SMAQJ  TRP 

Der  Stern 
IC.   Valens,  Securitas  reipuhlicae,  kleine  Kupfermünze: 

ALEr  % 

17.  Valens,  Restitntor  reipuhlicae,  Goldmünzen: 

ANTr  % 

18.  Valentinian,  ebenso'^): 

ANTI  1^ 

19.  Valens,  vot  X.  mulL  XX  (J.  373),  Silbermünzen: 

ANT  ^ 

20.  Gratian,   Gloria  Romanorum,  Silbermünzen: 

ANT  ^ 

21.  Valentinian,   Vota  publica,  Goldmünzen: 

%  C  O  N  S  Kran/. 

22.  Valens,  Eesfifufor  rel  puhUcae,  Goldmünzen: 

T^  CONSC 

23.  Gratian,  Principi  juventutis   (J.  367),  Goldmünzen  : 

j^cCONS 

24.  Valens,   Victoria  Augustorum,    vot.  X.  mult.  XX   (J.  373), 


Goldmünzen; 


CONS  J^ 

25.  Valens,  vot.  V  (J.  368),  Silbermünzen: 

%  C  •  B 

26.  Valentinian,  Reslitutor  rei  puhlicae,  Goldmünzen: 

%  SMKr 

'")  Vgl.  oben  Ü,  7. 


21 


27.  Valens,  Restitutor  reipublicae,  Silbermünzen ; 

SLVG  4^ 

28.  Valens,  Restitutw  reipublicae,  Goldmünzen: 

29.  Gratian,   Urhs  Roma,  Silbermünzen: 

K  T^?  R  4c  T 

30.  Valens,  Urhs  Roma,  Silbermünzen: 

^ 

AQJ>  S 

31.  Valens,  Securitas  reipublicae,  kleine  Kupfermünzen: 

J^ ^ 

SMAQ^S 

32.  Gratian,  Gloria  Romanorum,  kleine  Kupfermünzen ; 

j¥ •__ 

SMAQ^S 

33.  Valens,  Restitutor  reipublicae.  Silbermünze: 

^ 

TCONST 

34.  Valentinian,   Virtus  exerciti,  grössere  Kupfermünze: 

r? 


•  SMNBV 


35.  Valens  und  Gratian,  Securitas  reipublicae,  kleine  Kupfer- 
münzen: 

j¥ _± _♦  _ 

SMRP  SMRT  SMRQ_ 

36.  Gratian,  Concordia  Auggg.  (J.  367),  kleine  Kupfermünzen: 

^ 

SMRQi 

37.  Es  folgen  die  vielfachen  und  complicirten  Zusammenstel- 
lungen verschiedener  Münzbuchstaben  mit  dem  Sterne,  wie  sie  zahl- 
reich  auf   kleinen   Kupfermünzen    des  Valentinian   und  Valens    mit 


22 

Securitas  reipuhlicne  und  des  Gratian  mit  Gloria  Ixomanorum  von 
den  Münzstätten  Siscia  und  Tliessalonica  vorkommen,  wie  etwa, 
um  Beispiele  herauszugreifen : 

P  M  R  r  A     ^  ^ 


P  SIS" 


^ 

R 

r 

O 

M 

ASIS 

CR 

A  M      A 

TES  TES 


Palme  und  Stern 

38.  Selten  vorkommend,  aber  doch  nachweisbar  ist  die  Com- 
bination  von  Palme  und  Stern,  beide  im  Felde  angebracht,  erstere 
wie  in  12,  scheinbar  aus  der  Lanze,  auf  welche  sich  die  Kaiser- 
figur stützt,  hervorwachsend.  Die  hieher  gehörige  Goldmünze  stammt 
von  Valens  und  hat  die  Rückseite:  liestitidor  reipublicae. 

4^_A 

KONSTV? 

Während  Monogramm  Christi  und  Kreuz,  wie  schon  gezeigt 
wurde,  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  im  Felde  und  zwar  an  einem 
freien  Platze  und  in  verhältnissraässig  beträchtlicher  Grösse  ange- 
bracht erscheinen,  finden  sich  Palme  und  Stern  in  den  weitaus 
meisten  Fällen  im  Segmente,  zu  Anfang  oder  ?2nde  der  Siglen  ein- 
gestellt. Nur  wenn  der  Raum  in  diesem  allzu  beschränkt  war,  was 
bei  den  kleinen  Kupfermünzen  und  Goldstücken  nicht  selten  vor- 
kommt, oder  auch  um  für  eine  bestimmte  Emission  eine  neue  Varietät 
als  Merkmal  zu  scliaffen,  worden  Palme  und  Stern  ins  Feld  gerückt, 
erscheinen  dann  aber  seiir  klein  und  an  einer  weniger  in  die  Augen 
fallenden  Stelle;  so  trifft  man  die  Palme  in  dem  schmalen  Zwischen- 
raum zwischen  den  tiu-onenden  Kaiserfiguren  (13,  14)  oder  kaum 
hinter  dem  Speere,  auf  den  sich  die  Kaiserfigur  stützt,  hervorragend 
(12,  38);  der  Stern  erscheint,  Avenn  er  in  das  Feld  übertragen  wird, 
meist  mit  anderen  Münzbuchstaben  combinirt  (37).  Wenn  schon 
diese  Art  der  Behandlung  dafür  spricht,  dass  ähnlich  wie  auf  den 
Barren,  so  auch  auf  den  Münzen  Palme  und  Stern  gegenüber  dem 
Monogramm  Christi  und  dem  Kreuze  eine  untergeordnete  Rolle 
spielen,  so  tritt  dies  besonders  deutlich  in  jenen  Fällen  hervor,  in 
welchen  Monogramm  und  Kreuz  mit  den  minderwerthigen  Symbolen 
combinirt  erseheinen,  wie  in  den  Beispielen  4,  6,  7;  dann  stehen 
jfiu'  i\\\  bevorzugter  Stelle  im  Felde,  diese  an   minder  bt^dputender 


23 

im  Segment.  Wieder  ein  anderes  Vorgehen  wird  beobachtet,  wenn 
zwei  verschiedene  minderwerthige  Symbole  zusammen  auftreten, 
wie  Stern  und  Kranz  (21)  oder  Stern  und  Kügelchen  (32)  oder 
Palme  und  Stern  (38),  alsdann  stehen  beide  im  Segment  oder 
beide  im  Feld. 

Nach  den  allerdings  wenigen  Daten,  die  sich  aus  der  Schrei- 
bung AVGG  und  AVGGG,  aus  den  Votazahlen  und  aus  gewissen, 
meist  im  ersten  Regierungsjahre  gebräuchlichen  Aufschriften,  wie 
CONCORDIA  AVGGG  und  PRINCIPI  IVVENTVTIS  (auf  den  Mün- 
zen des  Gratian),  ergaben,  finden  wir: 

das    Monogramm    Christi   in    den    Jahren    368    (2) ,    371   (3), 
378  (4)  und  381   (5); 

das  Kreuz  im  Jahre  367  (8) ; 

die  Palme  in  den  Jahren  375 — 378; 

den  Stern  in  den  Jahren  367  (23,  36),  368  (25),  373  (19); 
es    sind    also    die    meisten  Symbole    gleichzeitig   vom  Beginne  der 
Dreikaiser-Regierung  an  in  Anwendung  gebracht  worden. 

Um  aus  den  hier  vorgebrachten  Thatsachen  die  entsprechenden 
Folgerungen  zu  ziehen,  kann  vor  Allem  constatirt  werden,  dass  die 
Wappen,  welche  in  den  Stämpeln  der  Goldbarren  erscheinen,  nicht 
bloss  der  Münzstätte  Sirmium,  sondern  auch  den  meisten  anderen 
Münzstätten  des  Reiches  eigen  sind"").  Wie  auf  den  Barren,  er- 
scheinen sie  auch  auf  den  Münzen  nach  der  Art  der  Einstellung 
als  Abzeichen  zweier  Unterämter,  eines  wichtigeren,  welches  durch 
das  Monogramm  Christi  bezeichnet  wird  und  das  nach  meiner  Ver- 
muthung  jenes  des  Exactor  ist,  und  eines  weniger  angesehenen, 
mit  Palme  und  Stern  bezeichneten,  d.  i.  das  Amt  der  Signatores. 
Da  diese  Symbole  ziemlich  gleichzeitig  auftauchen,  müssen  die  ge- 
nannten Unterämter  in  den  verschiedenen  Münzstätten  gleichzeitig 
thätig  gewesen  sein.  Man  kann  daraus  schliessen,  dass  in  jener 
Zeit,  der  unsere  Barren  angehören,  in  allen  Münzstätten  mindestens 
die  gedachten  zwei  Unterämter  bestanden  und  mit  denselben  Wappen 
zeichneten. 

Die  Aufnahme  des  einen  oder  anderen  dieser  Wappen  auf  die 
Münze  scheint  aber  von  bestimmten  Normen  abgehangen  zu  haben, 
die  für  einzelne  Fälle  verschieden  waren  oder  verschieden  gehand- 
habt wurden,    so    dass    aus  dem  Fehlen  dieser  und  jener  Symbole 

^")  Sie  sind  oben  Ö.   17  Note  15  angefliiirt. 


24 

auf  den  Geprägen  einzelner  Münzstätten  noch  nicht  auf  das  Fehlen 
der  damit  bezeichneten  Unterämter  in  denselben  Münzhäusern  ge- 
schlossen werden  kann.  Auf  den  oben  S.  16.  17  angeführten  Münzen 
von  Sirmium  erscheint  wenigstens  das  Monogramm  Christi  gar  nicht, 
die  Palme  erst  spät,  der  Stern  nur  auf  den  Goldmünzen,  während 
die  Kupfermünzen  mit  Buchstaben  bezeichnet  sind.  Und  doch  kommen, 
wie  die  Goldbarren  zeigen,  in  derselben  Münzstätte  das  Monogramm 
und  die  Palme  gleichzeitig  vor,  während  auf  den  Münzen  vieler 
anderer  Münzstätten  Monogramm,  Kreuz,  Palme  und  Stern  auf  Ge- 
prägen aller  Metalle  auftauchen. 

Endlich  erscheinen  für  ein  und  dasselbe  Unteramt  verschiedene 
Zeichen.  In  Antiochia,  Constantinopel  und  Karthago  zeigen  sich 
A,  -F  und  -f-  nebeneinander.  Es  kann  als  wahrscheinlich  voraus- 
gesetzt werden,  dass  in  den  grösseren  Münzhäusern,  sei  es  bleibend, 
sei  es  nur  zeitweise  zur  Bewältigung  grösserer  Emissionen,  den 
schon  bestehenden  Unterämtern  zur  Aushilfe  Nebenämter  beigegeben 
wurden,  welche  mit  analogen  Wappen  zeichneten.  So  viel  man  aus 
den  Beispielen  1  bis  8  ersieht,  zeigen  die  zwei  Formen  des  Mono- 
grammes  und  das  Kreuz  schon  nach  der  Art  der  Einstellung  das 
wichtigere  Unteramt  des  Exactors  in  fast  ähnlichen ,  wenigstens 
sinnverwandten  Symbolen  an.  Vielleicht  gilt  Aehnliches  auch  von 
dem  anderen  Unteramte,  für  welches  ab  und  zu  neue  Symbole, 
wie  Blatt,  Pantherkopf,  Schlüssel  (?)  und  dgl.  auftreten.  Als  vor- 
züglichere und  ständige  Symbole  wird  man  aber  nur  jene  betrachten 
können,  welche  auf  unseren  Goldbarren  angebracht  sind. 

Der  Einblick,  den  uns  letztere  in  die  Organisation  der  römi- 
schen Münzhäuser  gewähren,  verleiht  ihnen  eben  einen  so  grossen 
wissenschaftlichen  Werth. 

Dr.  F.  KENNER 


Eine  Zeusstatuette  im  Museuui  von  Spalato 

(Tafel  I) 


Unter  den  zahlreichen  Bronzen,  welche  das  besonders  seit 
einigen  Jahren  erheblich  wachsende  Museum  in  Spalato  besitzt, 
verdient  eine  Statuette  besondere  Aufmerksamkeit,   welche  vor  kur- 


25 

zem  in  der  Nälie  von  Salona  zum  Vorschein  kam  und  durch  An- 
kauf in  das  Museum  gelangte.  Gefunden  wurde  sie  am  9.  October 
1887  in  nordöstlicher  Richtung  von  den  Umfassungsmauern  Salona's 
an  einer  Oertlichkeit  Namens  Mrtvenice,  nördlich  von  der  Capelle 
S.  Cajo. 

Die  Statuette  ist  nicht  ganz  vierzehn  Centimeter  hoch  und  stellt 
Zeus  dar.  Es  fehlt  die  rechte  Hand  und  der  linke  Unterschenkel, 
alles  Uebrige  ist  vortrefflich  erhalten  und  von  guter  Arbeit.  Zeus 
steht  auf  dem  rechten  Beine  und  hatte  das  linke  ein  wenig  nach 
vorn  zur  Seite  gesetzt.  Er  hält  die  Rechte,  die  den  Blitz  führte, 
gesenkt,  etwas  abstehend  von  dem  Oberschenkel,  wie  im  Begriff 
den  Blitz  zu  erheben,  und  das  Gesicht  ist  deshalb  auch  nach  links 
gewandt.  Die  linke  Hand  hatte  das  Scepter  gefasst  und  ist  in 
Schulterhöhe  erhoben ;  nach  dem  Laufe  des  cylindrischen  Hohl- 
raumes, den  die  geschlossene  Hand  umgibt,  stand  das  Scepter  senk- 
recht auf  dem  Boden.  Ein  chlamysartig  kurzes  Gewandstück  ist 
auf  der  linken  Schulter  gespangt  und  fällt  von  da  an  der  linken 
Körperseite  herab,  indem  es  einmal  um  den  linken  Unterarm  ge- 
schlungen ist.  Eine  kleine  viereckige  Vertiefung  auf  der  rechten 
Schulter  rührt  von  einem  alten  Gussfehler  her.  Im  Hinterkopfe 
sitzt  ein  horizontal  verlaufendes  kleines  rundes  Loch ,  dessen  Be- 
stimmung unklar  bleibt. 

Die  Gesichtszüge,  namentlich  der  Bart  und  die  bewegte  Stirn, 
erinnern  an  den  Typus  des  Jupiter  von  Otricoli.  Aber  das  Haupt- 
haar ist  kürzer  und  nicht  mähnenartig  behandelt,  auch  ist  es  von 
einem  Kranze  umgeben.  Der  Kranz  besteht  auf  beiden  Seiten  des 
Kopfes  aus  je  vier  sehr  langen  und  spitzen  Blättern,  welche  zacken- 
artig abstehen  und  wohl  als  Lorbeer  gedacht  sind.  Eine  Binde 
hängt  mit  dem  Kranze  zusammen,  welche  am  Hinterkopfe  aus  dem- 
selben hervorkommt  und  zu  beiden  Seiten  auf  die  Schulter  herabfällt 

Die  schöne  Statuette  tritt  einem  kleinen  Kreise  von  Zeus- 
bronzen hinzu,  welche  Overbeck  in  der  griechischen  Kunstmytho- 
logie H  S.  145  f.  als  rächte  Gruppe"  aufführt.  Die  hier  beschrie- 
benen Statuetten,  von  denen  eine,  die  früher  der  Sammlung  Pour- 
tales-Gorgier  angehörige,  in  Besancon  gefunden  ist,  gleichen  sich  in 
allen  Hauptzügen  derart,  dass  man  auf  ein  gemeinsames  Original 
zurückschliessen  darf,  dessen  Entstehung  im  vierten  Jahrhundert 
V.  Chr.  sehr  wohl  angenommen  werden  kann.  Gemeinsam  mit  diesen 
P^iguren  ist  der  unserigen  von  Salona  die  Art  des  Standes,  die 
Haltung    der  Arme,    der    Kranz,    die  AA'endung  und,    soweit   nach 


26 

Publicationen  zu  schliessen  ist,  auch  der  Ausdruck  des  Gesichtes. 
Da<2;egen  fehlt  ihr  die  Beschuhung,  und  das  Gewand  ist  verschieden 
angeordnet.  Während  dieses  bei  den  übrigen  Statuetten  auf  der 
linken  Seite  des  Körpers  gerade  herabfällt,  ist  es  hier,  wie  bei 
Darstellungen  des  Hermes  so  oft,  einmal  um  den  linken  Arm  ge- 
schlungen. In  diesem  letzteren  Zuge,  der  beraerkenswerth  aus  dem 
Charakter  des  Ganzen  herausfällt,  verräth  sich  der  Geschmack  der 
römischen  Zeit.  Auch  dass  die  Rechte  etwas  absteht  vom  Ober- 
schenkel und  dadurch  wie  in  momentaner  Bewegung  sich  senkt 
oder  erhebt,  ist  möglicher  Weise  abweichend,  da  die  Publicationen 
hierüber  kein  sicheres   Urtheil  zulassen. 

Spalato  F.  BULIÖ 


Eine  zweite  Handschrift  der  Inschriften- 
sammlung des  Peter  Alexander  Boghetich 

Herrn  Giuseppe  Gelcich,  Professor  an  der  nautischen  Staats- 
scliule  in  Ragusa,  ist  es  gelungen,  diese  lang  vermisste  Sammlung 
dalmatinischer  Inschriften  aufzufinden.  Er  hatte  die  besondere 
Güte,  sie  Robert  von  Schneider  zu  näherer  Prüfung  zu  übersenden, 
mit  dem  Ersuchen,  für  die  Veröffentlichung  derselben  Sorge  zu 
tragen.  Auf  seinen  Wunsch  habe  ich  mich  der  angenehmen  Auf- 
gabe unterzogen  ,  den  Inhalt  der  Sammlung  zu  allgemeiner  Kennt- 
niss  zu  biingen. 

Die  Handschrift  besteht  aus  zwei  Bogen  zu  je  zwei  Blättern 
und  einem  losen  Blatte,  wie  es  scheint  der  Rückseite  des  Um- 
schlages. Sie  umfasst  im  Ganzen  92  Inschriften.  Die  Hauptmasse, 
in  einer  Folge  geschrieben ,  füllt  die  fünf  ersten  Seiten  und  die 
Hälfte  der  sechsten.  Die  siebente  Seite  ist  unbeschrieben.  An 
der  Spitze  dieser  Sammlung  steht  die  Ueberschrift:  Jnscriptiones  ex 
titarmoribas  Saloniianis  a  Fetro  Alexandro  ßofjhdich  cive  Spala/ensi 
fideliter  fidiiscriptcm.  Es  folgen  82  Inschriften  auf  den  ersten  vier 
Seiten  in  drei  Columnen,  auf  den  folgenden  zwei  in  zwei  Columnen 
geordnet.  Jeder  Inschrift  ist  der  Ort,  wo  sie  sich  befindet,  vor- 
gesetzt; jedoch  wird  diese  Angabe,  wenn  sie  mehreren  aufeinander 
folgenden   Inschriften   geniein.s;im ,    bei   de:i   einzelnen   Stücken  nicht 


27 

wiederholt.  Auf  der  achten  Seite  sind  von  dem  Schreiber  sechs 
Inschriften  nachgetragen,  schon  äusserlich  als  Nachtrag  dadurch 
kenntlich,  dass  bei  vieren  der  obere  Rand  des  Blattes,  bei  zweien 
der  untere  als  Kopfseite  behandelt  ist  und  dass  drei  Inschriften 
bloss  mit  dem  Bleistift  eingezeichnet  wurden.  Bei  allen  diesen  In- 
schriften fehlen  überdies  die  Ortsangaben.  Auf  der  Innenseite  des 
losen  Blattes  sind  vier  Inschriften  ebenfalls  nur  mit  dem  Bleistift 
eingetragen.  Diese  haben  die  Ueberschrift :  Dal  S''  D"-  Danieli  a  Zara. 
Da  die  Handschrift  weder  mit  Seitenzahlen  versehen,  noch  die  ein- 
zelnen Inschriften  numerirt  sind,  so  habe  ich  die  Inschriften  zur 
leichteren  Uebersicht  mit  fortlaufenden  Ziffern  bezeichnet. 

Bekanntlich  besass  Lanza  eine  Handschrift  der  Boghetich'schen 
Sammlung,  welche  100  Inschriften  umfasste.  Das  Original  scheint 
verloren,  aber  Copien,  die  Kellermann  genommen,  konnten  Boeckh 
für  das  C.  I.  G.  und  Mommsen  für  das  C.  I.  L.  benutzen  ^).  In  dieser 
Handschrift  trug  die  Sammlung  dieselbe  Ueberschrift,  wie  in  der 
neu  entdeckten.  Es  muss  daher  befremden,  dass  nur  32  Stücke 
der  Lanza'schen  Handschrift  in  der  neuen  vviederkehren. 

Eine  Prüfung  der  fehlenden  Inschriften  zeigt,  dass  nur  jene 
Stücke  und  zwar  alle  fehlen,  welche  Zaccaria  in  seinen  Mar- 
niora  8alonitana,  die  als  Anhang  zu  Farlato's  lllyricuvi  sacrum  am 
Schlüsse  des  zweiten  Bandes  erschienen"),  veröffentlicht  hat.  Damit 
ist  der  Charakter  unserer  Handschrift  gegeben.  Es  ist  ein  Auszug 
aus  Boghetich's  Sammlung,  angefertigt,  um  das  Corpus  des  Zaccaria 
zu  ergänzen.  Gemeinsam  sind  beiden  Handschriften  —  ich  bezeichne 
im  Folgenden  Lanza's  Handschrift  mit  B\  die  neu  entdeckte  mit 
B"  —  jene  Inschriften,  welche  damals  in  Spalato  aufbewahrt  wurden, 
während  die  neu  hinzugekommenen  der  Handschrift  B"  zu  Boghe- 
tich's Zeit  sich  noch  in  den  Dörfern  des  Ruinenfeldes  von  Salona 
befanden.  Demnach  ergibt  sich  für  B^  die  interessante  Folgerung,  dass 
auch  sie  nur  ein  Bruchstück  der  Sammlung  des  Boghetich  darstellt. 
Dass  B^  und  B"  unmittelbar  auf  dasselbe  Original  zurückgehen, 
Deweist  ausser  der  durchgehenden  Uebereinstimmung  in  den  Copien 
die  Uebereinstimmung  in  der  Anordnung.  Beide  Handschriften 
beginnen  mit  den  Inschriften  im  erzbischöflicheii  Palaste  zu  Spalato 
und  beobachten  mit  wenigen  Abweichungen  dieselbe  Reihenfolge, 
wie   folgende  Concordanz  der  Nummern   zeigt. 


r.  I.  L.  in  p.  277,  xxxvur 

C.  I.  L.  III  p.  '27(j,  XXXV. 


28 


C.  I.  L.  2081 

„        2281 

2053 

2163 

C.  I.  G.  add.  1830* 

C    1.  L.  2212 

2116 

„         2174 

2329 

2488 

2269 

2494 

2276 

2337 

„        2511 

2420 

2039 

„         2344 

2160 

„        2480 

„         2574 

1936 


B'^ 

1 
B' 

1 

42 

2 

43 

3 

44 

4 

45 

5 

— 

6 

48 

7 

49 

8 

50 

9 

46 

10 

51 

11 

52 

12 

53 

13 

54 

14 

55 

15 

56 

16 

57 

17 

58 

18 

59 

19 

61 

20 

60 

21 

62 

22 

41 

Es  ist  offenbar  nur  ein  Versehen  des  Schreibers ,  dass  er  in 
dieser  geschlossenen  Reihe  Nr.  10  mit  aufgenommen ,  obwohl  sie 
sich  bei  Zaccaria  findet.  Auf  Seite  8  sind,  wie  oben  bemerkt,  am 
oberen  Rande  vier  Inschriften  nachgetragen.  Zwei  derselben  (C.  I. 
L.  2408  =  B*^  83  =r  B  •  63  und  C.  I.  L.  2612  =  B  '^  84  =  B'  64) 
sind  mit  Tinte  geschrieben;  zwei  andere  (B^  85.  86),  mit  Bleistift 
eingetragene,  sind  wieder  ausgewischt,  weil  der  Schreiber  bemerkte, 
(lass  er  die  Nummern  13  und  9  wiederholte.  Danach  kann  es 
nicht  zweifelhaft  sein,  dass  der  Nachtrag  Auslassungen,  auf  welche 
der  Copist  bei  einer  Revision  seiner  Handschrift  aufmerksam  wurde, 
aus  der  Vorlage  berichtigte. 

In  dem  folgenden  Abschnitte,  der,  wie  oben  bemerkt,  gleich- 
falls Inschriften  aus  Spalato  enthält,  stimmen  die  Copien  der  gemein- 


29 

samen  Stücke  durchweg.  Auch  die  Uebereinstimmung  in  der  An- 
ordnuug  lässt  das  gemeinsam  zu  Grunde  liegende  Original  deutlich 
genug  erkennen. 


B'^ 

B' 

c. 

I.  L.  2522 

23 

92 

2222 

24 

94 

2595 

25 

99 

„    2213 

26 

98 

2608 

27 

97^) 

2620 

28 

100 

2500 

29 

fehlt 

fehlt 

30 

n 

c. 

I.  L.  3179 

31 

77 

griech. 

32 

77 

c. 

I.  L.  2490 

33 

89 

2326 

34 

77 

Dazu  kommt  die  Inschrift  des  Nachtrags  am  unteren  Rande 
der  Seite  8: 

C.  I.  L.  2632  =  6*^  87  =  ßi  90. 

Es  kann  nicht  Zufall  sein,  dass  hier  die  gemeinsamen  Stücke 
in  B^  mit  wenigen  Ausnahmen  gerade  am  Ende  stehen  und  die  in 
B^  fehlenden  sich  in  B^  gerade  an  die  letzte  gemeinsame  Nummer 
anschliessen.  Dies  bestätigt,  dass  Lanzas  Manuscript  (B ')  am  Ende 
unvollständig  war. 

Die  Differenzen  der  Reihenfolge  im  Einzelnen  erklären  sich 
wohl  am  Einfachsten  unter  der  Annahme,  dass  auch  Kellermann, 
sowie  ich  es  gethan,  die  Ziffern  in  B^  hinzugefügt  hat.  Denn  Keller- 
mann hat  die  Inschriften  aus  Lanzas  Manuscript  auf  einzelne  lose 
Blätter  tibertragen. 

Ich  gebe  zunächst  die  griechische  Inschrift  aus  dem  erz- 
bischöflichen Palaste  (C  I.  G.  II  add.  1830*").  dann  die  aus  Boghetich 
noch  nicht  edirten. 


')  Im  Corpus  77;    aber   auch  2326  wird  Boghetich  77    citirt.     Ich  habe  den 
Druckfehler  hier  vermuthet. 


30 

EniiEPOMNAMOK"5:  Etti  iepo)avd)uovo(; 

A  p  X  E  B  I  o  Y  'Apxeßiou 

TOYKAEOAIKOY  TOÖ    K\eo[b]iKOU 

29  =  C.  2500 //<  ecclesia  B.  M.  V.  de  Palvde.  Z.  6:  vixit  annosxi. 
30.  In  maiori  subiirhio  in  domo  Matthaei  Blascevicli. 

D         M 

lANVARIAE 
CON  LIBERTE 
POLVS  PO 
5  SVIT 

B      •     M 

31  =  C.  3179.  Damals  ^in  suhurhio  Luciaz  in  pariete  domus  DD. 

fratrum  Bolis^\ 
32.  In  Ecclesia  monalium  S.  Rainerii.     enga  keitoi 

Hieran    schliesst    sich    der  wichtigste  Theil  des  Manuscriptes, 
die  Inschriften  des  Ruinenfeldes  von  Salona*). 

35  =  C.  2061.    In   Castro    S.    Georgii  vulgo   Succiuraz    ditionis 
Spalatensis  in  Palatio  archiepiscopah'. 

36  =  C.  2591. 

Z.  5  V  •     F 

SIBI    ■   ET  S  VIS 

37.  D  M 

L-CATTTIOTEREN 
TIOIVLIANEPOTILL^ 
MARITOPOSVITETSI 

38. 


.  .  .1  O  PATR  I 
riE  N  T  I  SSI 

JW    O 
L-  SECVN  DI 
N  A  •  POST- 


')  J^io  Ergänzungen  hnbc  icli  }iiii7Aigefiigt. 


31 


39. 


D       •       m 

I  V  L  1  O   •  F  O  ?■ 

tu 

N  A  T  O   • 

HELVIVS  •  SABI 

NVS-FRATRI- 

CARISSIMO 

B   •          A'i  ■ 

POSVIT  • 

3.  ?/mZu/IO  •  SEX 

•  F  • 

T  R  O 

/  A  N   O    •    F 

•   D 

E  C 

40. 


.  .  .  /w/L  VIO-PIETATI-F 

.  .  .//^  lvio  •  pietati-p 
5  /ae-procvlae-  MAT 

itae-syrelae-conivg 

I 
sex.  /  \'/  L  V  I  V  S  •  A  L  F  I  A  N  V  S  ■  S  V  I  S 

41  =  C.  2586.     In  pariete  domus  Pauli  Pavelich.    Z.  5  posvit. 

42  =  C.  2649. 

43  ^  C.  2309.     In  pariete  domus  Joannis  Vicetich. 

44.  Li  Baptisterio  ecclesiae  parochialis. 

P  A  C  V  V  I  A  E  Q_V  A  R  T  1  L  I  /£ 
PACVVIVSEPAFRODITVS 
S  I  B  I  VIVO  ET  COIVGI  POSViT 

B     •  M  ■ 

45.  In  Castro   Ahhatissae   ditionis  Spalatensis   in   operculo   arcae 
prope  domum  Stephani  Eoccov  extante. 

+    ARCAMESSORICVMCON 
IVGESVASEVENVDA 

46  =  C.  2122.  Die  vierte  Zeile  fehlt. 

47  =  C  2368.  In  pago  Uraniae  vulgo  Vragniz  supra  portam  meri- 
dionalem  ecclesiae  parochialis. 

48  =:  C  1994.  In  atrio  domus   Thomae  Nincevich. 

49  =:  C.  2541.   hl  domo  Antonii  Klacovich. 

Z.   2         SYMPOR 


32 


50  =  0.2114. 

51  =  C.  2154.  In  pariete  domus  Andreae  Burrich. 

52  =  C.  2510. 

53  =  C.  2121.  In  domo   Georgii  Klacovich. 


E  V  T  Y  c  -E  T  I 
/  ETTI  ■  BATIYI  I. 
SERVrt  DOMO 
«  7  V  I  L  E  I  A  E 
5  HJPNELAVS  •  ET 

.•••OECVLARCOSER 
B     •        M 

Der  Bruch   ist    angegeben   mit  Ausnahme  von  Z.  2  etti.     Es 
könnte  auch  Vetti  gewesen  sein. 

54  =  C.  I.  G.  11  n.  1832.  In  parlefe  domus  Andreae  GaiyJnch. 

0       K 

0  N  O  M  A 
C  T  11  1  A  1 
UJ  A  N  A  I'  1 

r>  T-  K  -  ANT6 

PUJT  I  •  X  A 
P  I  N  M  N  6 

1  •  AC 

©(eoT^)  K(aTaxöovioi(;)  'OvojudcTTri  ibitu  dvbpi  T(i߀piLu)  K(Xaubiiu) 
'AvTe'puuTi  x&pw  juveiaq. 

55  =  C.  2358.  In  pariete  domus  Antonii  Gelich. 

Z.   4  LAPIDEM  •  FeC.  .  . 

56  =■  C.  2383.  In  atrio  domus  Jacohi  Ihnzon. 

TE-  SIBIET-  I  VL  I 

PATRONAE 

^ATOFP  TVRPILIO 

5  OET-SVIS 


57  =  C.  2323. 


.  .A  F  A  .  .  .  .1,  / 

FIRM  AN  VS  •  hIC-  SIT  VS 
EST 


33 

58  =  Eph.  epigr.  IV  n.  658.  Salonae  in  ecclesia  B.  M.  V. 

SOSS  lAE  •  TAM  INIA  E 
DEF-  ANN-  XXXV-  C   MESSIVS 
ALYPVS-  CONIVGI-CARISSIWE 
QVAM  -  IN  •  MATRIMONIO 
5  HABVIT- ANN  -  XVIIII  • 

59  =  C.  2011.  In  domo  Andreae  Burrich. 

60  =  C.  3173.  In   loco,    qui  dicitur  Jezerne,   in  terra  aratoria 
Petri  Guinov. 

Z.  3     uRNEi^poTl  Z.   4  Anf.     ..t  Z.  5     df  für  de 

Z.    8       DF    für    DE  Z.    9       FINCIS  Z.    10       PIETATE2 

61. 

P  H  I  L  E  T  O 
SALVIA  SOLLE 
M-NlSMARlTo 
BENEJWEREN 
5  1"   I 

zwei  Tauben 

62.  Ibidem  in  terra  aratoria  Laurentii  Parach. 

AVRSATVR 
NINOA  VIREIIA 
MESSORINAV 
XORET  SIBl 
5  FECIT 

ascia 
Z.  2  ^?([r]e[qia. 

63  :=  C.  2543.  hl  pariete  domus  Laurentii  Parach. 

64  =  C.  2339. 

65  =  C.  2413. 

66  =  C.  2571. 

67  =  C.  2045. 
68. 

D       m 

VARIA  ES  E<' VN 


Archäoloäjisoli-cpigraiibiscLe  Mitth.  XI. 


34 


G9.  In  pnriete  domus  Thomae  Drascovich 


D  M 

PLACIDI  AE-    DA 
MALE-  Q_yAEET 
R  V  F  I  N  ye.  M  A  T  R  I  ■ 
5       VERNACVLOR- 
OPTIA/E  ET     i.NCOM' 
PARAbLFEMlNAE 
VXORI  •   FIDELISSI 
MAE-  ET-  PllSSIMAE- 
10       VAN-XXXVIIIM-V- 
D-X-  M-  PLAVTIVS 
SEVERVS-  B-  M-P- 

Die  Vernaculi  sind  von  einem  Collegium  zu  verstehen.  Vgl. 
das  Bacchium  vernaculorum  in  der  Inschrift  C.  I.  L.  III  61.Ö0.  Mater 
vernaculorum ,  wie  mater  dendrophoroi'utn  u.  a.  vgl.  Wilmanns  Index 
p.  640. 

70  =  Mitth.  IX^  p.  9  n.  8.  In  pariete  domus  Matliei  Buhich. 

D     •        IN-  M  - 

L-CORN-APA.A'S 
TVS-PROS-M-  VIVI 
CRESTI  ■  AM1C-K>¥>1SS 
5  E  X^  O  T  O   -   P  - 

71.  Lt.  toco  vocato  Verbiza  in  terra  aratoria  Pauli  Klacovich  alias 
Gasprich. 

claj  VDIODALMATIO 
(/ofVl  I  N  I!  N  C  O  M  P  A  R  A  B  I  L 
(/ll)  IVICXITA>NOSl.M       L  (sic) 

(liailaramarito 

5  pt«,N  TISSIMO   POSVE 

e<  s)l  B  1 

72.  In  loco  vocato  Capjuch  in  terra  araforia  Jacohi  Benzen. 

D  M 

T  -  TERENTIO 

M  E  R  C  V  R  1  A 

l.I-  ANXXXVEX 

,')  XIII   ARIOCOI. 


35 


10 


LEG'FABRVM 
TERENTIVS 

MERCVRIVS 
PATER-  ETPATRO 
FILIO  ■  INFELICIS 
SIMODOLES 
P  O   S  V  I  T 


(sie) 


Ueber  die  vexUlaru  der  Collegia  vergleiche  Mommsen  Ephem. 
epigr.  II  n.  432  und  die  Inschr.  C.  I.  L.  III  1583  und  6150,  11—13 
vix{illarius). 

73  =  Eph.  epigr.  IV  n.  653. 

74. 

ORBIA    -     Se<    •    F-PAVLLA 

T-F-IVS«l^SIBI-  ET 

SEX  •  ORBIO  paul  O  •  liTüI  •  VIR  •  PA  "El 

CORDIAEA FAE-MATRI 

5       SEXORBIOPK.  .  .  .  DI>^0  PON-f^-KA'Rl 
P-GRATTlO-CawPANO  •  F 


z. 

75 


76 
n.  17«. 


5  Fron[t\ino  (?). 
=  C.  31956. 

G-  VOL  VSIVS    PRIMI 

GENIVSVI  VIR 

vi  vos-fecitsibiet 

cvolvsioevhemero 

5  conlibert-vt-vir-avg     e  t 

c-  volvsioprimigeniof  defvnc 

annor-vili-libertisllbertabvsq_ 
svisossibvs-inferendis-extranior 
neqvisossa-Inferre-velit-ettv-et 

10  TIBI 

INFR- P       XXX       IN 
AGR      P      XXX 
=  Noch  stärker  verstümmelt  C.  2069  und  Mitth.  IX  p.   12 

O  •  L   •  F  •  SEI 

VC  •  praetcI)?' 

F-  D  •  COH  vT 
AETVS  P V 
7AE  -      SABlN«e 


3* 


m 

Diese  Inschrift  bestätigt  die  Zugehörigkeit  von  Augusta  Prae- 
toria  zur  Tribus  Sergia.  Vgl.  C.  I.  L.  V  p.  756.  Z.  3  gibt  Hirsch- 
feld Mitth.  IX  p.  12  nach  vi-  noch  y,  also:  7  leg.  ..  cl.  p.]  /.  i 
coli.  VI  v[{gilum.  Da  die  Legion  durch  das  sonst  unverständliche 
F  angezeigt  ist,  so  kann  hinter  der  Zahl  VI  eine  Auxiliarcohorte 
kaum  ergänzt  werden.  Vgl.  Mitth.  X  p.  22  Anm.  9.  Auch  ist  eine 
cohors  VI  voluntariorum ,  welche  Hirschfeld,  der  nur  noch  wenige 
Buchstaben  sah,  ergänzen  wollte,  nicht  nachzuweisen. 

77  =  C.  2046.  In  Starigrad  in  vinea  DD.  Fratrum  BoUs. 

78.   In  Gradine  in  vinea  Laurentii  Parach. 


L 

■   VETV 

O 

E  Q_o  C  0  O 

AETO 

ANN   ■^ 

XVII  I 

AELIA  o  MAXIMINA  MATER 


Z.  2  vielleicht  o\ctavae  pr]aet.     Denn  eine  cohors  Raetorum  ist 
in  Dalmatien  nicht  nachzuweisen. 

79.  In  Starigrad  in  vinea  Laurentii  Parach. 


]N  Gl  •   F  •  L  Ö 
pra,i.?  ■  F  A  Bjrum 


80.  In  pago   Vragniz  in  atrio  domus   Thomae  Nincevich. 

li  o  o  c 

N   O  • 
■  COL  - 

;d  I  -  vk 

NO-€L 

ja  ACER 
DESIGNTT 

Vielleicht  zu  ergänzen:    Valer]io  Oc\ ]no  [ii  vir.?]  col 

fi]ed.  i[i]  vir.  [q.  q.  jyatrojno  col sacer[doti]   designat{o) ....    Vgl. 

C.  I.  L.  III  n.  4. 

j^l.    ffi  _  fehlt  —  in  vinea  —  Mdroevich  alias  Pude. 

MAVRAVGLIBJfiRWEROTIVIXITAN 
NXNENSVIDVFILDVLCISSIMOET        jiscia 
PIENTISSINOETGERMANIOET  STEFA>E 
PA  RENTE  SINFELICISSIMI 


37 

82  -  C.  2477. 
p.  8,  88.  Ohne  Ortsangabe,  aber  unter  87  =  C.  2632. 

OCTAVIAECARAED       O       MIN 
ET^ECVSAERARISSIMAES    V       MM 
SANCTIMETBENl  GNITATIS    FEMIN 
CONIVGISALONISABINIANIVET 
5  EXCORNICCOS  •  LEG- l-ADI-SIGNO 

SCAMVIAT  '  EO  R  •  CVMQVO  CONCO  {si'c) 

DITERVIXITANV-  XXX  OB  MERITA- 
VLPIVSASCLEPIVSCON.  .  .X    P- 

Z.  8  con{tubernalis). 

Von  den  Inschriften  bei  Daniel  sind  drei  aus  demselben  Mu- 
seum im  Corpus  edirt:  89  =  C.  3165-  90  =  C.  3192;  91=0.  2856. 
Die  vierte,  ein  Fragment,  ist  unbekannt. 

92. 


Da  B'  und  B^  genau  übereinstimmen,  mit  Ausnahme  jener 
Inschriften,  welche  der  Schreiber  von  B''  absichtlich  wegliess,  weil 
sie  in  Zaccaria's  Marmora  Salonitana  enthalten  waren ,  so  kann 
es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir,  soweit  B'  reicht,  die  Samm- 
lung des  Boghetich  vollständig  besitzen.  Anders  aber  liegt  die 
Sache  für  jene  Gruppe  der  Inschriften,  welche  nur  in  B-  erhalten 
sind.  Hier  kann  uns  die  neugefundene  Handschrift  den  Verlust  der 
Boghetich'schen  Sammlung  nicht  vollständig  ersetzen.  Denn  in 
Zaccaria's  Marmora  Salonitana  sind,  nach  dessen  eigenen  Angaben, 
sowie  nach  dem  Zeugnisse  derjenigen,  welche  die  Steine  nach  Zac- 
caria  und  Boghetich  sahen,  zahlreiche  Inschriften  aufgenommen, 
die  in  Gebäuden  auf  dem  Ruinenfelde  Salona's  eingemauert  waren. 
Nur  Zaccaria  bezeugt  den  Aufbewahrungsort  für  C.  I.  L.  2023. 
2051.  2131.  2133.  2183.  2194.  2252.  2274.  2290.  2310.  2384.  2473. 
2553.  2621;  auch  die  Späteren  für  C.  I.  L.  2101.  2115.  2157.  2167. 
2186.  2193.  2254.  2285.  2391.  2483.  2519-  2573.  Für  letztere  steht 
es  also  fest,  dass  sie  auch  Boghetich  nur  auf  dem  Ruinenfelde 
Salona's  sehen  konnte;  für  die  ersteren  ist  das  Gleiche  durchaus 
wahrscheinlich,    da    die    Sammlung   Zaccaria's  1752   abgeschlossen 


38 

war,  Boghetich  aber  bereits  1784  starb.  Hatte  also  Boghetich  einige 
oder  auch  mehrere  dieser  auch  bei  Zaccaria  erhaltenen  Inschriften 
in  seine  Sammlung  aufgenommen,  so  musste  sie  der  Schreiber  von 
B"^  wenn  er  consequent  verfuhr,  ebenso  wie  in  der  ersten  Gruppe 
der  damals  in  Spalato  aufbewahrten  Inschriften  weglassen.  Er  hat 
dies  sicher  gethan.  Denn  obwohl  uns  die  entscheidende  Controle 
von  B'  hier  fehlt,  so  bildet  doch  der  Umstand,  dass  in  dieser  zweiten 
Gruppe,  welche  46  Inschriften  umfasst,  keine  der  bei  Zaccaria  er- 
haltenen Inschriften  wiederkehrt,  einen  vollen  Beweis.  Wir  besitzen 
also  die  Sammlung  des  Boghetich  für  diese  Gruppe  nicht  voll- 
ständig. Aber  das  Fehlende  muss  in  den  Marmora  8  ilouitana  des 
Zaccaria  enthalten  sein;  nur  dass  wir  nicht  bestimmen  können, 
welche  von  diesen  Inschriften  gerade  Boghetich  abgeschrieben  hat. 
Für  die  Geschichte  der  Salonitanischen  Inschriftensammlungen 
ergibt  sich  die  nicht  unwichtige  Folgerung,  dass  Boghetich's  Samm- 
lung keine  Inschrift  enthielt,  welche  uns  heute  nicht  bekannt  wäre. 
Heidelberg  A.  v.  DOMASZEWSKI 


Ueber  eine  neue  Aufnahme  der  Fran^oisvase 


Der  Wunsch,  eine  neue  und  verlässlichere  Wiedergabe  der 
Frangoisvase  zu  erhalten,  hat  mich  im  Auftrage  des  Wiener  archäol.- 
epigraph.  Seminars  im  Herbste  vorigen  Jahres  gemeinschaftlich  mit 
dem  Kupferstecher  Ludwig  Michalek  nach  Florenz  geführt,  wo  es 
uns  durch  das  Entgegenkommen  Herrn  Professor  Milani's  und  des 
Custoden  Herrn  Marrazini  ermöglicht  wurde,  Bausen  zu  nehmen 
und  das  Original  in  allen  Theilen  genau  zu  prüfen.  Die  Bausen 
sind  dann  von  L.  Michalek  rein  gezeichnet  worden  und  diese  Zeich- 
nung Michalek's  ist  es,  welche,  um  ein  Drittel  in  Lichtdruck  ver- 
kleinert, demnächst  auf  Tafel  II,  IH,  IV  der  neuen  Serie  der 
Wiener  archäol.  Vorlegeblätter  erscheinen  wird. 

Die  Diirchzeichnung  wurde  auf  Gelatinepapier  ausgeführt  und 
nahm  vier  Wochen  in  Anspruch.  Mehrere  Tage  noch  verwandte 
ich  auf  eine  wiederholte  Nachprüfung  der  Bausen  vor  dem  Origi- 
nale, wobei  mir  die  eingehende  Schrift  Paul  Weizsäckers  (Neue 
Untersuchungen  über  die  Vase  des  Klitias  und  Ergotimos,    Rhein. 


39 

Museum  für  Philologie  N.  F.  32,  33,  35)  gute  Dienste  geleistet  hat. 
Besondere  Sorgfalt  widmeten  wir  auch  der  Angabe  der  Restaura- 
tionen, wodurch  einigen  Verwirrungen,  wie  sie  die  bisherigen  Ver- 
öffentlichungen in  Nichtunterscheidung  des  Echten  und  Unechten 
gestiftet  haben,  vorgebeugt  sein  dürfte.  Leider  haben  es  die  Um- 
stände, insbesondere  der  gebrechliche  Zustand  des  Gefässes,  nicht 
erlaubt  Waschungen  vorzunehmen,  wobei  vielleicht  noch  Manches 
zum  Vorschein  gekommen  wäre. 

Mehr  als  vierzig  Jahre  sind  verflossen,  seit  die  erste  tüchtige 
Abbildung  im  IV.  Bande  der  Monumenti  inediti  des  Institutes  er- 
schienen ist;  gegen  zwanzig,  seit  Conze  jene  alte  Zeichnung  nach 
einer  Revision  des  Originales  durch  Brunn  (Revisione  del  vaso  Fran- 
gois,  Bull,  deir  inst.  1863,  p.  188  ff.)  und  mit  Verwerthung  eines 
durch  Heydemann  (Annali  1868,  p.  232 — 235,  tav.  d'agg.  D)  nach- 
träglich entdeckten  Bruchstückes  wiederholt  hat.  Vielerlei  neue 
Bemerkungen  wurden  inzwischen,  in  verschiedenen  Aufsätzen  zer- 
streut, zur  Kenntniss  gebracht:  ich  nenne  ausser  den  von  Weiz- 
säcker p.  28,  29  aufgezählten  noch  F.  Studniczka,  Beiträge  zur 
Gesch.  der  altgriech.  Tracht  p.  98  ff.  und  W.  Klein,  Vasen  mit 
Meistersignaturen  "^  1887  S.  32  f. ;  aber  so  weitläufig  ist  dieses 
scheinbar  so  begrenzte  Beobachtungsfeld,  dass  man  es  gewiss  auch 
heute  noch  nicht  vollständig  für  abgeerntet  erklären  darf.  Wenn 
ich  demnach  auf  den  folgenden  Blättern  unter  anderem  darzulegen 
versuche,  was  unsere  Arbeit  genauer  bringt,  so  werde  ich  zwar 
manches  kurz  berühren  müssen,  was  bereits  andere  gesehen:  meine 
Ergänzungen  und  Abweichungen,  welche  sich  der  Natur  der  Sache 
nach  meist  nur  auf  geringfügige  Dinge  erstrecken,  werden  im 
Ganzen  aber,  wie  ich  glaube,  eine  eigene  Mittheilung  rechtfertigen. 

Ich  denke,  dass  es  denen,  die  sich  die  Mühe  nehmen  wollen, 
nach  meinen  Angaben  das  neue  Vorlegeblatt  mit  dem  alten  Figur  für 
Figur  durch  zu  vergleichen,  ähnlich  ergehen  wird,  wie  uns  im  Studium, 
das  wir  dem  Originale  gewidmet  haben:  dass  sich  ihnen  nämlich  der 
Respect  für  die  künstlerische  Leistung  des  antiken  Malers  steigert. 
Der  Stich  der  Monumenti  war  im  Verhältniss  zu  den  damals  übli- 
chen Veröffentlichungen  antiker  Vasen  keineswegs  schlecht  zu 
nennen;  an  die  Feinheit  des  Originales  reicht  er  aber  an  keiner 
Stelle  auch  nur  entfernt  heran.  Er  enthält  eine  Reihe  sachlicher 
Missverständnisse  und  zahlreiche  Ungenauigkeiten ,  auch  hat  der 
Stecher  seine  Arbeit  durch  willkürliche  Einführung  von  Grund-  und 
Haarstrich  entstellt.    Das  moderne  Auge  hat  eben  einer  langen  und 


40 

langsam  vorschreitenden  Uebung  bedurft,  um  die  eigenthümlichen 
Sprachformen  und  Ausdrucksweisen  dieser  alterthümlichen  Malerei 
sehen  und  verstehen  zu  lernen.  Je  weiter  aber  dieses  Studium 
vordrang,  umsomehr  wuchs  auch  das  Erstaunen  über  die  unge- 
wöhnliche Treue  und  Sorgfalt,  welche  die  Meister  dieser  Kunststufe 
erfüllte.  In  überraschend  strenger  Gleichmässigkeit  ist  dasselbe 
umsichtige  Feingefühl,  dieselbe  gewissenhafte  Ausführlichkeit  und 
miniaturartige  Vollendung  auf  allen  Theilen  der  Vase  zu  bewundern. 
Die  griechische  Genialität  zeigt  sich  hier  im  angestrengtesten  Fleisse 
der  Lehrjahre,  ähnlich  wie  im  Gebiete  der  Sculptur  bei  den  neu- 
gefundenen   Statuen    der  Akropolis  und  später  den  Aegineten. 

I 

Die  Vase  wurde  bekanntlich  in  zertrümmertem  Zustande  und 
unvollständig  gefunden.  Die  vorhandenen  Bruchstücke,  ein  halbes 
Hundert  etwa,  hat  man  geschickt  wieder  zusammengefügt,  indem 
die  fehlenden  grösseren  Theile  aus  Thon  hinzumodellirt  und  nur 
mit  Wachs  glatt  überstrichen,  kleinere  Stücke  inmitten  der  Dar- 
stellungen aber  malerisch  restaurirt  wurden.  Das  später  gefundene 
Heydemann'sche  Bruchstück  liegt  gegenwärtig  neben  der  Vase. 

Das  Gefäss  ist  ein  Prachtstück  nicht  nur  durch  den  Schmuck 
seiner  Gemälde,  sondern  auch  als  Product  der  Töpferkunst.  Es 
ist  aus  sehr  feinem,  röthlich  gelbem  Thon  geformt.  Seine  Höhe 
beträgt  vom  Boden  bis  zum  Münduugsrande  0'56  M.,  bis  zu  den 
überragenden  Henkelrändern  0'66M. ;  sein  Umfang  um  den  unteren 
Hand  des  Fusses  1  M.,  an  der  Einschnürung  über  dem  Fusse  0'63  M. ; 
der  grösste  Umfang  des  Bauches  am  Henkelansatze  1'81  M. ,  der 
des  Halses  an  der  Vasenmündung  l'll  M.  Der  äussere  Durchmesser 
derselben  ist  057  M.,  der  innere  0'53  M.  Die  Dicke  des  oberen 
Randes  beträgt  O'OIS  M.  Die  Henkel  haben  eine  Höhe  von  0'35  M. 
und  eine  Breite  von  O'll  M.  In  die  vier  sichtbaren  Ecken  der 
beiden  Voluten  sind  tropfenförmige  Thonstückchen  eingesetzt. 

Nachdem  die  Vase  geformt  und  getrocknet  war,  mag  sie  zu- 
nächst mit  der  dunklen  Hauptfarbe  bemalt  und  ein  erstes  Mal  ge- 
brannt worden  sein ;  danach  wird  der  Künstler  die  weisse  Deck- 
farbe aufgesetzt  und  die  Gravirung  vorgenommen  haben.  Hierauf 
musste  ein  zweites  Brennen  stattfinden  und  zum  Schlüsse  wurde 
das  ganze  Gefäss,  wie  ich  glaube,  mit  einem  feinen,  matt  glänzen- 
den Firniss  überzogen.  Man  bemerkt  diesen  Firniss  an  allen  an- 
tik(!n  Bruchstücken,  auch  an  dem  nach  der  Restauration  der  Vase 


41 

gefundenen  Heydemann'schen  Bruchstücke,  während  er  an  allen 
modernen  Fülltlieilen  und  Restaurationen  fehlt,  und  zwar  geht  er 
deutlich  auch  über  die  Gravirungen  hinweg,  die  den  gleichen  matten 
Glanz  wie  die  bemalten  Gefässflächen  zeigen.  Die  Furchen  dieser 
Gravirungen  erscheinen  heller  als  der  jedesfalls  künstlich  gefärbte 
Malgrund  der  Vase;  ob  sie  aber  eine  Ausfüllung  mit  weisser  oder 
gelblicher  Engobe  (vergl.  Arch.  Ztg.  1881  p.  2  ff)  enthalten,  was 
nur  durch  behutsames  Aufkratzen  verschiedener  Stellen  zu  consta- 
tiren  wäre,  ist  von  uns  nicht  untersucht  worden.  Marken  unter 
dem  Boden  des  Gefässes  finden  sich  nicht. 

Die  Hauptfarbe  der  Malereien  erscheint  als  ein  dunkles  Roth- 
braun, das  sich  bisweilen  dem  Schwarz  nähert,  oft  aber  auch  ganz 
unvermittelt  zu  einem  hellen  Roth  verblasst.  Dieser  Wechsel  der 
Färbung  mag  theils  von  der  Ungleichmässigkeit  des  Brandes,  theils 
aber  auch  von  der  verschiedenen  Dicke  des  Auftrages  herrühren. 
Zuweilen  geschieht  dieser  dünnere  Auftrag  absichtlich,  z.  B.  bei 
den  Zügeln  der  Pferde,  bei  den  Inschriften  und  bei  jenen  Innen- 
zeichnungen, welche  als  das  der  weissen  Farbe  „aufgesetzte  Roth" 
bezeichnet  zu  werden  pflegen.  Mir  scheint  aber  dieses  „Roth" 
keine  andere  Farbe,  als  die  verdünnte  dunkle  Hauptfarbe  und  mit 
dieser  zugleich  eingebrannt  zu  sein.  Die  reliefartige  Erhöhung  über 
dem  Malgrund,  die  jeder  Deckfarbe  eigenthümlich  ist,  fehlt  ihm; 
auch  ist  es  im  Gegensatze  zu  dem  fast  überall  verschwundenen 
Weiss  fast  überall  noch  vorhanden,  ja  es  hat  sich  selbst  an  solchen 
Stellen,  wo  das  Weiss,  dem  es  „aufgesetzt"  sein  soll,  bis  auf  die 
letzte  Spur  vergangen  ist,  als  Innen  Zeichnung  oder  Contur  erhalten 
und  macht  da  den  Eindruck,  als  ob  es  die  weisse  Farbe  nur  um- 
rahmt, beziehungsweise  gefüllt  hätte.  Ich  werde  diese  Stellen  unten 
hervorheben.  Von  der  sonst  bekannten  dunkelrothen  Deckfarbe, 
welche  einen  Stich  ins  Violette  zu  zeigen  pflegt,  findet  sich  nirgends 
eine  Spur.  Der  gesamrate  aufgemalte  Zierrath  der  Vase  ist  nur 
mit  zwei  Farben,  mit  Schwarz  und   Weiss  hergestellt. 

Die  weisse  Farbe  tritt  bei  Gebäuden  zur  Charakterisirung  des 
Steins,  bei  weiblichen  Figuren  zur  Bezeichnung  der  hellen  Haut- 
farbe, bei  Pferden,  Kentauren  und  Hunden  als  weisses  Fell,  schliess- 
lich bei  Gewändern  und  einzelnen  Geräthschaften  als  Zierfarbe  auf. 
In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  ist  sie  dem  Thongrunde 
direet  aufgetragen,  ohne  vorgängige  dunkle  Untermalung.  Milani 
hat  zwar  das  Gegentheil  behauptet  (Jahrbuch  des  arch.  Inst.  II,  3. 
1887,  p.  150  Anm.)   und   eine   kleinere  Anzahl   von   Stellen  köinite 


42 

allerdings  eine  solche  Untermalung  vermuthen  lassen,  es  scheint 
aber^  dass  es  sich  hier  nur  um  zufällige  Ueberstreichung  von  Theilen 
handelt,  welche  ausgespart  bleiben  sollten.  Eine  Aufzahlung  der- 
selben dürfte  die  Beobachtung  rechtfertigen : 

1.  Im  Peleus- Thetis- Streifen  scheint  der  Chiton  des  Peleus 
weiss  gewesen  zu  sein,  dennoch  läuft  ein  unregelmässiger  dunkler 
Q.uerstreif  unter  dem  Halse  her.  Der  Altar  vor  dieser  Figur  war 
aber  sicher  niemals  weiss ,  obschon  er  steinern  zu  denken  sein 
dürfte,  denn  die  Inschrift  Boraos  ist  gravirt.  In  der  Moirengruppe 
sind  die  Hände  aller  drei  Frauen  dunkel,  aber  in  der  Gravirung 
ausgespart.  Das  dritte  Pferd  des  zweiten  Götterwagens,  einst  weiss, 
zeigt  einen  dunklen  Fleck. 

2.  In  Hephaistos'  Rückkehr  zum  Olymp  sind  beide  Hände  der 
Athena  überstrichen  und  wieder  bei  der  Gravirung  ausgespart. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  1.  Hand  der  Aphrodite,  die  theil- 
weise,  und  dem  1.  Oberarm  der  von  einem  Silen  umschlungenen 
Nymphe,  welcher  ganz  überstrichen  ist". 

3.  Im  Troilosstreifen  treten  an  beiden  Gebräuden,  jedesmal 
links,  grössere  dunkle  Flecken  aus  dem  umgebenden  Weiss  hervor. 
Obwohl  es  möglich  ist,  dass  diese  ausgedehnteren  Objeete  wirklich 
ganz  grundirt  sind,  möchte  ich  doch  die  Befleckung  auch  hier  fUr 
zufällig  halten,  wenigstens  lässt  sich  an  dem  dritten  Gebäude  auf 
der  Vase,  dem  Thetideion,  wo  weisse  Farbe  nirgend  erhalten  ist, 
nichts  Analoges  entdecken.  Ueberstrichen  ist  auch  die  auf  die 
Brust  gelegte  r.  Hand  der  Rhodia. 

Die  weisse  Farbe  hat  sich  im  Ganzen  sehr  selten  und  auch 
dann  meist  nur  in  einzelnen  Flecken  erhalten.  Aber  man  wird  alle 
diejenigen  Theile  der  Darstellung,  welche  mit  hellrothen  Conturen 
umzogen  oder  in  der  Gravirung  ausgespart  sind,  für  ursprünglich 
weiss  zu  halten  haben.  Danach  ist  Weiss  in  grosser  Ausdehnung 
und  ziemlich  gleichmässig  auf  der  ganzen  Vase  zur  Anwendung  ge- 
kommen. Es  wird  nicht  ohne  Nutzen  sein,  einmal  eine  vollständige 
Uebersicht  der  so  bemalten  Stellen  zu  geben. 

1.  Theseus-Ariadne 
In  und  an  dem  Schiffe  war  nichts  weiss.  Dagegen  trugen 
diese  Farbe,  wie  überall,  die  Gesichter,  Arme,  Füsse  und,  aus- 
nahmsweise nur  auf  diesem  Streifen,  die  Haarbänder  aller  Frauen: 
bloss  bei  der  Amme  ist  das  Haarband  gravirt.  Ausserdem  der 
Resonanzkasten   der  Kithara  des  Theseus.    Erhalten  ist   die  Farbe: 


43 

a)    bei  Menestho  am  r.  Arm  j^aiiz  bis  etwas  über  der  Handwurzel; 

Hälfte  des  1.   Oberarms  und  Stückchen  an  Stirn  und  Hals ; 
h)    bei  Asteria  Kinn;    r.  Arm  ganz;    1.  Arm,   obere  Hälfte;    beide 

Füsse; 

c)  bei  Damasi8[t]rate  an  Kopf  und  Armen  fast  vollständig; 

d)  bei  Lysidike  r.  Arm  bis  Handwurzel,  1.  Arm  bis  Ellenbogen, 
und  Handwurzel; 

e)  bei  Eriboia  r.  Arm  ganz,  1.  Oberarm,  kleine  Fleckchen  am 
Halse; 

f)  bei  Trophos  wie  bei  Eriboia. 

Von  der  Innenzeichuung  in  blassrother  Farbe  hat  sich  auch 
da,  wo  das  Weiss  völlig  verloren  ging,  an  Augen^  Ohrringen,  Hals- 
bändern vieles  erhalten, 

2.  Kentauromachie 

Hier  hat  sich  ein  Ueberrest  von  Weiss  nirgend  erhalten.  Da- 
gegen sind  innerhalb  blassrother  Conturen  farblos,    also    wohl    ur- 
sprünglich weiss: 
a)    der  grosse  Stein   (kein  Ast!),    den  Theseus'  Gegner    links    am 

Ende  gegen  diesen  schwingt; 
h)    der  Stein,    den  Hasbolos    schleppt,    und  des  Hasbolos  Pferde- 
körper; 
<•)    beide  Steine  in  Händen  des  Melanchaites; 
d)   der  Helmbusch  von  Melanchaites'  Gegner. 

3.  Hephaistos  im  Olymp 

Hier  hat  sich  weisse  Farbe  nur  einmal,  in  geringer  Spur,  er- 
halten.    Folgende  Figuren  aber  trugen  sie: 
a)    die  Frauen,  wie  sonst; 
h)    Chiton  des  Apollon   (links); 

c)  der  Sitz  des   Ares,  rother  Contur; 

d)  der  Thron  des  Zeus,  mit  Ausnahme  des  darüber  gebreiteten 
Teppichs,  und  Zeus'  Chiton.  Am  Thron  Avenige  Fleckchen  er- 
halten. 

e)  die  Hand  bei  der  Inschrift  Ny[m]phai. 

4.  Meleagerjagd 

Hier    waren    weiss    die  Gesichter    der    beiden   Sphinxe  an  den 

Enden  der    Darstellung    (weder  Farbe  noch  Contur  erhalten);  vier 

Hunde,    der  Hauer  des  Ebers    und    die    nackten    Körpertheile  der 
Atalanto.     Erhalten  ist  die  Farbe: 


44 

a)  beim  Hunde  Labros  links  kleine  Flecken  an  Rücken,  Hals  und 
Vorderbeinen.  Spur  des  rothen  Maules  vorhanden; 

h)  bei  Atala[n]te  grössere  Reste  an  beiden  Oberschenkeln,  kleinere 
an  den  Armen.  Im  Gesichte  nur  mehr  das  obere  Augenlid 
weiss.  Trotzdem  ist  der  Contur  des  ganzen  Gesichts,  das  Auge 
und  etwas  Ohrgehänge  erhalten; 

c)    beim  Hunde  Marph[sa]s  Fleckchen  am  1,  Hinterbacken; 

(/)  beim  Hunde  Egertes  der  ganze  Hinterbacken  und  ein  Stück 
des  Schweifes,  zerstreute  Restchen  an  Vorderleib  und  Kopf. 
Conturen  von  Maul,  Auge,  Ohr  erhalten; 

e)  beim  Hunde  [Ep?]ebolos  grössere  Stellen  an  Rücken  und  Hinter- 
beinen, der  Vorderkopf  zerstört. 

5.  Wagenrennen 

Weiss  waren  die  Chitone  der  drei  Wagenlenker  und  das  von 
diesseits  gezählt  dritte  Pferd  des  ersten  Wagens  links.  Bei  letzterem 
Farbenreste  an  Hals  und  Kopf;  ebenso  bei  Hippomedon  an  der 
r.  Schulter,  ein  Stückchen  am  Kreuz  und  ein  Streif  um  die  Hüften. 
Bei  Damasippos  und  Diomedes  je  ein  kleiner  Fleck  an  der  unteren 
Chitonhälfte. 

6.  Thetis-Peleus'  Hochzeit 
Erhalten  hat  sich  weiss ; 

a)    bei  Thetis  ein  wenig  an  den  Füssen; 
h)    bei  Iris  Restchen  an  den  Armen ; 

c)  bei  dem  von  diesseits  dritten  Pferde  des  zweiten  Wagens  ein 
Fleckchen  an  der  Kehle,  Innenzeichnung  verschwunden; 

d)  bei  der  dritten  Muse  links  ein  Fleckchen  um  den  Rest  des 
Halsbandes ; 

e)  beim  zweiten  oder  dritten  Pferde  des  fünften  Wagens  (nur 
Beine  übrig)  Farbenreste  an  der  Fessel  des  r.  Vorder-  und 
Hinterfusses ; 

/)   an  Nereus'  Chiton    unterhalb    des  Wagens    ist  die  Farbe  noch 
ziemlich  unversehrt;  ganz  intact  an  seinem  Bart  und  Haupthaar; 
g)   bei  Doris  Fleckchen  am  r.  Oberarm. 

Ausserdem  waren  in  dieser  Darstellung  folgende  Objecte  weiss 
bemalt,  ohne  dass  ein  Farbenrest  noch  sichtbar  wäre: 
h)    die  übrigen  weiblichen  Figuren,  wie  überall; 
^)    am  Thetideion:  die  Basen  der  Säulen  und  Anten  und  die  Ka- 
pitelle der  Säulen ,    sowie    die    beiden  Längsstreifen   innerhalb 
der  Antenkapitelle;   die    Füllungen    des  geschlossenen  r.  Thor- 


45 

flügels  (?)  (hier  hat  es  den  Anschein,  als  wären  einige  Fleck- 
chen von  Weiss  erhalten);  die  Innenfelder  des  Blattornaments 
am  Kymation;  die  Sima  (?);  endlich  die  eigentliche  Cellawand 
mit  Ausnahme  der  Friesstreifen  in  der  Mitte,  rechts  und  links 
der  Thüre  und  der  beiden  Querstreifen  unten  zwischen  Säulen 
und  Anten; 

k)    Peleus'  Chiton; 

/)    die  Chlaina  des  Dionysos; 

m)  das  von  diesseits  zweite  Pferd  des  ersten  Wagens,  Zeichnung 
von  Auge  und  Maul  erhalten; 

n)   Zeus'  Chiton; 

o)  das  von  diesseits  dritte  Pferd  (nur  Beine  übrig)  des  vierten 
Wagens  und  die  Füsse  einer  jenseits  schreitenden  menschhchen 
Figur ; 

p)  ein  Pferd  des  siebenten  Wagens  (auch  nur  Beine  übrig)  und 
Füsse  einer  jenseits  schreitenden  Figur. 

7.  Troilos 

Von  weisser  Farbe  waren: 
a)    die  Frauen,  wie  sonst;  ' 
h)    am  Brunnenhause :  die  Basen  der  Anten  und  Säulen  (die  beiden 

ersten  theilweise  überstrichen)    und    die  Kapitelle    der  Säulen; 

die  Metopen;   die  Cellawand  mit  Ausnahme  der  Wasserspeier. 

Erhalten  ist  Weiss  nirgends ; 

c)  die  halbmondförmige  Endigung  an  Achills  Schwertscheide; 

d)  der  Chiton  des  Antenor.  Grössere  Farbenreste  unten  und  in 
der  Mitte; 

e)  Chiton  des  Priamos.  Soweit  die  Figur  erhalten ,  Farbe  voll- 
ständig ; 

/)  das  Ausfallsthor:  hier  hat  sich  das  Weiss  der  Mauer  erhalten 
bis  auf  jene  dunklen  Flecken  links.  Dunkel  ist  das  Thor 
selbst  und  ebenso  sind  es  die  zwischen  den  Zinnen  aufge- 
häuften Steinkugeln ; 

g)   das  Gorgoneion  an  Hektors  Schilde. 

8.  Thierdarstellungen 

Weiss  waren  die  Köpfe  der  beiden  Sphinxe. 

9.  Pygmaien 

Hier  war  Weiss  gar  nicht  verwendet. 


46 

10.  Henkelfiguren 

Gesicht,  Arme  und  Füsse  der  thierwürgenden  Artemis  jeder- 
seits  Avaren  weiss,  mehrere  Flecke  sind  noch  deutlich. 

n 

Im  Folgenden  führe  ich  an,  was  im  Stiche  ungenügend  wieder- 
gegeben und  bisher  überhaupt  nicht  genau  oder  gar  nicht  beachtet 
wurde  und  werde  dabei  wieder  Streifen  für  Streifen  verfolgen.  Viele 
Einzelheiten,  an  denen  Weizsäcker  mit  Recht  Anstoss  genommen 
hat,  finden  hierdurch  ihre  Erledigung. 

1.  Kalydonische  Jagd 

Zunächst  sind  die  Ornamentbänder,  welche  die  Darstellung 
beiderseits  einrahmen,  soweit  sie  erhalten  sind,  mit  grosser  Sorgfalt 
ausgeführt,  wovon  der  Stich  keine  Anschauung  gibt. 

Auch  der  Eber  ist  ungenau,  seine  Schnauze  ist  am  Originale 
länger,  das  Ohr  und  1.  Vorderbein  sind  theilweise  restaurirt.  Die 
in  seinem  Leibe  steckenden  Pfeile  zeigen  ausser  der  Befiederung 
auch  die  über  dieselbe  sich  hinauserstreckende  Einkerbung  für  den 
Einsatz  der  Bogensehne,  eine  Form  des  Pfeils,  die  sich  noch  auf 
der  Geryoneusschale  des  Euphronios,  hier  mit  einfachem  Wider- 
haken der  Pfeilspitze,  findet. 

Der  auf  den  Eber  gesprungene  Hund  Marph[sa]s  ist  fast  nicht 
mehr  zu  erkennen;  seine  Extremitäten  nur  an  den  in  der  Gravirung 
der  Kückenborsten  des  Ebers  ausgesparten  Stellen,  woraus  hervor- 
geht, dass  die  Figur  dem  vorher  in  dunkler  Farbe  aufgemalten 
Eber  einfach  in  weisser  Deckfarbe  übergemalt  wurde.  Die  erhaltene 
Spitze  der  Schnauze,  die  Stellung  des  r.  Ohres  und  1.  Auges  zeigen, 
dass  er  mit  verwandtem  Kopf  quer  in  den  Nacken  des  Wildes  ein- 
biss.     Er  trug  ein  Halsband. 

Der  getödtete  Antaios  ist  schnurrbärtig.  Seine  r.  Ferse  kommt 
unter  der  1.  Kniekehle  zum  Vorschein.  Sein  Auge  ist  geschlossen. 
Die  Faust  des  1.  Armes,  auf  dessen  Achsel  das  Haupt  ruht,  scheint 
sich  in  die  Stirnlocken  eingekrampft  zu  haben,  der  r.  Arm  ist  mit 
geballter  Faust  über  den  Kopf  geworfen. 

Peleus  scheint  bartlos,  sein  Untergesicht  ist  theilweise  abge- 
splittert. 

Das  Fell  um  Meleagros  Hüften  zeigt  an  den  Vorderpranken 
je  vier  Klauen. 


47 

Atalante  trägt  auf  der  Brust  zwei  untereinander  verbundene 
Fibeln. 

Von  Melanien  ist  ausser  Bart  und  Hals.  1.  Schulter  und  Speer- 
spitze sichtbar.  Ueber  dem  Chiton  trägt  er  ein  Fell,  dessen  Haare 
links  von  Atalantes  Gürtel  sichtbar  sind  und  dessen  eine  Pranke 
zwischen  seinen  Beinen  niederhängt. 

Euthymachos,  der  Bogenschütze,  hat  den  Mund  weitgeöffnet. 
Seine  spitze  Mütze  ist  bedeutend  kürzer  als  sie  der  Stich  zeigt. 
Er  trägt  Köcher  an  der  I.  Hüfte.  Die  unter  seinem  r.  (restaurirten) 
Unterschenkel  sichtbare  Pranke  ist  die  Hintertatze  des  jenseits 
laufenden  Hundes  Methepon. 

Antandros'  Kappe  hat  eine  Krampe.  Sein  Fell  ist  um  den 
Bauch  durch  eine  Agraffe  geschlossen.  Seines  Partners  Thorax 
Oberschenkel  ist  nicht  nackt^  wie  auf  dem  Stiche,  sondern  mit 
kurzem  Chiton  bedeckt.  Was  aber  Weizsäcker  an  ihm  für  einen 
Panzer  erklärt,  scheinen  mir  vielmehr  die  übereinander  ragenden 
Schwertgriffe  der  beiden  Gesellen  zu  sein  (vergl.  die  drei  ersten 
Kämpferpaare  der  r.  Bildseite).  Dagegen  sind  Beider  Speere  jue- 
(jdYKuXa:  Umwickelung  des  Schaftes,  Fingerhaltung  und  otTKuXri  selbst 
sind  vollkommen  deutlich.  Die  kugelartige  Endigung  an  Thorax' 
Lanze  im  alten  Stiche  ist  nur  ein  nachlässiger  Weise  in  die  Zeich- 
nung eingetragenes  Stückchen  Klebewachs,  womit  der  frühere  Vasen- 
zeichner sein  Bauspapier  angeheftet  hatte. 

Die  Figuren  von  Aristandros  und  Arpylea[s]  erscheinen  auf 
unserer  Zeichnung  getreuer  wiedergegeben,  aber  namentlich  die- 
jenige des  Aristandros  ist  dadurch  kaum  verständlicher  geworden. 
Sicher  scheint  zunächst,  dass  er  keinen  Chiton  trägt:  an  seinem 
Oberschenkel  und  Oberarme  fehlt  der  herkömmliche  Gewandsaum. 
Der  sonderbar  gewölbte  Gegenstand  vor  seinem  Leibe,  welcher 
mittelst  eines  Bandes  um  die  1.  Schulter  gehängt  zu  sein  scheint, 
könnte  eine  Jagdtasche  vorstellen  sollen  und  das  seine  r.  Schulter 
überragende,  oberwärts  gekrümmte  Instrument  vielleicht  eine  Hacke 
oder  einen  Lauffänger  (rrobaTpil,  Txohoorpäß^,  pedicd:  vergl.  die 
ähnliche  Ausrüstung  eines  Jägers  der  rechten  Reihe  in  der  Meleager- 
jagd  von  Gjölbaschi).  Dieses  Instrument  hängt  in  dem  Stiche 
fälschlicher  Weise  oben  mit  dem  Jagdspiesse  des  Arpylea  zusammen. 
Arpylea  —  an  der  Inschrift  dieses  Namens  lässt  sich  nicht 
mäkeln  (Weizsäcker  S.  52)  —  ist  deutlicher.  Er  schwingt  einen 
kurzen  Speer  und  von  seiner  Schulter  her  bis  an  die  Hüfte  hängt 
über    das    Fell   ein  Riemen  (?)    mit  Schlinge,    wie    er    auf    diesem 


48 

Streifen  noch  einmal,  in  der  Kentauromachie  noch  zweimal  wieder- 
kehrt. Was  mit  diesem  Ausrüstungsstück  gemeint  sei,  ist  nicht 
klar.  Ein  Wehrgehenk  kann  der  Riemen  (bei  Hoplon  in  der  Ken- 
taurenschlacht sind  es  deren  zwei)  nicht  sein,  denn  Arpylea  hat 
kein  Schwert,  ebensowenig  wie  Kaineus;  und  wieder  Kastor  in 
diesem  Streifen  und  der  genannte  Hoplon  haben  ihre  Schwerter  in 
eigenem  Geheuk  daneben  hängen,  auch  wird  die  Vorrichtung  ab- 
wechselnd bald  rechts  bald  links  getragen.  Auch  ein  Riemen  zum 
Tragen  des  Schildes,  wie  er  anderwärts  vorkommt,  kann  es  nicht 
sein.  Ich  möchte  vermuthen,  dass  die  Schlinge  dazu  diente,  den 
Speer  hindurchzustecken,  wenn  er  ausser  Gebrauch  war,  um  ihn 
so  auf  bequemere  Weise  zu  tragen,  obwohl  ich  einen  Beleg  dafür 
nicht  kenne. 

Kastor  und  Polydeukes  rechts  vom  Eber  scheinen  zusammen 
einen  Speer  zu  handhaben. 

Akastos'  r.  Arm  ist  im  Originale  bis  zur  Hand  zerstört. 

Asmetos  ist  durchaus  nicht  „verzeichnet".  Finger  und  Zehen 
sind  ganz  richtig,  nur  hat  er  das  Fell,  wie  der  nachfolgende  Simon 
und  auch  Antandros  auf  der  Gegenseite,  statt  auf  der  Brust,  im 
Nacken  geknüpft. 

Der  Hund  Egertes  hat  keine  Hängeohren  wie  im  Stiche.  Er 
gehört  derselben  Rasse  an  wie  alle  anderen:  einer  Art  von  Wolfs- 
hunden von  derbem  Bau,  mit  langbehaartem  Schwänze  und  spitzem 
Kopf,  der  von  einer  kurzen  Mähne  umgeben  ist.  Die  Ohren  scheinen 
mir  bei  sämmtlichen  Hunden  gestutzt  zu  sein. 

Antimachos   ist   auf  dem  Stiche  verschrieben    in  Astymachos. 

Der  Gegenstand,  der  von  Toxamis'  Köcher  niederhängt,  ist 
kein  Trinkliorn  (Weizsäcker  S.  54),  sondern  der  Köcherdeckel,  wie 
er  auch  von  dem  breiteren  Köcher  des  Kimerios  geöffnet  herab- 
hängt. 

Der  jenseits  laufende  Hund  wird  wohl  Epebolos  geheissen 
haben. 

Kymortes'  Fell  wird  durch  zwei  Agraffen  gehalten. 

Pausileos  scheint  nur  mit  gegürtetem  Chiton  bekleidet  zu  sein. 

2.  Wagenrennen 

Der  Dreifuss  r.  von  Achill  sowie  der  kleinere  unter  Dama- 
sippos'  Gespann  sind  ungenau  auf  dem  Stiche  wiedergegeben. 


^49 

An  Achills  Kopf  ist  das  1.  Ohr  angegeben.  Die  Linien  an 
seinem  nackten  Körper  unter  der  Brust  scheinen  mir  vielmehr 
Bauchfalten  als  ein  Gürtel  zu  sein 

Die  Kopfwendung  des  Automedon  hat  Weizsäcker  sehr  richtig 
bemerkt,  das  deutlich  vorhandene  1.  Ohr  bestätigt  sie;  doch  scheint 
mir  die  erhobene  1.  Hand  dieser  Kopfwendung  nicht  „unwillkürlich" 
zu  folgen ,  sondern  Automedon  reisst  dadurch  sein  Gespann  nach 
links,  wohl  um  seinem  Vormanne  Olyteus  vorzufahren;  wie  denn 
überhaupt  mehrere  derlei  kleine  Züge  auf  diesen  Darstellungen  vom 
Maler  vortrefflich  beobachtet  sind. 

Diomedes'  Hände  und  Unterarme,  sammt  allem  was  damit 
zusammenhängt,  sind  restaurirt,  womit  wieder  eine  Conjectur  Braun's 
(a.  a.  O.  S.  341)  hinfällig  wird,  ebenso  sind  die  Hintertheile  des 
Gespannes  nachgebessert. 

Restaurirt  ist  auch  die  1.  Hand  des  Hippo[tho]on,  der  untere 
Theil  seines  Chitons  und  das  unförmlich  lange  Untergestell  seines 
Wagens.  Er  und  sein  Vorgänger  Damasippos  treiben  ihre  Pferde 
mit  dem  Kentron  zu  eiligerem  Laufe.  Bemerkenswerth  ist  an  dem 
Chiton  dieser  letzten  Gestalt  die  sonderbare  Gürtung  mit  zwei 
herabfallenden  Bändern,  sowie  der  kapuzenartige  Sack  im  Nacken ; 
nicht  minder  dass  das  Gespann  der  vier  Pferde  nur  sechs  Hinter- 
beine aufweist.  An  den  Rossen  dieser  Darstellung  ist  keine  Ge- 
schlechtsangabe zu  bemerken. 

3,  Hochzeit  des  Peleus. 

Das  Thetideion  ist  nur  in  Bruchstücken  erhalten:  nemlich  die 
linke  Hälfte  fast  ganz,  rechts  der  untere  Theil  der  Thüre  sammt 
dem  rechts  anschliessenden  Theile  des  Bauwerkes  und  ein  keil- 
förmiges Stück  über  diesem  letzteren.  Das  Uebrige  ist  moderne 
Restauration,  die  aber  im  Ganzen  richtig  sein  dürfte,  da  sie  nichts 
zuzufügen,  sondern  nur  entsprechend  zu  ergänzen  hatte.  Dagegen 
ist  die  Wiedergabe  im  Stiche  vielfach  falsch.  Vor  allem  ist  der 
Fries  unrichtig.  Die  1.  Ecke  desselben,  die  allein  echt  ist,  beginnt 
nicht  mit  einer  halben  Metope,  sondern  mit  einer  halben  Triglyphe. 
Triglyphen  wie  auch  Tropfenregula  sind  zwar  vorhanden,  aber  nur 
hin  und  wieder  noch  sichtbar,  denn  auffallenderweise  waren  sie 
nicht  eingravirt,  sondern  mit  verdünnter  Farbe  aufgemalt ;  was  der 
Stich  davon  gibt,  ist  willkürlich.  Die  Art  des  Dachabschlusses  ist 
nicht   unmittelbar   zu   sehen.     Zwar  hat   mich  Studniczka  auf  eine 

Archäologisch-eiiigrapluKoUe  Mittli.   XII.  ± 


50 

gravirte  Linie  aufmerksam  gemacht,  welche  links  in  der  Richtung 
verläuft,  die  etwa  das  Dach  eines  Giebels  einhalten  würde,  aber 
die  weiss  aufgehöhten  Stellen  sind  sonst  nie  durch  Gravirung  um- 
grenzt, und  diese  Linie  kann  daher  kaum  der  Abschluss  der  weissen 
Giebelsima  gewesen  sein.  Auch  haben  Benndorf  und  Milani  in 
der  Nähe  des  unteren  Dachendes  (wie  auch  am  Brunnen  der  Troer) 
die  mit  verdünntem  Firniss  aufgemalten  Reste  von  Linien  wahr- 
genommen, die  sie  als  Contur  eines  Ohres  auffassten,  etwa  von 
einem  Wasserspeier  in  Form  eines  Pferdekopfes,  worauf  ich  leider 
nicht  geachtet  habe. 

Peleus  hat  keinen  lächelnd  geöffneten  Mund,  sondern  Schnurr- 
bart. Er  scheint  vollbärtig  gewesen  zu  sein,  doch  sind  Vorderhals 
und  Kinn  zerstört.  Die  Linke  hält  er  geöffnet  vor  der  Brust,  die 
Fingerspitzen  sind  erhalten. 

Der  Altar  zu  seinen  Füssen  ist  fast  ganz  zerstört.  Insbe- 
sondere ist  von  dem  Kantharos,  der  darauf  steht,  nichts  echt,  als 
das  obere  Drittel  des  Henkels  links  und  ein  Stück  des  Bauches, 
welches  aber  anders  aussieht,  als  auf  dem  Stiche.  Zu  einem  Kan- 
tharos hat  das  Gefäss  also  der  Restaurator,  übrigens  wohl  mit 
Recht,  ergänzt. 

An  Chiron  ist  der  lange  dreieckige  Streif  unter  seinem  Chiton 
nach  abwärts  grösstentheils  Ergänzung.  Nur  ein  schmaler  Strich 
rechts  davon  ist  echt,  der  die  Frage,  ob  der  Kentaur  Menschen- 
oder Pferdevorderbeine  hatte,  schwer  entscheidbar  macht;  doch 
scheint  der  Chiton,  der  den  Oberkörper  bedeckt,  auf  menschliche 
Extremitäten  zu  deuten.  Zu  corrigiren  ist  auch  die  Stelle  um  Hals 
und  r.  Arm.  Der  Oberarm  erhebt  sich  nicht  mit  so  enorm  ange- 
schwollenem Muskel  bis  unter  den  Bart,  sondern  sein  oberer  Contur, 
der  noch  ein  Stückchen  des  saumgeschmückten  Aermels  zeigt,  ver- 
läuft circa  zwei  Millimeter  über  dem  1.  Oberarme  der  Iris.  Dann 
findet  sich  zwischen  ihm  und  dem  Barte  eine  zersplitterte  Stelle 
innerhalb  deren  sich  Reste  erhielten,  deren  Zeichnung  Aehnlichkeit 
mit  einer  geschlossenen  Hand  haben.  Das  kann  auf  Zufall  be- 
ruhen, es  wäre  aber  auch  denkbar,  dass  es  Chirons  1.  Faust  ist, 
die  den  Stab  auf  der  Schulter  festhaltend,  zwischen  Bart  und  r. 
(Oberarm  von  jenseits  sichtbar  wird.  Ferner  bemerkte  ich  über 
Chirons  r.  Hand,  welche  diejenige  des  Peleus  gefasst  hält,  vier  läng- 
liche Punkte,  die  man  für  Fingerspitzen  halten  könnte,  so  dass 
also  die  Freunde  ihre  gestreckten  Hände  gekreuzt  übereinander 
halten  würden. 


51 

Die  grosse  Lücke,  welche  Chirons  und  der  Iris  Beine  zer- 
stört hat,  setzt  sich  in  einem  Bruche  quer  nach  aufwärts  durch  die 
drei  folgenden  Frauengestalten  fort.  Dieser  Bruchstreifen  ist  aus- 
gefüllt und  restaurirt  worden.  Letzterem  Umstände  ist  schuld  zu 
geben,  dass  Demeter  zwei  linke  Hände  zu  haben  scheint.  Eben 
daran  liegt  es,  dass  Hestia's  Gewand  auf  der  Brust  ein  vom 
unteren  Theile  abweichendes  Muster  trägt,  wie  denn  dieses  Muster 
selbst  im  Stiche  ungenau  wiedergegeben  ist.  Der  quadrirte  Stoff 
ist  abwechselnd  mit  Kreuzen  und  geschlungenen  Maschen  ge- 
schmückt. 

So  setzen  sich  auch  die  Längsstreifen  am  Kleide  der  Demeter 
auf  dem  Bruchtheile  fort.  Alle  drei  Figuren  sind  von  einem  Kre- 
demnon  umschlungen,  das  einerseits  Demeter  mit  der  Linken  empor- 
hält, anderseits  Chariklo  um  Schulter  und  r.  Arm  gewickelt  hat. 
Die  Einheit  des  Gewandstückes  beweist  der  beiderseits  gleiche 
Saum,  den  der  Stich  theilweise  ausgelassen  hat. 

An  Dionysos  sind  Bart  und  Haupthaar  deutlich  geschieden. 
Auffallend  ist  die  Spitze  seines  Bartes,  die  wie  geflochten  aussieht. 
An  den  Fingerspitzen  seiner  1.  Hand  (soweit  sie  echt  sind,  es  geht 
ein  Bruch  durch),  sowie  an  der  grossen  Zehe  des  1.  Fusses  sind 
die  Nägel  ausgedrückt. 

Von  den  Hören  hat  diejenige  links  zwei  Locken,  die  mittlere 
eine  zur  Brust  herabhängen.  Bei  jener  setzt  sich  das  Kreuzmuster 
des  Gewandes  über  die  Brust  fort.  Befranste  Gewichtchen  hängen 
an  den  Zipfeln  des  gemeinsamen  Obergewandes. 

Bei  den  Pferden  des  folgenden  ersten  Wagens  sind  einige 
Kleinigkeiten,  wie  Hals-  und  Brustfalten,  das  Maul  des  zweiten 
weissen  Pferdes,  Zügel  u.  s.  w.  nachzutragen.  Das  diesseitige 
Pferd  ist  ein  Hengst,  ferner  hat  es  einen  geflochtenen  Schweif. 

Der  Contur  des  r.  Fusses  der  Kaliope  und  der  des  1.  der 
Urania  ist  erhalten, 

Hera  steht  rechts,  diesseits  von  Zeus.  Ihre  r.  Hand,  deren 
Handwurzel  erhalten  ist,  war  diesseits  ausgestreckt.  Das  dies- 
seitige Pferd  des  folgenden  zweiten  Wagens  ist  wieder  ein  Hengst. 

Bei  der  ersten  Musengruppe  zeigt  die  erste  links  den  Rest 
eines  Halsbandes;  in  der  nächsten  Gruppe  ist  die  Hand  der  Po- 
lymnis  deutlich. 

Auf  dem  vierten  Wagen  (mit  unbekannten  Personen  besetzt 
und  gefolgt)  stehen  deutlich  zwei  Figuren.  Die  diesseitige  seheint 
unter  dem  Mantel,  der  mit  breiten  Säumen  über  die  zügelhaltenden 

4* 


52 

Häude  tiel,  einen  bestickten  Chiton  getragen  zu  haben,  wie  ihn 
sonst  von  den  männlichen  Gottheiten  hier  keine  trägt  (Zeus'  Ge- 
wand ist  allerdings  an  der  Stelle  verletzt).  Von  der  jenseitigen 
Figur  sind  nur  zwei  Längssäume  noch  kenntlich,  beide  sind  in  der 
Höhe  der  Hüften  abgebrochen.  Der  Wagen  ist  vor  den  anderen 
geschmückt  durch  eine  umbänderte  Deichsel  und  feine  Verzierung 
der  Antyx  und  zeichnet  sich  sogar  vor  Zeus'  Wagen  aus.  Diese 
Umstände  scheinen  mir  bestärkend  für  Weizsäckers  Vermuthung 
(a.  a.  O.  S.  45)  zu  sprechen,  dass  Apollon  (mit  Artemis)  Inhaber 
des  Fahrzeuges  war. 

Von  den  drei  jenseits  schreitenden  Begleiterinnen  hat  diejenige 
links  wieder,  wie  oben  Hestia,  einen  doppeltgemusterten  Chiton. 
Diesmal  wechseln  die  Kreuze  mit  je  zwei  concentrischen  Ringel- 
chen. Ebenso  scheint  das  Kleid  der  dritten  rechts  von  diesen 
Figuren  zwischen  den  Querstreifen  mit  eingestickten  Darstellungen 
wenigstens  oberwärts  besetzt. 

Die  Gruppe  des  fünften  Wagens  ist  in  mehrfacher  Hinsicht 
interessant.  Zunächst,  wer  immer  ihre  namenlose  Genossin  auf  dem 
Wagen  sei,  Lenkerin  desselben  ist  jenseits  Athena  selbst.  Ihre 
iesseits  stehende  Begleiterin  hält  mit  der  1.  Hand  das  Kredemnon, 
wie  anderwärts  Hera,  Maia  u.  s.  w.  Athena  aber  zieht  die  Zügel 
gegen  das  Kinn  empor,  die  Pferde  parirend.  Daraus  erklärt  sich 
nun  die  Stellung  des  Wagens  und  manches  Besondere.  Die  Deichsel- 
spitze hebt  sich,  da  die  Pferde  zurück  drücken,  empor,  wodurch 
auch  der  Wagenkasten  seine  horizontale  Stellung  verliert  und  sich 
gegen  vorne  hebt.  Ebenso  weicht  die  Stellung  der  Pferdeköpfe 
von  dem  sonstigen  Schema  ab,  sie  steigen  steil  hintereinander  mit 
vorgedrängtem  Halse  auf,  so  dass  das  llandpferd,  sonst  mit  dem 
Kopfe  das  diesseitige  Beipferd  nach  vorne  überragend,  diesmal  wie 
die  übrigen  hinter  letzterem  erscheint.  Es  ist  freilich  heute  von 
seinem  Vordertheil  nichts  mehr  vorhanden  als  der  Ansatz  des  Halses 
zwischen  dem  ersten  und  dritten  Thiere.  Vielleicht  war  es  weiss; 
vielleicht  ist  aber  auch  nur  die  Verletzung  des  (iefässes  an  dieser 
Stelle  schuld,  dass  von  ihm,  wie  von  dem  Haupte  des  vierten 
Pferdes  nichts  mehr  zu  erblicken  ist.  Im  Ganzen  scheint  iVeilich 
der  Künstler  mit  dieser  Darstellung  ein  Experiment  gewagt  zu 
haben,  dem  er  nicht  gewachsen  war:  die  Pferdebeine  sind  gerade 
hier,  auch  abgesehen  von  den  mangelhaft  restaurirten  Hinteibeinen, 
mehr  in  Unordnung  als  anderwärts. 


53 

Nereus  hält  die  r.  Hand  geöffnet,  die  P^läche  nach  oben,  vor 
die  Brust,  so  dass  die  Hand  in  Profilstellung  erscheint.  Die  Zehen 
seines  1.   Fusses  sind  ausgedrückt. 

Das  Kreuzmuster  von  Doris'  Chiton  setzt  sich  nach  unten 
zwischen  den  Pferdebeinen  fort. 

Die  Pferde  des  folgenden  Wagens  zeigen  wieder  vielfache 
Innenzeichnung,  die  auf  dem  Stiche  theilweise  fehlt. 

Moiren.  Bei  der  Figur  rechts  läuft  natürlich  der  untere  Saum 
des  Gewandes  rings  um  dasselbe  her.  Ihre  r.  Hand  ist  sichtbar; 
ebenso,  wenigstens  andeutungsweise,  diejenige  der  folgenden  Figur. 
Die  sich  dieser  anschliessende  Frauengestalt  trägt  den  Gürtel  sicht- 
bar, gleich  den  übrigen.  Diejenige  links  hat  zwei  Locken  zur 
Brust  niederhängen. 

Hephaistos  ist  arg  zerstört,  Einiges  lässt  sich  aber  noch  fest- 
stellen. Zunächst  ist  ein  alter  Irrthum  zu  berichtigen.  Die  Figur 
soll  in  ihrer  Linken  Zügel,  Zange,  vielleicht  Blasebalg,  vielleicht 
Blechscheere  halten.  Sie  hält  aber  von  alledem  nichts,  sondern 
hat  die  geschlossene  1.  Faust  kreuzweise  über  dem  Handgelenke 
der  Rechten,  welche  den  einfachen  Zügel  derart  fasst,  dass  er  unter 
ihrem  Daumen  durch  die  Hand  doppelt  geht  und  dass  links  von 
der  Faust  die  dadurch  entstehende  Schlinge,  rechts  das  einfache 
Zügelende  hervorhängt.  Rechts  von  der  geschlossenen  1.  Hand 
kommt  allerdings  noch  der  Knopf  eines  Gegenstandes  hervor,  der 
sich  dann  nach  links  oben  stangenartig  fortsetzt  und  kaum  etwas 
anderes  sein  dürfte,  als  der  Stab  der  Geissei,  wie  ihn  Hephaistos 
auch  auf  der  anderen  Seite  der  Vase,  bei  der  Rückkehr  in  den 
Olymp,  in  der  Linken  hält.  Was  die  Kopfwendung  der  Figur  be- 
trifft, so  ist  keineswegs  ausgemacht,  dass  das  Gesicht  nach  dem 
Vorgänger  gerichtet  war,  wie  angenommen  worden  ist.  Vom  Haupte 
sind  allerdings  nur  Splitter  vorhanden,  aber  Milani  sieht  in  diesen 
Resten,  gewiss  mit  Recht,  das  Haar  über  der  r.  Schläfe,  das  r. 
Auge  und  etwas  vom  Barte  des  in  Vordersicht  gezeichneten  Kopfes. 

4.  Troilos'  Verfolgung. 
Das  Quellhaus  ist  besser  erhalten,  als  das  Thetideion.  Zwar 
musste  es  ebenfalls  aus  vier  Stücken  zusammengesetzt  werden, 
doch  war  dabei  keine  erhebliche  Lücke  auszufüllen :  nur  der  wasser- 
speiende Kopf  links,  ein  Drittel  der  nebenstehenden  Säule  und  die 
r.  obere  Ecke  des  Gebäudes  waren  zu  ergänzen.  Die  Triglyphcn 
sind  auch  hier  wieder  nur  mit  blasser  Farbe   aufgemalt   und  zwar 


54 

in  der  dritten  und  vierten  Triglyphe  je  drei,  anderwärts  nur  zwei 
Höhlungen;  die  übrigen  sind  ganz  verwischt.  Von  der  Tropfen- 
regula konnte  ich  hier  nichts  bemerken.  Die  mittlere  Säule  ist  vor 
den  anderen  durch  ein  reicheres  Kapitell  ausgezeichnet.  Auffallend 
ist,  dass  die  unter  dem  rechten  Wasserspeier  stehende  Vase  keinerlei 
Henkel  zeigt.  Die  in  das  Bauwerk  hineinragende  oblonge  Erhöhung, 
auf  welcher  Rhodia  steht,  hat  in  ihrer  oberen  Begrenzung  einen 
(im  neuen  Vorlegeblatt  leider  übergangenen),  doppelten  Contur,  der 
gewiss  nicht  ohne  Bedeutung  ist.  Den  oberen  Ablauf  einer  Basis 
kann  er  nicht  andeuten,  da  er  rechts  und  links  über  die  verticale 
Seitenlinie  nicht  vorsteht.  Denkbar  wäre,  dass  eine  aufliegende 
Platte  oder  ein  verschliessender  Deckel  gemeint  sei,  etwa  von  einem 
Troge  zur  Tränkung  von  Thieren.  Rhodia,  der  gewiss  das  zweite 
Gefäss  gehört,  scheint  hinaufgestiegen  zu  sein,  um  besser  sehen  zu 
können.  Sie  hat  zwei  Locken  niederhängen  und,  wie  es  scheint, 
auf  der  Brust  die  Verbindungsschnur  zweier  Fibeln. 

Der  Stab,  welcher  jenseits  der  Athena  sichtbar  wird  (die  gra- 
virten  Linien  sind  in  die  Figur  selbst  hineingerathen) ,  gehört  ihr 
wohl  nicht  zu,  wie  Weizsäcker  und  Klein  meinen,  sondern  ist  das 
Ende  vom  Speere  des  vor  ihr  laufenden  Achilleus.  Athena  hat  das 
Haar  rückwärts  aufgebunden. 

Von  der  Figur  des  Achilleus  ist  das  Glied  zum  Vorschein 
gekommen.  Achilleus'  Ausrüstung  wird  hiernach  derjenigen  des 
Ares  in  Hephaistos'  Rückkehr  in  den  Olymp  entsprochen  haben. 
An  seinem  r.  Fusse  sind  Zehen  ausgedrückt. 

An  der  Troilosfigur  ist  noch  weniger  erhalten ,  als  nach  dem 
Stich  zu  vermuthen  wäre.  Ein  breiter  Sprung  läuft  quer  durch  die 
Mitte  des' Reiters,  seinen  Unterleib  und  Oberschenkel,  den  1.  Arm 
sammt  Hand  und  die  r.  Hand,  an  den  Pferden  die  Leiber  rück- 
wärts vom  Reiter,  den  grössten  Theil  der  Mähnen  und  die  Schnauzen 
der  Thiere  zerstörend.  Was  der  Stich  hiervon  bietet,  ist  Restau- 
ration. Dagegen  ist  auf  dem  Stich  ein  echtes  Stück  übersehen, 
nemlich  des  Troilos  1.  Fuss ,  der  neben  dem  rechten  von  jenseits 
sichtbar  wird.     Der  r.  Fuss  zeigt  Zehen. 

Derselbe  Bruch  hat  auch  die  obere  Hälfte  des  Bauches  der 
Hydria  getrofifen;  daher  wohl  der  vertikale  Henkel  an  ihr  fehlt. 

Priamos  stützt  sich  auf  einen  am  oberen  Ende  beringten  Stab. 
Das  Saummuster  seines  Mantels  setzt  sich  unter  der  1.  Hand  fort 
und  ist  mit  einem  Gewichtchen  beschwert. 


55 

Die  Stadtmauer  ist  durch  einen  Bruch  verletzt,  der  ihre  rechte 
obere  Ecke  wegnahm  und  die  Zinnen  auch  sonst  beschädigte.  Ganz 
oder  theilweise  unberührt  blieben  die  vier  Zinnen  links^  denen  zwei 
weitere  rechts  hinzuergänzt  sind;  auch  der  von  links  dritte  und 
vierte  Steinhaufen  ist  theilweise,  der  fünfte  ganz  ergänzt.  Der 
Stich  variirt  willkürlich  die  Höhe  und  Form  der  einzelnen  Steine. 
Man  erkennt  jetzt,  dass  mit  Sorgfalt  ein  genau  aufgeschichteter 
Quaderbau  dargestellt  ist.  Regelwidrig  ist  nur,  dass  das  rechte 
Ende   des  Thürsturzes   mit   einer   oberen    Stossfuge  zusammenfällt. 

Dass  Hektor  auf  seinem  Schilde  ein  bärtiges  Gorgoneion  trug, 
hat  Brunn  gesehen.  Ich  gewahrte  von  demselben  ausser  dem  um- 
rahmenden Haupt-  und  Barthaar  auch  noch  die  r.  Augenbraue  und 
den  Umriss  des  darunter  sitzenden  weitgeöffneten  Auges,  sowie 
einige  andere  Linien,  in  welchen  ich  den  r.  Nasenflügel  und  die 
Hälfte  des  offenen  Mundes  erkennen  möchte. 

5.  Theseus-Ariadne. 
Gerhard,  sowie  Weizsäcker  und  neuestens  auch  Klein  lassen 
das  Schiff  mit  dem  Vordertheile  gelandet  sein,  während  es  doch 
augenscheinlich  das  Hintertheil  ist,  das  hier,  nach  rechts  gekehrt, 
in  zwei  Schwanenhäuptern  endet,  worauf  schon  die  beiden  Steuer- 
ruder leiten  konnten.  Auch  hat  weder  Klein  Recht,  wenn  er  den 
anderen  Theil  des  Schiffes  verloren  nennt,  noch  Weizsäcker,  wenn 
er,  in  gleicher  Meinung,  die  isolirten  Reste  einer  Darstellun  g  link 
am  Ende  für  „Felsen"  nimmt,  „die  eine  Bucht  einschliessen". 
Diese  „undeutlichen  Linien"  sind  vielmehr  der  Schnabel  des  Schiffes, 
der  in  Folge  einer  rechts  vorhandenen  Lücke  im  Gefässe  den  Zu- 
sammenhang mit  dem  übrigen  Schiffskörper  verloren  hat.  Das 
Fahrzeug  ist  ein  Kriegsschiff  und  stimmt  in  allem  Wesentlichen 
mit  dem  Typus  überein,  der  auf  schwarzfigurigen  Vasen  vorzu- 
kommen pjflegt.  Es  ist  eine  Monere  mit  beiderseitigem  Steuer,  am 
Vordertheile  mit  stumpfem  Sporn,  dem  das  seitliche  Auge  nicht 
fehlt,  überragt  vom  Vorderkastell,  das  ein  gerade  aufragendes  Hörn 
als  Akrostolion  trägt.  Auch  ein  Mastbaum  fehlte  nicht.  Aufge- 
richtet konnte  er  freilich  nicht  gewesen  sein ,  schon  der  Künstler- 
inschrift wegen  nicht,  die  über  der  Schiffsmitte  herläuft.  Aber  ich 
gewahre  ihn,  wie  es  ja  der  Situation  eines  gelandeten  Fahrzeuges 
entspricht,  niedergelegt  in  der  erhaltenen  r.  Schiffshälfte,  die  Spitze 
dem  Hintertheile  zugeneigt.  Ob  der  Gegenstand,  der  sich  der 
Mastspitze  oben  anschliesst,   als  ein  gerolltes  Segel,  ein  Mastkorb 


56 

oder  dergl.  zu  denken  sei,  weiss  ich  nicht  zu  entscheiden,  linde 
auch  keine  analoge  Darstellung,  die  darüber  Aufschluss  gewähren 
könnte. 

Der  diesseits  des  Schiffes  schwimmende  Mann  (kein  Greis) 
hat  sichtbare  Genitalien,  wie  auch  einige  von  der  Schiffsmannschaft, 
während  bei  den  Gelandeten  überall  das  Geschlecht  verhüllt  ist. 
Die  Rechte  des  Schwimmers  fasst  mit  untergesetztem  Daumen  nach 
dem  Ufer. 

Hippodameia  hat  die  Hand  ihres  Vorgängers  Daidochos  aller- 
dings gefasst,  ihr  1.  Arm  ist  auf  dem  Stiche  nur  vergessen :  damit 
fällt  Brauns  phantastische  Conjectur  (Annali  dell'  instituto  XX  p.  359) 
über  den  Grund  des  Nichtanfassens.  Der  obere  Rand  ihres  Ohres 
ist  erhalten.  An  ihrer  Brust  sitzt  eine  Fibel.  Um  den  Kopf  zieht 
sich  ein  breites  Haarband. 

Menestho  hat  Ohrgehänge  und  Halsband. 

Ebenso  trägt  [Eu]rysthenes  ein  Halsband. 

Bei  Heuchsistrat[os]  ist  ein  Stück  des  hinter  dem  r.  Arm 
niederfallenden  Gewandsaumes  erhalten. 

Damasisrate  hat  vollständiges  Ohr  und  Gehänge  daran,  auch 
Spuren  der  Füsse  erhalten. 

Bei  Antiochos  sind  die  jenseitigen  Mantelsäume  erhalten. 

Hermipo[s]  hat  Brustcontur. 

Lysidike  trägt  eine  Locke  diesseits  des  Ohres. 

..okritos  hat  Brust-  und  Bauchzeichnung. 

Eriboia,  rückseitiger  Gewandsaum  und  Contur  der  Füsse  vor- 
handen. Ihre  und  ihres  Vorgängers  Hand  liegen  nicht  übereinander, 
sondern  ineinander. 

Trophos  hat  1.  Achselklappe  und  weiblichen  r.  Ellenbogen 
(Weizsäcker  a.  a.  O.  S.  379). 

Der  Gegenstand,  welchen  Ariadne  auf  der  Fläche  der  r.  Hand 
dem  Theseus  ausser  der  Binde  darbietet,  kann  kaum  eine  Blume 
sein.  Der  Stecher  hat  die  Hand  falsch  verstanden:  auf  der  Fläche 
bietet  man  keine  Blume  an,  höchstens  eine  Frucht,  etwa  einen 
Apfel.  Uebrigens  stehen  Theseus,  Throphos  und  Ariadne  nicht  auf 
erhöhtem  Terrain. 

6.  Kentaurenkampf. 
Theseus'  Gegner  1.  am  Ende   schwingt,    wie    schon    erwähnt, 
einen  grossen  Stein    derart,    dass    er    ihn   mit   der  im  Nacken  ge- 
stützten Linken  aufstemmt,    während  die  nach  hinten  ausgreifende 


57 

Rechte  ihn  zu  schleudern  im  Begriffe  ist.  Auffallend  ist  sein  be- 
sonders struppiger  Pferdeschweif. 

Von  Theseus  ist  ausser  dem  Schilde  nur  ein  vielfach  zer- 
splitterter Rest  des  einen  vorgesetzten  Oberschenkels  erkennbar, 
überschnitten  von  dem  Pferdeschweife  des  rechts  sprengenden  Ken- 
tauren. 

Des  Antimachos  Kopf  ist  ganz  erhalten,  nemlich  ausser  dem 
Helme:  Auge,  Nase,  Schnurrbart  und  Spitzbart  am  Kinne.  Der 
zu  seinen  Füssen  liegende  dritte  Kentaur  hat  den  bis  zum  Hals- 
ansatze  erhaltenen  menschlichen  Oberkörper  dem  Reschauer  in 
Vordersicht  zugekehrt;  derselbe  ist  nicht  so  engbrüstig,  wie  auf 
dem  Stich,  auch  die  auf  den  Boden  gestemmte  r.  Faust  ist  besser 
gezeichnet. 

Hylaios  hat  einen  etwas  minder  ..umfangreichen"  Kopf,  als 
ihm  der  Stich  durch  Weglassen  des  Halses  zugebildet,  sein  Haupt- 
haar ist  aber  noch  struppiger  als  da,  und  sein  Gesichtsausdruck 
wilder:  er  sprengt  schreiend  auf  Kaineus  ein.  Von  seinem  Pferde- 
körper wird  noch  der  r.  Vorderhuf  diesseits  von  Kaineus'  erhobe- 
nem r.  Oberarme  sichtbar. 

Hasbolos'  Pferdehinterfüsse  stehen  nicht  so  überzwerch ,  wie 
sie  der  Stich  zeigt. 

An  Petraios'  Fingern  der  I.  Hand  sind  die  Nägel  ausgedrückt. 

Des  Hoplon  Kopf  ist  ganz  unrichtig.  Der  Helm  trägt  im 
Augenwinkel  eine  feine  kreuzförmige  Verzierung,  ein  langes  Ende 
des  Helmbusches  fällt  längs  der  r.  Schulter  herab.  An  seinem  Ge- 
sichte ist  die  Nase  zerstört,  das  Kinn  aber  zeigt  einen  Spitzbart, 
wie  bei  allen  anderen  Lapithen.  Der  grosse  Griff  seines  wuch- 
tigen Schwertes  reicht  bis  an  die  1.  Achselhöhle.  Der  r.  Ellenbogen 
ist  männlich.  Warum  Weizsäcker  in  dem  kurzen  besäumten  Chiton, 
den  er  trägt,  einen  XivoOihpaH  sehen  will^  ist  mir  nicht  klar. 

Bei  ]\Ielan[chaites]  sind  Hals  und  1.  Schultercontur;,  sowie  die 
Fingernägel  der  r.  Hand  nachzutragen.  Seines  Gegners  allein  noch 
sichtbares  Haupt  ist  wieder  spitz-  und  schnurrbärtig.  Sein  ehemals 
weisser  Helmbusch  ist  fast  ganz  unsichtbar  geworden. 

Ueber  des  hingestreckten  Pyros'  Kopfhaltung  gestehe  ich, 
auch  vor  dem  Originale  nicht  klar  geworden  zu  sein.  Das  Haupt 
scheint  in  Vordersicht  auf  dem  1.  Arme  zu  ruhen,  die  geballte  J. 
Faust  ist  über  die  Schläfe  gelegt.  Darunter  glaube  ich  das  ge- 
schlossene 1.  Auge  zu  erkennen. 


58 

Der  letzte  Lapithc  Diy[as]  ist  wieder  spitzbärtig.  Der  ver- 
längerte untere  Rand  seines  Schildes  überschneidet  des  Oro[sbJios 
r.  Unterarm. 

Erwähnenswerth  ist  noch,  dass  an  keinem  der  Kentauren 
Geschlechtstheile  angedeutet  sind. 

7.  Hephaistos  im  Olymp. 

Ares  trägt  über  dem  nackten  Körper,  den  kein  Chiton  deckt 
(das  Glied  ist  sichtbar),  einen  vom  Halse  bis  zur  Hüfte  reichenden 
glatten  Panzer,  der  dem  Leibe  dicht  anliegt  und  nur  hinten,  über 
dem  Kreuzbein,  eine  Ausbuchtung  zeigt.  An  dieser  Stelle,  wie  um 
die  Armlöcher  und  die  Halsöffnung  hat  er  vermuthlich  gerundete 
Ränder  oder  Polster  und  Futter,  um  den  Körper  vor  Verletzung 
durch  die  Kanten  des  Metalls  zu  schützen.  Ein  Band  dicht  über 
dem  unteren  Abschlüsse  hält  die  beiden  Platten  des  Panzers  zu- 
sammen, das  Wehrgehenk  zieht  sich  von  da  zur  1.  Schulter  empor. 
Der  ebenfalls  beränderte  Helm  hat  einen  Nackenschirm.  Der  Helm- 
kamm ist  an  der  Stelle,  wo  er  hinten  das  Sciiädelblech  wieder 
berührt,  parabolisch  ausgeschnitten.  Von  der  Maske,  welche,  wie 
Brunn  erkannte,  den  Schild  in  hohem  Relief  zierte,  sind  Stirnhcaare 
und  Bartansatz  noch  vorhanden. 

Aphrodite's  Chiton  zeigt  an  Stelle  des  Ornamentes,  wie  es  der 
Stich  bringt,  einen  Gürtel  und  als  Abschluss  unter  dem  Halse 
einen  breiten  Saum  mit  gleichem  Muster  wie  am  unteren  Gewand- 
rande. 

Hera's  Thron  ist  dunkel  im  Gegensatze  zu  dem  weissen  von 
Zeus. 

Am  Maulthier  ist  das  Nasenloch  vergessen,  die  Brustzeichnung 
falsch,  die  merkwürdige  Zügelvorrichtung  flüchtig  u.  s.  w. 

An  Hephaistos  sind  beide  Hände  durch  Restauration  theilweise 
verdorben.  Auffallend  ist  ein  nach  abwärts  gerichteter  Zapfen,  der 
rechts  von  seinem  1.  Fusse  unter  dem  Maulthierbauche  sichtbar 
wird.  Sollte  damit  des  Reiters  jenseitiger  r.  Fuss  gemeint  sein  und 
seine  Stellung  sein  Hinken  andeuten?  Ich  bemerke,  dass  dieser 
Fleck  nicht  von  gravirter  Linie  umzogen  ist. 

Von  den  beiden  folgenden  Silenen  ist  derjenige  rechts,  welcher 
die  Flöte  bläst,  auf  dem  Stiche  ganz  verfehlt.  Weizsäcker  hat  Un- 
recht^ die  Darstellung  mit  nur  je  einem  Arme  und  Beine  „aus  der 
Profilstellung  leicht  erklärlich"  zu  finden.  Eine  derartige  Profil- 
ötellung,    wo  ein  Körperglied  genau  das  andere  deckt,  kommt  auf 


59 

der  Vase  nirgend  vor,  selbst  die  beiden  ornamental  verwendeten 
Stierfiguren  in  den  Thierstreifen  zeigen  deutlich  zwei  Hörner.  Hier 
liegt  nur  Nachlässigkeit  des  modernen  Copisten  vor.  Zunächst  ist 
von  den  Beinen  des  Silen  nur  eines  (aber  auch  nur  theilweise  als 
echt)  ganz  erhalten,  und  zwar  das  rechte,  nicht  das  linke;  der 
Ansatz  vom  Oberschenkel  des  linken  ist  aber  auch  vorhanden. 
Ferner  hat  der  Silen  zwei  Arme,  in  deren  Händen  er  je  eine  Flöte 
hält.  Die  1.  Hand  hat  nicht  drei,  sondern  vier  sichtbare  Finger, 
der  Daumen  ist  untergesetzt  zu  denken.  Neben  dem  linken  kommt 
dann  auch  der  r.  Unterarm  zum  Vorschein.  Von  seiner  r.  Hand, 
die  am  Gelenke  ein  Ring  schmückt,  erscheinen  Daumen  und  Zeige- 
finger. Nachzutragen  ist  ferner  die  zur  Doppelflöte  gehörige  Mund- 
binde und  im  übrigen  mehrere  Innenzeichnungen  des  Körpers. 

Nicht  minder  unrichtig  ist  im  Stiche  die  Wiedergabe  der 
nächsten  Gruppe  von  Silen  und  Nymphe:  der  Silen  hat  den  r.  Arm 
um  ihre  r.  Schulter  geschlagen  und  hält  mit  der  Rechten,  da  sie 
ihn  mit  dem  1.  Ellenbogen  wegzudrängen  sucht,  ihre  Linke  am 
Handgelenk  fest.  An  ihrem  Chiton  läuft  ein  breiter  Saum  über  die 
Mitte  der  Brust  herauf,  die  eine  Fibel  schmückt.  Ein  gleicher 
Saum  schliesst  den  Chiton  um  den  Hals.  Auch  von  ihrem  herab- 
hängenden r.  Oberarme  ist  noch  ein  Drittel  etwa  erhalten,  über- 
schnitten vom  Pferdeschwanze  des  links  anschliessenden  Silens. 

Bei  der  beckenschlagenden  Nymphe  rechts  am  Ende  muss  ich 
bemerken,  dass  ich  die  Fibel  ihres  Gewandes  an  der  absonder- 
lichen Stelle,  welche  sie  bei  Studniczka  (a.  a.  0.  S.  98,  daher  über- 
nommen bei  Heibig  a.  a.  0.  S.  203)  nach  Milani's  Angabe  ein- 
nimmt, nicht  vorfand.  Sie  sitzt  vielmehr,  durch  eine  Schnur  ver- 
muthlich  mit  einer  correspondirenden  auf  der  Gegenseite  verbunden, 
schräg  nach  aufwärts  innerhalb  des  Längssaumes  der  Brust,  wie 
anderwärts  öfter. 

Bezüglich  der  Pygmaien  und  Thierdarstellungen ,  sowie  der 
Henkelfiguren  fanden  wir  nichts  Wesentliches  zu  verbessern.  Man 
wird  allerdings  auch  in  diesen  Darstellungen  jetzt  Manches  deut- 
licher und  genauer  wiedergegeben  finden  und  dürfte  auch  hier  nicht 
mehr  in  die  Lage  gerathen ,  Versehen  und  Nachlässigkeiten  des 
Restaurators  dem  Künstler  zuzuschreiben. 

Wien,  Juli  1888  WOLFGANG  REICHEL 


60 

Zur  Daidalidenfrage 

(Nachtrag  zu  Bd.  XI  S.  204) 

Gegenüber  dem  von  Urlichs  „Beiträge  zur  Kunstgeschiclite" 
S.  4  erhobenen  Vorwurfe,  es  sei  bei  meiner  Deutung  der  Pausanias- 
stelle  V  25,  13  „eine  grammatische  Regel  übersehen",  erlaube  ich 
mir  z.  B.  auf  Isaios  or.  VIII  §.  20  hinzuweisen  ,  vvo  ebenfalls  zwei 
nicht  identische,  sondern  begrifflich  verschiedene  Ausdrücke,  zwi- 
schen denen  jedoch  eine  innere  Verwandtschaft  besteht,  durch  eine 
Copulativpartikel  in  positiver  Weise  verbunden  sind,  obwohl  die 
betreffenden  Satzglieder  von  einem  negativen  Ausdrucke  abhängen. 
Nachdem  dort  im  §.  18  ausdrücklich  dargelegt  worden  ist,  dass 
unter  ^(ä}JLO\Jc,  ecJTiäv  und  YCtM^^icv  eicrcpe'peiv  zweierlei  verschie- 
dene Akte  gemeint  sind,  heisst  es  im  §.  20  nach  negativem  regie- 
rendem Satze  (,uf]  oiecrGe):  |ur|T'  av  töv  Trarepa  ^nwv  yäixovc,  iaimv 
Ktti  ■faMn^^ia'^  eicreveTKeiv  . . .  ^rlTe  xa^  . .  .  ■'{vva.xKac,  aipeiffGm  . . .  ^r|Te 
roix;  oppdiepaq  ei(Tbexe(J6ai  fmäq. 

Es  hätten  die  vier  Aussagen: 

1.  dass  der  Vater  den  Verwandten  kein  Hochzeitsmahl  ge- 
geben haben  würde; 

2.  dass  er  den  Phratoren  keinen  Schmaus  gegeben  haben 
würde ; 

3.  dass  die  Frauen  die  betreffende  Tochter  des  Kiron  nicht 
bei  den  Thesraophorien  ausgezeichnet  haben  würden; 

4.  dass  die  Phratoren  die  Kinder  der  Tochter  des  Kiron 
nicht  in  die  Phratrie  aufgenommen  haben  würden  (wenn 
sie  nämlich  die  Tochter  des  Kiron  nicht  für  seine  leib- 
liche und  eheliche  Tochter  gehalten  hätten), 

allerdings  in  ganz  gleicher  Weise  durch  MH^e  eingefülirt  werden 
können;  aber,  da  zwischen  den  zwei  vom  Gatten  zu  veranstalten- 
den Mahlzeiten  eine  engere  begriffliche  Verbindung  besteht,  als 
zwischen  diesen  zwei  Gliedern  und  den  zwei  folgenden,  darum  sind 
die  zwei  ersten  mit  Km  verbunden,  die  anderen  so  wie  das  erste 
mit  jLiriTe  eingeleitet.  Zu  bemerken  ist  hiezu.  dass  statt  dieses  ein- 
fachen Km  ebensogut  re  Kai  zur  Verl)indung  beider  Akte  des  Vaters 
hätte  gewählt  werden  können,  wenn  es  dem  Sprecher  beliebt  hätte, 
diese  Verbindung  als  eine  noch  engere  und  innerlichere  zu  be- 
zeichnen. 


61 

So  wenig  aber  als  hier  TajLiou<;  ecTTiäv  und  TctiariXiav  eiaeveTKeiv 
darum  identisch  sein  müssen,  weil  sie  nach  „vorhergehender 
Negation"  durch  küi  verbunden  sind,  so  wenig  ist  auch  die  Iden- 
tität derer  dTTÖ  AaibdXou  und  derer  otTTO  toO  epYacJTripiou  toO  'Atti- 
Koö  einfach  durch  das  xe  Kai  in  der  Pausaniasstelle  zu  erweisen. 
Es  wird  demnach  entweder  die  von  mir  „übersehene  Regel"  philo- 
logischerseits  schärfer  zu  fassen  sein,  als  dies  bei  Urlichs  a. 
a.  O.  der  Fall  ist,  oder  man  wird  die  obige  Isaiosstelle  als  Analo- 
gen zur  Pausaniasstelle  in  dem  von  mir  beanspruchten  Sinne  gelten 
lassen  müssen.  Denn  darin ,  dass  man  bei  Pausanias  re  Kai  liest, 
während  Isaios  sich  mit  dem  einfachen  Kai  begnügte,  werden  wohl 
auch  die  Gegner  meiner  Ansicht  über  die  Daidaliden  keine  wesent- 
liche Beeinträchtigung  der  grammatischen  Analogie  der  angezogenen 
Stelleu  erblicken  wollen. 

Prag  WILH.  KLEIN 

(Nach  gütiger  Mittheilung 
eines  Freundes) 


Die  älteste  attische  8taatsurkiiiide 


Die  Behandlung  dieser  wichtigen  Urkunde,  um  deren  Resti- 
tution ich  mich  nach  Köhler's,  KirchhofF's  und  Foucart's*)  Vorgang 
und  unter  reichlicher  Benützung  der  Vorschläge  dieser  Gelehrten 
kürzlich  bemüht  habe  (Athen.  Mittheil.  1888  S.  137  ff.),  ist  seither 
in  ein  neues  Stadium  getreten.  Lolling  hat  nämlich  die  Zugehörig- 
keit eines  kleinen  ,  aus  neun  auf  die  vier  ersten  Zeilen  vertheilten 
Buchstaben  bestehenden  Bruchstückes  zu  jener  Inschrift  ebenso 
sicher  als  scharfsinnig  erkannt,  'ApxaioXoYiKOV  beXiiov,  Juni  1888, 
S.  17 — 18.  Durch  diese  Entdeckung  ist  die  Forschung  jedenfalls 
in  eine  einigermassen  sicherere  Bahn  gewiesen  und  es  ist,  da  die 
Länge  der  Zeilen  sich  als  eine  grössere  erweist,  als  man  vorher 
anzunehmen  geneigt  war,  möglich  geworden,  für  die  Gedanken, 
welche  man  als  Inhalt  der  Inschrift  vermuthen  konnte,  mehrfach 
einen  volleren  und  deutlicheren  Ausdruck  zu  gewinnen. 

*)  Köhler,  Athen.  Mitth.  IX  (1884)  S.  117;  Kirchhoff,  C.  I.  A.  IV  (1887) 
p.  57,  la;  Foucart,  Bull,  de  con'.  hellen,  XII  (1888)  p.  1. 


62 

Ich  möchte  nunmehr  die  nachfolgende  Schreibung  der  Urkunde 
als  die  wahrscheinlichste  empfehlen; 

*'Eboxcrev  toi  be'iaoi'  t[6?  Za]Xa)u[Tva  xXepoi  Xaxövraq 
oiKev  e<a)(^)  Ia\a)uivi[ai,  )Lie]X(\)ev  [be  xcTuv  toi?  'Aöevaioi- 
cTi  Te[X]ev  Kai  crTpaT[eu(e)cr0jai  •  t[öv  be  XaxövTa  KXepov  )a- 
e  |ai[a6]öv.  ea()a)  |ae  oiK[ei  Ho  Ye]o[^öpo<;  auTÖGi,  töv  KXepo- 

V  be  )ii(T9oT>  dTT0Ti[vev  Kai  tov  juiö9ö)aevov  Kai  töv  )u- 
icrÖovTa  HeKaTe[po  HoXoKXepa  Td  biHojuoXoYe|ueva 

Ic,  b[e]|uö(Tio[v,  eaTrpdT(T)ev  bi  töv  aiei  d- 
pXo[v]Ta.  edv  [be  |ue  T^opTei,  Td  TrpößaT- 
a  b'  e[KT]ÖTTia  'n-[orei,  dTtoTivev  auTÖv:  t- 
10    pid[K]ovTa:  bp[axMd(;  'AT(T)iKd(;,  ecrTTpdT(T)e- 

V  be  TÖV  dpxov[Ta  aiei  Kai  KaTaßdX(X)- 
ev:  [i-n]\  ilq  ß[oXe<;*). 

Für  die  Richtigkeit  der  Lolling'schen  Annahme ,  dass  die 
sechs  ersten  (JTOixn^öv  geschriebenen  Zeilen  je  40  Buchstaben  ent- 
hielten, spricht  vornehmlich  Z.  2.  Denn  nach  lEA^,  wo  /^  an  22. 
Stelle  erscheint,  bleibt  uns  kaum  eine  andere  Wahl,  als  die  zwischen 
be  xc^'^v  ToT<;  'A9evaioi(Ji  und  derselben  Phrase  mit  Hinweglassung 
des  Artikels.  In  letzterem  Falle  würde  aber  die  Buchstabenzahl  der 
Zeile  auf  36  herabsinken,  wodurch  eine  angemessene  Ergänzung 
der  ersten  Zeile  wohl  sicherlich  unmöglich  würde.  Absehen  darf 
man  von  der  Annahme,  dass  die  Form  des  Artikels  nicht  TOiq, 
sondern  ToicTi  oder  toTcjiv  gelautet  hätte.  Scheint  sich  doch  in  alt- 
attischen Inschriften  trotz  all  des  Schwankens  dieser  Formen,  wie 
C.  I.  A.  I  16  uns  dasselbe  vor  Augen  atellt,  kein  Fall  vorzufinden, 
wo  ToTcri  oder  TOicTiv  vor  vocalischem  Anlaut  stünde. 

Zu  dem  Satze  jueX(X)ev  bk  —  (JTpaTeuecrGai  vergleiche  man  die 
C.  I.  A.  II  176  und  222  (auf  deren  erste  Köhler  hingewiesen  hat) 
erhaltenen  Formeln.  Der  Gedanke  würde  meines  Erachtens  in 
anderer  als  lapidarer  Fassung  etwa  also   lauten:   Der  salaminische 


*)  Es  Hegt  mir  ein  trefflicher  Papierabklatsch  der  Inschrift  vor  Augen,  dessen 
Benützung  ich  der  Güte  Dr.  Szanto's  verdanke.  Derselbe  versichert,  die  Ein- 
fügung des  neuen,  von  Lolling  beigebrachten  Bruchstückes  in  den  betreffenden 
Stellen  der  ersten  vier  Zeilen  auch  seinerseits  vollkommen  richtig  befunden  zu  haben. 
Ich  habe  auf  die  Wiedergabe  von  Buchstabenresten  verzichtet  und  nur  jene  Buch- 
Htabcn  ausser  Klammer  gesetzt,  welche  entweder  vollständig  erhalten,  oder  durch 
unzweideutige  Ueberreste  erkennbar  sind.  In  einem  Nebenpunkte,  der  Form  des 
E,  welche  nicht  die  geschwänzte  ist,  wird  Köhler's  Facsimile  durch  den  Abklatsch 
berichtigt. 


63 

Kleruch  hat  daselbst  ständig  zu  wohnen,  wird  aber  nichtsdesto- 
weniger an  den  bürgerlichen  and  militärischen  Leistungen  der 
Athener  als  ein  solcher  theilnehmen.  Der  ständige  Aufenthalt  auf 
Salamis  ist  seine  Pflicht,  die  Theilnahme  an  den  Leistungen  athe- 
nischer Bürger  sein  Recht.  Wird  doch  die  letztere  auch  in  den 
oben  angeführten  Ehrendecreten  den  daselbst  Geehrten  als  ein  Vor- 
recht zugesprochen.  Diese  Auffassung  beseitigt,  wie  ich  meine, 
das  Bedenken,  welches  man  sonst  gegen  mein  Supplement  |ue\Xeiv 
erheben  könnte,  wenn  man  demselben  Imperativische  Bedeutung 
beilegen  müsste.  Dass  es  eine  andere  annehmbare  Ergänzung  der 
Lücke  vor  lEA'  gebe,  möchte  ich  bezweifeln;  Lolling's  öXriv,  auf 
ZaXaiaiva  der  1.  Zeile  bezogen,  vermag  ich  mir  nicht  anzueignen, 
während  ich  seine  Ergänzung  der  L  Zeile  für  zweifellos  richtig 
halte.  Zur  Ergänzung  TaXaiuiviai  statt  ZaXaiuivi,  ohne  welche  die 
Lücke  vor  |ueX(X)ev  nicht  genügend  ausgefüllt  wäre,  vgl.  Herod. 
VIII  94. 

Z.  4  darf  man  aus  der  Schreibung  EAME  nur  folgern,  dass 
unsere  Inschrift  die  Gemination  der  Consonanten  im  Wortinnern 
nicht  kennt,  eine  Regel,  welche  für  die  Epigraphik  des  6.  Jahrhun- 
derts ohnehin  feststand  (vgl.  Meisterhans,  Grammatik  der  attischen 
Inschriften  '^  S.  71 — 72),  Weitergehende;,  auf  die  Angleichung  des 
Auslauts  an  den  labialen  Anlaut  und  auf  Unterbleiben  der  Gemination 
auch  in  der  Ligatur  bezügliche  Schlüsse  aus  diesem  Vorkommniss 
zu  ziehen,  hindert  mich  die  nachfolgende  Erwägung.  In  der  In- 
schrift C.  L  A.  IV  27  a  (445  v.  Chr.)  erscheint  Z.  33  a\x  \xi  neben 
Tev  ßoXev,  rev  ttoXiv  u.  s.  w.  Man  kann  wohl  daraus  schliessen, 
dass  jene  Partikelverbindung  ebenso  wie  vO)U  juev  (ebendaselbst 
Z.  48)  wie  ein  Wort  empfunden  wurde,  und  berechtigt  uns  somit 
diese  Abweichung  von  der  für  das  6.  Jahrhundert  bestehenden 
Norm,  wie  Hecht  (Orthographisch-dialektische  Forschungen  I  S.  34) 
sie  formulirt  hat,  nicht,  auf  sonstige  Ungiltigkeit  derselben  zu 
schliessen.  Y€^MÖpo(;  muss  man,  falls  es  richtig  ist,  in  dem  Sinne 
verstehen,  wie  Hesychius  und  Timäus  das  Wort  erklären  (=  Kle- 
ruch), unter  Fernhaltung  der  Gedankenverbindungen,  welche  sich  auf 
Samos  und  in  Syrakus  an  das  Wort  geheftet  haben.  Vgl.  auch  Plato 
Legg.  737® ,  wo  unter  den  Yeujjudpoi  nichts  weniger  als  Latifundien- 
besitzer zu  verstehen  sind  nach  737*^ :  -fn?  M^v  ÖTTÖan  Trdaouq  (Jiijcppovaq 
övTtt^  iKttvii  Tpeqpeiv. 

Z.  5 — 6  habe  ich  meine  früheren  Vorschläge  auf  Grund  der  von 
Lolling  ermittelten  Zeilengrösse  und  in  Uebereinstimmung  mit  diesem 


64 

Forscher,  der  seinerseits  auf  meine  ersten  Versuche  weitergebaut 
hat,  tiefer  greifenden  Modificationen  unterzogen. 

Zu  Z.  8  und  9  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  ich  natürlich  an 
ein  Verbot  nicht  der  Viehausfuhr,  sondern  der  Beseitigung  des 
zum  wirksamen  Wirthschaftsbetriebe  erforderHchen  Zug-  und  Dung- 
viehes denke,  worüber  ich,  gleichwie  über  die  Tendenz  des  Pacht- 
verbotes überhaupt,  a.  a.  O.  S.  UO— 141  ausführlicher  gehandelt 
habe.  Das  Wort  rrpößaTa  verstehe  ich,  wie  selbstverständlich,  in 
dem  weiteren  Sinne,  in  welchem  es  von  Homer,  Hesiod  und  Herodot 
gebraucht  wird.  Dass  der  Fundus  instructus  beim  Landloos  zu 
verbleiben  hat,  ist  zwar  selbstverständlich,  doch  mag  der  Hinweis 
auf  die  analoge  Bestimmung  der  platonischen  „Gesetze"  (XI  p.  92o^) 
nicht  völlig  überflüssig  sein.  Zur  Entkräftung  etwaiger  sprachlicher 
Bedenken,  welche  die  Periphrase  eKToma  noieiv  in  so  früher  Zeit 
erregen  könnte,  mag  der  Hinweis  auf  das  Vorkommen  analoger 
Wendungen  bei  einigen  der  ältesten  griechischen  Prosaschriftsteller 

dienen,  so  Thucyd.  H.  83  (id  le  XeTTid  TiXcia evTÖ^  TTOiouviai), 

VI.  67  (Kai  Tou<;  (JKeuoqpöpouq  ivTÖc,  toutujv  tiIjv  eTriTÜKTUJV  eiroinaavTo), 
VI.  75  (töv  Teiueviiriv  evTO^  Troiriad|uevoi).  Anderes  aus  Herodot  und 
Xenophon  siehe  im  Thes.  VI.  1296—97. 

Zur  freiereu   Wortstellung  in    e(T7TpdT(T)ev  be  töv  dpxovia   aiei 
Z.  10—11  vgl.  Krüger,  Gr.  Gr.  §.  50,  10,  5. 

Doch  wie  man  auch  über  Einzelheiten  urtheilen  mag,  über 
Sinn,  Zweck  und  Bedeutung  der  ganzen  Urkunde  ist  kaum  mehr  ein 
Zweifel  möglich.  Es  ist  seit  der  Gründung  der  salaminischen  Kle- 
ruchie  eine  Zeit  verstrichen,  —  denn  das  am  Anfang  und  am  Ende  un- 
verstümmelte  und  dennoch  bloss  einige  wenige  Bestimmungen  enthal- 
tende Psephisma  lässt  sich  nur  als  eine  Nachtragsverordnung 
verstehen.  Uebelstände  und  Missbräuche,  welche  sich  bei  der  ersten 
Aussendung  der  Siedler  nicht  vorhersehen  Hessen,  sind  zu  Tage 
getreten.  Sie  lassen  sich  mit  einem  Worte  als  Pseudokleruchie 
bezeichnen,  und  ihnen  soll  durch  scharfe  Strafandrohungen  ge- 
steuert werden.  Klar  ist  das  Gebot,  dass  der  Ansiedler  auf  seinem 
Landloose  ständig  wohnen  bleibe,  und  das  damit  Hand  in  Hand 
gehende  Verbot  der  Verpaciitung.  Daran  wird  die  Erwähnung 
einer  zweiten  strafbaren  Handlung  geknüpft,  in  welcher  ich,  wohl 
nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit,  eine  Art  von  Raubbau,  nämlich  die 
Entblössung  des  Grundstückes  von  dem  zu  seiner  gediegenen  ße- 
wirthschaftung  erforderlichen  Viehbestand,  vermuthet  habe.  Ueber 
den  Mangel  straffen  Zusammenhanges  und  strenger  Geschlossenheit 


65 

der  Gedanken  zu  klagen,  bietet  die  Urkunde  jedenfalls  keinen  An- 
lass,  was  die  nachfolgende  Uebersetzung  vielleicht  noch  deutlicher 
lehren  kann: 

'Das  Volk  hat  beschlossen,  wie  folgt:  Jene,  welchen  der  Boden 
von  Salamis  durch  das  Loos  zugefallen  ist,  sollen  auf  salaminischem 
Gebiete  wohnhaft  bleiben,  —  steuern  jedoch  und  Kriegsdienste  thun 
werden  sie  mit  den  Athenern  — ,  den  erloosten  Acker  aber  sollen 
sie  nicht  verpachten.  Wenn  der  Loosbesitzer  nicht  daselbst  wohn- 
haft ist,  sondern  sein  Landloos  verpachtet,  dann  sollen  der  Pacht- 
nehmer  sowohl  als  der  Pachtgeber  ein  jeder  den  vollen  Betrag  der 
zwischen  ihnen  vereinbarten  Pachtsumme  als  Busse  an  die  Staats- 
casse  entrichten,  eintreiben  aber  soll  die  Busse  der  jedesmalige 
(erste)  Bürgermeister*).  Wenn  Jener  aber  sein  Landloos  nicht  be- 
stellt, sondern  das  (dazu  gehörige)  Vieh  daraus  entfernt,  so  soll  er 
30  attische  Drachmen  als  Busse  zahlen;  eintreiben  aber  soll  die 
Busse  jedesmal  der  jeweilige  Bürgermeister  und  sie  niederlegen  im 
Rathe.' 

Die  Kenntniss  einer  merkwürdigen ,  die  äussere  Form  der 
Urkunde  betreffenden  Thatsache  verdanke  ich  Lolling's  gütiger 
Mittheilung  und  vermag  ich  sie  eben  noch  hier  zu  verzeichnen. 
Die  Buchstaben  waren  nicht,  wie  sonst  so  häufig,  gleichförmig  mit 
rother,  sondern  wechselweise,  Zeile  um  Zeile,  mit  rother  und 
blauer  Farbe  bestrichen,  wie  neuerlich  entdeckte  Farbenreste 
lehren.  So  tritt  die  Freude  eines  naiven  Zeitalters  an  greller  Zier 
und  buntem  Schmuck  auch  hier  wie  in  der  hoch  alterthümlichen 
Künstlerinschrift  C.  I.  A.  IV,  373  und  in  einigen  lykischen  Inschriften 
klar  zu  Tage. 


*)  Der  Archon  schlechtweg  ist  wohl  kein  anderer  als  der  Eponymos.  An 
den  Archon  und  die  Bule  der  salaminiscben  Kleruchen  zu  denken,  welche  uns 
C.  I.  A.  II,  594  begegnen  (vgl.  auch  Bull,  de  corr.  hell.  VI,  .522  und  C  I.  A.  II, 
1248),  hindert  mehr  als  alles  Andere  Z.  2  —  .3,  da  ihr  Inhalt  nur  als  Anordnung 
des  athenischen  Demos  gelten  kann,  Demos  Archon  und  Bule  aber  offenbar  der 
gleichen  Kategorie  angehören  müssen. 

Wien  TH.  GOMPERZ 


Arcliäologisclfc-epigraphisclie  Mitth.  XII. 


66 


Eömische  Goldbarren  mit  Stämpeln 

(Hierzu  Tafel  III) 


Auf  einer  Reise,  welche  ich  im  Auftrage  der  königlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  ausgeführt  habe,  hatte  ich 
auch  Gelegenheit,  alle  Bestandtheile  des  grossen  Fundes  goldener 
Barren,  über  welchen  Kenner  auf  S.  1  ff.  dieser  Zeitschrift  gehandelt 
hat,  zu  sehen  und  eingehend  zu  prüfen. 

Da  das  Resultat  dieser  Untersuchung  von  der  Beschreibung 
des  Fundes,  welche  Tdglds  bei  Kenner  gegeben,  in  einer  Reihe 
wesentlicher  Punkte  abweicht,  so  gebe  ich  auf  Wunsch  der  Redac- 
tion  dieser  Zeitschrift  meine  eigenen  Beobachtungen  wieder. 

Der  Fund  bestand  angeblich  aus  zwölf  Goldbarren.  Dem 
gegenüber  steht  es  aber  fest,  dass  eine  dreizehnte  im  Wiener 
Privatbesitze  sich  befindet,  ohne  dass  die  Existenz  noch  weiterer 
Barren  ausgeschlossen  wäre. 

Die  Barren  sind  in  oben  offenen  Formen  von  länglicher  koni- 
scher Gestalt  gegossen  worden.  Deshalb  ist  die  obere  Fläche  un- 
eben und  unregelmässig  begrenzt.  Diese  Unregelmässigkeit  des 
Randes  ist  durch  das  Eindrücken  der  Stämpel  in  das  weiche  Metall 
noch  erhöht  worden,  so  dass  die  Maasse  derselben  Barre  besonders 
für  die  Breite  und  Höhe  je  nach  der  Stelle,  an  welcher  man  misst, 
bis  auf  0*5  Cm.  schwanken.  Der  Feingehalt  des  Goldes  wurde  für 
sechs  Barren  (I.  II.  III.  VII.  IX.  XI)  durch  das  königl.  Münzamt  in 
Pest  bestimmt.  Er  beträgt  980  Theile  reinen  Goldes  auf  1000 
Theile. 

Die  bekannt  gewordenen  Barren  sind  mit  Stämpeln  versehen, 
welche  in   fester  Folge  verbunden,  drei  verschiedene  Reihen  bilden. 

Die  erste  Reihe  besteht  aus  zwei  verschiedenen  Stämpeln: 

1.  LVCIANVS 
OBRISIG  t 

2.  FL  FLAVIAN 
VS  PRO-SIG 
AD  DIGMA  / 

Der  erste  Stämpel  findet  sich  auf  jeder  Barre  nur  einmal. 
Dor  zweite  ist  auf  jeder  Barre  drei  bis  viermal  wiederholt.  Nimmt 


67 

man  die  Stellung  des  Stämpels  1  als  die  normale,  so  erscheinen 
einzelne  der  Stämpel  2  auf  den  Barren  umgekehrt  eingedrückt,  so 
dass  die  Schrift  auf  dem  Kopfe  steht.  Immer  befinden  sich  einer 
oder  zwei  dieser  umgekehrten  Stämpel  neben  dem  Stämpel  1,  wahr- 
scheinlich um  durch  diesen  Gegensatz  der  Stellung  die  Verschie- 
denheit der  Stämpel  deutlicher  hervortreten  zu  lassen. 

I  (=  Kenner  1).  Ganze  Barre,  im  Besitze  der  Gräfin  Mikes, 
der  Grundherrin  des  Fundortes.  Gew.  476  Gr.;  1,  16-5  Cm.,  br.  2  Cm., 
h.  1  Cm. 

2      2      S      1       S 

II  (=  Kenner  II).  Ganze  Barre,  im  Pester  Museum.  Gew. 
472  Gr.;  1. 17-5  Cm.,  br.  1-6  Cm.,  h.  07  Cm.    Abgebildet  auf  Taf.  III. 

2      5      1      5      S 

III  (=  Kenner  III).  Ganze  Barre,  im  Besitze  der  Gräfin 
Mikes.  Durch  den  Meissel  in  zwei  Theile  zerspalten,  die  Bruch- 
ränder passen  aneinander: 

a)  Gew.  208  Gr.;  1.  7  Cm.,  br.  2  Cm.,  h.  1  Cm. 
h)   Gew.  248  Gr.;  1.  10  Cm.,  br.  2  Cm.,  h.  0-8  Cm. 

«)  l^) 

2      2      2      S      1 

Von  dieser  Barre  existirt  ein  galvanoplastischer  Abdruck. 

IV  {=  Kenner  IV).  Verstümmelte  Barre,  in  Kronstadt  beim 
Gerichtshof.     Gew.  375-65  Gr.;  I.  13-8  Cm.,  br.  2  Cm.,  h.  0-5  Cm. 

12     2      12 

Die  frischen  Bruchränder  am  linken  Ende  sind  deutlich  sicht- 
bar. Da  die  Länge  der  Barre  um  mindestens  2-5  Cm.  hinter  der 
durchschnittlichen  Länge  zurückbleibt,  so  dürfte  ein  ganzer  Stämpel 
2  links  abgestemmt  sein.  Das  ergänzende  Bruchstück  findet  sich 
nicht  unter  den  Fragmenten  in  Kronstadt.    Vgl.  Barre  XIII. 

V  {:=  Kenner  VI  -\-  XIII  -\-  IX).  Ganze  Barre  aus  drei  Frag- 
menten zusammengesetzt,  in  Kronstadt  beim  Gerichtshof.  Gew. 
a  (K.  VI)  102  Gr.,  h  (K.  XIII)  166-05  Gr.,  c  (K.  IX)  192-87  Gr., 
L.  18-5. 

a)  b)  c) 

2  2      2  S      1 

Dass  alle  drei  Stücke  zusammengehören,  ergibt  sich  aus  dem 
gleichen  Erhaltungszustande.  Die  Fragmente  zeigen  an  verschie- 
denen Stellen  einen  weissen  Beschlag,  zweifellos  Spuren  eines  miss- 

5* 


68 

lungenen  Schmelzversuches.  Die  Barren  sind  an  der  Langseite 
gehämmert,  so  dass  die  Stämpel  an  der  Oberfläche  zusammenge- 
drückt und  die  ganze  Barre  über  die  normale  Länge  gestreckt 
wurde.  Die  Zusammengehörigkeit  der  Stücke  a  und  h  tritt  beim 
zweiten  Stämpel  (von  links)  deutlich  hervor,  welcher  von  der  Bruch- 
linie durchschnitten  wird. 

VI  (=  Kenner  VII  +  V  -f  X).  Verstümmelte  Barre,  in  Kron- 
stadt beim  Gerichtshof.  Gew.  a  (K.  VIT)  151-12  Gr.,  h  (K.  V) 
11115  Gr.,  c  (K.  X)  16415  Gr.;  l  a -}- h  =  10  Cm.,  c  =  5-7  Cm. 

a)      b)  c) 

2  ; ,)  2 1  J  1    5 

Die  Bruchränder  von  a  und  b  passen  aneinander.  Die  Zuge- 
hörigkeit von  c  kann  nur  mittelbar  erschlossen  werden.  Vgl.  Barre 
XIII.  Nur  eine  Hälfte  des  Stämpels  1  ist  auf  Bruchstück  c  noch 
erhalten.  Auf  dem  verlorenen  Stücke  kann  sich  ausser  der  anderen 
Hälfte  des  Stämpels  1  kein  Stämpel  befunden  haben,  da  die  erhal- 
tenen Fragmente    beinahe    die    durchschnittliche   Länge    erreichen. 

Ausser  diesen  im  Original  erhaltenen  Barren  existirt  noch  ein 
galvanoplastischer  Abdruck  einer  Barre  mit  der  Stämpelfolge: 

2      2      12      2 

Keines  der  erhaltenen  Originale  erwies  sich  als  identisch  mit  diesem 
Abdruck. 

2.  Reihe.     Aus  vier  verschiedenen  Stämpeln  gebildet. 
a)  Der  Stämpel  Nr.  1.     Ist  identisch   mit  dem  Stämpel  Nr.  1 
der  ersten  Reihe. 

0)  =2  Stämpel  Nr.  3: 

Q_yiRILL  VS 
ETDIONISVS 
4.  SIRM  SIC/ 

c)  =  Stämpel  Nr.  4.  Drei  Kaiserbüsten  mit  Diadem  und 
Paludamentum  zwischen  den  Buchstaben: 

Q  2 

Q  2 

Q  Z 

Die  mittlere  ist  die  grösste,  die  rechte  etwas  kleiner,  die  linke  be- 
deutend kleiner  als  die  mittlere. 


69 

d)  =  Stämpel  Nr.  5.  Sirmium  auf  einem  Throne  sitzend,  in 
der  rechten  einen  Palmzweig  haltend ;  über  diesem  ein  Stern.  Unter 
der  Figur  SIRM. 

Diese  vier  Stämpel  bilden  eine  Reihe  auf 

VII  (=  Kenner  XVI).  Ganze  Barre,  im  Pester  Museum.  Gew. 
409  Gr.;  1.  17  Cm.,  br.  IG  Cm.,  h.  07  Cm.  Abgebildet  auf  Tafel  III. 

3      14      4      5 
Von  dieser  Barre  existirt  ein  galvanoplastischer  Abdruck. 

VIII  (=  Kenner  XII  +  XVIII  +  XIX).  Ganze  Barre,  in 
Kronstadt  beim  Gerichtshof.  Gew.  ä  (=  K.  XII)  145-06  Gr.,  h 
{=  K.  XVIII)  12717  Gr.,  c  {-=  K.  XIX)   13404  Gr.;  1.  17  Cm. 

o)         h)  c) 

3      ll      4)      4     5 
Die  Bruchstücke   gehören   sicher   zusammen,    da    die   Bruchränder 
aneinander  passen  und  die  Bruchlinien  beide  Stämpel  Nr.  4  durch- 
schneiden. 

Die  Analogie  der  dritten  Reihe  zeigt,  dass  diese  Abfolge  der 
Stämpel  in  der  zweiten  Reihe  nicht  zufällig  ist,  sondern  auf  einer 
Vorschrift  beruht.  Und  dies  bestätigt  der  Umstand,  dass  der  Kaiser- 
stämpel  auf  Bruchstück  h  über  einen  Stämpel  Nr.  3  geprägt  ist,  so 
dass  noch  der  rechte  Rand  des  unteren  Stämpels  hervortritt: 

/  S 

/^ 
\0 

Der  Stämpel  Nr.  3  stand  also  hier  an  falscher  Stelle. 

Die  dritte  Reihe  besteht  aus  drei  Stämpeln. 

a)  =  Nr.  1,  völlig  identisch  mit  Nr.  1  der  beiden  anderen 
Reihen. 

h)  =  Nr.  4  a.  Der  Kaiserstämpel  in  abweichender  Form.  Drei 
Kaiserbüsten  mit  Diadem  und  Paludamentum  zwischen  den  Buch- 
staben : 

2  ö 

Z  ö 

Z  O 

Die  mittlere  und  rechte  sind  anscheinend  gleich  gross,  die 
linke  kleiner. 

c)  ^  Nr.  5  a.     Der   Sirmiumstämpel ,    aber    über    dem  Palm 
zweig  in  der  Hand  der  Stadtgöttin   nicht   der  Stern,    sondern    das 
Christusmonogramm  a. 


70 

IX  (^    Kenner    XV).      Ganze    Barre,     im    Pester    Museum. 
Gew.  339  Gr.;  1.  16  Cm.,  br.  1-6  Cm,  h.  06  Cm. 

1  4a  5a 

X  (=  Tafel  II).      Ganze    Barre,    in    Wien    im    Privatbesitz, 
Gew.  520-46  Gr.;  1.  16-65  Cm.,  br.  23  Cm.,  h.  0-9  Cm. 

1  4  a  5  a 

Von  dieser  Barre  existirt  ein  galvanoplastischer  Abdruck. 

XI  (=  Kenner  XIV).     Ganze  Barre,    im   Besitze   der    Gräfin 
Mikes.     Gew.  372  Gr.;  I.  16'5  Cm.,  br.  2  Cm.,  h.  0-9  Cm. 

1  1  4a  5a 

XII  (=  Kenner  XVII).     Verstümmelte   Barre,    in   Kronstadt 
beim  Gerichtshof.     Gew.  524  Gr. ;  1.  13*6  Cm. 

1  4a  I 

Die  Bruchfläche  rechts  ist  frisch.  Auch  die  geringe  Länge  weist 
auf  die  Lostrennung  eines  Stückes  von  beträchtlicher  Grösse  hin. 
Es  fehlt  ohne  Zweifel  der  Stämpel  5  a.    Vgl.  Barre  XIII. 

XIII  (=  Kenner  VIII  -|-  XI  [sie]).     Verstümmelte    Barre,    in 
Kronstadt  beim  Gerichtshof. 

a  (K.  VIII)  Gew.   134-75  Gr.,   1.   5-5  Cm.;    b    (K.  XI)   Gew. 
100-70  Gr.,  1.  4  Cm. 

a)  b) 

l'l  I    4al 

P'olgende  Erwägung  sichert  die  Zusammengehörigkeit  beider  Frag- 
mente. Der  Goldwechsler  in  Kronstadt  lieferte  die  Fragmente  von 
sechs  Barren  dem  Gerichte  ab.  Von  diesen  lassen  sich  zwei  (V 
und  VIII)  vollständig  zusammensetzen.  Das  Stück,  welches  von 
XII  abgeschnitten  ist,  muss,  nach  der  Analogie  zu  schliessen,  den 
Stämpel  5  a  getragen  haben.  Dieser  findet  sich  aber  auf  keinem 
der  fünf  Bruchstücke,  welche  ich  zu  den  Barren  VI  und  XIII  ver- 
bunden habe.  Wer  meint,  die  Analogie  verwerfen  zu  können,  wird 
doch  keines  der  Bruchstücke  zur  Ergänzung  der  Barre  XII  ver- 
wenden dürfen,  da  die  Flöhe  dieser  Barre  von  der  Höhe  des  Bruch- 
stückes zu  sehr  abweicht.  Aber  auch  die  Barre  IV  kann  durch 
keines  dieser  fünf  Bruchstücke  ergänzt  werden.  Durch  Via  -f  ^ 
nicht,  weil  die  Barre  zu  lang  würde  (24  Cm.),  durch  VIc  und 
Xllla  nicht,  weil  beide  den  Stämpel  Nr.  1  tragen.  Dieser  findet 
sich  bereits  einmal  auf  Barre  IV.  Allen  Barren  der  ersten  Reihe 
ist  aber  der  Stämpel  Nr.   1    nur    einmal  aufgedrückt.     Auch  XIII 6 


71 

kann  nicht  zur  Barre  IV  gehören,  da  die  Kaiserstämpel  mit  dem 
Stämpel  Nr.  2  nie  verbunden  erscheinen. 

Die  fünf  Fragmente  müssen  andererseits  zwei  Barren  gebildet 
haben,  weil  drei  Enden  Via  +  b,  VIc,  XIII a  erhalten  sind.  Die 
beiden  ersten  (Via  -|-  h,  VIc)  tragen  den  Stämpel  Nr.  2,  bilden 
also  eine  Barre.  Die  beiden  Bruchstücke  XIII  o,  XIII 6  gehören 
demnach  zur  zweiten  Barre ,  von  welcher  mindestens  das  rechte 
Ende  mit  dem  Stämpel  5  a  fehlt. 

Da  der  Stämpel  Nr.  1  in  allen  drei  Reihen  identisch  ist,  so 
können  diese  drei  verschiedenen  Reihen  zeitlich  nicht  weit  von  ein- 
ander abstehen.  Dann  dürfte  der  Kopf  rechts  von  der  mittleren 
Büste  auf  beiden  Kaiserstämpeln  dieselbe  Person  darstellen.  Die 
zweite  Reihe,  wo  dieser  Kopf  kleiner  ist,  wird  demnach  älter  sein 
als  die  dritte  Reihe. 

Heidelberg  v.  DOMASZEWSKI 


Aus  den  vorstehenden  Bemerkungen  v.  Domaszewski's  über 
die  Goldbarren  aus  dem  Podzaer  Passe  ergeben  sieh  für  die  Schluss- 
folgerungen in  meiner  Abhandlung  nothwendig  manche  Modifica- 
tionen,  welche  hier  anzudeuten  die  Redaction  dieser  Zeitschrift  mir 
Gelegenheit  geboten  hat. 

Da  die  Stämpel  3,  4  und  5  (oben  S.  6.  7)  sich  als  identisch 
herausstellen  und  mit  den  Namen  Quirillus  und  Dionisus  Stern 
und  Palme  als  Wappen  verbinden,  verringert  sich  die  Zahl  der 
Combinationen  der  verschiedenen  Stämpel  (oben  S.  9  ff.)  auf  drei, 
d.  i.  nach  meiner  Bezeichnung:  1  mit  2  (1  und  2  Domaszewski), 
1  mit  3  (3,  4,  5),  6  und  7  (1  mit  3,  4  und  5  Domaszewski), 
endlich  1  mit  6  und  7  (1  mit  4a  und  öa  Domaszewski).  Ein 
Wechsel  des  Wappens  hat  also  in  der  zweiten  Combination  nicht 
stattgefunden,  sondern  an  die  Stelle  des  einen  Signators  (Flavianus) 
mit  der  Palme,  treten  zwei  Signatores,  von  denen  einer  wieder  mit 
der  Palme,  der  andere  gleichzeitig  mit  dem  Sterne  zeichnet.  Durch 
erstere,  welche  rechts  erscheint,  also  wohl  auf  den  an  erster  Stelle 
genannten  Quirillus  zu  beziehen  ist,  wird  diesem  dieselbe  Function 
wie  dem  Flavianus  zuertheilt;  der  an  zweiter  Stelle  genannte  Dio- 
nisus, dessen  Wappen  der  Stern  ist,  muss  als  ein  zweiter,  im 
Range  nächstfolgender  Signator  betrachtet  werden.  Gleichzeitig 
erscheint  im  Ortssiegel  allerdings  nur  der  Stern  in  der  Ecke  oben, 


72 

während  man  zugleich  auch  die  Palme,  ja  diese  an  bevorzugter 
Stelle  erwarten  sollte ;  doch  wird  diese  Erscheinung  aus  dem  Um- 
stände erklärt  werden  dürfen,  dass  die  Palme  in  der  Hand  der 
Stadtgöttin  von  Sirmium  schon  vorhanden  ist  und  sowohl  als  ihr 
Attribut,  als  auch  zugleich  als  Amtszeichen  des  ersten  Signators 
dienen  sollte. 

Lehrreich  ist  die  Abänderung  an  den  Kaiserbüsten,  welche 
in  der  zweiten  Combination  alle  von  verschiedener  Grösse  sind, 
während  in  der  dritten  zwei  von  ihnen  gleich  gross  dargestellt 
werden,  die  dritte  zwar  etwas  kleiner  erscheint,  doch  aber  die  dritte 
Büste  der  zweiten  Combination  an  Grösse  überragt.  Man  wird 
darin  ein  chronologisches  Merkmal  erkennen  müssen ,  welches  die 
zeitliche  Folge  der  Combinationen,  wie  sie  sich  aus  anderen  Grün- 
den ergeben  hat,  bestätigt;  die  erste  Combination  ist  älter  als  die 
zweite,  diese  wieder  älter  als  die  dritte;  alle  folgten  in  verhält- 
nismässig kurzer  Zeit  aufeinander. 

Endlich  ergibt  sich  aus  Barre  VIII  (v.  Domaszewski)  nach 
ihrer  Reconstruction  eine  genau  bestimmte  örtliche  Folge  der 
Stämpel  auf  den  einzelnen  Barren,  wenigstens  zur  Zeit  der  zweiten 
und  dritten  Combination.  Zur  Zeit  der  ersten  tritt  diese  Folge 
nicht  prägnant  hervor,  indem  die  Feinhaltsmarke  des  Lucianus  nur 
auf  zwei  Barren  (v.  Domaszewski  Nr.  II  und  am  Schluss  der  ersten 
Reihe)  in  der  Mitte  zwischen  den  Stämpeln  der  Signatores  steht, 
während  sie  auf  anderen,  vielleicht  älteren,  ganz  oder  nahezu  an's 
Ende  gerückt  ist.  Dagegen  in  den  späteren  Combinationen  wurden 
die  Stämpel  mit  den  Kaiserbüsten  in  der  Mitte  angebracht,  neben 
ihnen  erscheinen  zunächst  die  Feinhaltsmarke  auf  der  einen,  das 
Ortssiegel  auf  der  anderen  Seite;  in  der  zweiten  Combination,  in 
der  auch  noch  die  Controlmarke  des  Quirillus  und  Dionisus  bei- 
gegeben ist,  wird  letztere  an  das  äusserste  Ende  verwiesen,  aber- 
mals ein  Zeichen,  dass  man  der  Feinhaltsmarke  ein  grösseres  An- 
sehen einräumte,  als  den  Stämpeln  der  Signatores. 

Andere  Modificationen,  welche  für  die  Ergebnisse  meiner  Ab- 
handlung von  geringerem  Belange  sind  *),  übergehe  ich.  Die  wesent- 
lichsten Punkte:  die  chronologische  Folge  der  Combinationen  und 
das  in  ihnen  erkennbare  Bestreben,  die  Garantie  für  die  Feinhalts- 
marke zu  steigern,    scheinen    von   ilmen    nicht  berührt  zu  werden. 

')  So  das  Erscheinen  von  Punkten  nach  KL  und  PRO  im  Stämpel  2;  der 
Nachwi  is,  (l;ms  Barre  XVII  (XII  Dom.)  nicht  ganz,  sondern  ein  Bruchstück  ist  u.  a.  ra. 


73 

Einige  Wochen,  nachdem  die  obigen  Nachträge  von  mir  ge- 
schrieben waren,  erwarb  Herr  Bachofen  von  Echt,  Bürgermeister 
von  Nussdorf  bei  Wien ,  Besitzer  einer  gewählten  Sammlung  an- 
tiker Münzen,  zwei  ganze  Barren  des  Podzaer  Fundes,  welche 
v.  Domaszewski  nicht  zu  Gesicht  gekommen  zu  sein  scheinen. 
Der  Eigenthümer  stellte  sie  zur  Aufnahme  in  diese  Blätter  gütig 
zur  Verfügung.  Masse  und  Gewichte  hatte  Dr.  Franz  Studniczka 
die  Gefälligkeit  abzunehmen. 

Die  eine  Barre,  499*86  Gr.  schwer,  174  Mm.  lang,  23  Mm. 
breit,  8  bis  10  Mm.  dick,  gehört  der  ältesten  Combination  der 
Stämpel  an: 

2     2     2     1     s 

Ein  Beispiel  dieser  Art  ist  in  den  früher  bekannt  gewordenen 
Barren  nicht  vertreten;  doch  hat  Domaszewski  (oben  S.  68,  unter 
VI)  drei  Bruchstücke  so  zusammengestellt ,  dass  die  auf  ihnen  er- 
haltenen Stämpel  der  eben  genannten  Folge  entsprechen;  unsere 
Barre  bestätigt  die  Richtigkeit  dieser  Zusammenstellung. 

Die  zweite  Barre  ist  458  39  Gr.  schwer,  161  Mm.  lang, 
22  Mm.  breit,  7  bis  9  Mm.  dick.  Sie  enthält  die  neue,  bisher  nicht 
bekannte  Combination: 

6        1        .9 

Die  Feinhaltsmarke  findet  sich  zwischen  zwei  Abdrücken  des 
Kaisersiegels  und  zwar  der  jüngeren  Art  (vgl.  S.  72),  von  welchen 
der  eine  umgekehrt  eingestellt  ist.  Das  Amtssiegel  von  Sirmium 
ist  fortgelassen.  Diese  Combination,  bisher  die  jüngste,  seheint  die 
oben  ausgesprochene  Ansicht  zu  bestätigen ,  dass  mit  dem  Auf- 
tauchen des  Kaisersiegels  die  Controlmarken  der  Beamten  und  des 
Amtes  überflüssig  wurden  (vgl.  oben  S.  14),  dagegen  zeigt  sie,  dass 
auch  das  Kaisersiegel  auf  derselben  Barre  wiederholt,  ja  sogar  auch 
umgekehrt  eingeschlagen  werden  konnte  (vgl.  oben  S.  13). 

F.  KENNER 


74 

Zu  den  amorginischen  Staatsschuldlirkunden 


In  den  „Mitth.  d.  deutsch,  arch.  Instituts"  (XI  S.  107  f.)  hat 
F.  Dümmler  einen  opisthographen  Inschriftstein  aus  Amorgos  ver- 
öffentlicht, auf  dessen  von  ihm  mit  B  bezeichneter  Seite  Reste  einer 
Urkunde  erhalten  sind,  die  ihm  eine  weitere  Ergänzung  nicht  zu 
zulassen  und  von  einer  „Verwendungsvorschrift  für  öffentliche  Ein- 
nahmen oder  von  einem  Pacht  vertrage"  herzurühren  schienen.  Ein 
kleines  Bruchstück  desselben  Steines  soll  „von  den  Herren  der 
französischen  Schule  copirt"  worden,  scheint  jedoch  bis  jetzt  noch 
nicht  veröffentlicht  zu  sein.  Die  Betrachtung  der  von  Dümmler 
veröffentlichten  Reste  lehrt  nun,  dass  wir  es  hier  mit  einem  Frag- 
mente jener  Urkunden  von  Staatsschulden  der  Arkesineer  zu  thun 
haben,  welche  Kuraanudis  im  10.  Bande  des  'AOnvaiov  p.  536  (Nr.  9 
und  10),  sowie  im  Bull,  de  corr.  hell  VIII  p.  23  ff.  bekannt  ge- 
macht hat.  Die  erste  der  beiden  im  Bull,  de  corr.  hell,  publicirten 
Urkunden  ist  nahezu  vollständig  erhalten,  die  erste  der  beiden  im 
*A9rivaiov  abgedruckten  zwar  nur  im  zweiten  Theile,  dieser  Rest  zeigt 
jedoch,  dass  sie  mit  jener  anderen  nahezu  wörtlich  übereinstimmt, 
soweit  nicht  Zahlen  und  Namen  und  etwaige  besondere  Bestim- 
mungen in  Betracht  kommen.  Das  Dümmler'sche  Fragment  aber 
gehört  dem  ersten  Theile  einer  solchen  Schuldurkunde  an  und  kann 
nicht  weit  vom  Anfange  gestanden  haben,  wenn  es  nicht  geradezu 
den  Anfang  bildete.  Es  liegt  also  die  Möglichkeit  vor,  dass  es 
entweder  einem  dritten  Schuldvertrage  angehört,  der  uns  entweder 
gar  nicht  oder  nur  in  geringen  Resten  erhalten  ist,  oder  dass  es 
einen  Theil  jener  Inschrift  des  'AGnvaiov  (Nr.  9)  bildet,  deren  zweiter 
Theil  vorhanden  ist.  Da  jedoch  Z.  7  des  Dümmler'schen  Frag- 
mentes an  einer  Stelle,  an  welcher  nothwendig  ein  Eigenname  ge- 
standen haben  muss ,  die  Reste  ANAPOI  erhalten  sind,  die  sich 
leicht  zu  'AXeSjavbpoq  ergänzen,  und  die  angezogene  Schuldurkunde 
von  einem  Darlehen  eines  Alexandros  an  die  Arkesineer  handelt, 
80  spricht  eine  an  Sicherheit  grenzende  Wahrscheinlichkeit  dafür, 
dass  es  jener  Inschrift  angehört. 

Die  Ergänzung  der  von  Dümmler  publicirten  Reste  ergibt  sich 
daher  mit  Leichtigkeit  aus  der  das  Darlehen  des  Praxikles  {Bullt 
de  corr.  hell.  VIII,  23)  behandelnden  Urkunde  in  Verbindung  mit 
der  bekannten  Zeilengrösse  der  Urkunde  des  Alexandros.  Es  dürfte 
zu  lesen  sein: 


75 


'A\]€E[av5poq  Toö  bdvoc,  eöaveicrev  rfii  ttöXei  ifii  'ApKCcr- 

ive'uuv]  dpT[upi]ou  ['AttikoO laXavia  buo  küi 

|uväq]  TpidKOVia  d[Kivbuvov  navTÖc,  Kivbuvou  im  tökuui  tet- 
rdpuuv]  6[ßoXu)V  Trjv  )Liv]d[v  ^KdcTiriv  toO  inrivöq  CKdcTTOu  öaveiff- 

5TIJUV  eXGövJTuuv  'Ap(K)[€j((T)i[veO(7iv  tüjv  beivuuv 

...0(;  K[aT]d  [t]ö  ii;[ri9icT)ua  ö  eirre  6  beiva-  urreGexo 
be  'A\e5]avbpog  [xd  ije  Ko[ivd  id  rfiq  Trö\e(JU(;  ärravTa  Kai  id  i'bia 
Tujv  'ApJKecTive'uuv  küi  tOüv  oi[KOÜVTUJV  ev  'ApKeaivrii  uTrdpxovia  xp- 
rmjaxa  [K]al  e'YTaia  Km  uTrepTrövr[m"  dTToboicroucriv  töv  ^ev  töko- 
10  (v)  Ktti'  eviauTÖv  eKacrrov  biubeKa  M[vä^  oi  tajuiai  oi  tolc,  Tipocr- 
öbovq  eKKe^ovTec,  läq  ['Ap]K€(J<i>v[eujv  edv  be  oi  laiuiai  |uri  dn- 
o[b]ujcriv,  TTpa[KT]oi  [ecrT]uu[v  oi  )uri  dTrobövxei;  'AXeHdvbpoii  bnrX- 
d](Jiov  TÖ  dpTup<(i>ov  [eJK  t[üuv  ibiuiv  rrpdEei  irdcrrii  KaGdnep  lijqp- 
XnKÖT€(;  eHouX[ri<;  ev  Tfji  eKKXritoii  Kai  övjec;  uTreprijuepoi,  Kai  )n- 
15  r)  ecTTuu  iiiTÖXoTo[q  Tfji  TTÖXei  toöto  tö  dpYupiov  ei<;  tö  bdveiov 
ktX. 

Die  Schuldurkunde,  welche  nach  Vorausschickung  der  Prae- 
scripte  auf  die  dargelegte  Weise  begonnen  hat,  enthielt  dann  in 
dem  verloren  gegangenen  Theile  Bestimmungen,  welche  denjenigen 
analog  sind,  die  uns  im  Schuldvertrage  des  PraxikJes  Z.  15  bis  24 
erhalten  sind,  und  hieran  schloss  sich  der  erhaltene  Theil,  welcher 
von  Curt  Wachsmuth,  Rhein.  Mus.  XL  S.  292  f.,  restituirt  worden  ist. 
Zu  rechtfertigen  habe  ich  zunächst  meine  Ergänzung  des  von 
Alexandros  den  Arkesineern  dargeliehenen  Capitales,  sowie  des 
Zinsfusses.  Das  Darlehen  des  Praxikles  wurde  zu  10  Procent  ver- 
zinst und  betrug  3  Talente;  ein  zweites  Darlehen  einiger  Bürger 
von  Astypalaea  an  Arkesine  sollte  zu  S'/e  Procent  verzinst  werden 
(vgl.  meine  Darlegung  Wr.  Stud.  VIII  S.  33).  Für  die  Schuld  an 
Alexandros  war  also  von  vorneherein  ein  Zinsfuss  von  acht  bis 
zehn  Procent  wahrscheinlich.  Nun  geht  aber  aus  Z.  10  unserer 
Inschrift  hervor,  dass  die  jährlich  an  Alexandros  zu  zahlenden  In- 
teressen 12  Minen  betragen  haben  (erhalten  ist  AQAEKAfV),  was 
zu  10  Procent  gerechnet  ein  Capital  von  2  Talenten  gäbe.  Aus 
Z.  4  ergibt  sich  aber,  dass  die  dargeliehene  Summe  in  Worten 
ausgedrückt  war,  welche  mit  ipidKOVia  schlössen.  Als  das  Wahr- 
scheinlichste ergibt  sich  mithin  eine  Summe  von  2  Talenten  und 
30  Minen ,  welche  zu  8  Procent  verzinst  genau  ein  jährliches  Er- 
trägniss  von  12  Minen  geben.  Man  könnte  einwenden,  dass  das 
Wort  vor  ipidKOvra  in  Z.  3  nicht  |uvd<g ,    sondern  bpaxjud«;   gelautet 


76 

und   vor   diesem   eine   Anzahl  von  Talenten  und  Minen    gestanden 
habe;    damit   würde   die   von   mir  Z.  2  gelassene  Lücke  ausgefüllt 
werden  können,  wenn  man  sich  etwa  zur  LesuDg:  dpT[upi]ou  ['Atti- 
Koö  xdXavTa  buo ,    }.iväc,  TpidKOVia,  ||  bpaxiudq]    TpidKOVia  entschlösse. 
Man  hätte  dann  einen  Zinsfuss,   der  um  einen  geringen  Bruchtheil 
unter  8  Procent  bliebe,  oder  wenn  man  etwa  eine  kleinere  Summe 
als   30  bei   der   Anzahl  von  Minen   einstellte,    um    einen    geringen 
Bruchtheil  über  8  Procent  käme.     Ich  habe  dies  unterlassen,    weil 
ich    es    für   wahrscheinlicher   hielt,    dass    die   Procente    in    ganzen 
Zahlen  vereinbart  wurden.     Dass  aber  Alexandres    sich  mit  einem 
—   freilich   nicht   um  Vieles   —   geringeren   Zinsfuss    begnügte    als 
Praxikles,   wird  durch  eine  andere  Bestimmung  wett  gemacht.     In 
dem  Falle  nämlich,  als  die  Zinsen  nicht  rechtzeitig  bezahlt  werden 
sollten,  tritt  nach  unserem  Vertrage  die  Verpflichtung  zur  Zahlung 
des  Doppelten   ein    (Z.   13),    während    im  Vertrage    mit    Praxikles 
(Z.  12)    für   diesen   Fall   nur   das   Anderthalbfache   in  Aussicht  ge- 
nommen ist.     Öo    sind   denn  also  die  Bedingungen  des  Alexandres 
nicht   wesentlich   günstigere   als    die   des  Praxikles,    und    ich  finde 
daher   auch   angesichts   dieses   neuen   Bruchstückes    keinen  Grund, 
von  meiner  Wr.  Stud.  VIII  S.  12  f.  gegen  Wachsmuth ,  Rh.  Mus. 
XL  S.  295,    ausgesprochenen  Meinung,    dass  Alexandros  ein  aus- 
ländischer Gläubiger  gewesen  ist,  zurückzutreten.    Vielmehr  glaube 
ich,    dass   in    dem    längst  bekannten  Theile  der  Urkunde  des  Ale- 
xandros  (Z.   13  bei  Wachsmuth  S.  293)  die  für  den  Fall  der  Pfän- 
dungsverhinderung gegen  den  Verhindernden  zu  verhängende  Geld- 
busse höher  anzusetzen    ist,    als   man   annimmt.     Im  Vertrage  mit 
Praxikles  beträgt    dieselbe  1  Talent    (Z.  36),    während    die    ganze 
Schuld   3   Talente    beträgt.     Hier    wird    dagegen    gelesen    bpaxfidq 
A[A]A.     Es  ist  klar,  dass  durch  eine  so  geringfügige  Busse  einer 
solchen  Widersetzlichkeit  nicht   hinreichend  vorgebeugt  sein  kann, 
und   ich   möchte    daher    trotz    dem  Umstände,    dass    der  Stein  von 
einem  so  ausgezeichneten  Epigraphiker,  wie  Prof.  Kumanudis  es  ist, 
abgeschrieben  wurde,    im  Hinblick    auf  die  starke  Zerstörung  des- 
selben zu  lesen  vorschlagen:  X(X|X,    was    nach   der   Analogie   des 
anderen  Vertrages  als  angemessene  Busse  erscheinen  mag. 

Z.  3.    d[Kivbuvov  TtavTo^  Kivbuvou]  statt  -naQoc,  habe  ich  nach 
Ourt  Wachsmuth  eingefügt. 

Z.  5.    Wenn  wirklich  'ApKeffiveOmv  zu  lesen  ist  an  der  Stelle, 
an   welcher   der    andere    Vertrag    bimoaiai    bietet,    so    wird    damit 


77 

Wachsmuth's  Auseinandersetzung  über  die  öaveicriai  a.  a.  O.  S.  294 
bestätigt. 

Z.  8.  In  dem  analogen  Passus  der  Urkunde  des  Praxikles 
(Z.  9)  hatte  Waclismuth  UTTdpx[ovTa]  gegen  Kumanudis'  uirdpxfeiv] 
hergestellt.  Hier  erfordern  die  Raumverhältnisse  und  die  erhaltenen 
Reste  noch  die  Einfügung  von  xphm]"''''^?  wodurch  auch  UTrdpxovTa 
gestützt  wird. 

Wien,  1888  EMIL  SZANTO 


Eine  Inschrift  aus  Lagina 


Unter  den  Inschriften  aus  Lagina,  welche  die  Herren  Charles 
Diehl  und  Georges  Cousin  im  Jahrgänge  1887  des  Bull,  de  corr. 
hell,  veröffentlichten,  erregt  n.  70  (p,  160)  besonderes  Interesse. 
Die  monotone  Form  der  Priesterlisten  ist  hier  durch  ein  Gedicht 
ersetzt,  das  schon  um  seiner  Diction  willen  Beachtung  verdient. 

Die  Inschrift  ist  auf  einem  1'42  m.  breiten,  0'61  m.  hohen,  0'45  m. 
dicken  Marmorquader  eingegraben ,  der  den  Ruinen  des  Hekate- 
tempels  angehört.  Rechts  von  dem  Epigramm  sind  auf  demselben 
Steine  noch  mehrere  grössere  Buchstaben  von  einer  zweiten  In- 
schrift ersichtlich.  Die  Inschriftfläche  war  mit  Kalk  überzogen 
und  wurde  erst  unter  Anwendung  von  Säuren  einigermassen  lesbar. 

In  der  französischen  Veröffentlichung  sind  Abschriften  der 
beiden  Herausgeber  mit  einer  ihnen  übergebenen  Abschrift  Benn- 
dorfs  verbunden  worden,  ohne  diese  Quellen  zu  scheiden.  Zu  der 
Lesung  Benndorfs: 

ZHSIEPH^ AIAIMOENTinOGni 

OYrAPMOinAOYTOIOMErAN0EOZAM*IMEMYKEN 
AnMAnEPI2TIAnNAIZAAMnOMENON2TAMI2  1N 
.   AEHPCOYIWI  NTEA^.NTOXON-/    _ONAPEIH 
5  EYXEBIHNIEPHNEZTEAOZEIPrAXATO 

nANTAAEZEIO0Yn.PO2OZONZ0ENO2:AXPNE22I 

EAAAXENEMMENEnZOiWnNIAKYAAAIMH 
KAITEZOIAPHTEIPANEMHNAAOXONMETE0HKA 
/.0ZXI0NEHA2IH2KrEN02E2TI<t>IA0N 
10      KAnAIANHNAEniOIKAHAOYXONHAIAEPATElNHN 


78 


KAHIA02PAAINAI2:XEP2INE<t>AnT01WENHN 
OnnOlAAENAAITHZIKAlEIAAniNHllNEPEEA 

OIAEnATPHSrAYKEPHSnOAAAKIMAPTYPIH 
"  .  .'iOAEPE  .  .  T/vMOI  ZOENOZnnAZENOIAAinEPN-lS 
15  2EKAIT AAIMONAVIA  OH  IHN 

crfjc;  iepfi(;  [leXeTfic;  qpjaibijudevii  ttoBlu. 
ou  Yap  MOi  ttXoutoio  }Jie-(avQ4.oc,  d)nqpi)ue)uuKev 
baijua  TT€pi  aTi\TrvaT(;  XajuTTOjuevov  ojajjLiaiv. 
.  hk  TTpo9u|ui[r|]  Te\e[eT]v  töctov,  [öaajov  ap'  ev], 
5  eOaeßiriv  kprjv  iq  xeXoq  eip-fdcraTo* 

TrdvTa  be  aeio  6uujpö(;,  öcrov  oQivoc,  äxtiveaaiv, 

^'XXaxev  eiajaeveuuq,  "Ojarrvia  KubaXijuri  • 
Ktti  le  (Joi  dpriteipav  ejuriv  dXoxov  |ueTe9riKa 

Mjöüxiov,  eE  'Aairi«;  f\  y4.voq  eaii  qpiXov  sie 

10      KXujbiavriv  b'  im  öi  KXriboöxov  Tiaib'  epaieivriv       sie 
KXri'iboq  ^abivai^  x^pö^lv  eqpaTTiOjuevJiv ' 
OTrTTÖaa  b'  ev  baiiricyi  Km  eiXaTrivJicriv  epeSa,  sie 

oibe  TrdTpTi<;  T^uKepf]^  iroXXdKi  jaapTupir). 
TrdvTtt]  b*  epe[Ha],  id  |uoi  aQevoq  ujTracrev,  oia  Xirrepvnq 


ergab  ein  weiteres  tjtudium  des  Abklatsches  die  folgenden  Ergän- 
zungen : 

Ueber  der  ersten  Zeile  die  Reste  einzelner  Buchstaben: 

A         Z  A  2 
2HXIEPH1 *  A  lAIMOENTinoeni 

Das  Adjectlvum  ixe'^avBioc,  in  Z.  2,  sonst  allerdings  nicht  belegbar, 
ist  zweifellos.  Z.  4  glaube  ich  npooYMiiiTEAr -ntozon-z-onapeih  zu 
lesen,  doch  ist  der  Raum  zwischen  i  und  tea  beschädigt.  Z.  6 
steht  am  Schlüsse  axhnezzin.  Z.  8  ist  erhalten  mei  e©hka,  woraus 
sich  juev  ^9r|Ka  ergibt.  Z.  9  ist  mo2  sicher.  Z.  11  bietet  der  Ab- 
klatsch PAAiNiiii;.  Z.  14  kann  man  vor  dem  ae  noch  ta  erkennen, 
wodurch  die  Ergänzung  Trdvjia  bestätigt  wird.  Z.  15  flf.  sind  fol- 
gende Reste  ersichtlich: 

Z.     15     .  .  .MAZ  EKAIT.  .  .  .AAIMON  A.  .  .OniHN 

16  ....KAIPOIO...O...TE 

17     : A  A El 

Der  Gedankengang  des  Epigramms  scheint  folgender  zu  sein : 
„Ich  bin  nicht  reich,    doch   der  gute  Wille   (Z.  4  r\]  be  7Tpo9ujnir|), 


79 

so  viel  zu  leisten,  als  dem  eigenen  Wunsche  entspi-cäche,  hat  mir 
in  der  Bekleidung  meines  Priesteramtes  durchgeholfen.  Fürs  erste 
hat  Dein  Altar,  herrliche  Ompnia,  alles  empfangen,  was  ein 
Armer  zu  bieten  vermag;  sodann  habe  ich  meine  Familie  Deinem 
Dienste  geweiht:  die  Gattin  Moschion  als  Priesterin,  die  Tochter 
Klodiane  als  Schlüsselträgerin;  endlich  habe  ich  es  an  Opfer- 
schmäusen  für  die  Stadt  nicht  fehlen  lassen.  Alles  habe  ich  somit 
gethan,  soweit  meine  Kräfte  reichten." 

Wie  hier  sehen  wir  auch  in  anderen  Inschriften  aus  Lagina 
die  Betheiligurjg  der  Frau  und  Tochter  an  dem  Dienste  der  Hekate 
und  die  Schmause  erwähnt,  die  der  Priester  der  Göttin  seinen  Mit- 
bürgern auszurichten  pflegte  (cf.  Bull.  d.  corr.  hell.  1887  p.  34  ff.). 

Die  an  Wiederholungen  leidende,  überschwängliche  Sprache 
des  Epigramms  zeigt  Berührungen  mit  dem  epischen  Dialekte  und 
Sprachschatze,  so  die  formelhafte  Verbindung  in  Z.  12,  die  an 
II.  10,  217  erinnert:  aiei  b'  ev  bairriai  Km  eiXaTTivrim  Trapeaiai.  'A|u- 
qpijueiuuKev  (Z.  2)  findet  sich  sonst  nur  Od.  10,  227;  bdirebov  b'  änav 
d|U(pi)uejUUKev.  Zu  V.  11  vergl.  Theogn.  v.  6  (ed.  Ziegl.)  cpoiviKot^  pa.h\vr\<; 
Xepalv  ecpav|;ajuevr|.  Neu  ist  als  Epitheton  Hekates  "Ojunvia,  welches 
bisher  in  der  Verbindung  mit  Demeter  (schol.  Nie.  AI.  7:  öjuqpaXöi; 
■fdp  diTÖ  Tfiq  öjuTTvri<;  eipriiai,  ö  ecrii  Tpoqpri,  dqp'  ou  Kai  )]  Ar||unT»ip 
'OjUTTVi'a)  und  Nymphen  (C.  I.  G.  454  NujuqpaK;  6juTTv[iai(j] )  bekannt 
war.     Zur  Messung  "Ojinvia  vgl.  Kaibel,  epigr.  Gr.  1046,  56. 

Die  zweite  Inschrift  gehört  einer  späteren  Zeit  an  (c): 

EOYEnANn 
ENOE 

MENinnONTOY 
OY 

Es  sind  Reste  von  Priesternamen,  da  Z.  1  EOANri  wahrschein- 
lich zu  e7TavYe[iXdju€V0^]  zu  ergänzen  ist. 

E.  HULA 


80 

Inschriften  aus  Oeclenburg  (Scarabantia) 


Herr  Victor  Rccsey,  derzeit  bischöflicher  Bibliothekar  in  Kis- 
Czell,  früher  Professor  am  königl.  Gymnasium  der  Stadt  Oeden- 
burg,  deren  römische  Alterthümer  er  der  Aufmerksamkeit  seiner 
Landsleute  auch  durch  ein  im  Vorjahre  erschienenes  gemeinfass- 
liches  Buch*)  empfohlen  hat,  hat  mit  dankenswerther  Gefälligkeit 
der  Redaction  dieser  Zeitschrift  ausführliche  Mittheilungen  über  vier 
Inschriften,  von  denen  nur  eine  bisher  Nichtungarn  zugänglich  ge- 
macht worden  war**),  zur  Verwerthung  zugesendet  und  nachträg- 
lich wiederholt  weitere  Nachrichten  und  Aufklärungen  mir  zukommen 
lassen.  Da  dieselben  jedoch  nicht  überall  zureichten  und  Herr 
Recsey,  der  Ende  September  Oedenburg  mit  seinem  neuen  Berufs- 
orte vertauschen  musste,  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  mir  Ab- 
klatsche oder  Durchreibungen  der  einzelnen  Stücke  zu  besorgen, 
sah  ich  mich  gezwungen ,  selbst  die  fraglichen  Steine  aufzusuchen 
und  was  noch  in   Zweifel  geblieben  war  zu  lösen. 

Gegenwärtig  sind  zwei  öffentliche  Sammlungen  in  Oedenburg, 
das  im  Vorjahre  gegründete  Comitatsmuseum,  das  ausserhalb  der 
Stadt  im  Comitatsgebäude  (ehemaligen  Troviantshause'),  unterge- 
bracht ist,  und  das  städtische  Museum  im  Gebäude  des  Stadt- 
archivs. Die  Privatsammlung  des  königl.  Käthes  Herrn  Ivan  Paür 
war  mir,  da  er  sehr  krank  war  und  niemand  ihn  sprechen  durfte, 
nicht  zugänglich.  Eine,  wie  ich  höre,  an  Vasen,  Terracotten, 
Ziegeln  u.  ä.  reichhaltige  Sammlung  des  akad.  Malers  Herrn  Storno 
konnte  ich ,  da  die  Zeit  meines  Aufenthaltes  nicht  hiefür  reichte, 
nicht  mehr  aufsuchen. 

Das  Comitats-Museum,  dessen  beide  Custoden  ich  leider 
nicht  antraf,  nimmt  drei  Zimmer  des  ersten  Stockwerkes  des  oben 
erwähnten  Hauses  in  Anspruch ;  ein  Theil  der  Inschriftsteine  ist 
überdies  im  Garten  aufgestellt,  unter  ihnen  folgende  von  Herrn 
Recsey  angezeigte: 

Ära  aus  Kalkstein,  'vom  Margarethnerbruche',  0*88  X  0'59  X  0*37, 
Inschriftfeld  Oöl  X  O'ÖO.  In  den  Buchstaben  rothe  Farbspuren. 
Gefunden  August  1886  in  S6rcz  (Gschiess)  auf  dem  Felde  des  Joh- 
Mathonszky ,    von    Pfarrer    Marcus  Blazovits    für   das  Museum  er- 

')  kSopron  ükori  neve  es  a  supromegyei  iVimai  feliratok  ('Sopron'  1857,  80  S.). 
^)  A.  E.  M.  11,  71. 


81 

werben.  Herausgegeben  von  Recsey,  'Sopron'  S.  66  n.  13  und  im 
'Jahresberichte  des  arch.  Vereines  f.  d.  Oedenb.  Comitat'  1887,  57; 
von  Bella  im  'Arch.  Ertesitö'  1888,  234.  —  Eine  ganz  gleiche  Ära 
ward  1885  ebendaselbst  gefunden,  aber  zu  einem  Grabstein  verar- 
beitet; ihre  Inschrift '^)  wird  (unter  b)  aus  einer  dem  Herrn  Director 
Kenner  zugesendeten  und  von  diesem  freundlichst  der  Redaction 
überlassenen  Copie  unverändert  mitgetheilt. 

a)       HERCVLI  h)      volkano 

SAG  S  A  C  R 

M      V  L  P  I  V  S  MVLPIVS 

K  ALENDIVS  KALENDIV 

5  VSLM  5V-S-L-M 

a)  Z.  3  hinter  m  stand  vielleicht  früher  ein  Punkt. 

Ferner  befinden  sich  daselbst  C.  I.  L.  HI,  4255  (die  Ornamen- 
tik des  grossen  Steines  —  1-63  X  0-69  X  0-16  —  und  die  beiden 
Protomae  im  Felde  oberhalb  der  Inschrift  sind  nicht  berücksichtigt 
worden;  in  Z.  5  cvlcivs,  Z.  8  cvlci,  Z.  10  posverykt),  4251  (ca. 
2-50  X  0-85  X  0-25;  oberhalb  der  Inschrift  in  halbkreisförmiger 
Nische  ein  Pfau,  Z.  4  hs  e,  Z.  11  iosvIt),  4254  (Z.  7  thatsächlich: 
cosnpRocos),  A.  E.  M.  11,71^)  und  endlich  die  linke  untere  Ecke 
eines  Cippus  (oder  einer  Ära)  aus  bröcklichem  Sandstein  mit  den 
Resten  (Inschriftfeld  0-19  X  0-10): 

V  I  p  Vom  ersten  p  nur  die  gerade  Hasta  sicher. 

Im  oberen  Stockwerke  sind 

1.  Grabstein  aus  bestem  Sandstein,  gef.  Mai  1886  in  Szdraz- 
väm  (Mühlendorf),  von  Prof.  Bella  für  das  Museum  erworben. 
Herausgegeben  von  Bella  in  'Arch.  Ertesitö'  1888,  233  und  von 
Posvek  in  Recsey's  'Sopron'  S.  73  n.  26.    —    0-31  X  0*34  X  0-09. 


'^)  Näheres  über  diese  zugleich  mit  rüm.  Münzen  'von  einem  Gschiesser 
Bewohner  bei  Anlage  eines  neuen  Weingartens  gegen  Donnerskirchen  zu  gefun- 
denen' Inschrifttafeln  verdanke  ich  Herrn  Arzt  Dr.  J.  Wache  in  Mannersdorf  a.  L. 
Die  Zuverlässigkeit  der  Copie  von  b  beurtheilt  man  am  besten  nach  der  entspre- 
chenden  Abschrift  von   a:    HERCVI-I   |    SACR   |   M  VLPIVS    |    KALENDIV   ]   V-S-L-M- 

')  Die  Maasse  derselben  sind  folgende:  0-84  X  048  X  0145,  Inschriftfeld 
0-60  X  034.  In  Z.  2  ist  S  kleiner,  in  Z.  5  das  letzte  T  grösser  als  die  übrigen 
Buchstaben. 

Archäologisch-epigiaphisehe  Mittli.  XIF.  fi 


82 


Ko-ettf 

D    ■    M 

VALLAVNO-  DA/ 

hORIGlSEAV  IX 

VsECVNDINAV 


Z.  3  entweder  an  oder  Ligatur  von  ann.  —  Z.  4  Anfang  s? 
oder  CG?  oder  t,  f,  e?  —  Z,  5  statt  f  scheint  (das  zweite)  e,  wohl 
in  Folge  einer  Beschädigung,  zu  stehen.  —  Z.  5  Anfang:  i  oder  v 
oder  N?,  Ende  a? 

d{is)  m{anibus)  Vallauno  Dagorigis  [f{iUo)\  ann{oi'um)  IX  ... 
/Seeundina  .  . .  .nae  (Reste  des  Vatersnamens?)  f{iUa)  viva  [fecit  sibi 
et  . . .]  ?  oder  et  Secundinae,    . . .  .uae  f{iUae)  viva[e   .  . .]. 

2.  Lampen:  faor  (C.  3,  6008,  20),  fortis  (dreimal,  n.  25) 
CDESSi  und  c-DESsi  (n.   18),  cresci,  (n.   15),  cannei?,  nwioo 

3.  Ziegelstempel,  beim  Neubau  der  Ursulinerschule  1884  ge- 
funden: leg-i-adpf  (C.  3,  4655),  leg  i  ,  mJngp  (ist  am  Anfange  nicht 
gut  zu  lesen,  :=  C.  4695 ^>),  iwap  (nicht  wie  C.  4695 cZ  steht),  \r»N  (ab- 
gescheuert, wohl  mit  dem  vorigen  identisch. 

3.  Stempel  eines  Terracottagefässes:  floridvs,  endlich  der  A. 
E.  M.  11,  72  beschriebene  Ziegel. 


Im  städtischen  Museum ,  dessen  Benützung  mir  der  Archivar, 
Herr  Ignaz  Leidenfrost,  in  zuvorkommender  Weise  ermöglichte, 
sind  die  Inschriftsteine,  die  Sculpturen  und  einige  Ziegelscherben 
und  Knochenreste  aus  (röm.?)  Gräbern  zumeist  in  zwei  Hofge- 
wölben aufbewahrt,  deren  Anblick  übrigens  wenig  erfreulich  ist. 
In  dem  ersten  Gewölbe  sah  ich 

1.  Eine  von  Herrn  Recsey  angezeigte  Platte,  1'41  X066X0'23; 
gef.  Mai  1888  bei  Abbruch  des  alten  Gebäudes  des  katholischen 
Convents*)  in  Oedenburg,  vis-a-vis  der  heil.  Geistkirche.  Es  befand 
sich  in  der  Höhe  des    ersten  Stockwerkes,    die   Inschriftseite  nach 


*)  Die  in  einem  der  ans  dem  Abbruche  gezogenen  Balken  eingeritzte  Zahl 
16.32  bestimmt,  wie  Herr  R6csey  bemerkt,  die  Entstehungszeit  des  Gebäudes,  be- 
ziehentlich die  Zeit  der  Einmauerung  der  Inschrift. 


83 

unten  gekehrt;  der  aus  der  Mauer  hervorragende  r.  Rand  war  ab- 
geschlagen worden.  Herausgegeben  von  R^csey,  'Pesti  Naplo'  1888 
n.  167;  Pruzsinszky,  'Oedenburger  Zeitung'  1888  n.  119;  Bella  im 
'Arch.  Ertesitö'  1888,  235.  Die  Inschrift  (0-96  X  0-58)  befindet 
sich  in  einem  Feld,  das  von  einer  breiten  (010)  oberen  und  einer 
1.  (0"08)  Seitenleiste  (die  r.  ist  wie  gesagt  verloren)  umrahmt  ist. 
Darüber  die  Brustbilder  1.  eines  Mädchens,  rechts  das  grössere 
einer  Frau,  beide  mit  einer  Halskette  geziert: 

ATEBLA    •  L  ■ 

ATTIENI   •   RVFI-> 

LIB  •  AN-XLV-  H-  S-  E 

S  CA  RBANTILLA 

5  L-ATTIENI-SER-AN-VI 

H  S  E 

fIlI-  et-  fIli  A  E 
posvervnt 

Z.  1  Ende.  Den  Punkt  habe  ich  nur  aus  dem  Abklatsche 
notirt.  Z.  2  zu  Ende  dürfte  7,  nicht  x  gestanden  haben,  und  dann 
doch  wohl  gleich  centurionis. 

2.  C.  I.  L.  3,  4234  und  4243  (zu  Anfang  von  Z.  1.  5.  6  Punkte, 
wie  überall  in  dieser  Inschrift,  Z.  9  ausgenommen,  dreieckig;  Z.  7 

PRISTINAM,    Z.    8    RESTITV). 

3.  Ziegel  mit  (vor  dem  Brennen)  eingeritzten  cursiven  Buch- 
staben (hart  am  Rande),  die  ich  lesen  möchte:  'mbe,  vielleicht  auf 
anderen  Ziegeln  fortgesetzt. 

Im  zweiten  Gewölbe  fand  ich : 

1.  Zwei  zusammengehörige  Bruchstücke  aus  ganz  feinem  bröck- 
lichem  Sandstein,  über  deren  Herkunft  weder  der  Archivar  noch  der 
Diener  mir  Näheres  mittheilen  konnte,  a)  1-16  X  0'20  X  0'055, 
b)  0-11  X  0-08  X  0-055. 

•      i>j"roTUVLp5(?) 

'^">ixxx'J^»e6w»  (?) 

Herr  Recsey  schickte  mir  nachträglich  hierüber  folgende,  ihm 
zugekommene  Notiz:  Am  13.  October  d.  J.  sei  man  bei  den  Vor- 
arbeiten zu  einem  neuen  Hausbau  in  Oedenburg  unter  anderem  auf 
einen  römischen,  'aus  Steinplatten  des  Margitaner  Nulliporengebildes 
gebauten  Sarkophag  gestossen'  (l'öO  lang,  innen  045  breit,  O'oO  tief), 
derselbe   habe    das   Skelett  eines   jugendlichen    weiblichen  Wesens 


84 

von  1'46  Länge^  enthalten,  ferner  'zwei  Ohrringe  aus  Bronze  mit 
Gehänge  aus  echten  Perlen'  und  einer  aus  Glas-  und  Obsidian- 
perlen'  bestehenden  Halskette,  zwei  Armringe  aus  Bronze  und  ein 
Korallenstück.  'Auf  dem  Deckstücke  ist  das  Basrelief  eines  Brust- 
bildes zu  sehen.  Unter  den  Mauersteinen  fand  man  das  Bruch- 
stück eines  Grabsteines  mit  folgender  Inschrift : 

PVBL       ROC 
(aNN)      XXX 

Vgl.  Oedenburger  Zeitung  1888  Nr.  243.' 

2.  C.  I.  L.  3,  4237  =  A.  E.  M.  11,  82  (1-37  X  0*99  X  0-22). 
Ueber  dem  Inschriftfelde  (0-82  X  039):  Mithras  mit  Stier,  Schlange, 
Scorpion,  r.  der  Genius  mit  der  erhobenen,  1.  der  mit  der  ge- 
senkten Fackel ,  oberhalb  der  ersteren  das  Brustbild  der  Luna ; 
in  Z.  1  und  2  sind  die  Buchstaben  durch  auffallend  weite  Zwischen- 
räume getrennt;  Z.  2  mitres-  —  4242  schrieb  ich  (bei  Kerzenbe- 
leuchtung) so  ab : 

SIL  V  ANo 

'"                  A    •   V           G  •  " 

-M              MAPPIAN\S  -^ 

j.               VR  S^'"   VS   VC<  ^ 

"  7LEG■^     T-p-F  ~ 

Z.  3  Ligatur  von  vs;  Z.  4  Ligatur  von  vcr?  Eine  Förderung 
der  Lesung  ist  unter  besseren  Umständen  nicht  ausgeschlossen. 

Die  Figuren  an  den  beiden  Seiten  konnte  ich  wegen  der 
schweren  nebenstehenden  Steine  nicht  untersuchen;  doch  sah  ich, 
dass  die  1.  jedesfalls  nicht  richtig  beschrieben  sei.  —  4236  =  A.  E. 
M.  11,  82  (Ära)  Z.  4  karn  —  4235  (A.  E.  M.  11,  82).  —  4247  (das 
exemplum  novicium  Z.  2  in.  g^,  Z.  4  xxi).  —  4238  =  A.  E.  M.  11,  82. 
—  4239  (=  A.  E.  M.  11,  82).     Z.  4  xüh/Z/an,  Z.  5  vs-  l-m. 

Von  Ziegeln  fand  ich  hier  die  auch"  im  Comitats-Museum  ver- 
tretenen Stempel  wiToA'gp  und  iwaF  (C.  4695k'c/). 

Schliesslich  bemerkt  mir  Herr  Recsey,  ist  der  Legionsstempel 
i.eg-xg-f-f  (C.  4659)  jetzt  auch  in  Oedenburg  gefunden  worden, 
und  finden  sich  hier  die  Gefässstempel  phoetaspi  (C.  6008,  45)  und 

EVCARPI. 


')  So  auch  das  Original. 

3.  November  1888  WILH.  KUBITSCHEK 


Studien  zur  griechischen  Malergeschichte 

II 

Die  helladische  und  asiatische  Schule 

In  der  stattlichen  Liste  der  Erfinder  der  Malerei  haben  wir 
auch  Saurias  von  Samos  aufgezählt  gefunden.  Von  seinem  Pferde- 
bilde vermochten  wir  freilich  nicht  mehr  zu  sagen,  als  dass  es 
seine  Entstehung  der  Erklärung  des  Wortes  ZiujYpaqpia  zu  danken 
haben  möchte.  Aber  die  Localisirung  der  Erfindung  der  Malerei 
zu  Samos  wäre  doch  undenkbar,  wenn  dort  nicht  in  der  That  eine 
alte  Malerschule  vorhanden  gewesen  wäre  und  sichere  Spuren  ihres 
Daseins  hinterlassen  hätte.  Ist  es  doch  von  vornherein  sehr  wenig 
wahrscheinlich,  dass  gerade  in  dem  Mittelpunkte  der  altionischen 
Kunst,  in  der  Heimat  des  grossen  Theodoros,  die  Malerei  in  dem 
Reigen  ihrer  Schwestern  gefehlt  habe,  zumal  ihre  Existenz  auf 
kleinasiatischem  Boden  durch  die  Sarkophage  aus  Klazomenä  und 
ihr  hoher  künstlerischer  Werth  durch  die  chalkidischen  Vasen  er- 
wiesen wird').  Hat  sich  unsere  Voraussetzung  vom  ursprünglichen 
Zusammenwirken  und  Wachsen  der  bildenden  Künste  für  das  Cen- 
trum der  altdorischen  Kunst  vollauf  bewährt,  so  muss  sie  sich  ihre 
Geltung  auch  hier  erkämpfen. 

Die  Möglichkeit  einer  „Berühmtheit  altsamischer  Malerei,  welche 
dem  Ruhme    der   samischen   Erzbildnerei   entspräche",    hat   bereits 

*)  Die  Erforsclmng  der  kleinasiatischen  Vasenfabriken  ist  noch  eine  Auf- 
gabe der  Zukunft.  Zu  Dümmlers  schöner  Entdeckung,  dass  die  bisher  falsch  Ari- 
stonophos  gelesene  Inschrift  des  ältesten  Vasenmalers  'Apiaroiv  6  9a)(io)(;  lautet, 
möchte  ich  noch  an  den  9010$  Meistersignaturen  214  erinnern.  Vergleiche  jedoch 
auch  Wiener  Vorlegeblätter  1888,  Text  zu  Taf.  I  8.  Für  Erythrai  liegt  ein,  so 
viel  ich  sehe,  bisher  nicht  beachtetes  Zeugniss  des  Plinius  35,  161  vor:  Erythris 
in  templo  hodieque  ostenduntur  ampkorae  duae  propter  tenuitatem  consecratae  discipuli 
magistrique  certamine,  uter  tenuiorem  humum  duceret.  —  Erst  nach  Schluss  dieser 
Arbeit  ist  mir  Dümmlers  Aufsatz  Rom.  Mitth.  III  S.  159  „Vasenscherben  aus 
Kyme  in  Aeolis"  zugekommen. 

ArchäoIogischTepigraphische  Mitth.  XU.  7 


86 

Brunn  in  seiner  Künstlergeschichte  II  S.  6  und  55  erwogen,  aber 
wegen  Mangels  an  Nachrichten  nicht  weiter  erörtert.  Daran  war 
wohl  zunächst  die  falsche  Datirung  des  Kalliphon  von  Samos  Schuld,' 
den  er  damals  früh  genug  anzusetzen  glaubte,  wenn  er  ihn  mit 
Polygnot  in  Verbindung  brachte,  während  es  nach  dem  dermaligen 
Stande  der  Wissenschaft  gar  nicht  zweifelhaft  sein  kann,  dass  er 
weit  älter  ist.  Pausanias  erwähnt  zweimal  beiläufig  seines  Bildes 
im  Artemision  zu  Ephesos,  welches  die  homerische  Epinausimachie 
vorstellte;  das  erstemal  in  der  Beschreibung  der  Kypsele,  wo  er 
für  die  "EpK;  aiaxicriri  xö  elhoq  daher  eine  gleiche  Missgestalt  ent- 
lehnt; das  zweitemal  citirt  er  als  Belegstück  für  eine  alte  Panzer- 
varietät auf  dem  polygnotischen  Iliupersisbilde  die  Rüstung  des 
Patroklos  hier,  dem  Frauen  seinen  Panzer  anlegen'^).  Für  die 
kunstgeschichtliche  Stellung  des  Kalliphon  ist  die  erstere  Erwähnung 
die  entscheidende,  und  darnach  mag  er  in  die  Zeit  des  Philaios, 
Telekles  und  Bathykles  anzusetzen  sein.  Die  Erwähnung  der 
Rüstungsscene  beweist,  wie  schon  Brunn  sah,  für  den  epischen  Ton 
des  Bildes,  aber  weit  eher  als  an  die  Lesche  der  Knidier  zu  Delphi 
werden  wir  uns  hier  an  die  chalkidischen  Vasen  Mon.  I  51  oder 
Gerhard  A.  V.  322  erinnern. 

Das  zweite  berühmte  altsamische  Gemälde  ist  das  von  Herodot 
IV,  88  erwähnte  Votivbild  des  Mandrokles  im  samischen  Heraion, 
der  es  von  dem  ihm  für  die  Ueberbrückung  des  Bosporus  zu  Theil 
gewordenen  Ehrensolde  als  |liv»i|uÖ(Juvov  axebin^,  wie  das  Epigramm 
angab,  gestiftet  hatte.  Es  stellte  nach  Herodot  TTCtcTav  inv  ZieOEiv 
ToO  BodTTÖpou  Ktti  ßaaiXe'a  le  AapeTov  ev  Trpoebpiri  KaTrmevov  Kai  töv 
(JTpaTov  aÜToO  biaßai'vovia  vor.  Den  Meister  des  Bildes  kennen  wir 
nicht;  Overbeck's  Irrthum,  der  in  seinen  Schriftquellen  Nr.  611 
Mandrokles  auch  für  den  Maler  des  Bildes  nahm,  hat  Förster  be- 
richtigt"''), doch  ist  es  genauer  datirbar,  als  solche  Bilder  insgemein 
zu  sein  pflegen ,  da  das  Datum  der  Ueberbrückung  zwischen  516 
und  514  fällt.  Es  der  samischen  Schule  abzusprechen,  dazu  liegt 
kein  Grund  vor,  und  ich  habe  bereits  an  anderer  Stelle  darauf 
hingewiesen ,  dass  seine  Entstehung  besonders  verständlich  wird, 
wenn  man  Analogien  der  samischen  Kunstpraxis  herbeizieht*).  Noch 
aus  der  Inhaltsangabe  Herodots    lässt  es    sich    herausfühlen,    dass 

')  Paus.  V,  19,   1,  X,  2G,  6  =  Overb.  Schriftqu.  G12  u.  613. 

')  Arch.  Zeit,  1875  S.  99. 

*)  Arch.-epigr.  Mitth.  aus  Oesterreich  IX  S.   181. 


87 

auch  in  diesem  Werke  die  epische  Kraft  der  altionischen  Kunst  zu 
Tage  getreten  sei. 

Die  Liste  der  samischen  Maler  glaube  ich  nun  mit  einem 
Namen  vermehren  zu  können.  Es  ist  der  nur  aus  Athenaios^)  be- 
kannte Sillax  von  Rhegion.  Polemon  hatte  im  dritten  Buche  r^pöc, 
'AbaTov  Ktti  'AvTiTOVOv  sein  Bild  in  der  Stoa  Polemarcheios  zu  Phlius 
ausführlich  behandelt.  Dass  Epicharmos  und  Simonides  des  Meisters 
Erwähnung -thaten ,  weiss  Athenaios  sicherlich  gleichfalls  nur  von 
Polemon ,  darin  liegt  aber  ein  ganz  besonderes  Zeugniss  für  die 
Bedeutung  des  Mannes,  und  damit  wird  auch  zugleich  seine  Chro- 
nologie fest  bestimmt.  Er  ist  ein  Zeitgenosse  der  Rheginer  Klearchos 
und  Pythagoras  gewesen,  die  bekanntlich  beide  Samier  waren,  und 
wird  wohl  auch  kaum  anders  Rheginer  geworden  sein,  als  diese 
beiden.  Weil  ich  nun  den  Namen  des  Pythagoras  von  Samos  er- 
wähne, will  ich  doch  gleich  daran  erinnern,  dass  ihn  Plinius  als 
inüio  pictor  bezeichnet.  Worauf  diese  Angabe  beruht,  wissen  wir 
leider  nicht,  das  einzige  Bild,  das  wir  von  einem  Pythagoras  kennen, 
sind  die  Chariten  des  Pariers. 

Die  Reihe  schliesst  Agatharchos,  Eudemos  Sohn.  Die  Angabe 
des  Vaternamens  bei  Harpokration  und  Suidas  lässt  die  Notiz  des 
Olympiodor  in  den  Scholien  jzu  Piatons  Phaidou,  die  Agatharchos 
unter  den  Autodidakten  aufzählt,  noch  weniger  glaubhaft  erscheinen, 
als  sie  sonst  wäre,  und  die  Möglichkeit  der  entgegengesetzten  Annahme 
betont  der  Eudemos  aus  der  Branchidenstrasse  bei  Milet®)  noch 
stärker.  Leicht  mochte  der  Meister  einer  späteren  Zeit,  die  von 
einer  samischen  Malerschule  keine  Kunde  mehr  hatte,  vereinzelt 
erscheinen.  Die  professionelle  Kunstschriftstellerei  scheint  von  ihm 
nicht  viel  Notiz  genommen  zu  haben.  Weder  Plinius  noch  Pausanias 
erwähnen  seiner  und  Vitruv  nennt  ihn  zwar,  aber  nicht  als  Maler. 
Wir  kennen  keines  seiner  Bilder  auch  nur  dem  Vorwurfe  nach  und 
können  das  scharfe  Urtheil,  das  die  Anekdote,  die  ihn  mit  Zeuxis 
zusammenführt,  enthält,  nicht  weiter  prüfen.  In  weiteren  Kreisen 
war  sein  Name  durch  einen  tollen  Jugendstreich  des  Alkibiades 
bekannt,  der  unseren  Äleister  als  vielbeschäftigten  Modedecorateur 
zeigt  und  zugleich  die  Zeit  seiner  Wirksamkeit  bis  mindestens 
Ol.  88  herabdatirt.  Anderseits  reicht  er  in  die  Zeit  des 
Aischylos    hinauf,    denn  Vitruv    berichtet  von   ihm  VII  praef.   11: 


6)  V  p.  210  B  =  Overb.  Schriftqu.  617. 
')  Löwy,  Inschr,  gr.  Bildh.  Nr.  3. 

7* 


namqiie  primum  Agatharchus  Athenis  Aeschylo  docente  tragoediam 
scaenam  fecit  et  de  ea  commentarium  reliquit.  Auf  Grund  dieser  Nach- 
richt hat  man  Agatharchos  zum  Erfinder  der  Skenographie  gemacht 
und  ihm  ein  Streben  nach  malerischer  IHusion  beigelegt,  das  ihn 
als  Vorläufer  ApoUodors  erscheinen  Hess.  Damit  stimmt  freilich 
der  Bericht  des  Aristoteles  Poet.  4  schlecht,  dass  Sophokles  die 
Skenographie  erfunden  habe,  und  ebensowenig,  was  uns  über  Apol- 
lodor  erzählt  wird,  und  bereits  Otfried  Müller  hat  es  versucht, 
zwischen  diesen  Nachrichten  zu  vermitteln;  aber  erst  jetzt,  nachdem 
Dörpfelds  glänzende  Entdeckung  uns  die  Geschichte  des  hellenischen 
Theaters  klar  gelegt  hat,  sind  wir  in  der  Lage,  die  vitruvischen 
Worte  richtiger  zu  verstehen.  Das  scaenam  fecit  hat  wohl  mit  der 
Skenographie  nichts  zu  thun,  sondern  bezieht  sich  auf  die  erste 
jener  Neuerungen,  die  aus  dem  alten  Tanzplatz  das  Theater  schufen, 
auf  die  Errichtung  des  Bühnengebäudes,  der  OKr[VY].  Im  Zusammen- 
hange damit  mag  auch  eine  Verbesserung  des  Theatermaschinerie- 
wesens stehen *J,  jedesfalls  erklärt  es  sich  so  überraschend  einfach, 
wie  Agatharchos  in  Vitruvs  Credo  kam.  Vitruv  selbst  hat  natür- 
lich die  citirte  Schrift  nicht  in  der  Hand  gehabt  und  sich  seinen 
Vorstellungen  vom  griechischen  Theater  nach  auch  nicht  gut  etwas 
anderes  dabei  denken  können,  als  dass  sie  Lehrsätze  über  Per- 
spective enthalten  müsse.  Aber  nur  was  er  excerpirte,  nicht  was 
er  vermuthete,  hat  für  uns  Zeugnisskraft. 

Damit  ist  nun  unsere  Kunde  von  der  altsamischen  Maler- 
schule zu  Ende.  Schon  Agatharchos  gehört  Samos  kaum  mehr  als 
Sillax  an,  und  demnach  scheint  es,  dass  sie  die  samische  Plastik 
nicht  überlebt  habe.  Eine  Localschule  mag  immerhin  ihr  unbe- 
achtetes Dasein  weiter  gefristet  und  vom  Ruhme  der  Ahnen  gezehrt 
haben,  darauf  weist  ein  neuer  Theodoros  von  Samos,  der  bei  Plinius 
mit  einem  ebenso  unbekannten  Stadieus  zusammen  als  Schüler  eines 
sonst  nirgends  genannten  Nikosthenes  erwähnt  wird,  aber  noch  ein- 
mal zu  Beginn  der  Diadochenzeit  tritt  ein  samischer  Künstler, 
Theon,  in  den  kleinen  Kreis  der  Grossmeister  hellenischer  Kunst®). 


')  U.  V.  Wilamowitz,  Hermes  XXI  S.  5ü7.  Zu  dem  kühneu  Ausspruche  daselbst 
H.  606  Anm.  1 :  „Eine  Schrift  des  Agatharchos  wird  man  im  Ernste  wohl  so  wenig 
ghiuben,  wie  die  grosse  Anzahl  architektonischer  Monographien  aus  ältester  Zeit, 
von     denen    Vitruv   redet",    vergl.    meine   Eriirternngen    in    dieser    Zeitschrift    IX 

*)  Mit  Recht  ist  die  von  Brunn  zuerst  erkannte  Identität  Theons  mit  Theoros 
hei  Plinius  So,   138   allgemein   angenommen   worden,    docli    glaube    ich   es  Robert 


89 

Soweit,  wie  gesagt,  die  Trümmer  der  Ueberlieferung.  Was  sie  ver- 
schweigt, lässt  uns  die  Angabe  Strabo's  über  die  samischen  Gemälde- 
gallerien  in  seiner  Beschreibung  der  Stadtanlage  von  Samos  XIV 
p.  637  C  ahnen;  sie  lautet:  'Ett'  dpiatepa  be  tö  TTpodcTTeiov  tö  Tipöq 
Tuj  'HpaiLu  Kai  ö  "l)ußpacro(;  TTOTajuoq  Kai  tö  'Hpaiov,  dpxaiov  lepöv  Kai 
veihc,  lueT««;,  oc,  vOv  TTivaKO0riKr|  eaii  ■  x^upi«;  be  toO  TrXriGou^  tOuv  ev- 
laOGa  Keijuevouv  TrivdKUJV  dWai  TrivaKo6fiKai  Kai  vaiaKOi  Tive'<;  ei(Ti 
-rrXripeiq  tojv  dpxaiuuv  lexvüuv.  Daran  schliesst  sich  die  Erwähnung 
der  Statuensammlung  im  Hypäthron  des  Tempels.  Auch  dass  hier 
der  bekannte  Wettkampf  zwischen  Parrhasios  und  Timanthes  statt- 
fand, zeigt,  dass  die  Hera  von  Samos  der  Malerkunst  gewogen  war. 
Das  Erbe  der  samischen  Schule  traten  Kolophon  und  Ephesos 
an.  Dionysios  und  Parrhasios  sind  die  ersten  grossen  Vertreter 
dieser  beiden  Kunststätten,  und  der  grösste  aller  ionischen  Maler, 
Apelles,  ist  bekanntlich  qpüaei  Kolophonier,  öe'aei  Ephesier.  Mit  ihm, 
so  scheint  es  wenigstens,  erhält  erst  die  Schule  den  Beinamen  der 
ionischen,  den  sie  gegen  ihren  alten,  den  der  asiatischen  eintauscht; 
es  liegt  diesem  Wechsel  der  Bezeichnung  die  Thatsache  zu  Grunde, 
dass  sie  nun  die  einzige  Vertreterin  der  ionischen  Malerei  geworden 
ist,  nachdem  die  helladische  Schule,  gleich  ihr  ionischen  Ursprunges, 
aufgehört  hatte  ionisch  zu  sein  und  die  verschiedenen  Elemente, 
die  sie  vereinigte,  zu  einem  Theile  in  der  attischen  und  zum  anderen 
in  der  sikyonischen  Schule  aufgegangen  waren. 

Die  helladische  Schule  beginnt  mit  Polygnot.  Vor  ihm  war 
die  Schule  von  Thasos  eine  Localschule,  die  vermuthlich  in  enger 
Verbindung  mit  der  von  der  Mutterinsel  Faros  stand,  indess  wir 
wissen  von  ihr  nichts  mehr  als  den  Namen  des  Vaters  Polygnots^ 
und  auch  den,  wie  jetzt  die  Theoreninschriften  von  Thasos  zeigen^), 
nicht  in  der  richtigen  Form.  Es  ist  ein  hübscher  Zufall,  dass  uns 
diese  Inschriften  fast  die  ganze  Reihe  der  literarisch  bekannten 
thasischen  und  parischen  Malernamen  aufzählen,  zumal  jeder 
Identificationsversuch  durch  ihre  Datirung  ausgeschlossen  bleibt. 
Neben  TToXuYvaixoq  'AY\uuqpuJVTO(;  erscheinen  zwei  verschiedene 
'ApicTToqpujv,  dann  NiKtivuup  und  'ApKe(Ji\euj(g.  Wir  können  daraus 
betreffs   der   beiden  letzten  Namen    den  Schluss    ziehen,    dass    die 


nicht,  dass  der  erstere  Name  ein  Hj'pokoristikon  des  letzteren  sei.    An  Theon  und 
Theoros  erinnert  stark  der  Theon  Theonos  Löwy,  Inschi*.  gr.  Bildh.  209. 

'■')  Beeilte],   Abhandlungen   der   Göttinger   Ges.  d.  Wiss.  1885  S.  10.   16.  17. 
21.  23. 


90 

Parier  Nikanor  und  Arkesilaos  des  Plinius  sich  eine  ähnliche  Zu- 
rechtlegung ihres  Namens  wie  Agiophon  haben  gefallen  lassen 
müssen.  Die  drei  ersten  Namen  beweisen,  dass  die  Familie  des 
Agiophon  noch  spät  in  Thasos  eine  hervorragende  Stellung  ein- 
genommen hat,  denn  wir  dürfen  doch  diese  Theorensteine  als  heraus- 
gerissene Blätter  eines  Adelsbuches  betrachten. 

Ich  weiss  wohl,  dass  ich  nun,  da  einmal  das  Stichwort  ge- 
fallen ist,  auch  das  Recht  hätte  über  Polygnot  mein  Sprüchlein 
zu  sagen,  und  wenn  es  mir  nun  widerstrebt  es  hier  zu  thun,  so 
ist  dabei  vor  Allem  der  Gedanke  massgebend  gewesen,  dass  ja 
binnen  Kurzem  von  anderer  Seite  in  grösserem  Zusammenhange 
über  den  gewaltigsten  Dichter  unter  allen  hellenischen  Künstlern 
gesprochen  werden  wird^°).  Aber  einer  Kleinigkeit,  die  ich  am  Wege 
finde,  darf  ich  doch  wohl  erwähnen  und  dazu  an  Dttmmler's  ge- 
haltreichen Aufsatz  im  II.  Bande  des  Arch.  Jahrbuches  anknüpfen^""). 
Der  Nachweis  einer  Gruppe  thasischer  Vasen,  die  von  dem  Wirken 
des  grossen  Landsmannes  besonders  eindringliches  Zeugniss  geben 
(hängt  mit  ihr  vielleicht  auch  der  Vasenmaler  Polygnot  zusammen?) 
ist  sicherlich  dankenswerth,  und  ich  stimme  gerne  auch  darin  mit 
Dümmler  überein,  dass  es  Polygnot  gewesen  sei,  der  den  Odysseus- 
typus  geschaffen  habe.  Wenn  nun  Dümmler  die  Frage  nach  der 
Herkunft  des  Penelopetypus  stellt  und  auch  dabei  an  Polygnot  zu 
denken  geneigt  ist,  so  glaube  ich,  dass  es  an  der  Zeit  wäre,  die 
vielbehandelte  Stelle  des  Plinius  von  der  Penelope  des  Zeuxis  einer 
erneuten  Betrachtung  zu  unterziehen.  Plinius  erwähnt  bekanntlich 
dieses  Bild  35,  63  mit  den  Worten:  fecit  et  Penelopen  in  qua pinxisse 
mores  videtur,  und  setzt  sich  damit  in  den  schärfsten  Widerspruch 
mit  Aristoteles,  der  Poet.  (),  11  ganz  trocken  ausspricht:  fi  be 
ZeuEiboq  Tpctqpn  oubev  e'xei  f\Boc,.  Schon  Otto  Jahn  hat  alle  Ver- 
suche, diesen  Gegensatz  wegzuleugnen  oder  wegzucorrigiren,  abge- 
than,  doch  kann  ich  seiner  Auffassung  nicht  beipflichten,  die  in 
diesem  Gegensatze  eine  Wandlung  des  Kunsturtheiles  erblickt  i'). 
Gewiss    zweifelt  kein  Einsichtiger    daran,    dass   es  solcher  Wand- 


'")  Vergl.  inzwischen  die  Eiörterungen  in  der  atheniseiien  arcliaeologischeu 
Ephimeris  1887   S.   124  flf. 

•"')  Zu  den  daselbst  S.  173  aufgezählten  Beispielen  des  thasischen  Gebrauches 
des  n  auf  Vasen  füge  ich  noch  Panofka  Cab.  Pourtalhs  -  Oorgier  Taf.  25  mit  der 
Inschrift  A((piXuj<;  und  die  Vasen  mit  der  Lieblingsinschrift  des  Kleiniaa  (siehe 
HeydemannH  Vasonsamml.  zu  Neapel  Nr.  3125)  hinzu. 

")  Berichte  der  sächs.  Gesellschaft  der  Wiss.   1850  S.   105  ff. 


91 

lungen  auch  innerhalb  der  Antike  gegeben  habe,  aber  ein  so 
bestimmter  Ausspruch  des  Aristoteles  hat  doch  auch  da  dogmatische 
Geltung  gehabt,  und  so  geradezu  wird  demselben  kaum  wider- 
sprochen worden  sein.  Und  anderseits  verhält  sich  die  monumen- 
tale Ueberlieferung  zu  dieser  Penelope  des  Zeuxis  recht  auffällig 
ablehnend.  Sie  zeigt  uns  einen  Penelopetypus  malerischen  Ur- 
sprunges voll  des  herrlichsten  Ethos,  aufweichen  die  plinianischen 
Worte  völlig  passen  würden,  stünde  der  Künstlername  nicht  dabei, 
der  aber  doch  keinem  seiner  Leser  die  unwillkürliche  Erinnerung  an 
die  vaticanische  Statue  und  ihre  Wiederholungen  ersparen  wird^^). 
Ich  glaube,  die  Schwierigkeit,  welche  die  plinianische  Stelle  bietet,  ist 
nur  dadurch  zu  lösen,  dass  wir  sie  mit  der  monumentalen  Ueber- 
lieferung zusammenhalten,  die  uns  den  rechten  Weg  weist.  Das 
Penelopebild  hat  sich  offenbar  bei  Plinius  nur  in  den  Katalog  der 
Werke  des  Zeuxis  hineinverirrt  und  stammt  aus  dem  Polygnots, 
dessen  Ethos  es  exemplificiren  sollte.  Durch  welchen  Zufall  es 
an  die  Stelle  der  Helena  gerieth,  die  unser  Autor  fast  verschweigt, 
ist  nicht  auszumachen,  aber  derlei  Zufälle  spielen  bei  Plinius 
eine  grosse  Rolle.  So  ist  gleich  in  demselben  Satze  der  berühmte 
Ausspruch  Apollodors  dem  Zeuxis  zugeschrieben,  so  kommt  bei 
ihm  Praxiteles  zur  Ehre,  die  Tyrannenmörderstatuen  gemacht  zu 
haben:  dass  er  ihm  dafür  34,  64  den  Satyr  aus  der  Tripoden- 
strasse  wegnimmt  und  Lysippos  zutheilt,  hat  man  meines  Wissens 
noch  nicht  bemerkt,  sicher  ist  es  aber  darum  nicht  weniger;  auch 
die  Confusion,  die  er  unter  den  olympischen  Werken  des  Pytha- 
goras  anrichtet,  gehört  hieher.  Ein  andermal  weist  er  ein  be- 
rühmtes Bild  des  Parrhasios  dem  Euphranor  zu^^).  Das  Nächst- 
liegende bleibt  aber  doch  wohl  seine  verkehrte  Aufzählung  der  Tetra- 
chromenmaler, für  die  ich  auf  die  vorhergehende  Studie  S.  203 
verweisen  darf.  Die  Anzahl  der  Beispiele  wäre  leicht  zu  vermehren, 
aber  wem  das  Gebotene  nicht  genügt,  dessen  Glauben  wird  kaum 
zu   erschüttern  sein. 

Und  nun  zu  dem  anderen  Sohne  Agiophons,  zu  Aristophon.  — 
Ich  sehe  keinen  Grund  zu  der  von  Brunn  in  seiner  Künstler- 
geschichte vertretenen  und  in  Overbeck's  Schriftquellen  graphisch 
dargestellten  Anschauung,  die  ihn  in  Gegensatz  zu  seinem  grösseren 
Bruder  bringt.    Vor  Allem    scheint  mir  dies  nicht  aus  jenem  seiner 


*')  Studniczka's  glückliche  Eeconstruction  stellt  die  Frage  noch  schärfer. 
")  Vgl.  unten  S.   126. 


92 


Bilder  hervorzugehen,  das  uns  Plinius  als  numerosa  tabula  vorführt, 
in  qua  sunt  Priatmis  Helena  Credulitas  Ulixes  Deiphobus  Dolus.    Aus 
diesem  Personenverzeichniss  hat  Otto  Jahn  die  dargestellte  Handlung 
errathen  zu  können  geglaubt.  Er  meinte:  „Es  muss  eines  der  Aben- 
teuer   des    Odysseus    aus    der   letzten  Zeit    der  Belagerung  Trojas 
sein,    nachdem  Paris  gefallen    und  Helena   mit  Deiphobus  vermalt 
war.  Zunächst  denkt  man  an  die  TrTuuxeia",  und  Hess  dem  Odysseus 
den  Dolus,    in  welchem    er   die  'Attoit)!   erkennt,    zur  Seite   stehen, 
während    er    der  Credulitas    den   Platz    zur    Seite    des    betrogenen 
Priamos  anwies").  Eine  neuere  Variation  dieser  Hypothese  nimmt 
einen  Angriff   des   Deiphobos     auf    den    verkappten    Odysseus    an, 
welchen  Credulitas  und  Dolus  vereiteln  ,  nach  Analogie  jener  Dar- 
stellungen der  Rückerlangung  der  Helena,  wo  Aphrodite  und  Peitho 
den  Angriff  des  Menelaos  verhindern ^5).  Dass  sich  dann  beide  Dar- 
stellungen in  einem  und  demselben  Helena-Cyclus  zusammenfinden, 
ist  ja   eine  fast  nothwendige  Consequenz    dieser  Anschauung.    Mit 
der    literarischen    Ueberlieferung    dieses  Abenteuers    stimmen  beide 
Reconstructionsversuche  gleich  wenig,  beide  ruhen  auf  einer  Grund- 
lage,   deren  Berechtigung  in  Zweifel  gezogen  werden  muss.    Jahn 
fand    es    bemerkenswerth ,     dass    Plinius    ein    Gemälde    mit    sechs 
Figuren    eine   numerosa  tahula  nenne,  und  die  Beispiele,  die  er  für 
den  Gehrauch  dieses  Wortes   herbeibringt,    nöthigen   ihm    die  vor- 
sichtige Frage  ab:    „oder    hätte  er  nicht  alle  Figuren  angeführt?" 
Gewiss  nicht,    denn  Brunn's  Versuch,    die  Bezeichnung   der  tahula 
als  numerosa  durch  ihren  Reichthum  an  Motiven  erklären  zu  wollen, 
ist  doch  einfach  unzulässig.  Hat  aber  Plinius  die  sechs  Figuren  aus 
einem  grösseren  Zusammenhange    so    herausgerissen,    wie    es    ihm 
bequem  war,    können  wir  dann  an  eine  Herstellung  noch  denken? 
Ich  glaube  ja,  sie  ergibt  sich  von  selbst,  wenn  wir  die  eine  Credu- 
litas schärfer  in's  Auge  fassen.    Ist  Dolus  die  'ATrairi,    dann  steckt 
in  diesem  Gewände  neben  Helena  die  Heieib,    und  nun  sind  sofort 
alle  übrigen  Figuren    an  ihrem  rechten  Platz    und   die  Hauptscene 
des  grossen  Iliupersisbildes  steht  vor  uns.    Nur  für  die  Apate  fehlt 
bisher  hier  das  ausdrückliche  Zeugniss  der  monumentalen  Ueberlie- 
ferung,   aber  wie  sie  auf  der  Perservase    neben  der  Asia  steht   als 
sittliche  Macht,    so  stand   sie  auch  hier  nicht   als  Nothhelferin  des 
schlauen  Odysseus,  sondern  den  göttlichen  Rathschluss  vollstreckend. 


'*)  Arch.  Zeit.  1847  S.   127. 

")  Studniczka  bei  Dümmler  a.  a.  0. 


93 

Damit  ist  aber  auch  zugleich  die  Frage,  wie  Aiistophon  zu 
seinem  Bruder  stand,  im  Grossen  und  Ganzen  wenigstens,  erledigt. 

Das  zweite  uns  von  Plinius  überlieferte  Bild  soll  den  verwun- 
deten Ankaios  mit  seiner  schraerzergriffenei-i  Mutter  Astypalaia  dar- 
gestellt haben,  ich  kann  aber  die  Vermuthung  nicht  unterdiücken, 
dass  diese  alte  Deutung  für  uns  keine  bindende  Kraft  hat.  Der 
verlegene  Mythos  aus  der  samischen  Urgeschichte,  der  wie  aus- 
drücklich herbeigezogen  erscheint,  damit  wir  nur  nicht  an  das 
Nächstliegende,  an  Adonis  und  Aphrodite  denken,  hätte  nur  An- 
spruch auf  Geltung,  wenn  wir  wüssten,  dass  Inschriften  ihn  hier 
bezeugten.  Stammt  aber  diese  Deutung  nicht  etwa  von  Duris  von 
Samos,  der  ja  auch  als  Abkömmling  des  Alkibiades  sich  für  Bilder 
des  Aristophon  interessiren  mochte  ? 

Ein  drittes  Bild  unseres  Meisters,  einen  Philoktet,  erwähnt 
Plutarch  zweimal  mit  der  Statue  der  lokaste.  Ich  vermuthe,  es  ist 
dasselbe  Philoktetbild,  welches  Pausanias  in  der  Pinakothek  der 
Propylaien  angibt  und  das  man  so  lange  beharrlich  Polygnot  zuge- 
theilt  hat.  In  dieser  Pinakothek  war  Aristophon  schon  durch  seine 
Verherrlichung  des  Alkibiades  vertreten,  aber  freilich  gerade  hier 
schwankt  die  Ueberlieferung  zwischen  ihm  und  Agiophon.  Wir 
werden  also  zunächst  die  Zeugen  verhören.  Zuerst  Satyros,  der  bei 
Athenaios  XII  p.  534,  die  Sache  ausführlich  erzählt:  'AqpiKÖ|uevo^ 
b' ('AXKißidbiK)  'ABrivriciv  eg  '0\u)HTTia(;  büo  TTivaKa(;  dveG^Kev  'AT^ao- 
cpüJVToq  Tpaqpnv  u)v  6  |uev  eixev  '0Xu|U7Tidba  Kai  TTuöidba  CTTeqpavouaaq 
aÖTÖv,  ev  be  9aTepLU  Neiuea  i^v  Ka0)-||uevr|  Km  em  xujv  Tovaiuiv  amr\<; 
'A\Kißidbr|<;  KaWiuiv  qpaivöjiievoe;  tujv  YuvaiKeiujv  TrpoauuTruuv.  Dagegen 
Plutarch  Alcibiades  c.  16:  ApicTToqpujVTo«;  be  Nejueav  Ypdipavto^  ev  Tai<; 
dTKdXai(;  amr\(;  Kaeri)Lievov  'AXKißidbrjv  e'xouaav,  eBeuJVTO  Kai  cruve- 
xpexov  xc'i'povTeq*  o'i  be  TrpecrßuTepoi  Kai  toutoi^  ebuö"xepaivov ,  wq 
TupavviKoT^  Ktti  TTapavojuoic;.  Dieses  Bild  hat  auch  Pausanias  ge- 
sehen ,  der  aber  leider  bei  seiner  Erwähnung  den  Künstler  anzu- 
geben unterlässt,  I  22,  6:  Ypaqpai  be  eidi  Kai  dXXai  Kai  'AXKißidbii«;, 
iTTTTUJV  be  Ol  viKr|<;  Tii(;  ev  Neiiiea  ecrii  ör||ueTa  ev  Tri  TPO^pi]-  Man  hat 
auf  zweifache  Weise  versucht  eine  Uebereinstimmung  zwischen  der 
Stelle  bei  Athenaios  und  der  des  Plutarch  herzustellen,  indem  man 
entweder  dort  oder  hier  operativ  eingriff.  Brunn  schreibt  bei  Athe- 
naios ['ApicTToqpuJVTo«;  Toö]  'ATXaocpüuvToq,  Kroker  zieht  vor  bei 
Plutarch  'AYXaocpuJVTo?  be  [toO  'ApiöTocpujVTOi;]  zu  lesen,  und  die 
Antwort  auf  diese  Frage  soll  zugleich  über  Sein  oder  Nichtsein 
des  jüngeren  Agiophon  entscheiden.    Stünde  die  Sache   so  einlach, 


94 

man  könnte  sich  dann  damit  genügen  lassen ,  der  Brunn'schen 
Lesung  zuzugestehen,  dass  sie  auf  besserem  Fundamente  ruht ;  aber 
zu  welchem  der  beiden  Mittel  man  greifen  möge ,  die  gesuchte 
Uebereinstimmung  ist  damit  nicht  hergestellt,  Satyros  beschreibt 
zwei  (zugleich  aufgestellte)  Bilder,  Plutarch  wie  Pausanias  kennen 
nur  eines.  Die  naheliegende  Annahme,  das  zweite  Bild  sei  in  der 
Zwischenzeit  verschwunden,  erscheint  in  diesem  Falle  kaum  statt- 
haft, indem  wir  die  Quelle  Plutarchs  hier  noch  etwas  über  Satyros 
hinauf  verfolgen  können.  Als  Ansatzpunkt  dient  der  etwas  unver- 
ständliche Ausdruck  irapdvoiuoq ;  welches  Gresetz  sollte  denn  Alki- 
biades  mit  einem  solchen  Bilde  verletzt  haben,  muss  sich  der  Leser 
Plutarch's  fragen.  Die  Antwort  gibt  Polemon,  der  in  seinem  Werke 
über  die  Akropolis  eines  Psephisma  erwähnt,  das  den  Athenern 
verwehrte,  einer  Sklavin  oder  Freigelassenen,  einer  Flötenspielerin 
oder  Hetäre  den  Namen  einer  Penteteris  beizulegend^).  Und  jeden 
Zweifel,  dass  der  Perieget  dieses  Psephisma  wirklich  zu  unserem 
Bilde  citirte,  schliesst  der  Umstand  aus,  dass  sowohl  Harpokration 
wie  Athenaios  dieses  polemonische  Fragment  unter  dem  Schlagwort 
Nejuea  bringen.  So  bleibt  denn  nur  die  Annahme  übrig:  Satyros 
habe  aus  einem  Bilde  zwei  gemacht.  Das  würde  auch  dann  schon 
wahrscheinlich  sein,  wenn  uns  sein  Bericht  allein  vorläge.  Denn 
erstlich  begreift  man  kaum,  warum  gerade  für  die  olympischen 
und  pythischen  Siege  ein  gemeinsames  Bild,  für  den  nemeischen 
aber  ein  besonderes  geweiht  wird ,  zumal  wenn  Satyros  den  Alki- 
biades  dieses  anlässlich  seiner  Rückkehr  aus  Olympia  thun  lässt; 
und  dann  ist  die  Phrase  'AXKißidöriq  KaXXiujv  qpaivöjuevoq  tujv  Y^vai- 
Keiujv  TTpocTuüTTUJV  gerade  zum  Nemeabild  so  übel  angebracht,  dass 
sie  uns  allein  schon  den  rechten  Weg  weist.  Künstlerisch  aber  ist 
der  Vorwurf,  Alkibiades  im  Schosse  der  Nemea  von  Olympias  und 
Pythias  bekränzt,  gewiss  wirksam,  während  die  matte  Zerlegung 
sich  selbst  richtet.  Auch  die  Vertheilung  der  Rollen  begreift  man 
leicht.  Olympias  und  Pythias  sind  begriffliche  Constructionen,  sie 
können  nur  Kränze  verleihen ,  die  Nemea  dagegen  hat  volles 
mythisches  Leben,  wie  sie  denn  auch  Nikias  auf  dem  Rücken  ihres 
Löwen  thronend  malte;  da  ist  es  doch  kaum  sehr  verwunderlich, 
wenn  sie  hier  im  Mittelpunkte  der  Composition  dem  Bilde  den  Namen 
gab.  Was  aber  die  Frage  nach  dem  Äleister  des  Bildes  anlangt, 
80  möchte  ich  die  Behauptung  aufstellen,  dass  sie  nicht  nothwendig 


^)  Die  Stellen  bei  Jalin-Michaelis  Paus,  descr.  archis  Ath,  Ö.  4. 


95 

eine  textkritisehe  sein  muss,  sondern  vielleicht  mit  besserem  Rechte 
in  der  Quellenkritik  ihre  Entscheidung  findet.  Brunn  hat  die  Ver- 
drängung des  Künstlernamens  durch  die  Angabe  des  Vaters  ver- 
muthungsweise  dem  Athenaios  zur  Last  gelegt,  ich  glaube  nach 
dem  Gesammteindruck,  den  der  Bericht  des  Satyros  macht,  wird 
es  nicht  schwer  fallen,  ihm  selbst  auch  dieses  Versehen  zuzumuthen. 
Doch  meine  ich  nicht,  dass  mit  dieser  Entscheidung  der  jüngere 
Aglaophon  einfach  von  der  Liste  der  griechischen  Künstler  zu 
streichen  ist,  aber  jedesfalls  wird  er  zu  einer  schattenhaften  Gestalt, 
die  eine  weitere  Behandlung  kaum  lohnt. 

Es  sind  die  Namen  des  Mikon  und  Panainos,  an  Avelche  unsere 
Ueberlieferung  die  Reception  der  ionischen  Malerei  in  Athen  knüpft, 
und  beide  Namen  geben  uns  die  gleiche  Gewähr,  dass  dieses  Er- 
eigniss  nicht  auf  das  Gebiet  der  Malerei  allein  beschränkt  geblieben 
ist.  Mikon  ist  selbst  Bildhauer,  Panainos  gehört  der  Familie  des 
Phidias  an.  Die  Strömung,  die  jetzt  auf  dem  Gebiete  der  bildenden 
Kunst  zu  Tage  tritt,  sie  hat  die  ganze  attische  Cultur  erfasst  und 
in  neue  Bahnen  gelenkt.  Selbst  am  Alphabete  vermögen  wir  das 
rapide  Steigen  des  ionischen  Einflusses  wie  an  einem  selbstregistri- 
renden  Apparate  abzulesen  ^'^).  Und  gerade  durch  diese  Erkenntniss 
ist  das  einzige  Argument  hinfällig  geworden,  mit  dem  man  Mikons 
Athenerthum  angefochten  hat.  Nicht  bloss  die  Ueberlieferung  nennt 
ihn  einen  Athener,  er  selbst  nennt  sich  auf  der  olympischen  Basis 
des  Kalliasdenkmals  so,  und  zu  Athen  gibt  er  sich  einfach  als  Sohn 
des  Phanomachos.  Aber  die  Lischrift  der  Kalliasbasis  ist  rein 
ionisch  und  die  Inschrift  von  der  Akropolis  zeigt  bei  sonst  atti- 
schem Charakter  einzelne  ionische  Elemente.  Daraus  hat  Fränkel 
die  Annahme  abgeleitet  und  als  unabweisbar  hingestellt,  Mikon  sei 
von  Geburt  lonier  gewesen  und  erst  später  zu  Athen  ansässig  ge- 
worden, und  ihm  haben  Roehl  und  Loeschckc  beigestimmt^**).  Rich- 
tiger hat  Löwy  die  Sachlage  beurtheilt^^j.  Das  ionische  Alphabet 
der  olympischen  Inschrift  an  der  Basis  der  Statue  eines  so  vor- 
nehmen Atheners  mag  immerhin  interessant  sein,  für  die  Heimat 
des  Künstlers  beweist  es  an  und  für  sich  nicht  viol,  und  die  attische 
Inschrift  stimmt  nicht  mit,  sondern  gegen  jene,  d  >nn  lonismen  um 
Olympias  80  sind  jetzt  nichts  Auffälliges  mehr.   Dazu  kommt  noch, 


»')  Ulrich  Köhler,  Ath.  Mitth.   1885  S.  359. 

")  Arch.  Zeit.   187G  S.  227  ;  Inscr.  gr.ant.  l^r.  idS;  Dorpater  Progr.   1887  S.  8. 

'^)  Inschr.  griech.  Bildhauer  Nr.  41. 


96 

dass  ihn  auch  seine  uns  bekannten  Werke  als  Athener  verrathen, 
die  beiden  für  Athener  gearbeiteten  Statuen,  wie  seine  Bilder,  von 
denen  bloss  eines,  die  Argonauten,  nicht  dem  attischen  Sagenkreise 
angehört,  während  die  Theseusthaten  wie  die  Amazonoraachie  durch 
ihn  ihre  Verherrlichung  gefunden  haben.  Auch  sein  längst  aner- 
kannter Einfluss  auf  die  attische  Vasenmalerei,  wie  seine  grosse 
Popularität  in  Athen,  welche  Aristophanes'  Erwähnung,  das  Sprichwort 
vom  Butes,  Simons  Urtheil  über  seine  Pferde,  wie  die  Prozess- 
legende bezeugen,  und  die  schliesslich  so  weit  geht,  dass  er  die 
Marathonschlacht  gemalt  haben  soll,  alles  das  legt  für  sein  echt- 
bürtiges  Athenerthum  Zeugniss  ab. 

Von  den  sieben  Gemälden,  die  Overbecks  Schriftquellen  von 
ihm  aufzählen,  sind  leider  zwei  in  Abzug  zu  bringen.  Zunächst 
die  Marathonschlacht,  die  Panainos  gemalt  hat.  Das  geht  aus  der 
Uebereinstimmung  des  Plinius  und  Pausanias  hervor,  die  beide 
Panainos  allein  als  den  Meister  des  Werkes  nennen.  Zwar  weiss 
Aelian  davon  zu  erzählen,  dass  man  bezüglich  der  Zutheilung  dieses 
P)ildes  zwischen  Polygnot  und  Mikon  schwanke,  aber  dieser  Irr- 
thura  ist  sehr  begreiflich.  Die  Amazonen-  und  die  Perserschlacht 
flössen  leicht  ineinander,  auch  Plinius  vertheilt  einmal,  obgleich  er 
den  Ursprung  des  Marathonbildes  kennt,  die  Werke  in  der  Stoa 
poikile  zwischen  Polygnot  und  Mikon,  und  der  Zeugnisswerth  der 
Stelle  des  Sopatros  ist  gleich  Null'").  Die  conciliatorische  Kritik 
hndet  freilich  auch  hier  ihren  gewohnten  Ausweg,  indem  sie  Mikon 
und  Panainos  gemeinschaftlich  arbeiten  lässt  und  dem  Letzteren, 
seinen  stärkeren  Ansprüchen  zu  Liebe,  den  Hauptantheil  zuweist'^'). 
Indess,  solche  Hausmittel  verfangen  nicht  mehr. 

Das  zweite  dem  Mikon  fälschlich  beigelegte  Bild  ist  Nr.  7 
bei  üverbeck,  „Tlieseus  Ende"  überschrieben.  Liest  man  die  ab- 
gedruckte Pausaniasstelle  unbefangen,  so  wird  man  den  Anlass, 
hier  ein  Bild  hinein  zu  interpretiren ,  kaum  finden  können.  Erst 
wenn  man  das  beigefügte  Citat  nachschlägt,  merkt  man,  dass  es 
sich  um  einen  frommen  Wunsch  nach  einem  kleinen  Cyclus  und  nach 

'")  tiein  Anklagethema  gegen  Mikon,  er  habe  die  Barbaren  grüs.ser  gemalt 
als  die  Hellenen,  ist,  wie  die  Beschreibungen  der  Marathonomachie  lehren,  einfach 
erfunden.  Ich  denke,  es  ist  ihm  dafür  nicht  mehr  zu  Gebote  gestanden,  als  un.-? 
noch  heute,  das  lykurgische  Fragment  aus  Harpokration ,  das  ohne  Angabe  des 
Grundes  von  einer  Verurtheilung  unseres  Meisters  zu  einer  Geldstrafe  von  einem 
halben  Talente  berichtet. 

■■")  Jahn,  Arch.  Aufs.  S.   ID;  Bruiui,  Künstlcrg.  II  .*<.   1'.). 


97 

Ausfüllung  der  vierten  Wand  handelt.  Geht  man  aber  gar  so 
weit,  den  Pausanias  selbst  nachzuschlagen,  so  wird  man  seinen 
Excurs  über  die  letzten  Schicksale  des  Theseus  ganz  begreiflich; 
finden:  er  gibt  ja  zum  Schlüsse  desselben  den  Grund  an,  nicht  ein 
Bild  im  Theseion,  sondern  dieses  selbst,  der  Anlass  seiner  Errich- 
tung führte  ihn  darauf.  Auffallend  bleibt  es  uns  freilich,  dass  die 
vierte  Wand  des  Theseion  nicht  bemalt  war,  aber  es  scheint  das 
Bedürfniss  nach  einem  solchen  Abschlüsse  damals  gar  nicht  vor- 
handen gewesen  zu  sein.  Die  Stoa  poikile  zählte  ursprünglich  auch 
bloss  drei  bemalte  Seiten,  denn  die  Schlacht  von  Oinoe  wurde  erst 
spät  hinzugefügt,  drei  Seiten  schmückte  auch  noch  Euphranor  in 
der  Stoa  basileios  mit  Gemälden,  und  sonst  sind  es  bloss  die  beiden 
Langseiten,  die  bemalt  wurden,  wie  in  der  Lesche  zu  Delphi,  im- 
Anakeion,  im  Tempel  der  Athena  Areia  in  Plataiai;  so  haben  Kimon 
und  Dionysios,  Damophilos  und  Gorgasos  gemalt.  Der  Punkt  ver- 
dient klarer  gelegt  zu  werden,  denn  nicht  nur  am  Theseion  und 
an  der  Stoa  poikile  hat  man  die  wirkliche  Sachlage  verkannt,  auch  der 
apokryphe  Freskencyclus  der  Pinakothek  hat  die  Forschung  lange 
genug  in  Athem  gehalten,  und  auch  das  letzte  Beispiel  dieser  Gat- 
tung, die  vier  unter  diesem  Gesichtspunkte  bei  Overbeck  Schriftqu. 
Nr.  1126  aufgezählten  Gemälde  eines  dionysischen  Cyclus,  hält  nicht 
Stich,  da  diese  Bilder  nicht  einem,  sondern  zwei  Tempeln  angehören..;- 
So  meine  ich  werden  auch  die  jüngst  aufgestellten  Hypothesen,; 
über  Gemäldecyclen  dieser  Zeit  die  Wege  der  früheren  gehen'''), 
glaube  aucb,  dass  man  vielleicht  gut  thäte,  jenes  Schlagwort  über- 
haupt späteren  Perioden  aufzusparen  und  für  die  polygnotische  auch> 
in  diesem  Sinne  nachdrücklicher  auf  das  Beispiel  der  attischen 
Schalenmalerei  hinzuweisen. 

Es  bleibt  noch  fraglich,  ob  die  drei  Bilder  des  Theseion 
sämratlich  von  Mikon  herrühren.  Pausanias  scheint  von  einer  Be-- 
theiligung  Polygnots  hier  keine  Kenntniss  zu  haben,  aber  bei  Har-' 
pokration  ^^)  hat  man  doch  statt  ev  iiu  9r|(jaupiu  sehr  wahrscheinlich 
ev  TU)  0naea)(;  lepuj  gelesen.  Die  Amazonoraachie  wird  wohl  sicher 
für  Mikon  bleiben  müssen  und  wir  erübrigen  bloss  die  Kentauro- 
machie,  und  gerade  hier  bietet  die  reiche  monumentale  Ueberliefe- 
rung  nichts  specifisch  Polygnotisches.  Aber  selbst  die  Richtigkeit 
jener  Conjectur  zugegeben,  steht  uns  der  Zweifel  an  der  Giltigkeit 

■'-)  Arcb.  Jahrb.  II  S.  171  u.  170. 
")  Schriftqu.  1042. 


98 

der  Angabe  frei.  Anders  liegt  die  Sache  bei  dem  auch  dort  er- 
wähnten Anakeion.  Da  theilt  Pausanias  die  Hochzeit  der  Leukip- 
piden  dem  Polygnot,  die  Argonauten  dem  Mikon  zu,  und  über 
dieses  Bild  habe  ich  noch  ein  paar  Worte  anzufügen.  Was  war 
hier  dargestellt?  Pausanias  gibt  an:  Tovg  jueid  '\ä.aovoc,  ec,  KöXxouq 
TTXeü(JavTa<s  •  Kai  oi  T\]q  fpaqpfjq  f]  cTTTOubii  jnaXiaia  ic,  "AKacriov  Kai 
Tou<;  'iunovc,  e'xei  touc;  'AKdcTTOu,  und  Vlll  11,  3  erinnert  er  sich, 
dass  den  Töchtern  des  Pelias  in  diesem  Bilde  die  Namen  Astero- 
peia  und  Antinoe  beigeschrieben  waren.  Daraus  hatte  einst  Böt- 
tiger-^)  den  Schluss  gezogen,  dass  die  Rückkehr  der  Argonauten 
dargestellt  war,  und  das  ist  seitdem  nachgeschrieben  worden.  Indess 
wer  sich  die  Sache  überlegt,  wird  darauf  kommen  müssen,  dass 
die  Leichenspiele  für  Pelias  hier  gemalt  waren.  Die  passen  auch 
zum  Hochzeitbild  als  Gegenstück  und  passen  auch  in  das  Ana- 
keion, denn  an  diesen  konnte  der  rühmliche  Antheil  der  Dioskuren 
und  ihre  mythische  Bedeutung  für  die  Agone  recht  gut  zum  Aus- 
druck kommen. 

Mikons  Genosse  Panainos  wird  in  der  Ueberlieferung  als 
Bruder  oder  Neffe  des  Phidias  bezeichnet.  Böttiger  hat  das  Wort 
dbeXq)iboO(;  bei  Strabo  VIH  p.  354  irrthümiich  mit  Vetter  übersetzt, 
dieser  Irrthum  hat  sich  auch  in  Brunns  Künstlergeschichte  einge- 
schlichen, und  damit  war  einer  vermittelnden  Kritik  Thür  und  Thor 
geöffnet.  Indess  wir  werden  auch  hier  die  Alternative,  vor  die  wir 
gestellt  sind,  anerkennen  und  das  Urtheil  finden  müssen.  An  und 
für  sich  betrachtet  hat  das  dbeXcpiboO^  mehr  Wahrscheinlichkeit  für 
sich  als  das  dbeXqpöi;  und  f rater.  Aber  nicht  bloss  die  Zahl,  son- 
dern auch  der  Werth  der  Zeugnisse  spricht  dagegen:  Pausanias, 
Plinius  und  Plutarch"**')  einerseits,  denen  JStrabo  allein  gegenüber- 
steht. Dazu  kommt  als  entscheidend  die  chronologische  Schwierig- 
keit. Der  Neffe  des  Phidias  kann  nicht  gleichzeitig  mit  Polygnot 
und  Mikon  in  der  Stoa  poikile  malen  ,  und  der  Ausweg,  das  Bild 
der  Marathonschlacht  später  anzusetzen,  scheint  mir  verschlossen. 
Nicht  etwa  weil  es  das  Mittelbild  war ;  dass  man  sich  darüber  allen- 
falls hinwegsetzen  könnte,  habe  ich  früher  gezeigt,  auch  fände  man 
in  der  mehrfach  erwähnten  Stelle   des  Plinius  über  die  Ausmalung 


'*)  Ideen  zur  Archäologie  der  Malerei  S.  259. 

'**)  An  der  Identität  des  de  glor.  Ath.  2  als  Phidias  Bruder  angeführten  Plei- 
stainetos  mit  unserem  Panainos  kann  nicht  gezweifelt  werden,  dafür  bürgen  die 
„Biegenden  Feldherren"  dieser  Stelle. 


99 

dieser  Halle  einen  weiteren  Anhaltspunkt.  Bricht  man  es  aber 
heraus,  dann  zerstört  man  das  Ganze,  denn  allein  haben  die  Iliu- 
persis  wie  die  Amazonomachie  keinen  rechten  Sinn.  Demnach 
muss  die  Angabe  Strabos  entschieden  verworfen  werden,  während 
sich  gegen  die  andere  kaum  ein  Argument  finden  lassen  wird.  Ihre 
Annahme  führt  uns  auch  einen  Schritt  weiter.  War  Panainos  wie 
Phidias  Sohn  des  Charmides,  dann  liegt  es  nahe  uns  auch  diesen 
als  Künstler  zu  denken  und  zwar  als  Maler,  denn  auch  Phidias, 
der  die  Plastik  bei  Hegias  lernt,  war  ^initio  piäor^.  Vielleicht  ist 
auch  der  Maler  Timainetos,  dessen  Ringerbild  Pausanias  in  der 
Pinakothek  erwähnt,  vom  gleichen  Stamme,  der  Namensanklang 
legt  diese  Vermuthung  nahe. 

So  rücken  denn  die  grosse  delphische  Erzgruppe  und  das 
Mittelbild  der  Ruhmeshalle  nun  noch  enger  zusammen,  wie  denn, 
was  wir  sonst  von  der  Thätigkeit  unseres  Meisters  hören,  völlig 
untrennbar  von  der  seines  grösseren  Bruders  ist,  und  doch  bürgen 
uns  die  Beschreibungen  des  einen  Bildes  dafür,  dass  er  dieses 
Bruders  würdig  war.  Trotzdem  ist  er  gegen  einen  uns  sonst  un- 
bekannten ionischen  Meister,  Timagoras  von  Chalkis,  im  Wett- 
kampfe unterlegen.  Die  Geschichte  ist  so  wie  sie  bei  Flinius  steht 
viel  zu  interessant,  als  dass  wir  sie  uns  nicht  näher  besehen  sollten. 
Die  Steile  lautet:  quin  immo  certamen  etiavi  picturae  florente  eo  in- 
stitutum  est  Corinthi  ac  Delphis,  primusqne  omnium  certavit  cum  Tima- 
gora  Chalcidense,  superatus  ab  eo  Pythiis^  quod  et  ijpsius  Timagorae 
carmine  vetusto  adparet,  chronicorum  errore  non  dubio.  Das  Merk- 
würdigste ist  hier  jedesfalls  das  alte  Gedicht  des  Timagoras.  Dass 
es  Plinius  in  irgend  einer  Anthologie  gefunden  habe,  davon  kann 
freilich  keine  Rede  sein.  Es  war  einfach  eine  metrische  Weihin- 
schrift  an  dem  Anathem  des  Timagoras  in  Delphi,  die  kein  anderer 
als  Polemon  chronologisch  verwerthet  hat.  Das  erklärt  denn  auch 
den  streitbaren  Ton  der  Notiz.  Die  Chronika  hatten  erst  mit 
Olymp.  90  von  den  Malern  zu  reden  begonnen,  nun  wird  der  in- 
schriftliche Beweis  geführt,  dass  die  Wettkämpfe  in  der  Malerei 
schon  älter  sind.  Wessen  Chronika  solches  berichteten,  macht 
der  Name  des  Polemon  klar,  der  ja  gegen  Eratosthenes  mit  dem 
gröbsten  Gescliütz  zu  Felde  zog.  Die  Akme  des  Panainos  {ßo- 
rente  eo)  wurde  nach  dem  überlieferten  Datum  der  Einsetzung 
dieses  Agon  construirt,  bekanntlich  führt  Phidias  das  gleiche  Datum, 
über  dessen  Herkunft  sehr  verschiedene  Ansichten  aufgestellt  worden 
sind;  aber  man  hat  es  stets  als  selbstverständlich  angesehen,  dass 


100 

davon  der  Ansatz  für  Panainos  abgeleitet  worden  ist,  und  doch 
war,  wie  man  sieht,  gerade  das  Gegentheil  der  Fall. 

Kein  Inschriftstein  hat  uns  bis  jetzt  von  den  Wettkämpfen 
der  Maler  erzählt,  das  Epigramm  des  Timagoras  lässt  uns  aber 
hoffen,  dass  auch  diese  Lücke  vielleicht  nicht  für  immer  unausgefüllt 
bleiben  wird.  An  literarischen  Zeugnissen  ist  auch  nicht  sehr  viel 
vorhanden,  ich  will  hier  anfügen,  was  ich  zusammenraffen  konnte. 
Am  bekanntesten  sind  nebst  unserer  PHniusstelle  die  Siege  des 
Timanthes  über  Parrhasios  und  über  Kolotes.  Als  Ort  des  ersten 
Kampfes  ist  Samos  angegeben,  dabei  ist  offenbar  an  das  Herafest 
zu  denken.  Von  einem  Wettkampfe  bei  den  isthmischen  Spielen, 
bei  dem  Parrhasios  gesiegt  haben  soll,  berichten  auch  die  Paroimio- 
graphen  zur  Erklärung  des  Sprichwortes  oubev  "npöc,  töv  Aiovuaov, 
wir  erfahren  aber  durch  Strabo ,  der  Polybios  als  Gewährsmann 
nennt,  dass  das  Sprichwort  auf  ein  zu  Korinth  befindliches  Bild 
des  Aristides  bezogen  wurde,  und  dadurch  wird  die  Entstehung 
der  anderen  Version  noch  klarer,  aber  die  Bestätigung  des  plinia- 
nischen  certamen  institutum  est  Corinthi  ac  Delphis  wird  man  unbe- 
denklich hinnehmen  können.  Für  Olympia  darf  man  wohl  die 
Nachricht  bei  Lucian  verwenden,  dass  Aetion  dort  sein  Alexander- 
und Roxanebild  ausgestellt  und  als  Preis  die  Tochter  eines  Hella- 
nodiken  Namens  Proxenidas  errungen  habe.  Die  Hellanodiken 
scheinen  also  auch  über  Bilder  ihres  Richteramtes  gewaltet  zu  haben. 
Einen  weiteren  Hinweis  enthält  das  von  Plinius  beschriebene  Auf- 
treten des  Zeuxis  in  Olympia,  das  ich  noch  später  einer  genaueren 
Betrachtung  zu  unterziehen  haben  werde. 

Von  einer  Kunstausstellung  am  Feste  der  Hera  Lakinia  er- 
fahren wir  gelegentlich  der  Erwähnung  des  berühmten  Teppiches, 
den  Alkisthenes,  der  Sybarite,  dort  ausgestellt  hatte ''^),  aber  auch  für 
Athen  liegt  eine  bestimmte  Nachricht  vor.  Plinius  erzählt  35,  125 
von  dem  Blumenmädchen  des  Pausias :  huins  tahulae  exemplar,  quod 
apographon  vocant,  L.  Lucnllus  duohus  talentis  emit  Dionysiis  Athenis. 
Warum  gerade  an  den  Dionysien?  Offenbar  weil  zu  dieser  Zeit 
zu  Athen  die  „Jahresausstellung"  eröffnet  war,  und  das  wirft  viel- 
leicht auf  manche  Stelle  des  Aristophanes,  die  sich  mit  sensatio- 
nellen Bildern  beschäftigt,  wie  Acharner991  mit  dem  Eros  des  Zeuxis, 
Plut.  385  mit  den  Herakliden  des  Pamphilos,  und  auf  seine  Invec- 
tiven  gegen  Pauson  neues  Licht.     Geschichten  wie  den  Wettkampf 


'*)  Vergl.  Benndorf  bei  Heibig,  «las  homerische  Epos'  S.  232,  1. 


101 

zwischen  Apelles  und  Protogenes,    zwischen    Zeuxis   und   Apelles, 
und  was  sieh  diesen  würdig  anschliesst,  lassen  wir  billig  aus  dem 
Spiel ;   bezüglich    der  ersteren  habe  ich  schon  auf  den  Anlass  hin- 
gewiesen '^'),  die  letztere  verdankt  ihre  Entstehung  den  Versen,  mit 
denen   sich    die   beiden  Meister  zum  Kampfe  herausriefen.     Wären 
sie  aber  wirklich  auf  den  Kampfplatz  hinabgestiegen ,    ich    zweifle 
keinen  Augenblick,  darüber  würden  wir  sehr  genau  unterrichtet  sein. 
Nun  stehen  zwar  in  den  Verzeichnissen  der  Werke  dieser  Meister, 
wie  sie  unsere  Schriftquellen  geben,  schön  numerirt,  der  Knabe  mit 
den  Trauben  Nr,  14,    die  Trauben    allein   Nr.   15   bei  Zeuxis,    der 
Vorhang  Nr.  23  bei  Parrhasios,   und  doch  sind  diese  Dinge  kaum 
weniger  zum  Todtlachen,    als  des  Zeuxis  altes  Weib  Nr.  12.     Die 
Vorhanggeschichte  darf  uns  aber  doch  noch  für  einen  Augenblick 
beschäftigen.     Sie  ist  nicht  so  plump  erfunden,  als    man    zunächst 
glauben  möchte.     Man  findet  es  doch  wunderlich,  dass  Parrhasios 
auf  den  Einfall  kommt,  einen  Vorhang  zu  malen,  und  dass  Zeuxis 
darauf  so  verständnissvoll   eingeht,    dass    er    sofort   hinter   diesem 
Vorhange  das  Bild  sucht.     Vergleicht    man    damit   die    aelianische 
Erzählung,  wie  Theon  sein  Bild  vor  einer  festlichen  Menge  auf  ein 
nach  seinem  Wink   ertönendes  Trompetensignal   enthüllt,    so    wird 
man  geneigt  sein  zu  glauben,    dass    uns    beide  Geschichten    damit 
etwas  von  der  gebräuchlichen  Form   dieser  Wettkämpfe  verrathen. 
Ich  lenke  nun  von  diesem  Excurse  zum  Thema  zurück.    Mit 
Apollodoros  von  Athen  beginnt  eine  neue  Epoche.  Die  Entdeckung 
der  dritten  Dimension  auf  der  Fläche,  wenn  auch  durch  Poljgnot 
und  seine  Schule  vorbereitet,  sie  war  doch  seine  persönliche  That. 
Es  war  ein  Ereigniss  von  ungeheuerer  Tragweite,  die  Entdeckung 
einer  neuen  zweiten  Welt,   von  der  die  Malerei  nun  Besitz  ergriff. 
Was  Wunder,    wenn    da    ein   göttlicher   Taumel    die    Häupter  der 
Malerfürsten   umfing,    wenn    sie    sogar   das   Ende    der    Kunst    vor 
sich    zu    haben    meinten.      Ein  Mangel    an    historischer    Schulung 


^'')  Die  andere  Geschichte  von  der  Grossmuth  des  Apelles  gegen  Protogenes 
ist  gleichfalls  sehr  einfacher  Construction.  Dass  Apelles  et  in  aemulis  benignus  war, 
ging  aus  der  Anerkennung ,  die  er  dem  Melanthios ,  Asklepiodoros ,  aber  ganz  be- 
sonders dem  Protogenes  in  seiner  Schrift  an  Perseus  spendete,  hervor.  Protogenes 
war  aber  ursprünglich  Scbiffsanstreicher  gewesen,  wir  wissen  warum.  Also  rettete 
ihn  des  Apelles  Anerkennung.  Die  Antiphilos- Geschichte  verdankt  ihre  Existenz 
einzig  und  allein  der  Allegorie  von  der  Verläumduug.  Duris  von  Samos  ist  auch 
meiner  Meinung  nach  vielleicht  der  Erfinder,  mindestens  doch  der  Redactor  aller 
dieser  Anekdoten.  Vergl.  L.  Urlichs,  Ueber  gr.  Kunstschriftsteller  S.  28. 
ArchäologiBch-epi graphische  Mitth.  XII.  a 


102 

macht  sich  darin  freilich  bemerkbar,  konnte  doch  eine  spätere 
Zeit  sogar  hier  erst  den  Anfang  ansetzen,  aber  auch  ein  Glaube 
der  allein  Wunder  wirkt.  Selbst  unser  Plinius  wird  plötzlich 
poetisch,  das  sicherste  Zeichen,  dass  er  eine  grosse  Dummheit 
macht  und  dass  man  ihm  scharf  auf  die  Finger  zu  sehen  hat,  doch 
davon  später.  Was  er  Thatsächliches  von  unserem  Meister  be- 
richtet, ist  nicht  viel.  Zwei  Werke  und  die  Olympiadenzahl,  dazu 
darf  man  vielleicht  ein  drittes  hinzufügen,  ich  meine  natürlich  nicht 
das,  was  in  den  Overbeck'schen  Schriftquellen  als  Nr.  3  angeführt 
wird**"),  sondern  jenes  Athletenbild,  das  Plinius  dem  Zeuxis  vindicirt, 
dem  aber  das  apollodorische  Siegel  in  dem  Verslein  jauj|ur|(JeTai  Tic; 
|uä\\ov  n  |uijuri(TeTai  aufgeprägt  war.  Auch  die  Nachricht  von  einem 
Odysseus  mit  dem  Schifferhute,  die  uns  das  Scholion  zu  Ilias  X  265 
überliefert,  dessen  Missverständniss  bei  Hesych  schon  Osann  klar- 
gelegt hat,  möchte  nicht  nothwendig  auf  ein  weiteres  Bild  zurück- 
zuführen sein.  Seitdem  eine  treffende  Bemerkung  Furtwänglers 
die  frühere  Vorstellung  von  seinem  Aiasbilde  berichtigt'*®)  hat,  ist 
darin  auch  für  den  Odysseus  Platz  geworden.  Da  wird  man  sich 
kaum  des  Gedankens  erwehren  können,  die  sophokleische  Tragödie 
habe  hier  befruchtend  gewirkt,  aber  auch  für  die  simple  Hutge- 
schichte ist  die  Sache  nicht  gleichgiltig.  Das  Bild  hing  zu  Per- 
gamon  und  da  wäre  dann  ihr  Ursprung  zu  suchen.  An  der  Dürf- 
tigkeit an  positiven  Bilderberichten  ist  sicherlich  der  Umstand 
schuld,  dass  auch  den  nachfolgenden  Generationen  die  Bedeutung 
des  Meisters  nicht  in  seinen  einzelnen  Werken,  sondern  in  seiner 
befreienden  That  zu  liegen  schien,  und  aus  dieser  Empfindung  heraus 
ist  auch  der  merkwürdige  Vers  des  Malers  Nikomachos  gedichtet, 
der  das  schönste  Zeugniss  des  liuhmes  unseres  Meisters  bildet. 
Selbst  das  bei  Plinius  angegebene  Blüthedatum  Ol.  ÜS  erweist 
sich  als  wenig  verlä^sslich.  Wonach  es  bestimmt  wurde,  wissen  wir 
nicht,  die  Ziffer  ist  jedoch  schon  lange  aus  dem  Vergleiche  mit  dem 
annähernd  genau  bestimmbaren  Ansatz  für  Zeuxis  als  zu  hoch  ge- 


")  Die  Herakliden  des  Pamphilos,  auf  die  Aristophancs  Plutos  v.  385  an- 
spielt und  die  in  den  »Scholien  kurz  beschrieben  weiden,  galten  trotz  dieser  An- 
spielung als  ein  Werk  ApoUodors.  Die  Lösung  der  öcbwierigkuiten,  an  denen  sicii 
die  fSchüliasten  hier  vergebens  mühen,  scheint  mir  nicht  so  unniüglich,  als  sie  Aicli. 
Zeit.  1876  S.  34  hingestellt  wird.  Sicher  ist  die  Existenz  und  der  Künstlername  des 
Bildes.  Daraus  folgt  nun,  dass  Pamphilos  eben  nicht  der  yikyonier  war,  und  dass 
er  Beiner  Art  nach  Apollodor  nahe  stand,  lässt  die  Uninennung  schliessen. 

"j  Jahrb.  f.  cl.   Piniol,  i».  Suppl.  S.  b'.i. 


103 

griffen  erkannt ;  ich  werde  auf  sein  bei  Plinius  berührtes  Verhältniss 
zu  diesem  noch  einzugehen  haben  und  begnüge  mich  hier  mit  der 
Bemerkung,  dass  ich  Apollodor  für  einen  Zeitgenossen  des  Phidias 
halte. 

Mit  dem  Auftreten  Apollodors  hatte  Athen  die  Führung  auf 
dem  Gebiete  der  Malerei  an  sich  genommen,  wie  es  durch  Phidias 
die  Führung  auf  dem  Gebiete  der  Plastik  erlaogt  hat,  doch  mit 
ungleichem  Erfolge.  Die  beiden  Meister,  die  Apollodors  Erbe  an- 
treten, Zeuxis  und  Parrhasios,  sie  stehen  sich  wieder  als  Häupter 
der  helladischen  und  asiatischen  Schule  gegenüber,  nur  dass  Athen 
jetzt  endgültig  das  Centrum  der  helladischen  Schule  geworden  zu 
sein  scheint.  Der  Haupterbe  war  jedesfalls  Zeuxis,  sagt  doch  Quin- 
tilian,  dass  er  die  Kunst  der  Licht-  und  Schattenvertheilung  erfunden 
habe,  als  ob  er  Apollodors  Namen  nie  gehört  hätte.  Wir  werden 
uns  also  zunächst  mit  ihm  zu  beschäftigen  haben. 

Seine  Heimat  war  Herakleia.  Diese  Thatsache  hat  er  in  den 
Versen,  die  ihm  Parrhasios  stolze  Herausforderung  abgerungen, 
an  erste  Stelle  gesetzt.  Aber  welches  Herakleia?  Darüber  verliert 
weder  er,  noch  Piaton  und  Xenophon ,  die  von  Sokrates  warmem 
Interesse  für  den  jungen,  nach  Athen  eingewanderten  Künstler  be- 
richten, ein  Wort.  Man  hat  in  alter  und  neuer  Zeit  auf  das  Herakleia 
in  Lucanien  gerathen.  In  alter  Zeit,  das  ergibt  sich  daraus,  dass 
man  ihm  statt  des  überlieferten  Lehrers  aus  Thasos  den  Demo- 
philos  von  Himera  zum  Meister  gab  und  seine  Akme  von  89  auf 
yö,  4  überstellte.  Für  die  neuere  Forschung  waren  das  zunächst 
weitere  Daten.  Das  unteritalische  Herakleia  bleibt;  Zeuxis  wandert 
früh  nach  Norden ,  um  die  Lehre  beider  Meister  zu  geniessen,  ob- 
schon  der  sonst  unbekannte  Neseas  von  Thasos  die  Kosten  kaum 
lohnt,  und  da  eine  kunstgeschichtliche  Hauptquelle,  der  edle  Tzetzes, 
seine  Heimat  vergessen  hat  und  von  ihm,  da  er  eben  von  Parrha- 
sios handelt,  zagend  bemerkt,  boKUJ  Kai  eH  'EcpecTou,  so  lässt  man 
ihn  schliesslich  in  Ephesos  seinen  festen  Wohnsitz  nehmen  "^^j.  Das 
vierte  Jahr  der  95.  Olympiade  bildet  auch  keine  unübersteigliche 
Schwierigkeit,  passt  es  in  seine  Lebenszeit  nicht  hinein,  so  kann 
es  ja  sein  Todesdatum  sein.  Dabei  hat  man  jedoch  übersehen,  dass 


■'■)  So  Bursian,  AUg.  Encycl.  I.  82  S.  469  und  Wustmann  Apelles  S.  2, 
selbstverständlich  nach  Brunns  Künstlergeschichte,  Doch  siehe  Förster,  Eheinisch. 
Mus.  1883  S.  436,  auf  dessen  Auseinandersetzung  über  Tzetzes  Glaubwürdigkeit 
bereits  im  ersten  Theile  dieser  Studien  S.  213  [23]  hätte  verwiesen  werden  sollen, 

8» 


104 

das  imteritalische  Herakleia  erst  432  von  den  vereinten  Tarentinern 
und  Thuriern  gegründet  war,  Aristophanes  aber  in  den  Acharn ern, 
also  bereits  426  [425],  seinen  Eros  im  Rosenkranze  erwähnt.  Er 
müsste  demnach  dies  Bild  spätestens  in  seinem  siebenten  Jahre 
gemalt  haben.  Lenormant,  der  diese  chronologische  Schwierigkeit 
erkannt  hat,  und  doch  für  sein  Grossgriechenland  nicht  auf  eine 
solche  Berühmtheit  einfach  verzichten  wollte,  hat  den  unglücklichen 
Einfall  gehabt,  unseren  Meister  zu  verdoppeln  und  zu  diesem 
Zwecke  jene  von  Brunn  angebahnte  und  von  Sauppe  erwiesene 
Identification  desselben  mit  dem  Zeuxippos  der  bekannten  Stelle  des 
platonischen  Protagoras  übersehen^").  Wir  werden  uns  natürlich  be- 
gnügen, uns  für  unseren  Meister  nach  einem  anderen  Herakleia  um- 
zuschauen. Die  Nachricht,  dass  ein  Thasier  sein  Lehrer  war,  tritt 
nun  in  ihr  Recht,  sie  weist  uns  nach  dem  hellenischen  Norden  und 
wenn  es  auch  da  der  Heraklesstätten  genug  gibt,  und  eine  end- 
giltige  Entscheidung  kaum  zu  gewärtigen  ist;,  so  wird  doch  das 
mächtige  Herakleia  am  Pontus  die  triftigsten  Ansprüche  haben  für 
jene  Zeit  als  Herakleia  kurzweg  zu  gelten^').  —  Man  wird  wohl 
annehmen  müssen,  dass  Zeuxis,  als  er  die  thasische  Schule  ver- 
liess  und  nach  Athen  kam ,  seine  künstlerische  Entwicklung  noch 
keineswegs  abgeschlossen  hatte.  Die  Traditionen  polygnotischer 
Kunst,  in  denen  er  aufgewachsen  war,  er  fand  sie  auch  in  Athen, 
aber  er  fand  da  auch,  wovon  in  seine  Heimat  kaum  mehr  als 
dunkle  Kunde  gedrungen  sein  wird,  die  neue,  rein  malerische 
Technik  Apollodors.  Die  Ueberlieferung  spricht  deutlich  genug, 
dass  er,  „der  stets  auf  Neues  sann",  rasch  die  neue  Richtung  ein- 
schlug und  nun  in  vollen  Gegensatz  zu  Polygnot  kam.  Und  was 
uns  nun  vor  Allem  interessiren  muss,  sein  persönliches  Verhältniss 
zu  Apollodor,  darüber  bietet  uns  Plinius  nähere  Kunde.  Ich 
setze  aus  seinem  Bericht  das  Hiehergehörige ,  mit  Weglassung 
einiger  Zwischensätze  her:  ab  hoc  {ApolloJoro)  artis  fores  apertas 
Zeuxis  Heracleotes  intravit  olympiadis  LXXXXV.  anno  IUI .  .  .  a 
quibusdam  falso  in  LXXXVIIII  olympiade  positus  . .  in  eum  Apollo- 
dorus  supra  scriptus  versuni  fecit,    artem  ipsis  ablatam  Zeuxim  ferre 


8»)  La  Grande-Orhce  I  p.  170. 

")  Auf  das  bitliynische  Herakleia  hat  aucli  Bursiaii,  AUg.  Encycl.  I  Bd.  82 
>S.  4ü9  geratlien  und  zwar  auf  Grund  der  Annahme  von  Zeuxis'  Zugehürigi^eit  zur 
kleinasiatischen  Malerschule.  In  Kleinasien  liegt  auch  dieses  Herakleia,  aber  ganz 
fern  ab  von  dem  Centrum  der  asiatischen  MaJerei  und  in  natürlicher  Verbindung 
mit  Nordgriechenland,  an  dessen  Hellenisiruiig  es  gros-sen  Antheil  hat. 


105 

secum.     Das   klingt    nach    Poesie    und    mit   glücklichem    Griff   hat 
Schneidewin  ein  Verslein  des  Babrios  herbeigezogen,   welches  den- 
selben Gedanken  noch  in  der  poetischen  Form  bewahrt: 
IL  Prooem.  9  utt'  e|uoO  öe  TrpajTou  Tfjq  Qvpac,  dvoixOeicrriq 

eidfiXGov  aXXoi. 
Der  Anfang  gehört  also  auch  noch  zu  dem  Gedichte  des  Apollo- 
dor^'*).  Aber  lassen  wir  das  für  einen  Augenblick  bei  Seite  und  wen- 
den wir  uns  zu  dem  Auffallendsten,  was  diese  Stelle  enthält.  Nie- 
mals kommt  mehr  bei  Plinius  eine  Zeitbestimmung  eines  Künstlers 
vor ,  die  das  Jahr  der  Olympiade  enthält.  Daraus  wird  man 
schliessen  müssen,  dass  wir  hier  plötzlich  eine  primäre  Quelle  vor 
uns  haben,  und  die  polemische  Gegenüberstellung  zweier  Daten 
passt  dazu  vortrefflich.  Woher  stammen  die  beiden  Daten?  Robert 
theilt  das  Datum  95,  4  dem  Xenokrates  zu,  den  Antigonos  mit  dem 
früheren  Ansätze  berichtigt  habe,  das  sind  Resultate  seiner  Quellen- 
analyse des  Plinius.  Seltsamerweise  gibt  aber  Plinius  zuversichtlich 
den  xenokrateischen  Ansatz  als  die  Verbesserung  des  antigoneischen 
aus.  Und  dann,  wie  kam  Xenokrates  zu  seinem  falschen  Ansätze? 
Darauf  bemerkt  Robert:  „Xenokrates  müsse  ein  Werk  des  Malers 
gekannt  habeU;  das  mit  einem  Ereigniss  nicht  nur  der  95.  Olympiade, 
sondern  gerade  des  4.  Jahres  derselben  in  Beziehung  entweder 
wirklich  stand  oder  gesetzt  werden  konnte.  Dieses  ausfindig  zu 
machen  ist  indessen  noch  nicht  gelungen."  Ich  glaube  es  wird  auch 
weiter  nicht  gelingen.  Denn  die  seltsame  Vorstellung ,  als  habe 
Xenokrates  nach  Akme-Daten  gerechnet,  halte  ich  von  vorneherein 
für  falsch.  Seine  Chronologie  war  wohl  nach  älterem,  voralexan- 
drinischem  Zuschnitte,  etwa  wie  die  Ycveai-Rechnungen ,  die  bei 
Pausanias  stehen.  Beiden  Daten  aber  liegt,  so  sehr  sie  auch  von 
einander  abweichen,  die  gleiche  Rechnungsbasis  zu  Grunde,  die  zu 
chronologischer  Behandlung  herausfordernde  Stelle  des  platonischen 
Protagoras,  in  der  Zeuxis  als  veavicTKO^,  der  soeben  aus  Herakleia 
gekommen  ist,  auftritt.  Das  Datum  des  zweiten  athenischen  Auf- 
enthaltes des  Protagoras  ist  die  89.  Olympiade,  da  ist  der  erste 
Rechner  bald  fertig:  er  setzt  die  gleiche  Olympiade  für  Zeuxis,  der 
zweite  rechnet  etwas  genauer  nach.  Piaton  erwähnt  im  selben  Pro- 
tagoras die  Aufführung  der  "Atpioi  des  Pherekrates  als  soeben  statt- 
gefunden ,  das  war  Olymp.  89,  4  unter  dem  Archen  Aristion.  Dies 
Datum  setzt  unser  Rechner  auch  für  Zeuxis  ein,  aber  für  den  veavidKoq, 

^')  Rhein.  Mus.   1850  S.  479,  vergl.  Oveib.  Schriftq.  zu  Nr.   1G47. 


106 

den  er  nach  attischer  Weise  mit  sechzehn  Jahren  taxirt,  und  rechnet 
dann  sein  vierzigstes  Lebensalter  als  Akme  heraus,  also  24  Jahre 
dazu,  macht  Olymp.  95,  4.  Wer  der  erste  Rechner  war,  das  mag 
dahingestellt  bleiben,  der  zweite  war  sicher  Apollodor  der  Chrono- 
graph. Das  ergibt  sich  nicht  bloss  aus  der  Art  der  Rechnung,  son- 
dern auch  aus  einer  schärferen  Betrachtung  des  Plinianischen  Textes. 
Ich  habe  oben  bemerkt,  dass  der  Anfang  unserer  Stelle  und  der 
Vers  des  Malers  Apollodor,  das  Oeffnen  der  Thüre  und  das  Weg- 
tragen der  Kunst,  auf  das  Engste  zusammengehören.  Daraus  ergibt 
sich  nun  der  Sachverhalt  von  selbst.  Die  unmittelbare  Quelle  des 
Plinius  gab  zur  Bekämpfung  des  Ansatzes  Olymp.  89  ein  Citat  aus 
der  Reimchronik  Apollodors.  Unser  Autor  überträgt  davon  ein  Stück 
in  seine  Prosa,  bewahrt  aber  doch  einen  Vers,  der  ihm  merkwürdig 
erscheint;  da«!s  er  hiebei  den  Namen  des  Dichters  hinzufügt,  ist  nur 
recht  und  billig,  dass  er  diesem  Namen  ein  supra  scriptus  hinzufügt, 
das  ist  eine  seiner  allerschönsten  Dummheiten,  weiter  nichts. 

Ich  will  nur  noch  der  Schwierigkeiten  gedenken ,  die  ohne 
diese  Annahme  uns  aus  dem  Texte  des  Plinius  erwachsen.  Er  lässt 
den  „Maler"  Apollodor  sagen:  artem  ipsis  ablatam,  das  heisst  doch 
dem  Demophilus  von  Himera  und  Neseas  von  Thasos,  die  vorher- 
gehen, und  da  das  ganz  unmöglich  ist,  hat  man  aus  dem  'ipsis  ein 
ipsi  conjicirt  und  den  Meister  für  sein  verwegenes  )uuj)ar|creTai  T\q 
laäXXov  ri  juijurjCTeTai  gründlich  Busse  thun  lassen.  Dabei  hat  man 
aber  übersehen,  dass  dann  Zeuxis  sein  Schüler  gewesen  und  auch 
als  solcher  bezeugt  sein  müsste,  denn  die  Phrase  ist  ja  nichts  als 
eine  poetische  Lehrerangabe.  Ferner  konnte  Babrios  das  weitver- 
breitete chronologische  Handbuch  sehr  gut  kennen,  während  die 
Annahme  Schneidewins  bei  ihm  eine  ganz  unmögliche  Gelehrsam- 
keit voraussetzt.  Mit  dieser  Erkenntniss  ist  nicht  nur  ein  neues 
Fragment  des  Chronographen  gewonnen ,  sondern  es  entfällt  auch 
die  Nothwendigkeit,  Zeuxis  mit  Apollodor  in  persönlichen  Zusam- 
menhang zu  bringen.  Dass  nichtsdestoweniger  ein  solcher  vor- 
handen gewesen  sein  könnte,  vermag  ich  natürlich  nicht  in  Abrede 
zu  stellen. 

Nach  dieser  seiner  Meisterleistung  fährt  Plinius  fort:  opes 
quoque  tantas  adquisivit,  ut  in  osttntationeni  earum  Olympiae  aureis 
litteris  in  palliorum  tesseris  intextum  nomen  suum  ostentaret.  Dann 
verschenkt  er  seine  unbezahlbaren  Bilder,  wie  die  angeführten  Bei- 
spiele lehren,  jedoch  nur  an  Leute,  die  in  der  Lage  waren,  solche 
zarte  Aufmerksamkeiten  gebührend  zu  erwiedern.    Brunn  übersetzt 


107 

die  angeführte  Stelle:  „Auch  erwarb  er  solche  Schätze,  dass  er  um 
sich  mit  ihnen  zu  brüsten,  zu  Olympia  in  einem  Gewände  erschien, 
in  dessen  Muster  sein  Name  mit  goldenen  Buchstaben  eingewebt 
zu  sehen  war."^^)  Das  ist,  wie  man  sieht,  ziemlich  frei  übertragen, 
eine  wörtliche  Uebersetzung  würde  freilich  keinen  lesbaren  Text 
geben.  Urliehs  bemerkt  zu  den  Worten  in  —  tesseris  „auf  vier- 
eckigen Läppchen,  worauf  sein  Name  gestickt  Avar"^^).  Aber  da- 
durch wird  die  Sache  um  nichts  besser.  Man  kann  sich  doch  kaum 
etwas  Läppischeres  denken,  als  den  in  solchen  Lappen  herum- 
stolzirenden  Maler,  und  wie  er  dadurch  sich  mit  seinem  Reichthura 
brüsten  will,  ist  mir  ganz  unklar.  Auch  weiss  ich  wirklich  nicht,  wie 
sich  Plinius  die  Sache  gedacht  hat;  daraufkommt  zwar  so  viel  nicht 
an,  ich  glaube  aber,  diesmal  ist  er  besser  als  sein  Ruf,  denn  was 
im  Wortlaute  seines  Berichtes  steckt,  scheint  doch  etwas  anderes 
zu  sein.  Zunächst  habe  ich  zu  erwähnen,  dass  die  Leseart  in  osten- 
tationem  Conjectur  ist,  die  Handschriften  bieten  in  ostentatione,  das 
gibt  den  guten  Sinn  ,  dass  er  seine  Schätze  zu  Olympia  wirklich 
ausgestellt  habe.  Dann  ist  noch  darauf  hinzuweisen ,  dass  palUa 
Plural  ist.  Ja,  aber  Zeuxis  kann  doch  nicht  mehrere  solcher  pallia 
getragen  haben?  Doch  wo  steht  denn,  dass  er  sie  trug?  Die 
tesserae  dieser  pallia  sind  dem  einfachen  Sprachgebrauche  nach 
Aufschrifttäfelchen,  da  hatte  der  Name  Zeuxis  auch  mit  goldenen 
Buchstaben  seine  volle  Berechtigung.  Ich  brauche  nur  an  das  früher 
über  die  Maler-Agone  Bemerkte  zu  erinnern,  und  man  sieht,  es  ist 
hier  von  den  Vorhängen  seiner  zu  Olympia  ausgestellten  Bilder  die 
Rede.  Dazu  passt  es  auch  recht  gut,  dass  der  Zeuxis  des  Lucian, 
da  er  sich  über  den  Unverstand  des  sein  Bild  bewundernden  Publi- 
kums ärgert,  seinem  Schüler  Mikkion  zuruft:  TTepißaXe  fjöri  ifiv  eiKOva. 
Was  wir  von  den  Werken  des  Zeuxis  bei  Plinius  hören,  ist 
nicht  darnach  angethan,  uns  eine  noch  so  vage  Vorstellung  vom 
Schaffen  dieses  Meisters  zu  gewähren.  Wir  könnten  hier  sichten 
und  jäten,  doch  das  positive  Erträgniss  wird  dadurch  kein  reicheres. 
Aber  glücklicherweise  besitzen  wir  die  musterhafte  Beschreibung 
eines  seiner  Bilder  durch  Lucian,  und  die  Schilderung  dieser  Scene 
aus  dem  Familienleben  eines  Kentauren,  sie  gibt  uns  wie  mit  einem 
Zuge  die  Umrisse  einer  genialen  künstlerischen  Individualität.  Die 
alten  phantastischen  Typen,  die  so  lange  in  der  Poesie  wie  in  der 


'^)  Künstlergeschichte  II  78, 

'*)  Ohreatomathia  Pliniana  S,  348. 


108 

bildenden  Kunst  ihre  Existenz  nur  im  Rahmen  des  Mythos  gefristet 
haben  sie  sind  zu  eigenem  Leben  erwacht,  mit  dem  sie  es  nun 
als  wackere  Leute  so  ernst  als  möglich  nehmen.  Einen  trefflicheren 
Ausdruck  als  den  lucianischen  AuToßopea^  kann  man  sich  gar  nicht 
denken.  Nur  schade,  dass  er  ihn  und  die  Tritonen  so  kurz  erwähnt, 
dass  wir  den  grandiosen  Humor  in  diesen  Figuren  blos  ahnen  und 
nicht  nachempfinden  können.  So  müssen  wir  uns  denn  begnügen, 
aus  dieser  Erwähnung  zu  lernen ,  dass  Zeuxis  das  Leben  und 
Treiben  der  Ungestalten  des  Himmels,  der  Erde  und  des  Meeres 
mit  gleicher  Liebe  geschildert  hat.  Den  besten  Beweis  dafür,  dass 
Lucian  hier  dank  seinem  in  der  antiken  Kunstschriftstellerei  niemals 
übertroffenen  Verständniss  den  Kern  der  künstlerischen  Persönlich- 
keit mit  sicherer  Hand  erfasst  hat,  bietet  uns  Aristoteles,  der  den 
Zeuxis  als  Paradigma  für  das  iriöavöv  dbuvaiov  hinstellt.  Und 
kunstgeschichtlich  wird  uns  seine  Art  als  die  nothwendige  Con- 
sequenz  der  That  seines  Vorgängers,  des  Entdeckers  der  Illusion, 
voll  begreiflich. 

Auf  Grund  des  lucianischen  Gemäldes  hat  man  längst  zwei 
weitere  Bilder,  die  das  Familienleben  der  Kentauren  schildern,  mit 
Zeuxis  in  Verbindung  gebracht,  die  Kentaurinnen  mit  ihren  Jungen 
bei  Philostratos  H,  3  und  das  Berliner  Mosaik  Mon.  IV,  50.  Der 
Einfluss  unseres  Meisters  kann  hier  füglich  nicht  bestritten,  sondern 
nur  auf  seine  Stärke  geprüft  werden.  Ich  bekenne,  in  beiden 
Fällen  die  stricteste  Abhängigkeit  für  das  Wahrscheinlichste  zu 
holten.  Es  sind  Variationen ,  die  das  pastorale  wie  das  heroische 
Motiv  des  angeschlagenen  Themas   voll    und  ganz  zum  Ausklange 

bringen. 

Der  trübe  Rest  von  Bildererwähnungen  kann  nur  dann  für 
den  Endzweck,  unser  reales  Wissen  von  Zeuxis  zu  erweitern, 
brauchbar  gemacht  werden,  wenn  es  uns  gelingt,  mit  Hilfe  der  paar 
überlieferten  Namen  in  unserem  Monumentenvorrath  oder  in  den 
überkommenen  Bilderbeschreibungen  weitere  Spuren  seines  Wirkens 
zu  entdecken.  Diesen  Weg  hat  bereits  Heinrich  Brunn  der  For- 
schung gewiesen  und  es  geziemt  mir,  als  priacipiellem  Gegner, 
dieses  um  so  nachdrücklicher  zu  betonen.  Von  den  vier  philostra- 
teischen  Gemälden,  die  er  zur  Belebung  dieser  Schemen  herbei- 
zieht, Pan,  Marsyas,  Herakles  Schlangenwürger  und  Penelope,  scheint 
mir  freilich  nur  das  Erstgenannte  (II,  11)  eine  innere  Gewähr  dafür 
zu  bieten,  dass  es  mit  unserem  Meister  im  Zusammenhange  steht. 
Die  Auffassung  des  Stoffes  erinnert  hier  direct  an  das  Kentauren- 


109 

bild.  Sie  ist  beidemale  so  durchaus  modern,  dass  ein  sensationeller 
Name  als  Unterschrift  besser  passen  würde,  als  ein  homerischer 
Vers.  Das  „gestörte  Mittagsschläfchen"  ist  desselben  Geistes  Kind 
wie  die  „schöne  Bescheerung''.  Die  Fesselung  des  Pan  durch  die 
Nymphen  als  Inhalt  des  zeuxidischen  Panbildes  anzunehmen,  scheint 
aber  auch  noch  der  von  Brunn  hervorgehobene  Umstand  zu  be- 
günstigen ,  dass  wir  damit  ein  lustiges  Gegenstück  zu  seinem  ge- 
fesselten Marsyas  gewönnen.  Für  diesen  ist  die  Hoffnung,  von  ihm 
in  den  uns  erhaltenen  Monumenten  eine  Spur  zu  entdecken,  gewiss 
berechtigt,  doch  kann  ich  Milchhöfers  Meinung  nicht  beipflichten, 
der  den  Messerschleifer  damit  zusammengehörig  und  die  berühmte 
plastische  Einzelfigur  des  Marsyas  für  zeuxidischen  Ursprunges 
hält.  Dieser  Marsyastypus  ist  auf  ganz  anderem  Boden  erwachsen; 
er  ist  mir  erst  durch  die  Auffassung  als  antike  „Anatomiefigur" 
verständlich  geworden.  Vielleicht  hat  die  Relief vase  des  Neapler 
Museums  2991^^)  Keminiscenzen  an  das  Bild  des  Zeuxis  bewahrt. 
Die  Bewegungen  einzelner  Figuren  weisen  bestimmt  auf  gute  Vor- 
bilder. Es  scheint  mir  aber  eine  kaum  gerechtfertigte  Concession 
an  die  Ausdrucksweise  des  Plinius  zu  sein,  wenn  man  von  unserem 
Meister  voraussetzt,  „dass  seine  Tafelbilder  sich  auf  wenige  Ge- 
stalten und  einzelne  Situationen  beschränkt  zu  haben  scheinen""'^). 
Von  den  Bildern,  die  man  für  diese  Annahme  verwerthen  könnte, 
habe  ich  den  Athleten,  die  Penelope  und  den  Knaben  mit  der  Traube 
bereits  früher  in  Abzug  gebracht.  Es  verbleibt  nur  —  der  Helena 
habe  ich  noch  zu  gedenken  —  der  rosenbekränzte  Eros,  dessen  Ari- 
stophanes  und  sein  Scholiast  Erwähnung  thun.  Das  ist  aber  wahr- 
scheinlicher ein  Citat  aus  einem  Bilde,  als  ein  Bildcitat.  Es  ent- 
spricht auch  gar  nicht  der  Weise  der  gleichzeitigen  Malerei,  man 
müsste  denn  annehmen,  dass  die  attischen  Vasen  dieser  Zeit,  die 
ihren  Reichthum  an  Figuren  und  Motiven  so  gefällig  zur  Schau  zu 
tragen  wissen,  von  Zeuxis  unbeeinflusst  seien.  Dagegen  sprechen 
aber  die  üppigen  nackten  Frauengestalten,  in  deren  Wiedergabe 
sie  förmlich  schwelgen ,  denn  in  diesem  Punkte  hat  Zeuxis  nicht 
bloss  den  homerischen  Geschmack  getroffen,  wie  Quintilian  be- 
richtet^'), sondern  auch  den  seiner  attischen  Zeitgenossen  ^^).     Ein 


»5)  Abgeb.  Arch.  Zeit.   1869  Taf.  18. 

^')  So  noch  V.  Ehoden  in  Baumeisters  Denkm.  d.  Alterth.  S,  861. 

»')  XII,   10,  4  =  Overb.  Schriftq.  1680. 

")  Xenophon,  Oecon.  X.  1  =  Overb.  Schri%.   1684. 


110 

so  feiner  Geist  wie  Plinius,  fttr  den  löst  sich  gleich  alles  in  Lob 
oder  Tadel  auf,  und  so  tadelt  er  ihn  denn  als  grandior  in  capitibus 
articidisque,  ohne  zu  merken  —  es  haben  übrigens  Andere  auch 
nichts  gemerkt  — ,  dass  er  dadurch,  das»  er  zu  viel  sagt,  nichts 
sagt  39). 

Magnificus  est  luppiter  eins  in  thvono  adstantihus  dis.  Dieser 
Vorwurf  will  zunächst  zu  dem,  was  wir  bisher  von  Zeuxis  kennen 
gelernt  haben,  nicht  recht  passen,  denn  die  Vorstellung  einer  grossen 
ceremoniellen  und  situationslosen  Götterversammlung,  die  sich  ein- 
dringlich an  das  religiöse  Empfinden  des  Betrachters  wendet,  sie  steht 
in  allzu  grossem  Abstände  von  dem  Meister  des  Kentaurenbildes. 
Aber  müssen  diese  Worte  noth wendig  ein  solches  Götteraufgebot 
bedeuten?  Das  vielbesprochene,  jüngst  wieder  von  Robert  ver- 
kehrt gedeutete  Vasenbild  Compte  rendu  1860  Taf.  II  zeigt  uns 
einen  von  Göttern  umgeben  thronenden  Zeus,  dem  wir  das  Beiwort 
magnificus  nicht  vorenthalten  mögen"^").  Der  Charakter  der  Darstel- 
lung ist  aber  ein  so  intimer,  olympisch  häuslicher,  dass  der  Ge- 
danke an  zeuxidischen  Einfluss  für  uns  hier  alles  Befremdliche  ver- 
liert. Man  wird  sich  auch  kaum  erwehren  können  an  ein  berühmtes 


"j  Robert  hält  Arch.  Märchen  S.  76  diesen  Tadel  vollinhaltlich  für  „Xeno- 
krates"  und  findet  den  dazu  nöthigen  „Autigonus"  in  der  „Zurückweisung  dieses 
Vorwurfes"  bei  Quintilian.  Jedoch  ein  Künstler  und  noch  dazu  einer,  dem  der 
Kampf  um  die  kanonische  Proportionslehre  die  Feder  in  die  Hand  gedrückt  hatte, 
wird  wohl  gewusst  haben,  dass  eine  Figur  nicht  grösser  wird,  wenn  man  den  Kopt 
und  die  Glieder  gleicherweise  vergrössert,  Lysipp  hatte  ja  gerade  das  Gegentheil 
sehr  eindringlich  gelehrt.  Aber  steht  denn  nicht  35,  128  genaa  dasselbe  von  Eu- 
phranor  zu  lesen?  Auch  er  war  capitibus  articulisque  grandior'?  Gewiss,  doch 
davor  heisst  es  auch  :  aed  fuit  in  universitate  corporum  exilior,  und  da  kann  der 
Sinn  nicht  weiter  zweifelhaft  sein.  Das  will  besagen,  Euphranors  Figuren  haben 
trotz  ihrer  grösseren  Schlankheit  doch  noch  nicht  so  viel  Kopflängen,  als  die 
lysippischen.  Aber  in  unserer  Stelle  können  wir  die  exilitas  corporum  leider  nicht 
suppliren,  denn  die  validisaimd,  forma  Quintilians  erhebt  dagegen  energisch  Ein- 
.spruch  und  damit  fehlt  jede  Möglichkeit  eints  gesunden  Sinnes.  Seine  Angabe; 
Zeuxia  plus  membria  corporia  dedit  scheint  die  originale  Fassung  der  Vorlage  des 
Plinius  (vernmthlich  Varro)  wiederzugeben.  Durch  die  Exeuiplification  an  den 
homerischen  Frauengestalten  werden  wir  auf  das  Helenabild  unseres  Meisters  als 
auf  die  letzte  Quelle  gewiesen.  So  bleibt  denn  die  Lehre  vom  Kanon  dort  wo  sie 
hingehört,  in  der  Geschichte  der  Plastik. 

*")  Wiener  Vorlegebl.  Ser.  A  Taf.  10  und  Robert,  Arch.  Mär.  Taf.  III.  Ich 
verkenne  die  von  Strube  hervorgehobene  starke  Aehnlichkeit  der  Zeusfigur  dieses 
Bildes  mit  der  auf  Taf.  U  bei  Robert  nicht  und  halte  die  von  Stephani  gegebene 
und  von  Robert  corrigirte  Deutung  für  unzweifelhaft.  Was  aber  daraus  für  die 
Exegese  unseres  Bildes  folgen  soll,  vermag  ich  nicht  zu  fassen. 


lU 

Original  zu  denken,  namentlich  erinnert  die  in  entblösster  Leibes- 
schönheit sitzende  Aphrodite  an  das  Frauenideal  unseres  Meisters. 
Dies  Frauenideal  hatte  er  in  seiner  Helena  am  wirksamsten 
verkörpert.  Der  Zeugnisse,  die  uns  von  ihr  berichten,  haben  wir 
die  Fülle,  sie  gehen  aber  auf  zwei  verschiedene  Bilder  seiner  Hand 
zurück,  deren  Verhältniss  uns  jedoch  unbekannt  ist.  Das  eine  für 
den  Tempel  der  Hera  Lakinia  zu  Kroton  gemalt,  kam  später  nach 
Rom  in  die  Porticus  des  Philippus,  wohl  kaum  auf  dem  Umwege 
über  Ambrakia,  wie  Urlichs  annimmt.  Die  Sage,  dass  fünf  aus- 
erwählte Jungfrauen  dem  Künstler  als  Modelle  für  die  eine  Figur 
der  Helena  dienten,  haftete  an  diesem  Bilde;  ihr  frühester  Zeuge 
ist  Cicero,  aus  dessen  Redeweise  man  schliessen  darf,  dass  das 
Werk  damals  bereits  in  Rom  gewesen  sei^^).  Auffallend  ist  be- 
züglich der  Modelljungfrauen  die  Wendung:  quarum  nomina  multi 
poetae  memoriae  prodidfrunf.,  quod  eins  essent  iudicio  prohatae,  qui 
pulchritiidinis  habere  verissimum  iiidicium  dehuisaet^'^).  Auf  keinen 
Fall  sind  solche  poetische  Behandlungen  dieser  Legende  sonderlich 
alt  gewesen ,  aber  für  eine  blosse  Phrase  kann  man  diese  Erwäh- 
nung auch  nicht  halten,  denn  die  Erzählung  des  Cicero  erweist  sich 
leicht  als  eine  Contamination  aus  zwei  verschiedenen  Versionen 
dieses  Stoffes.  Die  eine  erzählte  die  Sache  recht  schmuckvoll. 
Zeuxis  stellt  die  Bedingung,  man  müsse  ihm  zu  seinem  Bilde  die 
fünf  schönsten  Jungfrauen  der  Stadt  als  Modelle  stellen.  Da  finden 
denn  die  Stadtväter,  die  doch  den  begehrlichen  Augen  des  Künstlers 
die  Schönheit  ihrer  Jungfrauen  nicht  preisgeben  mögen,  einen  feinen 
Rath.  Sie  führen  den  Zeuxis  in  die  Palästra,  er  bezeichnet  dort 
die  schönsten  Jünglinge,  und  deren  Schwestern  sind  die  gesuchten 
Modelle.     Die  Erzählung,  an  deren  dichterischer  Fassung  kaum  zu 


^')  De  inv.  11,  1,  1  =  Overb.  Schriftq.  1668.  Cicero  lässt  den  Zeuxis  für 
diesen  Tempel  eine  ganze  Reihe  von  Werken  ausführen  :  „quarum  nonnulla  pars 
usque  ad  nostram  memoriam  propter  fani  religionem-  rema/nsit".  Ich  vermuthe,  dass 
zu  diesen  auch  die  Alkmene  gehörte ,  die  Zeuxis  nach  Plinius  den  Agrigeutinern 
geschenkt  haben  soll ,  da  Plinius  den  Tempel  der  Krotoniaten  35,  63  nach  Agri- 
gent  verlegt.  Dadurch  würde  auch  das  Datum  der  Zerstörung  dieser  Stadt  Olymp. 
93,  3  für  die  Chronologie  unseres  Äleisters  jede  Bedeutung  verlieren,  was  jedoch 
an  der  Bestimmung  seiner  Ahme  nicht  viel  ändern  würde.  Die  Identität  dieser 
Alkmene  mit  dem  Hercules  infans  dracones  slrangulans  Alcmena  matre  coravi  pu- 
vente  et  Amphitryone  hat  bereits  Urlichs  Chrest.  Plin.  p.  348  wahrscheinlich  ge- 
macht. 

■"')  L.  Urlichs,  Ueber  griech.  Kunstschriftsteller  S.  46,  denkt  an  Epigramme 
und  meint,  dass  Cicero  das  Werk  des  Pasiteles  bereits  benutzt  haben  könnte. 


112 

zweifeln  ist,  hat  die  klare  Tendenz,  die  brutale  und  schamlose 
Anekdote,  wie  sie  Plinius  und  Dionysios  von  Halikarnass  erzählen ^^) 
zu  berichtigen.  Cicero  stellt  aus  beiden  seinen  Brei  her,  wobei 
mau  denn  nur  nicht  begreift,  warum  die  Krotoniaten  den  Maler  mit 
so  feierlichen  Gesichtern  zuerst  in  die  Palästra  führen.  Woher 
wusste  nun.  der  Dichter  der  einen  Version  die  Namen  der  fünf 
Schönen,  wie  entstand  überhaupt  die  ganze  Legende?  Sie  ist  ein 
heiteres  Gegenstück  zur  bekannten  Sage  der  Folterung  oder  Kreu- 
zigung eines  Modells^"*);  doch  wir  wollen  uns  zunächst  nach  dem 
zweiten  Helenabilde  umsehen.  Es  befand  sich  nach  einer  Notiz  bei 
Eustathios  in  der  dXcpiTuuv  atod  zu  Athen*'').  An  solcher  Stelle 
war  ein  solches  Werk  vor  Anekdoten  gewiss  nicht  sicherer  als  in 
Kroton.  Zunächst  glaube  ich,  passt  die  Erzählung,  dass  der  Meister 
sein  Helenabild  nur  gegen  Eintrittsgeld  habe  sehen  lassen ,  besser 
zum  Bilde  in  der  attischen  Getreidehalle,  als  zu  dem  im  Heratempel. 
Davon  soll  sie  den  Beinamen  der  Hetäre  erhalten  haben,  möglich 
wäre  die  Sache  aber  auch  umgekehrt  und  der  Beinamen  dann  das 
einzig  Reale  an  der  Geschichte.  Jedesfalls  haben  nicht  alle  Be- 
schauer in  dem  Bilde  die  Göttin  erkannt,  wie  die  zweimal  über- 
lieferte Anekdote  vom  Maler  Nikomachos  und  dem  vorwitzigen 
Tadler  dieses  Bildes  beweist.  Vermuthlich  wird  sich  dieser  Meister 
in  seiner  Elegie  über  die  Maler  gerade  bezüglich  dieses  Bildes 
kräftig  ausgesprochen  haben.  Dass  aber  diese  Anekdote  wahr- 
scheinlicher in  Athen  als  in  Kroton  spielt,  ist,  wie  ich  aus  der  oben 
citiiten  Anmerkung  ersehe,  schon  früher  vermuthet  worden.  Schliess- 
lich passt  die  herausfordernde  Unterschrift  der  homerischen  Verse 
II.  HI    156: 

Oü  ve'|ueai(^  TpuJat;  Kai  eüicvr^ibat;    Axaiou^ 
Toirib'  djuqpi  Y^vaiKi  ttoXuv  xpövov  dXxea  irdaxeiv 
zu  dem  Spottnamen  fast  wie  Frage  und  Antwort. 

Ich  denke  es  wäre  jetzt  endlich  an  der  Zeit,  die  durch  Les- 
sing stabilisirte  Vorstellung,  als  sei  das  Helenabild  des  Zeuxis, 
mag  man  nun  das  attische  oder  sicilische  meinen,  ein  einfacher 
weiblicher  Act  gewesen,  zu  verabschieden.  Helenen  in  jedem  Weibe 
zu  sehen,  das  ist  für  die  Antike  schlechthin  unmöglich.  Noch  in  der 
Zeit    unmittelbar    vor    Zeuxis    musste    man ,    um  Helena    nur  ein 


'';  Overbeck  Schriftqu.  Iü67  u.   16G9. 

")  Veigl.  Milclih.ifer,  Berl.  Winckelinaiiiispr.   1882  S.  40  Aniii.  42. 

^*)  hJ  II.  A,  V.  630;  Ovcrb.   Schriftfiu.  Nr.  Iü75;  vergl.  die  Anmerkiino-  daselbst. 


113 

wenig  entblössen  zu  können,  die  Iliupersis  malen,  das  ist  jetzt  frei- 
lich nicht  mehr  nöthig.  Zwei  Vasen  der  Eremitage  zeigen  uns  eine 
ganz  neue  Situation^*'),  in  welcher  die  Nacktheit  der  Helena  äusser- 
lich  zwar  sehr  wenig  motivirt  erscheint,  aber  da  die  Wirkung  ihrer 
Schönheit  zum  Ausdruck  gebracht  werden  soll,  künstlerisch  nicht 
unberechtigt  erscheinen  kann.  Die  erste  stellt  die  Zusammenkunft 
mit  Paris,  die  zweite  die  Entführung  durch  denselben  dar.  Die 
Annahme,  diese  Darstellungen  seien  von  Zeuxis  beeinflusst,  scheint 
mir  unausweichlich,  und  namentlich  das  ersterwähnte  Gefässbild 
dürfte  als  direct  abhängig  gelten  können.  Der  intime  Reiz  dieser 
Scene  entspricht  der  Art  des  Meisters  und  die  thronende  Helena 
gleicht  auffallend  der  Aphrodite  jener  früher  behandelten  olym- 
pischen Darstellung.  Die  beiden  Hauptfiguren  unseres  Vasenbildes 
sind  ausser  von  zwei  Eroten  noch  von  zwei  männlichen  und  vier 
weiblichen  Figuren  umgeben.  Bei  diesen  variirt  die  Bekleidung  von 
leichter  Entblössung  bis  zu  völliger  Verhüllung.  Auch  die  Helena 
Polygnots  umgaben  fünf  Frauengestalten.  Nehmen  wir  dies  auch 
für  Zeuxis  an,  denken  wir  uns  auch  beigeschriebene  Namen  für 
diese  jungfräulichen  Gestalten,  denken  wir  ?ie  in  Bezug  auf  die 
Gewandung  wohl  in  der  Art  der  Vase  von  Kertsch,  aber  noch  etwas 
freier  und  feiner  abgestuft,  dann,  glaube  ich,  haben  wir  die 
Elemente  beisammen,  aus  denen  die  krotoniatische  Sage  hervorgehen 
konnte,  fast  möchte  ich  sagen  hervorgehen  musste. 

Als  Anhang  zu  den  Bildern  unseres  Meisters  nach  seinen  mono- 
chromafa  ex  alho  tiguriren  plastische  Werke,  sonderbarer  Weise  aber 
nur  in  Thon  ausgeführt,  von  denen  Plinius  35,  66  berichtet:  fecit  et 
figlina  opera,  quae  sola  in  Ambracia  relicta  sunt,  cum  inde  Musas  Fulviiis 
Nobilior  Eomam  transferret.  Dazu  verweist  man  gewöhnlich  auf 
seinen  „Lehrer"  Damophilos,  der  auch  Maler  und  Plastiker  zu- 
gleich gewesen  sei,  obschon  das  Epigramm  doch  nur  seinen  Male- 
reien gilt.  Wie  kamen  nun  diese  figlina  opera  nach  Ambrakia  und 
warum  liess  man  sie  dort  zurück?  Livius  38,  9  und  39,  5  erzählt, 
welche  grosse  Summe  von  Kunstschätzen  aller  Art  aus  dem  alten 
Palast  des  Pyrrhos  entführt  worden.  Ich  vermuthe  Pyrrhos  war  in 
den  Besitz  dieser  Werke  des  Zeuxis  als  Herr  von  Makedonien 
gekommen.  In  Pella  hatte  Zeuxis  einst  dem  Archelaos  seinen 
Palast  mit  Bildern  geschmückt,    dort    befand    sich    sein  Pan.    Die 


^"j  Stephan!  Vasensammlung  1924,  abgeb. 'Comp^e  rendu  1861  pl.  V.  1.  2  und 
WicMier  Vorlegebl.  Serie  C  Taf.  I  3.  Stephan!    1929,    abgeb.    a.  a.  O.    pl.  V.  3.  4. 


114 

figliiia  opera  werden  einfach  Bilder  auf  Thonplatten  gewesen  sein, 
die  man  in  den  Wänden  zurückliess.  Der  Sieger  liess  sie  vielleicht 
nur  darum  nicht  herausbrechen,  weil  er  in  der  Fülle  der  beweg- 
licheren Schätze  ihren  Weith  kaum  ahnte.  Wer  aber  diese  Technik 
für  Zeuxis  anstössig  finden  sollte,  der  möge  daran  erinnert  sein, 
dass  die  Alten  ihn  noch  zu  den  Tetrachromenmalern  gerechnet  haben. 
Der  Gegensatz  zwischen  Zeuxis  und  Parrhasios,  der  sich  in 
den  einander  zugeschleuderten  Epigrammen  so  energisch  Luft  macht, 
beruht  zunächst  in  der  Stellung  der  beiden  Kämpen  als  Häupter 
zweier  rivalisirender  Schulen.  Er  scheint  aber  auch  in  einer  grund- 
sätzlich verschiedenen  Kunstrichtung  zu  wurzeln.  Parrhasios  ist  der 
Angreifer.  Er  verkündet  laut,  dass  er  die  Grenzen  der  Kunst  er- 
reicht habe,  er  will  da  sein  Siegeszeichen  aufstellen  und  opfert 
bereits  dem  Momos.  Nun  bricht  Zeuxis  los  und  wirft  ilim  die 
Herausforderung  zu.  Es  wird  uns  heute  wohl  kaum  mehr  ver- 
ständlich sein,  wie  man  diese  Epigramme,  die  doch  nur  aus  ihrer 
Zeit  heraus  erklärlich  sind,  einst  für  Trümmer  von  Nikoraachos' 
Maler-Elegie  halten  konnte.  Der  Erfinder  der  Trauben-  und  Vorhang- 
Anekdote  (Duris)  hat  Parrhasios  als  Sieger  aus  diesem  Kampfe  her- 
vorgehen lassen  und  auch  Quintilian  neigt  sich  auf  dessen  Seite.  Als 
ein  entgegenstehendes  Zeugniss  kann  man  den  Ausspruch  des  Aristo- 
demos  bei  Xenophon  (Mem.  I,  43),  der  Zeuxis  für  den  Ersten  der 
Maler  erklärt,  geltend  machen,  doch  wiegt  diesen  wie  die  übrigen 
günstigen  Erwähnungen  des  Zeuxis  im  Kreise  des  Sokrates  das 
Gespräch  des  letzteren  mit  Parrhasios  voll  auf.  Von  allen  Zeugnissen, 
die  uns  über  diesen  Meister  zu  Gebote  stehen,  verdienen  seine  eigenen 
Angaben  in  erster  Linie  Berücksichtigung.  Sie  sind  uns  in  zwei- 
facher Form  erhalten,  denn  die  Epigramme,  die  uns  Athenaios  mit- 
theilt, sind  bei  Plinius  in  die  Darstellung  verwoben.  Die  plinia- 
nische  Expectoration  hat  aber  für  uns  darum  noch  einen  selbststän- 
digen Werth,  weil  sie  ein  uns  sonst  unbekanntes,  ihm  ganz  beson- 
ders anstössiges  Epigrammbruchstück  bewahrt  hat,  seine  Angabe: 
super  omnia  {vsurpavit)  Apol/inis  se  radice  ortum.  Es  ist  recht  lustig, 
neben  den  alten  auch  die  modernen  Entrüstungsausbrüche  über  diese 
Vermessenheit  zu  lesen,  die  bei  Licht  besehen  nichts  ist  als  eine 
simple  Stammesangabe.  Wenn  sich  der  Meister  zunächst  selbst  vor- 
stellt als  aßpobiaiTO^  dvj'ip  k.  t.  X.,  dann  seine  berühmte  Heimat 
Ephesos  nennt,  ferner  Euenor  als  seinen  Vater  kräftig  hervorhebt, 
darf  er  denn  schliesslich  nicht  bekennen,  dass  er  ein  lonier  aus 
Ions  Stamme  ist,  der  bekanntlich  ein  wenig  legitimer  aber  immer- 


llf) 

hin  ein  Sohn  des  Apollo  gewesen  sein  soll?  Und  wahrlich  einen 
typischeren  lonier  als  unseren  Parrhasios  wird  man  schwer  auf- 
treiben können.  Ionisch  ist  seine  Freude  an  Prunk  und  Pracht, 
seine  Offenherzigkeit,  sein  Selbstgefühl,  sein  Uebermuth,  seine 
Lustigkeit,  seine  poetische  Gabe  und  seine  künstlerische  Genialität. 
Bezüglich  seines  merkwürdigen  Selbstbekenntnisses,  das  er  in 
dem  oft  gebrauchten  Vers:  dßpobi'aiTO«;  dvir)p  dpeiriv  re  (Jeßuuv  toö' 
efpay\ia  niedergelegt  hat,  weist  Klearchos  im  dritten  Buche  seiner 
Schrift  TTepi  ßiuuv^^)  auf  einen  ähnlichen  Ausspruch  der  Sappho  hin, 
der  unserem  Meister  wohl  zum  Vorbild  diente: 

'Etuj  be  qpiXrm'  dßpoaüvav  Kai  \xox  tö  Xaiimpov 
^po<;  deXiu)  Kttl  TÖ  KttXov  \e\oYXe 
und  citirt  zugleich  den  guten  Spass  eines  Zeitgenossen,  der  paßbo- 
biaiToq  für  passender  hielt.  Im  Uebrigen  findet  er  sein  Gebahren 
zwar  anstössig,  beruhigt  sich  aber  schliesslich  mit  dem  Hinweis  auf 
seine  Verehrung  der  Arete.  Noch  einmal  bietet  uns  Athenaios  (XII 
p.  543  C)  einen  Auszug  derselben  Stelle  des  Klearchos.  Diesmal 
erwähnt  er  auch  seines  Purpurmantels  und  des  goldenen  Kranzes, 
und  fügt  aus  anderer  Quelle,  wie  man  bemerkt  hat^*^),  eine  zweite 
ausführlichere  Schilderung  seines  Wesens  hinzu,  wobei  die  Tracht 
unseres  Meisters  eine  wesentliche  Bereicherung  erfährt.  Der  goldene 
Kranz  wird  hier  zur  weissen  Binde,  seinen  Stab  umwinden  goldene 
Ranken  und  auch  seine  Schuhschnallen  sind  von  Gold.  In  dieser 
zweiten  Quelle  glaubt  Robert  „nach  dem  ganzen  bisherigen  Gang  der 
Untersuchung"  Antigonos  erkennen  zu  müssen,  der  aber  selber  den 
Klearchos  benutzt  haben  soll,  so  dass  dieser  letztere  von  Athenaios 
zunächst  direct,  dann  aber  wiederum  aus  zweiter  Hand  verwerthet 
wird.  Athenaios  nennt  aber  diese  zweite  Quelle  ausdrücklich  mit 
den  Worten  \hc,  latopei  OeöcppaaToq  ev  tu)  Ttepi  eubaijuoviac; ,  denn 
bloss  auf  das  Singen  beim  Arbeiten  wird  man  doch  dieses  Citat 
nicht  beschränken  können.  Das  wäre  wohl  ebenso  falsch,  als  wenn 
man  das  Klearchoscitat  dieser  Stelle  nur  auf  den  demselben  vorauf- 
gehenden Satz  beziehen  wollte,  Theophrast  und  Klearchos  gehören 
derselben  Zeit,  wie  der  gleichen  Richtung  an,  und  in  der  genannten 
Schrift  hat  die  Behandlung  der  xpucpn  des  Parrhasios  sicherlich 
nichts  Auffälliges.    Aber  auch  die  Verehrung  der  Arete    ist   für  ihn 

■")  Athenaios  XV  p.  687  A. 

'")  Robert,   Aich.  Märchen  S.  80,    veigl.  auch  Müller,  Fragm.  Eist.  Gf\  II 
p.  304. 


116 

charakteristisch,  kaum  minder  als  es  für  Apelles  die  Verehrung 
der  Charis  ist.  Er  hat  sie  auch  gemalt  und  zwar  neben  Dionysos 
stehend,  ich  denke,  er  konnte  seinen  Vers  nicht  deutlicher  illustriren^^). 
Welche  Schutzpatronin  ziemte  übrigens  dem  Heroenmaler  besser? 
—  Zu  jenem  Theil  seiner  Verse,  wo  er  seiner  Heimat  und  seines 
Vaters  gedenkt,  genügen  ein  paar  Worte.  Wenn  späte  Autoren 
den  Parrhasios  zum  Athener  machen,  so  verleiht  man  jetzt  glück- 
licherweise auf  solche  Aussprüche  hin  keine  Bürgerrechtsdiplome 
mehr.  Seinen  Vater  nennt  Plinius  zugleich  seinen  Lehrer.  Das  that 
auch  Juba  im  8.  Buche  seiner  Schrift  über  die  Maler,  in  welchem 
er  nach  Harpokrations  Zeugniss  unseren  Meister  umständlich  be- 
handelt hat.  Vermuthlich  dankt  ihm  Plinius  nicht  bloss  diese  Kleinig- 
keit. Der  übrigen  Verse,  sowohl  derjenigen,  in  denen  Parrhasios 
seine  Ansprüche  auf  den  höchsten  Ruhm  geltend  macht,  wie  der 
Unterschrift  seines  lindischen  Heraklesbildes  werden  wir  noch  zu 
gedenken  haben,  für  jetzt  bleibt  noch  die  Frage  zu  erledigen,  wie 
er  in  das  Autorenverzeichniss  des  35.  Buches  des  Plinius  kam. 
Brunn  versucht  diese  Erwähnung  auf  die  ^grapliidis  vestigia  in 
tahulis  ac  membranis  etus"'  (Plinius  35,  68)  zu  beziehen,  da  eine 
Schrift  unseres  Meisters  nirgends  erwähnt  werde.  Indessen  das 
waren  Handzeichnungen,  und  es  ist  nicht  abzusehen,  wie  sie  in 
den  Index  kommen  konnten.  Die  Sache  ist  weit  einfacher;  Plinius 
hat  sich  die  Uebersetzung  der  Verse  in  die  lateinische  Prosa  so 
hoch  angerechnet.  Von  denen  des  Zeuxis  hat  er  keine  Notiz  ge- 
nommen, sonst  würden  auch  an  dieser  Stelle  die  beiden  Gegner 
friedHch  nebeneinander  stehen. 

Ein  Vers  ist  aber  der  Aufmerksamkeit  des  Plinius  doch  ent- 
gangen, die  Künstlerinschrift  eines  herakleotischen  Skyphos  mit  der 
Darstellung  der  Iliupersis 

Tpdiajua  nappaaioio,  xexva  Wivöq,  iji^x  bi  eiKiOv 
'l\iou  aiTTeivä?  otv  e\ov  AiaKibai.  ^") 
Sie  zeigt  unsern  Meister  mit  dem  berühmten  Toreuten  in  einer  Ver- 
bindung,   in   der   wir    die   alten  Vasenmaler  und  Töpfer    zu   sehen 
gewohnt  sind,   denn  der  Vers  ist  eine  poetische  Umschreibung  des 


")  Der  Philiskos,  der  von  modernen  Exegeten  in  dieses  Bild  mit  hinein- 
genommen worden  ist,  hat  damit  nichts  zu  thun,  das  ist  jetzt  wohl  selbstver- 
ständlich. 

")  Athen.  XI  p.  782  B,  vergl.  die  Lesearten  Jahn -Michaelis,  Paus,  des- 
criplio  arcii  Athen,  p.  33. 


117 

uns  so  wohlbekannten  e'Tpai|f€V  und  en-oiiicrev.  Diese  Verbindung 
war  eine  dauernde.  Bei  der  Erwähnung  der  toreutischen  Arbeiten 
am  Schilde  der  Promaehos  bemerkt  Pausanias  ^^) :  Kai  oi  ifiv  erri 
Tfjq  acTTtiboq  AaTTieuJv  rrpo«;  Keviaupouc^  Maxnv  Kai  ocra  aXXa  6(Ttiv 
eTT€ipYao"|aeva  XeYouaiv  xopeuffai  MOv,  tlu  be  Mm  raOid  re  Kai  xa 
Xomd  TÜjv  epTUJV  TTappdcriov  KaxaTpdvjjai  xöv  Eurjvopo^.  Mys  ist  uns 
seiner  Heimat  nach  nicht  bekannt;  ein  Goldschmied  dieses  Namens, 
Sohn  des  Hermios,  der  in  einer  attischen  Inschrift  als  Isotele 
genannt  wird,  kann  seiner  Zeit  nach  mit  diesem  nicht  identisch, 
sehr  wohl  aber  verwandt  sein,  und  unser  Mys  dürfte  wohl  mit 
Parrhasios  nach  Athen  gewandert  sein.  Es  ist  auch  ohne  äussere 
Zeugnisse  aus  der  Natur  der  Sache ,  wie  aus  naheliegenden  Ana- 
logien zu  folgern,  dass  die  kleinasiatische  Goldschmiedezunft  mit 
der  dortigen  Malerschule  in  enger  Verbindung  zu  denken  ist,  so 
möchte  denn  z.  B.  Apelles  einer  Goldschmiedefamilie  entstammt  sein. 
Maler  war  sein  Vater  keinesfalls,  sonst  hätte  er  seinen  ersten  Unter- 
richt in  dieser  Kunst,  den  er  nachher  selber  seinem  Bruder  er- 
theilte ,  von  dem  Vater  zu  Kolophon  und  nicht  von  Ephoros  von 
Ephesos  empfangen,  aber  im  Verzeichniss  der  alten  Toreuten  spielt 
sein  Name  wie  der  seines  Vaters  Pytheas  eine  Rolle.  —  Selbstver- 
ständlich ist  es  mir  hier  nicht  darum  zu  thun,  die  Zeichnung  eines 
zweiten  von  Mys  bekannten  Bechers ,  der  Silenos  et  Cupidines 
zeigte*'),  für  Parrhasios  zu  reclamireu;  zufällig  wird  es  freilich 
kaum  sein,  dass  sich  dieser  Becher  in  Rhodos  befand,  für  das 
Parrhasios  eine  Reihe  von  Arbeiten  geliefert  hat;  ich  will  nur  dar- 
auf aufmerksam  machen,  dass  nun  auf  die  Angabe  des  Plinius: 
et  alia  multa  graphidis  vestigia  tactant  in  tabulis  ac  memhranis  eins, 
ex  quibus  proficere  dicuntur  artifices,  neues  Licht  fällt.  Die  tahulae 
freilich  sind  hier  völlig  unnöthiger  Zusatz,  denn  da  überraschen 
die  graphidis  vestigia  keineswegs,  aber  die  memhrana  mit  seinen 
Handzeichnungen  fordern  unsere  volle  Aufmerksamkeit  heraus. 
Waren  es  Entwürfe  zu  Bildern,  war  es  ein  Skizzenbuch  mit  Studien 
oder  gar  die  lihidines  minoribiis  tahellis?  Nichts  von  alledem.  Was 
es  war,  ergibt  sich  von  selbst,  wenn  man  den  Nachsatz  von  den 
Künstlern,  die  daraus  grossen  Nutzen  ziehen,  als  Zweckangabe 
betrachtet,  die  erst  unter  Plinius  Händen  zum  leeren  Lob  wurde ^^j. 

")  I,  28,  2. 
ä')  Plinius  33,  1.55. 

*')  Vergl.  35,  155:  Idem  (Varro)  magnificat  Arceailaum  L.  Luculli  familiärem, 
cuius  proplasmata  pluris  venire  solita  artificihus  ipsia  qiiam  aliorum  opera. 
Archaolugisrh-t'pigiaiihiscbe  Mitth.  XII.  tj 


118 

Dann  passt  die  durch  Athenaios  verstärkte  Nachricht  des  Pausanias 
mit  dieser  genau  zusammen.  Dort  wird  uns  Mys  genannt,  der  nach 
diesen  Zeichnungen  arbeitete,  aus  dieser  Stelle  lernen  wir,  dass  er 
nicht   der   einzige  Toreut   war,    den  Parrhasios    beschäftigte.     Der 
grosse    Ruf,     den  Parrhasios   gerade    als    Zeichner    genoss,     kann 
von  diesen  Arbeiten    nicht   unabhängig   sein,    vor  Allem    nicht   das 
Lob,  das  ihm  nach  Plinius  Versicherung  Xenokrates  und  Antigonos 
80  reichlich  ertheilten.   Es  steht  auch  gerade  vor  dieser  Stelle  und 
stösst  so  unvermittelt  an  dieselbe  an,    dass  IJrlichs   zu  einer  zwar 
einfachen,    aber,   wie  ich  glaube,    doch  entbehrlichen  Textänderung 
geschritten  ist.     Sehen   wir   uns   die  ganze  Stelle  vom   Anfang  des 
Parrhasios-Abschnittes  bis  hieher   näher  an.    Plinius    beginnt:    Par- 
rhasms  Ephesi    natns   et  ipse  multa  contulit.    primus  symmetriam  pic- 
turae  dedit,  primus  argutias  voltus,  eleganiiam  capilU,  venustatem  oris, 
coifessione  artificuni   in    liniis   extremis  palmam   adeptiis.     Würde    an 
dieses  im  Namen  der  Sachverständigen  gespendete  Lob  der  Umriss- 
zeichnUDg    der  Satz :    haue   ei  gloriam  concessere  Antigonus  et  Xeno- 
crates  qiii  de  piclura   scripsere,    praedicantes  quoque,    non  solum  con- 
fitentes   mit  seiner  nachfolgenden  Erwähnung  der  Handzeichnungen 
anschliessen,    so  wäre  dagegen    nichts  einzuwenden.    Nun  ist  aber 
zwischen  diesen   aufeinander  angewiesenen  Sätzen   eine  Erörterung 
eingeschoben ,     die    auch   Robert     durch    Winkelklammeru    heraus- 
hebt^'*), und  zwar  aus  dem  Grunde,  „da  nicht  auszumachen  ist,  ob 
sie  nicht  ganz  oder  wenigstens  zum  grossen  Theile  dem  Antigonus 
gehört".    Ich   finde    es    verständlich,    dass,    wer    mit  unerschütter- 
lichem Ernste    diese  Auseinandersetzung  über  die  summa  suptüitas 
picturae  zu  lesen  vermag,  auch  einen  wackeren  Bürgen  dafür  stellen 
möchte,  aber  ich  kann  ihn  hier  nicht  bewahren.    Was  da  verball- 
hornt ist,    können   wir    so  weit  es    selbstverständlich  ist    noch    er- 
rathen.    Das  Kennerurtheil  mochte  mit  der  Begründung  abgegeben 
worden  sein,  dass  es  eine  ganz  ausserordentliche  Leistung  sei,  im 
schlichten  Conturstil    den  Schein    der  Rundung   und  Körperlichkeit 
zu  erreichen.    Das  wird  aber  hier  auf  die  pictura  übertragen,   und 
auseinandergesetzt,  dass  corpora  pimjere  et  media  verum  eine  schöne 
aber   nicht   ungewölinliche  Sache    sei,    extrema  corporum  facere    das 
sei  das  Höchste.     Dieses  habe  Parrhasios  erreicht,  —  minor  tamev 
videfur  sihi  comparatus  in  mediis  corporihus  exprimendis.  Glücklicher- 
weise berichtet  auch  Quintilian   über  die  Zeichnung  des  Parrhasios, 

•';  A.  a.  O.  S.  70. 


119 

aber   nur  mit  den  paar  sachgemässen  Worten :   examiiiasse   subtüius 
lineas  traditur,  ohne  Hinzufügung  irgend  eines  Tadels. 

Die  Erwähnung  des  Antigonos  und  Xenokrates  an  dieser  Stelle 
galt  und  gilt  als  einer  der  wichtigsten  Stützpunkte  für  die  Quellen- 
analyse des  Plinius.  Von  hier  aus  hat  Brieger  die  varronischen 
Kunsturtheile  auf  Xenokrates  zurückgeführt,  und  sie  sind  uns  erst 
dadurch  verständlich  geworden,  aber  auch  Roberts  öfters  genannte 
Untersuchung  nimmt  von  hier  ihren  Ausgang,  Diese  Doppelerwäh- 
nung hat  man  ziemlich  allgemein  so  verstanden,  dass  der  ältere 
Schriftsteller  Xenokrates  von  dem  jüngeren  Antigonos  citirt  wurde  ■''^), 
und  das  hat  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Auch  glaube  ich 
gerne,  dass  Antigonos  dieses  Citat  in  seinem  Buche  über  die  Malerei 
gelegentlich  der  Behandlung  des  Parrhasios  anbrachte,  aber  gerade 
weil  das  Buch  „nicht  bloss  eine  Geschichte  der  Malerei,  sondern 
auch  eine  Statistik  der  Gemälde  und  sogar  eine  sehr  vollständige" 
war^^),  nimmt  sich  diese  Berufung  auf  Xenokrates  einigermassen 
befremdlich  aus.  Gerade  für  diesen  Punkt  wird  die  vorhergegan- 
gene Auseinandersetzung  hoffentlich  nicht  vergeblich  sein.  Habe 
ich  mit  der  Behauptung  Recht,  dass  das  Lob  der  Zeichnung  des 
Parrhasios  nur  in  losem  Zusammenhange  mit  seinen  Bildern,  im 
innigsten  aber  mit  seinen  Zeichnungen  für  toreutische  Arbeiten 
steht,  dann  war  es  Xenokrates,  der  jene  wiewfcrawa  gewürdigt  hatte, 
die  gewiss  einer  späteren  Zeit  nicht  leicht  zugänglich  waren.  Nach 
der  Natur  dieser  Zeichnungen  kann  er  das  sehr  gut  auch  in  seiner 
Schrift  de  toreutice  gethan  haben  ^'). 


"j  Vergl.  L.  Urlichs  a.  a.  O.  S.  30, 

*®)  Wilamowitz,  Antigonos  von  Karystos  S.  8, 

*')  Diese  Stelle  ist  die  einzige,  die  Xenokrates  als  Schriftsteller  über  Malerei 
erwähnt,  in  dem  Index  zum  36,  Buche  hat  Plinius  bekanntlich  weder  Antigonos 
noch  Xenokrates  Schrift,  sondern  Parrhasios  selber  eingestellt,  während  er  sie  beide 
als  Gewährsmänner  im  Index  zum  34.  Buche  und  als  Schriftsteller  über  Toreutik 
nennt,  Ist  aber  diese  Schrift  de  pictura  nur  aus  dem  Citat  bei  Antigonos  er- 
schlossen, dann  steht  es  mit  ihr  nicht  zum  Besten.  Jedesfalls  kann  sie  nicht  mehr 
dazu  herhalten,  in  der  Stelle  bei  Diogenes  Laertios  VIT,  188  Hypsikrates  durch 
Xenokrates  zu  verdrängen.  Dort  wird  von  einem  Angriff  auf  Chrysippos  berichtet. 
Ein  obscünes  Gemälde,  dem  er  einen  tieferen  Sinn  unterlegt,  sei  seine  eigene  Er- 
findung :  TaiiTviv  ävau\dTTei  iaropiav  —  ou6e  irapa  xoic,  irepl  ttivöIkujv  ^päx^aai 
KaTaKexiwpiö|aevr|v  lurire  y^P  frapä  TTo\e|uuJvi  iif\re  irap'  'Yi|JiKpäTei  dWä  |ur)öe 
irap'  'AvTiYüvuj  dva\,  i)it'  aÜToO  6e  TreTiXuaBai.  Die  Aenderung  ist  von  R.  Köpke 
De  Antigono  Carystio  p.  25  vorgeschlagen  und  von  Wilamowitz  auf  das  Entschie- 
denste vertheidigt  worden.    Gegen  sie  spricht  ausser  der  technischen  Schwierigkeit 

9* 


120 

Das  aus  so  berufenem  Munde  gespendete  Lob  hat  vielfachen 
Widerhall  gefunden  und  namentlich  einer  Zeit,  die  grössere  colo- 
ristische  Leistungen  kannte,  lag  es  besonders  bequem"'^).  Daraus 
aber  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  Parrhasios  im  rein  Malerischen 
auch  seiner  Zeit  nicht  Genüge  geleistet  habe,  war  erst  jener  mo- 
dernen Forschung  beschieden,  die  die  Trauben  des  Zeuxis  gekeltert 
hat.  Der  bekannte  Ausspruch  des  Euphranor  über  das  Verhältniss 
von  seinem  Theseusbilde  zu  jenem  des  Parrhasios,  dem  man  als 
einem  authentischen  Zeugnisse  hohen  Werth  zumessen  muss,  klingt 
überlegen,  aber  nicht  unehrerbietig,  ich  denke,  jenem  könnte  auch 
die  Helena  des  Zeuxis  als  Vegetarianerin  gegolten  haben.  Aber 
wir  haben  doch  auch  ausdrückliche  Zeugnisse  über  die  Farben- 
gebung  unseres  Meisters,  ganz  abgesehen  von  einer  plinianischen 
Notiz  über  den  Gebrauch  der  eretrischen  Erde,  mit  der  nicht  viel 
anzufangen  ist.  Es  sind  zwei  einander  diametral  entgegengesetzte 
ürtheile,  deren  Werth  sorgfältig  erwogen  sein  will.  Zunächst 
Fronto  ad  Verum  1  :=  Ov.  Schriftq.  1 725 :  quid,  si  Parrhasmm  ver- 
sicolora  fingere  mheret,  aut  Apellem  unicolora,  aut  Nealcen  magnißctt, 
aut  Niciam  ohscura  aut  IHonysium  inlustria  aut  lasciva  Euphranorem, 
aut  Pausiam  proelia?  Ich  halte  es  für  völlig  unstatthaft,  diesen  Aus- 
spruch mit  Brunn  erweiternd  so  zu  interpretiren,  als  ob  es  thöricht 
sei,  von  Parrhasios  zu  verlangen,  „dass  er  Gegenstände  male,  deren 
Bedeutung  in  der  Mannigfaltigkeit  der  Farbe  liege".  Es  ergibt 
sich  aus  demselben  nur,  dass  Fronto  den  Parrhasios  für  einen  Mono- 
chromatiker  hielt.  Wie  er  dazu  kam,  ist  eine  zweite  Frage. 
Monochromata  sind  für  Zeuxis  bezeugt  und  für  Parrhasios  gewiss 
nicht  unmöglich,  aber  dem  sei  nun  wie  ihm  wolle,  Fronto  ist  damit 
abgethan.  Der  zweite  Zeuge  ist  Diodor.  Im  ersten  Fragmente 
des  26.  Buches  heisst  es  von  Pheidias:  |ad\i(TTa  Te6aujua(J)uevo(;  em 
TV)  tOüv  eXeqpavTivujv  dYa\|adTUJV  KaiacTKeui^,  von  Praxiteles:  6  Kaia- 
jaiEaq  ctKpujq  Toiq  XiGivoiq  e'pTOiq  td  Tf\c,  ipuxri«;  TrdG»i ,  von  Apelles 
und  Parrhasios:  oi  roiq  ejUTTeipiKiiJq  KeKpajuevoiq  xpii^l^«cri  TrpoafaTÖVTe(; 


noch,  dass  Hypsikrates  hier  mit  Polcmoii  enger  verbunden  ist  als  mit  Antigonos, 
dass  Lucian,  Macrob.  22,  den  Hypsikrates  avf{pacp(.i)C,  b\ä  iroW&v  |aaeri|LidTUJv 
•fevö|ui€vo<;  nennt  und  dass  ferner  Xenokratcs  gar  nicht  hieher  passt.  Dafür  darf 
ich  auf  einen  Vertlieidiger  dieser  Conjectur  verweisen,  L,  Urlichs  a.  a.  O.  S.  30, 
der  diesen  Gedanken  weiter  ausführt  und  zum  Schlüsse  kommt,  die  Erwähnung  des 
Xenokratcs  als  gelehrten  Prunk  zu  verdächtigen. 

'*)    Plinius  35,  129;   Plutarch,  de  gloria  Athen.  2    =    Overb.  Schriftq.   1704, 
Wahrscheinlich  ein  Citat  aus  Euphranors  „volumina  de  sijmmetria  et  coloribus". 


121 

ei<g  aKpÖTttTov  d'iv  la)jpaq)iKr\v  lexv^v.  Den  Versuch ,  auch  diese 
Stelle  abzuschwächen,  um  sie  mit  der  abgeschwächten  Fronto-Stelle 
zu  stimmen,  brauche  ich  nun  nicht  mehr  zu  berücksichtigen.  Ich 
darf  aber  zur  Unterstützung  darauf  hinweisen,  dass  die  Verbindung 
Parrhasios-Apelles  nicht  bloss  diesen  beiden  Stellen  eigenthümlich, 
sondern  geradezu  ständig  ist,  während  Zeuxis-Apelles  nur  bei  Plautus 
unter  dem  Schutze  der  Metrik  vorkommt.  So  ist  denn  Parrhasios 
auch  als  Colorist  Apelles  Vorläufer  gewesen,  und  es  wird  jetzt  viel- 
leicht verständlicher  sein,  warum  in  der  erwähnten  Cicero -Stelle 
sein  Name  bei  den  Tetrachromenmalern  Zeuxis  und  Timanthes  fehlt, 
aber  sich  auch  nicht  bei  jenen  findet,  in  quibus  iam  •perfecta  sunt 
omnia^^).  Sein  Verdienst  bestand  eben  darin,  die  coloristische  Rich- 
tung eingeleitet,  nicht  sie  abgeschlossen  zu  haben. 

Ich  habe  bereits  früher  das  Urtheil  Quintilians  über  Zeuxis 
und  Parrhasios  erwähnt  und  setze  jetzt  die  ganze  betreffende  Partie 
her,  so  bekannt  sie  auch  die  vielfache  Behandlung  dieser  Stelle  in 
letzter  Zeit  gemacht  haben  mag*""):  Post  Zeuxis  atque  Parrhasius 
non  multum  aetate  distantes,  circa  Peloponnesia  ambo  tempora  {nam 
cum  Parrhasio  sermo  Socratis  apud  Xenophontem  invenitur)  plurimum 
arti  addiderunt.  Quorum  prior  luminum  nmhrarumque  invenisse  ratio- 
nem,  secundus  examinasse  subtilius  lineas  traditur.  Nam  Zeuxis  plus 
membris  corporis  dedit,  id  amplius  atque  augustius  ratus  atque,  ut 
existimant,  Homerum  secutus,  cui  validissima  quaeque  forma  etiam  in 
feminis  placet,  Ille  vero  ita  circumscripsit  omnia  ut  eum  legum  latorem 


^^)  Cicero,  Brutus  18,  70 :  similis  in  pictura  ratio  est  in  qua  Zeuxin  Polygno- 
tum  et  Timanthem  et  eorum,  qui  non  sunt  usi  plus  quam  quattuor  coloribus,  formas 
et  lineamenta  laudamus. 

^"j  Brzoska  hat  in  ihr  einen  perganienischen  Kanon  der  Bildhauer  und 
Maler  entdecken  zu  können  geglaubt ,  der  nach  Analogie  des  Kanon  der  zehn 
Redner  gebildet  worden  sei,  und  Robert  hat  darüber  Arch.  Märch.  S.  47  u.  71 
einen  Hymnus  geschrieben.  Es  werden  da  11  Maler  und  zehn  Bildhaiier  auf- 
geführt. Die  Reihe  der  ersteren  besteht  aus :  Polygnot,  Aglaophon,  Zeuxis,  Par- 
rhasios, Protogenes,  Pamphilos,  Melanthios,  Antipliilos,  Theon,  Apelles,  Euphranor  ; 
die  der  letzteren:  Kallon,  Hegias,  Kaiamis,  Myron,  Polyklet,  Phidias,  Alkamenes, 
Lysippos,  Praxiteles,  Deraetrios.  Da  muss  denn  zunächst  von  der  Malerliste  ein 
Name  weggestrichen  werden,  und  es  ist  ziemlich  gleichgiltig,  ob  man  diese  Ope- 
ration mit  Brzoska  am  Schlüsse  oder  mit  Robert  am  Anfange  vornimmt.  Die  Ana- 
logie der  Zahl  ist  damit  erreicht,  und  eine  andere  finde  ich  nicht.  Indess  da  dieser 
Kanon  nothwendig  entweder  pergamenisch  sein  oder  nicht  sein  muss ,  genügt  zu 
seiner  Bekämpfung  der  Hinweis,  dass  sowohl  in  der  Maler-  als  in  der  Bildhauer- 
liste je  ein  Name  fehlt,  der  gerade  in  einem  perganienischen  Kanon  nicht  fehlen 
durfte,  hier  ApoUodor,  dort  Onatas. 


122 

vocent  quid  deorum  atque  heruiim  effiyies,  qiiales  ab  eo  sunt  traditae, 
ceteri,  tawquam  Ita  necesse  sit,  sequiinütr.  Damit  schliesst  die  Be- 
sprechung Beider  und  es  folgt  die  Erwähnung  der  Blüthezeit  der 
Malerei. 

Bei  Robert,  Archäol.  Märch.  S.  74  findet  sich  nun  zu  den 
Worten  Ille  vero  folgende  Anmerkung:  „Natürlich  Homer,  nicht  wie 
Brunn,  Künstlergeschichte  II,  114,  und  Overbeck,  Schriftquellen  1724, 
wunderlicher  Weise  meinen,  Parrhasios.  Vgl.  unten  S.  76."  Auf 
S.  76  findet  sich  die  Sache  ein  zweitesmal,  aber  wieder  keine  Be- 
gründung. Der  Leser  wird  die  Quintilianstelle  noch  einmal  auf- 
merksam durchgehen,  er  wird  sich  wundern,  auf  das  Nam  Zeuxis 
etc.  etc.  den  Parrhasios  nicht  wieder  zu  finden,  er  wird  auch  dar- 
über staunen,  dass  es  von  Homer  heisst  effigies  tradidit.  Er  wird 
vielleicht  nach  löblicher  Gewohnheit  die  Stelle  im  Autor  selbst 
nachschlagen,  nach  der  Bonncl'schen  Ausgabe  langen  und  zu  dem 
Behufe  im  Index  unter  Parrhasius  suchen.  Da  steht:  rarrhasins 
pictor,  Legiim  lator  dictus  12,  10,  4  sqq.  Ich  kann  nun  dem  Leser 
das  Weitere  selbst  überlassen :  ich  denke,  er  wird  wohl  meine  Mei- 
nung theilen,  dass  wer  überlegen  sein  will,  auch  ein  wenig  über- 
legen sollte. 

Die  quintilianischen  Worte  rufen  uns  das  stolzeste  aller  Epi- 
gramme unseres  Meisters  wieder  in  den  Sinn: 

El  Ktti  ctTTiaTa  kXugucti,  XeTUJ  rdbe-  qpniui  t«P  ^^^ 

Texvii<^  eüpflcrGai  repiuaTa  Tf]ö"be  (Tacpfi 
Xeipö^  ucp*  fijueTepii^*  dvurrepßXriToc;  be  TreTTtiYev 
oijpoq'  duuüiutiTov  b'  oObev  e'YevTo  ßpoioi^ 
und  fügen  wir  es  gleich  hinzu,  sie  ratificiren  es  ausdrückHch,  freilich 
nicht  für  den  ganzen  Umfang  des  ursprünglichen  Anspruches,  aber 
doch  für  das  Centrum  seiner  künstlerischen  Thätigkeit.    Die  kurze 
Ueberschau  seiner  erwähnten  Werke,  es  sind  ihrer  für  den  fecimdns 
artifex  nicht  allzu  viele,  wird  uns  lehren,  dass  er  wirklich  der  Maler 
der  Götter  und  Heroen  war,  für  den  er  sich  ausgegeben  hat,  nicht 
aber  der  Schmerzensmalcr ,    für    den   ihn   eine  moderne  Forschung 
ausgeben  will.     Doch    zunächst   wollen  wir  die  nothwendigen  Säu- 
berungen vornehmen.     Mit  Nr.  23  bei  Overbeck    befasse   ich  mich 
natürlich  nicht,    es   fällt   mir   aber   auch    schwer,    dies    mit  Nr.  2, 
dem  Prometheusbilde,  thun  zu  müssen.  Ich  gebe  zu,  die  Sage  geht 
von  einem  Prometheusbilde  aus,  aber  die  Einkleidung  in  die  Con- 
troversenform   ist    allerschlechteste   Mache,    Parrhasios   wird   'pictor 
Atheniensis,    lebt    zur    Zeit    Philipps;     das    geht     doch    nicht    an, 


123 

da  den  Namen  herauszugreifen  und  den  Rest  wegzuschütten. 
Milchhöfer  freilich  hat  für  den  Kunstcharakter  des  Parrhasios  aus 
dieser  Nachricht  Gewinn  zu  ziehen  versucht,  er  nutzt  aber  auch 
mit  gleicher  Unbefangenheit  die  witzige  Schilderung  des  Demos 
dieses  Meisters.  Den  Archigallus  Nr.  12  hat  Bursian  mit  Nr.  13 
dem  sacerdos  adstante  puero  cum  acerra  et  corona  zu  identificiren  ver- 
sucht, wie  ich  glaube,  vergeblich;  er  gehört  in  ein  anderes,  weniger 
ernstes  Capitel.  Plinius  erzählt  von  dem  Bilde,  dass  es  Kaiser 
Tiberius  geliebt  habe,  atque  ut  auctor  est  Deculo  HS  LX  aestimatatu 
cuhiculo  suo  inclusit.  Die  gleiche  Ehre  ist  bekanntlich  für  kurze 
Zeit  dem  Apoxyomenos  des  Lysippos  zu  Theil  geworden,  aber 
gewiss  war  nicht  der  absolute  Kunstwerth,  sondern  der  Reiz  der 
schönen  nackten  Jünglingsfigur  die  Ursache,  warum  sie  ins  kaiser- 
liche Schlafgemach  gebracht  wurde.  Dort  befand  sich  auch  noch 
ein  parrhasisches  Bild.  Davon  berichtet  Sueton,  Tib.  44:  Parrhasi 
quoque  tabulam ,  in  qua  Meleagro  Atalanta  ore  morigeratur ,  legatam 
sihi  {Tiberio)  suh  condicione,  ut  si  argumento  offenderetur  decies  pro 
ea  sestertium  acciperet,  non  modo  praetuUt,  sed  in  cuhiculo  dedicavit. 
Die  Zusammengehörigkeit  beider  Notizen  springt  in  die  Augen. 
Urlichs  nimmt  an^^),  dass  beide  Bilder  aus  der  gleichen  Erbschaft 
herrühren  und  hält  das  billigere  Bild  für  das  kleinere,  oflfenbar 
wegen  des  pinxit  et  minoribus  tabellis  libidines.  Um  so  pikanter  war 
es  aber  und  das  Sechsfache  für  ein  simples  Pfaffenporträt  ist  doch 
viel  zu  viel.  Das  Wunderlichste  an  der  Sache  bleibt  aber  doch, 
dass  sich  Deculo-Plinius  und  Sueton  auch  ihrerseits  in  die  Erb- 
schaft theilen,  der  eine  von  diesem,  der  andere  von  jenem  Bilde 
berichtet.  Sueton  hat  sich  scheinbar  das  bessere  Stück  ausge- 
sucht, oder  sollte  bei  Plinius  nur  der  Reiz  der  Geschichte  verloren 
sein?  Es  sieht  ganz  darnach  aus.  Ich  glaube,  es  sind  zwei  Be- 
richte über  ein  Bild.  Die  verschiedenen  Preise  beweisen  dagegen 
sicherlich  nicht  viel,  solche  Zahlenangaben,  und  gar  hier,  wo  es 
sich  blos  um  eine  Schätzung  handelt,  wollen  nicht  zu  genau  ge- 
nommen sein.  Ja,  aber  die  verschiedenen  Namen.  Nun  Meleager 
und  Atalante  sind  sicher  widersinnig  und  scherzhaft  gemeint,  Ar- 
chigallus auch ;  was  für  ein  Umstand  Anlass  zu  dem  Scherze  gab 

—  vielleicht  waren  die  Hoden  der  männlichen  Figur  nicht  zu  sehen 

—  ist  kaum  zu  sagen.  Wichtiger  wäre  das  Verhältniss  zu  dem 
von  Chrysipp  gedeuteten  anonymen  Bilde,  Zeus  und  Hera  in  gleicher 


^^)  ehrest.  PUniana  S.  351. 


124 

Gruppirung  ruhend,  aber  ich  weiss  darüber  keinen  Rath.  An  dem 
Künstlernamen  unseres  Bildes  mit  Wilamowitz  zu  zweifeln,  sehe 
ich  keinen  rechten  Grund,  da  doch  Pornogramme  erster  Meister 
wohl  bezeugt  sind  5  seine  ständige  Signatur  können  wir  hier  aller- 
dings kaum  voraussetzen.  Das  lindische  Heraklesbild  unseres 
Meisters  trug  eine  Inschrift,  von  der  uns  das  folgende  Distichon 
überliefert  ist: 

Oio^  h'  evvuxio^  qpavTdZ;eTO  TToXXdKi  cpoiToiv 
TTappaffiuj  bi'  üttvou,  toio(;  ob'  ecTTiv  opdv. 
Dass  sie  unmöglich  vollständig  sein  kann,  ist  schon  lange  bemerkt 
worden ^'^),  es  gibt  aber  auch  ein  äusseres  Zeugniss  dafür,  dass  ihr 
Anfang  fehlt ^"^j.  Stolz  klingt  der  Vers,  er  bietet  aber  gar  keinen 
Grund,  den  Meister  für  einen  Aufschneider  zu  halten,  wie  alte  und 
neue  Moralisten  meinen,  psychologisch  begreiflich  ist  die  Sache 
doch  sicherlich.  Der  Vers  lehrt  uns  aber  auch,  dass  dies  Herakles- 
bild in  der  That  nichts  anderes  war,  als  der  Name  sagen  will,  ein 
Heroenbild  schlechtweg.  Nun  ist  auffallend,  dass  Athenaios  von 
mehreren  Werken  in  Lindos  redet,  wir  aber  bei  Plinius  nur  noch 
ein  Werk  in  Rhodos  finden:  Pinxit  et  in  una  tabula  quae  est  Rhodi 
Meleagruni,  Herculem,  Persea;  haec  ibi  ter  f ulmine  ambusta  neque 
oblitterata  hoc  ipso  miraculum  äuget.  Was  diese  drei  Figuren  mit- 
einander zu  thun  haben,  wird  nicht  gesagt.  Robert  vermuthet  ein 
Gespräch  im  Hades  ^*),  das  die  Verehelichung  des  Herakles  zum 
Thema  hat,  sicherlich  kein  sehr  malerischer  Vorwurf.  Das  Wunder- 
zeichen, glaube  ich,  weist  andere  Wege.  Warum  ist  das  Bild  drei- 
mal vom  Blitze  getroffen  worden,  deutet  das  nicht  auf  eine  Drei- 
theilung?  Ist  nicht  gerade  die  Betonung  der  Einheit  der  Tafel  ein 
Hinweis  auf  die  Verschiedenheit  der  Bilder?  Was  hat  denn  Aeneas 
mit  den  Dioskuren  gemeinsam  zu  thun,  die  Parrhasios  gleichfalls 
in  eadem  tabula  gemalt  hatte?  Demnach  darf  man  die  Möglichkeit, 
den  lindischen  und  rhodischen  Herakles  zu  identificiren,  vielleicht 
offen  lassen.  Ich  kann  die  sechs  Figuren  dieser  zwei  Triptychen 
nicht  anders  fassen,  denn  als  Heroenporträts,  und  dass  dies  mit 
den  sonstigen  Nachrichten  über  unseren  Meister  stimmt,  brauche 
ich  wohl  kaum  mehr  zu  betonen.    Das  Theseusbild  und  der  Demos 


•"*)  Vergl.  Benndorf,  de  Anthol.  gr.  epigr.  p.  30. 

*')  Athenaios  XV    p.  687  B:   ^TriYpcxH^ÖMevoc;    TOiq    dv    Aivboi   iräoiv    aiiToö 
epYOic;:  dtßpobiaiTO«;  k.  t.  X. 

";  BiUl  uiul  Lied  p.  45. 


125 

ordnen  sich  dieser  Reihe  ein.  Euphranor  hatte  beide  mit  der  De- 
mokratie in  der  Stoa  basileios  zu  einem  symbolischen  Bilde  ver- 
einigt. Es  stellte,  wie  wir  aus  Pausanias  ersehen  können,  Theseus 
dar,  der  dem  Demos  die  geliebte  Braut  zuführt.  Von  Parrhasios 
lehrt  uns  die  Ueberlieferung  nur,  dass  er  beide  besonders  und  dass 
er  sie  gut  gemalt  habe. 

Die  Fortsetzung  nach  oben  sind  die  Götterbilder;  wir  haben 
leider  nur  zwei  überliefert.  Den  Hermes,  der  zugleich  für  ein 
Selbstporträt  des  Meisters  galt,  und  Dionysos  mit  der  Arete, 
deren  Bedeutung  ich  bereits  berührt  habe.  Das  ist  eine  empfind- 
liche Lücke  unserer  Ueberlieferung  und  nichts  als  eine  Lücke. 
Nach  unten  setzen  die  Menschenbildnisse  die  Reihe  fort.  Da 
haben  wir  drei  Unbekannte.  Das  Friesterbild  (der  Megabyzos 
des  Tzetzes  ist  damit  nicht  zu  identificiren ,  sondern  einfach  zu 
eliminiren),  den  Admiral  im  Panzer,  dessen  Namen  wir  gar  zu 
gerne  wüssten,  und  einen  Philiskos,  den  man,  ob  mit  Recht  weiss 
ich  nicht,  mit  dem  Lustspieldichter  dieses  Namens  identificirt  hat. 
Sonderbar  mag  es  sich  vielleicht  ausnehmen,  wenn  die  Be- 
schränkung auf  eine  oder  wenige  Figuren,  die  man  früher  dem 
Zeuxis  zuschrieb,  nun  für  Parrhasios  zuzutreffen  scheint,  aber  An- 
gesichts dieser  geschlossenen  Kette  wird  man  die  Annahme  kaum 
umgehen  können.  Der  naheliegenden  Versuchung,  für  dieselbe  auch 
noch  die  zwei  Hopliten,  den  schwitzenden  wie  den  luftschnappenden, 
die  thrakische  Amme  mit  dem  Kind  im  Arme,  wie  die  zwei  Knaben 
mit  dem  Ausdruck  einfältiger  Dreistigkeit  in  Anspruch  zu  nehmen, 
glaube  ich  ausweichen  zu  müssen,  sie  tragen  den  Charakter  von 
Excerpten  so  deutlich  an  sich,  dass  wir  an  die  Möglichkeit  denken 
dürfen,  sie  seien  aus  den  menihrana  als  Exempel  herausgehoben 
worden,  jedesfalls  dürfen  wir  sie  uns  trotz  des  plinianischen  'phixit 
vor  denselben  als  selbständige  Gemälde  nicht  vorstellen. 

Mag  es  Wahrheit,  mag  es  Dichtung  sein,  dass  Parrhasios 
seine  eigenen  Züge  einem  Götterbilde  geliehen  habe,  die  innige  und 
nothwendige  Verbindung  von  Porträt  und  Idealtypus  hat  auch  im 
Gewände  einer  Anekdote  ihr  Recht.  Versinnbildlicht  diese  doch 
die  Concordanz  zwischen  dem  quintilianischen  Urtheil  und  den 
Anforderungen,  die  Sokrates  in  dem  berühmten  Gespräche  an  un- 
seren Meister  stellt.  Er  hat  sie  voll  erfüllt,  das  lehren  die  Lob- 
sprüche bei  Plinius  35,67:  primus  symmetriam  pidurae  dedit,  primns 
argutias  voltus,  elegantiam  capüli,  venustatem  oris.  Eine  andere  Reihe 
von  Bildern  zeugt  von  seiner  poetischen  Kraft.   Es  sind  die  grossen 


126 

mythischen    Darstellungen,    die    ich    meine.     Plinius    erwähnt    nur 
zweier,    Telephos'  Heilung  und  Aias  und  Odysseus'  Streit   um  die 
Waffen  Achills.     Ein    drittes    hat    uns  Plutarch   als  Beispiel    eines 
ungewöhnlichen    Vorwurfes    überliefert,     des    Odysseus     simulirten 
Wahnsinn '^^).     Wir    sind   dadurch   in   der  glücklichen  Lage,    nicht 
blos    ein   besonders    wichtiges  Bild  mehr  zählen  zu  können,  sondern 
auch    wieder    einmal    Plinius    genauer    auf   die   Finger    zu    sehen. 
35,  129  zählt  er  die  Werke  des  Euphranor   auf  und  fügt   dort  zu 
den  dreien,  uns  auch  aus  Pausanias  bekannten  Werken  in  der  Stoa 
basileios    noch    ein    viertes    ephesisches    hinzu:    Nobilis  eins  tabula 
Kphesi  est,   Ulixes  simulata  insania  hovein  cum  equo  iungens  et  palliati 
coyitantes,  dux  gladmm  condens.    Die  ausführliche  Schilderung  Lucians 
geht,  was  nie  bezweifelt  wurde,    auf  dasselbe  Bild  zurück.     Pala- 
medes  ttpökuüttov  e'xujv  t6  Hiq)o<s  ist  der  dux  gladmm  condens  und  die 
richtige  Interpretation  dieses  Zuges  scheint  die  lucianische   zu  sein. 
Die  Berühmtheit  des  „euphranorischen"  Bildes  ist  demnach  erwiesen, 
sonderbar,    dass   nun   Plutarch    das   parrhasische  allein  zu  kennen 
scheint.     Dass  Euphranor    einen  Vorwurf  unseres  Meisters,    wenn 
auch  so  specieller  Art,  noch  einmal  malt,  bedarf  wohl  eines  klaren 
Zeugnisses,    aber   keiner   besonderen  Erklärung,    dass    er   es    aber 
auch  für  die  Heimat  desselben  malt,    geht    doch    über   den  Spass. 
Sehen    wir   uns    nun  den  Zusammenhang  bei  Plinius  an,    so    klärt 
sich    die    Sache    völlig    auf.     Dort    werden  die  drei  opera  des  Eu- 
phranor erwähnt,    zum  dritten,  dem  Theseus,   hinzugefügt:  in  quo 
dixit  eundcm  apud  Parrhasium  rosa  pastuni    esse,    suum    vero    carne 
und  dann  unmittelbar  Nobilis  eins  etc.  etc.     Diese  Worte   gehören 
genau  genommen  zu  Parrhasios  und  nicht  zu  Euphi-anor,   das  hat 
bereits  Blümner  bemerkt;    dafür   aber,    dass   sie   hier  in  den  Text 
gerathen  sind,  ist  wahrscheinlich  nicht  irgend  ein  Abschreiber,  son- 
dern der  confuse  Autor  selber  haftbar®*^).    Aus  der  Erkenntniss  des 
Thatbestandes  folgt  für  das  Wissen  um  unseren  Meister  lebendiger 
Gewinn.    Wir  besitzen  nun  doch  von  einem  seiner  Bilder  eine  klare 
Vorstellung,    die    uns    seine  dramatische  Gestaltungskraft  in  über- 
raschender   Weise    offenbart.     Ein    viertes    mythisches,    gleichfalls 
vom    Geiste   des    Dramas  umwehtes  Bild,    sein  Philoktet,    ist    nur 


'^■')  De  aud.  poet.  3  =  ()v.  .Sclnit'tii.   1708. 

'■")  Arch.  ytudien  zu  Ltician  S.  66  Aniii.  1.  Blüiuuer  liat  die,  wie  mir 
-scheint,  selbstverständliche  Identiücirnng  vcrmuthet ,  so  viel  ich  aber  sehe,  damit 
kein  Glück  gehabt. 


127 

durch  ein  Epigramm  l)ezeugt*''),  das  blos  von  der  Hauptfigur  spricht, 
ohne  dass  deshalb  an  eine  Einzelügur  zu  denken  sein  wird.  Der 
Zusammenklang  mit  dem  Telephosbilde  ist  unverkennbar.  Gedenken 
wir  hier  auch  seiner  Composition  der  lliupersis  und  des  Lapithen- 
kampfes,  denen  sich  einst  gewiss  noch  manches  Ebenbürtige  ange- 
reiht hat,  von  dem  keine  Kunde  bis  zu  uns  gedrungen  ist.  Sie 
lehren,  dass  er  die  mythische  Situation  nicht  etwa  blos  aus  der 
Hand  des  dramatischen  Dichters  übernommen  und  inhaltlich  ge- 
steigert habe,  sondern  dass  er  seine  Kraft,  die  Gestalten  und  das 
Reich  des  Mythos  zu  lebendigem  Ausdruck  zu  bringen,  von  seinen 
künstlerischen  Ahnherren  ererbte.  So  leitete  er  als  der  zweite  der 
grossen  ionischen  Malerfttrsten  vom  Ethos  Polygnots  hinüber  zur 
Charis  des  Apelles. 

«')  O verbeck  Schriftq.   1709. 

Prag,  September  1888  WILHELM  KLEIN 


Zum  Ehrendecret  aus  Tomi 

(Diese  Zeitschrift  XI  S.  41,  Nr.  65) 


Eine  nochmalige  Prüfung  der  beiden  Abklatsche  (von  Toci- 
lescu  und  v.  Domaszewski),  sowie  eine  neuerliche  Vergleichung  des 
Steines  durch  Herrn  Prof.  v,  Domaszewski,  die  immer  speciell  an- 
geführt werden  wird,  haben  einige  Berichtigungen  ergeben,  die  im 
Folgenden  zugleich  mit  Ergänzungsversuchen  vorgelegt  werden  sollen. 

In  Z.  1  ist,  von  Domaszewski  bestätigt,  der  Anfangsbuchstabe 
des  Priesternamens  FT  vorhanden.  Für  ein  Datum  ist  kein  Raum. 
Die  Inschrift  ist  nämlich,  wenn  auch  nicht  völlig,  doch  immerhin 
so  regelmässig  geschrieben,  dass  in  den  erhaltenen  Theilen  der 
Zeilen  2,  3,  4,  5,  6,  11,  13,  16,  25,  deren  Enden  in  eine  gerade 
Linie  fallen,  je  18  bis  19  Buchstaben  stehen.  Geht  man  von  den 
ziemlich  sicher  zu  ergänzenden  Zeilen  9,  13,  14,  24,  25,  27,  29, 
30,  32,  34  aus,  so  ergibt  sich  eine  Gesammtlänge  von  30  bis  34 
Buchstaben  (also  für  die  erste  um  zwei  Buchstaben  hineingerückte 
Zeile  von  28  bis  32).  Zu  beachten  sind  dabei  die  bei  Sinn- 
abschnitten eintretenden  leeren  Räume,  die  einem  Buchstaben  gleich- 
gesetzt werden  können,  2  nach  emav,  15  nach  iröXei,  21  nach  0AI, 
25  nach  dYa]0fii,  31  nach  dairovbei,  33  nach  lepd,   35  nach  AfOPA 


128 

(von     einem     I    ist    nach    Domaszewsld's    ausdrücklicher    Angabe 
keine  iSpur). 

In  Z.  2  ist  mit  Rücksicht  auf  Z.  26  zu  schreiben:  eireibfri 
Hikoc,  Toö  beiva. 

Im  Folgenden  ändert  Szanto  das  überlieferte  Kai  dEiav  (Z.  7) 
(das  i  vor  dEiav  ist  ganz  deutlich)  in  Kar'  dHiav.    Diese  Aenderung 
liesse  sich  vermeiden  durch  folgende  Ergänzung: 
dvrip  Koköq  Kai  [dtaGöc;  tctovujc^ 
Kai  CK  irpoTÖvuuv  dYa0uu[v  ä)v  irapeTTibiiiuri- 
öaq  Kai  irpoTepov  ev  rrj  [iröXei  eTTOirjCTe  iriv 
xe  dvaarpocpriv  euTdKTuu[<;  Kai  euxpilffxuuq 
Kai  dSiav  d|U(poTepujv  e7T[i|ueXeiav  ecrxe  TrdjXeojv 

Auch  Z.  8  kann  die  Ergänzung  xwpioQeic,  re  ei^  7r[aTpi]ba  mit 
Rücksicht  auf  das,  was  über  die  Raumverhältnisse  bemerkt  vs^orden 
ist,  nicht  richtig  sein;  vielleicht  ist  Tr[ö\iv  auToO  Traipijba  möglich. 
Für  die  Construction  x^Jpiö'Beii;  de,  Traipiöa  lässt  sich  noch  ver- 
gleichen Latyschew  Inscr.  ant.  orae  septentrion.  Pont.  Euxin.  I  185, 
II  32. 

Ebenso  ist  in  Z.  10  der  Raum  nicht  gefüllt;  etwa  TTape(TX€T[o 
eauTov  TravTaxf|i. 

Aus  dem  gleichen  Grund  scheint  in  Z.  11  ßeXticTTa  vorzu- 
ziehen und  in  Z.  12  auToO  oder  eauTOÖ  einzufügen. 

In  Z.   15  lässt  sich  vermuthen  T[fi<^  TTÖXeuu^  ejuiröpoiv. 

In  Z.  16  ist  nach  TT,  von  Domaszewski  bestätigt,  noch  eine 
schiefe  Hasta  /  von  A  oder  A  erhalten;  darnach  vermuthet  Prof. 
Bormann  7t[X€Övtujv  Trpovoüjv.  Der  Geehrte  hat  also,  als  er  nach 
seiner  Vaterstadt  Tyra  zurückgekehrt  war,  den  Kaufleuten  von  Tomi 
seinen  Schutz  angedeihen  lassen,  die  auf  ihren  Fahrten  n.ach  Olbia 
in  Tyra  Station  machten  und  wohl  auch  die  Gelegenheit  zu  Ge- 
schäften benutzten. 

Schwierig  ist  die  Ergänzung  der  Zeilen  l8  bis  20;  der  viel- 
fach beschädigte  Stein   bietet  Folgendes: 

*  I  A  O  T.r  I  M  I  //^O  Y  0  E  N  E  ^' 
r  P  A  <1  ,   N  A  E  ;/         ^^ly^ 
M  t  I  NTASA',^^ 
0AI      O    KTX. 

l)as  Zeichen  nach  AE  in  Z.  lU  ist  sehr  fraglich;  zu  dem 
Rest  einer  schiefen  Hasta  am  Schlüsse  von  Z.  20  bemerkt  Doma- 
szewski: „wenn  nicht  Bruch". 


129 

Dem  Sinne  nach  und  mit  Rücksicht  auf  die  erhaltenen 
Zeichen  wäre  vielleicht  nicht  ganz  unpassend  :  [dTTOubfics  Kai  cpiXo- 
Tei)uia[(;]  oüeev  efvXeirrujv  auToic,  e]Tpa(p[e]v  be,  [äc,  tto]t[€  roic,  .... 
eöoSe  ve])U€iv,  räc,  a[\)räc,  Ti^dg  toxc,  ToMixaK;  öibocrGai.  Die  Worte 
auTOi^,  e'Tpaqpev  und  ttötc  —  ebote  sind  Vermuthung  des  Hofr. 
V.  Harte];  der  Name  derjenigen,  denen  früher  dieselben  Ehren- 
rechte waren  eingeräumt  worden,  lässt  sich  natürlich  nicht  er- 
rathen. 

In  Z.  21  ist  vom  o  (in  ouv)  nichts  zu  sehen,  wohl  aber  die 
untersten  Theile  von  u  und  k.  Das  A  (bti)uo(;)  ist  deutlich  sichtbar. 
Zur  Füllung  des  Raumes  ist  vielleicht  am  Ende  dei,  jedenfalls 
aber  Z.  22  (nach  äjadoiic,)   avbpaq  einzufügen. 

Da  in  Z.  23  nach  npoq  ein  qp  sicher  ist,  empfiehlt  sich  die 
Ergänzung  7Tpocr(pepO|uevou? ;  vergl.  Foli/b.  I  18,  11  (criroubiiv),  4, 
51,  2  (xdpiv). 

In  Z.  24  ist  noch  eine  Hasta  /  von  A  erhalten,  in  Z.  25  das 
O  ziemlich  vollständig,  1  gar  nicht.  In  Z.  26  konnte  Domaszewski 
nach  NIA  nichts  mehr  lesen;  immerhin  lässt  sich  im  Texte  schreiben 
NiX[ov  Tou  beiva. 

In  Z.  27  ist  noch  zu  lesen:  AYTQIKAI,  Z.  28  zu  Anfang  N 
am  Ende  II OTT  (der  Artikel  tujv  am  Ende  ist  vielleicht  weg- 
zulassen). 

Z.  29  steht  zwischen  TT  und  0  ein  sehr  fragliches  Zeichen 
(nach  Domaszewski),  drei  Stellen  weiter  ein  I  (unter  dem  T  von 
icJoieXeia).  Zu  Anfang  der  Z.  30  steht  EKTTAOYN,  am  Ende  ist 
noch  zu  lesen  KAU,   Z.  31  EINAIAEAY,   Z.  32  noch  das  A. 

Z.  33  dürfte  mit  Rücksicht  auf  die  Raumverhältnisse  noch 
ein  TouTO  oder  löbe  einzusetzen  sein. 

In  Z.  34  las  Domaszewski  noch  AI  00;  in  Z.  35  ist  noch  ein 
tu  sichtbar,  eine  zu  M  gehörige  Hasta  f  kann  Bruch  sein.  Mit 
dieser  Zeile  schloss,  da  die  Platte  unten  nicht  abgebrochen  ist, 
der  Text;  für  die  nächstliegende  Ergänzung  dvd\uj[)aa  boOvai  tov 
Ttt/iiav  ist  kein  Raum  (37  Buchstaben)  und  der  Artikel  ist  kaum 
zu  missen.     Vielleicht  war   die  Grösse   des  Aufwandes    angegeben. 

Es  ergibt  sich  somit  folgende  Umschrift: 

'Em  lepe'uj  'ATrö\\ujvo(;  [toO  beiva  oi 
dpxovTe(;  eiirav:       tTieibii  [Ni\o(;  tou  beiva 
Tupavöq  dvrjp  KaXöq  Kai  [dYaGöq  yctovOj^ 
Kai  CK  TTpoYÖvuuv  dYaGuJfv  Ouv  TrapeTtibriiuri- 


130 


5     aac,  Kai  TTpÖrepov  ev  ifii  [noXei  eiroiiicre  xi^v 
le  dvaatpoqpfiv  euTdKTUu[q  Kai  euxpncrTuu(; 
Ktti  dHiav  djucpoTepLuv  e7T[i)LieXeiav  ecrx^  tto- 
Xeuuv,  xi^PicrOeii;  le  eic,  7t[ö\iv  auroO  TTarpi- 
ba  eüvouv  Kai  TTpö9u)Lio|v  eiq  to.  TTpdTM«Ta 

10     Tfi<;  'iTd\euj<;  ■napiox^'^[o  eautöv  -rravTaxfii 
Kai  Xe'YUJV  dei  Kai  TTpd(j[(Tujv  xd  ßeXTicTTa 
biareXei  evarrobeiKvfuiuevo^  eauroO 
Tri(i)v  eövoiav  Kai  kot'  i|biav  roic,  eviuy- 
XdvoucTi  Tujv  TroXei[Ta)V  Kai  KaGöXuu^  ifii 

15     TTÖXei,       TrdvTujv  le  i[\]c,  noXewc,  e)iiTTÖpuuv 
Tuuv  elc,  'OXßiav  ttöXiv  iT[XeövTUJV  rrpovoLuv 
Kai  TTpocTTaiojv  biaTeX[eT  crTTOubii<;  Kai 
(piXoT[e]i)ui'a[(;]  ouGev  e[vXeiTT(Juv  auToiq,  e- 
•fpa(p[e]v  be,  [äc,  Tro|T[e  toIc, eboEe  ve- 

20     |ueiv,  räc,  a[uTd^  iijudc;  toT^  To|LiiTai^  bibocj- 
0ai,      ouMc,  [ou]v  K[ai  6]  bfi)a[o<;  cpaivrirai  dei 
Ti)auuv  Tovc,  KaXoiK;  Kai  dY[a9ou(;  dvbpaq 
Kai  YV^criav  euvoiav  TTpocr(p[epo)Lievou(; 
ei<;  xd  TY\q  ttoXcok;  7rpdYM«T[a  •  tux'Ii  dfa- 

25     6fii,       beböxöai  Tuji  biijuuufi  eTTaiveiaGai 
juev  im  toutok;  NTX[ov  toO  beiva 
beböaOai  be  auTÜji  Kai  [ektövoi^  TipoEe- 
viav  TToXeiTtiav  i(JOT[eXeiav,  eTKiricriv 
evYaiaiv,  biKac,  TT[p]o[b]i[Kouq,  eidTrXouv  Kai 

30     e'KTrXouv  TToXe'iuou  Kai  [eiprivric;  dcruXei 
Kai  dcTTTOvbei'       eivai  be  au[Tuji  eqpobdv 
eni  Triv  ßouXfjV  Kai  töv  b[fi)uov  TTpujTuui  iite- 
rä  rd  lepd,       evfpdvjiai  [be  tö  v|jr|(pi(j)Lia  toOto 
e'k;  TeXajuüjva  XeuKoO  Xi0o[u  Kai  dvaaTfjcrai 

35     ev  TTii  oYOpd"       TÖ  be  dvdXuj[|ua  eivai  AAA? 

Wien  WILH.  WEINBERGER. 


131 

Zur  Inschrift  C.  I.  L.  III  4087 


Diese  Inschrift,  welche  aus  Poetovio  (h.  Pettau)  stammt  und 
gegenwärtig  im  Joanneum  zu  Graz  aufbewahrt  wird,  ist  ein- 
schliesslich der  sehr  sorgfältig  eradirten  zweiten  Zeile  folgender- 
massen  zu  lesen : 


PRESTITOIOVl       S 
CFVLVIVSPLAVTIANVS 
TRIBVNVS-COH-X- 
PRAET -CVLTOR • N V 
5   JWINISIPSIVS-PROFIC 
ISCENS-AD-QPPRIMEN 
DAM  -  FACTIONEM 
GALLICANAMIVSSV 
PRINCIPIS-SVI-ARAM 
10        I  S  T  A  M     P  O  S  V  !  "• 


Prestito  lovi  s{acrum).  C.  Fulvius  Pluutianus,  tribunus  coh{prtis) 
X  praet(oriae),  cullor  numinis  ipsius,  proficiscens  ad  oppriviendam 
factionem  Gallicanam  iiissii  principis  sui  aram  istani  posuit. 

Wenn  schon  durch  die  Nennung  der  erst  seit  112  n.  Chr. 
inschriftlich  vorkommenden  cohiors)  X  praet{oriu)  (Z,  3.  4)  (vergl. 
Marquardt  R.  St.  V.  (2)'^,  477)  die  Zeit  unseres  Denkmals  einiger- 
raassen  bestimmt  wird,  so  weist  die  corrupte  Form  prestito  (Z.  1) 
für  praestiti,  sowie  das  in  besserer  Zeit  wohl  ungewöhnliche  cuUor 
numinis  ipsius  (Z.  4.  5)  und  aram  istam  (Z.  9.  10)  dasselbe  mit 
ziemlicher  Gewissheit  der  nachantoninischen  Periode  zu,  während 
andererseits  die  zwar  seichten,  aber  auffallend  zierHch  geformten 
Buchstaben  es  kaum  zulassen,  bei  der  Datirung  der  Inschrift  über 
das  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  hinauszugehen.  Dies  und 
namentlich  die  Erwähnung  einer  factio  Gallicana  (Z.  7.  8),  gegen 
welche  wegen  der  Betheiligung  der  Gardetruppen  {coh{ors)  X  prae- 
t{pria)  Z.  '6.  4j  der  damals  regierende  Kaiser  persönlich  zu  Felde 
gezogen  sein  müsste,  bestimmte  mich  zu  der  Annahme,  dass  die 
Inschrift  der  Regierung  des  K.  Septimius  Severus  angehöre,  und 
dass  daher  in  der  sehr  gründlich  eradirten  zweiten  Zeile  einst  der 
Name  des  bekannten  C.  Fulvius  Plautianus  gestanden  haben 
mochte,  der  unter  Severus  zum  Range  eines  praefectus  praetorio 
emporstieg   und   so    ziemlich   der   einzige  Würdenträger  mit  ritter- 


132 

lieber  Carriere  ist,  dessen  Name  auf  den  Steinen  dieser  Zeit  getilgt 
vorkommt.  Zwei  vortreffliche  Abklatsche  der  Inschrift,  welche 
Herr  Prof.  Dr.  Friedrich  Pichler  in  Graz  auf  die  Verwendung 
Herrn  Prof.  Bormann's  hin  dem  epigraphischen  Seminar  zuzusenden 
die  Freundlichkeit  hatte,  sowie  zwei  von  dem  Seminarsmitgliede 
Herrn  Öhler  angefertigte  Clichees  bestätigten  diese  meine  Muth- 
massung;  dazu  kam  noch  eine  Ocularinspection  des  Denkmals 
durch  Herrn  Prof.  0.  Hirschfeld,  deren  Ergebniss  derselbe  mir 
brieflich  mitzutheilen  die  Güte  hatte. 

Die    zweite   Zeile   der   Inschrift,    in  welcher  der  jetzt  getilgte 
Name  stand,    ist  zwar,    wie  oben  bemerkt,    sehr  gründlich  eradirt, 
aber  nichtsdestoweniger  vermag   man  in  derselben  bei  eingehender 
Prüfung,    namentlich   der  Abklatsche,    einige    Buchstabenreste    mit 
mehr    oder    weniger    Sicherheit'  zu    constatiren.     Vor  Allem  ist  zu 
bemerken,    dass    der  Name  den  erkennbaren  Spuren  zu  Folge  nur 
ganz    ausgeschrieben,     nicht    etwa    ligirt,    noch    weniger    gekürzt 
gewesen  sein  kann.     Obgleich   nun    der  vollständige  Name  C.  Ful- 
vius  Plaut ianus  18  Buchstaben    zählt,    während  in  der  ersten  Zeile 
nur    13   Buchstaben    stehen,    allerdings   so,     dass    rechts    noch    ein 
Raum   für   wenigstens    zwei  Buchstaben   frei   bleibt,    und  die  dritte 
Zeile    12  Buchstaben   hat,    welche    aber    stark   auseinandergezogen 
sind,  so  liegt  doch  kein  Hinderniss  vor,  den  Namen  als  vollständig 
ausgeschrieben  anzunehmen,  wenn  wir  in  Betracht  ziehen,  dass  die 
Buchstabenzahl    der    übrigen   Zeilen   von  5  bis  9  zwischen  15  und 
17  schwankt,  und  die  Breite  der  einzelnen  Buchstaben,  sowie  deren 
Entfernung  hier  gegenüber  Z.  1.  3.  4  beträchtlich  zurückgeht.    Es 
ist  ja  leicht  begreiflich,  dass  man  den  Namen,  auch  wenn  er  länger 
war,    etwas    zusammendrängte,    um  ihn  auf  eine  Zeile  zu  bringen. 
Was   nun   die  einzelnen  Buchstabenreste  anbetrifft,    so  ist  auf  den 
Abklatschen    zu  Anfang  von  Z.  2    deutlich    erkennbar    die    untere 
Hälfte  eines  c;  der  zweite  Buchstabe  schien  Herrn  Prof.  0.  Hirsch- 
feld ziemlich  sicher   ein  f  zu  sein,    was  die  Abklatsche  bestätigen, 
auf  welchen  namentlich  das  Ende  des  mittleren  Querstriches  des  f 
in  die  Augen  springt.     Im    Folgenden    scheinen    auf   den    Clichc^es 
der  untere  Theil  des  l,    dann  der  Fuss    des  zweiten  und  dritten  v 
wahrnehmbar  zu  sein.     Besonders    deutlich    aber    lassen    dieselben 
den  mittleren  Theil  des   nun  folgenden  s  und  die  Spitze  des  v  mit 
dem   nach    rechts   ausladenden  Ansätze   der  Rundung  hervortreten. 
Weiter   dürfte   sich  noch   der  untere    Theil  des    zweiten  i.  und  des 
vierten  v,    noch   sicherer   die    linke   Hälfte   des    Querstriches  von  t 


133 

ausnehmen  lassen.  Sehr  gut  erkennbar  sind  ferner  die  oberen  und 
unteren  Enden  des  zweiten  i  und  a.  Am  Ende  der  Zeile  schienen 
mir  bei  Lampenlicht  n  und  v  ohne  Mühe  auf  dem  Abklatsche 
wahrnehmbar  zu  sein,  sowie  auch  das  Vorhandensein  des  unteren 
Theiles  vom  zweiten  s  als  feststehend  zu  betrachten  sein  wird. 
Da  nach  dem  Vorausgehenden  gerade  die  Spuren  der  entscheidenden 
Buchstaben  c,  f,  p,  n  und  der  beiden  s  sicher  scheinen,  so  darf 
die  Annahme,  dass  in  dieser  Zeile  der  Name  C.  Fulvius  Plautianus 
gestanden  habe,  wenn  nicht  auf  unumstössliche  Gewissheit,  so 
doch  jedenfalls  auf  hohe  Wahrscheinlichkeit  Anspruch  machen, 
welche  durch  die  im  Folgenden  vorgebrachten  Erwägungen  wohl 
noch  gesteigert  wird.  Durch  die  Restitution  von  Plautianus'  Namen 
gewinnt  das  schon  an  sich  werthvolle  Document  bedeutend  an 
Interesse. 

Unter  der  factio  Gallicana  (Z.  7.  8)  ist  offenbar  die  Partei 
des  Prätendenten  D.  Clodius  Albinus  zu  verstehen,  welchen  Severus 
anfänglich  als  Caesar  und  Mitregenten  für  Gallien,  Spanien  und 
Britannien  anerkannte,  der  sich  aber  im  Jahre  196,  um  der  Be- 
vormundung durch  Severus  ein  Ende  zu  machen,  von  seinem  An- 
hange zum  Augustus  erheben  Hess.  Als  Gallicana  wird  sie  deshalb 
bezeichnet,  weil  der  Herd  dieser  Bewegung  in  Galhen  war,  wo 
man  seit  jeher  die  Errichtung  eines  selbstständigen  gallo-römischen 
Reiches  anstrebte.  Die  Worte  ad  opprimendam  factionem  Gallicanam 
(Z.  6—8)  beziehen  sich  also  auf  den  Feldzug,  welchen  K.  Severus 
zur  Bekämpfung  des  Albinus  nach  Gallien  unternahm,  und  der 
sonst  auch  als  expeditio  Gallica  (C.  I.  L.  II  4114)  inschriftlich 
vorkommt.  Es  mussten  demnach  die  theils  aus  dem  Orient  kom- 
menden, theils  von  anderwärts  concentrirten  Truppen  des  Severus, 
wie  sie  successive  nach  Gallien  vorrückten  (Schiller  R.  K.  G.  1^, 
716),  auf  ihrem  Marsche  wenigstens  zum  Theile  Poetovio  berührt 
haben ;  vor  Allem  wird  dies  für  das  aus  dem  Orient  heranziehende 
Hauptheer,  welches  von  Anfang  an  unter  der  persönlichen  Führung 
des  Kaisers  stand,  durch  unsere  Inschrift  bezeugt,  da  die  präto- 
rianische  Garde,  in  welcher  Plautianus  Tribunenrang  bekleidete, 
in  der  Regel  im  Gefolge  des  Herrschers  selbst  sich  befand.  Diese 
aus  unserem  Votivsteine  zu  entnehmende  neue  Thatsache  ist  voll- 
kommen im  Einklänge  mit  der  historischen  Ueberlieferung.  Steht 
es  schon  an  und  für  sich  fest,  dass  Severus  bei  seinem  Marsche 
über  Byzanz  nach  Gallien  die  Donau-Drau-Strasse,  an  welcher 
Poetovio    lag,    als    die    kürzeste    Route    benützen  musste,    so  wird 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  XII.  im 


134 

dies    noch    ausdrüeklich    bestätigt    durch    die    vita    Severi    (c.  10), 
welche  ihn  die  Richtung  über  Viminacium  in  Moesia  superior,    wo 
er    seinen    älteren  Sohn    zum  Caesar   erhob   und  durch  Pannonien, 
dessen    Wahrsager    er    nach    dem    Ausgange    des    bevorstehenden 
Krieges  befragte,    einschlagen    lässt.     So  weit  gekommen,    verliess 
der  Kaiser  nach   unseren   bisherigen  Quellen  die  Armee,    um  nach 
Rom    zu    eilen    und    dort    durch    sein    persönliches  Erscheinen  die 
Verschwörung    zu    Gunsten    des    Albinus    zu    entwaffnen    (Schiller 
R.  K.  G.  V,  714).     Diese  Trennung    vom  Heere    nun    erfolgte,    da 
man    sich    nach    dem    eben  Gesagten   bereits  in  Pannonien  befand, 
höchst  wahrscheinlich  in  Poetovio  selbst,  von  wo  der  nächste  Weg 
über  Aquileia  nach  der  Hauptstadt  führte.    In  unserer  Inschrift  ist 
die  Abreise    des  Kaisers    nach  Rom    bereits    vorausgesetzt,    indem 
Plautianus   in   Stellvertretung    seines   Herrschers    {iussn  principis  sui 
Z.  8.  9)  die  Ära  setzt.  Die   Beauftragung    des  Plautianus  erklärt   sich 
wohl  am  natürlichsten  dadurch,  dass  dieser  den  Kaiser  auch  in  An- 
gelegenheiten des   militärischen  Commandos   vertrat  und  die  interi- 
mistische Leitung   eines  unmittelbar  unter  dessen  Befehl  stehenden 
Corps,    vielleicht   der   den  Marsch   nach  Gallien  fortsetzenden  Prä- 
torianer  übernommen  hatte.     Dies  deutet  auch  der  Beisatz:  proßcis- 
cens    ad    opprimendam    factionem   Gallicanam   {7i.  5 — 8)   an,    welcher 
wohl  nur  für  einen  selbstständig  commandirenden,   keinem  anderen 
untergeordneten  Offizier  passt  und   zugleich    durch    das   proficiscens 
nahelegt,  dass  die  Uebernahme  des  Commandos  in  Poetovio    selbst 
stattgefunden   habe.     Die    verhältnissmässig    inferiore  Stellung    des 
Plautianus  als  einfacher  Tribun   war  wohl  kein  Hinderniss  zur  Be- 
kleidung eines  solchen  Vertrauenspostens,  zu  welchem  allerdings  in 
erster  Linie  seine  Vorgesetzten,    die  praefecti  praetorio,  berufen  ge- 
wesen   wären ;    aber    diese    (wie   mindestens    einen   Theil   der  Prä- 
torianer)    wird   Severus   bei   seiner    Reise   nach    Rom   mit  sich    ge- 
nommen haben,  um  sie  dort  zur  Unterdrückung  des  drohenden  Auf- 
standes zu  verwenden.    Dazu  kommt  noch  das  persönliche  Verhält- 
niss    des    Plautianus    zu   Kaiser    Severus,    auf    welches    wir    unten 
noch  zurückkommen  werden. 

Dass  Septimius  Severus  die  Ära  gerade  in  Poetovio  setzen 
Hess,  dürfte  seine  Erklärung  wohl  in  der  eigenthümlichen  Lage 
dieser  Stadt  finden,  welche,  selbst  noch  zu  Pannonia  superior  ge- 
hörig, wie  ich  an  anderer  Stelle  nachweisen  werde,  nur  durch  den 
Draustrom  von  Noricum  geschieden  wurde,  welches  dem  Albinus 
anhing  (Schiller  R.  K.  G.  l^  714).  Man  wollte  also  noch  unmittel- 


135 

bar  vor  dem  Betreten  des  insurgirten  Gebietes  dem  Unternehmen 
den  Beistand  des  höchsten  Gottes  sichern.  Um  endlich  noch  die 
Zeit  des  Durchmarsches  der  Truppen  des  Severus  durch  Poetovio 
genauer  festzustellen,  so  fällt  dieselbe  etwa  mit  dem  Ende  des 
Jahres  196  zusammen,  indem  nach  Stobbe's  wahrscheinlicher 
Ausführung  (Philologus  32  S.  51),  welcher  sich  neuerdings  auch 
A.  Wirth  in  der  Bonner  Dissertation  quaestiones  Severianae  (Leipzig 
1888)  S.  29  angeschlossen  hat,  der  Aufenthalt  in  Viminacium  in 
den  Spätherbst  196  fällt  und  andererseits  die  Entscheidungsschlacht 
gegen  Albinus  bereits  am  19.  Februar  197  statthatte.  Wenn  ferner, 
wie  wohl  kaum  zu  bezweifeln  steht,  die  von  Dio  75,  4  aus  eigener 
Erinnerung  geschilderte  schwankende  Haltung  des  Senats  und 
gleichzeitige  Bewegung  unter  der  unzufriedenen  hauptstädtischen 
Bevölkerung  das  persönliche  Eintreffen  des  Severus  in  Rom  ver- 
anlassten, so  ist  die  Abreise  des  Kaisers  von  Poetovio  und  die 
damit  zusammenhängende  Errichtung  der  Ära  wohl  um  die  Zeit 
der  Saturnahen  (17.  December)  des  Jahres  196  anzusetzen,  da 
damals  bei  den  letzten  circenses  vor  den  Saturnalien  (leXeiiTaia  irpö 
TÜüV  Kpoviujv  iTTTTobpoiuia)  die  Unruhen  zum  Ausbruche  kamen. 

Interessant  ist  die  vorliegende  Inschrift,  wenn  unsere  Auf- 
stellung richtig  ist,  durch  die  in  ihr  enthaltenen  neuen  Aufschlüsse 
über  die  Oarriere  des  C.  Fulvius  Plautianus.  Während  man  bisher 
ungeachtet  des  Mangels  jedes  Zeugnisses  ziemlich  allgemein  an- 
nahm, dass  Plautianus  bereits  seit  dem  Regierungsantritte  des 
Severus  die  Würde  eines  praefectus  praetorio  bekleidet  habe,  was 
sich  erst  für  das  Jahr  200  aus  unseren  Quellen  feststellen  lässt 
(Dio  ep.  75,  14,  vergl.  vita  Getae  c.  4),  wird  durch  unser  Denk- 
mal der  Beweis  erbracht,  dass  er  noch  im  Jahre  196  die  niedrigere 
Stellung  eines  trihumis  coJi(ortis)  X  p'aet{oriae)  (Z.  3.  4)  einnahm, 
obgleich  er  schon  seit  der  Thronbesteigung  des  Severus,  seines 
Landsmannes  und  Jugendfreundes  (Herodian  3,  10,  6),  von  dem- 
selben zu  wichtigen  Missionen  verwendet  ward  {vita  Severi  6,  10; 
vita  Nigri  5,  2)  und,  wie  unsere  Inschrift  hinlänglich  zeigt,  seine 
Gunst  und  sein  Vertrauen  in  hohem  Masse  besass.  Bei  diesem 
Sachverhalte  also  führte  vor  der  Erhebung  Plautians  zum  praefectus 
praetorio  dieses  Amt  unter  Severus  Flavius  luvenalis  (Hirschfeld 
R.  V.  G.  S.  230  n.  57)  (seit  193)  wahrsclieinlich  in  Gemeinschaft 
mit  Aemilius  Saturninus  (l.  c.  n.  59),  welchen  dann  Severus,  ähn- 
lich wie  es  schon  unter  Julianus  geschehen  war,  zwischen  195  und 
200,    den  Plautianus  als  dritten  und  einflussreichsten  Coliegen  bei- 

10* 


136 

gesellte.  Um  200  fungirte  er  erwiesenermassen  noch  gemeinschaft- 
lich mit  ihnen  (vita  Getae  2,  7;  4,  4;  Dio  ep.  75,  14),  aber  noch 
in  demselben  Jahre  entledigte  er  sich  des  unbequemen  Saturninus 
(Dio  ep.  75,  14)  und  brachte  es  schliesslich  dahin,  dass  er  bis  zu 
seinem  Tode  (205)  den  Posten  eines  praefectus  praetorio  allein 
(Hirschfeld  1.  c.  citirt  dazu  Herodian  3,  13,   1)  innehatte. 

Dass  endlich  die  Widmung  einer  Ära  aus  severischer  Zeit 
an  luppiter  praeste.s  {prestito  Tovi  7i.  1 ;  hinsichtlich  der  Form  vergl. 
das  Femininum  antistita  zu  anfistes)  gerichtet  ist,  erscheint  als 
keineswegs  zufällig;  denn,  wie  Herr  Prof.  Hirschfeld  mir  gütigst 
mittheilt,  dürfte  auch  die  Münzaufschrift  lovi  prae.  orhis,  welche 
sich  auf  Denaren  des  Pescennius  (Cohen  3,  409  n.  41)  und  des 
Septimius  Severus  (Cohen  4,  29  n.  240)  findet,  nicht  nach  Eckhels 
Vorgange  {d.  n.  7,  155,  168)  lovi  prae{sidi)  orhis,  sondern  lovi 
prae{stiti)  orhis  zu  ergänzen  sein,  eine  Verrauthung,  welche  um  so 
wahrscheinlicher  wird,  als  ein  luppiter  praeses  meines  Wissens 
sonst  nirgends  nachweisbar  ist.  —  luppiter  praestes  wurde  der 
eigentlichen  Etymologie  seines  Beinamens  nach  wohl  immer  als 
"Vorsteher'  des  Universums,  als  König  der  Götter  und  Menschen 
gedacht  (Festus  p.  223  M.:  praestitem  in  eadevi  significatione  dice- 
hant  antiqui,  qua  nunc  dicimus  antistitem)\  denn  trotz  der  irrigen 
Ableitung  des  Namens  der  Laves  praestites  bei  Ovid  fast.  5,  134 
(qiiod  praestant  omnia  tuta  suis)  behält  das  Nomen  praestes  auch  im 
Gebrauche  späterer  Schriftsteller  stets  seine  ursprüngliche  Bedeu- 
tung 'der  Vorstehende'  bei  (Macrobius  satumalia  1,  18  med.: 
Liberum  eußouXfia  vocantes  honi  consilii  hvnc  deum  praestitem 
ynonstrant:,  Martianus  Capeila  2  p.  40:  in  his  locis  Summanes, 
eorumque  praestites  Mana  utque  Manuana\  und  ebenso  zeugt  für  diese 
Bedeutung  die  oben  angeführte  Münzaufschrift  mit  prae{stUi)  orbis. ') 
Als  herrschender  Gott  ist  luppiter  praestes  dann  auch  der  Verleiher 
der  Herrschaft  und  des  Sieges-,  als  solcher  erscheint  er  sowohl 
auf  unserem  Denkmale,  wo  er  offenbar  um  Gewährung  des  Sieges 
angerufen  wird,  als  auch  in  den  beiden  anderen  aus  dem  Alter- 
thume  über  ihn  erhaltenen  Notizen,  nämlich  aus  der  Inschrift 
C.  I.  L.  XIV  3555,  welcher  zufolge  Hercules  Victor  (nach  Ueber- 
windung  des  Cacus)  dem  luppiter  praestes  zu  Tibur  einen  Altar 
setzte,   und  aus   der  Erzählung   eines  Prodigiums  (in  der  vita  Ma- 


')  Prellcr  (R.  M.  1',  207)  irrt  daher  wohl,    weim  er  den  Beinamen  praestes 
im  Sinne  der  Alten  von  praestare   in  der  Bedeutung  'sicher  erfüllen'  ableiten  will. 


137 

xivii  et  Balhini  5,  3  sq.),  welches  sich  bei  der  Geburt  des  nach- 
maligen Kaisers  Maximus  in  und  bei  einem  sacellum  quod  erat  lovis 
praestitis  zugetragen  haben  sollte  und  später  auf  die  Erlangung 
des  Diademes  durch  denselben  gedeutet  wurde  {id  eo  tempore  nihil 
Visum  est  ominis  habere,  sed  non  sine  causa  factum  probavit  imperium). 
Auch  die  oben  erwähnten  Münzen  des  Severus  und  Pescennius, 
wo  nach  Prof.  Hirschfeld's  einleuchtender  Vermuthung  lovi  prae- 
(stiti)  orbis  zu  lesen  ist,  stammen  aus  einer  Zeit,  wo  diese  beiden 
Kaiser  miteinander  den  Kampf  um  die  Herrschaft  des  Erdkreises 
aufnahmen,  wobei  ihnen  luppiter  praestes  hilfreich  beistehen  sollte. 
Ueberall  also  erscheint  die  Thätigkeit  des  hippiter  praestes  als  die 
einer  Sieg  und  Herrschaft  verleihenden  Gottheit.  —  Wenn  Plau- 
tianus  sich  einen  cultor  numinis  ipsius  (Z.  4.  5),  d.  h.  des  Juppiter 
nennt,  so  dürfte  dies  wohl  darauf  zu  beziehen  sein,  dass  er  einem 
sacralen  Collegium  angehörte,  das  den  Cultus  dieses  Gottes  zur 
besonderen  Aufgabe  hatte. 

Der  frühere  Standort  des  Steines  beim  ehemaligen  sogenannten 
Steirerthore  in  Pettau  macht  es  wahrscheinlich,  dass  er  ursprüng- 
lich bei  dem  Tempel  Juppiters  aufgestellt  war,  welcher,  nach  den 
zahlreichen  daselbst  gefundenen  Votivinschriften  zu  schliessen,  auf 
dem   anstossenden   Oberpettauer    Schlossberge    seine    Stätte    hatte. 

Wien.  A.  von  PREMERSTEIN. 


Nachtrag  zu  Mittheilungen  XI  S.  240. 

Die  von  mir  a.  a.  O.  vorgeschlagene  Deutung  der  auf  ober- 
italischen Steinen  mehrfach  vorkommenden  Abkürzung  Aug.  c.  d.  d. 
(oder  ähnlich)  mit  Au(j{ustalis)  c{ultor)  d{omus)  d{ivinae)  hat  sich 
neuerdings  als  wohl  zweifellos  richtig  ergeben  durch  die  zu  Novaria 
gefundene  Inschrift  C.  I.  L.  suppl.  Ital.  I  (ad  V)  883  (Z.  Valerius 
Ij.  f.  Primus  VI  vir  inter  cultores  domiis  divinae),  welche  sich  der 
gleichfalls  aus  Novaria  stammenden  C.  I.  L.  V  6518  mit  Aug{ustalis) 
s{ocius)  c(tdtor)  d{omus)  d{ivinae)  erklärend  zur  Seite  stellt. 

Wien.  A.  V.  PREMERSTEIN. 


138 

Römischer  Pferdeschmiick  aus  Siebenbürgen 

(Hiezu  Tafel  IV) 


Die  auf  Tafel  IV  abgebildeten  Platten  aus  Bronzeblech  mit 
aufgesetzten  bronzenen  Figuren  sind  in  Arokalya  bei  Bistritz  in 
Siebenbürgen  gefunden  worden  und  werden  jetzt  im  Museum  zu 
Klausenburg  aufbewahrt.^) 

Baron  E.  v.  Sacken,  der  diese  Platten  zum  ersten  Male  be- 
schrieben hat,  erkannte  in  ihnen,  nach  der  Analogie  anderer  Denk- 
mäler, Bruchstücke  und  zwar  die  Enden  einer  gebogenen  Schiene, 
welche  als  Brustschmuck  eines  Pferdes  diente.'^)  Das  grössere 
Bruchstück  (A)  hat  eine  Länge  von  0*32  M.,  eine  grösste  Höhe 
von  0'18  M.;  das  kleinere  eine  Länge  von  0'24  M.,  eine  grösste 
Höhe  von  0*12  M.  Die  gegossenen  Figuren  in  Hochrelief  waren 
durch  Stifte  an  der  Platte  befestigt.  Erst  nach  ihrer  Befestigung 
ist  die  ganze  Vorderseite  der  Platte  vergoldet  worden;  deshalb 
heben  sich  jene  Stellen,  wo  Figuren  sassen,  die  jetzt  fehlen, 
deutlich  auf  dem  Goldgrunde  als  dunkle  Flecken  ab,  welche  die 
Umrisse  der  Gestalten  noch  erkennen  lassen.  Ein  weiteres  Hilfs- 
mittel, die  verlorenen  Figuren  zu  ergänzen,  bieten  die  Stifte  dar, 
welche  die  Figuren  festhielten. 

Der  nach  rechts  sprengende  römische  Reiter  auf  A  ist  mit 
zwei  Stiften  auf  der  Platte  befestigt  gewesen;  der  untere,  zwischen 
den  Beinen  des  Pferdes,  an  der  Ferse  des  Reiters,  ist  noch  erhalten 
und  sichert  dadurch  die  Stellung  der  Figur  auf  der  Platte.  Der 
zweite,  zwischen  der  Brust  des  Reiters  und  der  Pferdemähne,  ist 
einem  Loche  entsprechend,  das  sich  an  eben  jener  Stelle  beündet, 
ergänzt.  Genau  in  derselben  Lage  befinden  sich  auf  dem  kleineren 


*)  Benndorf  und  Hirsclifeld,  vorläutiger  Bericht  über  eine  archäologisch- 
epigraphische  Reise  in  Dacien,  S.-A.  aus  den  Mittheilungen  der  Central-Commission 
vom  Jahre  1873,  8.  6.  —  Nach  gütiger  Mittheilung  Heinrich  Finaiy's  sind  die 
beiden  Bruch.stücke  lange  vor  dem  Jahre  1848  von  verschiedenen  Seiten  in  das 
Museum  gekommen.  Vielleicht  stammen  sie  aus  demselben  Funde,  wie  die  beiden 
jetzt  im  Nationalrauseum  zu  Budapest  befindlichen  bronzenen  Kader,  abgebildet 
Arneth  archaeol.  Analecten  Taf.  XIX.  Neigebauer,  Dacien  p.  291.  —  Vgl.  ein 
Prometopidion  und  Pectorale  eines  Pferdegeschirres  mit  griechischen  Reliefs,  das 
letztere  mit  einem  Gorgoneion  und  zwei  Stieren,  im  Mnseo  nazionale  in  Neapel, 
Gargiulo  collection  of  monuments,  Naples  1870  vol.  II  t.  43. 

')  Jahrbuch  der  kunsthistorischen  Sammlungen  des  Kaiserhauses  (in  Wien), 
I.  Band  p.  r)9. 


139 

Bruchstücke  (B)  zwei  Löcher  für  die  Aufnahme  von  Stiften  be- 
stimmt, und  zwar  innerhalb  eines  dunkeln  Fleckens,  der  den  Um- 
rissen des  Reiters  auf  A  entspricht.  Hier  sass  also  ein  nach  links 
sprengender  römischer  Reiter.  Auf  A  ist  jetzt  vor  dem  Reiter  ein 
kämpfender  Barbar  befestigt.  Jedoch  ist  diese  Figur  ursprünglich 
lose  gefunden  worden.  Ihre  Stelle  ist  wieder  bedingt  durch  die 
Umrisse  im  Goldgrunde,  welche  zeigen,  dass  eine  Gestalt  in  dieser 
Action  hier  gesessen  haben  muss.  Der  kämpfende  Barbar  auf  B 
wird  in  seiner  Stellung  noch  durch  den  ursprünglichen  Stift  fest- 
gehalten.^) Eine  einfache  Wiederholung  dieser  Figur  auch  auf  A 
hinter  dem  Reiter  auzunehmen,  verbieten  die  Umrisse,  sowie  die 
Stellung  des  noch  erhaltenen  Stiftes.  Die  Umrisse  im  Goldrande 
lassen  vielmehr  erkennen,  dass  die  Gestalt  mit  gesenkter  Rechten 
zum  Stosse  ausholt,  den  Schild  aber  vorschob,  so  dass  er  nicht, 
wie  bei  der  Figur  auf  B,  die  ganze  Brust  bedeckte.  Die  Bewegung 
war  also  ähnlich  wie  bei  der  lose  gefundenen  Figur.  Der  Stift 
sitzt  ferner  so  hoch,  dass  er  zwischen  Bauch  und  Schild  der  Ge- 
stalt durchgegangen  sein  muss;  wiederum  ähnlich  wie  bei  der  lose 
gefundenen  Figur.  Ein  Versuch  mit  dieser  Figur  hat  auch  gezeigt, 
dass  sie,  auf  den  Stift  aufgesetzt,  die  Umrisse  füllt.  Auf  A  war 
demnach  dieselbe  Figur  vor  und  hinter  dem  Reiter  wiederholt. 
Einen  tieferen  Einblick  in  die  Composition  gewährt  uns  die  Er- 
gänzung einer  Gruppe  am  rechten  Rande  von  A.  Die  Umrisse 
zeigen,  dass  die  Figur  vor  dem  Barbaren  ein  Reiter  war,  und  das 
bestätigt  die  Anordnung  der  Stifte.  Der  eine  rechts  vor  dem 
unteren  Schildrande  ist  noch  erhalten;  die  Stellung  des  anderen 
rechts  schräge  über  diesem  Stifte  ist  gesichert  durch  den  Rest  eines 
BohVloches  am  Bruchrande  "*),  so  dass  also  die  Stifte  dieselbe  An- 
ordnung hatten  wie  bei  den  Reiterfiguren.  Jedoch  beträgt  der  Ab- 
stand der  Stifte  bei  dieser  Figur  0-07  M.,  bei  den  anderen  Reitern 
nur  0*05  M.  Ueberdies  lassen  die  Umrisse  erkennen,  dass  der 
Reiter  einen  flatternden  Mantel  trug.  Unter  diesem  Reiter  befindet 
sich  noch  ein  Bohrloch  in  einem  dunkeln  Flecken,  und  zwar  in 
einem  Abstand  von  0-02  M.  von  der  unteren  Randleiste  der  Platte, 
während  die  Bohrlöcher  der  anderen  Figuren  mindestens  0*03  M. 
vom  unteren  Rande  abstehen.  Diese  geringe  Entfernung  des  Bohr- 


')  Die  Figur  steht   natürlich  senkrecht   auf  ihren  Beiuen   und  ist  nur  durch 
ein  Versehen  bei  der  Aufnahme  nach  vorne  gesunken. 

^)  Unmittelbar  an  der  winkligen  Ecke  des  Bruchrandes. 


140 

loches,  sowie  die  Stellung  der  Figuren  unter  dem  Reiter  beweisen, 
dass  hier  nur  an  die  Gestalt  eines  Liegenden  gedacht  werden  kann. 
In  dieser  Gruppe  setzt  also  ein  Reiter,  der  durch  seine  überragende 
Gestalt  als  Hauptfigur  charakterisirt  ist,  über  einen  liegenden  Feind 

hinweg. 

Das  Verständniss  dieser  eigenthümlichen  Coraposition  wird 
uns  erschlossen  durch  die  Vergleichung  einer  Reihe  gleichartiger 
Monumente.  Zum  Theile  sind  sie  von  E.  v.  Sacken  bereits  zu- 
sammengestellt worden.  Was  ich  mehr  biete,  danke  ich  der  Güte 
Robert  v.  Schneiders,  der  mir  die  Resultate  seiner  eigenen  Nach- 
forschungen mit  der  ihm  eigenthümlichen  Liberalität  überlassen  hat. 

Bei  Weitem  die  wichtigsten  unter  diesen  Monumenten  sind 
zwei  bronzene  Brustschienen  mit  aufgesetzten  Figuren,  welche  in 
Brescia  gefunden  wurden.  Gleichzeitig  ausgegrabene  Bruchstücke 
von  Pferdehufen  und  bronzenen  Platten  sollen  nach  Labus  be- 
weisen, dass  diese  Brustschienen  die  Pferde  einer  Biga  schmückten^). 
Eine  einigermassen  entsprechende  Abbildung  oder  Beschreibung 
dieser  Brustschienen  ist   meines  Wissens    nicht  bekannt  geworden. 

I,  L  Die  eine  Schiene  erscheint  auf  dem  Stiche  bei  Labus 
als  vollständig  erhalten.  Dennoch  möchte  ich  auf  die 
Möglichkeit  hinweisen,  dass  eine  oder  die  andere  Figur, 
die  ursprünglich   lose  gefunden  wurde,    später  ihren  Platz 


^)  Questo  pettorale,    o  antilena,    di  bronzo,    uscito   dalle   escavazioni  hresciane, 
e  il  povero  manzo   di  un  cavallo  nohüm&nte  bardato   che  decorava  l'edißcio   Vespa- 
sianeo.   —  Se  ne  trovb  imieme  un  altro  manchevole  delle  figure  ond  'era  d  'apprima 
an-ichito,   e   che  unitamente   ai  frammenti   di  tre  unghie  equine  di  bronzo  e  a  varii 
pezzi  dello  stesso  metallo  d'ambe  le  parti  inaurati,  venuti  fuori  dal  medesimo  ^avo, 
fanno  credere  sieno  gli  avanzi  di  nno  di  que'  carri  che  dai   romani  si    sovrappone- 
vano  agil  archi,  si  dedicavano  nei  fori,  nelle  basiliche,  nei  luoghi  piu    cospicui  delle 
cittä,    e  si  consacravano    nei    templi    in   onore    dei  principi    e  dei  personaggi  pih 
illustri  e  pih   benemeriti  della  patria:    Labus    Museo    Bresciano  tav.  LUI,  S.  197. 
Dütschke,    Antike  Bildwerke    IV,  S.  152,    gibt  über  den  Fund  noch  folgende  An- 
gabe.   „In  dem    gegenüberstehenden    Schranke   befinden   sich  unter  den   bronzenen 
Fragmenten    die,    wahrscheinlich    von    einer    Biga    herrührend,    im   Juli  1826    zu- 
sammen mit  der  Nike,  den  sechs  Bronzebüsten  (Nr.  342,  345,  34G,  348,  3G2,  363), 
dem  Fragmente    des    weiblichen  (?)  Armes,    Nr.    344,    mit    vielen    Friesfragmenten 
von  Marmor  gefunden    sind,    die    folgenden  zwei  Gegen-stände,    Nr.  374,    eine  ver- 
goldete Bronzefigur  u.  s.  w.,    Nr.  374  a    bronzener   Gürtel    eines  Rosses",    es    folgt 
die    Beschreibung    des    vollständig    erhaltenen    Gürtels.     Von    dem    zweiten    sagt 
der  Verfasser    nichts.     Vergl.  auch   Heydemaim,    Drittes  Hallischcs  Winckelmanns- 
prograram  S.  29,  n.  53,    der  bemerkt,  dass  auf  der  angeblich  vollständigen  Schiene 
links  eine  Figur  oder  eine  Gruppe  fehlt. 


141 

auf  jener  Schiene  erhielt,  an  welcher  die  meisten  Figuren 
erhalten  waren,  um  auf  diese  Weise  wirkliche  oder  ver- 
meintliche Lücken  der  Composition  zu  füllen.  Denn  wie 
der  Stich  bei  Labus  die  Schiene  wiedergibt,  zeigt  die 
Composition  manches  Sonderbare.    Vgl.  Anm.  5  zu  Ende. 

Auch  hier  ist  ein  Kampf  zwischen  Römern  und 
Barbaren  dargestellt.  Siegreich  sprengt  ein  römischer  Feld- 
herr (a)  im  Schuppenpanzer  und  flatterndem  Paludamentum 
über  den  Leib  eines  todten  Barbaren  (b)  hin.  Ihm 
folgt  ein  römischer  Reiter  (c),  der  seine  Lanze,  wie  es 
scheint,  gegen  einen  sterbenden  Barbaren  (d)  zückt.  Dieser 
erhebt  die  Rechte,  als  wollte  er  Schonung  erflehen.  Nach 
rechts  flieht  vor  dem  Feldherrn  ein  Barbar  (e)  eilenden 
Laufes,  den  Kopf  nach  dem  Verfolger  umwendend.  Er 
prallt  mit  einem  römischen  Fussgänger  (/)  zusammen,  der 
das  Schwert  aus  der  Scheide  zieht.  Auf  diese  Gruppe 
folgt  ein  barbarischer  Reiter  (g).  Sterbend  sinkt  er  von 
seinem  zusammenbrechenden  Pferde  und  hebt  den  linken 
Arm  mit  dem  Schilde  hoch  empor,  als  wollte  er  den  Streich 
eines  von  rechts  zu  Fusse  andringenden  Römers  (i)  ab- 
wehren. 

Besonders  störend  für  den  Gesammteindruck  ist  die 
Gestalt  dieses  sterbenden  Reiters.  Sie  ragt  weit  über  den 
oberen  Rand  der  Schiene  hinaus,  und  ihre  Bewegung  lässt 
sich  nur  gezwungen  aus  der  Gegenwirkung  des  römischen 
Kämpfers  erklären. 

I,  2.  lieber  die  zweite  Schiene  bemerkt  v.  Schneider,  dass  der 
Reiter  in  der  Mitte,  wie  viereckige  Ausschnitte  in  der 
Schiene  schliessen  lassen ,  nach  links  vom  Beschauer 
gerichtet  war.  Erhalten  sei  nur  die  Figur  des  Gefallenen.^) 
Die  Composition  war  also  auf  dieser  Schiene  im  Ver- 
hältniss  zu  dem  anderen  Exemplare  im  Gegensinne  an- 
geordnet. Dann  aber  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass 
diese  Schienen  wirklich  die  Pferde  einer  Biga  zierten. 

II.    Zu   einer  Gruppe   verbunden  erscheinen  zwei  Figuren  auf 
einem  Bronzerelief  der  Sammlung  Cook  in  Richmond"). 


*)  Vgl.  auch  Heydemann  a.  a.  O.  S.  29  n.  53. 

'■)  Ich  wiederhole  die  Beschreibung  E.  v.  iSacken's  a.  a.  O.  p.  60. 


142 


„Ein  nach  links  sprengender  Reiter  (a),  ein  bärtiger 
Barbar  {h)  ohne  Kopfbedeckung,  mit  Hosen  bekleidet,  den 
Kopf  gegen  den  Beschauer  gewendet,  die  Rechte,  welche 
wohl  das  Schwert  hielt,  erhoben,  am  linken  Arm  den  grossen, 
gespitzt  ovalen  Schild,  der  als  Emblem  eine  unregelmässige 
geometrische  Figur  zeigt.  13  Cm.  hoch,  17  Cm.  breit. 
Massiv  gegossen,  rückwärts  halb  hohl  und  mit  einem 
cylindrischen  Stifte  zum  Einlassen  versehen.  Rohe  Arbeit 
spät  römischer  Zeit."  Das  Stück  stammt,  wie  es  scheint, 
von  einer  Wiederholung  im  Gegensinne,  wie  I  2,  der 
Reiter  wird  demnach  der  Feldherr  sein. 

III.  Fünf  lose  Figuren  aus  Bronze,  welche  bei  Starigrad  in 
Dalmatien  gefunden  sind  und  offenbar  zusammengehören, 
in  der  kaiserlichen  Antikensammlung  in  Wien^).  „Aus 
der  Fläche  ihrer  Rückseiten  und  den  daselbst  ange- 
brachten, mitgegossenen,  horizontal  abstehenden  Zapfen 
ist  zu  entnehmen,  dass  sie  auf  einer  Fläche  applicirt 
waren,  und  zwar,  wie  aus  ihrer  leisen  Krümmung 
hervorgeht,  auf  einem  grösseren,  sanft  gebogenen  Gegen- 
stände"^). Drei  derselben  entsprechen  in  den  Motiven, 
sowie  in  den  Einzelheiten  ziemlich  genau  der  Brescianer 
Bronze. 

Der  Imperator  («)  ■=  I,  1,  «;  der  laufende  Barbar  (b) 
=  If  1,  e  und  der  gefallene  Barbar,  welcher  die  Rechte 
erhebt  (c)  =  I,  1,  d.  Dazu  kommt  ein  Aquilifer  (</),  ein 
römischer  Trossknecht  (c),  der  eilenden  Laufes  einen  Helm 
und  eine  Parma  (den  runden  Reiterschild)  herbeiträgt, 
wahrscheinlich  also  hinter  dem  Feldherrn  stand, 

IV.  Eine  Figur  unbekannten  Fundortes  in  der  kaiserlichen 
Antikensammlung  zu  Wien  '").  Sie  ist  eine  genaue  Wieder- 
holung des  sterbend  vom  Pferde  sinkenden  Barbaren  der 
Brescianer  Bronze  (I,  1,  g). 


»)  Ueber  den  Fuml  berichtet  Biiliö  iin  liuU.  di  Arcli.  et  Stör.  Dalmata  II 
p.  188:  Queate  cinque  figure  furono  rinvenule  4  o  3  anni  addietro  (d.i.  vor  1879) 
da  un  paatore  alle  falde  del  monte  Velehit  non  lonlano  da  Starigrad.  Abgebildet 
im  Jabrl).  der  kuiisthist.  Sammlungen   I,  Taf.  IV. 

»)  Sacken  a.  a.  O.  S.  57. 

'")  Abgebildet  im  Jabrb.  der  kunsthiat.  Sammlungen  I,  Taf.  IV  unten  in 
der  Mitte. 


143 

V.  Zwei  lose  Figuren,  in  Industria  gefunden,  jetzt  im  Museum 
zu  Turin").  Der  Imperator  (a),  sehr  ähnlich  der  Wiener 
Figur  III,  a.    Ein  todter  Barbar  (&). 

VI.  Vielleicht  stammt  aus  demselben  Funde  eine  dritte 
Figur,  welche  sich  jetzt  im  Louvre  befindet.  Longperier 
beschreibt  sie  folgendermassen :  Vieillard  harhii;  ses  cheveux 
sont  longs  et  touffus;  son  pied  gauche  souleve  reposait  sur  im 
ohjet  qui  manque.  II  est  vetu  de  longs  pantalons  et  d\m 
sagum  ä  manches  serre  par  une  ceinture.  11  presse  son  poing 
droit  contre  son  flanc  gauche  \  sa  main  gauche,  fermee,  est 
levee  au  dessus  de  sa  tete.  II  semhle  dedamer'^^). 
VII.  Eine  Gruppe  von  Bronzefiguren,  gefunden  im  Theater  zu 
Herculaneum,  jetzt  im  Museum  zu  NeapeP^). 

Zwei   römische  Reiter  (a)    im  Panzer   mit   wallendem 
Paludamentum ").      Drei    reitende    Barbaren    (6)    mit    er- 


")  Abgebildet  und  beschrieben  in  Atti  della  societä  di  archeologia  e  belle 
arti  per  la  provincia  di  Torino  III  (1880)  Tav.  XIX,  Fig.  3  u.  4,  vergl.  p.  104. 
Nach  den  Fundnotizen  p.  56  u.  57  kann  es  allerdings  zweifelhaft  erscheinen,  ob 
die  beiden  Figuren  demselben  Monumente  angehören.  Heydemann,  Drittes  Halle- 
sches  Winckelmannsprogramm  (1879)  p.  41,  n.  29,  hat  zuerst  erkannt,  dass  die 
Figur  des  Feldheiun  zu  einem  Pferdeschmuck,  ähnlich  wie  die  Brescianer  Bronze, 
gehört.  Aber  mit  Unrecht  macht  er  die  zweite  Figur  (a.  a.  O.  p.  41  n.  25)  zu 
einem  Tänzer.    Vergl.  auch  Dütschke,  Antike  Bildwerke  IV,  n.  288  u.  301  a. 

")  Longperier,  Notice  des  bronzes  antiques  du  musee  du  Louvre  n.  596.  — 
Er  bemerkt  weiter:  Une  ßgurine  semblable,  trouvee  dans  les  ruines  d' Industria,  a 
ete  donnee  au  roi  Charles -Albert  par  M.  le  comte  Bernard  Mozza  de  Lavrian,  et 
est  conservee  dans  le  cabinet  d'' antiques  du  roi  ä  Turin.  {Voir  le  recueil  de  six 
grandes  planches  litographiees  publie  ä  Turin,  en  1843,  par  B.  M.  de  L.  pl.  III, 
n.  36.  Das  ist  die  Figur  des  gefallenen  Barbaren.  Atti  di  Torino  III,  p.  104, 
n.  4.)  L'analogie  de  patine  porte  ä  croire  que  le  bronze  du  Louvre,  qui  provient 
du   cabinet  Durand,    avait  aussi  ete  recueilli   dans  les  fouilles  d^Industria. 

*')  Kuggiero :  Storia  degli  scavi  di  Ercolano  (Napoli  1885)  in  dem  officiellen 
Fundbericht  p.  26.  En  15  del  dho  mes  de  mayo  se  encontraron  en  las  nuevas 
grutas  las  cosas  siguientes.  Un  cavallo  de  vietal  de  Corinto,  6  palvios  y  '/',  alto 
de  que  falta  que  hallar  la  caveza,  {De'  bronzi  di  Ercolano  e  contorni  ecc,  tom,  II, 
pag.  217.  —  Museo  nuz.  n".  4904.)  Una  figura  ^je^wena  del  mismo  metal  que  repre- 
senta  un  cavallo  con  el  ginete  en  cima  en  acto  de  herir.  Otra  figura  del  mismo 
metal  que  representa  otro  cavallo  con  un  hebreo  en  cima  en  acto  de  huir.  {De 
bronzi  di  Ercolano  tom.  II,  p.  9.  —  Museo  naz.  n".  5495  e  5948.)  Otra  figura  del 
viismo  metal  que  repiresenta  un  hebreo  muerlo.  Otra  figura  del  mismo  metal  que  re- 
presenta  un  hombre  en  acto  de  correr  e  indicar.  Am  gleichen  Orte  sind  Reste 
eines  Wagens  gefunden  worden. 

**)  Abgebildet  in  Bronzi  di  Ercolano  II,  p.  9,  vergl.  oben  Anm.  12.  Dass 
zwei  identische  Exemplare  existiren,  bemerkt  v.  Schneider. 


144 

hobener  Linken'^).  Gefallener  Barbar  (c)""')-  Ein  nach 
rechts  laufender  Barbar  mit  Schild,  der  den  Kopf  nach 
vorne  wendet  (d).  Der  todte  Barbar  erinnert  in  dem 
Motive  der  Bewegung  an  I,  1,  h  und  V,  h',  der  nach  rechts 
laufende  an  die  Figuren  I,  1,  c;  II,  b;  III,  h. 
VIII.  Wie  mir  v.  Schneider  bemerkt,  existirt  im  Cahinet  des  me- 
(lailles  eine  Bronze,  welche  den  Neapler  Figuren  VII,  a 
nahe  steht. 

IX.  Figur  des  laufenden  Barbaren  im  Louvre.  Longperier  be- 
schreibt sie  folgendermassen:  Genie  de  Mars,  tom-ne  ä  droiie 
et  dam  Vattitude  de  la  course;  sa  chlaniyde  flottante  et  son 
hras  gauche  soitdent  nn  boucUer  de  forme  allongee;  Varme 
qu'ü  tenait  de  la  main  droite  manqiie^'). 
X.  Ein  römischer  Imperator  nach  rechts  reitend,  im  Briti- 
schen Museum.   Gef.  in  Rom  '^). 

XL  Figur  eines  unbärtigen,  auf  die  Knie  sinkenden  Barbaren, 
der  die  Linke  erhebt.  Bologna:  museo  civico,  aus  der 
Universitätssammlung.  ^^) 

Wenn  ich  mir  auch  keineswegs  die  Hindernisse  verhehle, 
welche  der  Mangel  ausreichender  Abbildungen  und  Beschreibungen 
einer  erschöpfenden  Besprechung  dieser  Monumentreihe  entgegen- 
setzt, so  glaube  ich  doch,  dass  die  vorliegenden  Thatsachen 
genügen,  die  Grundfrage,  um  die  es  sich  hier  handelt,  zu  lösen. 

Diese  Gruppe  von  Bronzen  wird  als  zusammengehörig  er- 
wiesen, nicht  nur  durch  den  gleichen  Vorwurf  —  Kampf  zwischen 
Römern  und  Barbaren  —  und  die  gleichartige  Verwendung  als 
Brustschmuck  eines  Pferdes,  sondern  noch  mehr  durch  die  typische 
Wiederholung  derselben  Figuren  in  verschiedenen  Funden. 

Gerade  diese  Thatsache  scheint  mir  von  ganz  besonderem 
Gewichte.  Denn  sie  zeigt,  dass  die  Künstler  in  der  Bildung  der 
Gestalten  nicht  frei  verfahren,  dass  vielmehr  eine  Nöthigung  für 
sie  bestand,  ein  Vorbild,  wenn  auch  nicht  sclaviscli,  nachzuahmen. 


'*)  Abgcbil(l(;t  in  Biun/J  di  Ercolauu  H,  p.  13.  Im  Museum  zu  Neapel  sind 
nach  11.  V.  Sclineider.s  Bemerkung  drei  Exemplare  vorhanden. 

"')  Abgebildet  in  Bronzi  di  Ercolano  II.  p.  22. 

'^  Nolice  de  bronzen  antiqaes  Nr.  109.  Das  Stück  stammt  aus  der  älteren 
Sammlung  Durand'«.    Mir  liegt  eine  Skizze  K.  v.  Schneiders  vor. 

")  Guide  to  the  brouzo  room  (1871)  p.  44  n,  37. 

")  Nach  einer  Mittheilung  R.  v.  Schneider's. 


145 

Welcher  Art  dieses  Vorbild  gewesen  und  welcher  Art  die  Nöthigung 
es  nachzuahmen,  ergibt  sich,  wie  ich  glaube,  aus  dem  Gegenstande 
der  Darstellung. 

Im  Mittelpunkte  der  kämpfenden  Gruppen  erscheint  der  sieg- 
reich vordringende  römische  Feldherr.  Nun  wissen  wir  aber,  dass 
gerade  die  Pferde  römischer  Triumphatoren  durch  einen  besonderen 
Schmuck  geziert  waren.  Suetonius  sagt  von  dem  britannischen 
Triumphe  des  Claudius  (v.  C.  17):  secuti  et  trmmphalia  ornamenta 
(iodem  hello  adepti,  sed  ceferi  pedibus  et  in  praetexta,  Crassus  Fragt 
equo  phalerato  et  in  vesfe  pdlmata,  quod  eum  honorem  iteraverat.  Der 
equus  phaleratus  gehört  demnach  ebenso  nothwendig  zu  den  Ehren- 
zeichen des  Triumphators,  wie  das  Triumphalgewand.  Man  wird 
gewiss  nicht  leugnen  können,  dass  kein  Gegenstand  geeigneter  war, 
das  Geschirr  eines  Triumphpferdes  zu  zieren,  als  die  Ursache  dieses 
Triumphes,  der  Sieg  selbst.  Die  gleichartige  Wiederholung  dieses 
Brustschmuckes  in  Funden  so  verschiedener  Zeit  und  so  ver- 
schiedenen Ortes  würde  sich  demnach  daraus  erklären,  dass  für 
diesen  Pferdeschmuck  eine  ebenso  typische  Form  bestand,  wie  für 
die  übrigen  Bestandtheile  der  ornamenta  triumphalia.  Der  Fund 
von  Herculaneum  beweist^  dass  das  Vorbild  für  diese  Form  des 
Pferdeschmuckes  bereits  in  der  ersten  Kaiserzeit  vorhanden  war. 
Soweit  wir  ausreichende  Fundnotizen  besitzen,  können  wir  weiter 
erkennen,  dass  diese  Bronzen  an  statuarischen  Werken  angebracht 
waren,  und  wohl  die  Brust  von  Triumphalgespannen  schmückten. 
Es  gab  nun  in  der  ersten  Kaiserzeit  in  Rom  ein  Kunstwerk  dieser 
Art,  das  gewiss  alle  anderen  statuarischen  Darstellungen  von 
Triumphwagen  überstrahlte.  Es  ist  dies  der  Siegeswagen,  welchen 
der  Senat  dem  Begründer  der  Monarchie  auf  dem  Forum  Augustum 
errichtete^").  Ich  glaube,  man  darf  die  Verrauthung  wagen,  dass 
der  Brustschmuck  der  Pferde  dieser  Quadriga  das  Vorbild  ge- 
wesen ist. 


^"j  Augustus  selbst  sagt  im  Monuraentiun  Ancyrauum  6,  24:  Terlium  deci- 
mum  conaulatum  cum  gerebam  senatus  et  eqiiester  ordo  popidusque  Romaniis  uni- 
versus  appellavit  nie  patrem  patriae  idqtte  in  vestibulo  aediiim  meartcm  inscribendvm 
esse  et  in  curia  et  in  foro  Aug.  sub  quadrigis  quae  mihi  ex  s.  c.  positae  sunt 
decrevit. 

Heidelberg  A.  v.  DOMASZEWSKI 


146 


Ausgrabungen  in  Carnuntum 

(Tafel  V— IXj 


Im  Jahresberichte  des  Vereines  Carnuntum  für  1886  wurde 
am  Schlüsse  der  Besprechung  der  Grabungen  noch  einer  zunächst 
der  sogenannten  Mühlgartenmauer  in  Deutsch-Altenburg,  kurz  vor 
Abschluss  der  Arbeiten,  begonnenen  Aufdeckung  Erwähnung  gethau. 
In  der  kurzen  Arbeitsperiode  des  darauffolgenden  Jahres  (1887) 
konnte  die  Bloslegung  dieser  Bauanlagen  fortgesetzt,  aber  in  Folge 
des   eintretenden   Winters    nicht  völlig    zu   Ende    geführt    werden. 

Auf  Taf.  V  geben  wir  den  Plan  der  Anlage,  so  weit  diese  bis 
jetzt  aufgedeckt  vorliegt.  Das  Gebäude,  dem  die  Mauerzüge  und 
Räumlichkeiten  angehören,  zeigt  eine  unregelmässige  Form  und  ist 
vorläufig  nur  nach  zwei  Seiten  durch  Mauern,  an  welche  keine 
weiteren  Maueransätze  folgen,  abgeschlossen,  nach  allen  übrigen 
Seiten  reichen  Mauerzüge  noch  weiter  in  die  Erdaufschüttung,  die 
bis  jetzt  nicht  beseitigt  werden  konnte.  Die  ganze  Anlage  folgt 
sichtlich  drei  verschiedenen  Achsen,  drei  verschiedenen  Richtungen 
der  Langmauern  und  ist,  allerdings  in  Bezug  auf  diese  einzelnen 
Achsen,  eine  regelmässige  zu  nennen,  ja  es  lassen  sich  sogar  drei 
lange  gangartige  Räume  von  gleicher  Breite  (3-05  bis  3*20  M.) 
erkennen,  welche  den  drei  Achsen,  vielleicht  drei  Trakten  des 
Gebäudes  folgen,  und  um  die  sich  die  übrigen  Räume  gruppiren. 
Neben  den  hier  aufgedeckten,  zumeist  mittelgrossen,  ja  selbst 
kleinen  Räumen,  fällt  dagegen  ein  Raum  durch  seine  ungewöhnlichen 
Dimensionen  auf.  Er  misst  12-55  zu  11-30  M.,  und  es  schliesst 
sich  an  denselben  in  der  Langachse  ein  apsisartiger  rechteckiger 
Ausbau  von  4*62  :  3-10  M.  Grösse.  Zwischen  den  beiden  liegt  ein 
Schwellenstein  seiner  Länge  nach,  mit  in  der  Mitte  desselben  ein- 
gearbeiteter Nuth.  Die  Fussböden  beider  Räume  sind  aus  einem 
Betonbegusse  gebildet.  Besonders  zu  erwähnen  ist  noch,  dass  der 
besprochene  Raum,  wie  es  scheint,  an  die  Stelle  eines  anderen  trat, 
welcher  mit  dem  halbkreisförmigen  Ausbau  zunächst  desselben  in 
Beziehung  stand  und  dessen  Fundament  bei  Errichtung  des  neuen 
Baues  nicht  völlig  beseitigt  wurde.  Während  einzelne  Zimmer 
unseres  Gebäudes  mit  Hypokausten  versehen  waren,  ja  selbst  die 
Reste  von  lleizkanälen  dort  noch  erhalten  blieben,  fehlt  es  für  den 
grossen  Raum  an  jeder  Beziehung  auf  eine  Heizvorrichtung. 


147 

An  der  äussersten  Grenze  der  ganzen  Anlage,  wo  sie  ab- 
geschlossen erscheint,  zieht  sich  ein  Plattenpflaster  und  eine  Stein- 
rinne hin,  in  welche  eine  zweite  Rinne,  zweimal  durch  Mauern 
führend,  einmündet.  Die  letztere  steht  sichtlich  in  Beziehung  zu 
den  hier  aufgedeckten  Mauerzügen,  welche  sich  durch  ihre  un- 
gewöhnlichen Dimensionen  als  nicht  unmittelbar  zu  dem  früheren 
Baue  gehörige  kennzeichnen.  Die  äusserste  Doppelmauer,  die  wir 
nur  ein  kurzes  Stück  lang  bioslegen  konnten,  setzt  sich,  wie  Son- 
dirungen  ergaben,  noch  nach  beiden  Seiten  in  den  Nachbarfeldern 
fort.  Die  Mauern,  welche  damit  in  Verbindung  stehen,  sind  wie 
die  früher  genannten  von  solcher  Stärke,  dass  sie  einem  besonderen 
Zwecke  gedient  haben  müssen.  Man  ist  geneigt,  hier  an  eine 
Befestigungsanlage  zu  denken,  an  einen  TheiJ  der  äusseren  Um- 
mauerung  Carnuntums  zum  Schutze  der  vielfachen  Anlagen,  welche 
ausserhalb  des  Lagers  entstanden. 


Im  Jahre  1888  wurden,  einem  Beschlüsse  des  Ausschusses 
des  Vereines  Carnuntum  entsprechend,  die  Grabungen  im  Lager 
begonnen,  um  die  möglichst  vollständige  Aufdeckung  desselben 
allmählich  zu  erreichen.  Die  Arbeit  setzte  an  der  östlichen  Grenze 
des  Lagers  südlich  und  zunächst  der  heutigen  das  Lager  durch- 
schneidenden Landstrasse  ein.  Wie  bekannt,  erhebt  sich  das 
Castrum  in  seiner  wesentlichsten  Grundform  als  grosses  recht- 
eckiges Plateau  über  die  zunächst  liegenden  Felder,  so  dass  ziem- 
lich steil  abfallende  Böschungen  den  Umriss  des  Lagers  markiren. 
Bei  der  diesjährigen  Grabung  gingen  wir  nun  an  der  oben  be- 
zeichneten Stelle  bis  an  die  Grenzen  des  Plateaus,  das  sich  hier 
in  der  Höhe  von  5  Meter  erhebt.  Aus  der  Taf.  VI  ist  zu  ersehen, 
dass  an  dieser  Stelle  die  Böschung  eine  auffallend  unregelmässige, 
der  Langachse  des  Lagers  nicht  parallel  laufende  Richtung  ein- 
schlägt, und  dass  die  Anlage  der  Baulichkeiten  in  einer  unleug- 
baren Beziehung  zur  Terrainfiguration  steht.  Zur  Erläuterung  des 
vorliegenden  Planes  muss  noch  gesagt  werden,  dass  die  Lang- 
mauern der  Anlage  der  Richtung  von  Süd  nach  Nord,  also  der 
Längenrichtung  des  Lagers  folgen,  und  dass  der  von  den  übrigen 
Baucomplexen  getrennt  liegende  kleine  rechteckige  Bau  mit  starken 
Mauern  am  nördlichsten  Ende  unserer  Grabung  gelegen  ist.  Dieser 
zuletzt  genannte  Bau,  den  man  als  das  Fundament  eines  Thurmes 


148 

anzusehen  liat,  verdient  ganz  besondere  Beachtung.  Was  wir  heute 
von  demselben  erhalten  sehen,  ist  allerdings  nur  das  Fundament, 
das  als  ungemein  hartes  Gusswerk  der  Zerstörung  entging;  es  ist 
aber  das  Fundament  eines  Thurmes,  der  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  ein  Thor  des  Lagers  ßankirte.  Für  diese  hier  ausgesprochene 
Vermuthung  sprechen  mehrere  Umstände.  Für's  Erste  ist  es  die 
Form  des  Bauwerkes,  mit  dem  an  der  Südseite  desselben  sich  an- 
schliessenden Mauerstücke,  das  als  ein  Ansatz  der  UmfassungS' 
mauer  des  Lagers  anzusehen  ist  und  an  der  Nordseite  —  der  Thor- 
seite —  fehlt;  für's  Zweite  ist  aber  die  Strasse,  welche  das  Lager 
durchquerte  und  zu  diesem  Thore  hinausführte,  gleichfalls  noch 
erhalten  und  Hess  sich  in  diesem  Frühjahre  als  licht  gefärbter 
Streifen  durch  die  jungen  Saaten  der  Nachbaräcker  sich  hinziehend 
deutlich  verfolgen.  Die  heutige  Landstrasse  führt  an  dem  Thurme 
vorbei,  geht  aber  dann,  etwas  südlicher  gelegen,  mit  der  römischen 
Strasse  nahezu  parallel  gegen  Deutsch-Altenburg  fort.  Das  Fun- 
dament des  mit  unserem  Thurme  correspondirenden  zweiten,  nörd- 
licher gelegenen  Thorthurmes  ist  bis  nun  nicht  zu  finden  gewesen 
und  dürfte  auch  entweder  von  der  neuen  Strasse  bedeckt  oder 
beim  Baue  derselben  ganz  verschwunden  sein.  Südlich  von  unserem 
Thorthurme,  in  der  Richtung  des  Maueransatzes,  liegt  ein  grosses 
Stück  Mauerwerk,  ein  Mauerblock  aus  Bruchsteinen  im  schiefen 
Winkel  aus  der  Erde  emporragend,  der,  sichtlich  abgestürzt,  in 
dieser  merkwürdigen  Lage  sich  erhält  und  wohl  einst  zur  Um- 
fassungsmauer des  Lagers  gehörte.  Die  genannten  Baureste  liegen 
aber,  wie  aus  Taf.  VI  und  dem  Durchschnitte  E  F  Taf.  VII  ersicht- 
lich wird,  bedeutend  tiefer  als  die  übrigen  Theile  der  in  Rede 
stehenden  Grabung,  und  es  muss  sich  schon  bei  flüchtiger  Ein- 
sichtnahme in  den  Plan  die  Meinung  geltend  machen,  dass  man  es 
hier  nicht  mit  gleichzeitigen  Anlagen  zu  thun  habe. 

Die  Grabung  auf  der  Höhe,  im  Niveau  des  Lagers,  führte 
zur  Aufdeckung  einer  grossen  Zahl  Mauerzüge,  die  durchwegs  nur 
als  Fundamentreste  erhalten,  sichtlich  verschiedenen  und  ver- 
schiedenzeitlichen Gebäuden  angehörten.  Ein  Theil  dieser  Mauer- 
züge zeigt  die  nachlässige,  aus  Steinbrockonwerk  mit  schlechtem 
Mörtel  verbundene  Construction,  wie  sie  im  Lager  zur  Regel  gehört, 
andere  Mauern  dagegen  sind  von  hier  ungewöhnlich  guter  Con- 
struction schichtenweise  aus  grösseren  Bruchsteinen  und  festem 
Mörtel  gebildet.  Die  letzteren  Mauern  sind  auch  stärker  und  gehören, 
wie  man  aus  dem  Grundrisse  Taf.  VI  sieht,  zu  einem  rechteckigen 


149 

Gebäude  von  ungewöhnlicher  Grösse  und  Eintheilung.  Dasselbe, 
nach  allen  Seiten  abgeschlossen,  ist  86  M.  lang  und  38"5  M.  breit, 
zwei  Langmauern  theilen  das  Gebäude  in  drei  parallel  laufende 
Trakte  oder  Raumfolgen,  wovon  jeder  äussere  12  M.,  der  innere, 
mittlere  Trakt  lO'ö  M.  in  der  Breite  misst.  (Das  ganze  Gebäude 
ist  au  der  Nordseite  um  130  M.  breiter  als  an  der  Südseite,  eine 
Unregelmässigkeit,  die  bei  der  grossen  Ausdehnung  desselben  kaum 
ins  Gewicht  fällt.)  Quermauern,  senkrecht  zu  den  Langmauern 
gestellt,  zum  Theil  in  ganzer  Ausdehnung,  zum  Theil  nur  als  An- 
sätze an  die  Langmauern  erhalten,  theilen  die  Langtrakte  in  zu- 
meist grosse  weite  Räume.  Genau  in  der  Mitte  der  westlichen 
Langseite  führt  eine  3*20  M.  breite  Oeffnung  in  einen  5*50  M. 
breiten  Raum,  dessen  Langmauern  sich  in  gleicher  Flucht  im  öst- 
lichen Trakte  fortsetzen  und  der  durch  eine  mit  der  Eingangs- 
öffnung correspondirende  Oeffnung  mit  dem  mittleren  Trakte  in 
Verbindung  steht.  Vor  dem  Eingange  in  das  Gebäude  ist  ein  Vor- 
platz in  ziemlich  regelmässiger  Plattenpflasterung  zur  Ausführung 
gekommen  und  zunächst  der  einen  Thorleibung  noch  der  Pfannen- 
stein für  den  Tborkegel  erhalten  geblieben.  Der  mittlere  Trakt 
des  Gebäudes  scheint  nach  der  Nordseite  geöffnet  gewesen  zu 
sein,  oder  hier  mit  einer  vielleicht  mehr  monumentalen  Anordnung 
eines  Steinportales  einen  Abschluss  gefunden  zu  haben,  wenigstens 
erhebt  sich  hier  die  Quermauer  nicht  so  hoch  wie  alle  übrigen 
und  ist  gleichmässig  nach  oben  abgeglichen,  auch  ist  dieselbe 
stärker  als  die  nach  beiden  Seiten  anschliessenden  Quermauern, 
endlich  lässt  auch  die  Art  des  Anschlusses  der  Lang-  und  Quer- 
mauern an  diesem  Fundamentzuge  auf  eine  hier  früher  existirende 
Steinpfeileranordnung  schliessen,  die  später  ihres  materiellen 
Werthes  halber  herausgerissen  wurde.  Im  ganzen  Gebäude  wurden, 
so  weit  unsere  Sondirungen  reichten,  nur  geringe  Spuren  von 
Plattenpflasterung  gefunden,  dagegen  sind  hie  und  da  den  Mauern 
entlang  Steine  aufgestellt,  die  als  Unterlagen  für  irgend  welche 
Fussbodenconstruction  oder  etwa  Gerüstconstruction  gedient  haben 
könnten. 

Das  in  seinen  Dimensionen  so  mächtige  Fundament  lässt  auf 
ein  Gebäude  schliessen,  das  auch  im  Aufbau  jedesfalls  zu  den 
bedeutendsten  des  ganzen  Lagers  gehörte,  leider  ist  uns  aber  für 
die  Reconstruction  dieses  Aufbaues  jeder  Anhalt  versagt.  Die 
Grabung  hat,  wie  das  auch  sonst  allerwärts  im  Lager  der  Fall 
ist,    ausser  einem  Stirnziegelfragmente,   nichts  von  den  Resten  des 

Archäologiscli-epigraphischo  Mitth.  XII.  11 


150 

Aufbaues  geliefert.  Ist  dieser  Umstand  für  die  Reconstruetion  sehr 
ungünstig,  wird  er  es  hier  noch  umsomehr,  als  es  auch  schwer 
fällt,  in  anderen  römischen  Bauten  Analogien  mit  dem  unsrigen 
zu  finden.  Dass  unsere  Fundamentmauern  als  Träger  eines  eben- 
falls aus  solidem  Materiale  ei'bauten  Aufbaues  dienten,  geht  schon 
allein  aus  ihrer  Stärke  von  fast  durchwegs  einem  Meter  und 
darüber  hervor,  aber  wie  dieser  Aufbau  gestaltet  war,  ist  schwer 
zu  entscheiden.  Wenn  das  Gebäude  überdacht  war,  was  wohl 
kaum  zu  bezweifeln  sein  dürfte,  erwächst  sofort  die  Frage,  in 
welcher  Weise  der  mittlere  Raumzug,  den  man  doch  nicht  als  Hof 
ansehen  kann,  also  oben  sich  nicht  offen  denken  darf,  seine  Be- 
leuchtung erhielt.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  dieser  Theil 
über  die  äusseren  hinausgebaut  war  und  solcher  Art  eine  basilikale 
Disposition  platzgriff,  d.  h.  nur  in  dem  Sinne,  dass  der  mittlere 
Raumzug  durch  seitliches  Oberlicht  erhellt  wurde.  Die  gleiche 
Stärke  der  vier  Langmauern  spricht  allerdings  nicht  dafür,  es  ist 
aber  auch  gewiss  schwer  möglich  anzunehmen,  dass  ein  einziges 
ununterbrochenes  Dach  das  ganze  Gebäude  überspannte.  Wird  es 
solcher  Art  schwierig,  sich  eine  Vorstellung  von  der  Configuration 
des  ganzen  Gebäudes  und  seiner  Einrichtung  zu  machen,  so  ist 
auch  die  Entscheidung  darüber,  welchem  Zwecke  dasselbe  gedient 
haben  mag,  fast  ausgeschlossen.  An  ein  Wohnhaus  oder  einen 
Palast  im  Lager  für  den  Statthalter  oder  den  Kaiser  wäre  wohl 
nach  der  Grösse  und  Regelmässigkeit  der  Räume,  nicht  aber  nach 
deren  Disposition  zu  denken,  in  gleicher  Weise  fehlt  auch  für 
jede  weitere  Annahme,  welche  das  Gebäude  irgend  in  Beziehung 
zu  öffentlichen  Acten  oder  feierlichen  Anlässen  brächte,  jede  Ana- 
logie und  Berechtigung,  die  einzige  Vermuthung,  die  uns,  wie  mir 
scheint,  übrig  bleibt,  ist,  dass  das  Gebäude  ein  grosses  Magazin 
für  die  Bedürfnisse  des  Lagers  gewesen  sei. 

Noch  zweifelhafter  als  die  Bestimmung  des  genannten  Hauses 
bleibt  die  Bestimmung  aller  der  Mauerzüge,  welche  ausser  den 
schon  besprochenen  an  dieser  Stelle  noch  aufgedeckt  wurden.  Dass 
sich  die  Mauerzüge  und  auch  die  Wasserläufe  zum  Theil  der  Form 
der  Böschung  fügen,  ist  wohl  aus  dem  Plane  deutlich  ersichtlich. 
Was  aber  von  Alledem  gleichzeitig,  was  zusammengehörig  ist, 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  ja  es  bleibt  sogar  die  wichtige 
Frage  offen,  ob  das  Lager  an  dieser  Stelle  der  Umfassungsmauer 
völlig  entbehrte  oder  nicht.  Parallel  mit  der  westlichen  Lang- 
mauer des  grossen  Gebäudes,    5'35  M.   davon  entfernt,    zieht  sich 


151 

ein  überwölbter  unterirdischer  Kanal  von  0*7  M.  lichter  Weite  und 
1*7  M.  Höhe  in  gerader  Linie  nach  der  Donau  zu.  Ein  ähnlicher 
Kanal  wurde  schon  bei  der  Grabung  des  Jahres  1877  in  der  west- 
lichen Hälfte  des  Lagers  aufgedeckt,  er  nahm  bei  gleichen  Dimen- 
sionen dieselbe  Richtung  nach  der  Donauseite,  wie  der  eben  er- 
wähnte. Die  weiteren  bei  der  diesjährigen  Grabung  aufgedeckten 
und  in  Taf.  VI  verzeichneten  Wasserläufe  oder  Gerinne  kehren 
sich  sämmtlich  nach  dem  grösseren  Abzugskanale.  Besondere  Er- 
wähnung verdient  noch  die  Reihe  von  vier  kleineren  Räumen, 
welche  sich  westlich  des  grossen  Fundamentes  und  jenseits  des 
Abzugskanales  hinziehen  und  einem  noch  nicht  völlig  aufgedeckten 
abgeschlossenen  Gebäude  angehören.  In  einem  dieser  Räume  wurde 
ein  doppeltkegelförmiger  Mühlstein  gefunden.  Das  Vorkommen 
desselben  gerade  an  dieser  Stelle,  zunächst  dem  grossen  Vorraths- 
magazine,  darf  wenigstens  nicht  unvermerkt  bleiben. 


Zu  den  erfreulichsten  Erfolgen  der  diesjährigen  Ausgrabung 
gehört  die  Auffindung  und  theilweise  Bloslegung  eines  Amphi- 
theaters in  Carnuntum.  Seitdem  mir  die  Aufgabe  zufiel,  den 
altberühmten  Boden  von  Carnuntum  auf  seine  namentlich  topo- 
graphische und  bauliche  Ausnützung  durch  die  Römer  zu  unter- 
suchen und  zu  erforschen,  schwebte  mir  immer  der  Gedanke  vor 
Augen,  dass  eine  Localität  von  solcher  Bedeutung  auch  sicherlich 
ein  grösseres  Gebäude  in  der  Art  eines  Circus  oder  Amphitheaters 
nicht  entbehrt  haben  könne.  Gewiss  haben  auch  andere  mit  mir 
den  gleichen  Gedanken  verfolgt,  der  aber  aus  dem  Grunde  zu 
keinem  Resultate  führte,  dass  einerseits  sich  stets  die  Meinung 
geltend  machte,  die  nicht  eminent  der  Vertheidigung  dienenden 
Bauten  müssten  im  Municipium,  das  stets  in  Petronell  gesucht 
wurde,  liegen,  andererseits  gerade  die  nächste  Umgebung  des 
Lagers  für  die  Erbauung  eines  Amphitheaters  aus  Rücksicht  der 
Vertheidigung  als  selbstverständlich  ausgeschlossen  erschien.  Die 
Aufdeckung  des  gesuchten  Gebäudes  hat  nun  beide  Voraussetzungen 
als  vollständig  unrichtig  erwiesen. 

Zur  Auffindung  des  Amphitheaters  führte  mich  die  Grabung 
zunächst  dem  früher  erwähnten  Thorthurme.  Das  Terrain  senkt 
sich  von  dort  aus  gegen  Altenburg  beträchtlich  ab,  und  ist 
zwischen  der  heutigen  Landstrasse   und  der  Donau  durchwegs  als 

11* 


152 

Ackerboden  bebaut.  In  diesem  Frühjahre  nun  konnte  man  die 
römische  Strasse,  welche  vom  Thorthurme  hinausführte,  als  lichter 
gefärbten  Streifen  durch  die  junge  Saat  sich  hinziehen  sehen,  links 
der  Strasse  waren  aber  gleicherzeit  eine  Anzahl  Streifen  durch  die 
Felder  gehend  zu  erkennen,  die  ihrer  Formation  nach  auf  das 
Vorhandensein  des  Amphitheaters  schliessen  liessen.  Eine  mulden- 
förmige Terrainbildung  an  derselben  Stelle  bestärkte  mich  ausser- 
dem noch  in  der  Annahme,  dass  das  Gesuchte  hier  zu  finden  sei, 
und  so  Hess  ich  nach  Beendigung  der  Ernte  einen  Sondirgraben 
ziehen,  der  auch  nach  wenigen  Tagen  die  ersten  sicheren  Reste 
des  Gebäudes  biosiegte.  In  dem  Plane  Taf.  VIII  ist  der  zuerst  ge- 
zogene Sondirgraben,  der  in  gerader  Linie  in  die  Arena  führte, 
eingezeichnet.  Dass  derselbe  nicht  parallel  mit  einer  Achse  der 
Ellipse  ging,  ist  theils  den  nur  spärlichen  Vorstellungen,  die  man 
sich  vorerst  über  Richtung  und  Grösse  des  Gebäudes,  von  dem 
kein  Stein  über  den  Ackerboden  reichte,  machen  konnte,  theils 
der  Richtung  der  Ackerparcelle,  die  bei  der  Sondirung  in  Anspruch 
genommen  werden  konnte,  zuzuschreiben.  Die  Stelle  des  Amphi- 
theaters ist  nämlich  Eigenthum  von  fünfzehn  verschiedenen  Be- 
sitzern, mit  welchen  erst,  nach  erfolgter  Sondirung  vom  Verein 
Carnuntum,  unter  gefälliger  Intervention  des  Herrn  C.  Hollitzer, 
ein  Abkommen  getrofi"en  werden  konnte. 

Wie  allerwärts  auf  den  Feldern  Altenburgs  und  Petronells 
stiessen  die  Bebauer  derselben  auch  hier  mit  dem  Pfluge  stets  auf 
Mauerwerk,  ja  die  Grabung  hat  ergeben,  dass  das  Mauerwerk  zum 
Theil  nicht  tiefer  als  20  bis  30  Centimeter  unter  der  Oberfläche 
lag.  Es  dürfte  anzunehmen  sein,  dass  die  muldenförmige  Bildung 
des  Terrains  gegen  die  Arena  die  Aufschüttung  über  den  Um- 
fassungsmauern durch  den  Einfluss  von  Wind  und  Regen  immer 
mehr  nach  der  Mitte  abführte  und  solcher  Art  zur  endlichen  Auf- 
findung des  Gebäudes  verhalf.  In  Altenburg  selbst  war,  wie  mir 
der  Bürgermeister,  Herr  Koch,  mittheilte,  die  Meinung  verbreitet, 
dass  hier  seinerzeit  ein  Ziegelofen  stand  und  man  es  mit  einer 
aufgelassenen  Lehmgrube  zu  thun  habe. 

Auf  den  Tafeln  VIII  und  IX  habe  ich  die  Resultate  der  Auf- 
deckungen im  Amphitheater,  so  weit  dieselben  in  diesem  Jahre 
erzielt  werden  konnten,  dargestellt.  Unsere  Arbeit  musste  sich 
vorerst  darauf  beschränken,  die  Mauern  zu  verfolgen  und  die 
Gesammtausdehnung  des  Bauwerkes  kennen  zu  lernen.  Wenn  dies 
für   den    grössten   Theil   des    Objectes    erreicht   wurde,    bleibt    uns 


153 

aber  eine  mindestens  ebenso  grosse  Arbeit  noch  zu  thun  übrig, 
um  alle  Mauern,  namentlich  aber  auch  die  Arena,  völlig  freizulegen. 
Es  kann  daher  die  hier  zu  gebende  Besprechung  des  Amphitheaters 
nur  als  ein  vorläufiger  Bericht  angesehen  werden,  der  nach  voller 
Aufdeckung  des  Bauwerkes  und  seiner  Umgebung  eine  ent- 
sprechende Ergänzung  erfahren  muss.  Wie  erwähnt,  lag  unser 
ganzer  Baurest  unter  der  Erde.  Die  tiefe  Lage  des  Amphitheaters 
im  Vergleiche  zu  dem  westlich  davon  liegenden  Lager  hat  die 
Verschüttung  desselben  zum  Theile  auch  von  dorther,  namentlich 
bei  dem  fast  stets  herrschenden  heftigen  Westwinde  gefördert,  und 
so  sehen  wir,  dass  die  Arena,  die  um  14  Meter  tiefer  liegt  als  der 
forumartige  Platz  des  Lagers,  eine  Aufschüttung  von  über  2Vo  Meter 
zeigt,  der  Fuss  der  Umfassungsmauer  aber  bis  zu  3  und  4  Meter 
tief  unter  dem  Ackerniveau  liegt. 

Für  die  Feststellung  der  Form  unseres  Bauwerkes  bietet  vor- 
erst die  in  ihrer  ganzen  Längenausdehnung  erhaltene  Begrenzungs- 
mauer der  Arena  selbst  den  sichersten  Anhalt.  Der  durch  diese 
Mauer  begrenzte  Kampfplatz  ist  von  elliptischer  Form  und  es 
misst  die  grosse  Achse  72'2,  die  kleine  44-25  Meter.  Als  Resultat 
der  genauen  Aufnahme  der  Begrenzungslinie  der  Arena  hat  sich 
ergeben,  dass  bei  der  Anlage  der  Umfassungsmauer  nicht  mit 
voller  Präcision  vorgegangen  wurde,  sondern  manche  Unregel- 
mässigkeiten sich  geltend  machten,  die  allerdings  bei  den  grossen 
Dimensionen  des  Objectes  nicht  schwer  ins  Gewicht  fallen.  So 
geht  die  grosse  Achse  der  Ellipse  nicht  genau  durch  die  Mitte 
der  kleinen,  sondern  schneidet  sie  um  einen  halben  Meter  süd- 
licher; auch  steht  die  kleine  Achse  nicht  genau  senkrecht  auf  der 
grossen.  Die  Umfassungslinie  selbst,  die  wir  der  gebräuchlichen 
Bezeichnung  zu  Liebe  als  elliptisch  angaben,  ist  eigentlich  mathe- 
matisch richtiger  als  doppelte  Korblinie  anzusehen,  d.  h.  sie  wurde 
aus  vier  Kreissegmenten  mit  den  Radien  von  18*4  und  60*2  Meter 
construirt.  Die  Umfassungsmauer  ist  15  Meter  dick,  aus  Bruch- 
steinen gebildet,  gegen  die  Arena  aber  mit  regelmässig  behauenen 
und  geschichteten  Quadern  bekleidet,  von  welchen  häufig  tiefer 
geführte  Binder  in  die  Mauer  weiter  eingreifen.  Die  Mauer  erhebt 
sich  noch  bis  zu  272  Meter  Höhe,  ist  unten  mit  einem  Sockel, 
der  als  einfache  Schräge  gebildet  ist,  versehen,  entbehrt  jedoch, 
im  Zustande  der  gegenwärtigen  Erhaltung,  des  abschliessenden 
Deckgesimses  oder  der  abschliessenden  Quaderschichte.  Die 
Quadern   sind  gegen  die  Arena,  auf  einer  dünnen  Mörtelunterlage, 


154 

mit  farbigem  Ueberzuge  (meist  roth)  versehen  gewesen,  der  kurz 
nach  der  Aufdeckung  seine  Farbeuwirkung  wieder  verlor.  Parallel 
mit  dieser  Mauer  und  im  Abstände  von  einem  halben  Meter  läuft 
eine  zweite  Mauer  von  V«  Meter  Stärke,  an  Avelche  sich  die 
speichenartigen  Mauern  der  Cavea  anschlössen.  Die  äussere  Um- 
fassungsmauer des  Gebäudes,  ebenfalls  von  elliptischer  Form,  ist 
weder  von  so  gleichmässiger  Anlage  wie  die  frühere,  noch  ist  der 
Zustand  der  Erhaltung  ein  ganz  gleichmässiger.  Am  besten  con- 
servirt  zeigt  sich  der  ganze  Theil  der  Langseite  gegen  die  Donau 
zu.  Da  das  Terrain  sich  hier  stark  absenkte,  erhielt  die  Mauer 
ihrer  bedeutenderen  Höhe  wegen  Verstärkungspfeiler,  die  ziem- 
lich unregelmässig  angeordnet,  wie  alle  Mauern  aus  Bruchsteinen 
o-ebildet  sind.  Die  Mauer  selbst  ist  hier  nur  einen  Meter  dick, 
verstärkt  sich  aber  gegen  Westen  zu,  wo  die  Strebepfeiler  fehlen. 
Nicht  von  gleich  guter  Erhaltung,  wie  an  der  Nordseite,  ist  die 
Umfassungsmauer  der  südlichen  Hälfte.  Das  südöstliche  Viertel 
der  ganzen  Umfassung  ist  in  vermuthlich  nicht  zu  ferner  Zeit 
herausgerissen  worden;  wenigstens  Hess  sich  noch  die  Nachfüllung 
erkennen  und  prägte  sich  die  ursprüngliche  Anlage  der  Mauer  als 
Negativform  in  der  seit  Jahrhunderten  allmählich  angewachsenen 
Bedeckungsschichte  des  Gebäudes  aus.  Gegen  Westen  zu  ist  ein 
grosser  Theil  der  Umfassungsmauer  noch  nicht  zur  Aufdeckung 
gelangt.  Aussen-  und  Innenmauer  sind  durch  speichenförmig  ge- 
stellte Mauern  verbunden,  welche  weder  von  gleicher  Stärke  sind, 
noch  auch  in  ihren  Entfernungen  und  Stellungen  gleiche  Regel- 
mässigkeit zeigen.  Dass  diese  Mauern  bestimmt  waren,  die  Sitz- 
reihen zu  tragen,  dürfte  nicht  zu  bezweifeln  sein,  leider  ist  aber 
von  den  letzteren  kein  Rest  auf  seinem  Platze  geblieben,  sie  waren 
eben  die  ersten,  welche  der  Beraubung  anheimfallen  mussten.  Es 
ist  mir  auch  bis  nun  nicht  gelungen,  eine  Stiegenanlage  oder  deren 
Spuren  nachzuweisen,  auch  reichen  die  Mauern  nicht  so  weit 
hinauf,  um  die  Anordnung  zu  erkennen,  welche  getroffen  war,  um 
die  Sitzreihen  zu  tragen.  Die  Cavea  des  Amphitheaters  war 
übrigens  nicht  durchwegs  von  gleicher  Breite,  sie  ist  in  der  Lang- 
achse des  Gebäudes  13-4,  in  der  kurzen  Achse  166  und  15-6  M. 
breit.  Ungenauigkeiten  in  der  ganzen  Anlage  sind  zwar  sichtUch 
allerwärts  in  unserem  Gebäude  vorhanden,  doch  dürfte  es  vielleicht 
nicht  unabsichtlich  gewesen  sein,  an  den  den  Beschauern  günsti- 
geren Langseiten  des  Baues  den  Zuschauerraum  breiter  zu  gestalten. 
Von   besonderem  Interesse   sind   jene   Bautheile,    deren  Reste 


155 

in  den  Achsen  des  Amphitheaters  erhalten  blieben  und  die  Cavea 
in  diesen  Richtungen  durchschneiden.  In  der  Richtung  der  Lang- 
achse lagen  die  Eingänge  zur  Arena.  Von  diesen  ist  der  östliche 
vollständig  freigelegt,  der  westliche  bisher  nur  zum  Theil  von  der 
Verschüttung  befreit  worden.  Der  erstere  zeigt  sich  nach  aussen 
durch  die  Anlage  von  vier  starken  Quaderpfeilern  besonders  aus- 
gezeichnet. Diese  Pfeiler  sind  heute  noch  in  einer  Höhe  von  28  M. 
erhalten  und  von  solider,  sorgfältiger  Arbeit.  Sie  bilden  drei  Ein- 
gänge, von  welchen  der  mittlere  3*4,  die  äusseren  1  und  1*11  M. 
breit  sind.  Zwei  noch  in  gleicher  Höhe  mit  den  Pfeilern  erhaltene 
Mauern  verbinden  den  ersten  und  vierten  Pfeiler  mit  der  Um- 
fassungsmauer der  Arena,  solcher  Art  einen  Eingangsraum  bildend, 
dessen  Breite  von  8-3  zu  7-12  M.  verläuft.  Dieser  Raum  wird  von 
der  Arena  herein  durch  zwei  Mauerstücke,  die  aber  nur  in  der 
Länge  von  4*55  M.  erhalten  sind  und  auch  keine  weitere  Fort- 
setzung erkennen  lassen,  in  drei  Theile  getheilt.  Obwohl  diese 
Mauerzüge  ihre  Richtung  auf  die  freistehenden  Pfeiler  des  Ein- 
ganges nehmen,  scheint  doch  ursprünglich  der  Raum  unmittelbar 
hinter  den  Eingangspfeilern  in  seiner  ganzen  Breite  ungetheilt  ge- 
wesen zu  sein.  In  der  Mauer,  links  vom  Eingange,  befindet  sich 
eine  Nische,  der  aber,  nachdem  sie  wieder  zum  Theile  zugemauert 
war,  eine  Ära  mit  Inschrift  i)  vorgestellt  wurde.  Dass  wir  es  hier 
mit  dem  Eingange  in  die  Arena  zu  thun  haben,  der  vielleicht  ein 
Gegenstück  in  der  gegenüberliegenden  Anlage  fand,  ist  zweifellos. 
Die  Disposition  ist  ja  auch  eine  vollständig  klare  und  verständliche, 
wenn  auch  die  Frage,  ob  der  Raum  vollständig  oder  vielleicht  nur 
in  dem  Theile  zunächst  der  Arena  gedeckt  oder  überwölbt  war, 
vorläufig  unbeantwortet  bleiben  muss. 

Die  Aufdeckung  hat  aber  in  diesem  Eingange  noch  auf 
weitere  Reste  baulicher  Anordnung  geführt,  die,  ob  zwar  sichtlich 
nicht  gleichzeitig  mit  dem  Uebrigen  ausgeführt,  einem  ganz  be- 
stimmten Zwecke  entsprochen  haben  müssen.  An  der  rechten  Seite 
des  Eintretenden  zieht  sich  eine  Reihe  lose  liegender,  nicht  zu 
einer  festgefügten  Mauer  verbundener  Steine  hin,  zwischen  welchen 
in  Abständen  von  circa  zwei  Meter  rauh  bearbeitete  pfeilerartige 
Steine  von  circa  zwei  Meter  Höhe  sich  erheben.  Durch  diese 
Steine  sind  ebenfalls  in  sorgloser  Ausführung  rechteckige  Löcher 
geführt,    und    zwar   sowohl    in   der   Richtung    des   Einganges,    wie 


')  Siehe  weiter  unten  S.  167. 


15ß 

auch  senkrecht  darauf.  Es  entsteht  solcher  Art  eine  durch  diese 
Pfeilersteine  gebildete  Abtrennung  eines  schmalen  Ganges  zur 
Seite  des  Eingangsraumes  (siehe  Taf.  VIII  und  Profil  EF  Taf.  IX), 
und  man  wird  zur  Annahme  geführt,  dass  die  Löcher  in  den  senk- 
rechten Steinblöcken  zur  Einführung  starker  Balken  dienten,  die 
nicht  blos  den  Gang  als  solchen  abschlössen,  sondern  auch 
mehrere  Quertheilungen  des  Raumes  selbst  ermöglichten,  Quer- 
theilungeu,    die  durch  Herausziehen  der  Balken  immer  wieder  zeit- 


weilig beseitigt  werden  konnten.  Die  Vermuthung  ist  nicht  aus- 
geschlossen, dass  man  es  hier  mit  Käfigen  für  Thiere  zu  thun  habe, 
und  dass  durch  die  eben  erwähnte  Anordnung  ein  Nachrücken  der 
Thiere  zum  Kampfplatze  ermöglicht  wurde.  Die,  wie  schon  erwähnt, 
ganz  sorglose  Ausführung  der  besprochenen  Anordnung  lässt  es 
zweifellos  erscheinen,  dass  dieselbe  nicht  gleichzeitig  mit  dem 
übrigen  Baue  des  Amphitheaters  fällt,  und  es  lässt  sich  danach 
auch  nicht  präcise  angeben,  ob  die  Löcher  in  der,  hinter  der 
Schranke  liegenden,  Begrenzungsmauer  dieses  Ganges  in  bestimmter 


157 

Beziehung  zu  der  Anordnung  stehen.  Von  dem  Fussbodcn  des 
ganzen,  wahrscheinlich  einst  gepflasterten  Eingangsraumes,  der 
sich  nach  der  Arena  senkte,  ist  nichts  erhalten  geblieben. 

Nicht  minder  bedeutungsvoll  als  die  eben  erwähnte  Anlage 
der  Eingangshalle  sind  die  beiden  Baureste,  die  in  der  kurzen 
Achse  des  Amphitheaters  gelegen,  die  Cavea  durchschneiden.  Vor 
Allem  ist  es  jener  Theil,  der  die  Mitte  der  Südseite  des  Zuschauer- 
raumes einnimmt.  Hier  stiessen  wir  auf  ein  System  von  Mauern, 
welche,  wenn  auch  nicht  durchwegs  gleichzeitig  aufgeführt,  doch 
eine  Anzahl  Räumlichkeiten  erkennen  lassen,  die  besonderen 
Zwecken  gedient  haben  müssen.  Längs  der  Umfassungsmauer  der 
Arena  liegen  zwei  Räume,  von  welchen  aus  die  Arena  durch 
Thüren  und  über  Stufen  zu  betreten  war.  Dahinter,  aber  um  zwei 
Meter  höher,  liegt  der  mit  einer  segmentförmigen  Mauer  nach 
rückwärts  abgeschlossene  Raum,  zu  dem,  wie  es  scheint,  zwei 
Gänge  von  Aussen  führten,  wovon  der  östliche  noch  mit  den  Ein- 
trittsstufen in  der  Aussenmauer  und  zum  Theil  mit  dem  Stein- 
plattenpflaster versehen  ist.  Neben  diesem  Gange  führt  ein  zweiter 
in  der  Richtung  zur  Arena*,  in  demselben  sind  kurze  Säulen- 
trommeln aufgestellt,  auf  welchen  halbe  (gespaltene)  Säulentrommeln 
liegen.  Am  Fusse  der  segmentförmigen  Mauer  wie  in  der  gegen- 
überliegenden sind  Löcher  in  gleichen  Abständen  ausgespart,  die 
sichtlich  zur  Aufnahme  der  Balken  zur  Bildung  eines  Fussbodens 
dienten.  Die  ganze  Anordnung  des  Baues  an  dieser  Stelle,  die  ja 
für  den  Beschauer  der  Kampfspiele  die  günstigstgelegene  war, 
lässt  vermuthen,  dass  man  es  hier  mit  dem  ausgezeichnetsten 
Zuschauerplatze  zu  thun  habe,  der  in  der  Art  einer  abgeschlossenen 
Loge  gebildet  war.  Die  niedriger  liegenden  Räume  aber  zunächst 
der  Arena,  die  mit  dieser  in  Verbindung  standen^  könnten  ihrer 
Lage  und  Anordnung  nach  zur  Deponirung  der  im  Kampfe  Ge- 
fallenen bestimmt  gewesen  sein. 

Auf  der  Nordseite  des  Amphitheaters  führte  die  Grabung  auf 
die  Aufdeckung  eines  gewölbten  Raumes  und  sich  anschliessenden 
Ganges,  der  in  der  Richtung  der  kurzen  Achse  nach  Aussen 
führte.  Der  zunächst  der  Arena  liegende  Raum  (Taf.  IX  Profil  AB) 
ist  3*1  zu  4  M.  gross,  der  mit  seinem  Tonnengewölbe  noch  zum 
Theil  gedeckte  Gang  11'35  M.  lang,  1-8  breit  und  2*4  hoch.  Zur 
Seite  des  grösseren  Raumes  ist  wieder,  wie  beim  östlichen  Ein- 
gangsraume  und  hier  in  der  Ostmauer,  eine  Nische  aus  der  Mauer 
ausgesparrt.    Jedenfalls  lagen  die  eben  besprochenen  Räume  unter 


158 

den  darüber  hinlaufenden  Sitzreihen  und  fanden,  wie  aus  den  er- 
haltenen Maueransätzen  zu  entnehmen  ist,  über  die  Aussenmauer 
der  Cavea  eine  P'ortsetzung. 

Was  nun  die  Arena  selbst,  den  Kampfplatz  des  Amphitheaters 
betrifft,  scheint  derselbe  ungepflastert  gewesen  zu  sein.  Wohl 
führte  der  zuerst  gezogene  Sondirungsgraben  auf  Reste  eines 
Flattenpflasters,  über  dessen  Bestimmung  sich  noch  nichts  sagen 
lässt,  doch  haben  die  Grabungen  rings  an  der  Umfassungsmauer 
nur  aufgeschütteten  und  gestampften  Boden  ergeben.  Die  Arbeit 
dieses  Jahres  hat  übrigens  die  Bloslegung  der  Arena  nicht  weiter 
gebracht,  als  dies  zunächst  der  Umfassungsmauer  möglich  war, 
und  ausserdem  zur  Verfolgung  eines  Wasserabzuges  geführt,  wir 
können  uns  daher  von  der  Einrichtung  derselben  am  allerwenigsten 
ein  abschliessendes  Urtheil  bilden.  Aus  dem  Plane,  Taf.  VIII,  ist 
zu  ersehen,  dass  zunächst  der  Umfassungsmauer,  vom  östlichen 
Eingange  bis  zum  früher  besprochenen,  an  der  Nordseite  liegenden 
Räume,  eine  Thonröhrenleitung  erhalten  blieb,  welche,  wie  es 
scheint,  unter  dem  Niveau  der  Arena  lag.  Die  Röhren  sind  auf 
die  Erde  aufgelegt,  ohne  besondere  Bettung,  und  haben  25  Cm. 
lichte  Weite.  Eine  andere  früher  erwähnte  Leitung  Hess  sich  von 
der  Mitte  der  Arena  zur  Umfassungsmauer  verfolgen.  Es  ist  ein 
aus  Steinplatten  gebildeter  Kanal,  der  mit  seiner  Sohle  circa  1  Va  M. 
unter  dem  Niveau  der  Arena  liegt,  ein  lichtes  Profil  von  72:80  Cm. 
hat  und  nach  der  Donau  zu  abfällt.  Er  mündet  unter  dem  früher 
erwähnten  grösseren  Räume  durch  die  Umfassungsmauer  der  Arena, 
die  hier  mit  einem  starken  Keilsteinbogen  über  dem  Kanäle  ver- 
sehen ist.  In  der  Mitte  der  Arena  scheint  ein  grösserer  Behälter 
gewesen  zu  sein,  der  durch  eine  Klappe  abzuschliessen  war,  welche 
in  die  senkrechten  Nuthen  zu  beiden  Seiten  des  anschliessenden 
Kanales  eingeschoben  wurde.  Die  weitere  Bloslegung  der  Arena 
muss  erst  ergeben,  was  diese  Vorrichtung  für  eine  Bestimmung  in 
Bezug  auf  diese  Behälter  hat,  namentlich  aber  auch,  ob  es  sich 
um  eine  blosse  Entwässerungsanlage,  oder  etwa  eine  solche  in 
Verbindung  mit  einem  der  Länge  der  Arena  nach  laufenden 
breiten  Wassergraben,  der  verschiedenen  Zwecken  dienen  konnte, 
handelte.  Der  Abzugskanal  ist  theils  mit  Steinplatten,  theils  mit 
gespaltenen  Säulentrommeln,  deren  Rundung  natürlich  nach  oben 
gekehrt  war,  abgedeckt,  und  macht  seine  ganze  flüchtige  Aus- 
führung den  Eindruck  mit  der  Brüstungswand  der  Arena  und  den 
Aussenpfeilern    des   Osteinganges  nicht  gleichzeitig  zu  sein.     Viel- 


159 

leicht  ist  die  Vermuthung  nicht  ganz  ausgeschlossen,  dass  man 
in  irgend  einer  späteren  Zeit  in  die  Arena  einen  oflfenen  Kanal 
oder  Teich,  sei  es  auch  nur  für  Kampfspiele  mit  Thieren  zu  Wasser 
und  zu  Land,  einbaute,  und  dass  nach  Ausführung  dieses  Baues 
die  Röhrenleitung  aus  Thonröhren,  die,  wie  es  scheint,  von  der 
Südseite  herging,  nicht  direct  in  die  Arena,  sondern  um  dieselbe 
gelegt  werden  musste.  Ob  diese  Thonröhrenleitung  aus  den  Kammern 
führte,  in  welche  die  Gefallenen  geschleppt  wurden,  oder  ob  sie 
schon  von  Aussen  her  für  den  Bedarf  an  Wasser  in  die  Arena 
führte,    werden   wohl   die  nächstjährigen  Grabungen  feststellen. 

Wenn  wir  nun  das  Amphitheater  in  seiner  Gesammtanlage, 
so  weit  es  heute  aufgedeckt  ist,  überblicken,  gewinnen  wir  den 
Eindruck,  dass  man  es  mit  einem,  seinen  Dimensionen  nach,  sehr 
stattlichen  Gebäude  zu  thun  habe,  einem  Gebäude,  das  in  seiner 
Art  nicht  zu  den  kleineren  von  den  Römern  für  gleiche  Zwecke 
errichteten  zählte.  Beim  Vergleiche  unseres  Objectes  mit  anderen 
Amphitheatern  fällt  die  Grösse  der  Arena  im  Gegensatze  zur  ge- 
ringen Breite  der  Cavea  auf,  ja  die  Cavea  ist  überhaupt  allen 
übrigen  Amphitheatern  gegenüber  auffallend  schmal.  Die  Dimen- 
sionen unserer  Arena  sind,  wie  oben  erwähnt,  72"20  zu  44"25  M, 
für  die  lange  und  kurze  Achse.  Damit  die  Kampfplätze  der  grössten 
erhaltenen  Amphitheater  verglichen ,  misst  jener  von  Corinth 
88-4: 57-9  M.*^),  der  im  Colosseum  in  Rom  85*75 :  53-62,  der  in 
Tarragona  84*45 :  55*22.  Die  Dimensionen  der  Langachsen  der 
kleinsten  Amphitheater  bewegen  sich  dagegen  zwischen  40  und 
50  M.,  zu  den  mittelgrossen  Arenen,  aber  immerhin  noch  kleineren 
als  unsere,  gehören  jene  von  Aquincum  (Ofen)  mit  53*36  zu  45*54 
und  Pompeji  mit  66*65  zu  35*05  M.  Die  Arena  von  Carnuntum 
(immer  nur  den  Kampfplatz  verstanden)  rangirt  ihrer  Dimensionen 
nach  zwischen  jene  von  Pola  70  zu  44*8  und  Verona  75*68  zu 
44-39  M. 

Anders  allerdings  fällt  der  Vergleich  aus,  wenn  man  nicht 
blos  die  Arenen,  sondern  die  ganzen  Amphitheater  ihren  Dimen- 
sionen nach  einander  gegenüber  stellt.  Bei  Carnuntum  beträgt  die 
grosse   Achse    des    ganzen   Gebäudes    97*66,    die   kleine   75*25  M., 


')  Ich  entnehme  die  angegebenen  ISIasse,  soweit  sie  sich  nicht  auf  Carnuntum 
beziehen,  dem  Werke  von  L.  Friedländer,  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte 
Roms.  Leipzig  1881.  II.  Th.  S.  365. 


160 

wogegen  dieselben  Achsen  gemessen  für  Pola  137'8  :  112*6,  für 
Verona  153-18:  122'89  M.  resultirt.  Die  geringere  Ausdehnung  des 
Gebäudes  im  Vergleiche  zu  anderen,  und  trotz  der  grossen  Arena, 
hängt  mit  der  ungewöhnlichen  Schmalheit  unserer  Cavea  zusammen. 
Die  letztere  misst  12*73,  beziehungsweise  15'5  M.,  während  jene 
von  Pola  34  M.,  die  von  Verona  39  M.  hat.  Vergleichsweise  sei 
noch  erwähnt,  dass  die  Cavea  des  Colosseums  in  Rom  51  M.,  die 
des  Amphitheaters  in  Aquincum  bei  bedeutend  kleinerer  Arena  als 
unsere  IG  M.  Breite  misst.  Die  Dimensionen,  respective  der  Um- 
fang der  Arena  im  Vereine  mit  der  Breite  der  Cavea  bestimmen 
das  Fassungsvermögen  des  Zuschauerraumes.  Diese  beiden  Factoren 
in  Rechnung  gebracht  und  ausserdem  Sitzstufen  von  0*65  M.  Tiefe 
(Sitz-  und  Fussplatz  der  nachfolgenden  Reihe  zusammengerechnet) 
und  0"45  M.  für  jede  Sitzbreite  angenommen,  ergibt  sich  nach 
Abschlag  der  anzunehmenden  Praecinctionen  und  in  die  Sitzstufen 
eingeschalteten  Stiegen  ein  Fassungsvermögen  der  Cavea  des 
Amphitheaters  in  Carnuntum  von  rund  8000  Personen. 

Aus  der  Breite  der  Cavea  können  wir  aber  auch  mit  einiger 
Sicherheit  einen  Schluss  auf  die  Höhe  derselben,  wenigstens  auf 
die  Erhebung  derselben  in  Beziehung  zum  Niveau  der  Arena  ziehen. 
Nehmen  wir  nämlich  auch  hier,  wie  bei  den  meisten  Amphitheatern, 
ein  Ansteigen  der  Sitzreihen  unter  einem  Neigungswinkel  von  30" 
zur  Horizontalen  an,  so  liegt  die  letzte  Sitzreihe  circa  13  Meter 
über  der  Arena.  Die  geringere  Breite  der  Cavea  muss  auch,  im 
Gegensatze  zu  verwandten  Baulichkeiten,  eine  geringere  Höhe  der- 
selben zur  Folge  gehabt  haben.  Wenn  wir  bei  diesem  Anlasse  die 
Höhen-  oder  Niveauunterschiede  von  Lager  und  Amphitheater 
einander  gegenüberstellen,  kommen  wir  zu  dem  interessanten  Re- 
sultate, dass,  nachdem  das  Lager  um  14  Meter  höher  liegt  als  die 
Arena,  der  Ausblick  über  das  Amphitheater  von  daher,  namentlich 
aber  von  den  Mauern  und  Thürmen  des  Lagers  aus  nicht  ge- 
hindert war. 

Die  Aufdeckung  des  Amphitheaters  in  Carnuntum  darf  gewiss 
als  eine  erfreuliche  Leistung  der  Bemühungen  und  Bestrebungen 
des  Vereines  angesehen  werden  und  macht  den  berechtigten  Wunsch 
rege,  dass  das  einmal  Begonnene  auch  zu  Ende  geführt  werde. 
Noch  ist  eine  ebenso  grosse  Arbeit  als  bisher  durchzuführen,  da 
die  ganze  Arena  und  die  Umgebung  der  Cavea  von  der  Auf- 
schüttung zu  entblössen  ist;   ja  es  muss   sich  an  den   Wunsch  der 


161 

vollen  Bloslegung  des  Gebäudes  aber  auch  noch  der  weitere  an- 
schliessen,  die  Möglichkeit  der  Erhaltung  derselben  wenigstens  für 
eine  Reihe  von  Jahren  zu  sichern.  Berechtigt  erscheint  dieser 
Wunsch  namentlich  durch  die  Erwägung,  dass  wir  es  hier  mit 
dem  einzigen  bis  nun  bekannten  römischen  Amphitheater  diesseits 
der  Alpen  in  Cisleithanien  zu  thun  haben,  und  dass  dasselbe  unter 
allen  bisher  in  Carnuntum  aufgedeckten  Gebäuden  allein  erhaltungs- 
fähig und  im  Interesse  der  berühmten  Oertlichkeit  auch  erhaltungs- 
würdig wäre. 

Wenn  wir  zum  Schlüsse  noch  einen  Rückblick  auf  die  Ge- 
sammtresultate  der  letzten  Ausgrabungen  werfen,  kann  uns  nicht 
entgehen,  dass  durch  diese  Arbeiten  unsere  Vorstellung  von  dem 
römischen  Carnuntum  über  das  Lager  hinaus  eine  wesentliche  Er- 
weiterung erfahren  hat.  An  der  Ost-  und  Südostseite  des  Lagers 
gegen  Deutsch-Altenburg  und  den  heutigen  PalfFygarten  (Mühl- 
garten) zu,  sind  schon  früher  eine  Anzahl  Militärbäder  gefunden 
worden,  1848,  72  und  75  wurden  solche  aufgedeckt^).  Den  süd- 
lichsten Abschluss  dieser  Anlagenreihe  bildet  unsere  Taf.  V  ge- 
gebene Aufdeckung  mit  den  auffallenden,  an  die  Reste  einer  Be- 
festigung gemahnenden  Mauerzttgen.  Zu  diesen  vielen  Bauten  an 
der  Ostseite  und  ausserhalb  des  Lagers  kommt  nun  noch  das 
Amphitheater,  das  auffallend  nahe  dem  Lager  errichtet  ist  und 
der  Vertheidigung  desselben,  sofern  es  noch  als  geschlossenes 
Lager  galt,  gewiss  nicht  günstig  war.  Unsere  diesjährige  Auf- 
grabung an  der  Ostgrenze  des  Lagers  lässt  uns  aber  erkennen, 
dass  hier,  wo  man  eine  feste  Umfassungsmauer  suchen  musste, 
grosse  Baulichkeiten  standen,  die  nicht  geeignet  scheinen,  als 
Theile  der  Befestigung  zu  dienen.  Alles  das  zusammen  genommen 
berechtigt  zu  der  Vermuthung,  dass  das  Lager  als  solches  in  späterer 
Zeit  bedeutende  Erweiterung  erfahren  habe,  und  dass  man,  um  die 
ausserhalb  des  ursprünglichen  Lagers  liegenden  Militärbauten  zu 
schützen,  eine  zweite  befestigte  Mauer  zog,  und  zu  dieser  mag 
jener  Mauertheil  gehören,  den  wir  auf  Taf.  V  dargestellt  haben. 
Mit  der  Erweiterung  der  ganzen  Militäranlage  (wie  wir  dies  nament- 
lich gegen  Osten  erkennen)  hatte  die  Ostmauer  des  ursprünglichen 


*)  Fnili.  V.  Sacken,  Sitzungsb.  d.  k.  Akad.  d.  Wissenschaften  IX;  derselbe, 
Mitt.heil.  d.  k.  k.  C.  Comra.  f.  Baudenkmale  XVIII.  Jahrg. ;  Alois  Hauser,  Mittheil, 
d.  k.  k.  C.  Comm.  f.  Kunst-  u.  bist.  Denkmale   II.  Jahrg.  187G. 


162 

Lagers  ihre  Bedeutung  verloren,  das  Amphitheater  aber  lag  inner- 
halb des  ummauerten  Postens. 

Wenn  unsere  Vermuthung  richtig  ist,  wofür  ja  weitere  Auf- 
deckungen eine  Entscheidung  bringen  müssen,  so  erweitert  sich 
das  Programm  unserer  Arbeiten  beträchtlich,  und  es  ist  nicht  aus- 
geschlossen, dass  der  Ueberraschung,  die  uns  das  Amphitheater 
gebracht,  noch  weitere  folgen  könnten. 

Zum  Schlüsse  noch  die  Mittheilung,  dass,  wie  es  gelungen 
ist,  die  römische  Strasse,  die  vom  Lager  gegen  Altenburg  führt, 
in  der  jungen  Saat  zu  verfolgen,  aufzunehmen  und  in  unseren  Ge- 
sammtplan  der  Oertlichkeit  einzutragen,  ebenso  auch  die  römische 
Strasse,  welche  aus  dem  Südthore  des  Lagers  führte,  gegen  Prellen- 
kirchen  zu,  in  einer  Länge  von  3800  Meter  über  die  Felder  und 
Hutweiden  verfolgt,  gemessen  und  verzeichnet  wurde. 

ALOIS  HAUSER 


Einzelfunde  aus  dem  Amphitheater  zu  Carnuntum. 

I.  Fund  von  36  Silber-Denaren  aus  der  römischen  Kaiserzeit. 
Dieser  in  dem  Eingangsraume  auf  der  Ostseite  in  der  Nähe 
des  Altars  der  Juno  Nemesis  (s.  unten  Seite  167  Nr.  3)  ge- 
machte Fund  enthält:  1  Stück  von  Domitian,  3  von  Trajan, 
je  4  von  Antoninus  Pius  und  Faustina  sen.,  2  von  Marc  Aurel, 
3  von  Faustina  jun.,  1  von  Lucius  Verus  und  18  völlig  unkennt- 
liche Denare.  Er  bildete  offenbar  den  Inhalt  eines  Geldbeutels, 
welcher  unter  Lucius  Verus  in  Verlust  gerathen  ist.  Die  Denare 
dieses  Kaisers  und  Marc  Aureis  haben  Stämpelglanz.  Die  lesbaren 
Stücke  sind; 

Domitian. 

1.  Av GERM  PM  TRPX...     Kopf  von  der  rechten  Seite. 

Rev.  IMP  XXII  cos  X..   CENS  p  p  p.  Stehende  Pallas. 

Trajan. 

2.  Av.     IMP  TRAIANO  AVG  GER Kopf  von   der   rechten 

Seite. 
Rev.  cos  V  pp  SPQR  OPTIMO  PiiiNC.    Mars  mit  Victoria  auf 
der  Rechten  und  Lanze  in  der  Linken. 

3.  Av.      IMl'    CAES    NEU  VA   TRAIANO   AVG    GERM   DAC.    Kopf   VOn 

der  rechten  Seite. 
Rev i'iNi  -  TR  p  COS  VI  PP  SPQR.  Stehende  Figur. 


163 

4.  Av.      IMP   TRAIANO   AVG PM   TRP    COS    VI. 

Rev.  si'QR  üPTiMO  PRiNCiPi.  Weibliche  Figur,  in  der  Linken 
ein  Füllhorn,  rechts  neben  ihr  ein  Modius. 

Antoninus  Pius. 

5.  Av.     Divvs  ANTONINVS.   Kopf  ohne  Lorbeerkranz  von  der 

rechten  Seite. 
Rev.   CONSECRATio.  Katafalk.   Coh.   164. 
G.    Av.     ANTONINVS  AVG  -  Pivs  p  p  TR  p    XI.    Kopf   von    der 

rechten  Seite. 
Rev.  COS  -  im.  Stehende  weibliche  Figur. 

7.  Av.     Wie  bei  Nr.  6,  nur  xvii. 

Rev.  COS  -  im.  Stehende  weibliche  Figur,  mit  Aehren  in 
der  Rechten,  einen  Anker  mit  der  Linken  haltend, 
unten  zu  ihrer  rechten  Seite  ein  Modius. 

8.  Av.      ANTONINVS   AVG    PI  -  VS 

Rev.  cos  -  IUI.  Stehende  weibliche  Figur. 

Faustina  sen.,   Gemalin  des  Kaisers  Antoninus  Pius. 
9.    10.    Av.     DIVA  -  FAV.STINA.  Kopf  der  Kaiserin  von  der  rechten 
Seite. 
Rev.  AETER-NITAS.  Verschleierte   weibliche  Figur. 
IL    12.    Av.     DIVA  -  FAVSTINA.  Kopf  der  Kaiserin  von  der  rechten 
Seite. 
Rev.  CONSECRATIO.  Pfau.    Coh.  175. 

Marc  Aurel. 

13.  Av.     IMP  M  ANTONINVS  AVG.     Kopf  ohne  Kranz   von    der 

rechten  Seite. 
Rev.  CONCORD  AVG  TR  p  XVII.  Sitzende  Frauengestalt  von 
der  linken  Seite,  in  der  Rechten  eine  Schale  haltend. 
Im  Abschnitte  darunter  cos  iii. 

14.  Av.     M  ANTONINVS  AVG  IMP  II.  Kopf  von  der  rechten  Seite 

mit  Lorbeerkranz. 
Rev.   PROV   DEOR   TR  p  XVII   COS  III.     Stehende    weibliche 
Figur,  in  der  ausgestreckten  Rechten  eine  Kugel,  in 
der  Linken  ein  Füllhorn  haltend. 

Faustina,  Gemalin  des  Kaisers  Marc  Aurel. 

15.  Av.     ...FAVS-TINA  AVG.  Kopf  der  Kaiserin  von  der  rechten 

Seite. 
Rev.  AVGv-STA.  Stehende  weibliche  Figur. 


164 

10.    17.    Av.     FAVSTINA-AVGVSTA.  Kopf  von  der  rechten  Seite. 

Rev.  FECVN-DiTAS.  Stehende  weibliche  Figur,  in  der  Rechten 
eine  Lanze,  auf  der  Linken  ein  Kind.    2  Stücke. 

Lucius  Verus. 
18.    Av.     L  VERUS  AVG  ARM-PARTH  MAX.  Kopf  von  der  rechten 
Seite. 

Rev.   TRP -  IMF  cos  II.    Victoria   mit   Palmzweig   und 

Schild,   auf  welchem  vicpar. 

IL  Funde  von  einzelnen  Münzen. 

Es   wurden   im  Amphitheater  97  römische  Kaiserraünzen  ein- 
zeln mit  folgenden  Reversen  gefunden. 
Augustus.  1  St.  M.  Br.   . .  .potestate  xii,  im  Felde  s  c. 
Claudius.  1  St.  M.  Br rtas  AVGVSTA.  Darstellung  unkennt- 
lich. 
Vespasian.  1  St.  M.  Br.  Stehende  weibliche  Figur. 
Domitian.  1  St.  M.  Br.  salvti  -  avgvsti.  Altar  sc.  Coh.  415. 
Nerva.  1  St.  M.  Br.  libertas  pvblica.  Stehende  weibliche  Figur 

zwischen  s  c  Coh.  108. 
Trajan.    1  St.    Gr.  Br.    tr  pot  -  cos  im  p  p,    im  Abschnitte  sc. 

Sitzende   weibliche  Figur  nach  rechts,    in  der  ausgestreckten 

Rechten  ein  Zweig.  Coh.  636. 
An  tonin  US  Pius.  1  St.  M.  Br.  Rev.  unkenntlich. 
Faustina  sen.  1  St.  M.  Br.   aeternitas  sc.    Stehende  weibliche 

Figur. 
Marc  Aurel.  2  St.  Gr.  Br sc.  Stehende  Victoria  einen  Schild 

mit  vic  0  K  R  auf  einem  Baumstamme  haltend. 

—  M.  Br.    SECVKITAS  PVBLICA  IMP  VI  COS  iii  s  c.    Stehende  weib- 

liche Figur. 
Faustina  jun.    2  St.    Gr.  Br.    venvs  sc.  Die  Göttin  stehend,  in 
der   ausgestreckten  Rechten    eine  Kugel,    in    der  Linken   eine 
Lanze. 

—  M.  Br.    FECVND  -  AVCiVSTAE  s  c.    Stehende  weibliche  Figur,  auf 

jedem  Arme  ein  Kind  haltend,  zu  ihren  Füssen  zwei  Kinder. 

Com  modus.  1  St.  Im  Reverse  ein  geflügelter  Genius,  sonst  un- 
kenntlich. 

lulia  Mamaea.  1  St.  Denar,  saecvli  felicitas.  Weibliche  Figur 
mit  Schale  und  Caduceus  vor  einem  Altare  stehend,  im  Felde 
ein  Stern. 


165 

Severus  Alexander.    1  St.  Denar.    FIDES    militvm.    Weibliche 

Figur  mit  zwei  Feldzeichen.  Coh.  52. 
Gallienus.    2  St.    Billon.    lovi   CONSERVATORI,    im  Felde  ii,    der 

stehende    Jupiter    mit    Blitz    und    Scepter    u.   libero  p  cons 

AVG  mit  Panther  von  der  linken  Seite,  unten  B.    Coh.  586. 
Claudius   Gothicus.    3  St,    Kl.  Er.    aeqvitas  avg  und  conse- 

CRATIO  mit  Adler. 
Aurelian.    1  St.    Kl.  Br.    romae  aeternae.   Der  Kaiser  vor  der 

sitzenden  Roma    stehend,    die  ihm  eine   Victoria    überreicht. 

Unten  Q.  Coh.  220. 

Probus.  2  St.  Billon.  concordia  avg — - — und  virtvs  probi  avg. 

XXI 

T 

Der  Kaiser  zu  Pferd  nach  rechts,   unten .  Coh.  878. 

XX  M  c 

Diocletian.    2  St.    M.  Br.    genio  pop-vli  romani.   Genius  mit 

Schale  und  Füllhorn.  S  -  b. 

—  Kl.  Br.  lovi  CONSERVAT,  unten  txxit.  Coh.  193. 
Maximianus  Herc.    2  St.    M.  Br.    genio  av-gvsti.  Genius  mit 

Schale  und  Füllhorn  zwischen  »^b,  unten  Sis.  Coh.   133. 

—  conserv-vrbsvae,  Tempel,  unten  p  -  t.  Coh.  64. 

Licinius  sen.    2  St.  M.  Br.   genio  a-vgvsti.  Genius  mit  Schale 

r 

und  Füllhorn. . 

B 

—  Kl.  Br.  lovi  CONSERVATORI  AVGG.  Jupiter  stehend  mit  Victoria, 

im  Felde  s,  unten  s  N  k. 

Constantin    der    Grosse.    5  St.    Kl.  Br.    providentiae  avgg. 
Thor,  unten  SMTsr.  Coh.  454. 

—  SOLI  INVICTO  COMITI,  VOT.  .MVLT. . .   im  Kranze. 

—  2  St.  mit  CONSTANTINOPOLIS  im  Avers,    im  Revers   unten  b  sis 

und  CONSZ. 

—  1  St.  mit  VRBS  ROMA  im  Avers,    der  Wölfin  mit  Romulus  und 

Remus  im  Revers. 

r 
Crispus.  1  St.  Kl.  Br.  lovi  conservatori  caess .    Coh.  79. 

^  SMK 

Constantinus  jun.   1  St.  Kl.  Br.   gloria  exercitvs.  Zwei  Sol- 
daten. Coh.  113. 

Constans.   3  St.  Kl.  Br.    gloria  exercitvs,  unten ,    se- 

'  r  ' 

CVRITAS  reip,  VICTORIA  DD  AVGG  NN,  mit  den  bekannten  Dar- 
stellungen. Coh.  46;  102;  176. 

Arcbäologiach-epigraphiache  Mitth.  XH.  12 


16G 

Constantius  II.  12  St.  M.  Br.  feltemp  reparatio ,  Kaiser 

SMKA    ' 
einen  gestürzten  Reiter  erstechend. 

—  CONCORDiA  MiLiTVM,    unten   F  SIS  c.    Der  Kaiser  mit  zwei  Feld- 

zeichen, im  Felde  iii. 

—  Kl.  Br.    4  St.    FEL   TEMP  REPARATIO    (ein    Stück    davon    mit 

).    Darstellung  wie  beim  ersten  Stück. 

AQS/ 

—  1  St.  mit  derselben  Inschrift,  aber  Kaiser  mit  Victoria  im  Schiff. 

—  2  St.  mit  VICTORIA  DD  AVGG  Q  NN.  Zwei  Victorien. 

—  1  St.  mit  GLORIA  EXERCiTvs.   Zwei  Soldaten. 

—  1  St.  mit  SPE  REiPVBLiCAE.  Kaiser  stehend, 

—  FELTEMP   REPARATIO.    Phönix,    Unten    CONS   I. 

Julian  IL    M.  Br.    secvritas  rei  pvb,  Stier  nach  links,  darunter 
ASIS,  darüber  zwei  Sterne. 

—  Kl.   Br.    VOT  X  MVLT  XX. 

Valens.    11  St.   Kl.  Br.  secvritas  rei  pvblicae  mit  asisc,  asisc, 

P  D 

SMAQS,  und  GLORIA  ROMANORVM  mit  BSISC  und 


ASISC  rsisc 

Valentinian.    5    St.    Kl.  Br.    secvritas  rei   pvblicae,    darunter 

PM 


mit  asisc  und 


rsisc 

—   2   St.    Kl.   Br.    GLORIA   ROMANORVM   BSISC   und   D^SISC. 
Die  übrigen  antiken  Münzen  sind  unleserlich, 
37  Silberdenare  des  ungarischen  Königs  Andreas  I. 

EDMUND  SCHMIDEL 


III.  Inschriften. 


1.  Zur  Bauinschrift  des  Amphitheaters  könnte  ein  90  Cm. 
breiter,  60  Cm.  dicker  und  36  Cm.  hoher  Steinblock  gehören,  der 
in  dem  Eingangsraume  auf  der  Ostseite,  rechts  vom  Eingange, 
also  dem  Altar  (n.  3)  gegenüber  gefunden  ist  und  auf  dem  die 
beiden  26  Cm.  hohen  Buchstaben  stehen: 

VM 

Das  um  könnte  das  Ende  eines  den  ganzen  Bau  {amphithea- 
trum)    oder  einen  Theil  desselben  bezeichnenden  Substantiv  s    oder 


167 

eines  Gerundivum  wie  faciendum  sein.     Doch  sind  natürlich  viele 
andere  Möglichkeiten  nicht  ausgeschlossen. 

2.  Einige  Schritte  westlich  von  der  Mitte  der  Nordseite  des 
Amphitheaters  wurde  ein  0*88  M.  breiter,  0*34  hoher  und  min- 
destens 0*80  dicker  Steinblock  gefunden,  auf  dessen  Vorderseite 
mit  ziemlich  flüchtig  und  etwas  schräg  eingehauenen,  etwa  12  Cm. 
hohen  Buchstaben  steht: 

im  V  I  R 

also  (quattuor)vir. 

Augenscheinlich  ist  die  Inschrift,  namentlich  die  drei  Buch- 
staben des  Wortes  vir  absichtlich  auseinander  gezogen  worden, 
damit  die  ganze  Vorderfläche  des  Steines  durch  dieselbe  aus- 
gefüllt würde.  Dies  und  die  Beschafi'enheit  von  Stein  und  Inschrift 
überhaupt  beweisen  meines  Erachtens  mit  Sicherheit,  dass  wir  in 
dem  IUI  vir  nicht  etwa  einen  Theil  einer  Bauinschrift  haben, 
sondern  dass  mit  der  Aufschrift  der  Sitz  eines  Quattuorvirn 
oder  vielmehr  die  Sitze  der  Quattuorvirn  bezeichnet  waren.  Denn 
nach  aller  Analogie  wird  anzunehmen  sein,  dass  für  die  vier 
Quattuorvirn  des  Municipiums  Carnuntum  im  Amphitheater  gemeinsame 
Sitze  bestimmt  waren.  Zweifelhaft  muss  bleiben,  ob  dabei  eine  Schei- 
dung der  mit  der  Rechtsprechung  und  der  mit  der  Aedilität  betrauten 
stattfand  oder  nicht.  In  letzterem  Falle  könnte  auf  den  drei  Blöcken, 
deren  Raum  etwa  vier  bequemen  Sitzen  entsprochen  haben  wird, 
die  Aufschrift  gewesen  sein /Z//viV|z  mun.\Carn.\,  in  ersterem  würde 
das  erhaltene  Stück  zu  der  Aufschrift  unter  den  beiden  ersten 
Sitzen  gehört  haben  und  etwa  zu  Uli  mr\i  i.  d.  =  IUI  viri 
i{ure)  d{icundo)  zu  ergänzen  sein.  Vielleicht  kommen  bei  der  Fort- 
setzung der  Ausgrabungen  die  Blöcke,  die  die  Fortsetzung  des 
unsrigen  bildeten,  ganz  oder  theilweise  noch  zum  Vorschein. 

3.  Ebenfalls  wie  Block  1  im  östlichen  Eingangsraume,  aber 
links  vom  Eingange,  an  der  auf  Tafel  VIII  durch  einen  viereckigen 
Vorsprung  bezeichneten  Stelle,  befindet  sich  noch  jetzt  im  Wesent- 
lichen an  seinem  ursprünglichen  Platze,  unterhalb  einer  zum  Theile 
zugemauerten  Nische  (vgl.  oben  S.  155  mit  Anm.  1),  nur  ein  wenig 
nach  rechts  gerückt,  ein  mindestens  1'20  M.  hoher,  in  der  Mitte 
0*50  breiter  und  0*34  dicker  einfacher  Cippus  aus  Kalkstein  mit 
folgender  Inschrift,  in  der  die  Buchstaben  in  Z.  1  8  Cm.,  Z.  2 
6'5  Cm.,  Z.  3—6  5  Cm.  hoch  sind. 

12* 


168 

I  VN  O  Nl 

NEME  SI 

EPPIVS-MARt  N^S 
"E-MEM-ESPER-IVJ 
5  LEG-XÜli-GT-I  VL 
RODO • T 

In  Beziehung  auf  die  Lesung  ist  nur  am  Schlüsse  von  Z.  4 
ein  Zweifel  statthaft.  Ich  schrieb  unter  ungünstigen  Umständen 
ab,  und  die  Stelle  ist  etwas  beschädigt,  namentlich  am  oberen  Ende 
des  I.  So  kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  ob  vor  dem  V3  ein 
I  oder  T  zu  erkennen  ist,  während  das  V3  selbst  mir  sicher  scheint. 
Gemeint  ist  vielleicht  tvb  und  somit  das  Wort  tuh{icen)  zu  ver- 
stehen. —  Das  et,  womit  Z.  6  vor  der  Mitte  schliesst,  und  die  An- 
ordnung zeigen,  dass  noch  ein  oder  mehrere  Namen  hinzugefügt 
werden  sollten,  und  es  waren  dafür  noch  2^/^  oder  höchstens 
3%  Zeilen  verfügbar.  Warum  die  Zufügung  unterblieben  ist,  ist 
nicht  zu  errathen. 

lunoni  Nemesi  Eppius  Martinus  et  Mem{mius)  Esper  [t\ub{icen)'^ 
leg{ionis)  XIII I  g{eminae)  et  Iul{ia)  Rodo  et   .  . . 

In  der  Nähe  dieses  Cippus  oder  Altares,  zwischen  ihm  und 
dem  Pfeiler  am  äusseren  Eingange  befand  sich  ein  grösserer  Haufe 
von  kleinen  Knochenüberresten.  Einen  Theil  derselben,  den  wir 
bei  einem  Ausfluge  mitnahmen,  hatte  mein  College,  Prof.  Neu- 
mayer, und  sein  Assistent  Dr.  Weithofer  die  Freundlichkeit  zu  be- 
stimmen. Darnach  gehörte  ein  Knöchelchen  einem  nicht  näher 
bestimmbaren  Hühnervogel  (etwa  Repphuhn),  zwei  andere  theils 
sicher  theils  wahrscheinlich  zwei  verschiedenen  Hundearten  an; 
die  übrigen,  so  weit  sie  kenntlich  waren,  rührten  her  von  den 
Gattungen  Pferd,  Rind,  Schwein,  Schaf.  Ob  man  dabei  an  das 
Opfer  der  suovetaurilia,  das  aus  Schwein,  Schaf  und  Stier  bestand, 
zu  denken  hat,  lasse  ich  dahingestellt. 

4.  Kleine  Ära  aus  Sandstein,  0"3  M.  hoch,  0*18  breit  und 
0*15  dick,  nur  an  den  Seiten  etwas  beschädigt;  gefunden  im  Am- 
phitheater lose  liegend.  Oben  ist  die  Oberfläche  zu  einer  Patera 
mit  Nabel  ausgearbeitet,  auf  der  Seite  rechts  ist  eine  Patera  mit 
langem  Stiel,  der  nach  unten  links  gerichtet  ist,  auf  der  linken 
Seite  eine  Patera  mit  zwei  Henkeln  dargestellt.  Vorn  die  In- 
schrift : 


169 

|ov,l 

r  E  R  A  p\ 
/VLI  VS 

[ijovi  [AS']era/9[i  r\ulms. 

5.  Zwei  Bruchstücke  einer  Marmortafel;  gefunden  lose  im 
Amphitheater  links  von  dem  Haupteingange,  aber  schon  innerhalb 
der  Arena;  die  sorgfältig  eingehauenen  Buchstaben  deuten  auf 
verhältnissmässig  frühe  Zeit.  Hoch  sind  die  von  a  etwa  3 '6,  von 
l)  etwa  3' 3  Cm. 

a     V  ß)  i      '         l 

Dass  die  Stelle  des  Bruchstückes  b  weiter  unten  war  als  von 
a,  deutet  die  geringere  Grösse  der  Buchstaben  an.  Eine  Ergänzung 
ist  bei  der  Geringfügigkeit  der  Reste  kaum  möglich.  Am  nächsten 
liegt  bei  einer  sorgfältig  ausgeführten  Inschrift  auf  einer  Platte  aus 
gutem  Marmor  innerhalb  des  Amphitheaters  der  Gedanke  an  die 
Widmung  an  einen  Kaiser,  und  es  wäre  möglich,  dass  in  b  das 
vot  zu  devotus  oder  devotissimus,  das  ni  zu  numini  gehörte.  In  a 
kann  das  cia  unter  andern  zu  einem  Cognomen,  wie  Marcianus, 
gehört  haben. 

6.  Auf  den  im  Amphitheater  gefundenen  Thonröhren  ist,  wie 
Herr  Baurath  Hauser  mir  mittheilt,  oft  ein  Stempel  zu  sehen.  Der- 
selbe ist  meist  undeutlich;  an  einer  Stelle,  wo  er  deutlich  ist,  hat 
Hauser  gelesen:  

I  CAESl  I 

7.  Eine  Inschrift,  und  zwar  nicht  eine  eingeritzte,  sondern  in 
der  Form  befindliche,  trägt  auch  eine  im  Amphitheater  gefundene 
ziemlich   rohe   Thonlampe. 


170 

Die  Lesung  der  in  %  der  natürlichen  Grösse  wiedergegebenen 
Inschrift  ist  fast  völlig  sicher,  nämlich  eccipe  i)atr[o]ne  mibe.  Zweifel- 
haft könnte  etwa  sein,  ob  der  Arbeiter  zwischen  r  und  n  das  o 
wirklich  ganz  ausgelassen  hat,  oder  ob  es  kleiner  gebildet  war 
und  verschwunden  ist.  Am  Schlüsse  ist,  da  mit  dem  nv  der  An- 
fang der  Inschrift  erreicht  war,  von  dem  b  der  zweite  Strich  tief 
hinabgezogen,  und  das  vorausgesetzte  e  ist  unsicher.  Die  Bedeutung 
der  Worte  kann  streitig  sein.  Dass  eccipe  für  excipe  steht,  ist  sicher. 
College  Hartel  hatte  an  die  Möglichkeit  gedacht,  dass  nuhe  für 
nove  stände,  und  man  sich  zu  denken  hätte,  der  Besitzer  der  Figli- 
nae  habe  gewechselt,  und  der  Arbeiter  habe  in  der  ersten  Form, 
die  er  unter  dem  neuen  Herrn  anfertigte,  hingeschrieben:  nimm 
auf,  neuer  Gebieter'.  Mir  möchte  es  glaublicher  erscheinen,  dass 
das  mibe  der  Imperativ  von  mibere  sei  und  der  Spruch  excipe  pa- 
trone,  mihe  die  Aufforderung  enthalte,  die  Lampe  zur  Beleuchtung 
zu  verwenden  in  der  Brautnacht.  Dass  mibere  eigentlich  nur  von 
der  Frau  gebraucht  wird,  entscheidet  wohl  nicht  dagegen,  schon 
Tertullian  braucht  es  auch  von  Männern. 


Zu  den  Funden  im  Amphitheater  füge  ich  zwei  Inschriften 
hinzu,  die  an  der  anderen  Ausgrabungsstelle  gefunden  sind  (n.  8 
und  9),  und  zum  Schluss  diejenigen,  die  im  vorigen  Jahre  auf  dem 
Boden  von  Carnuntum  ausserhalb  des  Platzes  der  Ausgrabungen 
zum  Vorschein  gekommen  sind  (n.  10 — 14). 

8.  Marmorstück,  das  unten  und  links  gebrochen,  oben  und 
rechts  vollständig  ist,  nur  dass  auf  der  Rückseite  rechts  ein  Stück 
weggebrochen  ist.  Die  Masse  sind:  Länge  etwa  0*415,  Höhe  0*165, 
Dicke  links  0*115,  in  der  Mitte,  da  die  Dicke  nach  rechts  zu- 
nimmt, 0*14  M.  Die  Rückseite  ist  ziemlich  sorgfältig  geglättet, 
die  obere  Fläche  nur  roh.  Ein  einfach  profilirter  Rand  läuft 
herum.  Das  Stück  befand  sich,  als  Material  verwendet,  in  einer 
Mauer  zwischen  dem  sogenannten  Forum  und  dem  neu  aufgedeckten 
grossen  dreischiffigen  Bau.  Die  folgende  Abbildung  ist  im  Mass- 
stabe von   V4  angefertigt. 

Zu  Anfang  von  Z.  1  ist  deutlich  v  (von  r)i-,  von  Z.  3  -  (von  s)ac 
zu  erkennen.  —  In  Z.  2  ist  augenscheinlich  die  ursprüngliche 
Schrift  getilgt  und  später  das  eingegraben  worden,  was  jetzt  da- 
steht: cojjvv  MODiA'GVSTi.  Die  Erklärung  dafür  liegt  auf  der  Hand. 
Nach  der  Tödtung  des  Commodus   sprach   der  Senat  über  ihn  die 


171 

damnatio  memoriae  aus,  und  es  musste  daher  auf  den  Denkmälern 
sein  Name  getilgt  werden.  Kaiser  Septimius  Severus  aber  Hess 
die  damnatio  aufheben,  und  wenn  auch  mehrfach  die  in  Folge 
dessen  erforderliche  Wiederherstellung  des  getilgten  Namens  unter- 
blieben ist,  so  ist  sie,  wie  wir  sehen,  in  Carnuntum  nicht  unter- 
blieben, wo  Septimius  Severus  selbst  commandirt  hatte  und  zum 
Kaiser  ausgerufen  worden  war.  Die  neue  Schrift  muss  wohl  nicht 
genau  der  alten  entsprochen  haben,  und  ich  möchte  es  für  wahr- 
scheinlich halten,  dass  ursprünglich  weder  die  Buchstaben  a  und  v 
ligirt  waren,  noch  das  Wort  commodi  durch  den  Kopf  unterbrochen 
war.  Es  kann  z.  B.  nach  dem  Kopfe  commodi  avg  gestanden  haben. 
Für  die  Ergänzung  der  fehlenden  Theile  ist  nach  der  Anordnung 
des  Erhaltenen  sicher,  dass  der  grössere  Theil  der  Inschrift  ver- 
loren ist.     Es  wird  demnach  in  Z.  1  vor  Vene\ri  Victrin  noch  der 


Name  einer  anderen  Gottheit  gestanden  haben  und  ebenso  in  dem 
verlorenen  Stücke  mindestens  noch  eine  Gestalt  dargestellt  gewesen 
sein.  Sieht  man  zunächst  von  der  Beschaffenheit  des  erhaltenen 
Kopfes  ab ,  so  liegt  es  nahe,  die  Inschrift  nach  Anleitung  einer 
im  Jahre  1885  in  unmittelbarer  Nähe  gefundenen  Inschrift  (Vereins- 
bericht für  1885  S.  32  =  Mittheilungen  X  S.  25  n.  6)  lI{ovi)]  o(p- 
timd)  m{axinio)  H{eHopolitano) ,  Veneri  Victrici  M.  Titius  Heliodorus 
aug(ustaUs)  coKoniae)  Kar{nunti)  v{otum)^  s{plvit)  sacerdotih{us)  Vihio 
Crescente  et  Heren{nio)  Nigriniano,  die  zu  demselben  Heiligthume 
gehört  haben  könnte,   etwa  so  zu  ergänzen: 

lovi  optwio  =^      maximo    Heliopolitano  et     Vene\ri     ^  victrici  sacr. 

pro  salute     t^    iiwp.  Caesaris  M.  Äureli  Antonini  Co\m  w   modi  Augusti 

10 et 10 ]  sac. 


172 

Es  können  darauf  die  Namen  der  Dedicirenden  gefolgt  sein, 
in  mehreren  Columnen  geordnet.  Schwierigkeit  macht  aber  der 
Kopf.  Nach  der  Stellung  desselben  zwischen  und  unterhalb  der 
Namen  der  Venus  Victrix  möchte  man  an  eine  Darstellung  dieser 
Gottheit  denken,  und  dass  sie  eine  Mauerkrone  trägt,  liesse  sich 
etwa  durch  die  Annahme  erklären,  dass  sie  für  das  Lager  die 
Stadtgottheit  verträte.  Aber  der  Augenschein  schliesst  mit  völliger 
Sicherheit  eine  Frauengestalt  aus  und  verlangt  eine  knaben- 
hafte. Den  Juppiter  Heliopolitanus  zu  erkennen,  der  jugendlich 
gebildet  wird,  gestattet  wohl  die  Mauerkrone  nicht,  abgesehen  von 
dem  "Wechsel  der  Stellungen,  den  man  für  die  Gestalten  des  Juppiter 
und  der  Venus  annehmen  müsste.  Dieselben  oder  noch  grössere 
Schwierigkeiten  würden  sich  ergeben,  wollte  man  zu  Anfang  von 
Z.  1  statt  des  Juppiter  Heliopolitanus  den  Namen  einer  anderen 
Gottheit  ergänzen  und  deren  Bild  in  dem  Kopfe  erkennen.  Am  meisten 
scheint  der  Kopf  für  einen  Genius  zu  passen,  etwa  des  Lagers 
oder  der  Stadt  Carnuntura,  aber  dass  in  der  Inschrift  eine  solche  Gott- 
heit den  Platz  vor  der  Venus  Victrix  hätte,  halte  ich  allerdings 
für  ausgeschlossen.  Es  scheint  somit  die  Annahme  unabweisbar, 
dass  die  Darstellung  überhaupt  in  keiner  näheren  Beziehung  zu 
den  Gottheiten  steht,  denen  die  Widmung  gilt,  sondern  nur  zu 
den  Weihenden.  Es  könnte  etwa  die  Personification  dessen  sein, 
was  den  Weihenden  gemeinsam  war. 

9.  Ebenfalls  in  einer  antiken  Mauer  als  Material  verwendet, 
etwa  zehn  Klafter  von  n.  8  entfernt,  fand  sich  ein  etwa  0"56  breiter, 
0-52  hoher,  0'18  M.  dicker  Block  aus  Sandstein,  mit  folgendem 
Rest  einer  Inschrift,  in  der  die  Buchstaben  von  Z.  1  15  5  Cm., 
von  Z.  2  19  Cm.  hoch  sind. 

-^  III' j  1 1\ 

m 

XX 

I 

In  Z.  1  kann  der  Buchstabe  nach  vs,  von  dem  nur  i  erhalten 
ist,  nach  den  Abständen  wohl  nur  ein  p  gewesen  sein;  zum  Schlüsse 
scheint  der  Anfang  eines  m  erhalten.  Es  kann  darnach  gestanden 
haben {]us  Pnm\us.  Die  Reste  von  Z.  2  könnten  zu  der  An- 
gabe der  leg{io)]  XX[II  gehört  haben.  Das  Ganze  scheint  nach  den 
Massen  eine  Bauinschrift  gewesen  zu  sein. 


173 

Von  Herrn  C  Hollitzer  wurden  bei  den  Arbeiten  im  oberen 
Steinbruche  an  der  Donau  zwei  Bruchstücke  von  Inschriften  ge- 
funden, die  jetzt  hinter  dem  Museurasgebäude  aufbewahrt  werden 
(10  und  11)." 

10.  Sandstein,  breit  0*5,  hoch  0*46  M. ;  der  Rand  hat  eine 
Blattverzierung ;  die  Buchstaben  in  Z.  1  sind  17  Cm.  hoch,  in 
Z.  2  mögen  sie  ursprünglich  12  Cm.  hoch  gewesen  sein. 


also  von  fil.  und  Aug.  und  zum  Namen  eines  Kaisers  gehörig. 

11.  Sandstein,  breit  etwa  0*4,  hoch  0' 5,  dick  0"38  M.  Rechts 
war  ein  Rand,  der  weggehauen  ist.  Die  Buchstaben  sind  14  Cm. 
hoch. 


srw 


augenscheinlich  \A\ntonini. 


12.  In  der  Mauer  eines  zum  Hause  n.  15  in  der  Nähe  der 
Schule  von  Deutsch-Altenburg  gehörigen  Stalles  war  befindlich  ein 
Cippus,  den  Herr  Hollitzer  vom  Eigenthümer  erwarb.  In  der  In- 
schrift waren  die  Linien  vorgerissen. 


Etwa  [cZ.]  m. . . .  [I]ul{iae)  ?  {A)el{{a)e  . . .  Villi  Titus  [Fl{avius)]  ? 
. .  tianus  \mil{es)  ?  le]g{ionis)  XIIII  g{eminae)  et  . .  .  .ia  .  .  .  .a  [paren- 
tes  fil{iae)  h{ene)]  m{erenti). 

13.  Cippus,  der  Länge  nach  in  zwei  fast  gleiche  Hälften  ge- 
brochen, 80  dass  einzelne  Buchstaben  oder  Buchstabentheile  ver- 
loren sind,  hoch  1*79,  breit  0-55 -f  0-6  M.  Buchstabenhöhe  Z.  1 
16-5  Cm.,  Z.  10  16  Cm.,  Z.  2  8 '5  Cm.    War  in  Petronell  in  dem 


174 


Hofe  eines  Bauernhauses,  links  von  der  Reichsstrasse  gegen  die 
Donau  zu,  und  wurde  vom  Grafen  Otto  Traun  erworben;  jetzt  be- 
tindet  er  sich  im  Schlosse  Petronell. 

D       ,        M 

C-  IVL|CEVOL-    so 
LVCO  ■  VpCoNtORvM 
VERAJVSVET 
5        LEGXII  T-G-D-CCS 
AN  •  LX'    H-  S  •  E  • 
•  T    -        •  I  > 
VAL- VIT  ALIS  • 
MVNIC  EPS-'E-HEr 

F     )|     C 

Für  die  Siglen  am  Schlüsse  von  Z.  5  habe  ich  keine  einiger- 
massen  wahrscheinliche  Lesung  gefunden. 

d.  m.  C.  Iul{ius)  C.  [f.]  Vol{tinia)  Luco  Vocontionim  Veranus 
vet{eranus)  leg{ionis)  XII[I]I  gieminae)  D.  C.  C.  S.  an{norum)  LX, 
h(ic)  s(itus)  e{st) ;  i{estamento)  fiieri)  i{tissit).  —  Val{&rius)  Vitaiis 
viuniceps  et  her{es)  /(aciendum)  c{uravit). 

14.  Zwei  Bruchstücke  aus  röthlichem  Marmor;  a)  hoch  17, 
breit  10,  dick  links  5*4,  rechts  4*5  Cm.;  h)  hoch  15^  breit  7, 
dick  links  4,  rechts  3*5  Cm.;  westlieh  vom  Lager  von  einem 
Bauern  gefunden  und  vom  Herrn  Landesgerichtsrath  Schmidel  er- 
worben. Dass  die  Lettern  mit  den  Zeilen  kleiner  werden,  und  dass 
die  Dicke  des  Steines  von  links  nach  rechts  abnimmt,  gestattet 
die  ursprüngliche  Stellung  der  beiden  Stücke  zu  einander  mit  einem 
hohen  Grad  von  Sicherheit  zu  bestimmen,  indem  danach  Z.  1  von 
a  und  Z.  2  von  h  zur  selben  Zeile  gehört  haben  und  zwischen 
beiden  ein  Raum  für  etwa  3 — 4  Buchstaben  gewesen  sein  wird. 
Buchstabonhöhe  von  Z.  1  6-5  Cm.,   Z.  2  6-1  Cm.,   Z.  3  ö'S  Cm. 


Möglich  oder  wahrscheinlich  wäre  etwa  folgende  Ergänzung: 

M.  A  ]ur[elius 

?   Fa]Uf<[cus'\  m[iL  leg 
xTTT]T  g(eminae) .... 
in  der  allerdings  das  Cognomcn  ganz  unsicher  ist. 

E.  BORMANN 


175 


Eine  römische  Strasse  in  Serbien 


Unter  den  Papieren  des  Cardinais  Domenico  Passionei,  in 
der  Biblioteca  Ottoboniana  des  Vaticans,  findet  sich  eine  Anzahl 
von  Briefen  höherer  Officiere  aus  dem  österreichisch -türkischen 
Feldzuge  in  Serbien  und  Bosnien  von  1737  bis  1739.  Der  Cardinal, 
von  1730  bis  1738  Nuntius  in  Wien,  hatte  seine  Verbindungen  be- 
nutzen wollen,  um  sich  Kunde  von  den  Alterthümern  jener  Pro- 
vinzen, für  welche  das  Interesse  durch  Marsili's  prachtvolles  Werk 
(Danubius  Pannonio-Mysicus.  1726)  geweckt  war,  zu  verschaffen. 
Viel  Erfolg  scheint  der  Versuch  nicht  gehabt  zu  haben:  die  Cor- 
respondenten  flechten  in  ihre  Berichte  über  Kriegsereignisse  nur 
sparsam  antiquarische  Notizen  ein :  io  non  credo  che  a  Nissa  vi 
possa  essere  una  minima  reliquia  o  vestigio  d'  antichitä,  perchfe  a 
dirglielo  sinceramente  e  un  vero  nido  di  sorci,  schreibt  einer  von 
ihnen,  N.  Ateste,  am  17.  August  1737,  aus  dem  Lager  bei  Nisch. 
—  Durch  Vermittlung  desselben  Ateste  ist,  wie  es  scheint,  der 
nachfolgende  Bericht  über  eine  römische  Militärstrasse  im  Morava- 
Thale  an  Passionei  gelangt.  Da  der  Bericht  —  über  dessen  Ver- 
fasser die  sonstige  Correspondenz  Passionei's  nichts  ergibt  —  an 
einem  Orte  steht,  wo  man  ihn  schwerlich  sucht,  ist  er  sammt  der 
darin  enthaltenen  Inschrift  auch  für  den  III.  Band  des  Corpus 
nicht  benutzt  worden;  ich  verdanke  die  Nach  Weisung  Herrn  Prof. 
Th.  Schreiber  in  Leipzig.  —  Inwieweit  die  Angaben  über  die 
Operationen  der  österreichischen  Armee  zur  genaueren  Localisirung 
der  angegebenen  Reste  beitragen  können,  muss  ich  Kundigeren  zu 
beurtheilen  überlassen.  Die  von  dem  Italiener  gebrauchten  Namens- 
formen stimmen  grösstentheils  mit  der  gleichzeitigen  Homann'schen 
Karte;  ich  gebe  die  Identification  mit  der  jetzt  üblichen  Schreib- 
weise nach  Scheda's  Generalkarte  des  österreichischen  Kaiser- 
staates. Der  Text  ist,  unter  Beibehaltung  seiner  vielfach  un- 
correcten  Orthographie,  folgender: 

(Cod.  Vaticanus  Ottobonianus  3145  f.  403.) 

Eccellenza 

La  proffessione  che  vostra  Eccellenza  fa  d'  eruditione  per  in- 
dagar  le  cose  piü  remote  et  nell'  obblio  di  una  proffonda  antichitä 
perdute,   mi  da  1'  ardire   d'  inviarli  una  relatione  d'  una  gran  strada 


176 

militare  Romana  lastricata  di  marmo  biancho  '),  che  a  passo  a  passo 
per  molte  miglia  di  Camino  ho  ben  con  attentione  seguita  et  ri- 
conossiute  le  sue  vestigie,  et  alla  fine  per  confirmatione  del  mio 
pensiero  ho  trovato  fuori  di  Nissa  una  colonna  miliaria  nel  modo 
che  sta  qui  nella  relazione  descrita,  la  quäle  essendo  molto  dall' 
ingiurie  del  tempo  corosa  si  rende  a  me  difficile  (f.  403')  1'  inteligenza 
per  il  che  lassio  all'  Eccellenza  Vostra  1'  esplicatione :  et  se  questa 
mia  piccola  attentione  havesse  la  fortuna  di  servirli  d'  agradimento, 
m'  honnora  semplicemente  d'  un  picolo  ceno  del  suo  volere  che  mi 
farö  «na  gloria  di  servirla  in  tutto  cio  ch'  il  mio  picolo  talento  mi 
soministrarä  1'  occasione  di  poterla  obbedire. 

Intanto  io  son  al  campo  appresso  sua  Eccellenza  il  conte  de 
Seckendorff,  dove  di  spesso  apresso  Sua  Altezza  di  Modena  con 
Santa  Christina  parliamo  die  Vostra  Eccellenza;  et  il  bagno  che 
li  ho  descrito*^),  hauendolo  ben  uisitato,  non  e  ch' una  fabrica 
Turca  de'  duecento  anni  incirca  fabricato  senza  alcuna  vestige 
d'  antichita,  nemeno  in  alcuna  pietra  ch'  ho  bene  visitato  et  la 
connessione  de  materiali  et  qualche  rouina  ancora  che  vi  si  trova, 
il  bagno  (f.  404)  per  se  cioe  la  fönte  dell'  acqua  pottendo  ben 
essere  antico,  ma  non  giä  la  fabrica  che  1'  accompagna.  E  d'  un 
aqua  tepida  chiarissima  senza  alcun  odore  o  esalatione,  ch'  insinua 
un  piccolo  sudore,  et  non  ho  dubio  che  sii  buonissirao  per  li  nervi 
et  gottosi.  Corre  1'  acqua  in  tanta  abbondanza  ch'  a  Cinquecento 
passi  di  lä  fa  girare  un  molino,  ui  ho  posto  dentro  dell'  oro  et 
deir  argento,  ogn'  uno  de  detti  metalli  resta  nel  suo  essere,  senza 
perdere  di  colore,  segno  che  non  ui  e  ne  solfere  ne  mercurio  et 
ch'  e  una  semplice  acqua  che  passa  per  qualche  piccolo  uulcano 
sotteraneo  in  una  gran  distanza  della  sortita,  doppo  che  resta  per 
la  lontananza  il  suo  calore  si  forte  mittigato  ch'  ogni  debole  corpo 
humano  lo  puö  facilmente  soportare. 


')  Dieser  Ausdruck,  unter  dem  natürlich  ein  localer  Kalkstein  zu  verstehen 
sein  wird,  darf  bei  der  Schreibweise  des  Verf.  nicht  befremden. 

■'*)  Diese  Beschreibung  findet  sich  unter  dem  Titel:  qualitä  del  bagno  caldo 
posto  alle  radici  del  monte  Emo  ad  un  ora  incirca  di  Nissa,  di  la  della  Nissava 
poco  lungo  dalla  strada  maestra  di  Soffia,  e  distante  un  quarto  d'ora  dal  nro  pre- 
sente  campo,  in  demselben  Bande  f.  402.  403.  Sie  dient  als  Beilage  zu  dem  schon 
erwähnten  Briefe  Atestes,  vom  17.  August  1737,  in  welchem  es  u.  A.  lieisst: 
ho  vediito  un  bagno  che  certamente  deve  essere  antico.  Io  gliene  niando  una 
descri/ZuMie  fattami  disteudere  in  fretta  dal  medico  del  Sig.  Principe  di  Modena. 


177 

Quelle  che  seguira  di  noi  Dio  lo  sa;  non  si  park  et  non 
si  ride ,  ogn'  uno  guarda  il  silentio  onde  che  non  saprei  altro 
auanzarli  se  non  la  confirmatione  del  mio  osequio  essendo  con 
tutto  il  rispetto  per  sempre  a  commandi 

di  Vostra  Eccellenza 

dal  carapo  di  Nissa  li  24.  Agosto  1737 

Prego  uostra  Eccellenza  dinviare  .  ^ 
1  inehiusa  al  mio  caro  patrone  et 

amico  General  conte  de  Walsecke  °^S™°  seruitore 

che    poträ   auanti   legere   et  inu-  ^^  ^^^^^  Colonelo 

iarli^).  Ingeniere  di  S.  M. 

Es  folgt  auf  f.  405'.  405  (das  Blatt  ist  umgekehrt  eingebunden) 
der  Bericht. 

Relati  one 

d' una  colonna  railiaria  ch'e  fuori  di  Nissa  sopra  la 
grande  strada  per  andar  al  campo  alla  dretta  del  fiume 
Nissaua,  dove  finiscono  le  sepulture  de  Turchi,  et  si 
trova  tre  piedi  et  raezo  in  circa  fuori  di  terra,  il  re- 
stante  sepolta  con  le  seguenti  lettere  che  dall'  ingiurie  del  tempo 
sono  quasi  intiere  restate 

M.  .  .C.  .  .AES.  .  .R I 

.  .  .  .L.  .  .H.  .P.  .  .  .O 

.  .  .FIN  VI.  .  .O- AVG.  . 

PONTIFIC M- 

5    PAT...AT...RI..A..B 
T.  .R.  .1.  .B.  .  .PO  T-  COS- 
PRO  -CO  NS  •  E.  .  .  .1.  .  .• 
MARCIAOTA.  .  .1.  .LIE 
SEVER.  .  .  .SANCTIS 
10    SIMEAVG...M..T..BI 
STRORVM-    ■*) 


')  Diese  Zeilen  sind  später  zugefügt;   der  Name  war  nicht  sicher  lesbar. 
*)  Die  Restitution  der  Inschrift  ergibt  sich  leicht  wie  folgt: 


178 

il  restante  dell'  inscritione  resta  sepolta  et  puo  ben  essere  che  nel 
copiare  le  sopra  dette  lettere  habbia  qualche  uolta  prese  per  fallo 
r  una  per  1' altra,  moltissime  essendo  difficili  da  distinguersi  per 
essere  in  parte  dal  tempo  corose;  ma  non  ui  l'e  dubio  che  non 
sii  una  colona  miliaria  d'  un  marmo  bianco  di  figura  piü  tosto 
ouale  che  circolare  posta  sopra  la  grande  strada  militare  de  Ro- 
mani  che  ho  trovato  di  gia  h  Assanbassa  palanka,  ancora  tutta 
nel  suo  intiero  due  piedi  incirca  sopra  dell'  orizonte  della  larghezza 
ordinaria  circoincirca  di  queste  di  Terracina  e  Fondi  in  Italia, 
fatta  d'  un  marmo  bianco  di  figure  ineguali  per  la  lungezza  di 
duecento  passi  incirca  et  finisse  ad  un  piccolo  fiume  —  chiamato 
dalli  Rassiani  lessenicz^)  et  scola  nella  Moraua,  et  probabilmente 
li  Romani  havevano  un  ponte  del  quäle  non  ci  resta  alcuna 
vestigie. 

Da  questa  strada  a  quaranta  passi  incirca  piü  sopra  alla 
dretta  ui  e  a  presente  un  ponte  di  legno  doue  si  passa  dall'  altra 
parte  verso  Nissa,  ed  a  cento  passi  incirca  di  distanza  della  dretta 
del  fiume  il  terreno  essendo  nelle  crescenze  soggettto  all'  acque  si 
trova  di  novo  la  medesima  strada  militare  nel  suo  intiero,  et  se- 
guita  piü  d'  un  miglio  italiano,  et  si  perde  di  poi  in  un  gran  bosco ; 
havendola  seguitata  a  piedi  per  quanto  ho  potuto  avanti  penetrare, 


ITAp.    CAESaRI 
m.  iuL-   pHilip jiO 
p.    F-    INVIC^O-    AVG 
PONTIFl  C^    JW 
P  A  T  •    pAT  RI  Ae 
TRIB  •     PO  T  •    COS 
PRO  •    CONS-     Et 
MARCie    OTACIUE 
SEVERe    SANCTIS 

srME-  AVG  ■  Marri 
atig.   et   CrtSTRORVM 

Der  Stein  gehört  dem  Jahre  244/45  an,  also  einer  späteren  Zeit  als  die 
meisten  anderen  Meilensteine  aus  Mocsia  superior ;  jünger  ist  nur  der  bei  Kacanik 
gefundene,  des  Aemilianus  (Evans  antiquarian  researclies  in  Illyricum,  Archaeol. 
Lond.  XLIX,  1.  p.  75),  und  vielleicht  die  untere  Inschrift  des  Meilensteines  Eph. 
epigr.  II,  503  =  Evans  1.  c.  p.  77. 

')  Auf  den  neueren  Karten  Jasonica. 


179 

havendoui  trovato  ancora  un  piccolo  ponte  per  dissotto  detta  strada 
alla  raaniera  de  Romani  in  questo  modo. 


Sotto  questo  arco  si  scolano  l'acque  piovane  d'  una  parte  del 
bosco,  et  si  fermano  alla  sinistra  in  un  fondo  con  grande  incomodo 
de  passeggieri,  dovendossi  fare  un  gran  giro,  et  la  nostra  armata 
ui  ha  lassiato  qualche  carro  et  cavalli. 

A  quatro  höre  di  la  in  circa  ho  ancora  trovate  le  reliquie  di 
detta  strada,  et  in  molti  lochi  ho  riconosciuto  il  primo  Stratum 
della  strada  nel  modo  che  Vitruvio  lo  descrive.  Inseguito  avanti 
d' arrivare  a  Patitschina**)  sopra  1' altezze  inclinando  a  basso  nella 
pianura  ho  riconossiuto  ancora  molte  vestigie  et  di  poi  passato 
Patitschina  ch^  a  otto  höre  d'Assan  bassa  palanka  ho  ritrovato 
ancora  le  medesime  nel  fondo  a  Gavipagadan  ^)  ch'  e  nel  fondo 
a  quattro  höre,  come  pure  nel  salire  la  gran  montagna  contigua 
per  andare  a  Jagodina  altre  quattro  höre  distante  dall'  ultimo  loco. 
Di  poi  passato  Jagodina  ch'  e  un  miserabile  villagio  in  una  bella 
pianura  tagliata  da  due  belli  russeli  che  in  un  subito  con  la  piogia 
de  le  montagne  continue  uengono  pericolosissimi,  come  la  nostra 
armata  1'  ha  esperimentato  in  tre  höre  di  distanza  essendo  arrivato 
sopra  la  Morava  fiume  d'  un  acqua  limpidissima  et  simigliantissimo 
in  rapiditä  et  grandezza  al  nostro  Adige  di  Verona  che  porta  di 
giä  barche  da  qui  sino  al  Danubio  un  poco  piü  di  sopra  dove  la 
nostra  armata  ha  gettato  li  ponti  per  passarlo,  in  faccia  giusta- 
mente  dove  si  vede  nell'  altra  parte  al  confluente  d'  un  piccolo 
ruscello  una  specie  di  demolitione  di  qualche  castello,  ho  veduto 
ancora  li  fondamenti  delle  pille  o  pilastri  del  ponte  Romano,  che 
li  18  d'Agosto  quando  V  ho  passato  soprastano  la  surface  dell'  acqua 


•)  J.  Batoöina. 

')  Wohl  Bagrdan,  er.  10  Km.  südlich  von  Batoöina. 


180 

di  tre  in  quatro  piedi ,  et  dall'  altra  parte  ch'  ^  la  dreta  del  fiume 
ui  e  un  villagio  chiamato  Ravana*^),  dove  habbiamo  la  nostra  pro- 
vianda  et  ch'  attualmente  si  sta  fortificando  conducendossi  di  qui 
all'  armata  con  grande  incommodo.  Da  Ravana  a  Parakin  ®)  tre 
höre  distante  dove  e  il  nostro  ospitale  non  ho  trovato  alcune 
vestigie:  da  Parakin  a  Rasschena'"*)  sei  höre  ho  trovato  ancora 
qualche  reliquie,  come  pure  da  Rasschena  ä  Alexintza^)  ch' e  sei 
höre  distante,  et  di  poi  passatto  Alexintza  sino  al  camino  coperto 
di  Nisa  ch'  e  sei  höre  distante  la  piü  parte  montagne  ma  di  terra 
ho  trouato  qualche  vestigie,  sino  a  tanto  che  lasciando  la  cittä 
senza  entrarvi  dentro,  et  prendendo  a  lungo  del  fiume  senza  pas- 
sarlo,  ho  ritrovato  ancora  qualche  reliqua  et  in  fine  della  dretta 
del  fiume  Nissova  trenta  passi  incirca  andati  dalla  ripa  1'  acqua 
correndo  verso  la  cittä  ho  ritrovato  la  colonna  da  me  descritta, 
che  mi  confirma  dell'  antica  strada  militare  de'  Romani,  che  teni- 
uano  quando  di  Roma  per  la  Flaminia  ueniuano  a  Rimini,  et  di 
la  per  1'  Emilia  a  Brixillum ,  hora  Berselle,  et  tragittato  il  Po  a 
Vittelliana  hora  Viadana  andauan  ad  Aquileia,  et  di  la  per  la 
Panonia  interamna  ad  Sirmium  hora  Mitrowitz,  et  di  qui  passato 
il  Sauo  andauano  per  la  Tracia  a  Bizantio,  dove  tragietato  il  ca- 
nale  s'  estendeuano  per  tutto  nell'  Asia,  come  si  puo  ben  riconossere 
dair  Itinerario  d'  Antonino  Pio  et  dalla  Carta  Peutingerana  ritro- 
uata  et  messa  in  luce  a  Ausbourg,  conservandossi  dopo  la  morte 
del  prencipe  Eugenio  di  Sauoia  nella  bibliotecha  di  Sua  Maesta 
Imperiale. 

Dal  campo  di  Nissa,  una  hora  et  meza  distante  da  detta  co- 
lonna piü  al  insopra  dell'  acqua  sopra  il  Camino  di  Sofia,  li 
24.  Agosto   1737. 

De  Monti  Colonelo 

Ingeniere   di   S.   M.   I.   C. 


Von   der  Donau    nach   Naissus  ^  Nisch    kennen    die    antiken 
Quellen  nur  eine  Strasse  mit  folgenden  Stationen : 


')  [Ravana  als  Ortsname  findet  sich  mehrmals  in  serbischen  Geschichts- 
quellen in  der  Weise  erwähnt,  dass  dessen  Lage  mit  jener  von  Cuprija  zusammen- 
trifft j  die  oben  angegebene  Entfernung  stimmt  dazu  sehr  gut.  TOMASCHEK] 

')  J.  Paracin  —  Razen  —  Alcksinac. 


181 


Antonin.  p.  133 
Wess. 

Hierosol.  p.  564  W. 

Tab. 
Peutinger. 

Ravenn.  4,7 

Viminacio 

civitas  Viminatio 

Viminatio 

Villi 

XVIII 

mutatio  ad  nonum 
Villi 

XVIII 

Municipio 

mansio  Municipio 

Municipio 

X 

X 

mutatio  louis  pago 

louis  pago 

Pago 

XXVII 

VII 

mutatio  Bao 

vim 

XII 

Idimo 

mansio  Idomo 

Idimo 

Villi 

XVI 

mutatio  ad  octavum 
VIII 

XVI 

Horreo   Margi 

mansio  Oromago 

Horrea  Margi 

Orea 

Vlargi 

1  XII 

XVII 

mutatio  Sarmatorum 

Presidio  Dasmini 

Dasmiani 

XXXIII 

XI 

mutatio   Cametas 
Villi 

XV 

Pompeis 

mansio  Ipompeis 

Presidio  Pompei 

Pom] 

legis 

XII 

XII 

XXIIII 

mutatio  Rappiana 
XII 

Gramrianis 
XIII 

Crambianis 

Nai 

SSO 

civitas  Naisso 

Na 

SSO 

N; 

liso 

Strassenreste  im  Morawathale  erwähnt  auch  Marsigli,  doch 
nur  in  sehr  allgemeinen  Ausdrücken  (Danubius  11,  10:  ex  indicis 
plane  sumus  persuasi,  quod  ex  Nissa  per  vallem  fluminis  Morava 
via  haec  deduxerit).  Ueber  den  Verlauf  der  Strasse  im  südlichsten 
Theile  dürfte  kein  Zweifel  sein;  sie  ging  östlich  vom  Flusse  über 
Alexinatz  =  Praesidium  Pompei  auf  Horrea  Margi  =  Öuprija.  Hier 
war  sicher  in  alter  wie  in  moderner  Zeit  (Cuprija  bedeutet,  wie 
Bormann  mich  belehrt,  mit  Brücke  versehen)  ein  Flussübergang. 
Nördlich  davon  treten  die  Berge  so  nahe  an  das  rechte  Ufer,  dass 
die  moderne  Strasse  auf  dem  linken  weitergeht;  das  gleiche  be- 
stätigt unser  Bericht  für  die  antike.  Die  Station  Idimum  wäre  also 
in  der  Nähe  von  Bagrdan  zu  suchen.  Um  Viminacium  =  Kostolac 
zu  erreichen,  musste  die  Strasse  also  die  Morava  ein  zweites  Mal 
überschreiten.  Während  aber  die  moderne  Strasse  nach  Pozarevac 
dies  wenig  nördlich  von  Batocina  thut,  laufen  unserem  Berichte 
zufolge   die  Spuren   der  antiken  noch  weiter   auf  dem   linken  Ufer 

Arcliilologisch-epigrapliische  MittL.  XJI.  -tu 


182 

mit  einer  starken  westlichen  Ausbiegung  (bei  Hassan  Pascha  Pa- 
lanka),  welche  mehr  auf  Singidunum  =  Belgrad  als  auf  Viminacium 
gerichtet  scheint.  Von  einer  solchen  Strasse  wissen  freilich  unsere 
Quellen  nichts ;  über  ihre  Existenz  können  nur  örtliche  Unter- 
suchungen Sicherheit  ergeben.  Die  Veröffentlichung  des  vorliegenden 
Berichtes  hätte  ihren  Zweck  erreicht,  wenn  sie  zu  solchen  ejnige 
brauchbare  Detailangaben  beitrüge. 

Rom  CH.  HÜLSEN 


Der  'römische  Sarkophag'  in  Gumpoldskirchen 


Durch  die  Hauptstrasse  Gumpoldskirchens,  die  von  der  bau- 
lich merkwürdigen  Kirche  des  deutschen  Ordens  zum  Bahnhofe 
hinabführt,  fliesst  in  seichtem  Bette  ein  Bach,  dessen  Quellwasser 
einer  stark  verbreiteten,  übrigens  nicht  recht  glaubhaften  Vor- 
stellung nach,  von  den  Römern  nach  Vindobona  geleitet  worden 
sein  soll;  Reste  einer  römischen  Wasserleitung,  bei  Mauer  gefunden^), 
sollen  diese  Vermuthung  bestätigen.  Unterhalb  des  Rathhauses,  in 
dessen  Bogenhallen  die  Trümmer  eines  erstaunlich  grossen  Pran- 
gers, angeblich  des  grössten  in  Oesterreich,  verstreut  und  ver- 
wahrlost liegen,  gelangt  der  Bach  an  einen  stattlichen  Laufbrunnen 
und  nimmt  dessen  Abflusswasser  auf.  Die  Brunnenanlage  besteht 
aus  einem  mächtigen  Brunnenstock  mit  zwei  einander  gegenüber 
liegenden  Ausflussröhren,  an  den  sich  auf  der  dem  Rathhause  zu- 
gewendeten Seite  ein  niederer  Kessel,  auf  der  andern  Seite  aber 
ein  grosser  Steintrog  anlehnt,  aus  dessen  einer  Schmalwand  das 
überschüssige  Wasser  in  ein  kleineres  Becken  abläuft.  Die  steinerne 
Brunnensäule  ist  zunächst  als  knorriger  Baumstamm  gestaltet  und 
trägt  in  mehr  als  Manneshöhe  eine  grosse  Muschel;  auf  sie  floss 
aus  dem  über  ihr  sich  erhebenden,  im  Barockstile  (eher  17.  als 
16.  Jahrhundert)  reich  verzierten  und  mit  einer  Krone  oben  ab- 
geschlo.ssenen  Stamme  ehedem  das  Wasser  aus  zwei  Oeff"nungen; 
denn    die    beiden    Ausflussröhren,    die    gegenwärtig    unterhalb    der 


')  Den  Thatbestand  des  Fuiule.s  hat  v.  Sacken  Mittb,  der  Centralcoinin.  5,  300 
mitgetheilt. 


188 

grossen  Muschel  das  Wasser  spenden,  verdanken  meines  Erachtens'^) 
ihre  Entstehung  einer  späteren  Umgestaltung  des  Brunnens,  der 
übrigens,  sofern  ich  recht  empfinde,  schwerlich  von  vorne  herein  für 
die  gegenwärtige  Umgebung  und  Verwendung  bestimmt  worden 
ist^)  Oberhalb  der  Muschel,  am  Fusse  des  oberen  Stammes,  sind 
u.  a.  zwei  Engel  mit  Schilden,  deren  einer  das  österreichische 
Wappen  trägt,  während  der  andere  im  Querbalken,  wenn  ich  gut 
gesehen  habe,   die  Buchstaben  ei  zeigt.'*) 


k\(b) 


Bach 


B  Brunnensäule,    K  Kessel,   ab  c  d  der  Steintrog 

Der  grosse  parallelepipedische  Trog  nun,  den  ich  eben  er- 
wähnt habe,  gilt  allgemein  als  das  einzige  Erinnerungszeichen  an 
die  Römerherrschaft  in  dieser  Gegend  und  als  das  wichtigste  Wahr- 
zeichen des  Marktfleckens.  Noch  eben  in  den  letzten  Tagen  hat 
Dr.  Franz  Schnürer  (bei  M.  A.  Becker,  Hernstein  in  Niederöster- 
reich, IL  Band,  I.Hälfte,  S.  429  der  Octavausgabe  1889  —  nicht  im 
Buchhandel),  wie  vor  ihm  so  viele,  erklärt:  'Der  Trog  ist  ein 
kolossaler  römischer  Sarkophag'.  Was  berechtigt  ihn  zu  dieser 
Behauptung?  Die  Gestalt  des  Troges  gewiss  nicht;  er  trägt 
auch  nicht  den  geringsten  architektonischen  oder  bildnerischen 
Schmuck,  der  auf  die  Zeit  seiner  Herstellung  und  die  Art  seiner 
Verwendung  schliessen  Hesse.  Seine  Grösse  macht  es  auch  nicht 
wahrscheinlich,  dass  er  als  Sarg  verwendet  wurde:  er  ist  3 "56  lang, 
1*9  breit,  0*948  hoch.^)     Es  kommen    somit  nur  die  beiden  alten 


')  Als  'Springbrunnen'  bezeichnen  ihn  ältere  Gewährsmänner,  so  Schweick- 
hardt  VUWW  2   (18.31)  94  und  Weidmann  'Umgebungen  Wiens'  (1839)  336. 

^)  Ich  habe  zweimal  im  Vorjahre  den  Brunnen  besucht  und  beschrieben, 
das  erste  Mal  gemeinschaftlich  mit  Herrn  Dr.  G.  Juritsch. 

*)  Nach  Seidl  lassen  'halbverwischte  Schriftzöge  den  Namen  Ferdinand  ahnen'. 
Nicht  wahrscheinlich. 

^)  Diese  Zahlen  bietet  Schnürer  a.  O.;  ich  habe  aussen  nur  die  Höhe  ge- 
messen und  mit  1*03  bestimmt,  innen  mass  ich  die  Länge  mit  3-19,  die  Breite 
mit  1-54,  die  Dicke  der  Wandungen  mit  ca.  0-18;  da  die  eine  Schmalwand  aus- 
gebrochen   und    später   erneuert  worden   ist,    setze  ich  auch  jene  Angaben  hierher, 

13* 


184 

Inschriften  des  Troges  in  Betracht;  von  diesen  hat  aber  Mommsen, 
der  übrigens  den  Brunnen  nie  gesehen  hat,  die  eine  (auf  Seite  a) 
für  deutsch  und  neu  erklärt;  'de  altera'  (auf  Seite  c),  fährt  er  fort 
(C  3,  229*),  'non  constat,  sed  non  magis  crediderim  antiquam'. 
Obwohl  der  betreffende  Band  der  Berliner  Inschriftensammlung 
bereits  1873  herausgegeben  worden  ist,  und  obwohl  Gumpolds- 
kirchen  eine  von  Wien  aus  leicht  und  in  kurzer  Zeit  zu  erreichende 
Sommerfrische  ist,  hat  noch  niemand  seither  den  Sachverhalt  über- 
prüft oder  wenigstens  das  Ergebniss  seiner  Ueberprüfung  der 
Oeffentlichkeit  übergeben.  Und  doch  wäre  dies  zu  wünschen  ge- 
wesen. Denn  seit  jener  Zeit  sind  bedeutende  Veränderungen  an 
dem  Troge  vorgenommen  worden;  er  wurde  nicht  blos  vielfach 
ausgebessert,  sondern  auch  die  Schmalseite  c  durch  das  Umstürzen 
eines  schwer  beladenen  Wagens,  der  vorbeifahren  sollte,  in  Trümmer 
gelegt  und  dann  durch  einen  Mödlinger  Steinmetzen  (Fegal)  er- 
setzt; gleichzeitig  wurde  auf  einer  der  neuen  (drei)  Quaderlagen 
(der  Trog  war  früher  monolith)  die  von  Mommsen  verdächtigte 
Inschrift  in  Formen  erneuert,  die  im  ganzen  Bereiche  der  römischen 
Epigraphik  ihresgleichen  vergeblich  suchen:   M.  antoni  sgqrpld.'') 

Die  Seite  h  trägt  in  gleichen  Charakteren  die  Aufschrift:  ^ggj 

womit  das  Jahr  der  Umgestaltung  bezeichnet  sein  dürfte.')  Die 
noch  nirgends  ganz  richtig^)  mitgetheilte  ursprüngliche  Inschrift 
der  Seite  a,  die  aber  nicht,  wie  die  unbrauchbare  Zeichnung  bei 
Seidl  vorgibt,  die  ganze  Wand  füllt,  sondern  einen  massigen  Raum 
in  der  Mitte  des  oberen  Drittels  der  Wand  einnimmt,  lautet: 

•   M  ■  D  •  L    X    v///// 
HELT.LXXHII-VRNO 

also,  wie  Feil  und  Mommsen  gesehen  haben:  '1565,  helt  74  urn'; 
in  Z.  1  können  nach  v  noch  ein  oder  mehr  Striche  verloren  ge- 
gangen sein;  in  Z.  2  steht  nicht  hel-t,  sondern  helt,  da  die  Ver- 


(lie  vor  dieser  Veränderung  gemacht  worden  sind:  Feil  und  ebenso  Weidmann 
10'  X  i>';  '*5eidl  10'  2"  X  3'  10";  v.  Sacken  11'  IV  X  ^'  3";  die  Dicke  der  Wände 
gab  Feil  mit  6"  an. 

*)  Zwischen  I  und  S  die  Abflussröhre. 

')  Vielfach  behauptete  man,  die  Renovirung  sei  bereits  in  den  70er  .l.iliren 
vollzogen  worden;  in  die  betreffenden  Actenstückc  konnte  ich  leider  aiit'  dem 
üemeindeamte  nicht  Einblick  erlangen. 

*)  Am  schlechtesten  von  Weidmann  a.  O. 


185 

tief'un^  zwischen  l  und  t  nur  einer  zufälligen  Verletzung  ihre  Ent- 
stehung verdankt. 

Da  nun,  wie  ich  eben  gezeigt  habe,  die  Untersuchung  der 
für  antik  gehaltenen  Inschrift  (c)  auf  dem  Original  seit  1881  nicht 
mehr  möglich  ist,  bleibt  nur  der  eine  Weg,  nach  zuverlässigen 
alten  Abbildungen  und  Abschriften  zu  fahnden,  um  den  Sinn  der 
räthselhaften  Worte  ^)  zu  gewinnen  und  die  Frage  endgiltig  zu 
lösen.  Ich  bin  überzeugt,  dass  noch  hie  und  da  derlei  Aufnahmen 
sich  im  Privatbesitze  befinden;  wir  haben  in  den  letzten  Jahren 
in  Wien  wiederholt  Gelegenheit  gehabt,  mit  Staunen  und  Freude  zu 
sehen,  wie  viele  Erinnerungen  an  die  verschiedensten,  wenn  auch 
noch  so  unscheinbaren  Bauwerke  und  Denkmäler  älterer  Zeit  aus 
Wien  und  seiner  Umgebung  durch  die  hingebungsvolle  Liebe 
dilettirender  Zeichner  erhalten  worden  sind.  Meine  eigenen  Nach- 
forschungen haben  überall  das  dankenswertheste  Entgegenkommen 
gefunden,  aber  zu  keinem  greifbaren  Ergebnisse  geführt.  Mög- 
licherweise geben  die  Acten  der  deutschen  Ordenskanzlei  am 
ehesten  Aufschluss.  Doch  muss  ich  diese  Nachforschungen  anderen 
überlassen;  wenn  diese  meine  Zeilen  überhaupt  dazu  anregen, 
haben  sie  ihren  Zweck  vollauf  erfüllt. 

Indess  ist  es  mir  gelungen,  in  der  topographischen  Literatur, 
und  dies  glaube  ich  anführen  zu  sollen,  andere  noch  ältere,  freilich 
nicht  ergiebigere  Quellen  aufzufinden,  als  Mommsen  zur  Verfügung 
standen.  Es  sind  dies  die  von  Mommsen  auch  sonst  nirgends  für 
seine  Vorarbeiten  benutzten  Darstellungen  von  F.  C.  Weidmann 
a.  0.  (1839),  Joseph  Feil  bei  Schmidt  'Wiens  Umgebungen  auf 
20  Stunden  im  Umkreise'  (Wien,  Gerold,  3,  1839,  S.  389  f.),  so- 
mit die  ältesten  Darstellungen;  ausserdem  von  E.  v.  Sacken,  Archäo- 
logischer Wegweiser  durch  Niederösterreich  VUWW.   (1866,  S.  12). 

Alle  Gewährsmänner,  die  ich  kenne,  halten  den  Trog  für 
römisch  und  lesen: 

M.ANioNi.scoRPED  Fcil,  Weidmann 

iw  •  ANHONi  •  scQRHEL  Wolfarth 

M  -  ANTONI  •   SCORPED  Scidl 

M-  ANTONI    SCQ_RPLD  .  .  SackcU. 

Etwas  weniger  alte  Darstellungen  halten  den  Trog  gleich- 
falls für  römisch,  sind  aber  für  unseren  Zweck  werthlos,  da  sie  die 


")  Von    befreundeter    Seite    wurde     mir    vermuthungsweise    vorgeschlagen; 
ra(agistri)  Autoni  Scorpel .    .  ? 


186 

Inschrift  nicht  mittheüen.  Dass  aas  noch  früherer  Zeit  keine  Er- 
wähnung der  'römischen'  Inschrift  vorhanden  zu  sein  scheint, 
bildet  gewiss  keine  Empfehlung  der  hergebrachten  Meinung. 

Zum  Schlüsse  will  ich  bemerken,  dass  darüber  zu  urtheilen, 
ob  der  Trog  zu  dem  nämlichen  Zwecke,  dem  er  heute  dient, 
seinerzeit  hergestellt  worden  ist,  oder,  wie  mir  ein  sehr  gewiegter 
Kenner  unserer  alten  einheimischen  Gewohnheiten  und  Massverhält- 
nisse zeigen  wollte,  ursprünglich  als  Mass  bei  der  Ablieferung  des 
Zehnten  durch  die  Bauern  in  Verwendung  stand,  nicht  in  meinen 
Kräften  steht. 

Wien,  12.  März  1889  J.  WILH.  KUßlTSCHEK 


Die  antiken  Inschriften  zu  Wodena  (Edessa) 

Herrn  Professor  Constantin  Jirecek  zu  Prag  danken  wir  die 
Mittheilung  eines  Manuscriptes  mit  Abschriften  von  19  antiken 
Inschriften,  18  griechischen  und  1  lateinischen,  die  sich  in  Wodena 
in  Macedonien,  dem  antiken  Aegae  oder  Edessa,  befinden.  Das- 
selbe war  ihm  im  Jahre  1883  in  Sofia,  wo  er  in  der  obersten 
Classe  des  bulgarischen  Gymnasiums  Geschichtsunterricht  ertheilte, 
von  einem  Schüler  dieser  Classe,  dem  damals  23  Jahre  alten 
Athanas  G.  Petrov  aus  Wodena,  übergeben  worden.  Meines  Wis- 
sens sind  von  den  19  Inschriften  bisher  fünf  gedruckt.  Ich  wieder- 
hole zunächst  diese  (n.  1 — 5),  gewöhnUch  in  einfacher  Umschrift, 
mit  Angabe  der  Litteratur  und  der  Berichtigungen  oder  wenigstens 
beachtenswerten  Abweichungen  der  neuen  Abschrift,  füge  die  zwei 
ausserdem  bekannten,  aber  von  Petrov  nicht  abgeschriebenen 
hinzu  (n.  6  u.  7)  und  lasse  darauf  die  bisher  unbekannten  (n.  8 — 21) 
in  genauem  Abdruck  der  Petrov'schen  Abschriften  folgen.  Die 
Ortsbezeichnungen  und  Beschreibungen  hat  Professor  Jirecek  aus 
dem  Bulgarischen  übersetzt. 

A)   Bereits  bekannte  Inschriften  (n.  1 — 7). 

1.  Gedruckt  bei  Leake  Iravels  i/i  northern  Greecc  Band  III 
Taf.  XXIX  n.  138,  und  daraus  mit  Benützung  der  Papiere  von 
Pittakis    bei    Böckh    C.  I.  G.  Band  II    p.  991    n.  1997  c,    ausser- 


187 

dem    bei    Hahn    'Reise   von    Belgrad    nach    Salouik'    (Wien   1861) 
S.  242  n.  XXIII. 

In  der  Metropolitankirche. 

'AYttGrii  TuxTii 

exou^  riKT'  dTTOTpaqjr] 

ecprißojv  Tujv  eqprißeuadv- 

Tuuv  UTTO  AucTijuaxov  faßi- 
5  öiavoö  TÖv  eqprißapxov 

Kaxd  TÖ  bÖTlua  Tr\c,  ^ov\r]c, 

KXauöioq  Zep^vo^  Aö[p]kou,  Köivto<; 

'AXeEavbpoq  Km  EiouXio<;  oi  MapKiaq, 

OuAmocg  Ao)uiTio^  'EXTTibT]cpdpo<;, 
10  EuTuxiuuv  MaKeboviKoö,  'AviKiiiog 

'A\eHavbpo(;  TTaTTä[(;]  Apuußuoc;  (?), 

ZuuTTupocg  OuaXepiou,  "EaTrepo[(;]  Xe|iieXii(;, 

Xoubiq  (?)  KaXXicTTiic;,  KX(aubiO(;)  <l5iXo(u)|uevöq, 

ZaTopvivo(^  'Hbeaq  <t>iXiiTO(;  0apiujvo<s, 
15  (t>fiXi2  NiKO)Lir]bou, 

TTapdjaovoc;  Kai  "IouXk;  Kai  'AKuXac;  oi    louXiou, 

r&ioc,  Kai  TTapd)uovo(;  oi  faiou, 

'louXiavö(;  'AcTKXTiTrd. 

Z.  4.  Schluss  hat  Leake  AB.,  Pittakis  ABI,  Hahn  lABI,  Pe- 
trov  TABI.  —  Z.  7.  L.  .AO.KOY,  H.  und  Pe.  AOKOY.  —  Z.  8. 
L.  610YA10C0I,  H.  eiOYAlOZO,  Pe.  und  Pi.  lOYAlOCOl.  — 
Z.  10.  L.  MAKGAONIKOY,  Pe.  u.  Pi.  MAKGAONIXOY,  H.  MA- 
KEAONI  OY.  -Z.H.  Pe.  HAHA.  APüJBIOC,  L.  HAHA  APLU- 
BYOC,  H.  nAHA  APQPYOZ.  —  Z.  12.  Pe.  und  Pi.  GCnGPON, 
H.  EinEPON,  L.  eCnePO..  —  Z.  13.  Pe.  und  Pi.  COYAIC, 
L.  .OYA.C,  IL  CO  HAH.  —  L.  .KA-,  Pe.  KAI,  H.  KA(I).  -  01- 
A0YM6N0C,  das  Böckh  aufgenommen,  hat  nur  Pi.,  die  drei  anderen 
OIAOMGNOC.  —  Z.  14.  L.  wohl  richtig  CATOPNINOC,  während 
Pe.  und  H.  statt  des  zweiten  N  ein  A  bieten.  —  Am  Schluss  hat 
Pe.  wie  H.  das  von  L.  ausgelassene  C.  —  Dagegen  bestätigt  in 
Z.  17  Pe.  das  Ol  von  L.  gegen  das  0  von  H. 

Die  Inschrift  fällt  in  das  Jahr  182  n.  Chr.  Es  waren  nämlich 
in  Macedonien  zu  römischer  Zeit,  wie  zuerst  von  Böckh  zu  C.  I. 
Gr.  n.  1970  (II  S.  55)  dargelegt  worden  ist,  zwei  Acren  neben- 
einander in  Gebrauch,  von  denen  die  erste  und  häufiger  angewendete 
mit  dem  Jahre  der  Errichtung  der  Provinz,  608  d.  Stadt  (146  v.  Chr.), 


188 

begann;  die  zweite,  in  der  das  Jalir  zuweilen  mit  ZeßacTTÖv  be- 
zeichnet wurde,  mit  dem  Jahre  724  d.  St.  (30  v.  Chr.)  als  der 
Zeit  der  Sehlacht  bei  Actium.  Das  in  Z.  2  angegebene  Jahr  328, 
bei  welchem  sicher  die  erste  Aera  zu  verstehen  ist,  ist  demnach 
608  +  327  =  935  d.  St.  =  182  n.  Chr. 

2.  Gedruckt  bei  Hahn  'Reise  von  Belgrad'    S.  242    n.  XXII. 
In  der  Kirche  des  heiligen  Joannes  Theologos. 

MENANAPOE  HAFMENiriNOE  Mivavbßoc,  TTap)iieviuJV0(j 

ANNiAi  ME0nNAAOY  'Avvia(?)    MeOuuvctbou 

MEenNAAHE  MENANAPOY  Me0ujvdbri(;  Mevdvbpou 

ein  Mann  auf  einem  Feldstuhl,  um  ihn 
einige    Männer,     eine    Frau    und    ein 

Knabe 

HPnE  TIPIJU?. 

Ich  gebe  den  Text  von  Petrov;  Hahn  lässt  die  Beschreibung 
des  Reliefs  aus,  hat  Z.  2  annii  ai  MEGnNAAOv  und  Z.  4  Hpnxi. 
—  Welcher  Name  zu  Anfang  von  Z.  2  stand  ist  unsicher. 

3.  Bei  Leake  travels  Band  III  Taf.  30  n.  140  und  schon  vor- 
her im  classical  Journal  t.  XIII  p.  334  und  XV  p.  164,  daraus  bei 
Welcker  epigr.  spec.  I  n.  9  und  syll.**  p.  35;  Böckh  Band  II 
S.  61  n.  1998;   Kaibel  e2ngr.  n.  516. 

Auf  einem  Sarkophage,  bei  einem  Brunnen  nach  Leake,  in 
der  Nähe  des  Gerichtshofes  nach  Petrov. 

fibe  TTeipoc;  KeuGei  fpacpiKOÖ  be'jua^,  e\\<;  juaKJdpuiV  be  qjuxviv  GecnrecTiriv 

efiKC  Qeöc,  rrebiov, 
öüveKCV  fjv  TTavdpiaTo^,    ev  nfaGeoK;  be  TroXeiTaic; 

TtpoiTa  cpepuuv  TTivuifj^  KÖbo^  eKapTriaarc 
Eu£aTo  b'  aö  |uaKdpe(T(Ti  Kai  eijuepiriv  irapdKomv 

Toöbe  Xaxeiv  TÜjußou,  YnP«o<S  ^öie  xuxoi. 
Xaipe  fpacpiKe. 

Z.  2  hat  L.  OeOe,  P.  geoe. 

4.  Gedruckt  bei  Hahn  'Reise  von  Belgrad'  S.  242  n.  XX. 
Auf  einem  Grabstein  des  (türkischen)  Kirchhofes  Tschupri. 

nOeAIAIOC 

AIölYi^lCTojTePeN  Aü  uipicTTuu  nö(TTXiO(;)  Aihoc,  Tepev- 

TIANOC  ATTIKOC  Tiavö(;  'Attiko^ 

KATONAP  KttT    övap. 


189 

Nach  Petrov's  Abschrift.  Hahn  hat  als  Zeile  1  nos  aiaiox, 
ohne  die  Verschiedenheit  der  Buchstaben  anzudeuten.  Es  scheint 
das  TTd(TTXio<g)  AiXiO(;  später  eingeschoben  worden  zu  sein,  mag  es 
nun  vorher  vergessen  sein  oder  Terentianus  erst  später,  und  zwar, 
den  Namen  nach,  durch  Kaiser  Hadrian  das  römische  Bürgerrecht 
und  damit  Praenomen  und  Nomen  erhalten  haben. 

5.  Bei  Hahn  'Reise  durch  die  Gebiete  des  Drin  und  Wardar' 
(Denkschr.  d.  kais.  Akad.  d.  Wiss.,  phil.  bist.  Classe  16.  Wien  1869) 
S.  169  n.  49,  nach  Mittheilung  von  Professor  Demista  aus  Mo- 
nastir,  und  in  dem  neugriechischen  Büchlein  eKQeüic,  Tr\<;  Kaid  ir]v 
errapxiav  BobevtXiv  biavoriTiKfi(g  dvaTTTuHeujq  (Konstantinopel  1874); 
nach  beiden  ephem.  epigr.  2  p.  476  n.  1052. 

Im  Kloster  der  heiligen  Dreifaltigkeit. 

d.  m 

Epicteto 

nutricio 

Muhia  C.  f.  P[l]a- 

5  cida  patrona 

Tadi  Nepotis  leg{ati) 

'propr{aetore)  'provinc{iae) 

Macedoniae. 

Petrov  hat  Z.  4  mvu-via»  fopia,  Z.  6  Schluss  »lec.  —  Den 
Namen  der  Frau  hat  zuerst  J.  Klein,  Rheinische  Jahrb.  55.  56 
(1875)  S.  225,  aus  der  von  derselben  ihrem  Manne  gesetzten  In- 
schrift C.  I.  L.  IX  4119  ergänzt,  in  der  dieser  mit  vollem  Namen 
heisst:  Sex.   Tadius  Sex.  f.  Vol.   Lusius  Nepos  Paullinus. 

6.  Ausgelassen  von  Petrov,  gedruckt  bei  Leake  travels  Bd.  III 
T.  29  n.  139  und  daraus  bei  Böckh  Bd.  II  S.  992  n.  1997  d. 

In  der  Metropolitankirche ;  zwei  Bruchstücke.  Die  Lettern  E 
und  Z  haben  die  Form  2  und  T,    wie  in  n.  14. 

f]  ttöXk;  [KJai  oi 
(JuvTrpa[T]|uaT€[u]- 
öjuevo[i]  Pui)LiaTo[i] 
TTerpujviav  A. 
TTexpujviou  Bd(Tcro[u] 
GuYctTe'pa  ZipaTiuX- 
Xav  Tijuujv- 
T[e]<;  [ee]oi?. 


190 

7.  Ausgelassen   von   Petrov,    gedruckt    bei    Hahn    'Reise  von 
Belgrad'  S.  242  n.  XXI. 

Unter  dem  in   der  Kirche  von  S.  Joannes  Palaeologos    ['muss 
Versehen  sein  statt  Theologos'  Jireoek]  betindlichen  Basrelief. 
)Lin|iiöpiov  Aiovucriou  YvacpeO(; 
Kttl  An|LinT()ou   aTpaTlUJTOÖ 
voujuep(ou) 
repjuaviKiav(oö). 
Für  die  Bezeichnung   des  Grabes   mit   dem   aus    dem  lateini- 
schen memoria   gebildeten  Worte   )iie)aöpiov   weist  das  Lexicon  von 
Öophocles  bereits  einzelne  Beispiele  nach. 

B)    Bisher  unbekannte  Inschriften  (n.  8 — 21). 
8 — 14.  In  der  Kirche  St.  Paraskeua. 
8.       ETOYn.zoMAAE..OYn  eiou«; ou  . 

THE       nOAEUJE    HOMTAP  Tfi^    TTOXeUJ^    TTOXlTap- 

XOYNTOC    THN       FEPlEA!  XOOVTOq,    TUJV    Ttepi    |rd]l- 

ON  rEAOYKAioN  KAI .  AI .  ov  TTebouKaTov  Kd[aa]a[v|- 

öAPON  64>HBAPxoYNTOC  bpov  feqpr|ßapxoövTO(; 


I0YAI0Y60P.   .TA.^.BOI 
CIYnOTE..AI.ENOe 
Es  folgen  20  beschädigte  Bucli- 
stabeu,  die  schwer  zu  lesen  sind, 
darunter 

AYPHAIOC    HAPAMNOC 


MouXlou  'Eop.  .Ta,  [e](p[ti]ßoi 
[oji  u7TOTe[T]a[T|ii]evo[i] 


Aupr|Xio^  TTapd)Li(o)vo^ 


AYPHAIOC  zfiEiMoc  Aupr'iXioc;  Zujai,uo^ 

AYPHAIOC   AIWIANOC  Aup)lXlO(^   'Ajuiavo^. 

In  welches  Jahr  die  Inschrift  gehört,  ist  unsicher.  Wenn  in 
Z.  1  wirklich  die  Jahreszahl  zo  =  77  steht,  so  wäre  wohl  die 
zweite  mit  dem  Jahre  724  der  Stadt  beginnende  Aera  (s.  oben  zu 
n.  1)  zu  verstehen  und  die  Inschrift  in  das  Jahr  800  der  Stadt 
(724  -|-  76)  =  47  n.  Chr.  zu  setzen.  Aber  eine  so  frühe  Datirung 
ist  namentlich  der  Namen  mit  AupnXioq  wegen  unwahrscheinlich, 
und  es  wird  daher  wohl  die  Lesung  mehr  oder  weniger  irrig  sein. 
Stand  etwa  auf  dem  Stein  etoyctZo,  so  würde  diese  Zahl  nach 
der  Aera  von  608  d.  St.  das  Jahr  976  (608  +  368)  d.  St.  = 
223  n.  Chr.  bezeichnen.  —  Nachher  bildet  vielleicht  das  oy  das 
Ende  des  Namens,  etwa  'AXe[ti]ou.  Dass  die  höchsten  Gemeinde- 
beamten TToXiTttpxai   genannt  wurden,    wusste  man  bisher  von  zwei 


191 

anderen,  in  der  Nähe  gelegenen  Städten  Macedoniens,  Thessalo- 
nike  (Inschriften  und  Apostelgeschichte  17,  6)  und  Lete  (Ditten- 
berger  syll.  n.  247).  Das  hier  voranstehende  Tfi<;  TTÖXeuuc;  Avird  wohl 
nicht  mit  TToXiTapxoövTO^,  sondern  mit  dem  vorausgehenden  Worte 
zu  verbinden  sein,  etwa  zu  n>  =  Trp(LUTOu)  Tf|q  iröXeujq. 
ü.  LEPBHiMA  ZepßeiXia 

KAAATYXA  KaXaTux« 

TUJIAIUJANAPI  TU)    ibio)    dvbpi 

AYPHMUJ  EEiPi  AuprjXiui  [TTjeipi- 

5     0OUJTUJNEKE1NOY  GOU),    TOJV    GKeiVOU 

EKEiNUj  eKeivui, 

MNEiAC  xAPiN  [XMeiac,  x«piv. 

Ob  in  Z.  4  mit  id  eKeivou  des  Verstorbenen  Grundstück  oder 

Geld   zu   verstehen   ist,    kann  zweifelhaft  sein.     Im  letzteren  Falle 

wäre  eK  ausgelassen. 

10.  c  E  K  o  Y  N  ZeKoOv- 

AOC    TH    TAY  [^]o^    ffl    jKv- 

K  Y  T  A  T  H  KUTttTIl 

CYNBIUJ  aUVßlLU 

5  MNEIAC  pive'iac, 

XAPIN  XO'PIV. 

11.  M  EMXjvENvioiEnoi  u[v]fi)iia  )U£V  |Lioi  enoi- 
FEENAYPiAioEAAE  »icTev  Aup[r|]\iO(^  'AXc- 
zANAPOEAHAiÄÄPi  Ettvbpoq  AupiiXia  'Api- 
ct-th^akytXtecymbi  aiii  Tri  T^UKUTaTi]  (Ju)jßi- 

5  nivN-iAEXAPiN^                uj  }ivr]ac,  xdpiv 
EN  rn  atttaecioy  ev  tüj 

Z.  2   waren   wohl   auch  die  Buchstaben  p  und  h  wie  in  Z.  3 
ligirt  (pi).  —  Der  Schluss  der  Inschrift  ist  mir  unverständlich. 

12-  .  r  .  neAO YKAio c  tpiakaaiwn  kai/. 

,T6IA    nAPAJWONA    KAI    CABEINAT.'. 

T€KNLU    ZOlNTeCGAVTOlCe 

ß  nOIHCAN   o 

Reiter;    unter    dem    Pferde    ein    Hund,    der 

einen  Bären  anfällt,    und  in    der  Nähe  eine 

Schlange. 

r(dioq)  TTebouKaTo^  TpiaKabiujv  Kai 
...eia  TTapa,uöva  Kai  Xaßeiva  T[ui] 
TeKVuu  l'jjvxe<;  eauToi(;  e- 
TToiriaav. 


192 

Voraussetzlich  ist  die  Inschrift  so  zu  verstellen,  dass  die 
Gatten  C.  Peducaeus  Triacadion  und  ,  .  .  .  ia  Pararaona  das  Grab 
zunächst  für  sich  bestimmt  hatten,  und  dass  die  Erwähnung  ilires 
verstorbenen  Kindes  Sabina  (Kai  Zaßeiva  tu)  tckvlu)  in-'i^  in  der 
Mitte  statt  am  Ende  zugefügt  ist. 

13.  c.iOYAioc  EnA*POAEi  [fcdioq)]  'louXio«;  'Erracppöbei- 

Toc  I0YAIUUNE1KH4.0  Toc,  'louXiuu  NeiKiiqpö" 

1-UJ    KAI    lOYAIA    PUJJWH  pUJ    Kttl    'IcuXltt    PdlLir) 

TOiE  AnEAEYGEPOic  ToT<^  dTTeXeu9epoi(^ 

5  MNHMHCXAPIN  MVn,Un<S    X^piV 

ETOYE    nlTß  ^TOVC,    giT*. 

In  Z.  6  ist  wohl  sicher  die  ältere  Aera  zu  verstehen  und 
mithin  das  Jahr  923  (608  +  315)   der  Stadt  Rom  oder  170  n.  Chr. 

14.  (Die  Lettern  T  für  2,  E  für  e  sind  nicht  grösser  als  die 
andern.) 

ÜTOYXorAXc^  e'Tou<;  gcr' 

HrnNöKB eTÜuv  Kß' 

TnliAiT  ZirebK; 

AYKON  TONß  AUKOV    TOV 

5   aaHa^iah  oQT  d[b  leXqpibfi^ 

NnliTONYON  [Y]vuu[cr]TÖv  uöv 

mnhmhT  xapin  MVii)Lin<S  xdpiv. 

In  dieser  Inschrift  ist  dagegen  wohl  die  jüngere  Aera  gemeint, 
also  das  Jahr  929  (724  -f  205)  d.  St.  =  176  n.  Chr.,  nicht  das 
Jahr  813  =  60  n.  Chr.,  das  sich  bei  der  älteren  ergeben  würde. 

15.  Kirche  Sveti  Vraceve  (der  h.  Anargyren). 

.   .  INIOC    CeKOYNAOC  .  .  .  IVlOc;    l€KO0vbO^ 

..NEIG     iAOMeN6YC  'lbo|neveu^ 

KAT  


Einige    sitzendo     Personen 
um    einen  Tisch,    darunter 

AYPHAIOC    ZUJCIMOC  Aup»iXl0^    ZoXTlJiO^ 


KAI    AYPHTA    BENePIA 
OYAA€PIUJ    TUJ     lAIO) 

TeKNujMNiACXAPiN  TCKVOJ  ^via<;  xdpiv. 


Kai  Aüpn[Xi]a  Bevepia 
OuaXepiuu  tüj  ibiLu 


193- 

Wenn,  wie  es  scheint,  beide  Inschriften  auf  demselben  Steine 
stehen,  so  ist  wohl  die  untere  später  eingegraben,  und  der  Stein, 
der  früher  nur  die  obere  trug,  später  für  eine  andere  verwendet 
worden. 

16.  Basrelief:  ein  junger  Mann  [Knabe?]  stützt  sich  auf  eine 
Lanze  oder  Keule  [Fackel?]  und  hält  in  der  Rechten  einen  Kranz. 

NVN    AEnPOO^AE.FKAKIEYPNE 
A  N-^E  <{>IAffiEEc5KHWAEEH:     KAKlMT 
rENO^HEIA^^"TIl^N0E^KE5EOP£ 
i'ELcs  <>YAIENEAYCA^AIO^BIA 
5TAPA      OIXOJVENOIOö^KETt'EMOI 
<{>PENEE    ElhEIEH    ^EEINYE 
NOPMAcsKIEEAE     N'ECXIONM 
AEATPKOWENOIAöAIMPOICIAINO 
TATOIEIEÜIE    YEAKPAAKIEEcs 
lOYMICAE  HYXtr  .  EINATA  ANWOeO 
EniAAMi'IcsH  OEIAnO  .  KWW 
ETONMOIKAIETOM  .  AlOWE 

Die  Verse  einigermassen  herzustellen  ist  mir  nicht  gelungen ; 
ich  begnüge  mich  die  folgenden  Theile  einer  Herstellung  herzu- 
setzen : 

vOv  be  'n:poq)9d(j[a(g] 

ouK  e.leQpe^leq 

oi)[b']  e)ue  bucrdeXiov  Bidimpa*  [cJoO]  oixo|uevoio 
ouKe[T]  ejuoi  q)pive[c,  e]i[(j']  e[v]  cr[T]rieecriv  [o]ü[b]e  vdtijua. 
5  Ki0e  be   . .  .  .VTec,  xiovuubea  Tr|KO|uev  oia 

biupoK;  bivoTdroicJi,  eiri  (Tu Kiae. 

i))uTq  b'  e[uT]ux[eTTJe,  iva  xd  dvu)6e[v]  eiTiXdjiiipi 
r\  öeia 

Entsprechend  dem  Relief,  das  einen  jungen  Mann  darstellt, 
ist  wohl  anzunehmen,  ein  Mann  sei  in  jugendlichem  Alter  gestorben 
und  habe  ein  Söhnchen  Namens  Viator  zurückgelassen.  Dieses 
redet  den  Verstorbenen  an,  zugleich,  wie  es  scheint  (T)iK0|Liev),  im 
Namen  eines  zweiten  Kindes.  In  den  beiden  letzten  Hexametern 
werden  wohl  die  Vorübergehenden  angeredet. 


194 


17 — 19.    In  der  Kirchenruine  'Sretenie  Oospodne'. 
17. 


18.   . 


All    YflSTfllEYXHN 
MAPKOZ  AIBYPNI02 
O  Y A AH2 

.on  .  OEEXinpoY  . . . 

.YTONAKEPAION  .  .  . 
.0ENIIAHPUJCANTA  . 
.UUTOYEnAYCATO  .  .  , 
.QAnEPiniAE 


Au  uvjjicjTUJi  euxiiv 
MäpKOc,  AißupviO(; 


.  .aKepaiov.  . . 
.  .[TTJXiipujcravTa. 
. .  erraücraTo  .  .  . 


Vielleicht  Reste  einer  metrischen  Inschrift. 


19. 


NOC 
Em    JVEIAKIE    6KAHQHN    RATA 


A  E  A/E  T  T  P  I  A  N  O  C 
KAI  M^AENAAY 
.  .  .  AY  TbIA.  A  I  K  A  1  e 
.  .  . nAK  €  lA A6 
•  .  .  AN  AP1MN6I 

.  ,  .  enAN 


ein 
Mann 

mit 
Lanze 


rE..nYKTeiCAC 

THCACNYNAE  . 

KTHNIAIHNNH 

ÄANAPAAEXn 

ACXAPiN  Enoin 
YecoinAPO 

AeiT6 


efw  MeiXri(Ji(o)(;  eK\ii6nv  iraTavo^ 
be  Me[(TjTpiav6q  .  .  TTUKTe[u]cra5 
Kai  )ai-|Ö6va  XuirricTac;  •   vOv  be  .  . 

.    .    [\e]\u7Tn|Uai    Kttl    CK   TUJV    ibiuuv    .    .    . 

5 'AXeSdvbpa  be  tüj 

.  .  .  dvbpi  )uveia(g  x«piv  eTToi[ri- 
[ö"€V.  x^ipCTJe  Trdv[T]eq  oi  TrapobeTte. 

Weitere  Ergänzungen  als  die  oben  gegebenen  sind  unsicher. 
Zwischen  Z.  3  und  4  kann  etwa  amöc,  gestanden  haben,  zwischen 
5  und  6  ein  Wort  wie  Y^UKUTdiiu,  zwischen  4  und  5  vielleicht, 
wie  Szanto  vorschlägt,  [^|vfi[|ud  )lioi  i)]Trd|px]ei. 

20.    Auf  dem  türkischen  Kirchhofe  (wie  n.  4). 


MATEPO)    AIONYIION 

TON    ANA PA    EAYTHZ    MNH 
MHi    XAPIN 


Matepuj  AiovucTiov 
Tov  uvbpa  ^auTfiq  |uv)'-|- 


195 


21.   Im  Kloster  der  heilifi^en  Dreifaltigkeit. 


NE    O'tPOH'El 

AAM APTE 

ANTirONHNElKANAPOCEni 

BlOTOlOTEAEY 

5  AE^ATOENNOKC  OIEEKA.  0\ 

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AFNOE    EniKAI    OElOYnO^UUN 
EnETEY^ATO    AOYTPOY 

Den   folgenden  Versuch  einer  Herstellung  verdanke  ich  grüss- 
tentheils  Professor  Kaibel. 

bd|uap  T6 

'AvTiYÖvii,  NeiKavbpO(;  eTT(e)i  ßioTOio  TfcX6u[Tr]v] 

öeHaTo  [e]v  vo[ü]croi(j[i] ba[^a](je6[iq], 

Hjuxri[v]  aiGepeiaiq  dT[opai^?]  Geio  aüu|ua  be  T«[i]il' 
5  eiaÖKai  dvaaTd(yeuj[q]  eu[d]TTe[^]o[v]  ri)ua[p]  iKrjTe, 
dYVoq  eTr(6)i  Kai  ö[a]iou  7Tü0(e)uuv  eTreieuEaTG  XouTpoO. 

Dass   die  Verse    christlich   sind,    macht    die    Erwähnung    der 
Auferstehung  (V.  5)  und  der  Taufe  (V.  G)  unzweifelhaft. 

Wien  E.  B. 


Druckversehen. 


S.  81    Inschrift  b,  Z.   1  zeigt  die  Al).schrift  uicht  VOLKANO,    sondern    (wolil 
irrthümlich)  VOLKAHO. 


Archaeol.-epigtaph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungani  XII  Taf.  I 


Bronze  von  Salona 


Archaeol  epigr.  Mitth,  aus  Oesterreich-Ungarn 


Taf.ll 


Archaeol.  epigr.  MittJi.aus  Oesterreicfi- Ungarn! 


Taf. 


I 


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ArchaeolTepigr.  Milth.  aus  Oesterreich 


TariV 


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Ar(haeul.-(|iio-raph.  Mittli.  aus  öcHteiicich- Ungarn  XU  Taf.  V 


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wi  ii  I  I  i  i  I  !i  II  I  I  ll  !  I  I  ll'l  I  I  l'/' 


Mi-iibung  aiu  der,3  urg. 


Taf.  VI 


Ai<h.T"l.  i-pis-'l.ipli-  Mil'li-  "US  Ocstonoidl-Unsarn  XII 


mOa-li^rs  lS84  bei;DeutScliW«t!nbur  j 


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Archaeol. -opio-raph.  Mitth.  e 


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Taf.  IX 


^si-y^llpunK)'  \$\  um  fc^  SR; 


AirNiin.il.  c-|,iBm|,li.  Miuh.  aus  0..s|prmi:li -Ungarn  Xil 


^TofiU  ion\  Ampi:|iti]faLer. 


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