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THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
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ARCHAEOLOGISCH-EPIGRAPHISCHE
MITTIf^^ILUNGEN
AUS
OESTERREICH-ÜNGARN
HERAUSGEGEBEN
0. BKNiNDOKF und E. BORMANN
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DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN
1887
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THE J. PAUL aZTTY MUGE'JM LIBRARY
INHALT
Seite
Bormanu Etrurisches aus römischer Zeit:
1. Der Schriftsteller Tarquitius Priscus 94—103
2. Der Städtebund Etruriens 103—126
Neugefundene Inschriften :
I. Aus Brigetio 85—87
II. Aus Dalmatien 88—91
Frankfurter Neue und revidirte Inschriften aus Ungarn, Steiermark,
Krain und Kärnten , . . . . 71 — 85
Gomperz Grabepigramm aus Lydieu 188. 189
Zu griechischen Inschriften 91 — 93
Hauser, v. Domaszewski, v. Schneider Ausgrabungen in Car-
nuntum 1 — 18
Klein Studien zur griechischen Malergeschichte:
I. Die sikyonische Schule 193 — 233
Löwy Antike Sculpturen auf Faros 147 — 188
Zur Troilosschale des Euphronios 190 — 192
Ortvay Eine angebliche Binnenstrasse in Pannonien 129—140
Mit Nachtrag von Kubitschek . . . 140 — 146
V. Premerstein Zu einer Gruppe von Inschriften der Augustalen . . 240
K. Schenkl Grabepigramm aus Lesbos 93
Tegläs und Kiraly Neue Inschriften aus Dacien 234 — 239
Tocilescu Neue Inschriften aus der Dobrudscha 19 — 70
Ausgrabiiiigen in Cariiiiiitum
(Tafel I-IV)
Die Arbeiten begannen in diesem Jahre mit der weiteren Auf-
deckung des Lagers und setzten dort ein, wo sie am Schlüsse der
vorjährigen Arbeitsperiode unterbrochen werden mussten. Von der
Ueberzeugung geleitet, dass die Aufdeckung des Lagers vorerst die
wichtigste Aufgabe sei und dass der Erforschung desselben und
Klarstellung seiner baulichen Disposition die volle Rücksicht vor
anderen Arbeiten zugewendet werden müsse, hat die Leitung auch
in diesem Jahre das Schwergewicht der Thätigkeit hierher verlegt
und hier gewissermassen ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Die
Bedenken , dass unmittelbar in die Augen springende Funderfolge
vielleicht im Lager am wenigsten zu erwarten seien, ja hier viel-
leicht in letzter Linie jene Schätze zu Tage treten dürften, welche
das Interesse an den Grabungen in die weitesten Kreise zu tragen
geeignet wären, durften für eine rein wissenschaftliche Erforschung
der Localität am wenigsten bestimmend werden. Die Arbeit musste
hier ihre Fortsetzung finden , um vorerst den Schleier zu heben,
der über dem Lager und dessen erhaltene Theile gedeckt ist, und
man musste sich von vorneherein darauf gefasst machen, dass nicht
jeder Spatenstich Neues und Interessantes bringen könne, ja selbst
Wochen- und monatelange Arbeit erforderlich sei, um in einzelne
Partien der Anlage Klarheit zu bringen und endlich in die Einsicht
der Gesammtanlage zu gelangen. Schon die Grabungen der letzten
Jahre hatten einzelne grössere Baucomplexc und Directionslinien
für die Anlage des ganzen Lagers zu Tage befördert. Um diese
grösseren, in abgeschlossener Form entgegentretenden Baupartien,
welche zugleich die achsiale Stellung der ganzen Disposition be.
stimmen, gruppiren sich eine Unzahl kleinerer Räume, die nur in
ihrer Gesammtfiguration . nicht im Einzelnen , die Vorstellung der
Arcbäologisch-epigraphische Mittb. XI. ]_
Anlage fördern können. Die Aufdeckung und Klarstellung muss
jetzt von den grossen Räumen, von der Mitte des Lagers nach
Aussen gehen, die Auffindung der Lagerstrassen und Thore diese
Klarstellung fördern. Zum Theil ist dies auch in diesem Jahre
ermöglicht gewesen. Die im Berichte von 1885 ausgesprochene
Vermuthung, dass östlich vom Forum eine Strasse in südnördlicher
Richtung durch das Lager laufe, hat ihre volle Bestätigung gefunden.
Die Strasse konnte in einer Länge von 60 Meter vom Forum nach
Süden verfolgt werden und war durch zwei Reihen Randsteine,
die im Mittel 3-45 Meter von einander entfernt lagen, gekennzeichnet.
Allerdings sind nur die Randsteine als zwei lange hinlaufende
Plattenreihen erhalten, während zwischen denselben jede Spur von
Steinpflasterung fehlt.
Im Verfolge der Aufdeckung an der Ostseite des Lagers
stiessen wir wieder auf eine Reihe kleinerer Räumlichkeiten, deren
Mauern in zum Theil sehr zerstörtem Zustande waren und zwischen
denen Reste von Hypokausten und Wasserläufen vertheilt sind, die
aber, weil sichtlich einer argen Verwüstung ausgesetzt, kein deut-
liches Bild des baulichen Zusammenschlusses geben können. An
der östlichsten Grenze der diesjährigen Grabung wurde ein gewölbter
Canal von l'TO Meter lichter Breite und 3-50 Meter lichter Höhe
gefunden, der in der Richtung der Langachse des Lagers gegen die
Donau läuft und als Abzugscanal anzusehen ist.
Nachdem nun durch fünf Sommer die Aufdeckung des Lagers
fortgesetzt wurde und hierdurch viele Theile desselben blosgelegt
waren, schien es mir wünschenswerth, die Resultate dieser Auf-
deckungen zusammenzufassen und die sämmtlichen Pläne zu einem
Plane zu vereinigen. Der Zweck dieser Vereinigung ist, einerseits
ein klares Bild des bereits Gewonnenen zu erhalten, andererseits
die Aufgabe zu präcisiren, welche für die volle Aufdeckung des
Lagers noch zu erfüllen ist. Der angeschlossene Plan Taf. II gibt
die Darstellung des Lagers, soweit seine Disposition bis nun erforscht
wurde. Die Grabungen fanden durch fünf Jahre statt und zwar
in den Jahren 1877, 1878 und 1883 im Auftrage des k. k. Mini-
steriums für Cultus und Unterricht durch die k. k. Central -Com-
mission für Kunst- und historische Denkmale,. in den Jahren 1885
und 1886 durch den Verein Carnuntum. Leider war es mir, als
Leiter der sämmtlichen Grabungscarapagnen, nicht immer möglich,
bei der Arbeit schrittweise vorzugehen, da die längeren Unt(M-
brechungen das Wiedereinsetzen der Arbeit an der Stelle der Unter-
brechung häufig ausschlössen. Es rausste dann jeweih'g zu Beginn
der Arbeit im Mai oder Juni auf die junge Saat Rücksicht ge-
nommen werden, und so entstand nur allmälich und in grösseren
Aufdeckungspartien das Bild der Anlage, das sich nun wie ein
Mosaik zusammenschliessen muss.
Der ganze bis nun aufgedeckte Theil des Lagers liegt südlich
von der von Petronell nach Deutsch- Altenburg führenden Land-
strasse, welche, wie sich nun deutlich herausstellt, nicht unter Be-
nützung einer Lagerstrasse angelegt wurde, sondern ohne Rücksicht
auf die römischen Reste im schiefen Winkel zur Lagerachse durch
das Castrum läuft.
Der grösste Theil der Mittelpartie des Lagers von der Porta
decumana bis an die neue Landstrasse wurde durch die Grabungen
der letzten Jahre aufgedeckt und tritt im beigeschlossenen Plane
ersichtlich zu Tage. In gerader nördlicher Richtung von dem Süd-
thore aus, der Lagerachse folgend, gehen wir, den Mauerzug zur
Rechten lassend, vorwärts. Die Grabung, welche hier noch aus-
zuführen ist, muss Gewissheit darüber bringen, ob dieser lange
Bautrakt, welcher wohl nach Osten weitere Räume und Mauer-
ansätze zeigt, nach Westen vielleicht aus dem Grunde keine er-
kennen lässt, weil hier die Strasse von dem Thore direct in die
Mitte des Lagers führte. Weiter gegen Norden beherrschen als
wichtigste Theile der ganzen Anlage zwei grosse Räume, in gleicher
Achse mit der Porta decumana und dem früheren Mauerzuge liegend,
die ganze Disposition. Die jedenfalls hofartigen Räume A und B
bilden die Haupttheile des Lagers , um welche sich jeweilig eine
ganze Reihe anderer Räumlichkeiten gruppiren. Zwischen den
Räumen A und B lag aber, nach den Funden, die da gemacht
wurden, zu urtheilen, der bevorzugteste Theil des Lagers.
Bei der Beurtheilung der ganzen Anlage im Plane Taf. II muss
man die Hauptlinien und Figurationen der Mauerzüge ins Auge
fassen und dies um so mehr, als sichtlich hie und da einzelne
Mauerzüge in scheinbar unerklärlicher Weise wie zufällig und zum
Ganzen gar nicht gehörig geführt sind. Bei der oft sehr bröck-
lichen Beschaffenheit der Bruchsteinmauern ist aber auch nicht
immer zu constatiren möglich, ob alle diese Fundamentmauern
gleichzeitig, ob einige einer früheren Anlage, andere vielleicht spä-
teren Veränderungen angehören, ja selbst ob sie die Unterlage für
Wände oder nur für Gitterwerk u. dgl. bilden. Die grossen ge-
.1*
schlossenen Linienzüge der Mauern und Räumlichkeiten sind dem-
nach diejenigen, an welche wir uns hauptsächlich zu halten haben.
Der grosse offene Raum A ist seinen Dimensionen und seiner
baulichen Form nach der hervorragendste des ganzen Lagers. Er
kehrt sich mit einer monumentalen Pfeiler- und Säulenstellung nach
einem breiten Vorräume an der Südseite und steht in Bezug zu
Pfeilerstellungen an der Süd- und Ostseite und einem an allen vier
Seiten den Raum umgebenden Umgange. In die südwestliche und
südöstliche Ecke dieses Umganges ist je ein kleiner Raum einge-
baut', der seiner Ausstattung und den daselbst gefundenen Objecteu
nach als Lagerheiligthum bezeichnet wurde. In dem Räume (7 wurde
eine Ära mit reicher Inschrift, im Räume D eine Herkulesstatue
gefunden*). Zwischen den beiden Räumen befand sich der offene
weite Vorraum des Forums A und an denselben stiessen gegen
Süden eine Anzahl Räume, die sich durch Grösse und Einrichtung
auszeichnen. Besondere Beachtung unter diesen fand schon der
Raum Ej in welchem Fragmente einer Jupiterstatue, eines Local-
genius und einer Venus und Amorgruppe gefunden wurden. Rechnet
man zu diesen Funden noch die beiden im Jahre 1883 im Vor-
räume gefundenen schönen Statuen und hält man sich die ganze
monumental angelegte Disposition vor Augen, so bleibt kein Zweifel
über, dass hier der Mittelpunkt des Lagers war und dass wir in
den besprochenen Bauanlagen das Prätorium mit seinem Forum
erkennen dürfen.
Südlich von diesem Baucomplexe liegt der zweite, in seiner
ganzen Figuration ebenfalls geschlossene Theil des Lagers. Um
den offenen Raum B gruppiren sich eine Anzahl keinerer Räum-
lichkeiten, welche nach einem den Hof umgebenden Umgang münden.
Ob dieser Umgang nach dem Hofe geschlossen oder wie er sonst
geöffnet war, lässt sich nicht mehr bestimmen. Der Gesammtein-
druck dieses Baucomplexes, seinen Dimensionen und seiner Anord-
nung nach, ist aber der, dass er dem früheren gegenüber unter-
geordnetere, weniger monumentale Bedeutung hatte. Darf man den
früheren Theil des Lagers als das Prätorium ansehen, so liegt die
Vermuthung nahe, dass wir es hier mit dem Quast orium zu thun
haben.
*) Die ausführliche Besprechung dieser Räumlichkeiten und Funde siehe in
den .Jahresberichten über die Grabungen von 1883 und 188.''k diese Zeitschrift VIII
S. 65 ff.; IX S. 12 ff.
Alle bis jetzt westlich und östlich vom Forum aufgedeckten
Bauanlagen haben keine solchen Gruppirungen ergeben , wie die
früheren ; viele und kleine Räume sind ziemlich regellos aneinander
gefügt, grössere Höfe fehlen vollständig. Die ganze rechts vom
Forum blosgelegte Anlage ist aber durch die Strasse, welche von
Süd nach Norden läuft, von der Mittelpartie des Lagers, vom Quä-
storium und Prätorium abgetrennt. Die Grenzen des Lagers sind
an der Westseite durch die Bloslegung eines Theiles der Umfassungs-
mauer, südlich durch den Rest der Porta decumana gezogen, lassen
sich aber auch in der Gesammtfiguration des Terrains erkennen.
Die Zusammenstellung der bis nun im Lager aufgedeckten
Theile gibt einen Massstab für das, was hier noch zu thun übrig
bleibt. Bis jetzt wurde im Lager eine Fläche von 40.800 Quadrat-
meter aufgedeckt, da dasselbe aber eine Ausdehnung von circa
148.000 Quadratmeter hat, bleiben noch 107.200 Quadratmeter auf-
zugraben und zu erforschen, um volle Klarheit über die ganze An-
lage zu erhalten. Noch viel ausgedehnter ist aber das ganze Gebiet
der römischen Ansiedelung, das zu Carnuntutn gerechnet wird und
zunächst Deutsch- Altenburg und Petronell liegt, das Gebiet, auf
dem durchweg Ausgrabungen gerechtfertigt erscheinen, um mit dem
Lager auch das Municipium und die nächstliegenden Strassenzüge,
Gräber und Badeanlagen kennen zu lernen. Die ganze, an Funden
seit vielen Jahren ergiebige Ackerfläche, von Altenburg bis zum
sog. Heidenthor bei Petronell und von der Donau herein bis zum
Abfall des Plateaus der Ansiedlung nach der Ebene reichend, ist
das Lager inbegriffen, circa 5 Kilometer lang und 2 Kilometer breit
und demnach 3000 Hektar, d. i. 10 Millionen Quadratmeter gross.
An der Hand dieser Zahlen lässt es sich leicht erklären, wie
schwierig es ist, ausserhalb des Lagers jene Stellen aufzufinden,
welche eine erfolgreiche Thätigkeit garantiren und wie gross die
Aufgabe ist, einerseits die Angelpunkte der ganzen Anlage fest-
zustellen, dann aber das ganze weite Gebiet, wenn auch nur in
diesen wichtigsten Theilen bioszulegen.
Gleicherzeit mit den Grabungen im Lager wurde auch die im
Jahre 1885 begonnene Aufdeckung des Begräbnissplatzes fortgesetzt.
Auf Taf. HI sind die gewonnenen Resultate verzeichnet. Eine An-
zahl Mauerzüge, nur als Fundamentmauern erhalten, wurde blos-
gelegt, unter diesen eine Räumlichkeit mit einem absidialen Ausbau
und mit noch zum Theil erhaltenem Betonboden, unter dem drei
Rinnen von geringem Querschnitte hin durchführen. Die Zahl der
gefundenen Scarkophage war in diesem Jahre eine sehr beträchtliche
und zwar im ganzen 70, davon 41 aus Stein und 29 aus Ziegel.
Sie lagen, wie die im vergangenen Jahre gefundenen, sichtlich ganz
willkürlich vertheilt und dürften einer späteren Zeit angehören, als
die erhaltenen Mauerreste. Ein grosser Theil der übrigens ganz
schmucklosen Gräber war schon geöffnet und beraubt, aber auch
die geschlossen gefundenen enthielten ausser Knochen oder geringen
Resten von Gewandung nichts von Bedeutung.
Von dem Bestreben geleitet, auch in Petronell, wohin bis jetzt
das Municipium Carnuntum verlegt wird, eine Sondirung zu ver-
suchen, Hess ich mit gütiger Erlaubniss des Herrn Grafen Otto v.
Traun auf dem Felde unmittelbar an der Ostseite des Marktes,
landeinwärts der Strasse nach Altenburg, an der Stelle, die unter
dem Namen die Petroneller Burg bekannt iet, eine Grabung vor-
nehmen. Es wurde vorerst mit dem Pfluge eine Streifung unter-
nommen und es zeigte sich dabei, dass die tiefgestellte Pflugschar
allerwärts auf Mauerwerk stiess. Die Arbeit setzte nun an einer
Stelle ein, die in ihrer grösseren Erhebung über das übrige Niveau
des Ackers ein grösseres, darunter liegendes Bauobject vermutheu
Hess. Die Erwartungen gingen durch die Aufdeckung der Fun-
damentmauern eines vollständig begrenzten Wohngebäudes in Er-
füllung. Das rechteckige Gebäude Taf. IV ist 22-20 zu 15-75 Meter
gross und zeigt in seiner Grundrissdisposition zwölf viereckige
Räume, die sich um den in der Mitte angeordneten Hof gruppiren.
Da wir es auch hier nur mit Fundamentmauern zu thun haben, ist
die Lage der Eingangs- und Verbindungsthüren , wie der Fenster-
öffnungen nicht mehr nachzuweisen. Der Hof ist mit einem Stein-
pflaster versehen, dürfte also ungedeckt gewesen sein, in den Zim-
mern sind die Böden mit einer Art Beton überzogen, der aber, so
weit er erhalten, als Unterlage einer weiteren Schichte Mosaik oder
Terrazzo zu betrachten ist. Die Mauern sind bis O'öO Meter stark
und lassen auf ein kaum mehr als einstöckiges Gebäude schliessen,
von dessen Aufbau aber kein Stückchen erhalten ist. Die Anlage
des Hauses ist im Allgemeinen der Anlage des antiken Hauses ver-
wandt, ermangelt aber in allen Theilen, wenn man nicht die beiden
gangartigen Räume zur Seite des Hofes als Alae des Atriums an-
sehen will, der ausgebildeten Normalform des pompejanischen Hauses.
An der Westseite des Objectes führte die Verfolgung einer Wasser-
rinne auf zwpi isolirtc rechteckige Räume.
Nachdem diese Arbeit beendet war, wurde noch mit der hier
l'reiwerdenden Arbeitercolonue eine Sondirung in Deutsch-Altenburg
zunächst der sogenannten Mühlgartenmauer vorgenommen. Die
Grabungsstelle liegt östlich vom Lager, wo das Terrain gegen den
PalfFygarten abfällt. Die Grabung konnte hier nur begonnen, aber
in Folge des bald eingetretenen Winters nicht zu Ende geführt
werden. Im Ganzen lässt der Charakter der hier in der Erde ver-
borgenen Reste ein günstiges Resultat erwarten. Die Räume treten
durch den Umstand, dass die Mauern grösstentheils noch über das
Niveau der Schwellensteine reichen, deutlicher in ihrem Zusammen-
hange hervor, die Mauern sind solider construirt als im Lager und es
mangelt der Aufschüttung nicht an einer Fülle von zu den Bauten
gehörigen Bruchstücken und Ziegeln. Die Zerstörungsschichte ist hier
im Ganzen höher und unberührter geblieben als im Lager. Auch
die grösseren Dimensionen und die Formen der Räume stellen für
die nächstjährige Thätigkeit hier ein dankbares Gebiet der Forschung
in Aussicht.
ALOIS HAUSER
II
Inschriften
1. Ära aus Sandstein, h. 0-69, br. 036, d. 026; r. der Genius
Centuriae, 1. ein Füllhorn. Gef. auf der Burg.
DIS- D ABVS
ET- G y E V S
L- C A. V E N
VICTOR
5 O PTIO • D •
• D -
Dis d(e)ahus et G{enio centuriae) eins L. Calven{tius) Victor
Optio d{ono) d(edit).
2. Ära aus Sandstein, h. 0'66, br. 0*35, d. 0'37. Gef. auf dem
Gräberfelde.
I O M
S A C RVM
die C L M R C E L
sie L V S • M E L
5 _EG Wiii
V S L M
8
3. Ära aus Sandstein, h. 0-60, br. 0-28, d. 0*12. Gef. auf dem
Gräberfelde.
I ■ O - M
ü- I VLI VS
Q_y A R T V S
SACERVm
5 S - L • L • M
4. Ära aus Sandstein, h. 068, br. 0'37, d. 0-31. Gef. auf
der Burg. »
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H E L 1 O P O L I
T A N O
LPOMPEIVS
h CAENEVS
PR IN C E PS
LEGXnnCTW
EX VISO-V-S'
• L • M - •
Die Schrift ist bloss mit rother Farbe aufgemalt.
5. Ära aus Sandstein, h. 0-34, br. 0'20. Gef. auf der Johannis-
breite bei Pctronell. Jetzt im Schlosse des Grafen Traun.
S 1 L V A N
O D O M E
ST C O S
M B V
6. Ära aus Sandstein, h. 097, br. 0'41, d. 030. Gef. auf dem
Burgfeld.
PRO S A L Xt
ETRVSC ILL Ae
AVGMATRIS
CASTRORW
Der Rest der Inschrift, 5 Zeilen, ist cradirt.
7. Bruchstück einer Tafel aus Sandstein. Gef. in der Mülilau
neben der Burg von Deutsch-Altenburg.
Leg*a
9
Dieses Bruchstück rührt, wie der Augenschein lehrt, von einem
dritten Exemplar der bekannten Bauinschrift des Lagers her. Und
zwar gibt es zum ersten Male Reste der letzten Zeile. Die Ergän-
zungen, welche Hirschfeld Mitth. V, S. 216 vorgeschlagen, werden
bestätigt und gesichert. Doch scheint die Zeilenabtheilung in dem
neuen Exemplar von der der früher bekannten etwas verschieden
gewesen zu sein; wenigstens scheint für Valerio in der drittletzten
Zeile kein Raum:
Festo le]g. [Aug. pr. pr.
Q. Egnat]io C[ato leg. Aug.
leg. X[v Apol.
8. Fragmentirte Grabstele mit Giebel, in welchem ein Schild.
H. 0-65, br. 0-70, d. 0-10. Gef. auf dem Gräberfeldc.
C* AI.j3IVS
SAB l//
Rl/J
9. Fragmentirte Grabstele, h. 0-41, br. 0-53. Gcf. auf dem
Gräberfclde.
^-
ANTONIE
APIRIA - CELPJ
y C I N O ■ v/
L
rCim-o
LIBi
U/
RTI
d.] m. M. Antoni[i /. /. P]apiria Cele[ris T]icino v[eter.] hg. Xllll
</[em.] M. [F.] Au. . .cns [et] Cit[us] lib[e]7-ti [/{aciendum)] c{uraverunt) .
Die italische Herkunft eines Veteranen der legio XIlII gemina
aus dem Lager von Carnuntum ist bemerkenswerth. Nach Moramsens
Ansicht schloss bereits Vespasian die Italiker vom Legionsdienste
aus (Hermes XIX S. 20). Mit dieser Annahme steht unsere In-
schrift im Widerspruch. Denn die 14. Legion ist, soweit wir sehen
können, erst im 2. Jahrhundert nach Pannonien gekommen. Dann
aber kann dieser Soldat, der hier im Lager von Carnuntum seinen
10
Abschied crliielt, bei der damals noch zwanzig?) ähriscn Dienstzeit
nicht vor Vespasian ins Heer getreten sein. Ueberhaupt erscheint
CS wahrscheinlich, dass der Ausschluss der Italilcer vom Legions-
dienst im Zusammenhange steht mit der Einführung der örtlichen
Conscription durch Hadrian. Vgl. auch meine Bemerkungen „die
Fahnen im römischen Heere" S. 31 Anm. 1.
10. Grabstele mit Giebel, h. 091, br. 057, Im Tympanon ein
Schild mit zwei Lanzen. Gef. auf dem Pfarracker bei Petroncll,
jetzt im Schlosse des Grafen Traun.
C • A VFIDI
V S-LFQyk
SVRA • Do
MO ■ IBVl'O
5 "'^TERANV
[EG-XVAI'O
Z. 3: Das o ist mit d ligirt.
Z. 1: Heupo = HeliopoUs?
1 1 . Tafel aus Kalkstein, gef. auf dem Gräberfelde.
. , . Lijccai [fil{ius)] Colap{ianus) [mü{es)?] cho(rtis) 1 Ulp{iae)
[Pan{nonioruvi)] an{norum) VL st(i)p[e7idiorum) . . . h[ic) s(itus) e{st)
Prec[io?] Ta. . . ,
Liccaius als pannonischer Name bezeugt in der Inschrift C.
I. L. III, 3224: . . . . cemaes Liccavi /. Amantinus; vgl. Mommsen
z. St. Die Colapiani wohnen nach Plinius n. h. 3, 147 im Thale
der Save. Die cohors I Ulpia Pannoniorum war, soweit wir sehen
können, immer in Pannonia superior stationirt, vgl. C. I. L. III
p. 1152. Precio als pannonischer Name auch in der Inschrift C.
I. L. HI, 3400: Perso (?) Precionis /. Scordisc{us) Die Ergänzung
eines peregrinen Namens wird durch den Stil unserer Inschrift nahe
gelegt.
11
12. Tafel aus Sandstein, h. 039, br. 043, d. 0*12. Gef. auf
der Johannisbrcitc bei Petroncll, jetzt im Schlosse des Grafen Traun.
T I T V L V) .
N I M E N t\
S I T V- EX- CC
COL EGl • F A
5 C ■ £--- —
. . .til:alu\ji 7/io]nivieid[l po]säu(s) ex co\l{iata) p{ccHnia)] col{l)egi
fa[b]\um)] c{olonia(i) C{aruunti) . . .
13. Grabstele gef. in Petronell; bei Grafen Traun.
L • C L 1 t e r
N I V S • L • L I BJ medicus
VETER- INARJ'VS-IL
A • L H • Sl e
5 CLITERNIAM /////// A
P ATRl- SVO ■ POSVIT
aRBITRATV- FLAVIA E SEC uudac
C ONI VGIS • EIVS- ET- j
CLITERNI-PACATI-LlBERTl]
10 EIVS /
14. Grabstele mit leerem Giebel, h. M4, br. 062, d. 0'25.
Gef. auf dem Gräberfelde.
V I B I A • C • L
C I T H E R I S
AN- Xl-H-S-E-
VIRCO hIc • SEP V L
b TAFIDA P VE 1. LA- lA
C E T ANTE Q_V I D E M
TEMPVSFATAR AP VE
RVNT-MALASCRIP SI
EGO PERLACRIMAS
10 MISERABILISMOR
TEPVELLA F_P__-_P
Z. 4—11 sind die misslungenen Verse zu beachten.
15. Tafel aus Sandstein, gef. in der Mühlau bei Deutsch-
Altenburg. Bei Baron LudwigstorfF.
r2
£1 A L-
^UPP-COR
(O VACH AL-
j
Z. 1 : Der Mittelstrich des e ist nur durch die Farbspuren
erkennbar. — Z. 2 der erste Buchstabe war vielleicht h. — Z. 2
u. 3: Vielleicht tor[nicen ex coh. n]ova Chal{cidenorum).
16. Tafel aus Sandstein, h. 047, br. 0-36. Gef. auf dem
PfafFenberg.
Von einer Ergänzung dieser schwer zu deutenden Reste habe
ich Abstand genommen, da Baron Ludwigstorff am Fundorte Nach-
grabungen veranstalten wird. Der Pfaffenberg ist die höchste Spitze
des Hundsheimerberges. Auf diesem beherrschenden Punkte hatten
die Römer ein Castell errichtet, in welchem zu Zeiten auch eine
Vexillation der 14. Legion stationirt gewesen ist, wie bereits die
Inschrift Eph. epigr. IV n. 520 erkennen Hess.
17. Tafel aus Sandstein, gef. auf dem Burgfelde; bei Baron
Ludwigstorff.
Schreitender Stier
in einer Aedicula
L- X - G •
p.p.
Die Münzen des Gallienus (vgl. „Die Fahnen im römischen
Heere" S. 55) zeigen den Stier als Fahnenthier der legio X gemina.
Die religiöse Verehrung der Signa erstreckte sich auch auf diese
Thiere und sie findet ihren Ausdruck in diesem von der gesammten
Legion errichteten Votivrelief.
A. V. DOMASZEWSKI
13
III
Bildwerke
1. Tanzende Mänade, Statuette aus Marmor. Es fehlen der
Kopf, die Arme von den Schultern an, die untere Hälfte des linken
Unterschenkels mit dem Fusse, der rechte Fuss mit der Fusswurzel
und Theile des Gewandes. Das übrig gebliebene Stück {0"53 hoch)
ist quer von der linken Brust bis zur rechten Hüfte entzwei-
gebrochen , überdies an der Brust , den Gewandsäumen und auch
sonst bestossen. Die Ergänzung des Fehlenden ist nicht mit voll-
kommener Sicherheit zu bestimmen. Die gesenkte linke Hand
muss das Gewand, welches in der leidenschaftlichen Hast des
Tanzes der Mänade zu entgleiten droht, an einem Zipfel ergriffen
haben. Einen anderen hielt vielleicht auch die rechte, doch ist
es möglich, dass der Mantel über den rechten Vorderarm geworfen
war, und dass die erhobene rechte Hand den Thyrsos oder das
Tamburin geschwungen hat. Man vergleiche die Mänade der borghesi-
schen Vase Clarac 131, 143 rechts oben, und eine andere auf einem
14
albanischen Reliefe Zoega hassiril. ant. II 82. Der fast völlig
entblösste Körper ist von schlankem Wüchse, die Hüfte breit
und die Beine kräftig. Aehnlichen tanzenden Gestalten begegnet
man öfter unter den römischen Denkmälern der österreichischen
Länder, so auf drei Reliefs im Schlosse Seckau bei Leibnitz in
Steiermark, an den Schmalseiten des „Prangers" in Pettau (Conze,
römische Bildwerke einheimischen Fundorts in Oesterreich, Taf. VI),
auf einem Reliefe zu Tiffen in Kärnten , auf einem nur aus Zeich-
nungen des Boissard und eines Augsburger Codex bekannten Votiv-
steine aus Feistritz (Corpus Inscr. lat. 5307) u. s. w. Sie beruhen
auf hellenistischen Vorbildern und gehören zu den charakteristi-
schen Motiven der provinciellen Kunsttibung. Die Statuette aus
Carnuntum fügt sich als das erste unserem Boden entstammende
Rundbild in diese Reihe ein. Ihre Arbeit ist von handwerksraässiger
Tüchtigkeit.
2. Fragment eines Grabsteins, links und unten gebrochen,
0-39 hoch, 0'62 breit. Erhalten ist ein Stück der runden Nische,
rechts in ihr der Kopf eines Mannes mit kurz geschorenem Haupt-
haare, ausserfialb derselben ein Delphin. Das Ganze ist von einem
Giebel bekrönt, in dem noch Spuren rother Bemalung sichtbar sind.
3. 4. Die wichtigsten Funde der vorjährigen Ausgrabung sind
Bruchstücke zweier Reliefs. Sie zeigen analoge Darstellungen von
O-flh
symnu'triscli<M- Anordnung, so dass sicli aus der vorlumdenen einen
Hälfte die verlorone andre wenigstens im W^eseutlichen herstellen lässt.
15
Das erstere aus Marmor, links und unten gebrochen, 0*085 hoch
und 0126 breit, zeigt eine aufrecht stehende verschleierte weibliche
Figur, zu welcher jederseits ein Reiter in phrygischer Tracht heran-
tritt. Die Pferde scheinen aus zwei von der Frau ihnen vorge-
haltenen Gefässen von der Form kleiner Truhen zu fressen. Hinter
dem vollständig erhaltenen Reiter rechts schwebt eine Victoria mit
Kranz und Palmenzweig. Ueber beiden Reitern ist je eine Schlange
angebracht und hinter derselben ragt eine zepterähnHche Stange
empor; es ist nicht zu entscheiden, ob dieselbe von ihnen gehalten
oder frei in die Erde eingepflanzt zu denken ist. Ueber der mitt-
leren Figur sieht man drei Büsten und über der Schlange rechts eine
vierte, der ohne Zweifel auf der anderen Seite eine fünfte entsprochen
hat. In den ersteren sind wohl die capitolinischen Götter, in den
letzteren Helios und Selene zu erkennen; bei der rohen Ausführung
des Reliefs ist eine nähere Kennzeichnung derselben nicht zu erwarten.
Das andre Relief, 0-076 hoch, 0072 breit, ist in Kupfer ge-
trieben und war gleich der dem Zeus Dolichenos geweihten drei-
eckigen Platte aus Traismauer (jetzt im Antikenkabinet) mit einer
dünnen Schichte aus Silber belegt. Hier steht die weibliche Figur
in der Mitte etwas höher als die Reiter und hält ein zum Schurze
o oy .
•^
ml
r^ «^^ ^
aufgenommenes Gewand vor sich. Der Reiter zur Linken ist voll-
ständig erhalten und mit phrygischer Mütze und im Winde flat-
terndem Mäntelchen bekleidet. Ihm folgt zu Fuss in gleicher Tracht
ein Mann mit einer Lanze. Darüber ist die Schlange sichtbar,
diesmal deutlich mit einem Kamm und bärtig. Die Zwischenräume
sind mit Sternen besäet. Das Relief scheint auf Blei getrieben
worden zu sein und ist nur flüchtig ciselirt worden; die Formen
sind sehr stumpf und zum Theil undeutlich.
16
Ihrem Schema nach entsprechen diese Darstellungen den
Votivreliefs der Dioscuren aus Sparta, Stobi (Makedonien) und
anderen Orten. Aucii sind in den Reitern rechts und links von
der weiblichen Figur diese Heroen, welche in den Vorstellungen
des späten Alterthums begrifflich und bildlich mit den samothraki-
schen Kabiren sich deckten, zu erkennen. Schwerer ist es, die
Erklärung für die weibliche Gottheit zu finden. Im zuerst beschrie-
benen Relief füttert sie die Pferde und muss deshalb in diesem
Falle als deren Schutzgöttin Epona gelten. Ob aber diese Deutung
auch für das zweite Relief und die zahlreichen analogen Darstel-
lungen, welche in Aquincum und; Brigetio, Siscia und Siebenbürgen
zum Vorschein gekommen sind, bindend sei, könnte nur auf Grund
einer eingehenden Untersuchung dieser Monumente entschieden
werden. Es ist möglich, dass beide Reliefs aus Carnuntum sich
noch ein gutes Stück nach unten fortgesetzt und mancherlei sym-
bolisches Beiwerk enthalten haben. Ich behalte mir vor, auf diese
merkwürdigen Denkmäler, welche für den Synkretismus der antiken
Religionen von hohem Interesse sind, an anderer Stelle zurück-
zukommen.
5. Fragment aus Elfenbein, 0-125 lang, 0-04 hoch, O'OOS dick,
mehrfach zersprungen und zum Theile auseinander gespalten. Es
junnnncr
--^^S..^
zeigt auf beiden Seiten Reliefs: vorne eine mit einem Diadem be-
krönte weibliche Büste (wohl Aphrodite) und ihr zugewandt, be-
17
quem auf dem Boden hingelagert, Eros mit der Kithara; hinten
eine ähnliche Büste, daneben den Rest eines Flügels und den kleinen
Eros, wie er mit Schild und Speer gegen ein Kaninchen losstürmt,
das den Angriff erwartet. Zur Sache vergl. Mon. ined. IV 39 und die
verwandten Darstellungen. Die Form des Bruchstückes, sowie der
Umstand, dass es auf beiden Seiten mit Darstellungen verziert ist,
legt den Gedanken nahe, dass dasselbe als Seitenlehne einem kleinen
Thronstuhle angehört hat. Am oberen Rande bemerkt man die
Reste eines Pantherkopfes mit heraushängender Zunge.
6. Eine ähnliche Bestimmung dürfte auch einem aus Elfenbein
geschnittenen Panther (0*068 lang) zuzusprechen sein. Derselbe
hält zwischen seinen Vordertatzen einen Widderkopf. Das Oehr
in dem zur Einfügung zugerichteten Ansätze hinten, sowie eine
: 66...
tiefe Furche, die längs seines Leibes unten angebracht ist, deuten
auf die ornamentale Verwendung des Figürchens etwa an der
Seitenwange einer kleinen Kathedra.
7. 8. Zwei Lampen mit Gladiatoren. Auf der einen ein Gla-
diator aufrecht stehend mit viereckigem Schilde, gesenktem kurzem
(i^4*äfl*4<-:-''iVi'*lv^
Schwerte und über das Gesicht gezogenem Visirhelme, zum Angriffe
bereit. Um die Hüften trägt er das Subligaculum und den Balteus ;
seine Unterschenkel sind mit Riemen umwickelt. Auf der anderen
Arcliäologiscli-epigniphische Mitth. XI. o
18
Lampe ist ein Gladiator abgebildet, der sich auf ein Knie nieder-
gelassen hat. Er trägt in der Linken eine Parma, auf dem Haupte
einen Helm mit Crista und zwei im Winde flatternden Bändern,
um die Hüfte einen seitlich hinaufgezogenen Schurz und an den
Beinen Ocreae. Die Waffe, welche er in der mit Riemengeflecht
bewehrten Rechten führt und nach der sich vielleicht die Gattung,
der er angehört, bestimmen Hesse, ist nicht sichtbar. Der Gladiator
war möglicherweise im Kampfe mit einem Thiere dargestellt, für
welches auf dem abgebrochenen Theile der Lampe noch Raum war.
9. Ausserhalb des Ausgrabungsfeldes wurde im Laufe des
letzten Jahres ein Carneol mit dem vertieft geschnittenen Bilde des
Kaisers Antoninus Pius gefunden, den Freiherr v. Ludwigstorff" für
die Sammlung in seinem Schlosse erworben hat. Der Stein ist von
dunkler honiggelber Farbe; wenn auch stellenweise abgesplittert,
hat sich das Porträt auf ihm glücklicherweise fast unversehrt erhalten.
In der feinen und sorgfältigen Ausführung dürfte dasselbe die
meisten in Stein geschnittenen Köpfe dieses Kaisers (Wiener Samm-
lung n. 822. 823; Berliner V 175; Neapler, Visconti iconogr. vom.
pl. 39 Fig. 4; Lippert H 734. 736. 739) übertrefl'en. Antoninus
Pius mit dem Paludamentum und dem Lorbeerkranze im Haar, ist
hier den Stirnfalten und den etwas eingefallenen Wangen nach in
seinen älteren Jahren dargestellt, und, wie die Vergleichung mit den
Münzen lehrt, einigermassen idealisirt. Tafel I gibt unter 1 den
Intaglio in wirklicher Grösse, unter 2 die Münze (Cohen 687), deren
Aufschrift „r^o? Quadis datus''^ nebst der in Rom gefundenen Grab-
schrift eines in Carnuntum verstorbenen Beamten seines Hofstaates
(Wilmanns n. 256 -^ C. L L. VI 8878) auf des Kaisers Anwesenheit
in dieser Stadt schliessen lässt (vgl. Arch. - epigr. Mitth. X S. 16
= Jahresbericht des Vereines „Carnuntum" 1885 S. 23), unter 3
eine Goldmünze desselben aus dem Jahre 154 (Cohen 312) und
unter 4 eine andere aus dem Jahre 159 (Av. : antoninvs avg-pivs
p- p-TR- p- XXII - = Cohen llOl — Rev.: vota svscepta dec • iii cos- im
= Cohen 1120, Darstellung ^^ Cohen 1095). Die Münzen sind der
kaiserlichen Sammlung entnommen.
ROBERT V. SCHNEIDER
19
Neue Inschriften aus der Dobrudscha
(Vgl. Jahrgang VI S, 1 ff., VIII S. 1 ff.)
I. Recka (mtmicipium, später colonia Romula).
1. Tafel aus Sandstein, h. 0-9, br. 1-08, d. 0-25, gefunden im
Herbste des Jahres 1884 in den Ruinen nächst dem Dorfe Recka,
unweit von Carakal (Distrikt Romanatzi), unmittelbar am Stadt-
thore des alten Romula. Es ist die Bauinschrift der römischen
Festung. Die -Herren Dr v. Domaszewski und Dr C. Schuchhardt
haben auf ihrer Reise im Sommer vorigen Jahres diesen Stein im
Hofe des Dorfpfarrers aufgefunden. Heute befindet sich das Denk-
mal im Nationalmuseum zu Bukarest.
Obgleich die Inschrift sehr verwittert ist, besonders in den
ersten neun Zeilen, so glauben wir doch, sie mit Erfolg und voller
Sicherheit entziffert zu haben. Wir erfahren durch dieselbe die
Zugehörigkeit jener Ruinen bei Recka, die von den Einwohnern
Antina (für Antonina) genannt werden. Hier lag danach Ro-
mula, im Zeitalter des M. Aurel und L. Verus ein Municipium
(C. L L. HI 753), unter Philippus, nach dem Zeugnisse unserer
Inschrift, Colonie. Das Denkmal ist vom Jahre 248, nach dem
Siege Philippus des Vaters über das dakische Volk der Carpen,
die fortwährend die Provinz beunruhigten. In dem Kriege hatte
sich die Noth wendigkeit ergeben, einen Mauerring zu errichten.
Unter den Soldaten, die den Bau ausführten, ist wahrscheinlich der
nuvierus Syrorum sagütariorum zu verstehen, der sich in dieser
Epoche daselbst befand (C. I. L. III, 1593; diese Zeitschrift VIII
S. 34).
Der Text der Inschrift wurde von Herrn Dr. v. Domaszewski
und mir gemeinschaftlich festgestellt.
IMP CAE«^ «lR-MiVL
PVS U / 1 LIX'I Jl T\
/-^ I R t Vr TVCSn
ETMIVLP ILiPP VMI
OiIMPCal O INCEPS
IVVENl-rliarillVahl I
avcetmotaciliasev'era
sanctissimaavc n esti
2*
20
TvTO«. ESv^.vDiS wlIVS
10 OBTVTELAMCIVIT€L®IÄSVt
R0MVLCIRCVIT\MMVRIMANV
MILITARI A SOLOFECERVNT
Imp. Caesar M. Iul{ius) [Phil{p]pus Piu[s] F[e]lix i'nvi[c]tu[s
A]ug(ustus) t7H[biutncia)] pot{estate) V c[o]s. I[I]I [p{ater) piatriae)
l.iroco{n)s{iil)\ et M. Iul(ius) P\^h]ilipp[iis i]u7iior imp{erator) c[6]s. I[I
pr]o[cos. p7]mceps iuvenfutis p{ater) p(afriae) Pius Fe\I\i\pc\ Aug{ustus)
et M{arcia) Otacilia Severa sanctissima Aug(usta) n{pstrd) {i-^estitutores
orbis [t]otius ob tutelam civit{atis) coloniae suae Rom,nl{ae) circuitum
niuri manu militari a solo fecerunt.
2. Basis aus gewöhnlichem Stein mit den Resten weiblicher
Füsse (einer Diana) und den unteren Theilen eines Hundes; h. 032,
br. 0*25, d. 0*1 . Gef. in Recka, jetzt in meinem Besitz. (Weniger
genau C. I. L. III, 1588).
sie D I A ^E E E T a|
Qs ton vk®
NAPROSM "Et^
F I L I O RM S .
Dian{a)e Capito JI vir co\l. et~\ na p'o sahit*'
e[t redifn?] ßliorum s[uorum.
II. Platra.
3. Ziegel , gef. in Piatra (der ersten Eisenbahnstation von
Slatina nach Virciorova), jetzt im Museum zu Bukarest.
OHI ICOM
c\oh{ors) II Com(magenorum),
Denselben Stempel hat ein anderer Ziegel, gef. in Recka, jetzt
in Bukarest im Besitze des Majors Papazoglu.
III. Turn-Severin (Drobetae).
4. Ära aus gewöhnlichem Stein, gefunden zu Turnul-Severin,
befindet sich daselbst im öffentlichen Garten. H. 074, br. 007,
d. 062.
21
M D M
A B V C(EA
C L A V D I
ANA
V S L M
Z. 1 : M(atri) d(euTn) m{agnae).
IV. Afumatzi.
5. Gewöhnlicher Stein, h. 1*90, br. 0-80. Gef. im Dorfe Afu-
matzi (Distrikt Dolj), jetzt im Museum zu Bukarest. Die Inschrift,
von Guirlanden umgeben, ist ziemlich verwischt.
D JW
C Q_V I N T I N
I V S VICTOR
IVNIORVIXT
5 ANN I SVIII PO
S V I T C Q_V I N
TINIVS VIC
TORPATER
F ILIO CARO
d. m. C. Quintinius Victor iunior , vixit annis VIII; posuit C
Quintimus Victor pater filio caro.
V. Ghighen {Oescus).
6. Ära aus weissem Marmor, gefunden zu Ghighen; befindet
sich jetzt in Nicopolis im öffentlichen Garten. H. 11, br. 0*51,
d. 0-51. (Weniger genau C. I. L. III 6127.)
D * I * M *
M * TITI VS *
M A X I M V S *
n VIRALI S *
5 COL* VO TO
LIBEN S PO
SV1T*SCR<!>AELIAN*
Z. 7 scr{ipsit) AeUan{us) , wie schon im Index des Corpus
p. 1196 angenommen ist.
^
7. Ära aus gewöhnlichem Stein, gef. zu Ghighen; jetzt im
öffentlichen Garten zu Nicopolis. H. 0-82, br. 0-43, d. 0-4. (Weniger
genau C. I. L. III, 6128.)
Z. 4 vielleicht pfater), s{acerdos)-^ vgl. den pater et sacerdos
huius loci in der wohl mithräischen Inschrift C. I. L. VI, 738.
VI. Rustschuk {Sexanta Frista).
8. Tafel aus Marmor, h. 0'22, br. 0-22, d. 0-02, mit der Dar-
stellung des sogenannten thrakischen Reiters, Gef. zu Rustschuk
im Hause des Herrn Ivanof.
HERONI
^MARQIAVVS LECTl VOT SOL
In Zeile 2 scheint es zweifelhaft, ob zwischen mar und avvs
man qi oder o mit einem als Interpunction dienenden Blatte zu
erkennen hat.
VII. Si§tOV {Nwae).
9. Gewöhnlicher Stein, h. 120, br. 0'71. Gef. zu Sistov, jetzt
im Museum zu Bukarest. Oben eine Aedicula mit zwei Büsten
(Frau und Mann), unten ein Stuhl und ein Tisch mit Speisen (Dar-
stellung des Todtenmahles).
I V L I V S
1 ERO NEG
//lAT/--
vixanlx
Z. 1. 2 wohl lulius {H)iero neg{otiator) . — Die Lesung von
Z. 3 ist noch nicht gelungen.
23
VIII. Silistria {Durostorum).
10. Grabschrift aus Kalkstein; sammt den folgenden drei bei
der Niederreissung der Festungsmauern von Silistria gefunden.
H. 0-55, br. 06, d. 0-18.
CTTtTl V S A Q_V E k
CORN • T RIB • LE<»
-XI- C L -
Q_- CARMATVS
5 FELIX- PATRO
MO^- B E N E -ME
Etwa [Q. Carmaeus] Lae[t]us A(quis) Quer {quer nie) (?), c&rn(i-
cularius) trib(un{) leg{ionis) XI Cl{audiae) ; Q. Carma[e\us Felix
patrono bene me[re7iti j^osuit].
11. Tafel aus Kalkstein, jetzt im Museum zu Bukarest. H. 0'85,
br. 0*71, d. 0*14. lieber der Inschrift soll ein Ornament oder eine
Sculptur angebracht gewesen sein ; leider wurde der Stein oben
und unten abgeschnitten, um als Baustein zu dienen. Die Inschrift
ist von einem einfachen Rahmen umschlossen. Die Form der Buch-
staben weist auf das 3. Jahrhundert.
D M
VALERIO ■ MARCO
M I L • LEG • XI - CL • 0 ■ V I
X I T • A ^N • XLV ■ S T P
.5 XXVI- AVRELIA
FAVSTINA-CONIVX
ETffiReS VNACV«
VALERIIS - DECIBALM
"E - SEICIPERE -'E-MAMv
10 TZIM-'EMACARIA-
■E-MATIDIA-FILIIS
SVIS-MARITO- PIEN
Xa_g_g_ IM <s R_B,_V I C R_V_M
Das kleine m am Schluss von Z. 8 soll vielleicht eine Ligatur
von V und m sein.
Von den barbarischen Namen dieser Inschrift ist Decihalus
aus der Literatur und aus Inschriften (z. B. C. I. L. III, 4150; VII, 866
= 539) bekannt; Seiciper und Mamutzis erscheinen hier wohl zum
ersten Mal.
24
12. Tafel aus Stein.
Ä/iAEIRENEO
TANNIS ■ LV • CAT
RVS -VECTIG
y IL- STAT-DVRO S
5 |rarissimo
Die am linken Rande hinzugefügten schiefen Buchstaben sind
der Copie eines Romanen aus Silistria entnommen.
Vale?]riae Irene [quae vixi]t annis LV Cat rus vectig(aUs)
[lllyrici] vil{icus) stat{ionis) Duros[tori ] rarissimo ....
13. Fragment eines Cippus aus weissem Marmor mit schönen
Buchstaben. Von mir auf dem Friedhof in der Nähe der Stadt
gefunden.
Imagi*^ "//
14. Die Inschrift aus Silistria (diese Zeitschrift VI S. 3) be-
findet sich jetzt im Museum zu Bukarest. Z. 6 ist zu lesen leg.
IX. Oltina (Kreis Silistra-Nova) .
15. Am 20. März v. J. waren zwei rumänische Bauern des
Dorfes Oltina, im Bezirke Constantza, mit der Grabung eines
Wasserablaufs in der Nähe des Teiches Oltina beschäftigt. Wäh-
rend sie die Erde aushoben, stiessen sie mit dem Spaten, in einer
Tiefe von etwa 0*3 M. , auf eine beschriebene Bronzetafel, welche
sogleich ins Administrationsami Ostrow getragen wurde. Als ich
dies erfuhr , ging ich eiHgst dorthin , um dem Funde nachzu-
forschen. Ich erweiterte die Spalte, in der die Tafel gefunden war,
bis auf eine Länge von 8 M. und eine Breite von 2 M. Bei 03 M.
Tiefe konnte man leicht einen Steg bemerken, und aus der Ver-
tiefung dieses Stegs wurden Cementstücke , dünnere und dickere
Topfscherben, Henkel, verkalkte Knochen, gebrannter Thon heraus-
geholt, auch waren Reste von zwei Oefen noch sichtbar, nämlich
das obere Gewölbe, aus Cement, Ziegeln und Thon geformt.
Diese Tafel befindet sich jetzt in unserem Nationalmuseum.
Sie ist die erste von den zwei Tafeln eines Militärdiploms. Die
Schrift der inneren Seite ist nachlässig; der Wortlaut ist auf beiden
Seiten der gleiche, abgesehen von der Verschiedenheit der Zeilen-
abtheilung und davon, dass auf der inneren Seite Z. 7 arvacorvm
25
steht, auf der äusseren ara'-acorvm, und dass der Text der inneren
Seite mit quorum nomina subscripta sunt i])sis liheris schliesst.
Aeussere Seite :
o
ImP • CAESARDI vi • NER VAE • F • NERVA • TRAIAN VS
avgvstvs- germanicvs- pontifex- maximvs
t r i b v n i c • potestat ■ 1 1 1 • cos -11- p • p
eqvitibvs-etpeditibvs-qyi-milttant- inalis
5 tribvs-et-cohortibvssexqvaeappellanTvr
gallorvm-flaviana- et-i pannoniorvm • et
ü-hispanorvm-et-arnacorvm-et-i-svgam
BRORVMVETERANA- et- I- BRACAR-AVGVSTA
norvm- et- i- hispanorvm- veterana-et-il
10 mattiacorvm- et- tt- gallorvm- et- vbio
rvm-et-svnt-iniwoesia-inferiore-svb-q.
pOMPONio- rvfo- item- dimissis- honesta
MISSIONE QVl QVINA-ET- VICUNA- PLVRAVE
STIPENDIA JWERVERVNT • QyORVM NOMINA
o o
15 SvBSCRIPTA- SVNT-IPSIS-LIBERIS POSTERISQVE
EORVMCIVITATEMDEDIT • ETCONVBIVM • CVM
vxoribvs-qvastvnchabvissent-cvm-est
civitas iis data avt- siqvi caelibes essent
cvmiisqvaspostea dvxissent - dvm ta
•jo xat-singvll-singvlas
a- d- xviii 1- k ■ septembr
Q_- FABIO- BARBARO
A- CAECILIO- FAVSTINO CoS g,. 99
COHORT - II • GALLORVM- CVI - PRAEST
-25 VISVLANIVS -pED ixi CRESCENS
M- ANTONIO M- F- RVFO ABRETTEN
E T MA RCO ■ F • EIVS
DESCRIPTVM-ET-RECOGNITVM-EXTABVLA-AE
NEA-QVAEFIXA-EST-ROMAEINMVRO-POST
30 TEMPLVM ■ DIVI AVG • AD MINERVAM O
Innere Seite:
ImP- CAESAR- DIVI-NERVAE F-NERVA- TRAIAN VS
AVGVSTVS GERMANICVS ■ PONTIFEX MAXI
MVS TRIBVNIC - POTESTAT - TiT - COS - TT - P - P
26
EqVITIBVS et PEDITI O BVS • QVI MILITANT • IN
5 ALIS TRIBVS ET-COHORTIBVS SEX-QVAE- APPELLAN
TVR-GALLORVM FLAVIANA ET-I-PANNONIORVM
ET - IT - HISPANORVJW - ET • ARVACORVM- ET- T- SV
GAMBRORVM - VETERANA - ET - T BRACAR • AV
GVSTANORVM-ET-I-HISPANORVM-VETERANA-ET
10 11 • MATTIACORVM • ET - Ü • GALLORVM ET VBIO
RVM • ET • SVNT- IN • MOESIA INFERIORE • SVB • Q_-
POMPONIO • RVFO • O '"^EM DIMISSIS HO
NESTA ■ MISSIONE • QVI QVINA • ET • VICENA
PLVRAVE-STIPENDIA-MERVERVNT-QVORVM
15 O NOMINA -SVBSCRIPTA- SVNT- IPSIS • LIBERIS O
Imp. Caesar, divi Nervae /., Nerva Traianus Augustus Germa-
nicus, pontifex maximus, trihnnic{ia) potestat(e) III, co{n)s{ul) II,
p{ater) p{atriae), equitihus et peditihus, gui militant in alis tribus et
cohortihus sex, quae appellantur (1) Gallorum Flaviana et (2) / Pan-
noniorum et (3) II Hispanorum et Aravacorum*)\ et (1) / Sugam-
hrorum veterana et (2) / Bracaraugustanorum , et (3) / Hispanorum
veteranu et (4) II Mattiacorum et (5) II Gallorum et (6) Ubiorum,
et sunt in Moesia inferiore suh Q. Pomponio Rufo, item dimissis
honesta nüssione, qui quina et vicena plurave stipendia merueruut,
quorum nomina subscrivta sunt, ipsis liberis posterisque eorum civita-
tem dedit et conubium. cum uxoribus , quas tunc habuissent, cum est
civitas iis data, aut, siqui caelibes essent, cum iis quas postea duxis-
sent dumtaxat singuli sir,gidas\ a. d. XVIIII k(alendas) Septembries)
Q. Fabio Barbara, A. Caecilio Faustino co{n)s{:ulibus) .
Cohortii) II Gallorum^ cui praest Visulanius Crescens, pediii,
M. Antonio M. f. '^^/o Abretten{si) et Marco f{ilio) eius.
Descriptum g^ recoqnitum ex tabula aenea, qtiae fixa est Romae
in muro post tej^rpi^^^ (^{^i Aug{usti) ad Minerva^».
Bekanr^j. ^g^^. bereits ein anderes Diplom von demselben Jahre
und dems-jiben Tage, angeblich bei Philippopel gefunden (C. I. L.
III dipl. XX p. 863), für Auxilia derselben Provinz unter demselben
Legat gjj Q Pomponius Rufus. In diesem sind andere Auxilia auf-
^^^''j\\\t, 3 Alen, 7 Cohorten und die Flotte. Anzunehmen ist wohl,
^-.'^Sei die Entlassungen zwar gleichzeitig, aber getrennt angeordnet
■worden sind für zwei ungefähr gleich grosse Verbände von Auxilieu
♦) Arvcicoricni innen.
27
dieser Provinz^ von denen jeder je einer der beiden dort stationi-
renden Legionen zugetheilt war. Es gehören also zu den beiden
Verbänden
a) nach dem neuen Diplom: b) nach Diplom XX:
Alen
Gallorum Flaviana I Asturum
I Pannoniorum I Flavia Gaetulorum
II Hispanorum et Aravacorum I Vespasiana Dardanorum
Cohorten:
/ Sugamhrorum veterana I Lepidianac{iviurn)R{omanoru'm)
I Bracaraugustanorimi I Tyriorum
I Hispanorum veterana I Lusitanorum Cyrenaica
II Mattiacorum 11 Flavia Brittonum
II Gallorum II Chalcidenorum
Ubiorina III Gallorum
VIT Gallorum
Aus diesen 6 Alen und 13 Cohorten mag die vollständige
Besatzung der Provinz an Auxilien im Jahre 100 bestanden haben.
Von ihnen erscheinen in dem nächsten auf dieselbe Provinz sich
beziehenden Diplom vom Jahre 105 (dipl. XXII), das 3 Alen und
7 Cohorten nennt, 2 Alen und 3 Cohorten, und zwar aus dem Ver-
band a) die ala Gallorum Flaviana und die cohors II Gallorum,
aus dem Verband h^ die ala I Vespasiana Dardanorwn und die
coho^'tes I Lusitanorum Cyrenaica und III Gallorum. Das nächste
Diplom vom Jahre 134 (dipl. XXXIV) zählt 2 Alen und 5 Cohorten
auf, darunter an erster Stelle die ala I Gall{orum) et Pann{oniorum),
die vielleicht in Zusammenhang steht mit den «rsten Alen von <x),
ausserdem aus a) die cJi^ortes) I Claud{{ä) Sugamhr{orum) , die
doch wohl mit der I Sugambrorum vetei^ana identisch ist, und I Bra-
car(augustanoruut) und // Mattiacor(um), aus b) die ala I Vespasian{a)
Dardan{orum) und die coh{ors) II Chalcidenor{iim). Dass danach
zu verschiedenen Zeiten mehrere Aenderungen in der Zutheilung
der einzelnen Abtheilungen eingetreten sind, ist nicht weiter auf-
fallend, zumal mit Rücksicht auf die mittlerweile geführten daci-
schen Kriege.
X. Dulgheru (bei Hirschova).
16. Ära aus gewöhnlichem Stein, gefunden bei Dulgheru, Kr.
Hirschova, jetzt im Museum zu Bukarest. H. 1*35, br. 0'52.
28
I e O B M
er I V N o Nj i
r E G I N A E • XEi
VSNICEPHC
RVSPOSVIT
PROSA LVT E
hV' TITI AELIN
T O N I N I
17. Marmorfragment, gefunden im Dorfe Sarai, Bez. Hirschova.
jetzt im Museum zu Bukarest. H. 0-25, br. 0-52, d. 0'20.
lATPUJNOiMOL TTaxpUJV O ejLlOg
PI AOL TTttTjpibOg
pTHNnVEAON 0 Tf^V TTUeXoV
5DYrENETOY OU Y6Ve'T0U
' — s^ — ii-LDj: g \}\6g
Vermuthlich Reste einer metrischen Grabschrift, bei der viel-
leicht jede Zeile ein ganzes Distichon enthielt. In Zeile 2 ist der
Buchstabe vor moe unsicher und war vielleicht ein y.
18. Stück einer Säule aus Marmor, gef. zu Hirschova; jetzt
im Museum zu Bukarest.
19. Fragment aus Sandstein, gef. zu Hirschova; jetzt im
Museum zu Bukarest.
^E A N
/ F " r
20. Auf allen Seiten gebrochenes Stück aus Kalkstein, gef.
bei Hirschova; jetzt im Museum zu Bukarest. H. 025, br. 0'3,
d. 0-28.
29
XI. Seimeni mari (Kr. Medgidie).
21. Fragment einer Marmorplatte, das selbst in zwei .Stücke
gebrochen ist, h. 0*13, br. 0*12. Gef. in den Ruinen eines römischen
Lagers am Ufer der Donau, in der Nähe des Dorfes Seimeni
mari, im Bezirk Medgidie, Distrikt Constanza. Jetzt im Museum
zu Bukarest.
Imp. Caes. C. Val. Diojc L E r>s^amis et imp. Caen. M.
Aur. Val. Maximianus ■ p p F F inuict. Augg. et Fl.
Val. Constantius et Galr^Jj^LS^al. Maximianus nohh. Caess.
Xli. Hinok bei Ostrov.
22. Auf allen Seiten gebrochenes Stück Marmor, gef. am Ufer
der Donau gegenüber der Insel Hinok, in den Ruinen des römischen
Lagers, rechts vom Dorfe Cokirleni , Bezirk Medgidie. Jetzt im
Museum zu Bukarest.
XIII. Iglitza (Troesmis).
23. Tafel aus Sandstein, gef. bei Iglitza, h. 1-7, br. 0*9, d. 0*2,
in drei Stücke gebrochen. Oberhalb der Inschrift in Relief das
Brustbild eines Mannes.
Z. 4 f. : qu{aestori?), aedü(i), quandam du{u)mver(o); vixif . . . .
24. Tafel aus Kalkstein, gebrochen in sechs Stücke, gefunden
bei Iglitza. H. 1, br. 09, d. 0'18.
t. v i"~vo X
ETCON VGE
POS VIT
30
Jj[is) m{anibus). F. Ae[Lius\ Ahi\niiaeus'^^ vet[eran{us)] t[eg. V
Mac. s]e vivo et con{i)uge jyosutt.
25. Fragment aus Sandstein, gefunden zu Iglitza.
VET • LEG, F maced.
MO ■ V L p-1 uixit
ANNIS • L'
S ■ TVTA • cl
5 C I N 1 O - r/
MOE T-
P Osuit
Z. 1. 2 stand vielleicht [t/ojjjmo Ulp(ia) — Z. 4 ist der
Punkt nach s vielleicht zufällig und Re] \\ shita zu verstehen ; darauf
kann gefolgt sein c[oniugi vir]\\g{mo d[idcissi]\\mo et [sibi.
26. Marmorsiegel mit dem Relief eines Schweines auf der
oberen und den retrograden Buchstaben p r auf der unteren Fläche,
h. 0'03^ br. 004. Gef. bei Iglitza, jetzt im Museum zu Bukarest.
27. Die Inschriften von Iglitza , die ich in dieser Zeitschrift,
Band VI S. 41 u. 43 n. 86 u. 88, als Fragmente von zwei ver-
schiedenen Inschriften veröffentlicht habe, gehören zu derselben
Inschrift und schliessen an einander an. Die Verschiedenheit der
Grösse und ihre Entdeckung an verschiedenen Orten hatten mich
gehindert, dies früher zu bemerken; ich sah es erst, als man die
Steine in die Mauer einfügte. Jetzt nach sorgfältiger Reinigung
glaube ich die folgende Lesung als völlig gesichert geben zu können.
ßTöFe POLIAß MARC
:ASV'E*LEGc5VßMACßE/
>Se MILITts COEPß M»
M* IIII©S*FVNCT * EX
r * O R I E N"Ai S V B S T
SeiV, SEVER-//
j//c * V* 11EM GERM*SVB
ilPVR*AGRieLßCLcsFRoN-o
.CßV-M-HßMISSIohE k DA
10 <i A • CETffi*'E CLARO COS
SVB € R hE ö CLE^E^E Co Vo R
E V E R S * AT LARES SVO S'E
MRGABASIIlSS • MTRE
DENDENVPT*SIBI\A.t5 LON
1& '^'^«oROREfcOSA-OSVAoSVoRQ
31
[T. Val{erius)] T{iti) f(ilius) Pol{l)ia Marci\\[anus\ cas{tris),
vet{eranus) leg{ionis) V Mac{edomcae) ex\\ [b(ene)f{iciario) c\o{n)s{ularis);
miUt{are) coep(it) imp{eratore) || {Antoni\n{p) IUI co{n)s(ule), funct{us)
ex\[pedi\t{ione) Orientali suh St\[at{io) PWjsco, Iul{io) Sever{6), [Mar\Ho
Vero\ c{larissimis) v{iris), item Germ{a7iica) suh |j \Cal\'pur{nio) Agri-
col{a), Cl{audio) Fronto\\[n]e c{larissimis) v{iris), m{issus) li{oneda)
missione in Da\\cia Cetheigo) et Claro co{n)s(ulihus) suh Corne{lio)
demente c(larissimo) v(iro). R\\evers{us) at lares suos et Marcia Ba-
siliss{a) matre.\\dend{rophororum) enupt{ä) sibi, Val{eria) Lon\gi[na\
sorore pro sal{ute) sua suor(um)q{ue).
Die Cas(tra), aus denen unser Soldat nach Z. 2 stammte und
zu denen (d. h. zu deren Canabae) nach seiner Entlassung er nach
Z. 11. 12 zurückkehrte, sind die der Legio V Macedonica, die in der
Zeit von Hadrian bis Marcus sich zu Troesmis befanden. — Den
Namen zu Anfang haben wir nach dem der Schwester in Z. 14. 15
ergänzt; der Raum ist beschränkt, reicht aber für t\a. aus. — Für
Z. 3. 4 hat die neue Lesung die schönen Ergänzungen Mommsens
(in dieser Zeitschrift VIU S. 248) in allem Wesentlichen bestätigt.
Marcianus ist demnach im Jahre 145 ins Heer eingetreten. Dann
hat er den parthischen Krieg unter drei Feldherren nach Z. 5 — 7
mitgemacht. Von diesen war die Betheiligung des ersten, mit vollem
Namen nach seiner Inschrift C. I. L. VI 1523 : M. Statins M. f.
OL Priscus Licinius Italiens, bekannt ; von einer Betheiligung eines
Julius Severus, der an zweiter Stelle genannt ist, weiss man weiter
nichts, zu verstehen ist wohl, wie schon Band VI S. 42 vermuthet
wurde, der Consul des Jahres 155: C. lulius Severus, der Statt-
halter von Syrien gewesen ist. An dritter Stelle habe ich ver-
muthungsweise den Namen des Martins Verus ergänzt, der als
Statthalter von Cappadocien in diesem Kriege operirte; für die
Ergänzungen ivs. to ve ro reicht wohl der Raum. — Später machte
Marcianus den Markomannenkrieg mit unter Sex. Calpurnius Agri-
cola und M. Claudius Fronto, der in diesem Kriege fiel, und wurde
im Jahre 170, also 25 Jahre nach seinem Eintritte ins Heer, ent-
lassen. Der Cornelius Clemens, unter dem er seine Entlassung
erhielt, ist, wie Band VI S. 42 bemerkt wurde, der Sex. Coi-nelius
Sex. f. Fal. Clemens co(n)s{ularis) et dux trium Daciarum der In-
schrift C. I. L. VIII 9365; Marcianus war damals, wie wir Z. 2. 3
ergänzt haben, dessen b{ene)f{iciarius) .
28. In der Inschrift des lulius Ponticus (Band VI S. 41 n. 84)
ist in Z. 5. 6 natvs amas tris statt amasIsis zu lesen.
32
XIV. Hassarllk (Cms).
29. Grabdenkmal aus Marmor, gefunden im türkischen Be-
gräbnissplatz zu Hassarlik, b. 1-73, br. 0-64, d. 0'26. Ueber der
Inschrift in einem Bogen Darstellung des Todtenmahles. Rechts
auf einer Kline ein Mann, in der Mitte ein Kind, links, auf einem
Stuhle sitzend, eine Frau; davor ein Tisch mit Speisen. An beiden
Seiten auf niedrigerem Plan sieht man je einen Diener.
Die Inschrift ist von einem Traubengewinde umgeben. Einige
Buchstaben sind etwas verwittert. Ihre Form weist auf das dritte
Jahrhundert.
D M
IVL • \ALENS VE
EX ALA EX SING
V I X I T A N N I S
5 LXVIVLIAMN
S"^l M A R IT B M
P O S V I T
d. m. Iul{ius) Valens vet(eranus) ex ala ex sing{ulari) , vixit
annis LXV. Inlia Mansuet{a) mar{t{o) b(ene) m{erenti) posuit
30. Fragment aus gewöhnlichem Stein, h. 1-22. br. 0-78, d. 0*22.
Ebenfalls im türkischen Begräbuissplatz zu Hassarlik gefunden.
Im oberen Theil sieht man fünf Figuren; darunter auf einer Seite
ein Pferd, auf der anderen Seite einen Mann. Von der Inschrift
ist nur der oberste Theil und zwar in sehr verstümmeltem Zustande
erhalten. Jetzt im Museum zu Bukarest.
D • M
/ r / CETHl • THL
clud/ V I V A S V
' PTOE
XV. Mangalia (Callatis).
31. Stele mit Giebel aus Kalkstein, h. 103, br. 0-37, d. 017,
Gefunden in Mangalia; jetzt im Museum zu Bukarest.
CYNTaiKIOCYI luVTlXlKlG^ Ul-
OCKACCIANOY oq KacTaiavoO,
CYPocTUjreNi lupoq tüj -fe'vi,
NOMIKOCTHN V0|aiKÖq l^V
33
5 eniCTHMHN
KAIHTOYTOY
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GVrATHPAIAe
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XPONOICnOA
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MeTAEYAiKAlUUN
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TAC6UÜC 6N0AA6
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20 jl-EAIUUNIOYAnoAA'
C6UUC
5 eTTKJTniUllV
Ktti f] TOUTOU
Yuvf] MeXiTi(;,
ÖuTttTiip Aibe-
aiou, ex TipoTÖ-
10 vuuv euTeveig,
Xpövoi^ TTOX-
Xoic, KoKwc;
(juvßiuucravTe?
Kai £V T^IP« Tl|UlUJ
15 TTpoßeßiiKOieq
jueraEu biKaiujv
eqp' eXiribi dvaö"-
Tdcreuuq ivQ6.be
fiKtt^ev Ziuj-
20 r\(; aiuuviou aTToXau-
aeuuq
Das AnoAA'ceuuc am Schluss ist augenscheinlich später zugefügt.
32. Kleine Ära aus weissem Marmor, gef. zu Mangalia, jetzt
im Museum zu Bukarest. H. 013, br. 013, d. 0-04.
;^ O N I A N I 0_Y
InOAAANOZArYEOSTO"'
InETAFEITN IOYNOYMH'
r I A N n N TA I B O Y A A I K A l\
^ IrOIKAISYNEAPOIEinA//]
ONIAN I OZZTPATi////)
AZKENTOPIASl' //////y
ITAGEIZ-/////////
'vA_l_0_YA7iL^/^'
. . .fioviaviou
'Em iep^uj(; 'A]ttöXXuuvo<; 'A-fueoi; toO
TTeTa-feiTViou voujuii-
viai, eboEe KaXXaJTiavOuv läi ßouXäi Kai
5 Tuui bu|utjui, Ol aTpaTr|]-foi Kai auvebpoi emafv]
eireibn . . .M]ovidvio<; crTpaT|ivfö(; ...
, . .TJäq KevTOpiaq k. . .
. . . CTaGeiq er . . .
. . .Xiou. . .
Arcbäologisch-epigraphische Mitlli. XI. 3
34
33. Zwei zu derselben Platte gehörende und an einer Stelle
aneinander stossende Stücke aus weissem Marmor mit ziemlich
guten Buchstaben. Gef. zu Mangalia, jetzt im Museum zu Bukarest.
a) h. 0-14, br. 0-11, h) h. 0'16, br. 0-28.
/
'K^t n^S~K E t^A^xT^H M aT1\
/TT^. N riNOMENnNTOKnNKAlPEl-'
/a.TO YS K AIPO Y2 APOB AAiLNTA 0 I A 2 I
riKAXPHM..vTAKAlTOYKATATONNOiWON
5 0*E1AHMATJ ^APOAYGEIZOnnSOYNKA'
OIGIA^IT/ T-inNTAITAZAEIAS
TIMAZAT 'TE2:T0IZEI2EAYT0Y
4> I A^T I MC, 'e A O X 0 A I T O I 2 0 I
otTTebüJKe td xP'lMaxa
[laeid Tilijv Yivojuevujv tökuuv KaiTiep
bi]d Tou(; Kaipoug diroßaXujv td Biaffi-
TiKd xpn^ciTa Ktti ToO Kaxd töv vöjuov
5 ö(pei\riiuaT[o](^ d7ToXu0ei^ • ÖTTa)(^ ouv Kai
Ol 0iaaiTa[i qpajivuuviai id^ d2ia<;
Ti)ud(^ dTT[obiböv]Te(; ToT^ ei^ eauTou[g
cpiXoTi)uo[u|uevoi<; b]eböxöai toT(; 9i-
lacTiTaK;]
Dieses Ehrendecret eines Thiasos von Callatis scheint nach
den Massen sich auf derselben Platte befunden zu haben wie ein
ähnliches, anscheinend von demselben Thiasos und nach denselben
kriegerischen Verwicklungen (Z. 2 — 4 darin lauten: [vjauv |uaKpdv
KUTacrKeuaEd)a[evo(; eJk tujv ibiujv töv re \i|ueva K[ai ikc^ dKJrdq dTTO-
Xe)uriTouq etripiidev) gefasstes Decret, das in dieser Zeitschrift VI
p. 10 n. 16 herausgegeben ist.
34. Rechts und links gebrochenes Stück aus Kalkstein; gef
zu Mangalia, jetzt im Museum zu Bukarest. H. 0*29, br. 047,
d. 022. Schrift anscheinend des 4. Jahrh. v. Chr.
A x A A o X / Y 2: x\ aq oiXöx[o]u (JX
xifiNASZAEYcj cTTuuv üacja ? cue
NOYliHOYAriKEAJ VOU TTOoÜbuiKf
O Y 1:A I" ATTAiin A OUCTa TTUlpU^ UJ
Z. 3 ist an der dritten Stelle das ursprüngliche n in y cor-
rigirt.
35
35. Zwei Bruchstücke aus Maraior, gef. am Ufer des Meeres bei
Mangalia. a) h. 0-23, br. 015, d. 0*07; h) h. O'O?, br. 008, d. O'GS.
0-
eÜ€pY€ToOvTa<;
iiuout; ße\-
KaGÜTTep
TOI TimJüVTeq, 6e6ö-
öic, eK Toö ÖÖY-
uvöbou? L Ml IS ; "A-
<; €U EPTETA jV fa^V
OU qpl\0 '"IMON AI- /TOÖ
O AH ^
AI O /
Auch ein Ehrendecret der Thiasoten und zwar, wie das zu
n. 33 angeführte, wegen der Verdienste um die Stadt und um den
Thiasos.
36. Tafel aus weissem Marmor, gef. mit zwei Statuetten zu
Mangalia beim Baue des Herrn G. Stavraca gehörenden Kellers,
in einer Tiefe von 3'5 M. Jetzt im Museum zu Bukarest. II. 0*13.
br. 0-18, d. 0-05.
NIKIS
I E P n N o 2
NiKii;
'lepoivoc;
37. Bruchstück aus weissem Marmor, gef. zu Mangalia; jetzt
im Museum zu Bukarest. H. O'OS, br. 008, d. 0-08.
Z E I Z A
X
38. Bruchstück aus Marmor, gef. zu Mangalia; jetzt im
Museum zu Bukarest.
3*
36
39. Zwei Bruchstücke einer Platte aus Kalkstein, gef. zu Man-
galia", jetzt im Museum zu Bukarest.
o) b)
/ A B i /LMEMNH(
/\ BOY/ ,. YTHEK^
yi>PONIA DCOYnOT
/ A n 1 A E E ^viTA^MTj
5 '? I A l O E t E
kozn o e^i \
\ JAH n N ■ I
Die Stelle der beiden Stücke ,ist unsicher; möglicher Weise
ist sie so anzusetzen, dass man ßouX|6]uTii(; zu lesen hat und in der
Zeile darauf (ppovibo^ ouTTOife.
XII. Kotschiali (Bez. Tultscha). Ophiusa.
40. Grabmonument aus Marmor, h. 1*65, br. 1"65, d. 0*31;
gef. in Kotschiali, Bezirk Tultscha, in einem türkischen Begräbniss-
platz. Ueber der Inschrift die Darstellung des Todtenmahls: ein
.Mann ruht auf einer Kline, vor ihm steht ein Tisch mit Speisen;
eine Frau überreicht ihm einen Kranz, seitwärts erblickt man einen
Diener. Die Inschrift ist von einem Traubengewinde umgeben.
D M
AtL D I O
N Y S I A E
V IX ANXXV
5 VALCL. EM
E N T IN VS
MARITVS
E I V S B • M
C O I VGI
Z. 10 := [carissiviae] po[8mt\.
37
41. Basis aus Sandstein, gef. auf der Sclilangeninsel ; jetzt
im Museum zu Bukarest. H. M2, br. 0 24, d. 17. Publicirt bereits
von Egger hüll, de corr. hell. IX (1885) p. 375 f. und von Latyschew
inscr. orae septentr. Pont. Eux. n. 171.
///////////////
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(\NKAlToY2TEKATAAAbOI
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KAAKAlMErAAAXPHZIMOZrEIoNENTniAH
oABlOnOAimNKAIAIATAYTAOAHMo^:
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\eAEYTH2ANTAE0AH'ENAHMOZ1A1
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av Kai Toui; te KaTa\aß6[vTa<;
5 BaXaaaav Xiijcrieiai tuuv 'EWrivujv
dTTe]KTei[vev K]ai tou(; lueB' auTUJV gk th^ v-
iiaou egjeßaXev Kai TTapaTev6|uevo(^ i«; Tfiv ttöXiv
TTOJXXd Kai fieTdXa xPn(7if-io<; Ye[TJovev TuJi h\y
luuJi] 'OXßiOTToXiTOJV Ktti öid TauTtt ö bn^og
10 aiiTJöv Ktti Kbvxa exif-iriöev bujpeai
Kai TJeXeuxriaavTa e0ai|jev bimocriai,
eboEejv tou brjuuji xüuv 'OXßioTToXiTUJV,
atiicrai] auioO eköva öttuj^ dv ai xe 7TpdHei[5
aüxoO )a]vTi)uoveiiujvxai Kai fi ttöXk; (pavep[oT
15 Ttdai xoT](; "EXXncriv öxi Kai tx\c, vncfou TToX[ei-
xa^ Tiepi TToXXoö] Tioeixai Kaxd xd ndxpia Kai tovc, [qpi-
Xouq Kai eij]vou<; ei^ auxriv Kai Ißdvxac, xi|u[di Kai
38
Te\euTr|craa]iv a[iJT]oiq dEia^ dnTobibuüGri
xdpiTttc; ktX.]
Die Erf^änzungen weichen thcilweisc von denen Eggers und
Latyschews ab.
XIII. Camäna (Kr. Babadagh).
42. Meilenstein , gcf. bei Ciamurilc de sus , Kr. Babadagh,
Distriet Tulcea, stammt aus Ruinen in der Nähe von Camäna, wo
ein römisches Lager war. Jetzt im Museum zu Bukarest. Höhe 0*9,
Umfang 1-35, Durchm. 0-41.
imp. C A E S • C i u l
u e r u s in u x i m i
JIM5PFAVGGE
RniANlCVS/WAXlMVS
5 DACICVS MAXIMV S
SARMATCVSMAXM sic
VS- I'ONTIFEXMAXI
MVS- TRIBVNICIA
10
1> • HI • I M P V C O S P R O
C O S E T c i II l ue r u g
a. 287
m a X i7nus N o b i l i s
S I M V S C A E S G E j 1 M A ÜC
XIJWVS DACICVS MA
XIM VS SARM ■ MAXIM
15 VSFILIVSEIVSMI
liari A • N O V A ET VI
as et po\'iT - Dis KV \ sie
as per TN
Die Namen des Maximinus und des Maximus Z. 1 — 3 und
10—11 sind getilgt.
43. Marmortafel, in zwei Stücke zerbrochen. Gef. zu Kasapkioi,
Kr. Babadagh; jetzt im Museum zu Bukarest. H. 0-47, br. 2'08.
inrOAOXOYPAIAEZj jOYHrHZArOPE ////
HENOKAHi;0EOEE^ i; A P O AA AN 1 ////
:i;niiHPErxHrHZAr| eutoy geoaq '!'//
'JTTTToXöxou TTaibe<; |t]oO 'Hfr|CTaf6p€[uj ..J HevoKXfiq, 0eöSev[o]<;
'AttöXXuuvi . . . tTTi lepe'uj 'HYil(^«T[dp|euj toO 0eobö[Tou.
39
XIV. Kiistendsche {Tomis).
44. Meilenstein, mit Resten zweier Aufschriften aus verschie-
dener Zeit, gef. bei öargalik im Kr. Constantza, jetzt im Museum
zu Bukarest. Höhe 2-0, Durchm. 0'68.
a)
VAL
D N
*) V L I AI N
VI CT Ol Ig • ET
S E M P E R( j x I O
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NOBIL
a) [dd. nn. C. Aur.] Val. D[iocletiano p. f. Aug. et M. Aiir.
Val. Maximiano p. f. Au]g. et [FL Val. Consta]ntio [et Gal. Val.
Maxirnian]o nohil. [Caes.^. y
h) d. n. [I\aUan[o] Victor[i\ semper [Augiisto]. /
45. Kalkstein, gef. im Meere bei Küstendsche; jetzt im Museum
zu Bukarest.
'WTiwiiiinii^''^'^"-^ •- --
MENTOA^NIS•VII■FECl t
l ,
S T I P E N D I A • XXIIII • E T V t
X I T AIVNIS-XLU- ETSPI
RITVM-NATVRAE SVAE
REDDEDIT AVRELIA
CLAVDIA CONIVX BENE
MERENTE VIRGINIO
SVO ET PARE HVNC TITV
LO VNACVM FILIS SVIS
A POS VIT *
10
vale vi(i\ TORE
46. Fragment aus Sandstein, eingemauert im Hause des Herrn
Cogalnitscheano zu Küstendsche; jetzt im Museum zu Bukarest.
Ilxvi i; R S E C Cc*
ma < 1 M O "E A E L I ^ no
40
47. Fragment aus Marmor, gef. zu Küstendsche; jetzt im
Museum zu Bukarest. II. 0*24, br. 035, d. 0-14.
marjx. E L L v s - L
n(«IVS • LIBRARI
SHEREDES • P A
PIEN-ISS IMIS •
S E R V NT •
SIC
48. Fragment von gewöhnlichem Stein, 1. O'OO, br. O'OO, d. O'OO.
Gef. zu Küstendsche. Der Anfang der Inschrift und die ganze
linke Seite fehlt. Jetzt im Museum zu Bukarest
inx. an. xxili -M- xi
|l O D V, C I S
f(V O C O N T
scpul b R VW C O
B '/ M V A S W\
inf\i R "E ■\E L A.
lenare v\o l w r it i
jS'E ET- R- P
tomita iN o R VA
10
VI A TOR v\ale
I
[Die Herstellung der Inschrift ist noch nicht völlig gelungen.
Z. 5 ist wohl vasum zu verstehen. Zum Schlüsse scheint gestanden
zu haben: et r{ei) p{uhUcae) [Tomita]no7'um [d{are) d{ebehit)]
Viator v[ale]. Vielleicht ging der Multa nach griechischer Weise
eine Verwünschung voraus, etwa /||[.s pereat pejste. A. d. R.]
49. Grabschrift aus gewöhnlichem Stein, eingemauert im Hause
des Herrn Cogalnitscheano zu Küstendsche. Jetzt im Museum zu
Bukarest. H. 0*45, br. 063.
M
VAL * VALENS * VET * /////
,F L * M O S I E * ME ////////////
jNO MEO Ml * et///////////
MEOCOIVGl* m/////////////
TATHNLYNBIOt /////////////
NTINANTE0HN e/////////////
HEEIOINETn«t>lEKn -///////
41
Z. 2 ist wohl [cl{assis)] Fi(aviae) Mosi{a)e (statt Moesicae) zu
verstehen, Z. 8 wohl ...rjcrei, [rJivtTuu cpicfKUj ...
50. Fragment aus Sandstein, h. 0*12, br. 0*19. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
51. Auf einer Thonlampc, gef. zu Küstendsche.
N IM E N = Numen
52. Ein Topfhenkcl mit Stempel. Gef. zu Küstendsche, jetzt
im Museum zu Bukarest.
PER • N AR
= Per{enni) Nar{cissi).
53. Marmorfragment, gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum
zu Bukarest.
jG A L S V M 1 A
FO RM AM V
54. Marmorfragment, gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum
zu Bukarest. IL 022, br. 0'13, d. 006.
TYX \
0EA2:Arpin\
:N02:EKTHnA\
'TlKHZEniMhj
n N I O Y A P x[
,02 KAIISI^
1 A KE IM EN)
P 1 A A * I A,
eEOI2
10
\-i TXIN
55. Weisser Marmor, gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum
zu Bukarest. H. 10, br. 0'30.
EnilEPEXlA nOAAXlNOS
APXO N TEZEIHAN EHEIA
TYPAN02ANHPKAA02KA1
42
KAiEKnPoroNnNArA0.a
5 iiAZKAinPOTEPONENTHI
Tt ANAiTPO^HNEYTAKTn
KAlAS'ANAMttOrEPnN EH
AEHNXniMSeElZTEEIiin
AAEYNOYNKAinPOOYMOI
10 THZnO AEaznAPESXET
KAIAErnNAEIKAinPAi:
AIATEAEIENAnOAEIKT
THINEYNOIANKAIKATIA
XANOYi; I THNnOAEI
15 nOAEinANTnWTET
TANElSOABlANnOAINn-"
KAinPOXTATnNAlATEA
4>lAOfIMIA2:OY0ENE"
r P A I »» N A E ^ 1"*
20 MEINTA2A'
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TIMUN TOY2KAAOY2KAIAr
KAirNHZlANEYNOIANnrOSI
EliTATHZnOAEnzni'ArMAT
25 OHIAEAOXeAiTniAHM..,!
MENEniTO YT O 12 NIACl
AEAO20AlAEAYTv
•••• I A N n O A E I T H A N
E N r A I n N A 1 K A 2 n I O
30 KU AOYNnOAEMOY/A
KAIAi;nONAEIEINA
EniTHNBOYAHNKAirON
TATAIEPAEN F P A S- A I
EISTEAAMANAAEYKCYAI
35 E N T H 1 A r O P A rr O A E A N A A
[Es fliirfte zu lesen sein:
Etti lepeuj 'AttöXXujvoi^ [oi
(ipXovTfcq eiTTav fcTTeib[ri ö beiva
Tupav6<; äviri() KaXö«; Kai [dfaBöc; iöJi
Kai fcK iT()orövLUV dYa6üu|v eftveio ttohi-
5 aaq Kai TT()ÖTfc()ov tv rni [feTTibiiiniai tiiv
Te dvaaipocpnv eÜTdKTuij[q Kai . . .
43
Ka[T'] d5[i|av diLicpoTepiuv t7T[i)iieXoü|Lifcvo<; ttö-
XtLuv, xui)pioQei(; xe dq nfaTpi-
6a euvouv kqi TTpd9u|Liü|v eig xd rrpaTMaxa
10 xf]q TTÖXeuu^ Trape(TX€x[o eauxöv
Kai Xeyuuv dei koi npdcrfo'ijuv xd dpicrxa
biaxeXei evaiTobeiKfvujLievoc;
xii(i)v euvoiav Kai Kax' i[öiav xoi^ fevxuf-
XctvoucTi xüjv TTüXeijxuuv Kai KaBöXtuc^ xf-ji
15 TTÖXei Trdvxoiv xe x[üjv
xüuv ei^ 'OXßiav rröXiv TT|eTTOf)eujufevujv
Ktti xrpoaxaxujv biaxeX[eT OTxovbf\q küX
(piXox[e]i|Liia[(;] ou6ev e[vXeiTTuuv
Tpd[(pei]v be
20 |ueiv jac, a
9ai, ÖTnjU(g o[u|v [küi 6 b]fi|u[o(; qpaivnxai
xijuüuv xouq KaXoix^ Kai df[a6ou^
Kai Yvncriav euvoiav 7Tpoa[exovxaq
eiq xd xfi(; rröXeuj(; Trpdxjuaxfa' xux»]! d-fa-
25 6fii beböxOai xuji brijUuai [erraiveiaGai
)Liev em xouxoi^ [xöv beiva
bebö(79ai be auxfOui Kai xoT<g eKfövoi^ rrpote-
v]iav TToXeixi^av [icToxeXeiav, e'TKxricriv xOuv
evfaiujv, biKa(; TT[p]o[biKOu<;, eicTTiXouv Kai e-
30 kttXouv TToXe'iaou [K]a[i eipr)V)i<^ Kai dauXei
Kai dcTTTOvbei, eiva[i be auxuui eqpobov
em xrjv ßouXfjV Kai xöv [bfjiuov irpuuxLui jiie-
xd xd lepd, evTpdqjai [be xö i|ir|qpi(j|aa
ei^ xeXajLiOuva XeuKoö Xi[Gou Kai dvacrxficrai
35 ev xfii dYOpdi, xö be dvdX[iJU|ua . . .
Z. 1 : lepeuu s. Dittenberger zu syll. inner. Gr. I p. 364 not. 7
und diesen Aufsatz n. 43.
Z. 8. Zur Construction xi^PicrOeiq e\c, Traxpiba vgl. Dittenbcrger
n. 252 Z. 31, wo demnach der in p. 174 not. 19 ausgesprochene
Zweifel unberechtigt ist. SZANTÜ.]
56. Aus Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
AHM02 TH2
E n 2 T O N * I A A A E
,yONLYMENOYZAAEA*0
KOIVIINIOYK/AYAlAKOYEPMA4>IAOY
44
5 n o N T A p X o / A p s A N r A r H N n 1' n T H I
APXHNtn IXHMnXATOPANOMHZA
T A Y r I n X n A N H r Y P I A P X H 2 A N r A T H z
OYMHAIKHZZYNO'-OYOlAOTtlMn'-'
TAMIEYZANTA niZTnZ
10 AHMOY
i'l ßouXv] Kai ö] bn|U0(; Tr\c, [jiniTpo-
TTÖXeujc; Tö)ii]eou^ tov cpi\dbt|Xcpov
"AiTaXJuv Eüjuevou^ dbeXqiofv
Ko)lUViou KXaubiavoö 'EpjuaqpiXou
.s TlovTdpxo[u] dpHavia xfiv npoiniv
dpxnv £Tn(Jii,uuj^, dYopavo)uti(Ta| V-
Ttt uYiuJ<s, TraviyfupiapxJicravTa ifiq
eujueXiKrj^ c5'uvö[b]ou (piXoTei)uuj<g,
Ta)Lueu(TavTa tticttüjc; .....
10 bn|uou
T. Cominius Claudianus Ilcmiaphilus TTOVidpxil? Tri<g 'EHaTTÖXeuu(^
wird auf der Mittli. VI p. 22 n. 44 publicirten Inschrift geehrt.
57. Marmortafel, in mehrere Stücke gebrochen, welche einzeln
zu Küstendsche gefunden, sich jetzt im Museum zu Bukarest be-
finden. Fragm. a h. 026, br. 0*49, d. 0-12; Fragm. h (in 7 Stücke
gebrochen und auf der Chaussee nach Mangalia in Geni-Mahala
gefunden) h. 0-92, br. 0-49.
Fragin. a
A FAGH - I • TYXH • I •
Fragin. b
YHEPTHZ THNeEIOTATjaN AYTOKPATO
PnWTYXHZ TE KAI NEIKHZ KAIAiriNIOY
AIAMONH2 A- 2EnTlM10YZE0YHP0YnEP
5 TIN A KOZ- KAI -M-A yJ jYANTflNEINOY
nj N n N M H A '•'NIKnN m m
////////////////
///////////xAITHr
AIAZ AYTOYZTHZ KAITOYZYlNii,
10 rriNO IKO Y K A I Y n EPTO YAI En ONTOZ H')
EnAPXEI0NYnATlK0Y00^IN10YTE"TYA
AOYO- TAN-NE IN T 1 N An.P E A N A E A'^KOTHN
T-*A-ZAAAOYZTIOZ?^NANAZ 0E A AUNOZ
T-OA-ZAABIANOZ ^ W TH^ AENAPOOOPriN
45
15 nnAAiriN nnAAinNOz iepeyz -h-aiaiagaym
AXIAAEYZAXIAAAHATHP n/APXIPAB
AAEEANAPOZHAEIAPXIAENAPO* / POZ B AOYXICA
AAEHANAPOZ AAEHANAPOY \PXIAENAP OOOPOE
AHMHTP12 AJW4>10NIA/y • BA CIAIKOC
20 no2EiAUJNi02 nnnniios- aaesanapoy
TOYPBXIN AIONYXl (t>AABlOC CYM
ANAPriNAONrEINOY *OPOC -£> AYP
T-*A-P////2* EEPAHOAUJPOC
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nn a//////7ioy- n- AiAiocePMGPUJC
25 A H M H T ///// E I nNOZ lOYAiOC hP A K A 6 1 A H C
t-*aey//Ah2 IAAPIUJNAOYKIOY
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AlONY^ / / /AnTIOY
, AYP lOYA- ICTIO^/
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EPJWOAnPO20EOAOTOY ^yp. ^©„^
30 NE1KO2TPAT02 MAPKO^' / M Ay
nONTIKoS EPMOAaPOY
XPYSAflN AXIAAA
ctYZIAEPAYKOY
ZKEiniHNnONTI K^V
35 OKAinONTIKOZ
nozEiAUJNiocn^
AYP • AAESANAP(
AYP-YreiNOC
T- 4>A- EYTYXF^
'A-faGfii Tuxni-
Tirep T\\c^ Tujv eeioxdxujv auTOKpato-
puuv Tuxn? Te Km veiK^q Kai aiujviou
biajuovfiq A. XeTTTi^iou Ieou)ipou TTep-
5 TivaKO(; Kai M. AufpnXioJu 'AvTwveivou
TT|apei]KUJV |Vliib[iKa)v BpiTav]viKU)V
1 1 1 1 1 1 n 1 1 1 1 1 '<«! '^^'i'^ [MnTpö<s 'lou-
Xia<; AuToucmi? Kai xoO (JLiv[TTavTO(^ au-
10 TUJV OIKOU Kai UTTep TOÖ bieTTOVTO^ [A^^V'
eTTOtpxeiov ÜTraxiKoO 'Oouiviou TepxuX-
Xou, Tuuv niueTv x<fi)v bujpeav bebtuKOXOJV
T. OX. laXXouaxio«; — Ndvac; Gedbujvo^
T. OX. laXßiavoq — \xr\x\w bevbpoqpöpujv
46
15 TTuuWiujv TTaiXXiuuvoc^, xepevc, — IT. AiXia 'OXu)li-
'AxiXXeu(g 'AxiXXä, Trairip — TT[ia] dpxipaß-
'^\eEavhpo(; "Hbei dpxibevbpocp|öJpo(; — (ß)bouxiö'ü
'AXeSavbpoq 'AXeEdvbpou dpxibevbpoqpöpoq
AiiLif|Tpi(; 'A^(piovib[o]u — BacriXiKÖi;
20 TTocreibüJVio^ TTüjttujvoc; — 'AXeHdvbpou
Toüpßujv Aiovua[iou] — OXdßioq Zu|u-
"Avbpuuv AovT[eivo]u — cpopo(;" Aup(riXiO(;)
T. 0X. 0....^ — lepaTTÖbuupoq
TTuuX[Xi(juv . . . . lou TToaeibuuveiou
•25 Aiif.iiiT[pi(;] . . .iuuvo(^ TT. AiXiO(; 'Epfie'puuc;
T. 0X. EO[Tux]n<; 'loüXiog 'HpaKXeibiic;
Aiovua[ioq] AujTiou 'IXapiuuv Aouki'ou
Au, .uuv "HXei Aup. 'louX. XpucroYÖvoq
'Epfiöbuupo^ GeobÖTou Aup. 'louX. "\aiioc,
30 NeiKÖ(JTpaTO(; MdpKOu ct)Xdßio^ "laiioq
TTovTiKÖ(; 'Epiaobojpou Aup. 'A0ri[vaTo(;?
Xpucrduuv 'AxiXXd |Lia
cpucTi be fauKOu sie
ZKemiuuv TTovtik[ou
35 Ö Kttl TTOVTIKÖ^
TTocreibuuvioq TT[ujttuuvo^?J
Aup. 'AXeSavbp[o<;
Aup. 'Y-feivög
T. 0X. EuTux[ri<;
In Z. 7. 8 ist der Name von Geta iictilgt worden. — Ovinius
TertuUus war in den Jahren 200 u. 201 Statthalter von Nieder-
mösien; v«;!. die unter ihn fallenden Inschriften, die in dieser
Zeitschrift VI S. 13 n. 23 und VIIL S. 29. 30 n. 5. 6« publicirt sind. —
In der Liste des Collegiunis, die mit Z. 13 beginnt, sind in der
Columne links zunächst zwei aufgelührt, die ihrem Namen nach
römische Bürger sind, darauf ein lepevc,, ein irainp (nämlich bev-
bpocpdpuuv) und ein dpxibevbpoqpdpoq; in der Columne rechts stehen
die Namen von zwei Frauen, von denen die erste juriirip bevbpoqpö-
püuv, die zweite dpxipaßbouxiö'a heisstj letzteres ist wohl als Particip
von dpxipaßbouxeiv aufzufassen. Es folgt in Z. 18 über die Breite
des Steines hinweg ein zweiter dpxibevbpoqpöpoq. Den Schluss bilden
die übrigen Mitglieder des CoUegs in zwei Columnen : entweder
römische Bürger mit den Gentihiamen Iidius, FlaviuH, Aeliiis, Au-
relms, oder Nichtrümer , die neben ihrem Namen den des Vaters
47
angeben; in dem Namen Aup(riXioq) IepaTT6bujpo<; nocreibiuveiou
(11 Z. 22—24) scheint eine Vermengung des Ausdrucks vorzuliegen.
Augenscheinlich ist die Inschrift von mehreren Händen eingegraben,
aber eine genaue Scheidung derselben ist wohl schwierig.
58. Bruchstück einer ähnlichen, aber nicht derselben Marmor-
tafel, gleichfalls in Küstendsche gefunden und jetzt im Museum zu
Bukarest. H. O'IS, br. 0-14.
öioq lepei
MjapKoq
oq 'louXiavoO
Oua\e[p]iav[o
ujv] OuaXepia
oq Ai)Ed[v
59. Fragment aus Kalkstein, gef. zu Küstendsche; jetzt im
Museum zu Bukarest. II. 0-15, br. 017,
_^4l E P T ■
\BHNI K O Y
\IAIUJN10YAIA
\ lOYANTUUNElNoY
////////// KAIEAPOX KAI
,_AYrOYCTHE-KAIlE PaC
hPUUNETPATE YMATUJN
'lAIUJNKAlBOYAHEKAIAH
10
10
OKAIAEUUNnP
^Tl r_S o Y.U-£ '
leTTTifiiGU leoui'ipoul rfepTi-
vaKO^ leßacTToO 'ApaßiKoO 'AbiJaßnviKoO
TTapeiKoO ^e-fif^Tou KJai aiujviou öia-
ILiovfiq MdpKOu AupnjXiou 'Aviujveivou
leßacTToO Ktti TT. lerrT. rexq] Kaicrapo^ Kai
auvTidcrnq oiKialq Autoucttik küi xefmc,
ö-utkXiitgu Ktti ijepiliv cTTpaTeuf-ittTiuv
Küi bniuou 'Paj|Li|aiuJV küi ßouXfiq küi br|-
jLiou Tfiq |Ln-iTpoTr6jXea)(; Tofjeinq
ö Ktti Aeuuv
48
60. Tafel aus Marmor, gef. zu Hasiduluk , Kr. Constantza,
jetzt im Museum zu Bukarest.
ArNONYFEPeiASOIOnYPIBPOMESOITC
\nP0NAn02*ETEPA2nrA2ENEPn
AYZTIKONEMBAKXOlZIAAXriN 2T E4)0'>
TAPMIAOSAPXAIHNAEIKNYMENOZT
AAAAZYTAYPOKEP.aSEPMATENEOSXEi
1e S A I KAIFAZOYZSnZElEPONeiAZ
[ 'Atvöv uTtep Gidcroio, Ttupißpo^e, ao\ Td[b' uYaXjua
bÜLjpov ttTTÖ acpeiepäq uj-rracrev ep[Taaia<;
u]uaTiKÖv 6)11 ßaKXOiCTi Xaxoiv orecpo[q
TTjdpiaiboc;, dpxauiv beiKV\jjn6V0(; T|eXeTiiv
"AXXd au, laupoKepuuc;, 'EpjuaTe'veoq xe[pö<; ep'fov
bjeEai Kai TTadoOt; aüiJZ:' lepöv eia(T[ov.
Der Sohn des Parmis weiht dem Stierbakchos als Priester
eines bakchischen Thiasos der Paso eine Statue aus dem Erträgniss
seines Gewerbes.
Am Ende von Z. 3 kann nichts anderes gestanden haben, als
der Name des Weihenden. Für die unschöne Verlegung des Vater-
namens in die folgende Zeile fehlt es nicht an Belegen, z. B. Anthol.
Pal. VII 470 (Meleager) : eiTTOV dveipO|Lievuj riq Km xivo^ ecTCTi; 0iXauXoq|l
EuKpaiibeuu, vgl. Anth. VII 5, 3; Kaibel n. 445.
)iiu(Ttik6v Xaxüjv oiecpoc, verstehe ich von der Uebernahme der
Priesterwürde, vgl. z. B. Ausdrücke, wie Aiöc, toO TToXie'ujq dvaXaßibv
0Te(pavov, TÖv eTTUJVU)Liov Tr\c, KÖXeuj^ 'AttöXXujvo«^ dvabeHd|Lievo(; aie-
qpavov (Inschr. von Istropolis, arch.-epigr. Mitth. V S. 37 Z. 19 ff.).
Als BdKXOi werden hier die Mitglieder des Thiasos bezeichnet, cf.
schol. Aristoph. Eq. 409: BdKXov ou xöv Aidvuaov |ii6vov eKdXouv,
dXXd Ktti Tou(; leXovvTac, rd öpTia, vgl. Eurip. frgm. 475, 10 ff.:
laiKJTri? T€vö)ariv (Kai) ßdKXO<; eKXiiGnv ömoiGeiq. Heraclit frgm.
124 Byw. Das iuucttiköv aiecpo«; findet seine Erklärung in der Stelle
des Harpocratio s. v. AeuKii • Vn rd ßaKXiKd reXouiiievGi rrj XeuKi^ crie-
(poviai, bid t6 xöoviov eivai tö cpuTÖv' verbunden mit der Notiz bei
I^^okker Anecd. p. 279: fi Mdpaeot; Kai n XeuKii cpucfei fiuariKd tan.
Vgl. auch Kaibel 153, 11: lT£|U|ia be )lioi TrXeEavTo] Aiujvuaou eiaaujiai.
Unter TeXeni V. 4 sind wohl die reXerai inuarripibec; BdKXOu zu
verstehen ; beiKVU|aevoq ist activ zu fassen, wie nicht selten in Poesie
und Prosa, vgl. z. B. C. I. A. II 323: tö koivov tö tujv AitujXüjv
4Ö
dTTob€iKVU)uevov ifiv 7Tp6<; Touq Geou^ eucTeßeiav und das Epigramm
auf der Nikeratosbasis (Loewy 147) Z. 5: oi he xepuJV rexvaq beiK-
vü)iievoi crcpeiepaiv.
Zur Ergänzung X^po? epTov in Z. 5 vgl, Kaibel 569: rrpiu-
9rißr|v eil KoOpov luoTpa Ku9eT\e ßiou , iroWd (yoq)r\q X^pöq
epya XeXomÖTa und die von Goniperz publicirte Bronzeinschrift von
Dodona, arch.-epigr, Mittli. IV S. 59: öpYava X^ipöc;. Nennung des
Iviinstlers finden wir auch sonst nicht selten in den Schhisszeilen
von Votivepigrammen, vgL Anth. Pal. VI 337 (Theocrit) : 'HeTiuuvi
xdpiv yXacpupäc; x^po^ä axpov uttoctto«; juiaööv; VI 139. 153.
Z. 6 ist, wenn mir nichts entgangen, das erste Beispiel eines
nach einer Frau genannten Thiasos gegeben. Giacroi, die nach den
Namen ihrer Gründer oder Leiter genannt werden, sind sonst nicht
selten, vgl. die teischen Inschriften Bull, de corr. hell. 1880 S. 164.
176. (Weitere Beispiele sieh in den von Foucart associations reli-
gieuses gesammelten Inschriften n. 33. 36. 37. 41 u. a.) Ich sehe
hierin aber keinen Grund, an der Richtigkeit der Lesung Tlaoovc,
zu zweifeln.
Die Anrufung TaupoKepiJU(; gibt Aufschluss, wer der Trupißpo|no^
Z. 1 sei. Wir kennen das seltene Wort als Epitheton des Zeus
und des Eros aus den orphischen Hymnen (XVIIII, 2; LVII, 2);
ferner findet es sich bei Nonnus Dionys. 14, 229: TrdvTuuv b' fiye-
)Liöveu6 TTupißpo|uo(; ElpaqpiuüTriq. Eiraphiotes ist aber auch ein Bei-
name des Dionysos, aus derselben mythologischen Sphäre. Tima-
chidas in seinem Commentar zu Aeschylus (zu Aesch. Sept. 207)
erklärte das verwandte Wort TTupißpe|ueTa^ als 6 rrupi ßpe'iuuuv, i]
biu TTupöc; ßpt,uovTO(; Y^TOVUjq (Hesych. s. v.). So mag es denn nahe-
gelegen haben . den Aiövuaot; epißp0)U0(; TTUpi^evric; , den Sohn der
Semele, auf deren Grab fortwährend die heilige Flamme lodert
(Eurip. Bacch. 2. 590), mit dem Beinamen TTupißpoiiio^ zu bezeichnen,
und wird diese Bezeichnung im Mysteriencult wohl häufiger gewesen
sein, als die spärliche literarische Ueberlieferung ahnen lässt.
Zu crqpeTepaq als Possessivpronomen des Singulars vergl. u. A.
Kaibel 452. Athenaios I 196, App. Plan. 206. Dass der Name
TTdpiaK^ auch im griechischen Norden nicht ungebräuchlich war, be-
weist die Inschrift von Olbia bei Latyschew 114 Z. 33. Die Genetiv-
fonn TTdpiuiboq steht durch die teische Inschrift C. I. G. 3117 fest.
Dagegen vermag it;h den Namen 'Ep)uaYev»]<5 sonst nicht nachzu-
weisen ; die Wortbildung selbst lässt sich aber genügend rechtfertigen.
E. RKISCH
Ärihäologis(h-et)ii;i';iiiliiKclio Millh. XI. 4^
50
61. Postament einer Statue aus Marmor; gef. zu Küsten dsclie,
jetzt im Museum zu Bukarest.
YATPAIANOY
OYSriTHPIAZ
MHZKAIT- cJ>AT
TUN AHMn
<t>EPnZAN *
uTTep. . .Ne'pojua TpaiavoO
Zeßaarjou öujTripiai;
? 'Ep]|ufi(; Ktti T(iToq) 0X(douiog) T(itou)
v{\öq) ? KaTTiJTUJV bti|uuj
? To)LieiTijuv d](p(i)epuj(Jav
62. Marmorfragment, h. 0'15, br. 0*18. Gef. zu Küstendsche,
jetzt im Museum zu Bukarest.
10
r I p o c
r ■ i
!V N I n A T I A,
-.•P YNAONTI ii)
I M r 6 N O VAIN
I A A A M A
4>AA- M APKIA|
NE E'P B A E E O e1
KACICEYNO yI
i:YEXH/N*r/;//OY^
\ --//// TYAAOE-I ////T
63. Marraorfragment; gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum
zu Bukarest.
64. Deckel eines kleinen runden Thongefässes mit umlaufender
Inschrift; gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
l YOAHIMITi
[Etwa (JTi)u()a)i 'Hboöq die Schminksalbe der Hedo. Die Schrift
ist wohl deshalb linksliiufig, weil sie in der Stempelhohlform die
gewöhnliche Richtung hatte. 0. B.]
O.ö. Fragment aus Sandstein, h. 0*18, br. 014, d. O'lö. Gef.
zu KUstendsciie, jetzt im Museum zu Bukarest.
PflAAEEANAPl
51
66. Marmorfragment; gef. zu Küstendsche , jetzt im Museum
zu Bukarest.
/- A A • MA
n • A 1 A
AEI ATI
A I A IT A AI
M- AYH- A
AOYK • m '
YA • M
67. Marmortäf eichen, auf welchem eine Frau mit einem Hund
oder Löwen dargestellt ist. Gef. ausserhalb Küstendsche's sammt
acht Todtenurnen voll verbrannter Menschenknochen; jetzt im Mu-
seum zu Bukarest,
I enHKOO) K A I v
[ TUJNAECnOT
eTTriKOUJ Kttl
TUJV be(TTTOT[uJV
68. Fragment aus Kalkstein, h. 0-.34, br. 0-32. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
e N M o I
^6 S 1 A
\ T 6 I
\
\ €
69. Fragment aus Sandstein ; gef zu Küstendsche, jetzt im
Museum zu Bukarest.
N O Y Z ';
A H 201
A_P__PJJ^
70. Tafel aus Marmor, h. 0-24, br. 0:30, d. 008. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
1
H^ N T
\. INEIKO Y*!'
'■ H E 1 E T 1-N E
5 'IaN A E K T^N
\APlANOn ■ B • N
' r 1 M A X O E ,'
|UUJVa CK TUJV
'AJbpiavöi; ß'
Ajuaijuaxot;
4*
5ä
71, Fragment aus Sandstein, gef. zu Iftüstendsche.
I IUI M
llIAE AVG
\ — T_n S I
72. Marmor, li. 0G4, br. 0-19, d. O'IS.
lEPEIMEnSTaAHMAl
TOMEITHN
dpx]iepei jue-fiaiLu b»i)Lia[pxiKfi^ ilova'xac, .
TojueiTUJV
73. Fragment aus Marmor, h. 0*26, br. 0-12.
T O Y /'i
TO ^E
m HaC
T H n!
AE r ,'
O Yl
74. Fragment ans Sandstein.
E B A o yi
AlONY
75. Fragment aus Marmor.
^'iv\ A A N
'a Z A M E I N
O Y X P O N
76. Sandstein, h. 0-60, br. 035, d. U'23.
B
DE SV
C VR
53
77. Marmor, h. 007, br. 0 05. Jetzt im Museum zu Bukarest.
N.
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2-
'
O Z
K O
Y I
M H
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P
lO
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O
2T
PO 2
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Q_
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Ai]o(JKOu[pib. . .
Ari])uriTpio . . .
? TTjpiJUTO(; Tr).
7y. Marmor, jetzt im Museum zu Bukarest.
IC KAI F.niLHl
HEYMBIOEf
HKAIONH/
P ZFriEl
Ktti tTncri'i[)ii
n (Tu)Lißio(;
11 Kai ö YVii[cri
79. Fragment aus Kalkstein 5 gef. zu Küstendsche, jetzt im
Museum zu Bukarest.
fl P A 1
/uU N O ■«'/
T OY "«
\ N O
5 O V
80. Fragment aus Sandstein, h. 0-16, br. 0-18, d. 0-10. Gef.
zu Küßtendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
81. Fragment aus Marmor, h. 0-15, br. 0*40, d. Ol 8. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
AHM
* E /
82. Auf einem Architrave aus Marmor, h. 0"53 , br. 0'60,
d. 0*23; die Höhe der Buchstaben O'IO. Gef. zu Küstendsche, jetzt
im Museum zu Bukarest.
e M c V I o ^
54
83. Fragment aus Marmor, h. 010, br. O'IO, d. 006. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
EKAIt-
l'ElKHrov) VJeiKllTOU
POCTi,
84. Fragment aus Marmor; gef. zu Küstendsche, jetzt im
Museum zu Bukarest.
" H K A I Y 1
85. Fragment mit grossen Buchstaben, gef. zu Küstendsche.
j AIAUJAe I
86. Fragment aus weissem Marmor, h. 0*07, br. 0'08, d. 0'05.
Gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
\ A I-HOY
87. Fragment aus Marmor, h. O'IO, br. 0*18, d. 005. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest. Oben sieht man den
unteren 'J'heil einer Büste, die Hand in einer Draperie eingewickelt.
M O C 0
JNOYE
iZ_Ll r a
Anl^offe-
e]vou?
88. Fragment aus Marmor, Basis einer Statue. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
A A NIVN n - A/
89. Fragment aus Marmor, gef. zu Küstendsche.
a)N CS
Y ACEI
90. Fragment aus Marmor, gef. zu Küstendsche.
55
91. Fragment aus Marmor, h. 0-44, br. O'Sl, d. 0-17. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
3 4.IMCJ Tp]0(pi|U0..
I A n r'
92. Marmorfragment, gef. im Meere bei Küstendsche ^ jetzt im
Museum zu Bukarest.
93. Marmorsäule.
94. Marmor.
ONIE
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OP I
ie TT
ZA
ZAN
|eK JVE
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YAH0H
95. Sandstein.
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XiO(;
oc, AovYei[vo^
Yp]a|U|uaTe[Li<;
A]Lip(riXioq) 0p6vT[ujv
96. Fragment aus Sandstein, h. 0-23, br. 0-20. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
OIKAIZOI
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|0 <t> I iw
VnE
'\ A A n
POKA02
m * E 1 M
Tp]o(pi)Li-
TT]p6kXo<;
56
97. Marmorfragment, eingemauert in einem Gebäude der Strada
Romana in Küstendsclic. Die Inschrift cntliält schöne und tief ein-
gegrabene Buchstaben.
OEn
)
rcsiOYI
98. Fragment aus weissem Marmor, h. 030, br. 020, d. 0*15.
Gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Jkikarest. Sicher metrisch.
Kl
99. Fragment aus gewöhnHchem Stein, h. 0-18, br. 018, d. O-OS-
Gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest. Oben sieht
man Spuren, anscheinend eines Dreifusses und eines Todtcnmahls.
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2AF YSOK AITOM E
iZETOMMl ME.1 ONtf
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STH X e
Eufc'\Tno'TO(; n....aaeü(; ö Kai Tojufc[0(; . . . .taTiijcrt tö
)iivii)aeiov .. TV) -fuvaiKi ßXdafiiic; ....ijauic;.
100. Fragment aus Kalkstein, h. 006, br. O'IO. Gef. zu
Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest. Vielleicht metrisch.
t n AM E0AI1 : 1:
KA 1 MO IX HMAF
/ilATOo OKXn
I
IMONAoAAAAiY
, Ktti |uoi cffiua.
, aaio ÖKTÜu. . .
, |jüva aWu au.
57
101. Marmorfragment, h. 0"07, br. 012. Gef. zu Küstendsche,
jetzt im Museum zu Bukarest.
NAELOP A E n A P|
jTEYHENEPUJTIEO.
N^ETEPOET lELOlM
Metrische Grabschrift; merkwürdiger Weise auch die Zeile 3
beginnende Strafandrohung metrisch :
)]]v b' e(Topä<; Trap[obeiTa . . .
TeOHev "EpujTi ao[pöv -^ ^-^ ■^ —
av] b' eTepd(; ti<; crujju[a Ti6ri . . .
102. Fragment aus Sandstein, h. 0-25, br. 0-48. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
Yi'lrON02AE^O^
MO lOETOl E^N^2 c)
KO ixYiONonniFj
)uoi öeTo fK]e[i]vriq . .
KOXC, UIÖV ÖTTUU^ CK. .
lOo. Cippus aus gewöhnlichem Stein, h. 0'8ö, br. 043. Gef. zu
Küstendsche. Sammlung des Herrn Cogalnitscheano zu Küstendsche.
Jetzt im Museum zu Bukarest. Z. 4 nach n alte Beschädigung.
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KATYAA OE
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dvecrincTa röv
dvbpidvT[a
tf\c, eu-fatpoi;
)uou KanjXXü[^
104. Fragment aus gewöhnlichem Stein, h.009, br.0"20, d.0'40.
Gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
XaTpe iTTapobiia
105. Fragment von gewöhnlichem Stein, h. 0*05, br. O'U.
Gef. bei Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest. Es ist voll-
ständig an der rechten Seite; die linke Seite fehlt, ebenso der
Anfang und das Ende.
58
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T]o|ueiTiq fU
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106. Fragment aus Sandstein; gef. bei Küstendsche, jetzt im
Hause des Herrn Cogalnitscheano zu Küstendsche eingemauert.
aujLißiou
Te]KVOV
107. Fragment aus gewöhnlichem Stein, h. 0-11, br.O'lB, d. 005.
Gef. bei Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
Krauz
108. Fragment aus Stein ; gef. zu Küstendsche, jetzt im Museum
zu Bukarest.
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109. Desgleichen.
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1 10. Desgleichen.
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111. Desgleichen.
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d]X\r|Xou(;
ö]vvjr\päoav[iec,
eauT[oi(;
112. Desgleichen.
113. Desgleichen.
ratojpveivri
Xaipe TTa]pobeiTa
114. Frcagment aus Sandstein, h. l'O, br. OiiO, d. 0-40. Gef.
zu Küstendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
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1N<A'E2KEYA2EN
VI O NC A I T PNI Y
AIKUAMATIXAIPE
'nAPOAEITA c
? To|u]eiTri<; ßou[XeuTri(; l](by KaieaKeuacTev [töv
ßuL))u]öv Ktti TX]v TTu[e\ov Tvi yuvjaiKi 'IdjuttTi. Xaipe
Trapobeira.
115. Basis aus Marmor, Umfang 1*85, h. 0*60. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
SnZIKPATHS
2 n Z I K P A ToYS
E N 0 A AEKE IMA I
ZH2A2ETH-K-
5 XAIPE HA PoAElTA
TujcriKpdTri^ ZujaiKpdTou(; evGdbe
Kei)Liai Z;iiaa(; eTr] k'* xcnpe TTapobeita.
116. Sandstein, gef. zu Küstendsche. Jetzt im Museum zu
Bukarest.
60
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K A T A K 1 T 6 M
Al'OYejoN AY
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t 'EvBdbe KaTotKiTe Mdpou
eT[üJ|v büoj, |unv[iL]v i, fi()aepujv)
ib, öuYomip 'luudvvou
TrpaYMaTeuTOÖ dTiou 'luu(dvvou)
117. Fragment aus Marmor, h. 020, br. 0*36, d. 011. Gef.
zu Küstendsche , jetzt im Museum zu Bukarest. Die Inschrift
scheint nur an der rechten Seite unvollständig.
AIAIA ■ lOYAIAN-i T
TATn-YinMnY- AYP-
NoY • K A-ESKKv////^
T H X Z H 2
Ai\(a 'louXiavn t[lu y^uku-
xdTLU Ulli) |uou Au[pri\iuj . .
vou KaTe(TK€u[a(Ta . .
Tti<; lr]a[avT\. .
118. Fragment aus Marmor, h. O'IO, br. 0-12. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
Blalt
119. Marmor, h. 0-41, br. 0"27, d. 0*22. Gef. zu Küstendsche.
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120. Fragment aus Marmor, h. O'IO, br. 010. Gef. zu Kü-
stendsche, jetzt im Museum zu Bukarest.
61
121. Marmorstein von etwa 028 Breite; gef. zu Küstendsclie,
jetzt im Museum zu Bukarest. Unterhalb eines Giebels die liier
nach einem Abklatsch wiedergegebene Darstellung, darunter ein-
facher Rand.
••TOP_mAA^ ,,'-L^
[Zu erkennen ist wohl eine der vielen künstlerischen Umbil-
dungen des christlichen Monogramms. — Die Inschrift ist vielleicht
TopmXXa eTncpavi<j (= emcpovrii; , eine Rangbezeichnung) (eiiLv) Ke
zu lesen. A. d. R.]
Nachtrag.
XV. Kreis Constantza.
122. Fragment aus gewöhnlichem Stein, h. 0*63, br. 0'47,
d. 0'45. Gef bei Hassiduluk, Kr. Constantza; jetzt im Museum zu
Bukarest.
n\ Cv^
m/, /qv
H O N MTTTi B V L
5 TOMANLXVST/
T V A M V S P S E C^- ^
d[ ^» 1 E TATEN
Z. 3 ff.: e]qu[est(ribuis)]? /ion{oratus) mil[itiis) et hul{enta) To-
m(itanorum) an{norum) LXV statuam v{ivus) s{ibi) p(osuit) secund[um]
pietatem
62
123. Tafel aus Sandstein, ll. 046, br. 0-75, d. 0-25. Gef. zu
Kassapkioi, Kr. Constantza; jetzt im Museum zu Bukarest.
/ / B R A E M V b TTv V O R
VET-LEGV-MAC-Mll
AN-XXVI- VIXIT-ANLX
VAl. -INGENVS Fll.I VS
5 ET HERES PA TRI PIEN
T 1 S 1 « O ET Fl.A Fl R SIC
m A C O I G I B E N E sie
viere/iti posuerunt
Z. 1 = Braelius Favor.
124. Ein kleiner Altar mit einem Adler en face und einer In-
schrift, h. 0-18, br. Ol 2, d. 01)9. Gef. bei Constantza gelegentlich
der Ausgrabungen zur Errichtung eines Hauses, neben dem Hause
des Herrn Cogalnitscheano , gegenüber dem Meere. Befindet sich
jetzt im Museum zu Bukarest.
THPiJ Ion xapi^^JTnpiov
Adler
125. Stele aus Kalkstein, h. 2*26, br. 085. Gef. zu Ilasancea,
Kreis Constantza; jetzt im Museum zu Bukarest. Oben die Spuren
eines Reliefs, anscheinend ein Dreifuss und ein Todtenmahl.
MENEOHAoE *
Z H C A E E T H M ö
HCYMBIOCAY ToY
0 101 CATT AAMA
5 TOICTEKNO lLO^E
PATMl OEKIATTAKAI
EOZEIM YOYMENE
KAEOYC T H N CTH
A H NANE0H K AN
10 MNElAEXAPINo
XAIPEnAPOAElTA
Blätter
Meve'cpn^oq lr\aaq ein m'' n cruMßioq aurou OieicrdTTa ü^a roTq
T^KVOiq 'OvepctTmoq, Kidita koi loZieiMUou MeveKXeouq t^v OTr]h]v
dve'öriKav javciaq x«P'v* X«>pf TTapobflra.
63
126. Cippus aus Kalkstein, h. 1*40, br. 0*60, d. O'ÖO. Gef.
2U Karamurat, Kr. Constantza; jetzt im Museum zu Bukarest.
r ■ n O N T 1 O i: A 1 K 1 N N I A N o s
rnONTIO 4>01BIAN0
K A 1 r • nONTIO M A P KI A NO *
TOlZ AAEA<t>015;TOMN4MIoN
5 EnOlHZENMNHMHZ
X A P I N
r. TTövTio^ AiKivviavöq f. TToviio Ooißiavö (sie) Km f. TTovtio
MapKiavö (sie) xoTq dbeXqpoi«; tö ^vri|uTov eiroiriaev Mvrmnq x«piv.
127. Fragment aus Kalkstein, h. 028, br. 0 35, d. 0-15. Gef.
zu Palazu, Kr. Constantza; jetzt im Museum zu Bukarest.
f A 1" L 1 rtl A l
rENOYZreA-EH
Y E A E I A A K A I T O hE
ANAEAN.^HEI
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WE T E O HM A U
IET0TAiVE.10N
Z. 2: ...Ye'vou V\(5(x{<^ l\r\. — Z. 4 f. : e]av be dvd^ei [erepov
juei' e]|ne TeSfivai, b[ujaeij \<^ tö lajueiov ktX.
XVI. Kreis Hirschova.
128. Grabschrift aus Kalkstein, h. 1'02, br. 0'80. Gef. im Kr.
Hirschova, jetzt im Museum zu Bukarest.
Verzierung
D o JWß
Q_e E R V C I
O V I C T O
R I ■ M E D I
5 C O • C^ N_
129. Säule aus Kalkstein, h. 0-65, Umfang 0*90, Durchm. 0*25.
Gef. im Kr. Hirschova, jetzt im Museum zu Bukarest.
./ ./ ./
./ ./ ./
/ / /
64
Pn
Fel\icis
Tnv\icti
Aiig\iisti
Aure\ms
Castor
130. Auf einem Topfhenkel, gef. zu Hirschova, jetzt im ]\Iu-
seum zu Bukarest.
mnhzikae//// Mv)icriK\e[ouq
*1AoKPAT0y/ 0l\OKpdTOu[q
131. Desgleichen.
E n 1 N E 1 z 1 em N[au](Ti-
2 T P ATO Y (JTpdTOU
nA///A0Y • na[vd)u]ou
132. Desgleichen.
E n / N A Y 2 eTT|ij Nauö"-
1 n n O Y ITTTTOU
AnpiANio/ 'A[-ff)]iaviü[u
133. Destrieichen.
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em MeTUj[v]o<;
134. Fragment aus Marmor, h. 0-43, br. 030, d. 0 22. (i«it. zu
Dulgheru, Kr. Hirschova; jetzt im Museum zu Bukarest.
ATAGH TYX//// dfüGj^ TUXO.ll
0EW Oeiu
, n X Y p w 'IcrxupLu
(iemcint ist wolil Mithras, der <lms Livictua.
XVII. Kreis Tulcea. Macin (— Armhin»,).
135. Statuenbasis ans Sandstein, li. 0-73, br. 0-<U), d. 0-47;
gef. niciit weit von Macin, jetzt im Museum zu Bukarest.
65
IVLIAED O mnae
A V G V S T A vJmatri
C A S T R r/ruvi
FL- KE cjinus?
XVIIi. Kreis Medgidie.
136. Fragment aus weissem Marmor, h. O'l?, br. 0-24, d. ()*04.
Gef. zu Besiul, Kr. Medgidie; jetzt im Museum zu Bukarest.
Part]hici et divi [Nervae adnepoti. . . .Au]g{usto) imperat[(y)'i] . . . .
GeoO M[dpKOu AupriXiou.
1H7. Fragment aus Stein, h. O'IS, br. 011, d. 0-02. Gef. zu
Besiul , Kr. Medgidie ; jetzt im Museum zu Bukarest. Unten ein
Reiter zu Pferde (der thrakische Held).
/ / / O MI DON
//l 1 V S SE-^
[Her\om Dom[ino] [Iu]lius Seve[rus v. s. l. m.].
XIX. Kreis Mangalia.
138. Fragment aus Sandstein, h. 0*20, br. 030. Gef. zu Tat-
ligeak. Kr. Mangalia; jetzt im Museum zu Bukarest.
^___,,--^l 1 1 O 2 O-
AMATPIOY
_p AKA6
. . . [A]a|uaTpiou .... 'HpaKXe. . .
XX. Anadolköi.
139. Fragment aus Kalkstein, h. 006, br. OiO. Gef. bei Ana-
dolköi^ jetzt im Museum zu Bukarest.
aBin * * IAA
I AM.OI N EMD
Aitliäologibcli-epigra.phiscUe Mittb. XI.
66
XXI. Karaharmatt.
140. Kalkstein, h. 0-75, br. 1-45, d. 060. Gef. im türkischen
Friedhofe, neben dem Hügel Karanasup, nicht weit von Karahar-
man (IsfrapoUs).
KM ri02 APTEMlAnPOY T O Y ///////_ P E Xli
E.Y0H N I APXO Y K A I n O A A A K I 2 EN/
*K0YNTA£H:EN0Y2: ePE^ANTOS)
/ 1 M n 2 A P S A N r o >.; K A I n P E 2 >"
//////////////////////////// T P O - ////
/////////////////////////////////////
KXiTio^ 'Apiejuiötjupou toö [dpxie]p€uj|"q,
euGfividpxou, Kai ttoWoekk; ev[oi-
KOvvTaq Hevouq GpevjjavTO(;, fTrpo-
[6ü]|uaj(; apEavTO(; Kai TTpe(j[ßei)(JavTO<;
In der fünften Zeile ist wohl der Name der Stadt 'la]Tpö[7ToXi^
zu erkennen. Es könnte darauf noch eine Zeile fehlen.
XXII. Kloster Dragomirna (Bukovina).
141. Tafel aus Marmor in der Kirche des Klosters Dragomirna,
nicht weit von Suceava. Im Mai 1885 genommene Copie.
AeKATHOISYN EAP O I EI^
nEIAHPPESBEYTHZAPOST^
EYPOAIi;*! AOM H AO Y EIZB Y Jv
TIONKAll'POXTAXHNAABnNE
rEINAPXlTEKT0NAEMI20n^l
TOLPIKPATHNOXI' APA TENO/
NOXl'OAAA KAIAY2;iTEAHi;YNE'
AEZATO nAPATASErAOZEIimr
10 h P I' a N r O 1 i; T E K A I P O II 2 Y M 1' E P l
<t>EPOMEN Oi;TOI2;KATATHM^OAI^
TOYilMIZOOYiEAAMBANEN
OYiOAllMOXHHIOYI'OAEmOYTEl
r P O i; A I' r E AOENT Oi:0 A ATIKOY j
15 I AP POl rO N K A I PON EM PEIPnZKAl
npoOYmai;nAPti.KEYAi:E nonhn,
XPEIAEIZIETOM META TAY lA
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XPONONEPIMEA HTA2EAOJWENOY I
TOYAHMOYXriNTEIXnNEIZETH 1
•20 AYOEPIKAHOEI SYnOTaNZYNEAPfIN(
EP E2TA THSES YM<t>EPO NTnZPA j
PEPIAHMnNTEETHnAEin ANEFKAP
TOZnNAlETEAEXENKAITAAOl PAE"*'
NOYSnNAI ATEAElXniAH JWniAOH,
-^ HIBO YAHIK AITai AHMaiEPAlNEZAl
^XITEKTON AEPIKPATHNNIKOBOy//
I ANTION APETHZ ENEKEKAIEYlli
'A2TH2E1XTHMPOA1NKAI XTE*,'
2A1 A Y T O N XPYZni 2TEcl>ANni Tc/
^^ |rHAIOI2ENTni0EATPn[AIAO2l
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EINAIAEAYXni KAIEKFONOISPPOS
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M nOAE/Wni KAI ENEIPHNHI A£ YAl*
^^ ZnONAEI KAI E<t-OAON EPl THmBOY;)
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O I K A AE2AI AE AYTON KAI EPIHEN /
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Lorbeerkranz
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b]€KdTii(i) Ol aüvebpoi 6T[TTav e-
TTeib»! TTpeaßeuific; dTTO(JT[aXei(;
EuTToXiq OiXojLn'iXou ei<; Bu[cdv-
[, Tiov Ktti TTpoaiaxviv Xaßuuv GJTTa-
■feiv dpxiTeKTOva, e)Liia0uu|(Ja-
To 'ETTiKpdiiiv ö^ 7Tapa-fevö||ue-
voq KoXXd Ktti XucTireXf] (Juvefre-
Xecraro irapa läc, eyböaeis tüj[v
10 epYujv roxg xe Kaipoic^ au)HTTepi-
(pepö|uevoq ToTq Kaxd xriiii rroXiv
xouq |uia6ouq eXd|ußavev,
68
ou<; 6 bni^oc; iiHiou, TroXejuou t€
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15 Tct 7Tpö(; Tov Kttipöv e)LiTreipuu<s Kai
7TpoGü|uuu(; TTapecTKeuacTev iLv r\v
Xpeia, ei^ le töju juerd laöia
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Tou brijaou TuJv Teixoiv eic; eir)
20 buo eTriKXr|6ei^ ijttö tujv (Juvebpuuv
errecJTdTricre aujucpepövTUJt;, Tia-
pembrilLiiJuv le eiri TrXeiuj dvexKXii-
T0<; uuv bieieXeae küi td Xomd e[ij-
vou^ ujv biaieXei tuji ötiiuuji, öö£[ai
25 T]fii ßouXfii Ktti TOJi briiuuui, knawloai
dJpxiTCKTOva 'EmKpdTriv NiKoßou[Xou
Bu]Z;dvTiov dpeTfi<^ eveKe Kai eu[v-
oijaq Tf]^ €\q TrijLi ttöXiv Kai (JTe(p[a-
viu](Tai auTÖv xpucrüji aiecpdvuui To[iq
30 OapJxriXioiq £V tüji eedtpiui, biboa[6ai
be aJÜTuii Teidproii aiTripecTia Kai [)ue-
0u?], eivai be auxuji Kai cktövok; •irpoH[€-
viav], TToXireiav, eicTTrXouv Kai e'KTTXou[v
Kai e])u TToXe|uuji Kai ev eiprivrii d(JuX[ei
35 Kai dJcTTTOvbei Kai eqpobov em rr\}jL ßou[Xriv
Kai t]öv bfiiuov lueid xd lepd* tö be M^[r|cp-
lOlxja TOÜTO dvaYpaqpfjvai eiq TeXa)Li[üj-
va X]i0ivov UTTÖ tüjv dpxövTuuv Kai aT[a-
öfivjai ev TUJi lepiiii tou 'AttöXXuuvo^ t[6
40 be d]vdXuu|aa tö exe, töv TeXajuojva b[ou-
vai t]ou^ oiKOVöjuouq dcp iLv X£ipi^ou(j[iv
auTJoi, KaXecTai be auTÖv Kai em Eev[ia
ei^ t]ö lepöv toO 'AttöXXluvo^.
Ueber die Herkunft des Steines wissen die Mönche so viel
wie nichts. Sie erzählten, dass es der Grabstein des Kloster-
Architekten sei. Das Kloster selbst ist eine Gründung des rumäni-
schen Metropoliten Krimka aus dem Anfang des 17. Jahrh. Die
Inschrift ist schlecht publicirt in der griechischen Zeitung aus
Leipzig EznEPOz vom 15. /27. März 1885. — Das Decret stammt
sicher aus einer griechischen Stadt am Ufer des schwarzen Äleeres
und zwar vielleicht aus Callatis, da auch in dem oben S, 33 n. 32
abgedruckten Decret von dort die auvebpoi, hier allerdings zugleich
69
mit den Strategen, als Antragsteller erscheinen. — [Der in unserem
Decret geehrte Architekt Epikrates, Sohn des Nikobulos aus Byzanz,
scheint sonst nicht bekannt zu sein. Wie er aus Byzanz von dem
Gesandten Eupolis geholt wurde, ist ähnlich nach der Urkunde
C. I. Gr. n.2158 (vgl. Untersuchungen auf Samothrake II S. 113) in
Folge einer Gesandtschaft ein Architekt von Kyzikos nach Samo-
thrake gesendet worden. Auch der Z. 13. 14 erwähnte TTÖ\e|uoq
'OXaiiKÖi;, der während der Anwesenkeit des Epikrates gemeldet
VA urde, scheint unbekannt zu sein, und selbst der Name ist für uns
unverständlich. A. d. R.]
XXIII. Karanasib.
142. Sandstein, der als Fuss des Altars in der Kirche des
Dorfes Karanasib dient. ^Spätere Schrift. Links und rechts ist der
'thrakische Reiter' mit vom Winde gehobenem Mantel dargestellt.
Ein Baum steht gegenüber. H. 0-80, br. 0*40, d. 040.
AioNYciocKAi H Aiovucnoc; Kai 'H-
POAWPOCOl pÖbuJpO<g Ol
CATYPiujNoc ZaTupiujvo(;
KAI APTEMI AUJP Km 'ApTejUlbUUp-
öocAiONYCioY oq AlOVUCTlOU
ToeproNTOY t6 epYOV toö
ABITUUPIOYKAI dßlTUjpiOU Ka[T]-
ecKeYACAN6K ecTKeuacfav eK
TUJNIAIUJNTHKO) TUJV iblUJV T\} KUJ-
10 MH YnEP MAFIETPAT jJLT] UTiep jUaTlCTTpClT-
Hc n?
[Das dßiTUjpiov in Z. 7 wird wie das |LiaTicrTpdTri<j in Z. 10. 11
ein lateinisches Wort sein, abitorium ist bisher nicht belegt; die
Bedeutung des von abire abgeleiteten Wortes ist wohl die gleiche
wie in der deutschen Sprache des von dem entsprechenden Worte
abtreten gebildeten. A. d. R.]
XXIV. Meilensteine.
143. Meilenstein, gef. in der Umgegend von Cernavoda; jetzt
im Museum zu Bukarest. Höhe 2*10, Umfang 1-20, Durchm. 0-35.
I M P C A E S L «; r p T I M I V S
severvspivs//rti
70
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Die Inschrift stimmt, abgesehen vom Schluss, mit den in dieser
Zeitschrift VIII S. 29.30 n. 5. 6a piiblicii tcn, der beiden bei Hir-
ßchova j:;cfiindcnen jMcilensteine übcrcin. — Derselbe Statthalter
kommt auch in der Inschrift der Dendro[>liorcn von Toini oben
S. 44 n. 57 vor.
144. Meilenstein, h. M5, Umf. 045. Gef. bei Macin, jetzt im
Museum zu Bukarest.
/\ e s s c
10
15
O A V R V A L
I O C
1, E '
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N O
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C\ae8s, Ca[?]-
0 Ai(r{elio) VaKerio)
[Djiocleti-
[a]no et M-
\(i\yc{o) Aur{elio)
1 Va]lierio) Maxl-
[Fl{avio)] Val{erio) Co[n-
\jii\antio et
Gal{erio) Val{erio)
[M]aximi-
ano
m{ilia) j){assimui)
IUI
I»cr SflilusH, (1( r namciitlicli eine KoiJie von Gevvicliten enthält., soll im
nachslrn Hefte folgen. A. d. K.
Bukarest 0. TOÖILESCU
71
Neue und revidirte Inschriften aus Ungarn,
Steiermark, Krain und Kärnten
Mit Unterstützung des hohen k. k. Ministeriums für Cultus
und Unterricht machte ich im Sommer 1885 eine Reise nach West-
ungarn und Slavonien, im Sommer 1886 nach Steiermark, Krain
und Kärnten zum Zwecke der Revision der besonders in den letzten
Jahren bekannt gewordenen epigraphischen Funde, die in den Pro-
vinzialzeitsehriften und danach in dem von mir (im VIII. und IX.
Band dieser Zeitschrift) gegebenen epigiaphischen Bericht ver-
öffentlicht worden sind. Bei dieser Gelegenheit revidirte ich auch,
soweit es mir möglich war, die schon im Corpus und in der Eijhe-
rneris epigrapJiicd enthaltenen Inschriften und copirte eine Anzahl
noch nicht bekannter. Bei meinen Arbeiten wurde ich von den
Vorständen der Localmuseen auf das freundlichste unterstützt, und
ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich hier den Herren Prof.
P. Buräny in Steinaraanger, Prof. Müller in Essegg, Conservator
Bergrath Riedl in Cilli , Custos v. Deschmann in Laibach, Baron
Ilauser in Klagenfurt, ferner Hrn. kön. Rath Ivan Paur in Oeden-
burg, Director Lipp in Keszthely und Advocat Horvath in Fünf-
kirchen meinen Dank wiederhole.
Ich gebe zuerst die Inschriften aus Ungarn, dann die aus den
Alpenländern.
A. Neue Inschriften.
Oedenburg, beim königl. Rathe Ivan Päur.
I. Cippus aus Kalkstein, gef. 17. Mai 1879 in Szärozvän
(Mühlendorf) an der Raab - Oedenburg - Ebenfurter Bahn; h. 0"55
br. 035, d. 0*10. Überhalb der Inschrift die Büste eines Knaben
mit einem Apfel, unter derselben ein freier Raum von 025 Höhe.
V A L E R I V S
N A T A L I S
GAVNI • F ! •
A N N ■ IUI •
5 PATER -POSVI T
Z. 5 das letzte t auf der Randleiste eingehauen.
Valerius Natalis Gauni fi{lius) anniorum) IUI; -pater posuit.
72
2. Ein Ziegel;, gef. 1879 in einem Hypocaustum in Bodacson
Tömay; 1. 0-47, br. 0-33. Vor dem Brennen anscheinend mit einem
Stäbchen eingegraben.
L)A-PRSSTiNTIA:fTRä Q^V ä
R 3 OPVS
Es fehlt nur das obere Ende des d. Die Lesung ist völlig
sicher, die Schrift ziemlich sorgfältig bis auf das i statt e.
Dass der Ziegelarbeiter, der diese Worte bei der Arbeit auf
den Thon aufgetragen hat, requere statt require schrieb, ist nicht,
auffallend. Schwierig ist das ■prestentla. Gemeint hat er wohl
pr{a)est(a)ntia und, wie Prof. v. Hartel glaubt, mit Adresse an den
Aufseher oder Fabriksherrn, sagen wollen, gib was den Unter-
halt gewährt [quae vitam 'praedant) und verlange das Werk;
man darf vom Arbeiter Leistungen verlangen, wenn er erhält, was
er braucht. — Bekanntlich ist opus (doUare) die regelmässige Be-
zeichnung der Ziegel auf den Ziegelstempeln.
Steinamanger, im Museum (bischöfl. Palast).
3. Votivrelief aus steirischem Marmor, die obere Umrahmung
und die linke Seite ist weggebrochen; gef. im November 1885 auf
der Wiese „Köves mezö" bei Steinamanger, h. 0'35, br. 0'25, d. 0 06.
Silvan en face (der Kopf fehlt), in der erhobenen L. die Sichel, in
der R. einen Fruchtkorb tragend, auf den vor ihm I. stehenden
Altar zuschreitend. Rechts kauert ein Hund; auf dem Sockel in
schöner Schrift :
lO- A VG- SA c-
L- jw
. . . Silvanjo Aug{usto) sac(rum) [v(otum) s{olvit)] l{ibens) m{erito).
Oben stand wohl der Name des Dedicanten.
4. Ära aus Kalkstein, h. 0-73, br. 0*31, d. 0-21; gef. in Stein-
amanger. Stark verwittert.
\ V
T AEL
V s I, L m
73
5. Cippus aus Kalkstein, 1882 in Steinamanger gefunden, in
zwei Theile gebrochen (durch Zeile 4 hindurch); h. 0*57, br. 0'43,
d. 0"30. Oben i>t die Inschrift durch Gesims abgeschlossen.
V-ARVRSVS
VIR S A C E R"
O M N 1 B V S
H O N C R i B V r.
5 FVNCTVS
V ■ S L L M
SäRIVS- FlMk
NESTIS • PXRONO
Die Lesung ist ganz sicher. — Der Name des Dedicanten ist
wohl Aur{elius) Ursus gewesen und die Umstellung var ein Ver-
sehen des Steinmetzen; ebenso wird wohl der Name des dienten
nicht Satrius Fimrinestis sondern Firminestis gelautet haben. —
Z. 2: vir sacerd{otaUs). — Z. 6: v(otuni) s{olvit) l{aetus) l{ibens)
m[erito). — Das Fehlen der Gottheit Hesse sich daraus erklären,
dass der Stein in dem Heiligthume derselben aufgestellt werden
sollte. Auffallend ist jedoch, dass auf die Dedication des Ursus
an die Gottheit in Z. 1 — 6 noch eine Widmung an ihn selbst in
Z. 7 und 8 folgt. Ich kann mir dies nur so erklären, dass der
Dedicant an der persönlichen Ausführung seines Vorhabens ver-
hindert wurde und für den Patron der Client Satrius Firminestis
eintrat. Unterstützt wird diese Auffassung durch den Umstand,
dass die Schrift im oberen und unteren Theile keinerlei Unter-
schiede zeigt.
6. Marmortafel, gef. 1873 in Steinamanger; h. 0*82, br. 0*65,
d. 0*06, Schriftfeldh. 0"42. Unter der Inschrift ein ruhender Löwe.
Schöne Schrift,
n -lx •'e ap vlei.
/avstin;5.-con- n(
ET • AVREL - FAVSt/
(nIAN VS-'''E- A V R|
Ir ESPE Ca- fLi- HEf)
(:X • -ESXJVENT • F ■ q
Anrelio ] an{noriim) LX et Apuleia^e F]austinae con{iugi)
aninorum) . . , et Aurel{ius) Faust[i]nianus et Aur[el(ia)] Respecia ßH
74
he[red{es)] ix trstament{o) f{aciendum) c(i(rnvernnf). Der Ausdruck
ist verwirrt durch die irrif]!;e Anfügung der Namen der Söhne mit et.
I. Mannortafel, h. 0-40, br. 028; gef. 18S0 in Steinamanger.
Schöne Schrift (Buchstabenh. in Z. 1 ^ 0-07, Z. 2 = 0 Ofi, Z 3. 4
= 005).
k-L- FIL ~
LINA
B I - ET
jl F I L
5 .) A f- • .<. N
Z. 5 fin.: an(norum) . . .
8. Ein Kalksteinkübel, 8 Liter fassend, h. 0-30, d. 004, Umfang
110, oberer Durchm. 0*33, unterer Durchm. 031; gef. 1885 in
Torony im Eisenburger Comitate, mit den Zeichen:
Nii\ H-r (Massbezeichnung?)
Fiinfkirchen, beim Advocaten Horväth.
9. Votivara aus Kalkstein , gef. auf dem Weinberg bei Racz-
väros; h. 0*42, br. 0 24. Sehr verwittert und schwer zu lesen, die
Lesung jedoch auch nach dem Abklatsch sicher.
S 1 L - D
OM - DEO
V S L M
SU{vano) dom{estico) deo v(otuni) s(olvit) l{ihens) m{erit6).
10. Fragment aus Sandstein, gef in Fiinfkirchen, Franziskaner-
gasse. Schöne Schrift des 2. oder 3. Jahrh. Buchstabenh. 005.
P R 0\
CAR-U'
D V. G S .|
Links und unten vollständig. Nach r in Z. 2 sicher ein Punkt,
aber wohl irrthümlich und zu lesen: cnris[sim... xxxxA didciss[im . . .
II. Fragment aus Kalkstein, gef. in Fünfkirclien, Franziskaner-
gasse.
(• F • S \
|V I X • l!
Z. 2 war wohl v{ivus)'] f{ecit) 8i\bi\.
75
12. Fragment aus Marmor, sehr schöne Schrift; Buchstabenh.
0'13. Gef. in Görcsöny in dem Fundament einer gothischen Kirche.
F ö cl
Links vollständig, /(aciendum) c(itravif).
lo. Fragment aus porösem Sandstein, gef. in Fünfkirchen,
Franziskanergasse. Die Sclirift ist sehr stark verwittert und auch
im Abklatsch nicht viel mit Sicherheit zu cntzifTern:
F R 7E. R 1 ■ I
V C / E X
/ / / / /
//// /
Keszthely, beim Direclor Lipj..
1-1. Sundsteinfragment aus einem Hypocaustum in Zänka, sehr
stark verwittert, so das-s nur einige Buchstaben mit Sicherheit zu
erkennen sind
^AE • C
L - N
T C A r
c
15. Leibnitz, im Rathhause, wo auch das Localmuseum unter-
gebracht ist, im Hofe rechts eingemauert. Gef. im alten Steinbruch
des Schilha bei Aflenz.
D - D • c
A V R E L
S V R V S
ET- AEL-ATTI
5 C I A N V S
V- S • L • M
Z. 1 : J^{is) d{eahus) o{mitibus) Aurel{ius) Surus et Ael{ius)
Atticianus v'otum) s{olverunt) l[ibentes) m{erito).
16. Fragmente aus Aflenz, schöne Schrift.
1q_ ■ F
76
Gamlitz.
17. In dem von Prof. Franz Ferk gegründeten und nach ihm
benannten Localmuseum befindet sich vorläufig im Hofe aufgestellt
— wie mir der Custos des Museums, Hr. Lehrer Kernreich, sagte,
soll der Stein an der Kirche eingemauert werden — ein auf dem
sogen. Fuchskogel, westl. von Gamlitz, gelegentlich einer von Prof.
Ferk veranstalteten Ausgrabung am 2. September 1884*) gefundener
Grabstein aus krystallinischem Kalk. Oberhalb der Inschrift in
einem Giebeldreieck ein Adler, zu beiden Seiten des Giebels je ein
Löwe, unter demselben in der Mitte zwei einander zugewandte
Köpfe, rechts und links nach aussen gekehrte Greifen. H. 2-24,
br. U'93; Inschriftfeld h. 1*11, br. 0'75; unter der Inschrift ein leerer
Raum von 0'43 Höhe, Hübsche Schrift des 2. Jahrb., sehr schwach
eingehauen.
Q_C V R I A N O
C L E ISTO AN I
APPI A ■ BRIGIA
STATER • FECIT
5 AV
Der Name Brigla auch C. I. L. III n. 5408.
Cilli, im Museum.
18. Inschriftstein aus Bacher-Marmor, schöne Schrift, h. 0-59,
br. 0-23, d. 0-48; Inschriftfeld h. 0-39, br. 0-23. [War vorher im
Hause Nr. 125 Herrengasse, nach einer von der Central-Comraission
für Kunst- und historische Denkmale uns mit einem Abklatsch
übermittelten Mittheilung des Herrn Bergrath Riedl. A. d. R.]
M o ?x
L-LOT-FELI
■£ M B O N I ll
1
E I V S P R O fj
5 ■£ S V I S O J
N 1 B V S (
V - S L • w|
I{ovi) o(ptimo) wj[aa;i7noj L. Lott{ius) Feli[x] et M{arcia?) Bonil\a
c{oniunx)] eius jjro s[e\ et suis omnibus v{otum) s{olvernnt) liihentes)
m{erit6).
Am Schlüsse von Z. 4 u. 5 noch geringe Spuren des s resp. m.
*) Vj^l. den Bericht in der Grazer „Tagespost" (Morgenblatt) vom 6. Sep-
tember 1884.
11
19. Fragment aus Sandstein, gef. beim Bau des Theaters.
Schlechte Schrift, stark verwittert; rechts vollständig; h. 0*17,
br. 0-32, d. 0-13. [Vorher mit n. 18 durch Herrn Riedl mitgetheilt.]
b - O S 1 C V ■
EGETIO NI • F
Z. 1 : Der Rest des ersten Buchstaben scheint eher einem b
als einem s anzugehören, dann folgt ein Punkt. Der Name der
Bestatteten scheint Osicu zu sein; Sicu als Frauenname begegnet
C. I. L. III 707. — Z. 2 vermuthet Prof. Tomaschek [Br]egeti07ii
f{ilia).
20. Ziegel:
1) LuGüiTALiCA in drei Exemplaren
POMPII-ANV
2) L E q IT I T A
^^ ^^^^'^^H efr. C. I. L. III n. 5757, 4.
Q_l N T I A Nj
4) C- IVLJ
Laibach, im Museum.
21. Marmorfragment, gef. nach einer von Herrn Dr. J. Binder
der Redaction dieser Zeitschrift geschickten Notiz Ende Mai 1885
gelegentlich einer baulichen Aenderung an einem Hause am Domplatz
in Laibach; h. 0385, br. 0335, d. 0'20.
M
I V L 1
AI VNATt • InnI V • ET
[D{is)] m{anibus) . . luli [For]tunati VI v{iri) et [patr{pni) oder
magiistri) col]legi navicular{iorum) .
Schifferinnungen bestanden sowohl in Rom und Italien, als
auch allenthalben in den grösseren Provinzstädten; unsere Inschrift
ist die erste, die auch für diese Gegend ein solches Colleg nach-
weist. Dasselbe dürfte auf der Save seinen Betrieb und in Emona
seinen Sitz gehabt haben. Es ist danach vielleicht zu vermuthen,
dass das Gebiet von Emona sich bis an den Savus erstreckt habe.
78
Ueber die collejjia naviculariorum und nauiarum. vgl. Marquardt,
Privatleben der Römer p. 404 ff., bes. 411.
22. Kalksteineippus, gef. zwisclien Drnovo und Brege, Gebiet
von Neviodunura, h. l'OS, br. 0-52, d. 0-13; Inschriftfeld h. OöG,
br. 0 335. Die Form der Buchstaben weist etwa auf das 2. — 3.
Jahrb., die Höhe derselben (Z. 1 = OOG, Z. 2 ^ 005, Z. 3 := 0 045,
Z. 4. 5 = 0-04, Z 6. 7 = 0 035, Z. 8 = 003), sowie die Sorgfalt
der Ausführung nimmt gegen das Ende ab — so fehlt in Z. 5 am
Ende ein Buchstabe (e -= e.?/) , obwohl Matz dazu vorhanden ist,
und ist in Z. 7 der Steinmetz in die Enge gekommen. Die Schrift
war mit rother Farbe ausgemalt.
C- MARCI
VS C ■ F ■
C E I L E R •
P R A E C ■ G R
5 AN • L - H • S •
P OM P E I A •
Q ■ F • RESPEC
TA-SIBI-ET-CON
?' V G I - V • F •
Z 7 der erste Buchstabe o mit ganz schwachem Ansatz zum
cii Auffallend ist die Form Ceiler in Z. 3; das i zeigt einen ge-
ringen Ansatz zum l, ist aber doch, wie ich mich vor dem Steine
überzeugte, ein i. — Z. 4 vielleicht j)rae[ceptor) gr(ammaticus) oder
gr(aecus)f doch möchte ich eher das erstere annehmen. Zwar be-
zeichnete grammaticus allein den Elementarlehrer (ein grcmimaticiis
lafinus C I. L. II 2892. V 4333. 5278), ebenso bezeichnet p-aeajjtor
schlechtweg den Lehrer (cfr. C. I. L. VI 9427. 9824. 10008 sq.), also
wohl auch den Grammatiker, doch konnte es auch als der umfassendere
Ausdruck durch den Zusatz cpammaticus näher bestimmt werden.
Vgl. über praeceptores und grcmiuiaiici Friedländer S. G. I'' p. 280 ff.
23. Aus Drnovo, Kalkstein, h. 015, br. ()'32. Lesung sicher.
B O N I A T V s
PROSE-T-ISVIS
Z. ] etwa Caes{ius). — Z. 3 -ti veihauen statt et-
79
24. Drnovo-ßrege, gef. 1885. Kalkstein, Inschriftfeld h. O'öl,
br. U"28. Lesung ganz sicher.
L • M A il nliuK ?
F A V S T 1 CUf. /.
S IBI ■ ET • m\anliae ?
P V s I L L Ae coiugi
A N ■ XX
25. Gef. zwischen Drnovo und Brege. [Anfang Februar 1885,
2 Kilom. südöstl. von Gurkfeld; 1. 0 31, br. 035. Dr. J. Binder.]
Schöne Schrift, links vollständig.
D 1-,
M O G ■ iW /!
NVS • V- F • sl
R - S V A D P-'
5 arIs S^
D{is) m{am/ms) Mog[ms oder etius) Ma[ti\nus v(ivus) f{ecit)
s{ib'i) [et] R{u/)riae?) Suadr[ae c(onnigi) c]ariss[imae].
2G. Ebenda ein kleines Fragment aus dunklem Kalkstein mit
den OOG hohen Buchstaben:
BEC\
27. Instruraentum, meistens aus Brege (Gebiet von Nemodunum) :
1) Auf einem zweihenkligen Gefäss aus rothem Thon mit
Schildbuckelverzierung in erhabenen Buchstaben : i roi
viTALis — 2) Auf einem grossen Topf eingeritzt: clavdiam
(einigemal) kara {ClauJiana coro) — 3) Auf einem Becher
aus St. Lorenz an der Temenitz, auf dem oberen Rande:
ARiVARiA — 4) Auf einem bauchigen Thongefäss cursiv
eingeritzt: livia.
Auf Lampen: 5) fortis — 6) crescens — 7) cerialis —
8) LlTOGE^E 9) ATIMETI 10) VIBIANI — 11) C-A-S-
12) COMVN,
Terra sigillata: 1.]) Auf dem Boden einer Schale innerhalb
eines Fusses: l -gel — Ebenso 14) i. ■ gell — 15) sevei(W?)
(aus Brege) — 16) ti ■ sivcif (?) — 17) g-jvere — 18) atti
I9j CRi — 20) YEN (dreimal) — 21) agalo — 22) co/wvvnis.
80
Saifnitz.
28. Im Hause Nr. 145 in der Ecke ein Bruchstück aus Marmor,
sehr schöne Schrift; h. 0-43, br. O'd'd.
D
Q_- P)
s A ^
29. Beim Pfarrhaus ein Rinnstein aus schönem weissem Marmor,
h. 0'31, br. ü'53, mit Buchstabenresten.
R 1 o
//pat//
Scheint von einem Römerstein herzurühren , der zu einem
Rinnstein zubehauen wurde.
Klagenfurt (Monumentenhalle).
30. Fünfseitiger Pfeiler, gef. auf dem Loiblpasse, aus kristalli-
nischem Kalkstein mit rundem Sockel und Aufsatz; h. 0*28, br. 0'20;
Durchm. des Sockels 032. Die Seitenflächen hatten Sculpturen,
doch ist nur auf der Fläche links von der Inschrift eine sitzende
nackte männliche Figur von roher Arbeit zu erkennen (Cautes?).
Auf der Vorderseite die Inschrift:
C
gavillIvs
RES'r'ECTVS
V S L M
C{auti?) GavüUus Respectus v{otwn) s{olvit) l{ihens) in{erito).
Die Inschrift ist klein und schwach eingehauen , die Buch-
staben der 3. Zeile nur schwach zu erkennen. Das c in Z. 1 ist
doppelt so gross als die Buchstaben der anderen Zeilen. Zwischen
Z. 3 und 4 etwas grösserer Zwischenraum. Für die Ergänzung
Cauti (als Dativ) spricht die Analogie der Inschrift C. I. L. III
473G, gleichfalls auf einem in Spital gefundenen, angeblich sechs-
seitigen Pfeiler.
31. Ära, h. 0-53, br. 022; gef Ende des Jahres 1882 zu
Töltschacli im Zollfelde und von der Baronin Keinlein dem Museum
in Kiagenfurt geschenkt. Oben belindet sich ein rundes tiefes Locli,
vielleicht zur Aufnahme einer Statue bestimmt. Auf der Seiten-
fläche rechts von der beschriebenen Adler, auf der linken Donner-
81
keil. Unten und an den Kanten fragmentirt , daher die Inschrift
unvollständig.
|- O - ]V|
j- M /|
JMVS "l
Wenn die unsicheren Spuren zu Anfang von Z. 2 von einem
R, wie es scheinen kann, herrühren, so lautete die Inschrift wohl:
i-OM II A'RMA I xiMvs. Ob noch eine vierte Zeile folgte, ist nicht sicher.
Tentschach
32. Beim Umbau des Schlosses wurde ein Römerstein mit der
Inschrift nach innen gefunden. Derselbe soll nach Angabe des
Besitzers wieder in die Mauer eingesetzt werden. Der Stein, der
ohnehin schon beschädigt war, litt durch die Unvorsichtigkeit der
Arbeiter, so dass in Z. 1 am Schlüsse noch etwas abgesprungen
ist, ebenso wurde die Umrahmung verletzt. H. 0'42, br. 072,
d. 0-18; Buchstabenh. Z. 2: 0*8, Z. 3: 0-7.
'v~^V~~- 5 • f 1 l
C ■ BOTTiOME rcatori
ET-C-BOTTIO-ADn^ tori
AN XXIIII- ET • BOTTIO ...
5 AN-VII BOTTIO-PAV tmo an.
Unten und links fehlt nichts. Z. 1 wohl v{ivus) f{ecit) s(ihi)
ß[Kus)l Ein C. Bottius Mercator auch C T. L. III n. 4864 (Glanegg).
Das Fehlen der Pränomina in Z. 4 und 5 spricht für die durch
den Auct. de praen. c. 3 wenigstens für die ältere Zeit bezeugte
Sitte, den Knaben erst bei der Verleihung der toga virüis das Prä-
nomen beizulegen ; es scheint, dass auch in der späteren Zeit dieser
Brauch öfter beobachtet worden ist, vgl. Marquardt Privatleben P
p. 10 A. 5.
Wieting
33. In der Sacristei als Pflasterstein, stark abgenützt, so dass
nur wenige Buchstaben mit Sicherheit zu erkennen sind; h. 046,
br. 0-59.
F D II H F I I T 1
E
1 1 A E G
I
AE
T IT 1 O
V F
Archäologisch-epigraphische Mitth. XI.
82
34. In der Benedictinerprobstei als letzte Stufe vor der Keller-
thüre; h. 0-34, br. 0*76; 0*09 grosse, sehr schöne Buchstaben.
KSTIONIS
B. Revidirte Inschriften*)
Pettau, am Stadtthurra
C. I. L. Iir 4060; h. 2-34, br. 0-58. Inschriftfeld 1. 0-50, br. 0-47.
Oberhalb der Inschrift Helm mit quergestellter crista (vgl. Mittli.
V p. 208), unter derselben 5 phalerae und Beinschienen.
Z. 7 und 8 lauten so:
P-FRATER-ET CON
l. E G A o POSJnit
Oedenburg
Im Stadtbause befindet sich jetzt das vor Kurzem eingerichtete
Localmuseum, in welchem ausser anderen Römerfunden jener Gegend
auch einige Inschriften untergebracht sind, so vor allem die aus
dem Mithraeum in Kroissbach C. I. L. n. 4236 — 39. Ausserdem 4235.
n. 4235 Z. i oben gebrochen, Z. 4 posvvit, unter der Inschrift
Juppiter mit ßlitzkeule und Scepter, daneben ein Adler.
n. 4236 Z. 3: roc — Z. 4 sicher karn
n. 4237 Z. 3: satvriJnvs
n. 4238 Z. 2: set • ivSi — Z. 3: o nicht mehr vorhanden, —
Z. 4: G (kleinei-).
n. 4239 scheint ganz identisch mit 4238:
SET - I ^ Tj
ANVS
xhu/Z/an
/////'-M
Also: [/\eo)\ i{nvicto) \Mührae\ .. Sept{imms) Iust[im](inus
\c{ustos) a{rmorum) liegionis)] X [fll [gem{inae)] A)i[fon{mianae) v{otum)
8{olvit)\ l{ihens) m(erito).
*) Ich gebe uuH flein Ertrag meiner licvisioii mir eine Auswalil; <la<> Uchrin'p
li.-ilie ich Prof. O. Hir.sclifeld zur Verwerthung für das voilxieitete Siiijplenuiituiii
zu Kaud III dc8 C. I. 1-.. zur Verfügung gestellt.
i
83
n. 4241 Z. 3: veies, also Veie(n)s.
n. 4251 , jetzt bei Päur. Z. 2 ganz sicher pf — Die i in
Z. 6 — 9 sind grösser.
n. 4253, gef. am weissen Weg nächst der Florianicapelle, fand
ich als Trittstein vor der Thttre des Bauern Johann Schandrei.
Die Inschrift hat in Folge dessen stark gehtten, doch zeigte
sich die Lesung nach der gründlichen Reinigung, die ich
vornehmen liess, ganz deutlich. Z. 2 am Schlüsse ganz
sicher si — Der Bauer versprach mir, den Stein auszuheben
und an geschützter Stelle in die Wand einzulassen.
Eph. ep. II n. 871: statt Ära soll es Sarkophag heissen, der-
selbe existirt noch in Neckenmarkt und dient heute als
Wassertrog. Doch wurde der obere Theil, der die Inschrift
trug, abgesägt. Die Abbildung bei Paur zeigt am Schlüsse
C3 , so dass also nichts fehlt.
n. 4263 las ich am Schlüsse von Z. 1: r4. — Am Schlüsse
von Z. 6 und nach posit in Z. 8 Punkte.
n. 4830 Z. 4: vfs et accio m, also v(ivi) /(ecerunt) s(ibi).
n. 4881. An der Gartenmauer beim oberen Wirthe in Zoll-
feld, gegenüber dem Stationsgebäude.
CL- A T E R I V S
ffiRMA -ET- ÄER
PRIMIGENIAE
5 VX- ET • INGENVAE
FEL, • P . P •
n. 4944 Z. 4. 5: bovterionis • f- c®
ET - CITVLIAE ■ Pl//
n. 4966 Z. 1: Rvwfsis-r, also Rumonis.
n. 4967 Z. 5—9:
n. 5092 b Z. 4—6;
T- ■ P • A E r
TUM Ij
F R A TRI
84
Der Stein ist eingemauert gegenüber dem Eingang der Kirche,
r. neben dem Aufgang zum Thurm, mit dicker Kalkschichte über-
deckt, daher schwer zu lesen. Z. 6 unsicher.
Die Inschrift aas Essegg, die ich unter n, 330 meines Be-
richtes (Bd. IX dieser Zeitschr. p. 140) publicierte, ist in einigen
Punkten ungenau gegeben. Der Stein, grobkörniger Kalkstein, ist
ziemlich verwittert, doch die Buchstaben ganz deutlich ; die Inschrift
steht in vorgerissenen Zeilen und war mit rother Farbe ausgefüllt
Z. 1 steht auf der oberen Randleiste. — In Z. 2 lautet der Name:
CARELiÄ. SABiÄAE ; der Steinmetz setzte zuerst sabiäa = Sahinae, da
er aber noch hinreichend Platz hatte, fügte er noch das nun über-
flüssige E hinzu. — Z. 3 das g hat die Form q. — arabellon. —
Z 4 zwischen i und t ein Punkt. — Z. 5: et — Z. 8 : =e
C. I. L. n. 5139 befindet sich im Laibacher Museum und
lautet nach meiner Abschrift so:
B A S S V S •
QVINCTI - l.
V-I SIBI- ET
CATAEI • VX
5 an//
I 1 1
Z. 3: v{ivus) [f](ecif).
Zu Mitth. IX p. 267 n. 394: Die äussere Ornamentik des
Ringes besteht in einer von Rosetten begleiteten Wellenlinie. Ebenso
sind im Inneren die Buchstaben von Rosetten getrennt. Die In-
schrift lautet:
:: I :: A O « FAC :: O :: A k I
Zwischen dem ersten ao fehlt das Trennungszeichen, weil hier
der Ring gelöthet ist. Für die Deutung ist von den nicht durch
Punkte getrennten mittleren Buchstaben auszugehen , die den Im-
perativ fac ergeben. Nach diesem Worte hin liest man von beiden
Seiten lao. Die Inschrift lautet danach: lao fac lao 'mache, be-
wirke, lasse gelingen lao !' lao ist ein auf ähnlichen Denkmälern
oft*) begegnender mystischer Gottesname und entspricht wolil dem
*) Vgl. z. B. flie Avigfnoner Tafel, znlotzt behandelt von Frcihnor im V.
Smiiileincntband des Philologua p. 45,
85
hebräischen Ja/fve; das Ganze ist die Uebersetzung der in jüdischen
Gebeten oft begegnenden Gebetformel: Jahve asse oder umgekehrt:
asse Jahve. Der Ring diente demnach als Amulet. Die Umstellung
des Namens an der zweiten Stelle sollte einerseits die Lesung für
den Nichteingeweihten unverständlich machen — diesem Zwecke
diente auch die Trennung der zusammengehörigen Buchstaben —
andererseits erhöhte sie die Kraft der Gebetformel, weil sowohl
nach rechts als nach links gelesen derselbe mystische Name sich
ergab.
Wien S. FRANKFURTER
Neugefundene Inschriften
I. Aus Brigetio
Herrn Major Voetter in Komorn verdanken wir die Mittheilung
der unter n. 1—5 stehenden Grabschriften, die im Winter 1886/7
unter vielleicht 200 Gräbern in Brigetio aufgedeckt wurden. Von
n. 1 — 3 hat Herr Voetter selbst Abschriften und Abklatsche ge-
nommen und beides eingeschickt; von n. 4 konnte er nur die Ab-
schrift eines Bauern, von n. 5 die verschiedenen Abschriften von
Bauern einsenden, n. 1 u. 2 sind hohe Grabsteine, in drei Felder
eingetheilt, von denen die beiden oberen Sculpturen, das unterste
die Inschrift enthalten.
1. Undeutliche Darstellung
Anscheinend Tisch mit drei
Füssen und zu beiden Seiten
desselben ein Diener
D M
A^R-PLOTIA^O-MIL
LEG-IAST-V-N- XXV
.VR-IV-IVS- W-'EA^R
FESTINA • PARE • VIVI
(I. m. Aur{eHo) Plofiano mil{{ti) leg{ionis) J a{Jivlricis) sf{ipen-
86
dioi-u,m) V, aninorum) XXV, Aur{elms) lulius vet{eranus) et Aur{elia)
Festina pare{ntes) vivi f{aciendum) c{uraverunt).
2. Ungefähr 2 M. h., 0-75 br.
Undeutliche Darstellung
Vielleicht Schild
D M
ELVIO.VETALI
ET ■ FLORO- FILIO
ELV lA-S VCES A
PA-RONO • COIVG
P I E N TI S VM O
ET- SIBI • VIVA
d. m. Elvio Vetali et Floro filio Elvia Sucesa patrono coiug{i)
pientisumo et sibi viva fec{it).
In Z. 2 scheint das v zwischen elvio und etali später ein-
gefügt. — Es ist zu bemerken, dass die Gemination eines Conso-
nanten regelmässig vermieden ist, in pientisumo Z. 6 und zweimal
in Sucesa 7i. 4.
3. H. 0-18, br. 0-25.
D M
LICTORIÄ • REST VE
QVE VIXIT • ANNOS
^38Kl FACIENDVM
5 CVIA/ITA'RROM
VLIANVS-BF-CO
NIVGI AMAKTISSI
/Ä A C O B S E Q_\E R I S S I /Vt
d. m. Lictoriae Restut{d)e, quae vixit annos XXXXI, faciendum
curavit Aur{elitis) Romuliamis h{ene)f(iciarius) coniugi amantissimae
ac ohseqventissimae.
4. Die Abschrift des Bauern lautet:
LRETONIO LVICOQJPI EGIA
Q_y I V I X A N N LXXVIII S T I P LVIII
D , M
RETONIROMANVS STAT VRA' N
ET LVCILIA II L FEC
Zu lesen ist wohl: L. Retonio Lh[ci\o (?) q{uondam) p(rimo)
87
p{rlo) legiionis) I a{diutricis) , qui vix({t) annUs) LXXVIIT, stip(en-
diorum) LVIII, Rloni Romnntis 8[a\tur[ni\n{us) (?) et Lucil[l]a [f]il(n)
fec(erunt).
5. Aus den drei Abschriften der Bauern lässt sich der Text
bis auf Z. 4 mit ziemlicher Sicherheit so herstellen:
Rosette
D M
E P A P H R O
DITOALVWNO
SVOTSTAtLvSSOLo
5 PF -legTadpf
ET PORTVWIA
FLORA
enA*POAeiT6HPUJC
XPHCTEXAIPe
d. m. Epaphrodito alumno suo T. Statilius (?) Solo p(rimus)
p{ilus) leg{iomx) 1 ad{iutricis) p{iae) f{idelis) et Portumia Flora. —
ErraqppöbeiTe fipuuq, XP'lö'fe \(x\p^.
Z. 4 haben nach svo die Abschriften: iciailvssolo und isiailvs
SOLO und isiAiEvs SOLO ; am Schluss der vorletzten Zeile hploo und
HPÄO und iipooo. Das Wort hpuuc, denn so ist wohl sicher her-
zustellen, scheint nach der Abschrift, vom Anfange abgesehen, auf
dem Rande zu stehen und könnte daher vielleicht nachträglich ein-
gegraben sein.
Gleichzeitig übersandte mir Herr Voetter Abklatsche zweier
in seinem Besitze befindlicher Inschriften:
6. Stück einer Marmortafel, mit sorgfältigen Buchstaben aus
guter Zeit; h. 026, br. 0-27, Buchstabenh. 0'06.
b A B I ^l
lA • M I L
,\BIN
Vielleicht Sahin[o oder iano\ . . , . a mü[itns] (?)... .[S]abm[us,
ianus].
7. Kleine Ära, h. 0-024, br. O'OS.
Ä-SC VLAB
'avg//////!
Ia//////////I
\ L M ^
Aesculap(io) Aug{iisto) [sac{rum)?] A l(ihens) ni(erito).
88
II. Aus Dalmatlen
(Nach an die k. k. Central -Commission für Kunst- und historische Denkmale ge-
langten und von derselben mitgetheilten Berichten)
Ueber die bei der Anlage der Eisenbahnstrecke Siveric-Knin
in der Nähe der Ortschaft Tepliü, wo jetzt anscheinend richtig die
Stelle des antiken Promona vermuthet wird, in der Zeit vom Herbst
1885 bis April 1886 gemachten Funde von Antiken hat Herr Con-
servator Michael Glavinic zu Zara mehrfach an die Central- Com-
mission für Kunst- und historische Denkmale nach eigener Besich-
tigung berichtet und von Herrn Ingenieur Oskar Striegl ausgeführte
Zeichnungen eingeschickt. Aus den von der Central -Commission
uns freundlich mitgetheilten Berichten bringen wir hier die gefun-
denen Inschriften zum Abdruck. Von allen lagen die Zeichnungen
des Herrn Striegl vor; von den Inschriften 1. 3. 4. 5. 6 auch auf
meine Bitte von Freund Glavinic mir zugesendete Abklatsche.
Bei Kil. 85.920 wurde etwa 7 M. rechts von der Bahn, 0-4 M.
tief, ein vollständiges Grab mit gemauerten Wänden gefunden, in
welchem sich ein morsches Skelett befand. Am Kopfende war die
Steinplatte 1 mit nach der Strasse gerichteter Inschrift, am Fuss-
ende die Steinplatte 2. Ueber den Fund ist schon berichtet Mitth.
d. k. k. Central-Commission 12 (1886) S. LXXXVI.
1. H. 0-70, br. 0-30.
EMPRDNIE
\PVLElh
Q_V E • V l X 1 T
M E C V M /,
XXII - AVaf
TICIVS- A
TVS-B-A
[d. m.] Semproni{a)e A'puUi{a)e, qu{a)e vixit mecum \an{nis)]
XXII, Aur{eUas) [At]ticius (?) m[ari\tus b(ene) m{erenti) [j^iosuit)].
Der Name [At]ticms ist natürlich höchstens ein möglicher.
2.
M • H - N ■ S
m{onumentum) h(eredem) n{on) s{equetur).
3. Bruchstück einer Ära, gefunden im Bahneinschnitte Kil.
85.910, 0 M. links von der Bahn, 30 Centim. unter dem Boden.
H. 0-20, br. 017, d. 0-12.
89
' J I A N A E • Aj /
U//NAE-jy//
Der Beiname der Diana hat sich bis jetzt nicht ermitteln
lassen.
Bei Kil. 85.8f f wurden 2 — 4M. rechts von der Bahn , in
einer Tiefe von 020 — 0'50 Cent, zerstreut liegend gefunden : der
untere Theil einer Grabplatte, auf welcher eine Sichel und ein
anderes Werkzeug (einer I^eiste ähnlich) erhaben eingemeisselt sind,
ein Armband, eine Fibula, ein Ring mit eingravirter Zeichnung,
alle drei aus Bronze, und folgende Inschriften (4 — 7) :
4. Grabstein mit Giebel, h. 1'24, br. 0'60; die Formen der
Buchstaben sprechen für die erste Kaiserzeit.
FLAVOS • BO
VTI-F-MIL-
COHILVCE
ANN - XXXI ■
5 STIPXDOM
LVCO-AVG-H-FC
H • S • E •
F/avos IJouti f(ilms) mü(es) coh{ortis primae) Luce{nsium) an-
n(orum) XXXI , stip(endiorum) X, dom{o) Luco Aug[usti). H(eres)
fiaciendum) ciuravit). H(ic) s{itus) e{st).
Die cohors prima Lucensium befand sich nach dem Zeugniss
des Militärdiploms vom 13. Juni 80 (XI) damals in Pannonien.
Ausserdem waren bis jetzt zwei Inschriften bekannt, die diese
Gehörte nennen, die in den J. 1880 und 1882 nicht weit von Humatz
im Bezirke von Ljubuski (in der Herzegowina) am Flusse Trebisat
gefundenen Grabschriften von Soldaten dieser Gehörte (Bull. Dalm.
VI p. 3 u. 17 = diese Zeitschrift VIII S. 108 n. 16. 17): Rufus
Angeti f. mil. coh. I Luce., annorum XXX, stipen. XI, h. s. e., h. p.
und Andamionius Andami f. eq, coh. I Lucens., arm. XXXV, st. XV,
h. s. e., C. Aurelius Freris posit. Anscheinend sind diese Inschriften
wie die neugefundene älter als das Jahr 80, und es hat danach die
Gehörte zur Besatzung des südlichen oder, wie die Römer sagen,
oberen Illyricum oder der Provinz Dalmatien gehört, bevor sie
nach Pannonien versetzt wurde. Wenn , wie wahrscheinlich, die
in der Mainzer Inschrift (Brambach n. 1235: Behurrus Corottiretis
f. miL cho. I Lucensiu{m) Hispanorum, an. IIIL, sti. XXXIIII, h. s.
90
e., h. ex t. f. r.) erwähnte cohors I Lvcensinm Hispanonnu mit ilir
identisch ist, so hat sie auch einmal und zwar gleichfalls anschei-
nend in früher Zeit in Germania superior gestanden.
Die Heimat des Soldaten der neugefundenen Grabschrift ist
Lucus Augusti, ohne Zweifel das spanische, dieselbe Stadt, nach
der die cohortes Lucensmm ihren Namen hatten*). Unser Soldat ist
also noch für einen Truppentheil ausgehoben worden, der Anfangs
aus dem Bezirke seiner Heimat gebildet war. Sein eigener Name
ist römisch und wohl von seiner Haarfarbe hergenommen, der Name
des Vaters rindet sich in spanischen Inschriften, namentlich des
benachbarten Lusitaniens, ziemlich häufig.
5. H. 0*38; die Buchstaben zeigen späte Zeit.
VALoVAIENTIoV
^ O T E C TO R I - DEFVj
iB EL LOCI VI lein'
5 A L I A e ^ijy ^^L_!-~
Z. 2 ist I statt L eingehauen. — In Z. 2 und wohl auch Z. 3
scheinen die kleineren oder grösseren Kreise Punkte zu bedeuten,
die also zum Theil vom Buchstaben o, der auch kleiner gebildet
wird, sich nicht unterscheiden.
d. m. Val{erw) Va[l]enti [pjrotectori defu[ncto] hello civile in [It]alia
ann(orum) L (?).
Die Zeit der Inschrift wird einigermassen dadurch bestimmt,
dass der Verstorbene protector, kaiserlicher Leibwächter, war. Da-
nach kann sie frühestens kurz vor die Zeit Diocletians fallen. Viel
weiter hinabzugehen, widerräth die Form der Inschrift, die mit
d{is) m{anihus) beginnt und auch sonst durchaus antike Fassung
hat. Auch weist der Gentilname Valerius, den Diocletian und
einige seiner Mitherrscher und unmittelbaren Nachfolger führten,
aber seit Constantin dem Grossen wohl kein Kaiser mehr, darauf
hin, dass Valens in dieser Zeit gelebt und Kriegsdienste gethan
hat. Welches das bellum civile war, das in Italien ausgefochten
wurde unter Theilnahme mindestens eines Kaisers, lässt sich wohl
nicht mit Sicherheit bestimmen. Indessen möchte ich es doch für
ziemlich wahrscheinlich halten, dass der Krieg zwischen Maxentius
und Constantin zu verstehen ist, der durch die Schlacht nicht weit
*) Wenigstens mittelbar, zunächst nach dem Conventus Lucensis.
91
von 2>onte MoJle seine Entscheidung fand und der bei den Schriftstellern
ausdrücklich als hellwn civile bezeichnet wird; z. B. bei Eutrop
10, 4: Constantinus bellum adversus Maxeniium civile commovit^
und in der ein Jahr nach der Schlacht geschriebenen Schrift de
mortibus persecutorum c. 44 : lam mota inter eos fuerunt arma civilia.
6. Grabstein, unten ojebrochen, jetzt h. 0-59, br. 040, d. 0-17.
Oben ein Giebel, an dessen Spitze ein Gesicht (Medusa?) darge-
stellt ist, zu beiden Seiten eine halbe Palmette. Die Inschrift ist
durch eine der Höhe nach gemeisselte , 2Vo Cent, tiefe Rinne ver-
stümmelt.
D
VlTALIO>
D VL C I S S
C O N I V q
VIXIT AN >
EICRESCEI
ONIINFELIC
d. [m.] VitaUon\i] dulc{ss[im]o cotiing[i qu]i vixit an{nis) X..I,
et C'resce[nt]ioni i)ifelic[i]. — In Z. 5 würde dem Raum nach xxi
oder XLi oder xlii möglich sein.
7. Bruchstück, h. 0-20, br. 0-18, d. 0*12. Nach Zeichnung von
Herrn Striegl.
V I S A N N
V S H
Nach der Zeichnung sind in der letzten Zeile der erste und
dritte Buchstabe nicht sicher verständlich. Das v zu Anfang hat
noch einen Ansatz , der es einem n ähnlich macht , aber vielleicht
zufällig ist. Sollte gemeint sein i'is{{f) [für vix{it)] annus L ?
Einige Bruchstücke, die nicht mehr als drei Buchstaben ent-
halten, sind ausgelassen.
E. B.
Zu griechischen Inschriften
Im Aprilhefte des Bull, de corr. hell, hat Herr G. Fougeres
(S. 253 — 55) eine von ihm auf Delos gefundene Weihinschrift ver-
öffentlicht, welche auf der Basis einer nicht mehr vorhandenen
Statue des Simalos von Salamis eingegraben ist. Das prosaische
92
Praescript gleicliwie ein Theil der hierauf folgenden Distichen
ist vom Herausgeber aufs beste hergestellt und eingehend erklärt
worden. Da jedoch ein Theil der Verse eine weitergehende, und
zumal V. 6 und 1 1 eine sichere Herstellung gestatten , so will
ich den poetischen Theil der Inschrift hier wiederholen und mit
den erforderlichen Erläuterungen versehen , wobei ich Herrn Fou-
geres' Ergänzungen in eckige., die von mir herrührenden in runde
Klammern einschliesse :
'AXkivöou iLieXdGpoicri TTpo[creiK]eXa bajuaia vaiiuv,
Zi|ua\e, tuc, dcpeXoO<; b[erf|ua] cpiXoSevia^,
'A-rrXöe Kai eju luueoicn Kai (eju ßiOTLu) TtepiKaXXti,
TTpocTqpiXe^ Aitutttou K[oipav]iai(^ e'pujua,
5 Kai Püü,ua^ uTrdTOKTi Kai d[TVi^ Ke]KpoTro? ai»ii
Kai AdXou vaeTa<(i)q 7rXe[icrTa] ('xap)iZ;ö|ueve *
Ei'öe xpovoK; kcivok; (öre 6eö"~TTeai)]cr(iv doibai«; ?)
Tpojuuv Kai AavaOuv d(9avdTiZ;e) [pjdxac;,
Maiovi5a<; rdv oäv ivi[v] (Oeoeibe' €K)Xeicr(€v,
10 Xpucreov eji ßußXoK; (luvctju' dveYeipdju)6V0(;.
OuK dv 6 0aidKUJV Yd(p äjöq töcjgv rjpaTo KÖ)bo(;
'Qc, üü, böjiiov Eev[iov] (Trd(Ji TrapaaxoMevoq).
V. 3 schrieb Hx'. Fougeres: Kai [ev KOCTjauj] TtepiKaXXei und
paraphrasirt den ganzen Vers wie folgt: "sans pretenfion dans tes
recits comn,e dans i'eclat de ta haute ntnalion . Er nimmt hiebei an,
dass Simalos 'des recits verdfies verfasst habe. Ich ward vielmehr
an das homerische |uu9luv xe pr|Tf|p' epevai TrpiiKTfjpa le epYtuv ge-
mahnt und glaube an nichts anderes denken zu müssen, als an den
so gewöhnlichen Gegensatz von Wort und That, Xd^uj Kai epTUJ.
Ist ßiÖTLU richtig, so gestattet die zwischen Lebensführung und
Lebensumständen schillernde Bedeutung die Gegenüberstellung zu
puBoKTi sowohl als die Hinzufügung des Beiwortes TrepiKaXXn<;.
V. 7 sind die von Hrn. Fougeres mitgetheilten Zeichen am
Schluss: PEziHs. ANNA, mit den Erfordernissen des Versmasses nicht
zu vereinbaren. Einer endgültigen Herstellung müsste eine Nach-
prüfung des Originals oder des Abklatsches vorhergehen. Ich setzte
zunächst ein, was dem Sinn und Zusammenhang gemäss schien.
V. 9 hat der Her. idv crdv ivi[v] zweifellos richtig geschrieben,
aber diesen sammt dem vorhergehenden und dem nachfolgenden
Vers, auf deren weitergehende Restitution er durchweg verzichtete
in freier Uebertragung also wiedergegeben: 'plCd au ciel que, dans
93
ces temps oii il raconte les comhats des Troyens et des Grecs, Homere
eüt ä celebrer ta magnificence , deroulmt dans ses vers le flot d'or de
sa fohie . Meine Auffassung ist eine andere. Wenn der Gefeierte
mit Alkinoos, so wird seine Tochter mit Nausikaa verglichen;
daher der Wunsch des Dichters : hätte doch Homer deine Tochter
statt jener des Phäakenkönigs verherrlicht. eK\ei(7ev schrieb ich,
obgleich aeizoi als überliefert erscheint. Das Supplement öeoeibea
soll natürlich nur eine unter mehreren Möglichkeiten darstellen.
Vielleicht weilte des Simalos Tochter nicht mehr unter den Leben-
den ; dann war TToXuKXauTOV das angemessenste Beiwort. In
V. 10 meinte ich weniger einen Hinweis auf den Goldstrom
homerischer Dichtung als eine Ausführung des Inhalts von V. 9
suchen zu sollen. Zu
V. 11 bedarf es kaum der Erinnerung an homerische Phrasen
wie Ku&0(; dpeaGai, iipdjueBa jaefa KObo<g, acTTreTOV fjpaTo Kubo^.
Wien, im Mai 1887 TH. GOMPERZ
Grabepigramm aus Lesbos
Für die bei Mytilene gefundene , von Lolling in den Mitthei-
lungen des athenischen Instituts XI (1886) S. 269 n. 11 veröffentlichte
metrische Grabschrift hat Petersen in einem Anhang a. a. 0. S. 293 ff.,
sowohl was die Herstellung des Textes als auch was die Erklärung
anbetrifft, sehr Dankenswerthes geleistet. Kur scheint mir v. 7 ap'
für das wohl kaum mögliche av und v. 10 öujk' emTujußibia zu setzen.
Dass der Verfasser des Epigrammes buuKev TU)a[ßox6a geschrieben
hat, ist bei der Correctheit des ganzen Gedichtes nicht anzunehmen
und daher ev statt em als ein Versehen des Steinmetzen zu be-
trachten. Die Intorpunction v. 5 abiKO(;, bai)ULUv ist sicher ein Druck-
fehler. In der Erklärung von v. 3 qppoupo^ eTreati bö|ULU xöpoiröq,
KeuGei b' utto ß[d0puj] (denn so und nicht ß[a\öv ist zu schreiben)
weiche ich von Petersen ab. Das Grabmal bestand aus einem
Untersatze, auf welchem sich ein Löwe erhob. Unter bö)Lio<; ist die
Grabkainmer zu verstehen, was bei der allgemeinen Bedeutung
dieses Wortes gleich unserem "^Haus" nicht auffallen kann.
Wien KARL SCHENKE
94
Etrurisches aus röniisclier Zeit
Im Folgenden habe ich einige Bemerkungen oder Vermuthungen
zusammengestellt, die mir aufstiessen, als ich vor kurzem behufs
der Herausgabe im Corp. Inscr. Lat. die lateinischen Inschriften
des südlichen Etruriens ordnete. Sie schliessen sich grossentheils
an neuerdings bekannt gewordene Denkmäler an und stehen unter
einander in einem gewissen Zusammenhang. Das mag es recht-
fertigen, dass ich sie trotz ihrer Unfertigkeit hier vereinigt vorlege ;
vielleicht wird durch sie eine oder die andere der mannigfachen
Fragen, mit denen sie zusammenhängen, gefördert.
I. Der Schriftsteller Tarquitius Priscus
Auf von Rom aus unternommenen Ausflügen nach Etrurien
sahen 0. Hirschfeld im J. 1867 und ich 1869 in Corneto-Tarquinii
im bischöflichen Palaste ein lose daliegendes, von allen Seiten ge-
brochenes Stück einer Inschriftplatte aus Marmor massigen üm-
fanges , das angeblich von den Monterozzi , dem Begräbnissplatze
des etruskischen und auch des römischen Tarquinii, stammte. Beide
haben wir die Inschrift in Eile abgeschrieben, und als ich bei der
Bereisung von Etrurien wieder nach Corneto kam , war das Stück
nicht mehr aufzufinden. Doch stimmen unsere Abschriften im
Wesentlichen überein und es war danach etwa Folgendes zu lesen ^) :
A • COMln
/MINA-ARVS-
3VIS-ET-IVSTITIAEfc>
-RANDVM - DISCIPVL'
I-CARMINIBVS-EDIDIX'
/
TA - ANNIs ■ AMPLP)
SCVS • T R I B ■ Jv/
vPRISC-i'^
Von den Abweichungen unserer Abschriften sind die bedeu-
tendsten , dass in Z. 1 ich nur noch itiow las , Ilirschfeld's Ab-
') Gedruckt ist die Inschrift jetzt in dem nocii nicdit ausgegebenen Band XI
es Corpus unter n. 3370.
95
Schrift vor n\o-if noch den etwas undeutlichen Rest eines Buch-
stabens zeigt, der, wie es scheint, wohl nur zu / (von v) passt,
und dass in Z. 3 ich iMiNAARVbr^ las, Hirschfeld /minaarvsa/v —
Ueber die Zeit der Inschrift ist unseren Abschriften keine Ver-
muthung zugefügt.
Die Reste sind zu gering, als dass bei der Eigenartigkeit des
Inhalts eine wohlbegründete Herstellung des Ganzen möglich schiene.
In dem auf den Zwischenraum folgenden Theile stand wohl sicher
in beiden Zeilen der Name Priscus, und in der ersten folgte darauf
trih{unua) ni{il{itum)\. In der letzten Zeile vor dem Zwischenraum
(Z. 7) stand vor annis anfpliuls] wohl eine auf [in\ta endende Zahl,
also ein Zehner zwischen triginta und nonaginta. Dabei liegt am
nächsten anzunehmen, dass ein Wort wie vixif ausgefallen ist und
die Lebensdauer von mehr als so und soviel Jahren angegeben
war; doch könnte auch von irgend einer lange dauernden Thätig-
keit die Rede gewesen sein. Das arvs- in Z. 3 kann, soviel ich
sehe, entweder nur der etruskische Vorname Aru{n)s sein oder die
allerdings sehr befremdende Abkürzung des Wortes arns{'pexy) oder
eines davon abgeleiteten. Z. 4 muss wohl etwa gewesen sein:
[I\ovis et lu&tüiae et. Unverkennbar ist ferner im Ganzen der Sinn
von Z. 5. 6. Diese Zeilen besagen, dass die Persönlichkeit, von
der die Rede ist, etwas carminibus edidit,^ also in metrischer Form
herausgegeben hat, und nennen als Gegenstand dieser Schriftstellerei
discipuli[nam oder etwas mit discipulina zusammenhängendes, etwa
wie Hirschfeld mir vorschlug: ven]erandiim discipuli[nae . . .ritum^).
Welche Art von Lehre oder Wissenschaft hier gemeint ist, kann
kaum zweifelhaft sein bei einer solchen Inschrift, in der lovis et
lustitiae und wahrscheinlich die Erwähnung der Haruspicin*) voraus-
') Die Schreibung des Wortes mit oder ohne h und mit u oder i schwankt;
in anderen Inschriften von Tarquinii findet sich die Schreibung arispex (XI n. 3382
zweimal) und karispi. (XI u. 3390j.
^) Die Hirschfeld'schen Ergänzungen sind für mich der erste Anlass ge-
wesen, der Sache weiter nachzugehen.
*) Auch wenn hier wirklich der Vorname Ai-wns zu erkennen wäre, so würde
doch vielleicht auch mit diesem eine Beziehung auf die Haruspicin verbunden
sein. Der etruskische Name A7-ant (oder arnt, lat. gewöhnlich Aruns) war wohl
gleichen Stammes mit dem ersten Element des Wortes, das die Römer arispex oder
aruspex nannten. Daher wird der Name denjenigen zugeschrieben sein, die die
Wissenschaft der Haruspicin erfunden oder befördert oder wenigstens hervorragend
geübt haben sollen. Das ist wohl auch der Grund, weshalb Lucan den ältesten
96
ging, und die auf dem Boden Etruriens und zwar in Tarquinii
gefunden worden ist, wo nach der schon zu Cicero's Zeit geläu-
figen Angabe Tages aus dem Boden aufgestiegen sein soll und
(nach den Worten bei Festus S. 359) 'discipulinam dedisse aruspicii
duodecim populis Etruiiae'. Es muss die Lehre sein, die in be-
sonderem Sinne disciplina und zwar Etrusca discipUna hiess: die
Wissenschaft der Haruspices oder die Haruspicin.
Mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit lässt sich aber,
wie ich denke, die Persönlichkeit bestimmen, die in dieser Inschrift
gemeint ist, und der Nachweis erbringen, dass der hier erwähnte
Schriftsteller über die disciplina Tarquitius Priscus ist, über den
nach der sorgfältigen Zusammenstellung von Haupt im Berliner
Universitätsprogramm für Sommer 1859 (= opusc. II 152 ff.) neuer-
dings namentlich G. Schmeisser^) gehandelt hat. Die namentlichen
Erwähnungen desselben in der antiken Literatur sind nicht gerade
häufig. Von unsicheren oder unwesentlichen Beziehungen abgesehen,
wird er als Schriftsteller de Etrusca disciplina von Plinius unter
seinen Quellen für Buch 2 und Buch 11 angeführt"). Macrobius
hat aus ihm zwei Citate, die ich weiter unten anführen werde, das
eine aus Tarquitius Priscus in ostentario arborario', das andere aus
dem 'über Tarquitii transcriptus ex ostentario Tusco', und nach
dem Bericht von Ammianus Marcellinus 25, 2, 7 riethen vor dem
Kampfe, in welchem Kaiser Julian seine Todeswunde erhielt, die
wegen des Erscheinens eines Sternzeichens befragten etruskischen
Haruspices von dem Gefecht ab, mit Berufung auf 'ex Tarquitianis
libris in titulo de rebus divinis''). Wer aber erwägt, dass es be-
greiflicher Weise sehr wenig derartige Schriftsteller gegeben hat
und dass in unserer Inschrift nicht nur das Cognomen dieses
Schriftstellers sich zweimal findet und zwar an einer Stelle, wo nahe
Angehörige des Geehrten anzunehmen sind, die die Inschrift ge-
und hervorragendsten vates Ttiscus, den er vor Beginn des Bürgerkrieges nach Rom
gerufen sein lässt, um die drohenden Prodigien zu süliiien , Amins nennt (1580).
^) Die etruskische Disciplin vom Bundesgenossenkriege bis zum Untergange
des Heidenthuras (1881. Programm der Ritterakademie zu Liegnitz).
") Für Buch 2 lauten die Worte: 'Caecina qui de Etrusca disciplina, Tar-
(luitio qui item, lulio Aquila qui item'; für Buch 11: 'lulio Aquila (|ui de Ktrusca
disciplina scripsit, Tarquitio qui item, Umbricio Meliore qui item'.
') Auch wird er wohl mit ziemliciier Wahrsclieinlichkeit in iler Stelle der
Vergil'schen Katalekten 5 (7) Z. 3.4 verstanden: 'et vos Selique Tarquitique Var-
roque I scholasticorum natio madens pingui .
97
setzt haben, am natürlichsten die Söhne (die regelmässig das
Cognomen des Vaters erbten und deshalb das gleiche hatten), son-
dern dass auch zu Anfang in Z. 1, die sehr wohl die erste Zeile
der Inschrift überhaupt gewesen sein kann^ das Wortende /itio
trefflich zur Ergänzung Tarquitio , dem Namen des Geehrten im
Dativ passt, aber sich zu wenig anderen Namen und überhaupt auf
wenig andere Arten angemessen ergänzen lässt — wer dies erwägt,
wird nicht leicht dies Zusammentreffen für ein Werk des Zufalls
halten, sondern, wenn nicht Entscheidendes entgegensteht, die Er-
gänzung Tarquitio als wohl begründet bezeichnen.
Zur Sicherheit verhilft vielleicht eine weitere Erwägung. Von
dem Schriftsteller unserer Inschrift heisst es carminibiis edidit, also
da man für die Zeit derselben, die sicher nicht über das Ende der
Republik hinauf zu verlegen ist, die Worte nicht anders erklären
kann, dass seine Werke über die Disciplin, wenigstens theilweise,
poetische Form gehabt haben. Nun haben wir, wie ich oben an-
gab, bei Macrobius zwei wörtliche Citate aus Tarquitius Priscus.
Das eine, aus dem ostentarium arborarium', vermag ich zunächst
nicht weiter zu verwerthen^). Lehrreicher scheint mir das andere.
Macrobius führt 3, 7 aus, dass Vergil bei den Versen (Bucol. IV
43. 44) 'ipse sed in pratis aries iam suave rubenti | murice, iam
croceo mutabit vellera luto' Augustus im Sinne gehabt habe; er
sagt: 'traditur autem in libris Etruscorum, si hoc animal insolito
colore fuerit inductum, portendi imperatori rerum omnium felici-
tatem'^) und fährt darauf fort:
est super hoc liber Tarquitii transcriptus ex ostentario Tusco ; ibi
reperitur
purpureo aureove
colore Ovis ariesve si aspergetur, principi ordinis
et generis summa cum
*) Es heisst bei Macrobius 3, 20, 3 : Tarquitius autem Priscus in ostentario
arborario sie ait, arbores quae inferum deorum avertentiumque in tutela sunt, eas
infelices nominant , alternum, sanguinem, filicem, ficum atrura, quaeque bacam
nigram nigrosque fructus ferunt, itemque acrifolium, pirum silvaticum , ruscum,
rubum sentesque quibus portenta prodigiaque mala comburi iubere ojjortet'. Vgl.
unten S. 99 A. 11.
") Dasselbe und mit fast völlig gleichen Worten steht im Commentar des
Servius zu der angeführten Vergil'schen Stelle: 'traditur enim in libris Etruscorum,
si hoc animal miro et insolito colore fuerit infoctum , omnium rerum felicitatem
portendi'.
Archäologisclt-epigraphiKclie Mitth. XI. n
98
felicitate largitatem äuget, genus
progeniem propagat
in claritate laetioremque efficit.
liuius modi igitur statum imperatori in transitu vaticinatur.
Ich habe hierbei nichts geändert, nur innerhalb des Citates
die Zeilen nach Gutdünken abgetheilt und das Subject im Vorder-
satze 'ovis ariesve' durch besonderen Druck hervorgehoben. Es ist
nämlich wohl einleuchtend, dass, da das Original die Bedeutung
von vielerlei Ostenta aufzählte, der Gegenstand, an dem eine Reihe
derselben zum Vorscheine kam (das Thier) , nicht bei jedem ein-
zelnen genannt zu v^erden brauchte, Macrobius aber, wenn er ein
einzelnes Ostentum herausnahm, in diesem Falle das Subject er-
gänzen musste, zumal es ihm hier auf das Wort aries wesentlich
ankam. Ich sollte überhaupt denken, dass im Original das Thier
anders und genauer bezeichnet war, wohl als Opferthier. Wie dem
auch sein mag, es darf wohl die Möglichkeit, dass 'ovis ariesve'
an dieser Stelle erst ein Zusatz des Macrobius sei, als eine fast
völlig gleichberechtigte angesehen werden; bei dem Zusetzen kann
dann leicht auch das zunächst Stehende eine geringe Aenderung
etwa in der Stellung erlitten haben. Wird dies zugegeben, so ist
wohl unverkennbar, dass der Wortlaut metrisch ist oder wenigstens
sein sollte, und ziemlich sicher scheint mir, dass ein System aus
einem iambischen Senar und einem kürzeren Verse zu erkennen
ist. In dem Nachsatze, der mit 'principi' beginnt, sind 'feli-
citate largitdtem^auget geniis' und 'in claritate lat^tioremque^^fficit'
streng und unter sich völlig gleichmässig gebaute Senare, und
ebenso ist 'principi^ordinis' der tadellose Schluss eines solchen.
Das Vorhergehende kann, wie ich eben sagte, auch ausser der Ein-
fügung des 'ovis ariesve' leicht eine oder die andere Aenderung
erlitten haben. Und in der That ist 'cölöre si äspergetur, prin-
cipi ördinis' anstössig, da 'tur' durch Position lang werden müsste,
an dieser Stelle aber nach der sonst hier beachteten griechischen
Kegel eine Kürze geboten wäre ; der Anstoss Hesse sich durch eine
leichte Umstellung oder Aenderung , wie 'si aspergitur colore' be-
seitigen '"j. Schwieriger ist allerdings die Bestimmung des kürzeren
Verses. Zwar dass in 'pürpüreo aureove' und 'et genOrls süramä
'") Damit, würde auch «las Futnnini im Vonlorsatzo wop^falicii. «las a\in';ili('ii<l
uiiil iiiclit ruclit erklärlich ist.
99
cum* und 'prog«5njem pröpägät* derselbe Vers zu Grunde liegt,
will mir noch immer unverkennbar scheinen, aber zu einer sicheren
Ansicht, welcher Vers zu erkennen sei, bin ich noch nicht ge-
kommen. Davon abgesehen, dass wir es hier mit einer anscheinend
sonst nicht vorkommenden Verbindung von Versen zu thun haben,
ist es erschwerend, dass in 'propagat' die Silbe 'pro' sowohl
lang wie kurz sein kann und dass die Messung der zu Anfang
stehenden Worte ('purpureo aureove'), zumal sie vielleicht nicht
völlig dem Original entsprechend überliefert sind, unsicher ist. In
dem Nachsatz passt sowohl 'et generis summa cum' als 'progeniem
propagat' zum Schema -^ ^ — , und der Anfang würde passen,
wenn man, wie von befreundeter Seite vorgeschlagen wurde, lesen
wollte: 'pürpüreö si aureöve (aspergitur colore)'. Aber ein Vers
— v- ^ ist unbezeugt und wohl überhaupt nicht leicht zu er-
klären. Dagegen ist der Vers — -.v---— ^ der Aristophanius, wohl
bekannt und auch von Horaz zur Verbindung mit einem nach-
folgenden längeren Verse verwendet worden, nämlich zu der soge-
nannten grösseren sapphischen Strophe carm. 1, 8. Zu diesem
Schema passen "pürpüreo aureöve' und 'progeniem pröpägiit', aber
zunächst nicht und anscheinend überhaupt nicht ohne stärkere
Aenderung 'et generis summa cum'. So bin ich nicht zu einer
sicheren Entscheidung gekommen, und ich muss auch die Möglich-
keit einräumen, dass die ursprünglichen Verse des Tarquitius, die
ja mehrere Jahrhunderte hindurch gebraucht und weiter überliefert
worden sind, im Laufe der Zeit stärkere Umwandlungen erlitten
haben und der Text des Macrobius von dem ursprünglichen be-
trächtlicher abweiche'').
Immerhin bleibt zweifellos bestehen, dass das besprochene Citat
poetische Form hat oder doch früher hatte, und damit ist wohl
beides so gut wie sicher nachgewiesen, dass unsere Inschrift auf
") Dies hatte Büclieler in einer brieflichen Mittheilung an mich ausgeführt.
Er hielt es darin für wahrscheinlich, dass hei beiden Citnten des Macrobius Verse
des Tarquitius zu Grunde liegen und zwar trochäische Septenare, dass aber die-
selben durch mehrfache Ueberarbeitung und Umgestaltung eine solche Modifi-
cation erfahren hätten, dass die Verse nicht mehr sicher herzustellen seien. Das
Gewicht seines Einwurfes, dass für die Lehrdichtung des Tarquitius das oben voraus-
gesetzte Metrum und der (bei rein epischen Versen alUirdings wohl schwer erträg-
liche) Versschhiss mit 'cum' schwer glaublich sei, ist durcli das, was ich weiter unten
über das etruskische Vorbild gesagt habe, jetzt für ihn selbst ermässigt.
7*
100
Tarquitius Priscus sich bezieht und dass dessen Schriftstellerei
wenigstens zum Theil poetisch war. Zu weiterer Verwerthung
dieses Ergebnisses möchte ich noch einige Bemerkungen zufügen.
Die Schrift des Tarquitius, aus der Macrobius die bespro-
chene Stelle entnommen hat, bezeichnet er als 'transcriptus ex
ostentario Tusco', also als eine Uebersetzung aus dem Etruskischen.
Nun heisst es mehrfach und in der Kaiserzeit wohl regelmässig,
dass die etruskiscbe Haruspicin den Menschen und zwar den
Etruskern oder, wie Festus sagt, den 'duodecim populi Etruriae',
zunächst überliefert sei von einem gewissen Tages, der, als in Tar-
quinii ein Landmann pflügte, aus dem Boden aufstieg. Natürlich
musste dieser Tages etruskisch gesprochen haben. Wir haben aber
bei Ammian 17, 10, 2 aus den Schriften des Tages ein Citat in
lateinischer Sprache, und, wie längst erkannt ist ^'^) und mir unzweifel-
haft scheint, metrisch in Hexametern. Es steht dort: '(Severus)
tunc dissuasor pugnandi videbatur et timidus mortem fortasse
metuens adventantem, ut in Tageticis libris legitur Vegonicis (so
oder 'Veiovis' die Ueberlieferung) fulmine mox tangendos adeo hebe-
tari ut nee tonitrum nee maiores aliquos possint audire fragores'. Die
Herstellung der ersten Worte ist zweifelhaft; liest man etwa (mit
Benützung von Vorschlägen von Bücheier undDeecke) : ^Vediovis scis
fulmine iamiam', so hat man die hexametrischen Reihen:
Vediovis scis fulmine iämiam
tdngendos adeo hebetäri ut nee tonitrum nee
maiores aliquos possint audire fragores.
Es drängt sich hier, meine ich, der Schluss auf, dass die
'libri Tagetici und die 'Tarquitiani' , wenigstens zum Theil, nicht
verschieden sind, indem Tarquitius in seiner Darstellung der Lehre
oder einzelner Theile derselben angab, er gebe das lateinisch wieder,
was einst Tages etruskisch gelehrt habe. Die etruskischen Dar-
stellungen, die vorhanden waren oder vorausgesetzt wurden, galten
wohl als in einer Art Metrum abgefasst. Nun haben wir von etrus-
kischen Dichtungen keine Vorstellung. Aber gerade deshalb, und
weil doch wohl sicher die Verkündiger der heiligen Lehre als eine
Art Seher erschienen, darf es uns vielleicht weniger befremden,
wenn ein römischer Schriftsteller bei Nachbildung etruskischer Dich-
') Vgl. O. Miillcr-Deecko, Etruskor 11' S. 25 A. 24.
101
tungen, in denen die heilige Lehre dargestellt war, auch eine sonst
nicht nachweisbare und nach unserem Urtheil für lyrische Dichtung
passende Verbindung von Metren wählte, wenn also Tarquitius, wie es
scheint, zwar für einiges (es scheint die Darstellung der Blitzlehre
zu sein) den Hexameter nahm, für die Darstellung gewisser Ostenta
aber das vorher besprochene System aus einem iambischen Senar
und einem kürzeren Vers^^).
Wir gewinnen durch die vorgeschlagene Combination mit
Tages vielleicht auch eine genauere Zeitbestimmung. So viel ich
sehe, findet sich die älteste uns erhaltene Erwähnung des Tages,
bei der auch der Bericht völlig der geläufig gewordene ist, bei
Cicero 'de divinatione' 2 c. 23, stammt also aus dem Jahre 44
V. Chr. In der Rede 'de haruspicum responsis' 10, 20 erwähnt
Cicero auch die Herkunft dei' Haruspicin, nennt sie aber Veterem
ab ipsis dis immortalibus, ut hominum fama est, Etruriae traditam
disciplinam': ein Ausdruck, der die Ableitung von Tages, der wie
Cicero an der anderen Stelle sagt: 'puerili specie dicitur visus sed
senili fuisse prudentia' und der nach Isidor nach der Verkündigung
sofort starb, jedenfalls nicht deutlich bezeichnet, vielleicht sich mit
ihr überhaupt nicht verträgt. Das Werk des Tarquitius müsste
demnach vor dem J. 44 erschienen und allgemeiner bekannt ge-
worden sein. Das passt anscheinend wohl zu den Zeugnissen der
Litteratur und unserer Inschrift über Tarquitius. Fällt seine metri-
sche Behandlung der Lehre, die ihn berühmt machte, etwa in's
Jahr 50, so konnte er wohl mit Selius ^^) und Varro in den Vergil-
schen Katalekten 5 (7) als bekannter Grammatiker angeführt werden.
Andererseits spricht der Ausdruck: . . .(jm]ta annis amplius in der
Inschrift dafür, dass er ein ziemlich hohes Alter erreicht hat, dass
also, wenn vixit dagestanden haben sollte, etwa sephiagin^ta oder
noch eher octogtn]ta zu ergänzen ist. Wenn man danach, was zu-
") lieber die Form des 'ostentarium arborarium', aus dem das andere Citat
von Macrobius genommen ist, weiss ich, wie ich früher gesagt habe, nicht zu
urtheilen. Vgl. S. 99 Anm. 11.
") Ich hatte nicht beachtet, dass die Haupt'sche Vermuthung, nach der an
dieser Stelle der bekannte Stilo genannt war (Stiloque), jetzt beseitigt ist, und
verdanke den Hinweis Bücheier, der mir jetzt schrieb: 'Selique handschriftlich
überliefert und richtig in den neuesten Ausgaben (Bährens, Thilo), vgl. Rhein. Mus.
38 p. 514: die Zusammenstellung der Namen erlaubt, wenn nöthig, bis nach Cäsars
Tod herabzugehen'.
102
lässig scheint'^), annähme, dass er etwa 90 — 10 v. Chr. gelebt
habe, so könnte unsere Inschrift, obwohl sie weder in der Form
der Buchstaben noch in Ausdruck und Schreibung (etwa von 'arus'
und 'discipulina' abgesehen) Zeichen eines höheren Alters zeigt,
doch bei seinem Tode oder bald nach demselben gesetzt sein.
Dass die Inschrift in Tarquinii gefunden ist, spricht dafür,
dass Tarquitius daher stammte. Vielleicht war auch seine Her-
kunft von dort ein Grund für ihn , dass er die Fassung der Sage,
nach der die Disciplin zuerst auf dem Boden von Tarquinii gelehrt
war, aufnahm und damit zur herrschenden machte. Ferner lehrt das
M, das in der Inschrift nach unserer Annahme auf Tarquitio folgte,
mit Wahrscheinlichkeit, dass sein Vater den Vornamen Marcus
hatte; er selbst mag den gleichen gehabt und auf dem Steine ge-
standen haben: M. Tarq]uitio M. [/. SteU{atina, der Tribus von
Tarquinii) Prisco '^). Der M. Tarquitius Priscus, der unter Nero Statt-
halter von Bithynien war und wegen Missbrauchs dieser Stellung im
J. 61 verurtheilt wurde (Eckhel 2 S. 402; Tacitus ann. 14,46, vgl.
12, 59), kann zu seinen Nachkommen gehören. Auch wird wohl mit
ihm verwandt gewesen sein die Tarquitia Prisca, die zu Veji ihren
Gatten M. Saenius Marcellus bestattete (C. I. L. XI 3840).
Es sei mir gestattet, von der Inschrift, die zu den vorstehen-
den Erörterungen Anlass gegeben hat, eine Ergänzung abzudrucken,
die nur etwas Mögliches darstellen will '').
'■■^j Sehmeisser möchte die schriftstellerische Thätigkeit des Tarquitius iu die
Zeit des Bundesgenosseukrieges setzen, doch ist seine Beweisführung, wie mir
sclieint, nicht zwingend.
'^) Der C. Tarquitius P. f. Priscus, der Offizier des Sertorius und vorher
Quästor in Spanien war (Mommsen, Rom. Miinzwesen S. 600 A. 393), wird auch
mit dem Schriftsteiler verwandt und kann etwa sein Vatersbruder gewesen sein.
") Namentlich für Z. 7. 8 hätte ich auch einige andere Ergänzungen vor-
schlagen kfjnnen. — Wo und wie die Inschrift angebracht war, ist bei dem Fehlen
genauer Analogien kaum mit Wahrschcinliclikeit zu bestimmen. Bei den geringen
Dimensionen (die Buch.staben sind in Z. 1-7 etwa l^i» Z. 9. 10 etwa l7g Cm.
hoch) ist eine Aufstellung unter freiem Himmel wenig glaublich. Eher könnte sie
sich unter einem Medaillon (clipeua) oder einer Büste befunden haben, und es
lassen eich ja manche Räume denken, für die Bildnisse von Männern, in deren
Kreis unser Tanjuitius gehörte, ein passender Schiiinck waren.
103
m. tarq^-ifVTXO-flx f. stell, priscö,
qui pnmus rituM ■ CO N^Ui^alem et sacra,
quibus placare 7^^!/MINA■ARVS^S7l^ agfiS^ro
edoctus erat ex kpvis-ET-ivsTniA'E^c\fat{s,
5 it reliquom Men^RANDVM • DisciPVL'wae
antiquae ri^MR'i-CARMiNiBVS-EDiDiX' et in
urbe roma trigimTA ■ annIs • amplpI s arteni
auam docuit, J
m. tarquitius pri\SQVS ■ tkib - Pfj iL leg. . . .
10 et I tarquitius \p R i s CJ!^
parenti carissimo posuerunt
Zur Ergänzung von Z. 2 Titu]m comi[tialem kann verglichen
werden die Stelle von Festus p. 285, wo es von den libri rituales,
der einen der drei Gattungen , in die nach Cicero die gesammte
Literatur der Disciplin zerfiel, heisst: Bituales nominantur Etrtiscorurn
libri, in quibus praescribtum est, .... quomodo tribus, curiae, centuriae
distribuantur. — Zu Z. 3 die beiden Stellen , an denen , wie man
meint, die acherontischen Schriften erwähnt werden, an denen aber
früher und vielleicht mit Recht statt Acheruntia und Ächeronticis
auch gelesen wurde Aruntia: Servius zur Aeneis 8, 398 sciendum
secundum äruspicinae libros et sacra Acheruntia, quae Tages compo-
siiisse dicitur, fata decem annis quadam ratione differri und Arnobius
adv. nat. 2, 62 neque quod Eiruria libris in Ächeronticis pollicetur
certorum animalium sanguine numinibus certis dato divinas animas fieri.
Die Ergänzung e[ffatis] in Z. 4 schlug mir Herr Fr. Löhr vor.
2. Der Städtebund Etruriens*).
Wie in der oben S. 96 von mir angeführten Stelle des Festus,
so werden häufig die duodecim populi Etruriae als gleichbedeutend
mit Etrurien, nämlich dem eigentlichen '), genannt. Von den Fragen,
die damit gestellt sind, ist die gewissermassen erste, welche Ge-
meinden als die zwölf anzusehen sind, zwar mehrfach behandelt,
*) Den Inhalt dieser und der folgenden Erörterung habe ich in der Haupt-
sache in einer Sitzung des archäologischen Instituts zu Rom am 1. April d. J. vor-
getragen.
*) Die Reiche, die die Etrusker in der Ebene des Po und in Campanien
gründeten, die aber keinen langen Bestand hatten, zählen hierbei nicht mit, aber
ihrerseits soll jedes von diesen auch wieder aus zwölf Gemeinden be.standen haben.
104
aber noch zu keiner allgemein gebilligten Lösung geführt worden.
In den vor nun 60 Jahren geschriebenen 'Etruskern von Otfried
Müller, in der Neubearbeitung von Deecke noch immer dem Haupt-
werk über etruskisches Alterthum, läuft das Ergebniss der Erörte-
rung (I S. 327) darauf hinaus, dass etwa siebzehn Gemeinden
triftigen Anspruch darauf hätten, zu den zwölf gezählt zu werden,
nämhch (indem ich sie alphabetisch ordne) : Arretium, Caere, Clu-
sium, Cortona, Faesulae, Falerii, Perusia, Pisae, Rusellae, Salpinum,
Saturnia (das, wie Müller meint, früher Aurinia oder Caletra hiess),
Tarquinii, Veii, Vetulonium, Volaterrae, Volci, Volsinii. Mommsen
dagegen spricht sich auch noch in der neuesten Auflage seiner
Römischen Geschichte so aus (1" S. 125) : 'Im eigentlichen Etru-
rien war die Metropole Volsinii ; von den übrigen Zwölfstädten
desselben kennen wir durch sichere Ueberlieferung nur Perusia,
Vetulonium, Volci und Tarquinii'. Und vorher ist gesagt (S. 120),
dass wir von Populonia 'sicher wissen, dass es zu den alten Zwölf-
städten nicht gehört hat\
Ich war veranlasst, diese Frage zu prüfen, da ich vor kurzem
unter die lateinischen Inschriften von Caere ein Bruchstück auf-
zunehmen hatte, welches auf ein Gesammtdenkmal der Zwölfstädte
bezogen worden ist, und, wie ich jetzt glaube, mit vollem Recht.
Es ist dies eine mit einem Rande versehene, als Relief bearbeitete
Marmorplatte, die links der ganzen Höhe nach gebrochen ist, wäh-
rend rechts nur oben ein Stück fehlt. Gefunden wurde sie an-
scheinend an der Stelle des Theaters von Caere zugleich mit einer
Reihe von Statuen, die Mitglieder des julisch-claudischen Kaiser-
hauses darstellen, und von Inschriften, die sich auf Sockeln von
solchen Statuen befanden, grossentheils gesetzt vom senatus -poimlusque
Caeres. Der erhaltene Theil der Platte zeigt auf der Vorderseite in mas-
sigem Relief nebeneinander drei Gestalten, die, wie die Unterschriften
besagen, drei Gemeinden Etruriens vertreten, nämlich von rechts
beginnend die Tarquinienses , die V[ol]centa)n und die Vetulonenses.
Die beiden ersten Gestalten befinden sich auf Sockeln, die nackte
männliclie Gestalt, die die Vetulonier vertritt, steht frei, ragt aber,
da sie entsprechend grösser gebildet ist, gleich hoch hinauf. Nun
hat L. Canina, der zuerst von dem Funde berichtete {Jmll. delV Insf.
1840 p. 92 — 94) und in seinem Werke Eiruria niarittima Abbil-
dungen und einen Restaurationsversuch herausgab, die Vermuthung
aufgestellt, diese Platte wie der gleiclizeitig gefundene Obertheil
105
>
einer Statue des Kaisers Claudius in sitzender Stellung gehörten zu
einem Denkmale, welches die Zwölfstädte dem Kaiser Claudius
errichtet hätten, der ja, wie überliefert ist, eine Geschichte Etruriens
*in griechischer Sprache geschrieben hat.
Diese ansprechende Vermuthung ist von denen, die nach
Canina das Denkmal herausgegeben oder besprochen haben, so von
Emil Braun cmyi. d. Inst. 1842 S. 37 fF. zu Tafel C, von Garrucci
' Mvseo Lateranense S. 19 ff. zu Tafel X, von Benndorf u. Schöne in
der Beschreibung des lateranischen Museums S. 130 ff. n. 212, und
jetzt ebenfalls von mir beim Abdruck der Inschrift unter n. 3609
des Bandes XI des Corpus, gebilligt worden, da die bei diesem
Anlass von mir angestellten Nachforschungen nach den Mitgliedern
des Zwölfbundes mir die Richtigkeit derselben einleuchtend machten^).
Bei dieser Nachforschung schien das zuerst sich darbietende
Mittel sofort zum Ziele zu führen. Wie nämlich hier mehrere Ge-
meinden derartig vereinigt sind, dass sie Glieder des Zwölf bundes
gewesen zu sein scheinen, so stellte ich zunächst die entspre-
chenden, in der Litteratur sich findenden Listen zusammen. Das-
selbe Mittel hat als eines von mehreren auch 0. Müller angewendet,
aber er kannte dies neue Denkmal natürlich noch nicht und hat
ausserdem auffallender Weise die bei weitem vollständigste Liste
nicht verwerthet^). Die Listen, die ich gefunden habe, sind folgende:
1. Dionysius v. Halik. erzählt 3, 51, dass, als im Kriege gegen
den älteren Tarquinius die Latiner bei den Etruskern um Hülfe
baten, von diesen oux ömavTec,, sondern Tre'vxe ttöXek; fiiövai Hülfe
versprachen, und zwar (indem ich dieselben in die Reihenfolge des
Alphabets der entsprechenden römischen Namen bringe): 'Appr|Tivoi,
KXouaivoi, 'PoucTiXavoi, OueTuXujviärai, OuoXareppavoi.
2. Zum J. 444 d. St. berichten Diodor 20, 35, 5 und über-
einstimmend Livius 9, 37, 12 , dass der Krieg der Römer gegen
die Etrusker beendet wurde mit einem Waffenstillstand Tipöc, |uev
') Die Art, wie Canina sich die Platte an dem Denkmal angebracht dachte,
soll damit nicht gebilligt sein, vgl. S. 124 ff.
') Benützt hatte dieselbe schon der alte Cluverius und nach ihm Niebuhr,
und die von beiden aufgestellten Verzeichnisse der Zwölfstädte kommen daher der
Fassung, die ich in gewissem Sinne für die richtige halte, ziemlieh nahe. — Dass
ich, wie die meisten Vorgänger, zunächst den Unterschied, den die Zeit machen
kann, nicht berücksichtige, soll weiterhin seine Entschuldigung finden.
106
'Appniivouc; Ktti KpoTUJVidTa?, eii be TTepuaivouc;, nach Diodors Worten;
ebenso hat Livius: a Perusia et Cortona et Arretio, quae ferme capila
Etruriae poimlorum ea tempestate erant, legaii u. s. w.
3. In entsprechender Weise berichtet Livius 10, 37, 4 zum
J. 460, dass tres vulidissimae urbes, Etruriae capita^ Volsinn, Perusia,
Avretium pacem petiere und indutias in qiiadraginta annos impetra-
verunt.
4. Die reichste Liste haben wir bei Livius 28, 45. Es wird
dort erzählt, dass, als im J. 549 d. St. der Consul Scipio eine Flotte
rüstete, um nach Afrika hinüber zu fahren, Etruriae primum po]tnU
pro suis quisque facultatibus consulem adiuturos polliciti, und es wird
weiter angegeben, was die einzelnen populi versprochen haben. Er-
wähnt werden dabei im Ganzen acht populi und zwar (indem ich
sie nach der alphabetischen Folge aufzähle) die Arretini, Caerites,
Clusini, Perusim, Populonienses, Eusellani, Tarquinienses, Volaterrani.
Bei Besprechung dieser Stelle bemerkt Niebuhr, wie ich glaube mit
Recht, der Ausdruck sei derart, dass man erwarten dürfe, sämmt-
liche populi Etruriens aufgezählt zu finden. Wenn dennoch, wie
es scheint, einige fehlen, so hält er es für wahrscheinlicher, dass
die Aufzählung des nicht sehr sorgfältigen Livius unvollständig sei,
als dass einzelne Gemeinden sich von dem Beschlüsse fern gehalten
hätten. Auch hierin möchte ich ihm beistimmen.
Zu diesen Listen, die bei Schriftstellern vorkommen, würde
nun die der Marmorplatte kommen, auf der jetzt noch die Tarqui-
nienses, Volcentani und Vetulonenses stehen; und da diese zu Caere
gefunden ist, so ist wohl sicher, dass an einem anderen Theile des-
selben Denkmals die Caerites angebracht waren.
Sieht man nun zu, welche Namen in diesen fünf Listen vor-
kommen, so ergeben sich gerade zwölf, nämlich die Arretini, Caerites,
Clusini, Cortonenses, Perusini, Populonienses, Eusellani, Tarquinienses,
Vettdonenses , Volaterrani, Volcentes, Vohinienses , und wir hätten
damit eine vollständige Liste der Zwölfstädte gewonnen.
Allerdings mag das Ergebniss zunächst nicht sehr sicher be-
gründet erscheinen. Die Zahl der Zeugnisse ist verhältnissmässig
gering, und es sind unter den zwölf nicht weniger als vier, die nur
einmal vorkommen, Cortona zum J. 444 bei Diodor und Livius,
die Populonienses nur bei Livius 28, 45, die Volcentani nur auf
dem Kelief und Volsinii nur bei Livius 10, 37 zum J. 460. Aber
107
zunächst ergibt sich eine nicht unwesentliche Bestätigung durch
eine genauere Betrachtung der ReHefplatte.
Wie diese an dem Denkmal angebracht gewesen ist, ist aller-
dings nicht leicht zu sagen ^). Schwierigkeit macht namentlich,
dass, während die Rückseite im Ganzen glatt ist, doch auf der-
selben ein schmaler, nur etwa 22 Centim. breiter Streifen längs der
erhaltenen Verticalseite auch Relief zeigt, nämlich einen auf einem
Altar stehenden Eber mit Oel- oder Lorbeerbaum dahinter, und erst
dann die glatte Fläche folgt. Auch ich habe keine völlig befriedigende
Lösung der Schwierigkeit gefunden (vgl.S. 124 ff.); nur dass die Masse
der Platte wie der erhaltenen Statue des Claudius sich gut damit ver-
tragen, dass beides Theile des gleichen Denkmales sind, schien Herrn
Dl*. Loewy und mir, als wir im April im Lateran die Originale
untersuchten, unbedenklich. Aber die Untersuchung des Reliefs
war doch belehrend.
Wenn man sieht, dass auf dem Relief neben einander stehen:
Tarquinienses, Volcentani, Vetulonenses , also auf die Gemeinde, deren
Namen mit T beginnt, zwei folgen, deren Namen mit V anfangen,
so ist wohl einleuchtend, dass an diesem Denkmal die Gemeinden
alphabetisch geordnet waren, nämlich in der im Alterthume gebräuch-
lichen Weise, dass dabei nur der erste Buchstabe des Wortes be-
rücksichtigt wurde, nicht auch die folgenden^). Waren aber hier
die zwölf popuU dai'gestellt und galten damals als solche die-
jenigen, die wir oben ermittelt haben, so mussten auf Tarquinienses
und die beiden mit V anfangenden Volcentani und Vetulonenses im
Ganzen noch zwei folgen, die ebenfalls V zum ersten Buchstaben
haben, die Volaterrani und Volsinienses. Nach der Gestalt der Ve-
tulonier ist nun die Platte abgebrochen. Aber schon wie ich nur
die wenig genauen Abbildungen vor mir hatte, glaubte ich mit
Wahrscheinlichkeit aus der Beschaffenheit des Reliefs folgern zu
können, dass, als die Platte vollständig war, auf jene Gestalt in
der That noch zwei folgten. Das hat sich bei der Besichtiguno-
des Originals bestätigt. Der obere Theil des Reliefs hat noch Reste
*) Canina nalim zuerst vier Platten mit je drei Gestalten an, nachher drei
mit je vier.
■^) Vgl. das alphabetische, auf Augustus zurückgehende Verzeichniss der
Gemeinden der Region Etrurien unten S. 120. Wie ich sehe, ist diese Bemerkung
auch von Dessau gemacht worden Arch. Zeituii<r 1884 ,S. 73.
108
der Verzierung mit Guirlanden, deren Enden von Eroten getragen
werden. Nun zeigt sclion einigermassen die Abbildung, bestimmt
das Relief selbst, dass die grosse Guirlande gerade über der Mitte
der Figur der Vetulonier am tiefsten lierabreicht und also dort ibre
Mitte hat , dass , wie rechts davon der erhaltene Erot das rechte
Ende fasst, so auf dem verlorenen Stücke ein in der Lage ent-
sprechender Erot das linke gehalten und die Figur der Vetulonier
demnach die Mitte der Platte eingenommen haben wird. Diese von
der Symmetrie der Ornamente geforderte Annahme wird nun weiter
dadurch gestützt, dass Dr. Loewy und ich in dem erhaltenen
oberen Rande, und zwar gleichfalls etwa über der Mitte der
Figur der Vetulonier, ein verticales Loch fanden, welches ohne
Zweifel zur Befestigung der Platte mittelst einer Klammer diente.
Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die durch den Vertreter
der Vetulonier eingenommene Stelle die Mitte der Platte war und
dass, wie rechts neben dieser stehenden Figur zwei auf Sockeln
sich befinden, so auch zur Linken sich zwei befunden haben werden.
Damit wird beides, die Beziehung des Reliefs auf ein Denkmal der
Zwölfstädte und die Genauigkeit der ermittelten Liste, wenigstens
für die Zeit des Denkmals, in erwünschter Weise bestätigt.
Wie hier noch erkennbare monumentale Spuren, so gibt, glaube
ich, die Beschaffenheit der Liste selbst bei genauerer Prüfung eine
Gewähr für ihre Richtigkeit. Nur muss die Liste richtig aufgefasst
werden.
Die benützten Berichte der Schriftsteller wollen zunächst nur
für den Zeitpunkt beweisend sein^ auf den sie sich beziehen, und
auch hierbei ist die Beweiskraft nicht bei allen die gleiche. Nach
unserer allgemeinen Kenntniss der Ueberlieferung kann von vorn-
herein nur die Stelle des Livius (28, 45) für die letzte Zeit des
hannibalischen Krieges (das Jahr 549 d. St.) Anspruch auf völlige
Glaubwürdigkeit erheben. Und danach ist, denke ich, nicht zu
bezweifeln, dass die in derselben genannten acht populi selbst-
ständige und vollberechtigte Mitglieder der Verbindung waren, die
Etrurien zu sein oder zu vertreten schien und die im Stande war,
Beschlüsse zu fassen. Geringer ist an sich die Glaubwürdigkeit
der Berichte bei Diodor und Livius über die Friedensschlüsse,
mittelst deren die Kriege Roms gegen Etrurien in den Jahren 444
und 4G0 d. St. beendet sein sollen. Indess, die Einzelheit, um die
es sich hier handelt, die namentliche Anführung derjenigen Städte,
die in dem etrurischen Bunde die mächtigsten und führenden
109
Glieder waren, ist doch derartig, dass sie auch in einem im Allge-
meinen massig beglaubigten Berichte einen hohen Grad von Zu-
verlässigkeit hat. Man wird also mit ziemlicher Sicherheit aus
diesen Berichten entnehmen dürfen, nicht nur dass die beiden Städte,
die an beiden Stellen genannt werden und auch in der livianischen
Liste für den hannibalischen Krieg stehen und, wie wir sehen werden,
auch noch Jahrhunderte später Mitglieder waren, Arretium und
Perusia, in dieser Stellung schon ein Jahrhundert vor dem hanni-
balischen Kriege gewesen sind, sondern auch, dass ebenfalls die
beiden Städte damals Mitglieder waren , die nur zum Jahre 444
oder zum Jahre 460 genannt werden und in der Liste des Livius
für das Jahr 549 fehlen, Cortona und Volsinii. Da diese aber
gleichfalls, wie weiter unten dargelegt ist, in der Kaiserzeit Mit-
glieder waren, so erscheint auch das gesichert, dass sie in der da-
zwischen liegenden Zeit, auch während des hannibalischen Krieges,
es geblieben waren.
Anders steht es mit dem Berichte des Dionysius für den Krieg
gegen Tarquinius Priscus. Aus dieser Zeit haben die Römer keine
zuverlässigen Berichte gehabt, sondern selbst das Aelteste und
Reste von dem, was den erhaltenen Erzählungen für dieselbe zu
Grunde liegt, ist wohl grösstentheils nicht vor dem drittletzten
Jahrhundert der römischen Republik entstanden und demnach vor-
aussetzlich von den Verhältnissen dieser späteren Zeit bestimmt.
Wenn nun Dionysius hier fünf Städte anscheinend als Glieder des
Bundes nennt, so sind diese vielleicht es wirklich in verhältniss-
mässig früher Zeit gewesen; ich sehe wenigstens nichts, was dem
entgegenstünde. Aber eben so gut möglich ist, dass diese Angaben
aus den Verhältnissen^ die etwa in der Zeit des hannibalischen
Krieges bestanden, entnommen sind. In diesem Falle hat, da von
den fünf genannten Städten sich vier, Arretium, Clusium, Ruseliae
und Volaterrae , auch in der livianischen Liste für das Jahr 549
finden, die Nennung des Dionysius für diese vier nur den Werth
eines zweiten, bestätigenden Zeugnisses, und für die eine, die in
der livianischen Liste nicht steht, aber auf dem Relief sich findet,
Vetulonium, würde das dionysische Zeugniss allein nicht genügende
Beweiskraft haben, um ihre Zugehörigkeit zum Bunde in sehr frühe
Zeit zu setzen®).
^) Doch wird die frühe Selbständigkeit der Stadt Vetulonium schon durch ihre
Münzen bewies>'n, die, wie jetzt feststeht, die Aufschrift vatl haben, s. I. Falchi
110
So ergibt sich, dass die Liste, die wir ermittelt haben, im
Wesentlichen erst für die Zeit vom dritten Jahrhundert v. Chr. an
beglaubigt ist. Es ist nun möglich , und vielleicht in dem einen
oder anderen Falle auch nachzuweisen, dass in der Organisation
Aenderungen eingetreten sind, indem eine Stadt, die früher Mitglied
war, es nicht blieb, oder eine früher nicht zugehörige eintrat, viel-
leicht erst im dritten Jahrhundert v. Chr., nach der Beendigijjng
der grossen Kriege Etruriens gegen Rom. In diesem Falle muss
in unserer Liste eine Stadt, deren Mitgliedschaft aufgehört hatte,
fehlen, andererseits diejenige stehen, die vor dem hannibalischen
Kriege Mitglied geworden war.
Hält man sich dies gegenwärtig, so wird die Genauigkeit der
Liste durch nähere Erwägung bestätigt. Ich will nur Einzelnes
hier erörtern. Am meisten fällt zunächst auf, dass zu den zwölf
Gemeinden nicht Veji gehört haben soll , das doch Jahrhunderte
lang hauptsächlich den Kampf für den etruskischen Stamm gegen
die Römer geführt hat. Es ist denn auch Veji wohl in allen bisher
aufgestellten Listen aufgenommen worden, auch in denen von
Cluver, Niebuhr und Dennis, die von der oben gefundenen am
wenigsten sich entfernen. Aber das Fehlen von Veji in dieser ist
durchaus in Ordnung. Eine sichere Kunde über die Gliederung
Etruriens aus der Zeit, in der zu Rom Könige herrschten, können
wir in der litterarischen Ueberlieferung nicht haben. Es mag, ob-
wohl wir es nicht behaupten können, Etrurien auch schon zur Zeit
der römischen Könige einen Bund von zwölf Gemeinden gebildet
haben, und in diesem wird dann wohl sicher Veji gewesen sein.
Aber in der Zeit, für die, wie ich vorhin ausgeführt habe, die Liste
beglaubigt ist, kann die Gemeinde Veji nicht zu den zwölf Ge-
meinden gehört haben, aus dem einfachen Grunde, weil es damals
überhaupt keine Gemeinde Veji gab. Mit der Eroberung Veji's durch
die Römer, also vor der Zeit des Gallischen Brandes, hört Veji,
soweit wir sehen können, zu existiren auf, und erst unter Augustus
ist es wieder erstanden, indem dieser eine Stadt gründete mit dem
Namen municipium Augiistum Veiens oder Vei').
ann. nuvdsm. 1884 pl. V. VI. Wenn Silins 8, 488 fi'. von ilir die zwölf Lictorcn
null die iibrij^cn magistratischen Insignien herstammen lässt, so muss sogar die
Ansic.lit bestanden haben, dass sie einmal die llaui)tstadt Etruriens war.
') Der Gegensatz zwischen dem gesehic-.litlich bekannten Zustaiul, wonach
Veji nicht zu den zwölf Gemeinden gehörte, und der Ansicht, dass es zu einer
111
Das Gegenstück zu Veji bildet Populonia oder Populonium.
Dies steht in der obigen Liste, fehlt aber wohl fast durchgehend
in den bisher aufgestellten Listen, bei Cluver, Niebuhr, Dennis, wie
bei O. Müller, und auch an der angeführten Stelle Momrasens heisst
es, dass Populonia sicher zu den alten zwölf Städten nicht gehört
habe. Der Grund ist, dass von den verschiedenen im Commentar
des Servius zur Aeneis 10, 152 angeführten Erzählungen von dem
Ursprünge dieser Stadt , eine sie nach der Festsetzung der Zwölf-
städte durch aus Corsika gekommene Ansiedler gegründet sein
lässt, nach den beiden anderen sie von Volaterrae gegründet oder
erobert ist. Diese Erzählungen, schliesst man, hätten nicht auf-
kommen können, wenn Populonium eine selbständige Gemeinde
gewesen wäre. Ob eine derartige Folgerung aus Erzählungen, die
für uns nur in ganz später Zeit auftreten, einwandfrei ist, kann
vielleicht bezweifelt werden, aber die Berechtigung der Folgerung
zugegeben^ so gilt dies nur für die älteste Zeit. Dass aber zur Zeit
des hannibalischen Krieges Populonium selbständig und ein Glied
des Bundes gewesen sei, wie die Liste des Livius bezeugt, wird
dadurch gar nicht erschüttert. Auch wird die Selbständigkeit von
Populonium für ziemhch frühe Zeit, von den Schriftstellern abge-
sehen^ durch die Münzen bewiesen. Denn wenn auch vielfach
die Zutheilung etruskischer Münzen an bestimmte Städte unsicher
ist, so kann das nicht bezweifelt werden, dass die zahlreichen
Münzen mit piipluna der mit römischer Umwandlung Populonium
genannten Stadt gehören.
Mit dem Fehlen von Veji und dem Vorkommen von Popu-
lonium in unserer Liste sind zugleich die eine der beiden oder zwei
der vier Abweichungen derselben von der durch den Begründer
der antiken Landeskunde aufgestellten erörtert worden, der auch
für diese Frage die antike Litteratur umfassend und sorgfältig ver-
Zeit nicht wohl ausserhalb derselben gestanrlen haben könne, spiegelt sich in unseren
Berichten. Einerseits hielten nach Dionysius 9, 18, nachdem Veji mit Eom Frieden
geschlossen hatte, ai |ur] inexaaxoOaai rrjc; 6ipnvr](; ?v bcKO iröXen; eine Versamm-
lung ab und beschwerten sich über den Einzelt'rieden der Vejenter, und bei Livius 5,
1, 4 war der König von Veji schon früher mit dem etruskischen Volke (gens) zer-
fallen, quod suffragio duodecim populorum alius sacerdos ei praelatus esset. Andrer-
seits senden bei Livius 4, 23, 5 Vejenter und Falisker Gesandte circa duodecim
pojmhxt, niul 7, 21, 9, nachdem das Gebiet von Veji längst römisch geworden war,
ist von dem Gerücht die Kede coniurasse duodecim poptdos.
112
werthet hat. Die Cluver'sche Liste, die allerdings die Zeiten nicht
scheidet, stimmt mit der unseren in zehn Namen überein: es fehlt
ihr ausser Populonium noch Volci; mehr hat sie Veji und Falerü,
Die Mitgliedschaft von Volci wird durch das Relief von Caere be-
zeugt. Allerdings gehört dies der ersten Kaiserzeit an, und danach
ist Volci die einzige der zwölf Städte unserer Liste, für die das
benützte Zeugniss nicht wenigstens bis zur Zeit des hannibalischen
Krieges hinaufreicht. Aber dass sie schon weit früher Bundes-
mitglied gewesen ist, scheint mir sicher. Volci war in der Kaiser-
zeit, nach den übereinstimmenden Anzeichen der Litteratur und
der Denkmäler, sehr geringfügig. In früher Zeit ist es mächtig
gewesen, wie am glänzendsten der Reichthum und das Alter seiner
Nekropolen beweist; und wie O. Müller bemerkt hat, geht seine
Stellung als unabhängiges Bundesmitglied, mindestens aber seine
Selbständigkeit, daraus hervor, dass noch 280 v. Chr. ein römi-
scher Triumph gefeiert wurde: de Vulsiniensibus et Vulcientib{us)
und dass 273 v. Chr. in seinem Gebiete die römische Colonie Cosa
ano-elegt wurde; vgl. Plinius n. h. 3, 51: Cosa Volcientium a populo
Romano deducta. Sicher hat demnach Volci die Stelle als eines der
zwölf populi nicht später erlangt, sondern es hat sie trotz seines
materiellen Niederganges behauptet.
Mehr hat Cluver ausser Veji, das ich schon besprochen habe,
noch Falerü; dies hat auch 0. Müller. Die Annahme von Falerü
ist schon deshalb als verfehlt zu betrachten, weil dessen Bürger,
die Falisker, überhaupt nicht etruskischen Stammes waren. Dies
wird schon in der antiken Litteratur angedeutet, und als Denk-
mäler in faliskischem Dialekt bekannt wurden (zuerst geschah es
1860j, zeigte sich, dass derselbe dem lateinischen nahe verwandt ist.
Nach diesen Darlegungen könnte wohl die Zuverlässigkeit und
Genauigkeit der Liste der Zwölfstädte Etruriens, wenigstens, wie ich
ausgeführt habe, für die Zeit vom dritten Jahrhundert v. Chr. an, für
hinreichend gesichert gelten. Aber ich habe bisher etwas unerwähnt
gelassen, was meine bisherige Darstellung, wenigstens soweit das
Relief in Frage kommt, zu modificiren scheint: nämlich die Um-
gestaltung des Bundes in der Kaiserzeit, auch in Beziehung auf
den Bestand seiner Mitglieder. Das Etrurien der so und soviel
pojmli hat auch in der späteren Kaiserzeit fortbestanden, wie wir
aus Inschriften, die seine Beamten nennen, wissen, wenn auch
voraussetzlich ohne weitere Wirksamkeit, als die mit einem gemein-
113
Samen religiösen Feste verbundene. Von dieser religiösen Feier,
die allerdings im Laufe der Zeit wohl umgestaltet und zwar stark
umgestaltet war, handelt der in Marmor eingegrabene und noch
jetzt in Spello, dem antiken Hispellum, befindliche Erlass Kaiser
Constantins^). In demselben wird genehmigt, dass, während bisher
in Folge der Verbindung mit Tuscien ein von den Angeredeten,
sicher Vertretern von Umbrien, jährlich gewählter Priester instüufo
con.suetudinis j)riscae in Volsinii {aput Vulsmios Tusciae civitatem)
dramatische und Fechterspiele zu geben hatte, von jetzt an der
jährlich von Umbrien bestellte Priester die Feste in dem umbrischen
Hispellum gebe, welche Stadt gleichzeitig den Namen Flavia Constans
und eine aedis Flaviae gentis erhält; dass aber in Tuscien es dabei
bleibe, dass der jährlich aus Tuscien erwählte Priester die Fest-
lichkeit wie früher in Volsinii abhalte. Mit dieser Festlichkeit
Etruriens hat, wenigstens in der Zeit, bevor Umbrien dabei betheiligt
war, sicher der in Inschriften der Kaiserzeit mehrfach vorkommende
praetor Etruriae zu thun gehabt^). Ausser diesem erscheint in den
Inschriften ein voraussetzlich dem Prätor irgendwie bei- oder unter-
geordneter aedilis Etruriae^^), und vereinzelt kommt vor ein iurat{iis)
(i<l Sacra Etr{jiriae). Nun heisst aber der Prätor Etruriens, wenn
der Titel voll angegeben wird, praetor Etruriae XV "populorum^^).
*) Henzen n. 5580 := Wilmanus n. 2843; ich habe den Stein gesehen
und verglichen. Dass die Urkunde früher als unecht gegolten hat und erst durch
die schöne Darlegung von Mommsen, epigr. Analekt. 9 in den Berichten d. säclis.
Ges. 1850 zur verdienten Würdigung gekommen ist, mag dem jüngeren Geschlechte
leicht unbegreiflich erscheinen.
^) Auf die Zeit, in der das Fest den beiden Landschaften gemeinsam war,
bezieht sich, wie öfter bemerkt ist, sicher das coronatus Tusc{iae) et Umb(riae) des
0. Matrinius Aurelius C. f. Lem(onia) Antoninus , der nachher auch, wohl in Folge
des oben besprochenen Erlasses Kaiser Constantins und wohl in Hispellum pont{i-
fex) gentis Flaviae gewesen ist (Inschrift desselben noch jetzt zu Spello befindlich:
Orelli n. 3866 = Wilmanns n. 2102, von mir gesehen).
'") Das ist wenigstens das wahrscheinliche Verhältniss. Allerdings ist, da
von den erhaltenen Erwähnungen des Prätor Etruriens keine älter ist als das zweite
Jahrhundert n. Chr., die Inschriften mit aedilis Etruriae aber sicher zum Theil
und vielleicht alle noch in das erste Jahrhundert n. Chr. gehören, die Möglichkeit
nicht völlig ausgeschlossen, dass hier statt eines Nebeneinander ein Nacheinander
VDiliege und später an die Stelle des Aedilen der vornehmere Prätor getreten sei.
^') Unter den neun Inschriften, die das Amt meines Wissens erwähnen und
die ich unten anführen werde, heisst das Amt fünf Mal praetor Elruriae XV 2}opn-
Archäologisch-epigraphische Mitlh. XF. 8
114
Wenn danach einerseits wahrscheinlich oder sicher ist, dass das
Etrurien dieses Amtes mit den früher besprochenen duodechn popidi
Etruriae zusammenhängt, so andererseits nicht minder, dass dabei
eine Aenderung eingetreten ist, indem statt der zwölf, nun fünfzehn
popnli erscheinen. Eine Untersuchung über diese fünfzehn popull
ist meines Wissens noch nicht geführt worden. O. Müller erwähnt
am Schlüsse seines Capitels von der Bundesverfassung (Buch 11
Cap. 1) diese Inschriften später Zeit und sagt dann : 'Wie aus den
zwölf Völkern fünfzehn geworden sind, ist dunkel, entweder sind
einige früher mit andern verbundene Städte besonders gerechnet
worden oder Umbrien ist hier unter demselben Namen befasst'.
Zunächst wäre das Thatsächliche möglichst zu ermitteln, welche
Gemeinden auf Grund bestimmter Zeugnisse zu dem Etrurien der
fünfzehn Gemeinden zu rechnen sind. Das Hauptmittel dazu ist
die Zugehörigkeit der als Beamte dieses Etruriens vorkommenden
Personen zu bestimmten Gemeinden, indem zunächst es selbstver-
ständlich scheint, dass nur Bürger der einzelnen Bundesgemeinden
zu den gemeinsamen Bundesämtern berufen wurden. Dies trifft
auch durchaus zu auf das oder besser die niederen Aemter. Wenn
ich nichts übersehen habe, erscheint der aedilis Etruriae bis jetzt
auf fünf Inschriften, die sämmtlich Grabinschriften sind, und von
diesen gehören, wie für mich sicher steht, drei nach Clusium"^),
eine nach Caere ^'''), eine nach Cor ton a"*), in der Weise, dass
lorum C. I. IX, 3667. XI, 1941. 2699. XIV, 172 und Henzen 618,3; zwei M.il
praetor Etruriae XI, 1432. 3364 und zwei Ma) anscheinend praetor XV populonim
XI, 2114. 2115.
") Es .sind dies die in Clusium (Chiu.si) gefundenen Inschriften XI, 2116
'— Ann. d. Inst. 1863 p. 284) und 2120, und die Inschrift XI 1806 (= Gori inner.
Etr. 2, 60, 3), die ich unter Siena (Saena) abg^edruckt habe, da sie niclit weit von
dort gefunden ist; aber schon die Tribiis Arnensis beweist die Zugehörigkeit zu
Clusium.
*') Sic ist jetzt von mir als XI, 3615 unter die Inschriften von Caere gesetzt,
wollin sie sicher gehört. Da sie sich jetzt in Sutri befindet, wo sie auch Garrucci
sah {dissert. arch. 1 p. 31, daraus bull. d. Insf. 1865 p. 248), so hatte icli sie schon
unter n. 3257 unter Sutri gegeben, ohne die richtige, allerdings nur von einem
Fälscher (Ligorio) überlieferte Ortsangabe, die aber in entscheidender Weise durch
ein Caere eigenthümliches Gemeindeamt gestützt wird, genügend zu würdigen.
") XI, 1905 (= Gori inscr. Etr. 2 p. 369). Dass [aPAl{iUit)] Etruriae zu er-
gänzen ist, h.abe ich erst nachtr.-iglicli gesehen.
115
der Verstorbene Bürger der angegebenen Gemeinde gewesen ist,
in derselben auch Gemeinde- oder Priesterämter bekleidet hat und
innerhalb ihres Gebietes begraben ist. Ganz gleichartig ist das
Amt des iurat{us) ad sacra Etr[uriae), das bis jetzt nur einmal, in
der Grabschrift eines Arretiners vorkommt*^). Etwas anders
aber steht es mit der Würde eines Prätors von Etrurien, wie schon
die einzige Stelle in der Litteratur lehrt, an der ein Beamter des
zur Besprechung stehenden Etruriens genannt wird. Nach der uns
erhaltenen Lebensbeschreibung des Kaisers Hadrian (c. 19 zu An-
fang: in Etrnria praeturam imperatoi^ egif.) ist derselbe als Kaiser
Prätor von Etrurien gewesen und er war bekanntlich nicht Bürger
einer etrurischen Gemeinde. Wie hiermit Hadrian nicht so sehr
von Etrurien eine Ehre erhielt, als diesem eine Ehre erwies,
so haben auch, vielleicht in Folge dieses kaiserlichen Vorganges,
nach dem Zeugnisse der Inschriften mehrfach Männer des höchsten
Ranges im römischen Reich dies Amt bekleidet. Solche Personen
konnten leicht zu einzelnen oder mehreren Städten Etruriens in
Beziehungen getreten sein, auch ohne dass sie Burger derselben
waren, und es kann daher aus der Bekleidung des Amtes wohl
nicht mit Sicherheit auf die Zugehörigkeit zu einer der Bundes-
geraeinden geschlossen werden. Danach sind die Inschriften, die
uns Prätoren von Etrurien kennen lehren, einzeln zu erwägen. Ich
kenne deren bis jetzt neun. Von diesen sind gleichartig zwei nach
Clusium"*) und eine nach Perusia'*) gehörende, die in diesen
Städten gefunden sind und angesehene Bürger derselben rühmen,
die sich um ihre Vaterstadt auch auf andere Weise verdient ge-
macht haben. Zwei weitere (4. 5) Inschriften aus Tarquin ii "*) und
Volsinii'^) haben das Gemeinsame, dass mit ihnen Männer hohen
Ranges geehrt werden, die im römischen Reiche die Aemterlaufbahn
gemacht haben, aber aus diesen Städten stammen ; in der Inschrift
''") XI, 1848 (= Gruter 479, 1; Gori /. E. 1, 448, 79; Orelli n. •2182). Die-
selbe ist im Gebiet von Arezzo gefunden, die Tribus ist die arretinisclic und die
in der Inschrift vorkommenden Gemeindeämter, Qnästnr, Aedilitht, ])nnvirat, werden
.•mch arretinisch sein.
'•) XI, 2114 und 2115 = Muratori 1039, 1.
'') XI, 1941 — Gruter 37.5, 4; Orelli n. 97 mit Sn|i|.I.
'») XI, 3.3G4 = Henzen n. G497.
") XI, 2099 = Grnt.T .385, 1 ; Orelli n. 90 mit Sni>).l.
8*
116
aus Volsinii wird diese Stadt ausdrücklich als patria bezeiclmet,
und der Geehrte von Tarquinii hat die tarquinisclie Tribus und ist
auch quinquennalis Tarquinis gewesen. An diese würde sich (6)
die verstümmelte Inschrift von Pisae anschliessen (XI, 1432 = Gori-
I. E. 2, 18, 12), die nach sicherer Ergänzung zu Ehren eines L.
Venuleius Apronianus gesetzt ist, der im Jahre 168 n. Chr. zum
zweiten Male Consul war. Nach den Resten praetori - etrvriae • v ■
pIsIs... und m PATRiAM svAM • BENEFiciA hat er fünf Mal die Prätur
in Etrurien bekleidet, war selbst aus Pisae und hat dort wohl auch
ein Gemeindeamt bekleidet [nach dem Pisis muss eine derartige
Bezeichnung gefolgt sein, etwa qninq{uennalis)]. Während aber die
Städte, aus denen die fünf ersten Inschriften herrühren, in der Liste
der duodecim fopuli, wie wir sie aufgestellt haben, stehen, findet
sich Pisae nicht darin '^^). Aus der eben besprochenen Inschrift
lässt sich vielleicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ableiten,
dass Pisae zu den XV 'populi gehört habe , aber durchaus keine
Sicherheit. Das wird noch deutlicher durch die Betrachtung der
drei letzten Inschriften (7 — 9). Diese sind anscheinend ausserhalb
der Landschaft Etrurien gefunden. Die eine (Henzen n. 6183),
die in Bettona (Vettona), also in Umbrien, aber nahe der Grenze des
antiken Etruriens, als Baumaterial verwendet war, ist sehr ver-
stümmelt und nur aus einer einzigen Abschrift bekannt. DeutHch
ist darin die Erwähnung des Amtes (tore aetrvriae xv-p-p) und das
Aetruriae ludos aedidit'^ auch ist vorher Titscia erwähnt. Aber bei
dem Fehlen eines Stadtnamens bleibt auch das unsicher, zu welcher
Stadt der Geehrte in näherem Verhältniss stand, und da Bettona nahe
bei Perugia liegt, so wäre vielleicht möglich, dass die Inschrift nach
dieser Stadt gehört. Die achte (C. IX 3667 = Orelli 3149) war in dem
") Allerdings ist, vielfach, auch von O. Müller, Pisae zu den Zwölfstädten
gerechnet worden. Aber schon Cluver und Norisius haben sich gegen diese An-
nahme erklärt, und auch ich habe es in der Einleitung zu den Inschriften von
Pisae (XI S. 273) gethan, bevor ich mir eine Ansicht über den Bestand der Liste
gebildet hatte. In den mancherlei Erzählungen über den Ursprung von Pisae
kommt allerdings auch die Gründung durch die P^trusker vor, aber die anscheinend
bessere Ueberlieferung weist die Stadt den Ligurern zu; lange Zeit, voraussefzlicli
bis auf Sulla, lag sie ausserhalb der Grenzen Italiens, die an dieser Stelle mit
denen Etruriens zusammenfielen; als sie das römische Bürgerrecht erhielt, wurde
sie der für die Ligurer bestimmten Tribus, der Galeria, zugewiesen, und Etruskisches
ist, 80 viel icli weiss, bis jetzt weder in Pisa selbst noch in der Umgegend ge-
funden worden.
117
Haupiort der Marscr einem IManne senatorischen Standes gesetzt, der
nach den Worten yraelori eodemqi^ue) tempore praetor[{] Aetrur{iae) XV
jjopul[or{u7n)\ in demselben Jahre, in welchem er die Prätur in Rom
verwaltete, auch die Würde eines Prätor von Etrurien übernommen
hatte. Irgend eine sonstige Beziehung zu Etrurien oder einer Stadt
desselben ersieht man nicht. Schliesslich die letzte (C. XIV 172
mit Add. = notiz'e degli scavi 1880 p. 476 und 1886 p. 82) ist im
Jahre 184 in Ostia einem Q. Petronius Melior gesetzt, der ritter-
lichen Standes und damals proci^urator) ann{onae) war, vorher aber
unter anderem gewesen war //// vir q{}iin)q{v.ennalis) Faesulis und
pontif(ex) Faesulis et Florentiae und curator rei publ(icae) Saenensium
und praetor Etruriae XV populoriim bis. Anscheinend ein Enkel
von ihm , der gleichnamig ist und es zum Consulat gebracht hat,
war nach der Inschrift XI. 3367 = Henzen n. 6048 cur{ator) r(ei)
p(ubHcae) Tarquiniens(ium) und Patron derselben und hatte ihnen die
Thermen wiederhergestellt; begraben aber ist er vielleicht in Florenz
oder Fiesole, wo sein Grossvater Gemeinde- oder Priesterämter
bekleidet hatte, da sein Sarkophag (Xl, 1595 = Orelli n. 3775 vgl.
Suppl.) in Florenz zum Vorschein gekommen ist. Der Grund der
Beziehungen der Familie zu Etrurien ist danach wohl kaum fest-
zustellen; dass sie aus Faesulae stammte, wäre möglich, ohne dass
es wahrscheinlich genannt werden könnte. Mit nicht viel geringerer
Berechtigung könnte man die Familie auch für eine tarquiniensische
halten.
Damit wäre die Musterung der inschriftlichen Denkmäler für
das Etruria XV populorum beendet. Dieselben geben mit einer
allerdings nicht überall gleichen Sicherheit dafür Zeugniss ab, dass
zu den fünfzehn Gemeinden, die den Bund bildeten, gehörten:
Arretium, Caere, Clusium, Cortona,Perusia,Tarquinii,
Volsinii, die wir bereits als Mitglieder der älteren zwölf Ge-
meinden kannten, und eine Inschrift spricht mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit für die Zugehörigkeit von Pisae. Ferner ist
hier zu verweisen auf das Zeugnis des oben ausführlicher bespro-
chenen, der frühen Kaiserzeit angehörenden Reliefs für [CaereJ,
Tarquinii,Vetulonium,Vo!ci, so dass das wohl sicher scheint,
dass alle XH populi auch zu den A'F gehörten und nur, wie aus dem
neuen Namen folgt, drei hinzugekommen sein müssen "'}.
'*) Bei dieser Sachlage ist es für die Untersuchung unbedenklich, dass ich
früher das Relief für die Liste der zwölf Städte verwerthet habe, auch wenn zu der
118
Wie ist nun diese Vermehrung zu denken? Von den oben
S. 114 erwähnten Erklärungen ist die aus der Vereinigung mit Um-
brien hergenommene, die ein gewisser Adami aufgestellt hatte, über-
haupt nur durch die falsche, jetzt beseitigte Lesung in XI, 1941 =
üruter 375, 4 'praetor Umhriae (statt Etruriae) XV populorum ver-
anlasst und sicher abzuweisen. Dass Umbrien und Etrurien oder
Tuscien ein gemeinsames Fest erhielten, wird erst Folge ihrer Ver-
einigung zu eineni Verwaltungsbezirk sein, die einer weit späteren
Zeit angehört, als in der die XV populi zuerst vorkommen. Aber
es haben auch während der Zeit der Vereinigung beide Landschaften
ihre besonderen Priester gehabt und der praetor Etruriae XV popu-
lorum würde, auch wenn er mit dem Priester für Etrurien oder
später Tuscien identisch sein sollte, zunächst in keiner Beziehung
zu Umbrien stehen. So passt denn auch die Erhöhung um nur
drei Älitglieder wenig zu dem Eintritt einer ganzen und so städte-
reichen Region, wie es Umbrien war.
p]s bliebe die zweite Möglichkeit, dass bei einer Neuord-
nung des Bundes einige Gemeinden Etruriens, die früher nicht
^Mitglieder waren, aufgenommen wurden. Welcher Zeit und welcher
Persönlichkeit dieselbe zuzuschreiben sein mag, ist wohl noch nicht
erörtert. Indess wenn, wie wohl höchst wahrscheinlich ist, die
Aedilen Etruriens, deren Inschriften wenigstens zum Theil schon der
ersten Kaiserzeit angehören'^"), ebenso wie die Prätoren erst nach der
Neuordnung eingesetzt sind^^), so ist wohl ziemlich sicher, dass der
Begründer auch dieser in der Kaiserzeit bestehenden Ordnung
Augustus gewesen ist. Dass dies ohnehin die grösste Wahrschein-
lichkeit hat, werden die Kundigen sofort einräumen; doch will ich
hier auf eine begründende Darlegung, die einen weiteren Rahmen
Zeit, wo es entstand, schon aus den zwölf Gemeinden fünfzehn geworden sein
sollten. In dem letzten Theile der alphabetischen Liste nach dem Buchstaben T
ist wohl sicher keine Aendcnuij,' vortrekommen. Wenn die Erklärung, die ich
weiterliin vorschlage, richtig ist, sind übrigens die XII und die XV überhaupt
identisch.
") Es kann z. B. die im Gebiet von Cortona gefundene Inschrift des aedilia
Etruriae f XI, 1905, s. Anm. 14), dessen Namen noch kein Cognomen enthält, kaum
später als in augusteische Zeit gesetzt werden.
") Das deuten schon die rfimischen Benennungen dieser Scheinraagistrate an,
Trätorcn und Aedilen. Auch nennt Livius denjenigen, der in älterer Zeit von den
diiodecim populi gewählt wurde, sacerdoa {b, 1, 5).
119
erfordern würde, nicht eingehen. Augustus hat nun auch den
später bestehenden politischen Bezirk Etrurien geschafFen. Er hat,
wie beicannt, als er zuerst Italien eine Gliederung für die Verwal-
tung gab, dasselbe in eilf Regionen getheilt und dabei sich im
Ganzen an die alten Stammesgrenzen angeschlossen. Auch die
Region, die Etrurien umfasste und diesen Namen hatte, die siebente,
folgte im Ganzen den Grenzen des Stammes, wenn auch die Region
namentlich nach Norden und Nordwesten hin ausgedehnt ward,
indem für sie jetzt eine grössere Strecke entlang der Kamm des
Appennin die Grenze bildete. Wenn nun Augustus gleichzeitig den
religiösen Bund Etruriens wiederherstellte oder neu belebte, so wäre
ja an sich eine nicht sehr bedeutende Aenderung in dem Bestände
der Mitglieder nicht besonders auffallend. Es könnten, wie Müller
bei seiner zweiten Möglichkeit es sich dachte, die neuen Mitglieder
solche sein, die jetzt als selbständige Gemeinden betrachtet wurden,
während sie früher einer anderen zugetheilt waren. Möglich wäre
aber auch, dass Augustus Gemeinden aufgenommen hätte, die früher
ausserhalb des Bundes standen, solche die mit den alten Zwölf-
städten jetzt in derselben Region zusammen waren und doch auch
als etruskischen Stammes betrachtet werden konnten '^*). Vielleicht ist
dies wirklich geschehen, und dann hat nach dem, was oben gesagt
ist, wohl Pisae besonders begründeten Anspruch darauf, als eines
der neu hinzugefügten Glieder betrachtet zu werden. Es gehörte
seit Augustus zur Region Etrurien, hatte durch ihn Colonisten und
den Namen Opsequens In/ia erhalten, und beide Adoptivsöhne des
Kaisers sind seine Patrone gewesen. Auch zählt Vergil schon die
Pisaner und zwar als eigene Abtheilung unter den Etruskern auf,
die dem Aeneas Hülfe leisteten. Dies unterstützt sehr das oben
") Offenbar bat der Bund diesen Charakter der Zugehörigkeit zum etruski-
schen Volksstamm auch in der Kaiserzeit bewahrt und ist nicht zu einer Vereini-
gung der selbständigen Gemeinden der Landschaft Etrurien oder wenigstens der
bedeutendsten derselben geworden. Solche Gemeinden gab es nach dem augustisch-
plinianischen Verzeichniss fast fünfzig (s. S. 120), aber es haben z. B. alle Ge-
meinden römischer Gründung, die schon im 4. Jahrhundert der Stadt errichteten
Festungen Sutrium und Nepet, wie die späteren Gründungen Cosa, Castrum Novum,
Alsium, Fregenae, Pyrgi, Saturnia, Graviscae, Luna, Florentia, ausserhalb des
sacralen Etruriens gestanden. Beloch (der italische Bund S. 162) ist durch die
irrige Zuweisung von Inschriften mit Aedilen Etruriens an Saena (Siena) und
Sutrium g-etäuscht worden.
120
angeführte urkundliche Anzeichen. Weiter käme etwa Faesulae in
Betracht, für das ja auch einigermassen ein urkundliches Anzeichen
da ist.
Aber es hat sich mir noch eine andere Erklärung aufgedrängt.
Augustus hat, nachdem er Italien eine Gliederung gegeben hatte,
dieselbe veröffentlicht in Form eines Verzeichnisses, das die neuen
Regionen mit ihren Bezirken enthielt. Dasselbe ist uns im Wesent-
lichen in dem betreffenden Abschnitt der Darstellung Italiens in
des Plinius hidoria naturalis erhalten. Das augusteische Verzeichniss
der Region 7 oder Etruriens hat nun, wie ich in dem INIarburger
Rektoratsprogramm für das Jahr 1884 darzulegen versucht habe,
etwa folgenden Wortlaut gehabt:
Älsienses \ Arretini veteres j Arretini fidentiores \ Arretinl
lulienses \ Amitinensps \ Aquem^es Taurini \ Blerani j Castronovani \
Caerites ( Cosani \ Cortonenses | Capenates \ Ciasini novi \ Clusini
veteres \ Falisci Eirusci \ Fregenates | Florentini \ Faesulani \ Fe-
rentienses | Fescennini \ Graviscani \ Hortani \ Herbani \ Lucenses
col. I Lucoferonienses col. \ Lunenses \ Nepesini \ Novein Pafji \
Fisani col. \ Popidonienses \ Pyrgenses \ Praefedtira Claudia Foro-
clodi I Pistorienses \ Perusini \ Eusellani col. \ Saenienses col. \ Su-
trini col. \ Suanenses \ Saturnini \ Suhertani \ Stafonenses \ Tarqui-
nienses \ Tuscanienses \ Vetulonienses \ Veientani \ Visentini \ Vola-
terrani \ Volcentani Etrusci \ Volsinienses.
Dies Verzeichniss enthält einiges Eigenthümliche , nämlich,
dass , während es wie die Verzeichnisse der anderen Regionen im
Allgemeinen aus populi, wie wir sagen dürfen^ besteht, neben diesen
vorkommen die Novem Pagi und die Praefectura Clandia Foroclodi
(vgl. den folgenden Abschnitt), und dass nicht Arretini und Clusini
stehen, sondern statt der ersteren Arretini veteres., Arretini fidentiores,
Arretini lulienses, statt der Clusini aber Clusini novi und Clusini
veteres. Es haben also , wenn auch die Arretiner sowohl wie die
Clusiner nur einen Mauerring gehabt haben werden, innerhalb des-
selben bei jenen drei Gemeinden (populi) bestanden, bei diesen
zwei. Nun gehörten die Arretiner wie die Clusiner zu den dtio-
dccim populi Etruriae. Wenn wir also seit der Ordnung durch
Augustus statt der zwölf populi fünfzehn finden und gleichzeitig in
dem von demselben Augustus herrührenden Verzeichnisse der Ge-
meinden Italiens von zwei früher zu den zwölf populi gehörenden
121
die eine in drei, die andere in zwei populi gespalten ist, so liegt
es allerdings sehr nahe , das eine als eine Folge des anderen an-
zusehen und uns die Sache so zu denken, dass Augustus bei der
NcuscliafFung des Bundes ausnahmslos diejenigen Gemeinden auf-
nahm oder beliess, die bis dahin Mitglieder gewesen waren oder
als solche gegolten hatten, dass aber, da eine von diesen jetzt in
drei, eine andere in zwei gespalten war, aus den zwölf Gemeinden
fünfzehn wurden.
Ist diese Erklärung richtig, so wäre in dem Etrurien der so
und so viel populi bei der Neubelebung der Bestand im Grunde
gar nicht geändert worden; aber auch im anderen Falle wären die-
jenigen, die früher Mitglieder waren, es alle geblieben und die Ver-
änderung hätte sich auf den Zutritt von verhältnissmässig wenig
neuen Mitgliedern beschränkt. Damit ist im Wesentlichen der Be-
stand des etrurischen Bundes durch etwa ein halbtausend Jahre
ermittelt, mittelst eines Materials, das nicht vollständig ist, aber
doch, wie ich darzulegen versucht habe, zu begründeter Beweis-
führung ausreicht. Dass eine so lange Zeit hindurch der Bestand
des Bundes sich im Ganzen nicht geändert hat, erklärt sich dadurch,
dass er keine politische Bedeutung mehr hatte, sondern nur eine
religiöse. Das scheint schon für die Zeit zu gelten . seit der wir
überhaupt zuverlässige Nachrichten über die Mitgliedschaft haben,
also seit Etrurien endgültig unter römischen EinfJuss gekommen
war (nach der Unterwerfung im Anfange des dritten Jahrhunderts
V. Chr.). Von irgend einer gemeinsamen Thätigkeit Etruriens seit
dieser Zeit hören wir nur in dem angeführten Berichte des Livius
über die Unterstützung des Consuls Scipio durch die Populi Etru-
riens. Es ist dies augenscheinlich ein gemeinsamer Beschluss ge-
wesen, durch welchen das zur Ausrüstung für die Fahrt nach Afrika
Nöthige in angemessener Weise auf die einzelnen Populi vertheilt
wurde. Aber wenn auch diese Thätigkeit gewissermassen eine poli-
tische genannt werden kann, so kann doch das Band, das damals
die Populi vereinigte, kein politisches gewesen sein, schon wegen
der verschiedenen staatsrechtlichen Stellung der einzelnen. Von den
acht Populi, die Livius nennt , bestand die Mehrzahl sicher aus
Städten, die zu Rom im Bundesverhältnisse standen, aber von den
Caeriten nimmt man, so viel ich weiss, ausnahmslos an, dass sie
damals als Bürger zweiter Classe zu der römischen Gemeinde ge-
hörten, und für die Tarquinienser hat Beloch (der italische Bund
122
S. 69), dem ich mich angeschlossen habe (C. I. L. XI S. 510), aus
guten Gründen ''•^j dasselbe angenommen. Dass aber in der Kaiser-
zeit das Gemeinsame der 12 oder 15 altetruskischen Städte inner-
halb der jetzt sich auf etwa 50 belaufenden Städte oder politischen
Bezirke der Region Etrurien nur etwas Religiöses war, ist selbst-
verständlich'^*'). Aber dies ist natürlich nicht massgebend für die
Bedeutung des Bundes in der Zeit, da der etruskische Stamm von
den Römern unabhängig war. Wenn Livius die gemeinsame reli-
giöse Feier schon für diese Zeit angibt, so kann dieselbe von ihm
aus den Verhältnissen späterer Zeit entnommen sein, ist aber ohne-
hin auch für die älteste Zeit wahrscheinlich. Indess wird die reli-
giöse Gemeinschaft in römischer Zeit nur ein Rest der früheren
politischen Gemeinschaft gewesen sein, und aus dem Bestand jener
wird man auf diese Rückschlüsse machen dürfen. 0. Müller hat
dargelegt, dass nach der Ansicht der uns erhaltenen Schriftsteller
der Bund so beschaffen war, dass ganz Etrurien in die Gebiete
der zwölf Städte zerfieP"), nicht etwa dass neben den zwölf Städten
es innerhalb Etruriens auch andere unabhängige Städte gab , die
nur nicht im Bunde stimmberechtigt waren. Wenn 0. Müller dann
Bedenken hat, weil er bei der Zählung 17 Städte fand, und die
Aushülfe versucht, dass einzelne popuU verschiedene 7TÖ\ei<; inne-
gehabt hätten, die sonst selbständig gewesen wären, aber gemein-
sam eine Stimme im Bunde gehabt hätten, so sind wohl IMüller's
Bedenken durch das, was ich oben über die Liste gesagt habe,
unmittelbar oder mittelbar grossentheils gehoben worden. Es wird
demnach was wir gefunden haben, auch verwerthet werden können,
'^) Zu denselben gehört, dass zum J. 544 d. St. aus Tarquiiiii nach Rom
ein Prodigium gemeldet wurde (Liv. 27, 4, 14).
""') Auf die Frage, in welchem Verhältnisse die 15 Gemeinden und in wel-
chem die übrigen der Kegion Etrurien oder der späteren Provinz Tuscien zu dem
wenigstens in der späteren Kaiserzeit in Volsinü (nämlich dem neueren , das nach
der Zerstörung des alten Volsinü von den Römern an dem später danach genannten
See angelegt war) gefeierten Feste gestanden haben mögen, will ich hier nicht
eingehen.
*') Das steht am bestimmtesten bei Dionysius G, 75: Tuppr|viav änaaav (.ic,
bibbeKO veveuim^vriv i^fefiovia^, aber auch bei Livius. Und wenn bei Strabo
5, 4, 3 p. 242 anscheinend Polybius in Campanicn von den Etruskern zwölf Städte
gegründet sein lässt, so muss er doch auch gemeint haben, dass das Heimatsland,
von dem man sich diese Verhältnisse entlehnt dachte, im Ganzen zwölf unab-
hängige it6X€K gehabt habe.
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123
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Stadtgebiete, in denen Inschriften
gefunden wurden mit
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s. S. 115
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124
um die Zahl und die Gebietsausdehnung der alten etruskischen
Städte, wie in römischer Zeit, so in der Zeit der Unabhängigkeit
zu bestimmen. Doch will ich jetzt darauf nicht eingehen, auch
nicht auf" die Art der Organisation selbst und deren etwaige Ein-
wirkungen auf ähnliche Gestaltungen innerhalb des römischen
Reiches"^). Dagegen ist es vielleicht bequem, wenn ich zum
Schlüsse die hauptsächlichen, früher verwendeten Städtereihen, die
entweder bei Schriftstellern angeführt werden oder aus Inschriften
sich ergeben, übersichtlich zusammenstelle [s. S. 123].
Auch bei dieser Erörterung sei mir, wie bei der vorigen, ge-
stattet, auf das Denkmal, durch welches sie angeregt worden ist,
hier das Relief aus Caere, zurückzukommen, da in ähnlicher Weise
das Ganze, von dem es einmal einen Theil bildete, räthselhaft ist.
^ Der Gedanke, der in demselben ausgeführt ist, eine Reihe von
Gestalten, die Gemeinden vertreten, im Relief zu einem Gesammt-
denkmal zu vereinigen, findet seine nächste Analogie in der be-
kannten puteolanischen Basis (O. Jahn, Ber. d. sächs. Gesellschaft
1851 Taf. 1—4 S. 119 ff.; C. T. L. X, 1624) mit der Widmung an
Kaiser Tiberius und den Gestalten der 14 asiatischen Städte. Diese
sind äusserst symmetrisch angeordnet. Die Nebenseiten der Basis
sind beträchtlich schmäler als die Vorder- und Rückseite, und es
enthalten die beiden Nebenseiten je eine entsprechende Gruppe von
drei Gestalten, die Rückseite zwei solche Gruppen, also sechs
Städte, während auf der Vorderseite zu beiden Seiten der den
grössten Theil der Fläche einnehmenden Inschrift noch je eine
Stadt angebracht ist. Die Vertheilung zeigt das folgende Schema,
bei welchem ich in der Beziflferung, die willkürlich ist, Jahn und
Mommsen gefolgt bin :
'''*) Vielleicht noch nicht erörtert, aber wohl der Erwägung werth ist die
Frage, ob und wie weit bei der Organisation, die Angustus in manchen Provinzen
traf, mit von den populi beschickten Landtagen und deren religiöser Feier bei
einem gemeinsamen Heiligthume und durch einen jährlich gewählten Priester,
Ktrurien als Vorbild gedient hat. In dem fünften Bande von Mommsens römischer
Geschichte liaben dieselben eine Darstellung gefunden. Namentlich bei der uns
genauer bekannten Organisation der drei Gallien, für die der Altar bei Lyon mit
der jährigen Festfeier der Mittelpunkt war, liegt wohl das Vorbild Etruriens näher
als etwa hellenische Amphiktiouien.
125
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10
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8
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13
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Dass es sich bei dem Denkmal von Caere um eii.e ähnliche
Basis handle, ist dadurch ausgeschlossen, dass die erhaltene Platte
auf der Rückseite einen Streifen Relief hat, also wenigstens auf
einer Seite vorsprang. Nun hat Canina, naciidem er seinen ersten
Vorschlag zurückgezogen, an ein Gestühl gedacht, dessen untere
Seitenwände sich nach vorn in einem Vorspi'ung zu beiden Seiten
der Beine des sitzenden Kaisers fortsetzten. Dieser Gedanke eines
Thrones ist vielfach gebilligt worden, und in der That kann als
Vorbild die Ausschmückung des Thrones des Zeus in Olympia an-
geführt werden , dessen Rückseite unten und dessen Nebenseiten
unten mit je drei Gemälden des Panainos geschmückt waren. Nur
ist bei einem Throne der Zweck eines derartigen Vorsprunges nicht
einleuchtend. Vor allem spricht aber gegen Canina's Vorschlag die
Reihenfolge der Städte, seitdem die Anordnung nach dem Alphabet
erkannt ist. Da danach die Reihenfolge der Richtung von rechts
nach links folgt und die Gestalt, welche die fünfte von dem Schluss
ist, die der Tarquinienser, eine Platte beginnt, und da auf der Rück-
seite der ihrer Stelle entsprechende Streifen sculpirt ist, so könnte
bei einem derartigen Throne die Stellung nur folgende sein, je
nachdem man 12 oder 15 Gestalten"^) annimmt:
") Ich lasse dabei die Vermehrung auf 15 entstanden sein durch Si)altung-
der Arretiner und Clusiner. Für die archäologische Frage, um die es sich hier
handelt, ist die Benennung gleichgiltig und macht es keinen Unterschied, wenn für
zwei Gestalten von Arretinern und eine von Clusinern mit unterscheidendem Zu
namen etwa die Gestalt der Pisaner und zwei andere eingesetzt werden.
126
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Man sollte aber doch voraussetzen, dass die Reihe entweder
an der rechten oder linken Vorderecke des Thrones begonnen und
hinten herum bis an die andere Ecke sich fortgesetzt hätte, nicht
aber, dass sie an der Rückseite begann, sich auf einer Nebenseite
fortsetzte und durch die Vorderseite unterbrochen wurde, um auf
der anderen Nebenseite zum Abschluss zu kommen.
Dieser Verstoss gegen die natürliche Angemessenheit wird,
so viel ich sehe, vermieden bei der Annahme eines Sockels oder
Altars, der auf zwei entgegengesetzten Seiten parastadenartige Vor-
sprünge hätte. Die Anordnung wäre dann, je nachdem man 12
Gestalten annimmt oder 15:
PERVS-
CORT
CAER-
CLVS-
ARRET-
n
POPVL RVS-
TARQ.
voLr-
VETVL-
VOLAT-
CLVEt
CLNOV
AKR-VET
/iRRB-L
ARRrm
CAER- CORT- PERVS POPVL R\'S
Aber auch für diese Anordnung mujs ich bekennen, dass es
meines Wissens an einer Analogie für einen derartig gestalteten
Grundriss eines Altars oder einer Basis fehlt*).
*) Die dritte Erörterung, über die Praefectura Claudia Foroclodi, deren Inhalt
ich gleichfalls im Wesentlichen in der Sitzung des archcäologischen Instituts am
1. April vorgetragen habe, soll im nächsten Hefte nachfolgen. Veranlasst war sie
durch eine vor kurzem gefundene und damals noch ungedruckte Inschrift, die ich
in Band XI des Corpus noch hal)e als n. .'JSlOo einschieben können, und die seit-
dem von Gatti lull. com. di Roma 1887 p. 10.'j und notizie degli scavi 1887 p. 107
herausgegeben worden ist.
Verlag von Carl Gerold's Sohn in Wien.
Arclaeolopcli-epiErapl. Miieiliiiiiett m Oesterreicli-lJüprB,
Herausgeber
O. Benndorf, (). Hirschfeld und E. Borniaim.
1877—1886.
1. Jahrgang 1877. Früher M. 9. —, jetzt M. 5. — . I.Heft. Mit
4 Tafeln. Inhalt: Gnrh'ff, Sannrüung Millosirz. — Justi, Ein Brief
WiiicMmarms. — Gooss, Zu Corpus Inscriptionum Latinarum III. —
Majonica, Triest, Pola, Aquileja. — Pichler, Inschriftstein aus Pettau. —
Inschriften aus Tartar-Pazardschik. — Jirecek, Inschriften aus Lipljan.
— Ausgrabungen in Salona. — Bauer, Amulet aus Regensburg. —
Hoernes, Römische Ruine bei März. — Römischer Reliefstein bei Baden.
— Tocilescu, Inschrift aus Sticlea. — Conze, Tlietis und AcJu'llfits.
— Majonica, Fälschungen aus Aquileja. — Conze, Reliefstatuette aus
Aquileja. — Zu Corpus Inscriptionum Graecarum 11. — Statut des
archaeologisch-epigraphischen Seminars der k. k. Universität in Wien.
2. Heft. Mit 4 Tafeln und 2 Holzschnitten. Inhalt: Michaelis,
Die Pricqiosara des Eujjortis aus Aquileja. — Conze und Reinisch,
Sphinx des Amenhotep III. in Spalato. — Gurlitt, Sammlung Millosicz.
— Gooss, Zu Corpus Inscriptionum Latinarum III. — Mommsen, Schoell,
Mittheilungen ans Handschriften. — Hirschfeld, Ausgrabungen in
Carnuntum. — Majonica, Bericht über eine Reise im westlichen Ungarn.
— Hirschfeld , Inschriften vom Helenenberge. — Mittheilungen der
Redaction.
II. Jahrgang 1878. Früher M. 9.—, jetzt M. 5. — . 1. Heft.
Mit 5 Tafeln und 2 Holzschnitten. Inhalt: Benndorf, Mercurrelief
von Carnioituni. — Majonica und Schneider, Bericht über eine Reise
im westlichen Ungarn. — Hoernes, Beschreibung griechischer Vasen
in Triest. — Majonica, Mithras Felsengeburt. — Dilthey, Drei Votir-
liände aus Bronze. — Gurlitt, Mercur mit Schildkröte. — Hampel,
Fimdbericht aus Ungarn. — Gooss, Inschriften aus Siebenbürgen. —
Hirsciifeldj Ejjigraphischcr Bericht aus Oesterreich.
2. Heft. Mit 4 Tafeln. Inhalt: Hübner, Römische Schildbuckel.
— Conze, 0£bg sk Ttstgag. — Hoernes, Beschreibung griechischer Vasen
in Triest (Fortsetzung). — Gurlitt, Bronzen der Sammlung Trau in
Wien. — Benndorf, Vasen von Adria. — Majonica, Ledarelif aus Enns.
— Benndorf, Archaeologischer Bericlit aus Oesterreich, — Hirschfeld,
Ausgrabungen in Carnuntum. — Epigraphische Mittheilungen.
III. Jahrgang 1879. Früher M. 9.—, jetzt M. 5. — . 1. Heft.
Mit 4 Tafeln und 1 Holzschnitt. Inhalt: Momna^en^ Pririlecjium mili-
tare. — Kehde, Mannorgruppe der Saiinidiing Modena in Wien. —
ScJiiielder^ Fischerbilder. — Kenner^ Zum Badener Relief. — Klein,
Ztio^ridsia ccvdvxrj. — Tocilescu, Inschriften aus Rumänien. — Hirsch-
feld, Epigraphischer Bericht aus Oesterreich. — Hoernes, Beschreibung
griechischer Vasen in Triest.
2. Heft. Mit 4 Tafeln. Inhalt: Petersen, Die Grupj)e der Tgriniiien-
inördrr. — Torma, Neue Inschriften aus Dacien. — Brunsmid, An-
tiken in Cibalis. — Bauer, Herculesstatuette von Stuhlweisscnburg. —
Sacken, Neuere Encerbiimjen der Antikensamndung des A. h. Kaiser-
hauses. — Kubitschek und Loewy, Bericht über eine Reise in Ungarn,
Slavonien und Croatien. — Bojnicic, Epigraphischer Bericht aus Croatien.
— Majonica, Unedirte Inschriften aus Aquileja. — Gurlitt, Bronzen der
Sanunlung Trau (Fortsetzung). — Benndorf, Heraklesstatuetten. — Gooss,
Zu Corpus Insriptionum Latinarum III. — Richter, Inschrift aus Salzburg.
IV. Jahrgang 1880. Früher M. 0.—, jetzt M. 5.—. 1. Heft.
Mit 2 Tafeln. Inhalt: Klein, Studien zur griechischen Künstlergeschichfe.
I. Die parisch-attische Küustlerschule. — Schneider, Ausgrabungen
auf dem Palatin in den Jahren 1722 bis 1728 (Basaltstatuen-Wand-
gemälde). — Hoernes, Römische Alterthümer in Bosnien und der
llercegovina. — Gurlitt, Bronzen der Sammlung Trau (Fortsetzung).
— Gomperz, Gurlitt, Schneider, Dodonäische Aehrenlese. — Benndorf,
Zur Venus von Milo, Ausgrabungen iu Ossero. — Majonica, Aus-
grabungen in Ronchi und Aquileja. — Kubitschek und Brunsmid,
Bericht über eine Reise in die Gegend zwischen Essegg und Mitrovica.
— Torma, Revidirte und neue Inschriften zu Corpus Inscriptionum
Latinarum III. (Dacia;. — Heinrich, Grabstein in Cilli. — Hirschfeld,
Inschrift aus Carnuntum.
2. Heft. Mit 6 Tafeln. Inhalt: Torma, Revidierte und neue
Inschriften zu Corpus Inscriptionum Ijatinarum 111. (Dacia). — Petersen,
Die dreigestaltige llekate. — Böhm, Alterthümer längs der Donau von
Pancsova bis Orsova. — Hoernes, Römische Alterthümer in Bosnien
und der llercegovina. — Domaszewski, Bericht über eine Reise in
Kärnten. — Löwi, Bronzegefiiss aus Constantiiiopel. — Loewy, Tele-
phos' Verwundung. — Böhm, Funde von Alt-Puläuka im Temeser
(Jomitate. — Binder, Zu C. I. L. III. 5134.
V. Jahrgang 1881. Früher M. 9.—, jetzt M. 5.— . 1. Heft.
Mit 4. Tafeln. Inhalt: Petersen, Die drcigestidtigc IIe/,<de. — Klein,
Stildien zur griechischen Künstle rgeschielite. II. Die Dädaliden. — Gurlitt,
Bronzen der Sammlung Trau (Schluss). — Orsi, Viaggio jircheologico
nelh; vallatc; occidentali del Trentino. — Majonica, Unedirte Inschriften
aus A(Hiil(!Ja. — D(jmaszewski, Bericht über eine Reise in Kärnten
(Schluss). — G()m])erz, Dodonäische Aehrenlese. II. — Schneider,
Palaestriten.
2. Hell. Mit o Tafeln. Inhalt: Schneider , Antikensaiiindumj auf
Schloss Tersatto bei Fiume. — Löwi, Bericht über die Antiken von
Salzburg. — Petersen, Der Reliefschumck der Hekate von Hermann-
stadt. — Domaszewski, Grabstein eines Centurio aus Carnuntuni. —
Hirschfeld, Inschriften aus Carnuntuvi, Epigraphische Mittheilungen :
1. Inschriften aus Kärnten, 2. Inschriften von Samothrake. — Doma-
szewski, Inschrift aus Pola. — Orsi, Scoperte archeologico-epigrafiche
nel Trentino.
VI. Jahrgang 1882. Früher M. 9.— , jetzt M. 5.—. I. Heft. Mit
?} Tafeln. Inhalt: ToHlescu, Inschriften aus der Dobrudscha. — Petersen,
Angebliche Phineusdarstellung. — Loewy, Antikensammlung des Fürsten
Liechtenstein. — Hübner, Die Beinschienen der römischen Legionare. —
Tchudi, Eine unbekannte Replik der Laokoongruppe. • — • Orsi, Scoperte
archeologico-epigrafiche nel Trentino (Schluss). — Majonica, Unedirte
Inschriften aus Aquileja. — Gomperz, Eine archaische Inschrift. —
Ilirschfeld, Epigraphische Mittheilungen.
2. Heft. Mit 5 Tafeln. Inhalt: Torma, Inschriften aus Dacia,
Moesia superior und Pannonia inferior. — Schneider, Bronze-Henkel
aus Dodona. — Benndorf] Vorläufiger Bericht über zwei österreichische
archaeologische Expeditionen nach Kleinasien.
VII. Jahrgang 1883. Früher M. 9.—. jetzt M. 5.—. I.Heft.
Mit 3 Tafeln. Inhalt: Siüobofla, Vortrag des Amyntas von Makedonien
mit Olynth. — lUein, Studien zur griechischen Kimstiergeschichte. III. Die
Dädaliden. — Diner , Archaeologisch • epigraphischer Bericht au.s
Oesterreich-Ungarn. I. — Loewy, Unedirtes aus Rhodos, Inschriften aus
Gjölbaschi. — Orsi, Iscrizioni dell' Albania. — Benndorf, Griechische
Inschriften von Physkos. — - Gomperz, Zu griechischen Inschriften. —
Ilirschfeld, Epigraphische Mittheilungen: \. Inschriften aus Bosnien,
2. Inschriften aus Kärnten.
2. Heft. Mit 5 Tafeln. Inhalt: Dütschke, Kleobis und Biton. —
Domaszewski , Inschriften aus Kleinasien. — Mommsen, Inschrift aus
Kostolac. — Hauser, Inschriften aus Kärnten. — Klein, Terracottagruppe
des österreichischen Museums. — Studniczka, Mithraeen und andere
Denkmäler aus Dacien. — Loewj, Sandalenlösende Venus. — Binder,
Römische Gewichte.
VIII. Jahrgang 1884. Früher M. 9. — , jetzt M. 5.—. 1. Heft.
Mit 3 Tafeln. Inhalt: ToHlescu, Neue Inschriften aus der Dobrudscha
und Bumänien. — Studniczka, Mithraeen und andere Denkmäler aus
Dacien (Fortsetzung). — Tegläs und König, Neue Inschriften aus
Dacien. — Hauser, Ausgrabungen in Carnuntuni. — Studniczka,
Bildwerke aus Carnuntum. — Ilirschfeld, Inschriftliche Funde in
Carnuntum, Epigraphische Mittheilungen : I. Inschriften aus Serbien,
II. Inschriften aus Nicolitzel, III. Inschriften aus Dalmatien und der
Hercegovina, IV. Inschriften aus Aguntum, V. Inschrift aus Stein bei
Laibach, VI. Inschrift aus Reinegg, VII. Römische Grabstätte in
Steiermark, VIII. Inschriften aus Brigetio, IX, Inschrift aus Mödling,
X. Grabfund in Wien, — Domaszewsky, Briefe der Attaliden an den
Priester von Pcssimis. — Knbitschek, Die Glaubwürdigkeit des Cyriacus
von Ancona. — Frankfurter, Epigraphischer Bericht aus Oesterreich.
2. Heft. Mit 2 Tafeln. Inhalt: Frankfurter, Epigraphischer
Bericht aus Oesterreich (Fortsetzung). — Mordtmann , Griechische
Inschriften aus dem Hauran, Inschriften aus Kleinasien, Zur Epigraphik
von Thracien. — Rollet und Benndorf, Scherbe aus Carnuntum. —
Hoernes, Römisches Denkmal in Cilli. — Wünsch, Inschriften aus
Armenien. — Domaszewski, Inschriften aus Bosnien. — Frankfurter,
Bericht über eine Reise in Kärnten. — Hirschfeld, Inschriften in Pola. —
Mommsen, Z%i den Inscliriften ans der Dobrndscha. — Frankfurter,
Berichtigungen und Nachträge zu dem epigraphischen Bericht.
IX. Jahrgang 1885. Früher M. 9.—, jetzt M. 5. — . 1. Heft.
Mit 4 Tafeln. Inhalt: Hirschfeld und Schneider, Bericht über eine
Reise in Dalmatien. — Petersen, Die Irisschale des Brygos. —
Schuchhardt, Die römischen Grenzwälle in der Dobrugea. — Doma-
szewski, Inschriften aus Kleinasien. — Szanto, Zur Sammlung Millosicz.
— Frankfurter, Epigraphischer Bericht aus Oesterreich.
2. Heft. Mit 2 Tafeln. Inhalt: Klein, Bathykles. — G. Hirsch-
feld, Das Gebiet von Aperlai. — Schuchhardt, Wälle und Chausseen
im südlichen und östlichen Dacien. — Torma, Das Amphitheater zu
Aquincum (Auszug). — Tcglas und Domaszewski, Inschriften aui;;
Dacien. — Gregorutti, Inschriftfunde in dem Gebiete von Aquileja. —
Frankfurter, Epigraphischer Bericht ans Oesterreich.
X. Jahrgang 1886. Früher M. 9. — , jetzt M. 5.—. 1. Heft.
Mit 6 Tafeln. Th. Mommsen, Zu Domaszewski's Abhandlung über die
römischen Fahnen. — Domaszewski, Hauser, Schneider, Ausgrabungen
in Carnuntum. — Gomperz, Zu attischen Grab-Epigrammen. — Jirecek,
Archäologische Fragmente aus Bulgarien. — Schön, Weisshäupl, Denk-
mäler aus Brigetio. — Dürr, Zu der Inschrift von Samothrake. —
V. Premerstein, Römischer Votivstein aus Unter-Haidin nächst Pettau.
— Rollet, Die antiken Schrift-Gemmen meiner Sammlung.
2. Heft. Mit 2 Tafeln. Jirecek, Archäologische Fragmente aus
Bulgarien (Fortsetzung). — Studniczka, Aus Serbien. — Loewy, In-
schriften aus Rhodos. — Masner, Ein Spiegelrelief aus Caere. —
Bormann, Die Tribus PoUia. — Gomperz, Zu den neu entdeckten
Grabinschriften der jüdischen Katakomben nächst der Via Appia. —
K. Baron Hauser, Epigraphisches aus Kärnten. — v. Premerstein,
Neugcfundcne römische Inschriften aus Poetovio. — v. Domaszewski,
Griechische Inschriften aus Moesien und Thrakien. — Zu griechischen
luachriften.
Eine angebliche Binnen Strasse in Pannonien
(Mit Einwilligung des Verfassers im Auszuge mitgetheilt)
Franz Salamon , einer der ersten unter Ungarns Geschichts-
forschern , hat in dem grossen Prachtwerke , das von der Landes-
hauptstadt herausgegeben wird, die Ansicht aufgestellt und be-
gründet'), dass die Hauptstrasse Pannoniens nicht, wie die land-
läufige Ansicht ist, dicht am rechten Donauufer (Semlin — Altofen —
Altszöny — Wien) , sondern von Essegg aus einige Meilen von der
Donau entfernt und ausserhalb ihres Ueberschwemmungsgebietes
gelaufen sei. Von dieser Hauptader des Verkehres seien Seiten-
wege zu den an der Donau gelegenen Orten gezogen und diese
möglicherweise auch durch eine Uferstrasse verbunden worden. Den
Beweis hiefür stützt Salamon namentlich auf die Angaben des
Itinerarium Antonini, indem er diejenigen Orte, deren Entfernungen
daselbst in Millien ausgedrückt sind, an der Hauptstrasse gelegen
denkt, die Donauorte aber, zu denen man von der Reichsstrasse
auf Seitenwegen gelangte, in jenen erkennt, die als in medio ge-
legen bezeichnet sind. Ich halte indess den Beweis für diese An-
nahmen für nicht erbracht und will es hier versuchen, Salamon's
Gründe, zumal sie Viele tiberzeugt und selbst auf die bedeutendsten
Fachmänner Eindruck gemacht zu haben scheinen , zu entkräften.
1. Der die pannonische Reichsstrasse betreffende Text des
antoninischen Itinerariums lautet:
Item per riparn Pannoniäe a Tauruno in Gallias ad leg. XXX usque.
Teutihurgio mpm XVI
Mursa mpm XVI
Ad Novas et Aureo monte
Antianis mpm XXIV
*) Budapest tört,, 1878, Bd. 1, p. 230—259.
ArchäologiBch-epigraphiBche Mitth. XI.
130
Altino in medio
Lugione mpm XXV
Ad Statuas in medio
Alisca ad latus
Ripa alta mpm XXIX
Lussunio mpm XV 111
Annamatia in medio
Intercisa mpm XXIV
Vetus Salina in medio
Matrica mpm XXVI
Campona in medio
Acinquo leg. II adiut. mpm XXlll
Ad lacum felicis in medio
Crumero mpm XXVI
Azao in medio
Bregetione leg. I adiut. mpm XVIII
Ad Mures et ad Statuas in medio
Arrabona mpm XXX
Quadratis in medio
Flexo mpm XXII
Gerulata in medio
Carnunto mpm XXX leg. XIIIl gemina
Aequinoctio et Ala nova in medio
Vindohona mpm XXV III leg. X gemina
u. 8. w.
Salamon zieht nun die Worte in medio jedesmal statt zu dem
in derselben Zeile befindlichen Namen zu dem nächstfolgenden'*).
Allein schon ähnliche Wendungen wie (p. 122 P) Alicano XL \ in
medio Curta | Poetovione XXXI, oder (p. 99) Sebastia XXIIII | in
medio XXV \ Ariarathia, oder (p. 99) in medio XXV \ Tonosa XXV\
in medio XXV \ Ariarathia XXV würden eine solche Interpretation
verbieten, und ferner geben die peutingersche Karte und Ptolemaeus
einige der im Itinerar als in medio gelegen bezeichnete Orte in fort-
laufender Reihe mit denen, deren Entfernungen von einander aus-
drücklich angegeben sind ; demnach ist die von Salamon beabsich-
tigte Zerlegung der Ortsreihe des Itinerars in zwei unabhängige
') Demnach wäre Annamatia in medio \ Inlei'cisa mpm XXIII zu lesen;
Annamatia {in medio Intercisa) mpm XXIIII
I3i
Reihen nicht gestattet, und die durch seine Interpretation hervor-
gerufenen Widersprüche zwischen Itinerar und Tab. Peut. sind nicht
vorhanden.
2. In medio findet sich im ganzen 17 Male im It. Ant.; da-
neben steht vereinzelt per medium oder ad medias; ähnliches ist in
[Die obige Karte hat Herr Dr Kubitscliek die Freundlichkeit gehabt, an
Stelle der ausführlicheren Karte, die Herr Dr Ortvay seinem Manuscripte beigelegt
hatte, zu zeichnen. Die genügend bezeugte oder wenigstens wahrscheinliche Linie
der pannonischen Donaustrasse ist mit zwei parallelen Linien bezeichnet, der von
Salamon angenommene Strassenzug mit einem gebänderten Streifen. Die von Salamon
vorausgesetzte Lage der Stationen ist, wo sie von der sonst bezeugten oder ver-
mutheten abweicht, durch zwei Ringe bezeichnet, und die betreffenden Namen sind
unterstrichen. Die Eedaction.]
9*
132
der peut. Karte und im lt. Hierosolymitanum zu lesen. Um die
vielen Erklärungen dieses Ausdrucks hier nicht näher zu besprechen,
die von verschiedenen Forschern herrühren, bemerke ich, dass
Salamon in medio als terrainus technicus aufgefasst wissen will; in
medio habe zunächst einen Knotenpunkt zweier Strassen, der nicht
in eine Station fiel, bezeichnet; im It. Ant. erfahre der Reisende
durch derlei Zusätze die für ihn gewiss wissenswerthen Anschluss-
linien und ihre Endpunkte. Dagegen ist einzuwenden, dass diese
Zusätze zum Theile dort stehen, wo an das Vorhandensein einer
Anschlusslinie niemand denken kann (so wäre es gefehlt, bei Ali-
cano XL — in medio Curla — Poetovione XXXI an ein Einmünden
irgend einer von der Gegend des Plattensees kommenden Strasse
in die Linie Wien — Pettau zu denken) ; ferner dass so viele An-
schlusslinien, die wirklich vorhanden waren, nicht im Itinerar auf
diese Art kenntlich gemacht wurden; ferner dass, wenn Salamon's
Theorie richtig wäre, nur die Anschlusslinien der rechten Seite
(von Süden aus gerechnet) aufgezählt, die der linken hartnäckig
übergangen sind. Die mit in medio bezeichneten Stationen müssen,
was diese Worte deutlich genug besagen , Zwischenorte zwischen
zwei Hauptstationen gewesen sein, die aber nicht mathematisch
genau in die Weghälfte zu fallen brauchten. Hier an der Donau
waren dies bedeutendere Orte, volkreiche Städte, Ortschaften,
Festungen, die im Itinerar aufgezählt werden mussten. Auf anderen
pannonischen Strassenlinien gab es entweder solche Zwischen-
stationen nicht, oder wenn ja, so waren sie weniger bedeutend,
etwa Remisen, mit deren Aufzählung man den Umfang des Buches
nicht unnöthiger Weise vergrössern wollte.
3. Salamon hat ferner übersehen, dass das Itinerarium die
Strasse Taurunum — Aquincum — Brigetio u. s. w. als Uferstrasse
ausdrücklich durch die Ueberschrift: item per ripam Pannoniae
a Tauruno in Gallias bezeichnet und eine Binnenstrasse von ihr
unterscheidet: item de Pannoniis in Gallias per mediterranea loca, id
est a Sirmi per Sopianas ; diese Binnenstrasse läuft übrigens bis
Sopianae ungefähr in der Richtung der von Salamon vermutheten
Hauptstrasse. Wo bleibt also da Raum für die wirklich über-
lieferte Binnenstrasse? Auch ist nicht genügend beachtet, dass
Ptolemaeus, der in seiner Beschreibung beider Pannonien die Donau-
Uferstädte und die Binnenorte gesondert aufzählt, unter jenen unter-
schiedslos solche aufführt, die Salamon bald an das Donauufer,
bald in das Binnenland setzt. Hier missbraucht Salamon die prin-
ms
cipielle Fehlerhaftigkeit der astronomischen Daten des Ptoleraaeus,
um dessen g;eographische Leistung herabzusetzen, und man muss
es tadeln, dass er sagt, Ptolemaeus' Angaben über den Lauf der
Donau und die Lage der Orte an der Donau seien deshalb weniger
von Gewicht als seine astronomische Fixirung der Orte, weil die
ihm zur Verfügung stehenden Strassenbücher wohl sagen konnten,
wie viele Millien die einzelnen Orte von einander entfernt seien,
aber nichts über ihre Lage zur Donau enthielten. Vielmehr muss
man sich wohl hüten, die ptolemaeischen Masszahlen als vollgiltig
anzunehmen, sonst käme BpeYOtiTiov irgendwo ins Szatmarer Comitat
in die Gegend von Barlafalu, Koupia an die südliche Grenze des
Comitates Besztercze-Naszod, ZaXoua in dasselbe Comitat in die
Gegend von 0-Radna, Kapftic; an das Ende des Marmaroser Comi-
tates an die Grenze von Galizien, 'Akoüiykov in die Bukowina,
ZaXTvov nach Rumänien, Aoutiujvov und die folgenden Orte gar in
die Länder der unteren Donau. Eine andere, wenn auch nicht un-
bedingt sicher belehrende Quelle hätte Salamon in der Peutingeriana
zu berücksichtigen gehabt und sie jedenfalls nicht ohne weiteres
Besinnen verwerfen sollen. Sie kennt nur eine Linie zwischen
Semlin und Ofen und hat an ihr fortlaufend Orte, die Salamon
zwei verschiedenen Strassenzügen zuweisen will.
Die Meilensteine endlich sprechen gleichfalls nicht zu Gunsten
Salamon's. Es ist zweifellos, dass die Römer die Strassenkörper
in einzelne Abschnitte theilten und innerhalb dieser von einem Mittel-
punkte aus die Entfernungen nach rechts und links berechneten.
Solche Mittelpunkte waren Novioduuum, Poetovio, Vindobona, Car-
nuntum, Brigetio, Aquincum, Malata, Cusum. Für uns genügt zu
bemerken, dass die Distanzzählung auf den Meilensteinen von Essegg,
Ladjarak und Mitrovica von Aquincum beginnt; Aquincum aber
liegt nach Salamon nicht an der Hauptstrasse, wohl aber sei dies
bei Mursa der Fall. Wie kommt es nun, dass die Steine auf der
Strasse nach Essegg von Ofen aus gerechnet wurden? Wenn Sala-
mon's Binnenstrasse einst existirt hat, dann würden wir auf den
bei Mursa und weiterhin gegen Sirmium stehenden Meilensteinen
nicht den Namen Aquincum, sondern den eines Binnenmittelpunktes
lesen. In die Richtung von Carnuntum fällt nach Salamon Gerulata,
in die von Brigetio Azao oder (mehr östlich) Ad lacum felicis;
südlich von Aquincum Campona, Vetus Salina, Annamatia^, Lus-
sunio, Altinum, Antianae. Eine von diesen Städten würden die
Römer zum Mittelpunkte gemacht haben, und zw.ar am besten und
134
für Mursa am entsprechendsten Lussunio. Da dies aber nicht der
Fall ist, so scheint mir durch das Zeugniss der Meilensteine die
Unhaltbarkeit der Salamon'schen Ansicht erwiesen.
4. Es ist nicht nöthig, noch erst im Einzelnen nachzuweisen,
dass auf die von Salamon construirte Strasse die Masse des Itinerars
gar nicht passen. Dafür soll an einem Beispiele gezeigt werden,
wie die praktische Verwendbarkeit des Itinerariums durch Salamon
ad absurdum geführt wird.
Wir müssen von den Verfassern des Itinerariums entschieden
voraussetzen, dass sie über das Wenige, was sie den Reisenden
boten, ebenso gute und verlässliche Auskunft geben wollten und
konnten, wie sie der heutige Eisenbahnreisende von seinem „Courier"
verlangen darf. Diesen Erwartungen hätte das Buch „des Antoninus"
nun nicht entsprochen, falls wir Salamon's Combination acceptiren.
Davon überzeugen wir uns sofort, wenn wir den auf der Binnen-
strasse Reisenden verfolgen. Er soll nicht von Mursa, sondern von
Vindobona, dem heutigen Wien, ausgehen. Sein Ziel ist Lugio,
oder nach Salamon's Auffassung Paks. Unser Reisender kommt
mit seinem Itinerarium ohne Anstand nach Bicske und nach Märton-
vasdr. Darüber hinaus triflft er auf eine Wegtheilung. Da könnte
er nach Ercsi und so auf die Donauuferstrasse gelangen , welche
ihn direct nach Paks führen würde. Da ihn aber sein Buch hier
nicht auf Lugio, sondern auf Matrica aufmerksam macht, so eilt
er weiter, bis er einige Milliarien hinter Säskeresztur eine zweite
Seitenstrasse erreicht. Diese würde ihn gleichfalls an die Ufer-
strasso führen und das wäre der eigentliche Weg desjenigen, der
nach Paks will. Aber das Itinerarium macht ihn auch hier nicht
darauf aufmerksam, sondern sagt nur, dass die Seitenstrasse nach
Intercisa führt. Darum eilt er weiter auf das angebliche Lussunium
zu, nach Vajta oder Pdlfa. Wie er dann 5 - G Milliarien weiter
südlich kommt, denkt er gar nicht, da sein Buch keine Landkarte
ist, dass er sich auf demselben Breitengrade wie Paks befindet.
Das Itinerarium macht ihn darauf nicht aufmerksam, und so
versäumt er es, den Feldweg zu benützen, der ihn von hier vielleicht
in schnurgerader Richtung nach Paks führt. Er muss nach der
Reihenfolge des Itinerariums glauben , dass Lugio noch sehr weit
ist und darin täuscht er sich anscheinend auch nicht; denn es
dauert noch sehr lange, bis er ans Ziel kommt. Er erreicht Kömlöd,
Medina, Bonyhdd. Ehe er an letzteren Ort gelangt, zeigt ihm sein
Buch an, dass er auf dem dort befindlichen Seitenwege nach
135
Szegszdrd und Tolna, d. i. Alisca und Altaripa, kommen kann.
Doch sein Ziel ist Lugio und deshalb lenkt er auch hier nicht von
der grossen Strasse ab und eilt weiter in südlicher Richtung. Er
kommt über P^csvdrad hinaus und erst als er Szederkeny erreicht,
macht er Halt, um von der grossen via strata Abschied zu nehmen.
Szederkeny ist nämlich der Punkt, wo das Itinerarium nach Sala-
mon's Lesung durch ein „in medio Lugione^ darauf aufmerksam
macht, dass er die Nebenstrasse einschlagen muss. Er biegt gegen
Mohäcs ein und, sich gegen Norden wendend, steuert er durch
Bata, Szekcsö, Bataszök und Tolna auf Paks zu, d. h. er macht
in umgekehrter Richtung auf der Provinzialstrasse dieselben vielen
Meilen, welche er auf der Reichsstrasse ganz überflüssiger Weise
zurückgelegt hat. Er ist so ziemlich hundert römische Meilen weiter
gegangen, als nöthig gewesen wäre. Dieses einzige Beispiel wirft
Salamon's Combination einer Binnenstrasse und seine Bestimmungen
über den Haufen ; es zeigt aber auch, wie sehr wir von der Wahr-
heit abweichen können, wenn wir der Phantasie zu freien Flug
gestatten.
Salamon führt seine Hypothese weiterhin dazu, die Strasse
des Itinerars : ah Äquinco Crumero quae castra constituta sunt (42 Mil-
lien lang), da sie an die Donau zu verlegen ihm nicht räthlich
erscheint, mit der Vörösvärer Strasse zu identificiren, wo doch das
Terrain keine strategische Bedeutung besitzt und obendrein sich
keine Spuren von Castra finden. Hingegen stossen wir auf solche,
wenn wir von Aquincum am Donauufer aufwärts gehen, und es ist
also nicht einzusehen, warum die dieselben verbindende Strasse
nicht als Fortsetzung der Uferlinie Taurunum —Aquincum angesehen
werden soll. Weiterhin kommt Salamon, da er die Uferstrasse als
Hauptlinie nicht gelten lassen will, arg ins Gedränge mit dem un-
abweislichen Gedanken, dass der grosse Donaustrom eine wichtige
Handels- und Verkehrslinie war und ganz besonders der Grenz-
vertheidigung diente, und darum auch der Verkehr längs ihrem
Laufe, also auf der genügend bezeugten Uferstrasse, ein lebhafter
sein musste.
5. Stellen wir uns nun die Binnenstrasse vor, deren Existenz
Salamon behauptet, ohne indess, um auch dies noch zu bemerken,
irgend einen Anhaltspunkt für diese Annahme in irgend welchen
baulichen Resten oder Meilensteinen finden zu können. Wir sehen,
dass sie zwar von Essegg angefangen bis hinauf nach Noricum im
Grossen und Ganzen der Richtung des Donaulaufes folgt, aber
136
nicht genau am Ufer des Flusses, sondern einige Meilen davon
entfernt im Innern der Provinz läuft und mithin den volkreichen
Städten und Festungen des Donauufers ausweicht, mit denen sie
bloss durch Seitenwege verbunden ist. Wir fragen, hat eine solche
Führung der Strasse Zweck und Sinn? Es Hessen sich hiefür nur
zwei Gründe denken: 1. Die Römer wünschten eine Strasse zu
bauen, die kürzer war als die am Donauufer und schneller durch
das Land hindurchführte; oder 2. Das Terrain war für den Bau
der grossen Strasse im Innern der Provinz günstiger als am Fluss-
ufer. Beide Gründe würden eine hinreichende Erklärung geben,
aber in Wahrheit gilt hier keiner von beiden. Salamon selbst gibt
zu, dass seine Binnenstrasse in einer Krümmung nach Westeuropa
führt. Faktisch ist sie eben so lang, wie die Donauuferstrasse
selbst, denn sie nimmt alle Milliarien-Masse in Anspruch, welche
das Itinerarium für die Uferstrasse verzeichnet und zeigt daher
nicht eine gerade Linie, sondern grosse Krümmungen. Und doch
sind diese durch das Terrain, welches die Strasse durchzieht, durch-
aus nicht bedingt. Die Römer hätten gewiss diese Strasse eben so
gerade angelegt, wie es von ihren übrigen Strassen bekannt ist,
und sich von der geraden Richtung nicht abbringen lassen, selbst
wenn bedeutende Hindernisse im Wege gestanden wären. Hatte sie
nämlich den Zweck, ohne Rücksicht auf die Städte so schnell als
möglich aus dem Lande hinauszuführen, dann gab es für die Römer
keinen Grund, vor oro- oder hydrographischen Schwierigkeiten
zurückzuschrecken. Aber ihre Krümmung ist nicht durch physische
Hindernisse verursacht, sondern dadurch, dass Salamon gezwungen
war, die Masse des Itinerariums auf dem Terrain zu placiren. Bei
einem geraden Laufe der Strasse wäre dies unmöglich gewesen,
der krumme Weg aber, der nun entstanden ist, führt nicht schneller
durch Pannonien, als die Donauuferstrasse. Ja, noch mehr. Könnten
wir die Strasse auch ganz gerade ziehen, so würde dies doch nicht
ihre auf die Städte keine Rücksicht nehmende Richtung rechtfer-
tigen. Denn obwohl sie ein wenig kürzer wäre , als die Donau-
uferstrasse, so hätte sie dem Zwecke der Erbauung auch so nicht
entsprochen. Wäre der Kaufmann oder der Beamte, Kaiser oder
General , den sein Geschäft oder Amt aus London, Paris, Strass-
burg plötzlich nach Byzanz rief, auf Salamon's Binnenstrasse ge-
reist? Ohne Zweifel hätte er, falls er nicht sonst in Pannonien zu
thun hatte , die grosse Stras.senHnie längs der Drau oder Save als
die kürzeste gewählt. Der christliclie Pilger, der von Bordeaux
137
nach Jerusalem ging, wählte die Strasse Pettau-Mitrovicz längs der
Drau, Beweis das Itinerarium Hierosolymitanum. Auch wer aus
Nürnberg oder Wien durch Pannonien nach Moesien oder Bithynien
eilte, wählte nicht Salamon's Strasse, sondern die Linie Steinam-
anger-Fünfkirchen, oder höchstens Raab-Fünfkirchen, welche gleich-
falls im antoninischen Strassenverzeichuiss erwähnt ist. Oder in
Zahlen gesjDrochen: Die Strasse Wien-Semlin, welche am Donau-
ufer, oder nach Salamon in der Nähe der Donau hinführte, war
1033, die Strasse Wien-Fünfkirchen-Semlin 412, die Savethalstrasse
288, die Drauthalstrasse 237 römische Meilen lang. Am schnellsten
führte demnach die Drauthalstrasse durch Pannonien. Diese war
auch die natürliche Wegrichtung für diejenigen , welche aus dem
Innern Noricums oder Raetiens durch Pannonien reisen wollten.
Auf dieser Strasse konnte, wer Eile hatte, in 28 Stunden durch
Pannonien kommen, 200 römische, 40 heutige Meilen auf 24 Stunden
gerechnet. Nach ihr empfahl sich die Savethalstrasse als kürzeste
für Einen, der von der Adria herkam. Auf dieser konnte man
Pannonien in 35 Stunden durcheilen. Bedeutend länger war die
Strasse Wien-Fünfkirchen-Semlin, indess war sie immerhin für
Reisende aus der Donau- und Rheingegend die kürzeste. Salamon's
Binnenstras>e war aber stets die längste, von woher auch immer
ein Reisender ausserhalb Pannoniens aufbrach. Nehmen wir bei-
spielsweise an , ein bei Wien lagernder Kaiser oder Feldherr
erhalte die Kunde von dem drohenden Ausbruche der Revolution
einiger mösischer Legionen. Um den Aufruhrsversuch zu ersticken,
muss er augenblicklich in Viminacium erscheinen. Wenn er die
Strasse nahe der Donau wählt, braucht er 124 Stunden;, um an die
Grenze Mösiens zu gelangen. Auf der Fünfkirchner Strasse kann
er sein Ziel in nicht ganz 50 Stunden erreichen. Offenbar kann
also die in Rede stehende Binnenstrasse nicht in dem Sinne „Reichs-
strasse" heissen, als ob sie (nach heutigem Sprachgebrauch) inter-
national gewesen wäre. In Pannonien gebührt der Titel einer
Reichsstrasse in diesem Sinne bloss der Wien-Fünfkirchen-Semliner
Strasse und jener längs der Drau; jede andere Strasse hat hier
rein provlncialen Charakter, wohl nicht in dem Sinne, als ob sie
nicht als Vermittlungsstrasse zwischen den westlichen und östlichen
Provinzen des römischen Reiches gedient hätte, sondern weil sie
nicht die kürzeste Verkehrs-Diagonale durch Pannonien Avar.
Unter solchen Umständen können wir unmöglich glauben,
dass die Strasse den grossen Städten und Festungen des Donau-
138
ufers ausgewichen wäre. Wer nicht allenfalls durch eine Lieblings-
combination befangen ist, wird es nicht für möglich halten, dass
die Metropole einer grossen, blühenden Provinz ausserhalb der
grossen Reichsstrasse gefallen wäre. Denn wenn sich die Reichs-
strasse bei Bicske nach Westen wendete, so konnte Aquincum mit
ihr nur mehr durch eine Provinzial- oder Vicinalstrasse zweiter
Ordnung verbunden sein. Ich habe schon hervorgehoben, dass die
Hauptader des römischen Lebens in Pannonien eben in den Ort-
schaften an der Donau pulsirte. Nirgends sonst gab es so viel
Castra, so viel Gemeinden, so zahlreiche Bevölkerung. Weiter
drinnen im Lande können weder die rein römischen Funde an
Zahl mit denen des Donauufers wetteifern, noch zeigen die Nieder-
lasungen und Grabstätten einen so ausschliesslich römischen Cha-
rakter. Dort fällt der barbarisch-römische Charakter in die Augen,
und wir können absolut nicht voraussetzen, dass die Römer dieses
schäumende militärische und bürgerliche Leben des Donauufers
bloss durch Strassenlinien zweiter und dritter Ordnung mit der
Reichsstrasse und so mit der grossen römischen Welt in Verbindung
gebracht hätten. Die Strasse, welche Salamon im Sarviz- und
Vadl-Thale tracirt, zog sich in Wirklichkeit am Donauufer hin^).
Bloss dort entsprach sie den Interessen der römischen Politik,
Strategie und Nationalökonomie. Dort, nicht aber im Inneren der
Provinz, hatte sie Sinn und Berechtigung. Aus dem Itinerarium
geht hervor, dass sich von Fünfkirchen eine gerade Strasse in
nördlicher Richtung durch das Gebiet von Alt-Szöny, Stuhlweissen-
burg und Totis erstreckte. Die Existenz dieser Strasse hätte schon
an und für sich Salamon's Binnenstrasse überflüssig gemacht, weil
wir ja annehmen müssen, dass letztere nicht den Städten, sondern
dem schnelleren Verkehr zu Liebe entstanden sei. Was Salamon
mit seiner Binnenstrasse von den Römern erreicht wissen will, das
') Sehr richtig wird in einem österreichischen Organ behauptet: «In Nieder-
pannonien i.st gewiss die Uferstrasse seit alter Zeit die wichtigste Verkehrsader
gewesen und als Verbindungsglied für zahlreiche Vertheidigungswerke und An-
siedlungen, wovon sich zahlreiche Spuren noch vorfinden, stets mit besonderer Auf-
merksamkeit in gutem Stand erhalten worden, wie die vielen Meilenzeiger, welche
wir von dieser Linie besitzen, bekunden. Dagegen scheint das Innere zwischen
Donau und Pluttensee, sowie zwischen Drau und Sau, von römischer Cultur
weniger überzogen worden zu sein, wie nicht nur das spärlichere Vorkommen rein
römischer Funde, sondern auch mehrfache Ansiedlungeu, resp. Begräbnissstätten
gemischten barbarisch-römischen Charakters bezeugen." (Diese Zeitschrift II (1878)
S. 75.)
139
erreichten sie viel passender und zweckmässiger durcli die Fünf-
kirchen-Altszönyer und noch mehr durch die Fünfkirchen-Raaber
Strasse. Diese, vom Gesichtspunkte des lokalen Verkehres und
Interesses erbaut, waren nicht für internationale Zwecke geplant
und fanden die Rechtfertigung ihres Bestandes darin, dass sie Arra-
bona und Brigetio, bei Berührung der Zwischenstationen, auf den
kürzesten Linien mit Sopianae verbanden Der Binnenstrasse Sala-
raons kann man weder internationales, noch locales Interesse zu-
schreiben. Internationales nicht, da sie keine Radial-, sondern eine
sehr gewundene Ausweich Strasse war; locales nicht, da sie nicht
in die Städte und Ortschaften, nicht einmal in die bedeutendsten,
einkehrte. Die Römer hätten sie also ganz und gar ohne Grund
gebaut. Die Strasse ist so beschaffen, dass sie alles eher beweist,
als dass ihr Erbauer mit den Verhältnissen und seinem Capital
klug zu rechnen verstand. Jede römische Strasse repräsentirte in
ihrer Herstellung und Erhaltung ein grosses Grundcapital. Die
Römer selbst betrachteten sie als monumentales Werk, sonst hätten
die strassenbauenden Kaiser nicht daran gedacht, den Ruhm ihres
Namens und des vollendeten Werkes in Stein graben zu lassen.
Salamon meint, dass im Allgemeinen jede römische Strasse, was
den Unterbau betrifft, kaum weniger hoch zu stehen kam, als die
heutigen Eisenbahnen. Den Preis der Schienen wog das liarte
Steinpflaster auf, welches die prächtige Füllung deckte. Erdarbeit,
Brücken, Dämme, Einschnitte — selbst in Felsen — gab es gleicher-
weise. An dieser Behauptung lässt sich factisch nicht viel rütteln ;
sie ist vielmehr vollkommen richtig, wenn man die römischen Strassen
zu den heutigen Arbeitspreisen bauen müsste. Da würden die
Kosten des römischen Strassenbaues den durchschnittlichen Kosten
des heutigen Eisenbahnbaues in jeder Hinsicht gleichkommen. Die
Römer arbeiteten freilich nicht mit Taglöhnern. sondern mit ihren
aus Bundesgenossen und Bürgern gebildeten Truppen, wie dies
pannonische Inschriften auch für Ungarn beweisen. Dies vermin-
derte die Ausgaben, doch lange nicht in dem Grade, dass die
Römer sich leichtfertig auf eine solche Anlage eingelassen hätten.
Neben der wohlfeileren Arbeitskraft gab es noch immer schwere
Auslagen, so für die Beschaffung des Materials, dessen Bearbeitung,
die Erhaltung der Arbeiter und des Zugviehes. Dazu kommt auch
noch die Erhaltung der fertigen Strasse selbst. Die Kosten für
letztere wurden reichlich gedeckt bei Strassen, auf denen der Ver-
kehr gross war. Da konnte sogar über die Conservirungskosten
140
hinaus eine schöne Summe zu Gunsten der Staatscasse übrioj bleiben.
Auf der Binnenstrasse Salamons freilich können wir uns den Stras-
senzoll, der von den Passanten eingehoben wurde, nur geringfügig
denken.
Es erübrigt mir nur noch, nachdem ich die Unhaltbarkeit der
von mir angefochtenen Sätze, wie ich glaube, genügend beleuchtet
habe, den Wunsch auszusprechen, dass die ungarischen Mitforscher,
statt unfruchtbare Hypothesen im Studirzimmer aufzustellen, sich der
weit dankbareren Aufgabe unterzögen, die römischen Strassenkörper,
die dank ilirer trefflichen Ausführung gewiss noch grossentheils er-
halten sind, durch Ausgrabungen an geeigneter Stelle zu Tage zu
fördern. Dann werden auch Einzelfrag§n leicht ihre befriedigende
Lösung finden.
In diesem Sinne sei diese Angelegenheit ihrer Aufmerksamkeit
wärmstens empfohlen.
Pressburg Dr. TH. ORTVAY
Nachtrag
Auf Wunsch der Redaction dieser Zeitschrift füge ich folgende
zwei ergänzende Bemerkungen hinzu, die ich bei einem gelegent-
lichen Durchlesen des von Herrn Dr Ortvay eingesandten Manu-
scriptes gemacht habe, ohne ihnen indess selbständigen Werth zu-
zuschreiben.
1. Zu S. 131, Absatz 2.
Soviel ich sehe, hat Herr Dr. Ortvay in dem mir vorliegenden
Manuscripte die Frage nach der Veranlassung der eigenthümlichen
Stilisirung dieser Stelle des Itinerars nicht ausführlicher erörtert;
gelegentlich lässt er erkennen , dass er daran festgehalten wissen
will, dass die Notizen über die pannonischen Strassen derselben
Zeit und demselben Redacteur angehören. So ist er auf zwei Fragen
nicht eingegangen: erstens nämlich, wie ihre Entstehung zu erklären,
und zweitens, welches ihr Verhältniss zu den entsprechenden Stelleu
des zweiten grossen Itinerars, das uns aus dem Alterthume erhalten
ist, der Tabula Peutingeriana sei, in der doch einige der als in medio
gelegen bezeichneten Orte mit Millienzahlen versehen sind.
]\Iun hat bei der Behandlung dieser Stelle, die schon so viele
namentlich unter den Herausgebern von Provinzdenkmälern zu halt-
losen Verniuthungen geführt hat, meist nicht scharf genug zwischen den
141
in Tnetiio-Stationen Pannoniens und denen aus dem übrigen Reiche
geschieden ; bei ersteren (242. 244 bis. 245 ter.247 bis. 248. 262 Wess.)
ist immer noch irgend ein Ortsname genannt, so dass dieser Ort
dem unbefangenen Leser als in medio zwischen dem vorhergenannten
und dem nachfolgenden Orte nicht bloss im Itinerar, sondern auch
an der Landstrasse gelegen erscheinen muss, und es haben also die
letzten Herausgeber des Itinerariums (im Index S. 357) gewiss
richtig bemerkt, dass jene Worte pro numero milium gesetzt seien;
an den übrigen Stellen (einmal in Thrakien, sonst auf einem ziem-
lich eng begrenzten Gebiete in Asien) erscheint in medio ohne Zu-
satz eines Ortsnamens, aber mit Hinzufügung der Millienzahl ; es
sind dies folgende Angaben:
175 Wess. Orudisza od Burgum XXV in medio XXIIIf Hadrianopoli
188 Arahisso XXII in media XXVI Muzana
jl89 Canaba XII in medio XV Edissa
(191 Canaba XXII in medio XVIII Edissa
197 Scytopoli X in medio VII Neapoli
(212 Sehastia XXV in medio XXV Tonosa XXV in medio
I XXV Ariarathia
)213 Sehastia XXV [in medio XXV Tonosa XXV]*) in medio
\ XXV Ariarathia
Soweit man den Zahlen trauen darf, erscheint die Station in
medio nur auf der Strecke Sehastia-Tonosa-Ariathia als genau in der
Mitte zweier Orte gelegen, sonst sind die beiden Theilstrecken vor
und nach in medio ziemlich verschieden. Es erscheint unabweislich,
diese in medio ■ Orte auf eine Stufe mit den ad medias oder ad
mediam genannten Orten zu stellen (es sind meines Wissens folgende :
1. Itin. Ant. 82 W. Molaria XII ad medias XII Foro Iraiani
2. Itin. Hier. 560 Adrante XIII ad medias XIII Celeia
3. 611 Tarracina X ad medias Villi Appi Foro
4. 616 Bononia XV ad medias X Victuriolas
5. 557 Eigomago X ad medias XIII ad Cottias
6. Tab. Peut. 3 f.^) Badias XXV ad medias XXVIII ad maiores
7. 7 a Tierva XI ad mediam XIIII Pretorio)
*j Die in Parenthese stehenden Worte habe ich hinzugefügt, in den Iland-
schiit'ten fehlen sie.
^) V-1. i;av. 20.3 : Druhelis Medilas Pretorich,
142
und in gleicher Weise zu erklären, also sie auf Baulichkeiten, An-
lagen, Gewässer, Felsen und andere Gegenstände zu beziehen, die
ungefähr mitten zwischen zwei Stationen am Wege zu bemerken
waren, oder zwischen denen jene Station gelegen war. Ad i'zibras
der Tab. Peut. u. s., das bei Prima Porta gelegen ist, ist bekannt-
lich so viel als ad rubras nipes, saxa rubra; ad pictas des Itin.
umschreibt Strabo 5, 3, 9 (p. 237 C.) mit TTiktük; TravboxeTa, also
ad pictas tabernas; zahlreich genug sind die Orte ad nuvas {tabemas
u. ä.) u. s. w. Meines Erachtens hat daher Mommsen mit richtigem
Takt den Namen der dacischen Station ad mediam (heute Mehadia)
von ihrer Lage zwischen dem Donaustrom und den nahen Gebirgs-
pässen abgeleitet (C. I. L. III, p. 248) , und ähnliches scheint mir
bei den obengenannten Fällen vorzuliegen®).
Nichts berechtigt uns, glaube ich, zu der Vermuthung, dass
die Worte in medio eine freilich undeutliche Bezeichnung für ein
besonderes Rechts- oder militärisches Verhältniss u. ä. bilden können;
schon dass neben den vielen als in medio gelegen bezeichneten
Orten Älisca ad latus angeführt wird, welche Worte man doch
schlechterdings nicht in ähnlicher Weise wie jene zu deuten ver-
mag, sollte warnen'). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass,
wenn es sich um ein anderes antikes Schriftwerk als das in Rede
stehende handelte, man die Spuren einer erneuten Bearbeitung hier
würde finden wollen. Man hält indess das Itinerar für ein amtliches
Schriftstück, das gleichsam in einem Gusse hergestellt und im
Ganzen trefflich erhalten sei. Und dieser Glaube ist doch noch durch
keine genauere Erwägung bestätigt worden. Denn fürs erste ist der
®) Nach Abdruck dieser Zeilen ist eine (allerdings lange nicht erschöpfende)
Zusammenstellung und Sichtung der mit dem Beisatze ad verbundenen Stations-
namen der Itinerarien von K. Miller, die Weltkarte des Castorius (Ravensburg
1888) S. 103 S. gegeben worden. Miller sieht in diesen Stationen solche, 'welche
erst neu entstanden sind, insbesondere an den groj«sen Verkehrsstrassen, weshalb
fast immer der Ursprung des Namens noch nachweisbar ist'. Diese Bemerkung
wird man wohl im Ganzen und Grossen billigen, wenn mau auch Einzelheiten
ihrer Begründung nicht gutheissen darf, wie wenn z. B. der Namen ad, septevi
fratres (It. Ant. 9, 3. Kav. 1G3, 1) statt auf die bekannte Berggruppe, an deren
Fuss sie lag, auf ein 'Wirtshausschild' bezogen wird. Auch ist es ganz gut denkbar,
dass manche dieser Orte als kleine Ansiedlungen ohne städtischen Charakter, be-
nannt nach einer hervorragenden Baulichkeit u. dgl., lange vor dem Bau der Strasse,
die später an ihnen vorbeizog, entstanden waren oder zugleich mit ihr entstanden sind.
') Eine Station ad novas et aureo monte ist obendrein sowohl ohne Millien-
zahl als ohne den Zusatz in viedio geblieben.
143
gegenwärtige Zustand des Itinerars ein trauriger. Ich spreche nicht
von den Zahlenverderbnissen, nicht von den Namensverunstaltungen,
auch nicht von den vielen Lücken, ich betone bloss, dass sich zahl-
reiche Ergänzungen, Zusätze und Detaillirungen späteren Ursprungs,
von denen sich die anerkannt beste Handschrift auch nicht immer
frei erhalten hat, unschwer nachweisen lassen, und dass für West-
afrika die Angaben der Kechtsstellung der einzelnen Städte (Colonie,
Municipium, Vicus®) u. s. f.) ziemlich regelmässig wiederkehren, in
den anderen Ländern fast gar nicht erscheinen, welchen merkwür-
digen Zustand des Textes man doch ebensowenig für einen gün-
stigen und auf treffender Unterscheidung besonderer Verhältnisse
beruhenden wird erklären wollen, als es jemandem einfallen wird,
aus der Unvollständigkeit in der Aufzählung der Standorte römi-
scher Heerestheile sachliche Schlüsse zu ziehen. Fürs zweite ist
die Verwandtschaft des Itinerars, der peutingerschen Tafel und der
ravennatischen Erdbeschreibung zu gross und dies zum Theil nicht
im besten Sinne, wie z. B. bei der Behandlung der Städte von
Westafrika gegenüber dem übrigen Reiche, als dass man nicht den
Ursprung aus einer gemeinschaftlichen Vorlage, doch wohl einer
Karte, annehmen müsste. Endlich ist das Itinerar, in dem dieselbe
Strasse mitunter ganz wiederholt oder mit einem grossen Stücke
drei-, vier-, ja fünfmal zur Behandlung kommt, höchstens noch für
einen privaten Ausschreiber einer Karte gut genug. Eine amtliche
Arbeit, die auf den amtlichen Aufzeichnungen über die römischen
Reichsstrassen fusste , konnte nicht so kläglich ausfallen. — Ich
sehe überdies nach dem Gesagten nicht ein, weshalb ich die in
medio-Orte des pannonischen Landes nicht als spätere Zuthat eines
Mannes betrachten dürfte, der die Entfernungen der von ihm einge-
schalteten Orte nicht genau anzugeben' wusste^).
*) Die Fälle, in denen in den Itinerarien vicu^ u. a. vor einem Genetiv oder
einer adjectivischen Form eines Eigennamens als Theil des Namens gebraucht
erscheint, dürfen nicht hiehergezogen werden.
^) Er befand sich, glaube ich, in derselben Lage, wie z. B. der sogenannte
Skylax von Kaiyanda, der bei der Verarbeitung ungleichmässig gearteter Vorlagen
gleichfalls vielfach nur duroh ein ^v Ttü |U^auj u. ä. die Lage von Oertlichkeiten
bezeichnen konnte, statt die Entfernungen genau anzugeben ; so ist nach ihm c. 6
Korsika von Tyrrhenia l'/j Tagfahrten entfernt, Kai vf\aoc, kv ^eao) TU) irXu) toutuj
oiKOU^evri, rj övo^a AieaXia; c. 7 Korsika — Sardinien Vg Tagfahrt, Kai vf]ao<;
IpriMn ev tA MexaEü ; c. 67 Paktye— Kardia 6id Toö aiixivoc, Tielrj axäbia |li',
144
Schliesslich bemerke ich, dass wir selbstverständlicher Weise
über die in medio genannten und mit Millienzahlen versehenen Orte
sicherer urtheilen könnten , wenn wir die Topographie der betref-
fenden Gegenden genauer kennten. Dann würde auch jeder Zweifel
schwinden, ob jene Orte wirklich so genannt wurden, wie dies im
Itinerar geschieht. Allein nur für die Strecke ScythopoUs — NeapoUs
kennen wir m. W. das Material genauer, und gerade hier ist das
Itinerar (p. 197 Wess.) verdorben, so dass wir die in medioSta.tion
nicht mit den übrigen an jener Strasse gelegenen Oertlichkeiten zu-
sammenstellen können.
2. Zu S. 133, Z. 21:
Ich gestatte mir indess nicht, als ob ich dies zur Widerlegung
der Salaraon'schen Hypothese für nöthig erachtete, auf die beachtens-
werthe Uebereinstimmung zweier von Ortvay nicht herangezogenen
Quellen mit den Angaben des Itinerars und der Tabula Peutinge-
riana hinzuweisen, nämlich mit den allerdings arg verderbten und
verstümmelten Angaben der ravennatischen Erdbeschreibung über
die Donaustrasse Pannoniens und den Reihen der (sämmtlich am
Donauufer gelegen zu denkenden) Städte und Castelle, die sich in
der Notitia dignitatnm^ occ. c 32 — 34 finden. Ich bemerke noch,
dass ich dieselben in eine Reihe zusammengezogen habe , jedoch
alle Orte, deren Einreihung in die Liste auf Grund der Angaben der
Notitia dignitatum nicht mit voller Gewissheit sich durchführen Hess,
ausschied, und dass ich die im Itinerar als in medio gelegen be-
zeichneten Orte mit einem Sternchen versah. — Dass ich die von
Ptolemaeus als Uferstädte bezeichneten Orte gleichfalls aufnahm,
wird der Kundige gewiss billigen; nur bei XepiößoXoq habe ich,
C. Müllers Wink folgend, die Reihenfolge des griechischen Gewährs-
mannes verlassen. Eines sonstigen Commentars bedarf diese Liste
nicht, deren Zweck lediglich der ist, den Ausfall der ausführlichen
Darlegungen Herrn Dr. Ortvays über die Zusammengehörigkeit und
strenge Abfolge der im Itinerar mit Entfernungsangaben oder dem
Zusätze in media versehenen Orte zu ersetzen '") :
und ir6\i^ ^v tuj jli^öijü (auxevi ergänzt m. E. unnöthig C.Müller) r\ övo|Lia 'Ayopd;
c. 108 TTexpac; 6 lUiKpöc; bis Xe/i^övriöo(; 'kx\k\h(.c, 1 Tagfahrt, ev h^ tiI> [xiaui
TTdTpavToq koI Xe^^ovriaou eial vfiöot 'Ariöuuvia koI * TTXaxeiai.
'") Eine ähnliche Liste hat, was ich erst nach dem Abdrucke obiger Zeilen
bemerkt habe, bereits Böcking zu den angeführten Stellen der Notitia dignitatum
entworfen.
145
Reihenfolge der Städte
in der N. D., soweit
sie mit Sicherheit fest-
zustellen ist
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147
Antike Sculpturen auf Faros
(Hiezu Taf. V— IX)
Bei einem mehrwöchentlichen Aufenthalte, den ich im An-
schlüsse an einen Besuch von Delos von October bis Anfang No-
vember 1885 auf Faros nahm, leitete mich die Erwägung, dass eine
zusammenfassende Aufnahme des Antikenbestandes begrenzter Ge-
biete, wie sie für andere Teile Griechenlands vielfach und zum
Teile mit weiter gesteckten Zielen vorliegt, bei den Kykladen
schon wegen deren relativ geringer Zugänglichkeit besonders wün-
schenswert sei. Die nicht allzuhäufigen Bereisungen derselben,
welche in letzter Zeit stattfanden, hatten, wenn nicht ausschliess-
lich der Nachforschung nach unbekanntem Material, doch nur be-
stimmten einzelnen archäologischen Fragen gegolten. Speciell Faros
hat seit Ross nur zweimal, 1860 durch Michaelis*) und, wie aus
zerstreuten Notizen in verschiedenen Aufsätzen hervorgeht. 1882
durch Furtwängler Besuche erfahren, die in archäologischer Hin-
sicht fruchtbar wurden, während der fortgesetzten Veröffentlichung
parischer Inschriften durch das Interesse sachkundiger Einhei-
mischer, wie Krispis'^) und Olympios^), wiederholt auch durch
Fublicationen im Bulletin de correspondance hellenique Rechnung
getragen worden ist. Um so leichter konnte ich mein Hauptaugen-
merk auf die oben erwähnte Absicht concentrieren, bei deren Ver-
wirklichung mich der freundliche Sinn der Bevölkerung und mit
besonderer Liebenswürdigkeit der Dimarch Herr Konstantinos N.
Kondylis auf das Entgegenkommendste unterstützten.
Für das Bild, welches die Insel im Hinblicke auf die Reste
des Altertums gewährt, kann auf die Schilderung bei Ross*), die
in allem Wesentlichen noch zutrifft, verwiesen werden. In der
Stadt Farikia^), deren Trümmergebiet noch die umliegenden Felder
') Vgl. Annali 1864 S. 267 ff.
') MouöeTov Kai ßißXioGriKTi rriq, eva-{-ie\iKf\c, a)ioXf\c, (Smyrna) II 2. 3
S. 1 ff., III 1. 2 S. 150 ff.; Bull, de corresp. helUn. IV 1880 S. 284 ff., dazu 416.
^) 'AOiivaiov V S. 3 ff. mit Tafeln.
*) luselreisen I S. 44 ff., vgl. Wanderungen in Griechenland (Königsreisen)
I S. 254 f.
^) Die von Michaelis daselbst erwähnte kleine Privatsammlung des Herrn
Damias ist nach dessen Tode samt dem Hause nach Laudessitte in den Besitz seines
10*
148
und zahlreichen Capellen umfasst, hat sich das CastelP) auch neuer-
dings als Antikenfundstätte erwiesen, indem dicht an demselben
die S. 162 beschriebene Nikestatue (Taf. VI, 1) ausgegraben wurde.
In der mit Mühlen besetzten Halbinsel südwestlich von der Stadt,
etwa in der Gegend, in welcher das Asklepieion angesetzt wird'),
bei H. loanna, zeigte man mir im felsigen Ufer mehrere, nur
mit einem Boote zugängliche Grotten, in deren Wände viereckige,
nicht über einen Meter lange Nischen — in einer Grotte zählte ich
deren sieben — flach eingeschnitten waren. Von den früher an-
geblich sichtbaren Reliefs und Inschriften , sicher Votiven an die
Gottheiten des Meeres, ist bei der starken Zerfressenheit nichts
mehr zu erkennen. In entgegengesetzter Richtung von der Stadt
hat der Bau einer Bahn zu den Lychnitesbrüchen ein neues, kaum
noch ausgebeutetes Fundgebiet eröffnet. Kurz nach ihrem Beginne
unweit der Hekatontapjliani läuft dieselbe in einem übermanns-
hohen Einschnitt, bei dessen Herstellung die weiter unten beschrie-
benen Sarkophage®) zum Vorschein kamen (Taf. VII— IX), die ich
allerdings nicht mehr an Ort und Stelle, sondern vor der genannten
Kirche sah"). Doch ragten aus den Wänden des Einschnittes
noch mehrfach antike Reste, darunter die Ecke eines Unterbaues
von mehreren Stufen, hervor; andere grössere Stücke von Archi-
tektur lagen in der Nähe. Die Beschaffenheit des Terrains, in
welchem der Einschnitt geführt ist und welches aus Massen von
Conchylien gebildet ist, weist auf eine nach Aufstellung der Sar-
kophage eingetretene Ueberschwemmung vom Meere aus hin ^").
Schwiegersohnes, Herrn Nikolaos Kussos, übergegangen. Ausserdem sind nur noch
bei dem Sohne, Herrn Alexander Daniias, und den Herren Michail und Nikolaos
Dellagrammati antike Gegenstände in kleinerer Anzahl vereinigt.
*) Leake, travels in northern Greece HI S. 85 ; Thiersch , Abhandl. d. hair.
Akad. 1835 S. 589; Koss, Inselreisen I S. 48 f.; Bursian, Geographie von Griechen-
land II S. 487.
') Ross, Inselreisen I S. 46 f. ; Bursian a. a. O.
") Vgl. Krispis, Mouöetov III 1. 2 S. 150 und Bull, de corresp. hellen, a. a. O.
') Auch von dem von Krispis MouffeTov S. 157 näher bezeichneten Inhalt
der Sarkophage habe ich nichts gesehen,
") Eine geologische Würdigung dieser Erscheinung hat nach meinen Mit-
teilungen der Chefgeologe der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien, Herr Dr.
E. Tiet^e, in einem in der Sitzung des genannten Instituts vom 1. Februar d. J.
gehaltenen Vortrage gegeben. Vgl. Verliandlungen der k. k. geolog. Reichsaust.
1887 Nr. 2 S. 63 S.
149
Das Felsrelief des Odrysen Adamas am Eingange des einen
Schachtes in den Lychnitesbrüchen bei H. Minds fand ich nicht
mehr intact vor. Dem, wie man erzählte, von einem Engländer
unternommenen Versuche, das Relief aus dem Felsen herauszu-
schneiden")? sind zwei der Mittelfiguren zum Opfer gefallen, deren
Reste, arg verstümmelt, in dem unweit gelegenen Kloster ein-
gemauert sind. An dem Neubetriebe der Marmorbrüche selbst
hatte sich zur Zeit meiner Anwesenheit bereits die zweite oder
dritte Unternehmung verblutet. Die Ursache davon liegt nach
der von dem fachmännischen Leiter der Arbeiten vertretenen An-
sicht nicht sowol in eigentlicher Erschöpfung des Lychnites "^),
als darin, dass der Stein nur mehr in kleinen Blöcken gebrochen
werden könne, die ihn höchstens zur Verwendung für Büsten,
nicht aber für grössere Statuen geeignet machen*^). Leider fehlte
auch mir die Möglichkeit, über die Stelle des Nymphenreliefs
hinaus in einen der Schächte, die indessen nicht mehr in ihrem
früheren Zustande belassen sein sollen, einzudringen. Doch geht
aus den Berichten von Fiedler und Ross "*) hervor, dass dieselben
in antiker Zeit sehr eng und für das Hinausschaffen grosser Blöcke
schwerlich geeignet gewesen sein müssen, so dass die Frage ent-
steht, ob jene die Erneuerung des Betriebes vereitelnden Umstände
nicht vielmehr in der Verschmähung der Stücktechnik seitens der
heutigen Sculptur, als in geänderten Gewinnungsverhältnissen des
Steines selbst ihren Grund haben. Inwieweit diese Eigentümlich-
keit der feinsten, aber nur unterirdisch vorkommenden Sorte des
parischen Marmors überhaupt an dem Aufkommen oder wenigstens
der Ausbildung der Stückung in der antiken Marmorsculptur Anteil
•>) So berichtet auch Furtwängler, Samml. Sabouroff CXXXVII, S. 4, Anm. 21.
Einen von einem älteren Versuch herrührenden „Schräm", den ich auch sah, er-
wähnt Fiedler, Keise durch Griechenland II S. 187.
'*) Die geläufige Volksetymologie will diesen Namen von der Transparenz
des Marmors herleiten. Vgl. auch Fiedler S. 186.
") Dieselbe Wahrnehmung machte bereits Fiedler (S. 185) in einem Schachte,
in welchem er den Marmor am feinsten fand. Wenn er von dem durch das Nymphen-
relief bezeichneten Schachte das Vorkommen von Marmor in grösserer Mächtigkeit
berichtet (S. 188), so können das nur vereinzelte Stellen gewesen sein, da sich die
heutigen Betriebsversuche auch auf diesen Schacht, in den ein Schienengeleise
hinabführt, erstreckt haben. Uebrigens war, wie Fiedler selbst betont, unter den
Umständen, unter welchen er in die Tiefe drang, eine genauere Untersuchung gar
nicht möglich.
'^) Fiedler II S. 185; Eoss, Inselreisen I S. 50, Wanderungen I S. 255.
150
hat, würde sich vielleicht verlohnen^ au den vorhandenen ältesten
Steinsculpturen von grösseren Dimensionen zu verfolgen ; der Hinweis
auf den auf der Schwesterinsel Naxos erhaltenen, über 10 Meter
hohen Monolith, in welchem Ross '^) das wegen mehrerer Risse im
Marmor unvollendet gebliebene ursprüngliche Exemplar des nach
Delos gestifteten Apollonkolosses *®) erblickte, liegt dabei beson-
ders nahe.
Ein Ausflug zu den auf der Ostseite der Insel gelegenen
Kdxuj xiJupid^'^) führte mich an dem Dorfe Kost6s^^), wo mir in
einen Steinzaun eingebaut eine weibliche Statue (S. 165) gezeigt
wurde , und weiterhin an einem zu Tage liegenden Marmorbruch
vorbei, dessen kaum begonnene Ausbeutung nach dem Tode des
Unternehmers wieder ins Stocken geraten ist. Von den Kdio)
XUjpid bot mir das erste, Tragulas , nichts, das zweite, IMdrmara,
ausser einer bereits bekannten Inschrift nur geringe Fragmente,
Doch lohnte den Ausflug das altertümliche Relief einer Gorgo
(Taf. V, 2), das sich nach längerem Suchen, mit einer dichten
Schmutzkruste bedeckt, in dem Winkel einer Oelpresse in Tschi-
pidi (ei(; lovc, K^mbovq) fand, und das mit der im Anhang mitge-
teilten, wenngleich jüngeren Inschrift für das Alter der an jener
Stelle vorauszusetzenden antiken Ansiedlung '*') in Betracht kömmt.
Zwei kleine Marmorfiguren, die ein „Engländer" nicht lange vorher
daselbst erworben haben soll, gehörten vielleicht jener primitiven
Inselkunst an, von welcher gleich unten auf S. 152 die Rede ist.
Zufolge einer unterwegs erhaltenen, freilich recht unbestimmten
Angabe, die mir indess auf ein archaisches Bildwerk zu deuten
schien, suchte ich endlich die weiter südlich an der Ostküste be-
findliche Gegend Drako auf. Eine Viertelstunde südlich von dem
dort befindlichen Brunnen Assömato steht, in eine Felshöhle eingebaut,
das Kirchlein des H. loannis Spiläos '^°), an dessen Eingang rechts
•^) Inselreisen I S. 40.
•*) Vgl. Röhl, inscr. gr. antiquiss. Nr. 409; Furtwängler, Arch. Ztg. 1882
S. 331.
") Ross, Inselreisen I S. 51.
") Leake a. a. O. S. 02; Ross, Inselreisen I S. 52.
") Bursian a. a. O. S. 488.
'*) Die Legende, nach welcher der Heilige einen in der Höhle hausenden
Drachen vertrieben haben und nach dessen Tödtung durch den Erzengel aus dein
Blute der Brunnen entstanden sein soll, erklärt die angeführten Namen.
151
die von Olympios ^^) entdeckte archaische Weihinschrift an Artemis
eingemauert ist. Nachricht und Vermutung erwiesen sich als
richtig: unter Steinhaufen fanden sich an verschiedenen Punkten
auseinandergetragen die Trümmer einer sitzenden weiblichen Ko-
lossalfigur (S. 157 fi".), deren ursprünglicher Aufstellungsort'^^) nicht
entfernt gewesen sein wird; die tiefe Einsamkeit der hügeligen
Wiesengründe, die sich hier vor den waldigen Berghöhen zum Meere
hinabziehen, begünstigt den Gedanken an eine der Artemis heilige
Stätte, den die erwähnte Inschrift nahelegt. Da meine Zeit auch
noch durch die resultatlose Besichtigung einer weiter nördlich bei
Hirtenhütten (Ka)adpai(;) gelegenen Capelle des H. Vlassios in An-
spruch genommen wurde, in welcher ein irpöcrujTrov eingemauert
gewesen sein sollte, so blieb mir nur der Rest des kurzen November-
tages zur flüchtigen Aufnahme der einzelnen Bruchstücke, deren
Zusammensetzung ich , da es mir bei der Abgeschiedenheit des
Ortes an Hilfe gebrach, nicht einmal versuchen konnte. An ein
Uebernachten war ebensowenig zu denken . wie an die Herbei-
schaffung von Nahrung, und da mich die Umstände, die auch die
beabsichtigte Fortsetzung der Reise auf einige andere Inseln nicht
zuliessen, alsbald zur Abreise von Parikia nötigten, ohne mir die
Möglichkeit eines zweiten Besuches geboten zu haben, so bleibt
nur zu wünschen, dass die bei der Generalephorie angeregte Ueber-
führung nach Athen das Bildwerk vor dem Untergange schützen
und genauerer Kenntnis zugänglich machen möge.
Den Besuch von Levkäs*^^) und Naussa unterliess ich, da ich
für beide Orte nichts über antike Denkmäler erfahren konnte; der
in letzter Stunde erhaltenen Mitteilung über, wenn ich recht ver-
stand , antike Felsabarbeitungen im Hafen von Naussa vermochte
ich nicht mehr nachzugehen.
Die den folgenden Beschreibungen beigegebenen Skizzen, die
ich an Ort und Stelle, wie die Verhältnisse es zuliessen, aufnahm.
^*) 'A9rivaiov V S. 8 f. n. 3; Inscr. gr. antiqu. Nr. 401. — Oben und unten
profilierte Basis, H. 0-95, Br. 0-38, Inschriftfeld 0-685 h., 0*305 br. Unter der In-
schrift bis zum Rande des Schriftfeldes 0'52 frei.
") Da die Statue ganz ausgeführt ist, so wird die Bezeichnung der Stelle
als antiker Steinbruch zum Mindesten nicht auf sie zu begründen sein. Immerhin
kann jene sonst zutrefi'en : an einer Stelle sah ich ein im Felsen ausgehauenes
Halbrund mit Humus ausgefüllt. Auch bei H. Vlassios lagen einige bearbeitete
Marmorstücke.
") Vgl. Ross, Inselreisen I S. 51.
152
bezwecken selbstverständlich nur, die Beschreibungen zu veran-
schaulichen und zugleich zu vereinfachen. Wo nichts Anderes be-
merkt wird, ist als Material der einheimische weisse Marmor, als
Standort Parikia zu verstehen.
Das beistehend abgebildete Figürchen aus alabasterähnlichem
Marmor (H. 008. Br. 0-06, D. 0012) im Besitze des Petros Mo-
stratos ist einer der primitivsten Vertreter der zuletzt wieder von
Köhler und Beut behandelten vorhellenischen Kykladensculptur -*).
Von des Letzteren Funden auf Antiparos bietet das aus dem-
selben Grabe stammende Paar, in welchem der Herausgeber die
rohe Darstellung von Mann und Weib erkannt hat"^), besonders
mit der in der Tat an eine Violine erinnernden weiblichen Gestalt
die nächste Analogie zu unserer Figur, über
deren Herkunft ich übrigens nichts erfahren habe.
Auf der Rückseite ganz flach gehalten, beschränkt
^ sich ihre Modellierung auf die Abrundung der
Contouren und die Eintiefung an der Taille. Bis
auf den oben gebrochenen Hals ist sie voll-
ständig. Kerbartig eingeschnittene Linien be-
zeichnen an der oberen Hälfte die Begrenzung
des Halses, in der Mitte die Taille. In den
correspondierenden Kerben über der Letzteren
wird man die wagrecht vor der Brust gehal-
tenen Arme zu erkennen haben, wie sie auch
sonst erscheinen ''^) ; dagegen ergibt die tiefe Anbringung der Vulva"')
die bemerkenswerte Tatsache, dass von der Angabe der Beine
ganz abstrahiert wurde. (Fig. 1.)
Von Werken der archaischen griechischen Kunst seien
zunächst drei Reliefs genannt. Das älteste davon scheint ein im
Fio-. 1
^*) Köhler, Mitt. d. atlien. Inst. IX S. 166 flf., Taf. (> ; Bent, Journal of hellen,
atudies V S. 49 ff. (die daselbst S. 51 angeführten, S. 50 Nr. (5. 7 abgebildeten
Exemplare sind vielleicht mit den S. 150 erwähnten aus Tscliipidi identisch). Vgl.
auch die Charakteristik bei Newton, essoj/t on art and arrhaeolog// S. 281 und
Synopsis of the contents of Ihe British Miiseum, second vase room II 8. 40 ff.
*') A. a. O. S. 49, Fig. 1 und 2.
'•) Vgl. ausser Newton, easays a. a. O. Beut S. 50, Fig. 5. 7. 8. Ein besonders
grosses Exemplar hatte ich Gelegenheit , in Athen im Bureau der archäologischen
Gesellschaft zu sehen,
") Vgl. Beut Fig. 7; Synopsis a. a. O. Nr. 1. G, zur Anbringung Nr. 4. 5.
153
Hause Melao:ardis eingemauertes zu sein (Fig. 2) , welches ich
leider ganz mit Kalktünche überdeckt fand. Aus Scheu, den Marmor
zu verletzen, gieng ich mit der Reinigung nur so weit vor, um die
Umrisse verfolgen zu können , so dass die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen ist, dass der Grund zwischen den Figuren noch etwas
enthält-^). L. eine Frau, r. ein Mann mit weit vorschreitendem 1.
Beine stehen einander im Profil gegenüber. Beide halten in der
dem Beschauer abgewandten Hand Gegenstände, welche ganz flach
durch Eintiefung in den Reliefgrund hergestellt sind. Leider sind
diese Gegenstände, auf die es auch schon für die Bestimmung der
Gattung ankäme, welcher das Relief zuzuweisen ist, sehr undeut-
lich. Leake, aus dessen kurzer, offenbar auf dasselbe bezüglichen
Notiz '^^j nicht hervorgeht, ob
er den jetzt abgestossenen
oberen Teil noch sah, be-
zeichnet sie als Fackeln,
doch scheinen die von mir
gesehenen Reste bei der
weiblichen Figur eher auf
einen Bogen, bei der männ-
lichen auf ein Aehrenbüschel
zu führen. Letzteres ist
freilich recht unsicher, da
die Abzweigung links auch
nur auf Verletzung beruhen
kann; auch zwischen dem
Attribute und dem Körper
sind noch einige eingetiefte,
doch wahrscheinlich zufäl-
lige Linien sichtbar. Eben-
sowenig lässt sich entschei-
den , ob die andere Hand,
wie es besonders bei dem Manne scheinen könnte , etwas hielt.
Sicherer scheint mir das hohe Alter des Stückes zu sein, wofür
die einfache Behandlung des flachen Reliefs, das Elementare in
Composition und Motiven, die Bildung der Hände und Beine, bei
Fig. 2
**) Auch ob sich die Anzahl der Figuren auf die zwei erhaltenen beschränkte,
ist nicht gewiss.
^^) Travels in northern Greece III S. 86.
154
denen sich namentlich im Knie das mangelnde Verständnis ausspricht,
Zeugnis ablegen. Auch für das gegürtete Gewand , welches bei
der Frau an die Füsse reichend die untere Körperhälfte verhüllt,
bei dem Manne, wo es sich dem Körpercontour anschliesst, an-
scheinend nur ein kurzer Rock ist, bieten in Behandlung und Form
sehr altertümliche Bildwerke Parallelen^"). — H. noch 0*55, L. 0*48.
Von dem auf Taf. V, 1 abgebildeten Relief im Hause des
Anastasios Kondostavlos hat bereits Furtwängler^*) Nachricht ge-
geben. Die Aehnlichkeit mit den altspartanischen Heroenstelen
und dem Relief von Ince Blundell Hall'""^), mit welch Letzterem das
von Parikia besonders auffällige Uebereinstimmung der Compo-
sition aufweist, hat Furtwängler wol zunächst auf seine wahr-
scheinliche Erklärung aus dem Kreise heroischer Vorstellungen
geleitet. Dafür, dass die linke Hand drei „CTiaxi'" gehalten habe,
berief sich mir die Frau des Besitzers auf die Mitteilung ihrer
Mutter, und die noch vorhandenen Spuren, die von abgeschlagenen
Aehren herrühren können, scheinen dies zu bestätigen: immerhin
wäre es denkbar, dass die Angabe sich bloss auf jene Spuren
gründet. Von der links unten angeblich noch befindlichen Inschrift
habe ich auch auf einem Abklatsch der Stelle nichts entnehmen
können; auch auf dem jetzt bestossenen rechten Teile sollen Buch-
staben gestanden haben. Die Figur selbst mit dem in breiter, am
Contour gewellter Masse auf den Rücken fallenden Haar und
kurzem hemdartigen Gewand macht einen noch sehr unbeholfenen
und plumpen Eindruck ^^). Die Proportionen sind missraten, die
Schulter liegt zu weit zurück, wodurch die Brust zu breit wird,
das hoch gestellte Knie lässt den Oberschenkel zu kurz erscheinen,
'") Vgl. Einiges, was Milchhöfer, Mitt. d. athen. Inst. II S. 456, Heibig,
homer. Epos ^ S. 173 ff., Studniczka, Beitr. zur Geschichte der altgriech. Tracht
S. 114 beibringen; Analogien bieten ferner für den Mann die neugefundene Platte
des Frieses von Assos Clarke, investigations at Aaaos Taf. 22 und der altsparta-
nische Pfeiler (Friederichs-Wolters Nr. 55) , für die Frau die Nike aus Delos {Bull,
de correap. helUn. III Taf. VI f.) und die Statue der Nikandre (ebenda Taf. I =
HomoUe, de antiquisaimia Dianae aimulacria Deliacia Taf I), auf die sich auch
Winter zu den Frauen auf dem Grabmal Mitt. d. athen. Inst. XII Taf. II beruft,
und mit der eine, soviel ich weiss, unedierte Bronze im Museo etrusco zu Florenz
grosse Uebereinstimmung aufweist.
") Mitt. d. athen. Inst. VII S. 170 und Samml. Sabouroff Sc. E. S. 25.
") Michaelis, Arch. Ztg. 1874, Taf. 5 ; Friederichs-Wolters Nr. 240.
'') In der Reproduction ist durch zu starke Aetzung die charakteristische
Form der vorspringenden Nase verloren gegangen.
155
und nur in der perspectivischen Hintereinanderstellung der Unter-
schenkel ist eine mehr als primitive Auffassung zu erkennen. Weit
grössere Gewandtheit zeigt der Künstler in den sicher gezeichneten
geometrischen Linien des Stuhles'*^), wenn auch bei der ganz
flachen Reliefbehandlung hier der Gedanke an die unmittelbaren
Traditionen der Holzschnitzkunst nicht so nahe gelegt wird, wie bei
den analogen spartanischen Stelen. — H. 0*58, Hr. 0-415, D. 0*]65.
Die Skizze Taf. V, 2 reproduciert das bereits zu Eingang
(S. 150) erwähnte Gorgonenrelief im Besitze des Dimitrios Patellis
zu Tschipidi. Der Stein (H. 0-62, Br. 0-385, D. 0-25) lag zum
Glücke mit dem Bildfelde (0*54 X 0"34) nach abwärts, so dass hier
die Schmutz- und Fettkruste verhältnismässig dünn war; auf den
anderen, namentlich den seitlichen Flächen leistete sie der Wa-
schung beharrlichen Widerstand. Das Loch auf der oberen Fläche
bezeichnete der Besitzer selbst als modern, rückwärts ist der Stein
ausgehöhlt; dass dies so antik sei, schien mir nicht unmöglich. Das
Bild, wie es nach der Reinigung zum Vorschein kam , wirkte bei-
nahe ebenso durch den Contrast der Verwitterungstöne, wie durch
sein Relief, das fast nur durch sehr geringe Abarbeitung des
Grundes um die Silhouette der flachen Figur hergestellt ist. Die
meisten Details waren offenbar bloss der Malerei überlassen, welcher
— und dies scheint mir nicht allein in diesem Falle die richtige
Formulierung des Verhältnisses zu sein — das massige Relief nur
z'\ Hilfe kam. Die Flügelgestalt, die in dem bekannten Schema
laufend dargestellt ist^^), trägt einen eher kurz zu nennenden Rock,
welcher sich dem Umriss des Körpers vollständig anschliesst und
nur mit dem vom 1. Oberschenkel herabkommenden Saume und
den Falten zwischen den Beinen selbständig hervortritt^^). Der
vorn geknüpfte Gürtel ist nicht sicher als Schlange zu erkennen,
wie eine solche jederseits von der Hand gehalten ihren Schweif
um die Unterarme schlingt. Die Innenzeichnung der Brust ^'') sowie
die heraushängende Zunge und der eine Zahn gründen sich nur
"^j Nur eine Weitergestaltung' der hier erscheinenden Form der umgebogenen
Stuhllehne sind meiner Ansicht nach die anderwärts (Fran(;nisvase, Harpyien-
monument) vorkommenden Schwanenköpfe.
^^) Vgl. Furtwängler in Roschers Lexikon der Mj'thologie S. 1709 ff.
^*) Ein ähnlicher, aber weitergehender Vermittlungsversuch in der Gewand-
behandlung der Figuren rechts von Hermes und links von Apollon auf dem thasi-
schen Nymphenrelief.
'') Zur Bildung wäre Beundorf, Metopen von Selinunt S. 44 zu vergleichen.
156
auf sehr zweifelhafte Spuren. Von dem Haar ist der das Gesicht
umgebende Aussencontour mit der Begrenzung über der Stirn er-
kennbar. An den aufgebogenen Flügeln lässt noch der wellige
Fi?. 3
Fie. 5
Fig. 4
Fig. 6
Contour unter der r. Achsel die Federn entnehmen. Das ganze
Bild, dessen ursprüngliche Verwendung man sich vielleicht inner-
157
halb eines grösseren architektonischen Zusammenhanges zu denken
hat, ist trefflich in den viereckigen Rahmen hineingepasst; den
oben frei bleibenden Raum füllte wol ein Ornamentstreifen'*").
Von statuarischen Werken der altertümlichen Kunst erregt
die überlebensgrosse Sitzstatue von Drako (S. 150 f., Fig. 3—12) als
Fig. 7 (b)
Fig. 8 (b)
sitzende Variation eines namentlich durch Funde der letzten Zeit reich
vertretenen Typus weiblicher Gewandfiguren besonderes Interesse.
Der weisse Stein, aus dem sie besteht, hat an den der Luft aus-
gesetzten Flächen eine blaue Färbung angenommen, welche im
'») Von Inschrift war nichts zu bemerken. Wahrscheinlich trugen auch die
Seitenflächen weder Bild noch Inschrift.
158
Vereine mit der fast überall wuchernden Steinflechte die Verfolgung
des zumeist wenig tief eingehauenen Details vielfach erschwerte;
in Gips würde dasselbe, soweit die Verwitterung nicht geradezu
zerstört hat , deutlicher erscheinen. Auch die Rückseite scheint
bearbeitet gewesen zu sein, ist aber bei a, wo sie allein erhalten
ist, stark verletzt. Die Stücke a und c lagen neben einander, die
anderen etwa 30 Schritte entfernt unter einem Haufen anderer
Steine, der vielleicht noch das eine oder andere Fragment birgt.
Dass die Figur, sei es gewaltsam oder durch Sturz, zerbrochen
ist, geht aus der Beschaffenheit der Trennungsflächen hervor, welche
nirgends für die Annahme von Stückung glatt genug sind, auch
Vorrichtungen für die Verbindung vermissen lassen. — Das Stück a
(Fig. 3—6 in vier Ansichten) enthält den Oberkörper mit einem
Teil des Stuhles. Kopf, 1. Arm von der Schulter ab wie der grösste
Teil des r. Armes fehlen. An dem Halssaume des Untergewandes
war in guter Beleuchtung der Bund deutlich. H. noch 1*00, grösste
Br. 080, die Sitzfläche ist noch 0*20 tief. Die vordere Bruchfläche,
welche etwas unterhalb des zurückgeschlagenen Teiles des Ober-
gewandes beginnt, ist 0'78 hoch, 0*55 breit. Brust und Schulter
sind bestossen. — Das zweite grössere Stück, b (Fig. 7. 8 in zwei
Ansichten), enthält die untere Partie von über den Knieen ab mit
dem Sockel, auf welchem die Füsse aufruhen. Die Beine sind in
archaischer Weise dicht aneinander geschlossen, der 1. Fuss etwas
vorgesetzt. Von dem Obergewand fällt der Faltensaum des einen
Zipfels am 1. Oberschenkel hinab, der entsprechende rechts ist ganz
abgeschabt und zerstört. Vorn in der Mitte am r. Knie ist noch
ein undeutlicher Rest erhalten , den die krumme Linie in Fig. 8
andeutet. Das knapp anliegende Untergewand lässt zwei Arten
von Faltung unterscheiden : die breite Mittelfalte vorn, welche rechts
in drei, links in zwei Seitenfalten übergeht, hat gleich den Letzteren
ihre volle plastische Modellierung; daran schliessen sich aber beider-
seits eine Reihe flach eingearbeiteter Falten, die so aussehen, wie
wenn ein regelmässig in Falten gelegter gesteifter Leinenstofi" durch
einen senkrecht auf die Mitte jeder Falte ausgeübten Druck ge-
plättet wird. Die so gebildeten schmalen, nur massig convexen
Faltenrücken trennen sich in scharfen Linien von der zwischen je
zwei Falten liegenden Einsenkung. Da Letztere nur wenig tiefer
liegt und die Bugkanten der Falten mit eingetieften Linien begleitet,
80 erhält die ganze Oberfläche ein eigentümlich geriefeltes Aus-
sehen. Dieselbe Behandlung weist die grosse stehende Figur des
159
Leukotheareliefs der Villa Albani und besonders die eine esquilini-
sche Stele im Conservatorenpalast*') auf, bei welcher die Falten-
rücken nur flacher sind. Die Sandalen der Kolossalfigur sind mit
gekreuzten Riemen festgehalten, Stiftlöcher waren nicht zu bemerken.
An den Füssen ist die zweite Zehe zum Mindesten nicht kleiner
als die grosse. Ueber dem r. Knie ist das Stück gebrochen, die
wagrechte Fläche darüber bestossen; ebenso reicht eine Beschädi-
digung vorn bis zum 1. Knie. Rückwärts ganz unregelmässiger
Bruch (H. 0-77, Br. 0-35). Der Sockel ist ü-30 hoch, 0-435 breit,
bis zum Bruch 0'39 dick, das Stück der Figur selbst noch r. 0'62,
1. 0*77 hoch. — In dem aus zwei Fragmenten zusammengesetzten
Stück c (Fig. 9), dessen bearbeitete Fläche gewölbt ist, sind die
Teilung der Falten und der gefältelte Saum deutlich. H. 0*28. —
d (Fig. 10) gehört vielleicht an die Stelle des Ueberganges der
oberen in die untere Partie, zwischen Fig. 4 und 7. H. 063. All-
seitig Bruch. — Etwa an dieselbe Stelle, etwas höher, wird e
(Fig. 11) zu setzen sein. H. 0"19, Br. OßO. Unsicher blieb, ob das
Loch zufällig oder beabsichtigt sei. — f (Fig. 12), mit dreiseitigem
Grundriss, gibt eine Ecke des Stuhls (ob an d anschliessend?),
dessen Seiteuflächen nach unten zu zurücktreten; ein Gewandzipfel
hängt hinab. H. 0"42. Rückwärts unregelmässiger, meist annähernd
glatter Bruch. •
Ueber das auf Taf. VI, 2 und mit einem Teil der Rückseite
in Fig. 13 abgebildete Exemplar des zuletzt namentlich von Ghi-
rardini**^) und HomoUe''^) behandelten sogenannten Spestypus werden
nach der von Michaelis'**) gegebenen Beschreibung wenige Worte
genügen, umsomehr, als sich seither unser Besitz an derartigen
Figuren bedeutend vermehrt hat. Der Fundort allerdings sichert
der parischen Statue für die hier nicht zu erörternde Frage nach
dem Ursprünge des Typus unvermindert Beachtung, und ebenso
muss nach wie vor auf die besonders nahe Verwandtschaft mit den
delischen Exemplaren hingewiesen werden , welche schon Furt-
wängler"*^) bemerkt hat. Dieselbe erstreckt sich auch auf die
^') Bullettino della commissione comunale XI Taf. XIII f. — Täuscht mich
meine Erinnerung nicht , so hat auch die Sitzfigur des Akropolismuseums Sybel
Nr. 5001 dieselben Falten.
") Bull. d. comm. comun. IX S. 106 S.
■"^j De antiquissimis Dianae simulacris Deliacis S. 25 ff.
**) Ännali 1864 S. 267.
•"> Arch, Ztg. 1882 S. 326 f., Anm. 7.
160
Masse, hineichtlich deren Homolle "*") Uebereinstimmung innerhalb
der delischen Gruppe bezeugt. Leider war die Statue, wie ich sie
vor dem Hause des Herrn Russos auf der Strasse vorfand, mit
Oelfarbe beschmiert; auch durch Hestossung und — wol absicht-
liche — Beschädigung an den Brüsten hat sie geHtten. Gleiehwol
verfehlen die gewohnte liebevolle Sorg
falt und Feinfühligkeit in der gesamten
Durchführung und die Sicherheit in
Linien und Flächen ihren Reiz nicht,
Die Körperformen treten vorn und noch
mehr rückwärts unter dem straff an-
liegenden Chiton hervor, dessen Falten
von der Stelle, wo ihn die gesenkte
Linke hob , divergierend verlaufen.
Vorn ist die Mitte des Untergewandes
durch einen Streifen ausgezeichnet, von
dessen einstiger Bemalung ich nichts
mehr entnahm^"). Auch der Bund am
Halse war kaum sichtbar, sein Vor-
handensein ist jedoch daraus zu schliessen, dass die eingezeichneten
Wellenlinien oben nicht bis an den Rand des Gewandes reichen.
Das Haar,* welches rückwärts ^^) in der bekannten, bisweilen ge-
radezu an Serviettenkünste erinnernden Weise behandelt ist, zeigt
in der Mitte einen breiten glatten Streifen. Das Obergewand ist am
r. Arm mit fünf Schlitzen geknüpft.
Als männliches Gegenstück zu der eben betrachteten Statue
vermehrt der Jünglingstorso '*") in gleichem Besitze (Fig. 14. 15)
die Reihe der altertümlichen sogenannten Apollonfiguren. Der Ver-
**) A. a. O. 8. 26 : Danach sind die Figuren capitis crurumque a genu ex--^
pertia 0-95 hoch. Die parische Statue misst noch 1-05, das erhaltene Stück des
Unterschenkels vom Knie ab macht auf der Zeichnung ein Zehntel der gesamten
Höhe aus. (Fig. 13 gibt die Chitonfalteu am 1. Ann etwas zu stark.)
•") Vgl. die auch sonst sehr nahestehende kleine Statue aus Eleusis, 'Ecpr^.
dpxaioX. III 1884 Taf. 8, 6 und 6 a (jetzt im Ceutralmuseum) ; Bull. d. comm. com.
XI Taf. V; les Muadea d'Athknea Taf. II. III; die Statue des Antenor, Studniczka,
Jahrb. d. Inst. II S. 138 'S.
") Vgl. die Figur aus Eleusis Aiun. 47 ; Mm^ea d'Athenes Taf. VIII u. A.
*'^) H. noch 0-81; vom Hals bis zur Spitze des Öchamdreiecks 0-55, Abstand
der beiden Brustmitten 0-18, Brustumfang unter den Achseln 0 77, Breite der Schul-
tern, soweit erhalten, 0-43, Umfang der Taille 0-62, der Hüften, um die Glutäen
gemessen, 0-83; das Schamdreieck 0-12 breit, O'll hoch.
161
such, seine Stelle innerhalb derselben zu präcisieren, könnte ohne
Vergleichung an Gipsabgüssen kaum zu verlässlichen Ergebnissen
führen; ich beschränke mich daher auf die Charakterisierung seiner
Formgebung an sich. Zunächst fällt die deutliche Abgrenzung des
an der Taille stark eingezogenen Oberkörpers von den Beinen in
die Augen. Die Verbreiterung an den Hüften setzt sich in der
starken Ausladung des Oberschenkels (am Trochanter) fort; die
Schultern laden gleichfalls breit aus und sind wenig gesenkt, die
Brust, in deren 1. Hälfte ein tiefes Loch eingehauen ist, und be-
sonders die kräftig gerundeten Glutäen treten stark vor. Das Drei-
eck der Schamgegend ist
schmal und langgestreckt.
Innerhalb der geschilder-
ten Hauptanlage zeichnet
sich die Figur durch eine
sehr geringe Durchmodel-
lierung der einzelnen For-
men aus. Dieselbe be-
schränkt sich auf den un-
teren Rand der grossen
Brustmuskeln und Schul-
terblätter , die Rücken-
furche mit der viereckigen
Eintiefung an dem stark
eingezogenen Kreuze;
auch die seitliche Grube
an den Glutäen ist an-
gedeutet, ebenso die Musculatur des Oberschenkels durch eine in
der Profilansicht den rückwärtigen Contour begleitende Schwel-
lung. Sonst aber ist Alles, namentlich auf der Vorderseite des
Rumpfes, in einfachen geglätteten Flächen mit abgerundeten Ueber-
gängen behandelt; die Seiten der Brust sind wie flach gehobelt,
so dass der Querschnitt derselben, scharf ausgedrückt, ein Oblon-
gum mit abgestumpften Ecken bilden würde. Aehnlich sind die
Hüften wie gedrechselt und zeigen Oberschenkel und Glutäen zwar
schwellende, aber doch einheitliche, geglättete Flächen. — Das 1.
Bein war, soviel sich aus dem erhaltenen Stumpf entnehmen lässt,
auch hier vorgesetzt, von den Armen wenigstens der r. anscheinend
nicht ganz gesenkt, wie der über der r. Hüfte erhaltene, vielleicht
sogar von der Hand herrührende Ansatz zeigt. Das Haar bedeckt
Fig. U
Fiff. 15
Archsolopsch-epigraphiBche Mitth. XI.
11
162
in breiter Masse den Nacken, innerhalb derselben in wellige, abwech-
selnd erhabene Strähne geteilt, mit spiralförmigen Enden, deren
noch vierzehn zu unterscheiden sind. Vorn fällt es in ähnlichen
Locken mit gleicher Beendigung — an der 1. Schulter erkennt man
vier — auf die Brust. Zur Anfügung des Gliedes diente das Bohr-
loch, in dem ich keinen Stift fand.
\
Dem fünften Jahrhundert gehört die Taf. VI, i und Fig. 16 ab-
gebildete Statue der Nike aus feinem Marmor, wol Lychnites, bei
Herrn Angelos Kambanis an, der sie un-
mittelbar vor seinem dicht am Castell ge-
legenen Hause ausgegraben hatte '*^). Nur
Kopf, beide Arme und r. Fuss , sowie der
grösste Teil der Flügel fehlen, doch sind
die Kanten der Falten stark bestossen. Die
Flügel setzen am Rücken über dem Gewand
in spitzem Winkel neben einander an. Die
Tracht ist das ungegürtete lakonische Frauen-
kleid ''^), l. mit hängenden Aermeln, r. offen ^'').
Zwei Löcher, dazwischen eine Längsritze,
auf der Schulter rühren von metallenen
Fibeln her. Bei der Nestelung auf der Achsel
ist, wie mich Studniczka belehrte, in unge-
wöhnlicher Anordnung der vordere Ge-
wandteil über den rückwärtigen gelegt ^^).
Der Fuss ist beschuht.
Die Bewegung der Figur ist die des
Schweben s und zwar geradeaus nach vorn
auf den Beschauer zu, dem auch der Kopf
zugewandt war. Von den Armen war, wie
auch die frei ausgearbeitete Innenfläche des
Fig. 16 Aermels zeigt, der 1. mit dem vorauszu-
") H. noch 1-38, davon das vom Körper Erhaltene 1-22 ; der geradlinige
Abstand vom Rande des Ueberfalls auf der Brust bis unter den Ballen des 1.
Kusses 0*90, von der Mitte des Knies dahin 040. — Die Aufstellung der Figur
war leider sehr ungünstig.
^*) Vgl. Böhlau, quaestiones de re vestiaria S, 79ff. ; Studniczka, Beiträge S. 6 ff.
") Kückwärts am Halse sieht das Gewand allerdings nicht wie umgebogen,
sondern so aus, als wäre der Kragen gesondert.
*') Ebenso bei der Stele von Pharsalos (Friederichs -Wolters Nr. 41).
163
setzenden Attribut (Kranz) gehoben, der r. hielt die Säume des
offenen Gewandes zusammen. Das vorgesetzte r. Bein tritt zur Seite
und ist von der übrigen Masse in seinem unteren Teile ganz los-
gelöst. So, mit vorgelegtem Oberkörper und gesenkter Spitze des
1. Fusses, gewährt die Gestalt in der Tat völlig den Eindruck
ruhigen Schwebens und macht in ihrer Anlage der materiellen For-
derung einer Unterstützung keinerlei Concession: erfüllt wird die-
selbe durch die runde, glatt bearbeitete Masse, an welcher der
1. Fuss anliegt, und mit deren unterem Teil die Figur wol in die
Basis eingesetzt war^"). Sehe ich recht, so sollte dieselbe weiter
nichts vorstellen und hat sonach der Künstler von einer Motivierung
jener Unterstützung ganz abgesehen, wie eine solche bei jener
Nikebildung gegeben ist, neben welcher die parische die nächste
Stelle findet, der des Paionios. Nur dass dort überdies die Stütze
in ungleich geschickterer Weise ganz nach rückwärts verlegt, freilich
auch zum Teile durch das kühn componierte Gewand maskiert ist.
In Letzterem hat Petersen ^^) noch ein Rudiment der von ihm er-
kannten archaischen Lösung des Problems erblickt, und Gleiches
lässt sich wol bei der parischen Statue von dem rückwärtigen un-
teren Teile des Gewandes sagen, welcher über das gerundete Fuss-
stück hinabfällt und dasselbe mit seinem jetzt durchaus abgebro-
chenen Saume ganz verdeckt haben kann. Auch das Motiv der
r. Hand weist noch leise auf jene archaische Tradition zurück, doch
dient es hier einer veränderten Absicht und erklärt sich innerlich
aus der Anlage der Figur selbst; und ebenso ist, entsprechend der
gemässigteren Bewegung, das r. Bein zwar zum Teile losgelöst,
doch nicht entblösst.
Wenn ich auch Bedenken trage, das Verhältnis der parischen
Statue zu der Nike des Paionios für die Zeitbestimmung unmittelbar
verwerten zu wollen, so wird man doch, wie ich meine, mit der An-
setzung der Ersteren im fünften Jahrhundert, dessen Ausgange wol
nicht zu nahe, nicht fehlgehen. Dafür spricht die ziemliche Strenge,
welche noch in ihrer Anlage herscht, die breite Entwicklung von Schul-
tern und Brust •^^) und ihr gegenüber die geringe Ausbildung dessen,
^^) Dieselbe ist nur unten, aber nicht nach der Seite des r. Fusses gebrochen.
Am 1. Fuss geht sie vorn in einen kleinen vorspringenden Steg über, der in der
Vorderansicht nicht sichtbar ist.
■'^) Mitt. d. athen. Inst. XI S. 396.
*') Der geradlinige Abstand der beiden Löcher auf dem Gewand über -dei-
Brust beträgt 0-23, jener der höchsten Stellen der Brust 0-22.
11'^
164
was die Figur als weiblich charakterisiert, das Unvollkommene des
Versuches, die Transparenz des Gewandes wiederzugeben, wie es
sich namentlich auch in den wenigen schüchternen und harten
Falten über dem r. Beine ausspricht ^^). In der Bewegung der un-
teren Partie dagegen kündigt die Statue — hierin wol etwas vor-
geschrittener als die Nike des Paionios bei all ihrem sonstigen
Schwünge — bereits merklich das Bestreben an, die einheitliche,
geradlinige Körperaxe zu verlassen ^^). Besondere Liebe ist in der
Composition des Gewandes^ namentlich an der r. Seite ersichtlich,
wo das Aufheben und Zusammenhalten in die Entwicklung der herab-
fallenden Falten eingreift. Für die Art, wie diese nicht von einem
einfachen Saum, sondern von der doppelten Stofflage mitgemacht
werden, bieten die giustinianische Stele in Venedig "), das Tauben-
mädchen von Faros ^'='), wie der Apollon vom thasischen Nymphen-
relief ^^) naheliegende Analogien; mit Letzterem teilt das Gewand
der Nike auch die Eigentümlichkeit der Salkante^"). Die Rück-
seite mit ihren wol ausgearbeiteten, aber ganz parallel hinablau-
fenden Falten war anscheinend für die Ansicht minder bestimmt.
Nicht unerwähnt soll endlich die an einem Werke parischer Marmor-
kunst so vielleicht überraschende blechartig scharfe Behandlung
namentlich der oberen Gewandpartien bleiben.
Bei dem folgenden Rest statuarischer Stücke ist von einer
zeitlichen Anordnung abgesehen worden.
Das am besten erhaltene ist eine bei Herrn Russos befindliche
weibliche Gewandfigur (Gesamthöhe 0-65), von welcher nur der
Kopf*^*) und beide Hände fehlen; die Vorderseite des vom 1. Arm
herabfallenden Gewandsaumes, das r. Knie und die niedrige Flinthe
sind bestossen. Der Grundriss der Letzteren (H. 0-023) schliesst
sich ziemlich eng an die Standfläche an. Die Figur, mit 1. Stand-
bein, trägt ein langes Unter- und darüber ein etwas kürzeres Ober-
") Auch die Oberfläche ist noch nicht poliert.
*«) Vgl. Mitteil, des »sterr. Museums für Kunst und Industrie 1884 S. 258.
") Friederichs-Wolters Nr. 241. Vgl. Furtwängler, Samml. öabouroflf Sc. E.
S. 6, Anm. 6.
"*) Michaelis, ancient marblea S. 229, 17.
5«) Arch. Ztg. 1867 Taf. CCXVII, 3; Rayet, monum. de l'art antique I.
«») Vgl. auch die Athena im Hauptsaal der Villa Albani (Friederichs-Wolters
Nr. 524).
•') Derselbe soll indessen vorhanden gewesen sein.
165
gewand, bei dessen complicierter Anlegung anscheinend der wieder-
holte Wechsel in der nach aussen gekehrten Seite des Stoffes eine
Rolle spielt. Auf der Rückseite streicht es in schrägen Falten, die
nur an der 1. Schulter von einem übergeworfenen Zipfel verdeckt
sind, nach 1. hinauf und ist auch über die r. Schulter nach vorn
gelegt, wo es dem darin wie in einer Binde ruhenden r. Arm zur
Stütze dient. Um diesen einmal herumgewickelt, geht es zur J.
Schulter und, mit etwas zurückgeschlagenem Saum über diese und
den gesenkten 1. Arm geworfen, über den Rücken hinab, dort
in den erwähnten mit zwei Fransen geschmückten Zipfel endend.
Zu demselben vom r. Unterarm zur 1. Schulter gehenden Streifen
leiten zugleich von beiden Hüften aus kleine Faltenzüge, die sich
etwa vor der Mitte der Brust in spitzem Winkel begegnen und
hier also einen herzförmigen Ausschnitt bilden, unter welchem das
Gewand in einheitlicher Fläche schräg nach abwärts zieht, um
rückwärts in die ersterwähnte Fläche überzugehen. Das Hinter-
haupt blieb frei. Die wol fleissige, aber trockene und einförmige
Arbeit des Gewandes weist auf späte Zeit hin; Halsgrube und
Schlüsselbein sind einfach eingeschnitten.
Auf der Mauer über dem Tore des Hauses des Stavros Minda
sah ich eine kopflose weibliche Doppelfigur unter Lebensgrösse
aufgestellt. Dieselbe besteht aus zwei, mit dem Rücken dicht an-
einandergelehnten , r. und 1. in spitzwinkeligem Einschnitt ausein-
andergehenden Einzelfiguren in hochgegürtetem Gewand mit Ueber-
fall ; die untere Gewandpartie wird durch eine senkrechte Mittel-
falte in zwei Hälften geteilt, in deren jeder die Falten symmetrisch
der Stelle zustreben, wo das Kleid von den gesenkten (grösstenteils
fehlenden) Armen gefasst und aufgehoben wird. — Stark ver-
wittert.
Die in Kostos auf dem Acker der Kalliopi, Frau des loannis
Nikiphorakis , gefundene weibliche stehende Figur (S, 150) trägt
ein hochgegürtetes, auf beiden Schultern geheftetes Gewand mit
langem Ueberfall. Der Kopf und anscheinend auch die Arme waren
einzusetzen ; von dem Haar ist rückwärts noch der untere Teil des
breiten Schopfes erhalten. Auf der Vorderseite, welche sich weiterer
Untersuchung entzog, da sie der Wand zugekehrt ist, geht ein
Band schräg abwärts unter die 1. Brust. — Scheint ziemlich ge-
wöhnliche Arbeit. H. noch 1055.
Gering und meist stark zerstört sind: Ein weiblicher Torso
bei Andreas Psarakis (H. 037); gegürtetes Untergewand, Oberge-
166
wand um den Unterkörper geschlungen und über den 1. Arm ge-
worfen, der gesenkte r. Unterarm anscheinend anzusetzen. Rück-
seite fast unbearbeitet. — Ein weibliches Rumpffragment bei loannis
Vitzaras (H. noch 0"30). — Ein reifmännlicher Torso beim Arzt
Papavassilios (H. noch 0'64) ist von den Hüften abwärts mit Hi-
mation bekleidet , von dem ein Zipfel vorn von der r. Schulter
herabhängt. L. Standbein ; Kopf, Unterschenkel und beide Arme,
deren r. gehoben war, fehlen. Seitwärts am r. Knie Ansatz für eine
Stütze. — Ein anderer kleinerer bei Petros Mostratos (H. 0 13) mit
den r. Oberkörper freilassendem Gewände war anscheinend 1. auf
einen Stab gestützt (Asklepios?). — Eine männliche Figur auf
Plinthe im „Typus"*'') bei Herrn Russos, 1. Standbein, ohne Kopf
H. 0-21.
Die Statuette einer sitzenden (weiblichen?) Figur, die mir
gezeigt wurde, war leider zu zerstört, um eine Entscheidung
über ihr Alter zu gestatten. Altertümlich gemahnt die Art des
Sitzens mit steif aufgerichtetem Oberkörper und aneinanderge-
schlossenen Beinen, auch hüllt das die r. Schulter und Brust frei
lassende Gewand die Figur dicht ein. Doch stimmt dessen Falten-
gebung mit jenem Eindrucke kaum. Kopf und r. Arm fehlen, vom
gesenkten 1. ist nur ein Stumpf geblieben. Ungewöhnlich ist auch
die Form des Sitzes: ein Cubus , von dem oben an der Sitzfläche
zu beiden Seiten eine dicke Leiste, rückwärts eine ebenso aus-
ladende Lehne vorspringt. Letztere, oben geradlinig abgeschlossen,
ist nur sehr niedrig, doch reicht ihr wie eine stumpfe Lanzenspitze
geformter mittlerer Teil noch etwa bis zu Schulterhöhe. — H. noch
0-18, Br. 0-115.
Ein weibliches Köpfchen bei Herrn A. Damias (H. 0'13,
Gesichtslänge 0*075) , welches , wenn auch stark Verstössen und
namentlich im Haar ziemlich skizzenhaft angelegt, von guter
Arbeit ist, gehört in der Bildung des Gesichtes dem etwa durch
die Venus von Milo zu kennzeichnenden Typus an. Um das
gescheitelte Haar geht vorn ein Band , welches seitwärts von der
über Schläfen und obere Hälfte der Ohren zu dem Nest nach rück-
wärts gestrichenen Haarpartie verdeckt ist. Die Mundwinkel sind
ein wenig herabgezogen, der Kopf scheint etwas zur 1. Seite ge-
neigt gewesen zu sein. Nase, Kinn und 1. Augonknochen sind ab-
gestössen. — Ziemlich ähnlich, nur ohne Band in dem gleichfalls
•■') Vgl. V. Sybel, Scul]>ture!i zu Athen 8. XIX.
167
nur flüchtig angelegten Haar''^), ist ein viel kleineres Köpfchen bei
Michail Protolakis. — Stark zerstört ist ein weibliches Köpfchen
mit Diadem, bei Herrn Russos (H. Ol 6).
Ein lockiges Knabenköpfchen mit abgebrochenem Halse bei
Herrn A. Damias (H. 0-15) ist nicht ohne Ausdruck, wenn auch
etwas flüchtig und flau. An dem Munde und der 1. Wange an-
setzende, schräg verlaufende Bruchspuren scheinen von den ver-
einigt zum Munde gehaltenen Fingern einer Hand*''*), möglicher-
weise auch von einer Syrinx herzurühren. Das runde Gesicht ist
poliert, Nasenspitze, Kinn und 1. Augenknochen bestossen, die 1.
Seite des Kopfes oben schräg abgeschnitten.
Von den übrigen Statuettenköpfchen gehören zwei Jüng-
lingen anscheinend älterer Typen an. Das eine, unten mit Einsatz-
zapfen, bei Herrn Russos (H. 0'06), hat gewölbten Schädel, ovales
Gesicht, ziemlich niedrige Stirn, voll und rund ansetzende Wangen,
breites Kinn , kräftigen Nacken. Das andere , unten mit Stiftloch,
bei Herrn Michail Dellagrammati (H. 006), ist zu stark zerstört, um
mehr als die gewölbte Schädelform mit dicht anliegendem Haar,
die dreieckige, schwach vorschwellende Stirn, den kurzen Mund
und das nicht zu schmale und kurze Kinn entnehmen zu lassen. —
Bei Herrn Nikolaos Dellagrammati sah ich ein unten gebrochenes,
hinten glattes Köpfchen eines unbärtigen Herakles mit über den
Kopf gezogenem Löwenfell (H. 0"035) 5 bei G. Mahonis ein wenig
ausgeführtes bärtiges Köpfchen mit Binde (oder Reif?) im Haar.
Mehrere kleine Fragmente von Statuen und Statuetten, Tier-
krallen , Simen mit Löwenköpfen als Wasserspeier etc. seien nur
summarisch angeführt^*).
Das Nymphenrelief^^) des Adamas, von dessen Beschädi-
~ung bereits die Rede war (S. 149), befindet sich im zweiten
•'') In demselben sitzt noch vielfach rote Farbe.
*") Dies war meine Vermutung vor dem Originale. Von den Ohren notierte
ich keine ungewöhnliche Bildung, das linke sieht auf meiner Skizze etwas in die
Länge gezogen aus.
•'*) Davon mag der Unterschenkel einer Kolossalfigur bei Barozzi (H. 0*50)
deswegen hervorgehoben werden, weil der Besitzer angab, derselbe habe zu einem
grossen Bildwerke : zwei Kinder, die sich umarmt hielten, und eine weibliche Figur
mit Schwert, gehört. Falls dieser Angabe überhaupt etwas Tatsächliches zu Grunde
liegt, dürfte sie sich auf einen Medeasarkophag beziehen. — Eine in den Stein-
brüchen gefundene unvollendete Statue (H. 1"30, beide Arme wagrecht vor der Brust)
war mir, da der Schlüssel zu dem betreffenden Magazin fehlte, nicht zugänglich
<"') Vgl. auch die Inschrift Krispis, Mouaeiov II 2. 3 S. 6 n. pitö'.
168
Schachte bei H. Minas an der Wand einer Art Grotte links unweit
vom Eingange, etwa 180 über dem Boden beginnend. Es ist l'öO
breit, 0-84 hoch, wozu noch O'll als Höhe der Inschrift kömmt®').
Die Letztere scheint mit ihren Schriftformen auf höheres Alter hin-
zuweisen ®®), als dem Relief nach den darin benutzten Motiven und
dem Charakter der Gruppen zugestanden werden kann. In Com-
position und Ausführung verrät sich allerdings geringes künst-
lerisches Geschick; namentlich die obere Hälfte, in welcher vielfach
bloss eingeschnittene Linien die bessere Durchmodellierung ersetzen
müssen, erscheint bei näherem Zusehen roh, und der durch die
dunkelfleischrote Färbung der Oberfläche wachgerufene Gedanke
an mittelalterliche Holzschnitzwerke erfährt durch die harte Be-
handlung der Formen eine Verstärkung. Unter diesen Umständen
dürfte sich auch der altertümliche Charakter der Schriftformen zum
Teil als Härte, vielleicht Ungeübtheit, erklären: ob der Odryse
Adamas mehr als bloss der Stifter des Reliefs war, lässt er ans
seiner Inschrift wenigstens nicht entnehmen. Das Relief hat übri-
gens von Verwitterung und sonstiger Verletzung sehr gelitten, wo-
durch viele Details, auch abgesehen von der Ungunst der Beleuch-
tung und des Standpunktes, schwer erkennbar geworden sind;
namentlich die r. Partie mit den Adoranten ist stark zerstört. Rings
um das Bild war die Fläche des Felsens, soweit dies die Absägung
noch erkennen lässt, anscheinend geglättet, doch liegt das Ganze
nicht strenge in einer Ebene. Die stärkste Relieferhebung findet
sich links unten bei den thronenden Gestalten (Kybele).
Im Nachfolgenden verzeichne ich die wesentlichsten Abwei-
chungen von der zugänglichsten Abbildung bei Müller- Wieseler *'^),
®'j Die Figuren des Attis und der Nymphe r. neben ihm sind 0-47, die
Mittelfigur der Gruppe in der oberen Reihe und die r. von ihr befindliche 0-22,
Acheloos 0-185, Pan 026, die höchste Adorantenfigur (bis zum Boden unterhalb
der knieenden) 0*33 hoch.
*') Nach den Formen M, ^, N, <i> kannte man versucht sein, dieselbe bis
ziemlich nahe an den Beginn des vierten Jahrhunderts zu rücken.
") II Taf. XLIII, 814 (nach Stuart, antiquities of Athens IV, s. VI, Taf. V:
von dem Stiicharakter, namentlich der Behandlung von Gewand und Haar, gibt
diese Zeichnung: kein richtiges Bild). Die von Le Bas II Nr. 2070 zu der Inschrift
citierte Tafel 123 der Monumenta fiijiirea scheint nicht zur Ausgabe gelangt zu sein.
Eine Zeichnunu Schauberts lug Michaelis bei seiner Besprechung Annali 18G3
S. 314 f. 328 ff. vor; auf Autopsie basiert Furtwängler, Samml. Sabouroff XXVII.
XXVIU S. 4 f., CXXXVII S. 4, Anm. 21. Zur älteren Litteratur vgl. ausserdem
C. I. G. II 2387.
169
die sich aus meinen Notizen und einer zur Reproduction nicht ge-
eigneten Skizze ergeben. Von den drei Nymphen in der Mitte sind
die zwei rechts herausgehauen; zu dem im Kloster eingemauerten
stark übertünchten Fragment, welches die Körper bis etwas über
die Kniee enthält, ist nichts zu bemerken, ausser etwa die ein-
fachere Haartracht der vordersten Figur r. An der ursprünglichen
Stelle sind nur der zurückgesetzte r. Fuss der voranschreitenden
mit dem 1. der mittleren Nymphe nebst Stücken des beiden vom
1. Arm herabfallenden Gewandes zurückgeblieben. Die dritte, deren
untere Hälfte zerstört ist, hat den r. Arm gleichfalls unter dem
Gewände; was in der Abbildung als Saum eines langen Kragens
erscheinen könnte, ist nur eine Falte. Ihr Haar ist nach Mädchen-
art in einem Schopf hoch aufgebunden. Vom Attis, dessen sicht-
bare r. Brust ganz weiblich erscheint, ist die Nebris an der r.
Hüfte etwas zurückgeschlagen und lässt das bis nahe an das Knie
reichende Untergewand sehen. Der 1. Oberschenkel und der Grund
r. daneben sind zerstört. Die r. Hand ist nicht so jäh abgebrochen,
der Stierkopf einem Bukranion ähnlich gebildet. Die Figur 1.
von Attis sclieint den r. Arm gegen seine Schulter zu heben ""). L.
neben dem bärtigen Kopf (Pluton : Furtwängler) war mir das Füll-
horn nicht deutlich; bei dem folgenden weiblichen (Demeter: Furt-
wängler) sah auch ich einen Schleier, nicht Locken. Die als Kybele
erklärte Figur trägt einen über der Brust zusammengehaltenen,
das ganze Gesicht frei lassenden Schleier; der Löwe auf ihrem
Schoss ist ganz abgeschlagen, die Stelle sah mir beinahe so aus,
wie wenn der 1. Unterarm quer über den Schoss gelegt wäre. Die
1. neben ihr befindliche Figur mit zerstörtem Gesicht und Haar-
nest ist so dicht an sie angefügt, dass ihre Beinpartie, von unten
aus gesehen, mit dem gewandbedeckten r. Bein der Kybele in Eins
verschmilzt und sie wie jener zur Rechten thronend erscheint. Der
Sitz ist ziemlich unregelmässig und liesse vorn auch noch einen
Altar annehmen, wenn anders der Gegenstand, welcher die Ver-
längerung des r. Armes der äussersten Figur 1.'*) bildet, eine Fackel
ist'^). Ob der fast parallel damit laufende breite Streif die Thron-
"") Unter dem Ellbogen sah ich nur eine zerstörte Stelle , nicht die „lastra
o qualche oggetto simile^ der Zeichnung Schaubert.s (Michaelis S. 329 f.).
'*) Nach Furtwängler Hekate mit Fackeln, der bärtige Kopf daneben
Dionysos.
•^) Vgl. Michaelis S. 330.
170
lehne vorstellt, ist unsicher. Die eben erwähnte weibliche Figur
hat gegürtetes Gewand mit Ueberfall, das r. Bein tritt daraus
nicht hervor. — In der oberen Reihe erschien der Kopf ganz 1.
mit auf die Schultern fallendem Schleier (Gaia : Furtwängler) auch
mir weiblich. An der (als Silen erklärten) hockenden Figur da-
neben ist das Gesicht zerstört, doch Haar und Bart als lang zu
erkennen; mir schien der 1. Unterarm, mit geöffneter Hand schräg
aufgerichtet, mit dem Ellbogen auf dem 1. Knie aufgestützt. Von der
Gruppe weiter r. , welche durch ihre lebhafte Action gegenüber
der sonstigen ruhigen Nebeneinanderstellung auffällt, ergab sich
mir nur die mittlere Figur als bestimmt weiblich; für sie wie für
die 1. von ihr befindliche männliche trifft die Abbildung im Ganzen
zu. Die dritte r. hielt ich für männlich, und zwar schien mir, was
freilich unsicher ist, ein Teil des vorn herabhängenden Gewandes
ihr als Chlamys zu gehören, ein runder Gegenstand an ihrem Rücken
ein Petasos zu sein, sie selber den Arm um den Rücken der Mittel-
figur zu schlingen. Zu dem Achelooskopfe gehören zwei tierische
Beine in Vorderansicht'^); auch Pan hat Bocksbeine, sein r. Ober-
schenkel, 1. Unterarm mit Syrinx, Gesicht und 1. Hörn sind be-
stossen. Was r. von ihm im oberen Streifen angebracht war, sah
ich auf dem losgelösten Stück unter der Tünche ganz undeutlich
wie ein en face gestelltes halbtierisches oder auf die Arme ge-
stütztes Wesen mit Flügeln (vielleicht nur Gewand, wie bei Pan).
— Von den sehr zerstörten adorierenden Figuren ist die vor-
derste 1. weiblich mit hinten hinabhängender Flechte (?), die L.
unter dem Gewand; ebenso die knieende Figur weiblich (mit Haar -
nest); die drei ersten der hinteren Reihe männlich, die kleinere an
vierter Stelle weiblich. Unsicher ist das Geschlecht der zwei letzten
r. Von dem Löwen ist nur noch in Umrissen der Vorderleib vor-
handen, der aber auch einem grossen Hunde angehören könnte. —
Die Inschrift hat in meiner Skizze keine Umrahmung.
Von sonstigen Votivreliefs bemerkte ich nur ein spätes,
allseitig fragmentiertes, an Asklepios, mit dem unteren Stück eines
Unterschenkels nach 1., darunter die Inschrift 'Aeiivaiov V S. 32
n. 23.
") So zeichnete auch Schaubert (Michaelis S. 328). Furtwängler a. a. O.
XXVII. XXVIII, 4 kann mit dem von ihm gesehenen „vor der Acheloosniaske
aufgestellten Tisch" (vgl. Samml. Sabouroff Taf. XXVII) kaum etwas Anderes als
diese Vorderbeine meinen.
171
Am zahlreichsten vertreten sind, wie nicht anders zu erwarten,
die Denkmäler sepulcralen Charakters.
Unter den Grabreliefs verdient, der Zeit und dem Kunst-
werte nach, das obere Stück einer Giebelstele mit der überlebens-
grossen Darstellung eines Jünglings, bei dem Marangon Kyriakos
Charatzari, die erste Stelle. Leider ist nicht mehr als der schöne,
in strengem Profil nach rechts geneigte Kopf bis unter den Beginn
des Nackens und der Nase erhalten (Br. 0'24). Das Auge mit
sanft trauerndem Ausdruck und das trefflich gearbeitete Ohr (L. 0*06)
sind vollständig. Das dichte, am Nacken nach den beiden Seiten
gestrichene Ephebenhaar ist zu einzelnen geringelten Partien zu-
sammengefasst, ohne dass durch allzu scharfe Herausarbeitung das
natürliche Ineinanderfliessen derselben beeinträchtigt würde. Die
Stirne ist in der sogenannten lysippischen Weise ein wenig bewegt,
die Kopfform gewölbt, doch geht der Contour vom Wirbel ab in
sanfterer Ausladung zum Halse über. Die Entfernung von den
erhaltenen Rändern beträgt rechts 0*115, links 021, die Figur wird
also stehend gewesen sein; vielleicht war rechts unten noch ein
kleiner Sklave dargestellt. Die Contouren sind nicht glatt abge-
schnitten, sondern alle Flächen bis zum Grunde ausgeführt, gleich-
wol ist die Reliefhöhe gering (0"05). Der Grund ist als einfache
Platte ohne Randeinfassung behandelt, der Giebel massig steil (etwa
30°). Mit der sorgfältigen Arbeit des Reliefs stimmen die über der
Mitte und den Enden des Giebels (bei Letzteren 0'035 einwärts)
angebrachten Vorrichtungen: in runde Löcher sind Bronzehülsen
eingelassen, in deren 0*007 im Quadrat messenden Hohlraum die
gesonderten Akroterien eingesetzt waren. Das Relief, welches dem
vierten Jahrhundert augehören dürfte, könnte für attisch gelten:
doch stehen ihm in der Empfindung, wie sie sich namentlich in der
Neigung des Kopfes ausdrückt, auch ältere Grabreliefs jenes Insel-
gebietes nicht ferne. — H. noch 0385, grösste Breite 0*65, an der
Platte 0-62, D. 0*077-0*10.
Das bereits von Michaelis*'*) kurz erwähnte untere Fragment
eines vorliegenden Hochreliefs mit Fussleiste '^j bei Herrn Russos,
welches sich dem Gegenstande nach bereits vollständig unter die gang-
baren Typen des „Inselstils" einreilit, überrascht hiebei durch seine an
attische Reliefs etwa des ausgehenden vierten Jahrhunderts erinnernde
*) Annali 1864 S. 267.
'") Vgl. zur Bezeichnung v. Sybel, Sculpturen zu Athen S. VIII,
172
Ausführung. Links sitzt auf einem Stuhl mit geschweiften Beinen eine
Figur im Profil nach r. (der Oberkörper fehlt) , die Füsse (der 1.
zurückgesetzt) auf einem Schemel ; unter dem bis an die Knöchel
reichenden Himation mit guter Faltenbehandlung ist kein Unter-
gewand zu sehen. Wahrscheinlich durch Händedruck mit ihr ver-
bunden war die in Vorderansicht die Mitte einnehmende Figur (nur
untere Hälfte) mit um die Hüften geschlungenem und an der 1.
Seite hinabfallendem Obergewand, das anscheinend von der L. ge-
fasst war. Vor dem Stuhl steht en face eine kleine weibliche Ge-
stalt in langem, gegürtetem ärmellosen Chiton, die R. gesenkt, die
im Ellbogen gebeugte Linke zu dem (bestossenen) Gesicht gehoben;
nur wenig grösser ist eine andere in wartender Haltung der Mitte
zugekehrte Dienerin ganz rechts, in Chiton mit Ueberfall, das r.
Bein vorgesetzt, mit der vor dem Körper gesenkten Rechten die
Linke am Handgelenk fassend ; Brust und 1. Oberarm sind be-
stossen. — H. noch 0-28, L. noch 0-65, D. 0-18.
Auch eine bei Dimitrios Zaphyropulos befindliche Stele mit
Einsatzzapfen, deren oberer Teil mit dem Kopfe der Hauptfigur
fehlt, scheint trotz der starken Verscheuerung der Oberfläche zu
den besseren ihrer Art zu gehören. Die Darstellung selbst unter-
scheidet sich nicht erheblich von der des Sarkophages B, Nr. 2
(Taf. Vni) : nur entspricht die Anordnung des Gewandes mehr
dem Brauche einer besseren Zeit, unter der Kline liegt nichts, 1.
von dem flachen langen Untersatz, auf dem die Füsse ruhen, steht
ein unbenutzter eigentlicher Schemel, die Dienerin erscheint mehr
vom Rücken gesehen. Die dem gegenüberstehende Uebereinstim-
mung selbst in untergeordneten Details, die sich ebenso durch eine
Reihe anderer Repliken verschiedenen Fundortes verfolgen lässt,
macht diesen Typus zu einem guten Beispiel für die der Massen-
production jener In seigrab reliefs überhaupt zu Grunde liegenden Ver-
hältnisse. — H. noch 0-32, L. 0-34, D. 0-05.
Im Laden des Nikolaos Cigalla fand ich die fragmentierte
Stele mit der unteren Hälfte eines auf einer Schitfsprora nach r.
stürmenden Kriegers in kurzem, zurückflatterndem Chiton vor, der
an der gesenkten L. den runden Schild trägt. Von den nackten
Beinen ist das zurückgesetzte rechte besonders sorgfältig durch-
gearbeitet. Im Felde darunter die Inschrift (— 'AGrivaiov V S. 21 f.
n. 8, Kaibel «/?iV/r., add. n. 242a, Mouaeiov II 2. 3 S. 2 n. poe'):
173
A I * I A O Y O Y T O 2 O A E 2 T 1
TYn02T0YA|cI>l AOYY I OY
OZKAIEni2''PATIH5:AOEAN
EXENMErAAHN
AicpiXou ouTocg öh' ^CTTi TUTTOc; ToO AiqpiXou uioO,
oq Ktti eiTi(T[T]paTiTi(;'*) böHav e'xev )ueYaXr|V-
Unten Ablauf. Links geht die Randleiste mit einer Wölbung in
den Reliefgrund, der an verschiedenen Stellen ungleich tief liegt,
über. Das Relief selbst ist stark übertüncht und zerstört. Das-
selbe kann nach der Schrift noch ziemlich guter vorchristlicher
Zeit angehören. H. noch 0-41, Br. 0'35, D. 0-12. — Vgl. die Stele
aus Rheneia, Sybel Nr. 518, Mitteil. d. athen. Inst. XI S. 151, 2.
Den besseren Stücken ist^, wie es scheint, noch ein im Hause
des Herrn Konstantin N. Kondylis über dem Balkon eingemauertes,
etwa 080 breites Heroenmahl anzureihen. Auf der verhängten
Kline lagert mit aufgerichtetem Oberleib der Mann nach 1. (Kopf
ergänzt), die L. auf das Kissen gestützt, in der vorgestreckten R.
die Schale haltend , zu welcher sich von hinten die Schlange (nur
Oberteil sichtbar) ringelt. Vor der Kline ein auf drei Tierbeinen
ruhendes , mit einem Kuchen zwischen je zwei Granaten besetztes
Tischchen. R. sitzt in bequemer Haltung mit übergeschlagenem 1.
Bein auf niedrigem lehnenlosen Stuhl mit Schemel die Frau nach
1., die sichtbare r. Brust, wie es scheint, entblösst, mit der R. das
über den Kopf gezogene Obergewand lüftend, die Linke quer über
den Schoss gelegt, von welchem ein breites Gewandende über den
1. Oberschenkel herabhängt. — War anscheinend ohne Randein-
fassung.
Ganz übertüncht ist ein im Hause des Emmanuil Kalakonnas
eingemauertes kleines Relief: in vertieftem Felde Frau nach 1., r.
Standbein, Gewand mit Ueberfall; die L., wie auf etwas aufgestützt,
fasste vielleicht herabfallendes Gewand, die R. hebt etwas wie
Spiegel oder Spindel gegen das Gesicht.
Besonders häufig erscheint auf Faros jene späte Form des
Heroenmahles''), bei welcher die Verstorbenen, allein oder zu meh-
'") Das T scheint zu fehlen, die Verletzung links von P nicht auf eine Ligatur
T zu weisen.
") Vgl. auch Furtwängler, Sammlung Sabouroff Sc. E. S. 35.
174
reren, auf der mit Rücken- und zwei Seitenlehnen versehenen Kline
liegend dargestellt sind, mit den Füssen nach 1., die R. querüber
nach vorn gelegt, den Kopf auf die durch das Kissen erhöhte L.
gestützt. Ich notierte die folgenden, durchaus geringen und meist
sehr zerstörten Exemplare, alle mit eingetieftem Relieffeld.
a) Mann und Frau neben einander gelagert; er legt seine R.
auf ihre Schulter:
1. Bei Nik. Dellagrammati. Auf dem Inschriftfeld darunter nichts
mehr zu erkennen. H. 0*44, Br. 0*26.
2. Haus des Emm. Rangus. Vor der Kline noch ein Speisen-
tischchen mit einer kleinen Figur r. davon.
3. Im Haus der Marigo Skordili eingemauert. Die Frau scheint
r. vom Manne zu liegen. Vorn Tischchen.
b) Die Frau (in Nr. 1 unter der Brust gegürtet) liegt allein,
das Obergewand kömmt in schmalem, die r. Brust freilassendem
Streifen von der 1. Schulter; Füsse bloss. Am Fussende der Kline
sitzende Frau nach vorn, die R. vor der Brust zur Stütze der den
Schleier an der 1. Wange fassenden L. , die Füsse auf Schemel.
R. vor der Kline dreibeiniges Tischchen mit vier rundlichen Gegen-
ständen'*^). Unter dem Relief die Inschriften:
1. Bei Michail Dellagrammati. Oben abgerundeter Giebel mit
Rosette im Feld. H. 0385, L. 0-355.
AiocKOYCAne AioY Aio(TKOu[p]a (?) TTeXiou
XPHCTHXAIP6 XP^C^ff) XCIPE-
2. Bei Nik. Dellagrammati. Oben bestossen. An der 1. Brust
der Liegenden anscheinend undeutlicher Gegenstand. H. 0*49,
L. 0-34.
_.iiTYxiA ['ErrjiTuxia
EPaTAOvrATHP 'EpüJTa [ö]uYdTnp.
:= 'AGnvaiov V S. 44 n. 54.
c) Frau ganz allein auf der Kline. Tracht wie in b ''••) :
1. Im Hause des E. Rangus eingemauert. Vorn Tischchen, worauf
von 1. eine kleine Dienerin mit Haarnest, in Chiton mit Ueber-
fall, ihre R. legt. H. 040, L. 0425, soweit sichtbar.
'*) Vgl. die Nebenseite von Sarkophag A S. 180.
'") Vgl. Nr. () nnfl die Nebenseite von Sarkophag D S. 182.
175
2. Marmara. Links abgebrochen, vielleicht also unter b gehörig.
Vorn Tischchen. R. bildet den Abschluss ein breiter Streif,
der unten in vier Voluten wie bei Klinen- oder Stuhlbeinen
endigt; davon r. noch bis zum Bruche 0'145 frei. Im Felde
unter der Darstellung der Rest einer grossen schräggestellten
Palmette in flachem Relief erhalten. H. noch 0'50, L. 0*44.
" 3. Vor dem Magazin des Herrn Nik. Dellagrammati. Unter der
Kline Schemel mit zwei Tierbeinen. H. 0*80, L. 0'54.
EYOAiAnANKAEiTHs Euobitt TTavKXeiTriq.
= 'Aenvmov V S. 46 n. 66.
Nur kurz erwähnt seien noch: Eine unten abgebrochene
Stele (H. 0'38) bei Barozzi mit einer männlichen öewandfigur im
„Typus". — Eine andere, ganz rohe, bei Herrn Alex. Damias,
oben gebrochen (H. noch 0*48): 1. Mann von vorn, im Himation
(Brust und Kopf fehlen), auf der L. ein offenes Kästchen (?), r. ein
kleiner Diener aufblickend, die R. am Kinn. Darunter umrahmen
zwei concentrische Kreise ein nach Angabe des Besitzers inschrift-
loses Feld (ich sah es verschmiert). — Ein schlanker Pfeiler (H. r03,
L. 0-26, D. 0"28) in der Werkstatt der Marmorunternehraung trägt
in der Mitte in eingetieftem Feld die Darstellung eines Mannes im
„Typus", 1. steht der kleine Sklave schlafend. — Von Herrn Zoras,
Leiter der Marmorbrüche bei H. Minas, wurde mir das Fragment
einer Stele mit einer sitzenden Frau wie auf dem Sarkophage C,
Nr. 5 (Taf. IX) gezeigt; Kopf, r. Hand, Stuhlbeine, wie Alles von
der Mitte der Oberschenkel ab fehlen. L. Rand; H. noch 0'17.
Hieher gehört wol auch ein Relief im Hause Vatirabela
(H. 0'60, L. 0'30), bei dem man, ganz übertüncht wie es ist,
zweifeln könnte, ob es archaisch oder spät sei. L. auf Klappstuhl
mit Schemel eine bekleidete Figur nach r. , in den vorgestreckten
Händen anscheinend etwas haltend; eine kleinere r. dürfte den
stehend schlafenden Sklaven vorstellen^").
Wahrscheinlich sepulcrale Verwendung hatte auch ein Relief-
fragment mit zwei erhobenen Händen bei Anast. Karamagas (H.O*27) ;
auf einem anderen, bei Dim. Murlas (H. 0*18), ist nur eine er-
*») Anscheinend dasselbe Relief beschreibt Thiersch, Abh. d. bair. Akad.
1835 S. 039 f.
176
halten ®'). — Unsicher ist der sepulcrale Bezug bei einem in der
Gegend AiovuadTO in Parikia eingemauerten Fragment mit dem
Vorderteil eines nach r. schreitenden Rindes, darunter:
. . (?) X X o Y
TIA
In engster Verbindung mit der eben betrachteten Denkmäler-
classe stehen die eingangs (S. 148) erwähnten , nördlich von der
Hekatontapyliani gefundenen Sarkophage, deren Inschriften mit
kurzen Beschreibungen der Reliefs Krispis^'') bereits publiciert hat.
Obgleich der künstlerische Wert der Letzteren ein sehr geringer
ist, verdienen die Sarkophage doch eine erneute Besprechung. Die-
selben repräsentieren nemlich eine, soviel ich sehe, bisher nicht
bekannte Art der Sarkophagdecoration , für welche ausser ihnen
noch ein in Athen befindliches, gleichfalls aus Faros stammendes
Fragment (Sybel Nr. 572) in Betracht kömmt; doch mögen sich
noch manche Stücke in anderen Museen dazu finden lassen. Anstatt
der sonstigen einheitlichen Ausschmückung der Aussenfläche er-
scheint hier vielmehr eine Reihe einzelner, von einander unabhän-
giger Bilder und Inschriften, welche es ausser Zweifel setzen, dass
diese Sarkophage Collectivgrabstätten waren, in denen eine Anzahl
Leichen nacheinander Aufnahme fand. Dementsprechend dienten
die Aussenwände dieser gemeinsamen Gräber einfach als Collectiv-
flächen für die Anbringung der Aufschriften und Gedächtnisbilder,
wie man sie von den Einzelstelen her in Brauch hatte; der
Typenvorrat, der für diese zu Gebote stand, musste auch der
veränderten tektonischen Voraussetzung genügen. Dabei ist es
charakteristisch, dass man gelegentlich, wie B zeigt ®^), bei den
einzelnen Bildern, die ja jedes seine Existenz für sich besassen,
auch in der architektonischen Form der Einfassung die Einzelstele
wiedergeben wollte, sowie andrerseits die bis auf die Verschieden-
heit der Nebenfigur sich dreimal nacheinander wiederholende Dar-
*') Zwei Votivhände in Relief mit der Inschrift: . . . 'l(J|nriv{ou 'AaKXriTTid) Kai
'Yf{(jt führt Kri.spis, Mouöeiov II 2. 3 S. 7 n. pTTS' an.
^'') MouöeTov III 1. 2. S, 150 und gleichlautend Bull, de corresp. helUn. IV
S. 284 ff., dazu S. 416 einige Verbesserungen von Fontrier. — Der mitgefundene
fünfte Sarkophag, den Krispis beschreibt, trägt bloss ein Relief mit Inschrift:
Zk^ttüc; XXöriq.
"=•; Vgl. auch V. Sybel Nr. 572.
177
Stellung auf D, Nr. 2. 3. 4, eine Parallele zu der Monotonie bietet,
welche in den Grabreliefs jener späten Epoche her?cht. Nur
in einem Falle (A) ist ausschliessliche Benutzung des Sarko-
phages für Angehörige derselben Familie gesichert; auch bei
D ergibt sich wenigstens für Nr. 4 und 6 der Bezug auf Ge-
schwister. Dagegen ist auf B nicht zu entnehmen, ob und in wel-
chem Verwandtschaftsverhältnis L. Nostius Apollonius (1) zu Epar-
chis, der Tochter des Sostratos und der Archippe und Gattin des
A. Babyllios , steht: auf diese bezieht sich offenbar das Relief
Nr. 2^ wonach sich die darunter angebrachte Inschrift Mefi(TTa
Xpriairi xcipe als eine spätere, übrigens auch anscheinend nicht
einheitliche Hinzufügung darstellt^*). Da das Epigramm bis zum
Rande reicht, so sind die zwei ganz geringen Reliefs Nr. 3 und 4
darunter angebracht worden. Wie man neue Bilder, ohne sich
sonderlich um regelmässige Raumfüllung zu kümmern, zu den be-
reits vorhandenen hinzufügte, sowie sich eben der Anlass dazu
ergab, lässt sich mehrfach noch in Einzelheiten verfolgen. So ent-
hielt in C das Relief Nr. 2 ursprünglich nur die Figur des Karpas;
das Bild der Epiteuxis ist später daneben gesetzt und der Rahmen
des Reliefs dafür erweitert worden ; dabei gieng man in der Aus-
arbeitung der weiblichen Figur tiefer in den Stein , so dass der
Reliefgrund hinter den beiden Figuren von auffälliger Ungleichheit
ist. Auf D ist das Relief Nr. 5 erst nach der Anbringung von
Nr. 4 und 6 in den Raum zwischen diesen hineingezwängt worden,
wie die enge Schrift und das dem Rande von Nr. 6 ausweichende
N verraten. Vervollständigt wird diese Beobachtung durch die
Lücher, welche meist über den zwei oberen, seltener auch an den
zwei unteren Ecken der Reliefs, bei D, 4 anscheinend an den Enden
der Inschriftzeile angebracht sind, und in welchen mehrfach noch
die antiken Bronzestifte stecken ^^). Bei dem Relief des Karpas
(C, 2) bezeichnen die beiden Löcher die ursprüngliche Ausdehnung
der eingetieften Fläche, als sie nur das Bild des Mannes enthielt;
von den vier Stiften in C, 4 steckt der eine am Rande des Reliefs
Nr. 3, welches freilich selber so aussieht, als wäre es in den Zwi-
schenraum hineingeflickt worden: jedenfalls ist von der Inschrift
der Epiteuxis ein Teil dem jüngeren Nachbarrelief zum Opfer ge-
") S. auch noch unten S. 181, Anm. 95.
^) In letzterem Falle sind dieselben in der Skizze durch Schraffierung aus-
gefüllt,
Archäologisch-epigraphiBche Mitth. XI. 19
178
fallen. Aehnlich drang der eine Stift D, 5 in die Bildfläche nebenan.
Trotz der geringen Tiefe der Löcher und der Kleinheit der Nägel
können Letztere kaum einen anderen Zweck gehabt haben, als die
Befestigung von Kränzen , wofür analoge Vorrichtungen sich an
Einzelstelen vielfach vorfinden^*'). Man ersieht hieran so recht,
wie das einzelne Bild unabhängig von den anderen auf der gemein-
schaftlichen Fläche angebrachten dem Cult des betreffenden Ver-
storbenen diente, ein Umstand, durch welchen diese eigentümliche
Form von Familien- oder wol auch einfach Massengräbern noch
eine besonders charakteristische Beleuchtung erhält.
Die einzelnen Reliefs sind, wie selbstverständlich, von un-
gleicher Tiefe. Die untere Fläche des Sarkophagbodens ist bei A,
B, C vorn und an den beiden Seiten mit einem breiten Randbe-
schlag versehen^ so dass der Sarkophag lediglich auf dem rauhen
Kern in der Mitte aufruhte. Bei C läuft parallel dem glatten Rand
noch ein innerer, rauhgehaltener Saum vertieft an den drei Seiten
um. Bei B sind die Aussenflächen der beiden Nebenseiten in ihrem
vorderen Drittel der ganzen Höhe nach glatt , die übrige Fläche
liegt als rauhgehaltener Werkzoll vor, sollte also wol noch für
weitere Reliefs reserviert bleiben. In D treten die beiden Schmal-
seiten unten zu einer Art Fussleiste vor.
Da die Sarkophage dicht nebeneinander vor einer Mauer, die
Vorderseite nach oben gewandt, aufgestellt sind, so musste sich die
Skizze und Beschreibung hauptsächlich auf diese Letztere be-
schränken").
Sarkophag A (Taf. VII). H. 100, L. 2-215, D. MO. —
1) Vereinigung zweier Scenen: L. legt Parmenion in doppeltem
Gewände die Rechte an eine 1. von ihm auf hohem Postamente
aufruhende bärtige Herme *^), mit viereckigem Armansatz an der 1.
Seite, r. steht in schlafender Haltung ein kleiner bekleideter Sklave.
R. sitzt Theotime in doppeltem Gewände auf Stuhl mit Schemel,
'«) öybel Nr. 447. 448. 451. 454. 459. 468 und Öfter; vgl. Benndorf, Eeisen iu
Lykien und Karlen I S. 102, 2.
"') Die bei greller Beleuchtung aufgenommenen Skizzen genügen hoffentlich
dem Zwecke der Veranschaulicliung der Gesamtersclieinung, auf welchen es bei
diesen Denkmälern allein ankommen kann; auf die Wiedergabe der einzelnen Bilder
grössere Sorgfalt zu verwenden, erschien überflüssig.
") Vgl. Conze, Arch. Anz. 1867 S. 102*, Diitschke IV zu Nr. 407. 626 u. ö.
179
mit der R. den Schleier fassend, eine kleine Dienerin r. hält ihr ein
Kästchen hin^®). Darunter:
TTapiaeviujv 0€OTi|uri (i)
KTr|(7i|uevou(;. 'AXeSdvbpou.
2) Der dreizehnjährig verstorbene Parmenion, als Heros in der
Bildung eines Jünglings^"), mit Chlamys, die L. wie speerhaltend
gehoben, gibt mit der R. der um einen Baum (Pinie?) gewundenen
Schlange zu trinken, r. unter dem Baum trägt ein kleiner Sklave
auf beiden Armen undeutliche Gegenstände, etwa Grewand oder
Rüstungsstücke; ganz 1. das vom Rande abgeschnittene Vorderteil
des etwas unter Mannshöhe gehaltenen Rosses. Die Vorstellung des
Verstorbenen als Heros spricht sich auch in dem darunter befind-
lichen Epigramm aus (vgl. besonders Vs. 1 und 7):
'Hpiju<i)ujv TÖv apicTTov 6pä[T]e |ue TTapjueviuuva,
öv TToG' 6 TTaTpoTrdTUjp ^Tpecpe TTapiueviuuv,
irarpi xe Kai TrarrTTOK; Kai rraipiöi Kubo(; apicTtov,
Traibfia(; dYa9aT(; fibö|uevov lueXetai? •
5 uiöv MvricTieTTOu Kai TTavKXeixri«; veov epvoc;,
KOtXXei Kai TTivuTaT(; Tepirdiuevov TTpaTTi(Tiv
Tov TpeKTKaibexetfi be Tipo«; fipuu(i)uuv xopov dYVÖv
fipTtacTev eHaTTivri«; TravbaiadTeipa Tüxri.
Rechts am Rande in einem flach eingezeichneten Kranze die auf
denselben Parmenion bezügliche Inschrift:
'H ßouXn<i>
Kai
6 bfi|uo(;
TTapi^eviujva
5 MvriaieTTOu.
Von den zwei unter 1 in ebensolchen Kränzen erscheinenden Namen
dürfte Mnesiepes dem Vater, Ktesimenes dem Grossvater des jungen
Parmenion (2) angehören, welcher sonach Urenkel des Parmenion
von 1 wäre (vgl. Nr. 2, Vs. 2 und 3): den beiden Genannten
gelten sicher die zwei in der Fläche zwischen 1 und 2 in blossen
•9) Aehnlich z. B. Clarac II pl. 155, 269.
3«) Vgl. dazu C. I. A. m 1460; Furtwängler, Samml. Sabouroflf, Sc. E. S. 19;
Milchhöfer, Jahrb. d. Inst. U S. 32.
12*
180
Umrissen seicht eingezeiciineten, fast identischen Pinien mit der
sich daran hinaufringelnden Schlange, wol der Ersatz für eigent-
liche Reliefbilder.
'H ßou\ri<i> 'H ßouXfi<i>
Kai Ktti
6 bfj|uo(; ö bfjjuoi;
KTiimiaevriv Mvricriemiv
TTap|Lieviujvo(g. 5 KTTicrijLievou(;.
In jedem Falle können die einzelnen Reliefs und Inschriften, nach
der ziemlich gleichartigen Ausführung der Ersteren, sowie der Ueber-
einstimmung in der Form der Buchstaben und Kränze zu schliessen,
zeitlich nicht weit von einander abliegen. Die Entstehung dieses
wie der anderen Sarkophage wird man etwa innerhalb der zwei
Jahrhunderte um Christi Geburt ansetzen dürfen ^^).
An der linken Schmalseite befindet sich noch ein Relief mit
der oben S. 174 unter b aufgeführten Darstellung. Darunter in
einem Kranz, ganz undeutlich :
K A A A I N I KaXXivi-
miT \H [ktii?...]
O) k 6 (?)
Sarkophag B (Taf. VIII). H. 0-775, L. 189, D. 0-93. —
]) In einer Aedicula, deren oberster Balken beiderseits wie bei
Holzconstruction unten einen viereckigen Ausschnitt zeigt ^'^), steht
Apollonios im Himation, wie im Gespräch mit dem kleinen Sklaven
rechts. — 2) Bild des oben S. 172 erwähnten Typus. Unter dem
Stuhl Korb (oder Vase?). — 3) Figur im Himation, in der erhobenen
R. etwa Lanze (dann nur die Spitze plastisch angegeben) , die L.
vor der Brust. — 4) Doppelt bekleidete, anscheinend weibliche
Figur, beide Arme gesenkt. — Oben bei 3 spitzer, bei 4 runder
Giebel, im Feld beidemal Rosette.
**') Müssiges Iota steht in 0eoTi|iri, ßouXri, i'ipuüujv (vgl. Ritschi, opiucula I
S. 782). S. auch B, Nr. 2.
'') Um und in eine ähnliche Aedicula ist auch die Inschrift Krispis, Mouaetov
II 2. 3 S. 4 n. por]', Olympios, 'AGnvaiov V S. 29 n. 16 verteilt. Des Letzteren
Tafel gibt die Form nicht genau: der vorspringende Unterbau hat zwei Stufen, die
Säulen eine Basis in Gestalt eines einfachen Wulstes und ein ausgeschnittenes
Kapital, der Epistylbalken eine Art Kyma.
181
Unter 1: AeuKioq NöaTiO(; Unter 2: McTicvta
'AttoXXwvio?. XPntJTri xaipe-
Rechts von 2»^):
Tiq cre, Tuvai, TTapiriv uttö ßüüXaKa GnKaTo; nc, ao(i]
guvöv uTxep Tu^ßou (Tä)ua i6b' ä-iXäioev]
„luvTaiLieTaq AuXoi; BaßuXXioc;, ei? e|ue b(e)iHa?
(jTOpYav ctevaov." Ti(; Ti'voq; eiire irdTpav.
5 „Ouvo(i' 'Euapxiba )aoi Gero TMöTpaioq r\ 6' öfi6XeKTpo(;
'ApXinTTTi<i), KXeivdv böHav £ve[i]Kd|uevoi,
av MuKOVot; |uev e'Gpeipe Traipa, ttoXititiv 'ABrivoJV
KeKpOTToq aÜTÖxeuuv bä)uo(; dvaTpdqpeiai." ^^)
Xmpe, Tuvai, Toioub' 6)nocruvTeveT[a]o YeTÜJcra.
10 „Kai av xapexq, ujvGpiuTTe, eprre auv euTuxia<i)".9^)
Sarkophag C (Taf. IX oben), der roheste von allen. H. 083,
L. 1-83, D. 0-95. Beide Seitenflächen glatt. — 1) Männliche Figur
im „Typus" ®^). — 2) Karpas, in kurzem gegürtetem Chiton, hält
stehend in der gesenkten R. einen nicht deutlichen Gegenstand
(Hasen?), in der L. an der Schulter eine Schaufel (? Keule und
auf der Schulter ein Tuch?). R. davon Epiteuxis in Unter- und
schürzenartig gelegtem Obergewand, hebt in der R. Spindel oder
Aehnliches. S. oben S. 177. — 3) Bärtiger im „Typus". — 4) Frau,
Tracht ähnlich wie bei Epiteuxis, steht, die R. gesenkt, die L. in
die Hüfte gestützt. — 5) Frau, das Obergewand als Schleier auf
dem Kopf, sitzt nach r., das Kinn auf den r. Arm gestützt, in der
L. etwa Spindel. Unter dem Stuhl Korb. — 6) Mann im „Typus",
1. kleiner Sklave aufschauend, Hand am Kinn; r. sitzt nach 1. Frau
auf Stuhl mit Schemel, Hand am Kinn. — Unter 2:
KapTTd<; *E7TiTe[uHi(;]
OiXriTou. OucTia?.
Sarkophag D (Taf. IX unten). H. 0-72, L. 1-87- 1-92,
D. 0-97. Die Ausführung der einzelnen Reliefs ist hier besonders
ungleich, am rohesten sind 5 und 6 ; auch die Schrift ist sehr ver-
schieden. Die Reliefhöhe beträgt 0-011; 0-045; 0 003; 0016; 0'016;
»ä) Vgl. das ähnliche, gleichfalls einer Parierin (aus der Familie von A?)
geltende Epigramm Kaibel Nr, 218.
9*) Vgl. Inschriften griech. Bildh. Nr. 62.
9») Unter 3, respective 4 steht nach Krispis: 3) Kä|LiaTO<; 'EXeuGepiou ;
4) Tyiö AcuKiou.
182
0*025. — 1) Kalliope sitzt nach 1., mit der L. einen Vogel haltend,
mit der R. eine Rolle (?) hebend. — 2) Agathe sitzt in reicher
Gewandung ^^); r. fast gleich gross eine Dienerin, wie zu ihr spre-
chend. — 3) Aehnlich sitzende Frau, 1. kleine Dienerin, Hand am
Kinn. — 4) Ammia , auch diese ähnlich , r. kleine Dienerin , ganz
en face, auf beiden Händen ein Kästchen präsentierend. — 5) Rufion
steht in kurzem gegürtetem Gewände mit Mantel, der vorn drei-
eckig herabfällt, die L. vor der Brust, mit der gesenkten R. etwa
eine Traube tragend. — 6) Typus c (oben S. 174), eine kleine Die-
nerin von 1. legt die R. an das Tischchen.
Unter 1: KaWiOTTTi. Unter 2: 'AyttGri xPHö'llTri xaipe.
„ 4: 'A|ujuia Tpoq)i)uri<^. „ 6: OdWoucra Tpocpi'iLiri?")-
., 5: 'Pouqpiujv Eübeiuujv.
EuTTÖpou. EubaijLiujv.
Von der letzten Inschrift war zuerst anscheinend bloss Z. 3 vor-
handen.
Auf der linken Nebenseite rohes Relief des Typus c (oben
S. 174). Darunter, undeutlich:
e p ^ I T (?)
oc
Hier möchte ich auch ein im Hause des Lehrers Olympios
in der Höhe des ersten Stockwerkes eingemauertes Relief anfügen,
dessen Darstellung ich freilich auch mit verschärftem Auge nicht
sicher auszunehmen vermochte. In viereckig eingetieftem Felde
steht 1. ein Mann in Vorderansicht (1. Standbein), bekleidet mit
Himation, welches die r. Brust frei lässt, die R. gehoben, die L.
vor der Brust. Rechts von ihm schreitet eine kleine, anscheinend
nackte Figur weg, umblickend (?), die L. an der Brust, die R. mit
Schale (?) gesenkt. Die rauhgelialtene Fläche rechts von dem Bilde,
welche die grössere Hälfte des Steines, soweit er sichtbar ist, aus-
macht, gestattet vielleicht, denselben als das Stück (die Neben-
seite?) eines Sarkophages wie die eben beschriebenen zu denken.
Von einem Sarkophag mit mythologischer Darstellung, und
zwar jener des Achilleus auf Skyros, rührt das auf Taf. VI, 3 ab-
*^) Das sehr bäulig verwandte Motiv (vgl. z. 13. Dütschke IV Nr. 428. 636.
wird in letzter Linie auf ein Vorbild wie die Tyche von Antiocheia zurückgehen)
*'; Nennung nach der Mutter auch S. 175, 3.
183
gebildete Fragment bei Herrn Russos her. Erhalten ist der Ober-
körper des nach 1. eilenden Odysseus^®), welcher, die L. am Schwerte,
mit gespannter Aufmerksamkeit den in der Mitte des Bildes sich
abspielenden Vorgang verfolgt. Von einem nach links geführten
Pferde ist über seiner 1. Schulter noch ein Stück des Kopfes, von
dem es am Zaume führenden Griechen der r. Daumen erhalten.
Nicht deutlich ist das runde Stück über Odysseus r. Schulter,
vielleicht ein Helm oder eine pralle menschliche oder tierische Form.
— Hochrelief. H. und L. noch 035, D. im Ganzen 0*155, der
Platte allein 0'07.
Auch ein auf dem Grundstück des Herrn Frangopulos"^ tö'
GöXo' unmittelbar vor der Stadt neben einer zerstörten Kirche lie-
gendes Fragment dürfte dem oberen Teile eines Sarkophages an-
gehört haben. Zwischen zwei Leisten lesbisches Kyma mit abwärts
gekehrten Akanthosblättern , von der Darstellung darunter nur ein
Kinderkopf erhalten, die beiden ungleich weit ausgestreckten Hände
mit aufwärts gekehrter Innenfläche wie stützend an die Randleiste
gelegt; r. vom Kopf anscheinend Stück eines Flügels, davor r. etwa
in der Mitte des Unterarmes ein undeutlicher Gegenstand. — H. noch
0-28, L. noch 0-97, D. 0-16.
Von einer Anzahl meist unbedeutender Terracotten seien
hier nur einige kleine Masken im Besitze des Herrn Michail Della-
grammati mitgeteilt. Ein Paar Löcher, wel-
ches sich bei allen — die eine zerstörte aus-
genommen — auf der Rückseite vorfindet,
beweist, dass dieselben zum Aufhängen be-
stimmt waren ).
Von der schönsten und grössten (H. 0*1 15)
lassen wol die Skizzen Taf. V, 3 und Fig. 17
alle Details ersehen. Sie ist bis auf ein Stück
des Halses und der Locken und das 1. Ohr
vollständig. Die im Original ungemein an-
ziehende Lebhaftigkeit und Munterkeit des F'?- i'
Gesichtsausdruckes ist mit grosser Feinheit namentlich durch den
offenen Mund und die wirkungsvolle Durchbohrung der Pupillen
erzielt. Mit gleicher Verve sind Kopfputz und Haar disponiert,
^*) Ziemlich nahe kömmt der Odysseus des Pariser Sarkophags Clarac II
pl. 112, 241 = Wiener Vorlegebl. B, Taf. VII, 2.
99) Vgl. Robert, Mitt. d. athen. Inst. III Taf. II S. 83 ff.
184
für deren Anlage sich Analogien mehrfach an Terracotten finden.
Die auf einem dünnen Ueberzug (Pfeifenton) aufgetragene Bemalung
ist nicht mehr bestimmt im Einzelnen zu verfolgen. Die Löcher
zum Aufhängen befinden sich unter dem am Wirbel aufgesteckten
Zopf (in den Skizzen nicht sichtbar).
Eine zweite, tragische Maske, die unbemalt war (H. 0'095:
nur Kopf, ohne Hals) , ist auch rückwärts ganz geschlossen und
unten wagrecht abgeschnitten. Die Augen starren unter hoclige-
zogenen Brauen hervor, das Haar sträubt sich über der Stirne
in die Höhe und fliesst zu beiden Seiten nieder, teilweise ver-
deckt von einer Binde, deren befranste Schleifen r. und 1. herab-
fallen '""). Darüber liegt ein Kranz , bestehend
je aus einer Traube über der Bandinitt.e und
vier symmetrisch nach den beiden Seiten ge-
wandten Epheublättern, welche die Ecken über
den Schläfen ausfüllen. — Von einer dritten Maske
mit borstigem, nach allen Seiten stralenförmig
abstehenden Haar (H. O'IO), gibt Fig. 18 die allein
erhaltene 1. Gesichtshälfte. — Ganz corrodiert sind
Kopf und Hals eines Stieres (H. 008) mit kurzen
Hörnern, der auf der vorderen Fläche des kurzen,
^'^" ^^ kräftigen Kopfes über der Schnauze und in der
.Mitte der Stirne einen linsenförmigen Ansatz*"') hat. Die zwei Löcher
befinden sich am Nacken.
Auch ein Paar goldener Ringe von einer nicht ungewöhn-
lichen Form '<>'^), deren einen Taf. V, 4 zeigt (L. 0'025) , seien er-
wähnt, obwol sie nicht aus Paros stammen, sondern nach Angabe
des Besitzers, Herrn Panajotis Dimitrakopulos, von dessen Gross-
vater auf Delos gefunden wurden. Von den zwei Perlen schien
mir die obere aus einem grünen Stein zu bestehen, die untere ist
schwarz mit weissem Querband (ob Achat?). Zwei Doppelreihen
"">) Aelmlich z, B. v. Roliden, pompej. Terracotten S. 13, 8; 14, 9; 33,23;
T;if. XIV 1 ; XV 3 u. a.
"") Vielleicht Rosetten, etwa wie bei dem Kopf von Mykene, Scliliemann,
Mykcnae Nr. 327 f.
""j Z. B. Expedition dt Morde 111 Taf. 1'.», W \, Antike Denkmiiler des In-
stituts 1 Tüf. 1-2, 15. 19. 21. Foutenay, lea bijoux anciens et modernes S. 104 bringt
gegen die Vurwendung als Ohrringe Bedenken vor, die auch für das obige Paar
zutreffen.
185
kleiner Buckel fassen das breite Ende des gekrümraten Schuftes ein,
auf welchen der Länge nach verlaufende feine Stege aufgesetzt sind.
Als Anhang mögen hier einige Inschriften Platz finden,
die ich anderwärts noch nicht mitgeteilt fand '"^).
Nr. 1, welche ich in der Ecke des Herrn Markos K. Damias
gehörigen Hauses eingemauert unter einer dichten Tünche entdeckte,
ist 0-205 hoch, 0-425— 0-535 lang, 0-495 dick, die Buchstaben bis
0*024 hoch. Die durch längere Zeit wiederholte Waschung hat den
Kalk nicht ganz entfernt, doch schien mir sicher, dass keine weitere
Zeile fehlt; wahrscheinlich war auch Z. 3 links frei. Z. 1 war der
erste erhaltene Buchstabe wol E, obgleich auch 3E denkbar wäre,
der letzte M. Durch Zuschneiden des Steins "*^) sind in Z. 1 etwa
drei, Z. 2 zwei Buchstaben verloren gegangen, die anscheinend den
Beginn der zwei Verse des Distichons enthielten; der des vermut-
lichen Hexameters Vs. 3 hätte, wenn das oben Bemerkte zutriflft,
noch in Z 2 gestanden. Die Schrift, die man sich für A (mit
schrägem Mittelstrich), P (die Schlinge bis hinab gezogen), t, il
etwa nach Inschr. griech. Bildh. Nr. 1, für die anderen Buchstaben
nach Nr. 40 vergegenwärtigen kann '°^), weist auf jüngere Zeit als
Inschr. gr. Bildh. Nr. 6 oder Inscr. gr. aiit. Nr. 401, immerhin dürfte
die Inschrift nicht weit unter das sechste Jahrhundert gehören "'®).
Nr. 2 fand ich in Tschipidi (s. S. 150) als Schwelle eines
Hauses (Tii(; KußepvnaeujO- H. 0-49, L. 0-32, D. 0-08, Buchst. 0-016 h.
Rechts und unten Rand; in dem freien Räume unter Z. 10 (H. 0*32)
sind noch fünf horizontale Linien schwach vorgezeichnet. In Z. 10
folgte nichts mehr. Das abgebrochene 1. Stück sollte noch vor-
handen sein, konnte aber nicht aufgefunden werden ; dasselbe wird
jedoch schwerlich zur Ergänzung ausgereicht haben. Erhalten ist
anscheinend nur der Schlussteil, der Strafbestimmungen vorschreibt
'"') Die Inschrift Le Bas II 2062 steht auf einer oben und unten einfach pro-
filierten, oben ausgehöhlten viereckigen Basis (H, 0-39, L. 0-75, D. 0*56) bei Herrn
Nik. D ellagram mati. Z. 1 ist ^TPATHrOl, Z. 5 *ANIS, Z. 10 PA^IKAH^ (ver-
druckt) zu lesen; durchgängig P. Schrift guter Zeit, etwa 3. Jahrh.
"'^) Die obere Lagerfläche konnte ich, da der Stein verkehrt eingemauert ist,
nicht untersuchen. Die Kante scheint Schnittkante zu sein.
"') Auch an Inschr. gr. Bildh. Nr. 48 erinnern H, O, M, t, XL, sowie die
Gesamthaltuiig.
'"8; H hat doppelte Geltuu.- ; vgl. Kirchhuff, Studien ' S. 82,
186
für, wenn ich richtig fasse, Beschädigung von Pflanzungen in einem
heiligen Bezirk; a]s die mit der Ueberwachung und Ahndung be-
traute Behörde erscheinen Theoren '"'). Orthographie und Schrift-
form lassen die Inschrift '""*) wol schwerlich später als das fünfte
Jahrhundert ansetzen, ich halte es sogar für möglich, dass sie in
dasselbe ziemlich hinaufreicht, da der Schriftcharakter noch viel
Altertümliches hat'"^).
Nr. 3 steht auf einer grossen, schön gearbeiteten, viereckigen
Basis bei Nikolaos Montanos, unten mit einfachem Ablauf, oben
in antiker Weise viereckig ausgehöhlt. H. 0515, Br. 073 (Schrift-
feld 0"43 X 0'65), D. 0"56. Leider ist die Inschrift fast ganz zer-
stört; der zweite Buchstabe Z. 2 lässt sich mit ziemlicher Sicher-
heit als * erkennen, vom achtletzten ist nur der Rest der Vertical-
haste vorhanden, der auch nach dem Abstand von I wahrscheinlich
T war. Die Ergänzung: 'A(pp[obiTr) tJiiuouxlu, welche ein, soviel ich
sehe, bisher nicht belegtes Epitheton der Göttin enthalten würde,
scheint den Raum nicht ganz zu füllen. — Schrift etwa des zweiten
Jahrh. vor Chr.
Nr. 4 lag vor dem Hause des Nikolaos St. Zumis in die Erde
eingegraben ; die Schriftfläche wurde von mir freigemacht. Grosse
Buchstaben (0-018 h.) römischer Zeit. — Das Fragment Nr. 5, in dem
den Kapuzinern von Naxos gehörigen Hause nahe der Hekatonta-
pyliani eingemauert (H. O'IT, L. O'SO) , scheint nach den in ver-
schiedener Grösse und Schrift darauf geschriebenen Namen an einem
öffentlichen Orte (als Bankplatte?) angebracht gewesen zu sein. —
Nr. 6 steht auf einem kleinen profilierten Grabstein (H. 0*17,
"") Zu den öeiupoi in Mantineia und Tegea vgl. Gilbert, griecli. Staatsaltert.
II S. 328.
"*) Dieselbe erinnert mit den fein eingestochenen Buchstaben an Inschr. gr.
P.ildh. Nr. 62.
"") Die Zeilen stehen sehr enge aneinander , der dritte Schenkel des nicht
zu Boden reichenden H geht bisweilen noch etwas schief, die drei Horizontal-
striche sind in E ganz, in 3E fast gleich lang, das XL ist ziemlich klein und weit
geöffuet, V hat geschwungene Schenkel, bei P geht die Schlinge über die Mitte
der Verticalh.iste hinunter, die selber etwas unter die Zeile reicht. Der letztge-
nannte Buchstabe ist genau so in der überhaupt (auch in der Form des Sigma: f.)
ähnlichen Inschrift Jnscr. gr. ant. Nr. 406, die vor der Schwelle der Kirche der
Panagia Marmariani zu Marniara liegt: Grosser Pfeiler (Br. 0'46, D. 0-105), das
Schriftfeld mit den grossen Buchstaben (OOSf) — 0-04.'3) liegt etwas vertieft, die Fläche
darunter (H. 1-25) ist rauh gehalten. Der Stein soll vor etwa 25 Jahren in einem
der benachbarten Höfe gefunden worden sein ; die umliegenden Felder gelten als
Stelle eines Artemisheiligtums.
187
Br. 040), oben mit oblongem Zapfenloch, in der Christoskirche zu
Tschipidi. — Nr. 7 auf einem einfachen viereckigen Block mit Ein-
satzloch in einem Garten ausserhalb der Stadt^'").
Nr. 1
'EMEPYOO^AXCHil.v, l
/HMAKACIA/VHTHIPAPO)
OYAATPil^AP
Etwa: "Eve*] e^e TTuGOuvaS 6 M- — v^
(iv]fi)ua Ka(yi[T]vr|Tri TTap6[ev ^
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10
Nr. 2
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(TJxeTuu TÖ fiiuiau, TÖv be v. .
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. . ,?ed]v TlVa lb»l KÖTTTOVT[a] TT[d]p T. .
.... e]KYivd)ueva KaTep[ei]v irpöc; T[ouq
10 ? 6€uupou<g TOu](; Qeujpovc,.
Nr. 3
© P A <. ///////////////////////// ^ N o .
A*P/////////////////. IMOYXill
") A hat gekrümmten Mittelstrich.
188
Nr. 4
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Tfi<; evcKev [Km eü-
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'EpM[ri] Ktti 'Hpa[KXei.
Nr. 5
Nr. 6
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'^ I 1 <j) P O N O 7
n
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ZuüKpaTeiai;.
Nr. 7
EY rPAZIo^
Ei)7TpdBo(;.
Wien EMANUEL LOEWY
Ein Grabepigramm aus Lydien
von sehr eigcL artiger, frisch-heiterer Färbung, auf dessen Resti-
tution der Herausgeber (G. Radet im Bulletin de corr. hell. XI 477)
verzichtet hat, lässt sich zum Theil wie folgt herstellen:
i(K)oaTÖv TTpuuTov TrXr|p(uJv ä)Toq rjjuaaiv eTrrd
tck; (dqp)aveT^ dTpdTrou(g ei^ 'Aib(riv Ka)Te(ß)r|v.
eijui be Tiq MaK(eb)ijuv irdvTUJv qpiXo«;, oiibev(6q eK9)pö(;,
TtpiJUTa 7TaXai(jTpe(iTri)(^ eita Kai euT(p)dTreXo(^).
5 ao)i (?) Trdcrai? Moucrai^ 7Tecp(iXri)M^v(a)>i ou(bevöq) euxriv
TnO (?) dTaGn? U^uxfKq |u)€()n)v(r||u)evoi ibq ev 6veipoi(?-
10 K)oivö(q T)d(p 6)vri(T)aJV ecrxi (9e)ö(S 0dvaTO(;.
Zu V. 4 sei bemerkt, dass dieselbe Verbindung bei Plutarch,
Quaest. renn. 40 (Mor. 274'') vorkommt: uqp' iLv eXaGov ^Kpuevre?
TU)v öttXuuv Ktti df aTTr|cravTfc(; . . . t ü T p d TT fc X 0 1 Kai TraXaicTTpiTai icai
189
KaXoi Xe'TeaOai. — V. 5 schimmert der Gedanke durch, dass der
Verstorbene durch seinen Tod niemandens Wunsch erfüllt hat. Ob
(joi — 7T€(piXri)uev<uu>i, oder oi — Tr€(pi\r||uevi = (irecpiXnMevoi) oder
endlich mit unstatthaftem Hiatus Kai — 7TecpiXriMev(e) zu schreiben
ist, wird sich schwerlich entscheiden lassen. In der lückenhaften
Partie sind einzelne Worte, wie )aevToi, lurjöe, (e)(JTti(7avT(o) erkenn-
bar, das letztere zweifellos auf die Errichtung des Grabdenkmals
bezüglich.
V. 9 drückt im Zusammenhang mit dem nicht mehr zu ent-
räthselnden V. 8 offenbar den Wunsch aus, die zurückbleibenden
Kameraden mögen der ehrlichen Haut, des frohen Turn- und Zech-
genossen treu, aber ohne heftige Trauer gedenken, sich von seinem
Bild heiter umschweben lassen, wie man von Traumbildern um-
gaukelt wird. Steckt in KAU V. 8 etwa Kda(7Taaiujq)? V. 10 ist
vom Her. also wiedergegeben worden:
OINO.TAcDONHIQNEITIO
OI0ANATOI
Zu dem Vers vgl. Kaibel Nr. 35,6: KOivoq— Ta|iia(;; 404, 2:
KOivöq— -bai|iujv u. a. (Ist nicht, nebenbei, 266, 1 der Abklatsch
eines besseren Originals: koivöv iboöcja cpdo^ koivöv e'xuj tö TeXoq?)
Einer zwiefachen Nachhilfe bedarf das ebendas. p. 461 mit-
getheilte Epigramm. Am Ende von Z. 5 ist nämlich ohne Zweifel
ein T unlesbar geworden und nicht ouvo|li' sondern Touvofi' zu
schreiben, wodurch der Hiat beseitigt und die Phrase sprachrichtig
wird (vgl. z. B. 563, 1 Kaibel: Touvofia Ounpav). Desgleichen war
das Schlusswort sicherlich eßr|, nicht eai(e), mag nun I statt B
verlesen oder irrthümlich eingemeisselt sein. So haben denn die
von Hrn. Radet im übrigen richtig behandelten vier Verse also
zu lauten :
TTaipoc; }JLe.\/ 'ApTd)aujvo<; i|lii AuKibeuu?
Ktti MnTpöq 'A|U|uioio, (t)ouvo|ii' 'ApTe)uujv
edqjev b' äbeXcpöq 'ApxeXaoq aüj|u' £MOV,
ip)uxd be ineu rrpög daipa Kai 9eou<; e(ß)n-
TH. G.
190
Zur Troilosschale des Euphronios
Das freundliche Entgegenkommen des Sindaco von Perugia,
Herrn Comm. T. Berardi, sowie der Directoren des städtischen
Museums daselbst, der Herren Graf Rossi-S co tti und L. C a-
rattoli, ermöglichte es mir im verflossenen September, die von
Miss Harrison in dem genannten Museum wiederaufgefundene Troilos-
schale des Euphronios^) näher zu untersuchen und neu zu zeichnen '*).
Als ich die Vase, halb verdeckt vom Rahmen der Vitrine, in nicht
ganz vorwurfsfreier Umgebung und mit der Fundetiquette „Tarros,
Sardegna" gewahr wurde, wollte ich im ersten Augenblicke an eine
moderne Copie denken; doch überzeugte ich mich bald, dass es
in der That das Original sei, welches die Verwaltung des Museums
vor wenigen Jahren mit anderen, zum Theil aus Tarros stammenden
Stücken aus dem Besitze des nach Afrika versetzten Obersten
Begni erworben hatte.
Die aus zahlreichen Fragmenten zusammengesetzte Schale ist
in überaus roher Weise restaurirt. Nicht nur sind die Zwischen-
räume zwischen den einzelnen Scherben wie die ergänzenden Füll-
stückchen mit einem rothen oder schwarzen Firnis dick überschmiert,
der auch die Zeichnung nicht verschonte und selbst nach versuchter
Waschung mit Spiritus nicht immer die Begrenzung der Stücke
sicher verfolgen Hess, sondern es sind mehrfach antike Stücke mit
neuer Zeichnung versehen worden. Von diesem Verfahren sind im
Innenbilde am Achill nebst einem Stückchen der r. Achselklappe
hauptsächlich der untere Theil des kurzen Chitons , der r. Ober-
schenkel und Fuss — von Letzterem glaubte ich noch eine schwach
eingerissene Spur der Fersenlinie zu erkennen — betroffen worden ;
am Troilos fast das ganze 1. Bein , die Altarvolute mit dem be-
nachbarten Stück Gewand, der Gewandtheil am Hals, besonders
aber der Kopf, an dem nebst dem grössten Theil der Wangen-
linien auch der Mund und der linke Halscontour überfahren sind,
eine Entstellung, die sich noch dadurch erhöht, dass die ins Ge-
sicht fallenden Löckchen abgesprungen und links eine Lücke un-
geschickt unten schwarz, bei den sich kreuzenden Händen roth
•) Vergl. Klein, Meistersign.» S. 222.
') Sie 8oll danach in einer der nächsten Serien der „Wiener Vorlegeblätter"
reproducirt werden.
191
überschraiert ist. Obwohl dieser modernen, sehr schlechten Ueber-
zeichnung, die mit Ausnahme von Troilos 1. Fusse der begreiflicher-
weise nicht allzukräftigen Waschung widerstand, vielfach Spuren
antiker Risslinien zu Grunde liegen mochten, sind sie in der
Zeichnung doch weggelassen worden, da sich diese auf strenge
Wiedergabe alles Echten beschränkte. So entfallen auch als er-
gänzt: Im Innenbilde am Achilleus das r. Stück des Panzers bis
zu den Pteryges, die untere Hälfte des 1. Armes, der halbe r. Unter-
schenkel mit einem Stück des Schildes , am Troilos r. Arm und
Schulter, sowie bis auf einen schmalen Saum oben und unten die
rechte grössere Hälfte des Gewandes nebst dem anstossenden Stück
des Altars. Auf den Aussenseiten sind ausser den bereits bei Ger-
hard, auserl. Vasenb. IIL Tf. CCXXIV f. angegebenen Ergän-
zungen alle Theile antik; nur klaffen in A (nach Klein, Meister-
sign.'^ S. 141 f. Nr. 8) an den Pferden durch die Köpfe, an dem
Handpferd auch durch den Unterleib, in B durch den Helm, wel-
chen der Jüngling r. herabholt, die Füsse der beiden Mittelfiguren,
den 1. Arm und die Brust des anderen Jünglings die auf erwähnte
Weise verschmierten Fugen. Dagegen hat aussen das Abspringen
der schwarzen Farbe um die Silhouetten und in den Linien der
Zeichnung^), welches im Innenbilde fast nur die r. Schulterlocken
des Achilleus zerstört hat, so weit um sich gegriffen, dass in A
Oberkörper und Kopf des Troilos ganz verloren, die Palmenkrone
nebst dem Schwanz des Handpferdes aber, gleichwie in beiden
Bildern sämtliche Köpfe und das Meiste an den Gewändern nur
in sehr schwachen Risslinien erhalten sind, welche ich, da sie zum
Theil nur mit grösster Anstrengung und bei scharfer Beleuchtung
zu erkennen waren , mehr nachzeichnete als bauste. Diese im
Doppelcontour wiedergegebenen Risslinien gehören wenigstens theil-
weise, wie am r. Arm der bärtigen Mitteltigur von B und vielfach
an den Gewandfalten zu entnehmen ist, der Vorzeichnung an, da
die erhaltene Ausführung davon abweicht; in den meisten Partien,
so besonders den Gesichtern , deckte sich allerdings die definitive
Zeichnung damit. Die auf- und absteigenden Contouren der Gewand-
säume verrathen nebenbei eine sehr flotte Hand, die sieh offenbar
mit diesem mechanischen Detail rasch abfinden wollte.
') Die Begrenzung dieser abgesprungenen Theile des Firnisses ist um die
I'jgtiren durch zitternde Linien angegeben.
192
Dass für die Zeichnung Gerhards*), welche jene Unterschiede
nicht hervorliebt, die Vase noch in besserer Erhaltung des Vor-
handenen vorlag, ist möglich: dass vollständiger, bezweifle ich
trotz der Hervorhebung einiger Ergänzungen — übrigens nicht
durchaus in correcter Begrenzung — und trotzdem im Innenbilde
bei Achill von dem oberen Ende der Schwertscheide oder dem wohl
auf Missverständnis beruhenden Klappeuende unter der 1. Schulter
heute nichts zu sehen ist. Andrerseits lässt aber die Abbildung
Gerhards Dinge, die noch jetzt zu erkennen sind, wie das u in
uvKoz^) oder das gehobene r. Vorderbein des einen Pferdes, ver-
missen, sowie sie den Panzer des Achilleus in A, das Ortband am
Schwert des ersten, den Helm des zweiten Jünglings in B nicht
treu wiedergibt, Schwierigkeiten begegnet die Annahme, dass die
keinen wesentlichen Punkt betreffenden Abweichungen vom Original
lediglich Ergänzungen in der Zeichnung sind — die Falten in dem
Chitonbausch auf A und B gehen sicher auf die in blassen Strichen
erhaltenen des bärtigen Kriegers in der Mitte von B zurück —
nirgends; vielmehr beruht in den als unantik bezeichneten Theilen
des Kopfes von Troilos, der Beine von Achill und Troilos in / die
Zeichnung unverkennbar auf dem gegenwärtigen Zustande, nur die
elenden Füsse sind etwas verbessert. Ebenso liegt dem Ueber-
schlag am Chiton des Troilos sicher die eigenthümliche schuppen-
artige Abgrenzung eines oberen und unteren Theiles zu Grunde,
die sich heute an jener Stelle vorfindet. Die Begrenzung des Er-
gänzten ist übrigens dort am schwierigsten und auch darin die
Zeichnung aus dem jetzigen Zustand heraus verständlich.
Die Backenlasche und die künstlichen Haarbuckel an dem Helm
des Achilleus im Innenbilde sind in feinem Relief gebildet, welches
jetzt bloss die rothe Thonfarbe zeigt ; nur an der Backenlasche sind
Reste schwarzer Zeichnung erhalten. Auch bei dem eingesetzten
rechten Pterygesfragment besteht eine solche Erhöhung des oberen
Theiles, doch ist derUebergang zu den Gewandfalten ein allmählicher.
Ebenso bleibt es unsicher, ob in B an der Hackenlasche des bär-
tigen Kriegers in der Mitte das gleiche Verfahren zu erkennen sei.
V^ien, 14. November 1887 EMANUEL LOEWY
') Dieselbe lag mir bei Anfertigung der Banse nicht vor.
*) Derselbe Name, vereinigt mit dem des Panaitios, findet sich auch auf dem
Bilde einer Ilachen Schale des Duris in dem Museum des Grafen Faina zu Orvieto
(Inv. Nr. 70), wovon ich gleichfalls eine Bause zur Veröflfentlichung genommen habe.
193
Studien zur griechischen Malergeschichte
I
Die sikyonische Schule
Auf die Frage, wer die Malerei erfunden habe, gab es im
Alterthum verschiedene Antworten. Nach Aristoteles war es ein
Verwandter des Dädalos, Eucheir mit Namen, und Theophrast hat
auch gewiss hierin seinem Lehrer nicht widersprochen, wenngleich
Plinius so berichtet '), als habe er in directem Gegensatze zu ihm
Polygnot, für dessen Würdigung gerade Aristoteles das Beste that,
diese That zugesprochen. Das ist sicherlich ein Missverständniss.
Theophrast mag wol gemeint haben, dass die Malerei erst bei
Polygnot anfange, eine Anschauung, mit der er weder in alter noch
in neuer Zeit allein steht, aber für das, was Plinius ihm zumuthet,
ist er gewiss nicht haftbar^). Des Aristoteles Eucheir weist uns
nach Korinth, wo wir von einem Töpfer und einem Bildhauer dieses
Namens aus der Urzeit hören, oder in das benachbarte Sikyon, wo
die Söhne des Dädalos ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatten. Dazu
stimmt des Plinius Angabe 35, 15: Graeci autem alii Sicyone alii
Q'pud Corinthios repertam {sc. piduram adfirmant), omnes umbra ho-
minis lineis circumdiicta. Diese Schattenmalerei, die Plinius Linear-
malerei nennt, soll entweder der Aegypter Philokles oder der Ko-
rinthier Kleanthes erfunden und Aridikes von Korinth und Tele-
phanes von Sikyon zuerst ausgeübt haben. Der Aegypter mit dem
famosen Namen Philokles ist nicht das einzige Wunderbare in dieser
Notiz, doch da er in der genannten Gesellschaft besonders auffällt,
darf man ihn zunächst etwas genauer betrachten. Er hängt sicher-
lich irgendwie zusammen mit der von Plinius im selben Satze ver-
worfenen Angabe, dass die Aegypter die Malerei sechs Jahrtausende,
ehe sie nach Griechenland kam, erfunden haben wollten. Die Frage
ist nur, in welcher Weise. Urlichs meint, man habe Philokles für
einen aus Aegypten eingewanderten Sikyonier gehalten, aber das
') VII 205. Der Lyder Gyges, der unter gleichem Anspruch seine Erwäh-
nung in Brunns Künstlergeschichte II S. 5 u. 6 gefunden hat, gehört nicht hieher.
Die betreffende Stelle lautet: pilam lusoriam (invenü) Gyges Lydus, picturam
Aegypti et in Graecia Euchir Daedali cognalua ut Aristoteli placet, ut Theophrasto
Polygnotus Athenienais.
') Vergl. Studniczka, Jahrbuch d. arch. Inst. 1887 S. 153.
Archäologisch-epigraphisclie Mitth. XI. 13
194
erklärt den hellenischen Namen nicht, wie das Beispiel des Vasen-
malers Amasis zeigen mag, den man ja jüngst mit grosser Wahr-
scheinlichkeit für einen nach Athen eingewanderten Afrikaner
erklärt hat. Fast das gerade Gegentheil hat mehr Anspruch auf
Glaubwürdigkeit. Die Funde in Naukratis, die uns den Nikosthenes
auf ägyptischem Boden vertreten zeigen, lassen uns vermuthen,
dass hier auch einmal ein archaisches Werk mit dem Künstler-
namen Philokles zu sehen war. Das musste dann zum Beweise
dafür herhalten , dass , war die Malerei schon einmal in Aegypten
erfunden, sie doch auch dort von einem Griechen erfunden wurde.
Unser Philokles braucht aber deswegen seine hellenische Heimat,
sei sie nun Athen , sei sie Sikyon gewesen , niemals verlassen zu
haben.
Die zweite Sonderbarkeit der plinianischen Stelle ist die, dass
weder Philokles noch Kleanthes von ihrer wichtigen Erfindung Ge-
brauch machen, sondern dass dies Aridikes von Korinth und Tele-
phanes von Sikyon vorbehalten bleibt. Die haben zwar daran etwas
verbessert, und diese Verbesserung wird uns als weitere Sonderbar-
keit noch zu beschäftigen haben, aber das ändert an der merk-
würdigen Enthaltsamkeit ihrer Vorgänger nichts. Auch mit einem
operativen Eingriff ist der Stelle nicht zu helfen. Michaelis Vor-
schlag, für exercuere excoluere zu setzen^ oder gar Overbecks exa-
cuere haben mit Recht keine Zustimmung gefunden. Zu dem alii
Sicyone alii apud Corintliios gehört das korinthisch-sikyonische Paar
so eng wie möglich, es ist geradezu auf sie gemünzt, und das frimi,
das doch nur vo^ dem exercuere bleiben kann, zeigt uns nur noch
deutlicher, dass auch sie als die eigentlichen Erfinder galten und
dass wir hier einen Compromissversuch vor uns haben, wie er nicht
leicht einfältiger gedacht werden mag. Aber Plinius erzählt ja an
einer anderen Stelle dieselbe Geschichte unter anderen Namen.
Butades und Tochter machen dort auch die grosse Erfindung, den
Schatten eines Menschen nachzuzeichnen. Butades macht sie, ob-
gleich er Sikyonier ist, zu Korinth, offenbar aus Gefälligkeit für
die Rechtsansprüche der beiden Städte, und doch erfinden Philokles
und Kleanthes, Aridikes und Telephanes dieselbe Sache. Ja, aber
Butades hat den Schatten gebacken und deswegen gehört er in ein
anderes Fach und stört hier nicht weiter. Wir werden freilich bald
auf ihn wieder zurückkommen müssen.
Und nun zur dritten Sonderbarkeit. Die grosse Erfindung,
die stets durch Umreissen eines Schattens gemacht wurde, war die
195
Linearmalerei. Ziehen wir unsere monumentale Ueberlieferung zu
Rathe, die doch heute zum Mindesten so hoch hinaufreicht als zur
Zeit des Plinius und seiner Gewährsmänner, so erhebt sie gegen
die Theorie von der Priorität der farblosen Zeichnung gebieterisch
Einspruch. Denselben zu entkräften, daran hat man begreiflicher
Weise nicht gedacht^), aber jüngst hat Robert den Versuch ge-
macht, ihn zu umgehen. Er meint, da von Kleanthes wenigstens
Bilder noch bei Strabo und Athenäus ausführhcher erwähnt werden,
so sei es höchst unwahrscheinlich, dass der griechische Autor der
euprijuaia, den er für den Gewährsmann des Plinius hält, „zur Aus-
füllung seiner Rubriken beliebig archaische Künstlernamen ver-
wandte", und vermuthet, die Erklärung für seine befremdlichen An-
gaben sei in dem damaligen Zustande der Bilder zu suchen. Zur
schlechten Erhaltung sei vielleicht noch schlechte Aufstellung und
schlechte Beobachtung hinzugekommen, bis denn keine iSpur von
Farbe mehr erkennbar blieb. Besonders dankenswerth scheint es
mir nun zu sein, dass Robert dadurch, dass er selbst die letzten
Consequenzen seiner Hypothese zog, seine Gegner der Mühe ent-
hob, ihn auf diesem Wege ad absurdum zu führen. Er fügt dieser
Auseinandersetzung die Vermuthung hinzu, dass die Bilder der
plinianischen Monochromatiker „Gemälde schwarzfiguriger Technik
waren, von denen im Laufe der Zeit die rote und weisse Deckfarbe
abgesprungen", und dass ferner die weisse Farbe der Frauen erst
bei Eumares zu halten angefangen habe. Aber ein Problem hätte
doch noch der Erklärung bedurft. Wie kam man denn bei diesen
Umrisszeichnungen auf die Vorstellung, dass sie reproducirte Schatten-
bilder seien? So falsch diese Vorstellung auch ist, ihre Entstehung,
der allgemeine Anklang, den sie im Alterthum fand, bedarf der
Erklärung. Der schwarzfigurige Silhouettenstii der archaischen Vasen-
und Pinakesmalerei macht sie völlig begreiflich. Dem hat es auch
in moderner Zeit an Versuchen nicht gefehlt, ihn mit dem Schatten
in genetischem Zusammenhang zu bringen, an den er so sehr ge-
mahnt. Vor blosser Conturzeichnung ist ein solcher Einfall wohl
noch Niemandem gekommen.
Plinius ist nicht der einzige Autor, der von der Entstehung
der Malerei aus dem Schattenriss berichtet. Auch Athenagoras
^) Das wurde geschrieben , ehe dem Verfasser der erwähnte Aufsatz Stud-
niczkas vorlag. Warum es nicht geändert wurde, dürfte aus dem Zusammenhange
ersichtlich sein.
13*
196
weiss davon zu erzählen. Leg. pr. Christ. 14: ai be eiKÖve«;, |uexpi
}^)]^T^x} TrXacTTiKri Kai fpa^iKrj Kai dvbpiavTOTTOUiTiKri rjffav, oube evo-
|uiZ;ovTo • Zaupiou be toö Zaiuiou Koti KpdTuuvo<; toü Zikuoüviou kqi KXeav-
9ouq TOÖ KopivGiou Kai KÖp^c, Kopivöiac; e7TiYevo)aevuuv Kai (TKiaYpa9ia(;
pev eupcöeia»]«; uttö Zaupiou ittttov ev i]Km TTepiYpai|;avTO(; * Tpa9iKnq
be Kai KpoLTVJVOc,, ev irivaKi XeXeuKUJiaeviu (Jkiok; dvbpoq Kai YuvaiKÖ(;
evaX€ivpavTO(;. Ich kann in dieser Angabe die Priorität des Zeich-
nens und die Fosteriorität des Malens, die Robert hier wieder findet,
nicht entdecken. Denn dass Öaurias von Samos älter sei als Kraton
von 8ikyon, geht aus der Stelle nicht hervor und ich glaube auch
nicht einmal so viel, dass jener das Zeichnen, dieser das Malen
erfunden haben soll. ZKiaypaqpia bedeutet doch nicht das Zeichnen.
Freilich die Gegenüberstellung Treprfpdil^avToq und evaXeiipavToq
würde das bei einem Kunsischriftsteller deutlich sagen, bei Athena-
goras, der bekanntlich Theodoros aus Milet stammen lässt, ist es
bloss rhetorische Figur. Denn nicht im technischen Verfahren, trotz
der geweissten Tafel, liegt der Gegensatz beider Arten, sondern im
Vorwurfe; der eine malt ein Pferd, der zweite Mann und Weib.
Der Grund ist leicht einzusehen. Die Malerei heisst im Griechi-
schen nicht blos YpaqpiKi'i, sondern auch Z^aiYpacpia, und das "muss
erklärt werden. Wenn unser Autor statt des letzteren cfKiaYpacpia
hersetzt, so wissen wir freilich, dass dies gute und echte Kunst-
wort ganz etwas anderes bedeutete, als er meint, aber wie er darauf
gekommen ist es hier zu verwenden, ist sehr verständlich. Es passt
sehr gut für die Schattenhypothese. Ebenso erklärt ja das Wort
KOpOTiXacTTiKr) die rührende Geschichte vom gebackenen Schatten.
ZoiYpacpia muss aber doch in seiner Quelle gestanden haben, das
ergibt sich auch aus einem anderen Umstände. Es fehlt nämlich
eine Erfindung. Kleanthes, der einzige uns von Plinius her be-
kannte Namen, hat rein gar nichts zu thun. Lassen wir dem Thier-
maler die ^uuYpaqpia, dann wird er der Skiagraph Kai' eEoxnv, ganz
wie bei Plinius. Welcher Art diese Quelle gewesen sei, wird da-
durch noch deutlicher. Unser Autor ist aber damit nicht zu Ende,
er führt als besonders wirkungsvollen Abschluss noch die Geschichte
von der korinthischen Jungfrau weiter aus, dieselbe die uns schon
bei Plinius rührte, und wir müssen nun von unserem Wege abweichen,
um genauer auf sie einzugehen, zumal jüngst der Versuch gemacht
wurde, durch eine Vergleichung beider Versionen ein Stück unserer
Ueberlieferung in helleres Licht zu bringen. Ich lasse also nun
den Bericht des Athenagoras folgen : ötTTÖ be ty]<; Köpns H KoponXa-
197
axiKf) eupe'en • epuuTiKuJ? Yap tivo^ exoucra TtepieTpaiijev auxoö koi|LIUj-
lue'vou ev ToixqJ xfiv (JKidv eiö' 6 Tratrip ficr0€i? ÄTrapaXXdKTUJ ouffT]
tri ofioiörriTi — Kepajuov hk 6ipTdZ:eT0 — dvafXuipa? rfiv TtepiTpaqpnv
TTnXuJ 7Tpo(TaveiTXripuu(Jev 6 tutto^ eii Kai vOv ev KopivBuj a\hleTau
Daneben halten wir nun den pHnianischen Bericht 35, 151 :
Fingere ex argiUa similiütdlnes Butades Sicyonius figulus primus in-
venit Corinthi filiae opera, quae capta amore iuvenis, abeunte illo
peregre, umhram ex fade eins ad lucernam in pariete lineis circum-
scripsit, guihus pater eins impressa argilla typum fecit et cum ceteris
ßctilihis indurahim igni proposuit; eumque servatum in Nymphaeo,
donec Muwmiufi Corinthum everterit, tradunt.
Athenagoras, der die Koroplastik ableiten will, findet es nicht
nöthig, den Namen des Butades zu nennen, dagegen gibt Plinius,
der die Entstehung der similitudine.s erzählt, ausdrücklich an, dass
nur die Gesichtszüge des Geliebten verewigt wurden, während Athena-
goras darauf nicht näher eingeht. Ein Unterschied ist noch in der
Situation. Der schlafende Jüngling bei Athenagoras ist wirkungs-
voller als der Reisende des Plinius. Der wichtigste Unterschied
liegt aber offenbar darin, dass Athenagoras das Werk als zu
Korinth befindlich angibt, während Plinius es der Zerstörung Ko-
rinths zum Opfer fallen lässt, aber den Ort, wo es sich befand,
anzugeben nicht unterlässt. Ist es hier nun wirklich nöthig, zwei
zeitlich wesentlich verschiedene letzte Quellen anzunehmen, den
Gewährsmann des Athenagoras vor 146 v. Chr., den des Plinius
nach dieser Zeit anzusetzen, wie es Robert S. 131 thut? Dass
Athenagoras das Bildwerk seiner Zeit noch existiren Hess , das
gehört so nothwendig zum Schluss seiner Geschichte, dass man da-
für kaum eine besondere Quelle, die er erst falsch zu benützen
hatte, verlangen darf. Die Frage liegt vielmehr einfach so, ob
das Werk überhaupt jemals existirt hat. Das scheint die genaue
Ortsangabe des Plinius zu verbürgen, aber die Geschichte ist doch
so ungereimt, dass sie dadurch kaum glaublicher wird. Ich will
nur an das berühmte gemeinsame Werk von Protogenes und Apelles,
an jene tabula nihil aliud continens quam lineas visum effugientes
erinnern, von der Plinius ausführlich berichtet und schliessHch hin-
zufügt, dass er gehört habe, sie sei beim ersten Brande der kaiser-
lichen Burg (4 n. Chr.) zu Grunde gegangen. Hier liegt es doch
auf der Hand, dass dieser Brand dem Gewährsmanne des Plinius
sehr gelegen kam und dass dies Bild wie die zugehörige Geschichte
nichts weiter ist als eine pedantisch alberne Exemplification des
198
nuUa dies sine linea des Apelles, ein Sprüchlein, dessen Original in
seiner Lehrschrift an Perseus gestanden haben wird. Liesse sich
nun für das Porträtrelief des Butades ein ähnlicher Anlass nach-
weisen, dann wäre die Analogie wohl zutreffend, und ich glaube,
es ist das in der That der Fall. Mit dem legendarischen Porträt
steht sicherlich- eine andere Erfindung des Butades in Zusammen-
hang, die einen etwas realeren Hintergrund hat. Plinius berichtet
noch von ihm, dass er primus 'personas iegularum extremis imbricihns
imposuit, also die uns wohlbekannten Masken der Frontziegel erfand,
deren grellrothe Bemaluug auch die andere Erfindung ruhricam ad-
dere aut ex rubra creta fingere ganz erklärlich macht. Der Voll-
ständigkeit wegen fügen wir gleich hinzu, dass er auch noch erst
das B'lachrehef {jjrostypa) , dann das Hochrelief (ectypo) erfunden
hat. Es ist für unseren Zweck nun ziemlich belanglos, ob jene
Maskenziegel wirkHch des Butades Erfindung waren oder nur dafür
galten. Ich will zwar gleich gestehen, dass ich es für ganz denkbar
halte, dass ein Epigramm im Stile der erhaltenen des Euergos und
Kleoitas'*) der antiken Kunstforschung vorlag, aber dem sei wie
immer, das eine ist doch klar, dass sich aus der Erfindung des
maskentragenden Frontziegels die anderen Erfindungen von selbst
ergeben. Der hochalterthümliche Kopf auf dem Ziegel erregte die
Frage nach der Erfindung des Porträtes und damit war die Antwort
gegeben, die mit dem Fragen sich selbst ergibt. Aber er war Hoch-
relief, der nothwendige Uebergang von dem gefüllten Schattenriss
und diesem spricht sich noch in der Aufeinanderfolge von prostypa
und ectyf-a aus. Die rothe Farbe gehört natürlich zur späteren Er-
findung. Damit können wir nun diese Zwischenfrage für beant-
wortet halten und uns unserem Hauptthema wieder zuwenden.
Da haben wir demnach über die Verbesserungen des Aridikes
und Telephanes nach Plinius zu sprechen. Auch sie malten sine
ullo colore, iam tarnen spargentes lineas, intus ideo et quos pingerent
adscribere institutum. Ich habe über diese Stelle bereits Euphronios '^
S. 48 gehandelt und dort darauf hingewiesen, dass man mit Un-
recht diese Worte auf die Innenzeichnung gedeutet hat und dass
sie vielmehr auf die Linearornamente textilen Charakters gehen, mit
denen auf den ältesten Malereien der Zwischenraum, den die Figuren
übrig lassen, förmlich besäet zu werden pflegte. Es schien mir
dies namentlich aus dem Schlussatz von den Beischriften hervor-
*) Overbeck, Schriftqu. 320 u. 1031.
199
zuleuchten. Den Zusammenhang zwischen diesen Ornamenten und
den zuerst mit ihnen gepaarten und dann sie nach und nach ver-
drängenden Inschriften konnte die alte Kunstschriftstellerei gerade
so gut bemerken, als die moderne. Dagegen hat sich Robert nach-
drücklich ausgesprochen^). Die Namen, vermuthet er, schrieb man
nach der Meinung des Verfassers der eupriiuaTa bei, weil die blosse
Zeichnung ohne Färbung zur Charakteristik nicht genügte. Aber
that denn die „Innenzeichnung" nicht das Ihrige? Robert kann
das freilich nicht annehmen, er gibt ja zu, dass hiebei an Muskeln-
und Adernangabe nicht zu denken sei, die Kimon von Kleonä erst
später erfunden hat, sondern er beschränkt sich auf die ^Angabe
des Auges, der Nasenflügel, kurz alles dessen, was über die Wieder-
gabe der blossen Silhouette hinausgeht". Aber Robert glaubt doch
nicht etwa, dass die Figuren des Kleanthes von Korinth blind ge-
wesen seien? Bei Strabo und Athenäus finde ich davon nichts.
Gegen meine Auffassung spricht allerdings, wie Robert be-
merkt hat, der ganze Zusammenhang, aber es kommt eben nicht
allzuviel darauf an, in welchem Zusammenhang sich Plinius die
unverstandenen Notizen ordnete. Für ihn war es ein Fortschritt,
dass bei Aridikes und Telephanes sich dabei „Innenlinien" fanden,
mit denen er nichts weiter anzufangen wusste, die uns aber an die
rhodischen Teller, melischen Gefässe, an Ariston von Kos und Aehn-
liches erinnern. Die Bilder des Kleanthes haben wji' uns ohne
solche zu denken. Er ist daher ganz aus demselben Grunde als
jünger anzusetzen, aus dem ihm Plinius die beiden anderen Meister
vorzog, und hat die Malerei nicht erfunden. Nach Aridikes und
Telephanes kommt bei Plinius Ekphantos von Korinth und mit ihm
die Farbe. Primus inlevit eas colore testae ut ferunt tritae. Das
aufgesetzte Roth der altkorinthischen Vasen und Pinakes erläutert
diese Worte deutlich, es ist gewiss dasselbe Ziegelroth, das auf
Bildern des Ekphantos in die Augen fiel und daher auf sein Conto
übertragen wurde. Die Monumente aber lehren uns auch hier, wie
bei Aridikes und Telephanes , die „neue Erfindung" ihrem wahren
Werthe nach schätzen. Es ist zweifellos die ältere Gruppe korin-
thischer Malereien, auf denen das Roth die Hauptrolle spielt und an
die goldenen Figuren der alten Einlegetechnik erinnert. Erst nach
^) Der Vorwurf, den mir Robert macht, ich hätte Euphronios ' S. 48 durch
Interpunktiousäuderung' einen monströsen Satz hergestellt, habe ich so nicht ver-
dient. Der Weglassiing des Punktes lag jede böse Absicht fern.
200
und nach verliert es an Boden, und hierin, nicht in seinem Auf-
kommen, ist ein wesentHcher Fortschritt zu erkennen*'). Es ist
demnach in hohem Grade wahrscheinlich, dass Ekphantos gleich-
falls hinter Kleanthes zurücktreten muss, wenn wir ihn auch für
jünger als Aridikes und Telephanes halten dürfen.
Für Ekphantos hat Plinius ein Zeitansatz vorgelegen, der in
sein chronologisches System keine Aufnahme finden konnte. Der-
selbe sollte nämlich nach Cornelius Nepos Korinth im Gefolge des
verbannten Demarat verlassen haben. Die Thatsache wagt Plinius
natürhch nicht zu bezweifeln, aber er half sich, indem er einen
zweiten, bedeutend jüngeren Ekphantos annahm. Ekphantos ist
aber nicht der einzige Künstler, der mit Demarat nach Italien aus-
gewandert ist. An einer anderen Stelle, bei Gelegenheit der Töpferei,
bringt Plinius dieselbe Notiz ausführlicher und zählt Euchir, Eu-
grammos und Diopos auf Des Euchir aus dem VII. Buche hat er
sich weder in der Malergeschichte noch in dem Töpferanhang er-
innert, er hätte sonst zweifellos auch diesen auseinander spalten
müssen. Wir aber treffen nun den „Erfinder der Farbe" in guter
Gesellschaft mit dem Vetter des Daidalos und „Erfinder der Malerei"
wieder.
Plinius bricht nun plötzlich die Auseinandersetzungen über
die Anfangender Malerei in Griechenland ab und springt mit den
stolzen Worten: iam enim absuluta erat pictura etiam in Italia auf
den heimatlichen Boden hinüber. Seine Absicht ist zunächst, wie
bereits Furtwängler bemerkt hat, nur den Beweis zu liefern, dass
der Ekphantos des Cornelius Nepos nicht der richtige gewesen sein
kann, und dazu zählt er eine Reihe völlig farbiger Bilder zu Ardea,
Lanuvium und Caere auf, die sämmtHch noch vor der Gründung
Roms entstanden seien. Einmal im Zuge, erzählt er von der ein-
heimischen Malerei in Rom und den griechischen Bildern daselbst
bis in die Kaiserzeit und bricht wieder ebenso plötzlich mit dem
Ausruf: hactemts dictum dt de dicpdtate artis morientis ab. Nun weist
er wieder auf den Anfang hin und verknüpft ihn mit den Dingen,
die da kommen sollen. Quihus colorihus singidis primi pinxissent
diximus cum de Jus pigmentis traderemus in metallis'^) qui monochro-
«) Vergl. P. J. Meier, Athen. Mitth. 1885 S. 249.
') .3.3, lir>. 117. 160,
201
mata — ea genera picturae vocantur — qui deinde et quae invenerint
et quihus temporibus, dicemus in mentione artißcum^).
Wir wenden uns nun dahin, obgleich die hier angeschlossene
Entwicklungsgeschichte der malerischen Technik, ein kleines Frag-
ment eines guten alten Kunstbüchleins , das sich gar vornehm von
seiner Umgebung abhebt, zu längerem Verweilen einlädt. Die
mentio fängt 53 mit der üblichen Ankündigung, die Sache so flüchtig
als möglich abzumachen, und einer Klage über den Mangel an
diligentia bei den Griechen , die ihre Maler erst mit Olympias 90
zu bewundern begonnen haben, an. Für diesen Ausfall hat man
Varro verantwortlich machen wollen, es ist aber doch kaum gerecht-
fertigt, diesem eine so naive Aeusserung zuzumuthen. Sie ist so
echt plinianisch, wie nur irgend eine. Er macht es uns ja gar nicht
schwer zu erkennen, welches Missgeschick ihm diesen Ausruf ent-
lockt hat. Die Schrift, die seinen weiteren Ausführungen zu Grunde
liegt, handelte von den Tafelmalern. Das ergibt sich sowohl aus
dem Anfang, der Apollodor als den eigentlichen Begründer der
Tafelmalerei feiert und mit den Worten schliesst: neque ante eum
tabula ullius ostenditur, als aus dem Schluss des ersten Theiles, der
die Temperamaler behandelt: Sed nulla gloria artificum est nisi qui
tabxdas pinxere. Daran fügt Plinius eine salbungsvolle Betrachtung
über die nie genug zu preisende Weisheit der Alten , welche aus
kluger Rücksicht auf die Feuersgefahr sich der Wandmalerei ent-
halten haben, während zu Zeiten des Kaisers Augustus Ludius oder
Studius ganze Wände zu bemalen begonnen habe. Deutlicher
konnte Plinius wohl nicht gestehen, dass er von der grossen Epoche
der hellenischen Wandmalerei gar keine Ahnung habe'').
*) Ich liabe mir erlaubt, für mox neogrammata , was der Detlefsensche Text
bietet, vionochromata herzusetzen. So wäre doch sicherlich zu conjiciren, auch
wenn es die jüngeren Handschriften nicht bieten würden. Denn neogrammata
kommen sonst nicht vor, und ich wüsste nicht, was man sich darunter vorstellen
könnte.
^) Die wenigen Stellen des Plinius, welchen eine dunkle Kunde von diesen
Werken zu Grunde liegt, wimmeln von Irrthümern. Dass Polygnot Wandgemälde
geschaffen habe, erfuhr er bloss durch die Restauratorenthätigkeit des Pausias, vou
dem er 35, 123 mittheilt: pinxit et ipse penicillo purietes Thespis cum reßcerentur
quondam a Polygnoto picti. Diese thespischen Gemälde sind doch wohl keine an-
deren als die delphischen , die Plinius sonderbarerweise 35, 58 für Tempelbilder
ausgibt. Die Notiz 36, 177, die vom Safrangeruch und Geschmack, der sich so
lange an dem von Panainos gefertigten Wandbewurf des Athenatempels in Elis
erhielt, berichtet, steht ganz harmlos unter anderen Beispielen von Wandverklei-
dungen. Dass sie von der Zerstörung berühmter Fresken Kunde gibt, hat er in
der Eile des Excerpirens nicht bemerkt.
202
Die grosse Lücke zwischen jenem Zeitpunkte vor der Grün-
dung Roms und Olympias 90 versucht nun Plinius aus eigenen
Mitteln auszufüllen. Er erinnert sich zunächst , dass die chronolo-
gische Tabelle der Erzgiesser im voraufgehenden Buche mit Phidias
und der 83. Olympiade begann, und bemerkt nun überlegen, dass
Phidias als Maler seine Künstlerlaufbahn eröffnet und einen Schild
gemalt habe, dass Panainos, den auch er für den Bruder desselben
hält, in dieselbe Olympiade gesetzt werde und gleichfalls (wie es
einem Bruder ziemt) einen Schild und zwar innen bemalt habe —
freilich erzählt er später, dass derselbe auch noch die Marathon-
Schlacht mit den wohlgetroffenen Porträts der Commandirenden
darstellte, denn adeo tarn colorum, usus increbruerat. Nach Phidias
und Panainos kommen dann Polygnot und Mikon, gewiss eine etwas
seltsame Chronologie, aber das beste an der Sache ist doch, dass
er von diesen beiden die gemeinsame Ausschmückung der Stoa
poikile in einer Weise erwähnt, die uns lehrt, dass er gar nicht
wu><ste, dass jenes Bild der Marathonschlacht ihres angeblichen
Vorgängers mit zum Schmucke dieser Halle gehörte. Wir werden
darauf noch zurückkommen müssen , für jetzt wenden wir unsere
Aufmerksamkeit seinem Versuche zu, einen noch weit früheren
chronologischen Fixirpunkt für die Datirung undatirter Meister zu
gewinnen. Die schöne Geschichte von der Freigebigkeit des Lyder-
königs Kandaules, der dem Maler Bularchos ein Schlachtenbild mit
Gold aufwiegt, zeigt, meint Plinius, wie viel die Kunst schon vor
Olympias 18 werth war, in welcher Olympiade besagter König, und
zwar merkwürdigerweise im selben Jahre mit Romulus das Zeit-
liche gesegnet hat. Sie wird dadurch nicht besser, dass sie nicht
ganz neu ist. Unser Autor hat sie schon einmal im VII. Buche 126
kurz erzählt : Candaules rex Bularchi picturam Magnetum exiti, haud
mediocris spafi, pari rependit auro. Die Ausgleichung der Todes-
daten des Kandaules und Romulus (nach Herodot stirbt jener
Olymp. 16) weist einer Quellenuntersuchung die Wege. Ich be-
schränke mich zu bemerken, dass ich für die unmittelbare Vorlage
Cornelius Nepos halte, der auch im Index zum VII. Buche citirt
ist und über Romulus sicher im Buche De regihus Romanorum ge-
schrieben hat, aber auch über Kandaules im Buche De regihus ex-
terarnm gentium geschrieben haben wird. Die letzte Quelle ist Psc-
doxantiios, wie bereits Welcker bemerkt hat "^).
»") Ueber die unechten Lydiaka des Xanthos, Kleine Schriften I 439. Au
Xanthos rieth sclion Creu/,er a. a. O.
203
An der Wahrheit der Geschichte zu zweifeln, kommt Plinius
gar nicht in den Sinn, er ist fest überzeugt von der Wichtigkeit
der Entdeckung, die ihm nun gestattet, alles was vor die volle Ent-
wicklung der Malerei fällt, auch vor Olymp. 18 zu datiren '^). Also
in möglichst weite Entfernung davon die „p7'^nc^p^a", da man ohne
Farbe gemalt hat, etwas näher die Monochromatiker, von denen er
bisher nur Ekphantos erwähnt hat und nun drei aufzählt: Hygiänon,
Dinias und Charmadas, mit dem Zusätze: quorum aetas non traditur,
dann „Eumarus" von Athen, der Männlein und Weiblein unter-
schied und dazu, wie uns die Vasen sagen, zwei Farben brauchte,
schliesslich Kiraon von Kleonä, der des „Eumarus" inventa exc'duerit.
Glücklicherweise sind wir jedoch weder für Eumares noch für Kimon
auf Plinius Zeugniss allein angewiesen und haben daher jetzt nur
die drei Monochromatiker näher zu betrachten, für welche jedes
andere fehlt. Ich glaube sie sind in die Reihe der archaischen
Maler gekommen, wie Pontius ins Credo. Plinius hat ihre Namen
nicht in einem chronologisch geordneten Verzeichniss gelesen , das
beweist sein Geständniss, es kann also nur ein systematisches ge-
wesen sein, wo sie wahrscheinlich vor den Tetrachromatikern ge-
standen haben werden, über welche unser Autor eine seiner schönsten
Dummheiten gesagt hat'**). Von dieser Technik hören wir, soviel
ich weiss, nur noch einmal und zwar von Plinius selber, der 35, 64
") Im folgenden Buche 15 hat er aber dieselbe völlig vergessen , da er
von der Marmorbildhauerei daselbst anmerkt: Non oviittendum hanc artevi tanto
veiustiorem fuisse qitam picturam aut statuariam, quarum utraque cum Phidia coepit
octogesima tertia olyvipiade, post annos circiler CCCXXXII. Ich kann darin nichts
sehen, als was bereits Furtwängler S. 17 darin sah, das »naive Bestreben des
Plinius, jeweils der Kunst, von der er gerade spricht, das höchste Alter zu vindi-
ciren«. Als Beispiel solcher Naivetät mögen hier drei Stellen aus dem 36. Buche
nebeneinander gehalten werden:
20. sed ante omnia est nön solum Praxitelis verum in toto orhe terraruvi
Venus . . .
26. . . .praeterea Venus (von Scopas) Praxiteliam illam antecedens.
37. (vom Laocoon) opus omnium et picturae et statuariae artis praefere^iduvi.
Robert, arch. Märchen S. 26, sch'iesst aus diesem Widerspruch zu viel, gibt er
doch S. 62 und S. 159 seines Buches selbst ein hübsches und lehrreiches Beispiel.
'^) 35, 50: Quattuor coloribus solis immortalia illa opera fecere — ex albis
Melino, e silaciis Attico, ex ruhris Sinopide Pontica, ex nigris atraviento — Apelle.i,
Aetion, Melanthius, Nicomachus clarissimi pictores cet. Folgt die unveVmeidliche
Diatribe auf den zeitgenössischen Luxus. An diese Mittheilung erinnert er 35, 92
die Leser vor dem coloristisch so wirksamen ephesischen Porträt Alexanders mit
dem Blitze von Apelles : legentes meminerint omnia ea quattuor coloribus facta.
204
über Zeuxis berichtet: 1)1111x11 et monochromata ex alho. Das ex kann
keinen anderen Sinn geben, als dass die Farbe ausgespart worden ist,
also das gleiche Verfahren, das der rothfigurigen Technik zu Grunde
liegt. Hinter diese unsere drei Meister hinabzudrücken, halte ich
für völlig ausgeschlossen.
Literarische wie monumentale Zeugnisse verkünden vereint
die Existenz einer alten korinthisch- sikyonischen Malerschule und
nöthigen uns, die seltsame Vorstellung aufzugeben, als ob an der
Wende zum vierten Jahrhundert der alt einheimischen ehrwürdigen
Erzgiesserzunft eine neugeschaffene Malergilde auf den Ruf eines
Mannes urplötzlich zur Seite getreten wäre. Sie sind beide der-
selben Wurzel entstammt. Gleichwie jene ihren Ursprung von den
Söhnen des Dädalos ableitete und in ihm ihren fipui<; KTicTTriq an-
erkannte, so knüpft auch die letztere an ihn an. Eucheir, des Dädalos
Verwandter, ist nach Aristoteles der Erfinder der Malerei, und da-
mit hat das geschwisterliche Verhältnis beider Schulen seinen mythi-
schen Ausdruck gefunden. Den Heros Dädalos nennt auch Kimon
von Kleonä selbst in dem köstlichen Epigramm, das uns die An-
thologie aufbewahrt hat, und die Art, wie er ihn nennt, lehrt deut-
lich, dass auch er als Dädalide sich betrachtet hat:
ouK dbaiic; efpotvjje Kifioiv xdbe, iravTi b i-a epYUJ
)LiOu|uo(;, öv oub' fipuj(; AaibaXo<^ eSecpuYev.
Ich will es hier nur gleich hinzusetzen, dass ich mit dieser Auf-
fassung des Epigrammes nicht allein stehe und wohl im Zusammen-
treffen mit Franz Studniczka eine besonders erfreuliche Bestätigung
erblicken darf'^).
In seiner Quelle stand aber genau das Umgekehrte, da waren diese Meister als
solche gedacht, die nicht mehr mit vier Farben malten, wie Ciceros genaueres
Citat beweist, das auf die gleiche Stelle zurückgeht. Brutus 18, 70 = Overb.
Schriftq. 1067: similis in piclura ratio eat in qua Zeuxin et Polygnotum et Timan-
them et eorutn qui non sunt nsi plus quam qualtuor coloribus, formas et lineamenta
lavdamus ; at in Aetione, Nicomacho, Protogene, Apelle iani pierfecta sunt omnia.
Von vier Namen sind drei bei Plinius, nur für Protogenes hat er Melanthios. Es
standen wohl alle fünf in der Vorlage, die auch als Tetrachromenmaler mehr als
die drei mit Namen genannt haben wird, welche das e* eorum verschweigt.
") Vergl. Studniczka a. a. O. S. 153. Das Zeugniss des Aristoteles wider-
legt sclilagend Roberts Erörterungen von dem „Märchen" der Dädaliden. Aber
auf Urlichs Auseinandersetzungen Beiträge zur Kunstgeschichte S. 3 n. 4 rauss ich
205
Der grosse Pinakesfund von Pente - Skuphia lehrt uns an-
schaulich, wie das Gefühl regster Zusammengehörigkeit von Anfang
an die einzelnen Techniken der bildenden Kunst hier durchdringt.
Er hat uns in die günstigste Lage versetzt, die wir uns wünschen
konnten, die altkorinthische Malerei des siebenten Jahrhunderts
selbst über diese Fragen vernehmen zu können. Sie plaudert ganz
unbefangen von ihren Geschwistern. Am nächsten steht ihr die
Töpferei. Die Pinakes zeigen uns den Töpfer an der Drehscheibe,
den Töpferofen, sogar einmal im Durchschnitt, um nur recht deut-
lich zu sein, dann das mit Thongefässen beladene Schiff, und der
einzige Künstlername, den sie uns bieten, stand schon lange in
unseren Verzeichnissen der Vasenmaler. Die Metallarbeit findet
auch in zahlreichen und überaus lebendigen Schilderungen des
Bergbaues und des Schmelzens im Hochofen ausführliche Erwäh-
nung. Vereinzelt tragen diese Fragmente auch plastischen Schmuck
in enger Vereinigung mit dem malerischen.
Die Pinakes sind erheblich älter als die Einwanderung der
kretischen Dädaliden in die korinthische Landschaft. Sie reprä-
sentiren eine Kunst, deren mythischer Feingehalt noch sehr gering
hier desshalb eingehen, weil ihnen so oft nachgesprochen wird, dass ich mich doch
endlich wehren oder unterwerfen muss. Das Streitobjekt ist das xe Kai in dem
Urtheil des Pausanias über Onatas 5, 25, 13: TÖv b^ 'Ovärav toötov o|uuj<; Kai
TEXvrjc; ic, xct äydiXiaaTa övra AiYivaiaq oöbevö^ üarepov 9riöO|nev tuüv dtirö Aai-
bäXov xe Kai epYacfxripiou xoO 'AxxikoO, daraus soll die Identität derer airö Aai-
ödXou und derer dtrö xoO ipf. x. 'A. erwiesen werden. Dafür werden folgende
Beispiele aus dem I.Buche des Pausanias beigebracht: 3, 1 ist der Heros Keramos
Aiovüöou xe Kai 'Apiüövriq, 11, 2 ic, irpÖYOvov xoOxov dvdßaive TTüppoc; xe ö
AiaKiöcu Kai oi tiüTlpec,. Aber Dionysos wird deswegen nicht Ariadne , Pyrrhos
nicht seine Ahnen und dass xe Kai die „verwandtschaftliche Abkunft" bezeichnen
soll, ist ihm bisher nicht zugemuthet worden. Ernstlicher ist der Einwand «da
eine Negation vorhergeht, müsste es heissen entweder: ovbä xujv äiTÖ AaibdXou
ouxe epYöcrxripiou x. 'A. oder x. d. A. oübe e. x. 'A." Gewiss würde diess das
Gewöhnliche und Kegelrechte sein. Das Fehleu der Negation zwischen beiden
Gliedern beweist nur ihre enge Zusammengehörigkeit, die dem dritten gegenüber
scharf hervortritt, nicht ihre Identität. Wir sagen ja auch z. B. : es ist weder roth
noch grün, noch blau, aber wir sagen auch: es ist weder roth, noch grün und blau,
weil grün und blau einander näher stehen als dem roth. Dass uns in der Stelle
etwas anderes mehr interessirt, als das was Pausanias Interesse erregte, ist eine
Sache für sich. Ich hätte mich mit der Uebersetzung „Dädaliden und der atti-
schen Kunstgilde" zufrieden geben sollen. Ich habe Arch.-epigr. Mitth. V S. 90
erklärt, dass ich mich mit ihr zufrieden geben kann, „denn auch sie trennt Däda-
liden und attische Kunstgilde".
206
ist, und die dem hesiodeisclien Schilde weit näher steht als der
korinthischen Kypsele. Um so werth voller ist das Zeugniss, das
sie für die gleichzeitige Plastik und Toreutik abgibt. Für die
nächste Folgezeit zeigt uns jede korinthische Vase die stricteste
Abhängigkeit in Technik wie in Typus von den Werken jener
Schnitzorgilde, die, soweit ihre Wirkung räumlich reichte, das ganze
künstlerische Schaffen gründlich umgestaltet haben.
Wenn den griechischen Kunsthistorikern die Erfindung der
Malerei als zwischen Korinth und Sikyon strittig gelten konnte, so
liegt darin für uns selbstverständlich kein Anlass, einen Gegensatz
der künstlerischen Entwicklung in beiden Städten zu suchen. Dazu
liegen sie allzu eng beisammen, und wie das Alphabet hüben und
drüben das gleiche ist, so haben sie trotz aller politischen Selb-
ständigkeit für die Kunstgeschichte nur als ein Gebiet zu gelten.
Korinth und Sikyon treten in die Erbschaft von Mykenä und Argos
ein. Erst zum Schlüsse einer langen Entwicklung wird Sikyon
endgültig zum Centrum der peloponnesischen Kunst, in dem Augen-
blicke, als die aufblühende Erzgusstechnik eines solchen festen
Mittelpunktes bedurfte. Es ist in hohem Grade bezeichnend, wie
Kleisthenes, der das Bundesverhältniss zu Korinth aufrecht hielt,
die geistigen Bande zwischen Sikyon und Argos völlig zu lösen
sich mühte; und doch, kaum hundert Jahre nach seinem Tode holt
sich Argos seinen vollen Antheil an der sikyonischen Kunst wieder
zurück. Es ist auch nicht weniger bezeichnend, dass die ältesten
der Dädaliden in gleicher Weise wie am Hofe der Orthagoriden
in Sikyon, an den Höfen der Kypseliden zu Korinth und Ambrakia
ihre Thätigkeit entfalten und Argos und Kleonä mit ihren Werken
füllen.
Die Legende erklärt die weiten Wanderungen der Kunst immer
wieder durch die Verfolgung der Künstler. Wie Dipoinos und
Skyllis aus Sikyon, so fliehen aus Korinth den selbstverständlich
kunstfeindlichen Tyrannen Kypselos Eucheir, Eugrammos, Diopos
und Ekphantos und ziehen nach Italien. Es folgt aber daraus,
dass die Italienfahrt dieser altkorinthischen Künstler legendarisch
ist, nicht dass auch sie ganz und gar der Legende angehören.
Für die ersten drei hat man das ganz allgemein angenommen und
zwar auf Grund der Namen, aber Künstlernamen wie Eucheir und
Euergos finden wir in archaischer Zeit ganz sicher bezeugt, und
Diopos ist ein Eigenname so gut wie ein anderer und löst sich
207
im kritischen Scheidewasser nicht auf'*). Bezüglich Ekphantos
kann davon gar nicht die Rede sein. Wir haben früher bemerkt,
dass dasjenige, was von ihm gemeldet wurde, auf bezeugte Werke
sicher schliessen Hess '^), und ihn zeitlich nach Aridikes und Tele-
phanes einzuordnen versucht. Auch Kratons von Sikyon müssen
wir noch erwähnen. Die Nachricht des Athenagoras, er habe die
schwarzen Figuren eines Mannes und einer Frau auf einen weiss
überzogenen Pinax gemalt, klingt sehr glaublich, und Robert hat
dabei auf schwarzfigurige Malerei auf Pfeifenthongrund hingewiesen.
Diese Technik nöthigt uns aber keinesfalls, unseren Meister viel
später als die vorher erwähnten anzusetzen und der Gegenstand
wohl auch nicht'"). Er gemahnt uns doch zunächst an die Paare
auf der olympischen Kypsele und auf der spartanischen Basis.
Etwas mehr erfahren wir von Bildern des Kleanthes und Aregon.
Strabo erwähnt als sehr berühmte Gemälde dieser beiden korin-
thischen Meister im Tempel der Artemis Alpheionia und zwar vom
ersteren eine lliupersis und eine Athenageburt, von dem letzteren
eine Artemis auf einem Greifen. Die Quelle Strabos ist wohl De-
metrios, aus dessen TpuuiKo«; bmKOOjjLoq Athenäus (VIII 346 C) ein
Detail des Athenageburtbildes, den Poseidon Büvvov xiu Aü rrpocT-
qpepuuv ujbivovTi, erwähnt. Der Ausdruck dvaKei|uevri an dieser
Stelle macht es allein schon wahrscheinlich, dass wir uns diese
Bilder nicht als Wandbilder, sondern als einfache Votivtafeln vor-
zustellen haben, und ich denke, sie werden die einzigen an dieser
Stelle nicht gewesen sein und ihre Hervorhebung vor Allem der
Künstlerinschrift verdanken. Ihren hochalterthümlichen Charakter
erweist schon der Umstand, dass man Kleanthes die Erfindung
der Malerei zuschreiben konnte, und es ist kaum anzunehmen,
dass sich seine zwei Bilder von der im siebenten Jahrhunderte
'^) Eucheiros als Vasenfabrikant und Euergos als Bildhauer und Ziegel-
fabi-ikant sind die nächsten Analogien hiefür. Auch Eueheir, Eubulides Sohn, und
Eubulides, Eucheirs Sohn, sind bekanntlich durchaus real.
''") Den Melier Ekphantos der coluvma Ncmiana Löwy, Inschr. gr. Bildh. 5, und
seinen Landsmann der entsprechenden Inschrift L(3wy 25 hat Studniczka für Vasen-
oder Pinakesraaler erklärt. Ich kann ihm hierin um so lieber beistimmen, als ich
gleichfalls, freilich zu spät für meine Meistersignaturen, zur Einsicht gekommen
bin, dass die beiden Säulen melische Thongefässe tiugen. Seiner Identificirung
der beiden Ekphantos kann ich aber nicht folgen.
"') lieber das Alter und die Verbreitung dieser Technik vergleiche Puchstein,
Arch. Zeit. 1881 S, 221.
208
üblichen Darstellungsweise dieser Stoffe viel unterschieden haben
werden. Der Poseidon mit dem von Demetrios so arg missver-
standenen Thunfisch begegnet doch auch auf den Pinakes von Pente-
Skuphia. Dagegen ist die Artemis dvaq)epo)uevii erri ^pvTxöc, etwas
so völlig vereinzeltes, dass man auch hier ein Missverständniss
desselben Exegeten wird vermuthen dürfen. Die späten Darstel-
lungen des auf einem Greifen reitenden Apollo beweisen für einen
altkorinthischen Pinax sehr wenig. Hier wird man zunächst an den
geflügelten thiertragenden Typus denken und wenn auch Artemis
in dieser Verbindung mit dem Greifen bisher nicht nachgewiesen
werden kann, so werden wir vielleicht annehmen, dass Hirsch,
Steinbock, Löwe, Panther, Hase, Vögel noch nicht alle zulässigen
Combinationen erschöpfen ''). Artemis mit Vögeln bietet auch ein
Stück unserer Pinakes. Indessen das letzte Wort wird auch hier
wohl einmal noch die monumentale Ueberlieferung sprechen.
Zu diesen literarisch genannten Meistern der altkorinthisch-
sikyonischen Malerschule können wir noch die sich selbst nennen-
den Chares und Timonidas hinzufügen und wohl auch noch des
ersteren Vater Bias. Auch sie sind nicht später als in der ersten
Hälfte des VI. Jahrhunderts anzusetzen, während ein Theil der
vorher genannten Namen noch dem VII. Jahrhundert angehört.
Und nun zu Kimon von Kleonä. Es wird kaum nöthig sein,
über ihn ausführlicher zu handeln, da er in jüngster Zeit bereits
mehrfach Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen ist, ich
nenne zunächst Winters Studie über Vasen mit Umrisszeichnung '^)
und Studniczkas Behandlung im Antenoraufsatze '''j; aber ich darf
es mir doch gestatten, die betreffenden Worte des Plinius noch
einmal auszuschreiben (35, 56) : ... quique inventa eius (des Eu-
mares) excoluerit Cimonem Cleonueum. hie catagrapha invenit, hoc
est obliquas imagines, et varle formare voltus, respictentes, suspicientesve
vel despicientes. articulis membra disfinxi't, venas protidif, praeterque in
veste rugas et sinus invenif. Ich habe früher darzulegen versucht,
dass alle die von Plinius angeführten Neuerungen auf den Vasen
des epiktetischen Kreises wiederkehren, und demnach catagrapha
") Arch. Zeit. 1854 Taf. 61—63; Milclihüfer, Auf. d. gr. K. S. 86; Antike
Denkmäler I Taf. VII 12. Vergl. Berliner philol. Wochenschrift 1887 S. 1647.
'") Arch. Zeit. 1885 «. 187.
•«; A. a. O. S. 156.
209
nicht so erklärt, wie es bei Plinius übersetzt wird, sondern als
Umriss gedeutet. Aber gerade dieser Einwand hat den lebhaftesten
Widerspruch hervorgerufen, während die These selbst, so viel ich
sehe nur mit Ausnahme Roberts, bei allen auf diesem Gebiete
thätigen Gelehrten Anklang gefunden hat. Zunächst hat Winter und
ihm folgend P. J. Meier und Robert für catagrapha die plinianische
Bewerthung wieder eingesetzt, aber ihre Behandlung der Stelle
sagt es am besten, wie wenig man sich bei der Angabe, Kimon
habe die Profilzeichnung erfunden, beruhigen könne. Studniczka
stimmt mit mir darin überein, dass die plinianische Erklärung nicht
nothwendig auch die richtige sein müsse, und deutet auf Grund der-
selben Stellen, auf die hinblickend ich zu meiner Deutung kam,
catagrapha mit ?iProjection« und vermuthet demnach bei Kimon
Kenntnis der Linearperspective. Er beruft sich dabei neben Otfried
Müller auch auf die älteren Maler rothfigurigen Stiles, die «bekannt-
lich" in der perspectivischen Darstellung der Menschengestalt grosse
Fortschritte gemacht haben. Ich muss gestehen, davon bisher
nichts bemerkt zu haben. Aber wie es sich immer mit der Deu-
tung dieses Wortes auch verhalten möge, als feststehend wird der
Zusammenhang der Umrisszeichnung mit den übrigen kimonischen
Neuerungen doch gelten müssen. Ich mag hier nicht wiederholen,
was ich an anderer Stelle über die Bedeutung dieses Momentes
gesagt habe, und nur auf Winters Einwurf, es sei unwahrscheinlich,
dass die Umrisszeichnung in der grossen Malerei jemals anders als
für den ersten vorläufigen Entwurf verwendet sein sollte, erwidern,
dass die grosse Malerei dieser Zeit mit der Vasenmalerei doch wohl
als wesensgleich betrachtet werden müsse und dass auch eine leichte
Colorirung, wie sie das Alabastron des Pasiades zeigt, das Wesen
der Umrisszeichnung keineswegs aufhebt. Die colorirten Holz-
schnitte sind ja auch darum nicht weniger Holzschnitte. Die Lyseas-
stele aber hat meines Erachtens mit der neuen Technik so gut wie
gar nichts zu thun; käme es nur darauf an, ob die Figuren hell
auf dunklem Grunde sich abheben, dann gehörten am Ende Männ-
lein und Weiblein der schwarzfigurigen Vasen zwei verschiedenen
Stilen an.
Ueber Kimon von Kleonä findet sich noch eine Notiz bei
Aelian Vai^ia historia VIII 8: Kijuuav ö KXeujvaTo^ eteipTctcJaTO qpacTi
Tiiv Tfexvriv Ttiv YPCtcpiKfiv UTToqpuoiaevriv eii Kai dTe'xvuj(; vuö tujv Ttpo
aÜTOÖ Ktti dTTeipujq eKTeXoujaevriv Kai Tpörrov Tivd ev airapTÖtvoi^
Kai YdXativ oöcrav. bid Tauid toi Kai |ui(76oi)q tujv npö aiiToO
Archäologisch-epigt'aphische Mittb. XI. 14
210
irpuJToq eXaßev dbpoiepout;. Mit dieser Stelle allein lässt sich nicht
viel anfangen, indess findet sich bei unserem Schriftsteller X 10
das anpassende Stück. Denn es kann doch keinem Zweifel unter-
liegen, dass die folgenden Worte: "Oie uTrnpxeTO f] YpaqpiKVi rexvn
Ktti fjv xpÖTTOV Tivct ev Yö^^cHiv Ktti aTrapTotvoK;, oÜTUjq dpa
dTexvuj(; eiKalov rd Iwa, ujare eTirfpdcpeiv auroTq toij(; Ypoi<pe«? 'toOto
ßou<;, eKeivo itttto^, toOto bevbpov', derselben Quelle entstammen und
dort in ihrer ursprünglichen Gestalt als Einleitung der Notiz über
Kimon gedient haben. Die Fassung verräth so deutlich als nur
möglich den Ursprung aus einem der vielen Bücher irepi eupr|)udTUJV,
aber auch eine gewisse Verwandtschaft mit der Ueberlieferung bei
Pliniiis tritt hervor. Nur knüpft hier Kimon direct an die ersten
Anfänge an, wahrscheinlich werden Aridikes und Telephanes nicht
blos gemeint sondern auch genannt gewesen sein, während dort der
Athener Eumares in den korinthisch -sikyonischen Zusammenhang
störend eingreift, und gerade das Werthvollste in der plinianischen
Ueberlieferung, die nüchterne analytische Stilbetrachtung fehlt völlig.
Ich halte es darum für wahrscheinlich, dass Aelians Quelle weiter
hinaufgeht und vor jene Zeit der wissenschaftlichen geschulten
Kunstforschung fällt, von welcher Plinius abhängig ist, und möchte
am ehesten auf Theophrast rathen. Auf welchen Umwegen eine
Nachricht von da zu Aelian kommen konnte, zeigt das Stemma bei
Felix Rudolph S. IS?**"). Eine Vermehrung unseres Wissens vom
kleonäischen Meister bieten uns die Worte freilich nicht, denn die
Angabe seiner besseren Bezahlung ist eine müssige Folgerung ge-
scheuter Leute vom Werthe auf den Preis ; hätte er auch wirklich,
wie Arkesilas, des Aristodikos Sohn, einmal die Quittung mit ins
Epigramm gesetzt, von dieser Seite erführen wir nichts davon. Die
Lücken unseres Wissens bieten hier der Combination dankbaren
Stoff, und so hat es denn Studniczka versucht, den Schauplatz von
Kimons Wirken nach Athen zu verlegen, wohin er ihn zur Zeit
des Peisistratos einwandern lässt, und vermuthet, dass aus der
Perserkatastrophe Bilder von ihm durch Restauration gerettet worden
seien. Auch für Beziehungen zur nesiotischen Plastik daselbst
glaubt er Anhaltspunkte zu finden. Dümmler hat seine Zustim-
mung ausgesprochen'^^), ich kann aber diesen Vermuthungen nicht
^°) Leipziger Studien zur class. Philologie VII. Bd. : De fontibus quibus Ae-
lianua in varia historia componenda usus ait
") Arch. Jahrb. 1887 S. 175
211
folgen. Auch Winters Zeitansatz , der auf Grund der Lyseasstele
Kimon vor die Mitte des sechsten Jahrhunderts hinaufrückt, scheint
mir unzulässig. Ich glaube die Chronologie Kimons nur danach
bestimmen zu dürfen, dass er nach Eumares und in Zusammenhang
mit dem epiktetischen Kreise anzusetzen ist. Und über beides
werde ich noch zu handeln haben.
Das Epigramm unseres Meisters hat Schule gemacht. Mag
das )LUJU)Lir|aeTai riq juäWov f| )ui)Liri(JeTai Apollodors und vielleicht auch
des Zeuxis wirklich auf Theognis 369 f. zurückgehen ^^) und in der
glücklichen Fassung, die ihm wer weiss wer gab, zum beliebten
Motto geworden sein, das d|ua))ur|Tov b' oubev e'Y€VTo ßpOToTc; des
Parrhasios lehnt sich an Kimon an. Aber weit inniger noch das
Epigramm eines Iphion von Korinth , von dem wir nichts als die
zwei Epigramme Anth. Pal. XIII 17 u. IX 757 kennen. Das eine:
'Icpiujv (töö') ^■xpa\\)ev iä xepi, töv TroKa liboip
Gpeqje TTeiptivriq diro
trägt den Localpatriotismus so stark auf, wie nur irgend eines der
nesiotischen Bildhauer, zunächst gewiss aus ähnlichem Grunde ; ob
aber nicht auch ein gut Stück Rivalität gegen seine lieben sikyoni-
sehen und kleonäischen Vettern darin steckt? Ich glaube, dies
sagt das zweite klärlich. Es lautet:
'Iqpiujv TÖb' e'fpaijje KopivOio^* ouk evi )liuj|uo(;
Xepcriv, eirei böEaq epT« ttoXu ixpocpipei.
Es ist längst bemerkt worden, dass hier das kimonische Epigramm
directe Voraussetzung ist*'''^), aber der Schluss, den man zunächst
daraus gezogen hat, dass beide Epigramme nicht authentisch seien,
bedarf heute keiner Widerlegung mehr. Die Zusammengehörigkeit
Iphions mit Kimon beweist es klar, und das hat auch Bergk ge-
sehen, wenngleich seine Vermuthung, derselbe habe in dem Tempel
mit Kimon und Dionysios gearbeitet, unbeachtet bleiben muss.
Aber dennoch mag es nicht unnöthig sein, diese Zusammengehörig-
keit auch heute zu betonen, zumal beide Meister in der Overbeck-
schen Schriftquellensammlung durch nicht ganz 6UU Nummern von
einander getrennt erscheinen.
Hieher möchte ich auch Deinias^ Hygiainon und Charmadas
setzen, von denen ich oben gehandelt habe. Der dorische Name
') Benndorf, de anth. gr. epigr. S. 27.
') Benudorf a. a. O. S. 30.
14*
212
des letzteren ist allerdings der einzige Anhaltspunkt hiefür, dann
verdankt Plinius die Kenntniss der Namen in letzter Linie Poleraon.
Aber wenn es auch immerhin gelingen möchte , noch einen oder
den anderen Malernamen in die Liste der altsikyonischen Schule
einzureihen, die Lücke zwischen ihr und der neueren Schule ist zu
gross , um dadurch geschlossen zu werden. Daran ist aber nicht
zu zweifeln, dass diese Lücke eben nur in unserer Ueberlieferung
besteht. Müssen wir doch auch für den Meister, welcher den Ueber-
gang zwischen beiden vermittelte, Timanthes, den Nachweis seines
Sikyonierthums erst erbringen.
Bekanntlich liegen über die Heimat des Timanthes zwei ver-
schiedene Angaben vor. Eustathios nennt ihn bei der Erwähnung
seines Iphigenienbildes ö ZiKUuuvioq YPöcp£u<S- Gewiss mit Recht. So
heisstnochzuAratos Zeiten, also sechs Y^veai später, ein hervorragender
sikyonischer Maler, und das deutet verständlich darauf hin, in unserem
Timanthes den Ahnherrn eines kräftigen Künstlergeschlechtes zu er-
blicken, welchem mancher der uns überlieferten sikyonischen Maler-
namen angehören mag'^^). Aber er stammte vielleicht aus Kythnos?
So hat man seit Brunn die Angabe Quintilians, Timanthes ut opinor
Cylhnius , mit der eustathischen in Einklang zu bringen gesucht.
Es ist nicht blos die Unsicherheit des Autors, welche mir diese Nach-
richt zweifelhaft macht, sondern vor allem der Umstand, dass so-
wohl Eustathios wie Stephanos von Kythnos erzählen , es habe
neben seinem bekannten Käse auch den Maler Kydias producirt,
und der konnte doch allein nur genannt werden, wenn ein Meister
ersten Ranges aus Kythnos eben nicht zur Hand war. Ich möchte
daher die Vermutliung wagen, die Angabe Quintilians verdanke
ihre Entstehung einer Verderbniss der ihm vorliegenden Ueberlie-
ferung. Wie leicht konnte (etwa in einer Künstlerinschrift) zekvonioz
zu KV0NIO2 verlesen werden. Ich kann daher nicht wie Robert
glauben, dass Antigonos unserem Meister den Platz in der asiati-
schen Schule zugewiesen habe, zumal auch noch das einzig übrig
gebliebene Indicium, sein ephesisches Bild versagt. Es hat nur die
Autorität des Tzetzcs für sich, und wieviel diese werth ist, wird sich
sofort ebenso deutlich als sonst zeigen. Ptolemaios Hephaistion
erwähnte im \. Buche seines Anekdotenschatzes ein zu Ephesos
'^') Bereits Bruun, Künstlerg. II 290, denkt an einen Familieuzusamnienhang'
der beiden Timanthes und verrauthet in dem jüngeren den Begleiter des Aratos
auf seiner ägyptischen Reise.
213
befindliches Bild, welches die Ermordung des Palamedes darstellte
und Alexander dem Grossen, als er die dortige Galerie besuchte,
einen peinlichen Eindruck gemacht haben soll, weil der König eine
merkwürdige Aehnliclikeit zwischen dem Ermordeten und einem
seiner Günstlinge fand*^^). Den Namen des Malers hat Ptolemaios
nicht genannt, weil er nichts zur Sache that, denn dass ihn Photius
zu excerpiren vergessen haben soll, ist doch nicht wahrscheinlich.
Tzetzes erzählt dieselbe Geschichte Chil. VIII 198 unter dem Schlag-
wort TTepl TTappacriou in folgender Verballhornung. Alexander wird
zu Ephesos durch den Anblick dreier Bilder erschüttert; es sind
diese: der Megabyzos des Parrhasios, der Menelaos des Zeuxis
und der Palamedes des Timanthes. Nun ist das erste Bild nicht
von Parrhasios, sondern von Apelles, wie Plinius 35, 99 längst hätte
lehren können ; den Menelaos am Grabe seines Bruders von Zeuxis
halte ich für ebenso glaubwürdig, als die damit verbundene Nach-
richt, dass derselbe ein Ephesier gewesen sei, und das Bild des
Timanthes ist, wie bereits bemerkt, bei Ptolemaios Hephaistion
anonym. Diesen Schriftsteller scheint Tzetzes gut zu kennen, Chil.
VIII 397: El' TTOU TÖv 'HcpaiöTioiva Yivuu(JKei(; TTTo\e)LiaTov , dennoch
gibt er hier als seine Quelle die Ephemeriden des Aischron von
Mytilene an, also eine Alexander zeitgenössische Schrift; das ist
doch eine sehr durchsichtige Lüge, und sie legt die Vermuthung
nahe, dass schon Ptolemaios sich auf diesen berufen habe. Aber
der Umstand, dass von Timanthes nur wenige Bilder erwähnt werden,
soll uns nicht zum Verzicht auf kritische Betrachtung der Ueber-
lieferung ermuntern, noch weniger aber gibt er uns das Recht, die
Zahl derselben mit schlechten Vermuthungen zu vermehren, und
deshalb bitte ich Nr. 2 bei Overbeck = 3. Bild bei Brunn von
der Liste einfach zu streichen. Die Sache liegt ja einfach genug.
Parrhasios wird zu Samos im Wettkampf besiegt, von Timanthes,
wie Plinius durchaus glaubwürdig berichtet, während Athenäus,
Eustathios und Aelian den glücklichen Sieger verschweigen. Er
hatte den Aias gemalt, welcher dem Odysseus im Waffenstreit unter-
liegt, und rächte sich nun mit dem guten Worte, es thue ihm nur
um seinen Helden leid, der jetzt zum zweiten Male von einem
Unwürdigen besiegt worden sei. Das hätte nun gar keinen Sinn,
wenn das Bild des Gegners, von dem wir nicht das Geringste er-
'*) Er hiess Aristonikos und war der Genosse Alexanders im Ballspiele ; von
seinen Ehren Athenäus I p. 19 A.
214
fahren, den gleichen Gegenstand vorgestellt hätte. Dann hcätte
Parrhasios wie sein Heros sich selbst besiegen und vor dem Urtheil
verneigen müssen. Von den drei übrig gebliebenen Bildern des
Timanthes, es sind die drei von Plinius erwähnten, weiss ich zu-
nächst mit dem Heros im Friedenstempel zu Rom nichts anzufangen.
Dass er ein schöner Mann war, glaubt man dem Epigramm, welches
man aus dem Plinius heraus hört, gern. Aber wer er war, erfährt
man daraus nicht, und an einen blos akademischen Heroen denkt
natürlich niemand. Vielleicht war es ein Siegerbild, wie das einzig
uns überlieferte Werk seines Nachfolgers Eupompos. Von seinem
Kyklops erfahren wir mehr, es war ein kleines Gemälde, und die
Grösse des schlafenden Unholdes war auf gefällige Weise dadurch
zum Ausdruck gebracht, dass Satyrn mit einem Thyrsos die Mes-
sung seines Daumens unternahmen. Robert glaubt hier den Ein-
fluss des euripideischen Satyrspieles zu entdecken, welches die eigent-
liche Veranlassung zu dem launigen Einfall des Malers gewesen
sei, und wenn er hiefür geltend macht, dass Polyphem sonst nir-
gends mit Satyrn zusammenkomme, so scheint mir das wohl be-
stechend aber keineswegs zwingend. Die Satyrn hier, denen der
Riese etwas fremdes, neuentdecktes ist, zu dem sie sich verhalten
ganz wie die Pygmäen zum schlafenden Herakles, sind nicht aus
den Sklaven des Polyphem abzuleiten, und Odysseus wäre dann
auch allzu real der — Niemand. Herakles und die Pygmäen, die
Löwin mit der sie umspielenden Erotenschaar des Arkesilaos, die
Nilbilder, das sind die nächsten Geistesverwandten dieses Polyphem,
der nicht der Odyssee und Odysseus , sondern Galatea und dem
Idyll angehört. Den Namen Timanthes hier anzutasten , bin ich
nicht genöthigt. Dies Räthsel löst sich von selbst, wenn wir uns
nur daran wieder erinnern, dass der Meister des Iphigenienbildes
nicht der einzige dieses Namens war. Als Meister des Iphigenien-
bildes kannte ihn das ganze Alterthum , und auf diese Thatsache
beschränkt sich fast unser Wissen von Timanthes. Der Sieg, welchen
er damit über Kolotes von Teos, der den or zu Samos über Par-
rhasios davon trug, lehrt uns nichts weiter, als da?s er auch seiner
Zeit genug gethan hatte, was uns aber über seine künstlerische
Weise gemeldet wird, das geht auch nur auf die IpJngenia oratorum
laudibus celebrata zurück. Den Anstoss zu solcher rhetorischer Be-
geisterung bot der Zug des sein Haupt verhüllenden Agamemnon,
darum ist in seinen Bildern mehr darinnen als er gemalt hat, und
eine Erfindungsgabe, die über die Grenzen der Kunst hinausgebt.
215
Die moderne Kunstrhetorik hat das von ihrer antiken Schwester
angeschlagene Motiv pflichtgemäss weiter variirt und sinnig aus-
geführt — leider dabei nur das Nächstliegende vergessen oder
gar vergessen wollen, dass die gefeierte Verhüllung Agamemnons
so selbstverständlich wie nur möglich und keineswegs die Xuai<g
einer aTropia war. Der Standpunkt der alten Rhetorik wird aber
noch deutlicher, wenn wir an die völlig gleichwerthigen Notizen über
den Zeus im Zwölfgötterbilde desEuphranor gedenken, welche Valerius
Maximus und Eustathios offenbar aus der gleichen Quelle, die sie hier
benutzten, auch dort vorbringen '^^). Ein Wort noch über den Preis,
den man für solche Waare hat entrichten müssen. Da man trotz
der leichtverständhchen Warnung der Eingangsworte Plinius' Decla-
mation für eine Beschreibung genommen, so musste man auch die
Phrase „qua staute ad aras peritura"' für stricte verbindlich halten.
Damit gab man das herrliche pompeianische Bild, welches uns allein
eine reale Vorstellung von der Grösse unseres Timanthes und eine
Ahnung seines Schaffens bot, einfach hin, höchstens dass man zur
Erklärung seiner hohen Schönheit sich einen Archaisten des kaiser-
lichen Rom erträumte, als das Erträumen von Archaisten eben
Mode war.
Als Zeitgenossen des Timanthes führt Plinius unter anderen
Namen auch den eines anderen sikyonischen Meisters, des Eupompos
an. Indess folgt aus diesem Citat ihre Gleichzeitigkeit schon darum
nicht, weil jene aequales et aemuli des Zeuxis sich zu diesem chro-
nologisch ebenso verhalten, wie die aemuli des Phidias 34, 49 zu
ihrem Vorbilde. Auch dass Plinius diese Gleichzeitigkeit noch
einmal erwähnt, fällt nicht weiter ins Gewicht. Die Zeit des Ti-
manthes kann nur nach Parrhasios berechnet werden, und die
Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, dass Eupompos sein Nach-
folger gewesen sei, lässt sich kaum in Abrede stellen, denn die von
ihm ausgehende Schulfolge Pamphilos - Apelles spricht dafür '^').
Während wir von den Werken des Eupompos nichts weiter als
das früher erwähnte Sieger bild erfahren und auch die Anekdote,
welche ihn mit dem jungen Lysippos in Verbindung bringt, lehrreicher
2«) Vgl. Overb. Schriflq. 1737 u. 1739 mit 1792 u. 1793.
*') Mit ihr in vollem Einklänge sind die chronologischen Ansätze Quintilians
XII 10, welcher Zeuxis und Parrhasios um die Zeit des peloponnesischen Krieges,
die von Eupompos ausgehende Hchulfolge aber in die Zeit Philipps, Alexanders
und der Diadocheu setzt.
216
für Duris von Samos, der sie erzählt, als für Eupompos ist, wir
demnach also kaum in der Lage wären, auch nur daran zu denken,
die Summe seines künstlerischen Wirkens zu ziehen, erhalten wir
diese von Plinius selbst in dürren Worten: Ipsius auctoritas tanta
fuit ut diviserit picturam in genera : guae ante eum duo fuere — Hella-
dicum et Asiaticum appellabant — propter hunc qui erat Sicyonius
diviso Helladico t na facta sunt, lonicum, Sicyomum, Atticum. Da-
nach fängt für die moderne Geschichtschreibung der griechischen
Kunst die sikyonische Malerei mit Eupompos an, weil es die antike
so that, ich hoffe aber das Eine festgestellt zu haben, dass die
sikyonische Malerschule nicht weniger Ahnen zählte, als die Bild-
hauerschule der Dädaliden. Aber diese Eintheilung in genera will
auch nicht mehr sagen , als sie sagt. Eupompos war nicht der
Stifter einer besonderen Schule, für den er bisher gegolten hat, und
wenn was man genus Sicyonium nannte bei ihm anfing, so rührt
dies einfach daher, dass für das Stilgefühl der antiken Kunstge-
lehrten sich die sikyonischen Bilder vor Eupomp aus der Masse
der „helladischen" nicht genau genug abhoben. Es ist uns leider
nicht bekannt, welcher der antiken Gelehrten diese Eintheilung
schuf '^^j, an deren Berechtigung ich nicht zweifeln will, aber unver-
kennbar ist es doch, dass sie unseren historischen Bedürfnissen
nicht genügen kann.
Erst von Eupompos ab ist in unseren Quellen von einer
sikyonischen Malerei in dem Sinne die Rede, in welchem wir etwa von
venetianischer sprechen, also in dem eines künstlerischen Gesammt-
charakters. Und wie nirgends sonst wird hier gerade dieses Moment
so stark betont. Von sikyonischer Malerei hören wir fast mehr,
als von sikyonischen Malern. Die Meister sind es nicht, die in
den Vordergrund treten, sondern die von ihnen geübte Manier.
Sie erhält das Prädicat der xpnt^TOTpatpia und ist die allein selig-
machende uj<s MÖviK dbidcpeopov €X0VJCr»K t6 Ka\öv-''j. Von überall
strömen die Schüler herbei, so dass Pamphilos schon das Lehrgeld
auf ein Talent in zwölf Jahresraten erhöhen konnte, und in Ale-
xandria wie in Pergamon zahlte man für alte Sikyonier horrende
") Der Alazon des Theophrast, von seinen erlogenen asiatischen Feldzügen
Kchwadronirend, kommt auch auf die Kunst zu sprechen Cbarakt. 23 Kai uepl tiIjv
T€xviTü)v Tujv ky Trj'Aöia, öxi ßeXxiou^ eial tuiv iv xrj EüpiÜTir), d.\x(p\a^r\xf\<5a\.
") Plut. Arat. 12 u. 13 = Overb. 1749.
217
Summen^"). Aiatos besorgte persönlich in Sikyon Ankäufe für Pto-
lemaios IL, besonders, wie ausdrücklich angegeben wird, Bilder
von Pamphilos und Melanthios^'), und so kam dieser in den Besitz
einer schönen Sammlung von alten Sikyoniern, die sich offenbar
sehen lassen konnte. Wie er damit geprunkt hat, davon erzählt
Kallixenos bei Athenäus V p. 196 E. Zu den finanziellen Bedräng-
nissen, welche die Galerien Sikyons leeren halfen, gesellte sich noch
gleichzeitig politischer Vandalismus, und doch fand Polemon da
noch Stoff genug für seine beiden der sikyonischen Malerei gewid-
meten Schriften, Sollten da nicht die „apogi^apha'^ ihren Theil an
diesem Wunder haben? Die lebhafte Nachfrage musste doch auch
die zeitgenössische Kunstübung nothwendig ein wenig reizen.
Aber worin bestanden denn diese so allgemein anerkannten
Vorzüge der sikyonischen Malerei ? Man hat zur Beantwortung
dieser Frage auf die gelehrte Thätigkeit vor allem des Pamphilos
aber auch seiner Nachfolger hingewiesen und auf die feste Schul-
tradition, die da an allen Ecken und Enden zum Vorschein kommt.
Brunn hat hierin eine bewusste und siegreiche Reaction gegen die
von ihm düster geschilderten Ausschreitungen des Zeuxis und Par-
rhasios, welche er bereits dem Verfalle zusteuern sah, erblickt; Heibig
und Wustmann haben die Vertheidigung der Angeklagten über-
nommen, der eine defensiv in seinem Aufsatze über Zeuxis und
Parrhasios, der andere offensiv, indem er die sikyonische Maler-
schule seinerseits einer neuen Betrachtung unterwarf ''2)^ wobei denn
die „moralischen Reformatoren'-' glücklich zu ..zopfigen Akademikern"
geworden sind. Auf solche Streitfragen einzugehen, dürfen wir
füglich ablehnen, da für sie die Verjährungsfrist längst abgelaufen
ist, deren allgemeiner Geltung nur innerhalb der populären Dar-
stellung eine Art Gewohnheitsrecht entgegensteht.
Der Ausgangspunkt unserer Erörterungen ist durch das be-
reits erwähnte auffällige Prädicat, welches Plutarch der sikyonischen
*•) Als Beispiel Attalos Kaut'gebot von hundert Talenten für den Dionysos
des Aristeides. Man wird hier einwenden, dass es sich dabei um kein Werk der
sikyonischen, sondern der „thebanischen" Schule gehandelt habe, und ich mnss
allerdings gestehen, dass ich damit der folgenden Darlegung vorgreife. Uebrigens
ein Meisterstück sikyonischer Plastik, der Diadumenos des Polyklet, kostete be-
kanntlich genau so viel.
^*) Bei Overbeck Schriftqu. 1749 ist hier statt Ptolemaios Philadelphos der
dritte Ptolemaeer eingesetzt. Vergl. Droysen, Gesch. d. Hellenismus III S. 343,
") Fleckeisens Jahrb. 1867 S. 649; Rhein, Mus. 1868 S. 454.
218
Malerei verleiht, gegeben. Ich glaube, es Hegt in der Stelle kein
Anlass für die Annahme, als hätten sich die Meister selbst als
Chrestographen bezeichnet, und damit fehlt der Anlass, dem Worte
XpilcTTOYpacpia rückwirkende Kraft zuzumuthen. Zu seiner Erklä-
rung hat Wustmann treffend auf ein Fragment des Demetrius von
Byzanz verwiesen, welches von der Musik der Lakedämonier handelt
und von der Aufgabe der Choregen berichtet: r\w be aiJToT(; Kai t6
XpncrTO|uou(Teiv Kai faf] Tiapaßaiveiv tovc, dpxaiouq Tf\c, nova\K?\(; v6}jiovc,^^) .
Dies wird im Zusammenhange mit den kühnen Neuerungen des
Timotheos erzählt, gegen welche Sparta als ein revolutionäres Be-
ginnen mit offener Gewalt einschritt. Die Analogie wird noch deut-
licher, wenn wir uns nach dem Revolutionären gegen die alther-
gebrachten Satzungen der Malerei erkundigen. Wir haben früher
gesehen, in welch lebhafter Weise gerade das Ptolemäerreich sein
Interesse für die sikyonische Chrestographie kundgab. Ein solches
Interesse wird um so begreiflicher, wenn wir hören, dass es mit der
Malerei in Aegypten nicht zum Besten stand. Diese Kunde verdanken
wir dem Petronius. Er klagt über den Niedergang der Litteratur und
fügt der heftigen Diatribe folgenden charakteristischen Schluss an:
pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegyptiorum audacia
tarn wagnae artis compendiariam invenit. Eine andere Angabe über
diese Erfindung liegt bei Plinius vor. Da ist es Philoxenos von
Eretria, der Schüler des Nikomachos, von dem sie ausgeht. Hie
celeritatem praeceptoris secutus breviores etiamnum quasdam pictnrae
compendiarias invenit^ und danach möchte man glauben, die audacia
der Aegypter des Petronius hätte nur in der schwungvollen Praxis
des abgekürzten Malverfahrens bestanden. Heibig hat die Ansicht
ausgesprochen und näher begründet, dass die Expectoration des
Petronius die Neuerung betreffe, „welche die wirklichen an der Wand
angebrachten Tafelbilder durch Nachahmung auf dem Frescogrunde
ersetzte" ^*). Ich kann derselben , ganz abgesehen von anderen
Gründen, schon darum nicht zustimmen, weil dieselbe auf Philoxenos
nicht passt, dessen Tafelgemälde Plinius erwähnt, und glaube, die
Lösung liegt näher. Plinius beschreibt die Arten der Enkaustik
35, 149 folgendermassen : Encausto pingendi duo fuere antiquitus
genera: cera et in ebore cestro, id est vericulo doneo classes pingi coepere.
hoc tn-tinm accessit resolutis igni ceris penicillo utendi, quae pictura
") Athenäus XIV p. 633 B.
") Untersuchungen über die camp. Wandni. S. 136 f.
219
navibus nee sole nee sale ventisque corrurrvpiiur. Ich glaube, dass alle
angewandten Interpretationskünste aus diesen Worten die angekün-
digten drei Arten nicht hervorzaubern werden "^^), denn die zwei
ersten Manieren, mit Wachs auch auf Elfenbein mittelst des eestrum
zu malen, sind eben eine Art, und wenn man das einzige Element,
(las eines Ersatzes fähig ist, den Malgrund verändert, so entsteht
dadurch auch keine andere Technik. Plinius charakteristischeste
Eigenthümlichkeit ist es ja, dasjenige nicht zu verstehen, was er
schreibt, und diese Gabe verlässt ihn hier auch nicht. Die zweite
Methode, mit dem Pinsel und gelöstem Wachse zu malen, für Bemal ang
ganzer Flotten geeignet — unser Autor merkt keinen Spass. Ich zweifle
nicht, dass man Schiffe so bemalt haben wird und dafür nicht immer
einen Protogenes oder auch nur einen Herakleides fand, aber der
Streit des eestrum mit dem Pinsel ist hier noch heraus zu hören. Ich
vermuthe, jene vereinfachte Malart ist nichts anderes als das Auf-
geben des eestrum und damit der tarda pieturae ratio ^^). Philoxenos
Name macht hier keine Schwierigkeit. Sein Lehrer Nikomachos,
dessen Technik er veränderte, war auch Enkaustiker; dass er hier
unter den Temperamalern steht, ja dass mit ihm die Geschichte
von der gloriapenicüli schliesst, die nöthigen Postscripta ausgenommen,
ist unter dieser Annahme kein Gegengrund ^^).
So wäre denn die Chrestographie der alten sikyonischen
Meister die alte unverdorbene, aber etwas schwerfällige Enkaustik,
die KiOjpüJOiq. Plutarch lässt nach Sikyon den Apelles durch den
Ruhm der Chrestographie hingezogen werden; Plinius überliefert,
Pamphilos, Apelles' Lehrer, lehrte die Enkaustik auch den Pausias
primum in hoc genere nohilem. Immer wieder hat man für die
sikyonische Malerschule auf die sikyonische Bildhauerschule als
die nächstliegende Parallele verwiesen. Dabei hat man fast allein
die theoretischen Studien und den festen Schulverband ins Auge
gefasst, aber weder das eine noch das andere ist bei dem heutigen
^°) Die Litteratur bei Blümner Technologie IV S. 444.
'») Plinius 35, 124.
") Die Nachricht des Plinius von der Malerin und alten Jungfer laia aus
Kyzikos 35, 147: et penicillo pinxit et cestro in ehore imagines viulieruvi maxume et
Neapoli anum in grandi tabula, suam quoque imaginem ad speculum, glaube ich dem-
nach einfacher deuten zu können, als dies Blümner a. a. O. S. 445 thut. Er meint,
„laia malte sowohl penicillo, d. h. a tempera, als cestro, d, h. enkaustisch ; und in
letzter Malvveise sowohl in ebore kleinere Bildchen, als auch in grandi tabula, also
auf Holz". Ich denke, sie malte enkaustisch, et penicillo et cestro in ebore, ihre;
Frauenbilder, Das alte Weib auf Holz ist der Technik nach nicht bestimmt.
220
Stande der Forschung nur mehr ausschliesslich sikyonische Eigen-
thümlichkeit. Dagegen ist ein anderes Element in den Vordergrund
getreten, und ich brauche nur daran zu erinnern, dass wir die Dä-
daliden zuerst als Meister der Chryselephantin- Technik und dann
als die des Bronzegusses kennen gelernt haben. Da würde es denn
von vornherein kaum als unwahrscheinlich gelten dürfen, auch für
die sikyonische Malerschule die besondere Pflege solider Maltechnik
zu erwarten. Natürlich nicht in dem Sinne, als ob zu Sikyon die
Enkaustik erfunden und als Schulgeheimniss verwahrt worden wäre,
sondern in jenem, auf welchen die Parallele hinweist.
Die Prüfung dieser Annahme würde eine sehr einfache Sache
sein, wenn die Malergeschichte desPlinius so vortrefflich angelegt wäre,
wie Robert meint. Nun ist sie aber ein genau ebenso wüstes Durch-
einander kritiklos zusammengeraffter Notizen , wie die Geschichte
der Erzgiesser oder der Marmorbildhauer. Aus allen Ecken und
Enden müssen wir uns die zusammengehörigen Stücke hervorsuchen,
und wenn uns nicht andere Hilfsmittel zur Verfügung stünden, so
würde die Arbeit wenig lohnend sein. Unsere Sikyonier geben
davon das allerstärkste Zeugniss. Obgleich Plinius die sikyonische
Schule mit Eupompos geräuschvoll ins Leben treten lässt, weiss er
doch in dem Abschnitte über die Temperamaler ausschliesslich nur
noch von Pamphilos zu erzählen, dem Makedonier, der wohl freilich
den Weltruf der Schule begründet hat. Dass Melanthios sein
Schüler war, wie Apelles, erfahren wir hier, sonst nichts von ihm,
dessen Schrift über die Malerei Plinius doch eingesehen haben will,
und wenn jemand beispielsweise aus der Art, wie Melanthios und
Pamphilos sonst zusammen genannt werden, die Vermuthung wagte,
auch dieser wäre kein eingeborener Sikyonier, sondern könne eben-
sogut Makedonier gewesen sein, ich wüsste nicht, wie man dem
wehren könnte. Von den unserem Autor als Sikyonier bekannten
Meistern erscheint nur noch Nikophanes, aber gleichfalls incognito,
während er später bei den Enkaustikern unter den Schülern des
Pausias wieder behandelt wird. In dem kurzen Capitel über die
Enkaustiker ist allerdings von Sikyon verhältnissmässig mehr die
Rede doch wir wollen die ganze Reihe der Meister dieser Technik
erst aufzählen. Plinius beginnt hier mit einer Polemik gegen die
Annahme, dass Aristeides der Erfinder der Enkaustik sei, die Pra-
xiteles völlig ausgebildet habe^^). Wir erfahren nicht, wer die
'*) 3ft, 122: Ceris pingere ac picturam innrere quis primus excogitaverit non
conatat. quidam Aristidis inventum putcmt poatea conmmmatum aProxitele, sed aliijiianto
221
quidam gewesen sind, die solches behauptet haben, aber die Art
der Widerlegung scheint auf Polemons Gegenschrift gegen Antigonos
zu deuten , der Beweis durch die alte Inschrift ist dessen "würdig.
Die Worte Aeginae incturae suae deutet man jetzt nach dem Vor-
gange Stephanis und Panofkas auf eine Darstellung des Raubes
der Aegina, während doch die alte Erklärung eines zu Aegina be-
findlichen Bildwerkes die weit natürlichere ist^^). Dadurch kommt
auch etwas mehr periegetische Färbung in die Stelle. Räthselhaft
bleibt jedoch Praxiteles in dieser Gesellschaft, da Nikias Anekdote
bezeugt, dass er sich nicht als Maler fühlte, und welcher Art das
Missverständniss sein mag, welches ihn hier vielleicht statt des
Nikias zum Meister der Enkaustik macht, ist kaum bestimmt zu
sagen. Aber an der Enkaustik war er gewiss ebenso unschuldig
als au den Tyrannenmörderstatuen.
Nach dieser Einleitung folgen sehr ungleich behandelt als
Hauptmeister :
Pamphilos
Pausias, Bryes Sohn
Euphranor
Kydias (aus Kythnos)
Antidotos, Euphranors Schüler
Nikias von Athen, Antidotos Schüler
Athenion aus Maroneia, Giaukions des Korinthers Schüler
Herakleides, Makedonier
Metrodoros
Timomachos von Byzanz
Aristolaos, Pausias Sohn und Schüler
Nikophanes, Pausias Schüler
Sokrates.
Bevor wir weitergehen, haben wir die vielbesprochene Schluss-
stelle von Nikophanes und Sokrates einer eingehenden Betrachtung
zu unterziehen. Sie lautet (35, 137) : Sunt quibus et Ntcophane eiusdem
Pausiae disciptdus placeat diligentia quam intellegant soll artißces,
alias durus in coloribus et sile multus; nam Socrates iure omnibus
placet; tales sunt eins cum Äesculapio filiae Hygia Aegle Panacea
vetustiorea encaustae picturae exstitere, ut Polygnoti et Nicanoris et Arcesilai Pario-
ruin. Elasippus quoque Aeginae picturae suae inscripsit ^v^Koev, quod profecto non
fecisset nisi encaustica inve^ita.
") Vergl. Arch. Zeit. 1852 S. 446.
222
laso et piger qui appellatur Ocnos , spartum torquens quod asellus
adrodit. Ich will nicht näher auf die recht merkwürdige Thatsache
eingehen, dass uns Plinius bei Gelegenheit der Temperamaler dieses
Künstlerurtheil über Nikophanes bereits aufgetischt haf*"), die vor-
liegende Frage für sich ist allein interessant genug. Es gibt bisher
drei verschiedene Erklärungen für unsere Stelle. Die eine von Sillig
und Brunn vertretene hält den Sokrates für ein Porträt des Niko-
phanes und zwar für sein bestgelungenes Bild; sie gilt mit Recht
als die wenigst gelungene, da ein Maler Sokrates bei Plinius 36, 2
ausdrücklich erwähnt wird. Die beiden anderen Versuche unter-
scheiden sich bezüglich der Frage nach der Zugehörigkeit der auf-
gezählten Bilder. Die einen weisen sie dem Nikophanes zu, so
Wustmann, Urlichs, Overbeck''^), und wenn sie dann, wie der erst-
genannte, den hinderlichen Zwischensatz nani Socrates iure omnihus
placet einklammern, so verfahren sie zwar willkürlich, aber nur
consequent; die anderen sehen sie für Werke des Sokrates an und
finden sich mit den „tales^* so gut ab, als es eben gehen will").
Dass auch diese beiden Erklärungen nicht befriedigen, dazu braucht
es keiner weiteren Auseinandersetzungen. Die angeführten Werke
gehören eben weder dem Nikophanes noch dem Sokrates. Ihr
rechter Meister steht wohlerhalten neben ihnen und ist nur durch
den Ausfall eines et nach placet so unsichtbar geworden , wie der
Lyciscus 34, 79^^). Es ist zu lesen;
nam Socrates iure omnihus placet et Thaies; sunt eius....
Es ist derselbe Thaies, den wir bisher nur aus der Notiz bei Dio-
genes Laertius I 38 kannten""*). Er nennt ihn ZiuuYpaqpoq Iikuujvig^
)Liefa\oqpur|(; und führt aus Duris ev tlu irepi JuuYpaqpia? einen Namens-
bruder an, der schon längst als sein Doppelgänger erkannt worden
*') 35, 111: Nicophanes elegans ac concinnus , ita ut venustale ei pauci con-
parentur. Die Herkunft dieses Künstierurtheils lässt sich ziemlich sicher ermitteln.
Es Bland, wie der auf die venustaa gelegte Ton verräth, in dem berühmten Send-
schreiben des Apelles an Perseus, das fast anschliessend erwähnt wird. Nur das
kleine, aber sicher nicht hieher passende Dictum: colhumus et gravitaa artia a
Zeuxide et Apelle aheat steht dazwischen, l^ie Klammern, die ihm Wustmann a.
a. O. S. 477 zuspricht, verdient es aber deswegen kaum, es ist ja jetzt ganz ver-
ständlich, wie es herkam.
") Rhein. Mus. XXII S. 21; Chrest. Plin. p. 374; Schriftqu. 1765.
") Vergl. Carl Th. Michaelis, Arch. Zeit. 1876 S. 38.
"; Arch.-epigr. Mitth. VII S. 73.
**) Schriftqu. 1770.
isf*^). Einen so bedeutsam hervortretenden Meister konnte Plinius
unmöglich übersehen, und ich denke, dass sein Fehlen bisher wohl
manchem als eine sonderbare Anomalie erschienen sein dürfte. An
der Stelle, wo er jetzt steht, unter den Hauptmeistern, steht er
gewiss mit vollem Rechte; ich glaube aber, dass seine und Sokrates
enge Verbindung mit den Pausiasschülern Aristolaos und Nikophanes
keine bedeutungslose ist. Die beiden Bilder, die uns Plinius über-
liefert, weisen deutlich auf eine enge Verbindung mit Pausias hin.
Die Familie des Asklepios erinnert uns, dass in der Heimat dieses
Heros, in Epidauros, Pausias die Tholos, die sein Landsmann
Polyklet gebaut hatte, mit seinen Bildern schmückte*^), und wen
der Oknos direct an Polygnot gemahnt, der mag daran erinnert
sein, dass Pausias dessen Fresken restaurirt hat.
Mit der Hinzufügung des Namens des Thaies ist die Kritik
der Enkaustikerreihe noch nicht abgeschlossen. Robert*') hat treffend
bemerkt, dass sich die Partie über Herakleides Metrodoros und
Timoraachos als ein Einschiebsel aus Varro verrathe, von dem es
durchaus fraglich sein muss , ob es dorthin gehört , wo es unter-
gebracht worden ist, und man kann dieser Meinung auch dann bei-
pflichten, wenn man über seine «Rettung" des Plinius in der Timo-
machosfrage ganz so denkt wie Oehmichen***). Als aus derselben
Quelle stammende oder als eigene plinianische Zusätze erkennt
Robert auch die in diesem Abschnitte in römischem Besitze ange-
führten Bilder von Kydias und Nikias. Dem Versuch dieses Ge-
lehrten, den Euphranor als dem ursprünglichen Bestände dieser
Enkaustiker fremd und gleichfalls erst in letzter Stunde hinzuge-
kommen nachzuweisen, kann ich jedoch nicht mehr zustimmen.
Es ist nicht zu zweifeln, dass Euphranor auch unter den Tempera-
malern bequem dort Platz gefunden hätte, wo am Schlüsse das
nEuphranoVy de quo mox diceinusu. steht, aber doch auch wieder be-
greiflich, dass es dem Plinius zu viel war, dreimal über denselben
Meister ausführlich zu handeln. Die Olympiadenzahl ist am wenig-
^^) Die sonderbare Stelle des Theodorus Hyrtacenus = Schriftqu. 789, iu
der neben Phidias als Meister der XiGoEoiKrj und Apelles als der der YP^cpiKri,
Thaies der TrXaariKr) wegen genannt wird, hat mit unserem Meister nichts zu thun.
Es ist statt GaXfiq hier TTpaEiTe\r|(; einzusetzen.
**) Wie Kroker, gleichnamige griech. Künstler S. 18, vermuthet hat, der
jüngere.
*') Arch. Märchen S. 86.
<^) Berliner philol. Wochenschrift 1887 Nr. 49.
224
sten beweisend, denn erstens steht er damit neben Nikias, dessen
Olymp. 112 zu seiner besonders gut passt, und dann könnte sie
allenfalls ein Nachtrag sein, weil sie bereits 34, 50 neben ihm steht,
ohne dass er es deswegen sein müsste. Auch dass das posf enm
auf Pausias, zu dem es gehören soll, sehr schlecht passt, ist kein
Gegengrund, zumal da Robert selbst die Frage aufwirft, ob das-
selbe nicht ursprünglich auf Pamphilos gemünzt war. Indessen ist
auch diese Annahme nicht einmal nothwendig. Stand in der Quelle
des Plinius Euphranor nach Pausias, vielleicht auch nach dessen
Schule, so mochte er ihn trotz des Widerspruches , in den er sich
damit thatsächlich gestürzt hat, für den späteren halten. Dass er
aber in der Vorlage stand, darauf deutet doch der Umstand hin,
dass sowohl sein Lehrer als auch seine Schüler und Schülersschüler
mit ihm vereint sind.
Nach der von Robert vollzogenen Ausscheidung der drei
Namen enthält unsere Gruppe von Enkaustikern ein merkwürdiges
Gepräge. Bis auf Kydias und Athenion sind es zwei Schulen, deren
Mitglieder nur ein wenig durcheinander geworfen erscheinen 5 die
an Aristeides anknüpfende Schule des Euphranor und die auf Pam-
philos zurückreichende des Pausias, und darnach will es beurtheilt
sein, dass Aristeides und Pamphilos an die Spitze dieses Abschnittes
gestellt sind. Trotz des ausdrücklich vorgebrachten Einwandes
Polemons schrieb Plinius diejenige Liste ab, die Aristeides als den
Erlinder der Enkaustik voranstellte. Wie kamen nun Kydias und
Athenion in diese geschlossene Gesellschaft? Für den ersten, den
Kythnier, lässt sich die Frage kaum beantworten; ich sehe zwar
keinen rechten Grund, seine von Hortensius so schön aufgestellten
Argonauten für nicht enkaustisch zu halten, und die Anekdote, die
Theophrast von seiner Entdeckung einer neuen Farbe beim Brande
einer Schenke erzählt, passt auch für einen Enkaustiker, aber wir
wissen sonst nichts von ihm, als dass er Zeitgenosse der Schüler
des Euphranor war. Eine Vermuthung aber glaube ich hier vor-
tragen zu dürfen, die, wenn sie sich als stichhältig erweist, die
Stellung unseres Meisters klarzulegen geeignet sein möchte. Hor-
tensius Ankauf des Argonautenbildes um 144.000 Sesterzien weist
auf Rom als den Versteigerungsort des Bildes hin. Nicht gar viel
früher zahlt Lucullus (86 v. Chr.) zu Athen zwei Talente für eine
blosse Copie nach Pausias. Im Jahre 59 trieb der Erzwucherer
Atticus Sikyon in den Gant. Die gesammte Staatsgalerie wurde
von dem Aedilen Scaurus versteigert, und da war denn für Leute
225
von den Mitteln und dem Geschmacke des Hortensius eine herrliche
Gelegenheit zu Bilderkäufen. Stammten aber die Argonauten aus
dieser Auction, dann gehörte ihr Meister zur sikyonischen Schule.
Athenion wird Schüler des Korinthiers Glaukion genannt und seine
Vergleichung mit Nikias ist auffällig, auch seine Thätigkeit in
Athen. Sollte sein Lehrer als Korinthier nicht gleichfalls in engeren
Zusammenhang mit der Schule des Isthmiers Euphranor zu setzen
sein?
Ich setze nun die Stemmata der beiden an Aristeides und Pam-
philos anknüpfenden Schulfolgen her, selbstverständlich ohne die
in dem Enkaustiker-Kataloge oder im Plinius überhaupt erwähnten
Namen zu beschränken ; der rascheren Orientirung halber füge ich
die Belege nach Nummern von Overbecks Schriftquellen hinzu. Die
Abstammung ist durch einen dickeren Strich, die Schulfolge durch
einen dünneren markirt.
Euxeinidas *^)
Aristeides I. 1)
Antenorides 6) Euphranor b) Nikoraachos 2) Ariston 3) Nikeros 4)
Leonidas 10) Charmantides 9) Antidotes 8) Aristeides II.7) Philoxenos 11) Koroibosl2)
V. Anthedon
V. Eretria
Nikias 13)
Nikomedes Sohn
Omplialion 14)
Eupompos ^'^)
1
Pampiiilos 1) Bryes
Apelles 2) Melanthios 3) Pausias 4)
Nikoplianes 6) Aristolaos B) Sokrates (?) Thaies (?)
^9) 1) 1778. 2) 1771. 3) 1775 ii. 1785. 4. 5 u. 6) 1785. 7) = 3). 8) 1810.
9) 1807. 10) 1808 n. 1809. 11) 1775. 12) 1776. 13) 1810. 14) 182(5.
^o) 1) 1745. 2) 1745—1750. 1751. 3) 1748. 4) 1760. 5) 1764. 6) 1765.
Archäologisch-epigrapbische Mitth. XI. ]^5
226
Die beiden hier friedlich nebeneinander gestellten Stemmata,
von welchen Plinius oder richtiger sein Gewährsmann ein paar
Namen herabgepflückt und durcheinander geworfen hat, sind in
unserer kunstgeschichtlichen Literatur auf das strengste geschieden.
Das erste ist das der sogenannten thebanisch-attischen Malerschule,
von der die Alten nichts wussten, wir aber desto mehr wissen;
das zweite ist das der sikyoni sehen, von der hinwieder die Alten
sehr viel wussten und wir sehr wenig wissen. Dieses letztere in-
teressirt uns hier zunächst. Seine Construction beruht bis auf die
beiden rechts von Aristolaos gestellten Namen durchaus auf sicherer
Ueberlieferung. Sie enthält aber nicht alle der uns genannten
Namen sikyonischer Maler nach Eupompos, und ich halte es daher
für unerlässlich, den Rest noch nachtragsweise anzufügen. Vor
allem verdienen nachdrückliche Erwähnung zwei Namen, welche die
Verbindung mit der sikyonischen Erzgiesserschule bedeuten : Euty-
chides, des Lysippos Schüler, den Plinius 35, 141 als Meister einer
Nike, die ein Zweigespann lenkt, nennt, und Arkesilas , der Sohn
des Tisikrates, eines Schülers von Lysippos grossem Sohne Euthy-
krates. Das Datum der Akme des ersteren, Olymp. 121, verträgt
sich mit dem Ansatz neben den Pausiasschülern, den ihm das
Parallelstemma der Lysippschule zuweist. Der andere, der zwei
Generationen später wirkt, reicht demnach in die Zeit des Aratos
hinein, um den sich die letzten sikyonischen Maler zu einer wirk-
samen Schlussgruppe vereinigen. Timanthes II. malte diesem ein
Schlachtenbild, das seinen Sieg bei Pellene verherrlichte; Leontiskos
malte ihn als Sieger, das Tropaion errichtend, Mnasitheos scheint
sein Kampfgenosse aus der Revolutionszeit gewesen zu sein*^), und
Nealkes wird von Polemon ausdrücklich Aratos Freund genannt,
der die rührende Geschichte erzählt, wie dieser vor dem grausamen
Wütherich gegen alle gemalten Tyrannen das berühmte Bild des
Aristratos, an dem auch Apelles mitgeholfen haben soll, rettet,
indem er den Tyrannen in eine Palme verwandelt, aber so, dass
man die Füsse desselben noch hervorgucken sah. Polemons In-
teresse verdankt Nealkes seine häufige Erwähnung in der Literatur.
Hätte Polemon nicht die Anekdote erzählt vom Zufall, der bei
seinem Poppyzon das vollendet, woran der Meister verzweifelt, sie
wäre nicht so oft nacherzählt worden. So kam es auch, dass uns
noch ein Stemma seiner Schule erhalten ist.
227
Nealkes*')
Xenon 2) Anaxandra 1) Erigonos 3)
I
Pasias 4)
Der letzte Ausläufer Pasias verbindet durch seinen Bruder, den
Bildhauer Aeginetes, noch einmal zum Schlüsse die beiden Schwester-
künste; freilich ein Zufall, aber doch ein recht bezeichnender Zu-
fall. Da nun die Zeit des Nealkes und seiner Genossen in die
130er Olympiaden fällt, halten wir mit dem Ausläufer bei dem Ende
der 140er Olympiaden, mithin geradezu direct bei Polemon, der
Olymp. 151, 1 die delphische Proxenie erhielt. Seinem grossen
Inventarwerk ward die hohe Ehre zu Theil, dem Busenfreunde
Ciceros als Auctionscatalog zu dienen.
Wir wenden uns nun zum ersten Stemma zurück. Hier dreht
sich alles um den Namen Aristeides, der denn auch der Ausgangs-
punkt einer ganzen Reihe gelehrter Untersuchungen geworden ist^').
Als feststehendes Ergebniss derselben darf man die folgenden zwei
Punkte bezeichnen. Die von Plinius über den Maler Aristeides, den
er auch gelegentlich Thebanus zubenennt, gebrachten Nachrichten
lassen sich nicht auf eine und dieselbe Person vereinigen, sondern
setzen zwei Meister dieses Namens voraus. Das zuerst nachge-
wiesen zu haben, ist Urlichs Verdienst, der zugleich auch den
zweiten Punkt erledigt hat. Da der eine jüngere Aristeides als Sohn
des Nikomachos überliefert ist, der andere aber zwei Generationen
vorher fällt, so ist dieser mit dem Vater des Nikomachos zu iden-
tificiren, dessen Namen man früher Aristiaios las, der aber in der
handschriftlichen Ueberlieferung offenbar aus Aristides verdorben
ist^^). Plinius hat darüber nachzudenken sich nicht angeregt ge-
funden und die widersprechendsten Nachrichten kühl aneinander-
gereiht, so dass Aristeides einmal als Schüler zur Zeit da Zeuxis
51) 1) Schriftq. 2104. Clemens Alex, nach Didymos. 2) 2106, die Aenderung
Nealkes aus Neokles ist mindestens wahrscheinlich. 3 u. 4) 2105.
*') Urlichs, Rhein. Mus. 25 S. 506 (Einige Gemälde des Aristides). Brunn in
Meyers Künstlerlexikon unter Aristides. Oehmichen, Plinianische Studien, Anhang
(Die Lehenszeit des Aristides von Theben). Kroker, gleichnam. griech. Künstler
(Cap. 11, Aristeides). Kobert, Arch. Märchen (Cap. III, Aristeides und Euphranor),
Oehmichen, Berliner phil. Wochenschrift 1887 Nr. 49 S. 1528.
") Vergl. Urlichs a. a. O,
15*
228
und Parrhasios Meister waren, und knapp darauf als Zeitgenosse
des Apelles erscheint und Euphranor, des ersteren Schüler, einmal
richtig, dann wieder in die dritte Generation nach sich selber an-
gesetzt wird. Doch das sind bekannte und erledigte Dinge, und
des Strittigen gibt es in der Aristeidesfrage gerade noch genug.
Zunächst ist sowohl die Zutheilung der überlieferten Werke wie
des auf den Namen Aristeides gehäuften Ruhmes und des Ethnikon
Thebanus an Grossvater oder Enkel in verschiedenem Sinne be-
antragt worden, und auch die chronologischen Ansetzungen beider
entbehren der wünschenswerthen Sicherheit. Für die letztere Frage,
die mit den übrigen nicht vermengt werden darf, ist von Nikoma-
chos als dem relativ am sichersten bestimmbaren auszugehen- Er
malt für den Tyrannen Aristratos von Sykion, den Zeitgenossen
Philipps von Makedonien, denselben, dessen von Melanthios und
seinen Genossen gemalte Siegerbilder wir früher erwähnten , und
nach Pseudoplutarch irepi d(TKri(Jeuj(; ein Porträt des Antipatros, der
da als König der Makedonier eingeführt wird. Auf diese in unseren
jiSchriftquellen" fehlende Stelle hat Bücheier**) nachdrücklich auf-
merksam gemacht, und in der That ist ihre Verwerthung sehr
lockend; der Künstler rechnet dort dem nKönig" selbst seine Chro-
nologie vor. Die Bezahlung, meint Antipatros, sei für 40 Arbeits-
tage sehr splendid; dagegen bemerkt Nikomachos, er habe ja genau
genommen 40 Jahre daran gemalt. Es ist selbstverständlich, dass
es mit dieser schönen Geschichte nicht so einfach steht, wie Bü-
cheier meint, aber gar so schlecht, wie Kroker annimmt, ist sie doch
nicht. Erfunden ist sie einmal und das vierzigjährige Malerjubiläum
des Nikomachos will sie wirklich nicht verherrlichen, aber wenn
eine dürre, nach bekanntem Schimmel gefertigte Akmerechnung
lebendig wird, so kann sie eben nur eine Anekdote werden. Ge-
geben ist das Bild einer datirbaren historischen Persönlichkeit,
deren Blüthe bekannt ist, hier etwa Olymp. 115. Der Maler muss
damals auch schon in der Vollkraft gestanden haben. Richtig ist
die Rechnung freilich nicht, aber ein Stück Ueberlieferung haben
wir hier immerhin. Wenn Nikomachos überhaupt bis zu dieser
Zeit hin anzusetzen ist. Kroker setzt ihn bis Olymp. 112, und ich
möchte es gleichfalls bezweifeln , die Blüthe liegt jedenfalls weit
davon , aber da man einmal überhaupt mit so traurigen Nothbe-
helfen rechnen muss, scheinen mir die Krokerschen Ansätze der
s') Rhein. Mus. XXVII S. .536 Anni. t.
229
Akme des Aristeides I. auf Olymp. 98, seines Sohnes auf Olymp. 105
und seines Enkels auf Olymp. 112 doch zu hoch, und ich möchte
die alten Urlichs'schen, um zwei Olympiaden tieferen Ansätze doch
vorziehen, ohne dabei die ansprechende Vermuthun^ Krokers, der
den älteren Aristeides mit dem Polykletschüler gleichen Namens
identificiren will, abzuweisen. Das Ethnikon Thebanus wird heute
allgemein auf den Schüler des Euxeinidas nach Massgabe von
Plinius 35, 111 bezogen und wohl mit Recht"; auf die Anführungs-
weise des Plinius ist aber kein sicherer Verlass, da er das be-
rühmte Dionysosbild 7, 126 dem Aristides Thebanus und 35, 24
dem Aristides kurzweg zutheilt. Schwerer ist die gerechte Ver-
theilung der erwähnten Bilder und der verschiedenen Ruhmestitel.
Der angebliche Erfinder der Enkaustik ist zweifellos der ältere
Aristeides. Aber auf welchen geht die ausführliche Würdigung
35, 98: is oyiinium primus animum pinxit et sensus hominum expressü,
quae vocant Graeci ethe, item perturbationes^ durior paulo in cohribus.
Plinius gibt uns hier die Wahl förmlich ausdrücklich frei, denn er
nennt zwar Aristides Thebanus als Subject, bezeichnet ihn aber
fürsorglich zugleich als aequalis des Apelles. Das omnium primus
dieses Urtheiles gehört zu seinesgleichen, aber ohne jede Analogie
in der antiken Kunstkritik ist das harmlose Nebeneinander des
ganz typischen Gegensatzes von r\Qoc, und TrdBoq^^). Die Ankoppe-
lung dieses Pathos ist ungeschickt genug und hat auch Osann An-
lass zu einer schlechten Conjectur gegeben ^'^), aber diese nUngleich-
heit« ist charakteristisch und darf nicht weggetüftelt werden. Wie
hier Grossvater und Enkel in einer Person auftreten, sind auch
folgerichtig ihre Weisen ineinander geflossen. Aber noch können
wir, wenn auch nicht ganz ohne Rückstand, die Scheidung voll-
ziehen. Dem Aristides Thebanus das Ethos, dem aequalis des
Apelles das Pathos und für das durioi' paulo in coloribus mögen
Glücklichere sorgen. Der berühmtere und bedeutendere ist zweifel-
los Aristeides L, dessen dominirende Stellung auch schon das Stemma
verkündet, und der vielgefeierte Dionysos muss ihm als Siegespreis
^ä) Ich denke, man wird sich hier nicht auf Aelian V. H.IV3 = Schriftqu.
1076 berufen mögen, wo das -aadoc, gewiss nur aus Versehen zum fjBo«; gekommen
ist, und zwar darum nicht, weil es sich hier um Polygnot handelt, bei dem das
Ethos exemplificirt und durch Gegensatz erläutert war.
ä»*) id est für üem. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. 1850 S. 114, hat unsere Stelle
ausführlich besprochen und das nöthige Material beigebracht, so dass es genügt,
auf ihn zu verweisen.
230
in diesem Kampfe zugesprochen werden ; ihm als dem Thebaner
gehört auch das von Alexander zu Theben erbeutete Bild der er-
oberten Stadt an, eine Iliupersis^ wie sie des Ethographen besonders
würdig ist"). Für den jüngeren bleibt noch allerlei übrig. Die
Perserschlacht, die er für Mnason von Elatea malte, dessen Kunst-
sinn sich in der Art, wie er zahlt, recht sonderbar ausnimmt ^'^i,
die Leontion, ja auch der endlos gelobte Kranke — doch ich breche
hier ab, ich hatte vor, von den sikyonischen Malern zu handeln,
und bin mitten in das Gestrüpp der Fragen, die sich um die nthe-
banisch-attische« Malerschule schlingen, gerathen. Der Grenzpfahl,
der den Eindringling zurückschrecken sollte, ist doch wahrhaftig
gross genug und weithin sichtbar, denn er ist ganz neu. Sehen
wir ihn uns ein wenig näher an.
Die thebanisch-attische Malerschule taucht als Hypothese bei
Brunn, Geschichte d. gr. Kstl. II S. 159 zum erstenmale auf. Ihre
Begründung war ziemlich dürftig. Aristides Thebanus und ein Bild
in Theben und dann der Hinweis auf die rasch zusammenbrechende
Macht Thebens und auf seine Zerstörung, welche die Verlegung
der Schule nach Athen erklären sollte. Und trotzdem ist diese
Hypothese niemals in Frage gestellt, ja auch, so viel ich wenigstens
weiss, niemals weiter erörtert, sondern einfach der Reihe der ar-
chäologischen Glaubensartikel einverleibt worden, und wenn man
sich doch gelegentlich ihres hypothetischen Charakters erinnert hat,
so geschah es nur, um das 'placet wirkungsvoll anzufügen. Und
das blieb so, obgleich sich der Stand der Frage recht wesentlich
verschoben hat. Die chronologischen Ansätze haben sich verän-
dert. Zwei Aristides stehen heute auf dem Plan, der Thebanus ist
nicht mehr Sohn des Nikomachos, sondern dessen Vater, und Brunn
hat hier selbst weiter gefördert, ja sogar den Versuch, einen dritten
Aristides in das Stemma zu stellen, gewagt. Dann hat Kroker den
älteren Aristides mit dem Schüler Polyklets identificirt, was mir
*') Plinius erwähnt als die Hauptsache einen besonders <;^raiisigcn Zug ad
matris morientis ex volnere mamviam adrepens in/ans, intellegiturque seniire vialer
et timere ne emortuo lacte aanguinem lambat. Fürwahr sehr fein und es überläui't
einem ganz ordentlich, wenn man dies liest. Glücklicherweise haben wir aber
noch ein schlichtes Epigramm Anthol. Pal. VII G23, das die einfache und tragische
Grösse dieser Episode klar zum Ausdruck bringt.
**) Er z;ihlt ihm 100 Personen das Stück zu 10 Minen, dem Theomnestos
für jeden Heros 20 Minen, dem Asklepiodor für 12 Götter das Stück zu 30 Minen.
Er liat also seiiun 'i';irif iiacli der Rangliste der Dargcstellttu geregelt.
231
niclit unmöglich erscheint, hat Euxeinidas, der jetzt an der Spitze
des Stemmas steht, bei dem er die Malerei erlernte, ftlr einen
Sikvonier erklärt, was ich sehr gut zugeben kann, und ihn dann
reich mit Wissensschätzen beladen wieder ruhig in seine böotische
Heimat ziehen lassen.
Dort hüren wir von epichorischen Malern auch zur Zeit der
liüchsten politischen Blüthe nichts. Die künstlerische Verherrlichung
der thebanischen Grossthaten bleibt freilich nicht aus; in Theben
selbst malt als Staatsauftrag Androkydes der Kyzikener eine
Orossthat von Pelopidas und Epameinondas, die dann durch Volks-
beschluss auf eines anderen Rechnung gesetzt wird; die Schlacht
bei Mantineia verherrlicht zu Athen Euphranor der Isthmier, und
der Sohn des Pausias, Aristolaos, malt eine Apotheose des Epamei-
nondas und Perikles. Nun, da in Theben absolut nichts aufzu-
finden ist, müssen wir das Suchen in Athen fortsetzen. Es wäre ja
gar nicht so verwunderlich, hätten die sich die ganze Schule, von
der ihnen nur ein Theil gehören sollte, einfach angeeignet. Aber
auch davon finde ich nichts. Die bekannte Stelle im Plutarch d
r/loria Atheniensiura 2, wo die Verdienste Athens um die Malerei
mit besonderem Nachdrucke aufgezählt werden, nennt Apollodoros,
Euphranor, Kikias, Asklepiodoros und Panainos. Euphranor ist
aber nicht 'AÖnvaioq. wie der Panegyriker will, und nur seine grossen
Werke in Athen hätten hier mit Recht herbeigezogen werden können.
Dass Kikias auch im Stemma vorkommt, beweist, zumal da er
einen ausserhalb desselben stehenden Vater hat, nichts. Ebensogut
könnte man des Apelles halber das sikyonische Stemma nach
Ephesos verpflanzen, und da Kikomachos und sein Sohn nicht als
Athener ausgerufen werden, so waren sie es auch sicher nicht.
Grössen wie Antenorides kann man vielleicht auch ohne ausdrück-
liches Zeugniss, und hier mag der Name dazu führen, als Athener
ansprechen^"), bei anderen muss das Athenerthum sehr sicher über-
liefert sein, sollen wir es ruhig gelten lassen können*^).
Es ist mir besonders auffällig, dass der ältere Aristeides sein
Ethnikon fast ständig führt. Dreimal nennt ihn Plinius so, der
Euphranor beispielsweise nur einmal als Isthmius oder Pamphilus
'») Dass er so heisst, hat schon Letronne, Ann. 1845 p. 258, gelehrt, die
handschriftlich überlieferte Form Antorides steht nur noch in den Plinius- Ausgaben.
•"; Loeschcke, Dorp. Progr. 1887 S. 8.
232
als Macedo' bezeichnet. Der Grund ist längst erkannt, aber wie
soll denn das Thebanus die Unterscheidung besorgen, wenn der
andere nicht anderswo heimatsberechtigt ist? Euphranor führt uns
schon in den Bannkreis der sikyonischen Schule, als Bildhauer
gehört er dahin, und dass er als Maler anders zu beurtheiien wäre,
ist meines Erachtens eine haare Unmöglichkeit. Nikomachos ar-
beitet in Sikyon und zwar für den Herrscher Aristratos, der, wie
sein Porträt bezeugt, die einheimische Schule zu fördern wusste.
Ich glaube, dieser Nachricht kommt ein ganz besonderes Gewicht
zu, denn damals hatte die sikyonische Malerei den Höhepunkt
erreicht, und nichts in dem, was von Nikomachos überliefert ist,
erhebt gegen den daraus zu ziehenden Schluss Widerspruch.
Aber es ist recht überflüssig, nach neuen Indicien auszuspähen,
wenn ein ganz directes und klares Zeugniss vorliegt, und ein solches
enthält eine durchaus nicht unbeachtete, aber immer nur ihres In-
haltes wegen behandelte Stelle bei Athenäus, der Aristeides, Pau-
sanias und Nikophanes Pornographen nennt *'^) und hinzufügt:
|uvr||uoveuei be öutujv mc, laOia KoKwq yP«9Övtujv TTo\e)Liijuv ev tuj
irepi Tujv ev Zikuuuvi irivdKUJV. So gehen denn die beiden
Stemmata auf das engste zusammen.
Aristides Thebanus ist ebensogut wie Pamphilos von Amphi-
polis Grossmeister der Schule von Sikyon. Der gewaltige Auf.
Schwung, den die Tradition begreiflicherweise an einen sikyonischen
Namen anknüpft, er ist gewiss ihr Werk, denn er wird erst ver-
ständlich durch die Erkenntniss, dass ihm eine Auffrischung uud
Durchdringung des uralten Stammbaumes mit nordgriechischem
Blute voranging. Von dorther kam ihr die Technik der Enkaustik
zu, die sie zur höchsten Vollendung entfaltete, und darum konnte der
Glaube entstehen, Aristides und Pamphilus wären die ersten En-
kaustiker gewesen. Noch finden wir andere nordgriechische Namen
in der sikyonischen Schülerliste, Leonidas von Anthedon, Athenion
von Maroneia, aber freilich auch Namen von ionischen Künstlern,
die für ihren Weltruf zeugen. Die erste und notwendigste Con-
sequenz der gewonnenen Erkenntniss ist der Bruch mit der alten
Anschauung von der Einseitigkeit und Enge der sikyonischen Manier.
") XIII p. 667 B. Es steht Pausanias, und Sillig Brunn iind andere wollen
dafür Pausias einsetzen. Icli halte aber dafür, dass es so richtig steht und Pole-
mon noch die vollere Namensform gekannt hat, er scheint auch Melanthos für
Melantfkios gekannt zu haben, vergl. Plut. Arat. 12 u. 13 = Schriftqu. 1749 u. 1759.
233
Es bedarf nur eines Blickes auf die uns erwähnten Vorwürfe , um
zu erkennen, dass hier alle Richtungen, vom Schlachtenbild bis zur
Miniatur und zum Pornogramm vertreten waren. Der einheitliche
Charakter geht damit nicht verloren, die hervorragende Pflege einer
bestimmten künstlerischen Technik hat gewiss auch hier ihre stil-
bildende Kraft bewährt, und die geschlossene Tradition war vor
allem geeignet, den einmal geschaffenen Stil zu wahren und weiter
zu bilden , und in diesem Punkte war auch der Einfluss der eng
verbundenen sikyonischen Erzgusswerkstatt von Bedeutung. Das
sind Dinge, die auch ohne jedes Zeugniss vermuthet werden müssten,
es ist aber doch, da uns stilistische Urtheile vorliegen, nötig, auf
die Belehrung, die sie gewähren, hinzuweisen. Wir haben bereits
der Urtheile über die beiden Aristeides, wie über Nikophanes Er-
wähnung gethan. Wir heben aber aus beiden ein identisches Mo-
ment hervor, weil sich an dasselbe alles anfügen lässt, was an
solchen Urtheilen noch vorhanden ist.
Von Aristeides: jjaulo durior in colorihus.
Nikophanes: alias durus in coloribus et sile multus.
Antidotos: diligentior quam numerosior et in colorihus severus.
Athenion: austerior in colore et in austeritate iucundiur ut
in ipsa pictura eruditio eluceat.
Aristolaos: . . . .e severissimis pictoribus.
Das ruft uns zunächst die classische Stelle von Euthykrates in
Erinnerung, der trotz seines Vaters austero mahiit genere quam iu-
cundo placere. Auf welche Quelle jene Urtheile zurückgehen, mag
vorläufig dahingestellt bleiben , es sei jedoch darauf hingewiesen,
dass ihr Autor ebensowenig wie Polemon in dem Pornographen-
Citate und Plinius in der Enkaustiker- Aufzählung die beiden Stem-
raata als etwas streng zu scheidendes gekannt haben kann. Dass
aber die Richtung, die jene Urtheile weisen, eine zielbewusst ver-
folgte gewesen sei , lehrt noch deutlicher als jener Bericht über
Euthykrates der herrliche Ausspruch des Melanthios, den wir füg-
lich als Schlusswort hersetzen dürfen: Oriai yctp (ev TOii; irepi Zioi-
YpaqpiKfK) beiv aü9dbeidv xiva Kai öKXnpÖTnTa toTc; epYOiq eTTiipexeiv.
Prag, im Januar 1888 WILHELM KLEIN
134
Neue Insel) rifteü aus Dacien')
I
1. Värhely. Am unteren Rande einer Statue aus Marmor.
AESC ETHYG1Ä=.
P A EL • THEIMES
Bei der Seltenheit des Cognomen Theimes dürfte der aus
einer anderen Inschrift von Sarmizegetusa (III, 1472) bekannte
gleichnamige P. Ael. Theimes mit diesem identisch sein.
*2. Ära aus weissem Marmor, h. 0*51, br. 02, d. 0"05; jetzt
im Museum zu Deva,
3. Ära aus Bukovaer Marmor, gefunden in der Nähe des
Amphitheaters, jetzt in Privatbesitz. Oben zwei Löwen. H. 0'41,
br. 0-39.
GEN lO DEC
XiTT COLI.o
FABRö
' " • Rß SA
Das coU(egium) fabr{itm) zu Sarmizegetusa war aus manchen
Inschriften bekannt; die dec(nria tertia) desselben wird erwähnt
III, 1494, die dec{uria quarta) III, 1431**); unsere Inschrift lehrt»
dass dasselbe mindestens dreizehn Decurien enthielt — Z. 4. 5
ist vielleicht L. Vib{ms) Sa\tnrninvfi\ zu losen.
4. Fragment aus Marmor; in llaszeg aus den Ruinen einer
mittelalterlichen Kirche.
SObO
'j Zu (1(11 liis( liriftei) 2. 8. 18. 19. 20 sind von A. v. Domaszewski genominenc
AliHclirjfteu und Aljklatsche vergliclien worden. A. d. R.
') Im Ciiriiiis war irrtliüiilich dec{nriarum Iriiivi und <iHatli(or) gcdesen.
235
5. Fragment einer Tafel, h. 0'47, br. OSS.
I AVG I
P V B I. I C j
G. Aus Sandstein, beim Gemeindecassier Albuleseu Mihaly.
D iW
CIVIIOL VC"A 11'
F A M I L I A - C"S
7. Fragment aus Marmor mit sehr schönen, 10 Centimf^ter
hohen Buchstaben.
Vielleicht ist das Fragment auf Traian zu beziehen und Z. 1
Dac(ico), Z. 2 trib. po\t. XV. . . zu verstehen.
*8. Fragment einer Tafel aus blauem Bukovaer Marmor. H. 1"5,
br. 0-2, d. Ol 8.
1^ A P
I
3
A RM
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10 ji A
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15 sarJMIZ
fMO
Z. 1 ist wohl die Tribus Pap{iria) zu erkennen. — Z. 8 steht
am Schluss ein von rechts nach links gewendetes r. — Die geringen
Reste gestatten eine einigermassen sichere Ergänzung nicht, doch
ist es wahrscheinlich, dass sie zu einer Ehreninsclirift für einen
236
aus Sarmizegetusa Gebürtigen gehörten, der mehrfach militärische
Stellungen bekleidet (Z. 2 etwa [p{rimo)p{ilari) , praef(ecto) levis]
armiaturae), Z. 4 etwa praef{ecto) coh{prtis) e\quit{atae)) und in
seiner Vaterstadt irgend welche oniamenta (Z. 14) erhalten hat.
9 [= diese Zeitschrift IX S. 240 n. 13]. Fragment aus den
Ruinen des Mithrastempels, aus Sandstein.
SOR
IN AE
S - VIL
10. Fragment, h. 041, br. 0-21.
11. Fragment aus Marmor mit sehr schönen Buchstaben.
12. Am Rande eines Reliefs bei Herrn Petrovits, k. k. Lieu
tenant in Haszeg.
I V A
13. Fragment einer Marmorplatte.
\K\
14. Fragment einer Marraorplatte, h. 007, hr. O'l, d. 0 02.
15. Fragment einer dünnen Platte.
o c
Deva. GABR. TEGLAS
PAUL KIRALY
237
II
16. Mikhäza (C. I. L. III p. 178, XII). Fragment aus grobem
Kalk, h. 0-45, br. 0-4.
L XXXV
! V R I o
? jJ (a T R I
? pienf]isS\N\0
5 pO|SVIT
Z. 1 war wohl das Lebensalter angegeben , Z. 2 der Name
desjenigen, der den Stein gesetzt hat. Die Reste führen auf ein
Cognomen wie Saturio, Surio.
17. Torda. Ära, in den Weingärten gefunden, jetzt im Devaer
Museum; h. 0-32, br. 02.
I D « M
N A D
VOT
I B
5 POS
I{nvicto) D{eo) M(ithrae) . . . vot{um) [l]ib{ens) pos{uit).
*18. Apuium. Fragment aus Cerithien-Kalk, h. 0 16, br. 0*2,
d. 016.
*19. Petrosan bei Zalatna, im Hause des Pfarrers Georg
Popovits. Ära aus Brearar- Sandstein, H. 0*55, br. 0"45, d. 0*36.
— ETM • I V, • A~7\(9Z/i
N A R I S V K R s\
A' G • N • R? m A )
5 N ' S A V G ■ N V E R N
sie V\ I L P O S V 1 T 1
Zum Schluss von Z. 2 und 3 ist p und ^ nicht ganz erhalten.
Zu lesen ist Z. 3 ff. Verus Aug{usti) n{ostri), Romanus Aug{usti) n(ostri)
vern{a) vil{icus).
*20. In der Nähe des Vulkojer Bergwerkes, unter dem Berge
Korabia, entdeckte Bela v. Lukacs, Präsident der ung. Staats-
238
eisenbahn, im Jahre 1878 zwei römische Gräber (Arch. Ertesitö
Jahrg. 1879 S. 14 u. 350). Bei meinen Ausgrabungen fand ich
einen Grabstein aus Nummulithen-Kalk, welcher 50 Kilom. von
dort beim Dorfe Igen (in der Nähe von Karlsburg) bricht. H. 0*35,
br. 0-45, d. Ol.
tro
Ziegelinsclirifteii
1. Mlkhäza, jetzt im Museum zu D6va.
C PA I
Vielleicht = C. I. L. 1633, 23 und add., sowie Eph. ep. IV n. 203.
2. Zaiatna.
LEG XIII GLM
AEL II KIIV S
3. Rea, zwischen Hatzeg und Varhely von Hrn. Adam v. Buda
in einem römischen Fundament gefunden — C. I. L. 1633, 16.
^ I A B
4. Ebendort.
L E G /l iii g
5. Ebendort. Vgl. diese Zeitschrift VI S. 138 f. u. VIII S.54 n.3.
leg iii j I F F
6. Värhely.
MARC
7. Pjbendort.
LEG Xm GE
8. Burghall (das andere Värhely) bei Bistritz, jetzt im cvang.
Gymnasium zu Bistritz.
9. Ebendort. '
/ A B L Y
10. Dicsö Szt, -Märton, im Thal des kl. Kokcl.
LEG XIII G
11. Heviz-Galt (C. I. L. p. 179, XV), jetzt in Maros-Vasarhely
bei Herrn Kovats.
X X N.
239
12. Veczel.
Ieq XIII qEJm
i VA P O L L 0 1/
13. Ebendort = C. I. L. 1629, 22.
L V C r/ aquila
14. KÖboldogfalva bei Kis-Kalan (C. I. L. p. 227, XXIV).
A S C L E P I
15. Maros-Porto, im Fussboden bei Todoran Ariton.
F • A- T
16. Ompolyica, l'/a Stunden westl. von Karlsburg; jetzt im
Besitze des reformirten Collegiums in Nagy - Enyed = C. I. L.
1629, 10.
LEG XIII GE
AVCALLISTRI
17. FÖldvar bei Felvincz; jetzt in Dev^a im Museum.
AL BA c» =: al{u) Ba(tavorum miliaria)
18. Ebendort.
LEG X
[Ob zum Schluss verstümmelt?]
19. Ebendort, jetzt im reform. CoUegium zu Nagy-Enyed.
LEG XIII GEM
20. MarOS-Keresztur, jetzt Märos-Vasdrhely bei Hrn. v. Kovats
= Mitth. VI S. 140.
AL Bos = al{a) Bos{poranoruiii)
Lampen
1. Zaiatlia, vom Vulkojer Grabfeld. Zwei Exemplare.
F E S T 1
2 (diese Zeitschr. VI S. 145 n. 36). Ebendort. Drei Exemplare.
OPTATI
3 (ebenda n. 34). iNVAk
Gefässstempel aus Varhely.
[eim
Deva G. TEGLAS
240
Zu einer Gruppe von Inschriften der
Augustalen
Bei Vorarbeiten zu einer neuen Behandlung der Augustalen-
frage stiess ich auf eine Gruppe von Inschriften, die alle aus
einem und demselben engbegrenzten Landstriche innerhalb der
XI. Region Italiens, aus Mediolanium und seinem Gebiete (C. I. L.
V5465. 5749. 5844. 6349. 8922), sowie aus Novaria (V6518) stammen,
in denen zu der Bezeichnung sexvir Augustalis oder einfach Augn-
dalis die abgekürzte Formel c. d. d. oder in einem Falle (n. 6518)
s. c. d. d. zugefügt ist. Nach dem Vorgange der Früheren erklärten
Mommsen (C. I. L. V p. 635, dazu Index p. 1198) und nach ihm
Johannes Schmidt (De seviris Augustalibus 1878 S. 21 f.) diese
Abkürzungen mit c{reatus) d^ecurtonum) d{ecreto) , ersterer jedoch
mit dem zweifelnden Zusätze: 'quamquam hoc displicet, cum nihil
proprium creati vocabulo adiciatur. Mir scheint es namentlich
wegen V 6518 {Augustalis s. c. d. d.) ansprechender, zur Deutung
zwei im benachbarten Vercellae gefundene Inschriften (n. 6657.
6658) heranzuziehen , auf welchen seviri Augustales socii-^ cultores
domus divinae erscheinen, und daneben auch einige Inschriften aus
Brixia zu vergleichen, die für diese Stadt ein coU(egium) {sex)vi-
)(uin) soccior{um) (V 4410, cf. 4203) und {sex)vir{i) Aug{ustales) soci
(4428) bezeugen. Danach ist wohl in n. 6518 Augustalis s[ocius)
c(ultor) d{omus) d{ivinae) , in den übrigen Inschriften Aug{ustalis)
oder sexvir Aug{ustalis) c{ultor) d{omus) d{ivinae) zu lesen. Zu dem
Alter der Steine — keiner derselben scheint vor die antoninische
Zeit zu fallen — und zu dem Zwecke des Augustaleninstitutes
passt dies, so viel ich sehe, recht gut.
Wien A. V. PREMERSTEIN
Archaeoirepigr Math aus Oesterreich-Ungam XI
Taf
ANTONINVS PIV:
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Archaeol -epigraph. Mitth. aus Oeaterreich-Ungarn XI
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Taf. III
Archaeol.-epigraph, Mitth. aus Oeaterreich-Üngam XI
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Taf. IV
Archaeol.epigraph. Mitth. aus OesterreichUngam XI
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Archaeol.-epigraph. Miltli. ans Oesterreich-Ungarn XI
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Archaeol.-epigraph. Mittli. aus Oesterreich-Ungarn XI
Taf. VI
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Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich-üngarn XI
Taf. VII
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Archaeol.-epig-raph. Mitth. aus Oesterreich-Ungarn XI
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cliaool.-epitn'aph. Mittti. aus Oesterreich-Ungarn XI
Taf. IX
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02
ARCHAEOLOG ISCH - EPIGRAPHISCHE
MITTHEILUNGEN
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OESTERREICH- UNGARN
HERAUSGEGEBEN
VON
0. BENNDORF und E. BORMANN
JAHKGANG XII
MIT 9 TAFELN
WIEN
DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN
1888
/l^.I. ^Oj^-
INHALT
Seite
Bormaun Die antiken Inschriften zu Wodena (Edessa) 18G— 195
Bulic Eine Zeusstatuette im Museum von Spalato 24 — 26
V. Domaszewski Eine zweite Handschrift der Inschriftensammlung'
des Peter Alexander Boghetich 26 — 38
Römischer Pferdeschmuck aus Siebenbürgen . . 138 — 145
Gomperz Die älteste attische Staatsurkunde 61 — 65
Hauser, Schmidel, Bor mann Ausgrabungen in Carnuntum . . 146 — 174
Hülsen Eine römische Strasse in Serbien 175 — 182
Hula Eine Inschrift aus Lagina 77 — 79
Kenner; v. Domaszewski und Kenner Römische Goldbarren mit
Stämpeln 1 — 24. 66—73
Klein Zur Daidalidenfrage 60 — 61
Studien zur griechischen Malergeschichte:
II. Die helladische und asiatische Schule 85 — 127
Kubitschek Inschriften aus Oedenburg (Scarabantia) ..... 80—84
Der 'römische Sarkophag' in Gumpoldskirchen . . 182 — 186
V. Premerstein Zur Inschrift C. I. L. III 4307 131 — 137
Nachtrag zu Mittheilungen XI S. 240 137
Reichel Ueber eine neue Aufnahme der Fran^oisvase 38 — 59
Szanto Zu den amorginischen Staatschuldurkunden 74 — 77
Weinberger Zum Ehrendecret aus Tomi 127 — 130
Eömisclie Goldbarren mit Stampeln*)
(Hierzu Tafel II)
Ein epigraphisches Novum von grosser Wichtigkeit lieferte
der im September 1887 in Siebenbürgen gemachte Fund von abge-
stämpelten römischen Goldbarren aus der zweiten Hälfte des vierten
Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, die den Gegenstand der folgen-
den Besprechung bilden; in ihr sind die dankenswerthen Mitthei-
lungen benützt, welche Herr Director Gabriel Tegläs in Deva
über die Umstände des Fundes, das Aussehen, die Dimensionen
und Gewichte der Barren an die Redaction dieser Zeitschrift richtete.
Auch die Facsimile der Stämpel beruhen auf Zeichnungen, die seiner
Güte verdankt werden.
Er schreibt über den Fund Folgendes: „Die Goldbarren wurden
in der südöstlichen Biegung des Häromszeker Comitates an dem
Bache Bodza bei Gelegenheit eines Strassenbaues aufgegraben.
Der Ort liegt fast gegenüber von Czofalva, wo im Jahre 1840 vier
goldene Handbeile, mehrere goldene Phalerae, das Ende einer gol-
denen Kette, goldene Perlen, der Theil eines Zaumes und eine Gold-
platte, die 22 Loth schwer ist, zum Vorscheine kamen. Aus diesem
Fund ist ein Handbeil mit mehreren Phalerae im Antiken -Cabinet
zu Wien zu sehen ^).
*) Die folg-ende Besprechung wird auch in der Wiener „Numismatischen
Zeitschrift" zum Abdruck kommen. [A. d. K.]
') Arneth in den archäol. Analecten, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. VII,
Taf. 14. — V. Sacken u. Kenner, Die Sammlungen des k. k. Münz- und Antiken-
Cabinetes S. 344, n. 29. Die sogenannten Phalerae sind hohle, gewölbte Beschläg-
scheiben aus Goldblech mit Löchern zum Aufnähen auf Stoffen. Sechs in der kais,
Sammlung in Wien befindliche Stücke haben je 25 Cm. Durchm., 0-5 Cm. Höhe.
Die Ornamente bestehen aus einem grösseren Buckel, der von kleineren umgeben
ist. Das Gesammtgewicht der sechs Stücke beträgt nur 14-02 Gr. Augenscheinlich
bildeten diese Scheiben die Verzierung eines Gürtels oder Wehrgehänges.
Archäologiech-epigrapMsche Mitth. XII. 1
Dem Bodzaflusse entlang auf der rumänischen Seite liegt die
berühmte Pietrosa, wo im Jahre 1837 ein werthvoller Fund aus
der Zeit der Völkerwanderung gemacht worden ist, welcher Schatz
jetzt im Bukarester Museum sich befindet'"').
Auf dem strategischen Wege, der über den Bergrücken laufend
von Szitabodza ausgeht, in dem Kraszna genannten Waldtheil,
welcher zwar noch in Ungarn, doch der rumänischen Grenze sehr
nahe liegt, beschäftigten sich Zigeuner (zwei Brüder Bisziok und
Stephan Miklos aus Szitabodza) und der Kisborosnyoer Insasse
Radnj Szavu in oben erwähnter Zeit mit Schotter-Abbrechen und
fanden an einer nassen Berglehne, kaum ein paar Meter vom Wege
entfernt, neun Goldbarren von der Grösse einer Siegelwachsstange.
Die Zigeuner, die den Werth dieser mit Morast bedeckten Stangen
kaum kannten, theilten den Fund auf der Stelle und jeder bekam
zwei der Stangen, nur Szavu Radnj löste sich die neunte, als ge-
meinsame Beute übriggebliebene Stange für den Preis von 2 fl.
40 kr. ein. Letzterer scheint von dem Werthe dieser Stangen am
meisten verstanden zu haben, und es kommt mir sehr verdächtig
vor, dass der Genannte später noch drei Barren ausgrub und so
in den Besitz von sechs Barren gelangte."
Es wird weiter erzählt, wie die Finder ihre Barren zu Gelde
zu machen suchten, indem die Gebrüder Bisziok sie an Geldwechsler
in Kronstadt verkauften, welche sie, um Metallproben zu machen,
zerstückelten , so dass nur zwei ganz , die übrigen in fünfzehn
Bruchstücken in die Hände der Obrigkeit gelangten. Hingegen
lieferte Szavu seine sechs Barren, von denen nur eine in zwei Theile
zerschnitten wurde, von selbst an die Behörde ab, so dass sein
Antheil glücklicher Weise der Verstümmelung entgieng.
Wie schon bemerkt wurde und wie die beiliegende Abbildung
einer ganz erhaltenen Barre zeigt, die sich augenblicklich in Wiener
Privatbesitz befindet (Taf. U), haben diese die Form unserer Siegel-
lackstangen, doch ist die obere, abgestämpelte Fläche etwas breiter
als die untere, so dass der Durchschnitt nicht ein Rechteck, son-
dern ein Trapez ergiebt.
Die folgende Aufzählung der Barren und der Bruchstücke,
welche der Fund enthielt, wird genügen, ein beiläufiges Bild des-
selben zu geben. Dimensionen und Gewichte sind den Mittheilungen
*) Arneth, Die antiken Gold- und Silbermonumente des k. k. Müiiz- nud
Antiken-Cabinetes S. 85, Taf. Beilage V und VI.
des Herrn Directors Teglas entnommen ; die Art der Zusammen-
stellung der verschiedenen Stämpel wird durch eine Reihe von
arabischen Ziffern veranschaulicht , die sich auf die Nummern be-
ziehen, unter welchen die Stämpel im Folgenden einzeln aufzuführen
sein werden ; die aufrechte , verkehrte oder liegende Stellung der
Ziffern bezeichnet zugleich die Richtung, in welcher die Stämpel
eingeschlagen sind.
I. Ganze Barre, 16*5 Cm. lang, 2*3 Cm. breit, 6 Mm. dick,
476 Gramm.
2 2 ö 1 6
IL Ganze Barre, 17"5 Cm. lang, 2 Cm. breit, 6 Mm. dick,
472 Gramm.
2 2 1 g g
III. Ganze Barre, 17 Cm. lang, 2 Cm. breit, 8 Mm. dick,
248 Gramm.
2 2 2 S 1
IV. Ganze Barre, 14 Cm. lang, 2 Cm. breit, 5 Mm. dick,
37565 Gramm.
2 2 12
V., VI., VII. Bruchstücke; 110-15, 102'02, 133-65 Gramm^).
2 ■'
VIII. Bruchstück, 6 Cm. lang, 2 Cm. breit, 8 Mm. dick,
134-06 Gramm.
IX. Bruchstück, 6*5 Cm. lang, 18 Cm. breit, 10 Mm. dick,
192-87 Gramm.
X. Bruchstück, 5-5 Cm. lang, 2 Cm. breit, 8 Mm. dick,
164*15 Gramm.
XI. Bruchstück, 45 Cm. lang, 2*1 Cm. breit, 6 Mm. dick,
1037 Gramm.
1 2 .
^) Die Maasse sind nach der Reihe der ohen angegebenen Gewichte: 45 Mm. 1.,
18 Mm. br., 6 Mm. dick; 45 Mm. 1., 18 Mm. br., 8 Mm. dick; 60 Mm. 1., 20 Mm. br.,
7 Mm. dick.
1*
XII. Bruchstück, 6 Cm. lang, 2 Cm. breit, 7 Mm. dick,
145'5 Gramm.
3 1 i
XIII. Bruchstück, 6-5 Cm. lang, 2-1 Cm. breit, 8 Mm. dick,
166'65 Gramm.
2 2 (
XIV. Ganze Barre, 16-5 Cm. lang, 2 Cm. breit, 6 Mm. dick,
372 Gramm.
1 1 6 -J
XV. Ganze Barre, 16 Cm. lang, 1'7 Cm. breit, 7 Mm. dick,
339 Gramm. Diese ist auf Tafel II wiedergegeben.
1 6 -^
XVI. Ganze Barre, 17 Cm. lang, 2 Cm. breit, 7 Mm. dick,
409 Gramm.
4 1 6 <i
XVII. Ganze Barre, 14 Cm. lang, 2 Cm. breit, 1 Cm. dick,
524 Gramm.
1 6
XVIII. Bruchstück, 5 Cm. lang, 2 Cm. breit, 5 Mm. dick,
151"66 Gramm.
6 über 5 6/
XIX. Bruchstück, 6 Cm. lang, 2 Cm. breit, 7 Mm. dick,
127-17 Gramm.
Hiezu kommen noch vier ausgehämmerte Bruchstücke ohne
Stämpel von 128, 69*75 (zwei Stücke zusammen) und 684 Gramm.
Die Stämpel stellen sich in den Abdrücken auf den Barren
als seicht vertiefte Vierecke dar und zeigen kein anderes Ornament,
als Perlenstäbe, die innerhalb der Vertiefung an den Rändern
herumgehen.
Sie sind theils Schrift-, theils Bildstämpel, die ihrer Arbeit
nach dem Charakter des vierten Jahrhunderts entsprechen. Die
Buchstaben auf den Barren I bis IV sind kleiner und gedrängter
als auf den Barreu XIV bis XVII.
') Der Stämpel ist zweimal eingeschlagen, einmal sclüef, (hiriiber gerade.
Die Schriftstämpel lauten:
1. LVCIANVS
OBRISIG i
Vgl. die Abbildung auf Tafel II.
Die Nominativform des Namens lässt in der zweiten Zeile die
Aussage einer Thätigkeit und ein Object der letzteren voraussetzen,
welches nur in der Sigle OBRI- vermuthet werden kann, so dass
in der anderen Sigle SIG das Zeitwort enthalten sein muss. Ohry-
zum, obryza {ohrusmm, ohrussa) ist das reine, geläuterte Gold ohne
merklichen Zusatz von unedlen Metallen; das Vorkommen dieses
Wortes in dem vorliegenden Stämpel verräth, dass Lucianus es
mit der Prüfung des Feinhaltes der Goldbarren zu thun hatte.
Diese konnte nun bei ganzen Barren, an welchen keine Spur der
Abtrennung eines noch so kleinen Theiles zum Zwecke chemischer
Analyse bemerkbar ist, nur auf dem Wege der Strichprobe ge-
schehen. Darauf bezieht sich augenscheinlich die nach OBR ein-
gestellte Ziffer I. Sowie wir feines Gold mit Nr. 4 und weiter je
nach der Grösse der Zusätze andere Goldsorten mit Gold Nr. 3,
Gold Nr. 2, Gold Nr. 1 bezeichnen, ebenso scheint im römischen
Probiramte eine Feinhaltscala bestanden zu haben und bedeutete
OBR-I- Feingold erster Güte^). Wahrscheinlich ist die Ziffer I
mit nota (primae notae) zu ergänzen, da nota den Strich bezeichnet,
welchen das Gold auf dem Probirstein hinterlässt **). Der vorlie-
gende Stämpel wird also zu lesen sein: Lucianus obryzum primae
notae signavit, Lucianus bezeichnet die betreffende Barre als Fein-
gold erster Güte ; der Stämpel stellt demnach die amtliche Feinhalts-
marke dar.
Das beigefügte Wappen ist das Monogramm Christi-, es wird
weiter unten darüber gesprochen werden.
2. FLFLAVIAN iK^Fä^S^
VS PRO SIG |terr^)-^0i5'J(€;,|
ADDIGMA/ i^i^^l.
*) Ueber die an den Barren angestellte Goldprobe liegt eine amtliche Aus-
sage nicht vor. Doch wurde versichert, dass das Materiale reines Ducatengold sei.
•) Mommseu, Gesch. d. röm. Miinzwesens S. 799.
6
Auch hier wird, analog der Stilisirung der Inschrift des ersten
Stämpels, zu dem Namen Flavianus ein Zeitwort und ein Object,
auf welches sich die in letzterem ausgesagte Thätigkeit bezieht,
vorausgesetzt und beides in den Siglen der zweiten Zeile gesucht
werden müssen. Einen Aufschluss über sie gewähren die Worte
ad digma der dritten Zeile, indem sie sofort erkennen lassen, dass
Flavianus einen Gegenstand mit einem Muster, das sich in seiner
Verwahrung befand, zu vergleichen hatte. Dieser Gegenstand muss
sich auf den Barren selbst befinden und kann, da auf den Nummern
I bis IV neben dem Stämpel des Flavianus nur noch jener des
Lucianus vorkommt, nichts anderes gewesen sein, als eben die
Feinhaltsmarke des Letzteren. Aufgabe des Flavianus war es also,
den Stämpel des Lucianus mit einem in seiner amtlichen Verwah-
rung befindlichen authentischen Abdruck {digma) zu vergleichen,
die Echtheit des ersteren zu prüfen und zu bestätigen. Die In-
schrift wird also zu lesen sein: Flavius Flavianus prohavit signuvi
ad digma\ er giebt die amtliche Garantie für die Echtheit der Fein-
haltsmarke des Lucianus.
Das Wappen ist der Palmzweig.
3. QV I R I L L V S
ETDIONISVS
SIRM SIG /
Qjy IRILL VS
ETDIONISVS
j^cSIRMSIG
Beide Stämpel unterscheiden sich dadurch, dass in Nr. 3 zu
Ende der dritten Zeile der Palmzweig, also dasselbe Wappen,
welches auch im Stämpel Nr. 2 vorkommt, angebracht ist, während
in Nr. 4 zu Anfang der dritten Zeile ein Stern als Wappen er-
scheint. Die Form Nr. 3 begegnet auf einem Bruchstück (XII),
die Form Nr. 4 auf einer ganzen Barre (XVI). Wie der Vergleich
der beiden letzteren Stücke mit den Barren I bis IV zeigt, tritt
der Stämpel, von dem eben die Rede ist, an die Stelle jenes des
Flavianus (Nr. 2) ; es muss also auch der Sinn desselben der gleiche
sein: die Aufgabe, welche Flavianus zu lösen hatte, ist auf zwei
obrigkeitliche Personen, Quirillus und Dionisus übergegangen, welche
bald die Palme, bald den Stern als Amtswappen führen. Die ab-
weichende Stilisirung der Inschrift ihres Stämpels kann daher nicht
aus einer Verschiedenheit ihrer Function hergeleitet, sondern muss
aus einem äusserlichen Umstände erklärt werden. Da der Raum,
welchen die Oberfläche der Barre darbietet, so schmal ist, dass
nur für Stämpel mit höchstens drei Schriftzeilen Platz war, und
da die Namen der beiden Beamten schon für sich zwei Zeilen ein-
nehmen, die Formel aber, wie sie Flavianus beifügte (PRO - SIG |
AD DIGMA), nebst dem Wappen wieder zwei Zeilen beansprucht
hätte, würden bei ihrer Anwendung im Stämpel des Quirillus und
Dionisus vier Zeilen Schrift noth wendig gewesen sein, wofür der
Platz mangelte; um die vierte Zeile zu ersparen, wurde jene Formel
weggelassen und der kürzere Beisatz gewählt, welcher mit SIRM
SIG sowohl den Amtssitz als auch die Function der beiden Beamten
bezeichnete. Ob „Sirmii signaverunt'* oder „ Sirmienses signatores'-''
zu lesen sei, wage ich nicht zu entscheiden. Die erste Lesung
würde die Analogie mit den Stämpeln 1 und 2, die andere den
Umstand für sich haben, dass im zweiten Stämpel der gleichen Barre
doch wahrscheinlich nicht derselbe Ausdruck (signare) wieder ge-
braucht worden ist, welcher schon im ersten Stämpel angewendet ist.
5. Auf einem Bruchstück (XVIII) ist ein Bildstämpel nach-
träglich über einem Schriftstämpel eingeschlagen, so dass von letz-
terem nur mehr die Enden der zwei oberen Zeilen seiner Inschrift:
VS
SIG
und des Palmzweiges noch sichtbar sind. Da keine der bisher be-
sprochenen Marken gleiche Ausgänge zeigt"), darf hier an den
Rest eines fünften Schriftstämpels gedacht werden , der abgesehen
von Namen und Wappen der Obrigkeit wohl ähnlich so wie jener
des Flavianus (Nr. 2) stilisirt gewesen ist und auch die Palme bei-
gefügt hatte ^).
') Stämpel Nr. 1 zeigt das SIG in der zweiten Zeile weiter hineingerückt,
so dass unter den Ausgang {Liicicm)VS nicht SIG, sondern das Wappen zu stehen
kommt. Stämpel Nr. 2 geht in der 1. Zeile auf AN, nicht auf VS aus. Stämpel
Nr. 3 hat an der betreffenden Stelle zwei VS untereinander.
®) Nach einer zweiten Abschrift des Herrn Director Te'gläs, die mir nachträglich
zu Gesicht gekommen ist, sind unter SIG als Ende der dritten Zeile Eeste einer
8
Auf den Barren XIV bis XVII (und den Bruchstücken XVIII
und XIX) sind neben den Marken Nr. 1 und Nr. 4 auch zwei
Bildstämpel angewendet. Vergleiche die Wiedergabe der Barre
XV auf Tafel II. Der eine derselben zeigt
6. drei von vorne gesehene Kaiserbüsten nebeneinander,
ähnlich so angeordnet, wie sie auf den Exagien vorkommen; zwei
von ihnen zur Rechten des Beschauers sind fast gleich gross; die
dritte zur Linken des Beschauers ist merklich kleiner. An den
Schmalseiten sind die Siglen für Dominorum nostrorum, seil, triam
in der hier veranschaulichten Weise vertheilt:
Z ö
Z ö
Z ö
7. Der andere Bildstämpel ist in allen Fällen gestürzt einge-
schlagen, da er wegen seines überhöhten Formates aufrecht ein-
gestellt den verfügbaren Raum überschritten hätte. Er enthält das
Bild der Stadtgöttin von Sirmium als eine thronende Frauen-
gestalt in langen Gewändern , ähnlich so wie die Constantinopolis
auf den bekannten Münzen des vierten Jahrhunderts dargestellt
ist; das Bild der letzteren hat sicher auch das Vorbild für die
Tyche von Sirmium abgegeben. Letztere trägt die Thurmkrone
auf dem Haupte und das Füllhorn im linken Arme, sowie die Con-
stantinopolis, in der Rechten aber hält sie einen Zweig; sie sitzt
nicht auf einem Thronsessel, sondern auf einem würfelförmigen
Postamente, auch das Schiff unter dem einen Fusse fehlt. Im Ab-
schnitt unten steht die erklärende Beischrift SIRM, im Felde oben
vor der Figur ist auf den Barren XIV, XV und auf dem Bruch-
stück XIX das Monogramm Christi, das Amtswappen des Stärapels
Nr. 1; auf Barre XVI der Stern, das Amtswappen des Stämpels
Nr. 4, angebracht.
Beide Bildsiegel sind für die Bestimmung der Zeit, in welcher
die Abstämpelung der Barren erfolgte, wichtig. Weist schon im
Allgemeinen der Stil der Arbeit auf das vierte .Jahrhundert hin,
so wird der Zeitraum noch weiter eingeengt einerseits dadurch,
dass dem Bilde der Stadtgöttin von Sirmium jenes der Constan-
Palme kenntlich. Auf dem mitgesendeten Stauiolabdruck, der verdrückt ein-
langte, vermuchtc ich den üherpriigteu Stämpcl nicht zu erkennen.
9
tinopoHs zu Grunde liegt, das nicht vor dem Jahre der Einweihung
dieser Stadt (330) in Anwendung gekommen sein kann; anderer-
seits verschwindet die Sigle SIRM von den Münzen zur Zeit des
Kaisers Valens (er starb 378); die Münzstätte Sirraium scheint
damals aufgelassen worden zu sein und wird auch in der Notitia
dignitatum thatsficlilich nicht mehr aufgeführt.
Es handelt sich also um die Epoche zwischen 330 und 378.
Der andere Bildstämpel stellt nach der Uebung jener Zeit
zwei ältere und einen noch in jugendlichem Alter stehenden Au-
gustus, erstere grösser, letzteren kleiner dar. In der gedachten
Epoche gibt es nun nur eine Regierung, auf welche jene drei Kaiser-
bilder bezogen werden können, jene Valentinians L, der im Jahre 364
mit 43 Lebensjahren Augustus wurde und sofort seinen Bruder
Valens, damals 36 Jahre alt, zum Mitaugustus für den Orient und
im Jahre 367 auch seinen damals achtjährigen Sohn Gratianus zum
Augustus ernannte. Da Valentinian 375 starb, werden die Jahre
367 bis 375 als die Zeit der Abstämpelung unserer Barren be-
stimmt werden können.
Eine Vergleichung der Combinationen der einzelnen Stämpel
untereinander führt zu folgenden Ergebnissen.
Nur einer von ihnen, jener des Lucianus (Nr. 1), findet sich
auf allen ganzen Barren, welche allein hier in Betracht kommen,
er kehrt unverändert immer wieder, wogegen die anderen Schrift-
stämpel (2 bis 5), die neben ihm angewendet werden, wechseln.
Schon dies ist ein Zeichen, dass jener der wichtigere, der Haupt-
stämpel ist, während letztere eine secundäre Bedeutung haben und
als Nebenstämpel betrachtet werden müssen. In der That enthält
er die wichtigste Aussage bezüglich der Barren, die Bestätigung
der Reinheit des Goldes, die übrigen bezeugen nur die Echtheit
der Feinhaltsmarke.
Da letztere erst von Schriftstämpeln allein (I bis IV), dann
von Schrift- und Bildstämpeln (XVI) , endlich von Bildstämpeln
allein (XIV, XV, XVII) begleitet wird, müssen auch die letzteren
den Nebenstämpeln zugerechnet werden, d. h. sie dienten ebenso,
wie die Siegel des Flavianus, Quirillus und Dionisus, dazu, die
Echtheit der Marke des Lucianus zu bestätigen.
Der Wechsel der Nebenstämpel, mögen sie aus Schrift oder
Bild oder aus beiden bestehen, hat sich in nachweisbarer chrono-
logischer Aufeinanderfolge vollzogen. Die älteste Combination
10
ist augenscheinlich jene der Feinhaltsmarke (Nr. 1) mit dem Neben-
stämpel des Flavianus (Nr. 2), die sich auf den Barren I bis IV
zeigt. Die zweite, nächstjüngere Combination verbindet die Fein-
haltsmarke mit dem Nebenstämpel des Quirillus und Dionisus (Nr. 3,
Bruchstück XII): der Zusammenhang mit der älteren Art der
Gegenzeichnung ist durch die Palme angedeutet, deren sich sowohl
Flavianus als auch Quirillus und Dionisus bedienen. Ob schon
damals die Bildstämpel als weitere Nebenstämpel aufgenommen
worden seien, lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen, da für die
zweite Combination nur ein Bruchstück, nicht eine ganze Barre
zur Verfügung steht.
Sicher war dies aber bei der nun folgenden dritten Com-
bination der Fall; wir finden in der Barre XVI neben der Fein-
haltsmarke und neben dem Stämpel des Quirillus und Dionisus das
Dreikaisersiegel und jenes von Sirmium. Die beiden eben genannten
Beamten führen gleichzeitig nicht mehr die Palme, sondern den
Stern als Wappen.
Endlich schliesst sich daran eine vierte Combination, welche
neben der Feinhaltsmarke nur mehr die beiden Bildsiegel verwendet
(Barren XIV, XV, XVJI). Deutlich zeigt sich der Uebergang aus
der vorletzten in die letzte Art in dem Bruchstücke XVIII , in
welchem, wie schon erwähnt, das Kaisersiegel über einen Neben-
stämpel mit Schrift aufgeschlagen wurde. Von den beiden Bild-
stämpeln ist ferner jener mit den drei Kaiserbüsten für den vor-
nehmeren geachtet worden; einen deutlichen Beweis hiefür liefert
die Barre XVII, auf welcher ausser der Feinhaltsmarke nur das
Dreikaisersiegel erscheint; wäre letzteres für weniger wichtig als
das Amtssiegel gehalten worden, so würde man eben dieses,
nicht jenes in Anwendung gebracht haben. Wenn also gleich die
beiden Bildstämpel, wo sie neben einander erscheinen, nichts anderes
sind als der bildliche Ausdruck für den Begriff „kaiserliches Münz-
amt Sirmium", so liegt wie billig der Nachdruck doch auf der Be-
zeichnung „kaiserlich"; augenscheinlich sollte damit documentirt
werden, dass die Goldprobe von den Beamten nicht als Privatper-
sonen, sondern ex officio vorgenommen wurde.
Es lässt sich also ein viermaliger Wechsel in den Combina-
tionen der Nebenstämpel nachweisen; er ist keineswegs ein zufäl-
liger oder willkürlicher; vielmehr erkennt man in ihm das Bestreben,
die Garantie für die Echtheit der Feinhaltsmarke zu steigern, indem
die Verantwortung dafür von einem einzelnen Beamten erst auf
11
deren zwei, dann auf das kaiserliche Münzamt Sirmium selbst über-
tragen wird ; nicht der Beamte persönlich, sondern das Amt selbst
übernimmt späterhin die Bürgschaft für die Feinhaltsmarke. Zur
vollen Ausgestaltung der Bezeichnungsweise fehlte nur noch der
eine Schritt, auch in der letzteren den Beamtennamen zu unter-
drücken und statt seiner den Feinhalt allein in der herkömmlichen
Weise mit OBR I, II, III u. s. w. anzugeben. Die vorliegenden
Barren zeigen diese Stufe der Entwicklung nicht mehr.
Die eben besprochene Steigerung der Garantie lässt weiter
einen Beweggrund durchleuchten, welcher für die Verwendung
der Barren charakteristisch ist. Der interne Verbrauch für die
Münze, etwa zur Ausprägung von ein- und mehrfachen Solidi, und
die Hinausgabe für gewerbliche Zwecke reichen, wenngleich die
Barren dazu gedient haben mögen, nicht aus, um jene Erscheinung
zu erklären, da für diese Zwecke die Marke 1 genügt haben würde.
Vielmehr wird die Vermehrung der Bürgschaften für die Feinhalts-
marke nur dann verständlich, wenn den Barren die Geltung eines
öffentlichen Verkehrs- oder Zahlungsmittels eingeräumt war. In
der That unterscheiden sie sich, seit sie mit dem sacrosancten
Kaiserbilde, der Feinhaltsmarke und dem Amtssiegel von Sirmium
versehen sind, nur in einem Punkte von dem rollenden Geldstück
gleicher Zeit: in dem Mangel eines festbestimmten gleichen Ge-
wichtes, an dessen Stelle hier eben die Bezeichnung des Feinhaltes
tritt; im Uebrigen sind beide gleichmässig durch das Bildniss der
Kaiser, als der Vertreter der Staatsautorität, durch die Angabe
des Münzamtes und durch Beizeichen als gesetzliches Verkehrs-
mittel bezeichnet. Da in jener Zeit auch die Goldmünze bei grös-
seren Zahlungen zugewogen, ja Gold auch in Barrenform, wenn
es feinhältig war, sowie die Münze angenommen wurde ^), kam das
Gewicht der einzelnen Barren nicht in Betracht; sie boten auch
ohne Gewichtsangaben für Grosszahlungen unter den damals be-
stehenden Verhältnissen gewisse Vortheile dar; vor allem wurde
die Umständlichkeit vermieden, welche das Abwägen einer grösseren
Anzahl einzelner Goldstücke, auch wenn sie in Beuteln einge-
schlossen waren, mit sich brachte. Zudem wurde der Schlagsatz
erspart. Die Barre hatte also nicht bloss die Möglichkeit rascherer
Abwicklung bei grossen Zahlungen, sondern auch den Vortheil der
Billigkeit vor der Goldmünze voraus. Diese Vortheile gewährte
") Mominsen, Gesch. d. röm. Münzw. S. 835.
12
sie aber nur dann, wenn ihr Feinhalt sichergestellt war. Letzteres
war für diese Form des Geldes um so wichtiger, als sie weit mehr
Materiale enthielt, als das einzelne Goldstück, also ein Abgang an
Feinhalt dem Besitzer grossen Schaden brachte. Wenn wir nun
sehen , dass gerade auf die Vermehrung der Bürgschaft für die
Echtheit der Feinhaltsmarke ein grosses Gewicht gelegt und diese
stets mehr gesteigert wurde, so wird daraus eben die Verwendung
der Barren als öffentliches Zahlungsmittel gefolgert werden können.
Wahrscheinlich wurde Handelsleuten gestattet, fremde und antiquirte,
nicht coursfähige Münzen und Bruchgold in den kaiserlichen Münz-
häusern einschmelzen, scheiden und in Feingoldbarren uragiessen
zu lassen, die durch die aufgeschlagenen amtlichen Marken die
Geltung eines vom Staate verbürgten Verkehrsmittels erlangten.
Die zunehmende Beliebtheit dieser Geldforra in jener Zeit , der
unsere Barren angehörten, veranlasste, um die Sicherheit des Ver-
kehres und den Credit des Staates zu erhalten , die mehrfachen
Aenderungen der Nebenstämpel und den Fortschritt vom Beamten-
zura kaiserlichen Amtssiegel.
Mit diesem Fortschritt hängt wohl auch die verschiedene Art
der Abstämpelung selbst zusammen. Zunächst wurde auf allen
Barren die Feinhaltsmarke (Nr. 1) eingeschlagen, bald in der Mitte
(II, XVI) bald an den Enden [Ul XIV, XV, XVII) oder sehr
nahe den letzteren (I, IV) und zwar auf jeder Barre nur einmal;
die einzige Ausnahme bildet Barre XIV, indem auf dieser der
Stämpel 1 zweimal neben einander erscheint. Die Nebenstämpel
dagegen zeigen eine verschiedene Behandlung. Jener des Flavianus,
der nur aus Schrift besteht, wurde auf der kleineren Barre IV
dreimal, auf drei anderen, grösseren (I bis III) sogar viermal wieder-
holt, so dass der vom Stämpel 1 freigelassene Theil der Oberfläche
mit ihm völlig überdeckt erscheint. Der Zweck solchen Vorgehens
war offenbar das Bestreben, die Bedeutung der Garantiemarke
durch Wiederholung nachdrücklich hervorzuheben. Man wendete
dazu noch ein anderes Mittel an , indem man für jene Abdrücke,
welche unmittelbar neben der Feinhaltsmarke auf der einen oder
auf beiden Seiten derselben zu stehen kommen sollten (I bis III) '"),
den Stämpel verkehrt einschlug, so dass die Buchstaben auf dem
'") Die Uarrc IV macht die einzig-c Au.siialiiiH! von dieser Art, iudem alle
ihre Stämpel aufrecht ateheu.
13
Kopfe stehen. Dadurch wird nicht bloss die Feinhaltsmarke auf-
fallend hervorgehoben, sondern auch der Beschauer veranlasst, auf
die Garantiemarke eine besondere Aufmerksamkeit zu verwenden,
ähnlich so, wie wir uns durch verkehrt eingestellte Annoncen in
unseren Zeitungen unwillkürlich veranlasst finden, das Blatt zu
wenden, um den Inhalt solcher Anzeigen lesen zu können.
Hingegen bei der späteren Anwendung von Bildstämpeln unter-
blieben solche Kunstgriffe; sie sind weder wiederholt noch verkehrt
eingeschlagen, offenbar weil der bedeutungsvollere Inhalt derselben
schon auf den ersten Blick, den der Beschauer darauf warf^ in
diesem den Eindruck voller Sicherheit bezüglich des Feinhaltes
hervorrief.
Es ist noch der Beizeichen oder Wappen, die sich in den
Stämpeln Nr. 1 bis 5, dann in Nr. 7 finden, zu gedenken. Sie
haben keine persönliche Geltung, was sich schon daraus ergibt,
dass zwei Functionäre (Quirillus und Dionisus) sich desselben
Zeichens bedienen (Nr. 3) und beide es gleichmässig ändern (Nr. 4),
dies könnte nicht der Fall sein, wenn sie Familien- oder persön-
liche Abzeichen wären. Die gleichen Wappen erscheinen überdies
auf denselben Barren sowohl im Schrift- als im Ortssiegel von
Sirmium. Sie sind also als Abzeichen bestimmter Functionen oder
bestimmter Abtheilungen des Münzamtes anzusehen, die wir nach
den dermaligen Kanzleiausdrücken als Sectionen oder Departements
des Münzamtes bezeichnen würden.
Auf unseren Barren sind zwei solche Unterämter nachzuweisen;
das eine hat als Abzeichen das Monogramm Christi, das andere,
so lange es nur von einer Person versehen wird, die Palme, später,
nachdem die Function auf zwei Beamte übergegangen war, den
Stern. Die Aenderung hatte wohl den Zweck, die Verantwortung,
die früher auf einem Functionär ruhte, auf zwei zu übertragen und
dadurch eine grössere Sicherheit des Dienstes zu erlangen.
Als die Bildstämpel aufkamen, wurden die Abzeichen der
Unterämter auch in das Siegel von Sirmium aufgenommen und
dieses eben dadurch aus einem einfachen Orts- zum Amtssiegel
der betreffenden Section des Münzamtes Sirmium gemacht. Zu-
nächst erscheinen die Abzeichen jener Section, welcher es oblag,
die Echtheit der Feinhaltsmarke zu bestätigen. Da die Barre XII
nur mehr in einem Bruchstücke vorhanden ist, lässt sich nicht mit
völliger Bestimmtheit sagen, ob mit dem Stämpel 3 (des Quirillus
14
und Dionisus mit der Palme) Bildstämpel combinirt waren oder
nicht. War es der Fall, so hat das Ortssiegel sicher auch die
Palme enthalten. Dies zeigt die Barre XVI, auf welcher dieselben
Functionäre schon mit dem Sterne zeichnen, der denn auch in dem
Amtssiegel derselben Barre auftaucht. Als endlich die Neben-
stämpel mit Schrift ganz aufgegeben wurden, verschwanden folge-
richtig auch die Symbole dieses Unteramtes aus dem Amtssiegel
und trat an ihre Stelle das Symbol des anderen Unteramtes , das
Monogramm Christi. Es ist nicht nothwendig, daraus auf die Auf-
lösung des mit dem Sterne zeichnenden Departements zu schliessen,
es wird nach wie vor fortbestanden haben, aber es stämpelte nicht
mehr mit dem Beamtensiegel, sondern mit dem Bilde der Kaiser,
welches jede andere Garantiemarke überflüssig machte, weshalb
das Unteramt nicht mehr genannt zu werden brauchte. Eine Aen-
derung erlitt nur die Rückbeziehung des Ortssiegels statt auf das
eine, auf das andere, offenbar im Ansehen höher stehende der beiden
Unterämter, dessen Vorstand ja auch fortan persönlich verantwort-
lich blieb.
Der Uebergang von der älteren in die jüngere Art der Ab-
stämpelung scheint sich rasch vollzogen zu haben , da unter den
aufgefundenen ganzen Barren die erstere in vier, die letztere in drei
Exemplaren vertreten ist, während die Stadien des Ueberganges
nur aus je einem nachgewiesen werden können.
Die Thätigkeit der beiden Unterämter lässt sich aus den An-
gaben, die in ihren Schriftstämpeln enthalten sind, folgern. Zum
Ressort des mit dem Monogramme Christi bezeichneten gehörte all'
Dasjenige, was mit Schrot und Korn der Münze zusammenhängt,
es hatte die Aufgabe, aus dem ihm zugewiesenen Roh- und Bruch-
metalle das Münzmetall in der vorgeschriebenen Reinheit (bei Gold
und Silber) und in der gesetzmässigen Legierung (bei Kupfer) durch
Schmelzprocesse darzustellen und die genaue Einhaltung der vor-
geschriebenen Gewichte zu überwachen , welche ja mit dem Fein-
halte so innig zusammenhängen; andererseits mochte es ihm ob-
liegen, verdächtige Münzen nach Schrot und Korn zu prüfen und
etwaige Fälschungen nachzuweisen. Am nächsten würde der Ver-
gleich mit dem Ressort eines Münzwardeins liegen.
Das andere Departement, welches mit Palme und Stern be-
zeichnet wird , hatte es mit einem anderen wichtigen Bestandtheil,
mit den Stämpeln der Münze zu thun. Man wird nicht glauben
15
wollen, dass seine Thätigkeit sich auf die Marken beschränkte,
welche für Barren allein bestimmt waren. Vielmehr ergibt schon
die natürliche Forderung der damaligen Beschaffenheit der Münze
mit ihren vielen Varietäten in Bildern, Umschriften, Münzbuch-
staben und Beizeichen, dass die Corabinationen derselben auf einem
amtlichen Schlüssel*^) beruhten, nach welchem im Falle neuer Emis-
sionen die Zusammenstellung jener einzelnen Bestandtheile des Ge-
präges vorzunehmen und mit welchem verdächtige Münzen, die zur
Untersuchung zugewiesen wurden, zu vergleichen waren, um aus
der Richtigkeit oder aus Fehlern in den Combinationen ihre Echt-
heit oder Unechtheit zu constatiren.
Zu diesem Zwecke mussten in jedem Münzamte Beispiele
jeder Emission und jeder Serie derselben, sei es in schriftlicher
Aufzeichnung oder in Natura^ am wahrscheinlichsten die Stämpel
selbst oder Abdrücke derselben, übersichtlich geordnet verwahrt
sein; anders lässt sich die schwierige Manipulation bei der dama-
ligen Einrichtung der Münze kaum denken. Vielleicht könnte man
dieses Amt als iStämpelverwahramt bezeichnend^).
Nach diesen Merkmalen wird man in dem ersten Unteramte
das des exactor auri argenti et aeris erkennen und den öfter ge-
nannten Lucianus als solchen bezeichnen dürfen. Wie in einer aller-
dings viel älteren, aus dem Jahre 115 stammenden stadtrömischen
Inschrift ein Felix Äug [usti) Ub(ertus) optio et exactor auri argenti
et aeris an der Spitze der officinatores der Münze in Rom steht ^^),
so nimmt auch unser Lucianus auf den älteren Barren eine hervor-
ragende Stelle neben dem anderen, in den Garantiemarken ge-
nannten Beamten ein und ist späterhin nur sein Name in der Fein-
haltsmarke beibehalten worden. Auch die Anwendung des Mono-
grammes Christi als Wappen seines Amtes scheint auf ein grösseres
Ansehen des letzteren hinzuweisen, da doch dieses Symbol gewiss
als das vornehmste betrachtet werden muss unter allen, die in jener
Zeit angewendet werden konnten und auch wurden.
") Ein Beispiel hat Missoug in den Münzen des K, Probus nachgewiesen.
Numism. Zeitschr., Wien, V (1873) 102 f. Vgl. darüber Mommsen in der Zeitschr.
f. Numism., Berlin, XV (1887) 251.
") Analog ist die Thätigkeit der Sigillarii im hohen Mittelalter, Kanzlei-
personen, welche die Echtheit der Siegel an Documenten zu prüfen hatten. Vgl.
Du Gange s. v.
'^) C. I. L. VI 42—44.
16
In der erwälinten Inschrift werden zunächst nach dem
Exactor, als welcher nur eine Person auftritt, mehrere Signatores,
welche die bildlichen Darstellungen für die Münzen lieferten, also
Münzgraveure genannt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass einer
der älteren Signatores , oder der rangälteste und erfahrenste von
ihnen, die Stärapel und den Schlüssel für die Combinationen von
Münzbildern und Münzbuchstaben in Verwahrung hatte; einen
künstlerisch und technisch gebildeten Fachmann für diese Stelle zu
wählen, war eine naheliegende Forderung des Dienstes. Als solche
werden die auf unseren Barren genannten Beamten Flavianus,
Quirillus und Dionisus zu betrachten sein; ja in dem Stämpel der
letzteren scheint eine Hinweisung auf ihren Titel zu liegen, wenn
die Auflösung SlKMieiises SlGnatores die richtige ist.
Zum Schlüsse möge eine Vergleichung der Wappen unserer
Barren mit den Beizeichen auf den Münzen, welche unter den
Kaisern Valentinian, Valens und Gratian geprägt wurden, einen
Platz finden. Da es sich hier nicht um eine erschöpfende Darstel-
lung dieses Thema' s handeln kann, beschränke ich mich auf das
treffliche Materiale, das die Münzsammlung des a. h. Kaiserhauses
darbietet.
Zunächst soll veranschaulicht werden, welche Gepräge dieser
Kaiser in der genannten Sammlung aus der Münzstätte Sirmium
vorhanden sind und welche Art der Bezeichnung sie zeigen. Es
sind folgende:
Goldmünzen (Solidi).
Rückseite Münzstätte
Valentinian. . . . Restitutor rei inihlicae t^ SIRM
Valens Ebenso ^ SIRM
Gratian Victoria Augg.^*).
SIR OB
Silbermünze.
Valentinian Vot. V. MhU. X (J. 368) .. SIRM
'*) Die Münze stammt aus der Zeit zwischen Valentinian's und Valens' Tode
(375 — 378). Die Palme ist im Felde zwischen den thronenden Figuren beider
Kaiser Valens und Gratian , die Siglen SIR OB sind im Segment der Münze ange-
bracht.
17
Kupfermünzen
Valentinian Vot. V. multis X {PI III) . . . A SIRM
Valentinian .... Restitutor rei pnhlicae {ßl II) B SIRM
Valens Gloria Tiorttawrum {PI III) . B SIRM
Valentinian. . . . Securitas relpuhlicae {Pi. III). H SIRM
Valens Restitutor reipuhlicae (/c- III). 0 SIRM
Aus diesen Beispielen ersieht man, dass die Prilgethätigkeit
in Sirmium damals schon eine sehr geringe war, im Vergleich zu
der weit ausgedehnteren anderer Münzhäuser, wie: Antiochia, Roma,
Thessalonica, insbesondere Siscia. Dennoch finden sich unter den
Goldmünzen von Valentinian und Valens solche, die dasselbe Wappen
wie der Stämpel 4 unserer Barren zeigen, den Stern; von Gratian
taucht ein jüngerer Solidus auf, der die Palme unserer Stämpel
2 und 3 enthält.
Weit reicher gestaltet sich das Bild, wenn die übrigen Münz-
stätten jener drei Kaiser zum Vergleich herangezogen werden. Es
zeigt sich, dass auch in anderen Münzstätten dieselben Wappen
Anwendung fanden, welche auf unseren Barren vorkommen; ja,
andere Beizeichen , wie : Kranz, Blatt, Pantherkopf u. s. f. werden
sogar seltener angewendet, als das Monogramm Christi, das Kreuz,
die Palme und der Stern. Es sollen hier Beispiele aufgeführt
werden, um die Art der Anwendung der einzelnen Symbole zu ver-
anschaulichen und daran Bemerkungen über die Analogien zwischen
ihnen und den Wappen auf den Barren zu knüpfen '^).
Das Monogramm Christi
1. Valentinian, Salus reipublicae, kleine Kupfermünzen:
-f _^ 'P 'P
ANTA SMKB CONS CONS B
'"; Für Nicht-Numismatiker sei bemerkt, dass die Zeichen über dem Strich
im Felde der Münze rechts oder links, jene unter dem Strich im Abschnitt
der Münze sich befinden. Die Münzstcätten sind bezeichnet mit ALE (Alexandria),
ANT oder AN (Antiochia\ AQ_(Aquileja), CONS oder C oder KONS (Constautino-
polis), H (Heracleia), K (Karthago), LVG (Lugdunum), MD (Mediolanum), N (Nico-
media), R (Koma), SIS*^ (Siscia), SIRM (Sirmium), TES oder T (Thessalonica), TR
(Treviri). Die häufig vor den ebengenannten Siglen erscheinenden Buchstaben SM
bedeuten sacra moneta, die auf Goldmünzen ihnen häutig folgenden OB (72)
bezeichnen den Solidus als J^ des römischen Pfundes. Andere Einzelbuchstaben
geben die Oft'icinen und Emissionen an.
Archäologisch-epigraphische Mitth. XH. 9
18
2. Valens, Victoria Aiigustorum, vof. F, mult. X (J. 368), Gold-
münzen:
t_ t
ANOBB PANOBO
3. Gratian, Goldmünzen mit demselben Gepräge (J. 371):
i^
CONOB
4. Valens, vot. VX (sie) mult. XX (J. 378), Silbermünzen:
C X S C X S Kranz T a. E
5. Gratian, ebenso (J. 381):
T i E
Das Kreuz.
6. Valentinian, Bestiiutori reipuhlicae, Goldmünzen :
± . + ± . '')
ANTej^c ANTI 3^ coNsrr?
7. Valens, ebenso:
+
%ANTA3f
8. Gratian, Concordia Autjgg. (wahrscheinlich J. 367), kleine
Kupfermünzen:
+ _±
SMKB SMKr
Wie diese Beispiele zeigen, ist das Monogramm Christi auch
in Antiochia, Constantinopel, Karthago und Thessalonica, das Kreuz
nebenher in Antiochia, Constantinopel und Karthago (von anderen
Münzstätten fehlen in der kais. Sammlung Beispiele) angewendet
worden. Das eine wie das andere Symbol ist gross und deutlich
dargestellt und nimmt mit wenigen Ausnahmen eine hervorragende
Stelle im Felde '*) ein ; auch wenn es in den Abschnitt verwiesen
'*) Letztere Siglcn finden sich nnf grilsscrcn Kuj)ferniiinzcn mit Virtua exercili.
") Eh sind nur jene Fälle aufgenommen, in welchen Monogramm und Kreuz
frei im Felde stehen, losgelöst vom Münzbilde, also nicht einen Ijestandtheil des
letzteren bildend.
19
wird, steht es durchaus an wichtiger Stelle, in der Mitte, und trennt
die Siglen der Münzstätten von jenen der Officinen (4, 5) ; ja es
kommt vor, dass neben dem Monogramm und dem Kreuze auch
noch andere Symbole, diese aber dann an untergeordneter Stelle,
d. h. am Ende der Siglen des Segmentes ersichtlich werden, so der
Stern (6, 7) und der Kranz (4).
Analog dieser Behandlung ist jene, welche dasselbe Symbol,
das Monogramm , auf unseren Barren gefunden , indem es in dem
wichtigsten aller Stämpel, der Feinhaltsmarke, auftritt und mit
dieser auf allen Barren erscheint.
Die Palme
9. Valentinian, Virtus Romanorum, Goldmünzen:
CONS/
10. Valens, ebenso :
\ CONS /
11. Valentinian, Resütuior reipuhlicae, Goldmünzen:
R Q_#
12. Valentinian, Virtus exerciti, grössere Kupfermünzen:
SMNB?
13. Valens, Victoria Äugg., Goldmünzen (J. 375 — 378) ^^)
TROB*
oder TROBS, TROB T, TROB G ?
14. Gratian, ebenso '^j :
ACLPB
oder COM, MDOB, TESOB, TROB, •, S, T, C
'*) Die Goldmünzen von 13 und 14 sind, wie ihre Aufschrift zeigt, in den
Jahren zwischen 375 und 378 geschlagen, da nur zwei Augusti (aVGg), nicht ihrer
drei (avGGG), wie etwa in 8 und 36, angedeutet sind.
2*
20
lö. Valens; Seairifas rpipuhlicae, kleine Kupfermünzen:
\ \____
SMAQJ TRP
Der Stern
IC. Valens, Securitas reipuhlicae, kleine Kupfermünze:
ALEr %
17. Valens, Restitntor reipuhlicae, Goldmünzen:
ANTr %
18. Valentinian, ebenso'^):
ANTI 1^
19. Valens, vot X. mulL XX (J. 373), Silbermünzen:
ANT ^
20. Gratian, Gloria Romanorum, Silbermünzen:
ANT ^
21. Valentinian, Vota publica, Goldmünzen:
% C O N S Kran/.
22. Valens, Eesfifufor rel puhUcae, Goldmünzen:
T^ CONSC
23. Gratian, Principi juventutis (J. 367), Goldmünzen :
j^cCONS
24. Valens, Victoria Augustorum, vot. X. mult. XX (J. 373),
Goldmünzen;
CONS J^
25. Valens, vot. V (J. 368), Silbermünzen:
% C • B
26. Valentinian, Reslitutor rei puhlicae, Goldmünzen:
% SMKr
'") Vgl. oben Ü, 7.
21
27. Valens, Restitutor reipublicae, Silbermünzen ;
SLVG 4^
28. Valens, Restitutw reipublicae, Goldmünzen:
29. Gratian, Urhs Roma, Silbermünzen:
K T^? R 4c T
30. Valens, Urhs Roma, Silbermünzen:
^
AQJ> S
31. Valens, Securitas reipublicae, kleine Kupfermünzen:
J^ ^
SMAQ^S
32. Gratian, Gloria Romanorum, kleine Kupfermünzen ;
j¥ •__
SMAQ^S
33. Valens, Restitutor reipublicae. Silbermünze:
^
TCONST
34. Valentinian, Virtus exerciti, grössere Kupfermünze:
r?
• SMNBV
35. Valens und Gratian, Securitas reipublicae, kleine Kupfer-
münzen:
j¥ _± _♦ _
SMRP SMRT SMRQ_
36. Gratian, Concordia Auggg. (J. 367), kleine Kupfermünzen:
^
SMRQi
37. Es folgen die vielfachen und complicirten Zusammenstel-
lungen verschiedener Münzbuchstaben mit dem Sterne, wie sie zahl-
reich auf kleinen Kupfermünzen des Valentinian und Valens mit
22
Securitas reipuhlicne und des Gratian mit Gloria Ixomanorum von
den Münzstätten Siscia und Tliessalonica vorkommen, wie etwa,
um Beispiele herauszugreifen :
P M R r A ^ ^
P SIS"
^
R
r
O
M
ASIS
CR
A M A
TES TES
Palme und Stern
38. Selten vorkommend, aber doch nachweisbar ist die Com-
bination von Palme und Stern, beide im Felde angebracht, erstere
wie in 12, scheinbar aus der Lanze, auf welche sich die Kaiser-
figur stützt, hervorwachsend. Die hieher gehörige Goldmünze stammt
von Valens und hat die Rückseite: liestitidor reipublicae.
4^_A
KONSTV?
Während Monogramm Christi und Kreuz, wie schon gezeigt
wurde, mit sehr wenigen Ausnahmen im Felde und zwar an einem
freien Platze und in verhältnissraässig beträchtlicher Grösse ange-
bracht erscheinen, finden sich Palme und Stern in den weitaus
meisten Fällen im Segmente, zu Anfang oder ?2nde der Siglen ein-
gestellt. Nur wenn der Raum in diesem allzu beschränkt war, was
bei den kleinen Kupfermünzen und Goldstücken nicht selten vor-
kommt, oder auch um für eine bestimmte Emission eine neue Varietät
als Merkmal zu scliaffen, worden Palme und Stern ins Feld gerückt,
erscheinen dann aber seiir klein und an einer weniger in die Augen
fallenden Stelle; so trifft man die Palme in dem schmalen Zwischen-
raum zwischen den tiu-onenden Kaiserfiguren (13, 14) oder kaum
hinter dem Speere, auf den sich die Kaiserfigur stützt, hervorragend
(12, 38); der Stern erscheint, Avenn er in das Feld übertragen wird,
meist mit anderen Münzbuchstaben combinirt (37). Wenn schon
diese Art der Behandlung dafür spricht, dass ähnlich wie auf den
Barren, so auch auf den Münzen Palme und Stern gegenüber dem
Monogramm Christi und dem Kreuze eine untergeordnete Rolle
spielen, so tritt dies besonders deutlich in jenen Fällen hervor, in
welchen Monogramm und Kreuz mit den minderwerthigen Symbolen
combinirt erseheinen, wie in den Beispielen 4, 6, 7; dann stehen
jfiu' i\\\ bevorzugter Stelle im Felde, diese an minder bt^dputender
23
im Segment. Wieder ein anderes Vorgehen wird beobachtet, wenn
zwei verschiedene minderwerthige Symbole zusammen auftreten,
wie Stern und Kranz (21) oder Stern und Kügelchen (32) oder
Palme und Stern (38), alsdann stehen beide im Segment oder
beide im Feld.
Nach den allerdings wenigen Daten, die sich aus der Schrei-
bung AVGG und AVGGG, aus den Votazahlen und aus gewissen,
meist im ersten Regierungsjahre gebräuchlichen Aufschriften, wie
CONCORDIA AVGGG und PRINCIPI IVVENTVTIS (auf den Mün-
zen des Gratian), ergaben, finden wir:
das Monogramm Christi in den Jahren 368 (2) , 371 (3),
378 (4) und 381 (5);
das Kreuz im Jahre 367 (8) ;
die Palme in den Jahren 375 — 378;
den Stern in den Jahren 367 (23, 36), 368 (25), 373 (19);
es sind also die meisten Symbole gleichzeitig vom Beginne der
Dreikaiser-Regierung an in Anwendung gebracht worden.
Um aus den hier vorgebrachten Thatsachen die entsprechenden
Folgerungen zu ziehen, kann vor Allem constatirt werden, dass die
Wappen, welche in den Stämpeln der Goldbarren erscheinen, nicht
bloss der Münzstätte Sirmium, sondern auch den meisten anderen
Münzstätten des Reiches eigen sind""). Wie auf den Barren, er-
scheinen sie auch auf den Münzen nach der Art der Einstellung
als Abzeichen zweier Unterämter, eines wichtigeren, welches durch
das Monogramm Christi bezeichnet wird und das nach meiner Ver-
muthung jenes des Exactor ist, und eines weniger angesehenen,
mit Palme und Stern bezeichneten, d. i. das Amt der Signatores.
Da diese Symbole ziemlich gleichzeitig auftauchen, müssen die ge-
nannten Unterämter in den verschiedenen Münzstätten gleichzeitig
thätig gewesen sein. Man kann daraus schliessen, dass in jener
Zeit, der unsere Barren angehören, in allen Münzstätten mindestens
die gedachten zwei Unterämter bestanden und mit denselben Wappen
zeichneten.
Die Aufnahme des einen oder anderen dieser Wappen auf die
Münze scheint aber von bestimmten Normen abgehangen zu haben,
die für einzelne Fälle verschieden waren oder verschieden gehand-
habt wurden, so dass aus dem Fehlen dieser und jener Symbole
^") Sie sind oben Ö. 17 Note 15 angefliiirt.
24
auf den Geprägen einzelner Münzstätten noch nicht auf das Fehlen
der damit bezeichneten Unterämter in denselben Münzhäusern ge-
schlossen werden kann. Auf den oben S. 16. 17 angeführten Münzen
von Sirmium erscheint wenigstens das Monogramm Christi gar nicht,
die Palme erst spät, der Stern nur auf den Goldmünzen, während
die Kupfermünzen mit Buchstaben bezeichnet sind. Und doch kommen,
wie die Goldbarren zeigen, in derselben Münzstätte das Monogramm
und die Palme gleichzeitig vor, während auf den Münzen vieler
anderer Münzstätten Monogramm, Kreuz, Palme und Stern auf Ge-
prägen aller Metalle auftauchen.
Endlich erscheinen für ein und dasselbe Unteramt verschiedene
Zeichen. In Antiochia, Constantinopel und Karthago zeigen sich
A, -F und -f- nebeneinander. Es kann als wahrscheinlich voraus-
gesetzt werden, dass in den grösseren Münzhäusern, sei es bleibend,
sei es nur zeitweise zur Bewältigung grösserer Emissionen, den
schon bestehenden Unterämtern zur Aushilfe Nebenämter beigegeben
wurden, welche mit analogen Wappen zeichneten. So viel man aus
den Beispielen 1 bis 8 ersieht, zeigen die zwei Formen des Mono-
grammes und das Kreuz schon nach der Art der Einstellung das
wichtigere Unteramt des Exactors in fast ähnlichen , wenigstens
sinnverwandten Symbolen an. Vielleicht gilt Aehnliches auch von
dem anderen Unteramte, für welches ab und zu neue Symbole,
wie Blatt, Pantherkopf, Schlüssel (?) und dgl. auftreten. Als vor-
züglichere und ständige Symbole wird man aber nur jene betrachten
können, welche auf unseren Goldbarren angebracht sind.
Der Einblick, den uns letztere in die Organisation der römi-
schen Münzhäuser gewähren, verleiht ihnen eben einen so grossen
wissenschaftlichen Werth.
Dr. F. KENNER
Eine Zeusstatuette im Museuui von Spalato
(Tafel I)
Unter den zahlreichen Bronzen, welche das besonders seit
einigen Jahren erheblich wachsende Museum in Spalato besitzt,
verdient eine Statuette besondere Aufmerksamkeit, welche vor kur-
25
zem in der Nälie von Salona zum Vorschein kam und durch An-
kauf in das Museum gelangte. Gefunden wurde sie am 9. October
1887 in nordöstlicher Richtung von den Umfassungsmauern Salona's
an einer Oertlichkeit Namens Mrtvenice, nördlich von der Capelle
S. Cajo.
Die Statuette ist nicht ganz vierzehn Centimeter hoch und stellt
Zeus dar. Es fehlt die rechte Hand und der linke Unterschenkel,
alles Uebrige ist vortrefflich erhalten und von guter Arbeit. Zeus
steht auf dem rechten Beine und hatte das linke ein wenig nach
vorn zur Seite gesetzt. Er hält die Rechte, die den Blitz führte,
gesenkt, etwas abstehend von dem Oberschenkel, wie im Begriff
den Blitz zu erheben, und das Gesicht ist deshalb auch nach links
gewandt. Die linke Hand hatte das Scepter gefasst und ist in
Schulterhöhe erhoben ; nach dem Laufe des cylindrischen Hohl-
raumes, den die geschlossene Hand umgibt, stand das Scepter senk-
recht auf dem Boden. Ein chlamysartig kurzes Gewandstück ist
auf der linken Schulter gespangt und fällt von da an der linken
Körperseite herab, indem es einmal um den linken Unterarm ge-
schlungen ist. Eine kleine viereckige Vertiefung auf der rechten
Schulter rührt von einem alten Gussfehler her. Im Hinterkopfe
sitzt ein horizontal verlaufendes kleines rundes Loch , dessen Be-
stimmung unklar bleibt.
Die Gesichtszüge, namentlich der Bart und die bewegte Stirn,
erinnern an den Typus des Jupiter von Otricoli. Aber das Haupt-
haar ist kürzer und nicht mähnenartig behandelt, auch ist es von
einem Kranze umgeben. Der Kranz besteht auf beiden Seiten des
Kopfes aus je vier sehr langen und spitzen Blättern, welche zacken-
artig abstehen und wohl als Lorbeer gedacht sind. Eine Binde
hängt mit dem Kranze zusammen, welche am Hinterkopfe aus dem-
selben hervorkommt und zu beiden Seiten auf die Schulter herabfällt
Die schöne Statuette tritt einem kleinen Kreise von Zeus-
bronzen hinzu, welche Overbeck in der griechischen Kunstmytho-
logie H S. 145 f. als rächte Gruppe" aufführt. Die hier beschrie-
benen Statuetten, von denen eine, die früher der Sammlung Pour-
tales-Gorgier angehörige, in Besancon gefunden ist, gleichen sich in
allen Hauptzügen derart, dass man auf ein gemeinsames Original
zurückschliessen darf, dessen Entstehung im vierten Jahrhundert
V. Chr. sehr wohl angenommen werden kann. Gemeinsam mit diesen
P^iguren ist der unserigen von Salona die Art des Standes, die
Haltung der Arme, der Kranz, die AA'endung und, soweit nach
26
Publicationen zu schliessen ist, auch der Ausdruck des Gesichtes.
Da<2;egen fehlt ihr die Beschuhung, und das Gewand ist verschieden
angeordnet. Während dieses bei den übrigen Statuetten auf der
linken Seite des Körpers gerade herabfällt, ist es hier, wie bei
Darstellungen des Hermes so oft, einmal um den linken Arm ge-
schlungen. In diesem letzteren Zuge, der beraerkenswerth aus dem
Charakter des Ganzen herausfällt, verräth sich der Geschmack der
römischen Zeit. Auch dass die Rechte etwas absteht vom Ober-
schenkel und dadurch wie in momentaner Bewegung sich senkt
oder erhebt, ist möglicher Weise abweichend, da die Publicationen
hierüber kein sicheres Urtheil zulassen.
Spalato F. BULIÖ
Eine zweite Handschrift der Inschriften-
sammlung des Peter Alexander Boghetich
Herrn Giuseppe Gelcich, Professor an der nautischen Staats-
scliule in Ragusa, ist es gelungen, diese lang vermisste Sammlung
dalmatinischer Inschriften aufzufinden. Er hatte die besondere
Güte, sie Robert von Schneider zu näherer Prüfung zu übersenden,
mit dem Ersuchen, für die Veröffentlichung derselben Sorge zu
tragen. Auf seinen Wunsch habe ich mich der angenehmen Auf-
gabe unterzogen , den Inhalt der Sammlung zu allgemeiner Kennt-
niss zu biingen.
Die Handschrift besteht aus zwei Bogen zu je zwei Blättern
und einem losen Blatte, wie es scheint der Rückseite des Um-
schlages. Sie umfasst im Ganzen 92 Inschriften. Die Hauptmasse,
in einer Folge geschrieben , füllt die fünf ersten Seiten und die
Hälfte der sechsten. Die siebente Seite ist unbeschrieben. An
der Spitze dieser Sammlung steht die Ueberschrift: Jnscriptiones ex
titarmoribas Saloniianis a Fetro Alexandro ßofjhdich cive Spala/ensi
fideliter fidiiscriptcm. Es folgen 82 Inschriften auf den ersten vier
Seiten in drei Columnen, auf den folgenden zwei in zwei Columnen
geordnet. Jeder Inschrift ist der Ort, wo sie sich befindet, vor-
gesetzt; jedoch wird diese Angabe, wenn sie mehreren aufeinander
folgenden Inschriften geniein.s;im , bei de:i einzelnen Stücken nicht
27
wiederholt. Auf der achten Seite sind von dem Schreiber sechs
Inschriften nachgetragen, schon äusserlich als Nachtrag dadurch
kenntlich, dass bei vieren der obere Rand des Blattes, bei zweien
der untere als Kopfseite behandelt ist und dass drei Inschriften
bloss mit dem Bleistift eingezeichnet wurden. Bei allen diesen In-
schriften fehlen überdies die Ortsangaben. Auf der Innenseite des
losen Blattes sind vier Inschriften ebenfalls nur mit dem Bleistift
eingetragen. Diese haben die Ueberschrift : Dal S'' D"- Danieli a Zara.
Da die Handschrift weder mit Seitenzahlen versehen, noch die ein-
zelnen Inschriften numerirt sind, so habe ich die Inschriften zur
leichteren Uebersicht mit fortlaufenden Ziffern bezeichnet.
Bekanntlich besass Lanza eine Handschrift der Boghetich'schen
Sammlung, welche 100 Inschriften umfasste. Das Original scheint
verloren, aber Copien, die Kellermann genommen, konnten Boeckh
für das C. I. G. und Mommsen für das C. I. L. benutzen ^). In dieser
Handschrift trug die Sammlung dieselbe Ueberschrift, wie in der
neu entdeckten. Es muss daher befremden, dass nur 32 Stücke
der Lanza'schen Handschrift in der neuen vviederkehren.
Eine Prüfung der fehlenden Inschriften zeigt, dass nur jene
Stücke und zwar alle fehlen, welche Zaccaria in seinen Mar-
niora 8alonitana, die als Anhang zu Farlato's lllyricuvi sacrum am
Schlüsse des zweiten Bandes erschienen"), veröffentlicht hat. Damit
ist der Charakter unserer Handschrift gegeben. Es ist ein Auszug
aus Boghetich's Sammlung, angefertigt, um das Corpus des Zaccaria
zu ergänzen. Gemeinsam sind beiden Handschriften — ich bezeichne
im Folgenden Lanza's Handschrift mit B\ die neu entdeckte mit
B" — jene Inschriften, welche damals in Spalato aufbewahrt wurden,
während die neu hinzugekommenen der Handschrift B" zu Boghe-
tich's Zeit sich noch in den Dörfern des Ruinenfeldes von Salona
befanden. Demnach ergibt sich für B^ die interessante Folgerung, dass
auch sie nur ein Bruchstück der Sammlung des Boghetich darstellt.
Dass B^ und B" unmittelbar auf dasselbe Original zurückgehen,
Deweist ausser der durchgehenden Uebereinstimmung in den Copien
die Uebereinstimmung in der Anordnung. Beide Handschriften
beginnen mit den Inschriften im erzbischöflicheii Palaste zu Spalato
und beobachten mit wenigen Abweichungen dieselbe Reihenfolge,
wie folgende Concordanz der Nummern zeigt.
r. I. L. in p. 277, xxxvur
C. I. L. III p. '27(j, XXXV.
28
C. I. L. 2081
„ 2281
2053
2163
C. I. G. add. 1830*
C 1. L. 2212
2116
„ 2174
2329
2488
2269
2494
2276
2337
„ 2511
2420
2039
„ 2344
2160
„ 2480
„ 2574
1936
B'^
1
B'
1
42
2
43
3
44
4
45
5
—
6
48
7
49
8
50
9
46
10
51
11
52
12
53
13
54
14
55
15
56
16
57
17
58
18
59
19
61
20
60
21
62
22
41
Es ist offenbar nur ein Versehen des Schreibers , dass er in
dieser geschlossenen Reihe Nr. 10 mit aufgenommen , obwohl sie
sich bei Zaccaria findet. Auf Seite 8 sind, wie oben bemerkt, am
oberen Rande vier Inschriften nachgetragen. Zwei derselben (C. I.
L. 2408 = B*^ 83 =r B • 63 und C. I. L. 2612 = B '^ 84 = B' 64)
sind mit Tinte geschrieben; zwei andere (B^ 85. 86), mit Bleistift
eingetragene, sind wieder ausgewischt, weil der Schreiber bemerkte,
(lass er die Nummern 13 und 9 wiederholte. Danach kann es
nicht zweifelhaft sein, dass der Nachtrag Auslassungen, auf welche
der Copist bei einer Revision seiner Handschrift aufmerksam wurde,
aus der Vorlage berichtigte.
In dem folgenden Abschnitte, der, wie oben bemerkt, gleich-
falls Inschriften aus Spalato enthält, stimmen die Copien der gemein-
29
samen Stücke durchweg. Auch die Uebereinstimmung in der An-
ordnuug lässt das gemeinsam zu Grunde liegende Original deutlich
genug erkennen.
B'^
B'
c.
I. L. 2522
23
92
2222
24
94
2595
25
99
„ 2213
26
98
2608
27
97^)
2620
28
100
2500
29
fehlt
fehlt
30
n
c.
I. L. 3179
31
77
griech.
32
77
c.
I. L. 2490
33
89
2326
34
77
Dazu kommt die Inschrift des Nachtrags am unteren Rande
der Seite 8:
C. I. L. 2632 = 6*^ 87 = ßi 90.
Es kann nicht Zufall sein, dass hier die gemeinsamen Stücke
in B^ mit wenigen Ausnahmen gerade am Ende stehen und die in
B^ fehlenden sich in B^ gerade an die letzte gemeinsame Nummer
anschliessen. Dies bestätigt, dass Lanzas Manuscript (B ') am Ende
unvollständig war.
Die Differenzen der Reihenfolge im Einzelnen erklären sich
wohl am Einfachsten unter der Annahme, dass auch Kellermann,
sowie ich es gethan, die Ziffern in B^ hinzugefügt hat. Denn Keller-
mann hat die Inschriften aus Lanzas Manuscript auf einzelne lose
Blätter tibertragen.
Ich gebe zunächst die griechische Inschrift aus dem erz-
bischöflichen Palaste (C I. G. II add. 1830*"). dann die aus Boghetich
noch nicht edirten.
') Im Corpus 77; aber auch 2326 wird Boghetich 77 citirt. Ich habe den
Druckfehler hier vermuthet.
30
EniiEPOMNAMOK"5: Etti iepo)avd)uovo(;
A p X E B I o Y 'Apxeßiou
TOYKAEOAIKOY TOÖ K\eo[b]iKOU
29 = C. 2500 //< ecclesia B. M. V. de Palvde. Z. 6: vixit annosxi.
30. In maiori subiirhio in domo Matthaei Blascevicli.
D M
lANVARIAE
CON LIBERTE
POLVS PO
5 SVIT
B • M
31 = C. 3179. Damals ^in suhurhio Luciaz in pariete domus DD.
fratrum Bolis^\
32. In Ecclesia monalium S. Rainerii. enga keitoi
Hieran schliesst sich der wichtigste Theil des Manuscriptes,
die Inschriften des Ruinenfeldes von Salona*).
35 = C. 2061. In Castro S. Georgii vulgo Succiuraz ditionis
Spalatensis in Palatio archiepiscopah'.
36 = C. 2591.
Z. 5 V • F
SIBI ■ ET S VIS
37. D M
L-CATTTIOTEREN
TIOIVLIANEPOTILL^
MARITOPOSVITETSI
38.
. . .1 O PATR I
riE N T I SSI
JW O
L- SECVN DI
N A • POST-
') J^io Ergänzungen hnbc icli }iiii7Aigefiigt.
31
39.
D • m
I V L 1 O • F O ?■
tu
N A T O •
HELVIVS • SABI
NVS-FRATRI-
CARISSIMO
B • A'i ■
POSVIT •
3. ?/mZu/IO • SEX
• F •
T R O
/ A N O • F
• D
E C
40.
. . . /w/L VIO-PIETATI-F
. . .//^ lvio • pietati-p
5 /ae-procvlae- MAT
itae-syrelae-conivg
I
sex. / \'/ L V I V S • A L F I A N V S ■ S V I S
41 = C. 2586. In pariete domus Pauli Pavelich. Z. 5 posvit.
42 = C. 2649.
43 ^ C. 2309. In pariete domus Joannis Vicetich.
44. Li Baptisterio ecclesiae parochialis.
P A C V V I A E Q_V A R T 1 L I /£
PACVVIVSEPAFRODITVS
S I B I VIVO ET COIVGI POSViT
B • M ■
45. In Castro Ahhatissae ditionis Spalatensis in operculo arcae
prope domum Stephani Eoccov extante.
+ ARCAMESSORICVMCON
IVGESVASEVENVDA
46 = C. 2122. Die vierte Zeile fehlt.
47 = C 2368. In pago Uraniae vulgo Vragniz supra portam meri-
dionalem ecclesiae parochialis.
48 =: C 1994. In atrio domus Thomae Nincevich.
49 =: C. 2541. hl domo Antonii Klacovich.
Z. 2 SYMPOR
32
50 = 0.2114.
51 = C. 2154. In pariete domus Andreae Burrich.
52 = C. 2510.
53 = C. 2121. In domo Georgii Klacovich.
E V T Y c -E T I
/ ETTI ■ BATIYI I.
SERVrt DOMO
« 7 V I L E I A E
5 HJPNELAVS • ET
.•••OECVLARCOSER
B • M
Der Bruch ist angegeben mit Ausnahme von Z. 2 etti. Es
könnte auch Vetti gewesen sein.
54 = C. I. G. 11 n. 1832. In parlefe domus Andreae GaiyJnch.
0 K
0 N O M A
C T 11 1 A 1
UJ A N A I' 1
r> T- K - ANT6
PUJT I • X A
P I N M N 6
1 • AC
©(eoT^) K(aTaxöovioi(;) 'OvojudcTTri ibitu dvbpi T(i߀piLu) K(Xaubiiu)
'AvTe'puuTi x&pw juveiaq.
55 = C. 2358. In pariete domus Antonii Gelich.
Z. 4 LAPIDEM • FeC. . .
56 =■ C. 2383. In atrio domus Jacohi Ihnzon.
TE- SIBIET- I VL I
PATRONAE
^ATOFP TVRPILIO
5 OET-SVIS
57 = C. 2323.
. .A F A . . . .1, /
FIRM AN VS • hIC- SIT VS
EST
33
58 = Eph. epigr. IV n. 658. Salonae in ecclesia B. M. V.
SOSS lAE • TAM INIA E
DEF- ANN- XXXV- C MESSIVS
ALYPVS- CONIVGI-CARISSIWE
QVAM - IN • MATRIMONIO
5 HABVIT- ANN - XVIIII •
59 = C. 2011. In domo Andreae Burrich.
60 = C. 3173. In loco, qui dicitur Jezerne, in terra aratoria
Petri Guinov.
Z. 3 uRNEi^poTl Z. 4 Anf. ..t Z. 5 df für de
Z. 8 DF für DE Z. 9 FINCIS Z. 10 PIETATE2
61.
P H I L E T O
SALVIA SOLLE
M-NlSMARlTo
BENEJWEREN
5 1" I
zwei Tauben
62. Ibidem in terra aratoria Laurentii Parach.
AVRSATVR
NINOA VIREIIA
MESSORINAV
XORET SIBl
5 FECIT
ascia
Z. 2 ^?([r]e[qia.
63 := C. 2543. hl pariete domus Laurentii Parach.
64 = C. 2339.
65 = C. 2413.
66 = C. 2571.
67 = C. 2045.
68.
D m
VARIA ES E<' VN
Archäoloäjisoli-cpigraiibiscLe Mitth. XI.
34
G9. In pnriete domus Thomae Drascovich
D M
PLACIDI AE- DA
MALE- Q_yAEET
R V F I N ye. M A T R I ■
5 VERNACVLOR-
OPTIA/E ET i.NCOM'
PARAbLFEMlNAE
VXORI • FIDELISSI
MAE- ET- PllSSIMAE-
10 VAN-XXXVIIIM-V-
D-X- M- PLAVTIVS
SEVERVS- B- M-P-
Die Vernaculi sind von einem Collegium zu verstehen. Vgl.
das Bacchium vernaculorum in der Inschrift C. I. L. III 61.Ö0. Mater
vernaculorum , wie mater dendrophoroi'utn u. a. vgl. Wilmanns Index
p. 640.
70 = Mitth. IX^ p. 9 n. 8. In pariete domus Matliei Buhich.
D • IN- M -
L-CORN-APA.A'S
TVS-PROS-M- VIVI
CRESTI ■ AM1C-K>¥>1SS
5 E X^ O T O - P -
71. Lt. toco vocato Verbiza in terra aratoria Pauli Klacovich alias
Gasprich.
claj VDIODALMATIO
(/ofVl I N I! N C O M P A R A B I L
(/ll) IVICXITA>NOSl.M L (sic)
(liailaramarito
5 pt«,N TISSIMO POSVE
e< s)l B 1
72. In loco vocato Capjuch in terra araforia Jacohi Benzen.
D M
T - TERENTIO
M E R C V R 1 A
l.I- ANXXXVEX
,') XIII ARIOCOI.
35
10
LEG'FABRVM
TERENTIVS
MERCVRIVS
PATER- ETPATRO
FILIO ■ INFELICIS
SIMODOLES
P O S V I T
(sie)
Ueber die vexUlaru der Collegia vergleiche Mommsen Ephem.
epigr. II n. 432 und die Inschr. C. I. L. III 1583 und 6150, 11—13
vix{illarius).
73 = Eph. epigr. IV n. 653.
74.
ORBIA - Se< • F-PAVLLA
T-F-IVS«l^SIBI- ET
SEX • ORBIO paul O • liTüI • VIR • PA "El
CORDIAEA FAE-MATRI
5 SEXORBIOPK. . . . DI>^0 PON-f^-KA'Rl
P-GRATTlO-CawPANO • F
z.
75
76
n. 17«.
5 Fron[t\ino (?).
= C. 31956.
G- VOL VSIVS PRIMI
GENIVSVI VIR
vi vos-fecitsibiet
cvolvsioevhemero
5 conlibert-vt-vir-avg e t
c- volvsioprimigeniof defvnc
annor-vili-libertisllbertabvsq_
svisossibvs-inferendis-extranior
neqvisossa-Inferre-velit-ettv-et
10 TIBI
INFR- P XXX IN
AGR P XXX
= Noch stärker verstümmelt C. 2069 und Mitth. IX p. 12
O • L • F • SEI
VC • praetcI)?'
F- D • COH vT
AETVS P V
7AE - SABlN«e
3*
m
Diese Inschrift bestätigt die Zugehörigkeit von Augusta Prae-
toria zur Tribus Sergia. Vgl. C. I. L. V p. 756. Z. 3 gibt Hirsch-
feld Mitth. IX p. 12 nach vi- noch y, also: 7 leg. .. cl. p.] /. i
coli. VI v[{gilum. Da die Legion durch das sonst unverständliche
F angezeigt ist, so kann hinter der Zahl VI eine Auxiliarcohorte
kaum ergänzt werden. Vgl. Mitth. X p. 22 Anm. 9. Auch ist eine
cohors VI voluntariorum , welche Hirschfeld, der nur noch wenige
Buchstaben sah, ergänzen wollte, nicht nachzuweisen.
77 = C. 2046. In Starigrad in vinea DD. Fratrum BoUs.
78. In Gradine in vinea Laurentii Parach.
L
■ VETV
O
E Q_o C 0 O
AETO
ANN ■^
XVII I
AELIA o MAXIMINA MATER
Z. 2 vielleicht o\ctavae pr]aet. Denn eine cohors Raetorum ist
in Dalmatien nicht nachzuweisen.
79. In Starigrad in vinea Laurentii Parach.
]N Gl • F • L Ö
pra,i.? ■ F A Bjrum
80. In pago Vragniz in atrio domus Thomae Nincevich.
li o o c
N O •
■ COL -
;d I - vk
NO-€L
ja ACER
DESIGNTT
Vielleicht zu ergänzen: Valer]io Oc\ ]no [ii vir.?] col
fi]ed. i[i] vir. [q. q. jyatrojno col sacer[doti] designat{o) .... Vgl.
C. I. L. III n. 4.
j^l. ffi _ fehlt — in vinea — Mdroevich alias Pude.
MAVRAVGLIBJfiRWEROTIVIXITAN
NXNENSVIDVFILDVLCISSIMOET jiscia
PIENTISSINOETGERMANIOET STEFA>E
PA RENTE SINFELICISSIMI
37
82 - C. 2477.
p. 8, 88. Ohne Ortsangabe, aber unter 87 = C. 2632.
OCTAVIAECARAED O MIN
ET^ECVSAERARISSIMAES V MM
SANCTIMETBENl GNITATIS FEMIN
CONIVGISALONISABINIANIVET
5 EXCORNICCOS • LEG- l-ADI-SIGNO
SCAMVIAT ' EO R • CVMQVO CONCO {si'c)
DITERVIXITANV- XXX OB MERITA-
VLPIVSASCLEPIVSCON. . .X P-
Z. 8 con{tubernalis).
Von den Inschriften bei Daniel sind drei aus demselben Mu-
seum im Corpus edirt: 89 = C. 3165- 90 = C. 3192; 91=0. 2856.
Die vierte, ein Fragment, ist unbekannt.
92.
Da B' und B^ genau übereinstimmen, mit Ausnahme jener
Inschriften, welche der Schreiber von B'' absichtlich wegliess, weil
sie in Zaccaria's Marmora Salonitana enthalten waren , so kann
es keinem Zweifel unterliegen, dass wir, soweit B' reicht, die Samm-
lung des Boghetich vollständig besitzen. Anders aber liegt die
Sache für jene Gruppe der Inschriften, welche nur in B- erhalten
sind. Hier kann uns die neugefundene Handschrift den Verlust der
Boghetich'schen Sammlung nicht vollständig ersetzen. Denn in
Zaccaria's Marmora Salonitana sind, nach dessen eigenen Angaben,
sowie nach dem Zeugnisse derjenigen, welche die Steine nach Zac-
caria und Boghetich sahen, zahlreiche Inschriften aufgenommen,
die in Gebäuden auf dem Ruinenfelde Salona's eingemauert waren.
Nur Zaccaria bezeugt den Aufbewahrungsort für C. I. L. 2023.
2051. 2131. 2133. 2183. 2194. 2252. 2274. 2290. 2310. 2384. 2473.
2553. 2621; auch die Späteren für C. I. L. 2101. 2115. 2157. 2167.
2186. 2193. 2254. 2285. 2391. 2483. 2519- 2573. Für letztere steht
es also fest, dass sie auch Boghetich nur auf dem Ruinenfelde
Salona's sehen konnte; für die ersteren ist das Gleiche durchaus
wahrscheinlich, da die Sammlung Zaccaria's 1752 abgeschlossen
38
war, Boghetich aber bereits 1784 starb. Hatte also Boghetich einige
oder auch mehrere dieser auch bei Zaccaria erhaltenen Inschriften
in seine Sammlung aufgenommen, so musste sie der Schreiber von
B"^ wenn er consequent verfuhr, ebenso wie in der ersten Gruppe
der damals in Spalato aufbewahrten Inschriften weglassen. Er hat
dies sicher gethan. Denn obwohl uns die entscheidende Controle
von B' hier fehlt, so bildet doch der Umstand, dass in dieser zweiten
Gruppe, welche 46 Inschriften umfasst, keine der bei Zaccaria er-
haltenen Inschriften wiederkehrt, einen vollen Beweis. Wir besitzen
also die Sammlung des Boghetich für diese Gruppe nicht voll-
ständig. Aber das Fehlende muss in den Marmora 8 ilouitana des
Zaccaria enthalten sein; nur dass wir nicht bestimmen können,
welche von diesen Inschriften gerade Boghetich abgeschrieben hat.
Für die Geschichte der Salonitanischen Inschriftensammlungen
ergibt sich die nicht unwichtige Folgerung, dass Boghetich's Samm-
lung keine Inschrift enthielt, welche uns heute nicht bekannt wäre.
Heidelberg A. v. DOMASZEWSKI
Ueber eine neue Aufnahme der Fran^oisvase
Der Wunsch, eine neue und verlässlichere Wiedergabe der
Frangoisvase zu erhalten, hat mich im Auftrage des Wiener archäol.-
epigraph. Seminars im Herbste vorigen Jahres gemeinschaftlich mit
dem Kupferstecher Ludwig Michalek nach Florenz geführt, wo es
uns durch das Entgegenkommen Herrn Professor Milani's und des
Custoden Herrn Marrazini ermöglicht wurde, Bausen zu nehmen
und das Original in allen Theilen genau zu prüfen. Die Bausen
sind dann von L. Michalek rein gezeichnet worden und diese Zeich-
nung Michalek's ist es, welche, um ein Drittel in Lichtdruck ver-
kleinert, demnächst auf Tafel II, IH, IV der neuen Serie der
Wiener archäol. Vorlegeblätter erscheinen wird.
Die Diirchzeichnung wurde auf Gelatinepapier ausgeführt und
nahm vier Wochen in Anspruch. Mehrere Tage noch verwandte
ich auf eine wiederholte Nachprüfung der Bausen vor dem Origi-
nale, wobei mir die eingehende Schrift Paul Weizsäckers (Neue
Untersuchungen über die Vase des Klitias und Ergotimos, Rhein.
39
Museum für Philologie N. F. 32, 33, 35) gute Dienste geleistet hat.
Besondere Sorgfalt widmeten wir auch der Angabe der Restaura-
tionen, wodurch einigen Verwirrungen, wie sie die bisherigen Ver-
öffentlichungen in Nichtunterscheidung des Echten und Unechten
gestiftet haben, vorgebeugt sein dürfte. Leider haben es die Um-
stände, insbesondere der gebrechliche Zustand des Gefässes, nicht
erlaubt Waschungen vorzunehmen, wobei vielleicht noch Manches
zum Vorschein gekommen wäre.
Mehr als vierzig Jahre sind verflossen, seit die erste tüchtige
Abbildung im IV. Bande der Monumenti inediti des Institutes er-
schienen ist; gegen zwanzig, seit Conze jene alte Zeichnung nach
einer Revision des Originales durch Brunn (Revisione del vaso Fran-
gois, Bull, deir inst. 1863, p. 188 ff.) und mit Verwerthung eines
durch Heydemann (Annali 1868, p. 232 — 235, tav. d'agg. D) nach-
träglich entdeckten Bruchstückes wiederholt hat. Vielerlei neue
Bemerkungen wurden inzwischen, in verschiedenen Aufsätzen zer-
streut, zur Kenntniss gebracht: ich nenne ausser den von Weiz-
säcker p. 28, 29 aufgezählten noch F. Studniczka, Beiträge zur
Gesch. der altgriech. Tracht p. 98 ff. und W. Klein, Vasen mit
Meistersignaturen "^ 1887 S. 32 f. ; aber so weitläufig ist dieses
scheinbar so begrenzte Beobachtungsfeld, dass man es gewiss auch
heute noch nicht vollständig für abgeerntet erklären darf. Wenn
ich demnach auf den folgenden Blättern unter anderem darzulegen
versuche, was unsere Arbeit genauer bringt, so werde ich zwar
manches kurz berühren müssen, was bereits andere gesehen: meine
Ergänzungen und Abweichungen, welche sich der Natur der Sache
nach meist nur auf geringfügige Dinge erstrecken, werden im
Ganzen aber, wie ich glaube, eine eigene Mittheilung rechtfertigen.
Ich denke, dass es denen, die sich die Mühe nehmen wollen,
nach meinen Angaben das neue Vorlegeblatt mit dem alten Figur für
Figur durch zu vergleichen, ähnlich ergehen wird, wie uns im Studium,
das wir dem Originale gewidmet haben: dass sich ihnen nämlich der
Respect für die künstlerische Leistung des antiken Malers steigert.
Der Stich der Monumenti war im Verhältniss zu den damals übli-
chen Veröffentlichungen antiker Vasen keineswegs schlecht zu
nennen; an die Feinheit des Originales reicht er aber an keiner
Stelle auch nur entfernt heran. Er enthält eine Reihe sachlicher
Missverständnisse und zahlreiche Ungenauigkeiten , auch hat der
Stecher seine Arbeit durch willkürliche Einführung von Grund- und
Haarstrich entstellt. Das moderne Auge hat eben einer langen und
40
langsam vorschreitenden Uebung bedurft, um die eigenthümlichen
Sprachformen und Ausdrucksweisen dieser alterthümlichen Malerei
sehen und verstehen zu lernen. Je weiter aber dieses Studium
vordrang, umsomehr wuchs auch das Erstaunen über die unge-
wöhnliche Treue und Sorgfalt, welche die Meister dieser Kunststufe
erfüllte. In überraschend strenger Gleichmässigkeit ist dasselbe
umsichtige Feingefühl, dieselbe gewissenhafte Ausführlichkeit und
miniaturartige Vollendung auf allen Theilen der Vase zu bewundern.
Die griechische Genialität zeigt sich hier im angestrengtesten Fleisse
der Lehrjahre, ähnlich wie im Gebiete der Sculptur bei den neu-
gefundenen Statuen der Akropolis und später den Aegineten.
I
Die Vase wurde bekanntlich in zertrümmertem Zustande und
unvollständig gefunden. Die vorhandenen Bruchstücke, ein halbes
Hundert etwa, hat man geschickt wieder zusammengefügt, indem
die fehlenden grösseren Theile aus Thon hinzumodellirt und nur
mit Wachs glatt überstrichen, kleinere Stücke inmitten der Dar-
stellungen aber malerisch restaurirt wurden. Das später gefundene
Heydemann'sche Bruchstück liegt gegenwärtig neben der Vase.
Das Gefäss ist ein Prachtstück nicht nur durch den Schmuck
seiner Gemälde, sondern auch als Product der Töpferkunst. Es
ist aus sehr feinem, röthlich gelbem Thon geformt. Seine Höhe
beträgt vom Boden bis zum Münduugsrande 0'56 M., bis zu den
überragenden Henkelrändern 0'66M. ; sein Umfang um den unteren
Hand des Fusses 1 M., an der Einschnürung über dem Fusse 0'63 M. ;
der grösste Umfang des Bauches am Henkelansatze 1'81 M. , der
des Halses an der Vasenmündung l'll M. Der äussere Durchmesser
derselben ist 057 M., der innere 0'53 M. Die Dicke des oberen
Randes beträgt O'OIS M. Die Henkel haben eine Höhe von 0'35 M.
und eine Breite von O'll M. In die vier sichtbaren Ecken der
beiden Voluten sind tropfenförmige Thonstückchen eingesetzt.
Nachdem die Vase geformt und getrocknet war, mag sie zu-
nächst mit der dunklen Hauptfarbe bemalt und ein erstes Mal ge-
brannt worden sein ; danach wird der Künstler die weisse Deck-
farbe aufgesetzt und die Gravirung vorgenommen haben. Hierauf
musste ein zweites Brennen stattfinden und zum Schlüsse wurde
das ganze Gefäss, wie ich glaube, mit einem feinen, matt glänzen-
den Firniss überzogen. Man bemerkt diesen Firniss an allen an-
tik(!n Bruchstücken, auch an dem nach der Restauration der Vase
41
gefundenen Heydemann'schen Bruchstücke, während er an allen
modernen Fülltlieilen und Restaurationen fehlt, und zwar geht er
deutlich auch über die Gravirungen hinweg, die den gleichen matten
Glanz wie die bemalten Gefässflächen zeigen. Die Furchen dieser
Gravirungen erscheinen heller als der jedesfalls künstlich gefärbte
Malgrund der Vase; ob sie aber eine Ausfüllung mit weisser oder
gelblicher Engobe (vergl. Arch. Ztg. 1881 p. 2 ff) enthalten, was
nur durch behutsames Aufkratzen verschiedener Stellen zu consta-
tiren wäre, ist von uns nicht untersucht worden. Marken unter
dem Boden des Gefässes finden sich nicht.
Die Hauptfarbe der Malereien erscheint als ein dunkles Roth-
braun, das sich bisweilen dem Schwarz nähert, oft aber auch ganz
unvermittelt zu einem hellen Roth verblasst. Dieser Wechsel der
Färbung mag theils von der Ungleichmässigkeit des Brandes, theils
aber auch von der verschiedenen Dicke des Auftrages herrühren.
Zuweilen geschieht dieser dünnere Auftrag absichtlich, z. B. bei
den Zügeln der Pferde, bei den Inschriften und bei jenen Innen-
zeichnungen, welche als das der weissen Farbe „aufgesetzte Roth"
bezeichnet zu werden pflegen. Mir scheint aber dieses „Roth"
keine andere Farbe, als die verdünnte dunkle Hauptfarbe und mit
dieser zugleich eingebrannt zu sein. Die reliefartige Erhöhung über
dem Malgrund, die jeder Deckfarbe eigenthümlich ist, fehlt ihm;
auch ist es im Gegensatze zu dem fast überall verschwundenen
Weiss fast überall noch vorhanden, ja es hat sich selbst an solchen
Stellen, wo das Weiss, dem es „aufgesetzt" sein soll, bis auf die
letzte Spur vergangen ist, als Innen Zeichnung oder Contur erhalten
und macht da den Eindruck, als ob es die weisse Farbe nur um-
rahmt, beziehungsweise gefüllt hätte. Ich werde diese Stellen unten
hervorheben. Von der sonst bekannten dunkelrothen Deckfarbe,
welche einen Stich ins Violette zu zeigen pflegt, findet sich nirgends
eine Spur. Der gesamrate aufgemalte Zierrath der Vase ist nur
mit zwei Farben, mit Schwarz und Weiss hergestellt.
Die weisse Farbe tritt bei Gebäuden zur Charakterisirung des
Steins, bei weiblichen Figuren zur Bezeichnung der hellen Haut-
farbe, bei Pferden, Kentauren und Hunden als weisses Fell, schliess-
lich bei Gewändern und einzelnen Geräthschaften als Zierfarbe auf.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist sie dem Thongrunde
direet aufgetragen, ohne vorgängige dunkle Untermalung. Milani
hat zwar das Gegentheil behauptet (Jahrbuch des arch. Inst. II, 3.
1887, p. 150 Anm.) und eine kleinere Anzahl von Stellen köinite
42
allerdings eine solche Untermalung vermuthen lassen, es scheint
aber^ dass es sich hier nur um zufällige Ueberstreichung von Theilen
handelt, welche ausgespart bleiben sollten. Eine Aufzahlung der-
selben dürfte die Beobachtung rechtfertigen :
1. Im Peleus- Thetis- Streifen scheint der Chiton des Peleus
weiss gewesen zu sein, dennoch läuft ein unregelmässiger dunkler
Q.uerstreif unter dem Halse her. Der Altar vor dieser Figur war
aber sicher niemals weiss , obschon er steinern zu denken sein
dürfte, denn die Inschrift Boraos ist gravirt. In der Moirengruppe
sind die Hände aller drei Frauen dunkel, aber in der Gravirung
ausgespart. Das dritte Pferd des zweiten Götterwagens, einst weiss,
zeigt einen dunklen Fleck.
2. In Hephaistos' Rückkehr zum Olymp sind beide Hände der
Athena überstrichen und wieder bei der Gravirung ausgespart.
Ebenso verhält es sich mit der 1. Hand der Aphrodite, die theil-
weise, und dem 1. Oberarm der von einem Silen umschlungenen
Nymphe, welcher ganz überstrichen ist".
3. Im Troilosstreifen treten an beiden Gebräuden, jedesmal
links, grössere dunkle Flecken aus dem umgebenden Weiss hervor.
Obwohl es möglich ist, dass diese ausgedehnteren Objeete wirklich
ganz grundirt sind, möchte ich doch die Befleckung auch hier fUr
zufällig halten, wenigstens lässt sich an dem dritten Gebäude auf
der Vase, dem Thetideion, wo weisse Farbe nirgend erhalten ist,
nichts Analoges entdecken. Ueberstrichen ist auch die auf die
Brust gelegte r. Hand der Rhodia.
Die weisse Farbe hat sich im Ganzen sehr selten und auch
dann meist nur in einzelnen Flecken erhalten. Aber man wird alle
diejenigen Theile der Darstellung, welche mit hellrothen Conturen
umzogen oder in der Gravirung ausgespart sind, für ursprünglich
weiss zu halten haben. Danach ist Weiss in grosser Ausdehnung
und ziemlich gleichmässig auf der ganzen Vase zur Anwendung ge-
kommen. Es wird nicht ohne Nutzen sein, einmal eine vollständige
Uebersicht der so bemalten Stellen zu geben.
1. Theseus-Ariadne
In und an dem Schiffe war nichts weiss. Dagegen trugen
diese Farbe, wie überall, die Gesichter, Arme, Füsse und, aus-
nahmsweise nur auf diesem Streifen, die Haarbänder aller Frauen:
bloss bei der Amme ist das Haarband gravirt. Ausserdem der
Resonanzkasten der Kithara des Theseus. Erhalten ist die Farbe:
43
a) bei Menestho am r. Arm j^aiiz bis etwas über der Handwurzel;
Hälfte des 1. Oberarms und Stückchen an Stirn und Hals ;
h) bei Asteria Kinn; r. Arm ganz; 1. Arm, obere Hälfte; beide
Füsse;
c) bei Damasi8[t]rate an Kopf und Armen fast vollständig;
d) bei Lysidike r. Arm bis Handwurzel, 1. Arm bis Ellenbogen,
und Handwurzel;
e) bei Eriboia r. Arm ganz, 1. Oberarm, kleine Fleckchen am
Halse;
f) bei Trophos wie bei Eriboia.
Von der Innenzeichuung in blassrother Farbe hat sich auch
da, wo das Weiss völlig verloren ging, an Augen^ Ohrringen, Hals-
bändern vieles erhalten,
2. Kentauromachie
Hier hat sich ein Ueberrest von Weiss nirgend erhalten. Da-
gegen sind innerhalb blassrother Conturen farblos, also wohl ur-
sprünglich weiss:
a) der grosse Stein (kein Ast!), den Theseus' Gegner links am
Ende gegen diesen schwingt;
h) der Stein, den Hasbolos schleppt, und des Hasbolos Pferde-
körper;
<•) beide Steine in Händen des Melanchaites;
d) der Helmbusch von Melanchaites' Gegner.
3. Hephaistos im Olymp
Hier hat sich weisse Farbe nur einmal, in geringer Spur, er-
halten. Folgende Figuren aber trugen sie:
a) die Frauen, wie sonst;
h) Chiton des Apollon (links);
c) der Sitz des Ares, rother Contur;
d) der Thron des Zeus, mit Ausnahme des darüber gebreiteten
Teppichs, und Zeus' Chiton. Am Thron Avenige Fleckchen er-
halten.
e) die Hand bei der Inschrift Ny[m]phai.
4. Meleagerjagd
Hier waren weiss die Gesichter der beiden Sphinxe an den
Enden der Darstellung (weder Farbe noch Contur erhalten); vier
Hunde, der Hauer des Ebers und die nackten Körpertheile der
Atalanto. Erhalten ist die Farbe:
44
a) beim Hunde Labros links kleine Flecken an Rücken, Hals und
Vorderbeinen. Spur des rothen Maules vorhanden;
h) bei Atala[n]te grössere Reste an beiden Oberschenkeln, kleinere
an den Armen. Im Gesichte nur mehr das obere Augenlid
weiss. Trotzdem ist der Contur des ganzen Gesichts, das Auge
und etwas Ohrgehänge erhalten;
c) beim Hunde Marph[sa]s Fleckchen am 1, Hinterbacken;
(/) beim Hunde Egertes der ganze Hinterbacken und ein Stück
des Schweifes, zerstreute Restchen an Vorderleib und Kopf.
Conturen von Maul, Auge, Ohr erhalten;
e) beim Hunde [Ep?]ebolos grössere Stellen an Rücken und Hinter-
beinen, der Vorderkopf zerstört.
5. Wagenrennen
Weiss waren die Chitone der drei Wagenlenker und das von
diesseits gezählt dritte Pferd des ersten Wagens links. Bei letzterem
Farbenreste an Hals und Kopf; ebenso bei Hippomedon an der
r. Schulter, ein Stückchen am Kreuz und ein Streif um die Hüften.
Bei Damasippos und Diomedes je ein kleiner Fleck an der unteren
Chitonhälfte.
6. Thetis-Peleus' Hochzeit
Erhalten hat sich weiss ;
a) bei Thetis ein wenig an den Füssen;
h) bei Iris Restchen an den Armen ;
c) bei dem von diesseits dritten Pferde des zweiten Wagens ein
Fleckchen an der Kehle, Innenzeichnung verschwunden;
d) bei der dritten Muse links ein Fleckchen um den Rest des
Halsbandes ;
e) beim zweiten oder dritten Pferde des fünften Wagens (nur
Beine übrig) Farbenreste an der Fessel des r. Vorder- und
Hinterfusses ;
/) an Nereus' Chiton unterhalb des Wagens ist die Farbe noch
ziemlich unversehrt; ganz intact an seinem Bart und Haupthaar;
g) bei Doris Fleckchen am r. Oberarm.
Ausserdem waren in dieser Darstellung folgende Objecte weiss
bemalt, ohne dass ein Farbenrest noch sichtbar wäre:
h) die übrigen weiblichen Figuren, wie überall;
^) am Thetideion: die Basen der Säulen und Anten und die Ka-
pitelle der Säulen , sowie die beiden Längsstreifen innerhalb
der Antenkapitelle; die Füllungen des geschlossenen r. Thor-
45
flügels (?) (hier hat es den Anschein, als wären einige Fleck-
chen von Weiss erhalten); die Innenfelder des Blattornaments
am Kymation; die Sima (?); endlich die eigentliche Cellawand
mit Ausnahme der Friesstreifen in der Mitte, rechts und links
der Thüre und der beiden Querstreifen unten zwischen Säulen
und Anten;
k) Peleus' Chiton;
/) die Chlaina des Dionysos;
m) das von diesseits zweite Pferd des ersten Wagens, Zeichnung
von Auge und Maul erhalten;
n) Zeus' Chiton;
o) das von diesseits dritte Pferd (nur Beine übrig) des vierten
Wagens und die Füsse einer jenseits schreitenden menschhchen
Figur ;
p) ein Pferd des siebenten Wagens (auch nur Beine übrig) und
Füsse einer jenseits schreitenden Figur.
7. Troilos
Von weisser Farbe waren:
a) die Frauen, wie sonst; '
h) am Brunnenhause : die Basen der Anten und Säulen (die beiden
ersten theilweise überstrichen) und die Kapitelle der Säulen;
die Metopen; die Cellawand mit Ausnahme der Wasserspeier.
Erhalten ist Weiss nirgends ;
c) die halbmondförmige Endigung an Achills Schwertscheide;
d) der Chiton des Antenor. Grössere Farbenreste unten und in
der Mitte;
e) Chiton des Priamos. Soweit die Figur erhalten , Farbe voll-
ständig ;
/) das Ausfallsthor: hier hat sich das Weiss der Mauer erhalten
bis auf jene dunklen Flecken links. Dunkel ist das Thor
selbst und ebenso sind es die zwischen den Zinnen aufge-
häuften Steinkugeln ;
g) das Gorgoneion an Hektors Schilde.
8. Thierdarstellungen
Weiss waren die Köpfe der beiden Sphinxe.
9. Pygmaien
Hier war Weiss gar nicht verwendet.
46
10. Henkelfiguren
Gesicht, Arme und Füsse der thierwürgenden Artemis jeder-
seits Avaren weiss, mehrere Flecke sind noch deutlich.
n
Im Folgenden führe ich an, was im Stiche ungenügend wieder-
gegeben und bisher überhaupt nicht genau oder gar nicht beachtet
wurde und werde dabei wieder Streifen für Streifen verfolgen. Viele
Einzelheiten, an denen Weizsäcker mit Recht Anstoss genommen
hat, finden hierdurch ihre Erledigung.
1. Kalydonische Jagd
Zunächst sind die Ornamentbänder, welche die Darstellung
beiderseits einrahmen, soweit sie erhalten sind, mit grosser Sorgfalt
ausgeführt, wovon der Stich keine Anschauung gibt.
Auch der Eber ist ungenau, seine Schnauze ist am Originale
länger, das Ohr und 1. Vorderbein sind theilweise restaurirt. Die
in seinem Leibe steckenden Pfeile zeigen ausser der Befiederung
auch die über dieselbe sich hinauserstreckende Einkerbung für den
Einsatz der Bogensehne, eine Form des Pfeils, die sich noch auf
der Geryoneusschale des Euphronios, hier mit einfachem Wider-
haken der Pfeilspitze, findet.
Der auf den Eber gesprungene Hund Marph[sa]s ist fast nicht
mehr zu erkennen; seine Extremitäten nur an den in der Gravirung
der Kückenborsten des Ebers ausgesparten Stellen, woraus hervor-
geht, dass die Figur dem vorher in dunkler Farbe aufgemalten
Eber einfach in weisser Deckfarbe übergemalt wurde. Die erhaltene
Spitze der Schnauze, die Stellung des r. Ohres und 1. Auges zeigen,
dass er mit verwandtem Kopf quer in den Nacken des Wildes ein-
biss. Er trug ein Halsband.
Der getödtete Antaios ist schnurrbärtig. Seine r. Ferse kommt
unter der 1. Kniekehle zum Vorschein. Sein Auge ist geschlossen.
Die Faust des 1. Armes, auf dessen Achsel das Haupt ruht, scheint
sich in die Stirnlocken eingekrampft zu haben, der r. Arm ist mit
geballter Faust über den Kopf geworfen.
Peleus scheint bartlos, sein Untergesicht ist theilweise abge-
splittert.
Das Fell um Meleagros Hüften zeigt an den Vorderpranken
je vier Klauen.
47
Atalante trägt auf der Brust zwei untereinander verbundene
Fibeln.
Von Melanien ist ausser Bart und Hals. 1. Schulter und Speer-
spitze sichtbar. Ueber dem Chiton trägt er ein Fell, dessen Haare
links von Atalantes Gürtel sichtbar sind und dessen eine Pranke
zwischen seinen Beinen niederhängt.
Euthymachos, der Bogenschütze, hat den Mund weitgeöffnet.
Seine spitze Mütze ist bedeutend kürzer als sie der Stich zeigt.
Er trägt Köcher an der I. Hüfte. Die unter seinem r. (restaurirten)
Unterschenkel sichtbare Pranke ist die Hintertatze des jenseits
laufenden Hundes Methepon.
Antandros' Kappe hat eine Krampe. Sein Fell ist um den
Bauch durch eine Agraffe geschlossen. Seines Partners Thorax
Oberschenkel ist nicht nackt^ wie auf dem Stiche, sondern mit
kurzem Chiton bedeckt. Was aber Weizsäcker an ihm für einen
Panzer erklärt, scheinen mir vielmehr die übereinander ragenden
Schwertgriffe der beiden Gesellen zu sein (vergl. die drei ersten
Kämpferpaare der r. Bildseite). Dagegen sind Beider Speere jue-
(jdYKuXa: Umwickelung des Schaftes, Fingerhaltung und otTKuXri selbst
sind vollkommen deutlich. Die kugelartige Endigung an Thorax'
Lanze im alten Stiche ist nur ein nachlässiger Weise in die Zeich-
nung eingetragenes Stückchen Klebewachs, womit der frühere Vasen-
zeichner sein Bauspapier angeheftet hatte.
Die Figuren von Aristandros und Arpylea[s] erscheinen auf
unserer Zeichnung getreuer wiedergegeben, aber namentlich die-
jenige des Aristandros ist dadurch kaum verständlicher geworden.
Sicher scheint zunächst, dass er keinen Chiton trägt: an seinem
Oberschenkel und Oberarme fehlt der herkömmliche Gewandsaum.
Der sonderbar gewölbte Gegenstand vor seinem Leibe, welcher
mittelst eines Bandes um die 1. Schulter gehängt zu sein scheint,
könnte eine Jagdtasche vorstellen sollen und das seine r. Schulter
überragende, oberwärts gekrümmte Instrument vielleicht eine Hacke
oder einen Lauffänger (rrobaTpil, Txohoorpäß^, pedicd: vergl. die
ähnliche Ausrüstung eines Jägers der rechten Reihe in der Meleager-
jagd von Gjölbaschi). Dieses Instrument hängt in dem Stiche
fälschlicher Weise oben mit dem Jagdspiesse des Arpylea zusammen.
Arpylea — an der Inschrift dieses Namens lässt sich nicht
mäkeln (Weizsäcker S. 52) — ist deutlicher. Er schwingt einen
kurzen Speer und von seiner Schulter her bis an die Hüfte hängt
über das Fell ein Riemen (?) mit Schlinge, wie er auf diesem
48
Streifen noch einmal, in der Kentauromachie noch zweimal wieder-
kehrt. Was mit diesem Ausrüstungsstück gemeint sei, ist nicht
klar. Ein Wehrgehenk kann der Riemen (bei Hoplon in der Ken-
taurenschlacht sind es deren zwei) nicht sein, denn Arpylea hat
kein Schwert, ebensowenig wie Kaineus; und wieder Kastor in
diesem Streifen und der genannte Hoplon haben ihre Schwerter in
eigenem Geheuk daneben hängen, auch wird die Vorrichtung ab-
wechselnd bald rechts bald links getragen. Auch ein Riemen zum
Tragen des Schildes, wie er anderwärts vorkommt, kann es nicht
sein. Ich möchte vermuthen, dass die Schlinge dazu diente, den
Speer hindurchzustecken, wenn er ausser Gebrauch war, um ihn
so auf bequemere Weise zu tragen, obwohl ich einen Beleg dafür
nicht kenne.
Kastor und Polydeukes rechts vom Eber scheinen zusammen
einen Speer zu handhaben.
Akastos' r. Arm ist im Originale bis zur Hand zerstört.
Asmetos ist durchaus nicht „verzeichnet". Finger und Zehen
sind ganz richtig, nur hat er das Fell, wie der nachfolgende Simon
und auch Antandros auf der Gegenseite, statt auf der Brust, im
Nacken geknüpft.
Der Hund Egertes hat keine Hängeohren wie im Stiche. Er
gehört derselben Rasse an wie alle anderen: einer Art von Wolfs-
hunden von derbem Bau, mit langbehaartem Schwänze und spitzem
Kopf, der von einer kurzen Mähne umgeben ist. Die Ohren scheinen
mir bei sämmtlichen Hunden gestutzt zu sein.
Antimachos ist auf dem Stiche verschrieben in Astymachos.
Der Gegenstand, der von Toxamis' Köcher niederhängt, ist
kein Trinkliorn (Weizsäcker S. 54), sondern der Köcherdeckel, wie
er auch von dem breiteren Köcher des Kimerios geöffnet herab-
hängt.
Der jenseits laufende Hund wird wohl Epebolos geheissen
haben.
Kymortes' Fell wird durch zwei Agraffen gehalten.
Pausileos scheint nur mit gegürtetem Chiton bekleidet zu sein.
2. Wagenrennen
Der Dreifuss r. von Achill sowie der kleinere unter Dama-
sippos' Gespann sind ungenau auf dem Stiche wiedergegeben.
^49
An Achills Kopf ist das 1. Ohr angegeben. Die Linien an
seinem nackten Körper unter der Brust scheinen mir vielmehr
Bauchfalten als ein Gürtel zu sein
Die Kopfwendung des Automedon hat Weizsäcker sehr richtig
bemerkt, das deutlich vorhandene 1. Ohr bestätigt sie; doch scheint
mir die erhobene 1. Hand dieser Kopfwendung nicht „unwillkürlich"
zu folgen , sondern Automedon reisst dadurch sein Gespann nach
links, wohl um seinem Vormanne Olyteus vorzufahren; wie denn
überhaupt mehrere derlei kleine Züge auf diesen Darstellungen vom
Maler vortrefflich beobachtet sind.
Diomedes' Hände und Unterarme, sammt allem was damit
zusammenhängt, sind restaurirt, womit wieder eine Conjectur Braun's
(a. a. O. S. 341) hinfällig wird, ebenso sind die Hintertheile des
Gespannes nachgebessert.
Restaurirt ist auch die 1. Hand des Hippo[tho]on, der untere
Theil seines Chitons und das unförmlich lange Untergestell seines
Wagens. Er und sein Vorgänger Damasippos treiben ihre Pferde
mit dem Kentron zu eiligerem Laufe. Bemerkenswerth ist an dem
Chiton dieser letzten Gestalt die sonderbare Gürtung mit zwei
herabfallenden Bändern, sowie der kapuzenartige Sack im Nacken ;
nicht minder dass das Gespann der vier Pferde nur sechs Hinter-
beine aufweist. An den Rossen dieser Darstellung ist keine Ge-
schlechtsangabe zu bemerken.
3, Hochzeit des Peleus.
Das Thetideion ist nur in Bruchstücken erhalten: nemlich die
linke Hälfte fast ganz, rechts der untere Theil der Thüre sammt
dem rechts anschliessenden Theile des Bauwerkes und ein keil-
förmiges Stück über diesem letzteren. Das Uebrige ist moderne
Restauration, die aber im Ganzen richtig sein dürfte, da sie nichts
zuzufügen, sondern nur entsprechend zu ergänzen hatte. Dagegen
ist die Wiedergabe im Stiche vielfach falsch. Vor allem ist der
Fries unrichtig. Die 1. Ecke desselben, die allein echt ist, beginnt
nicht mit einer halben Metope, sondern mit einer halben Triglyphe.
Triglyphen wie auch Tropfenregula sind zwar vorhanden, aber nur
hin und wieder noch sichtbar, denn auffallenderweise waren sie
nicht eingravirt, sondern mit verdünnter Farbe aufgemalt ; was der
Stich davon gibt, ist willkürlich. Die Art des Dachabschlusses ist
nicht unmittelbar zu sehen. Zwar hat mich Studniczka auf eine
Archäologisch-eiiigrapluKoUe Mittli. XII. ±
50
gravirte Linie aufmerksam gemacht, welche links in der Richtung
verläuft, die etwa das Dach eines Giebels einhalten würde, aber
die weiss aufgehöhten Stellen sind sonst nie durch Gravirung um-
grenzt, und diese Linie kann daher kaum der Abschluss der weissen
Giebelsima gewesen sein. Auch haben Benndorf und Milani in
der Nähe des unteren Dachendes (wie auch am Brunnen der Troer)
die mit verdünntem Firniss aufgemalten Reste von Linien wahr-
genommen, die sie als Contur eines Ohres auffassten, etwa von
einem Wasserspeier in Form eines Pferdekopfes, worauf ich leider
nicht geachtet habe.
Peleus hat keinen lächelnd geöffneten Mund, sondern Schnurr-
bart. Er scheint vollbärtig gewesen zu sein, doch sind Vorderhals
und Kinn zerstört. Die Linke hält er geöffnet vor der Brust, die
Fingerspitzen sind erhalten.
Der Altar zu seinen Füssen ist fast ganz zerstört. Insbe-
sondere ist von dem Kantharos, der darauf steht, nichts echt, als
das obere Drittel des Henkels links und ein Stück des Bauches,
welches aber anders aussieht, als auf dem Stiche. Zu einem Kan-
tharos hat das Gefäss also der Restaurator, übrigens wohl mit
Recht, ergänzt.
An Chiron ist der lange dreieckige Streif unter seinem Chiton
nach abwärts grösstentheils Ergänzung. Nur ein schmaler Strich
rechts davon ist echt, der die Frage, ob der Kentaur Menschen-
oder Pferdevorderbeine hatte, schwer entscheidbar macht; doch
scheint der Chiton, der den Oberkörper bedeckt, auf menschliche
Extremitäten zu deuten. Zu corrigiren ist auch die Stelle um Hals
und r. Arm. Der Oberarm erhebt sich nicht mit so enorm ange-
schwollenem Muskel bis unter den Bart, sondern sein oberer Contur,
der noch ein Stückchen des saumgeschmückten Aermels zeigt, ver-
läuft circa zwei Millimeter über dem 1. Oberarme der Iris. Dann
findet sich zwischen ihm und dem Barte eine zersplitterte Stelle
innerhalb deren sich Reste erhielten, deren Zeichnung Aehnlichkeit
mit einer geschlossenen Hand haben. Das kann auf Zufall be-
ruhen, es wäre aber auch denkbar, dass es Chirons 1. Faust ist,
die den Stab auf der Schulter festhaltend, zwischen Bart und r.
(Oberarm von jenseits sichtbar wird. Ferner bemerkte ich über
Chirons r. Hand, welche diejenige des Peleus gefasst hält, vier läng-
liche Punkte, die man für Fingerspitzen halten könnte, so dass
also die Freunde ihre gestreckten Hände gekreuzt übereinander
halten würden.
51
Die grosse Lücke, welche Chirons und der Iris Beine zer-
stört hat, setzt sich in einem Bruche quer nach aufwärts durch die
drei folgenden Frauengestalten fort. Dieser Bruchstreifen ist aus-
gefüllt und restaurirt worden. Letzterem Umstände ist schuld zu
geben, dass Demeter zwei linke Hände zu haben scheint. Eben
daran liegt es, dass Hestia's Gewand auf der Brust ein vom
unteren Theile abweichendes Muster trägt, wie denn dieses Muster
selbst im Stiche ungenau wiedergegeben ist. Der quadrirte Stoff
ist abwechselnd mit Kreuzen und geschlungenen Maschen ge-
schmückt.
So setzen sich auch die Längsstreifen am Kleide der Demeter
auf dem Bruchtheile fort. Alle drei Figuren sind von einem Kre-
demnon umschlungen, das einerseits Demeter mit der Linken empor-
hält, anderseits Chariklo um Schulter und r. Arm gewickelt hat.
Die Einheit des Gewandstückes beweist der beiderseits gleiche
Saum, den der Stich theilweise ausgelassen hat.
An Dionysos sind Bart und Haupthaar deutlich geschieden.
Auffallend ist die Spitze seines Bartes, die wie geflochten aussieht.
An den Fingerspitzen seiner 1. Hand (soweit sie echt sind, es geht
ein Bruch durch), sowie an der grossen Zehe des 1. Fusses sind
die Nägel ausgedrückt.
Von den Hören hat diejenige links zwei Locken, die mittlere
eine zur Brust herabhängen. Bei jener setzt sich das Kreuzmuster
des Gewandes über die Brust fort. Befranste Gewichtchen hängen
an den Zipfeln des gemeinsamen Obergewandes.
Bei den Pferden des folgenden ersten Wagens sind einige
Kleinigkeiten, wie Hals- und Brustfalten, das Maul des zweiten
weissen Pferdes, Zügel u. s. w. nachzutragen. Das diesseitige
Pferd ist ein Hengst, ferner hat es einen geflochtenen Schweif.
Der Contur des r. Fusses der Kaliope und der des 1. der
Urania ist erhalten,
Hera steht rechts, diesseits von Zeus. Ihre r. Hand, deren
Handwurzel erhalten ist, war diesseits ausgestreckt. Das dies-
seitige Pferd des folgenden zweiten Wagens ist wieder ein Hengst.
Bei der ersten Musengruppe zeigt die erste links den Rest
eines Halsbandes; in der nächsten Gruppe ist die Hand der Po-
lymnis deutlich.
Auf dem vierten Wagen (mit unbekannten Personen besetzt
und gefolgt) stehen deutlich zwei Figuren. Die diesseitige seheint
unter dem Mantel, der mit breiten Säumen über die zügelhaltenden
4*
52
Häude tiel, einen bestickten Chiton getragen zu haben, wie ihn
sonst von den männlichen Gottheiten hier keine trägt (Zeus' Ge-
wand ist allerdings an der Stelle verletzt). Von der jenseitigen
Figur sind nur zwei Längssäume noch kenntlich, beide sind in der
Höhe der Hüften abgebrochen. Der Wagen ist vor den anderen
geschmückt durch eine umbänderte Deichsel und feine Verzierung
der Antyx und zeichnet sich sogar vor Zeus' Wagen aus. Diese
Umstände scheinen mir bestärkend für Weizsäckers Vermuthung
(a. a. O. S. 45) zu sprechen, dass Apollon (mit Artemis) Inhaber
des Fahrzeuges war.
Von den drei jenseits schreitenden Begleiterinnen hat diejenige
links wieder, wie oben Hestia, einen doppeltgemusterten Chiton.
Diesmal wechseln die Kreuze mit je zwei concentrischen Ringel-
chen. Ebenso scheint das Kleid der dritten rechts von diesen
Figuren zwischen den Querstreifen mit eingestickten Darstellungen
wenigstens oberwärts besetzt.
Die Gruppe des fünften Wagens ist in mehrfacher Hinsicht
interessant. Zunächst, wer immer ihre namenlose Genossin auf dem
Wagen sei, Lenkerin desselben ist jenseits Athena selbst. Ihre
iesseits stehende Begleiterin hält mit der 1. Hand das Kredemnon,
wie anderwärts Hera, Maia u. s. w. Athena aber zieht die Zügel
gegen das Kinn empor, die Pferde parirend. Daraus erklärt sich
nun die Stellung des Wagens und manches Besondere. Die Deichsel-
spitze hebt sich, da die Pferde zurück drücken, empor, wodurch
auch der Wagenkasten seine horizontale Stellung verliert und sich
gegen vorne hebt. Ebenso weicht die Stellung der Pferdeköpfe
von dem sonstigen Schema ab, sie steigen steil hintereinander mit
vorgedrängtem Halse auf, so dass das llandpferd, sonst mit dem
Kopfe das diesseitige Beipferd nach vorne überragend, diesmal wie
die übrigen hinter letzterem erscheint. Es ist freilich heute von
seinem Vordertheil nichts mehr vorhanden als der Ansatz des Halses
zwischen dem ersten und dritten Thiere. Vielleicht war es weiss;
vielleicht ist aber auch nur die Verletzung des (iefässes an dieser
Stelle schuld, dass von ihm, wie von dem Haupte des vierten
Pferdes nichts mehr zu erblicken ist. Im Ganzen scheint iVeilich
der Künstler mit dieser Darstellung ein Experiment gewagt zu
haben, dem er nicht gewachsen war: die Pferdebeine sind gerade
hier, auch abgesehen von den mangelhaft restaurirten Hinteibeinen,
mehr in Unordnung als anderwärts.
53
Nereus hält die r. Hand geöffnet, die P^läche nach oben, vor
die Brust, so dass die Hand in Profilstellung erscheint. Die Zehen
seines 1. Fusses sind ausgedrückt.
Das Kreuzmuster von Doris' Chiton setzt sich nach unten
zwischen den Pferdebeinen fort.
Die Pferde des folgenden Wagens zeigen wieder vielfache
Innenzeichnung, die auf dem Stiche theilweise fehlt.
Moiren. Bei der Figur rechts läuft natürlich der untere Saum
des Gewandes rings um dasselbe her. Ihre r. Hand ist sichtbar;
ebenso, wenigstens andeutungsweise, diejenige der folgenden Figur.
Die sich dieser anschliessende Frauengestalt trägt den Gürtel sicht-
bar, gleich den übrigen. Diejenige links hat zwei Locken zur
Brust niederhängen.
Hephaistos ist arg zerstört, Einiges lässt sich aber noch fest-
stellen. Zunächst ist ein alter Irrthum zu berichtigen. Die Figur
soll in ihrer Linken Zügel, Zange, vielleicht Blasebalg, vielleicht
Blechscheere halten. Sie hält aber von alledem nichts, sondern
hat die geschlossene 1. Faust kreuzweise über dem Handgelenke
der Rechten, welche den einfachen Zügel derart fasst, dass er unter
ihrem Daumen durch die Hand doppelt geht und dass links von
der Faust die dadurch entstehende Schlinge, rechts das einfache
Zügelende hervorhängt. Rechts von der geschlossenen 1. Hand
kommt allerdings noch der Knopf eines Gegenstandes hervor, der
sich dann nach links oben stangenartig fortsetzt und kaum etwas
anderes sein dürfte, als der Stab der Geissei, wie ihn Hephaistos
auch auf der anderen Seite der Vase, bei der Rückkehr in den
Olymp, in der Linken hält. Was die Kopfwendung der Figur be-
trifft, so ist keineswegs ausgemacht, dass das Gesicht nach dem
Vorgänger gerichtet war, wie angenommen worden ist. Vom Haupte
sind allerdings nur Splitter vorhanden, aber Milani sieht in diesen
Resten, gewiss mit Recht, das Haar über der r. Schläfe, das r.
Auge und etwas vom Barte des in Vordersicht gezeichneten Kopfes.
4. Troilos' Verfolgung.
Das Quellhaus ist besser erhalten, als das Thetideion. Zwar
musste es ebenfalls aus vier Stücken zusammengesetzt werden,
doch war dabei keine erhebliche Lücke auszufüllen : nur der wasser-
speiende Kopf links, ein Drittel der nebenstehenden Säule und die
r. obere Ecke des Gebäudes waren zu ergänzen. Die Triglyphcn
sind auch hier wieder nur mit blasser Farbe aufgemalt und zwar
54
in der dritten und vierten Triglyphe je drei, anderwärts nur zwei
Höhlungen; die übrigen sind ganz verwischt. Von der Tropfen-
regula konnte ich hier nichts bemerken. Die mittlere Säule ist vor
den anderen durch ein reicheres Kapitell ausgezeichnet. Auffallend
ist, dass die unter dem rechten Wasserspeier stehende Vase keinerlei
Henkel zeigt. Die in das Bauwerk hineinragende oblonge Erhöhung,
auf welcher Rhodia steht, hat in ihrer oberen Begrenzung einen
(im neuen Vorlegeblatt leider übergangenen), doppelten Contur, der
gewiss nicht ohne Bedeutung ist. Den oberen Ablauf einer Basis
kann er nicht andeuten, da er rechts und links über die verticale
Seitenlinie nicht vorsteht. Denkbar wäre, dass eine aufliegende
Platte oder ein verschliessender Deckel gemeint sei, etwa von einem
Troge zur Tränkung von Thieren. Rhodia, der gewiss das zweite
Gefäss gehört, scheint hinaufgestiegen zu sein, um besser sehen zu
können. Sie hat zwei Locken niederhängen und, wie es scheint,
auf der Brust die Verbindungsschnur zweier Fibeln.
Der Stab, welcher jenseits der Athena sichtbar wird (die gra-
virten Linien sind in die Figur selbst hineingerathen) , gehört ihr
wohl nicht zu, wie Weizsäcker und Klein meinen, sondern ist das
Ende vom Speere des vor ihr laufenden Achilleus. Athena hat das
Haar rückwärts aufgebunden.
Von der Figur des Achilleus ist das Glied zum Vorschein
gekommen. Achilleus' Ausrüstung wird hiernach derjenigen des
Ares in Hephaistos' Rückkehr in den Olymp entsprochen haben.
An seinem r. Fusse sind Zehen ausgedrückt.
An der Troilosfigur ist noch weniger erhalten , als nach dem
Stich zu vermuthen wäre. Ein breiter Sprung läuft quer durch die
Mitte des' Reiters, seinen Unterleib und Oberschenkel, den 1. Arm
sammt Hand und die r. Hand, an den Pferden die Leiber rück-
wärts vom Reiter, den grössten Theil der Mähnen und die Schnauzen
der Thiere zerstörend. Was der Stich hiervon bietet, ist Restau-
ration. Dagegen ist auf dem Stich ein echtes Stück übersehen,
nemlich des Troilos 1. Fuss , der neben dem rechten von jenseits
sichtbar wird. Der r. Fuss zeigt Zehen.
Derselbe Bruch hat auch die obere Hälfte des Bauches der
Hydria getrofifen; daher wohl der vertikale Henkel an ihr fehlt.
Priamos stützt sich auf einen am oberen Ende beringten Stab.
Das Saummuster seines Mantels setzt sich unter der 1. Hand fort
und ist mit einem Gewichtchen beschwert.
55
Die Stadtmauer ist durch einen Bruch verletzt, der ihre rechte
obere Ecke wegnahm und die Zinnen auch sonst beschädigte. Ganz
oder theilweise unberührt blieben die vier Zinnen links^ denen zwei
weitere rechts hinzuergänzt sind; auch der von links dritte und
vierte Steinhaufen ist theilweise, der fünfte ganz ergänzt. Der
Stich variirt willkürlich die Höhe und Form der einzelnen Steine.
Man erkennt jetzt, dass mit Sorgfalt ein genau aufgeschichteter
Quaderbau dargestellt ist. Regelwidrig ist nur, dass das rechte
Ende des Thürsturzes mit einer oberen Stossfuge zusammenfällt.
Dass Hektor auf seinem Schilde ein bärtiges Gorgoneion trug,
hat Brunn gesehen. Ich gewahrte von demselben ausser dem um-
rahmenden Haupt- und Barthaar auch noch die r. Augenbraue und
den Umriss des darunter sitzenden weitgeöffneten Auges, sowie
einige andere Linien, in welchen ich den r. Nasenflügel und die
Hälfte des offenen Mundes erkennen möchte.
5. Theseus-Ariadne.
Gerhard, sowie Weizsäcker und neuestens auch Klein lassen
das Schiff mit dem Vordertheile gelandet sein, während es doch
augenscheinlich das Hintertheil ist, das hier, nach rechts gekehrt,
in zwei Schwanenhäuptern endet, worauf schon die beiden Steuer-
ruder leiten konnten. Auch hat weder Klein Recht, wenn er den
anderen Theil des Schiffes verloren nennt, noch Weizsäcker, wenn
er, in gleicher Meinung, die isolirten Reste einer Darstellun g link
am Ende für „Felsen" nimmt, „die eine Bucht einschliessen".
Diese „undeutlichen Linien" sind vielmehr der Schnabel des Schiffes,
der in Folge einer rechts vorhandenen Lücke im Gefässe den Zu-
sammenhang mit dem übrigen Schiffskörper verloren hat. Das
Fahrzeug ist ein Kriegsschiff und stimmt in allem Wesentlichen
mit dem Typus überein, der auf schwarzfigurigen Vasen vorzu-
kommen pjflegt. Es ist eine Monere mit beiderseitigem Steuer, am
Vordertheile mit stumpfem Sporn, dem das seitliche Auge nicht
fehlt, überragt vom Vorderkastell, das ein gerade aufragendes Hörn
als Akrostolion trägt. Auch ein Mastbaum fehlte nicht. Aufge-
richtet konnte er freilich nicht gewesen sein , schon der Künstler-
inschrift wegen nicht, die über der Schiffsmitte herläuft. Aber ich
gewahre ihn, wie es ja der Situation eines gelandeten Fahrzeuges
entspricht, niedergelegt in der erhaltenen r. Schiffshälfte, die Spitze
dem Hintertheile zugeneigt. Ob der Gegenstand, der sich der
Mastspitze oben anschliesst, als ein gerolltes Segel, ein Mastkorb
56
oder dergl. zu denken sei, weiss ich nicht zu entscheiden, linde
auch keine analoge Darstellung, die darüber Aufschluss gewähren
könnte.
Der diesseits des Schiffes schwimmende Mann (kein Greis)
hat sichtbare Genitalien, wie auch einige von der Schiffsmannschaft,
während bei den Gelandeten überall das Geschlecht verhüllt ist.
Die Rechte des Schwimmers fasst mit untergesetztem Daumen nach
dem Ufer.
Hippodameia hat die Hand ihres Vorgängers Daidochos aller-
dings gefasst, ihr 1. Arm ist auf dem Stiche nur vergessen : damit
fällt Brauns phantastische Conjectur (Annali dell' instituto XX p. 359)
über den Grund des Nichtanfassens. Der obere Rand ihres Ohres
ist erhalten. An ihrer Brust sitzt eine Fibel. Um den Kopf zieht
sich ein breites Haarband.
Menestho hat Ohrgehänge und Halsband.
Ebenso trägt [Eu]rysthenes ein Halsband.
Bei Heuchsistrat[os] ist ein Stück des hinter dem r. Arm
niederfallenden Gewandsaumes erhalten.
Damasisrate hat vollständiges Ohr und Gehänge daran, auch
Spuren der Füsse erhalten.
Bei Antiochos sind die jenseitigen Mantelsäume erhalten.
Hermipo[s] hat Brustcontur.
Lysidike trägt eine Locke diesseits des Ohres.
..okritos hat Brust- und Bauchzeichnung.
Eriboia, rückseitiger Gewandsaum und Contur der Füsse vor-
handen. Ihre und ihres Vorgängers Hand liegen nicht übereinander,
sondern ineinander.
Trophos hat 1. Achselklappe und weiblichen r. Ellenbogen
(Weizsäcker a. a. O. S. 379).
Der Gegenstand, welchen Ariadne auf der Fläche der r. Hand
dem Theseus ausser der Binde darbietet, kann kaum eine Blume
sein. Der Stecher hat die Hand falsch verstanden: auf der Fläche
bietet man keine Blume an, höchstens eine Frucht, etwa einen
Apfel. Uebrigens stehen Theseus, Throphos und Ariadne nicht auf
erhöhtem Terrain.
6. Kentaurenkampf.
Theseus' Gegner 1. am Ende schwingt, wie schon erwähnt,
einen grossen Stein derart, dass er ihn mit der im Nacken ge-
stützten Linken aufstemmt, während die nach hinten ausgreifende
57
Rechte ihn zu schleudern im Begriffe ist. Auffallend ist sein be-
sonders struppiger Pferdeschweif.
Von Theseus ist ausser dem Schilde nur ein vielfach zer-
splitterter Rest des einen vorgesetzten Oberschenkels erkennbar,
überschnitten von dem Pferdeschweife des rechts sprengenden Ken-
tauren.
Des Antimachos Kopf ist ganz erhalten, nemlich ausser dem
Helme: Auge, Nase, Schnurrbart und Spitzbart am Kinne. Der
zu seinen Füssen liegende dritte Kentaur hat den bis zum Hals-
ansatze erhaltenen menschlichen Oberkörper dem Reschauer in
Vordersicht zugekehrt; derselbe ist nicht so engbrüstig, wie auf
dem Stich, auch die auf den Boden gestemmte r. Faust ist besser
gezeichnet.
Hylaios hat einen etwas minder ..umfangreichen" Kopf, als
ihm der Stich durch Weglassen des Halses zugebildet, sein Haupt-
haar ist aber noch struppiger als da, und sein Gesichtsausdruck
wilder: er sprengt schreiend auf Kaineus ein. Von seinem Pferde-
körper wird noch der r. Vorderhuf diesseits von Kaineus' erhobe-
nem r. Oberarme sichtbar.
Hasbolos' Pferdehinterfüsse stehen nicht so überzwerch , wie
sie der Stich zeigt.
An Petraios' Fingern der I. Hand sind die Nägel ausgedrückt.
Des Hoplon Kopf ist ganz unrichtig. Der Helm trägt im
Augenwinkel eine feine kreuzförmige Verzierung, ein langes Ende
des Helmbusches fällt längs der r. Schulter herab. An seinem Ge-
sichte ist die Nase zerstört, das Kinn aber zeigt einen Spitzbart,
wie bei allen anderen Lapithen. Der grosse Griff seines wuch-
tigen Schwertes reicht bis an die 1. Achselhöhle. Der r. Ellenbogen
ist männlich. Warum Weizsäcker in dem kurzen besäumten Chiton,
den er trägt, einen XivoOihpaH sehen will^ ist mir nicht klar.
Bei ]\Ielan[chaites] sind Hals und 1. Schultercontur;, sowie die
Fingernägel der r. Hand nachzutragen. Seines Gegners allein noch
sichtbares Haupt ist wieder spitz- und schnurrbärtig. Sein ehemals
weisser Helmbusch ist fast ganz unsichtbar geworden.
Ueber des hingestreckten Pyros' Kopfhaltung gestehe ich,
auch vor dem Originale nicht klar geworden zu sein. Das Haupt
scheint in Vordersicht auf dem 1. Arme zu ruhen, die geballte J.
Faust ist über die Schläfe gelegt. Darunter glaube ich das ge-
schlossene 1. Auge zu erkennen.
58
Der letzte Lapithc Diy[as] ist wieder spitzbärtig. Der ver-
längerte untere Rand seines Schildes überschneidet des Oro[sbJios
r. Unterarm.
Erwähnenswerth ist noch, dass an keinem der Kentauren
Geschlechtstheile angedeutet sind.
7. Hephaistos im Olymp.
Ares trägt über dem nackten Körper, den kein Chiton deckt
(das Glied ist sichtbar), einen vom Halse bis zur Hüfte reichenden
glatten Panzer, der dem Leibe dicht anliegt und nur hinten, über
dem Kreuzbein, eine Ausbuchtung zeigt. An dieser Stelle, wie um
die Armlöcher und die Halsöffnung hat er vermuthlich gerundete
Ränder oder Polster und Futter, um den Körper vor Verletzung
durch die Kanten des Metalls zu schützen. Ein Band dicht über
dem unteren Abschlüsse hält die beiden Platten des Panzers zu-
sammen, das Wehrgehenk zieht sich von da zur 1. Schulter empor.
Der ebenfalls beränderte Helm hat einen Nackenschirm. Der Helm-
kamm ist an der Stelle, wo er hinten das Sciiädelblech wieder
berührt, parabolisch ausgeschnitten. Von der Maske, welche, wie
Brunn erkannte, den Schild in hohem Relief zierte, sind Stirnhcaare
und Bartansatz noch vorhanden.
Aphrodite's Chiton zeigt an Stelle des Ornamentes, wie es der
Stich bringt, einen Gürtel und als Abschluss unter dem Halse
einen breiten Saum mit gleichem Muster wie am unteren Gewand-
rande.
Hera's Thron ist dunkel im Gegensatze zu dem weissen von
Zeus.
Am Maulthier ist das Nasenloch vergessen, die Brustzeichnung
falsch, die merkwürdige Zügelvorrichtung flüchtig u. s. w.
An Hephaistos sind beide Hände durch Restauration theilweise
verdorben. Auffallend ist ein nach abwärts gerichteter Zapfen, der
rechts von seinem 1. Fusse unter dem Maulthierbauche sichtbar
wird. Sollte damit des Reiters jenseitiger r. Fuss gemeint sein und
seine Stellung sein Hinken andeuten? Ich bemerke, dass dieser
Fleck nicht von gravirter Linie umzogen ist.
Von den beiden folgenden Silenen ist derjenige rechts, welcher
die Flöte bläst, auf dem Stiche ganz verfehlt. Weizsäcker hat Un-
recht^ die Darstellung mit nur je einem Arme und Beine „aus der
Profilstellung leicht erklärlich" zu finden. Eine derartige Profil-
ötellung, wo ein Körperglied genau das andere deckt, kommt auf
59
der Vase nirgend vor, selbst die beiden ornamental verwendeten
Stierfiguren in den Thierstreifen zeigen deutlich zwei Hörner. Hier
liegt nur Nachlässigkeit des modernen Copisten vor. Zunächst ist
von den Beinen des Silen nur eines (aber auch nur theilweise als
echt) ganz erhalten, und zwar das rechte, nicht das linke; der
Ansatz vom Oberschenkel des linken ist aber auch vorhanden.
Ferner hat der Silen zwei Arme, in deren Händen er je eine Flöte
hält. Die 1. Hand hat nicht drei, sondern vier sichtbare Finger,
der Daumen ist untergesetzt zu denken. Neben dem linken kommt
dann auch der r. Unterarm zum Vorschein. Von seiner r. Hand,
die am Gelenke ein Ring schmückt, erscheinen Daumen und Zeige-
finger. Nachzutragen ist ferner die zur Doppelflöte gehörige Mund-
binde und im übrigen mehrere Innenzeichnungen des Körpers.
Nicht minder unrichtig ist im Stiche die Wiedergabe der
nächsten Gruppe von Silen und Nymphe: der Silen hat den r. Arm
um ihre r. Schulter geschlagen und hält mit der Rechten, da sie
ihn mit dem 1. Ellenbogen wegzudrängen sucht, ihre Linke am
Handgelenk fest. An ihrem Chiton läuft ein breiter Saum über die
Mitte der Brust herauf, die eine Fibel schmückt. Ein gleicher
Saum schliesst den Chiton um den Hals. Auch von ihrem herab-
hängenden r. Oberarme ist noch ein Drittel etwa erhalten, über-
schnitten vom Pferdeschwanze des links anschliessenden Silens.
Bei der beckenschlagenden Nymphe rechts am Ende muss ich
bemerken, dass ich die Fibel ihres Gewandes an der absonder-
lichen Stelle, welche sie bei Studniczka (a. a. 0. S. 98, daher über-
nommen bei Heibig a. a. 0. S. 203) nach Milani's Angabe ein-
nimmt, nicht vorfand. Sie sitzt vielmehr, durch eine Schnur ver-
muthlich mit einer correspondirenden auf der Gegenseite verbunden,
schräg nach aufwärts innerhalb des Längssaumes der Brust, wie
anderwärts öfter.
Bezüglich der Pygmaien und Thierdarstellungen , sowie der
Henkelfiguren fanden wir nichts Wesentliches zu verbessern. Man
wird allerdings auch in diesen Darstellungen jetzt Manches deut-
licher und genauer wiedergegeben finden und dürfte auch hier nicht
mehr in die Lage gerathen , Versehen und Nachlässigkeiten des
Restaurators dem Künstler zuzuschreiben.
Wien, Juli 1888 WOLFGANG REICHEL
60
Zur Daidalidenfrage
(Nachtrag zu Bd. XI S. 204)
Gegenüber dem von Urlichs „Beiträge zur Kunstgeschiclite"
S. 4 erhobenen Vorwurfe, es sei bei meiner Deutung der Pausanias-
stelle V 25, 13 „eine grammatische Regel übersehen", erlaube ich
mir z. B. auf Isaios or. VIII §. 20 hinzuweisen , vvo ebenfalls zwei
nicht identische, sondern begrifflich verschiedene Ausdrücke, zwi-
schen denen jedoch eine innere Verwandtschaft besteht, durch eine
Copulativpartikel in positiver Weise verbunden sind, obwohl die
betreffenden Satzglieder von einem negativen Ausdrucke abhängen.
Nachdem dort im §. 18 ausdrücklich dargelegt worden ist, dass
unter ^(ä}JLO\Jc, ecJTiäv und YCtM^^icv eicrcpe'peiv zweierlei verschie-
dene Akte gemeint sind, heisst es im §. 20 nach negativem regie-
rendem Satze (,uf] oiecrGe): |ur|T' av töv Trarepa ^nwv yäixovc, iaimv
Ktti ■faMn^^ia'^ eicreveTKeiv . . . ^rlTe xa^ . . . ■'{vva.xKac, aipeiffGm . . . ^r|Te
roix; oppdiepaq ei(Tbexe(J6ai fmäq.
Es hätten die vier Aussagen:
1. dass der Vater den Verwandten kein Hochzeitsmahl ge-
geben haben würde;
2. dass er den Phratoren keinen Schmaus gegeben haben
würde ;
3. dass die Frauen die betreffende Tochter des Kiron nicht
bei den Thesraophorien ausgezeichnet haben würden;
4. dass die Phratoren die Kinder der Tochter des Kiron
nicht in die Phratrie aufgenommen haben würden (wenn
sie nämlich die Tochter des Kiron nicht für seine leib-
liche und eheliche Tochter gehalten hätten),
allerdings in ganz gleicher Weise durch MH^e eingefülirt werden
können; aber, da zwischen den zwei vom Gatten zu veranstalten-
den Mahlzeiten eine engere begriffliche Verbindung besteht, als
zwischen diesen zwei Gliedern und den zwei folgenden, darum sind
die zwei ersten mit Km verbunden, die anderen so wie das erste
mit jLiriTe eingeleitet. Zu bemerken ist hiezu. dass statt dieses ein-
fachen Km ebensogut re Kai zur Verl)indung beider Akte des Vaters
hätte gewählt werden können, wenn es dem Sprecher beliebt hätte,
diese Verbindung als eine noch engere und innerlichere zu be-
zeichnen.
61
So wenig aber als hier TajLiou<; ecTTiäv und TctiariXiav eiaeveTKeiv
darum identisch sein müssen, weil sie nach „vorhergehender
Negation" durch küi verbunden sind, so wenig ist auch die Iden-
tität derer dTTÖ AaibdXou und derer otTTO toO epYacJTripiou toO 'Atti-
Koö einfach durch das xe Kai in der Pausaniasstelle zu erweisen.
Es wird demnach entweder die von mir „übersehene Regel" philo-
logischerseits schärfer zu fassen sein, als dies bei Urlichs a.
a. O. der Fall ist, oder man wird die obige Isaiosstelle als Analo-
gen zur Pausaniasstelle in dem von mir beanspruchten Sinne gelten
lassen müssen. Denn darin , dass man bei Pausanias re Kai liest,
während Isaios sich mit dem einfachen Kai begnügte, werden wohl
auch die Gegner meiner Ansicht über die Daidaliden keine wesent-
liche Beeinträchtigung der grammatischen Analogie der angezogenen
Stelleu erblicken wollen.
Prag WILH. KLEIN
(Nach gütiger Mittheilung
eines Freundes)
Die älteste attische 8taatsurkiiiide
Die Behandlung dieser wichtigen Urkunde, um deren Resti-
tution ich mich nach Köhler's, KirchhofF's und Foucart's*) Vorgang
und unter reichlicher Benützung der Vorschläge dieser Gelehrten
kürzlich bemüht habe (Athen. Mittheil. 1888 S. 137 ff.), ist seither
in ein neues Stadium getreten. Lolling hat nämlich die Zugehörig-
keit eines kleinen , aus neun auf die vier ersten Zeilen vertheilten
Buchstaben bestehenden Bruchstückes zu jener Inschrift ebenso
sicher als scharfsinnig erkannt, 'ApxaioXoYiKOV beXiiov, Juni 1888,
S. 17 — 18. Durch diese Entdeckung ist die Forschung jedenfalls
in eine einigermassen sicherere Bahn gewiesen und es ist, da die
Länge der Zeilen sich als eine grössere erweist, als man vorher
anzunehmen geneigt war, möglich geworden, für die Gedanken,
welche man als Inhalt der Inschrift vermuthen konnte, mehrfach
einen volleren und deutlicheren Ausdruck zu gewinnen.
*) Köhler, Athen. Mitth. IX (1884) S. 117; Kirchhoff, C. I. A. IV (1887)
p. 57, la; Foucart, Bull, de con'. hellen, XII (1888) p. 1.
62
Ich möchte nunmehr die nachfolgende Schreibung der Urkunde
als die wahrscheinlichste empfehlen;
*'Eboxcrev toi be'iaoi' t[6? Za]Xa)u[Tva xXepoi Xaxövraq
oiKev e<a)(^) Ia\a)uivi[ai, )Lie]X(\)ev [be xcTuv toi? 'Aöevaioi-
cTi Te[X]ev Kai crTpaT[eu(e)cr0jai • t[öv be XaxövTa KXepov )a-
e |ai[a6]öv. ea()a) |ae oiK[ei Ho Ye]o[^öpo<; auTÖGi, töv KXepo-
V be )ii(T9oT> dTT0Ti[vev Kai tov juiö9ö)aevov Kai töv )u-
icrÖovTa HeKaTe[po HoXoKXepa Td biHojuoXoYe|ueva
Ic, b[e]|uö(Tio[v, eaTrpdT(T)ev bi töv aiei d-
pXo[v]Ta. edv [be |ue T^opTei, Td TrpößaT-
a b' e[KT]ÖTTia 'n-[orei, dTtoTivev auTÖv: t-
10 pid[K]ovTa: bp[axMd(; 'AT(T)iKd(;, ecrTTpdT(T)e-
V be TÖV dpxov[Ta aiei Kai KaTaßdX(X)-
ev: [i-n]\ ilq ß[oXe<;*).
Für die Richtigkeit der Lolling'schen Annahme , dass die
sechs ersten (JTOixn^öv geschriebenen Zeilen je 40 Buchstaben ent-
hielten, spricht vornehmlich Z. 2. Denn nach lEA^, wo /^ an 22.
Stelle erscheint, bleibt uns kaum eine andere Wahl, als die zwischen
be xc^'^v ToT<; 'A9evaioi(Ji und derselben Phrase mit Hinweglassung
des Artikels. In letzterem Falle würde aber die Buchstabenzahl der
Zeile auf 36 herabsinken, wodurch eine angemessene Ergänzung
der ersten Zeile wohl sicherlich unmöglich würde. Absehen darf
man von der Annahme, dass die Form des Artikels nicht TOiq,
sondern ToicTi oder toTcjiv gelautet hätte. Scheint sich doch in alt-
attischen Inschriften trotz all des Schwankens dieser Formen, wie
C. I. A. I 16 uns dasselbe vor Augen atellt, kein Fall vorzufinden,
wo ToTcri oder TOicTiv vor vocalischem Anlaut stünde.
Zu dem Satze jueX(X)ev bk — (JTpaTeuecrGai vergleiche man die
C. I. A. II 176 und 222 (auf deren erste Köhler hingewiesen hat)
erhaltenen Formeln. Der Gedanke würde meines Erachtens in
anderer als lapidarer Fassung etwa also lauten: Der salaminische
*) Es Hegt mir ein trefflicher Papierabklatsch der Inschrift vor Augen, dessen
Benützung ich der Güte Dr. Szanto's verdanke. Derselbe versichert, die Ein-
fügung des neuen, von Lolling beigebrachten Bruchstückes in den betreffenden
Stellen der ersten vier Zeilen auch seinerseits vollkommen richtig befunden zu haben.
Ich habe auf die Wiedergabe von Buchstabenresten verzichtet und nur jene Buch-
Htabcn ausser Klammer gesetzt, welche entweder vollständig erhalten, oder durch
unzweideutige Ueberreste erkennbar sind. In einem Nebenpunkte, der Form des
E, welche nicht die geschwänzte ist, wird Köhler's Facsimile durch den Abklatsch
berichtigt.
63
Kleruch hat daselbst ständig zu wohnen, wird aber nichtsdesto-
weniger an den bürgerlichen and militärischen Leistungen der
Athener als ein solcher theilnehmen. Der ständige Aufenthalt auf
Salamis ist seine Pflicht, die Theilnahme an den Leistungen athe-
nischer Bürger sein Recht. Wird doch die letztere auch in den
oben angeführten Ehrendecreten den daselbst Geehrten als ein Vor-
recht zugesprochen. Diese Auffassung beseitigt, wie ich meine,
das Bedenken, welches man sonst gegen mein Supplement |ue\Xeiv
erheben könnte, wenn man demselben Imperativische Bedeutung
beilegen müsste. Dass es eine andere annehmbare Ergänzung der
Lücke vor lEA' gebe, möchte ich bezweifeln; Lolling's öXriv, auf
ZaXaiaiva der 1. Zeile bezogen, vermag ich mir nicht anzueignen,
während ich seine Ergänzung der L Zeile für zweifellos richtig
halte. Zur Ergänzung TaXaiuiviai statt ZaXaiuivi, ohne welche die
Lücke vor |ueX(X)ev nicht genügend ausgefüllt wäre, vgl. Herod.
VIII 94.
Z. 4 darf man aus der Schreibung EAME nur folgern, dass
unsere Inschrift die Gemination der Consonanten im Wortinnern
nicht kennt, eine Regel, welche für die Epigraphik des 6. Jahrhun-
derts ohnehin feststand (vgl. Meisterhans, Grammatik der attischen
Inschriften '^ S. 71 — 72), Weitergehende;, auf die Angleichung des
Auslauts an den labialen Anlaut und auf Unterbleiben der Gemination
auch in der Ligatur bezügliche Schlüsse aus diesem Vorkommniss
zu ziehen, hindert mich die nachfolgende Erwägung. In der In-
schrift C. L A. IV 27 a (445 v. Chr.) erscheint Z. 33 a\x \xi neben
Tev ßoXev, rev ttoXiv u. s. w. Man kann wohl daraus schliessen,
dass jene Partikelverbindung ebenso wie vO)U juev (ebendaselbst
Z. 48) wie ein Wort empfunden wurde, und berechtigt uns somit
diese Abweichung von der für das 6. Jahrhundert bestehenden
Norm, wie Hecht (Orthographisch-dialektische Forschungen I S. 34)
sie formulirt hat, nicht, auf sonstige Ungiltigkeit derselben zu
schliessen. Y€^MÖpo(; muss man, falls es richtig ist, in dem Sinne
verstehen, wie Hesychius und Timäus das Wort erklären (= Kle-
ruch), unter Fernhaltung der Gedankenverbindungen, welche sich auf
Samos und in Syrakus an das Wort geheftet haben. Vgl. auch Plato
Legg. 737® , wo unter den Yeujjudpoi nichts weniger als Latifundien-
besitzer zu verstehen sind nach 737*^ : -fn? M^v ÖTTÖan Trdaouq (Jiijcppovaq
övTtt^ iKttvii Tpeqpeiv.
Z. 5 — 6 habe ich meine früheren Vorschläge auf Grund der von
Lolling ermittelten Zeilengrösse und in Uebereinstimmung mit diesem
64
Forscher, der seinerseits auf meine ersten Versuche weitergebaut
hat, tiefer greifenden Modificationen unterzogen.
Zu Z. 8 und 9 sei hier noch bemerkt, dass ich natürlich an
ein Verbot nicht der Viehausfuhr, sondern der Beseitigung des
zum wirksamen Wirthschaftsbetriebe erforderHchen Zug- und Dung-
viehes denke, worüber ich, gleichwie über die Tendenz des Pacht-
verbotes überhaupt, a. a. O. S. UO— 141 ausführlicher gehandelt
habe. Das Wort rrpößaTa verstehe ich, wie selbstverständlich, in
dem weiteren Sinne, in welchem es von Homer, Hesiod und Herodot
gebraucht wird. Dass der Fundus instructus beim Landloos zu
verbleiben hat, ist zwar selbstverständlich, doch mag der Hinweis
auf die analoge Bestimmung der platonischen „Gesetze" (XI p. 92o^)
nicht völlig überflüssig sein. Zur Entkräftung etwaiger sprachlicher
Bedenken, welche die Periphrase eKToma noieiv in so früher Zeit
erregen könnte, mag der Hinweis auf das Vorkommen analoger
Wendungen bei einigen der ältesten griechischen Prosaschriftsteller
dienen, so Thucyd. H. 83 (id le XeTTid TiXcia evTÖ^ TTOiouviai),
VI. 67 (Kai Tou<; (JKeuoqpöpouq ivTÖc, toutujv tiIjv eTriTÜKTUJV eiroinaavTo),
VI. 75 (töv Teiueviiriv evTO^ Troiriad|uevoi). Anderes aus Herodot und
Xenophon siehe im Thes. VI. 1296—97.
Zur freiereu Wortstellung in e(T7TpdT(T)ev be töv dpxovia aiei
Z. 10—11 vgl. Krüger, Gr. Gr. §. 50, 10, 5.
Doch wie man auch über Einzelheiten urtheilen mag, über
Sinn, Zweck und Bedeutung der ganzen Urkunde ist kaum mehr ein
Zweifel möglich. Es ist seit der Gründung der salaminischen Kle-
ruchie eine Zeit verstrichen, — denn das am Anfang und am Ende un-
verstümmelte und dennoch bloss einige wenige Bestimmungen enthal-
tende Psephisma lässt sich nur als eine Nachtragsverordnung
verstehen. Uebelstände und Missbräuche, welche sich bei der ersten
Aussendung der Siedler nicht vorhersehen Hessen, sind zu Tage
getreten. Sie lassen sich mit einem Worte als Pseudokleruchie
bezeichnen, und ihnen soll durch scharfe Strafandrohungen ge-
steuert werden. Klar ist das Gebot, dass der Ansiedler auf seinem
Landloose ständig wohnen bleibe, und das damit Hand in Hand
gehende Verbot der Verpaciitung. Daran wird die Erwähnung
einer zweiten strafbaren Handlung geknüpft, in welcher ich, wohl
nicht ohne Wahrscheinlichkeit, eine Art von Raubbau, nämlich die
Entblössung des Grundstückes von dem zu seiner gediegenen ße-
wirthschaftung erforderlichen Viehbestand, vermuthet habe. Ueber
den Mangel straffen Zusammenhanges und strenger Geschlossenheit
65
der Gedanken zu klagen, bietet die Urkunde jedenfalls keinen An-
lass, was die nachfolgende Uebersetzung vielleicht noch deutlicher
lehren kann:
'Das Volk hat beschlossen, wie folgt: Jene, welchen der Boden
von Salamis durch das Loos zugefallen ist, sollen auf salaminischem
Gebiete wohnhaft bleiben, — steuern jedoch und Kriegsdienste thun
werden sie mit den Athenern — , den erloosten Acker aber sollen
sie nicht verpachten. Wenn der Loosbesitzer nicht daselbst wohn-
haft ist, sondern sein Landloos verpachtet, dann sollen der Pacht-
nehmer sowohl als der Pachtgeber ein jeder den vollen Betrag der
zwischen ihnen vereinbarten Pachtsumme als Busse an die Staats-
casse entrichten, eintreiben aber soll die Busse der jedesmalige
(erste) Bürgermeister*). Wenn Jener aber sein Landloos nicht be-
stellt, sondern das (dazu gehörige) Vieh daraus entfernt, so soll er
30 attische Drachmen als Busse zahlen; eintreiben aber soll die
Busse jedesmal der jeweilige Bürgermeister und sie niederlegen im
Rathe.'
Die Kenntniss einer merkwürdigen , die äussere Form der
Urkunde betreffenden Thatsache verdanke ich Lolling's gütiger
Mittheilung und vermag ich sie eben noch hier zu verzeichnen.
Die Buchstaben waren nicht, wie sonst so häufig, gleichförmig mit
rother, sondern wechselweise, Zeile um Zeile, mit rother und
blauer Farbe bestrichen, wie neuerlich entdeckte Farbenreste
lehren. So tritt die Freude eines naiven Zeitalters an greller Zier
und buntem Schmuck auch hier wie in der hoch alterthümlichen
Künstlerinschrift C. I. A. IV, 373 und in einigen lykischen Inschriften
klar zu Tage.
*) Der Archon schlechtweg ist wohl kein anderer als der Eponymos. An
den Archon und die Bule der salaminiscben Kleruchen zu denken, welche uns
C. I. A. II, 594 begegnen (vgl. auch Bull, de corr. hell. VI, .522 und C I. A. II,
1248), hindert mehr als alles Andere Z. 2 — .3, da ihr Inhalt nur als Anordnung
des athenischen Demos gelten kann, Demos Archon und Bule aber offenbar der
gleichen Kategorie angehören müssen.
Wien TH. GOMPERZ
Arcliäologisclfc-epigraphisclie Mitth. XII.
66
Eömische Goldbarren mit Stämpeln
(Hierzu Tafel III)
Auf einer Reise, welche ich im Auftrage der königlichen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin ausgeführt habe, hatte ich
auch Gelegenheit, alle Bestandtheile des grossen Fundes goldener
Barren, über welchen Kenner auf S. 1 ff. dieser Zeitschrift gehandelt
hat, zu sehen und eingehend zu prüfen.
Da das Resultat dieser Untersuchung von der Beschreibung
des Fundes, welche Tdglds bei Kenner gegeben, in einer Reihe
wesentlicher Punkte abweicht, so gebe ich auf Wunsch der Redac-
tion dieser Zeitschrift meine eigenen Beobachtungen wieder.
Der Fund bestand angeblich aus zwölf Goldbarren. Dem
gegenüber steht es aber fest, dass eine dreizehnte im Wiener
Privatbesitze sich befindet, ohne dass die Existenz noch weiterer
Barren ausgeschlossen wäre.
Die Barren sind in oben offenen Formen von länglicher koni-
scher Gestalt gegossen worden. Deshalb ist die obere Fläche un-
eben und unregelmässig begrenzt. Diese Unregelmässigkeit des
Randes ist durch das Eindrücken der Stämpel in das weiche Metall
noch erhöht worden, so dass die Maasse derselben Barre besonders
für die Breite und Höhe je nach der Stelle, an welcher man misst,
bis auf 0*5 Cm. schwanken. Der Feingehalt des Goldes wurde für
sechs Barren (I. II. III. VII. IX. XI) durch das königl. Münzamt in
Pest bestimmt. Er beträgt 980 Theile reinen Goldes auf 1000
Theile.
Die bekannt gewordenen Barren sind mit Stämpeln versehen,
welche in fester Folge verbunden, drei verschiedene Reihen bilden.
Die erste Reihe besteht aus zwei verschiedenen Stämpeln:
1. LVCIANVS
OBRISIG t
2. FL FLAVIAN
VS PRO-SIG
AD DIGMA /
Der erste Stämpel findet sich auf jeder Barre nur einmal.
Dor zweite ist auf jeder Barre drei bis viermal wiederholt. Nimmt
67
man die Stellung des Stämpels 1 als die normale, so erscheinen
einzelne der Stämpel 2 auf den Barren umgekehrt eingedrückt, so
dass die Schrift auf dem Kopfe steht. Immer befinden sich einer
oder zwei dieser umgekehrten Stämpel neben dem Stämpel 1, wahr-
scheinlich um durch diesen Gegensatz der Stellung die Verschie-
denheit der Stämpel deutlicher hervortreten zu lassen.
I (= Kenner 1). Ganze Barre, im Besitze der Gräfin Mikes,
der Grundherrin des Fundortes. Gew. 476 Gr.; 1, 16-5 Cm., br. 2 Cm.,
h. 1 Cm.
2 2 S 1 S
II (= Kenner II). Ganze Barre, im Pester Museum. Gew.
472 Gr.; 1. 17-5 Cm., br. 1-6 Cm., h. 07 Cm. Abgebildet auf Taf. III.
2 5 1 5 S
III (= Kenner III). Ganze Barre, im Besitze der Gräfin
Mikes. Durch den Meissel in zwei Theile zerspalten, die Bruch-
ränder passen aneinander:
a) Gew. 208 Gr.; 1. 7 Cm., br. 2 Cm., h. 1 Cm.
h) Gew. 248 Gr.; 1. 10 Cm., br. 2 Cm., h. 0-8 Cm.
«) l^)
2 2 2 S 1
Von dieser Barre existirt ein galvanoplastischer Abdruck.
IV {= Kenner IV). Verstümmelte Barre, in Kronstadt beim
Gerichtshof. Gew. 375-65 Gr.; I. 13-8 Cm., br. 2 Cm., h. 0-5 Cm.
12 2 12
Die frischen Bruchränder am linken Ende sind deutlich sicht-
bar. Da die Länge der Barre um mindestens 2-5 Cm. hinter der
durchschnittlichen Länge zurückbleibt, so dürfte ein ganzer Stämpel
2 links abgestemmt sein. Das ergänzende Bruchstück findet sich
nicht unter den Fragmenten in Kronstadt. Vgl. Barre XIII.
V {:= Kenner VI -\- XIII -\- IX). Ganze Barre aus drei Frag-
menten zusammengesetzt, in Kronstadt beim Gerichtshof. Gew.
a (K. VI) 102 Gr., h (K. XIII) 166-05 Gr., c (K. IX) 192-87 Gr.,
L. 18-5.
a) b) c)
2 2 2 S 1
Dass alle drei Stücke zusammengehören, ergibt sich aus dem
gleichen Erhaltungszustande. Die Fragmente zeigen an verschie-
denen Stellen einen weissen Beschlag, zweifellos Spuren eines miss-
5*
68
lungenen Schmelzversuches. Die Barren sind an der Langseite
gehämmert, so dass die Stämpel an der Oberfläche zusammenge-
drückt und die ganze Barre über die normale Länge gestreckt
wurde. Die Zusammengehörigkeit der Stücke a und h tritt beim
zweiten Stämpel (von links) deutlich hervor, welcher von der Bruch-
linie durchschnitten wird.
VI (= Kenner VII + V -f X). Verstümmelte Barre, in Kron-
stadt beim Gerichtshof. Gew. a (K. VIT) 151-12 Gr., h (K. V)
11115 Gr., c (K. X) 16415 Gr.; l a -}- h = 10 Cm., c = 5-7 Cm.
a) b) c)
2 ; ,) 2 1 J 1 5
Die Bruchränder von a und b passen aneinander. Die Zuge-
hörigkeit von c kann nur mittelbar erschlossen werden. Vgl. Barre
XIII. Nur eine Hälfte des Stämpels 1 ist auf Bruchstück c noch
erhalten. Auf dem verlorenen Stücke kann sich ausser der anderen
Hälfte des Stämpels 1 kein Stämpel befunden haben, da die erhal-
tenen Fragmente beinahe die durchschnittliche Länge erreichen.
Ausser diesen im Original erhaltenen Barren existirt noch ein
galvanoplastischer Abdruck einer Barre mit der Stämpelfolge:
2 2 12 2
Keines der erhaltenen Originale erwies sich als identisch mit diesem
Abdruck.
2. Reihe. Aus vier verschiedenen Stämpeln gebildet.
a) Der Stämpel Nr. 1. Ist identisch mit dem Stämpel Nr. 1
der ersten Reihe.
0) =2 Stämpel Nr. 3:
Q_yiRILL VS
ETDIONISVS
4. SIRM SIC/
c) = Stämpel Nr. 4. Drei Kaiserbüsten mit Diadem und
Paludamentum zwischen den Buchstaben:
Q 2
Q 2
Q Z
Die mittlere ist die grösste, die rechte etwas kleiner, die linke be-
deutend kleiner als die mittlere.
69
d) = Stämpel Nr. 5. Sirmium auf einem Throne sitzend, in
der rechten einen Palmzweig haltend ; über diesem ein Stern. Unter
der Figur SIRM.
Diese vier Stämpel bilden eine Reihe auf
VII (= Kenner XVI). Ganze Barre, im Pester Museum. Gew.
409 Gr.; 1. 17 Cm., br. IG Cm., h. 07 Cm. Abgebildet auf Tafel III.
3 14 4 5
Von dieser Barre existirt ein galvanoplastischer Abdruck.
VIII (= Kenner XII + XVIII + XIX). Ganze Barre, in
Kronstadt beim Gerichtshof. Gew. ä (= K. XII) 145-06 Gr., h
{= K. XVIII) 12717 Gr., c {-= K. XIX) 13404 Gr.; 1. 17 Cm.
o) h) c)
3 ll 4) 4 5
Die Bruchstücke gehören sicher zusammen, da die Bruchränder
aneinander passen und die Bruchlinien beide Stämpel Nr. 4 durch-
schneiden.
Die Analogie der dritten Reihe zeigt, dass diese Abfolge der
Stämpel in der zweiten Reihe nicht zufällig ist, sondern auf einer
Vorschrift beruht. Und dies bestätigt der Umstand, dass der Kaiser-
stämpel auf Bruchstück h über einen Stämpel Nr. 3 geprägt ist, so
dass noch der rechte Rand des unteren Stämpels hervortritt:
/ S
/^
\0
Der Stämpel Nr. 3 stand also hier an falscher Stelle.
Die dritte Reihe besteht aus drei Stämpeln.
a) = Nr. 1, völlig identisch mit Nr. 1 der beiden anderen
Reihen.
h) = Nr. 4 a. Der Kaiserstämpel in abweichender Form. Drei
Kaiserbüsten mit Diadem und Paludamentum zwischen den Buch-
staben :
2 ö
Z ö
Z O
Die mittlere und rechte sind anscheinend gleich gross, die
linke kleiner.
c) ^ Nr. 5 a. Der Sirmiumstämpel , aber über dem Palm
zweig in der Hand der Stadtgöttin nicht der Stern, sondern das
Christusmonogramm a.
70
IX (^ Kenner XV). Ganze Barre, im Pester Museum.
Gew. 339 Gr.; 1. 16 Cm., br. 1-6 Cm, h. 06 Cm.
1 4a 5a
X (= Tafel II). Ganze Barre, in Wien im Privatbesitz,
Gew. 520-46 Gr.; 1. 16-65 Cm., br. 23 Cm., h. 0-9 Cm.
1 4 a 5 a
Von dieser Barre existirt ein galvanoplastischer Abdruck.
XI (= Kenner XIV). Ganze Barre, im Besitze der Gräfin
Mikes. Gew. 372 Gr.; I. 16'5 Cm., br. 2 Cm., h. 0-9 Cm.
1 1 4a 5a
XII (= Kenner XVII). Verstümmelte Barre, in Kronstadt
beim Gerichtshof. Gew. 524 Gr. ; 1. 13*6 Cm.
1 4a I
Die Bruchfläche rechts ist frisch. Auch die geringe Länge weist
auf die Lostrennung eines Stückes von beträchtlicher Grösse hin.
Es fehlt ohne Zweifel der Stämpel 5 a. Vgl. Barre XIII.
XIII (= Kenner VIII -|- XI [sie]). Verstümmelte Barre, in
Kronstadt beim Gerichtshof.
a (K. VIII) Gew. 134-75 Gr., 1. 5-5 Cm.; b (K. XI) Gew.
100-70 Gr., 1. 4 Cm.
a) b)
l'l I 4al
P'olgende Erwägung sichert die Zusammengehörigkeit beider Frag-
mente. Der Goldwechsler in Kronstadt lieferte die Fragmente von
sechs Barren dem Gerichte ab. Von diesen lassen sich zwei (V
und VIII) vollständig zusammensetzen. Das Stück, welches von
XII abgeschnitten ist, muss, nach der Analogie zu schliessen, den
Stämpel 5 a getragen haben. Dieser findet sich aber auf keinem
der fünf Bruchstücke, welche ich zu den Barren VI und XIII ver-
bunden habe. Wer meint, die Analogie verwerfen zu können, wird
doch keines der Bruchstücke zur Ergänzung der Barre XII ver-
wenden dürfen, da die Flöhe dieser Barre von der Höhe des Bruch-
stückes zu sehr abweicht. Aber auch die Barre IV kann durch
keines dieser fünf Bruchstücke ergänzt werden. Durch Via -f ^
nicht, weil die Barre zu lang würde (24 Cm.), durch VIc und
Xllla nicht, weil beide den Stämpel Nr. 1 tragen. Dieser findet
sich bereits einmal auf Barre IV. Allen Barren der ersten Reihe
ist aber der Stämpel Nr. 1 nur einmal aufgedrückt. Auch XIII 6
71
kann nicht zur Barre IV gehören, da die Kaiserstämpel mit dem
Stämpel Nr. 2 nie verbunden erscheinen.
Die fünf Fragmente müssen andererseits zwei Barren gebildet
haben, weil drei Enden Via + b, VIc, XIII a erhalten sind. Die
beiden ersten (Via -|- h, VIc) tragen den Stämpel Nr. 2, bilden
also eine Barre. Die beiden Bruchstücke XIII o, XIII 6 gehören
demnach zur zweiten Barre , von welcher mindestens das rechte
Ende mit dem Stämpel 5 a fehlt.
Da der Stämpel Nr. 1 in allen drei Reihen identisch ist, so
können diese drei verschiedenen Reihen zeitlich nicht weit von ein-
ander abstehen. Dann dürfte der Kopf rechts von der mittleren
Büste auf beiden Kaiserstämpeln dieselbe Person darstellen. Die
zweite Reihe, wo dieser Kopf kleiner ist, wird demnach älter sein
als die dritte Reihe.
Heidelberg v. DOMASZEWSKI
Aus den vorstehenden Bemerkungen v. Domaszewski's über
die Goldbarren aus dem Podzaer Passe ergeben sieh für die Schluss-
folgerungen in meiner Abhandlung nothwendig manche Modifica-
tionen, welche hier anzudeuten die Redaction dieser Zeitschrift mir
Gelegenheit geboten hat.
Da die Stämpel 3, 4 und 5 (oben S. 6. 7) sich als identisch
herausstellen und mit den Namen Quirillus und Dionisus Stern
und Palme als Wappen verbinden, verringert sich die Zahl der
Combinationen der verschiedenen Stämpel (oben S. 9 ff.) auf drei,
d. i. nach meiner Bezeichnung: 1 mit 2 (1 und 2 Domaszewski),
1 mit 3 (3, 4, 5), 6 und 7 (1 mit 3, 4 und 5 Domaszewski),
endlich 1 mit 6 und 7 (1 mit 4a und öa Domaszewski). Ein
Wechsel des Wappens hat also in der zweiten Combination nicht
stattgefunden, sondern an die Stelle des einen Signators (Flavianus)
mit der Palme, treten zwei Signatores, von denen einer wieder mit
der Palme, der andere gleichzeitig mit dem Sterne zeichnet. Durch
erstere, welche rechts erscheint, also wohl auf den an erster Stelle
genannten Quirillus zu beziehen ist, wird diesem dieselbe Function
wie dem Flavianus zuertheilt; der an zweiter Stelle genannte Dio-
nisus, dessen Wappen der Stern ist, muss als ein zweiter, im
Range nächstfolgender Signator betrachtet werden. Gleichzeitig
erscheint im Ortssiegel allerdings nur der Stern in der Ecke oben,
72
während man zugleich auch die Palme, ja diese an bevorzugter
Stelle erwarten sollte ; doch wird diese Erscheinung aus dem Um-
stände erklärt werden dürfen, dass die Palme in der Hand der
Stadtgöttin von Sirmium schon vorhanden ist und sowohl als ihr
Attribut, als auch zugleich als Amtszeichen des ersten Signators
dienen sollte.
Lehrreich ist die Abänderung an den Kaiserbüsten, welche
in der zweiten Combination alle von verschiedener Grösse sind,
während in der dritten zwei von ihnen gleich gross dargestellt
werden, die dritte zwar etwas kleiner erscheint, doch aber die dritte
Büste der zweiten Combination an Grösse überragt. Man wird
darin ein chronologisches Merkmal erkennen müssen , welches die
zeitliche Folge der Combinationen, wie sie sich aus anderen Grün-
den ergeben hat, bestätigt; die erste Combination ist älter als die
zweite, diese wieder älter als die dritte; alle folgten in verhält-
nismässig kurzer Zeit aufeinander.
Endlich ergibt sich aus Barre VIII (v. Domaszewski) nach
ihrer Reconstruction eine genau bestimmte örtliche Folge der
Stämpel auf den einzelnen Barren, wenigstens zur Zeit der zweiten
und dritten Combination. Zur Zeit der ersten tritt diese Folge
nicht prägnant hervor, indem die Feinhaltsmarke des Lucianus nur
auf zwei Barren (v. Domaszewski Nr. II und am Schluss der ersten
Reihe) in der Mitte zwischen den Stämpeln der Signatores steht,
während sie auf anderen, vielleicht älteren, ganz oder nahezu an's
Ende gerückt ist. Dagegen in den späteren Combinationen wurden
die Stämpel mit den Kaiserbüsten in der Mitte angebracht, neben
ihnen erscheinen zunächst die Feinhaltsmarke auf der einen, das
Ortssiegel auf der anderen Seite; in der zweiten Combination, in
der auch noch die Controlmarke des Quirillus und Dionisus bei-
gegeben ist, wird letztere an das äusserste Ende verwiesen, aber-
mals ein Zeichen, dass man der Feinhaltsmarke ein grösseres An-
sehen einräumte, als den Stämpeln der Signatores.
Andere Modificationen, welche für die Ergebnisse meiner Ab-
handlung von geringerem Belange sind *), übergehe ich. Die wesent-
lichsten Punkte: die chronologische Folge der Combinationen und
das in ihnen erkennbare Bestreben, die Garantie für die Feinhalts-
marke zu steigern, scheinen von ilmen nicht berührt zu werden.
') So das Erscheinen von Punkten nach KL und PRO im Stämpel 2; der
Nachwi is, (l;ms Barre XVII (XII Dom.) nicht ganz, sondern ein Bruchstück ist u. a. ra.
73
Einige Wochen, nachdem die obigen Nachträge von mir ge-
schrieben waren, erwarb Herr Bachofen von Echt, Bürgermeister
von Nussdorf bei Wien , Besitzer einer gewählten Sammlung an-
tiker Münzen, zwei ganze Barren des Podzaer Fundes, welche
v. Domaszewski nicht zu Gesicht gekommen zu sein scheinen.
Der Eigenthümer stellte sie zur Aufnahme in diese Blätter gütig
zur Verfügung. Masse und Gewichte hatte Dr. Franz Studniczka
die Gefälligkeit abzunehmen.
Die eine Barre, 499*86 Gr. schwer, 174 Mm. lang, 23 Mm.
breit, 8 bis 10 Mm. dick, gehört der ältesten Combination der
Stämpel an:
2 2 2 1 s
Ein Beispiel dieser Art ist in den früher bekannt gewordenen
Barren nicht vertreten; doch hat Domaszewski (oben S. 68, unter
VI) drei Bruchstücke so zusammengestellt , dass die auf ihnen er-
haltenen Stämpel der eben genannten Folge entsprechen; unsere
Barre bestätigt die Richtigkeit dieser Zusammenstellung.
Die zweite Barre ist 458 39 Gr. schwer, 161 Mm. lang,
22 Mm. breit, 7 bis 9 Mm. dick. Sie enthält die neue, bisher nicht
bekannte Combination:
6 1 .9
Die Feinhaltsmarke findet sich zwischen zwei Abdrücken des
Kaisersiegels und zwar der jüngeren Art (vgl. S. 72), von welchen
der eine umgekehrt eingestellt ist. Das Amtssiegel von Sirmium
ist fortgelassen. Diese Combination, bisher die jüngste, seheint die
oben ausgesprochene Ansicht zu bestätigen , dass mit dem Auf-
tauchen des Kaisersiegels die Controlmarken der Beamten und des
Amtes überflüssig wurden (vgl. oben S. 14), dagegen zeigt sie, dass
auch das Kaisersiegel auf derselben Barre wiederholt, ja sogar auch
umgekehrt eingeschlagen werden konnte (vgl. oben S. 13).
F. KENNER
74
Zu den amorginischen Staatsschuldlirkunden
In den „Mitth. d. deutsch, arch. Instituts" (XI S. 107 f.) hat
F. Dümmler einen opisthographen Inschriftstein aus Amorgos ver-
öffentlicht, auf dessen von ihm mit B bezeichneter Seite Reste einer
Urkunde erhalten sind, die ihm eine weitere Ergänzung nicht zu
zulassen und von einer „Verwendungsvorschrift für öffentliche Ein-
nahmen oder von einem Pacht vertrage" herzurühren schienen. Ein
kleines Bruchstück desselben Steines soll „von den Herren der
französischen Schule copirt" worden, scheint jedoch bis jetzt noch
nicht veröffentlicht zu sein. Die Betrachtung der von Dümmler
veröffentlichten Reste lehrt nun, dass wir es hier mit einem Frag-
mente jener Urkunden von Staatsschulden der Arkesineer zu thun
haben, welche Kuraanudis im 10. Bande des 'AOnvaiov p. 536 (Nr. 9
und 10), sowie im Bull, de corr. hell VIII p. 23 ff. bekannt ge-
macht hat. Die erste der beiden im Bull, de corr. hell, publicirten
Urkunden ist nahezu vollständig erhalten, die erste der beiden im
*A9rivaiov abgedruckten zwar nur im zweiten Theile, dieser Rest zeigt
jedoch, dass sie mit jener anderen nahezu wörtlich übereinstimmt,
soweit nicht Zahlen und Namen und etwaige besondere Bestim-
mungen in Betracht kommen. Das Dümmler'sche Fragment aber
gehört dem ersten Theile einer solchen Schuldurkunde an und kann
nicht weit vom Anfange gestanden haben, wenn es nicht geradezu
den Anfang bildete. Es liegt also die Möglichkeit vor, dass es
entweder einem dritten Schuldvertrage angehört, der uns entweder
gar nicht oder nur in geringen Resten erhalten ist, oder dass es
einen Theil jener Inschrift des 'AGnvaiov (Nr. 9) bildet, deren zweiter
Theil vorhanden ist. Da jedoch Z. 7 des Dümmler'schen Frag-
mentes an einer Stelle, an welcher nothwendig ein Eigenname ge-
standen haben muss , die Reste ANAPOI erhalten sind, die sich
leicht zu 'AXeSjavbpoq ergänzen, und die angezogene Schuldurkunde
von einem Darlehen eines Alexandros an die Arkesineer handelt,
80 spricht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür,
dass es jener Inschrift angehört.
Die Ergänzung der von Dümmler publicirten Reste ergibt sich
daher mit Leichtigkeit aus der das Darlehen des Praxikles {Bullt
de corr. hell. VIII, 23) behandelnden Urkunde in Verbindung mit
der bekannten Zeilengrösse der Urkunde des Alexandros. Es dürfte
zu lesen sein:
75
'A\]€E[av5poq Toö bdvoc, eöaveicrev rfii ttöXei ifii 'ApKCcr-
ive'uuv] dpT[upi]ou ['AttikoO laXavia buo küi
|uväq] TpidKOVia d[Kivbuvov navTÖc, Kivbuvou im tökuui tet-
rdpuuv] 6[ßoXu)V Trjv )Liv]d[v ^KdcTiriv toO inrivöq CKdcTTOu öaveiff-
5TIJUV eXGövJTuuv 'Ap(K)[€j((T)i[veO(7iv tüjv beivuuv
...0(; K[aT]d [t]ö ii;[ri9icT)ua ö eirre 6 beiva- urreGexo
be 'A\e5]avbpog [xd ije Ko[ivd id rfiq Trö\e(JU(; ärravTa Kai id i'bia
Tujv 'ApJKecTive'uuv küi tOüv oi[KOÜVTUJV ev 'ApKeaivrii uTrdpxovia xp-
rmjaxa [K]al e'YTaia Km uTrepTrövr[m" dTToboicroucriv töv ^ev töko-
10 (v) Ktti' eviauTÖv eKacrrov biubeKa M[vä^ oi tajuiai oi tolc, Tipocr-
öbovq eKKe^ovTec, läq ['Ap]K€(J<i>v[eujv edv be oi laiuiai |uri dn-
o[b]ujcriv, TTpa[KT]oi [ecrT]uu[v oi )uri dTrobövxei; 'AXeHdvbpoii bnrX-
d](Jiov TÖ dpTup<(i>ov [eJK t[üuv ibiuiv rrpdEei irdcrrii KaGdnep lijqp-
XnKÖT€(; eHouX[ri<; ev Tfji eKKXritoii Kai övjec; uTreprijuepoi, Kai )n-
15 r) ecTTuu iiiTÖXoTo[q Tfji TTÖXei toöto tö dpYupiov ei<; tö bdveiov
ktX.
Die Schuldurkunde, welche nach Vorausschickung der Prae-
scripte auf die dargelegte Weise begonnen hat, enthielt dann in
dem verloren gegangenen Theile Bestimmungen, welche denjenigen
analog sind, die uns im Schuldvertrage des PraxikJes Z. 15 bis 24
erhalten sind, und hieran schloss sich der erhaltene Theil, welcher
von Curt Wachsmuth, Rhein. Mus. XL S. 292 f., restituirt worden ist.
Zu rechtfertigen habe ich zunächst meine Ergänzung des von
Alexandros den Arkesineern dargeliehenen Capitales, sowie des
Zinsfusses. Das Darlehen des Praxikles wurde zu 10 Procent ver-
zinst und betrug 3 Talente; ein zweites Darlehen einiger Bürger
von Astypalaea an Arkesine sollte zu S'/e Procent verzinst werden
(vgl. meine Darlegung Wr. Stud. VIII S. 33). Für die Schuld an
Alexandros war also von vorneherein ein Zinsfuss von acht bis
zehn Procent wahrscheinlich. Nun geht aber aus Z. 10 unserer
Inschrift hervor, dass die jährlich an Alexandros zu zahlenden In-
teressen 12 Minen betragen haben (erhalten ist AQAEKAfV), was
zu 10 Procent gerechnet ein Capital von 2 Talenten gäbe. Aus
Z. 4 ergibt sich aber, dass die dargeliehene Summe in Worten
ausgedrückt war, welche mit ipidKOVia schlössen. Als das Wahr-
scheinlichste ergibt sich mithin eine Summe von 2 Talenten und
30 Minen , welche zu 8 Procent verzinst genau ein jährliches Er-
trägniss von 12 Minen geben. Man könnte einwenden, dass das
Wort vor ipidKOvra in Z. 3 nicht |uvd<g , sondern bpaxjud«; gelautet
76
und vor diesem eine Anzahl von Talenten und Minen gestanden
habe; damit würde die von mir Z. 2 gelassene Lücke ausgefüllt
werden können, wenn man sich etwa zur LesuDg: dpT[upi]ou ['Atti-
Koö xdXavTa buo , }.iväc, TpidKOVia, || bpaxiudq] TpidKOVia entschlösse.
Man hätte dann einen Zinsfuss, der um einen geringen Bruchtheil
unter 8 Procent bliebe, oder wenn man etwa eine kleinere Summe
als 30 bei der Anzahl von Minen einstellte, um einen geringen
Bruchtheil über 8 Procent käme. Ich habe dies unterlassen, weil
ich es für wahrscheinlicher hielt, dass die Procente in ganzen
Zahlen vereinbart wurden. Dass aber Alexandres sich mit einem
— freilich nicht um Vieles — geringeren Zinsfuss begnügte als
Praxikles, wird durch eine andere Bestimmung wett gemacht. In
dem Falle nämlich, als die Zinsen nicht rechtzeitig bezahlt werden
sollten, tritt nach unserem Vertrage die Verpflichtung zur Zahlung
des Doppelten ein (Z. 13), während im Vertrage mit Praxikles
(Z. 12) für diesen Fall nur das Anderthalbfache in Aussicht ge-
nommen ist. Öo sind denn also die Bedingungen des Alexandres
nicht wesentlich günstigere als die des Praxikles, und ich finde
daher auch angesichts dieses neuen Bruchstückes keinen Grund,
von meiner Wr. Stud. VIII S. 12 f. gegen Wachsmuth , Rh. Mus.
XL S. 295, ausgesprochenen Meinung, dass Alexandros ein aus-
ländischer Gläubiger gewesen ist, zurückzutreten. Vielmehr glaube
ich, dass in dem längst bekannten Theile der Urkunde des Ale-
xandros (Z. 13 bei Wachsmuth S. 293) die für den Fall der Pfän-
dungsverhinderung gegen den Verhindernden zu verhängende Geld-
busse höher anzusetzen ist, als man annimmt. Im Vertrage mit
Praxikles beträgt dieselbe 1 Talent (Z. 36), während die ganze
Schuld 3 Talente beträgt. Hier wird dagegen gelesen bpaxfidq
A[A]A. Es ist klar, dass durch eine so geringfügige Busse einer
solchen Widersetzlichkeit nicht hinreichend vorgebeugt sein kann,
und ich möchte daher trotz dem Umstände, dass der Stein von
einem so ausgezeichneten Epigraphiker, wie Prof. Kumanudis es ist,
abgeschrieben wurde, im Hinblick auf die starke Zerstörung des-
selben zu lesen vorschlagen: X(X|X, was nach der Analogie des
anderen Vertrages als angemessene Busse erscheinen mag.
Z. 3. d[Kivbuvov TtavTo^ Kivbuvou] statt -naQoc, habe ich nach
Ourt Wachsmuth eingefügt.
Z. 5. Wenn wirklich 'ApKeffiveOmv zu lesen ist an der Stelle,
an welcher der andere Vertrag bimoaiai bietet, so wird damit
77
Wachsmuth's Auseinandersetzung über die öaveicriai a. a. O. S. 294
bestätigt.
Z. 8. In dem analogen Passus der Urkunde des Praxikles
(Z. 9) hatte Waclismuth UTTdpx[ovTa] gegen Kumanudis' uirdpxfeiv]
hergestellt. Hier erfordern die Raumverhältnisse und die erhaltenen
Reste noch die Einfügung von xphm]"''''^? wodurch auch UTrdpxovTa
gestützt wird.
Wien, 1888 EMIL SZANTO
Eine Inschrift aus Lagina
Unter den Inschriften aus Lagina, welche die Herren Charles
Diehl und Georges Cousin im Jahrgänge 1887 des Bull, de corr.
hell, veröffentlichten, erregt n. 70 (p, 160) besonderes Interesse.
Die monotone Form der Priesterlisten ist hier durch ein Gedicht
ersetzt, das schon um seiner Diction willen Beachtung verdient.
Die Inschrift ist auf einem 1'42 m. breiten, 0'61 m. hohen, 0'45 m.
dicken Marmorquader eingegraben , der den Ruinen des Hekate-
tempels angehört. Rechts von dem Epigramm sind auf demselben
Steine noch mehrere grössere Buchstaben von einer zweiten In-
schrift ersichtlich. Die Inschriftfläche war mit Kalk überzogen
und wurde erst unter Anwendung von Säuren einigermassen lesbar.
In der französischen Veröffentlichung sind Abschriften der
beiden Herausgeber mit einer ihnen übergebenen Abschrift Benn-
dorfs verbunden worden, ohne diese Quellen zu scheiden. Zu der
Lesung Benndorfs:
ZHSIEPH^ AIAIMOENTinOGni
OYrAPMOinAOYTOIOMErAN0EOZAM*IMEMYKEN
AnMAnEPI2TIAnNAIZAAMnOMENON2TAMI2 1N
. AEHPCOYIWI NTEA^.NTOXON-/ _ONAPEIH
5 EYXEBIHNIEPHNEZTEAOZEIPrAXATO
nANTAAEZEIO0Yn.PO2OZONZ0ENO2:AXPNE22I
EAAAXENEMMENEnZOiWnNIAKYAAAIMH
KAITEZOIAPHTEIPANEMHNAAOXONMETE0HKA
/.0ZXI0NEHA2IH2KrEN02E2TI<t>IA0N
10 KAnAIANHNAEniOIKAHAOYXONHAIAEPATElNHN
78
KAHIA02PAAINAI2:XEP2INE<t>AnT01WENHN
OnnOlAAENAAITHZIKAlEIAAniNHllNEPEEA
OIAEnATPHSrAYKEPHSnOAAAKIMAPTYPIH
" . .'iOAEPE . . T/vMOI ZOENOZnnAZENOIAAinEPN-lS
15 2EKAIT AAIMONAVIA OH IHN
crfjc; iepfi(; [leXeTfic; qpjaibijudevii ttoBlu.
ou Yap MOi ttXoutoio }Jie-(avQ4.oc, d)nqpi)ue)uuKev
baijua TT€pi aTi\TrvaT(; XajuTTOjuevov ojajjLiaiv.
. hk TTpo9u|ui[r|] Te\e[eT]v töctov, [öaajov ap' ev],
5 eOaeßiriv kprjv iq xeXoq eip-fdcraTo*
TrdvTa be aeio 6uujpö(;, öcrov oQivoc, äxtiveaaiv,
^'XXaxev eiajaeveuuq, "Ojarrvia KubaXijuri •
Ktti le (Joi dpriteipav ejuriv dXoxov |ueTe9riKa
Mjöüxiov, eE 'Aairi«; f\ y4.voq eaii qpiXov sie
10 KXujbiavriv b' im öi KXriboöxov Tiaib' epaieivriv sie
KXri'iboq ^abivai^ x^pö^lv eqpaTTiOjuevJiv '
OTrTTÖaa b' ev baiiricyi Km eiXaTrivJicriv epeSa, sie
oibe TrdTpTi<; T^uKepf]^ iroXXdKi jaapTupir).
TrdvTtt] b* epe[Ha], id |uoi aQevoq ujTracrev, oia Xirrepvnq
ergab ein weiteres tjtudium des Abklatsches die folgenden Ergän-
zungen :
Ueber der ersten Zeile die Reste einzelner Buchstaben:
A Z A 2
2HXIEPH1 * A lAIMOENTinoeni
Das Adjectlvum ixe'^avBioc, in Z. 2, sonst allerdings nicht belegbar,
ist zweifellos. Z. 4 glaube ich npooYMiiiTEAr -ntozon-z-onapeih zu
lesen, doch ist der Raum zwischen i und tea beschädigt. Z. 6
steht am Schlüsse axhnezzin. Z. 8 ist erhalten mei e©hka, woraus
sich juev ^9r|Ka ergibt. Z. 9 ist mo2 sicher. Z. 11 bietet der Ab-
klatsch PAAiNiiii;. Z. 14 kann man vor dem ae noch ta erkennen,
wodurch die Ergänzung Trdvjia bestätigt wird. Z. 15 flf. sind fol-
gende Reste ersichtlich:
Z. 15 . . .MAZ EKAIT. . . .AAIMON A. . .OniHN
16 ....KAIPOIO...O...TE
17 : A A El
Der Gedankengang des Epigramms scheint folgender zu sein :
„Ich bin nicht reich, doch der gute Wille (Z. 4 r\] be 7Tpo9ujnir|),
79
so viel zu leisten, als dem eigenen Wunsche entspi-cäche, hat mir
in der Bekleidung meines Priesteramtes durchgeholfen. Fürs erste
hat Dein Altar, herrliche Ompnia, alles empfangen, was ein
Armer zu bieten vermag; sodann habe ich meine Familie Deinem
Dienste geweiht: die Gattin Moschion als Priesterin, die Tochter
Klodiane als Schlüsselträgerin; endlich habe ich es an Opfer-
schmäusen für die Stadt nicht fehlen lassen. Alles habe ich somit
gethan, soweit meine Kräfte reichten."
Wie hier sehen wir auch in anderen Inschriften aus Lagina
die Betheiligurjg der Frau und Tochter an dem Dienste der Hekate
und die Schmause erwähnt, die der Priester der Göttin seinen Mit-
bürgern auszurichten pflegte (cf. Bull. d. corr. hell. 1887 p. 34 ff.).
Die an Wiederholungen leidende, überschwängliche Sprache
des Epigramms zeigt Berührungen mit dem epischen Dialekte und
Sprachschatze, so die formelhafte Verbindung in Z. 12, die an
II. 10, 217 erinnert: aiei b' ev bairriai Km eiXaTTivrim Trapeaiai. 'A|u-
qpijueiuuKev (Z. 2) findet sich sonst nur Od. 10, 227; bdirebov b' änav
d|U(pi)uejUUKev. Zu V. 11 vergl. Theogn. v. 6 (ed. Ziegl.) cpoiviKot^ pa.h\vr\<;
Xepalv ecpav|;ajuevr|. Neu ist als Epitheton Hekates "Ojunvia, welches
bisher in der Verbindung mit Demeter (schol. Nie. AI. 7: öjuqpaXöi;
■fdp diTÖ Tfiq öjuTTvri<; eipriiai, ö ecrii Tpoqpri, dqp' ou Kai )] Ar||unT»ip
'OjUTTVi'a) und Nymphen (C. I. G. 454 NujuqpaK; 6juTTv[iai(j] ) bekannt
war. Zur Messung "Ojinvia vgl. Kaibel, epigr. Gr. 1046, 56.
Die zweite Inschrift gehört einer späteren Zeit an (c):
EOYEnANn
ENOE
MENinnONTOY
OY
Es sind Reste von Priesternamen, da Z. 1 EOANri wahrschein-
lich zu e7TavYe[iXdju€V0^] zu ergänzen ist.
E. HULA
80
Inschriften aus Oeclenburg (Scarabantia)
Herr Victor Rccsey, derzeit bischöflicher Bibliothekar in Kis-
Czell, früher Professor am königl. Gymnasium der Stadt Oeden-
burg, deren römische Alterthümer er der Aufmerksamkeit seiner
Landsleute auch durch ein im Vorjahre erschienenes gemeinfass-
liches Buch*) empfohlen hat, hat mit dankenswerther Gefälligkeit
der Redaction dieser Zeitschrift ausführliche Mittheilungen über vier
Inschriften, von denen nur eine bisher Nichtungarn zugänglich ge-
macht worden war**), zur Verwerthung zugesendet und nachträg-
lich wiederholt weitere Nachrichten und Aufklärungen mir zukommen
lassen. Da dieselben jedoch nicht überall zureichten und Herr
Recsey, der Ende September Oedenburg mit seinem neuen Berufs-
orte vertauschen musste, nicht mehr in der Lage war, mir Ab-
klatsche oder Durchreibungen der einzelnen Stücke zu besorgen,
sah ich mich gezwungen , selbst die fraglichen Steine aufzusuchen
und was noch in Zweifel geblieben war zu lösen.
Gegenwärtig sind zwei öffentliche Sammlungen in Oedenburg,
das im Vorjahre gegründete Comitatsmuseum, das ausserhalb der
Stadt im Comitatsgebäude (ehemaligen Troviantshause'), unterge-
bracht ist, und das städtische Museum im Gebäude des Stadt-
archivs. Die Privatsammlung des königl. Käthes Herrn Ivan Paür
war mir, da er sehr krank war und niemand ihn sprechen durfte,
nicht zugänglich. Eine, wie ich höre, an Vasen, Terracotten,
Ziegeln u. ä. reichhaltige Sammlung des akad. Malers Herrn Storno
konnte ich , da die Zeit meines Aufenthaltes nicht hiefür reichte,
nicht mehr aufsuchen.
Das Comitats-Museum, dessen beide Custoden ich leider
nicht antraf, nimmt drei Zimmer des ersten Stockwerkes des oben
erwähnten Hauses in Anspruch ; ein Theil der Inschriftsteine ist
überdies im Garten aufgestellt, unter ihnen folgende von Herrn
Recsey angezeigte:
Ära aus Kalkstein, 'vom Margarethnerbruche', 0*88 X 0'59 X 0*37,
Inschriftfeld Oöl X O'ÖO. In den Buchstaben rothe Farbspuren.
Gefunden August 1886 in S6rcz (Gschiess) auf dem Felde des Joh-
Mathonszky , von Pfarrer Marcus Blazovits für das Museum er-
') kSopron ükori neve es a supromegyei iVimai feliratok ('Sopron' 1857, 80 S.).
^) A. E. M. 11, 71.
81
werben. Herausgegeben von Recsey, 'Sopron' S. 66 n. 13 und im
'Jahresberichte des arch. Vereines f. d. Oedenb. Comitat' 1887, 57;
von Bella im 'Arch. Ertesitö' 1888, 234. — Eine ganz gleiche Ära
ward 1885 ebendaselbst gefunden, aber zu einem Grabstein verar-
beitet; ihre Inschrift '^) wird (unter b) aus einer dem Herrn Director
Kenner zugesendeten und von diesem freundlichst der Redaction
überlassenen Copie unverändert mitgetheilt.
a) HERCVLI h) volkano
SAG S A C R
M V L P I V S MVLPIVS
K ALENDIVS KALENDIV
5 VSLM 5V-S-L-M
a) Z. 3 hinter m stand vielleicht früher ein Punkt.
Ferner befinden sich daselbst C. I. L. HI, 4255 (die Ornamen-
tik des grossen Steines — 1-63 X 0-69 X 0-16 — und die beiden
Protomae im Felde oberhalb der Inschrift sind nicht berücksichtigt
worden; in Z. 5 cvlcivs, Z. 8 cvlci, Z. 10 posverykt), 4251 (ca.
2-50 X 0-85 X 0-25; oberhalb der Inschrift in halbkreisförmiger
Nische ein Pfau, Z. 4 hs e, Z. 11 iosvIt), 4254 (Z. 7 thatsächlich:
cosnpRocos), A. E. M. 11,71^) und endlich die linke untere Ecke
eines Cippus (oder einer Ära) aus bröcklichem Sandstein mit den
Resten (Inschriftfeld 0-19 X 0-10):
V I p Vom ersten p nur die gerade Hasta sicher.
Im oberen Stockwerke sind
1. Grabstein aus bestem Sandstein, gef. Mai 1886 in Szdraz-
väm (Mühlendorf), von Prof. Bella für das Museum erworben.
Herausgegeben von Bella in 'Arch. Ertesitö' 1888, 233 und von
Posvek in Recsey's 'Sopron' S. 73 n. 26. — 0-31 X 0*34 X 0-09.
'^) Näheres über diese zugleich mit rüm. Münzen 'von einem Gschiesser
Bewohner bei Anlage eines neuen Weingartens gegen Donnerskirchen zu gefun-
denen' Inschrifttafeln verdanke ich Herrn Arzt Dr. J. Wache in Mannersdorf a. L.
Die Zuverlässigkeit der Copie von b beurtheilt man am besten nach der entspre-
chenden Abschrift von a: HERCVI-I | SACR | M VLPIVS | KALENDIV ] V-S-L-M-
') Die Maasse derselben sind folgende: 0-84 X 048 X 0145, Inschriftfeld
0-60 X 034. In Z. 2 ist S kleiner, in Z. 5 das letzte T grösser als die übrigen
Buchstaben.
Archäologisch-epigiaphisehe Mittli. XIF. fi
82
Ko-ettf
D ■ M
VALLAVNO- DA/
hORIGlSEAV IX
VsECVNDINAV
Z. 3 entweder an oder Ligatur von ann. — Z. 4 Anfang s?
oder CG? oder t, f, e? — Z, 5 statt f scheint (das zweite) e, wohl
in Folge einer Beschädigung, zu stehen. — Z. 5 Anfang: i oder v
oder N?, Ende a?
d{is) m{anibus) Vallauno Dagorigis [f{iUo)\ ann{oi'um) IX ...
/Seeundina . . . .nae (Reste des Vatersnamens?) f{iUa) viva [fecit sibi
et . . .] ? oder et Secundinae, . . . .uae f{iUae) viva[e . . .].
2. Lampen: faor (C. 3, 6008, 20), fortis (dreimal, n. 25)
CDESSi und c-DESsi (n. 18), cresci, (n. 15), cannei?, nwioo
3. Ziegelstempel, beim Neubau der Ursulinerschule 1884 ge-
funden: leg-i-adpf (C. 3, 4655), leg i , mJngp (ist am Anfange nicht
gut zu lesen, := C. 4695 ^>), iwap (nicht wie C. 4695 cZ steht), \r»N (ab-
gescheuert, wohl mit dem vorigen identisch.
3. Stempel eines Terracottagefässes: floridvs, endlich der A.
E. M. 11, 72 beschriebene Ziegel.
Im städtischen Museum , dessen Benützung mir der Archivar,
Herr Ignaz Leidenfrost, in zuvorkommender Weise ermöglichte,
sind die Inschriftsteine, die Sculpturen und einige Ziegelscherben
und Knochenreste aus (röm.?) Gräbern zumeist in zwei Hofge-
wölben aufbewahrt, deren Anblick übrigens wenig erfreulich ist.
In dem ersten Gewölbe sah ich
1. Eine von Herrn Recsey angezeigte Platte, 1'41 X066X0'23;
gef. Mai 1888 bei Abbruch des alten Gebäudes des katholischen
Convents*) in Oedenburg, vis-a-vis der heil. Geistkirche. Es befand
sich in der Höhe des ersten Stockwerkes, die Inschriftseite nach
*) Die in einem der ans dem Abbruche gezogenen Balken eingeritzte Zahl
16.32 bestimmt, wie Herr R6csey bemerkt, die Entstehungszeit des Gebäudes, be-
ziehentlich die Zeit der Einmauerung der Inschrift.
83
unten gekehrt; der aus der Mauer hervorragende r. Rand war ab-
geschlagen worden. Herausgegeben von R^csey, 'Pesti Naplo' 1888
n. 167; Pruzsinszky, 'Oedenburger Zeitung' 1888 n. 119; Bella im
'Arch. Ertesitö' 1888, 235. Die Inschrift (0-96 X 0-58) befindet
sich in einem Feld, das von einer breiten (010) oberen und einer
1. (0"08) Seitenleiste (die r. ist wie gesagt verloren) umrahmt ist.
Darüber die Brustbilder 1. eines Mädchens, rechts das grössere
einer Frau, beide mit einer Halskette geziert:
ATEBLA • L ■
ATTIENI • RVFI->
LIB • AN-XLV- H- S- E
S CA RBANTILLA
5 L-ATTIENI-SER-AN-VI
H S E
fIlI- et- fIli A E
posvervnt
Z. 1 Ende. Den Punkt habe ich nur aus dem Abklatsche
notirt. Z. 2 zu Ende dürfte 7, nicht x gestanden haben, und dann
doch wohl gleich centurionis.
2. C. I. L. 3, 4234 und 4243 (zu Anfang von Z. 1. 5. 6 Punkte,
wie überall in dieser Inschrift, Z. 9 ausgenommen, dreieckig; Z. 7
PRISTINAM, Z. 8 RESTITV).
3. Ziegel mit (vor dem Brennen) eingeritzten cursiven Buch-
staben (hart am Rande), die ich lesen möchte: 'mbe, vielleicht auf
anderen Ziegeln fortgesetzt.
Im zweiten Gewölbe fand ich :
1. Zwei zusammengehörige Bruchstücke aus ganz feinem bröck-
lichem Sandstein, über deren Herkunft weder der Archivar noch der
Diener mir Näheres mittheilen konnte, a) 1-16 X 0'20 X 0'055,
b) 0-11 X 0-08 X 0-055.
• i>j"roTUVLp5(?)
'^">ixxx'J^»e6w» (?)
Herr Recsey schickte mir nachträglich hierüber folgende, ihm
zugekommene Notiz: Am 13. October d. J. sei man bei den Vor-
arbeiten zu einem neuen Hausbau in Oedenburg unter anderem auf
einen römischen, 'aus Steinplatten des Margitaner Nulliporengebildes
gebauten Sarkophag gestossen' (l'öO lang, innen 045 breit, O'oO tief),
derselbe habe das Skelett eines jugendlichen weiblichen Wesens
84
von 1'46 Länge^ enthalten, ferner 'zwei Ohrringe aus Bronze mit
Gehänge aus echten Perlen' und einer aus Glas- und Obsidian-
perlen' bestehenden Halskette, zwei Armringe aus Bronze und ein
Korallenstück. 'Auf dem Deckstücke ist das Basrelief eines Brust-
bildes zu sehen. Unter den Mauersteinen fand man das Bruch-
stück eines Grabsteines mit folgender Inschrift :
PVBL ROC
(aNN) XXX
Vgl. Oedenburger Zeitung 1888 Nr. 243.'
2. C. I. L. 3, 4237 = A. E. M. 11, 82 (1-37 X 0*99 X 0-22).
Ueber dem Inschriftfelde (0-82 X 039): Mithras mit Stier, Schlange,
Scorpion, r. der Genius mit der erhobenen, 1. der mit der ge-
senkten Fackel , oberhalb der ersteren das Brustbild der Luna ;
in Z. 1 und 2 sind die Buchstaben durch auffallend weite Zwischen-
räume getrennt; Z. 2 mitres- — 4242 schrieb ich (bei Kerzenbe-
leuchtung) so ab :
SIL V ANo
'" A • V G • "
-M MAPPIAN\S -^
j. VR S^'" VS VC< ^
" 7LEG■^ T-p-F ~
Z. 3 Ligatur von vs; Z. 4 Ligatur von vcr? Eine Förderung
der Lesung ist unter besseren Umständen nicht ausgeschlossen.
Die Figuren an den beiden Seiten konnte ich wegen der
schweren nebenstehenden Steine nicht untersuchen; doch sah ich,
dass die 1. jedesfalls nicht richtig beschrieben sei. — 4236 = A. E.
M. 11, 82 (Ära) Z. 4 karn — 4235 (A. E. M. 11, 82). — 4247 (das
exemplum novicium Z. 2 in. g^, Z. 4 xxi). — 4238 = A. E. M. 11, 82.
— 4239 (= A. E. M. 11, 82). Z. 4 xüh/Z/an, Z. 5 vs- l-m.
Von Ziegeln fand ich hier die auch" im Comitats-Museum ver-
tretenen Stempel wiToA'gp und iwaF (C. 4695k'c/).
Schliesslich bemerkt mir Herr Recsey, ist der Legionsstempel
i.eg-xg-f-f (C. 4659) jetzt auch in Oedenburg gefunden worden,
und finden sich hier die Gefässstempel phoetaspi (C. 6008, 45) und
EVCARPI.
') So auch das Original.
3. November 1888 WILH. KUBITSCHEK
Studien zur griechischen Malergeschichte
II
Die helladische und asiatische Schule
In der stattlichen Liste der Erfinder der Malerei haben wir
auch Saurias von Samos aufgezählt gefunden. Von seinem Pferde-
bilde vermochten wir freilich nicht mehr zu sagen, als dass es
seine Entstehung der Erklärung des Wortes ZiujYpaqpia zu danken
haben möchte. Aber die Localisirung der Erfindung der Malerei
zu Samos wäre doch undenkbar, wenn dort nicht in der That eine
alte Malerschule vorhanden gewesen wäre und sichere Spuren ihres
Daseins hinterlassen hätte. Ist es doch von vornherein sehr wenig
wahrscheinlich, dass gerade in dem Mittelpunkte der altionischen
Kunst, in der Heimat des grossen Theodoros, die Malerei in dem
Reigen ihrer Schwestern gefehlt habe, zumal ihre Existenz auf
kleinasiatischem Boden durch die Sarkophage aus Klazomenä und
ihr hoher künstlerischer Werth durch die chalkidischen Vasen er-
wiesen wird'). Hat sich unsere Voraussetzung vom ursprünglichen
Zusammenwirken und Wachsen der bildenden Künste für das Cen-
trum der altdorischen Kunst vollauf bewährt, so muss sie sich ihre
Geltung auch hier erkämpfen.
Die Möglichkeit einer „Berühmtheit altsamischer Malerei, welche
dem Ruhme der samischen Erzbildnerei entspräche", hat bereits
*) Die Erforsclmng der kleinasiatischen Vasenfabriken ist noch eine Auf-
gabe der Zukunft. Zu Dümmlers schöner Entdeckung, dass die bisher falsch Ari-
stonophos gelesene Inschrift des ältesten Vasenmalers 'Apiaroiv 6 9a)(io)(; lautet,
möchte ich noch an den 9010$ Meistersignaturen 214 erinnern. Vergleiche jedoch
auch Wiener Vorlegeblätter 1888, Text zu Taf. I 8. Für Erythrai liegt ein, so
viel ich sehe, bisher nicht beachtetes Zeugniss des Plinius 35, 161 vor: Erythris
in templo hodieque ostenduntur ampkorae duae propter tenuitatem consecratae discipuli
magistrique certamine, uter tenuiorem humum duceret. — Erst nach Schluss dieser
Arbeit ist mir Dümmlers Aufsatz Rom. Mitth. III S. 159 „Vasenscherben aus
Kyme in Aeolis" zugekommen.
ArchäoIogischTepigraphische Mitth. XU. 7
86
Brunn in seiner Künstlergeschichte II S. 6 und 55 erwogen, aber
wegen Mangels an Nachrichten nicht weiter erörtert. Daran war
wohl zunächst die falsche Datirung des Kalliphon von Samos Schuld,'
den er damals früh genug anzusetzen glaubte, wenn er ihn mit
Polygnot in Verbindung brachte, während es nach dem dermaligen
Stande der Wissenschaft gar nicht zweifelhaft sein kann, dass er
weit älter ist. Pausanias erwähnt zweimal beiläufig seines Bildes
im Artemision zu Ephesos, welches die homerische Epinausimachie
vorstellte; das erstemal in der Beschreibung der Kypsele, wo er
für die "EpK; aiaxicriri xö elhoq daher eine gleiche Missgestalt ent-
lehnt; das zweitemal citirt er als Belegstück für eine alte Panzer-
varietät auf dem polygnotischen Iliupersisbilde die Rüstung des
Patroklos hier, dem Frauen seinen Panzer anlegen'^). Für die
kunstgeschichtliche Stellung des Kalliphon ist die erstere Erwähnung
die entscheidende, und darnach mag er in die Zeit des Philaios,
Telekles und Bathykles anzusetzen sein. Die Erwähnung der
Rüstungsscene beweist, wie schon Brunn sah, für den epischen Ton
des Bildes, aber weit eher als an die Lesche der Knidier zu Delphi
werden wir uns hier an die chalkidischen Vasen Mon. I 51 oder
Gerhard A. V. 322 erinnern.
Das zweite berühmte altsamische Gemälde ist das von Herodot
IV, 88 erwähnte Votivbild des Mandrokles im samischen Heraion,
der es von dem ihm für die Ueberbrückung des Bosporus zu Theil
gewordenen Ehrensolde als |liv»i|uÖ(Juvov axebin^, wie das Epigramm
angab, gestiftet hatte. Es stellte nach Herodot TTCtcTav inv ZieOEiv
ToO BodTTÖpou Ktti ßaaiXe'a le AapeTov ev Trpoebpiri KaTrmevov Kai töv
(JTpaTov aÜToO biaßai'vovia vor. Den Meister des Bildes kennen wir
nicht; Overbeck's Irrthum, der in seinen Schriftquellen Nr. 611
Mandrokles auch für den Maler des Bildes nahm, hat Förster be-
richtigt"''), doch ist es genauer datirbar, als solche Bilder insgemein
zu sein pflegen , da das Datum der Ueberbrückung zwischen 516
und 514 fällt. Es der samischen Schule abzusprechen, dazu liegt
kein Grund vor, und ich habe bereits an anderer Stelle darauf
hingewiesen , dass seine Entstehung besonders verständlich wird,
wenn man Analogien der samischen Kunstpraxis herbeizieht*). Noch
aus der Inhaltsangabe Herodots lässt es sich herausfühlen, dass
') Paus. V, 19, 1, X, 2G, 6 = Overb. Schriftqu. G12 u. 613.
') Arch. Zeit, 1875 S. 99.
*) Arch.-epigr. Mitth. aus Oesterreich IX S. 181.
87
auch in diesem Werke die epische Kraft der altionischen Kunst zu
Tage getreten sei.
Die Liste der samischen Maler glaube ich nun mit einem
Namen vermehren zu können. Es ist der nur aus Athenaios^) be-
kannte Sillax von Rhegion. Polemon hatte im dritten Buche r^pöc,
'AbaTov Ktti 'AvTiTOVOv sein Bild in der Stoa Polemarcheios zu Phlius
ausführlich behandelt. Dass Epicharmos und Simonides des Meisters
Erwähnung -thaten , weiss Athenaios sicherlich gleichfalls nur von
Polemon , darin liegt aber ein ganz besonderes Zeugniss für die
Bedeutung des Mannes, und damit wird auch zugleich seine Chro-
nologie fest bestimmt. Er ist ein Zeitgenosse der Rheginer Klearchos
und Pythagoras gewesen, die bekanntlich beide Samier waren, und
wird wohl auch kaum anders Rheginer geworden sein, als diese
beiden. Weil ich nun den Namen des Pythagoras von Samos er-
wähne, will ich doch gleich daran erinnern, dass ihn Plinius als
inüio pictor bezeichnet. Worauf diese Angabe beruht, wissen wir
leider nicht, das einzige Bild, das wir von einem Pythagoras kennen,
sind die Chariten des Pariers.
Die Reihe schliesst Agatharchos, Eudemos Sohn. Die Angabe
des Vaternamens bei Harpokration und Suidas lässt die Notiz des
Olympiodor in den Scholien jzu Piatons Phaidou, die Agatharchos
unter den Autodidakten aufzählt, noch weniger glaubhaft erscheinen,
als sie sonst wäre, und die Möglichkeit der entgegengesetzten Annahme
betont der Eudemos aus der Branchidenstrasse bei Milet®) noch
stärker. Leicht mochte der Meister einer späteren Zeit, die von
einer samischen Malerschule keine Kunde mehr hatte, vereinzelt
erscheinen. Die professionelle Kunstschriftstellerei scheint von ihm
nicht viel Notiz genommen zu haben. Weder Plinius noch Pausanias
erwähnen seiner und Vitruv nennt ihn zwar, aber nicht als Maler.
Wir kennen keines seiner Bilder auch nur dem Vorwurfe nach und
können das scharfe Urtheil, das die Anekdote, die ihn mit Zeuxis
zusammenführt, enthält, nicht weiter prüfen. In weiteren Kreisen
war sein Name durch einen tollen Jugendstreich des Alkibiades
bekannt, der unseren Äleister als vielbeschäftigten Modedecorateur
zeigt und zugleich die Zeit seiner Wirksamkeit bis mindestens
Ol. 88 herabdatirt. Anderseits reicht er in die Zeit des
Aischylos hinauf, denn Vitruv berichtet von ihm VII praef. 11:
6) V p. 210 B = Overb. Schriftqu. 617.
') Löwy, Inschr, gr. Bildh. Nr. 3.
7*
namqiie primum Agatharchus Athenis Aeschylo docente tragoediam
scaenam fecit et de ea commentarium reliquit. Auf Grund dieser Nach-
richt hat man Agatharchos zum Erfinder der Skenographie gemacht
und ihm ein Streben nach malerischer IHusion beigelegt, das ihn
als Vorläufer ApoUodors erscheinen Hess. Damit stimmt freilich
der Bericht des Aristoteles Poet. 4 schlecht, dass Sophokles die
Skenographie erfunden habe, und ebensowenig, was uns über Apol-
lodor erzählt wird, und bereits Otfried Müller hat es versucht,
zwischen diesen Nachrichten zu vermitteln; aber erst jetzt, nachdem
Dörpfelds glänzende Entdeckung uns die Geschichte des hellenischen
Theaters klar gelegt hat, sind wir in der Lage, die vitruvischen
Worte richtiger zu verstehen. Das scaenam fecit hat wohl mit der
Skenographie nichts zu thun, sondern bezieht sich auf die erste
jener Neuerungen, die aus dem alten Tanzplatz das Theater schufen,
auf die Errichtung des Bühnengebäudes, der OKr[VY]. Im Zusammen-
hange damit mag auch eine Verbesserung des Theatermaschinerie-
wesens stehen *J, jedesfalls erklärt es sich so überraschend einfach,
wie Agatharchos in Vitruvs Credo kam. Vitruv selbst hat natür-
lich die citirte Schrift nicht in der Hand gehabt und sich seinen
Vorstellungen vom griechischen Theater nach auch nicht gut etwas
anderes dabei denken können, als dass sie Lehrsätze über Per-
spective enthalten müsse. Aber nur was er excerpirte, nicht was
er vermuthete, hat für uns Zeugnisskraft.
Damit ist nun unsere Kunde von der altsamischen Maler-
schule zu Ende. Schon Agatharchos gehört Samos kaum mehr als
Sillax an, und demnach scheint es, dass sie die samische Plastik
nicht überlebt habe. Eine Localschule mag immerhin ihr unbe-
achtetes Dasein weiter gefristet und vom Ruhme der Ahnen gezehrt
haben, darauf weist ein neuer Theodoros von Samos, der bei Plinius
mit einem ebenso unbekannten Stadieus zusammen als Schüler eines
sonst nirgends genannten Nikosthenes erwähnt wird, aber noch ein-
mal zu Beginn der Diadochenzeit tritt ein samischer Künstler,
Theon, in den kleinen Kreis der Grossmeister hellenischer Kunst®).
') U. V. Wilamowitz, Hermes XXI S. 5ü7. Zu dem kühneu Ausspruche daselbst
H. 606 Anm. 1 : „Eine Schrift des Agatharchos wird man im Ernste wohl so wenig
ghiuben, wie die grosse Anzahl architektonischer Monographien aus ältester Zeit,
von denen Vitruv redet", vergl. meine Eriirternngen in dieser Zeitschrift IX
*) Mit Recht ist die von Brunn zuerst erkannte Identität Theons mit Theoros
hei Plinius So, 138 allgemein angenommen worden, docli glaube ich es Robert
89
Soweit, wie gesagt, die Trümmer der Ueberlieferung. Was sie ver-
schweigt, lässt uns die Angabe Strabo's über die samischen Gemälde-
gallerien in seiner Beschreibung der Stadtanlage von Samos XIV
p. 637 C ahnen; sie lautet: 'Ett' dpiatepa be tö TTpodcTTeiov tö Tipöq
Tuj 'HpaiLu Kai ö "l)ußpacro(; TTOTajuoq Kai tö 'Hpaiov, dpxaiov lepöv Kai
veihc, lueT««;, oc, vOv TTivaKO0riKr| eaii ■ x^upi«; be toO TrXriGou^ tOuv ev-
laOGa Keijuevouv TrivdKUJV dWai TrivaKo6fiKai Kai vaiaKOi Tive'<; ei(Ti
-rrXripeiq tojv dpxaiuuv lexvüuv. Daran schliesst sich die Erwähnung
der Statuensammlung im Hypäthron des Tempels. Auch dass hier
der bekannte Wettkampf zwischen Parrhasios und Timanthes statt-
fand, zeigt, dass die Hera von Samos der Malerkunst gewogen war.
Das Erbe der samischen Schule traten Kolophon und Ephesos
an. Dionysios und Parrhasios sind die ersten grossen Vertreter
dieser beiden Kunststätten, und der grösste aller ionischen Maler,
Apelles, ist bekanntlich qpüaei Kolophonier, öe'aei Ephesier. Mit ihm,
so scheint es wenigstens, erhält erst die Schule den Beinamen der
ionischen, den sie gegen ihren alten, den der asiatischen eintauscht;
es liegt diesem Wechsel der Bezeichnung die Thatsache zu Grunde,
dass sie nun die einzige Vertreterin der ionischen Malerei geworden
ist, nachdem die helladische Schule, gleich ihr ionischen Ursprunges,
aufgehört hatte ionisch zu sein und die verschiedenen Elemente,
die sie vereinigte, zu einem Theile in der attischen und zum anderen
in der sikyonischen Schule aufgegangen waren.
Die helladische Schule beginnt mit Polygnot. Vor ihm war
die Schule von Thasos eine Localschule, die vermuthlich in enger
Verbindung mit der von der Mutterinsel Faros stand, indess wir
wissen von ihr nichts mehr als den Namen des Vaters Polygnots^
und auch den, wie jetzt die Theoreninschriften von Thasos zeigen^),
nicht in der richtigen Form. Es ist ein hübscher Zufall, dass uns
diese Inschriften fast die ganze Reihe der literarisch bekannten
thasischen und parischen Malernamen aufzählen, zumal jeder
Identificationsversuch durch ihre Datirung ausgeschlossen bleibt.
Neben TToXuYvaixoq 'AY\uuqpuJVTO(; erscheinen zwei verschiedene
'ApicTToqpujv, dann NiKtivuup und 'ApKe(Ji\euj(g. Wir können daraus
betreffs der beiden letzten Namen den Schluss ziehen, dass die
nicht, dass der erstere Name ein Hj'pokoristikon des letzteren sei. An Theon und
Theoros erinnert stark der Theon Theonos Löwy, Inschi*. gr. Bildh. 209.
'■') Beeilte], Abhandlungen der Göttinger Ges. d. Wiss. 1885 S. 10. 16. 17.
21. 23.
90
Parier Nikanor und Arkesilaos des Plinius sich eine ähnliche Zu-
rechtlegung ihres Namens wie Agiophon haben gefallen lassen
müssen. Die drei ersten Namen beweisen, dass die Familie des
Agiophon noch spät in Thasos eine hervorragende Stellung ein-
genommen hat, denn wir dürfen doch diese Theorensteine als heraus-
gerissene Blätter eines Adelsbuches betrachten.
Ich weiss wohl, dass ich nun, da einmal das Stichwort ge-
fallen ist, auch das Recht hätte über Polygnot mein Sprüchlein
zu sagen, und wenn es mir nun widerstrebt es hier zu thun, so
ist dabei vor Allem der Gedanke massgebend gewesen, dass ja
binnen Kurzem von anderer Seite in grösserem Zusammenhange
über den gewaltigsten Dichter unter allen hellenischen Künstlern
gesprochen werden wird^°). Aber einer Kleinigkeit, die ich am Wege
finde, darf ich doch wohl erwähnen und dazu an Dttmmler's ge-
haltreichen Aufsatz im II. Bande des Arch. Jahrbuches anknüpfen^"").
Der Nachweis einer Gruppe thasischer Vasen, die von dem Wirken
des grossen Landsmannes besonders eindringliches Zeugniss geben
(hängt mit ihr vielleicht auch der Vasenmaler Polygnot zusammen?)
ist sicherlich dankenswerth, und ich stimme gerne auch darin mit
Dümmler überein, dass es Polygnot gewesen sei, der den Odysseus-
typus geschaffen habe. Wenn nun Dümmler die Frage nach der
Herkunft des Penelopetypus stellt und auch dabei an Polygnot zu
denken geneigt ist, so glaube ich, dass es an der Zeit wäre, die
vielbehandelte Stelle des Plinius von der Penelope des Zeuxis einer
erneuten Betrachtung zu unterziehen. Plinius erwähnt bekanntlich
dieses Bild 35, 63 mit den Worten: fecit et Penelopen in qua pinxisse
mores videtur, und setzt sich damit in den schärfsten Widerspruch
mit Aristoteles, der Poet. (), 11 ganz trocken ausspricht: fi be
ZeuEiboq Tpctqpn oubev e'xei f\Boc,. Schon Otto Jahn hat alle Ver-
suche, diesen Gegensatz wegzuleugnen oder wegzucorrigiren, abge-
than, doch kann ich seiner Auffassung nicht beipflichten, die in
diesem Gegensatze eine Wandlung des Kunsturtheiles erblickt i').
Gewiss zweifelt kein Einsichtiger daran, dass es solcher Wand-
'") Vergl. inzwischen die Eiörterungen in der atheniseiien arcliaeologischeu
Ephimeris 1887 S. 124 flf.
•"') Zu den daselbst S. 173 aufgezählten Beispielen des thasischen Gebrauches
des n auf Vasen füge ich noch Panofka Cab. Pourtalhs - Oorgier Taf. 25 mit der
Inschrift A((piXuj<; und die Vasen mit der Lieblingsinschrift des Kleiniaa (siehe
HeydemannH Vasonsamml. zu Neapel Nr. 3125) hinzu.
") Berichte der sächs. Gesellschaft der Wiss. 1850 S. 105 ff.
91
lungen auch innerhalb der Antike gegeben habe, aber ein so
bestimmter Ausspruch des Aristoteles hat doch auch da dogmatische
Geltung gehabt, und so geradezu wird demselben kaum wider-
sprochen worden sein. Und anderseits verhält sich die monumen-
tale Ueberlieferung zu dieser Penelope des Zeuxis recht auffällig
ablehnend. Sie zeigt uns einen Penelopetypus malerischen Ur-
sprunges voll des herrlichsten Ethos, aufweichen die plinianischen
Worte völlig passen würden, stünde der Künstlername nicht dabei,
der aber doch keinem seiner Leser die unwillkürliche Erinnerung an
die vaticanische Statue und ihre Wiederholungen ersparen wird^^).
Ich glaube, die Schwierigkeit, welche die plinianische Stelle bietet, ist
nur dadurch zu lösen, dass wir sie mit der monumentalen Ueber-
lieferung zusammenhalten, die uns den rechten Weg weist. Das
Penelopebild hat sich offenbar bei Plinius nur in den Katalog der
Werke des Zeuxis hineinverirrt und stammt aus dem Polygnots,
dessen Ethos es exemplificiren sollte. Durch welchen Zufall es
an die Stelle der Helena gerieth, die unser Autor fast verschweigt,
ist nicht auszumachen, aber derlei Zufälle spielen bei Plinius
eine grosse Rolle. So ist gleich in demselben Satze der berühmte
Ausspruch Apollodors dem Zeuxis zugeschrieben, so kommt bei
ihm Praxiteles zur Ehre, die Tyrannenmörderstatuen gemacht zu
haben: dass er ihm dafür 34, 64 den Satyr aus der Tripoden-
strasse wegnimmt und Lysippos zutheilt, hat man meines Wissens
noch nicht bemerkt, sicher ist es aber darum nicht weniger; auch
die Confusion, die er unter den olympischen Werken des Pytha-
goras anrichtet, gehört hieher. Ein andermal weist er ein be-
rühmtes Bild des Parrhasios dem Euphranor zu^^). Das Nächst-
liegende bleibt aber doch wohl seine verkehrte Aufzählung der Tetra-
chromenmaler, für die ich auf die vorhergehende Studie S. 203
verweisen darf. Die Anzahl der Beispiele wäre leicht zu vermehren,
aber wem das Gebotene nicht genügt, dessen Glauben wird kaum
zu erschüttern sein.
Und nun zu dem anderen Sohne Agiophons, zu Aristophon. —
Ich sehe keinen Grund zu der von Brunn in seiner Künstler-
geschichte vertretenen und in Overbeck's Schriftquellen graphisch
dargestellten Anschauung, die ihn in Gegensatz zu seinem grösseren
Bruder bringt. Vor Allem scheint mir dies nicht aus jenem seiner
*') Studniczka's glückliche Eeconstruction stellt die Frage noch schärfer.
") Vgl. unten S. 126.
92
Bilder hervorzugehen, das uns Plinius als numerosa tabula vorführt,
in qua sunt Priatmis Helena Credulitas Ulixes Deiphobus Dolus. Aus
diesem Personenverzeichniss hat Otto Jahn die dargestellte Handlung
errathen zu können geglaubt. Er meinte: „Es muss eines der Aben-
teuer des Odysseus aus der letzten Zeit der Belagerung Trojas
sein, nachdem Paris gefallen und Helena mit Deiphobus vermalt
war. Zunächst denkt man an die TrTuuxeia", und Hess dem Odysseus
den Dolus, in welchem er die 'Attoit)! erkennt, zur Seite stehen,
während er der Credulitas den Platz zur Seite des betrogenen
Priamos anwies"). Eine neuere Variation dieser Hypothese nimmt
einen Angriff des Deiphobos auf den verkappten Odysseus an,
welchen Credulitas und Dolus vereiteln , nach Analogie jener Dar-
stellungen der Rückerlangung der Helena, wo Aphrodite und Peitho
den Angriff des Menelaos verhindern ^5). Dass sich dann beide Dar-
stellungen in einem und demselben Helena-Cyclus zusammenfinden,
ist ja eine fast nothwendige Consequenz dieser Anschauung. Mit
der literarischen Ueberlieferung dieses Abenteuers stimmen beide
Reconstructionsversuche gleich wenig, beide ruhen auf einer Grund-
lage, deren Berechtigung in Zweifel gezogen werden muss. Jahn
fand es bemerkenswerth , dass Plinius ein Gemälde mit sechs
Figuren eine numerosa tahula nenne, und die Beispiele, die er für
den Gehrauch dieses Wortes herbeibringt, nöthigen ihm die vor-
sichtige Frage ab: „oder hätte er nicht alle Figuren angeführt?"
Gewiss nicht, denn Brunn's Versuch, die Bezeichnung der tahula
als numerosa durch ihren Reichthum an Motiven erklären zu wollen,
ist doch einfach unzulässig. Hat aber Plinius die sechs Figuren aus
einem grösseren Zusammenhange so herausgerissen, wie es ihm
bequem war, können wir dann an eine Herstellung noch denken?
Ich glaube ja, sie ergibt sich von selbst, wenn wir die eine Credu-
litas schärfer in's Auge fassen. Ist Dolus die 'ATrairi, dann steckt
in diesem Gewände neben Helena die Heieib, und nun sind sofort
alle übrigen Figuren an ihrem rechten Platz und die Hauptscene
des grossen Iliupersisbildes steht vor uns. Nur für die Apate fehlt
bisher hier das ausdrückliche Zeugniss der monumentalen Ueberlie-
ferung, aber wie sie auf der Perservase neben der Asia steht als
sittliche Macht, so stand sie auch hier nicht als Nothhelferin des
schlauen Odysseus, sondern den göttlichen Rathschluss vollstreckend.
'*) Arch. Zeit. 1847 S. 127.
") Studniczka bei Dümmler a. a. 0.
93
Damit ist aber auch zugleich die Frage, wie Aiistophon zu
seinem Bruder stand, im Grossen und Ganzen wenigstens, erledigt.
Das zweite uns von Plinius überlieferte Bild soll den verwun-
deten Ankaios mit seiner schraerzergriffenei-i Mutter Astypalaia dar-
gestellt haben, ich kann aber die Vermuthung nicht unterdiücken,
dass diese alte Deutung für uns keine bindende Kraft hat. Der
verlegene Mythos aus der samischen Urgeschichte, der wie aus-
drücklich herbeigezogen erscheint, damit wir nur nicht an das
Nächstliegende, an Adonis und Aphrodite denken, hätte nur An-
spruch auf Geltung, wenn wir wüssten, dass Inschriften ihn hier
bezeugten. Stammt aber diese Deutung nicht etwa von Duris von
Samos, der ja auch als Abkömmling des Alkibiades sich für Bilder
des Aristophon interessiren mochte ?
Ein drittes Bild unseres Meisters, einen Philoktet, erwähnt
Plutarch zweimal mit der Statue der lokaste. Ich vermuthe, es ist
dasselbe Philoktetbild, welches Pausanias in der Pinakothek der
Propylaien angibt und das man so lange beharrlich Polygnot zuge-
theilt hat. In dieser Pinakothek war Aristophon schon durch seine
Verherrlichung des Alkibiades vertreten, aber freilich gerade hier
schwankt die Ueberlieferung zwischen ihm und Agiophon. Wir
werden also zunächst die Zeugen verhören. Zuerst Satyros, der bei
Athenaios XII p. 534, die Sache ausführlich erzählt: 'AqpiKÖ|uevo^
b' ('AXKißidbiK) 'ABrivriciv eg '0\u)HTTia(; büo TTivaKa(; dveG^Kev 'AT^ao-
cpüJVToq Tpaqpnv u)v 6 |uev eixev '0Xu|U7Tidba Kai TTuöidba CTTeqpavouaaq
aÖTÖv, ev be 9aTepLU Neiuea i^v Ka0)-||uevr| Km em xujv Tovaiuiv amr\<;
'A\Kißidbr|<; KaWiuiv qpaivöjiievoe; tujv YuvaiKeiujv TrpoauuTruuv. Dagegen
Plutarch Alcibiades c. 16: ApicTToqpujVTo«; be Nejueav Ypdipavto^ ev Tai<;
dTKdXai(; amr\(; Kaeri)Lievov 'AXKißidbrjv e'xouaav, eBeuJVTO Kai cruve-
xpexov xc'i'povTeq* o'i be TrpecrßuTepoi Kai toutoi^ ebuö"xepaivov , wq
TupavviKoT^ Ktti TTapavojuoic;. Dieses Bild hat auch Pausanias ge-
sehen , der aber leider bei seiner Erwähnung den Künstler anzu-
geben unterlässt, I 22, 6: Ypaqpai be eidi Kai dXXai Kai 'AXKißidbii«;,
iTTTTUJV be Ol viKr|<; Tii(; ev Neiiiea ecrii ör||ueTa ev Tri TPO^pi]- Man hat
auf zweifache Weise versucht eine Uebereinstimmung zwischen der
Stelle bei Athenaios und der des Plutarch herzustellen, indem man
entweder dort oder hier operativ eingriff. Brunn schreibt bei Athe-
naios ['ApicTToqpuJVTo«; Toö] 'ATXaocpüuvToq, Kroker zieht vor bei
Plutarch 'AYXaocpuJVTo? be [toO 'ApiöTocpujVTOi;] zu lesen, und die
Antwort auf diese Frage soll zugleich über Sein oder Nichtsein
des jüngeren Agiophon entscheiden. Stünde die Sache so einlach,
94
man könnte sich dann damit genügen lassen , der Brunn'schen
Lesung zuzugestehen, dass sie auf besserem Fundamente ruht ; aber
zu welchem der beiden Mittel man greifen möge , die gesuchte
Uebereinstimmung ist damit nicht hergestellt, Satyros beschreibt
zwei (zugleich aufgestellte) Bilder, Plutarch wie Pausanias kennen
nur eines. Die naheliegende Annahme, das zweite Bild sei in der
Zwischenzeit verschwunden, erscheint in diesem Falle kaum statt-
haft, indem wir die Quelle Plutarchs hier noch etwas über Satyros
hinauf verfolgen können. Als Ansatzpunkt dient der etwas unver-
ständliche Ausdruck irapdvoiuoq ; welches Gresetz sollte denn Alki-
biades mit einem solchen Bilde verletzt haben, muss sich der Leser
Plutarch's fragen. Die Antwort gibt Polemon, der in seinem Werke
über die Akropolis eines Psephisma erwähnt, das den Athenern
verwehrte, einer Sklavin oder Freigelassenen, einer Flötenspielerin
oder Hetäre den Namen einer Penteteris beizulegend^). Und jeden
Zweifel, dass der Perieget dieses Psephisma wirklich zu unserem
Bilde citirte, schliesst der Umstand aus, dass sowohl Harpokration
wie Athenaios dieses polemonische Fragment unter dem Schlagwort
Nejuea bringen. So bleibt denn nur die Annahme übrig: Satyros
habe aus einem Bilde zwei gemacht. Das würde auch dann schon
wahrscheinlich sein, wenn uns sein Bericht allein vorläge. Denn
erstlich begreift man kaum, warum gerade für die olympischen
und pythischen Siege ein gemeinsames Bild, für den nemeischen
aber ein besonderes geweiht wird , zumal wenn Satyros den Alki-
biades dieses anlässlich seiner Rückkehr aus Olympia thun lässt;
und dann ist die Phrase 'AXKißidöriq KaXXiujv qpaivöjuevoq tujv Y^vai-
Keiujv TTpocTuüTTUJV gerade zum Nemeabild so übel angebracht, dass
sie uns allein schon den rechten Weg weist. Künstlerisch aber ist
der Vorwurf, Alkibiades im Schosse der Nemea von Olympias und
Pythias bekränzt, gewiss wirksam, während die matte Zerlegung
sich selbst richtet. Auch die Vertheilung der Rollen begreift man
leicht. Olympias und Pythias sind begriffliche Constructionen, sie
können nur Kränze verleihen , die Nemea dagegen hat volles
mythisches Leben, wie sie denn auch Nikias auf dem Rücken ihres
Löwen thronend malte; da ist es doch kaum sehr verwunderlich,
wenn sie hier im Mittelpunkte der Composition dem Bilde den Namen
gab. Was aber die Frage nach dem Äleister des Bildes anlangt,
80 möchte ich die Behauptung aufstellen, dass sie nicht nothwendig
^) Die Stellen bei Jalin-Michaelis Paus, descr. archis Ath, Ö. 4.
95
eine textkritisehe sein muss, sondern vielleicht mit besserem Rechte
in der Quellenkritik ihre Entscheidung findet. Brunn hat die Ver-
drängung des Künstlernamens durch die Angabe des Vaters ver-
muthungsweise dem Athenaios zur Last gelegt, ich glaube nach
dem Gesammteindruck, den der Bericht des Satyros macht, wird
es nicht schwer fallen, ihm selbst auch dieses Versehen zuzumuthen.
Doch meine ich nicht, dass mit dieser Entscheidung der jüngere
Aglaophon einfach von der Liste der griechischen Künstler zu
streichen ist, aber jedesfalls wird er zu einer schattenhaften Gestalt,
die eine weitere Behandlung kaum lohnt.
Es sind die Namen des Mikon und Panainos, an Avelche unsere
Ueberlieferung die Reception der ionischen Malerei in Athen knüpft,
und beide Namen geben uns die gleiche Gewähr, dass dieses Er-
eigniss nicht auf das Gebiet der Malerei allein beschränkt geblieben
ist. Mikon ist selbst Bildhauer, Panainos gehört der Familie des
Phidias an. Die Strömung, die jetzt auf dem Gebiete der bildenden
Kunst zu Tage tritt, sie hat die ganze attische Cultur erfasst und
in neue Bahnen gelenkt. Selbst am Alphabete vermögen wir das
rapide Steigen des ionischen Einflusses wie an einem selbstregistri-
renden Apparate abzulesen ^'^). Und gerade durch diese Erkenntniss
ist das einzige Argument hinfällig geworden, mit dem man Mikons
Athenerthum angefochten hat. Nicht bloss die Ueberlieferung nennt
ihn einen Athener, er selbst nennt sich auf der olympischen Basis
des Kalliasdenkmals so, und zu Athen gibt er sich einfach als Sohn
des Phanomachos. Aber die Lischrift der Kalliasbasis ist rein
ionisch und die Inschrift von der Akropolis zeigt bei sonst atti-
schem Charakter einzelne ionische Elemente. Daraus hat Fränkel
die Annahme abgeleitet und als unabweisbar hingestellt, Mikon sei
von Geburt lonier gewesen und erst später zu Athen ansässig ge-
worden, und ihm haben Roehl und Loeschckc beigestimmt^**). Rich-
tiger hat Löwy die Sachlage beurtheilt^^j. Das ionische Alphabet
der olympischen Inschrift an der Basis der Statue eines so vor-
nehmen Atheners mag immerhin interessant sein, für die Heimat
des Künstlers beweist es an und für sich nicht viol, und die attische
Inschrift stimmt nicht mit, sondern gegen jene, d >nn lonismen um
Olympias 80 sind jetzt nichts Auffälliges mehr. Dazu kommt noch,
»') Ulrich Köhler, Ath. Mitth. 1885 S. 359.
") Arch. Zeit. 187G S. 227 ; Inscr. gr.ant. l^r. idS; Dorpater Progr. 1887 S. 8.
'^) Inschr. griech. Bildhauer Nr. 41.
96
dass ihn auch seine uns bekannten Werke als Athener verrathen,
die beiden für Athener gearbeiteten Statuen, wie seine Bilder, von
denen bloss eines, die Argonauten, nicht dem attischen Sagenkreise
angehört, während die Theseusthaten wie die Amazonoraachie durch
ihn ihre Verherrlichung gefunden haben. Auch sein längst aner-
kannter Einfluss auf die attische Vasenmalerei, wie seine grosse
Popularität in Athen, welche Aristophanes' Erwähnung, das Sprichwort
vom Butes, Simons Urtheil über seine Pferde, wie die Prozess-
legende bezeugen, und die schliesslich so weit geht, dass er die
Marathonschlacht gemalt haben soll, alles das legt für sein echt-
bürtiges Athenerthum Zeugniss ab.
Von den sieben Gemälden, die Overbecks Schriftquellen von
ihm aufzählen, sind leider zwei in Abzug zu bringen. Zunächst
die Marathonschlacht, die Panainos gemalt hat. Das geht aus der
Uebereinstimmung des Plinius und Pausanias hervor, die beide
Panainos allein als den Meister des Werkes nennen. Zwar weiss
Aelian davon zu erzählen, dass man bezüglich der Zutheilung dieses
P)ildes zwischen Polygnot und Mikon schwanke, aber dieser Irr-
thura ist sehr begreiflich. Die Amazonen- und die Perserschlacht
flössen leicht ineinander, auch Plinius vertheilt einmal, obgleich er
den Ursprung des Marathonbildes kennt, die Werke in der Stoa
poikile zwischen Polygnot und Mikon, und der Zeugnisswerth der
Stelle des Sopatros ist gleich Null'"). Die conciliatorische Kritik
hndet freilich auch hier ihren gewohnten Ausweg, indem sie Mikon
und Panainos gemeinschaftlich arbeiten lässt und dem Letzteren,
seinen stärkeren Ansprüchen zu Liebe, den Hauptantheil zuweist'^').
Indess, solche Hausmittel verfangen nicht mehr.
Das zweite dem Mikon fälschlich beigelegte Bild ist Nr. 7
bei üverbeck, „Tlieseus Ende" überschrieben. Liest man die ab-
gedruckte Pausaniasstelle unbefangen, so wird man den Anlass,
hier ein Bild hinein zu interpretiren , kaum finden können. Erst
wenn man das beigefügte Citat nachschlägt, merkt man, dass es
sich um einen frommen Wunsch nach einem kleinen Cyclus und nach
'") tiein Anklagethema gegen Mikon, er habe die Barbaren grüs.ser gemalt
als die Hellenen, ist, wie die Beschreibungen der Marathonomachie lehren, einfach
erfunden. Ich denke, es ist ihm dafür nicht mehr zu Gebote gestanden, als un.-?
noch heute, das lykurgische Fragment aus Harpokration , das ohne Angabe des
Grundes von einer Verurtheilung unseres Meisters zu einer Geldstrafe von einem
halben Talente berichtet.
■■") Jahn, Arch. Aufs. S. ID; Bruiui, Künstlcrg. II .*<. 1'.).
97
Ausfüllung der vierten Wand handelt. Geht man aber gar so
weit, den Pausanias selbst nachzuschlagen, so wird man seinen
Excurs über die letzten Schicksale des Theseus ganz begreiflich;
finden: er gibt ja zum Schlüsse desselben den Grund an, nicht ein
Bild im Theseion, sondern dieses selbst, der Anlass seiner Errich-
tung führte ihn darauf. Auffallend bleibt es uns freilich, dass die
vierte Wand des Theseion nicht bemalt war, aber es scheint das
Bedürfniss nach einem solchen Abschlüsse damals gar nicht vor-
handen gewesen zu sein. Die Stoa poikile zählte ursprünglich auch
bloss drei bemalte Seiten, denn die Schlacht von Oinoe wurde erst
spät hinzugefügt, drei Seiten schmückte auch noch Euphranor in
der Stoa basileios mit Gemälden, und sonst sind es bloss die beiden
Langseiten, die bemalt wurden, wie in der Lesche zu Delphi, im-
Anakeion, im Tempel der Athena Areia in Plataiai; so haben Kimon
und Dionysios, Damophilos und Gorgasos gemalt. Der Punkt ver-
dient klarer gelegt zu werden, denn nicht nur am Theseion und
an der Stoa poikile hat man die wirkliche Sachlage verkannt, auch der
apokryphe Freskencyclus der Pinakothek hat die Forschung lange
genug in Athem gehalten, und auch das letzte Beispiel dieser Gat-
tung, die vier unter diesem Gesichtspunkte bei Overbeck Schriftqu.
Nr. 1126 aufgezählten Gemälde eines dionysischen Cyclus, hält nicht
Stich, da diese Bilder nicht einem, sondern zwei Tempeln angehören..;-
So meine ich werden auch die jüngst aufgestellten Hypothesen,;
über Gemäldecyclen dieser Zeit die Wege der früheren gehen'''),
glaube aucb, dass man vielleicht gut thäte, jenes Schlagwort über-
haupt späteren Perioden aufzusparen und für die polygnotische auch>
in diesem Sinne nachdrücklicher auf das Beispiel der attischen
Schalenmalerei hinzuweisen.
Es bleibt noch fraglich, ob die drei Bilder des Theseion
sämratlich von Mikon herrühren. Pausanias scheint von einer Be--
theiligung Polygnots hier keine Kenntniss zu haben, aber bei Har-'
pokration ^^) hat man doch statt ev iiu 9r|(jaupiu sehr wahrscheinlich
ev TU) 0naea)(; lepuj gelesen. Die Amazonoraachie wird wohl sicher
für Mikon bleiben müssen und wir erübrigen bloss die Kentauro-
machie, und gerade hier bietet die reiche monumentale Ueberliefe-
rung nichts specifisch Polygnotisches. Aber selbst die Richtigkeit
jener Conjectur zugegeben, steht uns der Zweifel an der Giltigkeit
■'-) Arcb. Jahrb. II S. 171 u. 170.
") Schriftqu. 1042.
98
der Angabe frei. Anders liegt die Sache bei dem auch dort er-
wähnten Anakeion. Da theilt Pausanias die Hochzeit der Leukip-
piden dem Polygnot, die Argonauten dem Mikon zu, und über
dieses Bild habe ich noch ein paar Worte anzufügen. Was war
hier dargestellt? Pausanias gibt an: Tovg jueid '\ä.aovoc, ec, KöXxouq
TTXeü(JavTa<s • Kai oi T\]q fpaqpfjq f] cTTTOubii jnaXiaia ic, "AKacriov Kai
Tou<; 'iunovc, e'xei touc; 'AKdcTTOu, und Vlll 11, 3 erinnert er sich,
dass den Töchtern des Pelias in diesem Bilde die Namen Astero-
peia und Antinoe beigeschrieben waren. Daraus hatte einst Böt-
tiger-^) den Schluss gezogen, dass die Rückkehr der Argonauten
dargestellt war, und das ist seitdem nachgeschrieben worden. Indess
wer sich die Sache überlegt, wird darauf kommen müssen, dass
die Leichenspiele für Pelias hier gemalt waren. Die passen auch
zum Hochzeitbild als Gegenstück und passen auch in das Ana-
keion, denn an diesen konnte der rühmliche Antheil der Dioskuren
und ihre mythische Bedeutung für die Agone recht gut zum Aus-
druck kommen.
Mikons Genosse Panainos wird in der Ueberlieferung als
Bruder oder Neffe des Phidias bezeichnet. Böttiger hat das Wort
dbeXq)iboO(; bei Strabo VIH p. 354 irrthümiich mit Vetter übersetzt,
dieser Irrthum hat sich auch in Brunns Künstlergeschichte einge-
schlichen, und damit war einer vermittelnden Kritik Thür und Thor
geöffnet. Indess wir werden auch hier die Alternative, vor die wir
gestellt sind, anerkennen und das Urtheil finden müssen. An und
für sich betrachtet hat das dbeXcpiboO^ mehr Wahrscheinlichkeit für
sich als das dbeXqpöi; und f rater. Aber nicht bloss die Zahl, son-
dern auch der Werth der Zeugnisse spricht dagegen: Pausanias,
Plinius und Plutarch"**') einerseits, denen JStrabo allein gegenüber-
steht. Dazu kommt als entscheidend die chronologische Schwierig-
keit. Der Neffe des Phidias kann nicht gleichzeitig mit Polygnot
und Mikon in der Stoa poikile malen , und der Ausweg, das Bild
der Marathonschlacht später anzusetzen, scheint mir verschlossen.
Nicht etwa weil es das Mittelbild war ; dass man sich darüber allen-
falls hinwegsetzen könnte, habe ich früher gezeigt, auch fände man
in der mehrfach erwähnten Stelle des Plinius über die Ausmalung
'*) Ideen zur Archäologie der Malerei S. 259.
'**) An der Identität des de glor. Ath. 2 als Phidias Bruder angeführten Plei-
stainetos mit unserem Panainos kann nicht gezweifelt werden, dafür bürgen die
„Biegenden Feldherren" dieser Stelle.
99
dieser Halle einen weiteren Anhaltspunkt. Bricht man es aber
heraus, dann zerstört man das Ganze, denn allein haben die Iliu-
persis wie die Amazonomachie keinen rechten Sinn. Demnach
muss die Angabe Strabos entschieden verworfen werden, während
sich gegen die andere kaum ein Argument finden lassen wird. Ihre
Annahme führt uns auch einen Schritt weiter. War Panainos wie
Phidias Sohn des Charmides, dann liegt es nahe uns auch diesen
als Künstler zu denken und zwar als Maler, denn auch Phidias,
der die Plastik bei Hegias lernt, war ^initio piäor^. Vielleicht ist
auch der Maler Timainetos, dessen Ringerbild Pausanias in der
Pinakothek erwähnt, vom gleichen Stamme, der Namensanklang
legt diese Vermuthung nahe.
So rücken denn die grosse delphische Erzgruppe und das
Mittelbild der Ruhmeshalle nun noch enger zusammen, wie denn,
was wir sonst von der Thätigkeit unseres Meisters hören, völlig
untrennbar von der seines grösseren Bruders ist, und doch bürgen
uns die Beschreibungen des einen Bildes dafür, dass er dieses
Bruders würdig war. Trotzdem ist er gegen einen uns sonst un-
bekannten ionischen Meister, Timagoras von Chalkis, im Wett-
kampfe unterlegen. Die Geschichte ist so wie sie bei Flinius steht
viel zu interessant, als dass wir sie uns nicht näher besehen sollten.
Die Steile lautet: quin immo certamen etiavi picturae florente eo in-
stitutum est Corinthi ac Delphis, primusqne omnium certavit cum Tima-
gora Chalcidense, superatus ab eo Pythiis^ quod et ijpsius Timagorae
carmine vetusto adparet, chronicorum errore non dubio. Das Merk-
würdigste ist hier jedesfalls das alte Gedicht des Timagoras. Dass
es Plinius in irgend einer Anthologie gefunden habe, davon kann
freilich keine Rede sein. Es war einfach eine metrische Weihin-
schrift an dem Anathem des Timagoras in Delphi, die kein anderer
als Polemon chronologisch verwerthet hat. Das erklärt denn auch
den streitbaren Ton der Notiz. Die Chronika hatten erst mit
Olymp. 90 von den Malern zu reden begonnen, nun wird der in-
schriftliche Beweis geführt, dass die Wettkämpfe in der Malerei
schon älter sind. Wessen Chronika solches berichteten, macht
der Name des Polemon klar, der ja gegen Eratosthenes mit dem
gröbsten Gescliütz zu Felde zog. Die Akme des Panainos {ßo-
rente eo) wurde nach dem überlieferten Datum der Einsetzung
dieses Agon construirt, bekanntlich führt Phidias das gleiche Datum,
über dessen Herkunft sehr verschiedene Ansichten aufgestellt worden
sind; aber man hat es stets als selbstverständlich angesehen, dass
100
davon der Ansatz für Panainos abgeleitet worden ist, und doch
war, wie man sieht, gerade das Gegentheil der Fall.
Kein Inschriftstein hat uns bis jetzt von den Wettkämpfen
der Maler erzählt, das Epigramm des Timagoras lässt uns aber
hoffen, dass auch diese Lücke vielleicht nicht für immer unausgefüllt
bleiben wird. An literarischen Zeugnissen ist auch nicht sehr viel
vorhanden, ich will hier anfügen, was ich zusammenraffen konnte.
Am bekanntesten sind nebst unserer PHniusstelle die Siege des
Timanthes über Parrhasios und über Kolotes. Als Ort des ersten
Kampfes ist Samos angegeben, dabei ist offenbar an das Herafest
zu denken. Von einem Wettkampfe bei den isthmischen Spielen,
bei dem Parrhasios gesiegt haben soll, berichten auch die Paroimio-
graphen zur Erklärung des Sprichwortes oubev "npöc, töv Aiovuaov,
wir erfahren aber durch Strabo , der Polybios als Gewährsmann
nennt, dass das Sprichwort auf ein zu Korinth befindliches Bild
des Aristides bezogen wurde, und dadurch wird die Entstehung
der anderen Version noch klarer, aber die Bestätigung des plinia-
nischen certamen institutum est Corinthi ac Delphis wird man unbe-
denklich hinnehmen können. Für Olympia darf man wohl die
Nachricht bei Lucian verwenden, dass Aetion dort sein Alexander-
und Roxanebild ausgestellt und als Preis die Tochter eines Hella-
nodiken Namens Proxenidas errungen habe. Die Hellanodiken
scheinen also auch über Bilder ihres Richteramtes gewaltet zu haben.
Einen weiteren Hinweis enthält das von Plinius beschriebene Auf-
treten des Zeuxis in Olympia, das ich noch später einer genaueren
Betrachtung zu unterziehen haben werde.
Von einer Kunstausstellung am Feste der Hera Lakinia er-
fahren wir gelegentlich der Erwähnung des berühmten Teppiches,
den Alkisthenes, der Sybarite, dort ausgestellt hatte ''^), aber auch für
Athen liegt eine bestimmte Nachricht vor. Plinius erzählt 35, 125
von dem Blumenmädchen des Pausias : huins tahulae exemplar, quod
apographon vocant, L. Lucnllus duohus talentis emit Dionysiis Athenis.
Warum gerade an den Dionysien? Offenbar weil zu dieser Zeit
zu Athen die „Jahresausstellung" eröffnet war, und das wirft viel-
leicht auf manche Stelle des Aristophanes, die sich mit sensatio-
nellen Bildern beschäftigt, wie Acharner991 mit dem Eros des Zeuxis,
Plut. 385 mit den Herakliden des Pamphilos, und auf seine Invec-
tiven gegen Pauson neues Licht. Geschichten wie den Wettkampf
'*) Vergl. Benndorf bei Heibig, «las homerische Epos' S. 232, 1.
101
zwischen Apelles und Protogenes, zwischen Zeuxis und Apelles,
und was sieh diesen würdig anschliesst, lassen wir billig aus dem
Spiel ; bezüglich der ersteren habe ich schon auf den Anlass hin-
gewiesen '^'), die letztere verdankt ihre Entstehung den Versen, mit
denen sich die beiden Meister zum Kampfe herausriefen. Wären
sie aber wirklich auf den Kampfplatz hinabgestiegen , ich zweifle
keinen Augenblick, darüber würden wir sehr genau unterrichtet sein.
Nun stehen zwar in den Verzeichnissen der Werke dieser Meister,
wie sie unsere Schriftquellen geben, schön numerirt, der Knabe mit
den Trauben Nr, 14, die Trauben allein Nr. 15 bei Zeuxis, der
Vorhang Nr. 23 bei Parrhasios, und doch sind diese Dinge kaum
weniger zum Todtlachen, als des Zeuxis altes Weib Nr. 12. Die
Vorhanggeschichte darf uns aber doch noch für einen Augenblick
beschäftigen. Sie ist nicht so plump erfunden, als man zunächst
glauben möchte. Man findet es doch wunderlich, dass Parrhasios
auf den Einfall kommt, einen Vorhang zu malen, und dass Zeuxis
darauf so verständnissvoll eingeht, dass er sofort hinter diesem
Vorhange das Bild sucht. Vergleicht man damit die aelianische
Erzählung, wie Theon sein Bild vor einer festlichen Menge auf ein
nach seinem Wink ertönendes Trompetensignal enthüllt, so wird
man geneigt sein zu glauben, dass uns beide Geschichten damit
etwas von der gebräuchlichen Form dieser Wettkämpfe verrathen.
Ich lenke nun von diesem Excurse zum Thema zurück. Mit
Apollodoros von Athen beginnt eine neue Epoche. Die Entdeckung
der dritten Dimension auf der Fläche, wenn auch durch Poljgnot
und seine Schule vorbereitet, sie war doch seine persönliche That.
Es war ein Ereigniss von ungeheuerer Tragweite, die Entdeckung
einer neuen zweiten Welt, von der die Malerei nun Besitz ergriff.
Was Wunder, wenn da ein göttlicher Taumel die Häupter der
Malerfürsten umfing, wenn sie sogar das Ende der Kunst vor
sich zu haben meinten. Ein Mangel an historischer Schulung
^'') Die andere Geschichte von der Grossmuth des Apelles gegen Protogenes
ist gleichfalls sehr einfacher Construction. Dass Apelles et in aemulis benignus war,
ging aus der Anerkennung , die er dem Melanthios , Asklepiodoros , aber ganz be-
sonders dem Protogenes in seiner Schrift an Perseus spendete, hervor. Protogenes
war aber ursprünglich Scbiffsanstreicher gewesen, wir wissen warum. Also rettete
ihn des Apelles Anerkennung. Die Antiphilos- Geschichte verdankt ihre Existenz
einzig und allein der Allegorie von der Verläumduug. Duris von Samos ist auch
meiner Meinung nach vielleicht der Erfinder, mindestens doch der Redactor aller
dieser Anekdoten. Vergl. L. Urlichs, Ueber gr. Kunstschriftsteller S. 28.
ArchäologiBch-epi graphische Mitth. XII. a
102
macht sich darin freilich bemerkbar, konnte doch eine spätere
Zeit sogar hier erst den Anfang ansetzen, aber auch ein Glaube
der allein Wunder wirkt. Selbst unser Plinius wird plötzlich
poetisch, das sicherste Zeichen, dass er eine grosse Dummheit
macht und dass man ihm scharf auf die Finger zu sehen hat, doch
davon später. Was er Thatsächliches von unserem Meister be-
richtet, ist nicht viel. Zwei Werke und die Olympiadenzahl, dazu
darf man vielleicht ein drittes hinzufügen, ich meine natürlich nicht
das, was in den Overbeck'schen Schriftquellen als Nr. 3 angeführt
wird**"), sondern jenes Athletenbild, das Plinius dem Zeuxis vindicirt,
dem aber das apollodorische Siegel in dem Verslein jauj|ur|(JeTai Tic;
|uä\\ov n |uijuri(TeTai aufgeprägt war. Auch die Nachricht von einem
Odysseus mit dem Schifferhute, die uns das Scholion zu Ilias X 265
überliefert, dessen Missverständniss bei Hesych schon Osann klar-
gelegt hat, möchte nicht nothwendig auf ein weiteres Bild zurück-
zuführen sein. Seitdem eine treffende Bemerkung Furtwänglers
die frühere Vorstellung von seinem Aiasbilde berichtigt'*®) hat, ist
darin auch für den Odysseus Platz geworden. Da wird man sich
kaum des Gedankens erwehren können, die sophokleische Tragödie
habe hier befruchtend gewirkt, aber auch für die simple Hutge-
schichte ist die Sache nicht gleichgiltig. Das Bild hing zu Per-
gamon und da wäre dann ihr Ursprung zu suchen. An der Dürf-
tigkeit an positiven Bilderberichten ist sicherlich der Umstand
schuld, dass auch den nachfolgenden Generationen die Bedeutung
des Meisters nicht in seinen einzelnen Werken, sondern in seiner
befreienden That zu liegen schien, und aus dieser Empfindung heraus
ist auch der merkwürdige Vers des Malers Nikomachos gedichtet,
der das schönste Zeugniss des liuhmes unseres Meisters bildet.
Selbst das bei Plinius angegebene Blüthedatum Ol. ÜS erweist
sich als wenig verlä^sslich. Wonach es bestimmt wurde, wissen wir
nicht, die Ziffer ist jedoch schon lange aus dem Vergleiche mit dem
annähernd genau bestimmbaren Ansatz für Zeuxis als zu hoch ge-
") Die Herakliden des Pamphilos, auf die Aristophancs Plutos v. 385 an-
spielt und die in den »Scholien kurz beschrieben weiden, galten trotz dieser An-
spielung als ein Werk ApoUodors. Die Lösung der öcbwierigkuiten, an denen sicii
die fSchüliasten hier vergebens mühen, scheint mir nicht so unniüglich, als sie Aicli.
Zeit. 1876 S. 34 hingestellt wird. Sicher ist die Existenz und der Künstlername des
Bildes. Daraus folgt nun, dass Pamphilos eben nicht der yikyonier war, und dass
er Beiner Art nach Apollodor nahe stand, lässt die Uninennung schliessen.
"j Jahrb. f. cl. Piniol, i». Suppl. S. b'.i.
103
griffen erkannt ; ich werde auf sein bei Plinius berührtes Verhältniss
zu diesem noch einzugehen haben und begnüge mich hier mit der
Bemerkung, dass ich Apollodor für einen Zeitgenossen des Phidias
halte.
Mit dem Auftreten Apollodors hatte Athen die Führung auf
dem Gebiete der Malerei an sich genommen, wie es durch Phidias
die Führung auf dem Gebiete der Plastik erlaogt hat, doch mit
ungleichem Erfolge. Die beiden Meister, die Apollodors Erbe an-
treten, Zeuxis und Parrhasios, sie stehen sich wieder als Häupter
der helladischen und asiatischen Schule gegenüber, nur dass Athen
jetzt endgültig das Centrum der helladischen Schule geworden zu
sein scheint. Der Haupterbe war jedesfalls Zeuxis, sagt doch Quin-
tilian, dass er die Kunst der Licht- und Schattenvertheilung erfunden
habe, als ob er Apollodors Namen nie gehört hätte. Wir werden
uns also zunächst mit ihm zu beschäftigen haben.
Seine Heimat war Herakleia. Diese Thatsache hat er in den
Versen, die ihm Parrhasios stolze Herausforderung abgerungen,
an erste Stelle gesetzt. Aber welches Herakleia? Darüber verliert
weder er, noch Piaton und Xenophon , die von Sokrates warmem
Interesse für den jungen, nach Athen eingewanderten Künstler be-
richten, ein Wort. Man hat in alter und neuer Zeit auf das Herakleia
in Lucanien gerathen. In alter Zeit, das ergibt sich daraus, dass
man ihm statt des überlieferten Lehrers aus Thasos den Demo-
philos von Himera zum Meister gab und seine Akme von 89 auf
yö, 4 überstellte. Für die neuere Forschung waren das zunächst
weitere Daten. Das unteritalische Herakleia bleibt; Zeuxis wandert
früh nach Norden , um die Lehre beider Meister zu geniessen, ob-
schon der sonst unbekannte Neseas von Thasos die Kosten kaum
lohnt, und da eine kunstgeschichtliche Hauptquelle, der edle Tzetzes,
seine Heimat vergessen hat und von ihm, da er eben von Parrha-
sios handelt, zagend bemerkt, boKUJ Kai eH 'EcpecTou, so lässt man
ihn schliesslich in Ephesos seinen festen Wohnsitz nehmen "^^j. Das
vierte Jahr der 95. Olympiade bildet auch keine unübersteigliche
Schwierigkeit, passt es in seine Lebenszeit nicht hinein, so kann
es ja sein Todesdatum sein. Dabei hat man jedoch übersehen, dass
■'■) So Bursian, AUg. Encycl. I. 82 S. 469 und Wustmann Apelles S. 2,
selbstverständlich nach Brunns Künstlergeschichte, Doch siehe Förster, Eheinisch.
Mus. 1883 S. 436, auf dessen Auseinandersetzung über Tzetzes Glaubwürdigkeit
bereits im ersten Theile dieser Studien S. 213 [23] hätte verwiesen werden sollen,
8»
104
das imteritalische Herakleia erst 432 von den vereinten Tarentinern
und Thuriern gegründet war, Aristophanes aber in den Acharn ern,
also bereits 426 [425], seinen Eros im Rosenkranze erwähnt. Er
müsste demnach dies Bild spätestens in seinem siebenten Jahre
gemalt haben. Lenormant, der diese chronologische Schwierigkeit
erkannt hat, und doch für sein Grossgriechenland nicht auf eine
solche Berühmtheit einfach verzichten wollte, hat den unglücklichen
Einfall gehabt, unseren Meister zu verdoppeln und zu diesem
Zwecke jene von Brunn angebahnte und von Sauppe erwiesene
Identification desselben mit dem Zeuxippos der bekannten Stelle des
platonischen Protagoras übersehen^"). Wir werden uns natürlich be-
gnügen, uns für unseren Meister nach einem anderen Herakleia um-
zuschauen. Die Nachricht, dass ein Thasier sein Lehrer war, tritt
nun in ihr Recht, sie weist uns nach dem hellenischen Norden und
wenn es auch da der Heraklesstätten genug gibt, und eine end-
giltige Entscheidung kaum zu gewärtigen ist;, so wird doch das
mächtige Herakleia am Pontus die triftigsten Ansprüche haben für
jene Zeit als Herakleia kurzweg zu gelten^'). — Man wird wohl
annehmen müssen, dass Zeuxis, als er die thasische Schule ver-
liess und nach Athen kam , seine künstlerische Entwicklung noch
keineswegs abgeschlossen hatte. Die Traditionen polygnotischer
Kunst, in denen er aufgewachsen war, er fand sie auch in Athen,
aber er fand da auch, wovon in seine Heimat kaum mehr als
dunkle Kunde gedrungen sein wird, die neue, rein malerische
Technik Apollodors. Die Ueberlieferung spricht deutlich genug,
dass er, „der stets auf Neues sann", rasch die neue Richtung ein-
schlug und nun in vollen Gegensatz zu Polygnot kam. Und was
uns nun vor Allem interessiren muss, sein persönliches Verhältniss
zu Apollodor, darüber bietet uns Plinius nähere Kunde. Ich
setze aus seinem Bericht das Hiehergehörige , mit Weglassung
einiger Zwischensätze her: ab hoc {ApolloJoro) artis fores apertas
Zeuxis Heracleotes intravit olympiadis LXXXXV. anno IUI . . . a
quibusdam falso in LXXXVIIII olympiade positus . . in eum Apollo-
dorus supra scriptus versuni fecit, artem ipsis ablatam Zeuxim ferre
8») La Grande-Orhce I p. 170.
") Auf das bitliynische Herakleia hat aucli Bursiaii, AUg. Encycl. I Bd. 82
>S. 4ü9 geratlien und zwar auf Grund der Annahme von Zeuxis' Zugehürigi^eit zur
kleinasiatischen Malerschule. In Kleinasien liegt auch dieses Herakleia, aber ganz
fern ab von dem Centrum der asiatischen MaJerei und in natürlicher Verbindung
mit Nordgriechenland, an dessen Hellenisiruiig es gros-sen Antheil hat.
105
secum. Das klingt nach Poesie und mit glücklichem Griff hat
Schneidewin ein Verslein des Babrios herbeigezogen, welches den-
selben Gedanken noch in der poetischen Form bewahrt:
IL Prooem. 9 utt' e|uoO öe TrpajTou Tfjq Qvpac, dvoixOeicrriq
eidfiXGov aXXoi.
Der Anfang gehört also auch noch zu dem Gedichte des Apollo-
dor^'*). Aber lassen wir das für einen Augenblick bei Seite und wen-
den wir uns zu dem Auffallendsten, was diese Stelle enthält. Nie-
mals kommt mehr bei Plinius eine Zeitbestimmung eines Künstlers
vor , die das Jahr der Olympiade enthält. Daraus wird man
schliessen müssen, dass wir hier plötzlich eine primäre Quelle vor
uns haben, und die polemische Gegenüberstellung zweier Daten
passt dazu vortrefflich. Woher stammen die beiden Daten? Robert
theilt das Datum 95, 4 dem Xenokrates zu, den Antigonos mit dem
früheren Ansätze berichtigt habe, das sind Resultate seiner Quellen-
analyse des Plinius. Seltsamerweise gibt aber Plinius zuversichtlich
den xenokrateischen Ansatz als die Verbesserung des antigoneischen
aus. Und dann, wie kam Xenokrates zu seinem falschen Ansätze?
Darauf bemerkt Robert: „Xenokrates müsse ein Werk des Malers
gekannt habeU; das mit einem Ereigniss nicht nur der 95. Olympiade,
sondern gerade des 4. Jahres derselben in Beziehung entweder
wirklich stand oder gesetzt werden konnte. Dieses ausfindig zu
machen ist indessen noch nicht gelungen." Ich glaube es wird auch
weiter nicht gelingen. Denn die seltsame Vorstellung , als habe
Xenokrates nach Akme-Daten gerechnet, halte ich von vorneherein
für falsch. Seine Chronologie war wohl nach älterem, voralexan-
drinischem Zuschnitte, etwa wie die Ycveai-Rechnungen , die bei
Pausanias stehen. Beiden Daten aber liegt, so sehr sie auch von
einander abweichen, die gleiche Rechnungsbasis zu Grunde, die zu
chronologischer Behandlung herausfordernde Stelle des platonischen
Protagoras, in der Zeuxis als veavicTKO^, der soeben aus Herakleia
gekommen ist, auftritt. Das Datum des zweiten athenischen Auf-
enthaltes des Protagoras ist die 89. Olympiade, da ist der erste
Rechner bald fertig: er setzt die gleiche Olympiade für Zeuxis, der
zweite rechnet etwas genauer nach. Piaton erwähnt im selben Pro-
tagoras die Aufführung der "Atpioi des Pherekrates als soeben statt-
gefunden , das war Olymp. 89, 4 unter dem Archen Aristion. Dies
Datum setzt unser Rechner auch für Zeuxis ein, aber für den veavidKoq,
^') Rhein. Mus. 1850 S. 479, vergl. Oveib. Schriftq. zu Nr. 1G47.
106
den er nach attischer Weise mit sechzehn Jahren taxirt, und rechnet
dann sein vierzigstes Lebensalter als Akme heraus, also 24 Jahre
dazu, macht Olymp. 95, 4. Wer der erste Rechner war, das mag
dahingestellt bleiben, der zweite war sicher Apollodor der Chrono-
graph. Das ergibt sich nicht bloss aus der Art der Rechnung, son-
dern auch aus einer schärferen Betrachtung des Plinianischen Textes.
Ich habe oben bemerkt, dass der Anfang unserer Stelle und der
Vers des Malers Apollodor, das Oeffnen der Thüre und das Weg-
tragen der Kunst, auf das Engste zusammengehören. Daraus ergibt
sich nun der Sachverhalt von selbst. Die unmittelbare Quelle des
Plinius gab zur Bekämpfung des Ansatzes Olymp. 89 ein Citat aus
der Reimchronik Apollodors. Unser Autor überträgt davon ein Stück
in seine Prosa, bewahrt aber doch einen Vers, der ihm merkwürdig
erscheint; da«!s er hiebei den Namen des Dichters hinzufügt, ist nur
recht und billig, dass er diesem Namen ein supra scriptus hinzufügt,
das ist eine seiner allerschönsten Dummheiten, weiter nichts.
Ich will nur noch der Schwierigkeiten gedenken , die ohne
diese Annahme uns aus dem Texte des Plinius erwachsen. Er lässt
den „Maler" Apollodor sagen: artem ipsis ablatam, das heisst doch
dem Demophilus von Himera und Neseas von Thasos, die vorher-
gehen, und da das ganz unmöglich ist, hat man aus dem 'ipsis ein
ipsi conjicirt und den Meister für sein verwegenes )uuj)ar|creTai T\q
laäXXov ri juijurjCTeTai gründlich Busse thun lassen. Dabei hat man
aber übersehen, dass dann Zeuxis sein Schüler gewesen und auch
als solcher bezeugt sein müsste, denn die Phrase ist ja nichts als
eine poetische Lehrerangabe. Ferner konnte Babrios das weitver-
breitete chronologische Handbuch sehr gut kennen, während die
Annahme Schneidewins bei ihm eine ganz unmögliche Gelehrsam-
keit voraussetzt. Mit dieser Erkenntniss ist nicht nur ein neues
Fragment des Chronographen gewonnen , sondern es entfällt auch
die Nothwendigkeit, Zeuxis mit Apollodor in persönlichen Zusam-
menhang zu bringen. Dass nichtsdestoweniger ein solcher vor-
handen gewesen sein könnte, vermag ich natürlich nicht in Abrede
zu stellen.
Nach dieser seiner Meisterleistung fährt Plinius fort: opes
quoque tantas adquisivit, ut in osttntationeni earum Olympiae aureis
litteris in palliorum tesseris intextum nomen suum ostentaret. Dann
verschenkt er seine unbezahlbaren Bilder, wie die angeführten Bei-
spiele lehren, jedoch nur an Leute, die in der Lage waren, solche
zarte Aufmerksamkeiten gebührend zu erwiedern. Brunn übersetzt
107
die angeführte Stelle: „Auch erwarb er solche Schätze, dass er um
sich mit ihnen zu brüsten, zu Olympia in einem Gewände erschien,
in dessen Muster sein Name mit goldenen Buchstaben eingewebt
zu sehen war."^^) Das ist, wie man sieht, ziemlich frei übertragen,
eine wörtliche Uebersetzung würde freilich keinen lesbaren Text
geben. Urliehs bemerkt zu den Worten in — tesseris „auf vier-
eckigen Läppchen, worauf sein Name gestickt Avar"^^). Aber da-
durch wird die Sache um nichts besser. Man kann sich doch kaum
etwas Läppischeres denken, als den in solchen Lappen herum-
stolzirenden Maler, und wie er dadurch sich mit seinem Reichthura
brüsten will, ist mir ganz unklar. Auch weiss ich wirklich nicht, wie
sich Plinius die Sache gedacht hat; daraufkommt zwar so viel nicht
an, ich glaube aber, diesmal ist er besser als sein Ruf, denn was
im Wortlaute seines Berichtes steckt, scheint doch etwas anderes
zu sein. Zunächst habe ich zu erwähnen, dass die Leseart in osten-
tationem Conjectur ist, die Handschriften bieten in ostentatione, das
gibt den guten Sinn , dass er seine Schätze zu Olympia wirklich
ausgestellt habe. Dann ist noch darauf hinzuweisen , dass palUa
Plural ist. Ja, aber Zeuxis kann doch nicht mehrere solcher pallia
getragen haben? Doch wo steht denn, dass er sie trug? Die
tesserae dieser pallia sind dem einfachen Sprachgebrauche nach
Aufschrifttäfelchen, da hatte der Name Zeuxis auch mit goldenen
Buchstaben seine volle Berechtigung. Ich brauche nur an das früher
über die Maler-Agone Bemerkte zu erinnern, und man sieht, es ist
hier von den Vorhängen seiner zu Olympia ausgestellten Bilder die
Rede. Dazu passt es auch recht gut, dass der Zeuxis des Lucian,
da er sich über den Unverstand des sein Bild bewundernden Publi-
kums ärgert, seinem Schüler Mikkion zuruft: TTepißaXe fjöri ifiv eiKOva.
Was wir von den Werken des Zeuxis bei Plinius hören, ist
nicht darnach angethan, uns eine noch so vage Vorstellung vom
Schaffen dieses Meisters zu gewähren. Wir könnten hier sichten
und jäten, doch das positive Erträgniss wird dadurch kein reicheres.
Aber glücklicherweise besitzen wir die musterhafte Beschreibung
eines seiner Bilder durch Lucian, und die Schilderung dieser Scene
aus dem Familienleben eines Kentauren, sie gibt uns wie mit einem
Zuge die Umrisse einer genialen künstlerischen Individualität. Die
alten phantastischen Typen, die so lange in der Poesie wie in der
'^) Künstlergeschichte II 78,
'*) Ohreatomathia Pliniana S, 348.
108
bildenden Kunst ihre Existenz nur im Rahmen des Mythos gefristet
haben sie sind zu eigenem Leben erwacht, mit dem sie es nun
als wackere Leute so ernst als möglich nehmen. Einen trefflicheren
Ausdruck als den lucianischen AuToßopea^ kann man sich gar nicht
denken. Nur schade, dass er ihn und die Tritonen so kurz erwähnt,
dass wir den grandiosen Humor in diesen Figuren blos ahnen und
nicht nachempfinden können. So müssen wir uns denn begnügen,
aus dieser Erwähnung zu lernen , dass Zeuxis das Leben und
Treiben der Ungestalten des Himmels, der Erde und des Meeres
mit gleicher Liebe geschildert hat. Den besten Beweis dafür, dass
Lucian hier dank seinem in der antiken Kunstschriftstellerei niemals
übertroffenen Verständniss den Kern der künstlerischen Persönlich-
keit mit sicherer Hand erfasst hat, bietet uns Aristoteles, der den
Zeuxis als Paradigma für das iriöavöv dbuvaiov hinstellt. Und
kunstgeschichtlich wird uns seine Art als die nothwendige Con-
sequenz der That seines Vorgängers, des Entdeckers der Illusion,
voll begreiflich.
Auf Grund des lucianischen Gemäldes hat man längst zwei
weitere Bilder, die das Familienleben der Kentauren schildern, mit
Zeuxis in Verbindung gebracht, die Kentaurinnen mit ihren Jungen
bei Philostratos H, 3 und das Berliner Mosaik Mon. IV, 50. Der
Einfluss unseres Meisters kann hier füglich nicht bestritten, sondern
nur auf seine Stärke geprüft werden. Ich bekenne, in beiden
Fällen die stricteste Abhängigkeit für das Wahrscheinlichste zu
holten. Es sind Variationen , die das pastorale wie das heroische
Motiv des angeschlagenen Themas voll und ganz zum Ausklange
bringen.
Der trübe Rest von Bildererwähnungen kann nur dann für
den Endzweck, unser reales Wissen von Zeuxis zu erweitern,
brauchbar gemacht werden, wenn es uns gelingt, mit Hilfe der paar
überlieferten Namen in unserem Monumentenvorrath oder in den
überkommenen Bilderbeschreibungen weitere Spuren seines Wirkens
zu entdecken. Diesen Weg hat bereits Heinrich Brunn der For-
schung gewiesen und es geziemt mir, als priacipiellem Gegner,
dieses um so nachdrücklicher zu betonen. Von den vier philostra-
teischen Gemälden, die er zur Belebung dieser Schemen herbei-
zieht, Pan, Marsyas, Herakles Schlangenwürger und Penelope, scheint
mir freilich nur das Erstgenannte (II, 11) eine innere Gewähr dafür
zu bieten, dass es mit unserem Meister im Zusammenhange steht.
Die Auffassung des Stoffes erinnert hier direct an das Kentauren-
109
bild. Sie ist beidemale so durchaus modern, dass ein sensationeller
Name als Unterschrift besser passen würde, als ein homerischer
Vers. Das „gestörte Mittagsschläfchen" ist desselben Geistes Kind
wie die „schöne Bescheerung''. Die Fesselung des Pan durch die
Nymphen als Inhalt des zeuxidischen Panbildes anzunehmen, scheint
aber auch noch der von Brunn hervorgehobene Umstand zu be-
günstigen , dass wir damit ein lustiges Gegenstück zu seinem ge-
fesselten Marsyas gewönnen. Für diesen ist die Hoffnung, von ihm
in den uns erhaltenen Monumenten eine Spur zu entdecken, gewiss
berechtigt, doch kann ich Milchhöfers Meinung nicht beipflichten,
der den Messerschleifer damit zusammengehörig und die berühmte
plastische Einzelfigur des Marsyas für zeuxidischen Ursprunges
hält. Dieser Marsyastypus ist auf ganz anderem Boden erwachsen;
er ist mir erst durch die Auffassung als antike „Anatomiefigur"
verständlich geworden. Vielleicht hat die Relief vase des Neapler
Museums 2991^^) Keminiscenzen an das Bild des Zeuxis bewahrt.
Die Bewegungen einzelner Figuren weisen bestimmt auf gute Vor-
bilder. Es scheint mir aber eine kaum gerechtfertigte Concession
an die Ausdrucksweise des Plinius zu sein, wenn man von unserem
Meister voraussetzt, „dass seine Tafelbilder sich auf wenige Ge-
stalten und einzelne Situationen beschränkt zu haben scheinen""'^).
Von den Bildern, die man für diese Annahme verwerthen könnte,
habe ich den Athleten, die Penelope und den Knaben mit der Traube
bereits früher in Abzug gebracht. Es verbleibt nur — der Helena
habe ich noch zu gedenken — der rosenbekränzte Eros, dessen Ari-
stophanes und sein Scholiast Erwähnung thun. Das ist aber wahr-
scheinlicher ein Citat aus einem Bilde, als ein Bildcitat. Es ent-
spricht auch gar nicht der Weise der gleichzeitigen Malerei, man
müsste denn annehmen, dass die attischen Vasen dieser Zeit, die
ihren Reichthum an Figuren und Motiven so gefällig zur Schau zu
tragen wissen, von Zeuxis unbeeinflusst seien. Dagegen sprechen
aber die üppigen nackten Frauengestalten, in deren Wiedergabe
sie förmlich schwelgen , denn in diesem Punkte hat Zeuxis nicht
bloss den homerischen Geschmack getroffen, wie Quintilian be-
richtet^'), sondern auch den seiner attischen Zeitgenossen ^^). Ein
»5) Abgeb. Arch. Zeit. 1869 Taf. 18.
^') So noch V. Ehoden in Baumeisters Denkm. d. Alterth. S, 861.
»') XII, 10, 4 = Overb. Schriftq. 1680.
") Xenophon, Oecon. X. 1 = Overb. Schri%. 1684.
110
so feiner Geist wie Plinius, fttr den löst sich gleich alles in Lob
oder Tadel auf, und so tadelt er ihn denn als grandior in capitibus
articidisque, ohne zu merken — es haben übrigens Andere auch
nichts gemerkt — , dass er dadurch, das» er zu viel sagt, nichts
sagt 39).
Magnificus est luppiter eins in thvono adstantihus dis. Dieser
Vorwurf will zunächst zu dem, was wir bisher von Zeuxis kennen
gelernt haben, nicht recht passen, denn die Vorstellung einer grossen
ceremoniellen und situationslosen Götterversammlung, die sich ein-
dringlich an das religiöse Empfinden des Betrachters wendet, sie steht
in allzu grossem Abstände von dem Meister des Kentaurenbildes.
Aber müssen diese Worte noth wendig ein solches Götteraufgebot
bedeuten? Das vielbesprochene, jüngst wieder von Robert ver-
kehrt gedeutete Vasenbild Compte rendu 1860 Taf. II zeigt uns
einen von Göttern umgeben thronenden Zeus, dem wir das Beiwort
magnificus nicht vorenthalten mögen"^"). Der Charakter der Darstel-
lung ist aber ein so intimer, olympisch häuslicher, dass der Ge-
danke an zeuxidischen Einfluss für uns hier alles Befremdliche ver-
liert. Man wird sich auch kaum erwehren können an ein berühmtes
"j Robert hält Arch. Märchen S. 76 diesen Tadel vollinhaltlich für „Xeno-
krates" und findet den dazu nöthigen „Autigonus" in der „Zurückweisung dieses
Vorwurfes" bei Quintilian. Jedoch ein Künstler und noch dazu einer, dem der
Kampf um die kanonische Proportionslehre die Feder in die Hand gedrückt hatte,
wird wohl gewusst haben, dass eine Figur nicht grösser wird, wenn man den Kopt
und die Glieder gleicherweise vergrössert, Lysipp hatte ja gerade das Gegentheil
sehr eindringlich gelehrt. Aber steht denn nicht 35, 128 genaa dasselbe von Eu-
phranor zu lesen? Auch er war capitibus articulisque grandior'? Gewiss, doch
davor heisst es auch : aed fuit in universitate corporum exilior, und da kann der
Sinn nicht weiter zweifelhaft sein. Das will besagen, Euphranors Figuren haben
trotz ihrer grösseren Schlankheit doch noch nicht so viel Kopflängen, als die
lysippischen. Aber in unserer Stelle können wir die exilitas corporum leider nicht
suppliren, denn die validisaimd, forma Quintilians erhebt dagegen energisch Ein-
.spruch und damit fehlt jede Möglichkeit eints gesunden Sinnes. Seine Angabe;
Zeuxia plus membria corporia dedit scheint die originale Fassung der Vorlage des
Plinius (vernmthlich Varro) wiederzugeben. Durch die Exeuiplification an den
homerischen Frauengestalten werden wir auf das Helenabild unseres Meisters als
auf die letzte Quelle gewiesen. So bleibt denn die Lehre vom Kanon dort wo sie
hingehört, in der Geschichte der Plastik.
*") Wiener Vorlegebl. Ser. A Taf. 10 und Robert, Arch. Mär. Taf. III. Ich
verkenne die von Strube hervorgehobene starke Aehnlichkeit der Zeusfigur dieses
Bildes mit der auf Taf. U bei Robert nicht und halte die von Stephani gegebene
und von Robert corrigirte Deutung für unzweifelhaft. Was aber daraus für die
Exegese unseres Bildes folgen soll, vermag ich nicht zu fassen.
lU
Original zu denken, namentlich erinnert die in entblösster Leibes-
schönheit sitzende Aphrodite an das Frauenideal unseres Meisters.
Dies Frauenideal hatte er in seiner Helena am wirksamsten
verkörpert. Der Zeugnisse, die uns von ihr berichten, haben wir
die Fülle, sie gehen aber auf zwei verschiedene Bilder seiner Hand
zurück, deren Verhältniss uns jedoch unbekannt ist. Das eine für
den Tempel der Hera Lakinia zu Kroton gemalt, kam später nach
Rom in die Porticus des Philippus, wohl kaum auf dem Umwege
über Ambrakia, wie Urlichs annimmt. Die Sage, dass fünf aus-
erwählte Jungfrauen dem Künstler als Modelle für die eine Figur
der Helena dienten, haftete an diesem Bilde; ihr frühester Zeuge
ist Cicero, aus dessen Redeweise man schliessen darf, dass das
Werk damals bereits in Rom gewesen sei^^). Auffallend ist be-
züglich der Modelljungfrauen die Wendung: quarum nomina multi
poetae memoriae prodidfrunf., quod eins essent iudicio prohatae, qui
pulchritiidinis habere verissimum iiidicium dehuisaet^'^). Auf keinen
Fall sind solche poetische Behandlungen dieser Legende sonderlich
alt gewesen , aber für eine blosse Phrase kann man diese Erwäh-
nung auch nicht halten, denn die Erzählung des Cicero erweist sich
leicht als eine Contamination aus zwei verschiedenen Versionen
dieses Stoffes. Die eine erzählte die Sache recht schmuckvoll.
Zeuxis stellt die Bedingung, man müsse ihm zu seinem Bilde die
fünf schönsten Jungfrauen der Stadt als Modelle stellen. Da finden
denn die Stadtväter, die doch den begehrlichen Augen des Künstlers
die Schönheit ihrer Jungfrauen nicht preisgeben mögen, einen feinen
Rath. Sie führen den Zeuxis in die Palästra, er bezeichnet dort
die schönsten Jünglinge, und deren Schwestern sind die gesuchten
Modelle. Die Erzählung, an deren dichterischer Fassung kaum zu
^') De inv. 11, 1, 1 = Overb. Schriftq. 1668. Cicero lässt den Zeuxis für
diesen Tempel eine ganze Reihe von Werken ausführen : „quarum nonnulla pars
usque ad nostram memoriam propter fani religionem- rema/nsit". Ich vermuthe, dass
zu diesen auch die Alkmene gehörte , die Zeuxis nach Plinius den Agrigeutinern
geschenkt haben soll , da Plinius den Tempel der Krotoniaten 35, 63 nach Agri-
gent verlegt. Dadurch würde auch das Datum der Zerstörung dieser Stadt Olymp.
93, 3 für die Chronologie unseres Äleisters jede Bedeutung verlieren, was jedoch
an der Bestimmung seiner Ahme nicht viel ändern würde. Die Identität dieser
Alkmene mit dem Hercules infans dracones slrangulans Alcmena matre coravi pu-
vente et Amphitryone hat bereits Urlichs Chrest. Plin. p. 348 wahrscheinlich ge-
macht.
■"') L. Urlichs, Ueber griech. Kunstschriftsteller S. 46, denkt an Epigramme
und meint, dass Cicero das Werk des Pasiteles bereits benutzt haben könnte.
112
zweifeln ist, hat die klare Tendenz, die brutale und schamlose
Anekdote, wie sie Plinius und Dionysios von Halikarnass erzählen ^^)
zu berichtigen. Cicero stellt aus beiden seinen Brei her, wobei
mau denn nur nicht begreift, warum die Krotoniaten den Maler mit
so feierlichen Gesichtern zuerst in die Palästra führen. Woher
wusste nun. der Dichter der einen Version die Namen der fünf
Schönen, wie entstand überhaupt die ganze Legende? Sie ist ein
heiteres Gegenstück zur bekannten Sage der Folterung oder Kreu-
zigung eines Modells^"*); doch wir wollen uns zunächst nach dem
zweiten Helenabilde umsehen. Es befand sich nach einer Notiz bei
Eustathios in der dXcpiTuuv atod zu Athen*''). An solcher Stelle
war ein solches Werk vor Anekdoten gewiss nicht sicherer als in
Kroton. Zunächst glaube ich, passt die Erzählung, dass der Meister
sein Helenabild nur gegen Eintrittsgeld habe sehen lassen , besser
zum Bilde in der attischen Getreidehalle, als zu dem im Heratempel.
Davon soll sie den Beinamen der Hetäre erhalten haben, möglich
wäre die Sache aber auch umgekehrt und der Beinamen dann das
einzig Reale an der Geschichte. Jedesfalls haben nicht alle Be-
schauer in dem Bilde die Göttin erkannt, wie die zweimal über-
lieferte Anekdote vom Maler Nikomachos und dem vorwitzigen
Tadler dieses Bildes beweist. Vermuthlich wird sich dieser Meister
in seiner Elegie über die Maler gerade bezüglich dieses Bildes
kräftig ausgesprochen haben. Dass aber diese Anekdote wahr-
scheinlicher in Athen als in Kroton spielt, ist, wie ich aus der oben
citiiten Anmerkung ersehe, schon früher vermuthet worden. Schliess-
lich passt die herausfordernde Unterschrift der homerischen Verse
II. HI 156:
Oü ve'|ueai(^ TpuJat; Kai eüicvr^ibat; Axaiou^
Toirib' djuqpi Y^vaiKi ttoXuv xpövov dXxea irdaxeiv
zu dem Spottnamen fast wie Frage und Antwort.
Ich denke es wäre jetzt endlich an der Zeit, die durch Les-
sing stabilisirte Vorstellung, als sei das Helenabild des Zeuxis,
mag man nun das attische oder sicilische meinen, ein einfacher
weiblicher Act gewesen, zu verabschieden. Helenen in jedem Weibe
zu sehen, das ist für die Antike schlechthin unmöglich. Noch in der
Zeit unmittelbar vor Zeuxis musste man , um Helena nur ein
''; Overbeck Schriftqu. Iü67 u. 16G9.
") Veigl. Milclih.ifer, Berl. Winckelinaiiiispr. 1882 S. 40 Aniii. 42.
^*) hJ II. A, V. 630; Ovcrb. Schriftfiu. Nr. Iü75; vergl. die Anmerkiino- daselbst.
113
wenig entblössen zu können, die Iliupersis malen, das ist jetzt frei-
lich nicht mehr nöthig. Zwei Vasen der Eremitage zeigen uns eine
ganz neue Situation^*'), in welcher die Nacktheit der Helena äusser-
lich zwar sehr wenig motivirt erscheint, aber da die Wirkung ihrer
Schönheit zum Ausdruck gebracht werden soll, künstlerisch nicht
unberechtigt erscheinen kann. Die erste stellt die Zusammenkunft
mit Paris, die zweite die Entführung durch denselben dar. Die
Annahme, diese Darstellungen seien von Zeuxis beeinflusst, scheint
mir unausweichlich, und namentlich das ersterwähnte Gefässbild
dürfte als direct abhängig gelten können. Der intime Reiz dieser
Scene entspricht der Art des Meisters und die thronende Helena
gleicht auffallend der Aphrodite jener früher behandelten olym-
pischen Darstellung. Die beiden Hauptfiguren unseres Vasenbildes
sind ausser von zwei Eroten noch von zwei männlichen und vier
weiblichen Figuren umgeben. Bei diesen variirt die Bekleidung von
leichter Entblössung bis zu völliger Verhüllung. Auch die Helena
Polygnots umgaben fünf Frauengestalten. Nehmen wir dies auch
für Zeuxis an, denken wir uns auch beigeschriebene Namen für
diese jungfräulichen Gestalten, denken wir ?ie in Bezug auf die
Gewandung wohl in der Art der Vase von Kertsch, aber noch etwas
freier und feiner abgestuft, dann, glaube ich, haben wir die
Elemente beisammen, aus denen die krotoniatische Sage hervorgehen
konnte, fast möchte ich sagen hervorgehen musste.
Als Anhang zu den Bildern unseres Meisters nach seinen mono-
chromafa ex alho tiguriren plastische Werke, sonderbarer Weise aber
nur in Thon ausgeführt, von denen Plinius 35, 66 berichtet: fecit et
figlina opera, quae sola in Ambracia relicta sunt, cum inde Musas Fulviiis
Nobilior Eomam transferret. Dazu verweist man gewöhnlich auf
seinen „Lehrer" Damophilos, der auch Maler und Plastiker zu-
gleich gewesen sei, obschon das Epigramm doch nur seinen Male-
reien gilt. Wie kamen nun diese figlina opera nach Ambrakia und
warum liess man sie dort zurück? Livius 38, 9 und 39, 5 erzählt,
welche grosse Summe von Kunstschätzen aller Art aus dem alten
Palast des Pyrrhos entführt worden. Ich vermuthe Pyrrhos war in
den Besitz dieser Werke des Zeuxis als Herr von Makedonien
gekommen. In Pella hatte Zeuxis einst dem Archelaos seinen
Palast mit Bildern geschmückt, dort befand sich sein Pan. Die
^"j Stephan! Vasensammlung 1924, abgeb. 'Comp^e rendu 1861 pl. V. 1. 2 und
WicMier Vorlegebl. Serie C Taf. I 3. Stephan! 1929, abgeb. a. a. O. pl. V. 3. 4.
114
figliiia opera werden einfach Bilder auf Thonplatten gewesen sein,
die man in den Wänden zurückliess. Der Sieger liess sie vielleicht
nur darum nicht herausbrechen, weil er in der Fülle der beweg-
licheren Schätze ihren Weith kaum ahnte. Wer aber diese Technik
für Zeuxis anstössig finden sollte, der möge daran erinnert sein,
dass die Alten ihn noch zu den Tetrachromenmalern gerechnet haben.
Der Gegensatz zwischen Zeuxis und Parrhasios, der sich in
den einander zugeschleuderten Epigrammen so energisch Luft macht,
beruht zunächst in der Stellung der beiden Kämpen als Häupter
zweier rivalisirender Schulen. Er scheint aber auch in einer grund-
sätzlich verschiedenen Kunstrichtung zu wurzeln. Parrhasios ist der
Angreifer. Er verkündet laut, dass er die Grenzen der Kunst er-
reicht habe, er will da sein Siegeszeichen aufstellen und opfert
bereits dem Momos. Nun bricht Zeuxis los und wirft ilim die
Herausforderung zu. Es wird uns heute wohl kaum mehr ver-
ständlich sein, wie man diese Epigramme, die doch nur aus ihrer
Zeit heraus erklärlich sind, einst für Trümmer von Nikoraachos'
Maler-Elegie halten konnte. Der Erfinder der Trauben- und Vorhang-
Anekdote (Duris) hat Parrhasios als Sieger aus diesem Kampfe her-
vorgehen lassen und auch Quintilian neigt sich auf dessen Seite. Als
ein entgegenstehendes Zeugniss kann man den Ausspruch des Aristo-
demos bei Xenophon (Mem. I, 43), der Zeuxis für den Ersten der
Maler erklärt, geltend machen, doch wiegt diesen wie die übrigen
günstigen Erwähnungen des Zeuxis im Kreise des Sokrates das
Gespräch des letzteren mit Parrhasios voll auf. Von allen Zeugnissen,
die uns über diesen Meister zu Gebote stehen, verdienen seine eigenen
Angaben in erster Linie Berücksichtigung. Sie sind uns in zwei-
facher Form erhalten, denn die Epigramme, die uns Athenaios mit-
theilt, sind bei Plinius in die Darstellung verwoben. Die plinia-
nische Expectoration hat aber für uns darum noch einen selbststän-
digen Werth, weil sie ein uns sonst unbekanntes, ihm ganz beson-
ders anstössiges Epigrammbruchstück bewahrt hat, seine Angabe:
super omnia {vsurpavit) Apol/inis se radice ortum. Es ist recht lustig,
neben den alten auch die modernen Entrüstungsausbrüche über diese
Vermessenheit zu lesen, die bei Licht besehen nichts ist als eine
simple Stammesangabe. Wenn sich der Meister zunächst selbst vor-
stellt als aßpobiaiTO^ dvj'ip k. t. X., dann seine berühmte Heimat
Ephesos nennt, ferner Euenor als seinen Vater kräftig hervorhebt,
darf er denn schliesslich nicht bekennen, dass er ein lonier aus
Ions Stamme ist, der bekanntlich ein wenig legitimer aber immer-
llf)
hin ein Sohn des Apollo gewesen sein soll? Und wahrlich einen
typischeren lonier als unseren Parrhasios wird man schwer auf-
treiben können. Ionisch ist seine Freude an Prunk und Pracht,
seine Offenherzigkeit, sein Selbstgefühl, sein Uebermuth, seine
Lustigkeit, seine poetische Gabe und seine künstlerische Genialität.
Bezüglich seines merkwürdigen Selbstbekenntnisses, das er in
dem oft gebrauchten Vers: dßpobi'aiTO«; dvir)p dpeiriv re (Jeßuuv toö'
efpay\ia niedergelegt hat, weist Klearchos im dritten Buche seiner
Schrift TTepi ßiuuv^^) auf einen ähnlichen Ausspruch der Sappho hin,
der unserem Meister wohl zum Vorbild diente:
'Etuj be qpiXrm' dßpoaüvav Kai \xox tö Xaiimpov
^po<; deXiu) Kttl TÖ KttXov \e\oYXe
und citirt zugleich den guten Spass eines Zeitgenossen, der paßbo-
biaiToq für passender hielt. Im Uebrigen findet er sein Gebahren
zwar anstössig, beruhigt sich aber schliesslich mit dem Hinweis auf
seine Verehrung der Arete. Noch einmal bietet uns Athenaios (XII
p. 543 C) einen Auszug derselben Stelle des Klearchos. Diesmal
erwähnt er auch seines Purpurmantels und des goldenen Kranzes,
und fügt aus anderer Quelle, wie man bemerkt hat^*^), eine zweite
ausführlichere Schilderung seines Wesens hinzu, wobei die Tracht
unseres Meisters eine wesentliche Bereicherung erfährt. Der goldene
Kranz wird hier zur weissen Binde, seinen Stab umwinden goldene
Ranken und auch seine Schuhschnallen sind von Gold. In dieser
zweiten Quelle glaubt Robert „nach dem ganzen bisherigen Gang der
Untersuchung" Antigonos erkennen zu müssen, der aber selber den
Klearchos benutzt haben soll, so dass dieser letztere von Athenaios
zunächst direct, dann aber wiederum aus zweiter Hand verwerthet
wird. Athenaios nennt aber diese zweite Quelle ausdrücklich mit
den Worten \hc, latopei OeöcppaaToq ev tu) Ttepi eubaijuoviac; , denn
bloss auf das Singen beim Arbeiten wird man doch dieses Citat
nicht beschränken können. Das wäre wohl ebenso falsch, als wenn
man das Klearchoscitat dieser Stelle nur auf den demselben vorauf-
gehenden Satz beziehen wollte, Theophrast und Klearchos gehören
derselben Zeit, wie der gleichen Richtung an, und in der genannten
Schrift hat die Behandlung der xpucpn des Parrhasios sicherlich
nichts Auffälliges. Aber auch die Verehrung der Arete ist für ihn
■") Athenaios XV p. 687 A.
'") Robert, Aich. Märchen S. 80, veigl. auch Müller, Fragm. Eist. Gf\ II
p. 304.
116
charakteristisch, kaum minder als es für Apelles die Verehrung
der Charis ist. Er hat sie auch gemalt und zwar neben Dionysos
stehend, ich denke, er konnte seinen Vers nicht deutlicher illustriren^^).
Welche Schutzpatronin ziemte übrigens dem Heroenmaler besser?
— Zu jenem Theil seiner Verse, wo er seiner Heimat und seines
Vaters gedenkt, genügen ein paar Worte. Wenn späte Autoren
den Parrhasios zum Athener machen, so verleiht man jetzt glück-
licherweise auf solche Aussprüche hin keine Bürgerrechtsdiplome
mehr. Seinen Vater nennt Plinius zugleich seinen Lehrer. Das that
auch Juba im 8. Buche seiner Schrift über die Maler, in welchem
er nach Harpokrations Zeugniss unseren Meister umständlich be-
handelt hat. Vermuthlich dankt ihm Plinius nicht bloss diese Kleinig-
keit. Der übrigen Verse, sowohl derjenigen, in denen Parrhasios
seine Ansprüche auf den höchsten Ruhm geltend macht, wie der
Unterschrift seines lindischen Heraklesbildes werden wir noch zu
gedenken haben, für jetzt bleibt noch die Frage zu erledigen, wie
er in das Autorenverzeichniss des 35. Buches des Plinius kam.
Brunn versucht diese Erwähnung auf die ^grapliidis vestigia in
tahulis ac membranis etus"' (Plinius 35, 68) zu beziehen, da eine
Schrift unseres Meisters nirgends erwähnt werde. Indessen das
waren Handzeichnungen, und es ist nicht abzusehen, wie sie in
den Index kommen konnten. Die Sache ist weit einfacher; Plinius
hat sich die Uebersetzung der Verse in die lateinische Prosa so
hoch angerechnet. Von denen des Zeuxis hat er keine Notiz ge-
nommen, sonst würden auch an dieser Stelle die beiden Gegner
friedHch nebeneinander stehen.
Ein Vers ist aber der Aufmerksamkeit des Plinius doch ent-
gangen, die Künstlerinschrift eines herakleotischen Skyphos mit der
Darstellung der Iliupersis
Tpdiajua nappaaioio, xexva Wivöq, iji^x bi eiKiOv
'l\iou aiTTeivä? otv e\ov AiaKibai. ^")
Sie zeigt unsern Meister mit dem berühmten Toreuten in einer Ver-
bindung, in der wir die alten Vasenmaler und Töpfer zu sehen
gewohnt sind, denn der Vers ist eine poetische Umschreibung des
") Der Philiskos, der von modernen Exegeten in dieses Bild mit hinein-
genommen worden ist, hat damit nichts zu thun, das ist jetzt wohl selbstver-
ständlich.
") Athen. XI p. 782 B, vergl. die Lesearten Jahn -Michaelis, Paus, des-
criplio arcii Athen, p. 33.
117
uns so wohlbekannten e'Tpai|f€V und en-oiiicrev. Diese Verbindung
war eine dauernde. Bei der Erwähnung der toreutischen Arbeiten
am Schilde der Promaehos bemerkt Pausanias ^^) : Kai oi ifiv erri
Tfjq acTTtiboq AaTTieuJv rrpo«; Keviaupouc^ Maxnv Kai ocra aXXa 6(Ttiv
eTT€ipYao"|aeva XeYouaiv xopeuffai MOv, tlu be Mm raOid re Kai xa
Xomd TÜjv epTUJV TTappdcriov KaxaTpdvjjai xöv Eurjvopo^. Mys ist uns
seiner Heimat nach nicht bekannt; ein Goldschmied dieses Namens,
Sohn des Hermios, der in einer attischen Inschrift als Isotele
genannt wird, kann seiner Zeit nach mit diesem nicht identisch,
sehr wohl aber verwandt sein, und unser Mys dürfte wohl mit
Parrhasios nach Athen gewandert sein. Es ist auch ohne äussere
Zeugnisse aus der Natur der Sache , wie aus naheliegenden Ana-
logien zu folgern, dass die kleinasiatische Goldschmiedezunft mit
der dortigen Malerschule in enger Verbindung zu denken ist, so
möchte denn z. B. Apelles einer Goldschmiedefamilie entstammt sein.
Maler war sein Vater keinesfalls, sonst hätte er seinen ersten Unter-
richt in dieser Kunst, den er nachher selber seinem Bruder er-
theilte , von dem Vater zu Kolophon und nicht von Ephoros von
Ephesos empfangen, aber im Verzeichniss der alten Toreuten spielt
sein Name wie der seines Vaters Pytheas eine Rolle. — Selbstver-
ständlich ist es mir hier nicht darum zu thun, die Zeichnung eines
zweiten von Mys bekannten Bechers , der Silenos et Cupidines
zeigte*'), für Parrhasios zu reclamireu; zufällig wird es freilich
kaum sein, dass sich dieser Becher in Rhodos befand, für das
Parrhasios eine Reihe von Arbeiten geliefert hat; ich will nur dar-
auf aufmerksam machen, dass nun auf die Angabe des Plinius:
et alia multa graphidis vestigia tactant in tabulis ac memhranis eins,
ex quibus proficere dicuntur artifices, neues Licht fällt. Die tahulae
freilich sind hier völlig unnöthiger Zusatz, denn da überraschen
die graphidis vestigia keineswegs, aber die memhrana mit seinen
Handzeichnungen fordern unsere volle Aufmerksamkeit heraus.
Waren es Entwürfe zu Bildern, war es ein Skizzenbuch mit Studien
oder gar die lihidines minoribiis tahellis? Nichts von alledem. Was
es war, ergibt sich von selbst, wenn man den Nachsatz von den
Künstlern, die daraus grossen Nutzen ziehen, als Zweckangabe
betrachtet, die erst unter Plinius Händen zum leeren Lob wurde ^^j.
") I, 28, 2.
ä') Plinius 33, 1.55.
*') Vergl. 35, 155: Idem (Varro) magnificat Arceailaum L. Luculli familiärem,
cuius proplasmata pluris venire solita artificihus ipsia qiiam aliorum opera.
Archaolugisrh-t'pigiaiihiscbe Mitth. XII. tj
118
Dann passt die durch Athenaios verstärkte Nachricht des Pausanias
mit dieser genau zusammen. Dort wird uns Mys genannt, der nach
diesen Zeichnungen arbeitete, aus dieser Stelle lernen wir, dass er
nicht der einzige Toreut war, den Parrhasios beschäftigte. Der
grosse Ruf, den Parrhasios gerade als Zeichner genoss, kann
von diesen Arbeiten nicht unabhängig sein, vor Allem nicht das
Lob, das ihm nach Plinius Versicherung Xenokrates und Antigonos
80 reichlich ertheilten. Es steht auch gerade vor dieser Stelle und
stösst so unvermittelt an dieselbe an, dass IJrlichs zu einer zwar
einfachen, aber, wie ich glaube, doch entbehrlichen Textänderung
geschritten ist. Sehen wir uns die ganze Stelle vom Anfang des
Parrhasios-Abschnittes bis hieher näher an. Plinius beginnt: Par-
rhasms Ephesi natns et ipse multa contulit. primus symmetriam pic-
turae dedit, primus argutias voltus, eleganiiam capilU, venustatem oris,
coifessione artificuni in liniis extremis palmam adeptiis. Würde an
dieses im Namen der Sachverständigen gespendete Lob der Umriss-
zeichnUDg der Satz : haue ei gloriam concessere Antigonus et Xeno-
crates qiii de piclura scripsere, praedicantes quoque, non solum con-
fitentes mit seiner nachfolgenden Erwähnung der Handzeichnungen
anschliessen, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Nun ist aber
zwischen diesen aufeinander angewiesenen Sätzen eine Erörterung
eingeschoben , die auch Robert durch Winkelklammeru heraus-
hebt^'*), und zwar aus dem Grunde, „da nicht auszumachen ist, ob
sie nicht ganz oder wenigstens zum grossen Theile dem Antigonus
gehört". Ich finde es verständlich, dass, wer mit unerschütter-
lichem Ernste diese Auseinandersetzung über die summa suptüitas
picturae zu lesen vermag, auch einen wackeren Bürgen dafür stellen
möchte, aber ich kann ihn hier nicht bewahren. Was da verball-
hornt ist, können wir so weit es selbstverständlich ist noch er-
rathen. Das Kennerurtheil mochte mit der Begründung abgegeben
worden sein, dass es eine ganz ausserordentliche Leistung sei, im
schlichten Conturstil den Schein der Rundung und Körperlichkeit
zu erreichen. Das wird aber hier auf die pictura übertragen, und
auseinandergesetzt, dass corpora pimjere et media verum eine schöne
aber nicht ungewölinliche Sache sei, extrema corporum facere das
sei das Höchste. Dieses habe Parrhasios erreicht, — minor tamev
videfur sihi comparatus in mediis corporihus exprimendis. Glücklicher-
weise berichtet auch Quintilian über die Zeichnung des Parrhasios,
•'; A. a. O. S. 70.
119
aber nur mit den paar sachgemässen Worten : examiiiasse subtüius
lineas traditur, ohne Hinzufügung irgend eines Tadels.
Die Erwähnung des Antigonos und Xenokrates an dieser Stelle
galt und gilt als einer der wichtigsten Stützpunkte für die Quellen-
analyse des Plinius. Von hier aus hat Brieger die varronischen
Kunsturtheile auf Xenokrates zurückgeführt, und sie sind uns erst
dadurch verständlich geworden, aber auch Roberts öfters genannte
Untersuchung nimmt von hier ihren Ausgang, Diese Doppelerwäh-
nung hat man ziemlich allgemein so verstanden, dass der ältere
Schriftsteller Xenokrates von dem jüngeren Antigonos citirt wurde ■''^),
und das hat alle Wahrscheinlichkeit für sich. Auch glaube ich
gerne, dass Antigonos dieses Citat in seinem Buche über die Malerei
gelegentlich der Behandlung des Parrhasios anbrachte, aber gerade
weil das Buch „nicht bloss eine Geschichte der Malerei, sondern
auch eine Statistik der Gemälde und sogar eine sehr vollständige"
war^^), nimmt sich diese Berufung auf Xenokrates einigermassen
befremdlich aus. Gerade für diesen Punkt wird die vorhergegan-
gene Auseinandersetzung hoffentlich nicht vergeblich sein. Habe
ich mit der Behauptung Recht, dass das Lob der Zeichnung des
Parrhasios nur in losem Zusammenhange mit seinen Bildern, im
innigsten aber mit seinen Zeichnungen für toreutische Arbeiten
steht, dann war es Xenokrates, der jene wiewfcrawa gewürdigt hatte,
die gewiss einer späteren Zeit nicht leicht zugänglich waren. Nach
der Natur dieser Zeichnungen kann er das sehr gut auch in seiner
Schrift de toreutice gethan haben ^').
"j Vergl. L. Urlichs a. a. O. S. 30,
*®) Wilamowitz, Antigonos von Karystos S. 8,
*') Diese Stelle ist die einzige, die Xenokrates als Schriftsteller über Malerei
erwähnt, in dem Index zum 36, Buche hat Plinius bekanntlich weder Antigonos
noch Xenokrates Schrift, sondern Parrhasios selber eingestellt, während er sie beide
als Gewährsmänner im Index zum 34. Buche und als Schriftsteller über Toreutik
nennt, Ist aber diese Schrift de pictura nur aus dem Citat bei Antigonos er-
schlossen, dann steht es mit ihr nicht zum Besten. Jedesfalls kann sie nicht mehr
dazu herhalten, in der Stelle bei Diogenes Laertios VIT, 188 Hypsikrates durch
Xenokrates zu verdrängen. Dort wird von einem Angriff auf Chrysippos berichtet.
Ein obscünes Gemälde, dem er einen tieferen Sinn unterlegt, sei seine eigene Er-
findung : TaiiTviv ävau\dTTei iaropiav — ou6e irapa xoic, irepl ttivöIkujv ^päx^aai
KaTaKexiwpiö|aevr|v lurire y^P frapä TTo\e|uuJvi iif\re irap' 'Yi|JiKpäTei dWä |ur)öe
irap' 'AvTiYüvuj dva\, i)it' aÜToO 6e TreTiXuaBai. Die Aenderung ist von R. Köpke
De Antigono Carystio p. 25 vorgeschlagen und von Wilamowitz auf das Entschie-
denste vertheidigt worden. Gegen sie spricht ausser der technischen Schwierigkeit
9*
120
Das aus so berufenem Munde gespendete Lob hat vielfachen
Widerhall gefunden und namentlich einer Zeit, die grössere colo-
ristische Leistungen kannte, lag es besonders bequem"'^). Daraus
aber den Schluss zu ziehen, dass Parrhasios im rein Malerischen
auch seiner Zeit nicht Genüge geleistet habe, war erst jener mo-
dernen Forschung beschieden, die die Trauben des Zeuxis gekeltert
hat. Der bekannte Ausspruch des Euphranor über das Verhältniss
von seinem Theseusbilde zu jenem des Parrhasios, dem man als
einem authentischen Zeugnisse hohen Werth zumessen muss, klingt
überlegen, aber nicht unehrerbietig, ich denke, jenem könnte auch
die Helena des Zeuxis als Vegetarianerin gegolten haben. Aber
wir haben doch auch ausdrückliche Zeugnisse über die Farben-
gebung unseres Meisters, ganz abgesehen von einer plinianischen
Notiz über den Gebrauch der eretrischen Erde, mit der nicht viel
anzufangen ist. Es sind zwei einander diametral entgegengesetzte
ürtheile, deren Werth sorgfältig erwogen sein will. Zunächst
Fronto ad Verum 1 := Ov. Schriftq. 1 725 : quid, si Parrhasmm ver-
sicolora fingere mheret, aut Apellem unicolora, aut Nealcen magnißctt,
aut Niciam ohscura aut IHonysium inlustria aut lasciva Euphranorem,
aut Pausiam proelia? Ich halte es für völlig unstatthaft, diesen Aus-
spruch mit Brunn erweiternd so zu interpretiren, als ob es thöricht
sei, von Parrhasios zu verlangen, „dass er Gegenstände male, deren
Bedeutung in der Mannigfaltigkeit der Farbe liege". Es ergibt
sich aus demselben nur, dass Fronto den Parrhasios für einen Mono-
chromatiker hielt. Wie er dazu kam, ist eine zweite Frage.
Monochromata sind für Zeuxis bezeugt und für Parrhasios gewiss
nicht unmöglich, aber dem sei nun wie ihm wolle, Fronto ist damit
abgethan. Der zweite Zeuge ist Diodor. Im ersten Fragmente
des 26. Buches heisst es von Pheidias: |ad\i(TTa Te6aujua(J)uevo(; em
TV) tOüv eXeqpavTivujv dYa\|adTUJV KaiacTKeui^, von Praxiteles: 6 Kaia-
jaiEaq ctKpujq Toiq XiGivoiq e'pTOiq td Tf\c, ipuxri«; TrdG»i , von Apelles
und Parrhasios: oi roiq ejUTTeipiKiiJq KeKpajuevoiq xpii^l^«cri TrpoafaTÖVTe(;
noch, dass Hypsikrates hier mit Polcmoii enger verbunden ist als mit Antigonos,
dass Lucian, Macrob. 22, den Hypsikrates avf{pacp(.i)C, b\ä iroW&v |aaeri|LidTUJv
•fevö|ui€vo<; nennt und dass ferner Xenokratcs gar nicht hieher passt. Dafür darf
ich auf einen Vertlieidiger dieser Conjectur verweisen, L, Urlichs a. a. O. S. 30,
der diesen Gedanken weiter ausführt und zum Schlüsse kommt, die Erwähnung des
Xenokratcs als gelehrten Prunk zu verdächtigen.
'*) Plinius 35, 129; Plutarch, de gloria Athen. 2 = Overb. Schriftq. 1704,
Wahrscheinlich ein Citat aus Euphranors „volumina de sijmmetria et coloribus".
121
ei<g aKpÖTttTov d'iv la)jpaq)iKr\v lexv^v. Den Versuch , auch diese
Stelle abzuschwächen, um sie mit der abgeschwächten Fronto-Stelle
zu stimmen, brauche ich nun nicht mehr zu berücksichtigen. Ich
darf aber zur Unterstützung darauf hinweisen, dass die Verbindung
Parrhasios-Apelles nicht bloss diesen beiden Stellen eigenthümlich,
sondern geradezu ständig ist, während Zeuxis-Apelles nur bei Plautus
unter dem Schutze der Metrik vorkommt. So ist denn Parrhasios
auch als Colorist Apelles Vorläufer gewesen, und es wird jetzt viel-
leicht verständlicher sein, warum in der erwähnten Cicero -Stelle
sein Name bei den Tetrachromenmalern Zeuxis und Timanthes fehlt,
aber sich auch nicht bei jenen findet, in quibus iam •perfecta sunt
omnia^^). Sein Verdienst bestand eben darin, die coloristische Rich-
tung eingeleitet, nicht sie abgeschlossen zu haben.
Ich habe bereits früher das Urtheil Quintilians über Zeuxis
und Parrhasios erwähnt und setze jetzt die ganze betreffende Partie
her, so bekannt sie auch die vielfache Behandlung dieser Stelle in
letzter Zeit gemacht haben mag*""): Post Zeuxis atque Parrhasius
non multum aetate distantes, circa Peloponnesia ambo tempora {nam
cum Parrhasio sermo Socratis apud Xenophontem invenitur) plurimum
arti addiderunt. Quorum prior luminum nmhrarumque invenisse ratio-
nem, secundus examinasse subtilius lineas traditur. Nam Zeuxis plus
membris corporis dedit, id amplius atque augustius ratus atque, ut
existimant, Homerum secutus, cui validissima quaeque forma etiam in
feminis placet, Ille vero ita circumscripsit omnia ut eum legum latorem
^^) Cicero, Brutus 18, 70 : similis in pictura ratio est in qua Zeuxin Polygno-
tum et Timanthem et eorum, qui non sunt usi plus quam quattuor coloribus, formas
et lineamenta laudamus.
^"j Brzoska hat in ihr einen perganienischen Kanon der Bildhauer und
Maler entdecken zu können geglaubt , der nach Analogie des Kanon der zehn
Redner gebildet worden sei, und Robert hat darüber Arch. Märch. S. 47 u. 71
einen Hymnus geschrieben. Es werden da 11 Maler und zehn Bildhaiier auf-
geführt. Die Reihe der ersteren besteht aus : Polygnot, Aglaophon, Zeuxis, Par-
rhasios, Protogenes, Pamphilos, Melanthios, Antipliilos, Theon, Apelles, Euphranor ;
die der letzteren: Kallon, Hegias, Kaiamis, Myron, Polyklet, Phidias, Alkamenes,
Lysippos, Praxiteles, Deraetrios. Da muss denn zunächst von der Malerliste ein
Name weggestrichen werden, und es ist ziemlich gleichgiltig, ob man diese Ope-
ration mit Brzoska am Schlüsse oder mit Robert am Anfange vornimmt. Die Ana-
logie der Zahl ist damit erreicht, und eine andere finde ich nicht. Indess da dieser
Kanon nothwendig entweder pergamenisch sein oder nicht sein muss , genügt zu
seiner Bekämpfung der Hinweis, dass sowohl in der Maler- als in der Bildhauer-
liste je ein Name fehlt, der gerade in einem perganienischen Kanon nicht fehlen
durfte, hier ApoUodor, dort Onatas.
122
vocent quid deorum atque heruiim effiyies, qiiales ab eo sunt traditae,
ceteri, tawquam Ita necesse sit, sequiinütr. Damit schliesst die Be-
sprechung Beider und es folgt die Erwähnung der Blüthezeit der
Malerei.
Bei Robert, Archäol. Märch. S. 74 findet sich nun zu den
Worten Ille vero folgende Anmerkung: „Natürlich Homer, nicht wie
Brunn, Künstlergeschichte II, 114, und Overbeck, Schriftquellen 1724,
wunderlicher Weise meinen, Parrhasios. Vgl. unten S. 76." Auf
S. 76 findet sich die Sache ein zweitesmal, aber wieder keine Be-
gründung. Der Leser wird die Quintilianstelle noch einmal auf-
merksam durchgehen, er wird sich wundern, auf das Nam Zeuxis
etc. etc. den Parrhasios nicht wieder zu finden, er wird auch dar-
über staunen, dass es von Homer heisst effigies tradidit. Er wird
vielleicht nach löblicher Gewohnheit die Stelle im Autor selbst
nachschlagen, nach der Bonncl'schen Ausgabe langen und zu dem
Behufe im Index unter Parrhasius suchen. Da steht: rarrhasins
pictor, Legiim lator dictus 12, 10, 4 sqq. Ich kann nun dem Leser
das Weitere selbst überlassen : ich denke, er wird wohl meine Mei-
nung theilen, dass wer überlegen sein will, auch ein wenig über-
legen sollte.
Die quintilianischen Worte rufen uns das stolzeste aller Epi-
gramme unseres Meisters wieder in den Sinn:
El Ktti ctTTiaTa kXugucti, XeTUJ rdbe- qpniui t«P ^^^
Texvii<^ eüpflcrGai repiuaTa Tf]ö"be (Tacpfi
Xeipö^ ucp* fijueTepii^* dvurrepßXriToc; be TreTTtiYev
oijpoq' duuüiutiTov b' oObev e'YevTo ßpoioi^
und fügen wir es gleich hinzu, sie ratificiren es ausdrückHch, freilich
nicht für den ganzen Umfang des ursprünglichen Anspruches, aber
doch für das Centrum seiner künstlerischen Thätigkeit. Die kurze
Ueberschau seiner erwähnten Werke, es sind ihrer für den fecimdns
artifex nicht allzu viele, wird uns lehren, dass er wirklich der Maler
der Götter und Heroen war, für den er sich ausgegeben hat, nicht
aber der Schmerzensmalcr , für den ihn eine moderne Forschung
ausgeben will. Doch zunächst wollen wir die nothwendigen Säu-
berungen vornehmen. Mit Nr. 23 bei Overbeck befasse ich mich
natürlich nicht, es fällt mir aber auch schwer, dies mit Nr. 2,
dem Prometheusbilde, thun zu müssen. Ich gebe zu, die Sage geht
von einem Prometheusbilde aus, aber die Einkleidung in die Con-
troversenform ist allerschlechteste Mache, Parrhasios wird 'pictor
Atheniensis, lebt zur Zeit Philipps; das geht doch nicht an,
123
da den Namen herauszugreifen und den Rest wegzuschütten.
Milchhöfer freilich hat für den Kunstcharakter des Parrhasios aus
dieser Nachricht Gewinn zu ziehen versucht, er nutzt aber auch
mit gleicher Unbefangenheit die witzige Schilderung des Demos
dieses Meisters. Den Archigallus Nr. 12 hat Bursian mit Nr. 13
dem sacerdos adstante puero cum acerra et corona zu identificiren ver-
sucht, wie ich glaube, vergeblich; er gehört in ein anderes, weniger
ernstes Capitel. Plinius erzählt von dem Bilde, dass es Kaiser
Tiberius geliebt habe, atque ut auctor est Deculo HS LX aestimatatu
cuhiculo suo inclusit. Die gleiche Ehre ist bekanntlich für kurze
Zeit dem Apoxyomenos des Lysippos zu Theil geworden, aber
gewiss war nicht der absolute Kunstwerth, sondern der Reiz der
schönen nackten Jünglingsfigur die Ursache, warum sie ins kaiser-
liche Schlafgemach gebracht wurde. Dort befand sich auch noch
ein parrhasisches Bild. Davon berichtet Sueton, Tib. 44: Parrhasi
quoque tabulam , in qua Meleagro Atalanta ore morigeratur , legatam
sihi {Tiberio) suh condicione, ut si argumento offenderetur decies pro
ea sestertium acciperet, non modo praetuUt, sed in cuhiculo dedicavit.
Die Zusammengehörigkeit beider Notizen springt in die Augen.
Urlichs nimmt an^^), dass beide Bilder aus der gleichen Erbschaft
herrühren und hält das billigere Bild für das kleinere, oflfenbar
wegen des pinxit et minoribus tabellis libidines. Um so pikanter war
es aber und das Sechsfache für ein simples Pfaffenporträt ist doch
viel zu viel. Das Wunderlichste an der Sache bleibt aber doch,
dass sich Deculo-Plinius und Sueton auch ihrerseits in die Erb-
schaft theilen, der eine von diesem, der andere von jenem Bilde
berichtet. Sueton hat sich scheinbar das bessere Stück ausge-
sucht, oder sollte bei Plinius nur der Reiz der Geschichte verloren
sein? Es sieht ganz darnach aus. Ich glaube, es sind zwei Be-
richte über ein Bild. Die verschiedenen Preise beweisen dagegen
sicherlich nicht viel, solche Zahlenangaben, und gar hier, wo es
sich blos um eine Schätzung handelt, wollen nicht zu genau ge-
nommen sein. Ja, aber die verschiedenen Namen. Nun Meleager
und Atalante sind sicher widersinnig und scherzhaft gemeint, Ar-
chigallus auch ; was für ein Umstand Anlass zu dem Scherze gab
— vielleicht waren die Hoden der männlichen Figur nicht zu sehen
— ist kaum zu sagen. Wichtiger wäre das Verhältniss zu dem
von Chrysipp gedeuteten anonymen Bilde, Zeus und Hera in gleicher
^^) ehrest. PUniana S. 351.
124
Gruppirung ruhend, aber ich weiss darüber keinen Rath. An dem
Künstlernamen unseres Bildes mit Wilamowitz zu zweifeln, sehe
ich keinen rechten Grund, da doch Pornogramme erster Meister
wohl bezeugt sind 5 seine ständige Signatur können wir hier aller-
dings kaum voraussetzen. Das lindische Heraklesbild unseres
Meisters trug eine Inschrift, von der uns das folgende Distichon
überliefert ist:
Oio^ h' evvuxio^ qpavTdZ;eTO TToXXdKi cpoiToiv
TTappaffiuj bi' üttvou, toio(; ob' ecTTiv opdv.
Dass sie unmöglich vollständig sein kann, ist schon lange bemerkt
worden ^'^), es gibt aber auch ein äusseres Zeugniss dafür, dass ihr
Anfang fehlt ^"^j. Stolz klingt der Vers, er bietet aber gar keinen
Grund, den Meister für einen Aufschneider zu halten, wie alte und
neue Moralisten meinen, psychologisch begreiflich ist die Sache
doch sicherlich. Der Vers lehrt uns aber auch, dass dies Herakles-
bild in der That nichts anderes war, als der Name sagen will, ein
Heroenbild schlechtweg. Nun ist auffallend, dass Athenaios von
mehreren Werken in Lindos redet, wir aber bei Plinius nur noch
ein Werk in Rhodos finden: Pinxit et in una tabula quae est Rhodi
Meleagruni, Herculem, Persea; haec ibi ter f ulmine ambusta neque
oblitterata hoc ipso miraculum äuget. Was diese drei Figuren mit-
einander zu thun haben, wird nicht gesagt. Robert vermuthet ein
Gespräch im Hades ^*), das die Verehelichung des Herakles zum
Thema hat, sicherlich kein sehr malerischer Vorwurf. Das Wunder-
zeichen, glaube ich, weist andere Wege. Warum ist das Bild drei-
mal vom Blitze getroffen worden, deutet das nicht auf eine Drei-
theilung? Ist nicht gerade die Betonung der Einheit der Tafel ein
Hinweis auf die Verschiedenheit der Bilder? Was hat denn Aeneas
mit den Dioskuren gemeinsam zu thun, die Parrhasios gleichfalls
in eadem tabula gemalt hatte? Demnach darf man die Möglichkeit,
den lindischen und rhodischen Herakles zu identificiren, vielleicht
offen lassen. Ich kann die sechs Figuren dieser zwei Triptychen
nicht anders fassen, denn als Heroenporträts, und dass dies mit
den sonstigen Nachrichten über unseren Meister stimmt, brauche
ich wohl kaum mehr zu betonen. Das Theseusbild und der Demos
•"*) Vergl. Benndorf, de Anthol. gr. epigr. p. 30.
*') Athenaios XV p. 687 B: ^TriYpcxH^ÖMevoc; TOiq dv Aivboi iräoiv aiiToö
epYOic;: dtßpobiaiTO«; k. t. X.
"; BiUl uiul Lied p. 45.
125
ordnen sich dieser Reihe ein. Euphranor hatte beide mit der De-
mokratie in der Stoa basileios zu einem symbolischen Bilde ver-
einigt. Es stellte, wie wir aus Pausanias ersehen können, Theseus
dar, der dem Demos die geliebte Braut zuführt. Von Parrhasios
lehrt uns die Ueberlieferung nur, dass er beide besonders und dass
er sie gut gemalt habe.
Die Fortsetzung nach oben sind die Götterbilder; wir haben
leider nur zwei überliefert. Den Hermes, der zugleich für ein
Selbstporträt des Meisters galt, und Dionysos mit der Arete,
deren Bedeutung ich bereits berührt habe. Das ist eine empfind-
liche Lücke unserer Ueberlieferung und nichts als eine Lücke.
Nach unten setzen die Menschenbildnisse die Reihe fort. Da
haben wir drei Unbekannte. Das Friesterbild (der Megabyzos
des Tzetzes ist damit nicht zu identificiren , sondern einfach zu
eliminiren), den Admiral im Panzer, dessen Namen wir gar zu
gerne wüssten, und einen Philiskos, den man, ob mit Recht weiss
ich nicht, mit dem Lustspieldichter dieses Namens identificirt hat.
Sonderbar mag es sich vielleicht ausnehmen, wenn die Be-
schränkung auf eine oder wenige Figuren, die man früher dem
Zeuxis zuschrieb, nun für Parrhasios zuzutreffen scheint, aber An-
gesichts dieser geschlossenen Kette wird man die Annahme kaum
umgehen können. Der naheliegenden Versuchung, für dieselbe auch
noch die zwei Hopliten, den schwitzenden wie den luftschnappenden,
die thrakische Amme mit dem Kind im Arme, wie die zwei Knaben
mit dem Ausdruck einfältiger Dreistigkeit in Anspruch zu nehmen,
glaube ich ausweichen zu müssen, sie tragen den Charakter von
Excerpten so deutlich an sich, dass wir an die Möglichkeit denken
dürfen, sie seien aus den menihrana als Exempel herausgehoben
worden, jedesfalls dürfen wir sie uns trotz des plinianischen 'phixit
vor denselben als selbständige Gemälde nicht vorstellen.
Mag es Wahrheit, mag es Dichtung sein, dass Parrhasios
seine eigenen Züge einem Götterbilde geliehen habe, die innige und
nothwendige Verbindung von Porträt und Idealtypus hat auch im
Gewände einer Anekdote ihr Recht. Versinnbildlicht diese doch
die Concordanz zwischen dem quintilianischen Urtheil und den
Anforderungen, die Sokrates in dem berühmten Gespräche an un-
seren Meister stellt. Er hat sie voll erfüllt, das lehren die Lob-
sprüche bei Plinius 35,67: primus symmetriam pidurae dedit, primns
argutias voltus, elegantiam capüli, venustatem oris. Eine andere Reihe
von Bildern zeugt von seiner poetischen Kraft. Es sind die grossen
126
mythischen Darstellungen, die ich meine. Plinius erwähnt nur
zweier, Telephos' Heilung und Aias und Odysseus' Streit um die
Waffen Achills. Ein drittes hat uns Plutarch als Beispiel eines
ungewöhnlichen Vorwurfes überliefert, des Odysseus simulirten
Wahnsinn '^^). Wir sind dadurch in der glücklichen Lage, nicht
blos ein besonders wichtiges Bild mehr zählen zu können, sondern
auch wieder einmal Plinius genauer auf die Finger zu sehen.
35, 129 zählt er die Werke des Euphranor auf und fügt dort zu
den dreien, uns auch aus Pausanias bekannten Werken in der Stoa
basileios noch ein viertes ephesisches hinzu: Nobilis eins tabula
Kphesi est, Ulixes simulata insania hovein cum equo iungens et palliati
coyitantes, dux gladmm condens. Die ausführliche Schilderung Lucians
geht, was nie bezweifelt wurde, auf dasselbe Bild zurück. Pala-
medes ttpökuüttov e'xujv t6 Hiq)o<s ist der dux gladmm condens und die
richtige Interpretation dieses Zuges scheint die lucianische zu sein.
Die Berühmtheit des „euphranorischen" Bildes ist demnach erwiesen,
sonderbar, dass nun Plutarch das parrhasische allein zu kennen
scheint. Dass Euphranor einen Vorwurf unseres Meisters, wenn
auch so specieller Art, noch einmal malt, bedarf wohl eines klaren
Zeugnisses, aber keiner besonderen Erklärung, dass er es aber
auch für die Heimat desselben malt, geht doch über den Spass.
Sehen wir uns nun den Zusammenhang bei Plinius an, so klärt
sich die Sache völlig auf. Dort werden die drei opera des Eu-
phranor erwähnt, zum dritten, dem Theseus, hinzugefügt: in quo
dixit eundcm apud Parrhasium rosa pastuni esse, suum vero carne
und dann unmittelbar Nobilis eins etc. etc. Diese Worte gehören
genau genommen zu Parrhasios und nicht zu Euphi-anor, das hat
bereits Blümner bemerkt; dafür aber, dass sie hier in den Text
gerathen sind, ist wahrscheinlich nicht irgend ein Abschreiber, son-
dern der confuse Autor selber haftbar®*^). Aus der Erkenntniss des
Thatbestandes folgt für das Wissen um unseren Meister lebendiger
Gewinn. Wir besitzen nun doch von einem seiner Bilder eine klare
Vorstellung, die uns seine dramatische Gestaltungskraft in über-
raschender Weise offenbart. Ein viertes mythisches, gleichfalls
vom Geiste des Dramas umwehtes Bild, sein Philoktet, ist nur
'^■') De aud. poet. 3 = ()v. .Sclnit'tii. 1708.
'■") Arch. ytudien zu Ltician S. 66 Aniii. 1. Blüiuuer liat die, wie mir
-scheint, selbstverständliche Identiücirnng vcrmuthet , so viel ich aber sehe, damit
kein Glück gehabt.
127
durch ein Epigramm l)ezeugt*''), das blos von der Hauptfigur spricht,
ohne dass deshalb an eine Einzelügur zu denken sein wird. Der
Zusammenklang mit dem Telephosbilde ist unverkennbar. Gedenken
wir hier auch seiner Composition der lliupersis und des Lapithen-
kampfes, denen sich einst gewiss noch manches Ebenbürtige ange-
reiht hat, von dem keine Kunde bis zu uns gedrungen ist. Sie
lehren, dass er die mythische Situation nicht etwa blos aus der
Hand des dramatischen Dichters übernommen und inhaltlich ge-
steigert habe, sondern dass er seine Kraft, die Gestalten und das
Reich des Mythos zu lebendigem Ausdruck zu bringen, von seinen
künstlerischen Ahnherren ererbte. So leitete er als der zweite der
grossen ionischen Malerfttrsten vom Ethos Polygnots hinüber zur
Charis des Apelles.
«') O verbeck Schriftq. 1709.
Prag, September 1888 WILHELM KLEIN
Zum Ehrendecret aus Tomi
(Diese Zeitschrift XI S. 41, Nr. 65)
Eine nochmalige Prüfung der beiden Abklatsche (von Toci-
lescu und v. Domaszewski), sowie eine neuerliche Vergleichung des
Steines durch Herrn Prof. v, Domaszewski, die immer speciell an-
geführt werden wird, haben einige Berichtigungen ergeben, die im
Folgenden zugleich mit Ergänzungsversuchen vorgelegt werden sollen.
In Z. 1 ist, von Domaszewski bestätigt, der Anfangsbuchstabe
des Priesternamens FT vorhanden. Für ein Datum ist kein Raum.
Die Inschrift ist nämlich, wenn auch nicht völlig, doch immerhin
so regelmässig geschrieben, dass in den erhaltenen Theilen der
Zeilen 2, 3, 4, 5, 6, 11, 13, 16, 25, deren Enden in eine gerade
Linie fallen, je 18 bis 19 Buchstaben stehen. Geht man von den
ziemlich sicher zu ergänzenden Zeilen 9, 13, 14, 24, 25, 27, 29,
30, 32, 34 aus, so ergibt sich eine Gesammtlänge von 30 bis 34
Buchstaben (also für die erste um zwei Buchstaben hineingerückte
Zeile von 28 bis 32). Zu beachten sind dabei die bei Sinn-
abschnitten eintretenden leeren Räume, die einem Buchstaben gleich-
gesetzt werden können, 2 nach emav, 15 nach iröXei, 21 nach 0AI,
25 nach dYa]0fii, 31 nach dairovbei, 33 nach lepd, 35 nach AfOPA
128
(von einem I ist nach Domaszewsld's ausdrücklicher Angabe
keine iSpur).
In Z. 2 ist mit Rücksicht auf Z. 26 zu schreiben: eireibfri
Hikoc, Toö beiva.
Im Folgenden ändert Szanto das überlieferte Kai dEiav (Z. 7)
(das i vor dEiav ist ganz deutlich) in Kar' dHiav. Diese Aenderung
liesse sich vermeiden durch folgende Ergänzung:
dvrip Koköq Kai [dtaGöc; tctovujc^
Kai CK irpoTÖvuuv dYa0uu[v ä)v irapeTTibiiiuri-
öaq Kai irpoTepov ev rrj [iröXei eTTOirjCTe iriv
xe dvaarpocpriv euTdKTuu[<; Kai euxpilffxuuq
Kai dSiav d|U(poTepujv e7T[i|ueXeiav ecrxe TrdjXeojv
Auch Z. 8 kann die Ergänzung xwpioQeic, re ei^ 7r[aTpi]ba mit
Rücksicht auf das, was über die Raumverhältnisse bemerkt vs^orden
ist, nicht richtig sein; vielleicht ist Tr[ö\iv auToO Traipijba möglich.
Für die Construction x^Jpiö'Beii; de, Traipiöa lässt sich noch ver-
gleichen Latyschew Inscr. ant. orae septentrion. Pont. Euxin. I 185,
II 32.
Ebenso ist in Z. 10 der Raum nicht gefüllt; etwa TTape(TX€T[o
eauTov TravTaxf|i.
Aus dem gleichen Grund scheint in Z. 11 ßeXticTTa vorzu-
ziehen und in Z. 12 auToO oder eauTOÖ einzufügen.
In Z. 15 lässt sich vermuthen T[fi<^ TTÖXeuu^ ejuiröpoiv.
In Z. 16 ist nach TT, von Domaszewski bestätigt, noch eine
schiefe Hasta / von A oder A erhalten; darnach vermuthet Prof.
Bormann 7t[X€Övtujv Trpovoüjv. Der Geehrte hat also, als er nach
seiner Vaterstadt Tyra zurückgekehrt war, den Kaufleuten von Tomi
seinen Schutz angedeihen lassen, die auf ihren Fahrten n.ach Olbia
in Tyra Station machten und wohl auch die Gelegenheit zu Ge-
schäften benutzten.
Schwierig ist die Ergänzung der Zeilen l8 bis 20; der viel-
fach beschädigte Stein bietet Folgendes:
* I A O T.r I M I //^O Y 0 E N E ^'
r P A <1 , N A E ;/ ^^ly^
M t I NTASA',^^
0AI O KTX.
l)as Zeichen nach AE in Z. lU ist sehr fraglich; zu dem
Rest einer schiefen Hasta am Schlüsse von Z. 20 bemerkt Doma-
szewski: „wenn nicht Bruch".
129
Dem Sinne nach und mit Rücksicht auf die erhaltenen
Zeichen wäre vielleicht nicht ganz unpassend : [dTTOubfics Kai cpiXo-
Tei)uia[(;] oüeev efvXeirrujv auToic, e]Tpa(p[e]v be, [äc, tto]t[€ roic, ....
eöoSe ve])U€iv, räc, a[\)räc, Ti^dg toxc, ToMixaK; öibocrGai. Die Worte
auTOi^, e'Tpaqpev und ttötc — ebote sind Vermuthung des Hofr.
V. Harte]; der Name derjenigen, denen früher dieselben Ehren-
rechte waren eingeräumt worden, lässt sich natürlich nicht er-
rathen.
In Z. 21 ist vom o (in ouv) nichts zu sehen, wohl aber die
untersten Theile von u und k. Das A (bti)uo(;) ist deutlich sichtbar.
Zur Füllung des Raumes ist vielleicht am Ende dei, jedenfalls
aber Z. 22 (nach äjadoiic,) avbpaq einzufügen.
Da in Z. 23 nach npoq ein qp sicher ist, empfiehlt sich die
Ergänzung 7Tpocr(pepO|uevou? ; vergl. Foli/b. I 18, 11 (criroubiiv), 4,
51, 2 (xdpiv).
In Z. 24 ist noch eine Hasta / von A erhalten, in Z. 25 das
O ziemlich vollständig, 1 gar nicht. In Z. 26 konnte Domaszewski
nach NIA nichts mehr lesen; immerhin lässt sich im Texte schreiben
NiX[ov Tou beiva.
In Z. 27 ist noch zu lesen: AYTQIKAI, Z. 28 zu Anfang N
am Ende II OTT (der Artikel tujv am Ende ist vielleicht weg-
zulassen).
Z. 29 steht zwischen TT und 0 ein sehr fragliches Zeichen
(nach Domaszewski), drei Stellen weiter ein I (unter dem T von
icJoieXeia). Zu Anfang der Z. 30 steht EKTTAOYN, am Ende ist
noch zu lesen KAU, Z. 31 EINAIAEAY, Z. 32 noch das A.
Z. 33 dürfte mit Rücksicht auf die Raumverhältnisse noch
ein TouTO oder löbe einzusetzen sein.
In Z. 34 las Domaszewski noch AI 00; in Z. 35 ist noch ein
tu sichtbar, eine zu M gehörige Hasta f kann Bruch sein. Mit
dieser Zeile schloss, da die Platte unten nicht abgebrochen ist,
der Text; für die nächstliegende Ergänzung dvd\uj[)aa boOvai tov
Ttt/iiav ist kein Raum (37 Buchstaben) und der Artikel ist kaum
zu missen. Vielleicht war die Grösse des Aufwandes angegeben.
Es ergibt sich somit folgende Umschrift:
'Em lepe'uj 'ATrö\\ujvo(; [toO beiva oi
dpxovTe(; eiirav: tTieibii [Ni\o(; tou beiva
Tupavöq dvrjp KaXöq Kai [dYaGöq yctovOj^
Kai CK TTpoYÖvuuv dYaGuJfv Ouv TrapeTtibriiuri-
130
5 aac, Kai TTpÖrepov ev ifii [noXei eiroiiicre xi^v
le dvaatpoqpfiv euTdKTUu[q Kai euxpncrTuu(;
Ktti dHiav djucpoTepLuv e7T[i)LieXeiav ecrx^ tto-
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Ti)auuv Tovc, KaXoiK; Kai dY[a9ou(; dvbpaq
Kai YV^criav euvoiav TTpocr(p[epo)Lievou(;
ei<; xd TY\q ttoXcok; 7rpdYM«T[a • tux'Ii dfa-
25 6fii, beböxöai Tuji biijuuufi eTTaiveiaGai
juev im toutok; NTX[ov toO beiva
beböaOai be auTÜji Kai [ektövoi^ TipoEe-
viav TToXeiTtiav i(JOT[eXeiav, eTKiricriv
evYaiaiv, biKac, TT[p]o[b]i[Kouq, eidTrXouv Kai
30 e'KTrXouv TToXe'iuou Kai [eiprivric; dcruXei
Kai dcTTTOvbei' eivai be au[Tuji eqpobdv
eni Triv ßouXfjV Kai töv b[fi)uov TTpujTuui iite-
rä rd lepd, evfpdvjiai [be tö v|jr|(pi(j)Lia toOto
e'k; TeXajuüjva XeuKoO Xi0o[u Kai dvaaTfjcrai
35 ev TTii oYOpd" TÖ be dvdXuj[|ua eivai AAA?
Wien WILH. WEINBERGER.
131
Zur Inschrift C. I. L. III 4087
Diese Inschrift, welche aus Poetovio (h. Pettau) stammt und
gegenwärtig im Joanneum zu Graz aufbewahrt wird, ist ein-
schliesslich der sehr sorgfältig eradirten zweiten Zeile folgender-
massen zu lesen :
PRESTITOIOVl S
CFVLVIVSPLAVTIANVS
TRIBVNVS-COH-X-
PRAET -CVLTOR • N V
5 JWINISIPSIVS-PROFIC
ISCENS-AD-QPPRIMEN
DAM - FACTIONEM
GALLICANAMIVSSV
PRINCIPIS-SVI-ARAM
10 I S T A M P O S V ! "•
Prestito lovi s{acrum). C. Fulvius Pluutianus, tribunus coh{prtis)
X praet(oriae), cullor numinis ipsius, proficiscens ad oppriviendam
factionem Gallicanam iiissii principis sui aram istani posuit.
Wenn schon durch die Nennung der erst seit 112 n. Chr.
inschriftlich vorkommenden cohiors) X praet{oriu) (Z, 3. 4) (vergl.
Marquardt R. St. V. (2)'^, 477) die Zeit unseres Denkmals einiger-
raassen bestimmt wird, so weist die corrupte Form prestito (Z. 1)
für praestiti, sowie das in besserer Zeit wohl ungewöhnliche cuUor
numinis ipsius (Z. 4. 5) und aram istam (Z. 9. 10) dasselbe mit
ziemlicher Gewissheit der nachantoninischen Periode zu, während
andererseits die zwar seichten, aber auffallend zierHch geformten
Buchstaben es kaum zulassen, bei der Datirung der Inschrift über
das Ende des zweiten Jahrhunderts hinauszugehen. Dies und
namentlich die Erwähnung einer factio Gallicana (Z. 7. 8), gegen
welche wegen der Betheiligung der Gardetruppen {coh{ors) X prae-
t{pria) Z. '6. 4j der damals regierende Kaiser persönlich zu Felde
gezogen sein müsste, bestimmte mich zu der Annahme, dass die
Inschrift der Regierung des K. Septimius Severus angehöre, und
dass daher in der sehr gründlich eradirten zweiten Zeile einst der
Name des bekannten C. Fulvius Plautianus gestanden haben
mochte, der unter Severus zum Range eines praefectus praetorio
emporstieg und so ziemlich der einzige Würdenträger mit ritter-
132
lieber Carriere ist, dessen Name auf den Steinen dieser Zeit getilgt
vorkommt. Zwei vortreffliche Abklatsche der Inschrift, welche
Herr Prof. Dr. Friedrich Pichler in Graz auf die Verwendung
Herrn Prof. Bormann's hin dem epigraphischen Seminar zuzusenden
die Freundlichkeit hatte, sowie zwei von dem Seminarsmitgliede
Herrn Öhler angefertigte Clichees bestätigten diese meine Muth-
massung; dazu kam noch eine Ocularinspection des Denkmals
durch Herrn Prof. 0. Hirschfeld, deren Ergebniss derselbe mir
brieflich mitzutheilen die Güte hatte.
Die zweite Zeile der Inschrift, in welcher der jetzt getilgte
Name stand, ist zwar, wie oben bemerkt, sehr gründlich eradirt,
aber nichtsdestoweniger vermag man in derselben bei eingehender
Prüfung, namentlich der Abklatsche, einige Buchstabenreste mit
mehr oder weniger Sicherheit' zu constatiren. Vor Allem ist zu
bemerken, dass der Name den erkennbaren Spuren zu Folge nur
ganz ausgeschrieben, nicht etwa ligirt, noch weniger gekürzt
gewesen sein kann. Obgleich nun der vollständige Name C. Ful-
vius Plaut ianus 18 Buchstaben zählt, während in der ersten Zeile
nur 13 Buchstaben stehen, allerdings so, dass rechts noch ein
Raum für wenigstens zwei Buchstaben frei bleibt, und die dritte
Zeile 12 Buchstaben hat, welche aber stark auseinandergezogen
sind, so liegt doch kein Hinderniss vor, den Namen als vollständig
ausgeschrieben anzunehmen, wenn wir in Betracht ziehen, dass die
Buchstabenzahl der übrigen Zeilen von 5 bis 9 zwischen 15 und
17 schwankt, und die Breite der einzelnen Buchstaben, sowie deren
Entfernung hier gegenüber Z. 1. 3. 4 beträchtlich zurückgeht. Es
ist ja leicht begreiflich, dass man den Namen, auch wenn er länger
war, etwas zusammendrängte, um ihn auf eine Zeile zu bringen.
Was nun die einzelnen Buchstabenreste anbetrifft, so ist auf den
Abklatschen zu Anfang von Z. 2 deutlich erkennbar die untere
Hälfte eines c; der zweite Buchstabe schien Herrn Prof. 0. Hirsch-
feld ziemlich sicher ein f zu sein, was die Abklatsche bestätigen,
auf welchen namentlich das Ende des mittleren Querstriches des f
in die Augen springt. Im Folgenden scheinen auf den Clichc^es
der untere Theil des l, dann der Fuss des zweiten und dritten v
wahrnehmbar zu sein. Besonders deutlich aber lassen dieselben
den mittleren Theil des nun folgenden s und die Spitze des v mit
dem nach rechts ausladenden Ansätze der Rundung hervortreten.
Weiter dürfte sich noch der untere Theil des zweiten i. und des
vierten v, noch sicherer die linke Hälfte des Querstriches von t
133
ausnehmen lassen. Sehr gut erkennbar sind ferner die oberen und
unteren Enden des zweiten i und a. Am Ende der Zeile schienen
mir bei Lampenlicht n und v ohne Mühe auf dem Abklatsche
wahrnehmbar zu sein, sowie auch das Vorhandensein des unteren
Theiles vom zweiten s als feststehend zu betrachten sein wird.
Da nach dem Vorausgehenden gerade die Spuren der entscheidenden
Buchstaben c, f, p, n und der beiden s sicher scheinen, so darf
die Annahme, dass in dieser Zeile der Name C. Fulvius Plautianus
gestanden habe, wenn nicht auf unumstössliche Gewissheit, so
doch jedenfalls auf hohe Wahrscheinlichkeit Anspruch machen,
welche durch die im Folgenden vorgebrachten Erwägungen wohl
noch gesteigert wird. Durch die Restitution von Plautianus' Namen
gewinnt das schon an sich werthvolle Document bedeutend an
Interesse.
Unter der factio Gallicana (Z. 7. 8) ist offenbar die Partei
des Prätendenten D. Clodius Albinus zu verstehen, welchen Severus
anfänglich als Caesar und Mitregenten für Gallien, Spanien und
Britannien anerkannte, der sich aber im Jahre 196, um der Be-
vormundung durch Severus ein Ende zu machen, von seinem An-
hange zum Augustus erheben Hess. Als Gallicana wird sie deshalb
bezeichnet, weil der Herd dieser Bewegung in Galhen war, wo
man seit jeher die Errichtung eines selbstständigen gallo-römischen
Reiches anstrebte. Die Worte ad opprimendam factionem Gallicanam
(Z. 6—8) beziehen sich also auf den Feldzug, welchen K. Severus
zur Bekämpfung des Albinus nach Gallien unternahm, und der
sonst auch als expeditio Gallica (C. I. L. II 4114) inschriftlich
vorkommt. Es mussten demnach die theils aus dem Orient kom-
menden, theils von anderwärts concentrirten Truppen des Severus,
wie sie successive nach Gallien vorrückten (Schiller R. K. G. 1^,
716), auf ihrem Marsche wenigstens zum Theile Poetovio berührt
haben ; vor Allem wird dies für das aus dem Orient heranziehende
Hauptheer, welches von Anfang an unter der persönlichen Führung
des Kaisers stand, durch unsere Inschrift bezeugt, da die präto-
rianische Garde, in welcher Plautianus Tribunenrang bekleidete,
in der Regel im Gefolge des Herrschers selbst sich befand. Diese
aus unserem Votivsteine zu entnehmende neue Thatsache ist voll-
kommen im Einklänge mit der historischen Ueberlieferung. Steht
es schon an und für sich fest, dass Severus bei seinem Marsche
über Byzanz nach Gallien die Donau-Drau-Strasse, an welcher
Poetovio lag, als die kürzeste Route benützen musste, so wird
Archäologisch-epigraphische Mitth. XII. im
134
dies noch ausdrüeklich bestätigt durch die vita Severi (c. 10),
welche ihn die Richtung über Viminacium in Moesia superior, wo
er seinen älteren Sohn zum Caesar erhob und durch Pannonien,
dessen Wahrsager er nach dem Ausgange des bevorstehenden
Krieges befragte, einschlagen lässt. So weit gekommen, verliess
der Kaiser nach unseren bisherigen Quellen die Armee, um nach
Rom zu eilen und dort durch sein persönliches Erscheinen die
Verschwörung zu Gunsten des Albinus zu entwaffnen (Schiller
R. K. G. V, 714). Diese Trennung vom Heere nun erfolgte, da
man sich nach dem eben Gesagten bereits in Pannonien befand,
höchst wahrscheinlich in Poetovio selbst, von wo der nächste Weg
über Aquileia nach der Hauptstadt führte. In unserer Inschrift ist
die Abreise des Kaisers nach Rom bereits vorausgesetzt, indem
Plautianus in Stellvertretung seines Herrschers {iussn principis sui
Z. 8. 9) die Ära setzt. Die Beauftragung des Plautianus erklärt sich
wohl am natürlichsten dadurch, dass dieser den Kaiser auch in An-
gelegenheiten des militärischen Commandos vertrat und die interi-
mistische Leitung eines unmittelbar unter dessen Befehl stehenden
Corps, vielleicht der den Marsch nach Gallien fortsetzenden Prä-
torianer übernommen hatte. Dies deutet auch der Beisatz: proßcis-
cens ad opprimendam factionem Gallicanam {7i. 5 — 8) an, welcher
wohl nur für einen selbstständig commandirenden, keinem anderen
untergeordneten Offizier passt und zugleich durch das proficiscens
nahelegt, dass die Uebernahme des Commandos in Poetovio selbst
stattgefunden habe. Die verhältnissmässig inferiore Stellung des
Plautianus als einfacher Tribun war wohl kein Hinderniss zur Be-
kleidung eines solchen Vertrauenspostens, zu welchem allerdings in
erster Linie seine Vorgesetzten, die praefecti praetorio, berufen ge-
wesen wären ; aber diese (wie mindestens einen Theil der Prä-
torianer) wird Severus bei seiner Reise nach Rom mit sich ge-
nommen haben, um sie dort zur Unterdrückung des drohenden Auf-
standes zu verwenden. Dazu kommt noch das persönliche Verhält-
niss des Plautianus zu Kaiser Severus, auf welches wir unten
noch zurückkommen werden.
Dass Septimius Severus die Ära gerade in Poetovio setzen
Hess, dürfte seine Erklärung wohl in der eigenthümlichen Lage
dieser Stadt finden, welche, selbst noch zu Pannonia superior ge-
hörig, wie ich an anderer Stelle nachweisen werde, nur durch den
Draustrom von Noricum geschieden wurde, welches dem Albinus
anhing (Schiller R. K. G. l^ 714). Man wollte also noch unmittel-
135
bar vor dem Betreten des insurgirten Gebietes dem Unternehmen
den Beistand des höchsten Gottes sichern. Um endlich noch die
Zeit des Durchmarsches der Truppen des Severus durch Poetovio
genauer festzustellen, so fällt dieselbe etwa mit dem Ende des
Jahres 196 zusammen, indem nach Stobbe's wahrscheinlicher
Ausführung (Philologus 32 S. 51), welcher sich neuerdings auch
A. Wirth in der Bonner Dissertation quaestiones Severianae (Leipzig
1888) S. 29 angeschlossen hat, der Aufenthalt in Viminacium in
den Spätherbst 196 fällt und andererseits die Entscheidungsschlacht
gegen Albinus bereits am 19. Februar 197 statthatte. Wenn ferner,
wie wohl kaum zu bezweifeln steht, die von Dio 75, 4 aus eigener
Erinnerung geschilderte schwankende Haltung des Senats und
gleichzeitige Bewegung unter der unzufriedenen hauptstädtischen
Bevölkerung das persönliche Eintreffen des Severus in Rom ver-
anlassten, so ist die Abreise des Kaisers von Poetovio und die
damit zusammenhängende Errichtung der Ära wohl um die Zeit
der Saturnahen (17. December) des Jahres 196 anzusetzen, da
damals bei den letzten circenses vor den Saturnalien (leXeiiTaia irpö
TÜüV Kpoviujv iTTTTobpoiuia) die Unruhen zum Ausbruche kamen.
Interessant ist die vorliegende Inschrift, wenn unsere Auf-
stellung richtig ist, durch die in ihr enthaltenen neuen Aufschlüsse
über die Oarriere des C. Fulvius Plautianus. Während man bisher
ungeachtet des Mangels jedes Zeugnisses ziemlich allgemein an-
nahm, dass Plautianus bereits seit dem Regierungsantritte des
Severus die Würde eines praefectus praetorio bekleidet habe, was
sich erst für das Jahr 200 aus unseren Quellen feststellen lässt
(Dio ep. 75, 14, vergl. vita Getae c. 4), wird durch unser Denk-
mal der Beweis erbracht, dass er noch im Jahre 196 die niedrigere
Stellung eines trihumis coJi(ortis) X p'aet{oriae) (Z. 3. 4) einnahm,
obgleich er schon seit der Thronbesteigung des Severus, seines
Landsmannes und Jugendfreundes (Herodian 3, 10, 6), von dem-
selben zu wichtigen Missionen verwendet ward {vita Severi 6, 10;
vita Nigri 5, 2) und, wie unsere Inschrift hinlänglich zeigt, seine
Gunst und sein Vertrauen in hohem Masse besass. Bei diesem
Sachverhalte also führte vor der Erhebung Plautians zum praefectus
praetorio dieses Amt unter Severus Flavius luvenalis (Hirschfeld
R. V. G. S. 230 n. 57) (seit 193) wahrsclieinlich in Gemeinschaft
mit Aemilius Saturninus (l. c. n. 59), welchen dann Severus, ähn-
lich wie es schon unter Julianus geschehen war, zwischen 195 und
200, den Plautianus als dritten und einflussreichsten Coliegen bei-
10*
136
gesellte. Um 200 fungirte er erwiesenermassen noch gemeinschaft-
lich mit ihnen (vita Getae 2, 7; 4, 4; Dio ep. 75, 14), aber noch
in demselben Jahre entledigte er sich des unbequemen Saturninus
(Dio ep. 75, 14) und brachte es schliesslich dahin, dass er bis zu
seinem Tode (205) den Posten eines praefectus praetorio allein
(Hirschfeld 1. c. citirt dazu Herodian 3, 13, 1) innehatte.
Dass endlich die Widmung einer Ära aus severischer Zeit
an luppiter praeste.s {prestito Tovi 7i. 1 ; hinsichtlich der Form vergl.
das Femininum antistita zu anfistes) gerichtet ist, erscheint als
keineswegs zufällig; denn, wie Herr Prof. Hirschfeld mir gütigst
mittheilt, dürfte auch die Münzaufschrift lovi prae. orhis, welche
sich auf Denaren des Pescennius (Cohen 3, 409 n. 41) und des
Septimius Severus (Cohen 4, 29 n. 240) findet, nicht nach Eckhels
Vorgange {d. n. 7, 155, 168) lovi prae{sidi) orhis, sondern lovi
prae{stiti) orhis zu ergänzen sein, eine Verrauthung, welche um so
wahrscheinlicher wird, als ein luppiter praeses meines Wissens
sonst nirgends nachweisbar ist. — luppiter praestes wurde der
eigentlichen Etymologie seines Beinamens nach wohl immer als
"Vorsteher' des Universums, als König der Götter und Menschen
gedacht (Festus p. 223 M.: praestitem in eadevi significatione dice-
hant antiqui, qua nunc dicimus antistitem)\ denn trotz der irrigen
Ableitung des Namens der Laves praestites bei Ovid fast. 5, 134
(qiiod praestant omnia tuta suis) behält das Nomen praestes auch im
Gebrauche späterer Schriftsteller stets seine ursprüngliche Bedeu-
tung 'der Vorstehende' bei (Macrobius satumalia 1, 18 med.:
Liberum eußouXfia vocantes honi consilii hvnc deum praestitem
ynonstrant:, Martianus Capeila 2 p. 40: in his locis Summanes,
eorumque praestites Mana utque Manuana\ und ebenso zeugt für diese
Bedeutung die oben angeführte Münzaufschrift mit prae{stUi) orbis. ')
Als herrschender Gott ist luppiter praestes dann auch der Verleiher
der Herrschaft und des Sieges-, als solcher erscheint er sowohl
auf unserem Denkmale, wo er offenbar um Gewährung des Sieges
angerufen wird, als auch in den beiden anderen aus dem Alter-
thume über ihn erhaltenen Notizen, nämlich aus der Inschrift
C. I. L. XIV 3555, welcher zufolge Hercules Victor (nach Ueber-
windung des Cacus) dem luppiter praestes zu Tibur einen Altar
setzte, und aus der Erzählung eines Prodigiums (in der vita Ma-
') Prellcr (R. M. 1', 207) irrt daher wohl, weim er den Beinamen praestes
im Sinne der Alten von praestare in der Bedeutung 'sicher erfüllen' ableiten will.
137
xivii et Balhini 5, 3 sq.), welches sich bei der Geburt des nach-
maligen Kaisers Maximus in und bei einem sacellum quod erat lovis
praestitis zugetragen haben sollte und später auf die Erlangung
des Diademes durch denselben gedeutet wurde {id eo tempore nihil
Visum est ominis habere, sed non sine causa factum probavit imperium).
Auch die oben erwähnten Münzen des Severus und Pescennius,
wo nach Prof. Hirschfeld's einleuchtender Vermuthung lovi prae-
(stiti) orbis zu lesen ist, stammen aus einer Zeit, wo diese beiden
Kaiser miteinander den Kampf um die Herrschaft des Erdkreises
aufnahmen, wobei ihnen luppiter praestes hilfreich beistehen sollte.
Ueberall also erscheint die Thätigkeit des hippiter praestes als die
einer Sieg und Herrschaft verleihenden Gottheit. — Wenn Plau-
tianus sich einen cultor numinis ipsius (Z. 4. 5), d. h. des Juppiter
nennt, so dürfte dies wohl darauf zu beziehen sein, dass er einem
sacralen Collegium angehörte, das den Cultus dieses Gottes zur
besonderen Aufgabe hatte.
Der frühere Standort des Steines beim ehemaligen sogenannten
Steirerthore in Pettau macht es wahrscheinlich, dass er ursprüng-
lich bei dem Tempel Juppiters aufgestellt war, welcher, nach den
zahlreichen daselbst gefundenen Votivinschriften zu schliessen, auf
dem anstossenden Oberpettauer Schlossberge seine Stätte hatte.
Wien. A. von PREMERSTEIN.
Nachtrag zu Mittheilungen XI S. 240.
Die von mir a. a. O. vorgeschlagene Deutung der auf ober-
italischen Steinen mehrfach vorkommenden Abkürzung Aug. c. d. d.
(oder ähnlich) mit Au(j{ustalis) c{ultor) d{omus) d{ivinae) hat sich
neuerdings als wohl zweifellos richtig ergeben durch die zu Novaria
gefundene Inschrift C. I. L. suppl. Ital. I (ad V) 883 (Z. Valerius
Ij. f. Primus VI vir inter cultores domiis divinae), welche sich der
gleichfalls aus Novaria stammenden C. I. L. V 6518 mit Aug{ustalis)
s{ocius) c(tdtor) d{omus) d{ivinae) erklärend zur Seite stellt.
Wien. A. V. PREMERSTEIN.
138
Römischer Pferdeschmiick aus Siebenbürgen
(Hiezu Tafel IV)
Die auf Tafel IV abgebildeten Platten aus Bronzeblech mit
aufgesetzten bronzenen Figuren sind in Arokalya bei Bistritz in
Siebenbürgen gefunden worden und werden jetzt im Museum zu
Klausenburg aufbewahrt.^)
Baron E. v. Sacken, der diese Platten zum ersten Male be-
schrieben hat, erkannte in ihnen, nach der Analogie anderer Denk-
mäler, Bruchstücke und zwar die Enden einer gebogenen Schiene,
welche als Brustschmuck eines Pferdes diente.'^) Das grössere
Bruchstück (A) hat eine Länge von 0*32 M., eine grösste Höhe
von 0'18 M.; das kleinere eine Länge von 0'24 M., eine grösste
Höhe von 0*12 M. Die gegossenen Figuren in Hochrelief waren
durch Stifte an der Platte befestigt. Erst nach ihrer Befestigung
ist die ganze Vorderseite der Platte vergoldet worden; deshalb
heben sich jene Stellen, wo Figuren sassen, die jetzt fehlen,
deutlich auf dem Goldgrunde als dunkle Flecken ab, welche die
Umrisse der Gestalten noch erkennen lassen. Ein weiteres Hilfs-
mittel, die verlorenen Figuren zu ergänzen, bieten die Stifte dar,
welche die Figuren festhielten.
Der nach rechts sprengende römische Reiter auf A ist mit
zwei Stiften auf der Platte befestigt gewesen; der untere, zwischen
den Beinen des Pferdes, an der Ferse des Reiters, ist noch erhalten
und sichert dadurch die Stellung der Figur auf der Platte. Der
zweite, zwischen der Brust des Reiters und der Pferdemähne, ist
einem Loche entsprechend, das sich an eben jener Stelle beündet,
ergänzt. Genau in derselben Lage befinden sich auf dem kleineren
*) Benndorf und Hirsclifeld, vorläutiger Bericht über eine archäologisch-
epigraphische Reise in Dacien, S.-A. aus den Mittheilungen der Central-Commission
vom Jahre 1873, 8. 6. — Nach gütiger Mittheilung Heinrich Finaiy's sind die
beiden Bruch.stücke lange vor dem Jahre 1848 von verschiedenen Seiten in das
Museum gekommen. Vielleicht stammen sie aus demselben Funde, wie die beiden
jetzt im Nationalrauseum zu Budapest befindlichen bronzenen Kader, abgebildet
Arneth archaeol. Analecten Taf. XIX. Neigebauer, Dacien p. 291. — Vgl. ein
Prometopidion und Pectorale eines Pferdegeschirres mit griechischen Reliefs, das
letztere mit einem Gorgoneion und zwei Stieren, im Mnseo nazionale in Neapel,
Gargiulo collection of monuments, Naples 1870 vol. II t. 43.
') Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Kaiserhauses (in Wien),
I. Band p. r)9.
139
Bruchstücke (B) zwei Löcher für die Aufnahme von Stiften be-
stimmt, und zwar innerhalb eines dunkeln Fleckens, der den Um-
rissen des Reiters auf A entspricht. Hier sass also ein nach links
sprengender römischer Reiter. Auf A ist jetzt vor dem Reiter ein
kämpfender Barbar befestigt. Jedoch ist diese Figur ursprünglich
lose gefunden worden. Ihre Stelle ist wieder bedingt durch die
Umrisse im Goldgrunde, welche zeigen, dass eine Gestalt in dieser
Action hier gesessen haben muss. Der kämpfende Barbar auf B
wird in seiner Stellung noch durch den ursprünglichen Stift fest-
gehalten.^) Eine einfache Wiederholung dieser Figur auch auf A
hinter dem Reiter auzunehmen, verbieten die Umrisse, sowie die
Stellung des noch erhaltenen Stiftes. Die Umrisse im Goldrande
lassen vielmehr erkennen, dass die Gestalt mit gesenkter Rechten
zum Stosse ausholt, den Schild aber vorschob, so dass er nicht,
wie bei der Figur auf B, die ganze Brust bedeckte. Die Bewegung
war also ähnlich wie bei der lose gefundenen Figur. Der Stift
sitzt ferner so hoch, dass er zwischen Bauch und Schild der Ge-
stalt durchgegangen sein muss; wiederum ähnlich wie bei der lose
gefundenen Figur. Ein Versuch mit dieser Figur hat auch gezeigt,
dass sie, auf den Stift aufgesetzt, die Umrisse füllt. Auf A war
demnach dieselbe Figur vor und hinter dem Reiter wiederholt.
Einen tieferen Einblick in die Composition gewährt uns die Er-
gänzung einer Gruppe am rechten Rande von A. Die Umrisse
zeigen, dass die Figur vor dem Barbaren ein Reiter war, und das
bestätigt die Anordnung der Stifte. Der eine rechts vor dem
unteren Schildrande ist noch erhalten; die Stellung des anderen
rechts schräge über diesem Stifte ist gesichert durch den Rest eines
BohVloches am Bruchrande "*), so dass also die Stifte dieselbe An-
ordnung hatten wie bei den Reiterfiguren. Jedoch beträgt der Ab-
stand der Stifte bei dieser Figur 0-07 M., bei den anderen Reitern
nur 0*05 M. Ueberdies lassen die Umrisse erkennen, dass der
Reiter einen flatternden Mantel trug. Unter diesem Reiter befindet
sich noch ein Bohrloch in einem dunkeln Flecken, und zwar in
einem Abstand von 0-02 M. von der unteren Randleiste der Platte,
während die Bohrlöcher der anderen Figuren mindestens 0*03 M.
vom unteren Rande abstehen. Diese geringe Entfernung des Bohr-
') Die Figur steht natürlich senkrecht auf ihren Beiuen und ist nur durch
ein Versehen bei der Aufnahme nach vorne gesunken.
^) Unmittelbar an der winkligen Ecke des Bruchrandes.
140
loches, sowie die Stellung der Figuren unter dem Reiter beweisen,
dass hier nur an die Gestalt eines Liegenden gedacht werden kann.
In dieser Gruppe setzt also ein Reiter, der durch seine überragende
Gestalt als Hauptfigur charakterisirt ist, über einen liegenden Feind
hinweg.
Das Verständniss dieser eigenthümlichen Coraposition wird
uns erschlossen durch die Vergleichung einer Reihe gleichartiger
Monumente. Zum Theile sind sie von E. v. Sacken bereits zu-
sammengestellt worden. Was ich mehr biete, danke ich der Güte
Robert v. Schneiders, der mir die Resultate seiner eigenen Nach-
forschungen mit der ihm eigenthümlichen Liberalität überlassen hat.
Bei Weitem die wichtigsten unter diesen Monumenten sind
zwei bronzene Brustschienen mit aufgesetzten Figuren, welche in
Brescia gefunden wurden. Gleichzeitig ausgegrabene Bruchstücke
von Pferdehufen und bronzenen Platten sollen nach Labus be-
weisen, dass diese Brustschienen die Pferde einer Biga schmückten^).
Eine einigermassen entsprechende Abbildung oder Beschreibung
dieser Brustschienen ist meines Wissens nicht bekannt geworden.
I, L Die eine Schiene erscheint auf dem Stiche bei Labus
als vollständig erhalten. Dennoch möchte ich auf die
Möglichkeit hinweisen, dass eine oder die andere Figur,
die ursprünglich lose gefunden wurde, später ihren Platz
^) Questo pettorale, o antilena, di bronzo, uscito dalle escavazioni hresciane,
e il povero manzo di un cavallo nohüm&nte bardato che decorava l'edißcio Vespa-
sianeo. — Se ne trovb imieme un altro manchevole delle figure ond 'era d 'apprima
an-ichito, e che unitamente ai frammenti di tre unghie equine di bronzo e a varii
pezzi dello stesso metallo d'ambe le parti inaurati, venuti fuori dal medesimo ^avo,
fanno credere sieno gli avanzi di nno di que' carri che dai romani si sovrappone-
vano agil archi, si dedicavano nei fori, nelle basiliche, nei luoghi piu cospicui delle
cittä, e si consacravano nei templi in onore dei principi e dei personaggi pih
illustri e pih benemeriti della patria: Labus Museo Bresciano tav. LUI, S. 197.
Dütschke, Antike Bildwerke IV, S. 152, gibt über den Fund noch folgende An-
gabe. „In dem gegenüberstehenden Schranke befinden sich unter den bronzenen
Fragmenten die, wahrscheinlich von einer Biga herrührend, im Juli 1826 zu-
sammen mit der Nike, den sechs Bronzebüsten (Nr. 342, 345, 34G, 348, 3G2, 363),
dem Fragmente des weiblichen (?) Armes, Nr. 344, mit vielen Friesfragmenten
von Marmor gefunden sind, die folgenden zwei Gegen-stände, Nr. 374, eine ver-
goldete Bronzefigur u. s. w., Nr. 374 a bronzener Gürtel eines Rosses", es folgt
die Beschreibung des vollständig erhaltenen Gürtels. Von dem zweiten sagt
der Verfasser nichts. Vergl. auch Heydemaim, Drittes Hallischcs Winckelmanns-
prograram S. 29, n. 53, der bemerkt, dass auf der angeblich vollständigen Schiene
links eine Figur oder eine Gruppe fehlt.
141
auf jener Schiene erhielt, an welcher die meisten Figuren
erhalten waren, um auf diese Weise wirkliche oder ver-
meintliche Lücken der Composition zu füllen. Denn wie
der Stich bei Labus die Schiene wiedergibt, zeigt die
Composition manches Sonderbare. Vgl. Anm. 5 zu Ende.
Auch hier ist ein Kampf zwischen Römern und
Barbaren dargestellt. Siegreich sprengt ein römischer Feld-
herr (a) im Schuppenpanzer und flatterndem Paludamentum
über den Leib eines todten Barbaren (b) hin. Ihm
folgt ein römischer Reiter (c), der seine Lanze, wie es
scheint, gegen einen sterbenden Barbaren (d) zückt. Dieser
erhebt die Rechte, als wollte er Schonung erflehen. Nach
rechts flieht vor dem Feldherrn ein Barbar (e) eilenden
Laufes, den Kopf nach dem Verfolger umwendend. Er
prallt mit einem römischen Fussgänger (/) zusammen, der
das Schwert aus der Scheide zieht. Auf diese Gruppe
folgt ein barbarischer Reiter (g). Sterbend sinkt er von
seinem zusammenbrechenden Pferde und hebt den linken
Arm mit dem Schilde hoch empor, als wollte er den Streich
eines von rechts zu Fusse andringenden Römers (i) ab-
wehren.
Besonders störend für den Gesammteindruck ist die
Gestalt dieses sterbenden Reiters. Sie ragt weit über den
oberen Rand der Schiene hinaus, und ihre Bewegung lässt
sich nur gezwungen aus der Gegenwirkung des römischen
Kämpfers erklären.
I, 2. lieber die zweite Schiene bemerkt v. Schneider, dass der
Reiter in der Mitte, wie viereckige Ausschnitte in der
Schiene schliessen lassen , nach links vom Beschauer
gerichtet war. Erhalten sei nur die Figur des Gefallenen.^)
Die Composition war also auf dieser Schiene im Ver-
hältniss zu dem anderen Exemplare im Gegensinne an-
geordnet. Dann aber ist es sehr wahrscheinlich, dass
diese Schienen wirklich die Pferde einer Biga zierten.
II. Zu einer Gruppe verbunden erscheinen zwei Figuren auf
einem Bronzerelief der Sammlung Cook in Richmond").
*) Vgl. auch Heydemann a. a. O. S. 29 n. 53.
'■) Ich wiederhole die Beschreibung E. v. iSacken's a. a. O. p. 60.
142
„Ein nach links sprengender Reiter (a), ein bärtiger
Barbar {h) ohne Kopfbedeckung, mit Hosen bekleidet, den
Kopf gegen den Beschauer gewendet, die Rechte, welche
wohl das Schwert hielt, erhoben, am linken Arm den grossen,
gespitzt ovalen Schild, der als Emblem eine unregelmässige
geometrische Figur zeigt. 13 Cm. hoch, 17 Cm. breit.
Massiv gegossen, rückwärts halb hohl und mit einem
cylindrischen Stifte zum Einlassen versehen. Rohe Arbeit
spät römischer Zeit." Das Stück stammt, wie es scheint,
von einer Wiederholung im Gegensinne, wie I 2, der
Reiter wird demnach der Feldherr sein.
III. Fünf lose Figuren aus Bronze, welche bei Starigrad in
Dalmatien gefunden sind und offenbar zusammengehören,
in der kaiserlichen Antikensammlung in Wien^). „Aus
der Fläche ihrer Rückseiten und den daselbst ange-
brachten, mitgegossenen, horizontal abstehenden Zapfen
ist zu entnehmen, dass sie auf einer Fläche applicirt
waren, und zwar, wie aus ihrer leisen Krümmung
hervorgeht, auf einem grösseren, sanft gebogenen Gegen-
stände"^). Drei derselben entsprechen in den Motiven,
sowie in den Einzelheiten ziemlich genau der Brescianer
Bronze.
Der Imperator («) ■= I, 1, «; der laufende Barbar (b)
= If 1, e und der gefallene Barbar, welcher die Rechte
erhebt (c) = I, 1, d. Dazu kommt ein Aquilifer (</), ein
römischer Trossknecht (c), der eilenden Laufes einen Helm
und eine Parma (den runden Reiterschild) herbeiträgt,
wahrscheinlich also hinter dem Feldherrn stand,
IV. Eine Figur unbekannten Fundortes in der kaiserlichen
Antikensammlung zu Wien '"). Sie ist eine genaue Wieder-
holung des sterbend vom Pferde sinkenden Barbaren der
Brescianer Bronze (I, 1, g).
») Ueber den Fuml berichtet Biiliö iin liuU. di Arcli. et Stör. Dalmata II
p. 188: Queate cinque figure furono rinvenule 4 o 3 anni addietro (d.i. vor 1879)
da un paatore alle falde del monte Velehit non lonlano da Starigrad. Abgebildet
im Jabrl). der kuiisthist. Sammlungen I, Taf. IV.
») Sacken a. a. O. S. 57.
'") Abgebildet im Jabrb. der kunsthiat. Sammlungen I, Taf. IV unten in
der Mitte.
143
V. Zwei lose Figuren, in Industria gefunden, jetzt im Museum
zu Turin"). Der Imperator (a), sehr ähnlich der Wiener
Figur III, a. Ein todter Barbar (&).
VI. Vielleicht stammt aus demselben Funde eine dritte
Figur, welche sich jetzt im Louvre befindet. Longperier
beschreibt sie folgendermassen : Vieillard harhii; ses cheveux
sont longs et touffus; son pied gauche souleve reposait sur im
ohjet qui manque. II est vetu de longs pantalons et d\m
sagum ä manches serre par une ceinture. 11 presse son poing
droit contre son flanc gauche \ sa main gauche, fermee, est
levee au dessus de sa tete. II semhle dedamer'^^).
VII. Eine Gruppe von Bronzefiguren, gefunden im Theater zu
Herculaneum, jetzt im Museum zu NeapeP^).
Zwei römische Reiter (a) im Panzer mit wallendem
Paludamentum "). Drei reitende Barbaren (6) mit er-
") Abgebildet und beschrieben in Atti della societä di archeologia e belle
arti per la provincia di Torino III (1880) Tav. XIX, Fig. 3 u. 4, vergl. p. 104.
Nach den Fundnotizen p. 56 u. 57 kann es allerdings zweifelhaft erscheinen, ob
die beiden Figuren demselben Monumente angehören. Heydemann, Drittes Halle-
sches Winckelmannsprogramm (1879) p. 41, n. 29, hat zuerst erkannt, dass die
Figur des Feldheiun zu einem Pferdeschmuck, ähnlich wie die Brescianer Bronze,
gehört. Aber mit Unrecht macht er die zweite Figur (a. a. O. p. 41 n. 25) zu
einem Tänzer. Vergl. auch Dütschke, Antike Bildwerke IV, n. 288 u. 301 a.
") Longperier, Notice des bronzes antiques du musee du Louvre n. 596. —
Er bemerkt weiter: Une ßgurine semblable, trouvee dans les ruines d' Industria, a
ete donnee au roi Charles -Albert par M. le comte Bernard Mozza de Lavrian, et
est conservee dans le cabinet d'' antiques du roi ä Turin. {Voir le recueil de six
grandes planches litographiees publie ä Turin, en 1843, par B. M. de L. pl. III,
n. 36. Das ist die Figur des gefallenen Barbaren. Atti di Torino III, p. 104,
n. 4.) L'analogie de patine porte ä croire que le bronze du Louvre, qui provient
du cabinet Durand, avait aussi ete recueilli dans les fouilles d^Industria.
*') Kuggiero : Storia degli scavi di Ercolano (Napoli 1885) in dem officiellen
Fundbericht p. 26. En 15 del dho mes de mayo se encontraron en las nuevas
grutas las cosas siguientes. Un cavallo de vietal de Corinto, 6 palvios y '/', alto
de que falta que hallar la caveza, {De' bronzi di Ercolano e contorni ecc, tom, II,
pag. 217. — Museo nuz. n". 4904.) Una figura ^je^wena del mismo metal que repre-
senta un cavallo con el ginete en cima en acto de herir. Otra figura del mismo
metal que representa otro cavallo con un hebreo en cima en acto de huir. {De
bronzi di Ercolano tom. II, p. 9. — Museo naz. n". 5495 e 5948.) Otra figura del
viismo metal que repiresenta un hebreo muerlo. Otra figura del mismo metal que re-
presenta un hombre en acto de correr e indicar. Am gleichen Orte sind Reste
eines Wagens gefunden worden.
**) Abgebildet in Bronzi di Ercolano II, p. 9, vergl. oben Anm. 12. Dass
zwei identische Exemplare existiren, bemerkt v. Schneider.
144
hobener Linken'^). Gefallener Barbar (c)""')- Ein nach
rechts laufender Barbar mit Schild, der den Kopf nach
vorne wendet (d). Der todte Barbar erinnert in dem
Motive der Bewegung an I, 1, h und V, h', der nach rechts
laufende an die Figuren I, 1, c; II, b; III, h.
VIII. Wie mir v. Schneider bemerkt, existirt im Cahinet des me-
(lailles eine Bronze, welche den Neapler Figuren VII, a
nahe steht.
IX. Figur des laufenden Barbaren im Louvre. Longperier be-
schreibt sie folgendermassen: Genie de Mars, tom-ne ä droiie
et dam Vattitude de la course; sa chlaniyde flottante et son
hras gauche soitdent nn boucUer de forme allongee; Varme
qu'ü tenait de la main droite manqiie^').
X. Ein römischer Imperator nach rechts reitend, im Briti-
schen Museum. Gef. in Rom '^).
XL Figur eines unbärtigen, auf die Knie sinkenden Barbaren,
der die Linke erhebt. Bologna: museo civico, aus der
Universitätssammlung. ^^)
Wenn ich mir auch keineswegs die Hindernisse verhehle,
welche der Mangel ausreichender Abbildungen und Beschreibungen
einer erschöpfenden Besprechung dieser Monumentreihe entgegen-
setzt, so glaube ich doch, dass die vorliegenden Thatsachen
genügen, die Grundfrage, um die es sich hier handelt, zu lösen.
Diese Gruppe von Bronzen wird als zusammengehörig er-
wiesen, nicht nur durch den gleichen Vorwurf — Kampf zwischen
Römern und Barbaren — und die gleichartige Verwendung als
Brustschmuck eines Pferdes, sondern noch mehr durch die typische
Wiederholung derselben Figuren in verschiedenen Funden.
Gerade diese Thatsache scheint mir von ganz besonderem
Gewichte. Denn sie zeigt, dass die Künstler in der Bildung der
Gestalten nicht frei verfahren, dass vielmehr eine Nöthigung für
sie bestand, ein Vorbild, wenn auch nicht sclaviscli, nachzuahmen.
'*) Abgcbil(l(;t in Biun/J di Ercolauu H, p. 13. Im Museum zu Neapel sind
nach 11. V. Sclineider.s Bemerkung drei Exemplare vorhanden.
"') Abgebildet in Bronzi di Ercolano II. p. 22.
'^ Nolice de bronzen antiqaes Nr. 109. Das Stück stammt aus der älteren
Sammlung Durand'«. Mir liegt eine Skizze K. v. Schneiders vor.
") Guide to the brouzo room (1871) p. 44 n, 37.
") Nach einer Mittheilung R. v. Schneider's.
145
Welcher Art dieses Vorbild gewesen und welcher Art die Nöthigung
es nachzuahmen, ergibt sich, wie ich glaube, aus dem Gegenstande
der Darstellung.
Im Mittelpunkte der kämpfenden Gruppen erscheint der sieg-
reich vordringende römische Feldherr. Nun wissen wir aber, dass
gerade die Pferde römischer Triumphatoren durch einen besonderen
Schmuck geziert waren. Suetonius sagt von dem britannischen
Triumphe des Claudius (v. C. 17): secuti et trmmphalia ornamenta
(iodem hello adepti, sed ceferi pedibus et in praetexta, Crassus Fragt
equo phalerato et in vesfe pdlmata, quod eum honorem iteraverat. Der
equus phaleratus gehört demnach ebenso nothwendig zu den Ehren-
zeichen des Triumphators, wie das Triumphalgewand. Man wird
gewiss nicht leugnen können, dass kein Gegenstand geeigneter war,
das Geschirr eines Triumphpferdes zu zieren, als die Ursache dieses
Triumphes, der Sieg selbst. Die gleichartige Wiederholung dieses
Brustschmuckes in Funden so verschiedener Zeit und so ver-
schiedenen Ortes würde sich demnach daraus erklären, dass für
diesen Pferdeschmuck eine ebenso typische Form bestand, wie für
die übrigen Bestandtheile der ornamenta triumphalia. Der Fund
von Herculaneum beweist^ dass das Vorbild für diese Form des
Pferdeschmuckes bereits in der ersten Kaiserzeit vorhanden war.
Soweit wir ausreichende Fundnotizen besitzen, können wir weiter
erkennen, dass diese Bronzen an statuarischen Werken angebracht
waren, und wohl die Brust von Triumphalgespannen schmückten.
Es gab nun in der ersten Kaiserzeit in Rom ein Kunstwerk dieser
Art, das gewiss alle anderen statuarischen Darstellungen von
Triumphwagen überstrahlte. Es ist dies der Siegeswagen, welchen
der Senat dem Begründer der Monarchie auf dem Forum Augustum
errichtete^"). Ich glaube, man darf die Verrauthung wagen, dass
der Brustschmuck der Pferde dieser Quadriga das Vorbild ge-
wesen ist.
^"j Augustus selbst sagt im Monuraentiun Ancyrauum 6, 24: Terlium deci-
mum conaulatum cum gerebam senatus et eqiiester ordo popidusque Romaniis uni-
versus appellavit nie patrem patriae idqtte in vestibulo aediiim meartcm inscribendvm
esse et in curia et in foro Aug. sub quadrigis quae mihi ex s. c. positae sunt
decrevit.
Heidelberg A. v. DOMASZEWSKI
146
Ausgrabungen in Carnuntum
(Tafel V— IXj
Im Jahresberichte des Vereines Carnuntum für 1886 wurde
am Schlüsse der Besprechung der Grabungen noch einer zunächst
der sogenannten Mühlgartenmauer in Deutsch-Altenburg, kurz vor
Abschluss der Arbeiten, begonnenen Aufdeckung Erwähnung gethau.
In der kurzen Arbeitsperiode des darauffolgenden Jahres (1887)
konnte die Bloslegung dieser Bauanlagen fortgesetzt, aber in Folge
des eintretenden Winters nicht völlig zu Ende geführt werden.
Auf Taf. V geben wir den Plan der Anlage, so weit diese bis
jetzt aufgedeckt vorliegt. Das Gebäude, dem die Mauerzüge und
Räumlichkeiten angehören, zeigt eine unregelmässige Form und ist
vorläufig nur nach zwei Seiten durch Mauern, an welche keine
weiteren Maueransätze folgen, abgeschlossen, nach allen übrigen
Seiten reichen Mauerzüge noch weiter in die Erdaufschüttung, die
bis jetzt nicht beseitigt werden konnte. Die ganze Anlage folgt
sichtlich drei verschiedenen Achsen, drei verschiedenen Richtungen
der Langmauern und ist, allerdings in Bezug auf diese einzelnen
Achsen, eine regelmässige zu nennen, ja es lassen sich sogar drei
lange gangartige Räume von gleicher Breite (3-05 bis 3*20 M.)
erkennen, welche den drei Achsen, vielleicht drei Trakten des
Gebäudes folgen, und um die sich die übrigen Räume gruppiren.
Neben den hier aufgedeckten, zumeist mittelgrossen, ja selbst
kleinen Räumen, fällt dagegen ein Raum durch seine ungewöhnlichen
Dimensionen auf. Er misst 12-55 zu 11-30 M., und es schliesst
sich an denselben in der Langachse ein apsisartiger rechteckiger
Ausbau von 4*62 : 3-10 M. Grösse. Zwischen den beiden liegt ein
Schwellenstein seiner Länge nach, mit in der Mitte desselben ein-
gearbeiteter Nuth. Die Fussböden beider Räume sind aus einem
Betonbegusse gebildet. Besonders zu erwähnen ist noch, dass der
besprochene Raum, wie es scheint, an die Stelle eines anderen trat,
welcher mit dem halbkreisförmigen Ausbau zunächst desselben in
Beziehung stand und dessen Fundament bei Errichtung des neuen
Baues nicht völlig beseitigt wurde. Während einzelne Zimmer
unseres Gebäudes mit Hypokausten versehen waren, ja selbst die
Reste von lleizkanälen dort noch erhalten blieben, fehlt es für den
grossen Raum an jeder Beziehung auf eine Heizvorrichtung.
147
An der äussersten Grenze der ganzen Anlage, wo sie ab-
geschlossen erscheint, zieht sich ein Plattenpflaster und eine Stein-
rinne hin, in welche eine zweite Rinne, zweimal durch Mauern
führend, einmündet. Die letztere steht sichtlich in Beziehung zu
den hier aufgedeckten Mauerzügen, welche sich durch ihre un-
gewöhnlichen Dimensionen als nicht unmittelbar zu dem früheren
Baue gehörige kennzeichnen. Die äusserste Doppelmauer, die wir
nur ein kurzes Stück lang bioslegen konnten, setzt sich, wie Son-
dirungen ergaben, noch nach beiden Seiten in den Nachbarfeldern
fort. Die Mauern, welche damit in Verbindung stehen, sind wie
die früher genannten von solcher Stärke, dass sie einem besonderen
Zwecke gedient haben müssen. Man ist geneigt, hier an eine
Befestigungsanlage zu denken, an einen TheiJ der äusseren Um-
mauerung Carnuntums zum Schutze der vielfachen Anlagen, welche
ausserhalb des Lagers entstanden.
Im Jahre 1888 wurden, einem Beschlüsse des Ausschusses
des Vereines Carnuntum entsprechend, die Grabungen im Lager
begonnen, um die möglichst vollständige Aufdeckung desselben
allmählich zu erreichen. Die Arbeit setzte an der östlichen Grenze
des Lagers südlich und zunächst der heutigen das Lager durch-
schneidenden Landstrasse ein. Wie bekannt, erhebt sich das
Castrum in seiner wesentlichsten Grundform als grosses recht-
eckiges Plateau über die zunächst liegenden Felder, so dass ziem-
lich steil abfallende Böschungen den Umriss des Lagers markiren.
Bei der diesjährigen Grabung gingen wir nun an der oben be-
zeichneten Stelle bis an die Grenzen des Plateaus, das sich hier
in der Höhe von 5 Meter erhebt. Aus der Taf. VI ist zu ersehen,
dass an dieser Stelle die Böschung eine auffallend unregelmässige,
der Langachse des Lagers nicht parallel laufende Richtung ein-
schlägt, und dass die Anlage der Baulichkeiten in einer unleug-
baren Beziehung zur Terrainfiguration steht. Zur Erläuterung des
vorliegenden Planes muss noch gesagt werden, dass die Lang-
mauern der Anlage der Richtung von Süd nach Nord, also der
Längenrichtung des Lagers folgen, und dass der von den übrigen
Baucomplexen getrennt liegende kleine rechteckige Bau mit starken
Mauern am nördlichsten Ende unserer Grabung gelegen ist. Dieser
zuletzt genannte Bau, den man als das Fundament eines Thurmes
148
anzusehen liat, verdient ganz besondere Beachtung. Was wir heute
von demselben erhalten sehen, ist allerdings nur das Fundament,
das als ungemein hartes Gusswerk der Zerstörung entging; es ist
aber das Fundament eines Thurmes, der aller Wahrscheinlichkeit
nach ein Thor des Lagers ßankirte. Für diese hier ausgesprochene
Vermuthung sprechen mehrere Umstände. Für's Erste ist es die
Form des Bauwerkes, mit dem an der Südseite desselben sich an-
schliessenden Mauerstücke, das als ein Ansatz der UmfassungS'
mauer des Lagers anzusehen ist und an der Nordseite — der Thor-
seite — fehlt; für's Zweite ist aber die Strasse, welche das Lager
durchquerte und zu diesem Thore hinausführte, gleichfalls noch
erhalten und Hess sich in diesem Frühjahre als licht gefärbter
Streifen durch die jungen Saaten der Nachbaräcker sich hinziehend
deutlich verfolgen. Die heutige Landstrasse führt an dem Thurme
vorbei, geht aber dann, etwas südlicher gelegen, mit der römischen
Strasse nahezu parallel gegen Deutsch-Altenburg fort. Das Fun-
dament des mit unserem Thurme correspondirenden zweiten, nörd-
licher gelegenen Thorthurmes ist bis nun nicht zu finden gewesen
und dürfte auch entweder von der neuen Strasse bedeckt oder
beim Baue derselben ganz verschwunden sein. Südlich von unserem
Thorthurme, in der Richtung des Maueransatzes, liegt ein grosses
Stück Mauerwerk, ein Mauerblock aus Bruchsteinen im schiefen
Winkel aus der Erde emporragend, der, sichtlich abgestürzt, in
dieser merkwürdigen Lage sich erhält und wohl einst zur Um-
fassungsmauer des Lagers gehörte. Die genannten Baureste liegen
aber, wie aus Taf. VI und dem Durchschnitte E F Taf. VII ersicht-
lich wird, bedeutend tiefer als die übrigen Theile der in Rede
stehenden Grabung, und es muss sich schon bei flüchtiger Ein-
sichtnahme in den Plan die Meinung geltend machen, dass man es
hier nicht mit gleichzeitigen Anlagen zu thun habe.
Die Grabung auf der Höhe, im Niveau des Lagers, führte
zur Aufdeckung einer grossen Zahl Mauerzüge, die durchwegs nur
als Fundamentreste erhalten, sichtlich verschiedenen und ver-
schiedenzeitlichen Gebäuden angehörten. Ein Theil dieser Mauer-
züge zeigt die nachlässige, aus Steinbrockonwerk mit schlechtem
Mörtel verbundene Construction, wie sie im Lager zur Regel gehört,
andere Mauern dagegen sind von hier ungewöhnlich guter Con-
struction schichtenweise aus grösseren Bruchsteinen und festem
Mörtel gebildet. Die letzteren Mauern sind auch stärker und gehören,
wie man aus dem Grundrisse Taf. VI sieht, zu einem rechteckigen
149
Gebäude von ungewöhnlicher Grösse und Eintheilung. Dasselbe,
nach allen Seiten abgeschlossen, ist 86 M. lang und 38"5 M. breit,
zwei Langmauern theilen das Gebäude in drei parallel laufende
Trakte oder Raumfolgen, wovon jeder äussere 12 M., der innere,
mittlere Trakt lO'ö M. in der Breite misst. (Das ganze Gebäude
ist au der Nordseite um 130 M. breiter als an der Südseite, eine
Unregelmässigkeit, die bei der grossen Ausdehnung desselben kaum
ins Gewicht fällt.) Quermauern, senkrecht zu den Langmauern
gestellt, zum Theil in ganzer Ausdehnung, zum Theil nur als An-
sätze an die Langmauern erhalten, theilen die Langtrakte in zu-
meist grosse weite Räume. Genau in der Mitte der westlichen
Langseite führt eine 3*20 M. breite Oeffnung in einen 5*50 M.
breiten Raum, dessen Langmauern sich in gleicher Flucht im öst-
lichen Trakte fortsetzen und der durch eine mit der Eingangs-
öffnung correspondirende Oeffnung mit dem mittleren Trakte in
Verbindung steht. Vor dem Eingange in das Gebäude ist ein Vor-
platz in ziemlich regelmässiger Plattenpflasterung zur Ausführung
gekommen und zunächst der einen Thorleibung noch der Pfannen-
stein für den Tborkegel erhalten geblieben. Der mittlere Trakt
des Gebäudes scheint nach der Nordseite geöffnet gewesen zu
sein, oder hier mit einer vielleicht mehr monumentalen Anordnung
eines Steinportales einen Abschluss gefunden zu haben, wenigstens
erhebt sich hier die Quermauer nicht so hoch wie alle übrigen
und ist gleichmässig nach oben abgeglichen, auch ist dieselbe
stärker als die nach beiden Seiten anschliessenden Quermauern,
endlich lässt auch die Art des Anschlusses der Lang- und Quer-
mauern an diesem Fundamentzuge auf eine hier früher existirende
Steinpfeileranordnung schliessen, die später ihres materiellen
Werthes halber herausgerissen wurde. Im ganzen Gebäude wurden,
so weit unsere Sondirungen reichten, nur geringe Spuren von
Plattenpflasterung gefunden, dagegen sind hie und da den Mauern
entlang Steine aufgestellt, die als Unterlagen für irgend welche
Fussbodenconstruction oder etwa Gerüstconstruction gedient haben
könnten.
Das in seinen Dimensionen so mächtige Fundament lässt auf
ein Gebäude schliessen, das auch im Aufbau jedesfalls zu den
bedeutendsten des ganzen Lagers gehörte, leider ist uns aber für
die Reconstruction dieses Aufbaues jeder Anhalt versagt. Die
Grabung hat, wie das auch sonst allerwärts im Lager der Fall
ist, ausser einem Stirnziegelfragmente, nichts von den Resten des
Archäologiscli-epigraphischo Mitth. XII. 11
150
Aufbaues geliefert. Ist dieser Umstand für die Reconstruetion sehr
ungünstig, wird er es hier noch umsomehr, als es auch schwer
fällt, in anderen römischen Bauten Analogien mit dem unsrigen
zu finden. Dass unsere Fundamentmauern als Träger eines eben-
falls aus solidem Materiale ei'bauten Aufbaues dienten, geht schon
allein aus ihrer Stärke von fast durchwegs einem Meter und
darüber hervor, aber wie dieser Aufbau gestaltet war, ist schwer
zu entscheiden. Wenn das Gebäude überdacht war, was wohl
kaum zu bezweifeln sein dürfte, erwächst sofort die Frage, in
welcher Weise der mittlere Raumzug, den man doch nicht als Hof
ansehen kann, also oben sich nicht offen denken darf, seine Be-
leuchtung erhielt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Theil
über die äusseren hinausgebaut war und solcher Art eine basilikale
Disposition platzgriff, d. h. nur in dem Sinne, dass der mittlere
Raumzug durch seitliches Oberlicht erhellt wurde. Die gleiche
Stärke der vier Langmauern spricht allerdings nicht dafür, es ist
aber auch gewiss schwer möglich anzunehmen, dass ein einziges
ununterbrochenes Dach das ganze Gebäude überspannte. Wird es
solcher Art schwierig, sich eine Vorstellung von der Configuration
des ganzen Gebäudes und seiner Einrichtung zu machen, so ist
auch die Entscheidung darüber, welchem Zwecke dasselbe gedient
haben mag, fast ausgeschlossen. An ein Wohnhaus oder einen
Palast im Lager für den Statthalter oder den Kaiser wäre wohl
nach der Grösse und Regelmässigkeit der Räume, nicht aber nach
deren Disposition zu denken, in gleicher Weise fehlt auch für
jede weitere Annahme, welche das Gebäude irgend in Beziehung
zu öffentlichen Acten oder feierlichen Anlässen brächte, jede Ana-
logie und Berechtigung, die einzige Vermuthung, die uns, wie mir
scheint, übrig bleibt, ist, dass das Gebäude ein grosses Magazin
für die Bedürfnisse des Lagers gewesen sei.
Noch zweifelhafter als die Bestimmung des genannten Hauses
bleibt die Bestimmung aller der Mauerzüge, welche ausser den
schon besprochenen an dieser Stelle noch aufgedeckt wurden. Dass
sich die Mauerzüge und auch die Wasserläufe zum Theil der Form
der Böschung fügen, ist wohl aus dem Plane deutlich ersichtlich.
Was aber von Alledem gleichzeitig, was zusammengehörig ist,
wage ich nicht zu entscheiden, ja es bleibt sogar die wichtige
Frage offen, ob das Lager an dieser Stelle der Umfassungsmauer
völlig entbehrte oder nicht. Parallel mit der westlichen Lang-
mauer des grossen Gebäudes, 5'35 M. davon entfernt, zieht sich
151
ein überwölbter unterirdischer Kanal von 0*7 M. lichter Weite und
1*7 M. Höhe in gerader Linie nach der Donau zu. Ein ähnlicher
Kanal wurde schon bei der Grabung des Jahres 1877 in der west-
lichen Hälfte des Lagers aufgedeckt, er nahm bei gleichen Dimen-
sionen dieselbe Richtung nach der Donauseite, wie der eben er-
wähnte. Die weiteren bei der diesjährigen Grabung aufgedeckten
und in Taf. VI verzeichneten Wasserläufe oder Gerinne kehren
sich sämmtlich nach dem grösseren Abzugskanale. Besondere Er-
wähnung verdient noch die Reihe von vier kleineren Räumen,
welche sich westlich des grossen Fundamentes und jenseits des
Abzugskanales hinziehen und einem noch nicht völlig aufgedeckten
abgeschlossenen Gebäude angehören. In einem dieser Räume wurde
ein doppeltkegelförmiger Mühlstein gefunden. Das Vorkommen
desselben gerade an dieser Stelle, zunächst dem grossen Vorraths-
magazine, darf wenigstens nicht unvermerkt bleiben.
Zu den erfreulichsten Erfolgen der diesjährigen Ausgrabung
gehört die Auffindung und theilweise Bloslegung eines Amphi-
theaters in Carnuntum. Seitdem mir die Aufgabe zufiel, den
altberühmten Boden von Carnuntum auf seine namentlich topo-
graphische und bauliche Ausnützung durch die Römer zu unter-
suchen und zu erforschen, schwebte mir immer der Gedanke vor
Augen, dass eine Localität von solcher Bedeutung auch sicherlich
ein grösseres Gebäude in der Art eines Circus oder Amphitheaters
nicht entbehrt haben könne. Gewiss haben auch andere mit mir
den gleichen Gedanken verfolgt, der aber aus dem Grunde zu
keinem Resultate führte, dass einerseits sich stets die Meinung
geltend machte, die nicht eminent der Vertheidigung dienenden
Bauten müssten im Municipium, das stets in Petronell gesucht
wurde, liegen, andererseits gerade die nächste Umgebung des
Lagers für die Erbauung eines Amphitheaters aus Rücksicht der
Vertheidigung als selbstverständlich ausgeschlossen erschien. Die
Aufdeckung des gesuchten Gebäudes hat nun beide Voraussetzungen
als vollständig unrichtig erwiesen.
Zur Auffindung des Amphitheaters führte mich die Grabung
zunächst dem früher erwähnten Thorthurme. Das Terrain senkt
sich von dort aus gegen Altenburg beträchtlich ab, und ist
zwischen der heutigen Landstrasse und der Donau durchwegs als
11*
152
Ackerboden bebaut. In diesem Frühjahre nun konnte man die
römische Strasse, welche vom Thorthurme hinausführte, als lichter
gefärbten Streifen durch die junge Saat sich hinziehen sehen, links
der Strasse waren aber gleicherzeit eine Anzahl Streifen durch die
Felder gehend zu erkennen, die ihrer Formation nach auf das
Vorhandensein des Amphitheaters schliessen liessen. Eine mulden-
förmige Terrainbildung an derselben Stelle bestärkte mich ausser-
dem noch in der Annahme, dass das Gesuchte hier zu finden sei,
und so Hess ich nach Beendigung der Ernte einen Sondirgraben
ziehen, der auch nach wenigen Tagen die ersten sicheren Reste
des Gebäudes biosiegte. In dem Plane Taf. VIII ist der zuerst ge-
zogene Sondirgraben, der in gerader Linie in die Arena führte,
eingezeichnet. Dass derselbe nicht parallel mit einer Achse der
Ellipse ging, ist theils den nur spärlichen Vorstellungen, die man
sich vorerst über Richtung und Grösse des Gebäudes, von dem
kein Stein über den Ackerboden reichte, machen konnte, theils
der Richtung der Ackerparcelle, die bei der Sondirung in Anspruch
genommen werden konnte, zuzuschreiben. Die Stelle des Amphi-
theaters ist nämlich Eigenthum von fünfzehn verschiedenen Be-
sitzern, mit welchen erst, nach erfolgter Sondirung vom Verein
Carnuntum, unter gefälliger Intervention des Herrn C. Hollitzer,
ein Abkommen getrofi"en werden konnte.
Wie allerwärts auf den Feldern Altenburgs und Petronells
stiessen die Bebauer derselben auch hier mit dem Pfluge stets auf
Mauerwerk, ja die Grabung hat ergeben, dass das Mauerwerk zum
Theil nicht tiefer als 20 bis 30 Centimeter unter der Oberfläche
lag. Es dürfte anzunehmen sein, dass die muldenförmige Bildung
des Terrains gegen die Arena die Aufschüttung über den Um-
fassungsmauern durch den Einfluss von Wind und Regen immer
mehr nach der Mitte abführte und solcher Art zur endlichen Auf-
findung des Gebäudes verhalf. In Altenburg selbst war, wie mir
der Bürgermeister, Herr Koch, mittheilte, die Meinung verbreitet,
dass hier seinerzeit ein Ziegelofen stand und man es mit einer
aufgelassenen Lehmgrube zu thun habe.
Auf den Tafeln VIII und IX habe ich die Resultate der Auf-
deckungen im Amphitheater, so weit dieselben in diesem Jahre
erzielt werden konnten, dargestellt. Unsere Arbeit musste sich
vorerst darauf beschränken, die Mauern zu verfolgen und die
Gesammtausdehnung des Bauwerkes kennen zu lernen. Wenn dies
für den grössten Theil des Objectes erreicht wurde, bleibt uns
153
aber eine mindestens ebenso grosse Arbeit noch zu thun übrig,
um alle Mauern, namentlich aber auch die Arena, völlig freizulegen.
Es kann daher die hier zu gebende Besprechung des Amphitheaters
nur als ein vorläufiger Bericht angesehen werden, der nach voller
Aufdeckung des Bauwerkes und seiner Umgebung eine ent-
sprechende Ergänzung erfahren muss. Wie erwähnt, lag unser
ganzer Baurest unter der Erde. Die tiefe Lage des Amphitheaters
im Vergleiche zu dem westlich davon liegenden Lager hat die
Verschüttung desselben zum Theile auch von dorther, namentlich
bei dem fast stets herrschenden heftigen Westwinde gefördert, und
so sehen wir, dass die Arena, die um 14 Meter tiefer liegt als der
forumartige Platz des Lagers, eine Aufschüttung von über 2Vo Meter
zeigt, der Fuss der Umfassungsmauer aber bis zu 3 und 4 Meter
tief unter dem Ackerniveau liegt.
Für die Feststellung der Form unseres Bauwerkes bietet vor-
erst die in ihrer ganzen Längenausdehnung erhaltene Begrenzungs-
mauer der Arena selbst den sichersten Anhalt. Der durch diese
Mauer begrenzte Kampfplatz ist von elliptischer Form und es
misst die grosse Achse 72'2, die kleine 44-25 Meter. Als Resultat
der genauen Aufnahme der Begrenzungslinie der Arena hat sich
ergeben, dass bei der Anlage der Umfassungsmauer nicht mit
voller Präcision vorgegangen wurde, sondern manche Unregel-
mässigkeiten sich geltend machten, die allerdings bei den grossen
Dimensionen des Objectes nicht schwer ins Gewicht fallen. So
geht die grosse Achse der Ellipse nicht genau durch die Mitte
der kleinen, sondern schneidet sie um einen halben Meter süd-
licher; auch steht die kleine Achse nicht genau senkrecht auf der
grossen. Die Umfassungslinie selbst, die wir der gebräuchlichen
Bezeichnung zu Liebe als elliptisch angaben, ist eigentlich mathe-
matisch richtiger als doppelte Korblinie anzusehen, d. h. sie wurde
aus vier Kreissegmenten mit den Radien von 18*4 und 60*2 Meter
construirt. Die Umfassungsmauer ist 15 Meter dick, aus Bruch-
steinen gebildet, gegen die Arena aber mit regelmässig behauenen
und geschichteten Quadern bekleidet, von welchen häufig tiefer
geführte Binder in die Mauer weiter eingreifen. Die Mauer erhebt
sich noch bis zu 272 Meter Höhe, ist unten mit einem Sockel,
der als einfache Schräge gebildet ist, versehen, entbehrt jedoch,
im Zustande der gegenwärtigen Erhaltung, des abschliessenden
Deckgesimses oder der abschliessenden Quaderschichte. Die
Quadern sind gegen die Arena, auf einer dünnen Mörtelunterlage,
154
mit farbigem Ueberzuge (meist roth) versehen gewesen, der kurz
nach der Aufdeckung seine Farbeuwirkung wieder verlor. Parallel
mit dieser Mauer und im Abstände von einem halben Meter läuft
eine zweite Mauer von V« Meter Stärke, an Avelche sich die
speichenartigen Mauern der Cavea anschlössen. Die äussere Um-
fassungsmauer des Gebäudes, ebenfalls von elliptischer Form, ist
weder von so gleichmässiger Anlage wie die frühere, noch ist der
Zustand der Erhaltung ein ganz gleichmässiger. Am besten con-
servirt zeigt sich der ganze Theil der Langseite gegen die Donau
zu. Da das Terrain sich hier stark absenkte, erhielt die Mauer
ihrer bedeutenderen Höhe wegen Verstärkungspfeiler, die ziem-
lich unregelmässig angeordnet, wie alle Mauern aus Bruchsteinen
o-ebildet sind. Die Mauer selbst ist hier nur einen Meter dick,
verstärkt sich aber gegen Westen zu, wo die Strebepfeiler fehlen.
Nicht von gleich guter Erhaltung, wie an der Nordseite, ist die
Umfassungsmauer der südlichen Hälfte. Das südöstliche Viertel
der ganzen Umfassung ist in vermuthlich nicht zu ferner Zeit
herausgerissen worden; wenigstens Hess sich noch die Nachfüllung
erkennen und prägte sich die ursprüngliche Anlage der Mauer als
Negativform in der seit Jahrhunderten allmählich angewachsenen
Bedeckungsschichte des Gebäudes aus. Gegen Westen zu ist ein
grosser Theil der Umfassungsmauer noch nicht zur Aufdeckung
gelangt. Aussen- und Innenmauer sind durch speichenförmig ge-
stellte Mauern verbunden, welche weder von gleicher Stärke sind,
noch auch in ihren Entfernungen und Stellungen gleiche Regel-
mässigkeit zeigen. Dass diese Mauern bestimmt waren, die Sitz-
reihen zu tragen, dürfte nicht zu bezweifeln sein, leider ist aber
von den letzteren kein Rest auf seinem Platze geblieben, sie waren
eben die ersten, welche der Beraubung anheimfallen mussten. Es
ist mir auch bis nun nicht gelungen, eine Stiegenanlage oder deren
Spuren nachzuweisen, auch reichen die Mauern nicht so weit
hinauf, um die Anordnung zu erkennen, welche getroffen war, um
die Sitzreihen zu tragen. Die Cavea des Amphitheaters war
übrigens nicht durchwegs von gleicher Breite, sie ist in der Lang-
achse des Gebäudes 13-4, in der kurzen Achse 166 und 15-6 M.
breit. Ungenauigkeiten in der ganzen Anlage sind zwar sichtUch
allerwärts in unserem Gebäude vorhanden, doch dürfte es vielleicht
nicht unabsichtlich gewesen sein, an den den Beschauern günsti-
geren Langseiten des Baues den Zuschauerraum breiter zu gestalten.
Von besonderem Interesse sind jene Bautheile, deren Reste
155
in den Achsen des Amphitheaters erhalten blieben und die Cavea
in diesen Richtungen durchschneiden. In der Richtung der Lang-
achse lagen die Eingänge zur Arena. Von diesen ist der östliche
vollständig freigelegt, der westliche bisher nur zum Theil von der
Verschüttung befreit worden. Der erstere zeigt sich nach aussen
durch die Anlage von vier starken Quaderpfeilern besonders aus-
gezeichnet. Diese Pfeiler sind heute noch in einer Höhe von 28 M.
erhalten und von solider, sorgfältiger Arbeit. Sie bilden drei Ein-
gänge, von welchen der mittlere 3*4, die äusseren 1 und 1*11 M.
breit sind. Zwei noch in gleicher Höhe mit den Pfeilern erhaltene
Mauern verbinden den ersten und vierten Pfeiler mit der Um-
fassungsmauer der Arena, solcher Art einen Eingangsraum bildend,
dessen Breite von 8-3 zu 7-12 M. verläuft. Dieser Raum wird von
der Arena herein durch zwei Mauerstücke, die aber nur in der
Länge von 4*55 M. erhalten sind und auch keine weitere Fort-
setzung erkennen lassen, in drei Theile getheilt. Obwohl diese
Mauerzüge ihre Richtung auf die freistehenden Pfeiler des Ein-
ganges nehmen, scheint doch ursprünglich der Raum unmittelbar
hinter den Eingangspfeilern in seiner ganzen Breite ungetheilt ge-
wesen zu sein. In der Mauer, links vom Eingange, befindet sich
eine Nische, der aber, nachdem sie wieder zum Theile zugemauert
war, eine Ära mit Inschrift i) vorgestellt wurde. Dass wir es hier
mit dem Eingange in die Arena zu thun haben, der vielleicht ein
Gegenstück in der gegenüberliegenden Anlage fand, ist zweifellos.
Die Disposition ist ja auch eine vollständig klare und verständliche,
wenn auch die Frage, ob der Raum vollständig oder vielleicht nur
in dem Theile zunächst der Arena gedeckt oder überwölbt war,
vorläufig unbeantwortet bleiben muss.
Die Aufdeckung hat aber in diesem Eingange noch auf
weitere Reste baulicher Anordnung geführt, die, ob zwar sichtlich
nicht gleichzeitig mit dem Uebrigen ausgeführt, einem ganz be-
stimmten Zwecke entsprochen haben müssen. An der rechten Seite
des Eintretenden zieht sich eine Reihe lose liegender, nicht zu
einer festgefügten Mauer verbundener Steine hin, zwischen welchen
in Abständen von circa zwei Meter rauh bearbeitete pfeilerartige
Steine von circa zwei Meter Höhe sich erheben. Durch diese
Steine sind ebenfalls in sorgloser Ausführung rechteckige Löcher
geführt, und zwar sowohl in der Richtung des Einganges, wie
') Siehe weiter unten S. 167.
15ß
auch senkrecht darauf. Es entsteht solcher Art eine durch diese
Pfeilersteine gebildete Abtrennung eines schmalen Ganges zur
Seite des Eingangsraumes (siehe Taf. VIII und Profil EF Taf. IX),
und man wird zur Annahme geführt, dass die Löcher in den senk-
rechten Steinblöcken zur Einführung starker Balken dienten, die
nicht blos den Gang als solchen abschlössen, sondern auch
mehrere Quertheilungen des Raumes selbst ermöglichten, Quer-
theilungeu, die durch Herausziehen der Balken immer wieder zeit-
weilig beseitigt werden konnten. Die Vermuthung ist nicht aus-
geschlossen, dass man es hier mit Käfigen für Thiere zu thun habe,
und dass durch die eben erwähnte Anordnung ein Nachrücken der
Thiere zum Kampfplatze ermöglicht wurde. Die, wie schon erwähnt,
ganz sorglose Ausführung der besprochenen Anordnung lässt es
zweifellos erscheinen, dass dieselbe nicht gleichzeitig mit dem
übrigen Baue des Amphitheaters fällt, und es lässt sich danach
auch nicht präcise angeben, ob die Löcher in der, hinter der
Schranke liegenden, Begrenzungsmauer dieses Ganges in bestimmter
157
Beziehung zu der Anordnung stehen. Von dem Fussbodcn des
ganzen, wahrscheinlich einst gepflasterten Eingangsraumes, der
sich nach der Arena senkte, ist nichts erhalten geblieben.
Nicht minder bedeutungsvoll als die eben erwähnte Anlage
der Eingangshalle sind die beiden Baureste, die in der kurzen
Achse des Amphitheaters gelegen, die Cavea durchschneiden. Vor
Allem ist es jener Theil, der die Mitte der Südseite des Zuschauer-
raumes einnimmt. Hier stiessen wir auf ein System von Mauern,
welche, wenn auch nicht durchwegs gleichzeitig aufgeführt, doch
eine Anzahl Räumlichkeiten erkennen lassen, die besonderen
Zwecken gedient haben müssen. Längs der Umfassungsmauer der
Arena liegen zwei Räume, von welchen aus die Arena durch
Thüren und über Stufen zu betreten war. Dahinter, aber um zwei
Meter höher, liegt der mit einer segmentförmigen Mauer nach
rückwärts abgeschlossene Raum, zu dem, wie es scheint, zwei
Gänge von Aussen führten, wovon der östliche noch mit den Ein-
trittsstufen in der Aussenmauer und zum Theil mit dem Stein-
plattenpflaster versehen ist. Neben diesem Gange führt ein zweiter
in der Richtung zur Arena*, in demselben sind kurze Säulen-
trommeln aufgestellt, auf welchen halbe (gespaltene) Säulentrommeln
liegen. Am Fusse der segmentförmigen Mauer wie in der gegen-
überliegenden sind Löcher in gleichen Abständen ausgespart, die
sichtlich zur Aufnahme der Balken zur Bildung eines Fussbodens
dienten. Die ganze Anordnung des Baues an dieser Stelle, die ja
für den Beschauer der Kampfspiele die günstigstgelegene war,
lässt vermuthen, dass man es hier mit dem ausgezeichnetsten
Zuschauerplatze zu thun habe, der in der Art einer abgeschlossenen
Loge gebildet war. Die niedriger liegenden Räume aber zunächst
der Arena, die mit dieser in Verbindung standen^ könnten ihrer
Lage und Anordnung nach zur Deponirung der im Kampfe Ge-
fallenen bestimmt gewesen sein.
Auf der Nordseite des Amphitheaters führte die Grabung auf
die Aufdeckung eines gewölbten Raumes und sich anschliessenden
Ganges, der in der Richtung der kurzen Achse nach Aussen
führte. Der zunächst der Arena liegende Raum (Taf. IX Profil AB)
ist 3*1 zu 4 M. gross, der mit seinem Tonnengewölbe noch zum
Theil gedeckte Gang 11'35 M. lang, 1-8 breit und 2*4 hoch. Zur
Seite des grösseren Raumes ist wieder, wie beim östlichen Ein-
gangsraume und hier in der Ostmauer, eine Nische aus der Mauer
ausgesparrt. Jedenfalls lagen die eben besprochenen Räume unter
158
den darüber hinlaufenden Sitzreihen und fanden, wie aus den er-
haltenen Maueransätzen zu entnehmen ist, über die Aussenmauer
der Cavea eine P'ortsetzung.
Was nun die Arena selbst, den Kampfplatz des Amphitheaters
betrifft, scheint derselbe ungepflastert gewesen zu sein. Wohl
führte der zuerst gezogene Sondirungsgraben auf Reste eines
Flattenpflasters, über dessen Bestimmung sich noch nichts sagen
lässt, doch haben die Grabungen rings an der Umfassungsmauer
nur aufgeschütteten und gestampften Boden ergeben. Die Arbeit
dieses Jahres hat übrigens die Bloslegung der Arena nicht weiter
gebracht, als dies zunächst der Umfassungsmauer möglich war,
und ausserdem zur Verfolgung eines Wasserabzuges geführt, wir
können uns daher von der Einrichtung derselben am allerwenigsten
ein abschliessendes Urtheil bilden. Aus dem Plane, Taf. VIII, ist
zu ersehen, dass zunächst der Umfassungsmauer, vom östlichen
Eingange bis zum früher besprochenen, an der Nordseite liegenden
Räume, eine Thonröhrenleitung erhalten blieb, welche, wie es
scheint, unter dem Niveau der Arena lag. Die Röhren sind auf
die Erde aufgelegt, ohne besondere Bettung, und haben 25 Cm.
lichte Weite. Eine andere früher erwähnte Leitung Hess sich von
der Mitte der Arena zur Umfassungsmauer verfolgen. Es ist ein
aus Steinplatten gebildeter Kanal, der mit seiner Sohle circa 1 Va M.
unter dem Niveau der Arena liegt, ein lichtes Profil von 72:80 Cm.
hat und nach der Donau zu abfällt. Er mündet unter dem früher
erwähnten grösseren Räume durch die Umfassungsmauer der Arena,
die hier mit einem starken Keilsteinbogen über dem Kanäle ver-
sehen ist. In der Mitte der Arena scheint ein grösserer Behälter
gewesen zu sein, der durch eine Klappe abzuschliessen war, welche
in die senkrechten Nuthen zu beiden Seiten des anschliessenden
Kanales eingeschoben wurde. Die weitere Bloslegung der Arena
muss erst ergeben, was diese Vorrichtung für eine Bestimmung in
Bezug auf diese Behälter hat, namentlich aber auch, ob es sich
um eine blosse Entwässerungsanlage, oder etwa eine solche in
Verbindung mit einem der Länge der Arena nach laufenden
breiten Wassergraben, der verschiedenen Zwecken dienen konnte,
handelte. Der Abzugskanal ist theils mit Steinplatten, theils mit
gespaltenen Säulentrommeln, deren Rundung natürlich nach oben
gekehrt war, abgedeckt, und macht seine ganze flüchtige Aus-
führung den Eindruck mit der Brüstungswand der Arena und den
Aussenpfeilern des Osteinganges nicht gleichzeitig zu sein. Viel-
159
leicht ist die Vermuthung nicht ganz ausgeschlossen, dass man
in irgend einer späteren Zeit in die Arena einen oflfenen Kanal
oder Teich, sei es auch nur für Kampfspiele mit Thieren zu Wasser
und zu Land, einbaute, und dass nach Ausführung dieses Baues
die Röhrenleitung aus Thonröhren, die, wie es scheint, von der
Südseite herging, nicht direct in die Arena, sondern um dieselbe
gelegt werden musste. Ob diese Thonröhrenleitung aus den Kammern
führte, in welche die Gefallenen geschleppt wurden, oder ob sie
schon von Aussen her für den Bedarf an Wasser in die Arena
führte, werden wohl die nächstjährigen Grabungen feststellen.
Wenn wir nun das Amphitheater in seiner Gesammtanlage,
so weit es heute aufgedeckt ist, überblicken, gewinnen wir den
Eindruck, dass man es mit einem, seinen Dimensionen nach, sehr
stattlichen Gebäude zu thun habe, einem Gebäude, das in seiner
Art nicht zu den kleineren von den Römern für gleiche Zwecke
errichteten zählte. Beim Vergleiche unseres Objectes mit anderen
Amphitheatern fällt die Grösse der Arena im Gegensatze zur ge-
ringen Breite der Cavea auf, ja die Cavea ist überhaupt allen
übrigen Amphitheatern gegenüber auffallend schmal. Die Dimen-
sionen unserer Arena sind, wie oben erwähnt, 72"20 zu 44"25 M,
für die lange und kurze Achse. Damit die Kampfplätze der grössten
erhaltenen Amphitheater verglichen , misst jener von Corinth
88-4: 57-9 M.*^), der im Colosseum in Rom 85*75 : 53-62, der in
Tarragona 84*45 : 55*22. Die Dimensionen der Langachsen der
kleinsten Amphitheater bewegen sich dagegen zwischen 40 und
50 M., zu den mittelgrossen Arenen, aber immerhin noch kleineren
als unsere, gehören jene von Aquincum (Ofen) mit 53*36 zu 45*54
und Pompeji mit 66*65 zu 35*05 M. Die Arena von Carnuntum
(immer nur den Kampfplatz verstanden) rangirt ihrer Dimensionen
nach zwischen jene von Pola 70 zu 44*8 und Verona 75*68 zu
44-39 M.
Anders allerdings fällt der Vergleich aus, wenn man nicht
blos die Arenen, sondern die ganzen Amphitheater ihren Dimen-
sionen nach einander gegenüber stellt. Bei Carnuntum beträgt die
grosse Achse des ganzen Gebäudes 97*66, die kleine 75*25 M.,
') Ich entnehme die angegebenen ISIasse, soweit sie sich nicht auf Carnuntum
beziehen, dem Werke von L. Friedländer, Darstellungen aus der Sittengeschichte
Roms. Leipzig 1881. II. Th. S. 365.
160
wogegen dieselben Achsen gemessen für Pola 137'8 : 112*6, für
Verona 153-18: 122'89 M. resultirt. Die geringere Ausdehnung des
Gebäudes im Vergleiche zu anderen, und trotz der grossen Arena,
hängt mit der ungewöhnlichen Schmalheit unserer Cavea zusammen.
Die letztere misst 12*73, beziehungsweise 15'5 M., während jene
von Pola 34 M., die von Verona 39 M. hat. Vergleichsweise sei
noch erwähnt, dass die Cavea des Colosseums in Rom 51 M., die
des Amphitheaters in Aquincum bei bedeutend kleinerer Arena als
unsere IG M. Breite misst. Die Dimensionen, respective der Um-
fang der Arena im Vereine mit der Breite der Cavea bestimmen
das Fassungsvermögen des Zuschauerraumes. Diese beiden Factoren
in Rechnung gebracht und ausserdem Sitzstufen von 0*65 M. Tiefe
(Sitz- und Fussplatz der nachfolgenden Reihe zusammengerechnet)
und 0"45 M. für jede Sitzbreite angenommen, ergibt sich nach
Abschlag der anzunehmenden Praecinctionen und in die Sitzstufen
eingeschalteten Stiegen ein Fassungsvermögen der Cavea des
Amphitheaters in Carnuntum von rund 8000 Personen.
Aus der Breite der Cavea können wir aber auch mit einiger
Sicherheit einen Schluss auf die Höhe derselben, wenigstens auf
die Erhebung derselben in Beziehung zum Niveau der Arena ziehen.
Nehmen wir nämlich auch hier, wie bei den meisten Amphitheatern,
ein Ansteigen der Sitzreihen unter einem Neigungswinkel von 30"
zur Horizontalen an, so liegt die letzte Sitzreihe circa 13 Meter
über der Arena. Die geringere Breite der Cavea muss auch, im
Gegensatze zu verwandten Baulichkeiten, eine geringere Höhe der-
selben zur Folge gehabt haben. Wenn wir bei diesem Anlasse die
Höhen- oder Niveauunterschiede von Lager und Amphitheater
einander gegenüberstellen, kommen wir zu dem interessanten Re-
sultate, dass, nachdem das Lager um 14 Meter höher liegt als die
Arena, der Ausblick über das Amphitheater von daher, namentlich
aber von den Mauern und Thürmen des Lagers aus nicht ge-
hindert war.
Die Aufdeckung des Amphitheaters in Carnuntum darf gewiss
als eine erfreuliche Leistung der Bemühungen und Bestrebungen
des Vereines angesehen werden und macht den berechtigten Wunsch
rege, dass das einmal Begonnene auch zu Ende geführt werde.
Noch ist eine ebenso grosse Arbeit als bisher durchzuführen, da
die ganze Arena und die Umgebung der Cavea von der Auf-
schüttung zu entblössen ist; ja es muss sich an den Wunsch der
161
vollen Bloslegung des Gebäudes aber auch noch der weitere an-
schliessen, die Möglichkeit der Erhaltung derselben wenigstens für
eine Reihe von Jahren zu sichern. Berechtigt erscheint dieser
Wunsch namentlich durch die Erwägung, dass wir es hier mit
dem einzigen bis nun bekannten römischen Amphitheater diesseits
der Alpen in Cisleithanien zu thun haben, und dass dasselbe unter
allen bisher in Carnuntum aufgedeckten Gebäuden allein erhaltungs-
fähig und im Interesse der berühmten Oertlichkeit auch erhaltungs-
würdig wäre.
Wenn wir zum Schlüsse noch einen Rückblick auf die Ge-
sammtresultate der letzten Ausgrabungen werfen, kann uns nicht
entgehen, dass durch diese Arbeiten unsere Vorstellung von dem
römischen Carnuntum über das Lager hinaus eine wesentliche Er-
weiterung erfahren hat. An der Ost- und Südostseite des Lagers
gegen Deutsch-Altenburg und den heutigen PalfFygarten (Mühl-
garten) zu, sind schon früher eine Anzahl Militärbäder gefunden
worden, 1848, 72 und 75 wurden solche aufgedeckt^). Den süd-
lichsten Abschluss dieser Anlagenreihe bildet unsere Taf. V ge-
gebene Aufdeckung mit den auffallenden, an die Reste einer Be-
festigung gemahnenden Mauerzttgen. Zu diesen vielen Bauten an
der Ostseite und ausserhalb des Lagers kommt nun noch das
Amphitheater, das auffallend nahe dem Lager errichtet ist und
der Vertheidigung desselben, sofern es noch als geschlossenes
Lager galt, gewiss nicht günstig war. Unsere diesjährige Auf-
grabung an der Ostgrenze des Lagers lässt uns aber erkennen,
dass hier, wo man eine feste Umfassungsmauer suchen musste,
grosse Baulichkeiten standen, die nicht geeignet scheinen, als
Theile der Befestigung zu dienen. Alles das zusammen genommen
berechtigt zu der Vermuthung, dass das Lager als solches in späterer
Zeit bedeutende Erweiterung erfahren habe, und dass man, um die
ausserhalb des ursprünglichen Lagers liegenden Militärbauten zu
schützen, eine zweite befestigte Mauer zog, und zu dieser mag
jener Mauertheil gehören, den wir auf Taf. V dargestellt haben.
Mit der Erweiterung der ganzen Militäranlage (wie wir dies nament-
lich gegen Osten erkennen) hatte die Ostmauer des ursprünglichen
*) Fnili. V. Sacken, Sitzungsb. d. k. Akad. d. Wissenschaften IX; derselbe,
Mitt.heil. d. k. k. C. Comra. f. Baudenkmale XVIII. Jahrg. ; Alois Hauser, Mittheil,
d. k. k. C. Comm. f. Kunst- u. bist. Denkmale II. Jahrg. 187G.
162
Lagers ihre Bedeutung verloren, das Amphitheater aber lag inner-
halb des ummauerten Postens.
Wenn unsere Vermuthung richtig ist, wofür ja weitere Auf-
deckungen eine Entscheidung bringen müssen, so erweitert sich
das Programm unserer Arbeiten beträchtlich, und es ist nicht aus-
geschlossen, dass der Ueberraschung, die uns das Amphitheater
gebracht, noch weitere folgen könnten.
Zum Schlüsse noch die Mittheilung, dass, wie es gelungen
ist, die römische Strasse, die vom Lager gegen Altenburg führt,
in der jungen Saat zu verfolgen, aufzunehmen und in unseren Ge-
sammtplan der Oertlichkeit einzutragen, ebenso auch die römische
Strasse, welche aus dem Südthore des Lagers führte, gegen Prellen-
kirchen zu, in einer Länge von 3800 Meter über die Felder und
Hutweiden verfolgt, gemessen und verzeichnet wurde.
ALOIS HAUSER
Einzelfunde aus dem Amphitheater zu Carnuntum.
I. Fund von 36 Silber-Denaren aus der römischen Kaiserzeit.
Dieser in dem Eingangsraume auf der Ostseite in der Nähe
des Altars der Juno Nemesis (s. unten Seite 167 Nr. 3) ge-
machte Fund enthält: 1 Stück von Domitian, 3 von Trajan,
je 4 von Antoninus Pius und Faustina sen., 2 von Marc Aurel,
3 von Faustina jun., 1 von Lucius Verus und 18 völlig unkennt-
liche Denare. Er bildete offenbar den Inhalt eines Geldbeutels,
welcher unter Lucius Verus in Verlust gerathen ist. Die Denare
dieses Kaisers und Marc Aureis haben Stämpelglanz. Die lesbaren
Stücke sind;
Domitian.
1. Av GERM PM TRPX... Kopf von der rechten Seite.
Rev. IMP XXII cos X.. CENS p p p. Stehende Pallas.
Trajan.
2. Av. IMP TRAIANO AVG GER Kopf von der rechten
Seite.
Rev. cos V pp SPQR OPTIMO PiiiNC. Mars mit Victoria auf
der Rechten und Lanze in der Linken.
3. Av. IMl' CAES NEU VA TRAIANO AVG GERM DAC. Kopf VOn
der rechten Seite.
Rev i'iNi - TR p COS VI PP SPQR. Stehende Figur.
163
4. Av. IMP TRAIANO AVG PM TRP COS VI.
Rev. si'QR üPTiMO PRiNCiPi. Weibliche Figur, in der Linken
ein Füllhorn, rechts neben ihr ein Modius.
Antoninus Pius.
5. Av. Divvs ANTONINVS. Kopf ohne Lorbeerkranz von der
rechten Seite.
Rev. CONSECRATio. Katafalk. Coh. 164.
G. Av. ANTONINVS AVG - Pivs p p TR p XI. Kopf von der
rechten Seite.
Rev. COS - im. Stehende weibliche Figur.
7. Av. Wie bei Nr. 6, nur xvii.
Rev. COS - im. Stehende weibliche Figur, mit Aehren in
der Rechten, einen Anker mit der Linken haltend,
unten zu ihrer rechten Seite ein Modius.
8. Av. ANTONINVS AVG PI - VS
Rev. cos - IUI. Stehende weibliche Figur.
Faustina sen., Gemalin des Kaisers Antoninus Pius.
9. 10. Av. DIVA - FAV.STINA. Kopf der Kaiserin von der rechten
Seite.
Rev. AETER-NITAS. Verschleierte weibliche Figur.
IL 12. Av. DIVA - FAVSTINA. Kopf der Kaiserin von der rechten
Seite.
Rev. CONSECRATIO. Pfau. Coh. 175.
Marc Aurel.
13. Av. IMP M ANTONINVS AVG. Kopf ohne Kranz von der
rechten Seite.
Rev. CONCORD AVG TR p XVII. Sitzende Frauengestalt von
der linken Seite, in der Rechten eine Schale haltend.
Im Abschnitte darunter cos iii.
14. Av. M ANTONINVS AVG IMP II. Kopf von der rechten Seite
mit Lorbeerkranz.
Rev. PROV DEOR TR p XVII COS III. Stehende weibliche
Figur, in der ausgestreckten Rechten eine Kugel, in
der Linken ein Füllhorn haltend.
Faustina, Gemalin des Kaisers Marc Aurel.
15. Av. ...FAVS-TINA AVG. Kopf der Kaiserin von der rechten
Seite.
Rev. AVGv-STA. Stehende weibliche Figur.
164
10. 17. Av. FAVSTINA-AVGVSTA. Kopf von der rechten Seite.
Rev. FECVN-DiTAS. Stehende weibliche Figur, in der Rechten
eine Lanze, auf der Linken ein Kind. 2 Stücke.
Lucius Verus.
18. Av. L VERUS AVG ARM-PARTH MAX. Kopf von der rechten
Seite.
Rev. TRP - IMF cos II. Victoria mit Palmzweig und
Schild, auf welchem vicpar.
IL Funde von einzelnen Münzen.
Es wurden im Amphitheater 97 römische Kaiserraünzen ein-
zeln mit folgenden Reversen gefunden.
Augustus. 1 St. M. Br. . . .potestate xii, im Felde s c.
Claudius. 1 St. M. Br rtas AVGVSTA. Darstellung unkennt-
lich.
Vespasian. 1 St. M. Br. Stehende weibliche Figur.
Domitian. 1 St. M. Br. salvti - avgvsti. Altar sc. Coh. 415.
Nerva. 1 St. M. Br. libertas pvblica. Stehende weibliche Figur
zwischen s c Coh. 108.
Trajan. 1 St. Gr. Br. tr pot - cos im p p, im Abschnitte sc.
Sitzende weibliche Figur nach rechts, in der ausgestreckten
Rechten ein Zweig. Coh. 636.
An tonin US Pius. 1 St. M. Br. Rev. unkenntlich.
Faustina sen. 1 St. M. Br. aeternitas sc. Stehende weibliche
Figur.
Marc Aurel. 2 St. Gr. Br sc. Stehende Victoria einen Schild
mit vic 0 K R auf einem Baumstamme haltend.
— M. Br. SECVKITAS PVBLICA IMP VI COS iii s c. Stehende weib-
liche Figur.
Faustina jun. 2 St. Gr. Br. venvs sc. Die Göttin stehend, in
der ausgestreckten Rechten eine Kugel, in der Linken eine
Lanze.
— M. Br. FECVND - AVCiVSTAE s c. Stehende weibliche Figur, auf
jedem Arme ein Kind haltend, zu ihren Füssen zwei Kinder.
Com modus. 1 St. Im Reverse ein geflügelter Genius, sonst un-
kenntlich.
lulia Mamaea. 1 St. Denar, saecvli felicitas. Weibliche Figur
mit Schale und Caduceus vor einem Altare stehend, im Felde
ein Stern.
165
Severus Alexander. 1 St. Denar. FIDES militvm. Weibliche
Figur mit zwei Feldzeichen. Coh. 52.
Gallienus. 2 St. Billon. lovi CONSERVATORI, im Felde ii, der
stehende Jupiter mit Blitz und Scepter u. libero p cons
AVG mit Panther von der linken Seite, unten B. Coh. 586.
Claudius Gothicus. 3 St, Kl. Er. aeqvitas avg und conse-
CRATIO mit Adler.
Aurelian. 1 St. Kl. Br. romae aeternae. Der Kaiser vor der
sitzenden Roma stehend, die ihm eine Victoria überreicht.
Unten Q. Coh. 220.
Probus. 2 St. Billon. concordia avg — - — und virtvs probi avg.
XXI
T
Der Kaiser zu Pferd nach rechts, unten . Coh. 878.
XX M c
Diocletian. 2 St. M. Br. genio pop-vli romani. Genius mit
Schale und Füllhorn. S - b.
— Kl. Br. lovi CONSERVAT, unten txxit. Coh. 193.
Maximianus Herc. 2 St. M. Br. genio av-gvsti. Genius mit
Schale und Füllhorn zwischen »^b, unten Sis. Coh. 133.
— conserv-vrbsvae, Tempel, unten p - t. Coh. 64.
Licinius sen. 2 St. M. Br. genio a-vgvsti. Genius mit Schale
r
und Füllhorn. .
B
— Kl. Br. lovi CONSERVATORI AVGG. Jupiter stehend mit Victoria,
im Felde s, unten s N k.
Constantin der Grosse. 5 St. Kl. Br. providentiae avgg.
Thor, unten SMTsr. Coh. 454.
— SOLI INVICTO COMITI, VOT. .MVLT. . . im Kranze.
— 2 St. mit CONSTANTINOPOLIS im Avers, im Revers unten b sis
und CONSZ.
— 1 St. mit VRBS ROMA im Avers, der Wölfin mit Romulus und
Remus im Revers.
r
Crispus. 1 St. Kl. Br. lovi conservatori caess . Coh. 79.
^ SMK
Constantinus jun. 1 St. Kl. Br. gloria exercitvs. Zwei Sol-
daten. Coh. 113.
Constans. 3 St. Kl. Br. gloria exercitvs, unten , se-
' r '
CVRITAS reip, VICTORIA DD AVGG NN, mit den bekannten Dar-
stellungen. Coh. 46; 102; 176.
Arcbäologiach-epigraphiache Mitth. XH. 12
16G
Constantius II. 12 St. M. Br. feltemp reparatio , Kaiser
SMKA '
einen gestürzten Reiter erstechend.
— CONCORDiA MiLiTVM, unten F SIS c. Der Kaiser mit zwei Feld-
zeichen, im Felde iii.
— Kl. Br. 4 St. FEL TEMP REPARATIO (ein Stück davon mit
). Darstellung wie beim ersten Stück.
AQS/
— 1 St. mit derselben Inschrift, aber Kaiser mit Victoria im Schiff.
— 2 St. mit VICTORIA DD AVGG Q NN. Zwei Victorien.
— 1 St. mit GLORIA EXERCiTvs. Zwei Soldaten.
— 1 St. mit SPE REiPVBLiCAE. Kaiser stehend,
— FELTEMP REPARATIO. Phönix, Unten CONS I.
Julian IL M. Br. secvritas rei pvb, Stier nach links, darunter
ASIS, darüber zwei Sterne.
— Kl. Br. VOT X MVLT XX.
Valens. 11 St. Kl. Br. secvritas rei pvblicae mit asisc, asisc,
P D
SMAQS, und GLORIA ROMANORVM mit BSISC und
ASISC rsisc
Valentinian. 5 St. Kl. Br. secvritas rei pvblicae, darunter
PM
mit asisc und
rsisc
— 2 St. Kl. Br. GLORIA ROMANORVM BSISC und D^SISC.
Die übrigen antiken Münzen sind unleserlich,
37 Silberdenare des ungarischen Königs Andreas I.
EDMUND SCHMIDEL
III. Inschriften.
1. Zur Bauinschrift des Amphitheaters könnte ein 90 Cm.
breiter, 60 Cm. dicker und 36 Cm. hoher Steinblock gehören, der
in dem Eingangsraume auf der Ostseite, rechts vom Eingange,
also dem Altar (n. 3) gegenüber gefunden ist und auf dem die
beiden 26 Cm. hohen Buchstaben stehen:
VM
Das um könnte das Ende eines den ganzen Bau {amphithea-
trum) oder einen Theil desselben bezeichnenden Substantiv s oder
167
eines Gerundivum wie faciendum sein. Doch sind natürlich viele
andere Möglichkeiten nicht ausgeschlossen.
2. Einige Schritte westlich von der Mitte der Nordseite des
Amphitheaters wurde ein 0*88 M. breiter, 0*34 hoher und min-
destens 0*80 dicker Steinblock gefunden, auf dessen Vorderseite
mit ziemlich flüchtig und etwas schräg eingehauenen, etwa 12 Cm.
hohen Buchstaben steht:
im V I R
also (quattuor)vir.
Augenscheinlich ist die Inschrift, namentlich die drei Buch-
staben des Wortes vir absichtlich auseinander gezogen worden,
damit die ganze Vorderfläche des Steines durch dieselbe aus-
gefüllt würde. Dies und die Beschafi'enheit von Stein und Inschrift
überhaupt beweisen meines Erachtens mit Sicherheit, dass wir in
dem IUI vir nicht etwa einen Theil einer Bauinschrift haben,
sondern dass mit der Aufschrift der Sitz eines Quattuorvirn
oder vielmehr die Sitze der Quattuorvirn bezeichnet waren. Denn
nach aller Analogie wird anzunehmen sein, dass für die vier
Quattuorvirn des Municipiums Carnuntum im Amphitheater gemeinsame
Sitze bestimmt waren. Zweifelhaft muss bleiben, ob dabei eine Schei-
dung der mit der Rechtsprechung und der mit der Aedilität betrauten
stattfand oder nicht. In letzterem Falle könnte auf den drei Blöcken,
deren Raum etwa vier bequemen Sitzen entsprochen haben wird,
die Aufschrift gewesen sein /Z//viV|z mun.\Carn.\, in ersterem würde
das erhaltene Stück zu der Aufschrift unter den beiden ersten
Sitzen gehört haben und etwa zu Uli mr\i i. d. = IUI viri
i{ure) d{icundo) zu ergänzen sein. Vielleicht kommen bei der Fort-
setzung der Ausgrabungen die Blöcke, die die Fortsetzung des
unsrigen bildeten, ganz oder theilweise noch zum Vorschein.
3. Ebenfalls wie Block 1 im östlichen Eingangsraume, aber
links vom Eingange, an der auf Tafel VIII durch einen viereckigen
Vorsprung bezeichneten Stelle, befindet sich noch jetzt im Wesent-
lichen an seinem ursprünglichen Platze, unterhalb einer zum Theile
zugemauerten Nische (vgl. oben S. 155 mit Anm. 1), nur ein wenig
nach rechts gerückt, ein mindestens 1'20 M. hoher, in der Mitte
0*50 breiter und 0*34 dicker einfacher Cippus aus Kalkstein mit
folgender Inschrift, in der die Buchstaben in Z. 1 8 Cm., Z. 2
6'5 Cm., Z. 3—6 5 Cm. hoch sind.
12*
168
I VN O Nl
NEME SI
EPPIVS-MARt N^S
"E-MEM-ESPER-IVJ
5 LEG-XÜli-GT-I VL
RODO • T
In Beziehung auf die Lesung ist nur am Schlüsse von Z. 4
ein Zweifel statthaft. Ich schrieb unter ungünstigen Umständen
ab, und die Stelle ist etwas beschädigt, namentlich am oberen Ende
des I. So kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob vor dem V3 ein
I oder T zu erkennen ist, während das V3 selbst mir sicher scheint.
Gemeint ist vielleicht tvb und somit das Wort tuh{icen) zu ver-
stehen. — Das et, womit Z. 6 vor der Mitte schliesst, und die An-
ordnung zeigen, dass noch ein oder mehrere Namen hinzugefügt
werden sollten, und es waren dafür noch 2^/^ oder höchstens
3% Zeilen verfügbar. Warum die Zufügung unterblieben ist, ist
nicht zu errathen.
lunoni Nemesi Eppius Martinus et Mem{mius) Esper [t\ub{icen)'^
leg{ionis) XIII I g{eminae) et Iul{ia) Rodo et . . .
In der Nähe dieses Cippus oder Altares, zwischen ihm und
dem Pfeiler am äusseren Eingange befand sich ein grösserer Haufe
von kleinen Knochenüberresten. Einen Theil derselben, den wir
bei einem Ausfluge mitnahmen, hatte mein College, Prof. Neu-
mayer, und sein Assistent Dr. Weithofer die Freundlichkeit zu be-
stimmen. Darnach gehörte ein Knöchelchen einem nicht näher
bestimmbaren Hühnervogel (etwa Repphuhn), zwei andere theils
sicher theils wahrscheinlich zwei verschiedenen Hundearten an;
die übrigen, so weit sie kenntlich waren, rührten her von den
Gattungen Pferd, Rind, Schwein, Schaf. Ob man dabei an das
Opfer der suovetaurilia, das aus Schwein, Schaf und Stier bestand,
zu denken hat, lasse ich dahingestellt.
4. Kleine Ära aus Sandstein, 0"3 M. hoch, 0*18 breit und
0*15 dick, nur an den Seiten etwas beschädigt; gefunden im Am-
phitheater lose liegend. Oben ist die Oberfläche zu einer Patera
mit Nabel ausgearbeitet, auf der Seite rechts ist eine Patera mit
langem Stiel, der nach unten links gerichtet ist, auf der linken
Seite eine Patera mit zwei Henkeln dargestellt. Vorn die In-
schrift :
169
|ov,l
r E R A p\
/VLI VS
[ijovi [AS']era/9[i r\ulms.
5. Zwei Bruchstücke einer Marmortafel; gefunden lose im
Amphitheater links von dem Haupteingange, aber schon innerhalb
der Arena; die sorgfältig eingehauenen Buchstaben deuten auf
verhältnissmässig frühe Zeit. Hoch sind die von a etwa 3 '6, von
l) etwa 3' 3 Cm.
a V ß) i ' l
Dass die Stelle des Bruchstückes b weiter unten war als von
a, deutet die geringere Grösse der Buchstaben an. Eine Ergänzung
ist bei der Geringfügigkeit der Reste kaum möglich. Am nächsten
liegt bei einer sorgfältig ausgeführten Inschrift auf einer Platte aus
gutem Marmor innerhalb des Amphitheaters der Gedanke an die
Widmung an einen Kaiser, und es wäre möglich, dass in b das
vot zu devotus oder devotissimus, das ni zu numini gehörte. In a
kann das cia unter andern zu einem Cognomen, wie Marcianus,
gehört haben.
6. Auf den im Amphitheater gefundenen Thonröhren ist, wie
Herr Baurath Hauser mir mittheilt, oft ein Stempel zu sehen. Der-
selbe ist meist undeutlich; an einer Stelle, wo er deutlich ist, hat
Hauser gelesen:
I CAESl I
7. Eine Inschrift, und zwar nicht eine eingeritzte, sondern in
der Form befindliche, trägt auch eine im Amphitheater gefundene
ziemlich rohe Thonlampe.
170
Die Lesung der in % der natürlichen Grösse wiedergegebenen
Inschrift ist fast völlig sicher, nämlich eccipe i)atr[o]ne mibe. Zweifel-
haft könnte etwa sein, ob der Arbeiter zwischen r und n das o
wirklich ganz ausgelassen hat, oder ob es kleiner gebildet war
und verschwunden ist. Am Schlüsse ist, da mit dem nv der An-
fang der Inschrift erreicht war, von dem b der zweite Strich tief
hinabgezogen, und das vorausgesetzte e ist unsicher. Die Bedeutung
der Worte kann streitig sein. Dass eccipe für excipe steht, ist sicher.
College Hartel hatte an die Möglichkeit gedacht, dass nuhe für
nove stände, und man sich zu denken hätte, der Besitzer der Figli-
nae habe gewechselt, und der Arbeiter habe in der ersten Form,
die er unter dem neuen Herrn anfertigte, hingeschrieben: nimm
auf, neuer Gebieter'. Mir möchte es glaublicher erscheinen, dass
das mibe der Imperativ von mibere sei und der Spruch excipe pa-
trone, mihe die Aufforderung enthalte, die Lampe zur Beleuchtung
zu verwenden in der Brautnacht. Dass mibere eigentlich nur von
der Frau gebraucht wird, entscheidet wohl nicht dagegen, schon
Tertullian braucht es auch von Männern.
Zu den Funden im Amphitheater füge ich zwei Inschriften
hinzu, die an der anderen Ausgrabungsstelle gefunden sind (n. 8
und 9), und zum Schluss diejenigen, die im vorigen Jahre auf dem
Boden von Carnuntum ausserhalb des Platzes der Ausgrabungen
zum Vorschein gekommen sind (n. 10 — 14).
8. Marmorstück, das unten und links gebrochen, oben und
rechts vollständig ist, nur dass auf der Rückseite rechts ein Stück
weggebrochen ist. Die Masse sind: Länge etwa 0*415, Höhe 0*165,
Dicke links 0*115, in der Mitte, da die Dicke nach rechts zu-
nimmt, 0*14 M. Die Rückseite ist ziemlich sorgfältig geglättet,
die obere Fläche nur roh. Ein einfach profilirter Rand läuft
herum. Das Stück befand sich, als Material verwendet, in einer
Mauer zwischen dem sogenannten Forum und dem neu aufgedeckten
grossen dreischiffigen Bau. Die folgende Abbildung ist im Mass-
stabe von V4 angefertigt.
Zu Anfang von Z. 1 ist deutlich v (von r)i-, von Z. 3 - (von s)ac
zu erkennen. — In Z. 2 ist augenscheinlich die ursprüngliche
Schrift getilgt und später das eingegraben worden, was jetzt da-
steht: cojjvv MODiA'GVSTi. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand.
Nach der Tödtung des Commodus sprach der Senat über ihn die
171
damnatio memoriae aus, und es musste daher auf den Denkmälern
sein Name getilgt werden. Kaiser Septimius Severus aber Hess
die damnatio aufheben, und wenn auch mehrfach die in Folge
dessen erforderliche Wiederherstellung des getilgten Namens unter-
blieben ist, so ist sie, wie wir sehen, in Carnuntum nicht unter-
blieben, wo Septimius Severus selbst commandirt hatte und zum
Kaiser ausgerufen worden war. Die neue Schrift muss wohl nicht
genau der alten entsprochen haben, und ich möchte es für wahr-
scheinlich halten, dass ursprünglich weder die Buchstaben a und v
ligirt waren, noch das Wort commodi durch den Kopf unterbrochen
war. Es kann z. B. nach dem Kopfe commodi avg gestanden haben.
Für die Ergänzung der fehlenden Theile ist nach der Anordnung
des Erhaltenen sicher, dass der grössere Theil der Inschrift ver-
loren ist. Es wird demnach in Z. 1 vor Vene\ri Victrin noch der
Name einer anderen Gottheit gestanden haben und ebenso in dem
verlorenen Stücke mindestens noch eine Gestalt dargestellt gewesen
sein. Sieht man zunächst von der Beschaffenheit des erhaltenen
Kopfes ab , so liegt es nahe, die Inschrift nach Anleitung einer
im Jahre 1885 in unmittelbarer Nähe gefundenen Inschrift (Vereins-
bericht für 1885 S. 32 = Mittheilungen X S. 25 n. 6) lI{ovi)] o(p-
timd) m{axinio) H{eHopolitano) , Veneri Victrici M. Titius Heliodorus
aug(ustaUs) coKoniae) Kar{nunti) v{otum)^ s{plvit) sacerdotih{us) Vihio
Crescente et Heren{nio) Nigriniano, die zu demselben Heiligthume
gehört haben könnte, etwa so zu ergänzen:
lovi optwio =^ maximo Heliopolitano et Vene\ri ^ victrici sacr.
pro salute t^ iiwp. Caesaris M. Äureli Antonini Co\m w modi Augusti
10 et 10 ] sac.
172
Es können darauf die Namen der Dedicirenden gefolgt sein,
in mehreren Columnen geordnet. Schwierigkeit macht aber der
Kopf. Nach der Stellung desselben zwischen und unterhalb der
Namen der Venus Victrix möchte man an eine Darstellung dieser
Gottheit denken, und dass sie eine Mauerkrone trägt, liesse sich
etwa durch die Annahme erklären, dass sie für das Lager die
Stadtgottheit verträte. Aber der Augenschein schliesst mit völliger
Sicherheit eine Frauengestalt aus und verlangt eine knaben-
hafte. Den Juppiter Heliopolitanus zu erkennen, der jugendlich
gebildet wird, gestattet wohl die Mauerkrone nicht, abgesehen von
dem "Wechsel der Stellungen, den man für die Gestalten des Juppiter
und der Venus annehmen müsste. Dieselben oder noch grössere
Schwierigkeiten würden sich ergeben, wollte man zu Anfang von
Z. 1 statt des Juppiter Heliopolitanus den Namen einer anderen
Gottheit ergänzen und deren Bild in dem Kopfe erkennen. Am meisten
scheint der Kopf für einen Genius zu passen, etwa des Lagers
oder der Stadt Carnuntura, aber dass in der Inschrift eine solche Gott-
heit den Platz vor der Venus Victrix hätte, halte ich allerdings
für ausgeschlossen. Es scheint somit die Annahme unabweisbar,
dass die Darstellung überhaupt in keiner näheren Beziehung zu
den Gottheiten steht, denen die Widmung gilt, sondern nur zu
den Weihenden. Es könnte etwa die Personification dessen sein,
was den Weihenden gemeinsam war.
9. Ebenfalls in einer antiken Mauer als Material verwendet,
etwa zehn Klafter von n. 8 entfernt, fand sich ein etwa 0"56 breiter,
0-52 hoher, 0'18 M. dicker Block aus Sandstein, mit folgendem
Rest einer Inschrift, in der die Buchstaben von Z. 1 15 5 Cm.,
von Z. 2 19 Cm. hoch sind.
-^ III' j 1 1\
m
XX
I
In Z. 1 kann der Buchstabe nach vs, von dem nur i erhalten
ist, nach den Abständen wohl nur ein p gewesen sein; zum Schlüsse
scheint der Anfang eines m erhalten. Es kann darnach gestanden
haben {]us Pnm\us. Die Reste von Z. 2 könnten zu der An-
gabe der leg{io)] XX[II gehört haben. Das Ganze scheint nach den
Massen eine Bauinschrift gewesen zu sein.
173
Von Herrn C Hollitzer wurden bei den Arbeiten im oberen
Steinbruche an der Donau zwei Bruchstücke von Inschriften ge-
funden, die jetzt hinter dem Museurasgebäude aufbewahrt werden
(10 und 11)."
10. Sandstein, breit 0*5, hoch 0*46 M. ; der Rand hat eine
Blattverzierung ; die Buchstaben in Z. 1 sind 17 Cm. hoch, in
Z. 2 mögen sie ursprünglich 12 Cm. hoch gewesen sein.
also von fil. und Aug. und zum Namen eines Kaisers gehörig.
11. Sandstein, breit etwa 0*4, hoch 0' 5, dick 0"38 M. Rechts
war ein Rand, der weggehauen ist. Die Buchstaben sind 14 Cm.
hoch.
srw
augenscheinlich \A\ntonini.
12. In der Mauer eines zum Hause n. 15 in der Nähe der
Schule von Deutsch-Altenburg gehörigen Stalles war befindlich ein
Cippus, den Herr Hollitzer vom Eigenthümer erwarb. In der In-
schrift waren die Linien vorgerissen.
Etwa [cZ.] m. . . . [I]ul{iae) ? {A)el{{a)e . . . Villi Titus [Fl{avius)] ?
. . tianus \mil{es) ? le]g{ionis) XIIII g{eminae) et . . . .ia . . . .a [paren-
tes fil{iae) h{ene)] m{erenti).
13. Cippus, der Länge nach in zwei fast gleiche Hälften ge-
brochen, 80 dass einzelne Buchstaben oder Buchstabentheile ver-
loren sind, hoch 1*79, breit 0-55 -f 0-6 M. Buchstabenhöhe Z. 1
16-5 Cm., Z. 10 16 Cm., Z. 2 8 '5 Cm. War in Petronell in dem
174
Hofe eines Bauernhauses, links von der Reichsstrasse gegen die
Donau zu, und wurde vom Grafen Otto Traun erworben; jetzt be-
tindet er sich im Schlosse Petronell.
D , M
C- IVL|CEVOL- so
LVCO ■ VpCoNtORvM
VERAJVSVET
5 LEGXII T-G-D-CCS
AN • LX' H- S • E •
• T - • I >
VAL- VIT ALIS •
MVNIC EPS-'E-HEr
F )| C
Für die Siglen am Schlüsse von Z. 5 habe ich keine einiger-
massen wahrscheinliche Lesung gefunden.
d. m. C. Iul{ius) C. [f.] Vol{tinia) Luco Vocontionim Veranus
vet{eranus) leg{ionis) XII[I]I gieminae) D. C. C. S. an{norum) LX,
h(ic) s(itus) e{st) ; i{estamento) fiieri) i{tissit). — Val{&rius) Vitaiis
viuniceps et her{es) /(aciendum) c{uravit).
14. Zwei Bruchstücke aus röthlichem Marmor; a) hoch 17,
breit 10, dick links 5*4, rechts 4*5 Cm.; h) hoch 15^ breit 7,
dick links 4, rechts 3*5 Cm.; westlieh vom Lager von einem
Bauern gefunden und vom Herrn Landesgerichtsrath Schmidel er-
worben. Dass die Lettern mit den Zeilen kleiner werden, und dass
die Dicke des Steines von links nach rechts abnimmt, gestattet
die ursprüngliche Stellung der beiden Stücke zu einander mit einem
hohen Grad von Sicherheit zu bestimmen, indem danach Z. 1 von
a und Z. 2 von h zur selben Zeile gehört haben und zwischen
beiden ein Raum für etwa 3 — 4 Buchstaben gewesen sein wird.
Buchstabonhöhe von Z. 1 6-5 Cm., Z. 2 6-1 Cm., Z. 3 ö'S Cm.
Möglich oder wahrscheinlich wäre etwa folgende Ergänzung:
M. A ]ur[elius
? Fa]Uf<[cus'\ m[iL leg
xTTT]T g(eminae) ....
in der allerdings das Cognomcn ganz unsicher ist.
E. BORMANN
175
Eine römische Strasse in Serbien
Unter den Papieren des Cardinais Domenico Passionei, in
der Biblioteca Ottoboniana des Vaticans, findet sich eine Anzahl
von Briefen höherer Officiere aus dem österreichisch -türkischen
Feldzuge in Serbien und Bosnien von 1737 bis 1739. Der Cardinal,
von 1730 bis 1738 Nuntius in Wien, hatte seine Verbindungen be-
nutzen wollen, um sich Kunde von den Alterthümern jener Pro-
vinzen, für welche das Interesse durch Marsili's prachtvolles Werk
(Danubius Pannonio-Mysicus. 1726) geweckt war, zu verschaffen.
Viel Erfolg scheint der Versuch nicht gehabt zu haben: die Cor-
respondenten flechten in ihre Berichte über Kriegsereignisse nur
sparsam antiquarische Notizen ein : io non credo che a Nissa vi
possa essere una minima reliquia o vestigio d' antichitä, perchfe a
dirglielo sinceramente e un vero nido di sorci, schreibt einer von
ihnen, N. Ateste, am 17. August 1737, aus dem Lager bei Nisch.
— Durch Vermittlung desselben Ateste ist, wie es scheint, der
nachfolgende Bericht über eine römische Militärstrasse im Morava-
Thale an Passionei gelangt. Da der Bericht — über dessen Ver-
fasser die sonstige Correspondenz Passionei's nichts ergibt — an
einem Orte steht, wo man ihn schwerlich sucht, ist er sammt der
darin enthaltenen Inschrift auch für den III. Band des Corpus
nicht benutzt worden; ich verdanke die Nach Weisung Herrn Prof.
Th. Schreiber in Leipzig. — Inwieweit die Angaben über die
Operationen der österreichischen Armee zur genaueren Localisirung
der angegebenen Reste beitragen können, muss ich Kundigeren zu
beurtheilen überlassen. Die von dem Italiener gebrauchten Namens-
formen stimmen grösstentheils mit der gleichzeitigen Homann'schen
Karte; ich gebe die Identification mit der jetzt üblichen Schreib-
weise nach Scheda's Generalkarte des österreichischen Kaiser-
staates. Der Text ist, unter Beibehaltung seiner vielfach un-
correcten Orthographie, folgender:
(Cod. Vaticanus Ottobonianus 3145 f. 403.)
Eccellenza
La proffessione che vostra Eccellenza fa d' eruditione per in-
dagar le cose piü remote et nell' obblio di una proffonda antichitä
perdute, mi da 1' ardire d' inviarli una relatione d' una gran strada
176
militare Romana lastricata di marmo biancho '), che a passo a passo
per molte miglia di Camino ho ben con attentione seguita et ri-
conossiute le sue vestigie, et alla fine per confirmatione del mio
pensiero ho trovato fuori di Nissa una colonna miliaria nel modo
che sta qui nella relazione descrita, la quäle essendo molto dall'
ingiurie del tempo corosa si rende a me difficile (f. 403') 1' inteligenza
per il che lassio all' Eccellenza Vostra 1' esplicatione : et se questa
mia piccola attentione havesse la fortuna di servirli d' agradimento,
m' honnora semplicemente d' un picolo ceno del suo volere che mi
farö «na gloria di servirla in tutto cio ch' il mio picolo talento mi
soministrarä 1' occasione di poterla obbedire.
Intanto io son al campo appresso sua Eccellenza il conte de
Seckendorff, dove di spesso apresso Sua Altezza di Modena con
Santa Christina parliamo die Vostra Eccellenza; et il bagno che
li ho descrito*^), hauendolo ben uisitato, non e ch' una fabrica
Turca de' duecento anni incirca fabricato senza alcuna vestige
d' antichita, nemeno in alcuna pietra ch' ho bene visitato et la
connessione de materiali et qualche rouina ancora che vi si trova,
il bagno (f. 404) per se cioe la fönte dell' acqua pottendo ben
essere antico, ma non giä la fabrica che 1' accompagna. E d' un
aqua tepida chiarissima senza alcun odore o esalatione, ch' insinua
un piccolo sudore, et non ho dubio che sii buonissirao per li nervi
et gottosi. Corre 1' acqua in tanta abbondanza ch' a Cinquecento
passi di lä fa girare un molino, ui ho posto dentro dell' oro et
deir argento, ogn' uno de detti metalli resta nel suo essere, senza
perdere di colore, segno che non ui e ne solfere ne mercurio et
ch' e una semplice acqua che passa per qualche piccolo uulcano
sotteraneo in una gran distanza della sortita, doppo che resta per
la lontananza il suo calore si forte mittigato ch' ogni debole corpo
humano lo puö facilmente soportare.
') Dieser Ausdruck, unter dem natürlich ein localer Kalkstein zu verstehen
sein wird, darf bei der Schreibweise des Verf. nicht befremden.
■'*) Diese Beschreibung findet sich unter dem Titel: qualitä del bagno caldo
posto alle radici del monte Emo ad un ora incirca di Nissa, di la della Nissava
poco lungo dalla strada maestra di Soffia, e distante un quarto d'ora dal nro pre-
sente campo, in demselben Bande f. 402. 403. Sie dient als Beilage zu dem schon
erwähnten Briefe Atestes, vom 17. August 1737, in welchem es u. A. lieisst:
ho vediito un bagno che certamente deve essere antico. Io gliene niando una
descri/ZuMie fattami disteudere in fretta dal medico del Sig. Principe di Modena.
177
Quelle che seguira di noi Dio lo sa; non si park et non
si ride , ogn' uno guarda il silentio onde che non saprei altro
auanzarli se non la confirmatione del mio osequio essendo con
tutto il rispetto per sempre a commandi
di Vostra Eccellenza
dal carapo di Nissa li 24. Agosto 1737
Prego uostra Eccellenza dinviare . ^
1 inehiusa al mio caro patrone et
amico General conte de Walsecke °^S™° seruitore
che poträ auanti legere et inu- ^^ ^^^^^ Colonelo
iarli^). Ingeniere di S. M.
Es folgt auf f. 405'. 405 (das Blatt ist umgekehrt eingebunden)
der Bericht.
Relati one
d' una colonna railiaria ch'e fuori di Nissa sopra la
grande strada per andar al campo alla dretta del fiume
Nissaua, dove finiscono le sepulture de Turchi, et si
trova tre piedi et raezo in circa fuori di terra, il re-
stante sepolta con le seguenti lettere che dall' ingiurie del tempo
sono quasi intiere restate
M. . .C. . .AES. . .R I
. . . .L. . .H. .P. . . .O
. . .FIN VI. . .O- AVG. .
PONTIFIC M-
5 PAT...AT...RI..A..B
T. .R. .1. .B. . .PO T- COS-
PRO -CO NS • E. . . .1. . .•
MARCIAOTA. . .1. .LIE
SEVER. . . .SANCTIS
10 SIMEAVG...M..T..BI
STRORVM- ■*)
') Diese Zeilen sind später zugefügt; der Name war nicht sicher lesbar.
*) Die Restitution der Inschrift ergibt sich leicht wie folgt:
178
il restante dell' inscritione resta sepolta et puo ben essere che nel
copiare le sopra dette lettere habbia qualche uolta prese per fallo
r una per 1' altra, moltissime essendo difficili da distinguersi per
essere in parte dal tempo corose; ma non ui l'e dubio che non
sii una colona miliaria d' un marmo bianco di figura piü tosto
ouale che circolare posta sopra la grande strada militare de Ro-
mani che ho trovato di gia h Assanbassa palanka, ancora tutta
nel suo intiero due piedi incirca sopra dell' orizonte della larghezza
ordinaria circoincirca di queste di Terracina e Fondi in Italia,
fatta d' un marmo bianco di figure ineguali per la lungezza di
duecento passi incirca et finisse ad un piccolo fiume — chiamato
dalli Rassiani lessenicz^) et scola nella Moraua, et probabilmente
li Romani havevano un ponte del quäle non ci resta alcuna
vestigie.
Da questa strada a quaranta passi incirca piü sopra alla
dretta ui e a presente un ponte di legno doue si passa dall' altra
parte verso Nissa, ed a cento passi incirca di distanza della dretta
del fiume il terreno essendo nelle crescenze soggettto all' acque si
trova di novo la medesima strada militare nel suo intiero, et se-
guita piü d' un miglio italiano, et si perde di poi in un gran bosco ;
havendola seguitata a piedi per quanto ho potuto avanti penetrare,
ITAp. CAESaRI
m. iuL- pHilip jiO
p. F- INVIC^O- AVG
PONTIFl C^ JW
P A T • pAT RI Ae
TRIB • PO T • COS
PRO • CONS- Et
MARCie OTACIUE
SEVERe SANCTIS
srME- AVG ■ Marri
atig. et CrtSTRORVM
Der Stein gehört dem Jahre 244/45 an, also einer späteren Zeit als die
meisten anderen Meilensteine aus Mocsia superior ; jünger ist nur der bei Kacanik
gefundene, des Aemilianus (Evans antiquarian researclies in Illyricum, Archaeol.
Lond. XLIX, 1. p. 75), und vielleicht die untere Inschrift des Meilensteines Eph.
epigr. II, 503 = Evans 1. c. p. 77.
') Auf den neueren Karten Jasonica.
179
havendoui trovato ancora un piccolo ponte per dissotto detta strada
alla raaniera de Romani in questo modo.
Sotto questo arco si scolano l'acque piovane d' una parte del
bosco, et si fermano alla sinistra in un fondo con grande incomodo
de passeggieri, dovendossi fare un gran giro, et la nostra armata
ui ha lassiato qualche carro et cavalli.
A quatro höre di la in circa ho ancora trovate le reliquie di
detta strada, et in molti lochi ho riconosciuto il primo Stratum
della strada nel modo che Vitruvio lo descrive. Inseguito avanti
d' arrivare a Patitschina**) sopra 1' altezze inclinando a basso nella
pianura ho riconossiuto ancora molte vestigie et di poi passato
Patitschina ch^ a otto höre d'Assan bassa palanka ho ritrovato
ancora le medesime nel fondo a Gavipagadan ^) ch' e nel fondo
a quattro höre, come pure nel salire la gran montagna contigua
per andare a Jagodina altre quattro höre distante dall' ultimo loco.
Di poi passato Jagodina ch' e un miserabile villagio in una bella
pianura tagliata da due belli russeli che in un subito con la piogia
de le montagne continue uengono pericolosissimi, come la nostra
armata 1' ha esperimentato in tre höre di distanza essendo arrivato
sopra la Morava fiume d' un acqua limpidissima et simigliantissimo
in rapiditä et grandezza al nostro Adige di Verona che porta di
giä barche da qui sino al Danubio un poco piü di sopra dove la
nostra armata ha gettato li ponti per passarlo, in faccia giusta-
mente dove si vede nell' altra parte al confluente d' un piccolo
ruscello una specie di demolitione di qualche castello, ho veduto
ancora li fondamenti delle pille o pilastri del ponte Romano, che
li 18 d'Agosto quando V ho passato soprastano la surface dell' acqua
•) J. Batoöina.
') Wohl Bagrdan, er. 10 Km. südlich von Batoöina.
180
di tre in quatro piedi , et dall' altra parte ch' ^ la dreta del fiume
ui e un villagio chiamato Ravana*^), dove habbiamo la nostra pro-
vianda et ch' attualmente si sta fortificando conducendossi di qui
all' armata con grande incommodo. Da Ravana a Parakin ®) tre
höre distante dove e il nostro ospitale non ho trovato alcune
vestigie: da Parakin a Rasschena'"*) sei höre ho trovato ancora
qualche reliquie, come pure da Rasschena ä Alexintza^) ch' e sei
höre distante, et di poi passatto Alexintza sino al camino coperto
di Nisa ch' e sei höre distante la piü parte montagne ma di terra
ho trouato qualche vestigie, sino a tanto che lasciando la cittä
senza entrarvi dentro, et prendendo a lungo del fiume senza pas-
sarlo, ho ritrovato ancora qualche reliqua et in fine della dretta
del fiume Nissova trenta passi incirca andati dalla ripa 1' acqua
correndo verso la cittä ho ritrovato la colonna da me descritta,
che mi confirma dell' antica strada militare de' Romani, che teni-
uano quando di Roma per la Flaminia ueniuano a Rimini, et di
la per 1' Emilia a Brixillum , hora Berselle, et tragittato il Po a
Vittelliana hora Viadana andauan ad Aquileia, et di la per la
Panonia interamna ad Sirmium hora Mitrowitz, et di qui passato
il Sauo andauano per la Tracia a Bizantio, dove tragietato il ca-
nale s' estendeuano per tutto nell' Asia, come si puo ben riconossere
dair Itinerario d' Antonino Pio et dalla Carta Peutingerana ritro-
uata et messa in luce a Ausbourg, conservandossi dopo la morte
del prencipe Eugenio di Sauoia nella bibliotecha di Sua Maesta
Imperiale.
Dal campo di Nissa, una hora et meza distante da detta co-
lonna piü al insopra dell' acqua sopra il Camino di Sofia, li
24. Agosto 1737.
De Monti Colonelo
Ingeniere di S. M. I. C.
Von der Donau nach Naissus ^ Nisch kennen die antiken
Quellen nur eine Strasse mit folgenden Stationen :
') [Ravana als Ortsname findet sich mehrmals in serbischen Geschichts-
quellen in der Weise erwähnt, dass dessen Lage mit jener von Cuprija zusammen-
trifft j die oben angegebene Entfernung stimmt dazu sehr gut. TOMASCHEK]
') J. Paracin — Razen — Alcksinac.
181
Antonin. p. 133
Wess.
Hierosol. p. 564 W.
Tab.
Peutinger.
Ravenn. 4,7
Viminacio
civitas Viminatio
Viminatio
Villi
XVIII
mutatio ad nonum
Villi
XVIII
Municipio
mansio Municipio
Municipio
X
X
mutatio louis pago
louis pago
Pago
XXVII
VII
mutatio Bao
vim
XII
Idimo
mansio Idomo
Idimo
Villi
XVI
mutatio ad octavum
VIII
XVI
Horreo Margi
mansio Oromago
Horrea Margi
Orea
Vlargi
1 XII
XVII
mutatio Sarmatorum
Presidio Dasmini
Dasmiani
XXXIII
XI
mutatio Cametas
Villi
XV
Pompeis
mansio Ipompeis
Presidio Pompei
Pom]
legis
XII
XII
XXIIII
mutatio Rappiana
XII
Gramrianis
XIII
Crambianis
Nai
SSO
civitas Naisso
Na
SSO
N;
liso
Strassenreste im Morawathale erwähnt auch Marsigli, doch
nur in sehr allgemeinen Ausdrücken (Danubius 11, 10: ex indicis
plane sumus persuasi, quod ex Nissa per vallem fluminis Morava
via haec deduxerit). Ueber den Verlauf der Strasse im südlichsten
Theile dürfte kein Zweifel sein; sie ging östlich vom Flusse über
Alexinatz = Praesidium Pompei auf Horrea Margi = Öuprija. Hier
war sicher in alter wie in moderner Zeit (Cuprija bedeutet, wie
Bormann mich belehrt, mit Brücke versehen) ein Flussübergang.
Nördlich davon treten die Berge so nahe an das rechte Ufer, dass
die moderne Strasse auf dem linken weitergeht; das gleiche be-
stätigt unser Bericht für die antike. Die Station Idimum wäre also
in der Nähe von Bagrdan zu suchen. Um Viminacium = Kostolac
zu erreichen, musste die Strasse also die Morava ein zweites Mal
überschreiten. Während aber die moderne Strasse nach Pozarevac
dies wenig nördlich von Batocina thut, laufen unserem Berichte
zufolge die Spuren der antiken noch weiter auf dem linken Ufer
Arcliilologisch-epigrapliische MittL. XJI. -tu
182
mit einer starken westlichen Ausbiegung (bei Hassan Pascha Pa-
lanka), welche mehr auf Singidunum = Belgrad als auf Viminacium
gerichtet scheint. Von einer solchen Strasse wissen freilich unsere
Quellen nichts ; über ihre Existenz können nur örtliche Unter-
suchungen Sicherheit ergeben. Die Veröffentlichung des vorliegenden
Berichtes hätte ihren Zweck erreicht, wenn sie zu solchen ejnige
brauchbare Detailangaben beitrüge.
Rom CH. HÜLSEN
Der 'römische Sarkophag' in Gumpoldskirchen
Durch die Hauptstrasse Gumpoldskirchens, die von der bau-
lich merkwürdigen Kirche des deutschen Ordens zum Bahnhofe
hinabführt, fliesst in seichtem Bette ein Bach, dessen Quellwasser
einer stark verbreiteten, übrigens nicht recht glaubhaften Vor-
stellung nach, von den Römern nach Vindobona geleitet worden
sein soll; Reste einer römischen Wasserleitung, bei Mauer gefunden^),
sollen diese Vermuthung bestätigen. Unterhalb des Rathhauses, in
dessen Bogenhallen die Trümmer eines erstaunlich grossen Pran-
gers, angeblich des grössten in Oesterreich, verstreut und ver-
wahrlost liegen, gelangt der Bach an einen stattlichen Laufbrunnen
und nimmt dessen Abflusswasser auf. Die Brunnenanlage besteht
aus einem mächtigen Brunnenstock mit zwei einander gegenüber
liegenden Ausflussröhren, an den sich auf der dem Rathhause zu-
gewendeten Seite ein niederer Kessel, auf der andern Seite aber
ein grosser Steintrog anlehnt, aus dessen einer Schmalwand das
überschüssige Wasser in ein kleineres Becken abläuft. Die steinerne
Brunnensäule ist zunächst als knorriger Baumstamm gestaltet und
trägt in mehr als Manneshöhe eine grosse Muschel; auf sie floss
aus dem über ihr sich erhebenden, im Barockstile (eher 17. als
16. Jahrhundert) reich verzierten und mit einer Krone oben ab-
geschlo.ssenen Stamme ehedem das Wasser aus zwei Oeff"nungen;
denn die beiden Ausflussröhren, die gegenwärtig unterhalb der
') Den Thatbestand des Fuiule.s hat v. Sacken Mittb, der Centralcoinin. 5, 300
mitgetheilt.
188
grossen Muschel das Wasser spenden, verdanken meines Erachtens'^)
ihre Entstehung einer späteren Umgestaltung des Brunnens, der
übrigens, sofern ich recht empfinde, schwerlich von vorne herein für
die gegenwärtige Umgebung und Verwendung bestimmt worden
ist^) Oberhalb der Muschel, am Fusse des oberen Stammes, sind
u. a. zwei Engel mit Schilden, deren einer das österreichische
Wappen trägt, während der andere im Querbalken, wenn ich gut
gesehen habe, die Buchstaben ei zeigt.'*)
k\(b)
Bach
B Brunnensäule, K Kessel, ab c d der Steintrog
Der grosse parallelepipedische Trog nun, den ich eben er-
wähnt habe, gilt allgemein als das einzige Erinnerungszeichen an
die Römerherrschaft in dieser Gegend und als das wichtigste Wahr-
zeichen des Marktfleckens. Noch eben in den letzten Tagen hat
Dr. Franz Schnürer (bei M. A. Becker, Hernstein in Niederöster-
reich, IL Band, I.Hälfte, S. 429 der Octavausgabe 1889 — nicht im
Buchhandel), wie vor ihm so viele, erklärt: 'Der Trog ist ein
kolossaler römischer Sarkophag'. Was berechtigt ihn zu dieser
Behauptung? Die Gestalt des Troges gewiss nicht; er trägt
auch nicht den geringsten architektonischen oder bildnerischen
Schmuck, der auf die Zeit seiner Herstellung und die Art seiner
Verwendung schliessen Hesse. Seine Grösse macht es auch nicht
wahrscheinlich, dass er als Sarg verwendet wurde: er ist 3 "56 lang,
1*9 breit, 0*948 hoch.^) Es kommen somit nur die beiden alten
') Als 'Springbrunnen' bezeichnen ihn ältere Gewährsmänner, so Schweick-
hardt VUWW 2 (18.31) 94 und Weidmann 'Umgebungen Wiens' (1839) 336.
^) Ich habe zweimal im Vorjahre den Brunnen besucht und beschrieben,
das erste Mal gemeinschaftlich mit Herrn Dr. G. Juritsch.
*) Nach Seidl lassen 'halbverwischte Schriftzöge den Namen Ferdinand ahnen'.
Nicht wahrscheinlich.
^) Diese Zahlen bietet Schnürer a. O.; ich habe aussen nur die Höhe ge-
messen und mit 1*03 bestimmt, innen mass ich die Länge mit 3-19, die Breite
mit 1-54, die Dicke der Wandungen mit ca. 0-18; da die eine Schmalwand aus-
gebrochen und später erneuert worden ist, setze ich auch jene Angaben hierher,
13*
184
Inschriften des Troges in Betracht; von diesen hat aber Mommsen,
der übrigens den Brunnen nie gesehen hat, die eine (auf Seite a)
für deutsch und neu erklärt; 'de altera' (auf Seite c), fährt er fort
(C 3, 229*), 'non constat, sed non magis crediderim antiquam'.
Obwohl der betreffende Band der Berliner Inschriftensammlung
bereits 1873 herausgegeben worden ist, und obwohl Gumpolds-
kirchen eine von Wien aus leicht und in kurzer Zeit zu erreichende
Sommerfrische ist, hat noch niemand seither den Sachverhalt über-
prüft oder wenigstens das Ergebniss seiner Ueberprüfung der
Oeffentlichkeit übergeben. Und doch wäre dies zu wünschen ge-
wesen. Denn seit jener Zeit sind bedeutende Veränderungen an
dem Troge vorgenommen worden; er wurde nicht blos vielfach
ausgebessert, sondern auch die Schmalseite c durch das Umstürzen
eines schwer beladenen Wagens, der vorbeifahren sollte, in Trümmer
gelegt und dann durch einen Mödlinger Steinmetzen (Fegal) er-
setzt; gleichzeitig wurde auf einer der neuen (drei) Quaderlagen
(der Trog war früher monolith) die von Mommsen verdächtigte
Inschrift in Formen erneuert, die im ganzen Bereiche der römischen
Epigraphik ihresgleichen vergeblich suchen: M. antoni sgqrpld.'')
Die Seite h trägt in gleichen Charakteren die Aufschrift: ^ggj
womit das Jahr der Umgestaltung bezeichnet sein dürfte.') Die
noch nirgends ganz richtig^) mitgetheilte ursprüngliche Inschrift
der Seite a, die aber nicht, wie die unbrauchbare Zeichnung bei
Seidl vorgibt, die ganze Wand füllt, sondern einen massigen Raum
in der Mitte des oberen Drittels der Wand einnimmt, lautet:
• M ■ D • L X v/////
HELT.LXXHII-VRNO
also, wie Feil und Mommsen gesehen haben: '1565, helt 74 urn';
in Z. 1 können nach v noch ein oder mehr Striche verloren ge-
gangen sein; in Z. 2 steht nicht hel-t, sondern helt, da die Ver-
(lie vor dieser Veränderung gemacht worden sind: Feil und ebenso Weidmann
10' X i>'; '*5eidl 10' 2" X 3' 10"; v. Sacken 11' IV X ^' 3"; die Dicke der Wände
gab Feil mit 6" an.
*) Zwischen I und S die Abflussröhre.
') Vielfach behauptete man, die Renovirung sei bereits in den 70er .l.iliren
vollzogen worden; in die betreffenden Actenstückc konnte ich leider aiit' dem
üemeindeamte nicht Einblick erlangen.
*) Am schlechtesten von Weidmann a. O.
185
tief'un^ zwischen l und t nur einer zufälligen Verletzung ihre Ent-
stehung verdankt.
Da nun, wie ich eben gezeigt habe, die Untersuchung der
für antik gehaltenen Inschrift (c) auf dem Original seit 1881 nicht
mehr möglich ist, bleibt nur der eine Weg, nach zuverlässigen
alten Abbildungen und Abschriften zu fahnden, um den Sinn der
räthselhaften Worte ^) zu gewinnen und die Frage endgiltig zu
lösen. Ich bin überzeugt, dass noch hie und da derlei Aufnahmen
sich im Privatbesitze befinden; wir haben in den letzten Jahren
in Wien wiederholt Gelegenheit gehabt, mit Staunen und Freude zu
sehen, wie viele Erinnerungen an die verschiedensten, wenn auch
noch so unscheinbaren Bauwerke und Denkmäler älterer Zeit aus
Wien und seiner Umgebung durch die hingebungsvolle Liebe
dilettirender Zeichner erhalten worden sind. Meine eigenen Nach-
forschungen haben überall das dankenswertheste Entgegenkommen
gefunden, aber zu keinem greifbaren Ergebnisse geführt. Mög-
licherweise geben die Acten der deutschen Ordenskanzlei am
ehesten Aufschluss. Doch muss ich diese Nachforschungen anderen
überlassen; wenn diese meine Zeilen überhaupt dazu anregen,
haben sie ihren Zweck vollauf erfüllt.
Indess ist es mir gelungen, in der topographischen Literatur,
und dies glaube ich anführen zu sollen, andere noch ältere, freilich
nicht ergiebigere Quellen aufzufinden, als Mommsen zur Verfügung
standen. Es sind dies die von Mommsen auch sonst nirgends für
seine Vorarbeiten benutzten Darstellungen von F. C. Weidmann
a. 0. (1839), Joseph Feil bei Schmidt 'Wiens Umgebungen auf
20 Stunden im Umkreise' (Wien, Gerold, 3, 1839, S. 389 f.), so-
mit die ältesten Darstellungen; ausserdem von E. v. Sacken, Archäo-
logischer Wegweiser durch Niederösterreich VUWW. (1866, S. 12).
Alle Gewährsmänner, die ich kenne, halten den Trog für
römisch und lesen:
M.ANioNi.scoRPED Fcil, Weidmann
iw • ANHONi • scQRHEL Wolfarth
M - ANTONI • SCORPED Scidl
M- ANTONI SCQ_RPLD . . SackcU.
Etwas weniger alte Darstellungen halten den Trog gleich-
falls für römisch, sind aber für unseren Zweck werthlos, da sie die
") Von befreundeter Seite wurde mir vermuthungsweise vorgeschlagen;
ra(agistri) Autoni Scorpel . . ?
186
Inschrift nicht mittheüen. Dass aas noch früherer Zeit keine Er-
wähnung der 'römischen' Inschrift vorhanden zu sein scheint,
bildet gewiss keine Empfehlung der hergebrachten Meinung.
Zum Schlüsse will ich bemerken, dass darüber zu urtheilen,
ob der Trog zu dem nämlichen Zwecke, dem er heute dient,
seinerzeit hergestellt worden ist, oder, wie mir ein sehr gewiegter
Kenner unserer alten einheimischen Gewohnheiten und Massverhält-
nisse zeigen wollte, ursprünglich als Mass bei der Ablieferung des
Zehnten durch die Bauern in Verwendung stand, nicht in meinen
Kräften steht.
Wien, 12. März 1889 J. WILH. KUßlTSCHEK
Die antiken Inschriften zu Wodena (Edessa)
Herrn Professor Constantin Jirecek zu Prag danken wir die
Mittheilung eines Manuscriptes mit Abschriften von 19 antiken
Inschriften, 18 griechischen und 1 lateinischen, die sich in Wodena
in Macedonien, dem antiken Aegae oder Edessa, befinden. Das-
selbe war ihm im Jahre 1883 in Sofia, wo er in der obersten
Classe des bulgarischen Gymnasiums Geschichtsunterricht ertheilte,
von einem Schüler dieser Classe, dem damals 23 Jahre alten
Athanas G. Petrov aus Wodena, übergeben worden. Meines Wis-
sens sind von den 19 Inschriften bisher fünf gedruckt. Ich wieder-
hole zunächst diese (n. 1 — 5), gewöhnUch in einfacher Umschrift,
mit Angabe der Litteratur und der Berichtigungen oder wenigstens
beachtenswerten Abweichungen der neuen Abschrift, füge die zwei
ausserdem bekannten, aber von Petrov nicht abgeschriebenen
hinzu (n. 6 u. 7) und lasse darauf die bisher unbekannten (n. 8 — 21)
in genauem Abdruck der Petrov'schen Abschriften folgen. Die
Ortsbezeichnungen und Beschreibungen hat Professor Jirecek aus
dem Bulgarischen übersetzt.
A) Bereits bekannte Inschriften (n. 1 — 7).
1. Gedruckt bei Leake Iravels i/i northern Greecc Band III
Taf. XXIX n. 138, und daraus mit Benützung der Papiere von
Pittakis bei Böckh C. I. G. Band II p. 991 n. 1997 c, ausser-
187
dem bei Hahn 'Reise von Belgrad nach Salouik' (Wien 1861)
S. 242 n. XXIII.
In der Metropolitankirche.
'AYttGrii TuxTii
exou^ riKT' dTTOTpaqjr]
ecprißojv Tujv eqprißeuadv-
Tuuv UTTO AucTijuaxov faßi-
5 öiavoö TÖv eqprißapxov
Kaxd TÖ bÖTlua Tr\c, ^ov\r]c,
KXauöioq Zep^vo^ Aö[p]kou, Köivto<;
'AXeEavbpoq Km EiouXio<; oi MapKiaq,
OuAmocg Ao)uiTio^ 'EXTTibT]cpdpo<;,
10 EuTuxiuuv MaKeboviKoö, 'AviKiiiog
'A\eHavbpo(; TTaTTä[(;] Apuußuoc; (?),
ZuuTTupocg OuaXepiou, "EaTrepo[(;] Xe|iieXii(;,
Xoubiq (?) KaXXicTTiic;, KX(aubiO(;) <l5iXo(u)|uevöq,
ZaTopvivo(^ 'Hbeaq <t>iXiiTO(; 0apiujvo<s,
15 (t>fiXi2 NiKO)Lir]bou,
TTapdjaovoc; Kai "IouXk; Kai 'AKuXac; oi louXiou,
r&ioc, Kai TTapd)uovo(; oi faiou,
'louXiavö(; 'AcTKXTiTrd.
Z. 4. Schluss hat Leake AB., Pittakis ABI, Hahn lABI, Pe-
trov TABI. — Z. 7. L. .AO.KOY, H. und Pe. AOKOY. — Z. 8.
L. 610YA10C0I, H. eiOYAlOZO, Pe. und Pi. lOYAlOCOl. —
Z. 10. L. MAKGAONIKOY, Pe. u. Pi. MAKGAONIXOY, H. MA-
KEAONI OY. -Z.H. Pe. HAHA. APüJBIOC, L. HAHA APLU-
BYOC, H. nAHA APQPYOZ. — Z. 12. Pe. und Pi. GCnGPON,
H. EinEPON, L. eCnePO.. — Z. 13. Pe. und Pi. COYAIC,
L. .OYA.C, IL CO HAH. — L. .KA-, Pe. KAI, H. KA(I). - 01-
A0YM6N0C, das Böckh aufgenommen, hat nur Pi., die drei anderen
OIAOMGNOC. — Z. 14. L. wohl richtig CATOPNINOC, während
Pe. und H. statt des zweiten N ein A bieten. — Am Schluss hat
Pe. wie H. das von L. ausgelassene C. — Dagegen bestätigt in
Z. 17 Pe. das Ol von L. gegen das 0 von H.
Die Inschrift fällt in das Jahr 182 n. Chr. Es waren nämlich
in Macedonien zu römischer Zeit, wie zuerst von Böckh zu C. I.
Gr. n. 1970 (II S. 55) dargelegt worden ist, zwei Acren neben-
einander in Gebrauch, von denen die erste und häufiger angewendete
mit dem Jahre der Errichtung der Provinz, 608 d. Stadt (146 v. Chr.),
188
begann; die zweite, in der das Jalir zuweilen mit ZeßacTTÖv be-
zeichnet wurde, mit dem Jahre 724 d. St. (30 v. Chr.) als der
Zeit der Sehlacht bei Actium. Das in Z. 2 angegebene Jahr 328,
bei welchem sicher die erste Aera zu verstehen ist, ist demnach
608 + 327 = 935 d. St. = 182 n. Chr.
2. Gedruckt bei Hahn 'Reise von Belgrad' S. 242 n. XXII.
In der Kirche des heiligen Joannes Theologos.
MENANAPOE HAFMENiriNOE Mivavbßoc, TTap)iieviuJV0(j
ANNiAi ME0nNAAOY 'Avvia(?) MeOuuvctbou
MEenNAAHE MENANAPOY Me0ujvdbri(; Mevdvbpou
ein Mann auf einem Feldstuhl, um ihn
einige Männer, eine Frau und ein
Knabe
HPnE TIPIJU?.
Ich gebe den Text von Petrov; Hahn lässt die Beschreibung
des Reliefs aus, hat Z. 2 annii ai MEGnNAAOv und Z. 4 Hpnxi.
— Welcher Name zu Anfang von Z. 2 stand ist unsicher.
3. Bei Leake travels Band III Taf. 30 n. 140 und schon vor-
her im classical Journal t. XIII p. 334 und XV p. 164, daraus bei
Welcker epigr. spec. I n. 9 und syll.** p. 35; Böckh Band II
S. 61 n. 1998; Kaibel e2ngr. n. 516.
Auf einem Sarkophage, bei einem Brunnen nach Leake, in
der Nähe des Gerichtshofes nach Petrov.
fibe TTeipoc; KeuGei fpacpiKOÖ be'jua^, e\\<; juaKJdpuiV be qjuxviv GecnrecTiriv
efiKC Qeöc, rrebiov,
öüveKCV fjv TTavdpiaTo^, ev nfaGeoK; be TroXeiTaic;
TtpoiTa cpepuuv TTivuifj^ KÖbo^ eKapTriaarc
Eu£aTo b' aö |uaKdpe(T(Ti Kai eijuepiriv irapdKomv
Toöbe Xaxeiv TÜjußou, YnP«o<S ^öie xuxoi.
Xaipe fpacpiKe.
Z. 2 hat L. OeOe, P. geoe.
4. Gedruckt bei Hahn 'Reise von Belgrad' S. 242 n. XX.
Auf einem Grabstein des (türkischen) Kirchhofes Tschupri.
nOeAIAIOC
AIölYi^lCTojTePeN Aü uipicTTuu nö(TTXiO(;) Aihoc, Tepev-
TIANOC ATTIKOC Tiavö(; 'Attiko^
KATONAP KttT övap.
189
Nach Petrov's Abschrift. Hahn hat als Zeile 1 nos aiaiox,
ohne die Verschiedenheit der Buchstaben anzudeuten. Es scheint
das TTd(TTXio<g) AiXiO(; später eingeschoben worden zu sein, mag es
nun vorher vergessen sein oder Terentianus erst später, und zwar,
den Namen nach, durch Kaiser Hadrian das römische Bürgerrecht
und damit Praenomen und Nomen erhalten haben.
5. Bei Hahn 'Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar'
(Denkschr. d. kais. Akad. d. Wiss., phil. bist. Classe 16. Wien 1869)
S. 169 n. 49, nach Mittheilung von Professor Demista aus Mo-
nastir, und in dem neugriechischen Büchlein eKQeüic, Tr\<; Kaid ir]v
errapxiav BobevtXiv biavoriTiKfi(g dvaTTTuHeujq (Konstantinopel 1874);
nach beiden ephem. epigr. 2 p. 476 n. 1052.
Im Kloster der heiligen Dreifaltigkeit.
d. m
Epicteto
nutricio
Muhia C. f. P[l]a-
5 cida patrona
Tadi Nepotis leg{ati)
'propr{aetore) 'provinc{iae)
Macedoniae.
Petrov hat Z. 4 mvu-via» fopia, Z. 6 Schluss »lec. — Den
Namen der Frau hat zuerst J. Klein, Rheinische Jahrb. 55. 56
(1875) S. 225, aus der von derselben ihrem Manne gesetzten In-
schrift C. I. L. IX 4119 ergänzt, in der dieser mit vollem Namen
heisst: Sex. Tadius Sex. f. Vol. Lusius Nepos Paullinus.
6. Ausgelassen von Petrov, gedruckt bei Leake travels Bd. III
T. 29 n. 139 und daraus bei Böckh Bd. II S. 992 n. 1997 d.
In der Metropolitankirche ; zwei Bruchstücke. Die Lettern E
und Z haben die Form 2 und T, wie in n. 14.
f] ttöXk; [KJai oi
(JuvTrpa[T]|uaT€[u]-
öjuevo[i] Pui)LiaTo[i]
TTerpujviav A.
TTexpujviou Bd(Tcro[u]
GuYctTe'pa ZipaTiuX-
Xav Tijuujv-
T[e]<; [ee]oi?.
190
7. Ausgelassen von Petrov, gedruckt bei Hahn 'Reise von
Belgrad' S. 242 n. XXI.
Unter dem in der Kirche von S. Joannes Palaeologos ['muss
Versehen sein statt Theologos' Jireoek] betindlichen Basrelief.
)Lin|iiöpiov Aiovucriou YvacpeO(;
Kttl An|LinT()ou aTpaTlUJTOÖ
voujuep(ou)
repjuaviKiav(oö).
Für die Bezeichnung des Grabes mit dem aus dem lateini-
schen memoria gebildeten Worte )iie)aöpiov weist das Lexicon von
Öophocles bereits einzelne Beispiele nach.
B) Bisher unbekannte Inschriften (n. 8 — 21).
8 — 14. In der Kirche St. Paraskeua.
8. ETOYn.zoMAAE..OYn eiou«; ou .
THE nOAEUJE HOMTAP Tfi^ TTOXeUJ^ TTOXlTap-
XOYNTOC THN FEPlEA! XOOVTOq, TUJV Ttepi |rd]l-
ON rEAOYKAioN KAI . AI . ov TTebouKaTov Kd[aa]a[v|-
öAPON 64>HBAPxoYNTOC bpov feqpr|ßapxoövTO(;
I0YAI0Y60P. .TA.^.BOI
CIYnOTE..AI.ENOe
Es folgen 20 beschädigte Bucli-
stabeu, die schwer zu lesen sind,
darunter
AYPHAIOC HAPAMNOC
MouXlou 'Eop. .Ta, [e](p[ti]ßoi
[oji u7TOTe[T]a[T|ii]evo[i]
Aupr|Xio^ TTapd)Li(o)vo^
AYPHAIOC zfiEiMoc Aupr'iXioc; Zujai,uo^
AYPHAIOC AIWIANOC Aup)lXlO(^ 'Ajuiavo^.
In welches Jahr die Inschrift gehört, ist unsicher. Wenn in
Z. 1 wirklich die Jahreszahl zo = 77 steht, so wäre wohl die
zweite mit dem Jahre 724 der Stadt beginnende Aera (s. oben zu
n. 1) zu verstehen und die Inschrift in das Jahr 800 der Stadt
(724 -|- 76) = 47 n. Chr. zu setzen. Aber eine so frühe Datirung
ist namentlich der Namen mit AupnXioq wegen unwahrscheinlich,
und es wird daher wohl die Lesung mehr oder weniger irrig sein.
Stand etwa auf dem Stein etoyctZo, so würde diese Zahl nach
der Aera von 608 d. St. das Jahr 976 (608 + 368) d. St. =
223 n. Chr. bezeichnen. — Nachher bildet vielleicht das oy das
Ende des Namens, etwa 'AXe[ti]ou. Dass die höchsten Gemeinde-
beamten TToXiTttpxai genannt wurden, wusste man bisher von zwei
191
anderen, in der Nähe gelegenen Städten Macedoniens, Thessalo-
nike (Inschriften und Apostelgeschichte 17, 6) und Lete (Ditten-
berger syll. n. 247). Das hier voranstehende Tfi<; TTÖXeuuc; Avird wohl
nicht mit TToXiTapxoövTO^, sondern mit dem vorausgehenden Worte
zu verbinden sein, etwa zu n> = Trp(LUTOu) Tf|q iröXeujq.
ü. LEPBHiMA ZepßeiXia
KAAATYXA KaXaTux«
TUJIAIUJANAPI TU) ibio) dvbpi
AYPHMUJ EEiPi AuprjXiui [TTjeipi-
5 0OUJTUJNEKE1NOY GOU), TOJV GKeiVOU
EKEiNUj eKeivui,
MNEiAC xAPiN [XMeiac, x«piv.
Ob in Z. 4 mit id eKeivou des Verstorbenen Grundstück oder
Geld zu verstehen ist, kann zweifelhaft sein. Im letzteren Falle
wäre eK ausgelassen.
10. c E K o Y N ZeKoOv-
AOC TH TAY [^]o^ ffl jKv-
K Y T A T H KUTttTIl
CYNBIUJ aUVßlLU
5 MNEIAC pive'iac,
XAPIN XO'PIV.
11. M EMXjvENvioiEnoi u[v]fi)iia )U£V |Lioi enoi-
FEENAYPiAioEAAE »icTev Aup[r|]\iO(^ 'AXc-
zANAPOEAHAiÄÄPi Ettvbpoq AupiiXia 'Api-
ct-th^akytXtecymbi aiii Tri T^UKUTaTi] (Ju)jßi-
5 nivN-iAEXAPiN^ uj }ivr]ac, xdpiv
EN rn atttaecioy ev tüj
Z. 2 waren wohl auch die Buchstaben p und h wie in Z. 3
ligirt (pi). — Der Schluss der Inschrift ist mir unverständlich.
12- . r . neAO YKAio c tpiakaaiwn kai/.
,T6IA nAPAJWONA KAI CABEINAT.'.
T€KNLU ZOlNTeCGAVTOlCe
ß nOIHCAN o
Reiter; unter dem Pferde ein Hund, der
einen Bären anfällt, und in der Nähe eine
Schlange.
r(dioq) TTebouKaTo^ TpiaKabiujv Kai
...eia TTapa,uöva Kai Xaßeiva T[ui]
TeKVuu l'jjvxe<; eauToi(; e-
TToiriaav.
192
Voraussetzlich ist die Inschrift so zu verstellen, dass die
Gatten C. Peducaeus Triacadion und , . . . ia Pararaona das Grab
zunächst für sich bestimmt hatten, und dass die Erwähnung ilires
verstorbenen Kindes Sabina (Kai Zaßeiva tu) tckvlu) in-'i^ in der
Mitte statt am Ende zugefügt ist.
13. c.iOYAioc EnA*POAEi [fcdioq)] 'louXio«; 'Erracppöbei-
Toc I0YAIUUNE1KH4.0 Toc, 'louXiuu NeiKiiqpö"
1-UJ KAI lOYAIA PUJJWH pUJ Kttl 'IcuXltt PdlLir)
TOiE AnEAEYGEPOic ToT<^ dTTeXeu9epoi(^
5 MNHMHCXAPIN MVn,Un<S X^piV
ETOYE nlTß ^TOVC, giT*.
In Z. 6 ist wohl sicher die ältere Aera zu verstehen und
mithin das Jahr 923 (608 + 315) der Stadt Rom oder 170 n. Chr.
14. (Die Lettern T für 2, E für e sind nicht grösser als die
andern.)
ÜTOYXorAXc^ e'Tou<; gcr'
HrnNöKB eTÜuv Kß'
TnliAiT ZirebK;
AYKON TONß AUKOV TOV
5 aaHa^iah oQT d[b leXqpibfi^
NnliTONYON [Y]vuu[cr]TÖv uöv
mnhmhT xapin MVii)Lin<S xdpiv.
In dieser Inschrift ist dagegen wohl die jüngere Aera gemeint,
also das Jahr 929 (724 -f 205) d. St. = 176 n. Chr., nicht das
Jahr 813 = 60 n. Chr., das sich bei der älteren ergeben würde.
15. Kirche Sveti Vraceve (der h. Anargyren).
. . INIOC CeKOYNAOC . . . IVlOc; l€KO0vbO^
..NEIG iAOMeN6YC 'lbo|neveu^
KAT
Einige sitzendo Personen
um einen Tisch, darunter
AYPHAIOC ZUJCIMOC Aup»iXl0^ ZoXTlJiO^
KAI AYPHTA BENePIA
OYAA€PIUJ TUJ lAIO)
TeKNujMNiACXAPiN TCKVOJ ^via<; xdpiv.
Kai Aüpn[Xi]a Bevepia
OuaXepiuu tüj ibiLu
193-
Wenn, wie es scheint, beide Inschriften auf demselben Steine
stehen, so ist wohl die untere später eingegraben, und der Stein,
der früher nur die obere trug, später für eine andere verwendet
worden.
16. Basrelief: ein junger Mann [Knabe?] stützt sich auf eine
Lanze oder Keule [Fackel?] und hält in der Rechten einen Kranz.
NVN AEnPOO^AE.FKAKIEYPNE
A N-^E <{>IAffiEEc5KHWAEEH: KAKlMT
rENO^HEIA^^"TIl^N0E^KE5EOP£
i'ELcs <>YAIENEAYCA^AIO^BIA
5TAPA OIXOJVENOIOö^KETt'EMOI
<{>PENEE ElhEIEH ^EEINYE
NOPMAcsKIEEAE N'ECXIONM
AEATPKOWENOIAöAIMPOICIAINO
TATOIEIEÜIE YEAKPAAKIEEcs
lOYMICAE HYXtr . EINATA ANWOeO
EniAAMi'IcsH OEIAnO . KWW
ETONMOIKAIETOM . AlOWE
Die Verse einigermassen herzustellen ist mir nicht gelungen ;
ich begnüge mich die folgenden Theile einer Herstellung herzu-
setzen :
vOv be 'n:poq)9d(j[a(g]
ouK e.leQpe^leq
oi)[b'] e)ue bucrdeXiov Bidimpa* [cJoO] oixo|uevoio
ouKe[T] ejuoi q)pive[c, e]i[(j'] e[v] cr[T]rieecriv [o]ü[b]e vdtijua.
5 Ki0e be . . . .VTec, xiovuubea Tr|KO|uev oia
biupoK; bivoTdroicJi, eiri (Tu Kiae.
i))uTq b' e[uT]ux[eTTJe, iva xd dvu)6e[v] eiTiXdjiiipi
r\ öeia
Entsprechend dem Relief, das einen jungen Mann darstellt,
ist wohl anzunehmen, ein Mann sei in jugendlichem Alter gestorben
und habe ein Söhnchen Namens Viator zurückgelassen. Dieses
redet den Verstorbenen an, zugleich, wie es scheint (T)iK0|Liev), im
Namen eines zweiten Kindes. In den beiden letzten Hexametern
werden wohl die Vorübergehenden angeredet.
194
17 — 19. In der Kirchenruine 'Sretenie Oospodne'.
17.
18. .
All YflSTfllEYXHN
MAPKOZ AIBYPNI02
O Y A AH2
.on . OEEXinpoY . . .
.YTONAKEPAION . . .
.0ENIIAHPUJCANTA .
.UUTOYEnAYCATO . . ,
.QAnEPiniAE
Au uvjjicjTUJi euxiiv
MäpKOc, AißupviO(;
. .aKepaiov. . .
. .[TTJXiipujcravTa.
. . erraücraTo . . .
Vielleicht Reste einer metrischen Inschrift.
19.
NOC
Em JVEIAKIE 6KAHQHN RATA
A E A/E T T P I A N O C
KAI M^AENAAY
. . . AY TbIA. A I K A 1 e
. . . nAK € lA A6
• . . AN AP1MN6I
. , . enAN
ein
Mann
mit
Lanze
rE..nYKTeiCAC
THCACNYNAE .
KTHNIAIHNNH
ÄANAPAAEXn
ACXAPiN Enoin
YecoinAPO
AeiT6
efw MeiXri(Ji(o)(; eK\ii6nv iraTavo^
be Me[(TjTpiav6q . . TTUKTe[u]cra5
Kai )ai-|Ö6va XuirricTac; • vOv be . .
. . [\e]\u7Tn|Uai Kttl CK TUJV ibiuuv . . .
5 'AXeSdvbpa be tüj
. . . dvbpi )uveia(g x«piv eTToi[ri-
[ö"€V. x^ipCTJe Trdv[T]eq oi TrapobeTte.
Weitere Ergänzungen als die oben gegebenen sind unsicher.
Zwischen Z. 3 und 4 kann etwa amöc, gestanden haben, zwischen
5 und 6 ein Wort wie Y^UKUTdiiu, zwischen 4 und 5 vielleicht,
wie Szanto vorschlägt, [^|vfi[|ud )lioi i)]Trd|px]ei.
20. Auf dem türkischen Kirchhofe (wie n. 4).
MATEPO) AIONYIION
TON ANA PA EAYTHZ MNH
MHi XAPIN
Matepuj AiovucTiov
Tov uvbpa ^auTfiq |uv)'-|-
195
21. Im Kloster der heilifi^en Dreifaltigkeit.
NE O'tPOH'El
AAM APTE
ANTirONHNElKANAPOCEni
BlOTOlOTEAEY
5 AE^ATOENNOKC OIEEKA. 0\
rEAEAAHC O'EE
S'YXH AI<1>EPEIAIC AFUJEI
0E TO EOUJWA AETATH
EIE OKAIANAETACEUU EEY AI
10 rrEOHMArElKHTE
AFNOE EniKAI OElOYnO^UUN
EnETEY^ATO AOYTPOY
Den folgenden Versuch einer Herstellung verdanke ich grüss-
tentheils Professor Kaibel.
bd|uap T6
'AvTiYÖvii, NeiKavbpO(; eTT(e)i ßioTOio TfcX6u[Tr]v]
öeHaTo [e]v vo[ü]croi(j[i] ba[^a](je6[iq],
Hjuxri[v] aiGepeiaiq dT[opai^?] Geio aüu|ua be T«[i]il'
5 eiaÖKai dvaaTd(yeuj[q] eu[d]TTe[^]o[v] ri)ua[p] iKrjTe,
dYVoq eTr(6)i Kai ö[a]iou 7Tü0(e)uuv eTreieuEaTG XouTpoO.
Dass die Verse christlich sind, macht die Erwähnung der
Auferstehung (V. 5) und der Taufe (V. G) unzweifelhaft.
Wien E. B.
Druckversehen.
S. 81 Inschrift b, Z. 1 zeigt die Al).schrift uicht VOLKANO, sondern (wolil
irrthümlich) VOLKAHO.
Archaeol.-epigtaph. Mitth. aus Oesterreich-Ungani XII Taf. I
Bronze von Salona
Archaeol epigr. Mitth, aus Oesterreich-Ungarn
Taf.ll
Archaeol. epigr. MittJi.aus Oesterreicfi- Ungarn!
Taf.
I
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P*3
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ArchaeolTepigr. Milth. aus Oesterreich
TariV
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Ar(haeul.-(|iio-raph. Mittli. aus öcHteiicich- Ungarn XU Taf. V
■.iden^dl]i\nvl5Sö v
wi ii I I i i I !i II I I ll ! I I ll'l I I l'/'
Mi-iibung aiu der,3 urg.
Taf. VI
Ai<h.T"l. i-pis-'l.ipli- Mil'li- "US Ocstonoidl-Unsarn XII
mOa-li^rs lS84 bei;DeutScliW«t!nbur j
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Archaeol. -opio-raph. Mitth. e
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Taf. IX
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