ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNO
HERAUSGEGEBEN
VOM
AilCHiOLOOISCHEN INSTITUT DES DEUTSCHEN REICHS.
JAHRGANG XXXVIII
1880.
REDACTEUR: DK MAX FRÄNKEL.
BERLIN,
DRÜCK UND VERLAG VON G. REIMER.
1881.
I N 11 A L T.
R. BoHN Zum Nike-Pj^rgos. Ueber das Alter der kleinen zwischen Propyläen- Slidhalle und Nike-
tempel liegeuden Treppe (Tafel 10) 85. (196)
H. Brunn 'yn:o/5</9ot«a^at 18
A. CoNZE Hermes-Kadmilos (Tafel 1 — 4 und Holzschnitt) 1
Ueber die Echtheit einer Vase aus Argos (Holzschnitt) 74
E. CuRTius Die Kanephove von Pästum (Tafel 6 und Holzschnitt) 27
A. Flasch Pbineus auf Vaseubildern (Tafel 12) 138
J. Friedlaender Gruppe der Artemis (Tafel 17) 184
A. FuRTWÄNGLER Weisso attische Lekythos (Tafel 11) 134
L. GuRi.iTT Votivrelief an die Göttermutter (Tafel 18) 187
A. E. J. HoLWEUüA Olympische Studien
I Die Folgenreihe der Festspiele 169
II "EcpEÖQns und ^EcpsÖQsla 171
E. HiJBNER Das Bildniss des Seneca (Tafel 5 und Zinkdruck) 20
F. HuLTscH Das Grundmaass der Griechischen Tempelbauten 91
Bestimmung des attischen Fusses nach dem Parthenon und Theseion 172
W. Klein Laokoon ein Vasenbild (Holzschnitt) 189
G. Körte Dokimasie der attischen Reiterei (Tafel 15) 177
K. Lange Aegineteu und Corrosion (Holzschnitt) 121
A. Michaelis Zur Geschichte des Schleifers in Florenz und der mediceischeu Venus 11
Tragischer Kopf (Tafel 8. 9 und 2 Holzschnitte) 75
A. MiLCHnöFER Bacchische Siegesfeier (Tafel 16) 182
Tu. MoMMSEN Inschriftbiisteu
1. Aus Herculaneum 32
2. Aus den Uffizien 36
E. Petersen Kunstgeschichtliche Miscellen
1. Der Apollon mit dem Hirsch von Kanachos 22. (192)
2. Der Satyr von Myron 25
0. PucHSTEiN Zur Arkesilasschale 185
Th. Schreiber Ludovisische Antiken I. Paris und Oinone, ein hellenistisches Reliefbild (Tafel 13) . 145
A. Trendelenburg Iris in den Giebelgrupjjen des Parthenon 130
G. Treu Werke des Skopas im Museum zu Piali (Tegea) 98
Ch. Waldstein Marmorfragment in Venedig (Tafel 7) 71
MISCELLEN.
H. Blümner Die Maske des sog. sterbenden Alexander 162
M. Fränkel Zu Tafel 14 163
J. Friedlaender Römisches Bildniss auf einem Goldringe (Holzschnitt) 159
A. Furtwänglek Nochmals Nike und Lines 161
Gefälschte Vase 191
G. Körte Nike und Linos 101
G. Löschcke Die Catagusa des Praxiteles 102
A. MiLCHHöFER Zu den Sculpturen von Tegea 190
Ph. Sakellarios Inschrift aus Makedonien 159
R. Weil Zu N. 193 der Inschriften aus Olympia 191
P. Weizsäcker Ueber die Statuen aus Aegion 101
E. Petersen Nachtrag zu S. 22 f. 192
BERICHTE.
Erwerbungen des britischen Museums im Jahre 1879 103
Erwerbungen der königlichen Museen zu Berlin im Jahre 1879
I Sammlung der Sculpturen und Abgüsse (A. Conze) 37. (196)
II Antiquarium (G. Körte) 39
IV Inhalt.
Seite
Sitzungen der archäologischen Gesellschaft in Berlin 41. 105. 193
Festsitzung des archäologischen Instituts in Rom, 23. April 1880 104
Chronik der Winckelmannsfeste (Athen. Rom. Berlin. Bonn. Frankfurt a. M. Emden) .... 193
Bericht über die Thätigkeit des kaiserl. deutschen -archäologischen Instituts vom 1. April 1879 bis
dahin 1880 (A. Conze) 120
DIE AUSGRABUNGEN VON OLYMPIA.
Berichte 39 von G. Treu 44
40 von W. DöRPFELD 46
41. 42 von G. Treu 48
43 von F. Adler 109
44 von E. CuRTius 110
45 von G. Treu 113
Inschriften aus Olympia 334—353 (W. Dittenberger) 52
354—356 (K. Purgold) 63
357—362. 363—365 (A. Kirchhoff) 64. 117
366—380 (W. Dittenberger) 164
G. CuRTius Zu Nr. 362 69
A. FURTWÄNGLER Zu Nr. 91 70
Berichtigungen 196
Berichtigung (J. Overbeck) 163
Erklärung (E. Dobbert). Erwiderung (J. Overbeck) 197
Register von 0. Puchstein 197
ABBILDUNGEN.
Tafel -^1. Attisches Weihrelief an die Grosse Göttin.
- ^2—4r. Weihreliefs an die Grosse Göttin.
- ^. Seneca und Sokrates, Doppelbüste.
y6. Kanephore, Bronze aus Pästum,
- yl. Marmortorso in Venedig.
- S. Tragischer Kopf im Besitze des Hon. Ashley Ponsonby.
- '■^. Attisches Grabrelief in Lansdownehouse.
- -40. Zum Nike-Pyrgos.
- , 11. Attische Lekythos im Berliner Museum.
- 12. Phineus-Vasen im British Museum.
13. Paris und Oinone.
- 14. Sarkophag aus Sparta.
- 15. Schale aus Orvieto.
- 16. Bacchische Siegesfeier. Krater aus dem Piräus.
- 17. Artemis. Marmorgruppe aus Larnaca.
- 18. Relief aus Tanagra.
Seite 10. Nymphenrelief in Athen (s. S. 8 Anm. 7 c).
- 22. Carneol mit Porträt (SenecaV).
27. Ergänzte Ansicht der Kanephore von Pästum.
- 63. Inschrifttafel.
74. Ornament einer Vase aus Argos.
- 77. Holzschnitt des Kopfes Taf. 8 aus Jahns Ausgabe der Elektra.
- 82. Ansicht der Stele mit dem Ko])fe Taf. 9.
- 123. Corrodirte Figur aus dem aegiuetischen Westgiebel.
- 159. Römisches Bildniss auf einem Goldringe.
- 189. Kantharos des Brit. Museums (nach Panofka Cab. Pourtales pl. 7).
HERMES -KADMILOS.
(Tafel 1—4.)
Auf einer Anzahl von griechischen Votivreliefs
erscheint neben einer Göttin, welcher in den meisten
Fällen die ständigen Attribute der Kybele oder, um
den speziellen Namen zu vermeiden, der Gütter-
mutter beigegeben sind, ein Jüngling mit einem
Prochus in der Reciiten, offenbar als Mundschenk
der Göttin. Ich stelle unter A bis X die mir be-
kannt gewordenen Exemplare zusammen und zwar
diejenigen voran, auf denen die Hauptfigur mit
jenen Attributen ausgestattet ist (20 sichere und 3
wahrscheinliche), darauf in zweiter Reihe unter V
bis X drei Exemplare, auf denen der Göttin die
Attribute fehlen; sodann wird ein sicher in die
erste Reihe gehöriges Exemplar zu besprechen sein,
auf dem der Jüngling jedoch ein andres Attribut
als den Prochus hält (Y), und endlich führe ich
unter Z und Za noch zwei Werke an, auf welche
durch diesen Anschluss ein Licht fällt.
A. Taf. 1. Im k. Museum zu Berlin, Inv.
no. 1467. Aus Athen. W. M. 0,50 hoch, 0,43
breit. Oben und rechts abgebrochen. Das Relief
war beiderseits von einem Pfeiler, auf denen gewiss
ein Gebälk mit Giebel oder einer Akroterienreihe
lag, eingefasst. Unten ist der Zapfen zum Ein-
setzen erhalten. Nach ilim lässt sich, da er in der
Mitte stand, die ursprüngliche Breite der Platte an-
nähernd l)estimnien.
Links sitzt nach rechts gewandt auf einem theil-
weise vor den Pfeiler geschobenen Throne, dessen
Armlehne auf der Figur einer Sphinx ruht, die
Göttermutter, an dem Tympanon in der Rechten,
der Schale in der Linken und dem neben ihr am
Boden gelagerten Löwen ohne Weiteres kenntlich.
Sie ist mit dem langen Chiton und einem Oberge-
wande bekleidet, welches über den Hinterkopf ge-
zogen ist; den Kopf schmückt eine niedrige Ste-
phane. Die mit Sandalen l)ekleideten Füsse ruhen
ArchUolog. Ztg., J.ihrgang XXXVIII.
auf einem Schemel. Ihr zugewandt steht eine weib-
liche Gestalt, das Haar umbunden und nach Jung-
frauenart am Hinterkopfe in einem Schöpfe aufge-
nommen, in Chiton und Mantel, Sandalen an den
Füssen. Im linken Arme hält sie eine aus Stäb-
chen zusammengebundene Fackel gesclmltert, auf
die sie aucli die rechte Hand legt.
Weiterhin folgt der Bruch des Steins, der von
einer dritten, soweit man sieht nackten, jugend-
lich männlichen Figur nur das rechte Bein und
den rechten Unterarm mit einer Kanne in der
Hand übrig gelassen hat. Ob auf der verlorenen
Hälfte der Platte etwa die in kleinerem Massstabe
dargestellten Stifter des Anathems dargestellt wa-
ren, lässt sich nicht mit voller Bestimmtheit be-
haupten.
Alles noch Vorhandene ist von tadelloser Er-
haltung; in der Mitte des Tympanon sieht man noch
den Zirkelstich, der beim Ziehen des Kreises ent-
stand. Namentlich auf den Vergleich mit attischen
Grabreliefs ') hin wird man die Arbeit bald nach
400 V. Chr. entstanden denken ; sie trägt den Stempel
der edlen Durchbildung des attischen Handwerks
um diese Zeit und maclit das Relief zu einem unter
den zahlreichen attischen Darstellungen der Götter-
mutter, die sonst unbedeutend, ja roh zu sein
pflegen, ganz hervorragenden.
B. Taf. 2, 3. Im Museum der archäologischen
Gesellschaft in Athen no. 3047. Aus dem Piraeeus,
wo ein Metroon durch zahlreiche andre Fundstücke
erwiesen ist'). W. M. 0,47 hoch, 0,35 breit, 0,14
dick. Körte in Mitth. des archäol. Instituts zu
Athen III, S. 397 f. Mylonas in Bull, de corr. hell.
1879, S. 534 f., n. 4.
Ganz in der Weise der oben erwähnten zahl-
reichen , bisher besonders aus Attika bekannten
Votive thront ganz von vorn gesellen die Göttin
') Z. B. das Grabmal der Demetria und Paniiphile Arch.
Zeit. 1871, Taf. 44 und dazu Carl Curtius S. 31.
-) Carl Curtius D.ns Metroon in Athen S. 9.
1
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
in Unter- und Obergewand, einen Schemel unter den
Füssen, den Modius auf dem Kopfe, das Tympanon
in der Linken, die Schale in der Kechten; der Löwe
ruht auf ihrem Sehoosse. Ganz klein und nur im
Flachrelief ist zu unterst auf jedem Seitenpfeiler
eine zur Mitte gewandte Figur augebracht, links
eine jugendlich männliche in der Chlamys, rechts
eine weibliche in der Mädehentracht des einfachen
langen Cliiton. Die letztere hält jederseits eine
lauge Fackel aufgestützt, der Jüngling aber in der
gesenkten Rechten einen Krug, in der Linken (was
Körte und Mylonas nicht angeben) das Kerykeion.
Ueber diesen Figuren ist auf den Pfeilern die Weih-
inschrift angebracht: Mcxv>]g MrjTQi xal Mlxa Mrjiql
&£ti)v ^). Die beiden Stifter sind, zumal dem Namen
des Mannes nach, Leute aus dem niedrigen Volke ge-
wesen. Dem entspricht die offenbar billige Arbeit des
sonst ganz ansehnlichen Anathems. Wie misslich es
ist, allein der rohen Form nach solche Werke in
eine späte Zeit zu versetzen, hat bereits Körte gegen
Stephani bemerkt; die Schriftform weist dieses
Exemplar, wenn auch nicht, wie Körte bestimmt
sagt, in das vierte, so doch in dieses oder in das
dritte Jahrhundert vor unsrer Zeitrechnung.
B". Im k. Museum zu Berlin. Inv. u. 1605.
Gefunden im Piraeeus. W. M. 0,50 hoch, 0,36
breit, 0,18 dick. Im Tempelchen thront die Göttin,
in ihrem Sehoosse liegt der Löwe, auf dem Kopfe
trägt sie den Modius, in der Rechten hält sie die
Schale, in der Linken das Tympanon. An den
Pfeilern stehen in Flachrelief ausgeführt links der
Jüngling in der auch die linke Hand verhüllenden
Chlamys, in dessen lierabhängender rechter Hand
kein bestimmter Gegenstand deutlich zu erkennen
ist, und rechts das Mädchen in Chiton und Mantel,
welches eine lange Fackel aufrecht auf den Boden
gestützt in jeder Hand hält. Das Ganze von vor-
züglicher Erhaltung.
C. Im Museum der Akropolis zu Athen. W. M.
Etwa 0,22 hoch. In einem Tempelchen sitzt die
Göttin, ihr zur Rechten der Löwe. An dem Pfeiler
links erscheint in kleiner Gestalt der mit Chiton
und Chlamys bekleidete Jüngling stehend, den
Prochus in der gesenkten Rechten ; auch rechts am
Pfeiler ist noch der Kest einer kleinen Figur kennt-
lich, gewiss von dem Mädchen mit den Fackeln
herrührend. Der Obertheil des Ganzen ist zerstört.
•■') Nicht MIKA2^ wie bei Körte nur iils Druckfehler
steht. Mylonas giebt unrichtig am Anfange der Inschrift zer-
störte Buchstaben an; seine Beschreibnng des Bildwerks ist
mehrfach ungenau.
D. Daselbst. W. M. Etwa 0,30 hoch. Die
Göttin thront, der Löwe liegt auf ihrem Sehoosse;
in ihrer Linken hält sie das Tympanon. Ilir Kopf
fehlt. Links am Pfeiler des Tempelcheus steht
wieder der Jüngling in Cliiton und Chlamys, die
Rechte, welche den Prochus gelialten haben wird,
ist ganz abgestossen. Am Pfeiler rechts steht die
Mädchenfigur im langen Chiton, zwei Fackeln auf-
recht in den Händen.
E. Daselbst. W. M. Etwa 0,28 hoch. Die
Göttin thront, den Löwen auf ihrem Sehoosse; in der
Rechten hält sie die Schale. Der Obertheil des
Ganzen, die linke Körperseite der Göttin und der
rechte Pfeiler des Tempelchens fehlen. Am Pfeiler
links steht der Jüngling in Chiton und Chlamys,
der Prochus in der rechten Hand ist undeutlich.
F. Im Nationalmuseum zu Athen. Kleines
Exemplar, ganz erhalten. Die Göttin thront, den
Modius auf dem Kopfe, den Löwen auf dem Sehoosse,
in der Linken das Tympanon, in der Rechten die
Schale. Der Schale wie gewöhnlich und wie natür-
lich zunächst steht auf dem linken Pfeiler des
Tempelchens der junge Jlundschenk im Chiton und
mit der Kanne in der Hand, ihm gegenüber auf
dem Pfeiler rechts das Mädchen mit den zwei auf-
recht gehalteneu Fackeln, beide Figuren wie üblich
in flachem Relief ausgeführt.
G. Im Museum der archäologischen Gesell-
schaft zu Athen. Fragment eines Votivreliefs, von
dem namentlich auf der linken Seite der Jüngling
mit dem Kruge deutlich erhalten geblieben ist.
C?". Taf. 3, 4. Im Nationalmuseum zu Athen.
W. M. Fragment, etwa 0,25 hoch. Der Jüngling in
der Chlamys mit dem (ganz deutlichen) Prochus iu
der gesenkten Recliten steht hier iu grösserer Gestalt
und höherem Relief neben der (nicht erhaltenen)
Göttin. Vor dem Pfeiler links am Rande des Reliefs
hinter dem Mundschenken steht klein und in Flach-
relief ausgeführt das Mädchen mit zwei aufrechten
Fackeln in den Händen. Da die Hauptgestalt voll-
ständig verloren ist, so bleibt es dahingestellt, ob
das Relief sicher iu diese Gruppe, w'o die Benennung
der Göttermutter für die Haupttigur durch deren
Attribute angezeigt ist, gehört oder in die zweite,
iu der Haupttigur nicht so unzweideutige Gruppe
V — X. Dasselbe gilt von der folgenden Nummer:
G''. Im Kultusministerium zu Athen. Schöne,
Griechische Reliefs n. 119. Erhalten ist nur die
Seitenwand der Aedicula mit dem fackeltragenden
Mädchen.
H. Taf 4, 1. Im k. Museum zu Berlin. Inv.
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
3
n. 1581. Gefunden im Piraeeus. W. M. 0,23 lioch.
Nur die linke Seite ist erlialten. Furtwiingier in
Mittlieilungen des deutschen areliäol. Inst, zu Athen
III, S. 195.
In einer Felsgrotte, an deren unterem Rande
links der von den Nj'mphenreliei's bekannte bärtige
Kopf des Wasserdaimons aus dem Felsen hervor-
ragt, stand inmitten die Göttin; nur ein Theil ihres
rechten Arms und ein Stück des unteren Gewand-
endes am rechten Fusse ist erhalten. Zwischen ihr
und dem bärtigen Kopfe steht, nur etwa halb so
gross wie die Göttin selbst, der Jüngling in der
Chlamj's mit dem Kruge in der gesenkten rechten
Hand. — Ich reihe dieses Exemplar hier ein in der
Voraussetzung, dass das allerdings äusserst roh ge-
arbeitete und nur in seinem Untertheile erhaltene
Thier, das neben der Göttin sitzt, ein Lüwe sein
soll. Furtwänglers nicht haltbare Ergänzung des
Fragments ist jetzt von ihm selbst aufgegeben (s.
unten zu X).
/. Taf. 2, 1. In dem Kirchlein des Agios Dimi-
trios, eine halbe Stunde von Koropi, in der Rich-
tung auf die auf der Hymettoshöhe weithin sicht-
baren Kapelle der Agios Ilias zu, in Attika. W. M.
0,23 hoch, 0,30 breit, 0,00 dick, 0,02 Relieferhe-
bung. Oben und rechts abgebrochen.
Erhalten sind zwei in wesentlich gleicher Ge-
stalt neben einander von vorn gesehen tlironende
Gestalten der Göttermutter; die Köpfe fehlen. Beide
Göttinnen tragen Unter- und Obergewand und halten
in der Rechten eine Patera ; die zur Linken des Be-
schauers sitzende scheint zur Linken das Tympanon
gehalten zu haben , an der andern Figur ist die
entsprechende Seite verloren. Zwischen beiden sitzt
am Boden ein trotz Rohheit und Verstümmelung
kenntlicher Löwe. Von einer Figur zur Rechten
des Ganzen ist nur ein Beinstück erhalten, dennoch
scheint es eher ein Jüngling, sicher nicht das sonst
vorkommende fackeltrageude Mädchen gewesen zu
sein. Links ist aber bis auf Kopf und Schultern
der Mundschenk in Chiton und Chlamys, mit dem
Prochus in der gesenkten Rechten auf die Göttinnen
zuschreitend, vollkommen deutlich erhalten.
Die Doppelung der Kybelegestalt in einem und
demselben Votivrelief begegnet uns hier zum zweiten
Male. Ein andres Exemplar, welches ebenfalls aus
Attika stammt, publicirte schon Stephani (Ausruhen-
der Herakles S. 86, u. 12), damals als ein l'nicum.
Nebenfiguren befinden sich auf ihm nicht. Stephanis
Deutung, dass es „den Rheabegriflt' mit dem der
Demeter verschmolzen zeige, indem es jener Göttin
die Köre beifüge", ist wenig befriedigend, ebensowe-
nig die euhemeristisclie Aushülfe, zu der Boetticher
(Katalog der Berliner Gipssammlung, 1872, n. 310)
greift, dass der Stein das Ehrenmal zweier Prie-
sterinnen der Kybele im Costume und mit den Attri-
buten der Göttin sei. Mir selbst bleibt diese Doppe-
lung ein Rätiisel.
K. In der Sammlung der archäologischen Ge-
sellschaft zu Athen. Aus dem Ileiligthume der
Göttermutter bei dem Dorfe Mustaphades im Demos
Tanagra. Alles Nähere bei Körte in Mittheil, des
deutschen archäol. Instituts zu Athen III, S. 390 ff.,
n. 156.
Auf einem von vier zusammen oder doch zu
verschiedenen ganz gleichen Votivreliefs gehörigen
Fragmenten erscheint neben der thronenden Göttin
ein nackter Knabe, von Körte bereits mit dem
Oinochoos auf attischen Kybelereliefs identificirt.
L. Im Museum zu Theben. Aus dem böo ti-
schen Dorfe Karantii stammend. Alles Nähere bei
Körte a. a. 0. S. 397, n. 178.
Wiederum nur ein Relieffragment , das einen
nackten Knaben neben der fast ganz zerstörten Ge-
stalt der Kybele zeigt. Von Körte zu der Reiiie
der attischen Votivreliefs gestellt.
31. Taf. 3, 2. Im k. Museum zu Berlin. Inv.
n. 1539. In Smyrna als angeblich aus Ephesos
stammend erworben. W. M. 0,37 breit. Von
rohester Arbeit und oben abgebrochen, so dass von
dem Tempelchen der Giebel und von den drei dar-
gestellten Figuren die Köpfe fehlen.
Inmitten thront von vorn gesehen die Götter-
mutter, das Tympanon in der Linken, die Schale
in der Rechten, ihre Füsse auf einen liegenden
Löwen gestützt. Rechts von ihr, also ihr zur Linken,
steht ein, wie der Rest des Kopfes zeigt, bärtiger,
mit Unter- und Obergewand bekleideter Mann; zu
ihrer andern Seite tritt die mit der Chlamys be-
kleidete Gestalt, welche in der gesenkten Rechten
den Prochus hält, heran.
A'. Taf. 3, 1. Im k. Museum zu Berlin.
Inv. n. 1540. W. M. 0,28 hoch, 0,20 breit. Zu-
sammen mit dem vorigen zu Smyrna als angeb-
lich aus Ephesos stammend erworben; ganz
gleichen Ursprungs und gleichartiger Arbeit mit M
ist es jedesfalls. Bis auf den abgesplitterten Kopf
der Kybele ist es gut erhalten.
Dargestellt ist unter einem Giebeldache der-
selbe Dreiverein von Gestalten, wie auf il/, inmitten
die Göttermutter, hier stehend, links das Tympanon,
rechts die Schale haltend; jederseits ihr zu Füssen
1*
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
und ihr zugekebil sitzt ein Löwe. Kechts vou ihr
stellt der Maun im Mautel, dessen bärtiger Kopf
hier erbalteu ist, andrerseits der Jüug-liug in der
Clilamys mit dem Proelius in der gesenkten Rechten.
0. Im k. Museum zu Berlin. Inv. n. 1536.
W. M. 0,45 hoch, 0,27 breit. Gleicher klein-
asi atischer Herkunft und gleicher Arbeit wie M
und N.
Im Tempel sitzt an iliren Attributen kenntlich
die Göttermutter; die Vorderfläclien beider Pfeiler
sind zerstört, aber auf dem zur Rechten sieht man
noch den Rest einer im Einzelnen unkenntlichen
kleinen Figur.
P. In der Sammlung Saburoff, von der „ionischen
Küste", aus der Gegend von Ephesos und Smyrna
stammend. Thourelief. Das Kähere bei E. Curtius
in Mittheil, des deutschen archäol. Instituts 11,
Taf. III, S. 48 ff.
In freierer Bewegung, also insofern mit A zu
vergleichen, sitzt die Göttermutter in ihrem Tempel
und liebkost den zu ihr aufspringenden Löwen.
Neben ihrem Throne (dessen hinteres Bein nicht
richtig von Curtius als ein iittoxqijttjqiöiov ange-
sehen ist) sitzt klein ein flötespieleuder Silen,
weiter nach Rechts steht ebenfalls klein an Gestalt
ein Jüngling, mit der Chlamys bekleidet, etwa in
der Bewegung des Praxitelischen Periboetos mit ge-
hobener Recliten aus einem Kruge in eine in der
Linken vorauszusetzende Schale einschenkend. Zu
dem Thierfriese unten und den in orgiastischen
Bewegungen beiderseits augebrachten weiblichen
Figuren vergl. Conze, Römische Bildwerke einheim.
Fundorts in Oesterreich in Denkschr. der Wiener
Ak. XXIV, Taf. V. VI, Seite 10.
Q. Taf. 3, 3. In der Sammlung zu Cattajo,
n. 1367 (Cavedoni). Unbekannter Herkunft, doch
gewiss aus den griechischen Ländern. W. M.
0,29 hoch, 0,21 breit. Von gewöhnlicher Arbeit.
Rechts abgestossen, die Weihinschrift unten ver-
wischt. Arch. Ztg. 1867, Anzeiger S. 95*; nächstens
Dütschke antike Bildwerke in Oberitalien IV.
Die Göttermutter mit Modius, Tympanon und
Schale stellt aufrecht, ihr zu Füssen sitzt jederseits
ihr zugewandt ein Löwe. Links steht in gleicher
Grosse wie die Hauptfigur der jugeudliclie Mund-
schenk in Cliiton und Chlamys, den Krug in der
gesenkten Rechten. Ein geringer Rest auf der ab-
gestossenen rechten Seite des Reliefs lässt ver-
muthen, dass hier die bärtige Mäunergestalt wie
auf IW und A' sicli befand; mit N ist auch sonst
die Uebereinstimmung gross. Damit wäre auch
die Annahme kleinasiatischer Herkunft dieses Exem-
plars naiie gelegt. Vou der Votiviuschrift ist nur
der Name des Weihenden ^Ava^inolic: noch halb-
wegs zu erkennen.
R. In der Sammlung zu Cattajo, n. 552.
W. M. 0,44 hoch , 0,29 breit. Unbekannter, gewiss
griechischer Herkunft. Sehr schlecht erhalten.
Mir nachgewiesen von Dütschke und hier nach sei-
nen .\ngabeu beschrieben , noch genauer nächstens
in dessen antiken Bildwerken in Oberitalien IV.
In einer Aedicula thront die Göttermutter, die
Füsse auf einem Schemel, links das Tympanon,
rechts die Schale haltend, auf ihrem Schoosse der
Löwe. An der Vorderseite des Pfeilers links in
ganz flachem Relief ein Knabe (nach R.), in kurzem
Chiton, in der gesenkten Rechten wohl ursprüng-
lich eine Kanne tragend, in der Linken einen
Gegenstand erhebend ; vor dem Pfeiler rechts
wiederum in flachem Relief ein Mädchen in langem
Chiton, in der gesenkten Linken einen Gegenstand
(Kanne?) haltend, mit der Rechten einen länglichen
Gegenstand erhebend.
Die fraglich bleibenden Dinge in den Händen
des Knaben wie des Mädchens wage ich ohne
Autopsie nicht weiter zu besprechen.
S. Im Museo lapidario zu Verona. Unbekannter,
doch wie so Vieles in dieser Sammlung, gewiss
griechischer Herku nft. Geäderter Marmor. 0,25
hoch, 0,16 breit. Maffei Museo Veronense p. LIII, 5.
Den Nachweis mit der hier benutzten Beschreibung,
so wie Papierabklatsche der beiden Nebenfiguren
verdanke ich Dütschke. Siehe nächstens dessen an-
tike Bildwerke in Oberitalien IV.
In einer Aedicula thront die Göttermutter, ein
Diadem oder den Modius auf dem Kopfe, mit der
Linken stützt sie ein kurzes Skeptron (?) [Tympanon?],
in der Rechten hält sie die Patera, links neben ihr
sitzt ein Löwe. An der Vorderseite eines jeden
der beiden Pfeiler der Aedicula ist in flachem Relief
eine kleine Figur augebraclit: links ein mit kurz
gegürtetem Chiton [ich glaube im Abklatsche die
übliche Chlamys zu erkennen] bekleideter Knabe,
in der gesenkten Rechten eine Kanne haltend, die
Linke in Schulterhölie erhebend; rechts eine mit
langem Chiton [und Obergewand?] bekleidete weib-
liche Figur, in der Recliten eine brennende Fackel
haltend, die Linke [wahrsclieiulicli auch eine Fackel
haltend] in Sehulterhöhe gehoben.
T. Weihrclief des Odryseu .^damas an die
Nymphen in den Steinbrüchen von Faros. Michaelis
in Aman deW inst. 18G3, S. 314, G.
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
Ohne Autopsie wage ich über dieses Relief, das
wir uoch immer nicht mit der wiiuschenswertlien
Genauigkeit kennen , auch nur besclireibeud nicht
aufs Neue 7ai sprechen; doch stelle ich die Ver-
muthung auf, dass vor der am Löwen auf ihrem
.Schoosse wie an ihrer Stellung kenntlichen tlu'oueu-
den Güttermutter wiederum der durch die hier
gebotene Zusammenstellung geläufige jugendliche
Jlundschenk steht, nur mit vertauschten xVrmen
wie auf P bewegt; die Annalmie einer phrygischen
iliitze desselben würde dann auf einem Versehen be-
ruhen.
U. Relief auf Andros. Michaelis in Annali
(kW inst. 18()3, Ö. 314, F.
Nur ganz frageweise führe ich dieses mir selbst
wiederum nicht zu Gesichte gekommene Relief hier
auf. Dass die mittlere der von Michaelis für
Nymphen gehaltenen Figuren sitzt, namentlich aber
am linken Arme einen Schild tragen soll, legt die
Vermutliung nahe, ob es nicht die Göttermutter mit
dem Tympauon ist. Dass von einem Gefässe in
der Hand des Jünglings in den Besclireibuugen
allerdings nicht die Rede ist, genügt nicht um die
gestellte Frage entscheidend zu verneinen.
Ua. Auch ein Relief in der Reihe der soge-
nannten Santoni bei Akrai in Sizilien glaube ich
hierher rechnen zu dürfen, obwohl ich es wiederum
nicht selbst gesehen habe. Unverkennbar ist die
immer wiederkehrende Hauptfigur dieser Felsreliefs
die Göttermatter, uud wenn in der Abbildung bei
Serradifalco Anticliitä di Sicilia IV, tav. XXXV,
Fig. 2 das eine Mal neben ihr ein Jüngling im Chiton
mit einem Kerykeion in der Linken erscheint, so
dürfte der Zeichner dieses Attribut kaum erfunden
haben, obwohl Schubring in seiner Revision der
Bildwerke (N. Jahrb. f. Philol. u. Paedag. Supple-
meutb. IV, p. 671) es nicht erwähnt.
Die bisher aufgeführten Votivreliefs lassen die
Gestalt des jugendlichen Mundschenken einer Göttin
dienstbar erscheinen, welche die mehr oder weniger
vollständigen Attribute der Göttermutter trägt. Unter
den jetzt anzureihenden drei Votivreliefs, wo der
Hauptgöttin diese Attribute fehlen, ist das weitaus
wichtigste das längst bekannte, aber erst von
Wieseler zum Gegenstande einer eingehenden Unter-
suchung gemachte :
V. Taf. 4, 4. Im k. Museum zu Berlin. Kat.
n. 439. Aus der Sammlung Nani und gewiss grie-
chisch er Herkunft. W. .M. 0,40 hoch, 0,26
breit. Wieseler in Nachrichten von der k. Gesell-
scliaft der Wiss. zu Göttingen 1875, S. 635 ff.
Das Ganze stellt eine Felsgrotte dar, in deren
Hintergründe auf einem Piedestal ein weibliclies
Idol in langem Chiton mit zwei Fackeln in den
Händen stellt. Vorn steht an Grösse liervorragend
eine weibliche Göttergestalt in langem Chiton und
eiuem nur hinten herabfallenden Mantel, auf dem
Kopfe einen hohen kalathosförmigen Aufsatz. Die
beiden vor der Brust aufgebogenen Unterarme sind
abgebrochen. Links von dieser grossen Göttin er-
sclieint etwas kleiner an Gestalt der jugendliche
Mundschenk in der Chlamys mit dem Prochus in
der gesenkten Rechten; sein linker Vorderarm ist
abgebrochen. Oben links am Felsrande der Grotte
ist der bärtige Achelooskopf angebracht. Ganz
oben über dem Grottenrande ruht in der Mitte Pan
zwischen zwei liegenden Widdern, neben welchen
jederseits akroterienartig noch ein Thier lagert.
Ich wäre sonst geneigt gewesen darin Löwen zu
erkennen, wenn uicht schon vor mehreren Jahren
auf meine durch Treu vermittelte Bitte der Zoo-
loge von Märten wegen der fehlenden Schwanz-
bUschel und Mähnen sich für doggenähnliche Hunde
ausgesproclien hätte. Wie dem auch sei, vollkommen
sicher ist, was Wieseler gegen eine frühere unge-
naue Angabe von mir betont hat, dass unten links
von dem Mundschenken ein Hund steht (noch be-
sonders in der Seitenansicht abgebildet) und aber-
mals ein solcher zwischen dem Mundschenken und
der Göttin, dieser zugekehrt, sitzt.
W. Taf. 4, 2. In der Sammlung zu Cattajo.
Unbekannter, doch gewiss wie Q und R griechi-
scher Herkunft. W. M. 0,40 hoch, 0,25 breit.
Gewöhnliche Arbeit und stark Verstössen.
In einer Felsgrotte steht die Göttin in langem
Chiton, liinter dem ein Gewand iierabfällt. Ihr
Kopf ist zu sehr beschädigt, um einen Aufsatz,
wenn er da war, noch kenntlich zu lassen; die
Unterarme sind vor der Brust aufgebogen, die
Hände verstümmelt, so dass dahingestellt bleiben
nmss, ob sie Etwas hielten ; jedesfalls war es nicht
Tympanon uud Schale, die so überhaupt nicht ge-
halten werden können. Links von der Göttin steht,
ganz gleich gross wie sie, der Mundschenk in der
nunmehr hiureichend bekannten Tracht und Haltung ;
die Kauue in der gesenkten Rechten ist ganz deut-
lich, der linke Arm ist Verstössen. Sonstiges Bei-
werk fehlt diesem Relief, nur obeu auf der Grotte
liegen einander zugekehrt zwei Thiere, die wieder
mehr Hunden als Löwen ähneln.
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
X. Taf. 2, 2. 4, 3. Im Xationalmiiseuiu zu
Athen. Am Ilissos unweit Agrai gefuuden. Zwei
nicht ganz Bruch au Bruch an einauder passende
Fragmente; oben beide abgebrochen. Die Arbeit ist
sehr flüchtig. Furtwängler in Jlitth. des deutschen
archäol. Instituts iu Athen III, S. 195.
Links ist ein Theil des Randes der Felsgrotte er-
lialten und an ihm wieder (= H) der bärtige Kopf
des Wasserdaimons. Vor demselben steht der Mund-
schenk mit dem Prochus in der gesenkten Eechten,
dann folgt, durch den Bruch jetzt getrennt, die er-
heblich grössere aufrecht stehende Göttin im langen
Chiton und, wie es scheint, einem Mantel im Rücken
(= F, W). Die Arme waren wie auf V und W
vor der Brust aufgebogen, doch ist nur der linke
erhalten, aber auch an ihm die Hand zerstört. Auf
der andern Seite der Göttin entspricht, wie auf so
zahlreichen der hier zusammengestellten Votiv-
reliefs, dem Mundschenk das mit ihm etwa gleich
gross gehaltene Mädchen im langen Chiton, welches
zwei lange brennende Fackeln mit dem untern Ende
auf den Boden aufgestützt hält.
Furtwängler hat für diese Fragmente wie für
H eine Ergänzung versucht, nach der die beiden
Exemplare iu einen andern Zusammenhang als den
hier gegebenen gehören würden. Er hat mir selbst
erklärt, dass er diesen Versucii Angesiclits der hier
gebotenen Parallelen nicht aufrecht erhält.
Wir haben nunmehr unter den Bezeichnungen
A bis Va und V bis A' eine Reihe von \'otivreliefs
attischer {A — /, X), böotischer {K, L), kleinasiati-
scher (i>/ — 0), insularer (T—Ua) und auch (fi, S, K,
W) unbekannter griechischer Provenienz kennen
gelernt, auf denen eine meistens (A—Ua) an allbe-
kannten Abzeichen kenntliche, einmal auch als /-itjz^Q
i^Eiüv iuschriftlieh bezeichnete (ß) und ein andres Mal
(K) dem Fundorte nach unzweifelhaft so zu benen-
nende Göttin, und dann wieder (F— X) eine Göttin
bis auf den Modius {V) ohne erklärende Abzeichen,
als ihren ständigen Begleiter den jungen Mundschenk
zur Seite liat. Auch die sonstige Umgebung, das
Mädchen mit den zwei Fackeln und andres Personal,
ferner zuweilen das Lokal einer Felsgrotte, ist,
wenn man namentlich von der eiuen Gruppe T,
von der andern V berücksichtigt, bei der Göttin
mit vollen Attributen und der ohne dieselben nicht
durchgehend verschieden. Bei einer Gesammtbe-
trachtung, bei welcher die kleinen Variationen gegen-
über den Uebereinstimmungen zurücktreten , wird
man geneigt sein anzunehmen, dass die Göttin in
allen Fällen dieselbe ist, die Inschrift i.iT]TtjQ Seür
auf B ein für alle Mal die Erklärung giebt, so wie
mau etwa sonst verschieden gestaltete Göttinnen,
wenn sie vom Eros begleitet sind, zuuächst für
Aphrodite halten wird. Wieseler, dem das Material
nur noch sehr unvollständig vorlag, hat die Be-
neunung Hekate vorgeschlagen, welche wir für die
der Zahl nach überwiegende Klasse A — Ua jetzt
keinesfalls annehmen dürfen; es bleibt höchstens die
Frage, ob dieser Name der Hauptgöttin auf F, TF, X
bleiben muss, eine Frage, die man aber iu die andre
verwandeln darf, ob au den verschiedenen Kultus-
orten, denen alle diese Votive entstammen, nicht
etwa Wurzel- und wesenverwandte Göttinnen unter
verschiedenen Namen und mit verschiedener Nuanci-
rung ihrer Persönlichkeit Geltung hatten, selbst
wenn es nicht für jede dieser Soudergestalten be-
sondere Formen der bildlichen Darstellung gab;
oder auch, ob nicht sogar au einem und demselben
Kultusorte dieselbe Göttin unter verschiedenen Bild-
formen in den Anathemen erscheinen kann (vergl.
z. B. die Votivsteine aus Marseille Arch. Zeit. 1866,
Anzeiger Taf. B). Wir sind, glaube ich, genöthigt
diese Fragen bis zu einem gewissen Grade offen
zu halten, dürfen aber für die Erklärung des jugend-
lichen Jlundschenken, die wir hauptsächlich zunächst
suchen, von ihr absehen. Genug, dass eine grosse
Göttin , die meistens Abzeichen der Göttermutter
trägt, einmal als nrjTfiQ d^eiüv ausdrücklich bezeichnet
ist, ein anderes Mal (K) ihrem Kultusorte nach so
genannt werden muss, stets diesen selben Mund-
schenken zu ihrem Begleiter hat.
Bisher hat seine Gestalt nicht viel Beachtung
gefunden. Cavedoni erklärte ihn auf Q für Attis,
dessen cliarakteristische Gestalt und Tracht aber
gänzlich felilen. E. Curtius, der f allein ins Auge
fasste, nahm den jugendlichen Weinschenk für eiu
im Tempel der grossen Göttin aufgestelltes Weih-
gesclieuk, ein Symbol der Segensfülle, welche von
der Göttin ausströmt. Wieseler erinnert iu gründ-
licher Erwägung zunächst an Hermes, der der Hekate,
wie er die Hauptgöttin nennt, nahe stehe, für den
A, Conze, Hermes-Kadmilos.
die Tracht passe, deui selbst das Weiugefäss auch
sonst gegeben sei, nimmt aber aus einem nach der
ansehnlichen Vermehrung des Materials nicht mehr
stichhaltigen Grunde (seine Kleinheit auf V) von
dieser Deutung Absfand, um sich für einen der
Hekate und llhea als untergeordnet verbundenen
Daimoncu, Kuret, Korybaut oder Kabir, zu ent-
scheiden. Wenn ich selbst früher einmal absicht-
lich unbestimmt nur von einem „Begleiter" der
Kybele gesprochen habe, so wollte ich darunter
nicht, wie Wieseler annahm , den Attis verstan-
den wissen. Vielmehr lag darin unausgesprochen
eine Deutung, die ich erst nach einiger Vermeh-
rung des Materials für hinreichend wahrscheinlich
hielt um sie auszuführen (Sitzungsberichte der
k. Ak. der Wiss. zu Berlin 19. Dec. 1878). Ich
kam dabei sozusagen zu einer Vereinigung der
beiden von Wieseler gegen einander abgewogenen
Erklärungsgedauken. Meine Darlegung lief auf das
Folgende hinaus.
Wir haben Darstellungen einer Göttergemein-
schaft chthonischen Charakters mit einer grossen
Göttin als hervorragendem Mittelpunkte vor uns.
Neben ihr tritt, oft in gleich hoher Gestalt wie sie
dargestellt (nanieutlich A, Q, YV), also kein Meusch,
sondern ein göttliches Wesen, durch sein Amt aber
allerdings ihr untergeordnet, ein Jüngling als olvo-
XÖog auf. Den Schlüssel zu seiner Erklärung bietet
der Name Kadmilos, Kasniilos, Camillus.
Mit diesem Namen wurde namentlich in Samo-
thrake, dessen Kultusgestalten (mit einer auf den
Münzen der Insel mit dem Löwen und dem Kopf-
aufsatze dargestellten Göttin au der Spitze) in einen
Kreis mit den auf unseru Votivreliefs dargestellten
fallen, ein dius qitidam administer diis niagnis (Varro
L. L. VI, 88) bezeichnet. Dieser wurde ausdrück-
lich (Muaseas u. A.) mit Hermes identificirt, dessen
Kultus nicht nur auf Samothrake dem der chthoni-
schen Götter eng verbunden, sondern der ja auch
seiner verbreitetsten Vorstellung nach ein minister
deorum, speciell bei Alkaios *) und Sappho (vgl.
■*) Anakreon (Sitzungsbenchte 18TS S. 867) ein Schreibfehler
von mir. Die bei Preller Griech. Mjth. ^ l, S. 332, Anm. 1
angeführten Vasenbilder stellen nicht Hermes als oivoyoos dar,
sondern mit einer Schale spenilentl , gehören also nicht hierher.
Od}'sseeXV,323) Mundschenk der Götter war. Auch
der lateinische Opferdiener Camillus ist von Plutarch
Numa 7 wohl nicht so mit Uureclit, wie Welcker
Götterlehre I, S. 330, Anm. 4 will, hiermit in Ver-
bindung gebracht. (Vgl. Lobeck Aglaophamos, na-
meutlicli II, III, § 7. Neuhäuser Cadmilus 8. 49.
Keil in Philologus 2. Supplementb. 18ö3, S. (JOl).
Diesem Cadmilos -Hermes entspricht seiner Um-
gebung, seiner Gestalt, Tracht und Funktion nach
die Jüngliugsgestalt in Chiton und Chlamys mit dem
Prochus auf unsern Keliefs.
Nachdem durch die Nachweisungeu Körtes und
freundliche Mittheilungen Dütschkes *) das Material
der Untersuchung den sehr grossen Zuwachs, mit
welchem es jetzt hier mitgetheilt ist, erhalten, nach-
dem Köhlers und Lollings Güte mir die _ Zeich-
nung eines mir nur aus alter eigener Notiz be-
kannten Exemplars (/) verschafft hatte, und ich
selbst auf einer Eeise besonders in Atlieu die
wichtigsten Exemplare hatte nachprüfen können,
nahm ich die Behandlung noch einmal wieder auf
(Sitzungsberichte der k. Ak. der Wiss. zu Berlin,
7. August LS79) und konnte vor Allem das Eine
nachweisen, dass die Deutung des Mundschenken
der Göttermutter als Hermes nunmehr siclier gestellt
ist durch das Kerykeion, welches er auf B in der
linken Hand trägt.
Mit einem neuen, besondere Erwägung fordern-
den Attribute erscheint er dagegen auf:
y. Taf. 2, 4. Im Natioualmuseum zu Athen.
') Diitschke macht mich noch auf zwei Anatheme der
Göttermutter in der Sammlung zu Cattajo aufmerksam, die er
im 4. Bande seineu antiken Bildwerke in Überitalien beschreiben
wird :
n. 534. An den Vorderseiten der Pfeiler der Aedicula, in
welcher die Gijttin thront, ist in ganz flachem Relief je eine
mit doppeltem Gewände bekleidete Jungfrau mit Modius auf
dem Kopfe, in der gesenkten Rechten eine Patera (?), in der
Linken vielleicht ein Füllhorn haltend, dargestellt.
n. 552. An der Vorderseite des Pfeilers der Aedicula links
ist dargestellt ein Knabe, nach Hechts gekehrt, in kurzem ge-
gürteten Chiton, in der gesenkten Linken wohl ursprünglich
eine Kanne tragend, in der Linken einen Gegenstand erhebend;
auf dem Pfeiler rechts ein mit langem Chiton bekleidetes Mäd-
chen, in der gesenkten Rechten einen Gegenstand (Kanne?)
haltend, mit der Rechten einen langen Gegenstand erhebend.
Ich habe sie als jedesfalls noch näherer Untersuchung be-
dürftig hier ausser der Reihe anführen wollen.
8
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
W. M. 0,53 hoch, 0,32 breit, 0,17 dick. Körte
a. a. 0. S. 398.
In einem sammt seinem akroteriengeschmückten
Giebel wohlerlialtenen Tempelchen thront die Götter-
mutter, mit Modius auf dem Kopfe, einem Löwen
auf dem Schoosse, in der Linken das Tympanon,
in der Rechten die (abgestossene) Schale. Am
Pfeiler rechts erscheint klein und in Flaclirelief das
Mädchen im langen Chiton mit den zwei langen
Fackeln , am Pfeiler links der Jüngling in Chiton
und Chlamys, beide der Göttin zugekehrt. Der
Jünglin? hält hier aber keinen Prochus, sondern
deutlich mit beiden Händen gefasst einen länglichen
Gegenstand, nach Körte eine kurze brennende
Fackel. Allerdings kann eine Fackel so gehalten
werden, wie u. A. ein Eeliefbild zeigt, das ohne-
hin bei unsrer Untersuchung nicht ganz ungenannt
bleiben kann, ich meine das auf der einen Lang-
seite des attischen Attisaltars des Archelaos (Kaibel
Epkjr. yr. n. 822. Arch. Zeit. 1863, Taf. 177), wo
dem in ganz gleicher Haltung eine deutliche Fackel
tragenden Jüngling zur Linken des thronenden
Götterpaares (Demeter und Kybele) zur andern
Seite wiederum ein Mädchen mit zwei, da aber
gesenkten Fackeln (vergl. T) gegenübersteht. Bei
genauer Prüfung des Originals Y hielt ich indessen
den Gegenstand in der Hand des Jünglings seiner
Form an sich nach nicht für eine Fackel, sondern
eher für ein Füllhorn. Es ist gebogen, nach unten
vielleiclit noch etwas mehr als die Zeichnung es
giebt zugespitzt; auf seinem oberen Rande würde
ein Fruchtaufsatz liegen. Doch mag eine Ent-
scheidung schwer sein, zumal wenn mau die für
die Fackel unpassende Biegung auf den skizzirten
Zustand des Reliefs zurückführt. Dass jedoch die
Figur der Hermes der übrigen hier zusammenge-
stellten Reliefs ist, leidet keinen Zweifel. Mit diesem
würde das Attribut der Fackel nur so ohne weiteren
Beleg zu reimen sein, dass er zum nvQcpnQog der
Güttermutter geworden sei; besser passt für ihn
ein Füllhorn als sprechendes Abzeichen in den
Händen des nlnvTodörrjg, des ömzioq säcov u. s. w.,
wofür später der Beutel mit besonderer Beziehung
auf den Handelsgott herrschend wird. Obendrein
ist aber ein deutliches Füllhorn in der Hand des
Hermes auf einem Relief, wo er den Reigen der
Nymphen führt (Schöne Griech. Reliefs n. 118), nach-
weisbar.
Es ist hier zu betonen, dass der Hermes olvo-
xöog unserer Güttermutter -Reliefs in seiner ganzen
Gestalt und Tracht dem die Kympheu i'tthrenden
Hermes zahlreicher Votivreliefs ^) offenbar deshalb
auch sonst sehr nahe steht, weil er beide Male
dieselbe dem Volksglauben zumal in Attika ge-
läufige Gestalt ist, wie die beiden in Rede kommen-
den Klassen von Bildwerken überhaupt sich nahe
berühren und ihre Typen gelegentlich mischen (H,
T, F, X). Auch das ist ihnen gemeinsam, dass so-
wohl der Hermes der Nymphenreliefs, als auch der
der Göttermuttervotive meistens ohne das Attribut
des Kerykeions erseheint. Es bedurfte anscheinend
dessen bei der sehr volksthümlich bekannten Gestalt
nicht oder man ergänzte es sieh leicht, wenn es mit
Aposiopese z. B. auf dem Weihrelief der nlvvelg im
Berliner Museum nur durch die wie Etwas fassende
Hand angedeutet war. So ist es denn gekommen,
dass unsere fremd an die Bildwerke herantretende
Exegese nur mit Irrungen und zögernd auf den Nym-
phenreliefs wie auf den Göttermutter- Anathemen den
Hermes erkannt hat und erst zuversichtlich ge-
worden ist, nachdem unter den vielen Nymphen-
reliefs jetzt ja wohl drei '), unter den Votiven der
Göttermutter erst das eine (ß) das auch für uns un-
zweideutige Abzeichen vor Augen gebracht hatten.
Obwohl die Hauptabsicht dieser kleinen Unter-
suchung mit der Erklärung des Hermes als Mund-
schenken der grossen Göttin erreicht ist, kann eine
kurze Uebersicht des sonst auf den aufgezählten
Votivreliefs vorkommenden Personals nicht unter-
bleiben *). Eine neue Besprechung alle der auf
dem reichstbevölkerten Relief von Faros (T) ver-
sammelten Gestalten habe ich jedoch schon vorher
als ohne erneute Prüfung des Originals misslich
abgewiesen. Dass sonst, sobald die grosse Göttin
mit Hermes in einer Grotte dargestellt sind, Pan
mit seiner Herde und der nach volksthttmlicher
Vorstellung als aus dem Felsen hervorragender
'■) Michaelis Annali deW inst. 18G3 S. .315.
') a. Sanmilung Millusich. Arch.-epigr. MittheiUingen aus
Oesterreich I, Taf. I.
b. Im Kultusministerium zu Athen. Schöne, Griech. Reliefs
n. 117.
c. In athenischem Privatbesitze von mir 1S73 gesehen. Hier
abgebildet als Vignette am Sclilusse dieses Aufsatzes.
") Die nur in einem Fragmente erhaltene zweite Neben-
tigur auf / lasse ich der grossen Undeutlichkeit halber uner-
wähnt.
A. Conze, Hermes- Cadmilos.
bärtiger Kopf gebildete Wasserdaimou, wie bereits
angeflilirt, meiirfacli vorkomtueu, bedarf uameutlicli
nach deu Ausfiiliningeu von Michaelis a. a. 0.
keiner weiteren Erläuterung.
Auf zwei Exemplaren (M, N) und wahrschein-
lich noch auf einem dritten, dann wie jene zwei
aus Kleinasieu stammenden (0), ist neben der
Göttermutter und dem Hermes ein bärtiger vollbeklei-
deter Gott dargestellt. Benennungen für ihn zu ver-
muthen ist leichter als eine bestimmte festzustellen.
Keine andere begleitende Gestalt erscheint aber
nächst Hermes so häutig der grossen Göttin gesellt
wie das zwei lange Fackeln tragende Mädchen.
Meistens ist sie dem Hermes durch Gegenüberstellung
in gleicher Grösse coordinirt (ß, B", C, Z>, [E], F,
|G, G\ 0], i}?, S, X, r), einmal steht sie kleiner
als Hermes hinter ihm (G"), einmal in voller
Grösse vor ihm zunächst der Göttermutter (/l), ein-
mal erscheint ein weibliches Idol mit zwei Fackeln
im Hintergründe (F). Wenn sie auch auf dem
Parischen Relief (T) hinter der Kybele zu erkennen
ist, so hält sie da die Fackeln, welche sonst immer
aufrecht gehalten werden, gesenkt, was wieder die
Vergleichung des schon ein Mal erwähnten Tauro-
bolienaltars des Archelaos (Kaibel Epigr. gr. n. 822)
nahe legt. Für die Fackelträgerin auf diesem hat
0. Jahn (Arch. Zeit. 1864, S. 132f.) die Benennung
Kora vorgeschlagen. In der dem Hermes als Be-
gleiterin der grossen Göttin gleichgestellten Fackel-
trägerin wird man jedoch am passendsten Hekate
erkennen; diese Erklärung wird vermuthlich für
alle einzelnen Exemplare bestehen, sobald wir die
Hauptgüttin trotz verschiedener Darstelluugsweise
durchweg für die Göttermutter halten dürfen.
Das Feststehende unter manchen somit nicht ver-
hehlten Unsicherheiten im Verständnisse unserer
Votivreliefs bleibt die Erklärung des Hermes als
Mundschenken der grossen Göttin.
Als die eigentliche Grundbedeutung des Hermes
ist jüngst von Wilh. Heinr. Koscher (Hermes der
Windgott, Leipzig 1878) die des Windes für mich
überzeugend nachgewiesen, des Windes, der na-
mentlich auch Regen bringend befruchtet. Ho er-
scheint denn die nachgewiesene Vorstellung des
Archaolog. Ztg. Jeihrgnnu- X.X.WIII.
Hermes als des Mundschenken der grossen Göttin
einigermassen analog seiner ältesten Idolbildung
mit dem Phallos. Wie dadurch der Befruchtende
unzweideutig bezeichnet ist, so wird der der grossen
Göttin, der Erdmutter, Einschenkende wiederum
der Regen bringende Gott sein. Beide Bildformen,
denen das Attribut der Flügel fehlt, hätten sich
also nicht so sehr an des Gottes ursprünglichste
Bedeutung als an eine seiner Hauptwirkungen ge-
halten, und zwar grade an die für den Landbau
und damit in den agrarischen Kulten besonders
wichtige. Den in der hier ebenfalls berührten
Denkmälerklasse nach sehr populärer Vorstellung
dargestellten Tanz des Hermes mit den Nymphen
hat Röscher bereits (S. 76 f.) entsprechend gedeutet,
wie er auch das Phallossymbol (S. 75 f.) richtig ein-
geordnet hat. Hermes als Mundschenk erscheint
bei ihm aber nur in den vereinzelten Dichterzeug-
nissen (S. 23), sein Mundschenkenamt nur als ein
Theil seiner allgemeinen Eigenschaft als Diener
der Götter, während es vielmehr eine verbreitete
Kultusvorstelluug ist und in specieller Beziehung
zur Erdgöttiu "), was auf einen tieferen Sinn führt,
steht.
Auch für die Geschichte des Kultus der Götter-
mutter ist das Gewonnene nicht ganz werthlos. All-
gemein ist anerkannt, deutlich bereits von Zoega
bassir. I, S. 55 f., besonders scharf später von Ger-
hard ausgesprochen, letzthin noch von Carl Curtius
in seiner Abhandlung über das Metroon (Berlin 1868)
gemässigter dargestellt, dass von dem in römischer
Zeit sich über das Reich verbreitenden Kultus der
phrygischen, besonders pessinuntischen Kybele mit
ihrem Lieblinge Attis, mit besonders ausschweifen-
den Gebräuchen, zuletzt auch den grossen Opfern
der Taurobolien, speciell in Attika eine ältere und
einfachere Kultusform der Göttermutter bestimmt
zu unterscheiden ist. Dieser letzteren dürften unsre
Votivreliefs angehören; sie bezeugen grade aus
Attika und zwar unter Anderm aus dem Metroon
im Piraeeus, aber auch aus Bootien und von einem
kleinasiatischen Platze, anscheinend auch auf Andros,
') Vergl. das Kelief in Verona und das jiompejanische Bild
bei O. Jahn siichs. Ber. IS-ifi S. lG2f.
10
A. Conze, Hermes-Kadmilos.
Paros und in Sizilien, eine solclie später durch die
Ausbreitung- des phrygisclien Kultus verdrängte oder
doch in den Scliatteu gestellte Kultustbrm. Sie
zeigen als ständigen Genossen der Göttermutter
anstatt des Attis vielmebr den Hermes, wie ihn
die samothrakischen Mysterien aus uralter Zeit her
festhielten. Was die Datirung der einzelneu Exem-
plare anlangt, so darf man sie nicht um ihrer oft
flüchtigen Ausführung willen ohne Weiteres für
sehr spät halten; davor warnt schon das eine, wie
gesagt dem 4. oder 3. Jahrhunderte angehörige
Exemplar ß; bei dem sorgfältiger gearbeiteten (A)
spricht auch die Kunstform für eine etwa gleiche
Datirung und ebenso die berührte nahe Verwandt-
schaft mit den Nymphenreliefs, die vorwiegend
einer so frühen Epoche angehören '").
Ganz zum Schlüsse mögen noch zwei Bildwerke
aufgeführt sein, welche durch diese Zusammen-
stellung einiges Licht erhalten dürften:
Z. Relief in der Schule zu Mytiliui. Conze,
Reise auf Lesbos S. 10 f.
Die Herme neben der Göttermutter wird nur
ein anderer bildlicher Ausdruck für Hermes als Be-
10) Michaelis in Annali 1S63, S. 315.
gleiter der Göttin und die Herme neben der sitzen-
den Erdgöttin auf Münzen von Sestos (Gerhard Ges.
Abh. Taf. LI, 5. (3) zur Vergleichung herbeizu-
ziehen sein.
Z". An einer Moschee zu Pergamon verbaut
befindet sich ein auf drei Seiten mit Skulptur ver-
sehener Marmorblock, dessen ganz genaue Be-
schreibung ich noch nicht zu geben vermag. Die
Hauptseite zeigt verschiedenartige Gewächse, Blumen
und Früchte, zu einem prächtigen Ornament ver-
einigt, offenbar mit Beziehung auf die Allmutter;
denn ihre Gestalt auf einem Löwen reitend ist zwei
Mal als Füllung der Voluten des Ornaments ange-
bracht; ihr gelten auch die Fackeln, welche auf der
Schmalseite des Steins gebildet sind. Die Rück-
seite, so weit sie skulpirt ist, ziert aber, wohl um
des hier nachgewiesenen Zusammenhanges willen,
das Kerykeion des Hermes ").
'■) Bei einem römischen Bildwerke, dein Bronzerelief im
k. Museum zu Berlin (Friederichs Berlins antike Bildwerke II,
no. 2005''. Curtius Abh. der k. Ak. d. Wiss. zu Berlin 1S79,
Taf. III, no. 1) wird man es zunächst besser dahingestellt sein
lassen, ob die Zusammenstellung des Hermes mit der Kybele
noch mit der als griechisch nachgewiesenen Vorstellung zusam-
menhängt oder mit Urlichs (Jahrb. des Ver. v. Alterthumsfr. im
Rheinl. XXIII, S. 53 f.) und Friederichs a. a. O. anderweitig zu
begründen ist.
Berlin. Conze.
ZUR GESCHICHTE
DES SCHLEIFERS IN FLORENZ UND DER MEDICEISCHEN VENUS.
lui Jahrgang- 1876 dieser Zeitung S. 150 habe
ich die Elireurettung Saute Bartolis hinsiclitlicli sei-
ner irrigen Angabe über die Auffindung des Schlei-
fers') darauf zu begründen gesucht, dass er nur
die Angaben Anderer referiere. Icli kann jetzt eine
bessere Erklärung geben. Die Ungenauigkcit Saute
Bartolis besteht allem Anscheine nach nur in dem
Zusätze sollo il monle Pincio , mit welchem er auf
den zu seiner Zeit vorzugsweise so genannten Pa-
last Mignanelli nahe der Piazza di Spagua hinweist;
es gab nämlich damals eine ganze Anzahl von Pa-
lazzi Mignanelli in Rom. Gemeint ist vielmehr der
frühere Palast Mignanelli , d. h. der Palast Spada
alla Regola. Derselbe ward bekanntlich unter
Paul III (1534-1549) vom Cardinal Girolamo Ca-
podiferro erbaut. Da dieser seit 1544 den Titel
von San Giorgio in Velabro (ad Velum Anrenm)
iiine hatte, so erscheint der Palast auf Bufalinis
grossem Stadtplane von 1551 °) als P. Card.S. Georgii ').
Capodiferro starb 1559. Seine Erben wareu die Kin-
der seiner Schwester und Fabio Mignanellis, von
denen Pietro Paolo 1569 gegen die Türken fiel;
aus den Händen der Familie Mignanelli kam der
Palast sodann im zweiten Viertel des folgenden
Jahrhunderts durch Kauf an Cardinal Bernardino
Spada''). Wenu wir nun bei Aldrovandi slatue
•) Die von Fea Miscell. I jj. CCLI no. 102 angeführten
Worte Una bellissima statua donnla alla rasa Medtc!
dalli signori .Mignanelli, si dice, che fosse Irovata vel fahbri-
care il loru palazzo, sotto il monte Pivcio finden sich eben-
so in der mir mittlerweile zugänglich gewordenen Quelle Feas,
der Roma antica von 1741 S. 354.
'-') [Lanciani] la pinnta di Roma di Leon. Eufalini (Rom
1S79) C, 2.
^) Ueblicher ist der Name Palazzo di San Giorgio für
den seit I.ilT zur Cancelleria eingerichteten Palast. Der Er-
bauer desselben Raffaele Riario war eben auch Cardinal-Diaconus
von S. Giorgio gewesen.
*) Roma moderno, Rnni 1741, S. Sö3. NiMiv Roma tieW
S. 166 (162) die Statue des Schleifers im Jahre 1550
in einer Weise angeführt finden, dass sie bereits
seit einiger Zeit bekannt gewesen sein muss, so ist
das ganz erklärlich, wenn sie beim Bau jenes Pa-
lastes zum Vorschein gekommen war.
Hierfür lässt sich noch ein Wahrscheinlichkeits-
grund aus der Lokalität entnehmen, in welcher Al-
drovandi den Schleifer kannte. Er kommt von der
Engelsbrücke her und geht gradeswegs zum Palast
Farnese, darauf zu zwei benachbarten Lokalitäten
in strada Iiilia, und dann zum giardino del Reve-
rendiss. Farnese, che e di lä dal Teuere, al drilio del
sno Palagio nuovo. Aldrovandi hat also am Süd-
eude der ^'ia Giulia den Ponte San Sisto über-
schritten und durch die Porta Settimiana die Via
della Lungara betreten, wo gleich ausserhalb des
Thores an der Flussseite bei Bufalini (D, 2) die
VinCed) FarnesioCmm) liegt, d. h. der Kern der spä-
ter durch den Ankauf der Vigna Chigi (Farnesiua)
erweiterten Gartenanlage. Hieran schliesst sich bei
Aldrovandi, ebenfalls noch di lä dal Teuere, das
Haus des M. Niccolö Guisa, in welchem der Schlei-
fer stand, und darauf kehrt unser Führer zur Piazza
Farnese zurück, um die Umgebung des Canipo di
Fiore abzusuchen. Danach ist es wahrscheinlich,
dass das Haus Nicc. Guisas nicht weit von der
Vigna Farnese, also auch nicht allzu weit von dem
Palast Capodiferro -Mignanelli -Spada entfernt lag,
welcher ja dem Ponte Sau Sisto benachbart ist.
Die Statue konnte also leicht vom Bauplatz dieses
Palastes in das zu Aldrovandis Zeit an den Her-
zog von Amalfi*) veriniethete Haus Guisas ver-
bracht worden sein.
anno 1S38, parle mod. II S. 824. Beschr. d. Stadt Rom III, 3
S. 439. Ciaconius intae pontificiim ed. Oldoini III S. 706. 777 f.
■'') Duca di .^filß bei Aldrovandi. Dieselbe Form gebraucht
2*
12
A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.
Antiken im Palast Capodiferro kennt Aldrovandi
überliaupt noch garniclit; die Statue des Pompeius
ward erst vom Papst Julius III (1550 — 1555) dem
Cardinal geschenkt'). Von dieser Statue ist die
meines Wissens älteste Abbildung- in dem zweiten
Bande von Cavalieris Statuen (1594') auf Tafel 89
enthalten ; sie führt die Unterschrift Julius Caesar
(seltsam, dass auch hier Cäsar seinen Gegner be-
seitigt hat !) Colosstis. In aedibus Hieronymi Mignanell,
Eine entsprechende Ortsbezeichnung führt ebenda
auf Taf. 85 ein mir nicht näher bekannter, jeden-
falls stark ergänzter „Genius saluiis uel Naialis".
Nun folgt auf den Pompeius unmittelbar auf Taf. 90
der Schleifer, so dass man zunächst an den Zu-
sammenhang desselben mit dem Palast Mignanelli
gemahnt wird. Allein der Unterschrift nach befand
sich dieser „M. Manlius Capitolij propiigitalor" da-
mals bereits in Palalio Magni Diicis Elr(nriae). Die
Reihenfolge der Abbildungen richtet sich überhaupt
in diesem zweiten Bande Cavalieris garnicht nach
dem Aufbewahrungsort, abweichend von dem ersten
Bande*). In diesem folgen aufeinander die belve-
derischen Statuen, dann diejenigen im Garten und
Palast Cesi im Borgo, die im Palast Farnese,
die im Garten des Cardinais von Ferrara (Ippolito
d'Este, Gründers der Villa d'Este in Tivoli) auf
Monte Cavallo — bis zum Jahre 1583 einer der
grössten Sehenswürdigkeiten Roms, dann dem Papst
geschenkt und in den päpstliclien Palast aufgegan-
gen") — , die in der Villa Julius III vor Porta
del Popolo, die auf dem Capitol, die in den be-
nachbarten Palästen Capranica und dellaValle
bei S. Maria della Valle; den Beschluss machen
Flaminio Vacca Memorie 55 (Fea Mise. I p. LXXVII), mit
dem Zusatz di casa Piccolomini; dieser Familie gehürte belcannt-
lich die Herzogswürde von Amalfi. Biifalini kennt eine VinfeaJ
Ducis Amalphi vor der Porta del Popolo, am heutigen Ein-
gange der Villa Borghese.
^) Vacca Memorie 57 bei Fea Miac. I p. LXXVII. Dass
Aldrovandi diese Statue noch nicht kennt, gibt einen neuen
Beweis dafür ab, dass sein Verzeichnis nicht erst 1556 aufge-
setzt worden ist (arch. Zeit. 1870 S. löl f.).
') Anliquarum staluarum urbis Romae tertius et rjuarlus
liber lo. Bapt. de C'uvalleriis authure. Rom 159-1.
') Antiq. statuarum . . . primus et secundus liber. Rom 1585.
') Montaigne Journal du voyaje en Jtalie [1580. 81], Rom
und Paris 1774, II S. 5C. Fea Mise. I S. LXXIII Anm. a. Be-
eine Anzahl von Statuen, welche theils öffentlich
ausgestellt waren, theils kleineren Sammlungen an-
gehörten. Man kann demnach diesen ersten Band
als eine kna]ipe Publication der bedeutendsten unter
den damaligen Sammlungen Roms, museographisch
geordnet, bezeichnen. Ganz anders der zweite Band.
Ein festes Princip der Anordnung ist hier überhaupt
nicht streng durchgefülirt, aber es sind doch wesent-
lich stoffliche Gesichtspunkte welche befolgt werden.
Die einzelnen Götter sind von einander geschieden,
aber in einer seltsamen Reihenfolge geordnet, die
überdies durch allerlei ganz fremdartige Eindring-
linge unterbrochen wird; den Schluss bildet eine
Gruppe historischer oder vermeintlich historischer
Bildwerke. Die einzelnen Sammlungen sind durch
den ganzen Band zerstreut. Ein paar Namen des
ersten Bandes kehren wieder, vor allen hat der Pa-
last Farnese noch eine reiche Nachlese geliefert,
aber meistens sind es neue Namen. Unter ihnen
steht Palast und Garten des Grossherzogs von
Toscana, also die Villa Medici, als das weitaus
reichste unter den neueren Schatzhäusern antiker
Kunst, an erster Stelle; ausserdem von bekannteren
Namen die Paläste Ceuoli (d. h. Sacchetti, in Via
Giulia), Vettori, Santacroce, Mattei auf dem
Quiriual und im Campus, Muti (s. Bufalini C, 1 und
C, 2), Mignanelli, Savelli, Odescalchi; auch
die Villa Montalto-Peretti, damals im Besitze des
Cardinais Alessandro Montalto, eines Grossneffen
von Sixtus V, steuert ihren „Cincinnatus" bei
(Taf. 91). Andere Namen lasse ich bei Seite ; von
Sammlern geringeren Ranges tritt keiner häufiger
auf als Girolamo Gariinberti, der bereits um
die Mitte des Jahrhunderts im Hause des Cardinais
Gaddi lebte, sich dort ein Museum mit manchen
curioseu „Antiken" bildete und als ein besonderer
Sachkenner galt'"). So lässt uns Cavalieris Werk
einen interessanten Einblick in die Wandelungen
römischer Museen am Ende des sechzehnten Jahr-
hunderts thuu, wenn auch durchaus keinen voll-
schreibung d. Stadt Rom III, •_> S. -llöf. Schreiber arch. Zeit.
1879 S. 71 Anm. 14. Die Jahreszahl beweist, dass die Tafeln
Cavalieris wenigstens zu grossem Theile bereits längere Zeit vor
dem l'ublicationsjahr (1585) fertig waren.
'") Mich.aelis, Bildnisse des Thukydides S. 15 Anm. 17.
A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.
13
stiindig-en ; demi es fehlen völlig so bedeutende
Sammlungen wie diejenigen der Cesarini, Ludo-
visi u. s. w., von den JMuseen des folgenden Jahr-
hunderts (Giustiniani , Borgbese, Barberini, Aldro-
brandini u. s. w.) natürlich ganz abgesehen.
Es niuss auffallen, dass in den Kupferwer-
ken des Cinquecento keine Abbildung der medicei-
sehen Venus auftritt, weder l)ei Vaccarius und Ca-
valieri, uocli, so viel ich nachzukommen vermag,
bei Franzini"); wenigstens enthält die Rotiia sacra
antica e moderiia von 1(587 unter den von letzterem
entlehnten 97 Holzschnitten nach antiken Statuen
keinen der Mediceerin. Und docli sind hier den
Schätzen der Villa Medici vierzehn Abbildungen ge-
widmet, ja darunter hat sogar die jener Statue im
Motiv verwandte, aber unendlich viel geringere
Aphrodite mit dem Eros zur Seite (Dütschke Uffi-
zieu no. 108) das Schicksal betroffen in einer hoch-
komischen Wiedergabe verewigt zu werden (S. 50 ''').
Erst bei Perrier (1638) erscheint die echte Medi-
ceerin, und zwar sogleich in drei Ansichten (Taf.
81 — 83); etwas später bei Episcopius gar in vieren
(Taf. 47—50 nach den Zeichnungen zweier hollän-
discher Künstler); zwei derselben sind daraus bei
Joh. Ulr. Kraus wiederholt (Taf. 26. 27). Auch in
Sandrarts Admiranda (1680) fehlt die Statue nicht
(Taf. p). Noch in Rom hatte endlich auch Domenico
de' Rossi die Zeichnung machen lassen, welche erst
1704, als die Statue sich längst in Florenz befand,
in der von P. A. Mafi'ei erklärten Raccolta di staiue
erschien (Taf. 27).
") Schreiber arch. Zeit. 1879 S. 65 Anm. 4. Die Original-
ausgabe von 1589 kenne ich freilich auch nicht. [Das kgl.
Museum besitzt die Holzschnitte der Anliquitates Romanae tirbis
studio Hieronymi Franzini in einer Ausgabe vom Jahre 1596.
l'nter diesen befindet sich keine Abbildung der mediceischen
Venus. M. F.]
'-') Grosse Aehnlichkeit mit der mediceischen Venus hat die
S. 60 abgebildete „Veneria ata. in viridario JRucellai" mit einem
Delphin zur Seite, auf dem ein Eros reitet. Jene Unterschrift
stammt von Franzini (1589), man könnte also denken, die Statue
sei später in den Besitz der Medici gekommen. Allein da sie
in der der Roma moderna selbst angehürigen Ueberschrift zu
den Sldtue del medesimo Palazzo Gaetani (im nördlichen Theile
des Corso s. S. -18) gerechnet wird, also 1687 sich dort befand,
kann sie nicht mit der zehn Jahre früher nach Florenz trans-
portierten und schon viel früher in mediceischem Besitz befind-
lichen Statue identisch sein.
Aus diesem Sachverhalt lässt sich mit einiger
Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die mediceische
Venus im sechzehnten Jahrhundert noch ziemlich
unbemerkt geblieben war und erst im Laufe des
nächsten Jahrhunderts sich allmählich ihren Welt-
ruluu eroberte, l)is sie 1677 mit dem Schleifer und
der Ringergruppe als eine der Perlen der Samm-
lung vom Tiber an den Arno versetzt ward. Um
so unwahrscheinlicher ist es, dass sich über ihre
Entdeckung authentische Kunde sollte erhalten ha-
ben, vollends wenn diese erst in der Zeit nach der
Uebersiedelung nach Florenz auftritt. So heisst
es bei Sante Bartoli (um 1682 oder noch später):
La fainosa Venere de' Medici, la quäle ora nou si
trova piü in Roma, per licenza d'Innocenzo XI., si
dice, che fasse Irovata in Pescaria al Portico di Ot-
tavia'^). Also nur ein Gerede, das vielleicht auf eine
gelehrte Reminiscenz an die bei Plinius 36, 35 er-
wähnten Venusstatuen im Bezirk der porticus Octauiae
zurückzuführen ist. Eine andere Nachricht Hess die
Figur in oder bei Tivoli, in der Villa Hadrians
oder in hortis Neronianis, gefunden sein'*), doch ist
es mir nicht gelungen die Quelle dieser Angabe
aufzutinden, noch auch nur zu ermitteln, wann sie
zuerst auftaucht. Sicherlich verdient sie ebenso
wenig Glauben, wie diejenige Saute Bartolis. Da-
gegen lässt sich noch nachweisen, woher die Statue
in die Sammlung Medici gekommen ist. Wiederum
ist Aldrovandi unser Führer.
In der Coutrada della Valle lagen vier Häuser
oder Paläste nahe bei einander, welche sämmtlich
der Familie della Valle gehörten: erstens das vom
alten Cardinal Andrea della Valle, einem der eiu-
flussreichsten und kunstsinnigsten Prälaten der Hoch-
renaissance (gestorben 1533 oder 1534), erbaute
Haus, das zu Aldrovandis Zeit (1550) ein Nefi'e des-
selben, der Bischof von Melito Quinzio de' Rustici
(gest. 1566), bewohnte; sodann das nebenan gelegeue
Haus Valeries della Valle; ferner das Haus Camillo
Capranicas, damals noch im Bau begriffen, welches
bald nachher auch in den Besitz jener Familie ge-
") Roma antica, 1741, S. 354 = Fea Mise. 1 S. CCLIII
no. 108. Clarac III S. CCXXXII übersetzt dans la piacine
du purtique d'Octavie\
") Dütschke Uffizicn zu uo. 548 und sonst hie und da.
14
A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceiscbe Venus.
langte''); eudlicli das Haus Brutos della Valle "*).
Alle "vier Häuser waren mit Antiken geschmückt,
zumeist das erste und das vierte. Der Hof des
ersten enthielt nicht -weniger als zwölf Statuen, je
vier an jeder Langseite und je zwei an jeder Quer-
seite. An der Rückseite waren dies zur Linken ein
Ganymed mit dem Adler, und zur Rechten „ma Ve-
ner e ignnda quando nacque de la spuma del mare:
onde Im vn delpno apprcsso con la spimia in bocca,
che questa fttlione accenna"'''). Nun steht es akten-
mässig fest, dass der Cardinal Fernando de' Medici
im Jahre 1584 die Antiken eben jenes Palastes und
des Palastes Capranica für die von ihm gegründete
Sammlung in der Villa Medici ankaufte "). In dem
Imentario delle dodici Slaliie del Palazzo della Valle,
welches bei Gelegenheit des Verkaufs aufgenommen
ward'Oi finden sich denn auch alle zwölf von Al-
drovandi aufgezählten Statuen wieder, darunter der
Ganymedes und nna Venere di naturale, con tulti
suoi membri, con il delphino. Letztere wird mit dem
verhältnismässig hohen Preise von 250 Ducaten
angesetzt. Den Ganymedes hat Dütschke richtig in
der Statue der Uffizien no. 115 wiedererkannt;
merkwürdig, dass ev nicht auch die Venus erkannt hat.
Jener ist 1.52 Meter hoch, diese 1.53; beide Statuen
vereinigen mit der menschlichenHauptfigur einTbier ;
sie waren also zu Gegenstücken an der Wand des
Hofes vortrefflich geeignet. Was aber vollends
entscheidend ist: in den Uffizien gibt es überhaupt
nur die eine Statue der Aphrodite mit einem Del-
'^) Letzteres nach einer Mittheilung Friedr. von Duhns. Der
im .Jalire 1572 verstorbene Bartolommeo Capranica, Bischof von
Carinola, war der letzte geistliche Würdenträger jener alten
riimischen Familie, welche namentlich den Bischofssitz von Fermo
lange Zeit inne halte und sich einmal zu gleicher Zeit zweier
Cardinäle rühmen konnte (Ughelli Ilaliu srnra, 2 Ausg., VI
S. 471, 35 und sonst).
'«) Aldrovandi S. 212—221.
") Aldrovandi S. 214. Vor dem grossen Saale befand sich
vna stalua ivf/inoichiala con vn ginocchio: mira in su col
uolto: ha vnit mimo col pugno chiuso isojira la coscia dritta;
Valtra tiene aleea sopra vn Ironco , sul quäle c la sua veste
riposta (ebenda S. 215J. Offenbar ist es die Keplik des einen
Niobiden, aus verschiedenem Marmor, no. 208 bei Dütschke,
obgleich diese im Inventar von IfiSV (unten Anm. 1!)) nicht
aufgeführt wird.
'«) Dütschke Uflizien S. XVII f.
'■') Gotti Gallerte e mnsei di I'irenr.e, 2 AuH., S. 3()1> f.
phin zur Seite. Es kommt noch hinzu, dass Ferdi-
nand die Statue vor dem Jahre 1587, wo er als
Grossherzog nach Florenz übersiedelte, erworben
haben muss. Steht somit die Identität fest, so kann
Aldrovandis Scliweigen über die beiden Eroten
ebenso wenig daran irre machen, wie die Angabe
vom Schaume im Mund. Denn am oberen, sehr ver-
steckten Eroten sind die Flügel und das linke ün-
terbein ergänzt, der sehr flüchtig angedeutete untere
Eros ist gar bis auf einen Rest des linken Flügels
ganz neu, so dass es fraglich ist, ob Aldrovandi sie
überhaupt bemerken konnte; die Angabe über den
Schaum aber erklärt sich vielleicht aus einer äl-
teren etwas abweichenden Restauration, da vom
Delphin unter anderem das Stück des Kopfes zwi-
schen der Schnauze und dem Sitzfleisch des unte-
ren Eroten ergänzt ist'"). In der That zeigen die
älteren Abbildungen aus der römischen Zeit (Epi-
scopius. Kraus, Maffei) unterhalb des Maules einige
rundliche Massen, welche man wohl für Schaum
halten konnte; Perrier und Sandrart lassen statt
dessen vom Maule aus Wasser über die Basis strö-
men, und Sandrart verbreitet sich in seinem Text
über die Wogen uud ihren Schaum.
Dass über diese Statue, welche wahrscheinlich
schon seit Beginn des sechzehnten Jahrhunderts im
Palast della Valle stand *'), ohne je in hervorragen-
dem Masse beachtet worden zu sein, sich Fund-
nachiichten wie die oben besprochenen bis in späte
Zeit erhalten haben sollten, ist gewiss wenig wahr-
scheinlicli. [So mag ich denn auch kein Gewicht dar-
auf legen, dass Sandrart im Text die Statue einst-
mals im Pantheon {in Rolundo) gestanden haben lässt,
obwohl wir in der That anderweit von Ausgrabun-
gen des alten Cardinais della Valle in den Thermen
Agrippas hören "). Sicherlich liegt der Angabe des
■-'") Diese Angaben fehlen bei Dütschke (Uft'. no. 548), der
überhaupt der Statue eine eingehendere Behandlung hätte widmen
sollen. Ich entnehme sie meinen im Jahre ISfil gemachten
Notizen.
-') Wenigstens erwähnt schon 150i) Francesco Albertini an
mehreren Stellen seines hochinteressanten Buches rie mirabilihvs
Romae (S. 59''. 34 ■■ des Baseler Nachdruckes von 1521) den
Palast della Valle wegen seiner Antikenschätze.
-"-■) Flaminio Vacca Memorie no. 5Ö bei Fea .l/i.«f. I
S. LXXVI.
A. Michaelis, Der Schleifer uud die mediceisehe Venus.
15
in solchen Dingen ganz unzuverlässigen Sandrart
nichts als eine Erinnerung au die mit der Perle
Kleopatras gesciimückte Veuusstatue in Agrippas
Pantheon (Macrob. salnrn. 3, 17, 18) zu Grunde,
welche bei den Astygraphen von F'ulvius au ihre
KoUe spielt und aucii noch in Mafl'eis und Goris
Erklärungen der niediceischen Venus bei Bespre-
chung von deren durchbohrten Ohrläppchen heran-
gezogen wird.
Weder Aldrovandi, noch das officielle Inventar,
noch die älteren Abbildungen, noch Perriers und
Sandrarts Textwortc kennen die Inschrift und den
Künstler Kleomenes. Episcopius sciieint der Erste
zu sein"), welcher im begleitenden Text die In-
schrift nach seinen Gewährsmännern erwähnt und
so angibt: KAEßMENHC AnOAAOAßPOY
AOHNAIOC EnOIEI. Die Basis erscheint in die-
sen ältereu Abbildungen rundlich , ohne scharfe
Räuder; doch ist darauf vielleicht nicht viel zu
geben. Erst der Stich bei Maftei zeigt die eigen-
thiimliche, au der Vorderseite etwas ausgeschweifte
KAErtAAEMHC A
A e HNAIOC
Es ist demnach ausser Zweifel, dass die Statue
noch iu Florenz, oder, wenn der von den Giessern
als Modell benutzte Gipsabguss schon etwas früher
gemacht sein sollte, wenigstens in der letzten römi-
schen Zeit diese Inschrift trug. Die jetzige, deren
Unechtheit man vergeblich zu leugnen versucht hat,
ist erst in Florenz gemacht; sie steht auf einem be-
sonderen au die Basis angeflickten Streifen von
verschiedenem Marmor und lautet bekanntlich:
KAEOAAENHS t AnOAAOAßPOY
AOHNAIOC EnßESEN.
In ihr liegt also nur eine ungenaue Copie der aus
-'■') Leider ist die Zeit des Erscheinens der ersten »S'enu'-
centuria von Ejjiseopius Sif/norunt velerum icones nicht ganz
yeiiau bestimmbar. Seine Paradigmata graphices erschienen
1671; in der zweiten, später ausgegebenen Hälfte der Icones
wird der celebrailssimus liegmsque Pictnr Petrus Lely in
London noch als lebend erwähnt; dieser starb IGSO. Da Epi-
scopius oder Bisschop, ein vielbeschäftigter Advocat, der die
Kupferstecherkunst nur nebenher betrieb, erst 1646 geboren war,
50 ist es wahrscheinlich, dass die hundert Tafeln der Icones zwi-
M-hen li'.Tl und I6$0 erschienen. Bisschop starb 1686.
Gestalt, welche die Basis noch heute hat, und die In-
schrift: AIOMHAHE AnßAAOAOPOC | AOH-
NAIOZ EnOltl"), welche von MaÖei im Texte
dahin verbessert wird: KAEOMENHC APIOAAß-
AOPOY I AOHNAIOC EHOIEI. Dass von die-
sen drei Abschriften diejenige bei Episcopius nicht
allein der relativ grössten grammatisclien Correct-
heit, sondern auch der grössten diplomatischen
Treue sich rühmen kann, zeigt der Bronzeabguss,
welchen die königlichen Giesser in Paris, die Ge-
brüder Johann Balthasar und Johann Jakob Keller
aus Zürich, im Jahre 1G87, also zehn Jahre nach
der Ueberführung der Statue nach Florenz, für
Ludwig XIV machten'"). Er befindet sich jetzt im
Louvre, wo er von Prof. A. Scliöne auf meine Bitte ge-
nau untersucht worden ist. Die Inschrift, in vertieften
— nicht wie die Giesserinschrift in erhabenen —
Buchstaben an der geschweiften Vorderseite sich
entlang ziehend, sieht nach dem Abklatsch folgen-
dermassen aus :
noAAoA>npOT
EnOiEl
irgend einem Grunde entfernten älteren Inschrift
vor. Diese selbst aber ist iu der durch den Bronze-
abguss bezeugten Form sehr geeignet Zweifel an
ihrer Echtheit zu erregen. Wenigstens wird dieser
Eindruck, den Schöne angesichts des Originals em-
pfieng, dem Abklatsch gegenüber nicht bloss von
-•*) Dass die Inschrift nicht auf der Vorderseite der Basis,
sondern an der Seitenfläche unterhalb des Delphins angebracht
ist, hat wohl seinen Grund nur in dem AVunsehe des Stechers,
trotz der Prolilansicht der Statue dennoch die ganze Inschrift
sichtbar zu machen. Uebrigens ist der Stich wie diejenigen
bei Episcopius imd Sandrart im Gegensinne gemacht.
■') Viscontis Angabe {opere varie III S. 18) „moulie par
Hellers sur l'original, et fondue sur le commencement du dix-
seiilieme stiele, avant que la slalue fut tritnsportee de Borne
a Florence" ist mehrfach ungenau, wie die in erhabenen Buch-
staben auf der rechten Seitenfläche der Basis (unterhalb des
Delphins) angebrachte Giesserinschrift FONDV PAR LES
KELLERS 1687, welche Visconti übersehen zu haben scheint,
beweist. Die Brüder waren erst in den dreissiger Jahren des
.Jahrhunderts geboren. Ueberhaupt enthält die ganze Abhand-
lung Viscontis neben grossem advocatorischen Scharfsinn sehr
viele unhaltbare Behauptungen und Vermnthungen.
16
A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.
mir, soudern auch von Conze, Köhler und R. Scholl
vollständig- getheilt. Zu den steifen und theilweise
sehr bedenklichen paläographischen Formen (z. B.
dem schliessendeu C des Hauptnamcns und dem an
den beiden unteren Enden gerundeten £1) tritt der
schlimme orthographische Fehler KXsco^isvrjg, um
die Zweifel zur Gewissheit zu erheben. Mir scheint
ausserdem auch die durch Matfei bezeugte ge-
schweifte Form der Vorderseite der Basis, an der
die Inschrift stand, für eine antike Basis unstatt-
haft; wenigstens ist mir kein zweites Beispiel be-
kannt, obgleich ich seit langer Zeit auf diesen
Punkt geachtet habe. Dazu kommt nun das räthsel-
hafte Verschwinden dieser älteren Inschrift, für das
sich schwer ein Grund erdenken lässt; denn Vis-
contis Vermuthung, sie möchte sehr verrieben und
undeutlich gewesen sein, ist gegenüber dem Bronze-
abguss unhaltbar. Wie wenn das Stück mit der
Inschrift nur aus Gips, Stucco oder einem andern
vergänglichen Stoff bestanden hätte, und daher ein
soliderer Ersatz, unter Beibehaltung der unglück-
lichen früheren Form, in Florenz, etwa bei der Er-
gänzung durch Ercole Ferrata, an die Stelle gesetzt
worden wäre? Jener ursprüngliche Zusatz wäre ver-
muthlich nicht vor der Mitte des siebzehnten Jahr-
hunderts entstanden"). Damit würde das Schweigen
der älteren Auctoritäten, und namentlich Perriers und
Sandrarts erklärt sein, welche sonst die Künstler-
inschriften (Agasias, Glykon u. s. w.) nicht unbeach-
tet zu lassen pflegen. Sandrart kehrte 1635 aus
Italien zurück, Perriers Werk erschien 1638; beide
wareu als Zeichner für die Galleria Giiisliniatia thä-
tig, deren erster Band 1631 ausgegeben zu sein
scheint. Ja sogar Franc. Junius, der bis an sein
-'') In den UlHzien steht neben ileni Eingange zum Niobe
saale die Vordersejte cinev ziemlich grossen Basis mit der Inschrift
rANYMHAHC I A6GÜXAPOYC | /\0HNAIOY
(C. I. Gr. 6161i), welche Brunn (Gesch. d. griech. Künstler I
S. 38G) wegen ihrer ganz singulären Fassung wohl mit Recht
als durchaus verdächtig bezeichnet. (Andere Ansichten s. bei
Jahn arch. Beitr. .S. 19 Anm. 17.) Sie stammt aus Villa Medici.
Sollte sie nicht dort die Basis jener oben genannten Ganymedes-
statue, des ehemaligen Scitenstückes zur Venus in Palazzo Valle,
bekleidet haben? Diese gibt zwar sicherlich nicht die Com-
position des Leochares wieder, konnte aber einen gelehrten Anti-
quar sehr leicht an das aus l'linius bekannte Weik jenes Künst-
lers denken lassen.
Lebensende (1677) an seinem Catalogus artipcum
arbeitete, hatte noch nichts von der Inschrift er-
fahren. So viel ist sicher, dass der im Vorstehen-
den gegebene Beitrag zur Geschichte der Statue
und ihrer Publicationen, das späte Auftauchen der
Inschrift und der paläographische Charakter dersel-
ben in der Bronzecopie den Glauben an Kleomenes
als Verfertiger der mediceischen Statue, und über-
haupt an einen athenischen Künstler Kleomenes,
Sohn des ApoUodoros, stark erschüttern müssen.
Uebrig bleibt noch das eine, von Visconti und
anderen Verfechtern der Echtheit der Inschrift stark
betonte Argument: wie sollte ein moderner Fäl-
scher oder Erfinder, grade auf den ziemlich obscuren
Künstlernamen Kleomenes gefallen sein? Selbst
wenn es nicht gelingen sollte, hierfür eine Er-
klärung zu finden, würde ich die vorgebrachten
Argumente für den modernen Ursprung- durch die-
sen Einwand nicht für entkräftet halten, denn ähn-
liche Fragen müssen bei einigermassen geschickten
Fälschungen oft unbeantwortet bleiben. Aber ich
glaube in der That eine plausible Erklärung geben
zu können. Für einen Gelehrten (was der Erfinder
jener Inschrift jedenfalls sein musste) mochte bei
einem so sinnlich reizenden Frauenbilde der Ge-
danke an die Thespiadeu, welche einst lunius Pis-
ciculus unlautere Begierden erweckt hatten, nicht
so gar fern liegen; diese waren ja aber Arbeiten
des Kleomenes (Plin. 36, 33. 39). Wem diese Er-
klärung zu gesucht erscheint, den möchte ich daran
erinnern, dass grade bei der mediceischen Statue
eine einigermassen ähnliche Wirkung auf verwahr-
loste GemUther in Kom beobachtet worden war.
Baldinucci erzählt im Leben Ercole Ferratas"),
dass die erlesensten Antiken der Villa Medici von
einem ganzen Heere junger Künstler förmlich be-
lagert gewesen seien, e pin di ofpd allra la Vettere,
la Olli rara hellezza esposla quivi benignamente ad
ntilild de' professori, era bene spesso con parole
e con (jesli da' piii scorretli abnsala; deshalb
habe Cosimo III endlich 1677 die Ueberführung
nach Florenz angeordnet. Wenn man sich erinnert,
-') Noiizie de' professori del diieijno, Mailand 1S12, XUI
S. 441.
A. Michaelis, Der Schleifer und die mediceische Venus.
17
dass die Inschrift überhaupt erst kurz vor dem
letzteren Zeitpunkt auftaucht, so scheint mir der
vermutliete Zusammenhang keineswegs unwahr-
scheinlich zu sein. Dazu kam die Inschrift des
Kleomenes Sohnes des Kleomenes an dem sog. Ger-
manicus, welcher damals noch in der Villa Mont-
alto-Peretti stand und einem römischen Gelelirten
füglich bekannt seiu konnte. Unerklärt bleibt frei-
lieh die Wahl des Vaternamens Apollodoros; denn
an den von Plinius (34, 81) geschilderten fictor
inter cunclos diligentissimiis artis dieses Namens,
der sich selber nie genug thun konnte, ist schwer-
lich zu denken '^).
Erst durch die Inschrift der mediceischen Statue
ist der Künstlername des Kleomenes zu einem so
hohen Kuhme gelangt, dass er zu neuen, freilicli
weit naiveren Erfindungen Anlass geben konnte ").
•") Ich will hier mit meiner Ueberzeugung nicht zurück-
halten, ilass auch die Kleomeuesinschrift auf der Arn mit dem
Opfer der Iphigeneia eine Fälschung ist. Jahns und der von
ihm (arch. Beitr. S. 380 Anm.) angeführten Gelehrten Beob-
achtung, dass die Inschrift erst in die bereits vorhandenen
Brüche des unteren Randes hineingehauen ist, kann ich nach
wiederholter Prüfung (1861 und 1878) nur bestätigen: mehr-
fach sind die Striche in die Bruchstellen hineingeglitten, so
beim O und beim iV des Namens, auch ist der trennende Punkt
zwischen den beiden Worten in einer griechischen Inschrift nicht
ohne Bedenken. Dütschkes Einwand (Uff. no. 1C5) trift't nicht
den Kern der Sache. Noch verfehlter erscheint mir sein Ver-
such einer Rettung der Inschrift ^dvainnon igyov an der
Ileraklesstatue in Palazzo Pitti (zerstr. Bildw. in Florenz no. 36).
Schon allein die Formen des Y und das N zum Schlüsse mit
ihren unerhörten Schnörkeln schliessen jeden Zweifel aus.
-') Auch der Künstlername ApoUonios , am glanzvollsten
durch die Inschrift des belvederischen Torso vertreten, hat eine
Fälschung veranlasst. In Petworth steht ein etwas geringeres
Exemplar des schönen weinschenkenden Satyrjünglings, der be-
sonders durch die Dresdener Statue bekannt ist (Denkm. a. K.
II, 39, 459. Arch. Ztg. 1874 S. 56 no. 20; in meinen Anc.
Mnrhles no. 6); es ward von G. Hamilton bei Rom entdeckt.
Dallaway {Anecdotes S. 282) gab, ich weiss nicht nach welcher
Quelle, an, auf dem (nie gebrochenen) Pfeiler, welcher der
Statue neben dem linken Bein zur Stütze diene, habe eine mehr-
zellige griechische Inschrift gestanden, von der jedoch nur noch
die Worte AflGAAGNIOZ und EflOIEI lesbar seien.
Müller (Amalthea III S. 252 = kunstarch. Werke II S. 84)
referiert wohl nur nach Dallaway. Friederichs fand 1861 nur
APOAAjQNIO, Conze (Archäolog. Anzeiger 1864 S. 239)
ADOAAßNIOE ohne lnn(i:i. In der Tliat steht nur der
Name da:
AHOAA^'O
Ich meine die angeblichen vier Statuen dieses Künst-
lers in Wiltonhouse, zu denen sich noch ein Relief
gesellt. Die vier Statuen "), von sehr verschiedener
Güte, hat der Gründer jener Sammlung, Lord Pem-
broke, sämmtlich aus der ehemaligen Sammlung
Mazarin in Paris gekauft, wohin sie aus Rom ge-
kommen waren; aber keine derselben hat irgend
eine auf Kleomenes bezügliche Inschrift oder sonst
ein Abzeichen dieses Ursprungs. Das Relief") ist
vollends ganz modern. Mag nun Lord Pembroke
selbst (was durchaus wahrscheinlich ist) der „kecke
Pfarrherr" gewesen sein oder ein Anderer die Taufe
vorgenommen haben, hochergötzlich ist folgende
authentische Auskunft über den Künstler, welche
die Einleitung zu Kennedys Buch über Wilton-
house'^) gibt (S. XXX): „This Sculptor was one
of ihe mosl eminent of liis Urne, and was setil from
Corinlh to Rome by PoUjbius, the celehraled Hisiorian,
lo execute litis work [das Relief des Curtius!]. At
whose desire, history does not inform ns; let this he
as il may, il is so masler ly a Performance as does
honour lo the skill of the Artist." Winckelmanu")
hatte wohl Recht mit seiner Bemerkung: „es wäre
nicht viel unverschämter gewesen vorzugeben, dass
Polybius den Künstler nach Wilton geschicket habe."
Ad. Michaelis.
Wie das Facsimile zeigt, ist das 2 in einer zweiten Zeile nach-
geholt; irater dem Anfang des Namens sind Spuren von leisem
Kratzen, sonst aber nichts von weiterer Schrift zu entdecken.
Die Buchstaben sind aber ganz unordentlich und so leicht ein-
geritzt, dass sie nicht von einem Meissel, sondern nur von einem
Messer oder sonst einem spitzen Instrument herrühren können.
Ich zweifle nicht an ihrem modernen Ursprung und an der Ab-
sicht des Fälschers an den berühmten Künstler des Torso zu
erinnern. Sollte die Inschrift aber dennoch antik sein, so kann es
natürlich nur die Kritzelei eines Beschauers, nicht die Angabe
des Verfertigers sein.
^") Wiltonhouse no. 124 bogenbespannender Eros (Clarac
650, 1495); 151 schwanzbeschauender Satyr (Clarac 711, 1693);
159 sitzende „Euterpe" (Clarac 498 A, 790 B); 170 knieende
Amazone (Clarac 810 A, 2031 C). Die näheren Nachweise siehe
demnächst in meinen im Druck befindlichen Ancient Marbles
in Great Brilain.
3') No. 87 Curtius sich in den Schlund stürzend.
^-) A Description of ihe Antiquities and Curiosities ia
Wilton- House. Salisbury 1769. Aehnlich schon bei Carey
Creed in seinen Radierungen nach dortigen Antiken (1731).
^') Geschichte der Kunst, Dresden 1764, 1 S. XIV.
Archäolog. Ztg., Jahrgang X.X.WIII.
18
'YnOBIBA
C. Robert hat zuerst in deu Annali dell' Insti-
luto (1874, t. T; cf. p. 243—46), sodann nach einer
genaueren Zeichnung in der A. Z. 1878, T. 22 ein
nolanisches, jetzt im berliner Museum befindliches
Vasenbild publicirt, dem er nach zwei Seiten hin
eine mehr als gewöhnliche Bedeutung vindicirt. Mit
feinem Blicke hat er in dem Bilde eine Darstellung
des vnoßißätea&ai erkannt: didaxTeov ös tov Innov
xat vnoßtßäKsa&ai. ton de tovxo diiaiävta %a
oxilr] eyxa<Eiv te xal xanEivovv eavTov, äaie
EvTiETiüi: avaßaivEiv %6v mnea: Poll. I, 213; vgl.
Xenoph. n. Inn. 6, 16. Ein zur Linken seines Pferdes
stehender Jüngling drückt seinen r. Fuss gegen den
r. Vorderhuf des Pferdes, um dasselbe zu zwingen,
dieses Bein gleich dem 1. noch mehr zu strecken
und so das Aufsteigen auf den erniedrigten Rücken
zu erleichtern. Sehr passend hat sodann Robert
zur Vergleiehung eine Gruppe aus dem Parthenon-
fries abbilden lassen, die mit der ganzen Compo-
sition eine auffallende Aehnlichkeit hat: eine Aehn-
lichkeit, welche noch dadurch gesteigert wird, dass
hier wie auf der Vase der Jüngling eine auf den
Rücken herabhängende Chlamys und einen Petasos
im Nacken trägt. Aus dieser Vergleiehung glaubt
nun Robert eine zweifache Folgerung ziehen zu
dürfen: erstens, dass hier eines der seltenen Bei-
spiele vorliege, in denen ein Vasenbild nach einem
plastischen Vorbilde copirt worden sei; zweitens,
da diese Copie doch nur in Athen gemacht sein
könne, dass dadurch die athenische Herkunft der
nolanischen Vasen eine neue und entscheidende Be-
stätigung erhalte.
Je einfacher diese Folgerungen erscheinen, um
so gefährlicher sind sie wegen ihrer Consequenzen,
sofern sie sich schliesslich doch als trügerisch er-
weisen sollten.
Die beiden Darstellungen des vnoßißdCEod^ai
sind nicht die einzigen , welche wir besitzen. Icli
rühme micli nicht den gesanimten Denkmälervor-
ratli darauf hin geprüft zu haben, sondern nur zu-
fällig bin ich nach Lesung des Robert'schen Artikels
ZE^0JI.
auf zwei weitere Beispiele aufmerksam geworden.
Das eine findet sich auf einer Münze von Larissa
in Thessalien aus guter griechischer Zeit, auf der
J. Friedlaender richtig den Jlomeut vor dem Auf-
steigen erkannt hat (Monatsber. d. berl. Akad. 1878,
Taf. II, 30; S. 453). Das Pferd ist nach rechts ge-
wendet und der Jüngling steht deshalb nicht dies-
seits, sondern jenseits d«sselben ')• Indem er das
Pferd mit der Linken am Zügel hält und etwas zu-
rückgeleimt den r. Arm mit der Reitgerte auf die
Kruppe stützt, drückt er seinen r. Fuss gegen den
1. Vorderfuss des Bosses, welches diesen hebt, um
ihn ebenso wie den r. zu strecken. Der Petasos
oder die Kausia bedeckt hier den Kopf, die Chlamys
hängt über die Brust und die 1. Schulter herab. —
Die zweite Darstellung ist von den bisherigen durch
einen weiten Zeitraum getrennt; es ist ein spät-
römisches Relief im Louvre, dessen Hauptgegen-
stand ein Suovetaurilienopfer bildet (Clarac pl. 221,
no. 313). Am rechten Ende steht ein gerüsteter
Krieger neben seinem nach links gewendeten Rosse;
die Linke legt er auf die Mähne oben im Nacken,
den r. Arm stützt er, etwas zurückgelehnt, auf den
Rücken, und mit dem r. Fuss rückt er die Vorder-
beine des Pferdes zurecht.
Nach diesen Vergleichungen wird Robert schwer-
lich noch an der Behauptung festhalten dürfen, dass
der im Parthenonfriese und dem Vasenbilde ge-
wählte Moment zu denen gehöre, die sich nicht so
leicht dem Sinne des Künstlers darbieten und also
nicht wohl zweimal von einander unabhängig er-
funden sein könnten. Es handelt sich nicht um
ein zufälliges, von einem Künstler individuell beob-
achtetes und aus dem Flusse der Erscheinungen
herausgehobenes Motiv, sondern um eine typische
oder technische, überall in der Reitschule eingeübte
Stellung, die, von Aeusserlichkeiten abgesehen,
ihrem Wesen nach immer die gleiche bleibt. Eben-
') Um die Zweideutigkeit von „vor" und „hinter" zu ver-
meiden, empfiehlt sich vielleicht die Bezeichnung „diesseits" und
jenseits" zu allgemeinerem Gebrauche.
II. Brunn, 'Ynnßißä^sa^ai.
19
so erweist sich die Bedeutung, welche Robert dem
Fehlen einer ritterlichen Bewaffnung mit Schwert
und Lanze für die Abhängigkeit des Vasenbildes
von dem Friesrelief beilegen will, im Hinblick auf
die thessalische Münze als illusorisch: es handelt
sich eben nicht um den kriegerischen Ausmarsch
eines Ritters, sondern einfach um eine Reiterstellung.
Bleibt nun auch die iiusserliclic Uebereinstimmung
in der übrigens durchaus nicht ungewöhnliclien An-
ordnung von Chlamys und Petasos , so hat dafür
Robert selbst auf verschieilene feinere Unterschiede
in Stellung und Haltung von Ross und Reiter hin-
gewiesen, die sich schliesslich doch weniger aus
einer äuserlichen Anbequemung an den Raum der
Vase, als aus selbständiger Naturbeobachtung er-
klären. Sollte aber selbst hiernach die Möglich-
keit einer Entlehnung des Vasenbildes von dem
Friesrelief noch nicht vollständig ausgeschlossen
sein, so ist doch sicherlich die Noth wendigkeit
in keiner Weise zuzugeben.
Für weitere Folgerungen darf aber ausserdem
der künstlerische Charakter, der Styl der Zeichnung
keineswegs ausser Acht gelassen werden. Die
Würdigung desselben wird durch die Vergleichung
eines zweiten in Form und Technik übereinstimmen-
den Gefässes erleichtert, das mit dem ersten für
Berlin erworben und von Robert in der A. Z. 1878,
T. 23 publicirt ist. „Es kann kaum zweifelhaft
sein, dass wir zwei Producte wahrscheinlich des-
selben Arbeiters, jedenfalls derselben Fabrik vor
uns haben." Was Robert über die peinliche Ge-
nauigkeit in der Wiedergabe des Details, über die
„sorgfältige, aber noch etwas unsichere, fast möchte
ich sagen ängstliche Hand" bemerkt, ist gewiss
richtig. Nur hat Robert versäumt, die einzelnen
Beobachtungen einem allgemeinen Gesichtspunkte
unterzuordnen. Es fehlt der Zeichnung durchaus
der (ich wähle den Ausdruck mit Vorbedacht) tekto-
nische Charakter, der sonst den Vasen von Nola
eigen zu sein pflegt; die Zeichnung ist, selbst rein
technisch betrachtet, eine durchaus individuelle freie
Ilaudzeichnung, für die ich im Augenblick keine
weiteren Vergleichungen auf Vasen beizubringen ver-
möchte. Hat diese nun aber irgend etwas mit
attischem Charakter gemein? Auffällig erscheint
schon die Behandlung von Aeusserlichkeiten, wie
der Zügel, des Stirnschmuckes des Pferdes, der
Stiefel, des Helmes am Krieger der zweiten Vase,
auffüllig auch das Verhältniss des Kopfes zum Kör-
per am Jünglinge sowohl wie am Krieger; und
wenn letzterer in seiner ganzen Erscheinung etwas
(im antiken Sinne) Halbbarbarisches hat, so tritt
uns auch an dem Pferde der ersten Vase etwas
Ungriechisches, nemlich ein auffallender Mangel an
Stylisirung in der Zeichnung entgegen. Wir haben
e.s mit einer Auffassung der Natur zu thun, die oft
sehr in's Einzelne geht, aber nicht versteht, dieses
Einzelne dem Ganzen unterzuordnen, die nicht auf
einem inneren Verständniss der Dinge beruht, sondern
sich mit einer mehr oder weniger oberflächlichen
Wiedergabe der äusseren Erscheinung begnügt.
Fragen wir jetzt, wo wir einer verwandten Kunst-
richtung begegnen, so brauchen wir uns nicht weit
von dem Fundorte der beiden Vasen zu entfernen.
Wir finden sie in den unteritalischen, namentlich
lucanischen Grabgemälden, von denen hier nur
die pästanischen in den Mon. d. Inst. VIII, t. 21
und im Bull. nap. N. S. IV, t. 4 — 7 citirt werden
mögen. Technik und Vortragsweise bedingen natür-
lich manche Verschiedenheiten im Einzelnen; aber
in der Grundauffassung zeigt sich die grösste Ueber-
einstimmung.
Was Thon und Firniss, das Technische des
Töpferhandwerks anlangt, unterscheiden sich die
beiden Vasen, so weit ich sehe, durchaus nicht von
andern nolanischer Herkunft; ja auf der Rückseite
fällt der Maler, so zu sagen, ganz aus seiner Rolle
und zeichnet seine Figuren in der gewöhnlichsten,
conventionellsten Manier. Handelt es sich also hier
um einheimisches Fabrikat, so erhält dadurch die
Hypothese vom athenischen Ursprünge der nola-
nischen Vasen überhaupt keine Bestätigung, sondern
erscheint vielmehr den gewichtigsten Zweifeln unter-
worfen.
H. Brunn.
20
DAS BILDNISS DES SENECA.
(Tafel 5.)
Zu Anfang dieses Jahrhunderts befand sich die
Villa Mattei zu Rom im Besitz des bekannten
spanischen Staatsmanns D. Manuel de Godoy,
Herzog von Alcudia und Principe de laPaz, durch den
Pabst auch Fürst von Posserano. Als mau im Jahr
1813 auf dem Terrain der Villa die Fundamente zu
einem Keubau (einer stufd) legte, fand sich, unweit
der Tribüne der Kirche Santa Maria in Domnica,
die durch die erhaltenen Aufschriften unzweideutig
bezeichnete Doppelbüste des Seneca und Sokrates.
Sie ist seitdem in andern Besitz, schliesslich iu den
unseres Museums übergegangen (no. 419a) und wird
auf Tafel 5 in einem wohlgelungenen Lichtdruck
mitgetheilt, welcher den Seneca iu der (grösseren)
Vorderansicht und im Profil nach links, den Sokrates
nur im Profil nach rechts giebt. Einige Jahre nach
dem Funde, welcher damals sogleich das verdiente
Aufsehen machte, nachher aber wieder in Vergessen-
heit gerathen zu sein scheint, publicierte ihn der
römische Antiquar Lorenzo ße iu einer eigenen
dem Fürsten gewidmeten Monographie mit drei sorg-
fältigen von P. Fontana gestochenen Tafeln').
Danach hat Ennio Quirino Visconti noch nach-
träglich einen kleinen Umrissstich des Senecakopfes
in eine der Tafeln seiner römischen Ikonographie
einfügen lassen, obgleich er in demselben Werke
vorher die noch von ihm mit Unrecht für Seneca
gehaltene Erzbüste aus Herculaneum abgebildet
und erläutert hatte "). Seit sechzig Jahren also
konnte man schon wissen, dass jener sonderbare
Kopf den Seneca sicherlich nicht darstelle; wen er
darstelle, ob den Philetas oder den Kallimachos,
wie neuerdings vermuthet worden ist, oder irgend
') Lorenzo Re, Seneca e Socrate, erma bicipile trovalo
da S. A. S. il Principe della Face nelle scavazioni della sua
Villa Celimonlana yiu Mntlei u. s. w. Uoin 1816 fol.
-') E. Q. Visconti iconographie romaine Paris 1817 fol.
Taf. 16, 5. Die falsche Senecabüste ist auf Taf. 14 abgebildet.
Im Text dazu (Bd. I S. 284 fF.) ist die spUtere Zutbat nicht mehr
erwähnt worden; auch in der Fortsetzung des Werkes von
Mongez finde ich nichts darüber bemerkt.
einen Philosophen, vielleicht einen Epikureer '), ist
bisher nicht zu ermitteln gewesen.
Die Büste unseres Museums (aus einem weissen,
nicht ganz reinen Marmor) zeigt folgende Ergän-
zungen :
1) am Kopf des Seneca die Nase mit dem dar-
über befindlichen Tlieile der unteren Stirn, die
linke Hälfte des linken Auges oben mit der Braue
und einem Theile der Schläfe, unten bis über das
Lid hinaus, die Höhe des linken Backenknochens.
2) am Kopf des Sokrates ein Theil der Nase,
ein Stück des Bartes der Oberlippe.
Die Höhe der Senecabüste beträgt 27 Cm.; die
Köpfe sind also etwas unter Lebensgrösse dar-
gestellt.
Unzweifelhaft acht sind die beiden Aufschriften,
von denen der Name des Seneca auf unserer Tafel
in hinreichender Deutlichkeit erscheint, der des So-
krates iu folgendem Facsimile (in Originalgrösse)
CUJ
>THC
besonders gegeben wird. Die Schriftzeichen der
ersteren sind nicht zahlreich genug und nicht hin-
reichend charakteristisch, um eine einigermassen
sichere Datierung nach ihren Formen zu gestatten.
Es steht jedoch, soweit ich urtheilen kann, durch-
aus nichts im Wege, sie als der Zeit des Seneca
') Nur nicht etwa den Römer Calijurnius Piso, den mutb-
masslichen Besitzer jener herculanensischen Villa und den Freund
des Eiiicureers Phllodemos, wie neuerdings Comparetti höchst
unglücklich vermuthet hat in der in diesem Jahre erschienenen
pompeianischen Festschrift (Fompei e la reginne sotlerranea del
Vesuvio nelV anno LXXIX u. s. w. Neapel 1879 8.). Denn
wie die vornehmen Senatoren jener Zeit, wie Caesar, Cicero, der
Triumvir Antonius u. s. w. aussahen, wissen wir genau aus gleich-
zeitigen Büsten und Münzen. Dass keiner von ihnen, auch
nicht die Männer von philosophischen Neigungen, so ungekämmt
und unrasiert, so naturalistisch nonchalant umhergegangen sind,
wie der Träger jenes originellen Kopfes, bedarf keines Nach-
weises.
E. Hübner, Seneca.
21
selbst oder der nächsten Folgezeit nach ihm, und
zwar noch etwa dem dritten Viertel des ersten Jahr-
hunderts unserer Zeitrechnung, zuzuweisen. Auch
die nicht mehr vollständig erhaltenen griechischen
Buchstaben im Namen des Sokrates widersprechen
diesem Ansatz nicht.
Im übrigen spricht die Bttste für sich selbst. Sie
ist nicht eine l)is in das Detail mit gleiclier Sorg-
falt durchgeführte Arbeit und nicht die Arbeit eines
Meisters vom ersten Rang, aber sie ist virtuos und in
breiter Behandlung nach einem offenbar sehr ähn-
lichen und lebendigen Original hergestellt und zeigt
in dieser Lebendigkeit der Auflassung noch deutlich
ihre wenn auch nur mittelbare Abhängigkeit von
der Natur. Leider ist die Nase neu, was besonders
der Profilausicht schadet. Aber der wohlgeformte
Schädel, welchem oben das Haar ganz fehlt, während
es an den Seiten nach der Mode der Zeit kurz ge-
schoren ist und glatt anliegt, die gefurchte Stirn,
die lebendig blickenden, auffällig ungleichen Augen
mit den hochgezogenen Brauen, der kleine Mund
mit dem Doppelkinn, die fleischigen Wangen und
der kurze und fette Hals auf breiten Schultern geben
das Bild einer Individualität, wie man sie noch heut
unter den wohlgenälirten, intelligenten und jovialen
Sechzigern in Italien, dem südlichen Frankreich,
Spanien u. s. w. vielfach antrifft *). Der Zug des
in sich gekehrten Denkers tritt offenbar zurück
gegen die kluge, weltgewandte und von leichter
Beredsamkeit überfliessende Beobachtungsgabe des
hochgestellten Staatsmannes, Redners, Schriftstellers,
Dichters, der seinen Philosophennamen fast mehr
noch der litterarischen Unterscheidung von dem
gleichnamigen älteren Rhetor, seinem Vater, als
seiner breiten populär-philosophischen Schriftstellerei
verdankt. Die Entblüssung der rechten Schulter
— wenn anders dem nur leicht auf der linken
angedeuteten Stück der Toga ein beabsichtigter
Sinn untergelegt werden darf — deutet vielleicht
die Tracht des Redners und Philosophen an,
*) Die Worte des Tacitus bei der Schilderung seines Todes
(Ännalen XV 63 senile corpus et j)arco v ictu tenuatum
lenta eß'ugia sanguini ]>raebebal) widersiirechen dem nicht. Der
starke Hals ist vielmehr ein natürlicher Kest früherer Wohlge-
nährtheit.
welche dem griechischen Brauch folgte. Allein die
psychologische Charakteristik des Kopfes, welche
ja ohnehin an sich immer eine ziemlich subjective
ist, kann den Interpreten des Seneca überlassen
bleiben, welche die nächste Cabinetausgabe des
Dichters, falls ein Bedürfniss danach sich fühlbar
machen sollte, nun mit einem authentischen Bild-
nisse desselben zieren können.
Der Sokrateskopf, an welchem die Nasenspitze
leichter zu ergänzen war als die Nase des Seneca,
erfüllt seinen nächsten Zweck, den unverkennbarer
Deutlichkeit, und damit auch den weiteren, durch
seine Zusammenstellung mit demjenigen des Seneca
für diesen ein Compliment zu sein. Wie er sich
zu den übrigen zahlreichen Repliken verhält, unter-
lasse ich hier zu untersuchen; eine erschöpfende
Monographie über die Sokratesbildnisse giebt es
meines Wissens bis jetzt nicht. Ob wegen der Aehu-
lichkcit des unnatürlichen Lebensendes Seneca be-
reits von seinen Zeitgenossen ein römischer Sokrates
genannt worden ist, vermag ich nicht zu sagen ^).
Allein die berühmte Schilderung seines Todes bei
Tacitus, wonach er schon längst das attische Schier-
lingsgift für alle Fälle bereit gehalten und zuletzt
aucli wirklich, obgleich ohne tödlichen Erfolg, noch
genommen hat^), lassen, wie die Ausleger längst
l)emerkt haben, keinen Zweifel darüber, dass er
selbst damit die Parallele mit Sokrates „nicht ohne
eine gewisse Coquetterie" (nach Nipperdey) be-
absichtigte.
Unter den von mir in den Jahren 1860 und
1861 in Spanien und Portugal gesammelten Siegel-
abdrücken antiker geschnittener Steine und Glas-
pasten befindet sich einer, dessen ich mich bei der
Betrachtung der Senecabüste sofort erinnerte, ob-
gleich ich ihn seit mindestens sechzehn Jahren nicht
*) Welcker, welcher auf die bedeutungsvolle Beziehung der
Köpfe historischer Doppelhermen zu verweisen nicht unterlassen
hat (in dem bekannten Aufsatz über Aristophanes und Menandcr,
alte Denkmäler V S. 40f.), hebt diesen Umstand nicht hervor.
*) Annalen XV 64 Seneca interim, durante iractu et lenli-
tudine mortis, Statium Annaeum, diu sihi amicitiae fide et
arte mcdieinae jnohatuni, oral, provisum pridem venenum, quo
dnmnati publica Atheniensium iudicio extingucrentur, promeret ;
iidlatumqtte hausit fruatra, frigidus iam artus et cluso corpore
adversus vim veneni. Worauf er dann im warmen Bade stirbt.
22
E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.
wieder vor Augen gehabt hatte. Es ist ein Carneol
von sehr schöner Arbeit und, wie mir schien, un-
zweifelhafter Echtheit; er befand sich damals im Be-
sitz eines höheren Beamten, Don Luis Benite, in
Lora del Rio, dem alten Axati '), und soll daselbst an-
geblich auch gefunden worden sein. Auf dergleichen
Fundnotizen ist besonders bei so kleinen Denk-
mälern natürlich nicht viel zu geben; ich lege daher
kein Gewicht darauf, dass gerade in den nächsten
Umgebungen der Heimat von Seneca's Familie, Cor-
duba, der Stein sich befand. Wo er sich augen-
blicklich befindet, weiss ich nicht; allein mein
Siegelabdruck, obgleich mit dem ersten besten Lack
hergestellt, aber sehr wohl erhalten, hat ausgereicht,
die am Schluss dieser Mittheilung in Zincotypie auf
die Grösse des Originals verkleinerte Abbildung
herzustellen *). Nicht bloss nach meinem eigenen Ur-
theil, dem ich in solchem Fall allein nicht völlig
trauen würde, sondern nach dem einer Anzahl ein-
') C. I. L. II S. 137. Lora liegt am Guadalquivir zwischen
Cordova und Sevilla.
8, Sie ist von Professor Bürkner mit Zugrundelegung einer
den Abdruck um die Hälfte vergrössernden Photographie auf
das Sorgfältigste ausgeführt.
sichtiger und kunstgeübter Freunde, welchen ich
den Abdruck oder die Zeichnung vorlegen konnte,
findet eine unverkennbare Uebereinstimmung in den
charakteristischen Formen zwischen dem Stein und
der Büste des Seneca statt. Die Nase freilich
weicht ab: aber sie ist ja in der Büste ergänzt,
und verstärkt daher gewissermassen die Authenti-
cität des Steines. Allein ob derselbe wirklich den
Seneca darstellt, oder eine andere ähnliche Indivi-
dualität, wie sie ja sicher zu allen Zeiten vorge-
kommen sind, wird sich, da die Namensbeischrift
fehlt, niemals mit völliger Sicherheit entscheiden
lassen. Wohl aber schien es der Mühe werth, dies
kleine Werk antiker Glyptik zur Vergleichung mit
unserer Senecabüste der Publication derselben als
ein vielleicht nicht unerwünschtes Corollarium bei-
zufügen.
E. Hübner.
KÜNSTGESCHICHTLICHE MISCELLEN.
1. DER APOLLON MIT DEM HIRSCH VON
KANACHOS.
Canachus Apollinem nudum qui Philesius cognomi-
natur in Didymaeo Aeginetica aeris temperalura, cer-
vumque una') ita vestigiis suspendil, ul linum subter
pedes trahalur^), alterno niorsu calce digilisque reti-
nentibus solum, ita vertebrato dente utrisque in par-
tibus, ul a repulsu per vices resiliat.
Also lautet die Beschreibung des Apollobildes im
Didymaeum von Kanachos bei Plinius n. h. 34, 75,
eine Beschreibung, die man bisher nicht recht ver-
standen hat. Gegen corvum, welches 0. Müller
') una im Bambcrgensis fehlend ist wohl ausgefallen; weder
Tilgung noch Aendcrung rathsam.
') cod. B inlitum und traimntur.
'Ueber den Apollo des Kanachos' vorzog, machte
Soldan in der Zeitschrift für die Alterthumswissen-
schaft 1841 n. 70 treffende Einwendungen; die Aen-
dcrung hätte nichts für, alles wider sich. Ob die
Erklärungsversuche, welche Soldan daselbst er-
wähnt, je bekannt gemacht sind, weiss ich nicht.
Müller's Bezeichnung des Hirsches als eines auto-
matischen hat man meistens beibehalten , und die
Beschreibung des Plinius weniger mit den milesi-
schen Münzen in Einklang gefunden, die den Gott
in alterthUmlicher Stellung mit dem liegenden oder
stehenden Hirsch auf der vorgehaltenen Rechten
zeigen, als mit einer Gemme, welche nach Miliin
Pierres gravees G in Muller-Wieseler's Denkmälern
alter Kunst 1, 61 abgebildet ist und den Gott ein Vor-
E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.
23
derbein des aufgerichteten Hirsches in der Rechten
lialtend darstellt. So von Jan in der Jenaischen
Literatur- Zeitung 1838 n. 32, Welckcr zu Müllers
Arc'liäologie 86, so auch Urlichs in der Chresto-
mathia Pliuiana und neuerdings der Herausgeber
dieser Zeitschrift 1879, S. 90. Dann wird man, wie
sowohl an der letzt angeführten Stelle als von
Muller in der Archäologie 86 ausgesiirochen ist,
zu der Annahme gedrängt: Plinius habe statt des
Tenipelbildes ein andres Werk beschrieben. Ehe
man zu einem so bedenkliclien Ausweg sich wandte,
hätte sich's wohl verlohnt, die Worte des Plinius noch
einmal genauer zu prüfen.
Dass zunächst von einem Automaten keine Rede
sein kann, ist gewiss : man müsste denn etwa auch
einen Thürgriff ein Automat nennen wollen. Denn
der Hirsch bewegte sich ja nur, wenn man einen
Faden unter seinen Füssen durchzog, also durcli
die Hände dessen der jenes Experiment machte,
das gewiss recht nacli dem Gescbmacke der gewöhn-
lichen Reisenden war. Ein 'mechanisches Kunst-
stück' mag mau es nennen, wie es ähnliche auch
aus neueren Zeiten giebt. So erinnere ich mich
durch eine einflügelige Thür gegangen zu sein, die
auf jeder Seite in den Angeln hing, aber auch auf
jeder Seite sich öffnen Hess, weil das Gehänge die
Angel nur zur Hälfte uuifasste und zwar so, dass
es nur in der Kreislinie, deren Mittelpunkt die
andere Angel bildete, losliess. Was bei der Thür
das zweifache Gehänge, war bei dem Hirsch der
doppelte dens (nirisque in parlibus), beide noth-
weudig in der Linie eines Kreisbogens gerichtet
und zwischen ihren Spitzen einen Zwischenraum
lassend, der geringer war als die Entfernung zwi-
schen den beiden Löchern oder Scheiden der Basis,
in welchen die beiden Zähne abwechselnd aus- und
einfahren konnten. Bei gewöhnlichem Ruhestand
griff freilich jeder Zahn ein, doch mit soviel Spiel-
raum, dass jeder, d. h. einer um den andern aus
der Scheide gezogen werden konnte, wobei denn
aber der andere gleiclizeitig um so tiefer eingriff'.
In diesem Falle, wie bei dem von Plinius beschrie-
benen Experiment, fand also ein al)wechselndes Ein-
greifen beider Zähne, ein alternus morsus statt.
Wenn demnacli der dens verlehratus heisst, so ist
bei diesem Vergleich offenbar nicht sowohl die Mög-
lichkeit seines völligen Austritts aus der Scheide ^
als vielmehr seine Beweglichkeit in der Scheide
ins Auge gefasst. Klar ist ferner, schon durch per
vices, dass mit repulsus und resilial die beiden wech-
selnden Functionen jedes Zahnes bezeichnet sind;
und zwar liedeutet repiilsus wie 11, 164: haec (gin-
giva der Sclilange) eodeni praegnans veneno impresso
denlium repulsu virus fundil in morsus das völlige
Eindringen, eigentlich das Aufstossen des Zahnes,
wenn auch bei dem Hirscli wohl nicht die Spitze
des Zahnes auf den Boden der Scheide, sondern
vielmehr die Wurzel auf den Rand der Scheide
aufstiess. Die nach und von dem Aufstossen plötz-
lich eintretende Gegenbewegung ist treffend mit
resilire (a repulsu) bezeichnet, wie 2, 39 das rasche
Aufziehen des Honigfadens nachdem der Tropfen,
welcher ihn hinabzog, sich losgerissen, oder 2, 103
der Rückprall der von oben auf die Erde nieder-
fahrenden Strahlen: iidem infracti resiliunl. Was
haben wir nun aber unter ulrisque parlibus^ in denen
der doppelte Zahn eingelenkt ist, zu denken? Natür-
lich was vorher mit calce digilisque bezeichnet ist.
Darunter versteht man Theile der Hirschfüsse. Nur
Soldan, obgleich er zu beweisen suchte, dass digiti
so verstanden werden können, fügte hinzu, es
möchten doch eher die digiti des Apollon sein; als
ob beide Theile verschiedenen Wesen zugehören
könnten. Es können aber vielmehr beide nicht
von dem Hirsch verstanden werden. Denn erstens,
um den schwächsten Grund voranzustellen, dürfte
es technisch richtiger sein, dass die Zähne an den
Füssen des Hirsches, als dem feineren Theil, die
Scheiden dagegen in der wie auch immer beschaf-
fenen Basis, als dem grösseren Theile sich befan-
den, so dass bei calx und digili an die Basis des
Thieres zu denken wäre, nicht an Theile des Thieres
selbst. Zweitens sehe ich nicht, wie das singula-
rische calce neben dem pluralischen digitis von mehr
als einem Fusse gesagt sein könnte, wie es doch
müsste, wenn es Theile des Hirsches wären. —
Drittens finde ich niclit, dass Zweihufern digili
beigelegt werden. Soldan meinte, es sei dasselbe,
24
E. Petersen, Kunstgeschichtliche Miscellen.
wie wenn Varro r. r. 2, 9 von digili eines Hundes
rede. Doch man vergleiche, wie Varro den Hund
wie er sein soll beschreibt pedibtis magnis et allis,
qiti ingredienli ei displodanliir : digitis discretis, iin-
guibus duris ac curvis und wie die Rinder 2, 5
pedibus non latis, neque ingredietUibus qui displo-
dantur nee cums ungulae d'waricenl. Das stimmt
genau mit der Bezeichnung des Aristoteles, welcher
bei den nolvaxiöfj wohl von öäxTvlni spricht, von
nevTEÖäxTvloi wie von zeTQaöäxTvloi nööeg, den
diay,iörj aber XV^^^ ^^^^^ '^^^' ^cixTvloi (und ovvxeg)
giebt, und dem entsprechend die übrigen Vögel zwar
TSTQadaxTvXoi , den Strauss aber dL%rjl6g nennt.
Dass die neuere Zoologie mehr entwickelungsge-
schichtlich als anschaulich auch den Fuss der Zwei-
hufer zweizehig nennt, kann nicht entscheiden.
Viertens würde aber, auch wenn man eine dieser
modernen entsprechende Bezeichnung bei Plinius
oder sonst einem alten Schriftsteller nachweisen
könnte, dies doch für unsere Stelle nicht passen.
Denn damit ein Faden unter den Füssen des Hir-
sches durchgezogen werden könnte, wäre es offen-
bar erforderlich, dass ein Fuss um den andern oder
je zwei um zwei von der Basis sich lösten und
wieder sich anfügten, nicht, dass einzelne Theile
eines Fusses (oder mehrerer Füsse) wechselnd sich
lösten und befestigten.
Freilich wenn man sich die Statue nach der
Gemme vorstellte, obgleich in den Worten des Pli-
nius nichts, auch nicht das vestigiis snspendit eine
solche Vorstellung erzwingt oder auch nur nahe-
legt, wenn also der Hirsch nur mit den Hinter-
füssen auf dem Boden stand, so würde durch wech-
selndes Ein- und Ausgreifen eines Zapfens an Fersen
(calce für calcibtis) und Zehen (jenen Gebrauch
von digiti bei Zweihufern zugestanden) das Experi-
ment möglich sein. Aber welchen Witz hätte es
nun noch gehabt? Konnte der Witz augenschein-
lich nur darin bestehen, dass der Hirsch an allen
einzelnen Punkten von seiner Basis abzulösen war
und doch untrennbar von ilir blieb, so musste doch
ausser der Lösung der Ilinterfüsse vom Boden noch
diejenige der Vordcrfüsse oder des einen derselben
aus der Hand des Gottes erwähnt werden. Davon
aber sagt Plinius nichts, ja seine Worte schliessen
dies aus. Angenommen aber einmal, dass auch die
Vorderfüsse lösbar waren, so leuchtet sofort ein,
dass dann an den Hinterfüssen nicht ein doppelter,
zu wechselnder Function eingerichteter Zapfen son-
dern ein einfacher angebracht sein musste, es leuchtet
ein, dass nicht an calx und digili sondern an Vor-
der- und Hinterfüssen der doppelte dens sich be-
finden musste. Ist es unzweifelhaft, dass calx und
digiti die einzigen Berührungspunkte von Hirsch und
Basis waren, so folgt mit absoluter Nothwendigkeit,
dass dies nicht Theile des Hirsches sein können.
Bleibt also nur an die Hand des Gottes zu denken,
die auf den MUnzbildern in der Tliat das Thier
trägt. Freilich kann ich nun auch nicht die Ueber-
tragung von calx auf einen Theil der Hand in an-
deren Schriftstellen nachweisen. Im Grunde ist
aber doch diese Uebertragung ganz analog der-
jenigen von digiti auf den Fuss. Dass diese so
häufig, ja regelmässig ist, jene vereinzelt steht, er-
klärt sich vielleicht daraus, dass die Zehen so viel
häufiger zur Geltung und Erwähnung gelangen als
der der Ferse entsprechende Theil der Hand. In
unserem Falle musste freilich eben dieser Theil die
Hinterfüsse tragen, wie die Finger (niclitblos einer)
die Vorderfüsse, wenn der Hirsch nicht allzu klein
sein sollte. Von selbst versteht sich, dass solum
Adverb ist: weder sola noch solis liess sich füglich
sagen, und das Adverb statt des Adjectivs ist ja
nicht selten. Passend wird die nur noch partielle
Befestigung betont, und passend scheint mir nun
auch, dass da wo es sich um Ablösung des Hir-
sches von der Basis handelt nicht dieser die Basis,
sondern die Basis den Hirsch festhaltend genannt
wird. Der Hirsch als Objekt ist aus dem Vorher-
gehenden zu entnehmen, und ob pedes und vestigia
von denselben oder verschiedenen Füssen zu ver-
stehen sei, bleibt nicht mehr unklar. Am natür-
lichsten werden wir aus den Worten des Plinius
den Hirsch nicht liegend sondern stehend auf der
Hand denken, womit die von Fränkel Taf. 7 publi-
cirten Münzen übereinzustimmen scheinen. Dass er
auf der Hand stand, ist in diesem Zusammenhange
mit calce digilisque gesagt, allerdings, wie die Er-
E. Peterseu, Kunstgeschichtliche Miscelleo.
25
falirung gelehrt, nicht mit ausreichender Deutlich-
keit; dass die Hand vorgestreckt war, werden wir
nun aus nestigiis suspetidit entnehmen, da suspendere
so häufig nicht ein von oben herabhängendes son-
dern von unten getragenes, nur nicht direct und
massiv unterstütztes bezeichnet. Ob in unserem
Fall auch die lösliche Verbindung mit der halb-
schwebenden Basis, der Hand, zur Wahl des Wortes
mitgewirkt, muss dahingestellt bleiben.
Schliesslich kann ich eine Frage niclit unter-
drücken, die zu beantworten mir unmöglich, ob näm-
lich die Millinsche Gemme antik ist, oder vielmehr
ein moderner luterpretationsversuch der Plinius-
stelle. Dass der von Pausanias 10, 13, 3 beschrie-
bene Apollon og ellrj^i^Evog iarl z^g släcpov nicht
nothweudig, ja kaum wahrscheinlich auf eine der
Gemme ähnliche Vorstellung führe, von der auch
alterthümliche Darstellungen der ihr Thier nach
sich ziehenden Götter durchaus verschieden sind,
braucht kaum gesagt zu werden.
2. DER SATYR VON MYRON.
Der Lateranische Satyr war in Benndorf und
Schöne's Beschreibung jener Sammlung als tanzend
gefasst. Das war jedenfalls weit besser geurtheilt,
als wenn Stepliani ihn für einen trunken taumeln-
den hielt; unrichtig aber war es aus jener Auf-
fassung einen Einwurf gegen Bruuu's Zurückführung
der Statue auf das von Plinius 34, 57 beschriebene
Werk zu entnehmen, da jene Bemerkung der Mei-
nung Brunn's vielmehr zur Bestätigung dienen kann
und dem Werke des Myron nur den Reiz grösserer
Lebendigkeit und geistvollerer Conception zu ver-
leihen geeignet ist.
Kaum bat der Satyr die Töne des neuen Instru-
mentes zum ersten Male vernommen, so wird er
flugs von Neugier und Verlangen zur Stelle ge-
trieben, aber ohnehin schon zu tauzen und springen
stets geneigt, kann er jetzt, von jenen Tönen und
Rhythmen ergrifi'en, nicht anders als in gar künst-
lichen Sätzen herbeikommen. Den Blick starr auf
den Punkt, wo die ihn entzückenden und seine Be-
gier reizenden Flöten zu denken sind, gerichtet,
stellt er ganz den salynim admirantem tibias dar.
Archüul.jg. Ztg. Jiihrgant' XXXVIII.
Aber nothwendig wird jetzt auch zur Ergänzung
und Klärung der Situation die Anwesenheit der-
jenigen, welche die Flöten eben vorher noch hatte
tönen machen, und die Plinius in der That daneben
nennt et Minercam. Dass dieselbe nicht ein Werk
für sich war, verräth die alphabetische Ordnung
der ohne Localangabe aufgezählten Werke; und
mochte man aus dem vor Minervam jedes neue
Werk anknüpfenden et allerdings auch in der Mi-
nerva ein solches zu erkennen geneigt sein, so
führte andererseits das nach Minerva eintretende
Asyndeton darauf, die Minerva mit dem Satyr zu
verbinden. Keine Verbesserung war es Minervam
als zweites Objekt zu adimratitem zu ziehen, da der
Satyr nicht wohl gleichzeitig die Göttin und die
Flöten anstarren konnte, ausser wenn jene noch
blasend dargestellt war, oder wenn man, wie kürz-
lich geschehen, die Statue bald hierhin bald dorthin
blickend dächte. Und in der That stellte ja einen
in den Grundzügen der charakteristischen Bewe-
gung übereinstimmenden Satyr mit einer Athena
zusammen ein Relief (a), eine Münze (6), zwei
Vasen (cd), lauter athenische Werke'). Dass in
denselben Athena minder übereinstimmend erscheint
in Haltung und Stellung, berechtigt wohl zu dem
Schluss, dass ihre Bewegung, wie nach der Ver-
schiedenheit ihres Wesens begreiflich, minder mar-
kiert und drastisch war als diejenige des Satyrs.
Beide so gruppiert zu denken, dass je nur eine Figur
in Vorderansicht, die andere dagegen in Rückansicht
sich darstellte, wird sich schwerlich jemand durch
die wenig glückliche Behandlung v. Sybel's ver-
führen lassen. Bedrohlich für den Satjn- erscheint
die Göttin nirgends, aber dieser verräth selbst
durch seine Bewegung, dass seinem begehrlichen
Vordringen Einhalt gethan wird; und hatte die
Göttin, wie alle Nachbildungen zeigen, ihr Antlitz
dem Satyr zugewandt, so kann diese Wendung
') a: Arch. Zeit. 1874 T. 8 S. 93; b: jetzt L. v. Sybcl,
Athena und Marsyas, Marburger Gratulationsschrift für das
Deutsche Institut in Rom S. 5 und Sallets Zeitschrift 1879
S. 210; c: Hirschfeld, Athena und Marsyas T. 1; d beschrieben
von Lüders Bull. delV Inst. 1873, 169; abc auch Conze, Vor-
legebliitter VI, 12, samiut der Lateranischen Statue. Die Lon-
doner bronze Arch. Zeit. 187J Taf. 8.
26
E. Petersen, Kunstgeschiclitliche iliscellen.
kaum anders als abwehrend verstanden werden:
plastisch ausgedrückt dasselbe, was bei Hygin
Fab. 165 in dem Fluche liegt, welchen die Göttin
über denjenigen ausspricht, der die verworfenen
Flöten aufheben werde. Die Copisten haben augen-
scheinlich in dem Bestreben das corpus delicti mög-
lichst vor Augen zu rücken, die Flöten noch fallend,
der Hand Athenas entfallend, dargestellt, und dem-
gemäss auch die Haltung der Göttin modificiert.
Auf der Hirschfeld' sehen Vase c sieht es so aus,
als würfe Athena dem Satyr die Flöten vor die
Füsse; auf dem Kelief a, als wende sie nur schei-
dend noch einmal den Blick nach den fallenden
Flöten, Auf der Münze 6 scheinen zwar auch die
Flöten noch zu fallen, aber die Haltung der Göttin
hat entschieden etwas zurückweisendes, das leicht
verstärkt sein mochte, wenn sie, wie cd zu ver-
muthen nahelegen, in der Kecbten die Lanze hielt.
Trotz dieser Abweichungen weisen, wie gesagt,
alle Copien auf ein gemeinsames plastisches Ori-
ginal, und zwar auf ein in Athen stehendes Original,
und je wahrscheinlicher es wurde, dass dieses Ori-
ginal eben jenes von Plinius beschriebene Werk
des Myron sei, welches um seines Gedankens willen
ebenfalls kaum anderswo so gut als in Athen auf-
gestellt zu denken ist, um so mehr musste man sich
versucht fühlen die von Pausanias 1, 24 auf der
Akropolis von Athen beschriebene Gruppe IvravOa
'Adr^rä nenoirjtai, xbv ^ilrjvov Maqavav naiovoa,
nzi dt) znig avlovg avaloiro, egglcp^at acpäg zfjg
^Eov ßovko^dvrjs für eben jenes Original, das Werk
des Myron, zu halten. Wie diese söhne Aenderung
des Pausaniastextes möglich wäre, habe ich schon
im Jahrg. 1865 S. 90 dieser Zeitschrift gezeigt: Pau-
sanias nahm eine abwehrende Haltung der Lanze
als Schlagbewegung, mehr noch vielleicht durch die
Bewegung des Satyrs als durch diejenige der Göttin
veranlasst, und verstand die Flöten, welche in der
plastischen Gruppe nicht anders als am Boden
liegen konnten, als vom Satyr bereits aufgehoben,
dann aber — er gebraucht den Aorist dvsloizo,
nicht das Perfectum — wieder fallen gelassen, ein
Missverständniss ohne Zweifel, aber ein weit gerin-
geres, als ihm anderswo neuerdings nachgewiesen
sind. Nicht verstehen kann ich aber, wie Kekule
im Bulleitino deW Inst. 1872 S. 288 diese Auffassung
in die Vase und das Eelief hineintragen konnte,
wo die Flöten den Händen Athenas entfallen —
so jetzt auch auf dem Münzbild — und wie er in
der Gruppe des Myron, die er auch bei Pausanias
anerkennt, trotz Plinius (und Pausanias) den ganzen
Vorgang nur durch die Bewegung der Figuren
ohne Darstellung der Flöten veranschaulicht meinen
konnte.
Prag.
Eugen Petersen.
27
DTE KANEPHORE VON PÄSTUM*).
(Tafel G).
Die hellenii5cbe Kunst wurzelt im Gottes-
dienst, und sie bat nicht nur in Darstellung
von Göttern und Heroen die Aufgabe gefun-
den, in deren Lösung sie zu ihrer vollen
Leistungsfähigkeit erstarkte, sondern auch in
Darstellung der zum Cultus gehörigen Hand-
lungen. Hier boten sieb dem Künstler die
dankbarsten Motive dar, um jugendliclie Ge-
stalten zu bilden, in welchen pflicbtmässiger
Dienst und freie Hingabe, naive Anmutb und
gemessene Feierlichkeit, Rulie und Bewegung
sich auf das Glücklichste vereinigten. Die
Dienstleistungen waren von verschiedener
Art. Es waren Ehrendienste im Tempel und
bei den Festen der Gottheiten, zu welchen
Jünglinge und Jungfrauen der Gemeinde für
eine bestimmte Zeit ausgewählt wurden, oder
es waren Handreichungen untergeordneter
Art, zu welchen diejenigen verpflichtet waren,
welche ausserhalb der bürgerliclien Gemein-
schaft standen, die Schutzgenossen, welche
den Bürgertüchtern Geräthe, Gefässe, Schirme
nachzutragen hatten. Denn die Standesunter-
schiede, welche der Geist der Demokratie
möglichst auszugleichen suchte, haben sich
im Cultus dauernd erhalten, und so weit un-
sere Kunde reicht, ist ausser tadelloser Kör-
perbildung und unbeflektem Rufe vornehme
Geburt die wesentlichste Bedingung für jene
Ehrenämter geblieben. Darum waren sie ein
Gegenstand des Ehrgeizes und der Eifersucht, so dass
z. B. die Zurückweisung der Schwester des Harmo-
dios, die als Korbträgerin bei einem attischen Fest-
zuge eintreten sollte'), als die bitterste Kränkung der
ganzen Familie angesehen werden konnte.
Gewisse Dienstleistungen waren mit den be-
sonderen Oertlichkeiten und Gebräuchen einzelner
Heiligthümer verbunden, wie z. B. die Hydrophorie
*) Vortrag am Berliner Winckelmannsfeste 1879.
') y-avoCv oXaovan (v nouTii'i jivi: Thuk. V 56.
in Itliome, wo jeden Morgen die dazu erko-
renen Jungfrauen frisclies Wasser aus der
unterhalb gelegenen Quelle in das Heilig-
thum des Zeus hinauftragen mussten. An-
dere Dienstleistungen waren allen Gülten ge-
meinsam, und da zu jedem Opfer eine Reihe
kleinerer Gegenstände gehörte, welche ord-
nungsmässig herbeigetragen werden mussten,
so war der Dienst des Korbtragens der aller-
verbreitetste. So kommt Chrysothemis bei
Sophokles mit dem Korbe, der die Spende
für Agamemnons Grab enthält. So sehen
wir auf den attischen Lekythen die von
Mädchen getragenen Körbe mit Salbgefässen,
Palmzweigen, Binden, und sowie Dikaio-
polis bei Aristophanes seine Privatdionysien
beginnt, lässt er die Tochter vortreten, um
als Kanephore das zum Opfer Nöthige her-
anzutragen. Auch im engsten Familienkreise
darf das nicht formlos geschehen. Vater,
Tochter und Sklave treten zu einem Festzuge
geordnet an und der Hausvater betet, dass
die Prozession und dann das Opfer gnädig
aufgenommen werde ').
Der häusliche Gottesdienst ist auf die Ge-
meinde übertragen. Wir müssen annehmen,
dass der Hausvater der Bürgergemeinde,
der König, in dessen Rechte dann der Ar-
chen Basileus eingetreten ist, die Bürger-
töchter auswählte, die den Dienst ver-
sehen sollen. Es war keine willkürliche Auszeich-
nung; denn die ältesten Geschlechter hatten einen
Anspruch darauf, vor den andern berücksichtigt
zu werden. Ihre Töchter waren die Iv a^tcofiaTi
nccQ&ivoi ^). Bei der Arrhephorie wurden vier
BUrgertöchter aus den edelsten Familien durch Ab-
-) Acharn. 242: nQOii^' Is lö nqoaStv oUyov tj xavrj-
(fÖQOi.
') ■/;ai'rj(f6goi' tv Tai; nojxnuTi ctt üv «Ikuuök nagOhot
(xttVipfönovv, tSaniQ xiit Iv TOig ffava9r}i(t(oi;. ov nuauti ä
ciifiiio y.ttvr)ifoi>ttv Hesychios.
28
E. Curtins, Kanepbore von Pästum.
Stimmung gewählt und daraus zwei durch die zu-
stehende Tempelbehörde für den Dienst erkoren ').
Das Amt der Kanephorie dürfen wir bei allen
Gottesdiensten voraussetzen, und es ist zufällig,
dass wir es, so viel ich sehe, nur bei fünf nach-
weisen können, bei dem Dienst des Zeus Basileus
in Lebadea ^), wo die zu dem Ehrenamt Erkorene
vorher in der Herkyna badete, bei den einander
entsprechenden Heradiensten in Argos und in
Falerii ^), bei dem Dionysosdienst '), bei dem der
Demeter und der Athena ").
Wie wir in Athen die nationalen Gebräuche der
Hellenen am vollkommensten ausgebildet zu finden
pflegen, so weisen uns auch hier die Ueberliefe-
rungen vorzugsweise nach Athen. Die Kanephore
der Demeter wird bei Horaz eine 'attica virgo' ge-
nannt, und mit dem Dienst der Stadtgöttin von
Athen ist der Ritus so eng verbunden, dass ihre
Einführung unter Erichthonios gesetzt wurde ') und
schon des Kekrops Tochter Herse uns vorgeführt
wird, wie sie in züchtiger Aumuth den Korb auf
dem Scheitel tragend die Liebe des Hermes ent-
zündet '°).
Wenn sich an den grossen Festen die Blicke
einer ganzen Gemeinde auf die Jungfrauen richteten,
welche ihrer Gestalt und Herkunft wegen vor allen
Altersgenossen auserwählt waren, dem Festzuge
voranzuwandeln, so ist es natürlich, dass auch die
Künstler zu plastischer Nachbildung angeregt wur-
den. Indessen war es nicht ein ästhetisches Wohl-
gefallen, welchem die Statuen und Statuetten von
Kanephoren ihre Entstehung verdankten, sondern
■*) {(oQrj(fOQiTv Tiaoant; /uiv (/(iqojovovvio Ji' tvy^viiav
äoorjtfoQOi, ävo äi (xolvuvjo Harpokration.
5) Plut. narr. am. 1.
6) Dion. Hai. I 26. Ovid Am. III 13.
') Aristophanes a. a. O. Vgl. C. I. Att. II 420, 10: o'iaov-
OttV To hijov xuvovv TW S(m xurii 7« nüinia.
*) Hoiat. Sat. II 3, S. 13: ut attica viryo cum sacris Cereris
procedit. Cicero in Ver. IV 35: duo signa . .. (/uae manibus
sublalis Sacra quaedam more Atheniensium viri/inum reposita
in capitihus siiatinebant. Vgl. 0. .Jahn Archaeol. Ztg. XXIV,
1SG6, S. 253.
') 'Eqi/OovIov ßuaii.ti(ji'zoq nfiüiov xia^nirjOuv (d (v
üiid/jicii nctnO^vot (fdjuv lü xuiü ijj '>fw l'hilochoros bei
Harpokr. u. xuvrjifoooi.
'»} Ovid Metam. II, 711.
der Zweck der Weihung, welchem die Kunst der
Helleneu ihre fruchtbarsten Keime verdankt, ist auch
hier der Anlass gewesen. Nach Vollendung des
Ehrenamtes sollte das Andenken der durch das-
selbe Ausgezeichneten nicht erlöschen, und wie
man Priester und Priesterinnen im Bilde reihen-
weise aufstellte, um dadurch das Alter und die un-
unterbrochene Ueberlieferung des heiligen Dienstes
monumental zu bezeugen "), so wurden auch Hydro-
phoren, Arrephoren und Kanephoren in Thon, Erz
und Stein als Tempelschmuck zu gleichem Zwecke
aufgestellt.
In einer Praxis vieler Menschenalter ist dann
gerade das Motiv der Kanephorie durch Meister der
verschiedensten Schulen mit Vorliebe behandelt
und so glücklich ausgebildet, dass eine Korbträgerin
des Polyklet neben dem Zeus des Phidias als ein
ebenbürtiges Wunder der Kunst angesehen wurde'").
Wie Skopas und Polyklet dies Motiv behandelt
haben, können wir auch heute noch nicht nach-
weisen ; aber wir sind so glücklich ein echt griechi-
sches und vollkommen erhaltenes Kunstwerk vor-
legen zu können, von dem wir sagen dürfen, dass
es den Typus der Kanephorie, wie ihn die ältere
Kunst bildete, zum ersten Male in urkundlicher
Form vor Augen stellt, während wir bis jetzt nur
schriftliche Andeutungen hatten, welche so unbe-
stimmter Art sind, dass sie bis zuletzt von allen
Kunsthistorikern missverstanden werden konnten.
Denn ein arges Missverständniss muss ich darin
erkennen, dass man das „manibus sublatis sacra
ferre-" in der vierten Verrina so gedeutet hat, als
wenn die Kanephoren, um den Korb zu halten,
beide Hände nach oben gestreckt hätten, während
der Plural sich dadurch erklärt, dass Cicero von
zwei Kanephoren in der Sammlung des Heins redet.
Ein zweites Missverständniss, das den Kane-
phorentypus betroffen hat, besteht darin, dass man
die Mädchen mit capitellartigem Kalatlios zu Ge-
bälkträgerinnen gemacht hat, was dem Sinne der
religiösen Handlung völlig widerspricht. Dieser
") Pausanias 11 17, 3: «i'ifpitO'Kf yvvaixöiv ct'^i yeyoi'ttdiv
UyfiKi.
") Syminach. Epict. I 33.
E. Curtius, Kanephore von Pästum.
29
Missbrauch von Kanepliorenstcatuen stammt aber
schon aus alter Zeit, wie die an der Via Appia
gefundenen zeigen, die in der Villa Montalto aufge-
stellt waren. Die eine derselben ist durch Townley
in das Britische Museum gekommen "), die andere
in die Villa Albani; sie sind auch von neueren
Künstlern als Karyatiden verwendet worden '*).
Nach Abweisung dieser Missverständnisse be-
trachten wir nun die neu zum Vorschein gekommene
Statuette, wie sie mit Korb und Säule durch die
kunstverständige Hand des Bildhauers im Kunst-
gewerbemuseum, Herrn Behrcnd, in Gips herge-
stellt und nach diesem Modell in dem voranstehen-
den Holzschnitte abgebildet ist. An der Herstellung
ist nichts zweifelhaft als die Höhe der Säule und
die Form ihrer Basis.
Der leichte Korb, vor Antritt der Procession
auf den Kopf gehoben, wird mit einer (der rechten)
Hand gehalten, deren innere Fläche nur lose ange-
legt ist, damit der Korb nicht aus dem Gleichgewicht
komme. Die Hebung des Unterarms zur Schulter-
höhe ist ein sehr anmuthiges Motiv, das ja auch
von Bafael und andern Künstlern mit Vorliebe nach-
gebildet ist; ebenso natürlich und der Situation ent-
sprechend ist die Senkung des linken Arms, welcher,
vom Ellenbogen an bequem vorgestreckt, die Ge-
wandmasse hebt, welche, wenn sie frei herunter-
fiele, das Wandeln im Zuge erschweren würde.
Der Zug ist in Bewegung; den linken Fuss vor-
setzend, schreitet die Jungfrau ernst, feierlich, vor-
sichtig, aber zwanglos und ohne eine Spur von Be-
lastung. Der Kopf ist ein wenig gesenkt, um die
vorliegende Bahn im Auge zu haben; bei stiller
Sammlung ist das Auge von Allem, was um sie her
vorgeht, abgelenkt. Sie ist bekleidet mit einem
Aermelchiton aus feiner Wolle, der unter der Brust
gegürtet ist und senkrecht auf die Füsse herabfällt.
Darüber ist ein schwereres Obergewand geworfen,
das von der rechten Schulter quer über die Brust
herunterfällt, so dass die linke Brust und Schulter
'^) Ancient Marblea of ihe British Museum Part I. London
1812. Plate IV.
'*) So im Xiobidensaal des Neuen Museum zu Berlin. Vgl.
Friederichs Berlins antike Bildwerke 8. Hb. Ueber Verwechslung
von Kancjjhoren und Karyatiden: Amalthea III 150.
frei bleiben. Unter der linken Achsel durchgezogen,
ist es über den Kücken weg von hinten auf den
rechten Oberarm geworfen, so dass es hier, breit
herunterhangend, sehr passend den rechten Winkel
ausfüllt, welchen der gehobene Arm mit dem Körper
bildet, und zugleich dazu dient, der zarten Gestalt
eine ansehnlichere Fülle zu geben. Mit unbe-
kleideten Füssen betritt sie den heiligen Boden ; das
Haar, von einer Binde eingefasst, fällt in breiter
Masse über Nacken und Bücken hinunter. Das
Ganze giebt uns eine Vonstellung von dem 'virginalis
habitus et vesliliis, welchen Cicero an der polykleti-
schen Kanephore im Hause des Heins rühmt.
Eine wohl erhaltene metrische Inschrift belehrt
uns über die Persönlichkeit der anmuthigen Jung-
frau und den Zweck der Darstellung. Auf der Vor-
derseite steht in grösseren Buchstaben Tä^äva links-
läufig und in gleicher Richtung auf dem schmaleren
Eaum der andern drei Seiten (DMco XaQi.ivUda
dexaTav; die letzten Buchstaben stehen auf dem
Rande der Volute.
Hier haben wir also das erste sichere Beispiel
einer solchen Widmung. Es ist nur zufällig ein
Unicum, und wenn wir annehmen müssen, dass
es in den alten Heiligthümern ganze Reihen solcher
Weihefiguren gab, so wirft dies auch auf attische
Religionsgebräuche ein erwünschtes Licht. Lasen
wir nämlich in dem Volksbeschluss zu Ehren des
Lykurgos bis dahin mit einem gewissen Befremden,
dass derselbe für hundert Kanephoren den Gold-
schmuck gegeben habe, so begreift sich jetzt leicht,
wie eine solche Galerie von Tempeljungfrauen zu-
sammen kommen konnte, welche bis auf die Ver-
waltungszeit des kunstsinnigen Staatsmannes ihres
vollen Schmucks warteten.
Wenn uns attische Kanephoren geschildert wer-
den, so wird ausser dem strengen Amtsgesicht, das
sie machen müssen, und den bemalten Wangen der
Mädchen als charakteristisch besonders der Gold-
schmuck hervorgehoben '^). Sie trugen zum Tbeil
goldene Schalen in den Händen; gemeinsam aber
'^) ßlinovatt 9vj.ißQO(f(tyov Arist. Ach. 2ö4. — h'itiQifi-
fiivr) Eccl. 730. — Lysistr. 1190 mit dem Scholion: /nvaoifonovai
j'fip Kl xtivrjifonoi. — Vgl. Schol. zu V. G4C: hfioovv tJf xut
i.on<ciSct; iii'f'if (r/iff?) ö/o/piooi'f.
30
E. Cuitius, Kaoephore voq Pästuni.
war alleu das mit Goldblättelieu besetzte Gewand
uud der goldgeschmiickte Korb. Der Korb war als
Bebälter der Opferspenden das eigentlich Heilige
und wurde darum besonders ausgezeichnet. Wie
der von Mosches beschriebene Blumenkorb der
Europa mit l)indenartigen Goldstreifen verziert war,
welche mythologische Scenen im Eelief enthielten '"),
so werden wir uns auch in ähnlicher Weise die von
den Kanephoren getragenen mit Gold umwunden
denken und das, was Lykurgos nachträglich aus-
führen Hess, war vermuthlich dieser zum Fest-
schmuck gehörige Goldbesatz.
Durch unsere Statuette ist die Breite dieser Körbe
sowie der Neigungswinkel der Wände mit voller
Sicherheit gegeben. Um mit Gold bekleidet zu
werden, war Holz das beste Jlaterial, und dass wir
auch diesen Korb aus feinem Holz gebildet zu
denken haben, darauf führt die Haltung der Finger;
denn der Daumen war darauf berechnet in eine
Höhlung hinein zu fassen, um des Geräthes um so
sicherer zu sein.
Endlich lehrt uns auch die kleine Statuette, dass
mit dem Ehrenamt der Kanephorie gewisse Ein-
künfte verbunden gewesen sein müssen; denn jeder
Zehnte setzt doch einen Gewinn voraus, von dem er
abgehoben wird "). Auf einen grossen Ertrag wird
die Statuette nicht schliessen lassen, doch fehlt der
Korl), den wir uns mit Gold vergoldet denken, und
die Säule von Marmor. Au der Unterseite des
Kapitells ist ein langer Dorn erhalten, der auf Stein
berechnet gewesen zu sein scheint.
Sehen wie auf das Blotiv der Weihung, so er-
scheint unserer Statuette am nächsten verwandt das
Erzbeil von Santa Agata, welches nach der zuletzt
gegebenen Deutung der noch zum Theil räthsel-
haften Inschrift von einem als Opferschlächter dienst-
thueuden Tempelbeamten der Hera als Zehnter ge-
weiht worden ist '*). Hier werden wir auch an
einen im Tempeldienst gemachten Gewinn zu den-
ken haben.
Ueber die Aufstellung der Weihgeschenkc haben
'*•) Vgl. meine Abhandlung über das archaische Bronzerelief
aus Olympia. Abh. der k. Ak. der Wiss. 1879 S 14.
") (SoiQliv rriv ätxuTrjV luv (niy.tQÜitov.
'«) Hermes XIII S. 392.
wir in letzter Zeit mancherlei Belehrung gewonnen.
AVir unterscheiden gewöhnliche Postamente {ßäasig,
ßä&Qa) und Untersätze von hervorragender Höhe,
wofür die griechischen Ausdrücke {xioveg^ azvkoi,
atrjlai) keine sichere Anschauung geben. Früher
dachte man bei xiovsg immer au Rundsäulen. Die
Nikesäule hat sich als ein dreiseitiger Pfeiler
erwiesen; ein viereckiger Marmorpfeiler sollte in
Delphi das stolze Bild des Königs Perseus tragen,
an dessen Stelle sein Besieger Aemilius Paulus trat.
Auf Pilastern und Säulen waren nach Reliefs und
Vaseubildern '") Statuen des Apollon in seinem
Temenos aufgestellt.
Besonders gebräuchlich war es, die der Gottheit
heiligen Thiere in dieser Weise aufzustellen, wie
die Adler des Zeus und Pan auf der Höhe des
Lykeion, die einer Zeit angehören, da noch keiner-
lei Bilder der Gottheiten vorhanden waren ""). Es
waren die Wappen der unsichtbaren Götter, so wie
man die Reichs- und [Stadtwappen aufstellt, um
einen Herrschaftsbezirk symbolisch anzudeuten.
Eulen uud Bären waren, in Stein gehauen, zu
Ehren attischer Burggöttinnen aufgestellt ''). Als
Kampfsymbole kennen wir so die Hähne, die Preis-
gefässe, die Victorien zu beiden Seiten der Athena,
als Grab.symbole die Sirenen, wie eine, sieben Ellen
hoch, die über das Vierfache hohe Säule auf des
Isokrates Grabe krönte. Unsere Kanephore lehrt
uns nuu, wie auch die aus dem Cultus hervor-
gehenden, die Personen von Tempeldieuern dar-
stellenden Weihgeschenke als Säulenbilder behandelt
wurden.
Die ionischen Voluten waren seit alter Zeit be-
sonders beliebt, um bei einem Aufbau den Kopf
der tragenden Glieder zu charakterisiren, wie z. B.
an den Sesseln , auf denen die Gottheiten des
lykischen Grabtliurms sitzen. In Dodona ist eine
Reihe ionischer Kapitelle gefunden worden, deren
ursprüngliche Benutzung durch unsere Statuette auf-
geklärt wird.
Wenn es sich um ein attisches Kunstwerk handelte,
'») Annali del Inst. 1878 p. 64.
''") Pausanias VIII 38. Welzel de Jove et l'anc diis Arcad_
Bresl. 1879 p. 38.
21) Koss Arch. Aufs. I 201.
E. Curtius, Kanephore von Pästum.
31
so würde eine so vollständige Insclirift, wie sie liier
vorliegt, mit annähernder Siclierlieit eine genaue Zeit-
bestimmung gestatten. Die älteren Schriftdenkmäler
der achäisclien Colonien in Grossgrieclienland sind
aber so spärlich, dass hier ein Gleiches unmöglich
ist. Das Epigramm der Phillo ist jünger als die
Bustrophedoninschrift auf dem pästanischen Gold-
plättehen (C. /. Gr. 5778), älter als die petelische
Bronzetafel mit dem Testamente der Saotis (C. /.
Gr. 4), als die Beilinschrift aus Santa Agata, die
Gefässinselirift aus Saleruo {Bullet. Nap. IV 164)
und der Helm von Pästum (C. /. Gr. 577Sb); denn
diese Inschriften sind sämmtlich rechtsläufig. Das
geradstrichige Iota, von dem hier noch keine Spur
vorhanden ist, kommt auf Münzen von Pästum seit
der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts vor"').
Ich glaube also, dass unsere Bronze mit ihrer links-
läufigen Inschrift wenigstens bis an die Schwelle
des genannten Jahrhunderts, also in den Anfang der
siebziger Olympiaden hinaufgerückt werden muss.
Als Kunstwerk betrachtet ist die Figur eine aus-
gezeichnete Probe des alten Tempelstils, welcher
uns in wohlerhaltenen Kundwerken so selten ent-
gegentritt. Hier ist, wie die Inschrift bezeugt, die
man doch gewiss nicht als eine archaisirende an-
sehen wird. Alles echt und ursprünglich. Es ist
ein Stil, welcher nichts Absichtliches oder Ge-
zwungenes zeigt; es ist der wahre Ausdruck des
religiösen Gefühls, aus welchem die Widmung her-
vorgegangen ist. Das Werk zeigt eine in ihrer
'") V. Sallet, Numism. Zeitschr. V 227.
Gebundenheit vollendete Kunst, ohne eine Spur von
Eohheit oder Ungeschick, schlicht und einfach, von
ethisclier Wärme durelidrungen, wohl durchdacht
in dem rhythmischen Gegensatze der beiden Seiten,
voll Harmonie in der Gesammterscheinung und im
Einzelnen auf das Feinste durchgeführt; es ist ein
unscliätzbares Zeuguiss dafür, wie man um 500
V. Chr. im griechischen Unteritalien bildete. Damals
blühte dort die Schule des Pythagoras von Rhegion,
den wir aus einer olympischen Inschrift als einen
von Samos Zugewanderten kennen "). Wenn wir
nun in unserm Bildwerke eines der ältesten Denk-
mäler der ionischen Säule vor Augen haben, wenn
wir ferner in der ganzen Haltung und Bekleidung
einen Charakter erkennen, welcher dem ionisch-
attischen nahe verwandt ist, so wird vielleicht die
Vermuthung nicht zu kühn erscheinen, dass, wie
wir im vorigen Jahre die erste Inschrift des Meisters
gefunden haben, der Italien und lonien in frucht-
bare Verbindung gesetzt hat, so dies eines der
ersten Denkmäler sei, welches der Schule des in
Grossgriechenland tonangebenden Bildhauers an-
gehört.
Stammt die Statuette wirklich aus Pästum, wo
Herr Semper sie erworben bat, so bezeugt sie, dass
auch hier neben Poseidon Athene herrschte. Sicher
ist, dass der pästanische Poseidon so gut wie der
attische eine Salzquelle hatte ; denn der Abfluss der
Tempelquelle heisst noch heute il salso.
23) Archäol. Zeitung XXXVI S. 82.
Ernst Curtius.
32
INSCHRIFTBÜSTEN.
1 AUS HERCULAKEUM.
Bei Gelegeulieit seiner dankenswertbeu Ar-
beiten über die lierculauensiscbe Bibliothek bat kürz-
licb Comparetti ') die Frage aufgeworfen, wer wobl
der Eigentbümer der stattlichen Villa gewesen sein
möge, in welcher sie aufgefunden worden ist. Er
theilt sie dem L. Piso zu, Consul im J. v. Chr. 58
== 696 der Stadt, dem bekannten politischen Geg-
ner Ciceros, und nimmt ferner an, dass die eine der
dort gefundenen Bronzebüsten, die gewöhnlich unter
dem allerdings ganz unberechtigten Namen des Se-
neca geht, diesen Piso darstellt. Zugleich hat de
Petra -') aus den ungedruckten Ausgrabungsberichten
vom J. 1759 die jetzt verlorenen Fragmente einer
Inschrift ans Licht gezogen, welche auf einem wahr-
scheinlich zu jener Büste gehörigen Pfeiler stand,
und auch diese Inschrift hat Comparetti auf jenen
Piso bezogen.
Die Combination selbst beruht im wesentlichen
darauf, dass die herculanische Bibliothek in einer
allerdings sehr auffallenden Weise zum bei weitem
grössten Theil aus den Schriften des Epikureers
Philodemos besteht, während die Villa selbst ihrer
ganzen Ausstattung nach einem vornehmen Römer
gehört haben muss. Wenn das erstere Moment
eine nahe und persönliche Beziehung zu Philodemos
fordere, so schliesse das letztere die Annahme aus,
dass dies die eigene Bibliothek des Philosophen ge-
wesen sei ; und der complesso di fatti tanto ben armo-
nizzati giebt dann das gewünschte Ergebniss.
Man wird einräumen müssen, dass die allge-
meine Auffassung wohl berechtigt ist. So weit aus
den uns bekannten Ueberresten auf den einstmaligen
Gesammtbestand der Bibliothek Schlüsse gezogen
werden dürfen, erscheint sie allerdings, wenn wir
') Ln Villa de' Pisoni e la sua bibliuteca in der Festschrilt
Pompei e la reglone sotterrula del Vesuvio neli anno LXXIX
(Neapel 1879) p. lööfg.
-} 1 monumenti della villa Ercolanese iu derselbeu Schrift
p. 251 fg.
von den wenigen lateinischen Rollen absehen ^),
vielmehr iu Ciceros Zeit gebildet als in derjenigen
Vespasians, und macht ungefähr den Eindruck, wie
heute eine alte Schlossbibliothek, in der Ramlers
Gedichte und Wielands Oberon die modernste Lit-
teratur darstellen. Sie mag wohl drei bis vier
Generationen hindurch unbeschädigt wie uuvermehrt
in guter Ruhe gestanden haben, bevor die Lava
des Vesuv sie bedeckt hat.
Aber so berechtigt die allgemeine Auffassung
ist, so verkehrt ist die besondere Anwendung, die
davon gemacht wird. Freilich war Piso ein Ver-
ehrer, respectiv Gönner des Philodemos; aber hat
denn ein Philosoph dieser Art nur einen Verehrer
und nur einen Gönner? Philodemus, sagt Asconius*)
von ihm, ßtit Epicuretis illa aelale nobilissimus. Das
kann doch nur heissen, dass diejenigen Römer, die
sich in Ciceros Zeit zu dieser Secte hielten, nach
üblicher Dilettantenart in diesem neuesten Meister
den Gipfel der Weisheit erkannten und seine Bücher
wenn nicht vorzugsweise lasen, doch vorzugsweise
kauften. Es ist mehr als unbesonnen unter all
diesen Anhängern des Philosophen, deren gemein-
same Verehrung ihn zum tiohilissimus gemacht hat,
den einen uns zufällig erwähnten Piso herauszu-
greifen, als ob dieser allein eine solche einiger-
massen närrische Philodemos-Bibliothek sich zuzu-
legen im Stande gewesen wäre. Gewiss gab es da-
mals von philosophischem Drang angehauchte Guts-
besitzer genug, die auf diese Art der griechischen
Weisheit huldigten; wer nach dem Namen eben
dieses Bücherfreundes in den Fasten sucht, verdient
ihu darin zu finden.
Beiläufig mag, obwohl Behauptungen, die gar
nicht begründet sind, auf Widerlegung keinen Au-
si)ruch haben, doch noch daran erinnert werden,
ä) Das Epos, dem die Beschreibung der Schlacht von Actium
angehört, gehört wahrscheinlich dein Rabirius, dem Zeitgenossen
des Vergilius.
*) p. 129 Orelli.
Tb. Mommsen, Inschriftbüsten.
33
dass unter den ziemlich zahlreichen aus Hercula-
iicuni bekannten Namen sich nicht ein einziger Cal-
inirnier befindet; wonach es nicht gerade wahr-
scheinlich ist, dass die Pisonen dort eine Villa ge-
habt haben. Freilich erlosch die Descendenz jenes
Piso vermuthlich mit dem Tode seines Sohnes, des
bekannten Stadtpräfecten im J. 32 v. Chr. ') und
gehören unsere Inschriftennamen vorzugsweise der
letzten Epoche der Existenz der Stadt an. Dennoch
würde man immer erwarten dürfen die rechtliche
Nachkommenschaft des grossen Hauses in der Plebs
von Herculaneum vertreten zu finden, wenn es bis
auf Tiberius letzte Jahre dort heimisch gewesen ist.
Nachdem Comparetti in Betreff des Besitzers der
Villa, um mit seinen Worten zu reden, „in der
Seele des Lesers ebenso wie in der des Verfassers
einen Grad der Ueberzeugung hergestellt hat, wel-
cher den weit hinter sich lässt, den die wissen-
schaftliche Beweisführung in der Regel erreicht",
wendet er sich zu der nicht minder dankbaren Auf-
gabe uns das Portrait jenes Piso zu verschaffen.
Es habe dies, meint er, in jener Villa nicht fehlen
können und es wieder zu erkennen sei leicht (assai
facile), da Cicero im Verlauf seiner Invectiven von
seinem Feind eine genaue Personalbeschreibung gebe.
In der That passe auf diese Beschreibung auf das
genaueste die sogenannte Büste des Seneca. — Dass
gegen solche Glaubenskraft Argumente etwas verfan-
gen, ist nicht zu erwarten; der gesunde Menschen-
verstand kann aber doch nicht umhin seine beschei-
denen Einreden diesen Gläubigen zur eventuellen
Erwägung zu stellen. Dass ein Bücherfreund seine
Bibliothek mit den Büsten namhafter Dichter und
Gelehrten schmückt, ist in alter wie in neuer Zeit
üblich gewesen; aber sollte Herr Comparetti in
seinem Studirzimmer neben Virgil und Dante wirk-
lich seine eigene Büste aufgestellt haben? oder ist
etwas davon überliefert, dass Cicero unter den Her-
men seiner Bibliothek die seiuige gehabt hat? und
beide Herren waren oder sind dazu doch in ganz
anderer Weise berechtigt als der Consular L. Piso.
Unter den Merkmalen, die Cicero von Piso angiebt,
ist nicht ein einziges, das nicht auf jeden älteren
*) Ejjhern. epigr. I p. 14ü.
Archiiolog. Ztg., Jahrgang XXXVllI.
magern glatzköpfigen Mann passt; das Geheimniss
auf Grund einer solchen nicht polizeilichen, son-
dern rhetorischen Personalbeschreibung die Identität
der Person festzustellen verdient in der That die
weiteste Verbreitung. Nicht blos die Geschichte,
sondern das praktische Leben wird den wesentlich-
sten Nutzen davon ziehen, wenn dasselbe in allge-
meine Anwendung kommt.
Aber das Schicksal waltet gerecht. Erweisen
lässt sich zwar nicht, welchen Kopf jene Büste dar-
stellt, aber sehr bestimmt erweisen, dass sie den
Piso nicht vorgestellt haben kann. Denn bekannt-
lich trugen die Kömer in Cieeros Zeit den Bart
geschoren, während diese Büste mit dem richtigen
derben Bart der älteren Zeit ausgestattet ist, also
ohne Zweifel irgend einen älteren einst so nam-
haften wie jetzt namenlosen Schriftsteller darstellt.
Comparetti erwähnt jene allbekannte Sitte selbst,
glaubt aber vielmehr aus Cieeros Worten entnehmen
zu müssen, dass Piso den Bart stehen Hess. In-
dess beruht dies auf zwiefachem Missverständniss.
Denn die pilosae genae, die er ihm vorrückt'), be-
zeichnen nicht die bärtigen, sondern die schlecht
oder erfolglos rasirten Wangen; und wenn er in
einer anderen Rede') die strenge und altvateri-
sche Haltung Pisos mit den Worten verhöhnt:
unum aliquem te ex barbatis Ulis exemplum imperii
veteris, imaginem antiquitatis, columen rei publicae
diceres intueri, so spricht er eben damit aus, dass
er keineswegs barbaius war — wie es anderswo
bei ihm heisst ") : aliquis mihi ab inferis excitandus
est ex barbatis Ulis, non hac barbula qua isla (die
Clodia) delectatur, sed illa horrida, quam in statuis
atque imaginibus mdemus '). Also mit der Pisobüste
steht es noch etwas schlimmer als mit Pisos Besitz-
titel an der herculanischeu Villa. — Mit der Gabi-
niusbüste, die Comparetti schliesslich als Pendant
und Gegenstück derjenigen des Piso zum Besten
giebt, dürfte es leicht am allerschlimmsten stehen;
dass ein Consul des römischen Volkes, auch wenn
er kein Cato war, mit zierlichen Damenlocken und
«) in Pia. 1, 1.
') pro Sest. 8, 19.
*) pro Cael. 14, 33.
') Vgl. Borghesis Auseinandersetzung opp. 1 p. 93.
5
34
Th. Mommsen, Inschriftbüsten.
einem Stirnband in der Villa seines Collegen ab-
gebildet worden ist, ist so ausserordentlich wunder-
bar, dass kleinere Wunderdinge neben dieser Lei-
stung verschwinden.
Aber was mich zunächst veranlasst hat diese
im Allgemeinen mehr vor das archäologische Forum
gehörigen Hypothesen zu erörtern, ist die mit der
Büste in Verbindung stehende Inschrift. Nicht als
ob ich das Räthsel, das sie aufgiebt, zu lösen ver-
möchte; aber es erscheint mir noth wendig die von
Comparetti versuchte Lösung, die de Petra nicht
hätte billigen sollen, als allen epigraphischen Ge-
setzen widersprechend abzuweisen. Sie stand auf
einem Marmorpilaster, der sicher eine Büste — ob
gerade die dem Seneca beigelegte, ist weniger aus-
gemacht — getragen hat. Es fanden sich drei Frag-
mente, wovon das erste den Anfang, das dritte
das Ende der Inschrift giebt; die Lesungen beider
scheinen ziemlich gesichert, während das kleine
Mittelstück schlecht überliefert und ohne Zweifel
verlesen ist:
TP^lVul :SPIS-
/ /\1 V
Comparettis von Petra gebilligte Lesung ist
TELESPIS
Q_
was aufgelöst wird mit Teles Pis(onis) q(uadralarius). —
Aber dass die drei Stücke nicht zusammenschlössen,
wie hierbei angenommen ist, kann niemand be-
zweifeln, der die Ausgrabungsberichte gelesen hat;
Weber und Paderni suchten eifrig nach den feh-
lenden Stücken und hätten sicher den Anschluss
der ihnen vorliegenden erkannt, wenn er vorhan-
den gewesen wäre. Ferner fordert schon die
äussere Symmetrie, dass in der zweiten Zeile vor
dem Q_ wenigstens noch ein Buchstabe gestanden
hat. Weiter stecken in jedem Wort jener Auf-
lösung ein oder mehrere Fehler. Teles ist als Scla-
venname höchst befremdlich. Der Sclave, der seinem
Herrn im Atrium eine Verehrung darbringt, nennt
ihn regelmässig nicht mit dem Cognomen, sondern
dem häuslichen Sprachgebrauch folgend mit dem
Vornamen unter Beifügung von noster. Quadratarius
ist dem epigraphischen Sprachgebrauch fremd; er
würde faber fordern. Die Abkürzung von Pisonis
in Pis ist anstössig, die von quadratarius durch q
unmöglich; Abkürzungen müssen denen, an die die
Inschrift sich wendet, verständlich sein, das heisst
entweder conventioneil fixirt, oder so gestaltet, dass
der Leser die fehlenden Buchstaben mit Leichtigkeit
ergänzt, und bei diesem quadratarius trifft keins
von beidem zu. Endlich beweist die in beiden Ab-
schriften, resp. Abzeichnungen wiedergegebene In-
terpunction hinter dem die erste Zeile endigenden
Worte, dass nach es kein Wortschluss war.
Dass die Inschrift nichts enthielt als einen Na-
men im Nominativ und eine Standesbezeichnung
oder Formel, seheint sicher zu sein. Jener Name
kann nicht wohl erklärende Beischrift zu der Büste
gewesen sein, theils weil lateinische Beischriften
dieser Art sehr sparsam begegnen und wo sie sich
finden, sich wohl ohne Ausnahme auf gefeierte Per-
sonen beziehen, theils weil sie, wo sie vorkommen,
bloss den Namen nennen und die zweite Zeile unter
dieser Voraussetzung kaum erklärlich sein würde.
Also muss wohl angenommen werden, dass der
Name der des Schenkers ist, der dem Besitzer der
Villa diese Gabe stiftete. Unter welchen Gesetzen
diese Gattung von Dedicationen steht, ist wenig
untersucht worden und in der That auch schwierig
zu ermitteln; es mögen derselben in ziemlicher An-
zahl vorhanden sein, aber wo sie gelöst von dem
ursprünglichen Fundort begegnen, lässt sich nicht
viel damit anfangen. Wir sind in dieser Hinsicht
fast ausschliesslich auf Pompeii angewiesen. Danach
scheint die Regel aufgsstellt werden zu dürfen, dass
Dedicationen an Privatpersonen der Regel nach,
selbstverständlich nach vorher eingeholter Einwilli-
gung der Gemeindebehörde, auf öffentlichem Grund
aufgestellt werden, selbst wenn ein Privater sie dem
andern macht, eine Ausnahme aber für Sclaven und
Freigelassene besteht, vielleicht auch für Clienten
geringen Ranges; auch hier gilt der Satz: servis res
publica quaedam et quasi civilas domus est. '") Also
kann die Inschrift, wie dies auch Comparetti und
'") Pliiiius ep. S, IG. Auch die Aufstellung der Tationats-
tafeln im Atrium, die freilicli unter anderen Gesetzen steht, be-
ruht auf dem Clientelverhältniss.
Tb. Mommsen, Inschriftbüsten.
35
de Petra richtig gefülilt lia))en, wolil nur gefasst wer-
den als analog den iu pompeianisclien Privathäusern
gefundenen Widmungen : Genio L. noslri Felix l(iber-
tus) ") — Primo 7i(ostro) Anteros arcar{ius) ") —
Genio M. n{ostri) et Laribus duo Diadumeni liberti^');
der Empfänger ist durch den Aufstellungsort hin-
reichend bezeichnet und kann fehlen. — Das Cogno-
men des Schenkers kann wohl nur Thespis gewesen
sein; obwohl ich diesen Namen als römisches Liber-
tinencognomen anderweitig zu belegen nicht vermag,
war er doch als landläufig in der Litteratur an sich
geeignet also verwendet zu werden. In der zweiten
Zeile eine Amtsbezeichnung, wie uvir q_ q_ oder
QviNQ., zu erkennen verbietet sowohl das griechische
Cognomen wie der Aufstellungsort; es muss auch
hier etwas gestanden haben, was mit der abhängigen
Stellung des Dedicanten sich verträgt. Nicht als
irgendwie gesichert, aber als möglich '^) möchte ich
die Ergänzung vorschlagen:
T_>T^pjvLiius rtitsPIS
sua pe\Q_
Ich habe mich auf die Frage, welche Individuen
in jenen Büsten dargestellt sind, nicht weiter ein-
gelassen, da der gesunde Menschenverstand, der
ja wohl auch auf archäologischem Gebiet Beweis-
kraft hat, für sich allein genügt, um die unbedingte
Verkehrtheit von Comparettis Hypothese festzu-
stellen , und das Weitere die Archäologen vom
Fach angeht. Indess will ich nicht unterlassen
hier vorzulegen, was einer von diesen, Herr Prof.
Robert mir darüber mittheilt. ' Bei der Bestimmung
des früher fälschlich Seneca genannten Portrait-
kopfs ist zunächst zu beachten, dass es von dieser
Büste nicht bloss das eine herculanische Exemplar
giebt, sondern eine Reihe, deren Zahl der der er-
") Mau Bull. deW inst. 187G p. 160.
'-) Derselbe a. a. 0. p. 22.
") Derselbe a. a. 0 1S67 p, 45. Von den dem Genius einer
Privatperson geweihten Inschriften gehören wohl die meisten
hierher; besonders in und um Segusio haben sie sich zahlreich
gefunden (vgl. C. I. L. V im Index). Auch dass dergleichen
auf Ringen vorkommen (C. III, CO 19, 15), ist für den privaten
Charakter dieser Widmungen bezeichnend.
'■*) Vgl. den Consul J/. Eppuleius Proculus L. f. Ti. Cae-
pio Ilispo Ürelli 3670.
haltenen Homer- und Euripidesbüsten kaum nach-
stehen dürfte. Es ist also dies das Portrait einer
ausnehmend berühmten und in der Kaiserzeit sehr
populären Persönlichkeit. Ferner trägt das in dem
Museum auf dem Palatin befindliche Exemplar einen
Epheukranz; die dargestellte Person ist also ein
Dichter. Dann ist in zwei Exemplaren, von denen
sich das eine in Villa Albani, das andere in der
galleria geograßca des Vatican befindet (abgeb. bei
Visconti Iconographie grecque t. XIV, 3. 4) uns eine
Doppelherme erhalten, in der unser Kopf mit dem
eines bartlosen, nervös und kränklich aussehenden
Mannes vereinigt ist, dessen scharf markirte Züge
den Römer auf den ersten Blick erkennen lassen,
während der Typus des fraglichen Kopfes — das
ist eine Erkenntniss, die sich unmittelbar Jedem
aufdrängte, sobald einmal die traditionelle Deutung
auf Seneca überwunden war — unrömisch, ent-
schieden griechisch ist. Der griechische Vertreter
einer Dichtungsgattung ist mit seinem römischen
Nachahmer in derselben Weise zusammengestellt,
wie bei der jetzt in unserm Museum befindlichen
Doppelherme der wirkliche Seneca-Kopf mit So-
krates. — Alles dies ist nun nicht etwa neu; im
Gegentheil, es ist oft gesagt worden und jedem
Archäologen so bekannt, dass man sich fast beden-
ken muss in einer Fachzeitschrift überhaupt davon
zu sprechen. Auch Brizio, dessen Deutung (Ann.
deW Inst. 1873 p. 98—106) Herr Comparetti erwähnt
und also wohl aus eigener Leetüre kennt, hat diese
Momente gebührend hervorgehoben. Warum hat
Herr Comparetti es verschwiegen, dass es von seiner
Pisobüste mehr Exemplare giebt als von den Büsten
Scipios und Ciceros? warum hat er keines jener
Judicien der andern Exemplare, auf die die wissen-
schaftliche Erklärung angewiesen ist, auch nur mit
einem Worte erwähnt? — Die Antwort auf diese
nahe liegenden Fragen zu geben ist seine oder des
Lesers Sache.
'Das Problem selbst, wem die Büste gehört,
harrt allerdings immer noch seiner Lösung. Für
die Bestimmung des Zeitalters des dargestellten
griechischen Dichters giebt der Bart einen Anhalt.
Die Männer aus dem fünften und auch aus der
5*
36
Th. Mommsen, Inschriftbüsten.
ersten Hälfte des vierten Jalirliunderts tragen
stärkere Barte. Bartformen, wie sie die frag-
liche Büste hat, kommen in der Zeit Alexanders
und der Diadochen vor; ferner ist der Ausdruck des
Kopfes weit mehr der des gelehrten Forschers als
des Dichters aus der Blüthezeit des echten Hellenen-
thums. Dies Alles weist uns auf eine Persön-
lichkeit aus dem Frtthlingsalter der hellenistischen
Cultur, der Zeit, wo der Dichter zugleich Philolog
und Litteraturhistoriker, Arzt und Astronom ist,
ein Zeitansatz, der durch die entschieden nach-
lysippische Formengebung bestätigt wird. Von
solchen Erwägungen geleitet hatte Dilthey auf
Kallimachos, Brizio auf Philetas gerathen. Beides
ist nicht bewiesen — denn Brizios Ausführungen
können unmöglich für Beweise gelten; aber beides
ist an sich möglich und passend, und der Ruhm
und die Bedeutung der genannten Männer würde
das häufige Vorkommen der Büste vollständig er-
klären. Von Herrn Comparettis Deutung auf L. Piso
kann man das Gleiche leider nicht sagen.
Ueber den lustigen Einfall den wunderbaren
sog. Berenike-Kopf, der in so frappanter Weise
die Verschmelzung des aegyptischen und des hel-
lenischen Typus zeigt, dass man ihn als Symbol
der gesammten alexandrinischen Cultur hinstellen
könnte, für Aulus Gabinius zu erklären, brauche
ich kein Wort zu verlieren.'
2. AUS DEN UFFIZIEN.
Bei meinem letzten Aufenthalt in Florenz wurde
ich zufällig veranlasst in den Uftizien die in der
letzten Zeit mehrfach besprochene Büste mit In-
schrift anzusehen, welche dem König Pyrrhos bei-
gelegt wird. Die Angabe Dütschkes (Archäolog.
Zeitung 1877 S. 68 nebst der Abbildung Taf. 9;
Antike Bildwerke in Oberitalien 3 S. l'JO), dass
darauf, wie es einmal heisst, 'mit vollkommener
Deutlichkeit', wie anderswo gesagt wird 'mit etwas
unleserlichen Zügen' geschrieben sei PIPOC, ist mit
dem Augenschein in ebenso schneidendem Wider-
spruch wie die Deutung dieser Lesung auf König
Pyrrhos mit der Grammatik. Allerdings ist die In-
schrift, nach Kieseritzkys Bericht im Bullelt. delC
Inst. 1879 p. 78, erst jetzt ganz freigelegt und stand
früher in der That niPOC; aber dass die ersten
beiden Buchstaben nur auf dem Pech der Verkittung
eingekratzt waren, musste doch auch damals schon
erkennen, wer über solciie Dinge mitreden will.
Ein Bruch geht quer durch die Inschrift; ob der
untere Theil der Basis, auf dem von den letzten
Buchstaben die unteren Hälften sich befinden, alt ist
oder restituirt, wird sich erst ausmachen lassen, wenn
die Büste ausgebrochen und die Fuge genau unter-
sucht wird, was im Augenblick nicht zu bewerk-
stelligen war. Doch kommt wenig darauf an, da
schon die oberen unzweifelhaft alten Hälften die
Lesung sichern. In der That ist der erste Buch-
stab, von dem nur der Vordertheil übrig ist, O, w, C
gewesen; den zweiten erweist die ■ zweite wie oft
etwas höher stehende Spitze //y,/ als M; es folgt
liPOC (nicht irPOC, wie Kieseritzky meint) oder
HPOC. So seltsam also die Inschrift auf dieser
Büste erscheint, die Lesung OMHPOC wird kaum
abzuweisen sein. An ceBHPOC habe ich nachträg-
lich gedacht; doch glaube ich nicht in der Spur des
M mich getäuscht zu haben.
Gleichzeitig hatte ich Gelegenheit die eben dort
befindliche Inschriftbüste der Domitia (vergl. Bildw. 3
S. 71. 72) zu betrachten. Dütschkes Abbildung der
Inschrift ist treu und zeigt mit dankenswerther Be-
stimmtheit den Standpunkt der vollendeten epigraphi-
schen Unschuld des Katalogschreibers. Die Form so-
wohl der Tablette wie die der Buchstaben, namentlich
das sauber mittelalterliche M, beweisen auf das Evi-
denteste, dass die Inschrift nicht etwa falsch, son-
dern bloss modern ist. Für den, der die Elemente
der lateinischen Epigraphik kennt, genügt eigentlich
schon der Kominati v; indess die bedenkliche Frage,
ob der Archäologe vom Fach diese Elemente zu ken-
nen braucht, mag auf sich beruhen. Aber ein be-
scheidenes Mass paläographischer Kunde und eine
gewisse Fähigkeit des Lesens dürfte doch wohl auch
den Archäologen nicht bloss zieren, sondern auch
ihn vor allerlei Schaden und maucljeriei Spott be-
wahren, und scheint mir keine unbillige Anforderung
an die Verfertiger von Museumskatalogen.
Th. Mommsen.
37
BERICHTE.
ERWERBUNGEN DER KÖNIGLICHEN MUSEEN ZU BERLIN IM JAHRE 1879.
I. Sammlung der Sku
Die Haupterwerbung dieses Jalires ist die der
pergamenisclien Altertliiimer, durch weiche
die Abtheilung- einer völlig neuen Gestalt entgegen-
geht. Eingehend über dieselbe zu berichten ist hier
nicht der Ort; das, was in aller Kürze zu sagen war,
ist bereits in dem Berichte der Generalverwaltung
(Arch. Ztg. 1879, S. 197) und in einem im Drucke
erschienenen Vortrage (Perganion von Conze, Berlin
bei Dümmler 1880) mitgethcilt; eine etwas aus-
führlicliere, wenn auch immer nur vorläufige Nach-
richt wird mit einer Anzahl von Abbildungen in
dem näclisten Hefte der Jahrbücher der k. preus-
sischen Kunstsammlungen ausgegeben werden.
Wirklich in das Museum aufgenommen sind im
Jahre 1879 alle zu dem Altarbau gehörigen Skulp-
turen; unterwegs sind noch ausser zahlreichen an-
deren Fuudstücken die Architekturtheile sowohl
des Altarbaus, als auch vom Augusteum und vom
Gymnasium, ferner die Exedra Attalos' II, welche
ganz hier aufgerichtet werden wird. Bleiben die
noch ausstehenden Stücke auch hinter den Skulp-
turen des Altarbaus, namentlich der Gigantomachie,
an sensationellem Charakter zurück, so ist ihr Ge-
winn dennoch für die Abtheilung namentlich in-
sofern wichtig, als damit in dem Gesammtbilde
der Kunst des Alterthums, wie es die Museen
bieten sollen, zum ersten Male auch die bisher so
gut wie ganz fehlende Architektur und zwar in
ansehnlicher Weise hervortreten wird.
Unter den sonstigen Erwerbungen von Origi-
nalen gehört ein weiblicher Kopf von weissem
Marmor der älteren griechischen Zeit an, obwohl
sich seine Provenienz nicht über Rom hinaus ver-
folgen lässt. Er ist dem Kopfe der sogenannten
Penelope im Vatikan (Verz. der Gipsabg. im k.
Mus. zu Berlin 1880, n. 729) nahe verwandt, jedoch
nicht wie diese Figur eine antike Kopie, sondern
eine altgriechische Originalarbeit.
Der Zeit frei entwickelter griechischer Kunst
gehören, wenn auch nur als untergeordnete Ar-
beiten, zwei zu dem Aufsatze „Hermes-Kadmilos"
(oben S. 1 if.) publicirte Reliefstücke an, ferner
eine Relieffigur aus Kreusis und eine marmorne
Sonnenuhr aus Athen. Auf dieser wohl in der
Diadochenzeit gearbeiteten Sonnenuhr ist einerseits
Ipturen und Abgüsse.
der Kopf der Athena, andrerseits der des Dionysos,
vorn ausciieinend der des Helios, alle in flachem
Relief angebracht. Unter einigen uns zugekomme-
nen Grabreliefs geringerer Art, darunter auch drei
aus Pergamon, zeichnet sich als ein sehr gut erhal-
tenes Exemplar einer auf den kleinasiatischen Küsten
und Inseln niclit seltenen Klasse von Grabsteinen
der einer Frau, gefunden in Smyrna, aus.
Griechischer Arbeit, aber italischen Fundortes,
letzteres wenigstens aller Wahrscheinlichkeit nach,
ist ein Marmorthronos mit reich ornamentirter
Rückseite, eine völlige Replik des schon länger be-
kannten, im Parthenon aufgestellten (Verz. der
Gipsabg. n. 1287), jedoch ohne eine Inschrift.
Von römischen Arbeiten sind nur zwei Sar-
kopiiagdeckel und die Doppelbüste des Se-
neca und Sokrates mit antiken Namensbei-
schrifteu (Arch. Ztg. 1880, Taf. 5) erworben.
Aus Etrurien gelangte in das Museum ein
kleiner Cippus von Orvieto und ein Sarko-
phag aus Nenfro, von Norchia stammend, mit
dämonischer Reliefdarstellung, männlicher Deckel-
figur und zweizeiliger Inschrift des Aruth Churcles
Larthal Clan (Deecke Etr. Forsch I, S. 11, n. 2).
Von griechischen Inschriften erhielt die
Abtheilung namentlich vier sepulcrale, von denen
drei Beigabe von Bildwerken sind, ferner zwei eben-
falls einem Reliefbildwerk beigefügte anathematische
aus Kula {KoXötj in der Katakekaumene) und das
Bruchstück eines Tempelinventars aus Imbros (Blau
und Selilottmann Monatsber. der k. Akad. d. W.
zu Berlin 1855, S. 628, n. 21).
Von den anathematischen Inschriften steht die
eine unter dem Reliefbilde eines nach Rechts hin
reitenden Mannes, der eine Doppelaxt in der Lin-
ken hält:
A
ANTi.NIAANTiNIOYAno
AiNieE-BOZHN^AIATO/»
NABEBH. INEMEEniTONXO
PONENPYnAP^EnENAYTH
5 KOA A E0 I C A AE . EZ^^MOAO
rHCAMHNKEANEGHKAEYAO
riANOTIErENOMHNOAO' .
HPOC
38
Erwerbungen der Berliner Museen 1879.
AvTioviu ÄvTcoviov ÄtiÖX-
Xiovi d^Ecp Bol^rjvcü diä ro ä-
vaߣßTj[x6]ve fie ini zov xo-
gnv Iv QvnaQcp kntvdvTTj,
xoXaai^iaa ös i^wi-inlo-
yrjaa /i<»)v xs äv£&t]xa evlo-
ytav öii iy£v6/.tTjv 6l6[xk-
r/QOg.
Ueber der zweiten Inschrift ist nur das Doppel-
beil in Eelief dargestellt:
ANGEZTHSANOIAP
TEMnNOSYOlTO
KATHAXGENSTHA
AAPIONVnoTOYBO
5 OSAnoAAßNITAPSI
^v&iairjaav ol ^q-
tf^icüvng vni to
xatTjax^ev arrj).-
Xafjiov vno lov ßo-
6g ÄnöXXwvL TaQoi.
Auch ein Grabrelief mit der Darstellung eines
Eeiters (nach Kechts hin) stammt aus Kula, unter
dem Eelief die von Wagner (Mein, de Vacad. de
Belgique XXX S. 22, n. IV) publicirte Inschrift.
Ein marmornes Cinerar, welches aus einem
Grabgewölbe bei Sa r des stammt, hat die Form
eines oblongen Kastens (0,47 M. lang, 0,37 M. breit,
0,35 M. hoch), auf dessen Vorderseite auch das Schloss
nachgebildet ist, mit giebelförmigem Deckel, oben
auf dessen vorderer Schrägfiäche die Inschrift :
eniiepewCTHCPtJMHCAlONYClOYTOYAeHNAlOY
MHNOC Y n eP BepeXA I OY IA APTeMlAWPOC
APTEMIAWPOY GTCüN Me
'Eni legiuig Trjg 'Pwf.iT]g Jcovvaiov tov ^3-r]vaiov
(.ir^vog YneqßsQEtaiov la' JlQT£f.iiöa}Qog
JlQZe/XldcJQOV ETWV (IE .
Ein cylindrischer Untersatz von weissem Mar-
mor, dessen Aussenfläche vier Eroten mit Blumen-
gehängen umgeben, stammt aus Rhodos; zwischen
den ßeliefzierrath eingeschrieben steht:
ATHSAPXÖ
K N IA I ZE A
n I ZK N I A I
A
^yrjoaQyog
Kvidi\r,\g- Ei-
nig Kvidia-
Ein kleines Grabrelief endlich eines Mädchens
mit einem Hunde, in Konstantiuopel gekauft, sonst
unbekannter Provenienz, ist überschrieben :
OAYMniAIIf2IAOY
'OXvfinidg ZiolXov.
Für diese Inscbriftsteine sind wir den Herren
Pfarrer Dr. Zschimmer und Generalconsul Dr. Busch
zu Dank verbunden.
An Gipsabgüssen ') wurden angekauft oder
geschenkt :
Aus Athen: bemalter Abguss des Gorgoneions
(Kat. n. 82A, Ross, areh. Aufs. I, Taf. VIII), des-
gleichen der Aristionstele (Kat. n. 76), ferner ar-
chaisches Grabrelief mit zwei Frauen (Kat. n. 83 A.
Schöne, griech. Rel. XXIX, 122), Grabrelief von
Abdera (Kat. n. 84A. Schöne, griech. Rel. XXXIX,
123), die Marmorvase mit Marsyas und Athena
(Kat. n. 1089 B. Areh. Zeit. XXXll, Taf. 8), die
Grabstele mit griechischer und phöniziscber In-
schrift (Kat. 234 U. Kekule Theseion n. 27), das
durch die Verbindung von Relief und Malerei merk-
würdige Grabrelief des Demokleides im Barba-
kion (Kat. n. 234T), der Knabe mit dem Vogel
aus Lilaia (Kat. n. 286 A. Ann. XXXI, tat. d'agg. A).
Aus Constantinopel: Giasgefäss mit den vier
Figuren des stiertragenden Herakles, des Dionysos,
des Hermes mit dem Kerykeion in der rechten und
einem Widderkopfe auf der linken Hand, und der
Herbst-Hore, welche Jagdbeute trägt (Kat. n. 860 A.
Revue archeol. 1879, pl. VII). Das Gefäss wurde
im Grabe eines jungen Mannes bei Kyzikos ge-
funden.
Aus Holkham-Hall: die von Michaelis ent-
deckte Büste des Thukydides (Kat. 774 A).
Aus Rom: Kopf der Aphrodite Caetani (Kat.
n. 1058 C).
Aus Turin: Zwei Reliefs, das eine ein Vier-
gespann (Kat. n. 234 S), das andre ApoUon mit
einem Vogel auf der vorgestreckten Hand darstel-
lend (Kat. n. 74 A) und Statue eines sich salbenden
Athleten (Kat. n. 658 B). Vergl. areh. Zeit. XXV,
S. 77*.
CONZE.
') Das kleine Veizeichniss der Gipsabgüsse ist soeben (1S8U)
in neuer, vielfach berichtigter Auflage im Verlage der Weid-
mannscfaen Buchhandlung erschienen.
Erwerbungen der Berliner Museen 1879.
39
II. An
Bronzen. Kanephore, archaische Statuette mit
Weihin.schrift (Arch. Zeit. 1880 Tat'. 6). Paestuiu. —
Statuette der sitzenden Isis mit dem kleinen Horus
auf dem öchoosse; bei Aarau gefunden. — Sta-
tuette eines Negers der mit Hosen bekleidet ist,
Oberkörper nackt, Hände auf dem Kücken. Gute
Arbeit. Aegypten. — Klappspiegel mit aufge-
nietetem Relief, an dem der Grund ausgeschnitten.
Dionysos mit Kantharos und Tbyrsos nach 1,, neben
ihm ein Panther; es folgen, eng verbunden, Fan
und ein junger Satyr. Angeblich aus Galaxidi. —
Rund mit getriebenem Löwenkopf in der Mitte:
Wandverzierung eines etruskischen Grabes (Vgl.
Friederichs, Berlins antike Bildwerke II n. 1310—1.3).
Monteromano. — Seepferd, von einem Geräth.
Äugst bei Basel. — Kleiner Pantherkopf, war
am Ende eines hölzernen Geräthes befestigt; eben-
daher. — Kleiner Adler auf Postament; Adler auf
einem Eberkopf stehend (Bekrönung eines Stabes).
Iconia. — Männliches Glied, zum Einsetzen in eine
Votivstele bestimmt. F.-O. unbekannt. — Bronze-
geräthe (2 Schalen, 3 Kannen, Napf, 3 Spiegel).
Nau paktos — Fragmente einer grossen Hydria.
Smyrna. — Ring mit Inschrift AOMNOY.
Blei. Schleuderblei mit Scorpion und Blitz.
Dardanellen. — Schleuderblei mit Inschrift BA-
XIAEfls: AAEIANAPOY. Athen.
Inschriften. Bronzeplatte mit Ehrendecret der
(bisher unbekannten) Stadt Anisa (in Syrien?).
Zu beiden Seiten der Inschrift eine korintliische
Halbsäule, auf welcher ein das Gebälk stützender
Jüngling in Chiton steht. (Der zur L. fehlt ebenso
wie das Gebälk.) F.-O. unbekannt.
Silber. Fibula mit Filigranornamenten, aus
einem der ältesten Gräber von Orvieto.
Miscellaneen. Halbes Diptychon des Con-
suls Anastasius (W. Meyer, Zwei antike Elfenbein-
tafeln S. 67 n. 15a). — Diptychon des Justinus
(ebenda S. 74 n. 31; Taf. I). Aus der früheren
Kunstkammer dem Antiquarium überwiesen.
Glas. Achteckiger Stift von hellgrünem Glas mit
abgestumpfter Spitze, oben durchbohrt (Anhängsel?).
Aus einem der ältesten Gräber der Necropole von
Orvieto {Bull, dell' bist. 1879 S. 230, 8). — Runde
Büchse ohne Deckel. Athen. — Zwei Armbänder,
eines in Form einer Schlange; ebendaher. — Pet-
schaft mit sitzendem geflügelten Löwen. Iconia.
Geschnittene Steine. Hermes-Kopf mit Stirn-
flügeln und Kerykeion. Schöne Arbeit. Onyx. La-
tiquarium.
konien. — Gesprenkelter Jaspis, auf dem gewölb-
ten Rücken eingeschnitten ein rennender Panther.
Kleinasien. — Doppelseitige Abraxas- Gemme,
Bergkrystall. — Cicade aus ßergkrystall. Rom. —
Schreitender Löwe, erhaben geschnitten; Chalcedon.
Kleinasien.
Terrakotten. Aus Griechenland: Archaische
weibliche Figur mit Diadem, eine Blume haltend;
Beine in Profil. Halae in Lokris. — Derselbe
Typus, etwas entwickelter. F.-O. unbekannt. —
Weibl. Idol, der Körper walzenförmig, mit Wulst
um den Kopf. Tanagra. — Alterthümliche sitzende
Frau, von einem Gefäss. Cypern. — Thronende
Göttin, die Arme an den Körper gelegt. Halae
in Lokris. — Thronende Göttin, in jeder Hand
einen Apfel. Atalanti. — Thronende Göttinnen,
die eine mit Modius, die andre mit Blume in der
R.; Hydrophore mit Ferkel; runde Scheibe mit aus-
gezacktem Rand, darauf ein Gorgoneion mit Thier-
ohreu in Relief. Von Hag. Sostis (Tegea), vgl.
Mitth. IV S. 171. — Geflügelte weibl. Figur schwe-
bend, ganz in den Mantel eingehüllt (Eidolon?).
Sehr schön. Eros schwebend trägt eine grosse Am-
phora. Tanagra. — Stehender Papposilen, mehr-
fach beschädigt, gute Arbeit. Piraeus. — Trun-
kene Alte mit Weinschlauch, ganz kleines Figür-
chen. Korinth. — Komischer Schauspieler, Frag-
ment. Korseia in Lokris. — Kl. Fuss mit Sandale.
Silensmaske in Relief (unter dem Henkel eines rothen
Thongefässes angebracht gewesen). Athen.
Aus Kleinasien: Tragischer Schauspieler.
Pergamon. — Weibliche Gewandfigur nach 1.
schreitend. Alte Frau ein Mädchen an der Hand
führend. Tänzerin mit Krotala. Myrina in Aeolis
(Geschenke des Herrn E. Baltazzi). — Sitzende
Frau mit Schleier reicht einem Kinde die Brust.
An der Rückseite unten eingedrückt IM. Kirka-
gatsch. — Stehender Eros, bekränzt, hebt den Rand
seines Chiton, eine Spange um den Oberschenkel
sehen lassend. Kynie in Aeolis. — Fragmentirte
Figuren aus Assos (Geschenk des Herrn Prof.
Virchow): thronende Göttin mit Blüthe, archaisch;
Pferd mit Knaben als Reiter; 2 Hydrophoren
u. s. w. — Maske mit spitzer Mütze; 3 Carri-
caturen; Relief von einem Gefässboden: erotisches
Symplegma. Dardanellen. — Fragment eines Re-
liefs: Herakles und Autaios.
Aus Italien: Zwei nebeneinander thronende
Göttinnen, zwischen ihnen sitzendes Kind (vgl. Ger-
40
Erwerbungen der Berliner Museen 1879.
bard, Antike Bildw. Taf. 2). Cerveteri. ~ Eros
an einen Pfeiler gelehnt; derselbe in Helm und
Panzer. Curti. — Schüssel mit Früchten und
Kuchen u. s. w. aus einem Grabe bei Orvieto. —
Ötirnziegel mit Silenskopf. Orte. — Römisches
Friesrelief mit der Auffindung des Telephos (ähn-
lich, doch nicht aus derselben Form Campaua Opere
in plastica tav. 25). — Lampe. Chiron lehrt Achill
die Leyer spielen. Corneto.
Vasen. Aus Griechenland: Zwei Giessgefässe
mit phantastischem Pflauzenoruament, auf dem einen
ein Vogel (?), den mykeuischen Gefässen ver-
wandt. Kreta. — Viereckiger Kasten aus blassem
Thon mit Deckel, auf welchem 2 Schlangen. Lang-
seite a: Persische Artemis zwei Vögel haltend; an-
gebundenes Pferd. Schmalseite a: Frau ein Pferd
am Zaum haltend. Langseite b: Mann mit Lago-
bolon, Hund, Hase. Schmalseite b: Hund, Hase.
Der Grund mit Ornamenten, uameutl. Henkelkreuz
und Palmetten, gefüllt. Theben. — Aryballos,
asiatisches Ornament, am Henkel Kopf in Profil.
Ebendaher. — Balsamar in Gestalt einer Sirene,
blassgelber Thou mit schwarzen Puncten. Aegina. —
Balsamar in Gestalt einer Sphiux, die in einen Vogel-
körper endigt; aus gelblich glasirtem Thon (phö-
nikisch'?). Aegina.
Schwarzfigurige Vasen: Zweihenkliger Be-
cher mit Thierfiguren auf schmalem Streifen. Ko-
rinth. — Fragmente eines grossen, tiefen Beckens
mit Ausgusstülle und seitlichen Henkeln. Bildstrei-
fen unter dem Rand des Gefässes: a) Zwei geflü-
gelte Gestalten in kurzem Ciiiton nach r. Inschrift
l4(}£Tivia. b) Perseus (Tlegeiig sie!) in Chitou, Flü-
gelstiefeln, Kappe, ein Schwert umgeljuuden, in
eiligem Laufe nach r. Links Athene {Ä&Evaia) in
Chiton und Mantel ruhig stehend. Auf dem unteren
Streifen: Sphinxe, weidende Pferde, dann Streifen
mit Palmettenornament. Aegina. — Teller mit
erhobenem Rand, blassrother Thon. Sitzender Dio-
nysos mit Trinkhorn, ihm gegenüber eine sitzende
Frau mit Blume in der erhobenen L. Marathon. —
Zwei Kannen: (= Berlin n. G33) a) Krieger, h) Ama-
zone neben einem Pferd stehend. Mykenae. —
Attische Lekythen. Mit weissem Grund.: Athene
einen Giganten zu Boden werfend, rechts und links
je eine Amazone zu Pferde (tiüclitig). Mit rothem
Grund: Theseus und Minotaurus (flüchtig). Grösser:
Paris- Urtheil. Hermes hält den Paris mit Gewalt
fest. Eingeritzte Contourzeichnung mit aufgesetztem
Roth: Silen mit Leyer nach r. schreitend. — Le-
kythen mit Contourzeichnung aus Athen: Sitzende
Frau mit Wachtel; vor ihr stehend ein Mann mit
Stab ; Inschriften 'OlvvmxoG xaXög. 6 nalg xaAog.
Auf der Schulter des Gefässes schwebender Eros.
Abschiedsscene : Bärtiger Krieger in voller Rüstung,
dem eine Frau ein Wickelkind hinhält. Längliches
Alabastron derselben Technik: Sitzender Jüngling
mit Stab, vor ihm Panther, dann stehende Frau mit
Schale.
Polychrome Lekythen mit schwarzer Contour-
zeichnung: a) Mann mit einem Kind im Arm.
Taenie. b) Grabstele, 1. bärtiger Mann mit Stab,
eine Lekythos haltend, rechts unbärtige Gewand-
figur, c) Grabstele, 1. Frau, zu deren Füssen ein
Krug; r. Maun, beide mit Geberden der Trauer.
Suniou. — Polychrome Lekythos: Jüngling zu
Pferde (mit Chlamys, Petasos, Lanze) vor eiuer
Grabstele. Athen.
Rothfigurige Vasen: Aryballos mit kleinen
(jetzt fehlenden) Henkeln. Gesandtscliaft an Achill:
Achill trauernd, Odysseus, Diomedes, Phoinix, Aias
(sämmtlicli mit Inschriften). Feinste, noch etwas
strenge Zeichnung. Athen. — Bauchige Lekythos
mit langem, engem Hals : Sitzende Frau mit Schale
vor einem Kottabosständer. L. stehendes Mädchen,
Flöten spielend. Attika. — Kleine Hydria: 3 Mäd-
chen mit Wollarbeit beschäftigt. Strenge Zeichnung.
Aegina. — Kleine Kanne mit Goldschmuck (s. Arch.
Zeit. 1879 S. 93 Anm. 1): Aphrodite auf dem Schwan,
von anderen Figuren umgeben. Athen.
Glocke (?) aus Thon; auf rothem Streifen schwarz
aufgemalt: AiavTidw elfiL Athen. — Zwei Becher
mit schwarzem Firniss, eingeritzt: (DiXlag; Deckel
mit Bügel, auf der convexen Seite (roth auf weissem
Grund) eiu Tascheukrebs; bauchiges Gefäss mit ganz
engem Hals und weiter Mündung, schwarz gefirnisst.
Theben.
Vasen aus Italien. Obertheil eines Balsamars,
Aphrodite mit Taube (Körte, Arch. Zeit. 1877 S. 177
Anm. 32). Cerveteri. — Schwarzfig. Schale des
Kikosthenes uud Anakies. Herakles mit der Hydra,
zweimal. Orvieto. (Bull. deW Inst. 1879 S. 4). —
Kleiner Teller des Sosias mit hockendem Silen (Ga-
zeitc archeol. 1878 pl. 25). — Amphora mit gewunde-
nen Henkeln. Dionysos, bärtig mit Leyer und Sonnen-
schirm — bärtiger Mann aufschauend. Orvieto.
(Bull. deW Inst. 1879 S. 3 f.). — Bauchige Oenochoe,
Athene ein Pferd aus Thon modellirend. Capua. —
Zweihenkliger Becher iu Gestalt eines Dojtijclkopfes
(Satyr und Bacchantin). Corneto. — Teller mit
Fuss : Weiblicher Kopf. Flüchtige Zeichnung (lokal-
etruskiscli). Vetralla. G. Kiirte.
Sitzungsberichte.
41
SITZUNGSBERICHTE.
Archäologische Gesellschaft iu Berlin.
Sitzung vom 6. Januar 1880. Nacli der durch
Acclamation vollzogenen Wiederwahl des Vorstandes
der Gesellschaft legte der Vorsitzende Herr Curtius
vor: 'lazoQixij exd^eaig twv ngd^ecov rfjg sv Idd-t'jvaig
aQXacoXoyixfjg sTaiglag und Ev&. Äßorop^'?) von
Alten, Bohlwege und Rümerwege im Herzogthum Ol-
denburg; Albert Duncker, Rechtsrheinische Limes-
forschung; Ders., Römischer Main-Uebergang zwi-
schen Hanau und Kesselsbach; P. Pervanoglu, GH
Istri] Virchow, Troja (aus der Deutschen Rund-
schau); Lösche ke, Alt -Spartanische Basis (Pro-
gramm von Dorpat); C. Lange, die Statuenbeschrei-
bung des Christodor und Libanios (Rliein. Museum);
Overbeck, Analekten zur Erklärung der Parthenon-
Skulpturen (Berichte der sächs. Gesellsch. der Wissen-
schaft); Th. Schreiber, Apollon Pythoktonos; Le-
normant, // milo di Ado7ie-Tammuz (aus den Ver-
handlungen des Orientalistencongresses zu Florenz
1878); Satura philologa Hermanno Sauppio ob-
tulit amicornm decas. — Herr von Kor ff berich-
tete über seine Reisen in Griechenland. — Herr
Conze gab eine summarische Uebersicht der auf
Anlass der Humannschen Entdeckungen iu
Pergamon ausgefiihrteu Untersuchungen, deren
Resultate besonderer Publication und zwar, soweit
sie die Architecturwerke betreffen, durch die noch
am Orte in der Arbeit begriffenen Herren Bohn
imd Stiller, welchem letzteren Herr Raschdorff zur
Seite steht, vorbehalten bleiben. Herr Humann
hat hierzu in den letzten Monaten seiner erfolg-
reichen Thätigkeit einen Plan der Akropolis von
Pergamon in neuer Aufnahme geliefert. Die von
Herrn Konstantin jun. aus Athen aufgenommenen
Photographien pergamenischer Baureste wurden der
Gesellschaft vorgelegt. Da die erwähnte Publikation
ihrem gesammten Umfange nach erst im Laufe der
Jahre zum Erscheinen gebracht werden kann, so
ist die Herausgabe eines vorläufigen Berichts seitens
aller an den Arbeiten betheiligten Herren etwa für
Pfingsten d. J. in Vorbereitung; diesem Berichte wer-
den unter Anderm auch Zeichnungen einiger Haupt-
gruppen der Gigantomachie von der Hand des Herrn
Otto Knille beigegeben werden. — Zum Schlüsse
legte der Vorsitzende eine Zeichnung (von Herrn
Architekt Graef) des in Olympia kürzlich gefun-
denen rechten Fasses des Hermes des Praxi-
teles vor.
Archiiolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.
Sitzung vom 3. Februar 1880. Nachdem für
die Verwaltung der Geldmittel der Gesellschaft
im Jalire 1879 Decharge ertheilt war, verkündete
Herr Curtius die Aufnahme der Herren Hin-
richs und Buermann zu ordentlichen Mitglie-
dern. — Herr Robert legte zunächst A. Mau's
pompejanische Beiträge vor; auf einige baugeschicht-
liche Fragen näher eingehend, scliloss er sich im
Wesentlichen den Ausführungen des Verfassers an.
Gleich diesem Buche ist auch eine grössere Publi-
cation der italienischen Regierung zu der im Sep-
tember V. J. begangenen 1800jährigen Gedenkfeier
der Verschüttung Pompeji's erschienen: Pompei e
la regione sotlerrata del Vesuvio; aus dem reichen
Inhalt hob der Vortragende als besonders dankens-
werth die Fortsetzung des Helbigschen Kataloges
der pompejanischen Gemälde durch Sogliano hervor.
Endlich besprach er den 1. Theil des 1. Bandes des
von Kekul6 geleiteten grossen Terrakotten werkes:
„Die Terrakotten von Pompeji" von H. von Roh-
den. — Herr Hübner legte vor den an die General-
verwaltung der Kgl. Museen eingesandten Bericht
des Obersten Wolf über die bei Gelegenheit des
Neubaues eines Directions-Wohngebäudes der Kgl.
Artilleriewerkstatt zu Deutz zu Tage getretenen
Ueberreste des römischen Castells (vgl. Arcli. Ztg.
1879 S. 202). — Herr Curtius besprach die kleine
neugriecliische Schrift von Cavadias über Paeonios,
welche sich im Wesentlichen an den Aufsatz von
Brunn anschliesst, und entwickelte seine abweichende
Deutung der Statuen der s. g. Tyrannenmörder
auf eine dem Gemälde des Panaenos entnommene
Gruppe: Miltiades und Kallimachos als Vorkämpfer
in der Schlacht bei Marathon (s. Hermes XV
S. 147 ff.). — Herr Adler sprach über die Bauge-
schichte des Heraion zu Olympia, woran Herr Cur-
tius einige Bemerkungen über die Bedeutung des
Heradienstes für die älteste Geschichte von Olympia
knüpfte.
Sitzung vom 2. März 1880. Herr Curtius
proclamirte die Aufnahme der Herren Hauck und
Becker als ordentliche Mitglieder und besprach
die neu eingegangenen Schriften: Virchow, Bei-
träge zur Landeskunde der Troas (Abhandlungen
der Berliner Akademie d. Wissensch.); Frangois
Lenormant, Les antiquites de la Troade II und
Les antiquites de Mycines (Gazette des beaux arts);
6
42
Sitznnsrsberichte.
Bursian, Orgeonen- Inschriften aus dem Piraeus
(Berichte der Müuchener Akademie); Julius, Ee-
cension von C. Lange, die Conipositiou der aeg'i-
netischen Giebelsculpturen (Fieckeisens Jahrbücher);
Hans Hildebrand, Fynden i Troas; Bericht der
Times rom 26. Februar über eineu in der Roj^al
Academy gehaltenen Vortrag von Newton über die
deutschen Ausgrabungen in Olympia. — Herr Körte
verlas eine von Herrn Treu eingesandte Abhandlung
über die Eeconstructiou der Giebelreliefs am Schatz-
hause der Megarer zu Olympia. — Herr Adler
legte die neuesten aus Olympia eingegangenen archi-
tektonischen Zeichnungen vor. — Herr Weil be-
sprach den Katalog der macedonischen Münzen
des britischen Jluseums, bearbeitet von B. Head.
In der historischen Einleitung weist der Verf. nach,
wie bis auf die Zeit Philipps II. das Gebiet des
euböisch-attischen Münzfusses auf die Chalkidike
beschränkt geblieben ist, während in den übrigen
Theilen Macedoniens, an der Küste sowohl wie im
Binnenlande, der babylonische und der graeco-asia-
tische Münzfuss herrschend waren. — Herr Conze
machte Mittheilungen über die verschiedenen Sta-
dien, welche die Entdeckung des grossen Samo-
thrakischeu Anathems der Nike auf einem Schiffs-
vordertiieil durchlaufen hat. Auf die Auffindung
der Statue durch Herrn Champoiseau im Jahre 1865
und ihren Transport in den Louvre folgte die erste
literarische Würdigung ihres künstlerischen Werthes
durcli Herrn Frijhuer und die Formung für Berlin,
München und Wien, sodann die uns zuerst durch
Herrn Bode gebraclite Nachricht von der Existenz
erheblicher im Fröhnerschen Kataloge nicht er-
wähnter Fragmente der Statue im Louvre. Inzwi-
schen war die Untersuchung der au Ort und Stelle
zurückgebliebenen Reste des Unterbaues durch die
österreichische Expedition im Jahre 1875 erfolgt.
Danach machte Herr Hauser zuerst die für das
Verständniss des ganzen Denkmals entscheidende
Beobachtung, dass der Unterbau die Gestalt eines
Schififsvordertheils gehabt haben müsse, eine Beo-
baclitung, die Herr Graser bekräftigte und durch
deren Mittheilung an Herrn Champoiseau dieser
veranlasst wurde, auch die Reste des Unterbaues
in den Louvre zu schaffen. Auf Grund alles somit
Gewonnenen unternahm endlich Herr Zumbusch in
Wien die Restauration des Monuments in verklei-
nerter Nachbildung im Anschlüsse an einen Münz-
typus des Demetrios Poliorketes. Nach eingehender
Untersuchung führt Herr Benndorf im zweiten bald
erscheinenden Bande der 'archäologischen Unter-
suchungen auf Samothrake' das Monument geradezu
auf den grossen Seesieg des Demetrios beim kypri-
scheu Salamis im Jahre 306 v. Chr. als eine Weihung
des Siegers au die samothrakischen Götter zurück.
Die Restauration von Zumbusch wird bald im Ber-
liner Museum aufgestellt werden. — Herr Curtius
sprach über die neuerdings bezeugte Institution der
lEQol'innaQXOi, der Anführer der berittenen Schutz-
wache des Artemistenipels zu Ephesos. — Herr
Mommsen besprach eine den letzten Ausgrabungen
in Deutz entstammende römische Inschrift und wies
auf die eigenthümlichen Nachlässigkeiten in dersel-
ben hin. — Herr Robert theilte eine neue Deutung
des bisher auf die Opferung der Iphigenia bezogenen
pompejanischen Gemäldes Heibig n. 1305 (Zahn
II, 61) auf Admet, Alkestis und Orcus mit. —
Herr Bormann sprach über eine von ihm im vori-
gen Winter zu Rom in dem Palast der Propaganda
wieder aufgefundene kleine Basis, deren früher auf
verschiedene Weise hergestellte Aufschrift von ihm
mit Sicherheit so gelesen wurde:
Hercules inmcte, sancte Silvani nepos,
hie advenisli. Ne quid hie ßat mali!
GCenio) p(opuli) RComatd) f(eliciter)!
Die beiden lateinischen Trimeter zu Anfang sind
Umbildung der bekannten griechischen:
n xov /liog nalg xaXhvixog Hgaxlfjs
ivi^äÖE xaToixei' firjdev tlaixio xcexöv.
Auf dem römischen Altar ist also für 'Sohn des Zeus'
eingesetzt 'Enkel des Silvan' und ein Segenswunsch
für den Genius des römischeu Volkes zugefügt. Dies
glaubte der Vortragende durch die Annahme er-
klären zu können, dass sich die Inschrift auf den
Kaiser Commodus bezieht, der auf den Münzen als
Bereutes Commodianus oder Hereules Romanus er-
scheint. Als er den Coloss des Nero zu seinem
eigenen Bildniss als Hercules umgestalten Hess,
machte man nach Dio das Epigramm:
6 tov /liog ndig xalllvixog 'FJQaxXrjg
ovx slfti ytovxiog, äXK ävayxäi^ovai /.te
also eine Parodie jener Verse. Der Hercules-Com-
modus ist zugleich als Genius des römischen Volkes
auf einem Medaillon durch Füllhorn in der L. und
Opferschale in der R. bezeichnet (iFröhner, M6-
daillo/is p. 139). Nach dem Vortragenden ist bei
diesem Hercules die Abweichung von der gewöhn-
licheu Genealogie weniger autfallend. Wenn die
Griechen, auf die der Gebrauch einen lebenden
Menschen zu einem bestimmten Gott zu machen zu-
rückgeht, dem Namen desselben gewöhnlicli veog
oder Vi« vorsetzen, so dass z. B. M. Aurel und
Sitzungsberichte.
43
L. Verus 3enl 'Oh'finini vsni Jinaxovgoi heissen,
Julia, die Gattin von Septimius Severus, via "Hqa
'Pwftaia, Plotina ^qiQodkrj, &ea vswxeQa, so deute
der Zusatz an, dass die Identification nicht völlig
sei. Hat sich dieselbe möglicher Weise nicht mit
auf die Herkunft erstreckt, so konnte Hercules-
Commodus auch in ein verwandtschaftliches Ver-
hältniss zu Silvan gebracht werden. Nach dem
Zeugniss der Inschriften sei Silvan der Patron der
Gladiatoren, wenigstens zu Commodus Zeit und in
Rom bei seineu Banden gewesen. Nun war Com-
modus stolz auf seine Tüchtigkeit als Gladiator und
auf diese geht nach den Schriftstellern seine Verehrung
als Hercules zurück: so ersclieine die Anknüpfung
an Silvan nicht unerklärlich. Herr Mommsen, der
mit der Beziehung auf Commodus einverstanden
war, erklärte sich mit Entschiedenheit gegen die
Ansicht, dass die Herkunft des als Hercules gelten-
den Commodus von der des Hercules hätte verschie-
den gedacht werden können. Es müsse eine Sage
gegeben haben, nach der die Mutter des Hercules
eine Tochter des Silvan war.
Sitzung vom 6. April 1880. Der Vorsitzende,
Herr Schöne, theilte ein an die Gesellschaft gerich-
tetes Telegramm des Herrn Treu aus Olympia
mit, worin derselbe über den gefundenen Kopf des
Dionysos aus der Gruppe des Praxiteles berichtet.
Ferner machte er die sehr erfreuliche Mittheilung,
dass die griechische literarische Gesellschaft zu Con-
stantinopel der deutscheu Regierung ein in ihrer
Sammlung befindliches zu den Sculpturen des grossen
Altars von Pergamon gehöriges Fragment, welches
an eine der in unser Museum gelangten Platten an-
passt, zum Geschenk gemacht habe. Daran knüpfte
er den Ausdruck besonderen Dankes an den an-
wesenden griechischen Gesandten Herrn Rangabe,
dessen gütiger Vermittelung jener Entschluss we-
sentlich mitzudanken ist. Von neuen Erscheinun-
gen konnten vorgelegt werden: Overbeck, Ge-
schichte der griechischen Plastik. 3. Aufl., Liefrg. 1 ;
Stark, Handbuch der Archäologie I, 2 (das Werk
soll nicht weiter fortgesetzt werden); Fergusson,
Erechtheion, übersetzt von Dr. Ludwig Meyer, be-
vorwortet von Schliemann; Programm des Johan-
neums in Hamburg mit einer Abhandlung von
Dütschke über ein Relief mit der Darstellung der
Familie des Augustus in Florenz; M. C. Descemet,
Marques de briqites relatives ä utte parlie de la getis
Domitia. An das letztere Werk knüpfte der Vor-
sitzende einige Bemerkungen, indem er namentlich
hervorhob, wie man einzelne Sklaven an der Hand
der Inschriften durch mehrere Phasen ihres Lebens
begleiten könne. — Herr Mommsen sprach über
einige Inschriften auf neuerdings am Esquilin, in
Campanien und Etrurien aufgefundenen Gefässen,
welche sämmtlich aus der Fabrik von Cales stam-
men. Die Verfertiger dieser Gefässe führen Vor-
uud Gentil-Namen wie die römischen Bürger, aber
mit einem Zusätze, z. B. C. s. = Caji servus: es
waren also Sklaven, die mit Bewilligung ihrer
Herren sich als Freie gerirten. Dies sei, so führte
der Vortragende aus, die in den älteren Zeiten der
Republik allein üblich gewesene Art der Freilassung,
ein rein privatrechtlicher Act, wonach dem Herrn
die volle Gewalt über den Sklaven verblieb. Erst
allmählich habe sich die wirkliche Freilassung in
das römische Recht eingeschlichen. Die richtige
Auffassung dieses Verhältnisses, wie sie Redner
schon früher angenommen und nun durch jene In-
schriften eine monumentale Bestätigung findet, ist
von der einschneidendsten Bedeutung für die ganze
ältere römische Geschichte: auf jene ältere, rein
privatrechtliclie Freilassung sei die Entstehung der
plebs zurückzuführen. — Herr Körte berichtete über
den Fortgang der Arbeit am 2. Baude des vom
Institut herausgegebenen etruskischen Urnen-
Werkes, dessen Publication ihm übertragen ist.
Der Inhalt des Bandes wurde kurz characterisirt
und dann mehrere Serien von Urnenzeichnungen
vorgelegt, für welche der Vortragende neue oder
besser begründete Deutungen geben zu können
glaubte. — Herr Bor mann sprach über die s. g.
latercula miliium aus Rom und wies nach, dass
diese Inschriftplatten mit nach Centurien geordneten
Namenlisten die Bekleidung von aediculae bildeten,
welche die Soldaten der römischen Besatzung bei
Gelegenheit ihrer Entlassung stifteten. Die vor-
geschriebenen Jahre bezeichnen die Zeit der Ein-
stellung; dass gewöhnlich zwei Jahre angegeben sind,
glaubt der Vortragende am wahrscheinlichsten so
erklären zu können, dass alle zwei Jahre Entlas-
sung stattgefunden hat.
DIE AUSGRABUNGEN YON OLYMPIA.
BERICHTE.
39.
Der rechte Fuss des praxitelischen Hermes ist
am 23. December bei der Umliackuiig der Erde
zwischen der Cellawand und den Südsäulen des
Heraion ausgegraben worden. Hier scheint er lie-
gen geblieben zu sein, als man die Unterbeine der
Statue und die Obersteine ihrer Basis verschleppte,
und wurde dann in den Boden des Tempelumgan-
ges eingetreten, denn er lag nur 25 Cm. unter dem
Stylobat. Es darf als ein glücklicher Zufall be-
zeichnet werden, dass, nach den Fundorten von
Hermesfuss und Dionysosrumpf zu urtheilen, die
fehlenden Theile unserer Gruppe nach S., resp.
S.W. verschleppt worden sind; denn nun haben wir
Hoffnung, dieselben vielleicht in den noch auszu-
grabenden Terrains südwestlich vom Heraion wie-
der aufzufinden.
Der Fuss ist übrigens nicht nur als Ergänzung
des schönsten aller olympischen Funde werthvoll,
sondern auch an sich ein wahres Juwel an Aus-
führung und Erhaltung. An dem zierlichen Riemen-
werk der Sandale, das uns ein Beweis dafür ist,
mit welcher Liebe die Hand des Künstlers selbst
bei diesen Nebensachen weilte, sind sogar noch die
rothe Farbe und leichte Spuren der Vergoldung er-
halten, welcher jene zum Untergrunde diente. Auch
Bronze, und wohl vergoldete Bronze, scheint, nach
einem erhaltenen Stift auf dem Spann des Fusses
zu urtheilen, zur Verzierung des Schuhwerkes ver-
wandt gewesen zu sein. Die edlen Formen des
Fusses sind mit einem Raffinement vollendet, das
nicht weiter getrieben werden kann. Mau glaubt
förmlich, die weisse Haut zwischen dem rauh schraf-
firten feinen Riemenwerke hervorleuchten, die Mus-
keln des voll aufgesetzten Fusses unter demselben
aufquellen zu sehen.
Mit Flügeln scheinen die Sandalen nicht ver-
sehen gewesen zu sein; es lässt sich hierüber mit
ziemlicher Sicherheit urtheilen, da der Fuss erst
über dem Knöchel gebrochen ist. Seine Länge be-
trägt 33 Cm. Es haftet an demselben auch noch
ein Theil der Plinthe, deren roh behauener Rand
völlig in einer Austiefung der Bekrönungsplatte der
Basis verschwand. Letztere besitzen wir ebenfalls,
nachdem dieselbe von den Architekten aus mehre-
ren kleinen Bruchstücken, die in der Heraioncella
umherlagen, wieder zusammengesetzt worden ist.
Einen andern guten Fund haben wir im S. der
Zanes gemacht, wo jetzt die stehengebliebenen Erd-
massen abgeräumt werden: den Panzertorso eines
römischen Kaisers. Die Brust desselben ziert die
Darstellung eines von zwei Siegesgöttinnen ge-
schmückten Tropaions, an dessen Fuss ein gefessel-
ter Gefangener kauert. Neben dem r. Beine der
Statue, dereu untere Extremitäten sich mit Hülfe
früherer Funde vollständig wieder herstellen Hessen,
kniet eine kleine weibliche Gestalt in barbarischem
Kostüm, die Hände auf dem Rücken gefesselt, offen-
bar die Repräsentantin einer unterjochten Völker-
schaft (Ausgrabungen HI, Taf. 18, 2, 3). Da dies
letztere Stück vor zwei Jahren in der Cella des
Metroons gefunden wurde, so können wir mit Sicher-
heit schliessen, dass die ganze Statue von dort
stanmit. Die Vortrefllichkeit ihrer Arbeit stimmt
mit dieser Annahme vollständig überein; denn sie
giebt den ursprünglich ebenfalls dort aufgestellten
Statuen des Claudius und Titus (Ausgrabungen IV,
Tafel 19, 2, 3) wenig nach.
Nach Besprechung dieser Einzelfunde im Herzen
der Altis wenden wir uns zu deu im 0. und W.
des Zeustempels unternommenen grösseren Arbeiten.
Unser voriger Bericht hat die ersten wichtigen
Statuenfunde aufgezählt, welche im äussersten Osten
des olympischen Gebietes, auf dem Westwalle des
Stadions gemacht wurden. Seitdem haben unsere
Grabungen den Kamm des Walles dicht unter der
Berichte aus Olympia.
45
jetzigen Erdobeifliicbe längst überall erstiegen, und
eine reichliche Nachernte von Fragmenten der Tein-
pelskulpturen (darunter die Unterbeine des sinnen-
den Greises vom Ostgiebel, die Plinthe des Zeus)
und zahlreiche Statuentheile aus römischer Zeit
sind uns zugefallen. Jetzt sind wir damit beschäf-
tigt, die Erde des Walles selbst zu durchsuchen,
da uns derselbe an anderen Stellen bereits im vori-
gen Jahre wertbvolle Terracotten und Bronzen ge-
liefert hat, welche wohl bei Gelegenheit einer Auf-
höhung desselben dorthin gerathen sind (Zeuskopf,
Argiverschilde). Gleich südlich vom gewölbten
Stadioneiugauge lasen wir ein 12 Cm. hohes Frag-
ment aus Terracotta auf: die untere Hälfte eines
rothen Silensgesichtes mit schwarzem Barte und
frühlich grinsendem Jlunde, in dem die weissen
Zahnreihen sichtbar werden. Eine weiss gemalte,
also weibliche, kleine Hand zaust ihm um den
Nacken herum am Barte. Offenbar gehörte das
Fragment zu einer jener Gruppen frauenraubender
Silene, von deren einer wir bereits im vorigen
Jahre ein Untertlieil gefunden (Ausgr. z. Ol. IV,
27 a, 1).
Tiefer in der Erde des Walles Bronzen: Thier-
figuren, Dreifüsse, auf deren Ringhenkeln Vögel
sitzen, wie auf den Griifen am Becher des Nestor.
Endlich ein Fragment von dem kreisförmigen Rande
eines bauchigen Gefässes von gewaltigen Dimen-
sionen, auf dem sich die Reste einer Weihinschrift
der Spartiaten erhalten haben. Ihr Weihgeschenk
scheint also bereits in antiker Zeit mit dem übrigen
auf den Kehrichtliaufen gewandert zu sein.
Ein nach S.O. gezogener Graben hat leider
lediglich das Resultat ergeben, dass dieser Theil
des olympischen Gebietes vom Alpheios wegge-
schwemmt worden ist, der statt dessen hier grosse
Sandmassen aufgehäuft hat. Ich kann mich also
ohne Weiteres den ausgedehnten Arbeiten im W.
zuwenden, welche der Hauptaufgabe dieses Winters
gelten, der Aufsuchung der noch fehlenden Theile
des Westgiebels und der Westmetopen. Um dieser
Aufgabe in vollem Masse genügen zu können, ist
in drei Richtungen vorgegangen worden : nach N.W.
(Palästra und Gymnasiongraben), nach W. (N. und
W. der byz. Kirche) und nach S.W. (Südwest-
graben).
Das Gebiet im N. der byz. Kirche hatte seine
Marmorfunde bereits in den letzten Monaten des
vorigen Arbeitsjahres hergegeben. Hier galt es
vorerst, die letzten Reste späterer Ueberbauten zu
beseitigen und den antiken Boden völlig frei zu
legen. Innerhalb der mannigfachen antiken Anla-
gen, die hier zu Tage traten, machten wir einen
ganz eigenartigen Fund, einen viereckigen, stuckir-
ten und bemalten Aschenaltar. Er stand innerhalb
eines kreisrunden Gemaches, mit der Rückwand an
die Nordseite desselben gelehnt. Die Aschenerde,
aus der das ganze Innere des Altars besteht, war
zuerst mit einer rohen Kalkschicht und dann mit
einer ganzen Menge von Stucklagen — wir zählen
deren über 20 — successive umgeben worden. Auf
mehreren derselben Hessen sich Malereien unter-
scheiden; am besten erhalten ist auf der rechten
Seite ein grüner Oelzweig mit braunen Stengeln
auf weissem Grunde. Die Kanten sind roh abge-
schrägt. (H. 40 Cm., Br. 60, Tiefe 40.) Auf und
in demselben fanden sich zahlreiche Kohlen- und
Thierknochen-Reste.
Von der Palästra ist jetzt der ganze südliche
Theil freigelegt. Die späten Mauern, welche ihn
durchziehen, haben auch hier Giebel- und Metopen-
fragmente geliefert. Unter den ersteren namentlich
die Unterbeine der weiblichen Ortsgottheit aus der
linken Ecke des Westgiebels und, zu unserer nicht
geringen Verwunderung, auch ein grosses Stück
von den Hinterbeinen der Reliefpferde aus der nörd-
lichen Hälfte des Ostgiebels. Es ist dieses das
erste Ostgiebelfragment, das wir in den Westen
verschleppt gefunden haben. Unter den Metopen-
fuuden ist besonders der Kopf des kretischen Stiers
hervorzuheben, der sich dem Bruche des Halses in
der pariser Metopenplatte genau anfügt. Der rö-
mischen Epoche scheint die lebensgrosse Statue
eines nackten, ruhig dastehenden Mannes anzuge-
hören, deren Bruchstücke wir hier überall zerstreut
gefunden haben. Sie sind leicht an einem blendend
weissen, überaus feinkörnigen Marmor kenntlich,
dessen sorgfältig polirte Oberfläche einigermassen
an die Weise hadrianischer Zeit erinnert.
Jetzt sind die Trümmermauern, aus denen wir
diese Skulpturreste hervorgezogen haben, überall
gefallen und wir graben in tieferen Schichten zwi-
schen den umgestürzten Schäften des Säulenhofes,
welche von einer dicken Sandschicht umhüllt neben
ihren Basen und Kapitellen noch so daliegen, wie
sie ein Erdbeben hingeworfen.
Hand in Hand mit dieser Freilegung der Pa-
lästra gingen Aufräumungen vor der Ostwand der-
selben und im S. des Prytaneions, Durchsuchungen
von späten Mauern und Tiefgrabungen. Die erste-
ren ergaben vor Allem ein besonders werthvoUes
Stück, das Vordertheil eines nach 1. schreitenden,
46
Berichte aus Olympia.
lebhaft bemalten Reliefpferdes aus Kalkstein. Dop-
pelt wertbvoU, weil es zu jenen früher gefundenen
Kalksteinreliefs gehört, die wir jetzt mit der grössten
Wahrscheinlichkeit den Götter- und Gigantenkämpfen
im Giebel des Megareer-Schatzhauses zuweisen kön-
nen. Daneben fanden sich die Fragmente eines
räthselhaften grossen Geräthes aus gebranntem und
bemaltem Thon. Das Ganze sieht einer Gefäss-
mündung von bedeutenden Dimensionen (Höhe ca.
70 Cm.) am ähnlichsten, kann aber einem Gefäss
schon deswegen nicht angehört haben, weil es nach
unten offen ist und die runde Mittelöfifnung bei
einem Durchmesser des ganzen Mündungstellers von
ca. 1,80 M. nur etwa 10 Cm. beträgt. Vielleicht ist
an einen Opfertisch oder dergleichen zu denken;
jedenfalls haben wir etwas ganz Eigenartiges und
Neues vor uns. Die tieferen Schichten ergaben
wie gewöhnlich Bronzen, darunter einen grossen
Kessel und ein alterthümliches Inschriftplättchen.
Ein noch weiter nach N.W. dui'ch die terra in-
cognita des grossen olympischen Gymnasiums ge-
zogener Graben ist erst in die Gegend der hoch-
gelegenen späten Trttmmermauern hinabgestiegen,
so dass nur von vorläufigen Funden in demselben
die Rede sein kann. Der bedeutendste darunter
ist das Obertheil eines sehr schön gearbeiteten
weibl. Porträtkopfes der römischen Epoche.
Wie hier den N.W., so haben wir schon im
vorigen Jahre den ganzen S.W. des olympischen
Gebietes mit einem mächtigen gegen 7 M. tiefen
Graben durchschnitten. Von den grossen architek-
tonischen Ueberraschungen, die er uns gebracht,
wird anderswo die Rede sein. Auf die Frage nach
den fehlenden Giebeltheilen lautete seine Antwort
lediglich negativ. Archäologische Funde hat der-
selbe überhaupt fast nur in seinem N.O.-Ende ge-
bracht, wo die Reste von Erzstatuen aus römischer
Zeit umherlagen, und dicht am s.w. Altisthor, wo wir
einen schön erhaltenen Bronzediskus mit der Weih-
inschrift eines korinthischen Fünfkämpfers aus der
255. Olympiade (245 n. Chr.) auflasen.
Olympia, den 1. Januar 1880.
Georg Treu.
40.
Galt die 4. Ausgrabungsperiode besonders dem
0. und S.O. Oiympias, so wurde die laufende 5. der
Freilegung des ganzen westlichen Theiles bestimmt.
Schon jetzt haben wir auf dieser Seite eine statt-
liche Reihe wichtiger Bauten ausgegraben, welche
fast den ganzen Raum zwischen der Altis und dem
Kladeos einnehmen. Sie liegen ausserhalb des hei-
ligen Bezirkes an einer breiten Strasse, welche neben
der westl. Altismauer herläuft und von der zwei
Thore das Betreten der Altis gestatteten. Das nörd-
lichste dieser Gebäude ist die schon vor 2 Jahren
aufgefundene Palästra; weiter südl. folgt ein Ge-
bäudecomplex, der sich um den antiken Unterbau
der byzantinischen Kirche — höchst wahrscheinlich
die Werkstatt des Phidias — gruppirt; den südl.
Abschluss bildet das grosse Gymnasion.
Am Schlüsse der letzten Campagne waren wir
westl. vom Altiswestthore auf eine ionische Säulen-
halle gestossen, deren Ausdehnung nicht mehr fest-,
gestellt werden konnte. Die diesjährigen Grabun-
gen haben nun ergeben, dass dieselbe zur äusseren
Halle einer sehr stattlichen, aus dem 4. Jahrh. v. Chr.
stammenden Bauanlage gehört, die schwerlich etwas
anderes sein kann , als das grosse Gymnasion
von Olympia. Obgleich erst ein kleiner Theil des
Gebäudes freigelegt werden konnte, sind wir doch
über seine Ausdehnung und im Allgemeinen auch
über seine Grundrissbildung unterrichtet: einen in-
neren quadratischen Hof von ca. 30 M. Breite um-
giebt eine dorische Säulenhalle, an die sich auf
allen Seiten eine doppelte Reihe von grösseren und
kleinereu Räumen anschliesst. Rings um das Ganze
legt sieh eine nach aussen geöffnete ionische Säulen-
halle, welche der Anlage ein prächtiges Aussehen
verlieli. Die dorischen Säulen des Hofes, schon
mit fast geradlinigen Echiuen, haben sehr weite
Abstände, so dass auf jede Axe drei Triglypheu
kommen. Von diesen sind zahlreiche Exemplare
vorhanden. Die dorischen Geisa, welche noch
schöne Farbenspuren zeigen, waren mit sehr edel
gezeichneten Akroterien aus Terrakotta bekrönt.
Die äussere, den Oblongbau umkreisende Halle
war abgewickelt über 300 M. lang und besass 138
ionische Säulen. Hir Architrav ist aus zwei Fascien
gebildet und trägt unmittelbar das Geison, welches
mit einer prächtigen Rankensima aus Thon ge-
schmückt war. Ausser diesen dorischen und ioni-
schen Stützcnstellungen enthielt der Bau im Innern
höchst interessante korinthische Säulen mit bemalten
Kelchkajiitcllcn, deren glatte Fassung an ägyptische
Kapitelle erinnert. Das Gebäude ist verhältniss-
mässig gut erhalten : die unteren Theile der Wände
und die Basen der sämmtlichen ionischen Säulen
stehen noch an ihrer alten Stelle; dagegen sind die
Säulentrommcln, die Kapitelle und die Gebälke in
byzantinischer Zeit abgebrochen und zum Bau der
grossen Festungsmauer verwendet worden. Diese
Berichte aus Olympia.
47
Verpflanzung hat die einzelnen Rauglieder, zum
Theil mit ihrem Farbensclimuke, vor weiterer Zer-
störung bewahrt.
Dass diese Anlage, deren Grundfläche annähernd
ein Quadrat von 80 M. Seitenlänge bildet, eines der
bedeutendsten Gebäude von Olymjiia gewesen sein
muss, ist zweifellos. Da ferner der Grundriss, so-
weit wir ilm kennen, mit der Vitruvisehen Beschrei-
bung eines griechischen Gymnasion übereinstimmt,
so glauben wir das von Pausanias mehrmals er-
wähnte grössere Gymnasion gefunden zu haben.
Allerdings haben die meisten Topographen, den An-
gaben jenes Schriftstellers folgend, das Gymnasion
weiter nach N. verlegt, doch ist einerseits in dieser
Gegend bis jetzt keine Spur eines grösseren griechi-
schen Gebäudes aufgetaucht und andererseits lassen
sich jene Angaben ohne besonderen Zwang mit der
Lage des neu gefundenen Gebäudes vereinigen.
Ein zweites neues Gebäude ist im N. der byzan-
tinischen Kirche aufgedeckt worden. Es besteht aus
einem quadratischen Säulenhofe von 8 dorischen
Säulen an jeder Seite, um den sich eine Reihe ein-
zelner Zimmer gruppirt. In der Axe des Hofes
liegt westl. ein kleinerer Peristyl, dessen Seiten
von je 2 Anten und 2 Säulen gebildet werden;
einige Säulenstümpfe stehen noch aufrecht und zwi-
schen ihnen haben sich Schranken aus Porös er-
halten. Der Peristyl umschliesst einen runden mit
Porosquadern ausgemauerten Brunnen, der jetzt nach
erfolgter Reinigung wieder reines Wasser liefert.
Westl. von jenem Brunnenhofe trat sodann ein
merkwürdiger Rundbau au das Tageslicht. Hoch-
kantig gestellte Porosquadern bilden einen Kreis
von 8 M. Durchmesser, der von einer zweiten qua-
dratischen Quadermauer umgeben ist, so dass der
Bau im Innern rund, im Aeusseren aber viereckig
erscheint. In diesem Rundbau fanden wir den treff-
lich erhaltenen, noch mit Asche bedeckten Altar,
welcher im vorigen Berichte erwähnt ist.
Von der nördl. belegenen Palästra kannten wir
bisher nur den nordöstl. Quadranten und die Um-
fassungswände; nach Freilegung der ganzen südl.
Hälfte während der Monate November und De-
cember ist die Grundrissdisposition vollständig ge-
sichert. Die Mitte füllt ein grosser Hof, der Vitruvs
Beschreibung entsprechend an der Südseite mit
einer doppelten, an den übrigen Seiten mit ein-
fachen Säulenhallen umgeben ist. An diese Um-
gänge schliessen sich mehrere grosse Säle und ein-
zelne kleine Zimmer an, deren Bestimmung sich
zwar nicht überall, aber doch in mehreren Fällen
noch gut nachweisen lässt. Ausser einem Räume,
der, weil er ein Bassin enthält, gewiss als Bade-
zimmer gedient hat, finden wir namentlich viele
Säle, in welchen schön profilirte Sitzbänke aus
Porös an den Wänden angebracht sind; wir dürfen
in iimcn ohne Zweifel Hörsäle für Vorträge er-
kennen. In mehreren dieser Exedren, die sich
nach dem Peristyle hin mit ionischen Stützenstel-
lungen öffnen, sind Basen für Statuen noch in situ
aufgefunden worden.
Neben diesen umfangreichen Anlagen haben uns
die bisherigen Grabungen werthvoUe Ergänzungen
zu melireren schon früher gefundenen Bauten ge-
liefert:
In der Cella des Heraion standen in römischer
Zeit 2 Reihen dorischer Säulen, welche den Innen-
raum in drei Laugschiffe theilten. Die ursprüng-
liche Einrichtung war anders. In ähnlicher Weise,
wie es der Apollotempel bei Phigalia zeigt, waren
an den Längswänden der Cella weit vorspringende
Wandpfeiler vorhanden, welche vorn in Antenform
beendigt waren. Dadurch entstand an jeder Seite
der Cella eine Reihe kapellenartiger, zur Aufstellung
von Weihgeschenken vorzüglich geeigneter Nischen.
Besonders bemerkenswerth ist dabei, dass diese kur-
zen Querwände mit den äusseren Tempelsäulen axial
stehen und zwar so, dass die Kapellen stets eine
doppelte äussere Axenbreite besitzen. Diese genaue
Uebereinstimmung des inneren und äusseren Systems
kann unmöglich erst bei einem späteren Umbau ent-
standen sein, sondern war schon in dem ursprüng-
lichen Plane des Tempels vorgesehen. Daher ist
die auffallend weite Axenstellung der Pterousäulen
(fast 3 untere Durchmesser) als von dem ältesten
Bau herrührend gesichert. Zieht man hierzu die
früher erwähnten Eigeuthümlichkeiten des Heraion
(die Verschiedenheit der Säulen und der Kapitelle,
sowie das gänzliche Fehlen der Gebälkstücke) in
Betracht und erwägt man, dass die G'/^ M. breiten
Kapellen der Cella unmöglich mit Steinarchitraven
überdeckt worden sein können, so kann man sich
der Ansicht nicht verschliessen, dass das Heraion
in seiner jetzigen Gestalt noch der ursprüngliche
Bau ist, dessen Gebälk und äussere Säulen aus Holz
hergestellt waren. Die letzteren sind im Laufe der
Jahrhunderte allmählich durch die verschiedenartig-
sten dorischen Steinsäuleu ersetzt worden, und nur
eine Säule im Opisthodom, welche den zerstörenden
Einflüssen der Witterung am wenigsten ausgesetzt
war, bestand noch zu Pausanias Zeit aus Holz. Das
alte hölzerne Gebälk der Aussenfagaden, welches
48
Berichte ans Olympia.
durch das weit überhängeude Geisou und durch
einen Farbeniiberzug geschützt war, ist höchst wahr-
scheinlich bis zur gänzlichen Zerstörung des Tempels
(im Jahre 395 oder 426 n. Chr.) erhalten geblieben.
Wie ausserordentlich wichtig diese am Heraion ge-
wonnenen Erkenntnisse für die Entwickelungsge-
schichte des dorischen Baustiles sind, liegt auf der
Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.
Von geringerer Wichtigkeit, aber doch nicht ohne
Interesse ist die Auffindung korinthischer Säulen,
welche in der Cella des wahrscheinlich aus dem
4. Jahrh. v. Chr. stammenden Metroon gestanden
haben. In römischer Zeit, bei der grossen Restau-
ration des Metroon, wurden die Kapitelle leider
durch theilweises Abschlagen der Blätter und durch
eine rohe Ueberputzung in dorische verwandelt, so
dass ihre ursprüngliche Fassung schwer erkenn-
bar ist.
Werthvolle Ergänzungen sind dem Schatzhause
der Megarer, dessen Bausteine in die byzantinische
Mauer verbaut waren, zu Theil geworden. Die bei-
den Säulen des im Schema eines Anten-Tempels er-
bauten Schatzhauses, die Architravbalkeu, von denen
der mittlere die Aufschrift Msyaqkov trägt, die Tri-
glyphen und Metopen, die roth und blau bemalten
Geisa, die Giebelblöcke, sowie die schönen Thon-
simen sind fast vollständig gefunden worden. Da
der Bau aus sehr früher Zeit stammt und da sein
Giebel mit den in der vorigen Campagne gefunde-
nen Reliefs, einen Gigantenkampf darstellend, ge-
schmückt war, so wird er unter den wenigen alt-
dorischen iiauteu Griechenlands fortan eine sehr
bevorzugte Stellung einnehmen.
In Bericht 38 war gesagt worden, dass die Echo-
halle wahrscheinlich ionischen Stiles gewesen sei.
Eine genaue Untersuchung des in gewaltigen Massen
vorhandenen verschiedenartigsten Baumateriales hat
aber ergeben, dass die dorischen Säulen, Architrave,
Triglypheu und Geisa, welche den Ilauptbestandtheil
der östl. byzantin. Festungsmauer bilden, der Echo-
hallc angehört haben. Jene frühere Angabe muss
hiernach bericlitigt werden. Der Bau war ursprüng-
lich einschiffig gestaltet; mächtige Holzbalken, deren
Auflager an der Innenseite der Triglyj)lien noch er-
halten sind, überdeckten den 10 M. tiefen Raum.
Erst in der späteren römischen Zeit ist bei einer
nothwendigen Restauration und zur Verminderung
der Spannweite eine mittlere StUtzcnstellung nach-
träglich hergestellt worden.
Olympia, den 1. Februar 1880.
Wilhelm Dörpfeld.
41.
Die Fundamente des grossen Zeusaltares, ein aus-
gezeichneter archaischer Marmorkopf, zwei römische
Bildnissköpfe, das ergänzende Untertheil eines uralten
Eumenidenidols, grosse Stücke der Hydrametope,
Fragmente der Giebelgruppeu und der Nike, zahl-
reiche Inschriften, massenhafte Bronze- und Terra-
cottafunde in der Urschicht des olympischen Bodens,
endlich die Reconstruktion des Gigantenkampfes am
Megareerschatzhause — das sind die Ergebnisse der
letzten Wochen.
Der archaische Marmorkopf ist fast lebensgross
und von einem zurückgeschobenen korinthischen
Helm bedeckt, unter dessen Schirme drei Reihen
archaischer Spirallöckchen hervorquellen. Zwei die-
ser Reihen waren besonders gearbeitet und eingesetzt;
ebenso die schräg gestellten, jetzt fehlenden Augen.
Das breite, bärtige, alterthümlich lächelnde Gesicht
steht etwa auf der Kunststufe der Aeginetenköpfe.
Von diesen jedoch uutersclieidet es sich sehr be-
stimmt durch die Behandlung der breit hervorstehen-
den, fleischigen Wangen, den weichen und vollen,
etwas schief stehenden Mund, durch einen Naturalis-
mus in der Wiedergabe der Lippenhaut, der bei
einem so alten Kunstwerke geradezu in Erstaunen
setzt und wunderlich mit der alterthümlichen Ge-
sammtanlage kontrastirt. Es kann nach alledem
keinem Zweifel unterliegen, dass wir ein Portrait
und zwar aus der letzten Zeit des 6. oder der
ersten des 5. vorchristl. Jahrh. aufgefunden haben.
Die Vernachlässigung von Ohr, Kinnlade und
Hals an der 1. Seite beweist, dass diese Partien
dem Auge des Beschauers ursprünglich entzogen
waren; am wahrscheinlichsten wohl durch einen
Schild, dessen Rand bei ruhiger Armhaltung ge-
rade in diese Höhe hinaufgereicht haben müsste.
Nun findet sich unter unsern früher ausgegrabenen
Fragmenten ein solcher schildbewehrter Arm und
zwei Schildfragmente, die in Marmor, Proportionen
und Stileigenthümlichkeiten so genau mit unserm
Kopfe übereinstimmen, dass man an der Zusammen-
gehörigkeit nicht zweifeln kann. Auf dem Schild-
reste am Arme und einem der übrigen Fragmente
lässt sich auch noch das Relief des Schildzeicheus
erkennen: Phrixos, der auf goldwolligem Widder
über die Fluthen reitet. Dieses Emblem hilft uns
Arm und Kopf mit grösster Wahrscheinlichkeit einem
der Siegcrbilduisse zuzuweisen, die Puusanias be-
schreibt. Er erwähnt nändich G, 17, 6 die Statue
des Eperastos, der im Waffenlauf gesiegt hatte, also
wahrscheinlicii mit Helm und Schild dargestellt war.
Berichte aus Olympia.
49
In seiner Inschrift vülimte er sich, „aus dem Ge-
schleclitc heiligredender Kiytiaden und ein Seher aus
dem Gebliite göttergleicber Melampodideu" zu sein.
Melam])us aber ist ein Neffe des Phrixos und ein
Vetter des Jason, gehört also jenem minyschcn Ge-
schlechte thessalischer Aioliden an, auf dem der
volle Glanz der Argonautensage ruht. Eine natür-
lichere Erklärung für jenes Sciiildzeiclien wird sich
schwerlich finden lassen: es ist ein stattliches Wap-
penbild, das Eperastos am Ehrentage seines Sieges
trug ; ein Ahnenbild, das die stolze Genealogie der
Weihinschrift noch weiter hinaufführt.
Auch der Fundort von Arm und Fuss unserer
Statue — denn auch diesen besitzen wir walir-
scheinlich — stimmt zu dieser Annahme vortreff-
lich. Wie Fausanias vom Leonidaion kommend und
zum grossen Zeusaltare gehend das Bildniss des
Eperastos in der Nähe des Gorgias stehen sah, so
haben wir die Glieder des einen und die Basis des
anderen zwischen Leonidaion und Zeusaltar nicht
weit von einander vor der N.-O.-Ecke des Zeus-
tempels wieder aufgefunden, gewiss auch unfern
ihres ursprünglichen Standortes. Der Kopf freilich
war in den N.-W., in die Nähe des Pelopionthores
verschleppt worden, wo er in einem mit Ziegel- und
Porosbrocken gefüllten Loche liegen blieb. —
Von den römischen Portraitköpfen erinnert der
eine an die Züge des jugendlichen Augustus; der
andere, welcher sich einer Gewandstatue aus der
Exedra aufs genaueste einfügt, stellt die jüngere
Faustina dar. Dort steht auch noch die Basis mit
der Weihinsclirift des Herodes Atticus. Die Ge-
mahlin des Marc Aurel erscheint in dieser Statue
von einem jugendlich anmuthigen fast mädchen-
haften Reiz, wie kaum sonst in ihren zahlreichen
Bildnissen. War sie hier doch als ganz junge Frau
dargestellt, wie man aus den Inschriftbaseu ihrer
zugleich aufgestellten beiden ältesten Kinder mit
Hecht geschlossen hat. —
Aus den späten Mauern über der Echohalle zo-
gen wir das Untertheil jenes ägj'ptisirenden weib-
lichen Idols hervor, dessen im 30. Bericht Erwäh-
nung getliau ist (Ausgr. IV. Taf. 17). Es wird durch
diesen neuen Fund noch merkwürdiger; denn nun
erweist sich, dass die säuleuartig starr dastehende
Göttin mit beiden eng am Körper anliegenden Hän-
den je eine Schlange am Halse gepackt hielt. Wir
besitzen in ihr somit die älteste aller Eumeniden-
darstellungen. —
Ganz in der Nähe dieses kostbaren Stückes fan-
den wir ein grosses Fragment vom Mantel der Nike
Archiiolog. Ztg., Jahrg. XXXVHI.
des Paionios, das durch mannigfaclie Anfügungen
früher gefundener Fragmente zu einer Höiie von
ca. 50 und einer Breite von ca. 90 Cm. angewaciisen
ist. Wie das Gewand angeordnet war, das im
Rücken der Göttin in gewaltigem Bogen sich bauschte,
ist leider eine noch ungelöste Frage. Das neue Stück
bringt mit der Ausfüllung einer grossen Lücke neue
Rätlisel durch Nachweis eines Gewandansatzes an
der Innenseite des Mantels. —
Die Giebelgruppen des Zeustempels, besonders
die westliche, haben in dieser Zeit wiederum neuen
Zuwachs an ergänzenden Gliedmassen, Kürperfrag-
menten und Faltenstücken erhalten; von den Me-
topen aber ist uns eine fast ganz neu gewonnen,
die mit dem Hydrakampfe des Herakles.
Ein riesiger Schlangenleib wälzt sich von 1. her
in wulstigen Windungen durch die ganze Metope
und bäumt sich am r. Rande derselben hoch empor.
Wohl ein Dutzend Schlangenbälse entspriessen ihm
hier, sich bald kampfesmuthig emporreckend, bald
todt daliegend. In diese tritt Herakles von 1. her
hinein, mit der L. einen derselben packend. Er-
legte Sclilangenbälse und abgeschnittene Köpfe um
ihn herum zeugen von gethaner Arbeit. Uebrigens
besitzen wir vom Herakles bis jetzt wenig mehr
als den Torso. Die Aehnlichkeit mit der entspre-
chenden Theseionmetope ist unverkennbar; nur fehlt
lolaos. Doch während dort im Sinne einer vorge-
schrittenen Kunstübung aller Nachdruck auf die Be-
wegung des hastig lierbeieilenden Helden gelegt ist,
verweilt unser Künstler mit alterthümlicher Breite
bei der Schilderung seines grotesken Ungethüms,
dessen Schlangenkuäuel fast Dreiviertel der Metope
einnimmt. Dass sich ein ähnliches Zusammentreffen
der Motive bei fundamental verschiedener Behand-
lungsweise auch in den Metopen mit dem Eber, den
Diomedesrossen, dem Kerberos und theilweise auch
dem Geryoneskampfe nachweisen lässt, giebt zu
denken. Ueberall wird man die olympischen Me-
topen noch von der älteren Weise gebunden finden.
Am Reliefgrunde der Hydrametope hat sich mehr-
fach ein lebhaftes Roth erhalten. Um so auffallen-
der war es uns, als wir die untere Hälfte der jMe-
tope mit den Beinen des kretisclien Stiers ausgruben,
am Fond reichliche Spuren eines leuchtenden Blau
zu finden, von dem sich der Stierkörper rothbraun
abhob. —
Nicht neu gefunden, aber doch gleichsam neu
gewonnen ist uns jetzt der Götter- und Giganten-
kampf aus dem Giebel des Megareerschatzhauses,
nachdem es uns gelungen, denselben aus den im
7
50
Berichte aus Ol
yiiipia.
vorigen Jahre iu der bjzantinisclien Westmauer ge-
fundenen Eeliefbrucbstücken so weit wiederherzu-
stellen, dass sich über diese älteste aller auf uns
gekommenen Giebelkompositioneu jetzt mit völliger
Sicherheit urtheilen lässt (vergl. auch Bericht 29
und „Ausgraljungeu" Band IV. Taf. 18 und 19). Den
5,80 breiten und 0,73 11. hohen Giebelrahmen füllten
Kämpferpaare und 2 Eckfiguren, also im Ganzen
12 Gestalten. Die Jlitte nahmen Zeus uud ein Gi-
gant ein, der verwundet ins Knie gesunken ist
(Taf. 18). Er, wie alle seine Genossen, sind nach
der Weise der älteren Kunst in voller Waffenrüstung
gebildet. Eechts folgten, den Giebelecken zugewandt,
Herakles mit einem gestürzten Giganten und Ares
kniend, ebenfalls mit einem zu Boden gestreckten
Gegner vor sich (Taf 20 b). Die Ecke nahm ein
gefallener Gigant ein, dessen behelmter Kopf den
äussersten Winkel füllte. Links, in strenger sym-
metrischer Entfernung ebenfalls zwei Kämpferpaare.
Zeus zunächst wahrscheinlich Athena und ihr Geg-
ner; sodann Poseidon und ein erlegter Gigant. Aus
der linken Ecke heraus kommt dem Gotte ein See-
thier zu Hülfe. Von diesen Gestalten besitzen wir
noch 9 mehr oder weniger vollständig; drei (Zeus,
Atheua und den gefallenen Giganten der r. Ecke)
nur in unbedeutenden Besten, was bei dem weichen
Kalkmergel dieser Reliefs und der barbarischen Art
ihrer späteren Vermauerung nicht zu verwundern
ist. Immerhin ist genug übrig, um zu zeigen, wie
die Kindheit der Kunst — unsere Gruppe stammt
etwa aus der Mitte des 6. Jahrh. und walirschein-
lich aus der Schule des Dipoinos und Skyllis —
dergleichen Aufgaben in engem Kaume uud mit be-
schränkten Mitteln zu lösen suchte. Hier haben wir
die ersten Anfänge jener unausgesetzten Bemühun-
gen vor uns, welche die griechische Kunst einst zu
jenen vollendeten Leistungen hinaufführen sollten,
die wir jetzt am Gigantenaltar von Pergamon be-
wundern.
Georg Treu.
42.
Eine reichere und mannigfaltigere Ernte als
dieses Mal haben unsere Berichte selten zu ver-
zeichnen gehabt. Wir danken dieses vor Allem
unserm Kaiser, dessen Munificenz es ermöglichte,
die Zahl der Arbeitskräfte fast bis zur doppelten
Höhe zu steigern, um den nahen Abschluss der
Ausgrabungen zu einem voUständigeu und würdigen
zu gestalten. Vor allem ist der Kopf des Dionysos-
knäbleins gefunden, das der praxitelische Hermes
auf seinem Arme trägt. Es ist dies ein ganz be-
sonderer Glücksfall. Alle andern noch fehlenden
Theile der Gruppe, mit Ausnalime etwa der rechten
Hand, hätten wir allenfalls noch verschmerzen kön-
nen; dieser allein wäre für uns völlig unersetzlich
gewesen. Keine moderne Phantasie, kein verglei-
chendes Studium hätte uns zu zeigen vermocht, in
welcher Weise Praxiteles einen Kinderkopf gebildet
haben müsste. Man durfte auf die Lösung dieses
Problems um so mehr gespannt sein, als es be-
kannt ist, wie spät erst die griechische Kunst die
Schwierigkeit der Kinderdarstellung vollständig über-
windet. Dass das Dionysosknäblein für sein Alter
zu klein gebildet, ja überhaupt als Nebenwerk be-
handelt sei, wohl um den Hermes um so melir als
Hauptfigur der Gruppe wirken zu lassen, erfährt
nun eine weitere Bestätigung. Wenn die Propor-
tionen das Auge auch nicht überall ganz kinder-
haft anmuthen und die Einzelbildung des Gesichts
hinter dem Hermes unleugbar ein wenig zurück-
steht, so geniessen wir dafür die Bewegung erst
jetzt völlig in dem Eeize echt kindlicher Lebens-
äusseruug. Als wir am Nachmittag des 27. März
das Köpfchen über 80 M. von dem ursprünglichen
Standorte der Gruppe ausgegraben hatten, da war
es vor Allem die Lebhaftigkeit der Bewegung in
der Kindesgestalt, deren überraschender Wirkung
sich keiner von uns entziehen konnte. Die Be-
schädigungen, welche der Kopf erlitten, sind nicht
erheblich, da dieselben sich meist an der rechten,
dem Beschauer abgewandten Kopfseite befinden, die
linke Seite ist verhältnissmässig gut erhalten. —
Den Berieht über die Metopeufunde beginnen
wir mit der Besprechung des Herakleskopfes aus
der Metope mit dem nemeischen Löwenkampt'e. Bei
der Aufräumung und Reinigung des Zeustcmpel-
Stylobates erwies sich eine der Stylobatquadern als
verschoben; wie es scheint, hatte man den Versuch
gemacht, dieselbe fortzuschaffen und dabei jenen
Kopf als den nächstliegenden Stein zur Stütze unter-
geklemmt. Es muss dies ziemlich bald nach dem
Sturze der Metopen geschehen sein, da der Kopf
bei dieser Gelegenheit zwar die Spitzen von Nase,
Lipi)en und Kinn eiubüsste, dennoch aber als der
einzige von allen bisher aufgefundenen Köpfen
sicii die Bemahlng von Haar und Augen erhal-
ten hat. Sie ist nach dem sacliverständigen Ur-
theil unseres Gastes des Herrn Prof. Zimke aus
Marburg anscheinend in englisch Roth (Eisenoxyd)
hergestellt, und an dem grössten Theil des Haares,
den Augenbrauen, den Liderrändern und dem Stern
des r. Auges in lebhaften uud reichlichen Resten
Berichte aus Olympia.
51
zu constatireu. Die Gesicbtsh.aut dagegen ist auch
hier weiss und glatt, während das Haar rauhere
Oberfläche zeigt. Dass der Kopf aus der Löwen-
metope stammt, geht unwiderleglich daraus hervor,
dass seine Wange auf die rechte, noch erhaltene
Hand gestützt ist. Diese Stellung findet einzig in
dem Pariser Bruchstücke des genannten Keliefs ihre
Erklärung, aus dem hervorgeht, dass Herakles nach
1. gewendet neben dem erlegten Löwen stand und
den r. Fuss auf dessen Leib setzte. Der r. Ellen-
bogen wird sich auf den Schenkel gestützt haben.
Es ist ein schöner und, so weit wir sehen, unserm
Künstler ganz eigenthümlicher Gedanke, den Hel-
den nach seinem ersten Siege in dieser ausdrucks-
vollen Duldergeberde darzustellen, als gedächte er
aller der Kämpfe und Gefahren, die ihm noch be-
vorstehen. —
Unter den neu gefundenen Giebelköpfen ist der
schönste der der knieeuden Lapithin aus der linken
Giebelhälfte. Die Geberde, mit der sie ihr Haupt
tief auf die Brust niederbeugt, um sich vor der
Umklammerung des Kentauren zu schützen, der sie
mit seinem Hinterbeine festzuhalten sucht; die vollen,
grossen Gesichtsformeu, das gelöste Haar, welches
das Haupt iu gedrängter Fülle umflattert, alles dies
ist in monumentaler Grösse und Strenge der Auf-
fassung zu packender Wirkung gebracht. — Von
der einzigen noch fehlenden Gestalt des West-
giebels, dem Theseus, ist wiederum ein kleines
Fragment, eine Hinterkopflamelle zum Vorschein
gekommen. Man könnte dies als ein böses Omen
nehmen; allein wie wenig wir auf die Hoffnung
zu verzichten brauchen, zerschellte Köpfe allmä-
lig zusammenzufinden, also z. B. auch der Paio-
uios-Nike ihr Antlitz wiederzugeben, hat uns wieder
der Fund von dem Gesichte des knabenraubenden
Kentauren gelelirt (20. März). Auch von diesem
hatten wir bereits früher Hinterkopfstücke gefunden.
Das Gesicht aber ist uns dennoch gerettet worden,
und zwar dadurch, dass ein später Ansiedler der
Gegend im S. des Philippeions das Grab seiner
Angehörigen unter seiner Hütte mit einer zweiten
Deckschicht aus Ziegelsteinen, Porosbrocken und
Marmorfragmenten versah, in die er auch dieses
Kopfstück mit einflickte. Es ist eins der charak-
teristischsten Kentaurengesichter mit wirrem, kurzem
Haar, niedriger, gefurchter Stirn und dem Ausdruck
thierischer Wildheit in den Zügen. —
An demselben Tage wie den eben gemeldeten
thateu wir noch den Fund einer überlebensgrossen
ApoUonstatue römischer Zeit. Ueber die feineren
Stilnüancirungen wird sich erst nach Auffindung des
Gesichts, der Unterarme und Unterbeine urtheilen
lassen. Der von einer Chlamys locker umgebene 1.
Arm hielt eine Leier, die Rechte also wolil ein
Plektron. Das Haupt schmückte ein Metallkranz;
die sonst üblichen Schulterlocken scheinen gefehlt
zu haben.
Unsere übrigen plastischen Funde bestehen aus
einem überlebensgrossen nackten männl. Torso rö-
mischer Arbeit und dem Körper eines Satyrknaben,
der, au einen Baumstamm gelehnt, die Flöte bläst,
auch dies eine mittelmässige römische Wiederholung
eines bekannten Typus. Wichtig ist der Fund eines
fast lebensgrossen, leider aber sehr beschädigten
Terrakottakopfes, der in Darstellung und Stil grosse
Uebcreinstimmung mit dem Haupte des Heraion-
kultbildes zeigt.
Olympia, den 2. April 1880.
Georg Treu.
52
INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.
334.
Block aus parisc-hem Marmor, 0,4S lang, 0,308 breit, 0,17
hoch. Rechte Seitenfläche gebrochen; Vorderfläche und linke
Seiteuflüche glatt bearbeitet, die Rückseite nur mit dem Spitz-
hammer (Anschlus.-fläche): die Oberflüche ist rauh vorgearbeitet,
vermuthlich zu spaterer Verwendung. Gefunden im Südwest-
graben am 19. December 1S79, verbaut in eine der späteren Ziegel-
mauern, 12, .50 M. westlich von der 5. (von N. gerechnet) Ost-
säule des grossen Südwestgebäudes. Abschrift von Furgold.
„Der letzte Buchstabe ist so zerstört, dass sich
Bcht entscheiden lässt, ob die zwei noch erkenn-
baren Vertiefungen von einem A oder A herrühren
oder zufällige Verletzungen sind; in anderer Be-
leuchtung schienen schwache Umrisse eines O dar-
über sichtbar sein." K. Purgold.
Ja/xdyTjTOs Jiayöqa, Ob am Ende noch ein
Buchstabe gestanden hat, muss nach den vorste-
henden Angaben von Purgold dahingestellt bleiben.
Doch wäre die Form Jiayoqao für den Dialekt und
die Entstehungszeit dieser Inschrift buchst auffal-
lend, da auf dorischem Gebiet diese Genetivforra
(natürlich abgesehen von metrischen Inschriften) nur
in einer uralten Grabschrift von Melos (Hermes II,
p. 454; Kirchhoff, Studien zur Gesch. des gr. Alph.'
p. 57) vorkommt, während das Denkmal der Nach-
kommen des Diagoras von Rhodos, das Pausanias
VI, 7,1 erwähnt und zu dem dieser Block gehörte,
am Ende des fünften Jahrhunderts vor Chr. errich-
tet sein muss. Ueber die Bedeutung des Fundes
für die Baugeschichte bemerkt Herr Dr. Purgold
Folgendes: „Da Pausanias die Reihe der Ehren-
statuen dieses rhodischen Geschlechts noch unverletzt
sah, gewährt die Verwendung derselben in jener
Mauer einen chronologischen Anhaltspunkt für die
Entstehung der späteren Einbauten in die Südwest-
halle, deren Ziegehverk trotzdem nach dem Urtheil
der hiesigen Architekten zu dem besten in Olympia
erhaltenen gehört." Dazu fügt Herr Dr. Treu noch
einige Bemerkungen über den Aufstellungsort der
Diagoridengruppe: „Ursprünglich wird die Dama-
getosbasis mit denen der übrigen Diagoriden vor
der Nordostecke des Zeustempels gestanden haben,
ist also um etwa 230 Meter nach Südwesten ver-
schleppt worden. Pausanias (VI, 7, 1) führt sie
nämlich zwischen den Statuen des Kallias, Eukles
und Eutiiymos (VI, 6, 1. 2. 4) einerseits und der des
Hellanikos (VI, 7, 8) andrerseits auf, deren Basen
wir sämmtlich im nordöstlichen Theil der byzanti-
nischen Mauer, also ungefähr 35 Meter östlich von
der Nordostecke des Zeustempels, wiedergefunden
haben."
335.
Oberplatte einer Basis aus Kalkstein, gefunden am 1. März
1880 etwa 25 M. südlich vom Ostrande des Philippeion, verbaut
in eine „Slavenmauer", lang 1,50, breit 0,87, dick 0,24. Der
Stein ist an seiner vorderen Schmalseite und an den hinteren
Hälften der Langseiten einfach profilirt, die Vorderhälfte der Lang-
seiten zeigt Anschlussflächc. Hier setzte also jederseits ein Seiten-
block an, an dem sich das Prolil fortsetzte. Die Unterseite des
Blockes ist nur roh behauen und zeigt zwei rechteckige Dübel-
löcher; die Oberfläche hat vorn an jeder Seite zwei Klaminer-
spuren zur Befestigung jener Seitenblöcke und drei grössere Ver-
tiefungen zur Befestigung der darauf stehenden Statuengruppe.
Die Inschrift steht auf dem 15 Centimeter hohen platten Ober-
rande des vorderen Profils in regelmässigen, sorgfältig einge-
hauenen Buchstaben. Am unteren Theil dieses Randes läuft,
nach rechts ansteigend, eine schmale weisse Schicht, in welcher
der Stein mehr verwittert und die Schrift daher nur noch zum
Theil erkennbar ist. Purgold.
AAKEAAIMONI.QNO
l<|)V-ilON
T E S Y
n O T n N T
Y P A N N^^ -^
/kaaaikpathoeo
H E N O^N
.AEONTHZIONKATArArONTA
/eistanfatp
lAAKAIAlAJAYSANTAFOTITOYSnOAlTAZ
KAIEISTANEH
A P^
/
O 1 A N
Z ! TA
A Z A N T A
yfa-^EÖaijiim'uov o'i cfv[Y\6vztg vnn tuiv TVQ(ivt'\iiii'\ elg tccv naigida xai diaXvaavta nmi xnvg nnXttag
KaX).txQc'ciTj fyto^irnv yteovzraiov, ■Kazayayövta xai tlg tuv 6§ ctQyßg \evv\oiai\a7tOKa\Ta [arJaaajTa.
W. Dittenberger, Inschriften ans 01ym|iia.
53
Das interessante Denkmal gilt dem bekannten
aeliäischen Staatsmann, der mehrere Jahrzehnte hin-
durch als Haupt der römischen Partei eine einfluss-
reiche und verhängnissvolle Rolle gespielt hat.
Leontion als seine Heimat war bereits durch Polybius
XXIV, 10, 8 bekannt, den Namen des Vaters er-
fahren wir erst durch unsere Inschrift. Ueber die
specielle Veranlassung zur Errichtung des Denkmals,
die Rückführung der lakedämonischen Verbannten,
die Kallikrates als Gesandter beim römischen Se-
nat im Widerspruch mit seiner Instruction durch-
setzte (180 V. Ch.) und dann als Strateg der Achäer
(179 V. Ch.) zur Ausführung brachte, berichtet Po-
lybius XXIV, 10-12 ausführlich.
336.
„Gelber Sandsteinblock 0,82 bieit, 0,36 dick. Ausgegraben
schon in einem der ersten Jahre, am Ostende der Terrasse des
Zeustempels, gerade vor der Mitte der Ostfront, südlich der
Philesiosbasis. Oben hat der Stein Dübellücher; offenbar bildete
er den Vorderblock einer Basis. Die Inschrift hat durch Cor-
rosion gelitten; in Z. 5 glaubte ich ausser dem o bei günstiger
Beleuchtung noch im Anfang die Spuren IAH (unter TTn) und
unter dem A von 'OXvtmiu ein /\ wahrzunehmen." K. Purgold.
TIBEPIONKAAYAIONliPr
PIOYYION\EP5niANiKH
SANTAOAYMTTIA TEePITT
IT fl I T E A E I ri i llllllllllllllllllllllllll
lllllllllllllllllll O IIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII
A u O A \ /// N I O Z A n O A A 5i N I O Y Y o 2:
HAEI05:OKAITIBEPI05:///AYAIOS
TONE AYTOYnATPftrinKAlEYEPrETI-
THN All OAYMTTIßl
Tißegiov KXavSiov Tiß[E\ \ qiov vlov Negtova,
vixr/ I ßavTa 'Olv/.i7iia ts&qIti \ nio zslst'(()
^7iol^[iü]viog ^nokkwvtov vng \ 'Hlelog o xal Ttße-
Qiog [Kl]av6iog \ xov eavTOv ncczQcova xal ev£Q-
yi{rrj) I T}]v Jil 'Okv/tnici).
An dem zu n. 34 geführten Nachweis, dass
die Angabe des Africanus von einem Wagensiege
des Kaisers Tiberius in der 199steu Olympiade
auf einer Verwechselung desselben mit seinem
Adoptivsohn Germanicus beruhe, kann diese Inschrift
durchaus nichts ändern. Denn der Ti. Claudius
Ti. f. Nero derselben kann zwar nicht wohl ein
anderer sein, als der Kaiser Tiberius; aber eben
diese Namen beweisen, dass die Errichtung des
Denkmals nicht nur vor seinen Regierungsantritt,
sondern sogar vor seine Adoption durch Augustus
(2G. Juni 4 nach Chr.) fallen muss, der darin er-
wähnte Sieg also spätestens Ol. 195 (1 n. Chr.) er-
rungen sein kann. Nur insofern trägt unsere In-
schrift zur Aufklärung über die Notiz in dem Ver-
zeichniss des Africanus bei , als sie uns die Ent-
stehung des Irrtliums begreiflich macht: Hatte der
Kaiser Tiberius wirklich einst unter der Regie-
rung seines Stiefvaters selbst mit dem Viergespann
in Olympia gesiegt, während er dann als Kaiser
(nach einer Unterbrechung von nur wenigen Olym-
piaden) die hippischen Agone wieder einführte
und nun seinen Adoptivsohn und präsumtiven Nach-
folger in derselben Kampfart auftreten Hess, so
lag eine Verwechselung dieser beiden Siege gewiss
sehr nahe.
337.
„Basisblock aus gelblichem Sandstein, gefunden im Februar
1880 verbaut vor der Westfront der Echohalle, etwa in der Mitte
derselben. Hohe 0,38, Länge 0,785; die Tiefe beträgt jetzt 0,60,
doch ist der Stein an eiuer der Langseiten gebrochen. Von der
Bronzestatue, zu welcher die auf der anderen Langseite befind-
liche Inschrift gehörte, sind auf der Oberfläche die Standspuren
erhalten, der linke Fuss trat ganz auf, der rechte nur mit der
Vorderfläche und w.ir etwas zurückgesetzt. Dass diese Fläche
jedoch nicht die ursprüngliche Oberseite ist, zeigt ein an der
jetzigen Unterfläche an den drei erhaltenen Seiten herumlaufen-
der, ungefähr 0,06 breiter, 0,025 hoch hervorstehender Rand;
die vertiefte Fläche innerhalb desselben ist in der Mitte rauh ge-
spitzt, an den Seiten geglättet. Der Stein war also ursprünglich
Unterblock einer anderen Basis, in welcher auf seiner jetzigen
Unterseite ein oberer Stein ruhte. Dass er in dieser früheren Ver-
wendung ziemlich lange gedient hat, zeigen sowohl auf der jetzigen
Unterseite als auf der Inschviftfläche zahlreiche, duri'h die dem
K.alkstein eigene Verwitterung entstandene rundliche Löcher; au
einigen Stellen ist deutlieh, dass der Steinhauer beim Eingraben
der Buchstaben denselben auszuweichen suchte." K. Purgold.
AIOrENHSAIONYriOYE'l'ESIorNIKK
SASTOYSSAATTirTASOAYNTTlATTEN
TPAKlSTTYeiAAISlSeniATPISNEME
ATPlSKOiNONASIASAlSENNEAnOAI//
AlSHpAIÄTAENAprEIKAITOYSAOI
TrOY2lEpOYSKAIi:TE'{>ANEITA2Arß
NA2 Tr-AlIOAYNni:ß
„Zeile 3 hat an zweiter Stelle deutlich ein
unter die Linie herabreichendes p gestanden, doch
ist das Versehen durch eine Rasur verbessert."
54
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
JioyivT^Q, JiovvGiov 'Ecpaaiog, vixi] I aag xovq
oalniaTag'0).vvTiia tcev \ räxig, Ilv&ia öig, la&iiua
TQls,Nii.i£ 1 aTQtg,xoivdvidaiasöls,£vNea7i6l[Ei] \
dlg, "Hgata rä ev 'LiQyei, xal jovg loi \ novg hqovg
xai aiecpavelTag äyco | vag n , Ju 'OXvvnup.
338.
„Basis aus, wie es scheint, pentelischem Marmor. Gefunden
am 8. Januar 1880, in eine der ,,Slavenmauern- südlich der
Zanes verbaut. Oben und unten mit einem an allen vier Seiten
herumgeführten vorspringenden Profil versehen. Hijhe im Ganzen
0,75, Breite und Tiefe 0,55, das Inschriftsfeld 0,47—49 in nicht
ganz regelmässigem Quadrat. Auf der Oberfläche verschiedene
Vertiefungen, darunter die Spur des linken, nur mit dem Vorder-
theil aufgesetzten Fusses, und vier tiefere unregelmässige Löcher."
K. Purgold.
PHTiAAX YreiAi
'Pijyi).).a 'Yyelu.
339.
Basis aus pentelischem Marmor, gefunden am 10. Februar
1880, etwa 20 Meter südlich vor der Mitte der Südfront des
Heraion, nördlich dicht neben der Porös -Wasserleitung, die an
der Nordseite des Pelopion entl.ang läuft, nicht in situ. Breite
0,53, Tiefe 0,43. Der obere Theil ist abgebrochen, das Inschrift-
feld in einer Höhe von 0,65 erhalten, unten ist es durch einen
vorspringenden Rand abgeschlossen, unterhalb dessen der Stein
wieder gebrochen ist. Abschrift von Purgold.
-Tö^^O A YMTT I OR
YMNONAEISAi: \
EIAPYMAIBOYAHS
fH^'ftOAYMTTIAAOS
[ — — jYffod 1 \rj!.i]og 'Olvf-iniov \ ifivov äelaag
t'iÖQvi^ai ßovlrjg | rp'](p'{) 'Olvi-iTiiäöog.
Kach gewissen Anzeichen in der Schriftform
dürfte dieses Epigramm dem zweiten Jahrhundert
nach Christus, der Zeit des Hadrian oder der Au-
toninc, angehören.
340.
„Basis aus pentelischem Marmor, beiderseits mit einem vor-
springenden Rande abgeschlossen, der linke einfach, der rechte
doppelt profilirt; mit diesem lang 0,9G, breit 0,54; Inschriftfeld
lang 0,68, hoch 0,48. Diese an drei Seiten herumgeführten
Profile sind oftenbar für eine stehende Basis berechnet, für welche
das linke den unteren, das rechte den oberen Abschluss bilden
sollte. Doch ist von einer Verwendimg des Steins in dieser
Lage nichts zu erkennen, er zeigt weder Reste von Inschrift
noch Standspuren, die einer solchen entsprächen. Dass aber die
Ränder nicht zur Einfassung der gegenwärtigen Inschrift gemacht
wurden, vielmehr diese mit dem durch dieselben gebildeten Raum
zu rechnen hatte, geht auch daraus hervor, dass ibre drei ersten
Zeilen gedrängter geschrieben werden mussten. Auf der nun-
mehrigen Oberseite Standspuren zweier Füsse , der rechte (0,35
lang) mit ganzer Fläche aufgesetzt, der linke nur mit dem Vorder-
theil; in ihm zwei runde Vertiefungen zur Befestigung der darauf
stehenden Bronzestatue." K. Purgold.
TONAeT6 0N<flXAHeceYP6KTHNrroAYXAPMoN
CTHCÄMeNePMÄAlKHCZHNlTTAP'ieYAlKUJl
HNHCÄNA'eAÄHNeceNÄlCIMlHirAPANYCCeN
APXHNTTANTOIHCIÄPICeWNAPeTHC
Tövö^ heov fPiaXiisg evQ(Q)EXT>]v IIoXvxciQfiov
aT>]Oaf.iEv {Qi-ia öixtjg Zrjvl naq Idvdixoj'
ijvT^aav (J' "Ekhp'Eg" ev alai^iit] yccg avvaaev
aQX>]v, navToirjg l'ÖQig iiov aQSiiig.
Der Geehrte scheint Bürger von Phigaleia und
Strateg des achäischen Bundes gewesen zu sein,
die Ehrenbezeugung selbst auf einem Beschluss der
Stadtgemeinde von Phigaleia, dem dann aber das
xoivov TüJv Idxaiöjv zustimmte, zu beruhen; denn
}jv7]aav, das im gewöhnlichen Sinn hier sehr matt
wäre, ist wohl in der Bedeutung von awfveaav
oder wie es technisch in dieser späten Zeit ge-
wöhnlich heisst, Eneipr](f[aavTo, avv£nEipr]q>iaavTO
gemeint. Die Hellenen gaben ihre Zustimmung zu
der von den Phigaleern beschlossenen Errichtung
der Statue. fQfia öixT^g V. 2 erinnert an C. I. Atl.
III, 77G nlovzaQxov, atad^EQijg fQ^a aaocpQoavvijg.
Das vorliegende Epigramm ist entschieden jünger
als n. 330, und schwerlich vor der zweiten Hälfte
des dritten Jahrhunderts n. Chr. verfasst.
341.
„Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Januar 1880
in eine der „Slavcnmauern" im Süden der Zanes verbaut. Hoch
0,89, breit 0,53, tief 0,46. Die Vorderseite ist mit einem ringsum
gieichmässig jirotilirten Rande umgeben, das Inschriftfeld 0,72
hoch und 0,37 breit. Die übrigen Seiten glatt; auf der Ober-
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
55
fläche in der Mitte ein rundes Loch mit nach hinten laufender
Gussrinne zur Befestigung der Tlinthe einer Marmorstatue."
K. l'urgold.
HOAYMniKH
B O Y A H
KAIOAHMOCH
ACIftN-TT-MeMMI
5
ON<|>IAOAAMON
r-M6MMIOY-GYAAMOY
YION-riOYAIOYCnCTAToY
erroNON>e<j>HBeYCAN
TAAPeTHCKAlCn<l'PO
0
CYNHCKAlTTAIAeiAC
eNeKGNKAITHCYTTCP
THNHAIKIANAOHHC
c5ANG0HKeNö
lOYAIAAnAA
5
csHMHTHPä
'H 'OXvfinixi^ I ßovltj I xal 6 dPjfiog 'H \ Xsiiov
n{6n).iov) Msm-u I ov Oilöött^iov, \ r(a'iov) Me^i-
fiiov Evöäi-iov I vlov, I\tttov) 'lovliov ^toargäTov |
eyyovov, ecprjßEvaav | %a, ccQSTrjg xal aoxpQO | avvrjg
xat naidelag \ tvexev xat Ttjg vneQ | Trjv 7]lixLav
dö^rjs I ävsdrjxsv | 'lovlia "AnXa \ rj (^iritriQ,
342.
„Basis aus pentelischem Marmor. Höhe im Ganzen 1,11,
des Inschriftfeldes 0,6S. Breite 0,GO. Bloss an der Vorderseite
oben und unten mit einem Profil versehen, die andern Seiten
nur rauh bearbeitet. Auf der Oberfläche ist die rechte Fussspur
mit zwei runden Lüchern darin, und links einige andere runde
Liicher zur Befestigung der Fasse einer Bronzestatue zu bemerken.
Gefunden am 23. Januar 1880 vor der Westfront der Echohalle,
südöstlich vom Metroon." K. Purgold.
ATAeH TYXH
HOAYMniKHBOYAHKAlO
AHMOCOH\elWNrACINION
KOVAAPATONÄNGVnATON
vnATONAnoAeAei rMENON
TeiMHCANTATHNOAYMni
ANKAiAorwKAieprw
Idyadfizv'/,}]. I 'H'OXviinixrj ßovlr^ xat o \ ör^fing
6 'Hleiiüv r{äiov) Idaiviov \ Kovadgärov, äv!}v7ia-
tov , I ijuctTOv änodEdEiy^iEi/ov^ \ TEti.i>]aavTa Trjv
'Olvf-ini I av xai Aöyf/> xai l'oyoj.
Herr Dr. Treu spricht in einer der Abschrift
beigefügten Bemerkung die Verniuthung aus, dass
dieser Asinius Quadratus der Historiker sei, welcher
(We'Pufiata y^iXiEir^Qig verfasste (Müller Fr. Hist. III,
p. 659). Dies ist nicht nur durchaus wahrschein-
lich, sondern es lässt sich vielleicht in den Worten
TeifitjaavTa T^v'Olv^niav xai koycii xai EQyio eine
directe Anspielung auf jenes Geschichtswerk er-
kennen. Nach Suidas s. v. reichte dasselbe von der
Gründung der Stadt bis zu den Anfängen des
Alexander Severus. Man wird gewiss K. Müller
Recht geben müssen, wenn er der Ansicht von
Vossius {de hisioricis Gr. p. 286 ed. "Westermann)
entgegentritt, wonach der Titel beweise, dass Suidas
geirrt habe und das Werk bis zur Regierung des
Philippus Arabs gegangen sein müsse : vielmehr sei
umgekehrt aus der Thatsache, dass die %iluTriqig
betitelte Geschichtsdarstellung nur bis in die ersten
Jahre des Alexander Severus reichte, zu schliessen,
dass Asinius Quadratus der auch anderweitig nach-
weisbaren Meinung gefolgt sei, nach der das Grün-
duugsjahr Roms mit dem Anfang der Olympiadenzäh-
lung zusammenfalle. Dann liegt aber die Vermuthung
gewiss nahe genug, dass Quadratus, vielleicht im
Proümium, dieses merkwürdigen Zusammentreffens
in einer Weise gedacht hatte, welche füglich als
eine Verherrlichung Olympias aufgefasst werden
konnte. Das in der Inschrift erwähnte Proconsulat
ist sicher (wegen des vrcatov anodEdEiy(.i£vov) ein
prätorisches, und dann, da die Provinz nicht ge-
nannt wird, aller Wahrscheinlichkeit nach das von
Achaia.
343.
„Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Februar 1880
etwa zehn Schritt östlich vor der Apsis der byzantinischen Kirche.
Oben und unten weit ausladende Profile von später Form; mit
denselben hoch 1,25, breit und tief 0,72. Inschriftfeld 0,8-l
hoch, 0,0-1 breit. Auf der Oberfläche der Basis ist aus demselben
Stück ein runder, protilirter Untersatz gearbeitet (0,11 hoch, Durch-
messer 0,51) auf welchem vermuthlich die runde Plinthe der Statue
befestigt war; die Oberfläche dieses runden Aufsatzes hat in der
Mitte ein Loch mit nach vorn laufender Gussrinne, das später,
um den Bleiverguss herauszunehmen, ringsum erweitert worden
ist." Iv. Purgold.
56
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
AfAGHI TYa.
EAOSETHBOTAH
thoAtmttikhi
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l4ya&f] Tvxllj. \ "EöoSs zfj ßovlfj \ rfj'Oh'finixfi |
OXäßiog (Dvla^ \ 'Als^ävögov Gsaaakdg \ ooq>i-
Gtrig' I Qeaaccliüv \ avveÖQog, \ AdrjvaUov \ Idqeona-
ysiTTig.
344.
„Kalksteinblock, gefunden im Januar 18S0 in einer der Slaven-
mauem südlich der Zanesbasen. Hoch 0,98, breit 0,565, tief 0,40.
Die Vorderseite, das Inschriftfeld, ist geglätttet und nach oben
und an beiden Langseiten etwas abgeschrägt, so dass es nur 0,97
hoch und 0,525 breit ist; an den beiden Nebenseiten Dübellöcher.
Die Inschrift ist sorgfältig eingehauen, doch sind die Zeilen nicht
ganz regelmässig gestellt, besonders die untersten ziemlich schief."
K. l'urgold.
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AgloTcava Meaai] \ viov lEQocpävxrjv, \ no(nXiov)
AlXiov Agiaziü | vog i£Qoq)avTov \ vlov, atqttTrjyTq-
aav I za ziov EXli^viov | cfiXozeifKog, avv \ navzeg oi
"EXXrjveg | aviazrjoav, im \ tprjcpiaa^Evrjg xal \ zfjg
IsQCüzäztjg 'HXeI \ cov ßovXijg.
345.
,, Basis aus pentelischem Marmor, gefunden im Februar 1880,
in eine der „Slavenmauern" verbaut. Oben und unten ein an
drei Seiten herumgeführter vorspringender Rand, dessen Profil
späte Form zeigt. Mit demselben hoch 1,18, breit und tief 0,54.
Das Inschriftfeld ist 0,83 hoch und oben 0,42, unten 0,46 breit.
Auf der Oberfläche zwei Fussspuren von der darauf aufgestellten
Bronzestatue, 0,32 lang. Die Buchstaben sind zum Theil nur
ganz flach und unsicher eingeritzt , oflenbar sehr später Zeit."
K. Purgold.
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-r-?|i TONY TT Vt '
Kc()NATTTTION\
GABeiNONHO
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'Aya&fj zi'x/]. \ Tov Xai-mQÖ \ zaxov inazi \ xov
"Attuiov I ^aßsivov ij 'O \ Xv/.tni}erj ßovXfj \ aQSzijg
ivsxa. I xp{i]cpiai.iati) '0X{iii.inix7jg) ßovXrjg.
346.
„Oberblock einer Basis aus pentelischem Marmor, gefunden
am 27. Februar 1880 zwischen dem Pelopionthor und der Süd-
ostecke der Palästra etwa in der Mitte. Lang 1,49, hoch 0,25,
tief 0,76. Der Stein ist vorn mit einem Profil versehen, dessen
oberer 0,125 hoher Rand die Inschrift trägt; er ist unten nur
roh behauen, rechts und links Anschlussfläche; oben hat er an
den beiden Schmalseiten KUmmerliJcher und anf der ganzen Fläche
verschiedenartige Vertiefungen und Standspuren. Da die Inschrift
am linken Rande mit der zweiten Hälfte eines in grösseren Buch-
staben geschriebenen Namens beginnt, so ist anzunehmen, dass
dieser die Mitte bildete und vor ihm auf dem links anschliessen-
den Block ebenfalls noch drei Namen standen. Links muss ein
Stein, dessen Grösse wir nicht mehr berechnen können und der
keine Inschrift mehr trug, angesetzt haben." K. Purgold.
-AT OPAS
pNTOSHAEIOS
>lTTIATE0PITTnflI
r A F I ft I
TIMAPETAtl'iAlSToYHAEIA ■j'IAlSTotANTKl'ANoYSHAEIoS 0EOAOTANTI<))A]MOYSHAEIA
OAYMTTIASYN5^PIAITEAElAl OAYMTriASYNftPIAlTEAEIAI OAYMTTI A APM AT I TTflAlKfll
[ J7pa|^«yoe«g(V) | ... ovzog 'l-lXeiog | |'OAii|//iTta ts^qiutki) \ [zjsXsiq). \ Ti(.iaQi.ta (iJiXiazov 'HXeia | 'OXvfiTiia ovvcoqIöi zeXel^.
OiXiozog AvzKfavnvg 'nXelng \ 'OXifinia avvwQidi zeXsic^. | Qeodöza Avziqxivovg 'HXeia \ '<)Xi/.tTiia aQ^tazi ntüXixw.
W. Dittenberger, Inscbrifteii aus Olympia.
57
Das Denkmal stellte offenbar die siinimtliclien
(sieben, s. die Bemerkung v. Purgold) Mitglieder
einer eleischeu Familie, welche in den Olympien
gesiegt hatten, dar, hatte also eine gewisse Aehn-
lichkeit mit dem der rhodischen Diagoriden. Na-
türlich ist es viel jünger, als dieses, und gehört
wohl dem ersten Jalirhundert vor Christus, allen-
falls auch der ersten Hälfte des zweiten an. Be-
merkenswerth ist, dass sich unter vier erhaltenen
Namen zwei von Frauen finden, als ein neuer Be-
weis, wie gewöhnlich die Betheiligung derselben
an hippischen Agonen gewesen ist.
347.
Weisser Marmor, 0,36 hoch, 0,275 breit, 0,052 dick. Ge-
funden am 27. Mai 1879 im nördlichen Theile des Prytaneion.
Abschrift von Furtwäugler.
A P X I A A A
K AE I nnosA
HPAKAEIAHZSN^Al//TEIS:
MIKKIAITIMßNOZKAYTIAAHS
APISTAPXOIKYPOYIAMIAHZX
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AYAHTHZZniAOZa T
KAiAOYXoiinniAzxAPonoz<|>
APKEZOSAPMO A I OY T
KAOHMEPOOYTHZOAYMniXOZa
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nPATAK^NeM EHHTHTHZ
noAYXAPHZAPIZTOKPATO//Zl1
APXIMATI POZAAEZANAPOZa N
EniZnoNAOPXHZTAIAPEZTOZ
MOAOZZOY X ArAOHMEPOZ
APXIAAOY A"KAAA"NKAEinnoY
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O 1 NOXOOZ I Z I Arzpoz
MOAOZZOY
10
15
20
^QXiäda\g ] -J.
Klei'nnng ^[QiaToddi]i:iov K.
^HQaxXeidr]g) »'(ewrepog?) f.iä[v]tetg-
31ixiclag Ti'fuorog KXvriädrjg
^(jiazaQyng Kvqov Uaßidtjg X.
yQa/nfiazevg
^af-iägiazog ^vxiöy^ov J,
av Xt]Ti']g' Ziü'il 0 e) r.
xl(e)i.dovxoi' 'Inniag Xägonog 0.
'l4QX6aog ^Aqi-iodiov T.
xa-9^i]f.ieQoi^vT}]g' 'Okv/nmxog).
^v?.£vg' ^wTuov). largög'
Äf-miüVlOg) 0. CCQILzi'KTWV'
UgataxcSj') M. s^rjyrjXT^g-
nolvxcxQtjg ^QiaToxQdTo[v]g M.
dfJxil-ict'yiQog' Aki^avögog) N.
iniaTtovöoQXfjarai' ^geaiog
MoXoaaov X. Ayad>]i.t£Qog
AqX^'^^ov Jo. KäXkwv KkeiTinov
2walvixog 'HgaxXidov Jo.
olvoxöog' 'laidwQog
Bloloaaov.
Die Buchstaben, welche hier wie in einigen der
früher veröffentlichten Kataloge der Mehrzahl der
Namen nachgesetzt sind, können kaum etwas an-
deres sein, als Abkürzungen einer dem attischen
Demotikon ähnlichen Bezeichnung; vielleicht sind
es die Phylen von Elis, über deren Zahl zur Zeit
dieser Inschriften wir nichts wissen (für eine viel
frühere Zeit vgl. Paus. V, 9, 6). Die Entstehung
des vorliegenden Kataloges fällt nach Furtwänglers
Bemerkung nahe an Ol. 190 (20 vor Chr.). Denn
in dem aus dieser Olympiade stammenden Verzeich-
niss n. 240 kommen dieselben beiden Kliduchen vor.
Auch n. 63, wo der hier verzeichnete Mantis Mikkias
vorkommt, stammt ungefähr aus derselben Zeit.
Ausserdem macht Furtwäugler darauf aufmerksam,
dass auch hier die Epispondorchesten die Söhne der
Spondophoren sind; ebenso n. 349.350.
Archäolog. Ztg., J.ahrgnng XXXVin.
58
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
348.
Pentelischer Marmor, gefunden 17. Mai 1879 im Pryta-
neion. Höhe und Breite 9,35, Dicke 0,0'2. Abschrift von Furt-
wängler.
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Mägxog Oui'arov F.
5 Nsixo-Kkfjg NecxoxXtnvg
ÄQiaTÖÖTjiiog JtyrjaÜQXOv,
anovöoqiOQOi
Ggdatov 'Eqevviavov
'Eniyovog 'Eniyövov
10 QsodoTog Qeoöotov.
/.lävTEig
Tlv^icov nvi}iiüvog ['[anidrjg]
["OAJvjUTTOg \^OXvi.i7iov KkvTiäörjg].
Verzeichniss aus 01.223 (113 n.Chr.). S. die
Bemerkungen zu n. 349.
349.
Platte jjcntelischen Marmon^, welche, wie die Rückseite er-
kennen liissst, früher ein Dacliziegcl des Zeustenipels gewesen
war, 0,05 dick, 0,42 breit, 0,CG hocli, in drei Stücken, gefunden
a den G. .Juni, b den 7. Juni, c den 9. Juni 1S79, alle drei
verbaut in der byzantinischen Kirche. Abschrift von Furtwüngler.
JioQ IsQa
/nETSxexstQC^ TW fiszct TTJv axy
'OXv^tniäda d-eoxöXoi 'OXvfj.nixoi
rd'iog Movaaiov J.
5 J{ixi.iog) Jäv&iaxLog Qeoyevrjg F.
yfvxdiov ylvxäovog N.
anovdoqiÖQOi
Movaalog Fatov
Faiog Fatov
10 ^nqiojv ylvxäovog.
l.i(ivrQs)ig
"0?.vfinog '0).v/.inov KkvTiäötjg
Flvd-Uüv Tlvd-UovOQ 'lafildrjg.
s^TjytjTt'jg
15 'Qgägiog ^aßlvog.
anovöav lr]g' ^Hgäg Hgccxkidov
(ytvxolswv Jiovvaioii).
enianovdoQX^OTai
^nolXcüviog Movaaiov
FloXvxaqnog Fatov
20 'EnatfiQoÖLXog 26(piovog.
\y\Qani.iatEvg' F^äiog') ...<pevviog KäXXiazog
Interessant sind die Verzeichnisse n. 348 und
349 dadurch, dass sie aus derselben Olympiade da-
tirt sind, jedoch so, dass n. 348 die während der
223. Olympient'eier fuugirenden Beamten, n. 349
die des darauf folgenden vierjährigen Zeitraums (113
bis 116 n. Chr.) aufführt. Mit Ausnahme der beiden
/.lävTEig finden wir durchweg verschiedene Personen
verzeichnet. — Z. 16. 17 ist nach Furtwänglers aus-
drücklicher Angabe der Name ytvxoXiwv Jiovvalov
nachträglich zugesetzt, womit auch der Singular
anovdavXrjg stimmt. Bisher konnten wir zwei Grup-
pen von derartigen Katalogen unterscheiden, von
denen die eine (n. 63. 64. 160. 240. 241. 347), der Zeit
kurz vor Beginn der christlichen Zeitrechnung an-
gehörig'), einen avXT]Ti]g, die andere (n. 161. 206.
245. 247. 350. Eph. arcli. 3486. 3487), sämmtlich zwi-
schen Ol. 240 (181 n. Chr.) und 261 (265 n. Chr.)
verfasst, zwei oder drei onovdavlai nennen.
In die dazwischenliegenden Lücke von beinahe
zwei Jahrhunderten musste nothwendig die Ver-
änderung sowohl in der Titulatur als in der Zahl
') Die Datirung ist nur erhalten n. 240 (Ol. 190 = 20 v. Chr.),
aber alle übrigen liegen nach sicheren Indicien (s. darüber die
Bemerkungen zu den einzelnen Stücken) dieser chronologisch
sehr nahe.
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
59
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A n/o AAOJNIOC MOYCAIOY
no, AYKAPnOC TAIOY
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///pAMMATeYC-r.JUCA<|>eNNIOC KAAAICTOC
dieser Beamten fallen. Schon zu n. 241 wies ich
darauf hin, dass der Fund einer dieser Zwischen-
zeit angehürigen Inschrift leicht darliber Aufklärung
geben könnte, ob Pausanias V, 15, 10 die Aufzäh-
lung des Personals aus einer älteren Quelle
geschöpft, oder nach eigener Erkundigung an Ort
und Stelle über die zu seiner Zeit bestehenden
Einrichtungen gegeben habe. Diese Frage ist nun
meines Erachtens durch die vorliegende Inschrift
zu Gunsten der ersteren Alternative entschieden:
denn während Pausanias die ältere Bezeichnung
avlrjTijs hat, finden wir hier bereits mehrere Jahr-
zehnte vor der Abfassung seiner Eliaca den Titel
anovdavXrjq. Die Aenderung der Bezeichnung hat
also sicher vor Pausanias stattgefunden, wahrschein-
lich aber auch die der Zahl; denn das Natürlichste
ist doch anzunehmen, dass eben in Ol. 223 zu dem
einen Spondaulen nachträglich noch ein zweiter hin-
zugefügt, und dann von der nächsten Olympiade
an durchgehends sofort deren zwei ernannt worden
seien. Sollte aber auch die Zweizahl in jener Ol3'm-
l)iade nur aus besonderen Gründen als vorüber-
gehende Ausnahme zugelassen und erst viel später
als stehende Einrichtung eingeführt worden sein,
8*
60
W. Dittenberger, Inschriften <aus Olympia.
SO genügt doch die Verschiedeiilieit der Benenuuug
zum Beweis, dass Pausanias nicht den Bestand des
Personals wie er zu seiner Zeit war augiebt.
350.
Tafel von pentelischem Marmor, 0,82 hoch, 0,42 breit, 0,01
dick. Rothe Farbe in den Buchstaben noch sehr gut erhalten.
Die Fragmente wurden alle beisammen gefunden, offenbar nahe
dem ursprünglichen Standorte der Platte. Aus den Funden
scheint sich überhaupt zu ergeben, dass die Kataloge dieser Art
ihren Aufbewahrungsort im Prytaneion hatten. Links korin-
thische Säule zur Einfassung, die entsprechende auf der rechten
Seite ist weggebrochen. A. Furtwängler.
20
25
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5 TtßiQ(ing) KX(ai'dins) 'Ynariavos O.
M(äQxng) Msfi^niog) '^AvTSixog F.
M{äQxog) Bixp(äviog) 2avviöag M.
ßnnvdncpÖQO t
Av^qrjhog) I\eixr]cpÖQog S.
10 Av^QTjXiog) 'OvrjaifoQog Klsofiäxov
Av{QriXiog) MrjTQÖßiog JScoTrjQtxov.
(.lävTELg 'OXvfiTTixoi-
Kl(avdiog) "Okv^inng 'la/.udt]g
Av{Qt]Xiog) Äls^avÖQog S. ^Iai.itöt]g
15 Av(Qr]Xiog) ^'OXvf.inog Jio\ye\ixov KkvTiäörjg
u4v(Q)']liog) Kle6i.iaxog M. KlvTiäörjg.
n EQi rjyrirai
Käaa(iog) Beyerog
Klav(diog) 'Yn[a]Tiav6g.
20 anovdavXai
Av^Qriliog) [Ä\l(pEi6g ^ncpiovog
M^ÜQxog) A{vQ>]hog) 'Yyeti'Og
EvTiOQog Jiög.
enianovdoQxriaxai
yieovräg NeixijtpoQOV
25 Jiovvaiog ^Ovr^aicpogov
^vvy_aiQiüv Mr]tQoßlov.
yga^ifiarsiig' ÄnolXiöviog Jiög.
Verzeiclmiss aus Ol. 247 (209 n. Chr.). Aus dem-
selben lässt sich meine Ergänzung von n. 163 Z. 7
berichtigen; denn offenbar hat dort derselbe Name
AiQt]liog'"0?.vfinog Jwveixov Klvziäötjg gestanden,
wie hier Z. 15. Auch der erste /.lävTig beider Ver-
zeichnisse ist identisch, und der Name des dritten
in jener Inschrift (. . . AXOC KAeo . . .) wird wohl
[KX£6i.i]axng KXeolfiäynv] zu ergänzen sein und
dieselbe Person bezeichnen, die hier AlqrjXiog
KlEÖi-iaxng M. KXvTiäörjg heisst. Die einzige Diffe-
renz zwischen den beiden Verzeichnissen in Betreff
der (xävTEig ist also, dass der hier an zweiter Stelle
stehende laniide Aurelius Alexander dort ganz fehlt,
und das beruht wohl auf einem reinen Versehen,
da die Dreizahl der ixävxeig sonst ohne Beispiel
ist. Demnach dürfte die Entstehungszeit von u. 163
viel näher an 209 als an 181 n. Chr. liegen, da sie
mit dem Katalog des letzteren .Jahres (n. 161) doch
nur den einen /.luvrig Claudius Olympus gemein hat.
351.
Der von A. Furtwängler herrührenden Abschrift des jeden-
falls im Sommer 1879 kurz vor Schluss der Ausgrabungen ge-
fundenen Steins lagen keine näheren Angaben über Zeit und
Ort der Aullindung bei.
W. Dittenbcrger, Inschriften aus Olympia.
61
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5 T{hog) Oläßiog Elaidcogog F. t6 y'
M{äQxog) ^vQt'ßiog ^EXXtjvoKQaxi^g O.
^(oixiog) Bsikfjvog ^Täyvg O.
anov d nqioQOf ElaidfoQog
nvif-itüvog, rsvsd^liog 'Ellt]vo-
10 xQaiovg, Nqcfiov ^xäyvog.
(.ittvzEig' Kkavd(iog) IlnXvxQäziqg ^Iafi{idi]g),
Kl(avdcog) Teiaa/.ievdg 'Iafi{(öt]g), Biß{ovX-
hog) 0avaT£(i)-
viavog 'lai^{iöi]g) ^AvT(wviog) Zq^og [Ä/vrta-
drjg^.
\neQirjyrf\%ai' Käaatog Bsy£[rog . . . .]
Laut der Ueberschrift ist dies ein Katalog der
während der 253. Olympienfeier (233 n. Chr.) fun-
girenden Beamten. Der Perieget Cassius Vegetus
kommt schon sechs Olympiaden früher (n. 350), die
drei ^lävTsig Polykrates, Faustinianus und Tisame-
nus noch vier (Eph. 3487), und die beiden letzteren
sogar noch acht Olympiaden später (Eph. 3486)
vor. Diese Aeniter sind offenbar lebenslänglich
gewesen, während das übrige Personal für jede
Festperiode neu ernannt wurde.
352.
Basis aus ijentelisehem Marmor, oben unil unten ])rofilirtei-
Rand. Höhe des Ganzen 0,S5, Hreite 0,50, Tiefe 0,54. Inschrift-
felil 0,46 hoch, 0,44 breit. Auf der UberHiiclie ein unregel-
mässiges Loch mit Gussrinne zur Befestigung einer Marmor-
statue mit l'linthe. Gefunden am 2. Januar 1880 in einer der
„Slavenmauern" südlich der Zanes verbaut. Abschrift von Purgold.
HTTOAICHÄeiCON
KAIHOAYMTTIKH
BOYAH8AOYKHWN
KAAYAlANMNACiee
an-kAoykhnoycai
KAAPOYKAlBeTÄHNHC
KACGIACXPYCAPeTAC
eYTATePA
H nölig 'HleiiDv \ xal ?) 'Olvi.inixrj j ßovlt)
AovxTjvrjv I Kkavdlav, Mvaaid-i | av, K{oivtov) ylov-
x7]vov 2ai\xldQov xal BsrXr^vrjg \ Kaaaiag Xqvaa-
girag \ d-vyaiiQU.
Die Eltern sind bekannt aus n. 43, wo Z. 3 aus
der vorliegenden Inschrift {BeT]lr)vq zu ergänzen
ist. Dieser Gentilname in Verbindung mit dem
Individualnamen XQvaagha weist auf Abstammung
dieser Frau aus der Ehe des L. Vetulenus Florus
mit der Tochter der Julia Chrysarete (n. 78 mit
Nachtrag Jahrg. XXXV p. 196) hin. Auch hier also
wieder ein Beleg dafür, wie der enge Kreis vor-
nehmer Familien, die das öffentliche Leben in Elis
in der Kaiserzeit beherrschten, durch Verschwäge-
rung untereinander verbunden war. Ueber die
Familie des Saiklaros s. n. 9. 14. 43 , über die des
L. Vetulenus Laetus und L. Vetulenus Florus 13.
27. 67. 78 mit Nachtrag. Auch L. Vetulenus Stachys
im dritten Jahrhundert n. Ch. (n. 351) gehört ohne
Zweifel diesem Geschlecht an.
353.
Basis aus pentelischem Jlarmor. Am oberen und unteren
Rande ein an drei Seiten herumgeführtes Profil. Hübe des
Ganzen 0,6G, untere Breite 0,50. Üben an beiden Seiten zer-
stört; doch sind noch zwei Vertiefungen zur Befestigung der
Statue wahrzunehmen. Hübe des Inschriftfeldes 0,47, Breite
0,44. Gefunden am 30. December 1879 in einer der ,, Slaven-
mauern" südlich der Zancsbasen verbaut. Abschrift von Purgokl.
62
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
H^_A_Y_M^Ti rrrr
^ BoYAHr-loYAiO\
IIAITTTTONTPAA
AIANONTONACI
APXHNH0WNeN6
KAcsoAYMTTIAAI
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'H '0At>;<7ri[x^] 1 ßovXrj r(<iiov 'lovXio[v] | Ol-
Xinnov TQaXjXiavov, zov ^oiiäqxqv, tj^-w»» eVelxa,
'Olvfiniadt aXß .
Die Datiruug aus der 232. Olympiade (149 n.
Chr.) lässt nicht den geringsten Zweifel, dass dies
derselbe Asiarcb Philippos aus Tralles ist, der bei
Gelegenheit des von Waddington (Fastes des pro-
vitices Asiat, p. 221) auf den 23. Februar 155 n. Chr.
gesetzten Martyriums des Polykarp vorkommt. Vgl.
Marquardt Ephem. epigr. 1 p. 211 n. 2.
Zu n. 227 (vgl. Jahrg. 1879 S. 143).
Pentelischer Marmor; breit 0,27 mit dem 0,05 breiten Rande, grüsste Höhe 0,15.
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HNMGNeYNOl A^N~iT>.'-£-.,XO N T f (V
und ein wesentliches Stück derselben mit der An-
rede und Datiruug gewonnen. Die bisher nicht
bestimmbaren Buchstaben von d sind zu lesen d 1,
klö drj^ittQ%fx!ig k^o]vaiag %6\ rf 2, fc i 6 aXkagXEi-
/wds". Purgold.
„Die beiden neuen Bruchstücke A; l fügen sich
dem mit d bezeichneten Fragment in der Weise an,
dass ihre 5. Zeile die unmittelbare Fortsetzung von
d 1 bildet. Dadurch wird für diesen, den Brief des
Kaisers enthaltenden Theil der Inschrift zunächst
die Stellung in Bezug auf den r. Eand bestimmt
Zu n. 247.
Durch ein am 21. Mai 1879 im Südosten des Heraion gefundenes, von Furtwängler abgeschriebenes Fragment (c) wird die In-
schrift in folgender Weise vervollständigt:
...^
A b: Sä IN 1 ^
^_^^^
K A E I A O Y^
^-^a'V^
E H H r H T H
/x A P H S
O I N
O A Y M TT I )
/rTPETr:r?Nos
-^
NAOPXHSTHS
E TT I M E A F^
M /
I
TTPEn::Nos
\
E I P o S
H P A K A E I A
ISTTPETTGINOS;
Furtwängler maclit darauf aufmerksam, dass Z. 3 oliue Zweifel aus n. 347 £^^;}''?r^[s /Toli)]x«^'jg
zu lesen sei, und der Katalog also mit jenem in dieselbe Zeit (nicht weit von Ol. 190) gehöre.
W. Dittenberger.
^
Ar,-huolo,,m-l,r Xrilumi XXXVin (If^^n}.
y.'i .s'. «3
'¥ai
356.
YAIIOAYMTTlOD'AAYTAPXOY'cfVVCKPeiBOONIÄNOY'CYNreNOYC
SJCYNKAH T I K CÜ N' KAI YTTAT I KCÜ NOAYMTTIAÄOC ' Y N< 5 '
362.
A^|^AT?ATO|5PAAElOl5nATI^|AA'©A|^|^EA/KAir^^fc Aa/kAitAvtO
AlI^Tl^/C^TlAI^AV<ElpF^I^I^^^OI^FAA^lOA\I&/v\Enl©ElA/vTAX\
KAIAO|^/^aECi^TOa/t^a0^^^1/0\KAItO\M^\A AE^IEKA^^^^Al^K-A
"POTi/vOil^EKA^TO^TOA/AA&nipO^O/yTOAyKA®VTAi^TOil\0/^/v
iQiOlEPEA/noiiEirEAAAA/OiiK A^kA\taaaat\k AiAEPE/vr ®
n£^TX)ATAMlOKlAAiXE/VAE/vnO\Il©^lO/yAPOT\/y^TOE^
^0\ <^A|feElI0^l/V^^^K0l^A\PAT^lA^0(1^0©E^;^TÄvT^^KAPA5:K0l
I N S C H K I F T E N .\ U S O L Y M P I A.
K. Puigold, Inschriften aus Olympia.
63
354.
Fragment einer l'/» ^itn. dicken Bronzetafel. Gefunden am
15'. November 1879 im Osten der Poikile. Mit Abklatsch.
Dieser Streifen gehört, wie zuerst Herr Dimi-
triacles bemerkte, zu der iu der Archtäolog. Zeitg.
Nr. 223 veröffentlichten Inschrift. Der Beweis da-
für liegt besonders in dem Ornament der Rück-
seite, dessen Bänder sich auf dem neuen Fragment
genau fortsetzen. Während die grössere Tafel den
Rand oben und unten erhalten hat, fehlt er auf
dem Streifen, der von den 9 Ornamentreihen der
vollständigen Platte nur 7 trägt. Der erste Buch-
stabe der zweiten Zeile kann auf unserem Frag-
ment wohl nur fl gewesen sein, obwohl dessen
2. Verticalstrich in dem andern Theil der Inschrift
überall weniger lang ist; der untere Strich des "2
kann von einer zufälligen Verletzung herrühren.
Das Ornament zeigt, dass sich der Streifen an
keiner Seite unmittelbar an das grössere Stück
anschliesst; die fehlenden Theile der Tafel sind
also vermuthlich zu späterem Gebrauch iu dieser
Weise zerschnitten worden. Für die Ergänzung
dürfte das neue Stück daher kaum etwas beibringen.
355.
Basisblock aus grauem Kalkstein, lang (an der Vorderseite)
gegenwärtig 0,93 (hinten 0,88); breit 0,98; hoch 0,295. Gefun-
den am 4. Januar 1880, verbaut in eine der ,,Slavennmuern"
einige 30 Schritt südlich der 6. Zanesbasis. Die Schriftfliiche hat
auf drei Seiten einen Randbeschlag von etwa 0,03 und ebenso
die Kückseite, auf welcher in der Mitte eine jetzt abgebrochene
Versatzbosse stehen geblieben war. Die Überdache zeigt am
linken Rande zwei Dübellöcher, welche zur Vcrklaninierung mit
einem anstossenden Block dienten; die linke Seite ist als An-
stossfläche bearbeitet. Ob das gleiche auf der rechten Seite der
Fall war, ist nicht mehr zu entscheiden, da diese eine spätere
Umarbeitung erlitten hat; doch ist es wahrscheinlich, da der er-
haltene Block nur an der rechten hinteren Ecke eine Standspur
zeigt, in Gestalt eines ovalen Loches, das später weiter ausge-
arbeitet worden ist, wohl um den Bleiverguss herauszulösen. Die
Basis wurde in römischer Zeit zerstört und unser Block um-
gekehrt als Oberstein einer andern Basis verwendet. Zu diesem
Zwecke wurde seine rechte Seite zu einem späteren Profil ab-
gearbeitet, so dass die letzten Buchstaben der Inschrift und der
rechte Randbeschlag auf der Vorder- und Ilinterseite verloren
gingen; auf seiner ursprünglichen Unterfläche finden sich von
dieser zweiten Verwendung eine Anzahl unregelmässiger Vertie-
fungen, welche zur Befestigung der auf der späteren Basis auf-
gestellten Statue dienten. Ueber der Inschrift auf der Vorderseite
einige Zeichen, die aber wohl kaum als Buchstabe zu betrachten
sind, wenigstens sind zwischen ihnen keine weiteren Buchstaben-
reste zu erkennen.
I
BAZIAISSANOAY
BAZIAE-'iSPYP
Baalhaaav 'Olvi.t[niada] \ ßaailscog üvqIqov].
Was die aus zwei oder mehr Blöcken beste-
hende Basis getragen haben mag, ist aus der
einen erhaltenen Staudspur nicht zu ersehen, jeden-
falls aber war es keine einzelne Figur. Wenn die
Bildsäule der Olympias, der Tochter des Pyrrhos,
mit einer andern Figur in irgend einer Weise ver-
bunden dargestellt war, wird man, nach Analogie
der Säulen mit den Statuen des Ptolemäus und der
Arsiuoe, zunächst an ihren Bruder und Gatten Alex-
andros zu denken geneigt sein.
356.
Votivdiskus aus Bronze. Gefunden am 3. Novbr. 1879,
2,5 Meter südl. vom S.-W.-Thor der Altismauer in der Höhe
der 2. Stufe des Stylobats desselben. Die Scheibe hat 0,34 im
Durchmesser, ihre Dicke nimmt nach dem Rande zu ab, hier be-
trägt sie etwa 5 Millimeter, während sie in der Mitte bis 14 Mm.
misst. Beide Flächen sind mit 3 concentrischen Kreissjstemen
decorirt, welche je einen breiten Streifen bilden, der beiderseits
von 2 vertieften Linien eingefasst ist; der mittlere dieser Streifen
ist halbrund profilirt, die beiden anderen sind flach geblieben.
Diese Decoration ist auf beiden Seiten des Diskus nur in den
Massen etwas verschieden; namentlich ist auf B das innerste
dieser Kreissysteme kleiner und das Centrum mit einem Kranz
verziert, der auf A fehlt. Das Ganze ist vollkommen erhalten.
A ist nach einem Papierabdruck. B bloss nach der Ab-
schrift auf der beigehefteten Tafel verkleinert.
A EvxaQiazrjQiov Jiei 'OlviAnlii) Tlönl^iog) liaxXrj-
niäö)]g KoQivUioc; nevTaä-log. avs', a'.
B JiVOlvunlit). ä?.vT(iQXOi' 0l{aßlov) ^xQsißcoviavov
avvyhovg avvxi.rjTixcäv xal vnaTixwv. oXv/n-
niädog vv^'.
64
A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.
Die Schrift ist auf beiden Seiten zwischen dem
mittleren und äusseren Kreisstreifen eingegraben.
Im Charakter derselben lassen sich einige Verschie-
denheiten zwischen den beiden Seiten wahrnehmen.
Die Buchstaben der Vorderseite A sind kleiner, von
unsicherer, wechselnder Form und uuregelmässigeu
Abständen, die Hastae der gradlinigen Buchstaben
überschneiden sich vielfach, statt sich scharf zu
treffen und sind durch ungleiche Punkte oder Knöpfe
abgeschlossen; die Buchstaben der Küekseite (ß)
dagegen verrathen eine sicherere, routinirte Hand,
sie sind von regelmässigen Formen, die zuweilen
ein Streben nach Zierlichkeit erkennen lassen, und
in gleichmässigen Abständen ausgearbeitet; ihre
Hastae stossen genau an einander und sind durch
gleichartige Querstriche begrenzt. In den Formen
unterscheiden sieh die My Kho Ypsilon Omega auf
beiden Seiten.
Diese Verschiedenheiten zwischen der Aufschrift
des weihenden Privatmannes und des Beamten von
Olympia legen die Vermuthung nahe, dass die Be-
schi-eibung der vorderen Seite und damit wohl die
Anfertigung des Weihgeschenkes überhaupt an einem
Orte stattgefunden habe, wo weniger geschulte
Hände zur Ausführung der Inschrift verwendet wer-
den mussten, wie sie dem Alytarchen von Olympia
zur Verfügung standen, als er später seinen Namen
auf demselben anbringen Hess.
Neu ist wohl, dem Alytarchen als eponymem
Magistrat zu begegnen. Wie die Datirung YNS auf
B (Ol. 456 = 1045 n. Chr. !) zu erklären und mit
der auf der andern Seite CNt =• Ol. 255 zu glei-
chen ist — das diesem gegenüberstehende A wird
das erste Jahr dieser Olympiade bezeichnen — ist
unklar*). Karl Pukgold.
*) [Es scheint, dass in der Doppeldatirung Ol. 255 = 456
eine chronologische Spielerei vorliegt, indem die letztere Zahl an
die allererste unter den mehrfachen mythischen Einsetzungen des
olympischen Agons anknüpft. Freilich bin ich nicht im Stande
anzugeben, ob ein chronologisches System existirt hat, wonach
jene erste Stiftung der Olympien durch denjenigen Herakles, der
einer der idäischen Daktylen war, um 201 Olympiaden vor die
erste gezühlte Olympias fiel. Nach Eusebios, der (I p. 183 Schone)
die idäischen Daktylen unter Erichthonios setzt, würden etwas
über 700 Jahre herauskommen. Eine ähnliche Bewandtniss hat
es jedenfalls, wenn in Inschriften von Ephesus zweimal (Wood
Discoveries Append. VI n. 8 p. 5-1 Z. 10 'Eiftar]tdi [was gewiss
nicht, wie W. meint, ein Schreibfehler ist] (/iC'. n. 18 p. 68
Z. 7 T)}f (fiC' Ilfj'TfjriQi^Sog) die ölite Penteteris des Festes der
'Eifiotitt vorkommt. W. D ittenberger.]
357.
Fragment vom Rande eines Bronzcgefässes. Gefunden süd-
lich der KovTiTt] im Westwalle des Stadions, c. 3 M. tief unter
der jetzigen Erdoberfläche. 23 — 25 Mm. breit, ca. 1 Cm. dick
und IS'/-,' Cm. lang (in gerader Linie gemessen). Der Rand ist
nach innen hin rund profilirt, nach aussen zu setzt er scharfkantig
an den Bauch des Gefasses an; von diesem ist ein zackig ausge-
brochenes Stück (grösste Breite 5 Cm.) erhalten, dessen geschweifte
Form auf ein kesselartiges Gefäss, vielleicht ein Dreifussbecken,
schliessen lässt. Die obere Fläche des Randes ist glatt imd ent-
hält den Rest der Weihinschrift in uuregelmässigeu Buchstaben.
Purgold. Mit Abklatsch.
\x^^f
- - ot(f;>) 27iaQTiäTa[i -
Ein fünfstrichiges Sigma begegnet noch auf an- gegebene, aus acht Strichen zusammengesetzte Form
deren altspartanischen Inschriften; die ihm hier
ist eine anderweit nicht belegbare Besonderheit.
358.
Bronzefragnient, gefunden am 29. November 1879 im N.O.
der byzantinischen Kirche. Oben abgerundet, unten rund |iro-
filirtcr Rand, r. und I.Bruch; zu einem Gefäss kann daher dies
in 7 Stücke zerbrochene Fragment nicht gehört haben. Abschrift
von Purirold.
A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.
65
Ttü[i] oder io[i] Jl- -
359.
Fragment einer l'/fMm. starken Bronzetafel. Gefunden am
10. Januar 1880 10 Schi-itt südlich der 10. Zanesbasis in der
Höhe von deren Fundament. Oben ist der Rand erhalten, unten
und an den Seiten Bruch: das Fragment ist durch einen Kiss
links von der Mitte getheilt, die linke untere Ecke etwas um-
gebogen (für den Abklatsch daher nicht fassbar) , in der Copie
aber aufgerollt. Die Inschrift ist in sorgfältigen, tiefen Zügen
eingegraben, die Lesung nirgends zweifelhaft; zerstört sind nur
der fünfte Buchstabe der 1. Zeile, der wohl T gewesen ist, und
der achte Zeile 6, der sich jedoch noch als ^ erkennen lässt.
Purgold mit Abklatsch. Verkleinert auf -/,.
Ao</mA/y;HO<
P/V
Da das Chi nach dem zu Aiifang der zweiten
Zeile erhaltenen Reste zu schliessen die Form \J/
gehabt zu haben scheint, so gehört das Alphabet
der Inschrift meiner zweiten Reihe an. Das Iota
wird noch in seiner älteren Gestalt als gebrochene
Linie (S) geschrieben, während daneben bereits das
vierstrichige Sigma (s) Verwendung findet. Es ist
dies eine Eigeuthümlichkeit, für welche bis jetzt
eine Analogie nicht aufzuweisen ist, weshalb da-
rauf verzichtet werden muss, die Provenienz der In-
schrift aus dem Schriftcharakter zu bestimmen.
Sämmtliche bis jetzt bekannte Inschriften der ver-
schiedensten Locale, welche dem Iota seine alte Ge-
stalt lassen, schreiben nämlich den Zischlaut mit
dem Zeichen M, und letzteres bleibt in der Regel
noch bis in die Periode im Gebrauch, in welcher
dem Iota bereits die vereinfachte Gestalt gegeben
wird; nie überdauert sonst die alte lotaform die
Zeit der Herrschaft des M.
Bei dem fragmentirten Zustande der Inschrift
lässt sich nur Weniges mit Sicherheit lesen und ist
au die Herstellung eines Zusammenhanges und ein
wirkliches Verständniss nicht zu denken. Z. 1.
-iveö\x\cn, Fo — , Z. 2. --XQ^i.iaTa oaie--, Z. 3.
- OTode teXXo
Z. 4.
xov nivaxa -
Z. 5.
- - oloia9av (?) oa --, Z. 6 in der Mitte vielleicht
allog (cog).
360.
iVagment vom Rande eines Gefasses aus starkem Bronze-
blech, 3 Mm. breit, 20 Cm. lang, etwa 2 Cm. hoch, gefunden
am 9. Februar 1880 im N.W. der byzantinischen Kirche. Die
Weihinschrift stand auf der Aussenseite des Gelasses und ist in
flachen, unregelmässigen Strichen, ofi'enbar von wenig geübter
Hand, eingegraben. Abschrift von Purgold.
"^^y^iniA'A/EB^^^
„Da wir durch den zweiten Namen '^xQWQeim
auf das Gebiet des Alpheios hingewiesen werden,
so haben wir den ersten wohl 'AXaavEig zu lesen
und darunter die Bewohner der bei Steph. Byz.
genannten elischen Stadt Alesion zu verstehen."
Purgold.
Zur Begründung von Herrn P.'s Vermuthung
verweise ich noch auf Strabon 8, 341 : to d' l4}.£i-
Archiiulofe". Ztg. Jahrgang XXXVIII.
66
A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.
aiöv iati to vvv 'AXaiavalov (so A) xiöqu tisqI
zijv ÄfiCfLÖoUda^ iv fj xai xaToc iiijva ayoqav avvd-
yovaiv ol nsQioixoi • xeiTai ös Ini T^g OQSivfjg
odov Ttjg £s ^Hliöos £ig 'Olvfiniav.
Der Gebrauch des vierstricliigen Sigma führt in
das fünfte Jahrhundert hinab.
361.
Fragment aus l'/j Mm. starkem Bronzeblech, 13 Cm. lang
und am unteren Rande 6 Cm. breit. Die rechte Seite ist um-
gebogen; wenn es gelingt, wozu im Augenblick die Mittel fehlen,
sie aufzurollen, werden sich die meisten Zeilen noch um einige
Buchstaben vergrüssern. Ob die Inschrift oben und unten be-
endet ist, lässt sich nicht mehr entscheiden, da offenbar das
Blech auch links, zu späterer Verwendung, zerschnitten ist.
Gefunden im S.W. der Pelopionthores. Nach Abschrift von
Purgold auf ^,3 verkleinert.
Z. 2, zweites Zeichen, ist der Punct im Runde
wohl nur eine zufällige Verletzung der Oberfläche,
da das Omikron sonst als blosses Rund gebildet
erscheint und die Form des Theta Z. 3 0 ist. Von
einer Lesung kann selbstverständlich nicht die Rede
sein; doch glaube ich Z. 9 2]elivio[vTi - - zu er-
kennen und in der That stimmen sowohl die Ge-
stalt des Xi, wie sie Z. 7 zu Ende begegnet (H),
als auch die sonstigen Eigenthümlichkeiten der
Schrift zur Schreibweise der bis jetzt bekannten
insehriftlichen Denkmäler von Seliuus. Doch ist die
vorliegende Urkunde älter als jene, da die Zeilen
noch furchenförmig geordnet waren, wie die Ueber-
reste trotz ihrer sonstigen Geringfügigkeit deutlich
erkennen lassen.
362.
Bronzetafel, gefunden am 7. Februar ISSO, c. 13'/; M. süd-
lich vom rhilippeion im antiken Boden, l,Oö M. unter der Ober-
kante des antiken Stromas nördl. von dem Fundort der In-
schrift. 0,44 lang; 0,09 hoch; etwa 1 Mm. stark, oben mit
einem vortretenden 7 Mm. breiten Kand versehen. An der r.
Seite ist in der Mitte ein rundes Befestigungsloch eingeschlagen,
mit Rücksicht auf welches Z. ö zurückgerückt ist; das gleiche
ist 1. mit dem Anfang der Zeile der Fall, nur ist sie hier ge-
brochen. Die Tafel ist auf allen Seiten vollständig; die Lücken
am 1. und unteren Rande werden theihveise durch 3 anpassende
Fragmente ergänzt, von denen das grosste, in der 1. Ecke, einen
Tag früher als die Tafel selbst gefunden wurde.
Wie auf der 1. Seite ;in dem Loch, so haben sich an an-
deren Stellen die Brüche mehrfach an den Buchstabenrändern
hingezogen und lassen deren Umriss noch erkennen. Die Schrift
ist tief und sorgfältig, aber nicht grade regelmässig eingegraben;
das Omikron hat durchweg dieselbe kreisrunde Form und die
gleiche, etwas unverhältnissmässige Grösse ; es scheint mit einem
mechanischen Hülfsmittel ausgeführt , etwa mit einem Stempel
eingeschlagen.
Da die Bronze noch so haltbar ist, dass sie eine kräftige
Reinigung vertrug, ist von den erhaltenen kein Buchstabe zweifel-
haft geblieben; nur die kleinen Fragmente sind sehr zerbrechlich
und lassen keinen Papier-Abdruck zu. Purgold. Mit Abklatsch.
Facsimile in ^/^ des Originals auf der S. 63 beigehefteten
Tafel.
Die Urkunde bezeichnet sich selbst als eine ele-
ische, wozu Sprache und Schrift auf das Beste stim-
men. Der Rhotakismos des Auslautes ist durch
zwei Fälle vertreten, das Sigma aber überwiegt bei
Weitem. Eine Besonderheit ist, dass d im An- wie
im Inlaute vor Vocalen regelmässig durch ^ vertreten
wird, ein d überhaupt nicht auftritt. Da hierdurch
dieser Zetakismos als eine, wenn auch nicht auf allen
Urkunden zum Ausdruck kommende Eigenthümlich-
keit der Mundart von Elis erwiesen wird, so liegt
kein Grund mehr vor, an der eleischen Provenienz
von Inschriften, welche eben diese Eigenthümlich-
keit aufweisen, wie oben n. 223, zu zweifeln; schon
U.308 hatte etwaigen Bedenken den Boden entzogen.
Lesung und Erklärung der Inschrift bereiten
ungewöhnliche Schwierigkeiten; ich gebe daher die
folgende Uebertragung in Miuuskelschrift mit aller
durch diese Umstände auferlegten Reserve.
Jt FQCcT()a Tolg Faleiois- naigidv -if^aQQtiv xal ys~
vectv xa(T)TavT6. \ al ^e %ig xaziaq' avasie FÜqqevoq
FaXsiu, al t,e (xi^nid-slav %d L,i- \ xaia oq /.leyiazov
tiXog exoi xai xol ßaailäeg, Cexa i-ivalg xa \ ano-
zivoi FixaOTog zwv /nijuinoEoviiüv xaif(S-)vTalg zol
Zi 'Olvv- I nloi. enirnoi Cs x' 'EllavoTJxag, xal
A. Kirchhofi', Inschriften aus Olympia.
67
ralla tixcaa snsvn- \ hio « Cct^tuoQyta. al Ce (.irj-
(7te)v7ioi, ClcpvLov anozivixcü iv ^taaiga- j «t. «(
^[s] Tig TOP ahiad-ivza ^ixaltov lnäaxoi, sv tat
Cexa^ivatai >c' I- | vixo[iT]o, al FsiCwg Ifiäaxot. xal
natQiäs o ygotpevg Tav[T]ä x' anäaxoi | . . tv . . .
xeo . o . . la^iaQog 'Olvvniai.
Z. 1. Die Ueberscbrift bezeichnet die Rhetra
als nur für die Eleer gültig, somit als die Urkunde
nicht eines Vertrages, sondern einer gesetzlichen
Bestimmung. Im darauffolgenden ersten Satze sind
nazQitt und yEveä ofi'enbar Bezeichnungen l)ekannter
Gliederungsformen der Bevölkerung, wie sie in den
Zeiten aristokratischer Staatsordnung mit politischer,
in den späteren der ausgebildeten Demokratrie mit
lediglich familienrechtlicher Bedeutung überall in
Hellas bestanden; die nargiai und yevsai von Elis
entsprachen etwa den attischen (fgargiai und yivrj.
Weiter ist ^aggslv xiva oder tl zwar eine der ge-
meiugriechischen Sprache älterer und späterer Zeit
geläufige Construction in dem Sinne von „sich vor
etwas nicht fürchten" oder auch „Vertrauen auf et-
was setzen" ; allein offenbar bat hier d^aq^elv (pqa-
xQiav xal ysvog einen speciellereu, in der Volks-
oder Rechtsprache von Elis begründeten Sinn, wel-
chen näher zu praecisiren ich nicht im Stande bin.
Die Schlussworte des Satzes vermag ich nur unter
der Voraussetzung zu lesen und zu verstehen, dass
das überlieferte xaiTavto auf einem Versehen des
Graveurs beruht und in xazTavTo oder xaravxo zu
ändern ist, was als xar« to avxö zu fassen wäre.
Z. 2 — 5 Auf. Im ersten Vordersatze habe ich
xaziaq' avasie getrennt, weil ein Compositum xa-
^leqaviiv anzunehmen mir bedenklich schien; xa-
&iEQog würde seine Analogien in dem elischen snL-
agov und dem phokischen no&ieqov haben. Was
freilich xad-iega aveiv rivog für eine Handlung be-
zeichnet und wie es zu erklären ist, dass diese
Handlung ausdrücklich auf eine Person männlichen
Geschlechtes (oQQavog 'Hlslov) bezogen wird, bleibt
mir dunkel ; wahrscheinlich handelt es sich um das
Opfer, welches bei Einführung männlicher Fami-
lienglieder in Phratrie und Geschlecht darzubrin-
gen ist. Wenn weiter der folgende hypothe-
tische Zwischensatz mit einem di angeschlossen
wird, so kann ich darin nur ein Versehen des Gra-
veurs erkennen, der dieses de aus dem Anfange
des vorangehenden Satzes irrthUmlich wiederholte,
ohne sich den Zusammenhang gegenwärtig zu er-
halten. Was den Sinn dieses zweiten Satzes an-
Ijelangt, so vermuthe ich, dass unter rä dlxaia,
einem Ausdruck, der weiter unten öfter wiederkehrt
und bereits auf n. 223 und 303 begegnete, herkömm-
liche Gebüliren, und unter EniTi^ivai ra dlxaia
die Einforderung und Beitreibung derselben zu ver-
stehen ist. Als diejenigen Personen,* welche diese
Gebühren einzufordern haben, und für den Fall,
dass sie ihrer Verpfliclitung nicht nachkommen
sollten, mit einer Geldbusse belegt werden, sind
og av To fieyißiov Tslog e)(t] und die ßaaikelg ge-
nannt. Unter dem ersteren verstehe ich den Vor-
stand der Phratrie, unter den letzteren die adligen
Mitglieder derselben, welche etwa als Beirath des
Vorstandes fungirend zu denken wären. Die Ver-
pflichtung ist solidarisch, und im Falle der Ver-
absäumung hat somit nach Inhalt des folgenden
Hauptsatzes exaaxog ttüv firj ininoiovvimv die Busse
zu erlegen; ich nehme also an, dass ol f.it] snuioi-
ovvTsg gleichwerthiger Ausdruck für ol (.irj enixi-
■d^evreg, nämlich rd ölxaia, ist. Die Busse bestellt
in zehn Minen, welche als xa-9(d^)vTal (d. b. xaxa-
■^wßt) TW Jil "OXvi-inii^ bezeichnet werden, also
an den Tempelschatz fielen, wohl deswegen weil
auch die nicht erhobenen dlxaia an diesen abzu-
führen gewesen wären. Uebrigens findet sich die-
selbe Formel auch auf n. 223, wo Z. 4 offenbar
[iMJvßig x' äuoTlvoi xab(ß)vTaig toi Zi Twlvvnloi
zu lesen ist.
In formaler Beziehung verdient Beachtung das
eleische a in ßaailäsg für ßaaikPjsg, ferner die
Accusativplurale erster Declination auf aig (^tvalg-
xad^^vtalg), welche indessen bereits von der Da-
mokratesbronze her bekannt sind.
Zeile 5 — 6. Der folgende Abschnitt legt den
Hellauodiken und der Damiorgie, d. h. doch wohl
der Gesammtheit der politischen Vorstände (dafiicog-
yoi) der einzelnen Gemeinden von Elis, gewisse
Verpflichtungen auf, deren Beschaffenheit und Zu-
sammenhang mit den vorangehenden Bestimmungen
9*
68
A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.
mir indessen unklar sind. Die Verbalformeu eniv-
7101 und enevnhco vermag ich nur auf ein Com-
positum von ninTisiv zurückzuführen; es wäre z. B.
möglich, dass die Präposition ix, i^ in unserer
Mundart I gelautet hätte, oder, wie in anderen
Mundarten, ihr auslautendes x dem folgenden Con-
sonanten assimilirt hätte, so dass ensvnot, und
snsvnhco als inniiinoi und snrrsiunhio zu lesen
wären. Allein ich wUsste nicht zu sagen, was ein
solches ixneftneiv bedeuten sollte, noch weniger,
was unter ra alla ölxaia zu verstehen ist').
Z. 6_7 Auf. Der Hellanodike und die Da-
miorgie werden in eine Busse verfallen erklärt,
wenn sie die mit dem voraussetzlichen sxns/xnsiv
bezeichnete Handlung unterlassen. Denn es scheint
mir klar, dass im Vordersatze durch blosses Ver-
sehen des Graveurs (irjvnoL für (.t^nsrnoi gesetzt
worden ist. Die Busse besteht in dem l,lq>vtov d. h.
Sicpviov, also dem Doppelten der nicht erhobeneu
Gebühren; vgl. tw öifvlco oben n. SOG Z. 8, wie
denn auch n. 223 Z. 1 offenbar ticfi[vLov zu er-
gänzen ist. Das schliessende ev ixaaTqäai erläutert
sich durch die Glosse bei Hesychios 3,75 (laaxQlaL:
ort xüv aQyj')vt(i}v ev-^vvdi.
Z. 7 — 8. Dieser Satz würde in attische For-
men übertragen lauten: säv ds rig xov ahia&svra
öixauüv /;, Iv tfj dexafivala ivExiod^co, iav
tlöwg rj. Dass unter rj öexa^vaia, nämlich tt}-
fila, der Busssatz von zehn Minen zu verstehen ist,
kann nicht zweifelhaft sein; ebenso gewiss scheint
mir aber, dass o ahia&slg dixaiuiv eine Person be-
zeichnet, welche beschuldigt ist, die herkömmlichen
dixaia nicht erlegt zu haben. Was aber bedeutet
das Verbum l^äaxeiv'i Ich würde es mit li^äoaeiv
gleichen, wenn nicht der Zusatz eldüg diese Mög-
lichkeit auszuschliessen schiene.
Z. 8— Ü. Der nicht vollständig erhaltene Schluss-
satz enthält eine Anweisung für den Schreiber t%
') Herr Dr. Röhl glaubt, dass die Glosse des Hesychios
3,303 n^ftifjis' hf/vriuofxoi für die Erklärung verwendet wer-
den könne. Allein ein „pfänden" würde in den Zusammenhang
nur auf einem Umwege passen, und ich wüsste diese Bedeutung
nicht in überzeugender Weise weder für das Simplex noch das
vorausgesetzte Compositum abzuleiten. Man würde geneigt sein,
vielmehr auf die Bedeutung 'beitreiben, erheben' zu rathen,
wenn diese sich etymologisch nur irgendwie rechtfertigen Hesse.
TiaTQiäg, ungewiss welcher, es sei denn, dass die
sämmtlicheu yevsal von Elis überhaupt nur eine
nuTQiä bildeten. Man sollte meinen, dass es sich
nur um eine öffentliche Ausstellung der im Vorher-
gehenden enthaltenen Bestimmungen [tama) im
heiligen Bezirke von Oljmpia (^Olvfinla) handeln
könne. Leider weiss ich wenigstens nicht mit
Sicherheit zu sagen, was das Verbum änäaxeiv
oder näaxsiv (je nachdem nämlich x anäaxoi oder
xa naaxoL abgetheilt wird) zu bedeuten hat. Die
verstümmelten Reste der letzten Zeile rühre ich
lieber gar nicht an. Was die Trübung des a zu o
in yQocpevg für y(ja(pEvg betrifft, welche durch die
analoge Erscheinung in anderen Mundarten Bestä-
tigung findet, verdient hervorgehoben zu werden,
dass sie sich in der Mundart von Elis nicht auf
alle Ableitungen dieses Stammes erstreckt bat: vgl.
yqäfpea C. I. G. 11, ygägtog und yqaffEiov oben n. 223,
yqaq^ev und ßioXoyqäipOQ der Damokratesbronze.
Oben habe ich angenommen, dass Z. 5 unter
'Ellavo^ixag der eine damals fungirende Hellano-
dike zu verstehen sei, obwohl der Artikel nicht hin-
zugefügt ist. Denn es ist nicht abzusehen, wes-
halb, wenn mehrere Hellauodiken damals fungirten,
Verpflichtung und Strafandrohung nur auf einen
von ihnen bezogen sein sollten, und es ist eben-
massig klar, dass, wenn dies dennoch der Fall ge-
wesen wäre, nothwendig hätte gesagt werden müssen,
welcher von den mehreren eigentlich gemeint sei,
was doch nicht der Fall ist. Sonach gehört unsere
Urkunde in die Zeit, in welcher von den Eleern
nur ein Hellanodike bestellt zu werden pflegte.
Dies aber geschah, wie wir bestimmt wissen (Pau-
sanias 5, 9. 4), bis zur 50. Olympiade, von wel-
chem Zeitpunkt an ihre Zahl zwei, dann neun,
zuletzt, nach einigem Schwanken, zehn betrug. Es
folgt hieraus, dass unsere Bronze nothwendig älter
sein muss, als die fünfzigste Olympiade, und also
vor das Jahr 580 v. Chr. zu setzen ist.
Von welcher Bedeutung diese Thatsache für die
genauere chronologische Bestimmung der älteren
eleischen Inschriften und die Geschichte der Schrift
im Allgemeinen ist, bedarf wohl keiner weiteren
Ausfüliruug.
G. Cnrtius, Zu Nr. 362.
Nachträge.
69
Zu Nr. 308 der Olympisclieu Inscbrifteu schlägt
Hr. Professor Dittenherger in der sechsten Zeile viel-
mehr vor 6 d^€Ox6Xo\Q, OQZtQ töxa d-soxo^lioi, arco-
xlvoL xa To"] Zl 'OXvvnU^ 'kaTQ\a'iwiJ.svov -, was
der Wahrheit sicher sehr nahe kommen dürfte;
ebenso zu Nr. 306, das unmögliche N der ersten
Zeile nicht aus Ä, sondern aus M verschrieben zu
fassen, und demzufolge entweder avvdrii.ia, oder
avv&t]^ia, avvd-rjfia[i] zu lesen.
A. K.
Zu Nr. 362.
Von meinem Bruder aufgefordert, auch meiner-
seits an diesem Orte vorzubringen, was sich mir
etwa über diesen neuen Fund seit der ersten Kennt-
nissnahme des Textes ergeben haben würde, will
ich im Anschluss an die obige Erklärung von Kirch-
hoff's bewährter Hand die wenigen Bemerkungen
nicht unterdrücken, zu denen mir der Text selbst
und die Erklärung des ersten Herausgebers, welche
mir durch die Güte der Redaction vorlag, Aulass
giebt. Es geschieht dies im vollsten Bewusstsein
von der Schlüpfrigkeit des Bodens, auf dem wir
uns hier bewegen.
Im Anfang von Z. 2 scheint xaTiagavoeis als
ein Wort auch mir bedenklich, weil es an abgelei-
teten Verben auf - amo fehlt. Vielleicht aber ist
statt des von K. vorgeschlageneu xaTiag' aiasiev
vielmehr mit sogenannter Tmesis xaz I'oq' avaeiev
zu lesen. Das Verbum aveiv 'nehmen' liegt uns
nämlich nur in der Zusammensetzung vor und
xaTavaai, dem Sinne nach von xad^eknv wenig ver-
schieden, würde gut in den Zusammenhang passen,
wie xad^aiQEiv xpfjcpov, ^rjcpiai.ia gesagt wird, xazav-
otti ist durch Hesychius bezeugt, mit der Erklärung
xaravTl^aai, xaxadiaai und der Variante xa&av-
aai aqiaviaai. Aus Alkman (fr. 97 Bergk^) liegt
uns Tciv MüJaav xaTavasli; vor. Die Tmesis, rich-
tiger die ursprüngliche adverbiale Selbstständigkeit
der mit Verben zusammen zu denkenden Präposi-
tionen, ist freilich in Prosa fast nur durch Herodot
vertreten. Bei diesem aber ist sie so häufig, dass
mau darin gewiss keine homerische Nachahmung
erblicken darf. Wie leicht könnte sich auch bei
einem andern griechischen Stamme diese Weise iu
alter Zeit erhalten haben? Gerade im Gebrauche
der Präpositionen zeigen die Mundarten mancherlei
Verschiedenheiten von einander.
FÜqqsvoq. Digamma ist in diesem Worte bis-
her nicht nachgewiesen. Der homerische Text
schliesst es an mehreren Stellen aus und fordert
es nirgends. Nach den bisherigen Zeugnissen
musste man daher auf vocalischen Anlaut schliessen,
und da sich im skr. rsha-bha-s 'Stier' ein ver-
wandtes, im zd. arshan 'Mann, Männchen' ein iden-
tisches Wort darzubieten schien, durfte aQarjv, wie
Grundz. d. Etym." 342 geschehen ist, mit diesen
Wörtern zusammengestellt worden. Allein das
Sanskrit bietet auch in gleicher Bedeutung von
Thieren die Form vrshan. Jetzt werden wir
Fagaev für die älteste Form halten und für Homer
anuehmeu müssen, dass sich bei ihm das F schon,
wie in anderen Fällen, verflüchtigt hat. Jedenfalls
also steht K.'s Deutung von Seiten der Sprachfor-
schung kein Hinderniss im Wege.
Z. 5. Die Erklärung der drei Verbalformen
EHENnOI EnENHETO üm\ENnOI(m BIENHOI)
aus nifincü findet K. selbst unbefriedigend. Ich
versuche daher eine andere. Zunächst lohnt es
sich nachzusehen, ob wir nicht für die dritte uns
die Annahme einer Verschreibung (aus E[nE]NnOI)
ersparen können, zu der K. genöthigt ist. Ich gehe
von der Annahme aus, die mir sehr natürlich
scheint, dass die beiden ersten Formen um die
Präposition eni reicher sind als die dritte und dass
die Sylbe ev in allen dreien die Präposition be-
zeichnet. Ein Verbum e/.incü freilich — wobei man
an "Efinovoa denken könnte — wird man nicht an-
nehmen dürfen. Aber nichts hindert uns, aus den
überlieferten Zeichen ein Verbum contractum her-
70
A. Furtwängler, Zu Nr. 91.
auszulesen. Ich glaubte anfangs, es sei snEvnoX zu
lesen und dies als Contraction aus enennotj, enef.i-
nr^Tiü als solche aus EnE!:moj]Tw aufzufassen. Al-
lein da uir kurz vorher ininosävTiov lesen mit
unversehrtem o, scheint mir das bedenklich. Aber
wir können auch ensvnw inEvTir]xo) (mit dorischer
Contraction aus ae, wie sie in MENTIOI vorliegt)
ivniö schreiben, und ein Verbum in -ev- natu
uud Ev - näco annehmen. Die Grammatiker kennen
ein nä(D t6 ßUnio, mit welchem Lobeck ßhemat.
p. 8 EU - na - 10 - g in Sinne von s'f.m£iQog und
Efi - na - a - tfJQag ^tv&wv niaTioxäg, (.läQZvqag in
der Bedeutung 'Augenzeuge' zusammen stellt. li.inä-
raov l'i-tßXExpov nä(fioi (Hesyeh.) ist dazu, wie es
scheint, das Intensivum (vgl. el. l - täio). Wir ge-
winnen so für i^inäw die Bedeutung 'beachten, be-
aufsichtigen', für EnEf-inäco 'noch dazu beaufsich-
tigen'. Diese Bedeutung passt, wie mich dünkt,
in den Zusammenhang.
Die Geltung von ev ^aaTQaai auf der Grenze der
sechsten uud siebenten Zeile ist durch die von K. an-
geführte Glosse des Hesychius sicher gestellt. Aber
ein Wort (.laatqüa ist befremdlich. Es konnte wohl
nur für fiaoTQaia stehen. Für den Ausfall des t
Hesse sich die Form sa = sl'rj C. I. No. 11 bei-
bringen. Aber auf unsrer Tafel bleibt das i zwi-
schen doppeltem a in ^sxafivaiag und ^ixaia sowie
in inid^sTav. Auch hätte eine Bildung wie (laargaia,
wenn man es nicht als substantivirtes Adjectiv wie
■fj vaxeqaia fassen will, kaum hinreichende Analo-
gie. Ich glaube daher, der Schreiber hat beim
Uebergang von Z. 6 zu Z. 7 aus Versehen das Al23ha
doppelt geschrieben. Wir erhalten dann die Form
(.läaxQui, Dativ von ^läarga, das ganz wie Fgärga,
XvTQa u. s. w. gebildet ist. Das /naoTQia (oder
etwa fiaazQEia?) des Hesychius ist eine weiter ab-
geleitete Form.
ööatg t' oliyT] %e (fih] re,
Georg Curtius.
Zu Nr. 91.
Zu deu Beispielen, dass eine .ältere Inschrift
später an demselben Bathron durch eine Wieder-
holung ersetzt wird, gesellt sich die Basis des Tel-
lon. Die Nr. 91 publicirte Inschrift scheint dem
1. Jahrhundert v. C. anzugehören; doch an der 1.
davon befindlichen Seite des Bathrons sind, eben-
falls auf der oberen horizontalen Fläche, die Reste
einer verlöschten Inschrift des fünften Jahrhunderts
zu erkennen, von denen ich las
//// S G A S I O S P ////
'Oßfijff^ß'atog n . . .
A. Furtwängler.
MARMORFRAGMENT IN VENEDIG.
(Tafel 7.)
Das iiaeli dem Abgüsse des Ijritisclien Museums
auf Tafel 7 abgebildete Fragment einer weiblichen Ge-
wandstatue war ich bei der Betrachtung des Originals
in der Bibliothek San Marco zu Venedig (0,91 M. hoch)
geneigt zu den Parthenongiebeln zu rechnen. Seit-
dem Herr Newton den erwähnten Abguss beschafft
und in den Elgin-rooms zur bequemen Vergleichung
aufgestellt bat, ist meine Ueberzeugung von der
Richtigkeit dieser Zutheilung des Bruchstückes, das
zu Morosini keine Beziehung hat '), zwar nicht ganz
fest geblieben, doch ist jedenfalls so viel Ueber-
f"nstimmung vorhanden, um zu einer Prüfung der
Zusammengehörigkeit aufzufordern. Ich beabsich-
tige nicht einen endgiltigen Spruch zu thun, son-
dern, indem ich Uebereinstimmungen und Abwei-
chungen hervorhebe , der Entscheidung der dazu
Befähigten vorzuarbeiten.
Abgebrochen sind von dem Fragmente die Füsse
und ein Stück vorn aus der Mitte der r. Wade,
unmittelbar unter dem r. Knie ist ein Stück abge-
stossen; sonst bestehen die Verletzungen meist in
Sprüngen und in Abrundungen der schärferen Li-
nien der tief geführten Gewandung, welche den Ein-
druck nicht wesentlich beeinträchtigen.
Das Grossartige und Kräftige und dabei doch
Massvolle hat unser Fragment mit den Partbenon-
sculpturen gemein; es ist durch dieselbe lebens-
volle Ruhe, die Phidias seinen Statuen einzuhauchen
wusste, geadelt, so dass trotz der starken Ver-
stümmelung die Empfindung des Grossen her-
1) E. Gerhard, Arch. Ztg. XVIII S. 43: „Die Herkunft
dieses vortreft'liclien Fragments betreffend . . . vernahm Herr New-
ton, dass es erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts durch den
Gesandten der Republik Venedig aus Constautinoijel nach Venedig
gelangt sei." — Sonst erwähnen das Fragment Valentinelli, Marmi
scolpiti del Museo arch. d. Marciana p. 47 nr. 69 (tav. IX).
Thiersch, Reisen in Italien (Leipzig 1826) S. 226. Conze, Arch.
Ztg. XXX S. 85 nr. 69.
ArcUUolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.
vorgebracht wird. Wie bei der von Michaelis
und Petersen als Köre bezeichneten Frauengestalt
vom Ostgiebel (mit welcher sowie mit der ersten
der drei sitzenden Frauen vom 0.stgiebel — bei
Michaelis E und K — unser Fragment soviel Aehn-
lichkeit besitzt, dass wir die Vergleichung hinfort
auf diese beiden Figuren fixiren wollen) sind die
Beine auseinandergespreizt, das rechte etwas vor
das linke gestellt. Es giebt dies der Composition
etwas Breites und Monumentales, welches leicht bei
mit geschlossenen Füssen sitzenden Figuren ein-
gebüsst wird, und zugleich wird das Schwerfällige
und Wulstige vermieden, welches entsteht, wenn
der Künstler lediglich durch bauschige an den Seiten
herunterhängende Draperie die gewünschte Breite
erlangen will. Zudem aber motivirt es vollständig
das klare Hervorseheinen der Formen und verleiht
demselben dadurch den Eindruck des Natürlichen
und Unabsichtlichen. Die Stellung bringt auch jenen
schönen Wechsel von angespannten, grossen, ein-
fachen Flächen mit kleinen gebrochenen Linien in
den Falten hervor, welcher der Gewandung der
Parthenonfiguren den lebensvollen Rhythmus giebt.
Wie die Giebelfiguren zeigt das Fragment das
hervorstechendste Merkmal attischer Kunstübung:
das lebhafte naturalistische Texturgefühl, ein Ge-
fühl das hie und da au den Giebeln sogar ein
etwas zu starkes Haschen nach Wahrheit zur Folge
hat, wie es sich in den unruhigen kleinen Fältchen,
dann wieder in den ausserordentlich breit gehaltenen
Stoffmassen kundgiebt; unter Andern hat schon
Flaxman auf diesen Fehler hingewiesen. An un-
serem Bruchstücke können wir leider ein Abheben
der Gewandung vom Körper nicht beobachten; je-
doch ist, wie bei E und K im Ostgiebel, der Un-
terschied des schweren Stoffes des Obergewandes
10
72
Ch. Waldstein, Marmorfragment in Venedig.
und des leicht sich faltenden des Uutergewandes,
sowie der leeren und der von Körpertlieilen er-
füllten Gewandung aufs feinste angedeutet. — Ich
vermuthe, dass schon vor Phidias, besonders (nach
den schriftlichen Nachrichten zu urtlieilen) bei Py-
thagoras von Khegiou, sich das Bestreben nach
Texturangabe kundgab. Ich kann daher Michaelis
(S. 158 f.) nicht ganz beipflichten, wenn er die ge-
ringen Mängel im Detail der Gewandung am Par-
thenon darauf zurückführen will, dass sie hier zum
ersten Male in voller Freiheit zu geben versucht
sei, in welchem Falle nach der Erfahrung ein Zu-
viel aufzutreten pflege. Ich möchte vielmehr glauben,
dass Phidias, dessen Hauptwerke in der Goldelfeu-
bein -Technik gearbeitet waren, zu deren Anwen-
dung eben jenes lebhafte Texturgefühl führte, dem-
selben in Marmor nicht genug thun konnte und
daher zu etwas extremen Mitteln getrieben wurde.
Trotzdem bleiben freilich auch in der Eiuzeldurch-
bildung des Faltenwurfs die Partheuonsculpturen
Musterwerke für alle Zeiten.
Das Fragment bietet in einer Hinsicht bei der
Behandlung der Falten Beispiele von Vollendung,
wie sie kaum am Parthenon gefunden werden. Ich
meine die Vermitteluug zwischen Falte und Fläche,
wenn ich so sagen darf das organische und all-
mählige Ausklingen der Falte. Es wird dies am
deutlichsten, wenn man z. B. eine Falte an der
rechten Seite der Figur oder mehrere auf dem
Öchoosse mit den Falten an römischen Gewaud-
statuen vergleicht. Hier sind sie mit dem Bohrer
eingetrieben und enden unvermittelt, vom Anfange
bis zum Ende Rinnen von gleichmässiger Tiefe und
Breite. An unserer Figur wechseln an derselben
Falte Breite und Tiefe und so bietet sie dem Auge
ein mannigfaches Spiel von Licht und Schatten; sie
verläuft, indem sie allmählig flacher und breiter wird.
Die Kniee sind an fast keiner antiken Gewand-
statue so meisterhaft durchgebildet wie an dem
Fragmeute; es ist als ob dieselbe Hand wie die
Kniee von E und K sie gebildet habe. Auch die Art,
wie an den Parthenonfiguren das durch das hervor-
tretende Knie angespannte Gewand auf der Seite,
vorn Knie aus, in kleine Fältchcn verläuft, ist an
unserer Figur zu erkennen. Es bringt dies einen
wohlthuenden Gegensatz zu den grossen Flächen
des über den Waden angespannten Gewandes
hervor. Etwas störend wirkt es, dass eine grosse
Faltenmasse, welche von der rechten Seite aus
leicht über den Knöchel geht, auf der linken Seite
wieder kräftig hinaufgeführt wird. Aehnlich aber
verfolgt man bei E im Ostgiebel eine Faltenmasse
von einer Seite bis zur andern, nur dass sie hier
bis über das Knie läuft. Dass das Gewand sich
in einer dreieckigen Kante vom Fusse abhebt, be-
ruht wieder auf dem Texturgefühl, indem zwischen
Gewand und Fuss ein scharfer Abschnitt hervor-
gebracht werden soll, und dasselbe findet sich an
den Giebelfiguren wie an der Demeter des Frieses.
Es mnss befremden, dass die ruhigen Massen
und grossen Linien der Composition durch die zwi-
schen den Beinen angehäuften, relativ kleinlichen
Linien des Faltenwurfs am Zipfel des schwe-
ren Mantels in ihrem einheitlichen Charakter ge-
stört werden. Künstlerisch lässt sich dies aus
einem Streben nach Abwechslung erklären, wie
aus dem "Bemühen, die durch die gespreizten
Beine hervorgebrachte monotone Fläche zu vermei-
den. Auch dies findet sich an Figuren des Ost-
giebels sowie in Andeutung bei der Aphrodite des
Frieses. Nur ist in Folge der ßeinstellung die
Aushöhlung des Gewandes im Schoosse unserer
Figur weit tiefer und ausgesprochener als an den
Figuren des Ostgiebels, und es bedurfte daher einer
grösseren Gewandmasse um die Lücke auszufüllen,
die einen störenden scharfen Abschnitt inmitten der
Gestalt hervorgebracht hätte.
Charakteristisch ist an unsrer Figur auch die
Behandlung der Falten am leichten Chiton, wo
dieser auf dem Boden aufsitzt; sie ist meines Wis-
sens in so prägnanter Weise ausserdem nur an
den Giebelfiguren zu erkennen. Die Fläche ist
durch tiefes Aushöhlen in verschiedene grössere
Theile zerlegt, deren jeder dann wieder durch zwei
flachere und schmalere Aushöhlungen in drei Ab-
schnitte getheilt wird. Natürlich sind diese Ab-
schnitte nicht parallel gehalten, sondern in belebten
Windungcu, und ohne einen Gedanken an archi-
Ch. AYaldsteia, Marmoifragment in Venedig.
73
tektonisclie Steifheit hervorrufen zu wollen, möchte
ich sie Gewaudtriglyphen nennen. Das beste
Beispiel hiervon findet sich vorn auf der rechten
Seite des Fragments. Diese kleinen dünnen Flä-
chen sind natürlich hier und au den Giebelfiguren
meistens leielit abgestossen; jedoch finden sich die
deutlichen oberen Ansätze derselben an der Figur
D des "Westgicbels unten an der rechten Seite, wo
sie in Folge der Einhöhlung niclit ganz abgebro-
chen werden konnten. Am Friese sind die Figuren
zu klein, als dass die Falten so ins Detail aus-
gebildet werden konnten; hier wird vielmehr bei
den herabhängenden Chitonen eine dichotomische
Eintheilung befolgt.
Soweit das Einzelne. Nehmen wir nun au, dass
das Fragment zu den Parthenongiebeln gehöre, so
erhebt sich die Frage, wo es in denselben seinen
Platz finden würde. An den Ostgiebel ist nicht zu
denken; seine Ecken sind mit erhaltenen Figuren
ausgefüllt und für die Mitte sind die Proportionen
zu klein. Wenn wir Carreys und des Nointerschen
Anonymus Zeichnungen des Westgiebels betrachten,
so muss die Aebnlichkeit sowohl der Stellung als
der Gewandung bei dem Fragmente und der ge-
wöhnlich als Demeter (gruppirt mit lakchos und
Köre) bezeichneten Figur auffallen. Die Möglich-
keit der Identification schwindet jedoch, wenn man
den Dalton'schen Stich heranzieht, denn auf diesem
sitzt diese Figur gar nicht.
Seinen Grössenverhältnissen nach würde das
Fragment vor den s. g. Asklepios passen. Es findet
sich hier zwischen den beiden männlichen Figuren
auch eine Lücke, von der richtig gesagt wurde, dass
sie des Constrastes mit der Südwest-Ecke wegen von
einer weiblichen Figur habe ausgefüllt sein müssen,
etwa einer dem Kephisos gesellten Nymphe. Diese
Figur können wir uns nun unmöglich auch liegend
denken ; nicht bloss das Gebot der Abwechslung,
sondern auch der Raum spricht dagegen, und somit
wäre eine Figur wie die Venetianer für diese Stelle
wohl passend. Icli erinnere daran, dass neben dem
Theseus des Ostgiebels, also ebenfalls einer gela-
gerten Figur, die sitzende Köre, die unserm
Fragmeute so ähnlich ist, ihren Platz hat.
Bei meiner Annahme würde ich mir die Situa-
tion etwa folgendermassen denken. Die Nymphe
sass in Ruhe, als der jugendliche Flussgott sich
plötzlich erhob, um sich nach dem Streite im Cen-
trum hinzuwenden. Dadurch aufgeschreckt, wendet
sie den Oberkörper ebenfalls nach rechts, doch ohne
ihn ganz umzukehren. Der Mantel fällt von der
Schulter, sein Zipfel in den Schooss. Wie es der
Natur gemäss ist, wenn wir uns vom ruhigen Sitzen
plötzlich nach einer Seite umwenden (wobei wir
gewöhnlich nicht den ganzen Körper, sondern nur
den Oberkörper drehen), streckt sie das dem An-
ziehungspunkte abgewendete Bein zurück.
Als Ergebniss meiner Erörterungen möchte ich
die folgenden Sätze aufstellen: dass eine 'Möglich-
keit der Zugehörigkeit des Fragments zu den Giebel-
figuren wohl vorhanden ist; dass unter allen er-
haltenen Werken der griechischen Kunst keines
den Parthenonsculpturen, sowohl in Auffassung wie
in Technik, näher steht; dass unser Bildwerk, wenn
es nicht aus der Werkstatt des Phidias stammt, doch
ein meisterhaftes Product der attischen Kunst, spä-
testens aus der Zeit unmittelbar nach Phidias, ist.
London. Charles Waldstein.
10'
74
ÜBER DIE ECHTHEIT EINER VASE AUS ARGOS.
Am 12. April 1858 nahm ich bei dem Apotheker
in Argos die Durchzeichuung eines Vasenbildes,
welche in dieser Zeitung- 1859, Taf. CXXV, S. 33 f.
publicirt wurde. Am 17. August 1860 habe ich
die Vase noch ein Mal gesehen; ihr Besitzer war
nach dem Piräeus gezogen und hatte sie dahin mit
sich genommen. Ich muss erwähnen, dass ich
damals auf der Abreise von Griechenland zusammen
mit Michaelis im Piräeus war, und unmittelbar vorher
in Athen an den Nachspürungen meines Freundes
nach Vasenfälschungen den Antheil genommen hatte,
den unsere enge Studienverbindung mit sich brachte.
Als ich die Vase wiedersah, konnte ich also wohl
absonderlich kritisch gestimmt sein. Auch hat, so
viel wir uns erinnern, Michaelis die Vase mit mir
besichtigt. Ein Zweifel an ihrer Echtheit ist damals
jedesfalls nicht zur Sprache gekommen. Ich selbst
notirte mir die Form des oberen Ornamentbandes,
welche ich in meiner Publikation nur ganz allge-
mein hatte andeuten können, so wie ich sie nach-
stehend angebe, und Hess mir von dem Besitzer
erzählen, dass die Vase in der Gegend des Heraions
gefunden sei.
Jahre vergingen. Im Frühjahr 1873 tauchten ge-
fälschte Exemplare derselben Vase in Athen auf.
Wieseler signalisirte in seinem archäologischen Be-
richte über eine Reise in Griechenland (Abh. der
K. Ges. der Wiss. zu Güttingen XIX, 1874, S. 49)
deren zwei als grobe Betrügereien, das eine bei einem
Kunsthändler (er hiess Nostrakis), das andere bei
einem bekannten Privatsammler. Auf dem letzteren
Exemplare hatte die Hydra acht statt der zehn Köpfe
meiner Publikation; das Gefäss selbst hielt Wieseler
für alt, nur die Malerei für modern aufgesetzt, wobei
auch ein Versuch Inschriften anzubringen gemacht
war. Der Sammler hat darauf, von Ehusopulos auf
die Thatsache der Fälschung aufmerksam gemacht,
dieses sein Exemplar fortgegeben.
Es war um dieselbe Zeit, im März 1873, dass
ein deutscher Reisender in Atlien ein Exemplar der-
selben Vase kaufte. Er verschenkte es nach Berlin,
wo ich es oft habe sehen können und augenblicklich
vor mir stehen habe. Dass an diesem Exemplare
die Vase selbst antik, die Malerei aber modern auf-
gesetzt ist, leidet keinen Zweifel. Dass es nicht
das von mir publicirte Exemplar ist, geht aus einer
Menge von grossen und kleinen Verschiedenheiten,
namentlich dem Fehlen einer ganzen Figur, hervor.
Auch das von Wieseler erwähnte Exemplar des
Sammlers ist es nicht, wie die Zahl der Köpfe der
Hydra und der Mangel an Inschriften beweist.
Was Wieseler wohl nicht annahm, hat sodann
Klügmann in der Sitzung des römischen Instituts
am 7. April 187G (Bnll. deW inst. 187G, S. 116) zu-
versichtlich behauptet, dass die von mir publicirte
Vase selbst eine Fälschung sei: „poiia tanti iudizj
dt essere stato dipinto da im falsario, che nemmeno
■piiö recar maraviglia di vedervi Cerhero con una
sola tesla". Dass auf einem Vasenbilde, welches
nach Klügmanns eigener Ansicht, wenn es echt
wäre, das älteste uns bekannte mit einer Darstellung
des Kerberos sein würde, der spätere Typus des
dreiköptigen Hundes, welchen auch weniger alte
Vasenbilder zweiköpfig bilden, noch nicht erscheint,
kann den ausgesprochenen Verdacht schwerlich
irgendwie begründen. Von den nicht ausgesprochenen
Gründen vermag ich keinen zu finden. Allerdings
beruft sich Klügmann auf die Existenz der falschen
Exemplare in Athen nach Wieselers Berichte.
Indessen kann dieser Umstand doch wohl so
wenig gegen das von mir in Argos gezeichnete
Exemplar beweisen, wie die von Michaelis nachge-
wiesene gefälschte Nachbildung der Innenbilder
der Sosiasschale auf einer Trinkschale in Athen
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
75
(Arch. Ztg. XIX, 1861, S. 202* f.) der Autlieuticität
des OrigiDals im Berliner Museum Eintrag- thun
kann, so lange man dieses selljst vor Augen hat.
Ich habe nun auch keine Bemühung unterlassen,
jenem argivischen Exemplare wieder auf die Spur
zu kommen um es abermals prüfen zu kihiuen, lange
ganz vergeblich, bis ich im vorigen Jahre Herrn Dinii-
trios Elevtheriu aus Argos kennenlernte, der mit dem
später nach dem Piräeus übergesiedelten Apotheker
aus Argos, Andreas Pitzidis, dem Besitzer der Vase,
verwandt war. Der Besitzer war inzwischen ver-
storben, aber Uerr Dimitrios hat auf meine Bitte in
der Familie die sorgfältigsten Nachforschungen nach
der Vase angestellt; leider haben sie schliesslich zu
der Erklärung der Hinterbliebenen geführt, dass die
Vase zerbrochen und verloren sei. Auch nicht eine
Scherbe ist mehr aufzufinden gewesen.
Alles Dieses festzustellen schien mir der Mühe
werth. Namentlich die eine Hälfte des Vasenbildes,
in der Herakles gegen Hades einen Stein wirft, wie
Artemis gegen den Stier auf dem argivischen Relief
(Baus. II, 19, G. Vgl. Mon. dell' inst. X, 52, 1),
wovor erschreckt Hades vom Throne aufspringend
flieht (II. XX, 61 f. Id'idwvevg delaag ex 9q6vov alzo.
Cf. Herod. VII, 212), ist so eigenthümlich, dass
die einmal aufgeworfene Frage, ob die Malerei antik
oder modern sei, nach Möglichkeit beantwortet
w'crden niusste. Ich bin überzeugt, dass Löscheke
ganz recht that, wenn er sie noch kürzlich als un-
bedenklich echt behandelte (De basi qiiadam prope
Spartam reperta. Dorpater Programm 1879, S. 3).
CONZE.
TRAGISCHER KOPF.
(Tafel 8. 9.)
Im Besitze von Künstlern und Kunstfreunden in
Eom findet man nicht selten den Abguss eines
schönen weiblichen Kopfes mit dem Ausdruck tiefer
Trauer, von einem schweren Gewaudstück schleier-
artig bedeckt und umhüllt. Unter dem traditionellen
Namen der „Mutter des Herakles" oder der „Om-
phale" bekannt, geniesst der Kopf grossen Ansehens
und begegnet auch in Sammlungen von Gipsabgüssen
diesseits der Alpen nicht ganz selten. Zu Anfang
der vierziger Jahre erwarb Welcker ein Exemplar
für das Bonner Kunstmuseum') und vermuthete,
das Original m(3chte wohl nach England gegangen
sein. Später fügte er die Notiz hinzu, es solle in
Ostia gefunden und bei Mr. Jones in London sein').
Ueber Ort und Zeit des Fundes ist es mir nicht
gelungen irgend etwas Genaueres zu ermitteln; das
') Zuerst verzeichnet in dem Neuesten Zuwachs des akad.
Kunstmus. zu Bonn, 18-14, S. 8 No. 17ü4. In der zweiten, 1S41
erschienenen Auflage des akad. Kunstmuseums ist der Abguss
noch nicht aufgezählt. Ein andres Exemplar befand sich in
Berlin im Gewerbeinstitut (Friederichs, Bausteine No. 810). Neuer-
dings ist der Abguss bei Brucciani in London käuflich zu haben.
-) Bei Kekule', akad. Kunstmus. zu Bonn S. 101 Xo. 402
nach einer handschriftlichen Randbemerkung Welckers.
Original selbst tauchte zuerst aus dem Versteck
englischen Privatbesitzes bei Gelegenheit der Kunst-
ausstellung von Manchester im Jahre 1857 auf, wo
es unter den nicht zahlreichen Antiken von Belang
einen Ehrenplatz einnahm. Damals befand sich der
Kopf bereits im Besitz des gegenwärtigen Eigen-
thümers, des Hon. Ashley Geo. J. Ponsonby, zweiten
Sohnes des ersten Lord de Mauley und Urenkels des-
jenigen Earl of Bessborough, welcher im vorigen
Jahrhundert einer der eifrigsten englischen Antikeu-
sammler war; als Hon. W. Ponsonby gehörte er zu
den Stiftern der Gesellschaft der Dilettanti, deren
Mitglied er sechzig Jahre lang, bis zu seinem Tode
(1793), blieb ■'). Seine Sammlungen wurden zerstreut,
aber sein Enkel, Lord de Mauley, scheint etwas von
den Neigungen des Grossvaters geerbt zu haben.
Bei ihm hatte Waagen bereits einige Jahre vor der
Ausstellung in Manchester den Kopf gesehen und
gebührend hervorgehoben^), ohne sich jedoch dabei
3) Michaelis, Ancienl Marlies in Great Britain S. 60 f.
*) Treasures of art in Great Britain II S. 83. Die An-
gabe bezieht sich auf das Jahr ISöO oder 1851, da sie in dem
älteren deutschen Buche Waagens noch l'elilt.
76
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
des verbreiteten Abgusses zu erinuern. Auch Emil
Braun erwähnt den sog. „Omphalekopf" des Lord
de Mauley in einem Briefe an Gerhard vom 31. Januar
1853'). Das Aufsehen, welches das Original in
Manchester erregte, mag den Besitzer veranlasst
haben den Kopf dem South Kensington Museum zu
öffentlicher Ausstellung zu leihen''). Dort steht er
seit einer Reihe von Jahren in einem ziemlich dunkeln
Winkel, durch einen braunen Ueberzug — ich weiss
nicht ob in Folge des Kohlenstaubes oder irgend
einer Tränkung — traurig entstellt und unschein-
bar gemacht, so dass ausnahmsweise, da die Natur
des Marmors nicht mehr zur Geltung kommen kann,
die Abgüsse klarer und schöner wirken als das
Original '). Es wäre sehr zu wünschen, dass letzteres
endgiltig an einen günstigeren und würdigeren Platz
käme — und welcher könnte geeigneter sein als
das britische Museum? — und dort einer vorsich-
tigen aber gründlichen Reinigung unterzogen würde.
Dabei müsste dann noch ein Fehler der Aufstellung
verbessert werden, von dem unten die Rede sein
wird. Ergänzt ist au dem Kopfe nur die Nasen-
spitze. Ausserdem scheint der moderne Rand des
Gewandes, welches sich neben dem rechten Ohr
herabzieht, abgebrochen und der Bruch überarbeitet
worden zu sein; bei stärkerem Vorspringen des
Mantels traten also die reichen Locken noch mehr
in den Schatten, der Kopf desto mehr ins Licht.
Die alte Deutung auf Omphale (denn die „Mutter
des Herakles" lassen wir billig bei Seite) erklärte
sich Welcker aus „der Schönheit des Gesichts und
der Löwenhaut über der Stirne", und warf zur Er-
klärung des leisen schmerzlichen Zuges die "Worte
„vielleicht verlassen von Herakles'' hin. Aber es
ist gar keine Löwenhaut vorhanden, sondern ein
.schwerer dicker Wollenstoff, und für ein Weib von
so überkräftiger Natur wie Omphale passt schlecht
die liebessieche Stimmung einer Dido. Mau braucht
nur das pompejanischeOmphalebild") zu vergleichen,
^) Im Archiv des aichiiolügischeD Instituts in Rom.
«) Michaelis a. a. O. London, South Kens. Mus. No. IS.
') Etwas Aehnliches ist bei dem schijnen Leidener Dionysos-
kopfe der Fall {Mon. delV Jnsl. II, 41, 1. Denkm. der .ilten
Kunst II, 31, 345).
») Zahn, die schönsten Ornamente III Taf. 84. Berichte d.
.•■iichs. Ges. d. Wiss. 18Ö5 Tal'. 0.
um des fundamentalen Unterschiedes zwischen der
lydischen Bezwingerin des Herakles und unserem
Kopfe inne zu werden. Freilich noch viel verfehlter
ist die in England meistens übliche Bezeichnung
einer Juno Sospita oder Lanuvina, die wiederum
nur durch die allgemeine Aehnlichkeit der Kopf-
bedeckung mit einem Fell hervorgerufen sein kann ;
,,an eine Juno Lanuvina kann nur ein archäologi-
scher Witzliug denken", meinte Braun mit Recht.
Waagen enthielt sich jedes Deutuugsversuches. Jahn
hob den stark tragischen Ausdruck hervor, indem
er den Holzschnitt auf dem Titelblatt seiner Aus-
gabe der sophokleischen Elektra") (er ist weiter
unten in diesem Aufsatze wiederholt) mit den kurzen
Worten einführte: „caput marmoreum, paene intactiim
Ostiae ut dictmt repertum, nunc in Britannia delites-
cens, tragicam Spirans gravitatem:
eiTS aoi Ävtiyovriv elnelv q>ilov, ovx av aj^iägtoig,
ei're xal HXixTQav."
Schwerlich lag es in Jahns Absicht mit diesen
Versen des Dioskorides ") gradezu den Namen einer
Antigone oder Elektra für den Kopf in- Vorschlag
zu bringen, wie es hie und da verstanden worden
ist, sondern er wollte gewiss nur den Kopf der
tragischen Sphäre zuweisen, die Gruudstimmuug als
der Tragödie entlehnt oder wenigstens verwandt
bezeichnen. Insoweit ist schwerlich ein Widerspruch
zu befürchten.
Dieser Charakter des Kopfes tritt noch viel
schärfer hervor, wenn mau ihm seine richtige Stellung
wiedergiebt, worauf mich zuerst mein Freund
G. Gerland aufmerksam gemacht hat. Die modernen
Restauratoren und Gipsgiesser haben bekanntlich
die leidige Neigung fast alle einzelnen Köpfe mehr
oder weniger senkrecht auf die Basis zu setzen und
ihnen dabei meistens gar noch eine etwas zurück-
gelehnte Haltung zu verleihen"). Jeder Vorstand
") Bonn 1861. Jahns Interesse für den Kopf war durch
die begeisterte Schilderung seines Freundes Dr. Ilermann Härtel,
als dieser auf der Rückreise von Manchester im Herbst 1857 in
Bonn vorsprach, gesteigert worden.
">) Anthol. Palat. 7, 37, 9.
") Vgl. die Bemerkungen von Brunn in dieser Zeitschrift
1876 S. 24. Der vortreffliche Amazonenkopf des britischen Mu-
seums (^Anc. Marbl. X Taf. 5) wird im Ouide lo the Oraeco-
Roman Sculptures I No. 150 dem capitolinischen Typus zuge-
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
77
einer Abgusssammlurig wird davon 7.u erzählen
wissen, wie vielen Köpfen erst nachträglich durch
ein VornUberbeugen, gelegentlieli auch durch eine
seitliche Neigung die richtige Wirkung gesichert
werden muss. Wenn dieser Uebelstaud schon bei
den vereinzelten Köpfen hervortritt, wie viel nach-
theiliger müsste erst die Wirkung sein, wenn man
sich den Kopf in der üblichen Haltung auf seinem
Körper dächte: statt dass der Kopf zum Beschauer
herabblickte, würde dieser meistens das Kinn und
die Nasenlöcher als Hauptstücke des Gesiebtes zu
sehen bekommen, wie das in der That beispielsweise
bei den Abgüssen der Zeusmaske von Otricoli der
Fall zu sein pflegt. In unserem Falle beweist schon
die Richtung des Halses, dass die gewöhnliche steile
Aufstellung falsch ist, denn es würde unmöglich sein
sich danach den Körper in einer zum Kopfe passen-
den oder auch nur überhaupt möglichen Stellung zu
ergänzen. Es ist ganz bezeichnend, dass der Holz-
schneider welcher den vorstehenden Holzschnitt (für
Jahns Ausgabe der Elektra) oder der Zeichner
welcher die Vorlage dazu gemacht hat willkürlich die
Haltung des Halses mit der des Kopfes in Einklang
gesetzt und das zwischen dem neu erfundeneu Hals-
umriss und den Locken entstandene Dreieck durch
Gewand ausgefüllt hat. Giebt man dagegen dem
Halse seine ursprüngliche grade Haltung wieder,
so fallen die Locken senkrecht herab, die Falten
des Mantels an der rechten Seite erhalten ebenfalls
ihren natürlichen Zug, und vor Allem tritt erst jetzt
wiesen; richtig aufgestellt entspricht er genau den Köpfen des
Lansdowne-Berliner Typus, deren vielleicht bestes Exemplar er
ist. Das ludovisische Relief der sterbenden Meduse (i/on. dell'
Inst. IX, 3ö) gelangt erst zu seiner vollen Wirkung, wenn man,
entsprechend dem Falle der Haare, den Kopf so weit senkt dass
die Nase senkrecht sttht.
der Grundcharakter des Kopfes in voller ergreifen-
der Schönheit hervor. Nach einem demgemäss auf-
gestellten, leider nicht ganz frischen Abguss, der
früher in Gerhards Besitz war, ist die Photographie
gemacht worden, welche der Lithographie auf unse-
rer Tafel 8 zu Grunde liegt. Jedoch ist die Neigung
nach vorn wie gegen die Rechte um ein Geringes
zu stark gerathen, wie sich aus einem äusseren
Merkmal ergiebt. Der Kopf endigt nämlich oben
in einer graden, nur obenhin bearbeiteten Fläche.
Diese ist ohne Zweifel ein Theil der ursprünglichen
Oberfläche des Marmorblockes, welcher also nicht
völlig ausreichte; jedoch konnte man selbst bei
niedriger Aufstellung der Statue diesen Mangel nicht
bemerken. Da nun wohl anzunehmen ist, dass die
Oberfläche des Blockes horizontal war, so ergiebt
sich aus diesem Umstand mit ziemlicher Sicherheit
die ursprüngliche Haltung des Kopfes, welche
übrigens von derjenigen in der Abbildung so wenig
abweicht, dass der Unterschied für den Eindruck
fast ganz verschwindet'^).
In der somit gesicherten Haltung tritt das schöne
volle Oval des Gesichtsumrisses vortrefflich hervor.
Alle Formen sind gross und breit. Die namentlich
im Verhältniss zur Nase nicht hohe Stirn bietet fast
gar keine ebene Fläche, sondern ist durchweg ge-
rundet, so dass sie schon oberhalb der inneren
Augenwinkel energisch zurückweicht und diese
Biegung bis zu den Schläfen consequent fortsetzt '^).
'-) Auch der Hinterkopf ist in ähnlicher Weise abgeplattet,
jedoch bildet diese Fläche mit derjenigen des Oberkopfes keinen
rechteu, sondern einen etwas stumpfen Winkel, daher sie zur
Bestimmung der Haltung nicht verwendbar ist. Denn wollte
man von dieser Fläche als einer senkrechten ausgehen, so würde
man ähnlichen Schwierigkeiten wie bei der gewöhnlichen Auf-
stellung, wenn auch in etwas geringerem Grade, begegnen. Man
wird vielmehr annehmen müssen, dass die Seiten des Marmor-
blocks von Anfang an nicht in rechten 'Winkeln an einander
stiessen, wie dies ja noch heutzutage bei Marmorblöcken für
statuarische Zwecke sehr oft der Fall ist.
'^) Zu den mancherlei anregenden Sammlungen, welche der
Bildhauer Ed. von der Launitz sich angelegt hatte, gehörte
auch eine Auzahl von Durchschnitten, welche er sich von den
Köpfen hervorragender Antiken gemacht hatte, vom teneatischen
ApoUon bis zur mediceischen Venus. Es war im höchsten
Grade belehrend die Uebergänge von den geradlinigen eckigen
Durchschnitten zu den immer mehr gerundeten zu verfolgen.
Unser Kopf würde, namentlich im Durchschnitt der Stirn, ent-
schieden zu den meist gerundeten gehurt haben.
78
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
Kebeu dem breiten kräftigen Ansatz der Nase sind
die (nicht dargestelltenj Branen ein wenig empor-
gezogen , ein leiser , aber vernehmlicher Ausdruck
der schmerzlichen Stimmung. Die sehr tief gele-
genen inneren Augenwinkel und die weichen Haut-
polster, welche mehr gegen aussen sich über den
Stirurand herUberlegen und das Lied in seinem wei-
teren Verlaufe bedecken, dienen jenen Ausdruck
zu verstärken. Die Augen sind ähnlich stark wie
die Stirn gerundet. Die starke Nase mit ihrem
breiten Eiickeu verläuft nach geringer Einsenkung
au ihrer Wurzel in einer dem Profil der Stirn pa-
rallelen Linie, so dass also annähernd das soge-
nannte griechische oder attische Profil entsteht.
Die Nasenflügel sind leise gehoben und eiue leichte
Senkung mehr als Falte zieht sieh jederseits herab,
im Einklang mit den schmerzlich gesenkten Winkeln
des leise geöffneten Mundes, dessen sehr tiefe Aus-
höhlung einen Schatten von trefflicher Wirkung er-
zeugt. Ausserordentlich schön sind die vollen, schwel-
lenden, aber von jeder Sinnlichkeit freien Lippen;
die obere ist leise gehoben. Unter der gross und
einfach behandelten, aber sehr lebendig bewegten
Oberfläche der Wangen fühlt man deutlich den
Backenknochen durch; ja die obere Hälfte der
Backen ist wie leise geschwollen, so dass der An-
schein des Verweinten entsteht und zugleich jene
von den Nasenflügeln ausgehenden Senkungen stär-
keren Schatten erbalten. Das Kinn, mit seiner sehr
deutlichen Zweitheilung, ist mehr breit als hoch
und springt kräftig vor. Ein edles Weib in tiefe
Seelentrauer versenkt, das ist der Gesammteindruck
der sich dem Beschauer aufdrängt.
Dieser Eindruck wird noch wesentlich gehoben
durch die doppelte Umrahmung des Kopfes, welche
das Haar und der sehleierartige Mautel bewirken.
Das dicke krause Haar zieht sich vom Scheitel nach
beiden Seiten in ziemlich starkem Gewirre hin. Ueber
der Stirn stehlen sich einzelne Locken aus der Masse
hervor und fallen gesondert hin; jederseits schwingt
sich vor den Ohren eiue grössere Locke weit auf
die Backe vor (die bedeutend flachere am rechten
Olir ist auf der Abbildung kaum erkennbar); hinter
beiden Ohren fallen in freierem Geriugel die Haare
herab, au der rechten Seite besser erhalten als an
der linken. Alles kündigt an, dass die Trägerin
nicht in der Stimmung ist auf Ordnung und Schmuck
ihres reichen Haares Sorgfalt zu verwenden, sondern
es sich selbst überlassen hat. In der Sprache der
Bühnentechnik würde man eine Maske dieser Art
wohl als •Aaräxofj.og coxQci bezeichnet haben: rj de
xaräxo^iog luxQa ^sXaiva t^v k6^i]v, ßXiftfia XvthjqÖv,
To öa yiQiü^ia Ix xov ovö^iaTos^'}- Endlich ist auch
die Schwere des Gewandstoffes wirksam. Der eine
Wulst, bei dem die Dicke des Zeuges es zu einzelnen
Faltenmotiven kaum kommen lässt, mit seiner starken
Unterhöhlung, drückt gewissermassen auf den Kopf,
ohne docli die Freiheit der Stirn zu beeinträchtigen.
Die flüchtige, nur oberflächlich den Zug des Ge-
wandes andeutende Behandlung des Faltenwurfes
au beiden Seiten beweist deutlich, dass die Statue
nur auf Vorderansicht berechnet war; hier sollte
einst wohl nur der vordere Rand als Rahmen für
die Lockenfülle wirken.
So wenig Zweifel über den Grundcharakter des
Kopfes entstehen können, so schwierig ist es eine
bestimmtere Deutung der dargestellten Persönlichkeit
zu geben. Heutzutage scheinen die Ansichten dahin
zu neigen, dass eine trauernde Barbarin dargestellt
sei. So schrieb schon 1853 Braun au Gerhard:
„Der sog. Omphalekopf scheint mir eine Provinz
darzustellen. Wolff, dem ich diese Ansicht mittheilte,
ist meiner Meinung." Wesentlich in Uebereinstim-
mung damit sprach Friederichs'*) dem Kopf einen
unhcUeuischen Charakter zu, wie er für eine edle
Barbarenfrau nach Art der „Thusnelda"'*) passend
seiu würde; die Trauer sei bei dieser Annahme
ebenso erklärlich wie die fremdartige Kopfbedeckung.
i<) I^Uux 4, 140.
'^) Bausteiue No. 810.
«) Mon. Ined. dcW Inst. III, 28, A und S. Diitschke Uffi-
zieu No. 560. Conze (Zeitschr. für bild. Kunst VII, 330 Aura. 2)
weist auf einen Stich Enea Vicos von 1541 hin. Damals be-
fand sich die Statue mit ihren vier Genossinnen in aedibus
Cardinalis de Valle, d. h. dem bald darauf sogenannten Palazzo
Cajjranica, wo 1550 AKlrovandi die fünf „Saime" in einer
oberen Loggia sah (staltie S. 218). Eine Abbildung dieses Hofes
mit seinen Statuen gibt ein gleichzeitiger Stich von Hieron. Kook,
den mir v. Duhn 1878 in der Corsiniana gezeigt hat. In aedi-
bvs Capranicae befand sich die Statue auch noch, als die Zeich-
nung für C'avaliori gemacht ward (anllq. slat. I et II liier,
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
79
Conze") ist zu der gleicben Annahme geneigt, und
vergleicht ausser der Florentiner Statue aucli den
Petersburger Kopf einer Germanin'*). Zurückhal-
tender äussert sich Kekule '"), indem er zu Friederichs
Vermuthung die Worte hinzufügt: „obgleich auch
hierzu die Aehnlichkeit kaum ausreicht". Vielleicht
wird man für jene Annahme auch die oben be-
sprochene Beschaffenheit der Ober- und der Hinter-
fläche unseres Kopfes geltend zu machen geneigt
sein; wie bei der Florentiner Statue und dem Peters-
burger Kopfe die Kückseite kaum ausgeführt ist
und dadurch eine ehemalige architektonische Ver-
wendung, etwa an einem Triumplibogen, nahegelegt
wird, so würde ja auch die Vernachlässigung der
Eückseite und der Seitenflächen an unserem Kopfe
eine ähnliche Vermuthung l)egünstigen. Allein dieser
Umstand lässt doch nur überhaupt auf eine nicht
allzu niedrige Aufstellung vor einer Wand oder in
einer Nische schliessen; die weitere Analogie würde
erst dann zwingend sein, wenn der barbarische
Charakter unseres Kopfes feststünde. Dies muss
ich aber bestreiten, ebenso wie auch Kekule eher
an eine mythische Idealgestalt als an eine Barbarin
denken mochte. Ich gestehe, ebenso wenig in den
Formen des Gesichtes wie in dem Ausdruck der
Züge irgend etwas Ungriechisches finden zu können.
Man vergleiche nur den Petersburger Kopf; so ge-
ring auch dessen Ausführung ist, der Charakter der
Barbarin ist dennoch unverkennbar. Stärker idealisirt
sind die Züge der sog. Thusnelda, aber die Herb-
heit der Formen, in denen gleichsam der Amazonen-
typus zum Matronalen hin fortgebildet erscheint, und
das Düstere des Ausdrucks sind von den, bei aller
1585, Taf. 20, wiederum mit abgebrochenem rechten Unterarm,
sonst aber voHstäudig) , aber ein Jahr ehe der Band -erschien,
war der ganze Inhalt des Palastes vom Card. Ferd. de' Medici
gekauft worden (Gotti gatlerie e »meei de Firenze S. 361 ft'.,
s. besonders S. 362:.
■') Verzeichniss der Gipsabgüsse [in Berlin] No. 788 B. Der
Hinweis auf den Petersburger Kopf ist im zweiten Abdruck
(1880) gestrichen.
") Zeitschrift für bild. Kunst VII zu S. 332 mit Conzes
Text ebenda S. 331 f.
") Akad. Kunstraus. zu Bonn Xo. 402. Der folgende Zu-
satz: ,, vielleicht darf man auch an eine eigenthümliche Amazo-
nenbildung denken" bedürfte einer näheren Ausführung, um —
für mich wenigstens — irgend Wahrscheinlichkeit zu haben.
Archäolog. Ztg. Jahrg.ius XXXVIII.
Kräftigkeit der Anlage, weichen Formen und von
dem traurigen, fast sentimentalen Sinnen unseres
Kopfes so verschieden, wie meines Erachtens es
sich eben für den Gegensatz einer Barbarin und
einer Griechin schickt. Gern berufe ich mich auch
hier auf das Zeugniss Gerlands, de,ssen Blick fUr
ethnologische EigenthUmlichkeiten besonders ge-
schärft ist: er vermag ebenfalls keine Spur von
irgend welchem Barbarentypus in den Formen und
Zügen zu entdecken, steht vielmehr nicht an, den
Kopf für den einer Griechin zu erklären.
Mit grösserem Scheine lässt sich zu Gunsten
der bestrittenen Erklärung die Charakterisirung des
Haares und des Gewandes geltend machen. Die
Dicke des Stoffes, aus welchem letzteres besteht, ist
allerdings bei griechischen Frauenbildern, sei es
idealen oder portraitmässigen, nicht üblich, aber,
so viel ich sehe, auch bei Barbarenfrauen nicht
nachweisbar. Die Germanin der Loggia de' Lanzi
ist so wenig verschleiert wie die Petersburger Ge-
nossin oder die Provinzdarstellungen auf bekannten
Neapler und römischen Reliefs"), und das ganze
Gewand der „Thusnelda" ist aus so dünnem Stoffe
gemacht, dass die Falten sich nicht einmal überall
von Kleinlichkeit frei halten. Ich glaube, dass die
Wahl des schweren Stoffes bei unserem Marmor
ausschliesslich durch eine künstlerische Eücksicht
bestimmt ward. Vergleicht man die Demeter von
Knidos, oder jene unzähligen benannten oder namen-
losen verschleierten Frauen auf attischen Grabsteinen
des vierten Jahrhunderts, auch diejenigen mit ge-
senktem Haupte und entschiedenem Ausdruck der
Trauer, immer verhüllt der Mantel nur das Hinter-
haupt, die vordere Hälfte des Kopfes dagegen tritt
frei und unbedeckt hervor, unverkennbar zum Vor-
theil eines klaren, freien und ruhigen Eindrucks.
Auch wo der Schleier dazu verwandt wird eine
tiefere Schattenmasse um das Gesicht zu bilden,
erstreckt sich dies nur auf die Partie neben den
Wangen, nicht auf die Stirn und die Haare darüber.
Das ist auch ganz natürlich bei dem üblichen feineren
Stoff des Mantels; wird dieser über das Haupt ge-
zogen, so kann er sich oben nur demselben glatt
20) Denkm. d. alt. Kunst I, 68, 375 a — d.
11
80
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
anschmiegen; eine selbständige Faltenbiklung würde
gegen die Natur des Gewebes sein, und wo sie
etwa versucht wird, kann es nicht wohl über eine
so schwächliche Welleubeweguugdes vorderen Randes
hinausiiommen, wie wir sie z. B. an der matronalen
„Herculanerin" iu Dresden") bemerken. Es liegt
nun auf der Hand, wie sehr nicht bloss die malerische
Wirkung sondern auch der Ausdruck der Stimmung
in unserem Marmor dadurch gesteigert wird, dass
fast der ganze Kopf verhüllt, sein Umriss verdeckt
wird und dass das Gewand in selbständiger Geltung
auftritt, indem es mit einem grossen starken Bausch
auf dem Kopfe lastet. Dies konnte eben nur durch
die festere, gröbere Art des Gewandstoffes erreicht
werden, und um diesen Effect zu erzielen hat meines
Erachtens der Künstler sich die Abweichung von
der Tracht des wirklichen Lebens gestattet. Auch
dieser Punkt tritt übrigens erst bei der richtigen,
geneigten Haltung des Kopfes in volles Licht; erst
so wird es klar, dass das Gewand den ganzen Kopf
bis oberhalb der Stirn bedeckt und mit seinem
polsterartigen Bausche so weit überhängt, dass nur
noch grade das reiche Haar darunter seine Wirkung
nicht eiubüsst.
Dies Haar in seiner üppigen und gelösten Fülle
würde an sich für eine Barbarin ganz passend sein,
obschon das Haar der beiden öfter genannten Ger-
maninnen, vor allem das des Petersburger Kopfes,
wesentlich verschieden charakterisirt ist, viel weniger
kraus, viel steifer, starrer und so zu sagen massiger.
Reiches Haar ist ja aber durchaus nicht den Barba-
rinneu ausschliesslich eigen; man denke nur an die
Lockenfülle der Kiobe, namentlich in dem weit vor-
züglicheren Exemplar der Sammlung Yarborough^"),
au die sogenannte Klytia'^) und so viele andere edle
21) Augusteura Taf. 19 ff.
") Specimens I, 37. Deukm. d. alt. Kunst I, 34, 142 C.
Auf diesen Kojjf passen Antiiiatros Worte fvOtov f^ äS^ov
XQttrds ttifiioa xo^rjp {anthol, Palat. app. Plan. 133, 2, vgl.
ebenda 134, 3), welche Jahn (pop. Aufs. S. 102) der Florentiner
Statue gegenüber nicht zutreffend fand.
^ä) Hübner Bildn. einer Uomerin Taf. 1. — Ich bemerke
ausdrücklich, dass die nachfolgenden Beispiele nicht den Kupfer-
werken, welche iiierin vielfach ungenau oder unzureichend sind,
cntnoinnien , sondern an den Originalen oder Abgüssen gesam-
melt sind.
Frauenkopfe. Nicht die Fülle sondern die mangelnde
Pflege des Haares ist an unserem Kopfe die Haupt-
sache, diese aber ergiebt sich aus der Situation.
Man glaubt noch zu erkennen, dass das Haar nicht
immer so verwahrlost gewesen ist, innerhalb der
Unordnung treten deutlich die Spuren einstiger
Pflege hervor; das Haar ist weich und biegsam ge-
blieben (ganz anders als bei jenen Barbarinnen),
nur die augenblickliche Ordnung fehlt ihm. Eben-
so wenig Beweiskraft haben einige Einzelheiten
der Haarbildung. Wenn bei der „Thusnelda" sich
am Scheitel ein paar Löckchen aus der Masse lösen
und auf die Stirn herabfallen, ähnlich wie bei un-
serem Kopfe, so dient dies beidemal dem gleichen
Zwecke, die Achtlosigkeit der trauernden Frau auf
die Ordnung ihres Haares zu bezeichnen. Auch
die todte Amazone in Neapel, die zu den perga-
menischen Weihgeschenken gehört"^), weist das-
selbe Detail auf, desgleichen der Stockholmer
Endymiou'^); abweichend, aber noch reicher ausge-
bildet ist das wirre Haar der sterbenden Meduse
Ludovisi*^). Das schliesst nicht aus, dass anders-
wo die gleiche Besonderheit als ein mehr oder
weniger bewusstes Mittel der Gefallsucht auftritt,
z. B. an dem schönen Brouzekopf der Aphrodite
aus Kleinasien im britischen Museum"), au der
Petersburger sog. Venus de F Ermitage^"), an einem
Bronzeköpfchen aus Pompeji^") u. s. w. Ebenso
wird bekanntlich das Motiv des von der einen
Schulter herabgleitendeu Chiton bald zum Ausdruck
der Coquetterie, bald (wie bei den Penelopebilderu)
zur Charakterisirung selbstvergessener Trauer ver-
wandt. In anderen Beispielen von in die Stirn
hängenden Locken ist es zweifelhaft, ob nicht viel-
mehr eine künstlerische Mauier als eine bestimmte
Absicht vorliegt, z. B. bei dem ApoUon Giustiniani
2*) .Von. IneJ. deW Inst. IX, 20, 5.
") Guattani Man. Ined. 1784 Genn. Taf. 2. Clarac IV,
586, 1250. Die Abbildung lässt die Eigenthümlichkeit nicht
erkennen.
26) Mon. Ined. delV Inst. IX, 35. Annali 1871 Taf. S. T.
2') Arch. Zeitg. 1878 Taf. 20.
2') Wenigstens wenn der Abguss No. 1073 im Berliner Neuen.
Museum von dieser Statue genommen ist.
2'') Antkh. di Ercol. V Taf. 3.
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
81
und seinen Genossen "), dem Brouzekopf der Juno
aus Vienne im Museum zu Lyon"), einer bronzeneu
Artemis (Oberkörper) aus Pompeji '') u. s. w.
Weit auffälliger sind au unserem Kopfe die
grossen Locken, welche vor jedem Ohre weit auf
die Backe vorspringen. Aber auch hierin würde
es ganz verkehrt sein etwas charakteristisch Bar-
barisches suchen zu wollen. Um aus einer grösse-
ren Zahl nur wenige deutliche Beispiele heraus-
zugreifen, welche keinen Zweifel lassen dass der
Künstler diesen Zug hervorheben wollte, nenne ich
wiederum die Köpfe von der Familie des giustinia-
nischen Apollon "); namentlich an dem römischen,
von Juljus besprochenen tritt die Absichtlichkeit
stark hervor. Auch der Baseler Apollonkopf ^*)
hat an dieser Stelle ein kleines Löckchen, das am
belvederischen Kopfe etwas anspruchsvoller gedreht
ist. Deutlicher ist die Locke an der herrlichen
Bronzestatuette des bogenspannenden Apollon aus
Paramythia im britischen Museum ^*), sowie an dem
bronzenen Sauroktonos in Villa Albani (namentlich
am rechten Ohr). Dass grade der deus intonsus
besonders viele Beispiele liefert, ist natürlich. Ihm
schliesst sich Dionysos an, z. B. in der Gruppe mit
Ambrosia im britischen Museum "). Unter den
Göttinneu bietet auch für diese Eigenthümlichkeit
Aphrodite am meisten Analogien, vor allem wieder-
um in dem Bronzekopf des britischen Museums, iu
weit geringerem Grade in dem vaticanischen Kopfe,
welcher aus den Diocletiausthermen stammt "). Auf
3°) Cabinet Pourtales Taf. U. Denkm. d. alt. K. II, 11,
123. — J/on. Ined. delV Inst. X, 19. — Müller-Schöll Mit-
theilungen aus Griechenland Taf. 4, (i.
=') Gazette arclUol. II Taf. 1.
3-) Mus. Borbon. VIII Taf. 60.
^^) Anm. 30. Hierfür lässt sich auch die giustinianische
Apollonstatue (<,aW. Giustin. I, 56. Clarac III, 486, 942) ver-
gleichen.
31) Man. Ined. deli Inst. VIII, 39. 40.
^^) Specimens I, 43. Clarac III, 485, 936.
3«) Anc. Marbles III, 11. Clarac IV, 691, 1629. Denkm.
d. alt. K. II, 32, 371. Etwas anderer Art sind die auf die
Backen vorspringenden Locken krausen Haares beim sog. ster-
benden Alexander in Florenz , dem ähnlichen capitolinischen
Kopf, dem Müncheuer Terracottenköpfchen bei Lützow Mün-
chener Ant. Taf. 1, ferner dem vaticanischen Triton (Mus. Pia
Clem. I Taf. 34).
3') Guattani Mon. Ined. ISOö Taf. 19. Mus. Chiaram. I
Taf. 27.
den grossen Eeliefs des pergamenischen Altars
trägt die mit Schleier und Wollbinden geschmückte
Göttin, welche das schlangenumwundene Gefäss als
Waffe schwingt, vor dem rechten Ohr eine ziemlich
grosse, eigenthUmlich geringelte Locke. — Diese
Beispiele, welche bei längerer Aufmerksamkeit und
reicherem Untersuchungsmaterial ohne Zweifel nicht
bloss vermehrt sondern auch mehrfach durch noch
zutreffendere Beispiele würden ersetzt werden kön-
nen, genügen jedenfalls für den Nachweis, dass
diese Art von Locken bei griechischen Idealfiguren,
weiblichen wie männlichen, nicht selten ist; ob sie
sich jemals bei Barbarinnen findet, weiss ich nicht.
Wenn es mir gelungen sein sollte die Deutung
unseres Kopfes auf eine Barbarin oder Repräsen-
tantin eines barbarischen Landes als unbegründet
zu erweisen, so kommen wir wieder auf Jahns
capiil tragicam spirans gravitatem zurück. Zweifel-
haft kann dabei sein, ob wir den Kopf direet der
Tragödie oder dem Idealgebiet überhaupt, oder aber
dem wirklichen Leben zuweisen sollen. Dass nicht
füglich eine tragische Heldin oder eine mythische
Heroine ganz im Allgemeinen gemeint sein könne,
steht wohl fest; für eine specielle Deutung, z. B, auf
Antigone oder Elektra, fehlt es bei der grossen An-
zahl von „Iv av^iq>OQÜ~ befindlichen Heldinnen und
bei dem gänzlichen Mangel bestimmter Kennzeichen
jetzt an jedem Anhalt, den einst die vollständige
Statue durch ihre Tracht oder durch ein Attribut
dargeboten haben kann. Ich bin jedoch eher ge-
neigt die Erklärung auf einem etwas andern Ge-
biete zu suchen, in Anknüpfung an die attischen
Grabreliefs mit trauernden Frauen, welche in be-
sonderer Fülle und Schönheit aus dem vierten Jahr-
hundert erhalten sind. Als Muster der Gattung
mag der herrliche Kopf dienen, welcher jedem Be-
sucher von LansdownehoHse als der hervorragendste
Schmuck der Eingangshalle bekannt ist"). Er ist
38) Michaelis arch. Anz. 1862 S. 339*. Ancient Marbles
in Great Britain, London, Lansdowneh. 1. Das Fragment be-
steht aus pentelischem Marmor. Hijhe 0,(^7, wovon 0,30 auf
das Gebälk, 0,37 auf den Rest der Bildfiäche kommen. Grösste
Breite 0,455, hinten 0,49. Die Dicke beträgt am Gebälk 0,165,
am Tympanon und Epistyl 0,135 ; die Reliefplatte ist nur 0,04
dick. Das o statt ov in der Inschrift, welche mit grosser Sorg-
11*
82
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
in (leider etwas stumpfen) Abgüssen verbreitet und
nach einem soleben auf Tafel 9 abgebildet. Da
aber der Abguss nur den Kopf enthält, so werden
die nachstehenden Holzschnitte geeignet sein das
ganze Fragment anschaulich zu machen und zu-
gleich die ausserordentliche Reliefhöhe zu zeigen:
bei einer Gesiclitslänge von 0,18 M. ragt der Kopf
bis zu 0,155 M. aus dem Eeliefgrunde hervor. Die
Erhaltung des Gesichtes ist bis auf die bestossene
Nasenspitze vollkommen, selbst die Augenlieder
haben ihre volle Schärfe bewahrt. Das sehr weich
behandelte wellige Haar ist mit einem dreifachen
Bande umwunden. Vom Hinterhaupte fällt schleier-
artig der feine Mantel herab; oben, wo er einst
nicht sichtbar war, ist er nur ganz oberflächlich
bearbeitet. Ein Loch im linken Ohrlappen weist
auf den Schmuck eines metallenen Ohrgehänges hin.
Die Stele (vermuthlich gehört der Kopf einer
sitzenden Figur an) muss einst nicht bloss zu den
grössten sondern auch zu den schönsten ihrer Art
gehört haben. Die Behandlung ist die denkbar
einfachste. Stirn, Backen, Kinn zeigen jene ruhig
grosse Formgebung, welche auf individualisirendes
Detail ganz verzichtet und doch nirgendwo den
Hauch warmen Lebens vermissen lässt. Der Brauen-
fiilt eingegraben ist, weist auf das erste Viertel des vierten Jahr-
hunderts. Auf fj Jf/'v« --]oiJÜ'ov; ,'tvyit[irjo folgte vielleicht
noch die Angabe des Gatten, da die Verschleierung eine ver-
heiratete Frau zu bezeichnen scheint.
rand ist mit ziemlicher Bestimmtheit gezeichnet.
Das obere Augenlied ist gegen den inneren Winkel
emporgezogen; der Blick erhält dadurch etwas
Freies und zugleich einen leisen Ausdruck weh-
miithiger Resignation , welcher überhaupt im Mar-
mor selbst vernehmlicher als in der Abbildung
hervortritt. Ein nicht vollkommener Parallelismus
zwischen Augen und Mund, wie er oft an attischen
Köpfen beobachtet ist, namentlich bei etwas ge-
neigter Kopfhaltung, ist auch unserem Kopfe eigen;
der rechte Mundwinkel hängt ein wenig und ver-
stärkt dadurch den Ausdruck gelinder Trauer. Fast
alle diese Züge kehren, bald deutlicher bald ver-
wischter, in den besten Exemplaren der Grabreliefs
ähnlicher Art und Zeit wieder.
Ein Vergleich zwischen diesem Kopfe und dem
des Hon. Ashley Ponsonby ergibt für beide die
gleiche Grundlage einer schmerzlichen Stimmung.
Nur erscheint diese in dem attischen Relief kopfe mehr
zurückgehalten, auf jenes bescheidene Mass äusser-
lichen Hervortretens beschränkt, welches die ganze
Zeit des hohen Stils innegehalten hat. Kekule ")
hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, wie auf
den Orpheusreliefs die Köpfe allein fast ausdrucks-
los sind, das Gesammtmotiv der Figuren aber deut-
lich genug zum Ausdruck gekommen ist, um auch
die Gesichter mit in den Bereich seiner Wirkung
hineinzuziehen. Noch au dem Niobekopf kann man
beobachten, wie nur auf wenige Stellen der Aus-
druck des Schmerzes sich beschränkt, während alle
andern Theile des Gesiclites davon unberührt er-
scheinen, so dass, wenn man jene Stellen verdeckt,
von dem besonderen Ausdrucke nichts erkennbar
wird. Dies Masshalteu beruht auf einer richtigen
Beobachtung der Wirklichkeit. Der Physiologe Du-
chenne hat festgestellt, dass eine isolirte Reizung
gewisser einzelner Muskeln, an Augen, Nase, Mund,
vollkommen genügt den Ausdruck bestimmter Em-
pfindungen hervorzurufen, obschon das ganze übrige
Gesicht unverändert bleibt. Anders ist das bei dem
Kopfe im South- Kensington- Bluseum. Wie die
ganze Oberfläche bewegter erscheint, so vertheilt
sich auch der Ausdruck des Schmerzes mehr über
■") Uas akad. Kunstnius. zu Donu S. 38 ff.
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
83
das ganze Gesicht; er wird stärker zugleich imd
individueller, gleichwie die Formeu des Gesichtes
selbst individueller sind. Dem entspricht es denn
auch dass das Haar, welches bei der Frau des at-
tischen Grabsteines wohlgeordnet ist, mit heran-
gezogen wird zur Charakteristik des aller Aeusser-
lichkeit nicht achtenden Schmerzes, und dass selbst
der Mantel in Stoff und Lage der gleichen Absicht
des Künstlers dienen muss. Es liegen eben zwei
verschiedene Richtungen, zwei verschiedene Epochen
künstlerischer Empfindung und künstlerischer Aus-
drucksweise vor. Das schliesst aber nicht aus dass
die Bestimmung der Statue, welcher der schöne Kopf
angehörte, derjenigen des attischen Grabreliefs ähn-
lich war. Eine trauernde Frau, sei es als Einzel-
statue sei es in einer Gruppe, an oder auf einem
Grabe aufzustellen konnte einer prunkvolleren Zeit,
welche in der Errichtung von Ehrenstatuen schwelgte,
nicht fern liegen, wo ein älterer einfacherer Sinn
sich mit dem Relief begnügt hatte. Ein eigent-
liches Portrait wird man deslialb hier so wenig
erwarten, wie dies auf den Grabreliefs der späteren
Zeit üblich ist; das stärker individuelle Gepräge,
welches der ganzen Kunst seit Lysippos eigeu ist,
genügt auch hier vollkommen zur Erklärung. Eine
eingehendere Untersuchung verlaugt dagegen die
Frage, ob und wie weit wir berechtigt sind der-
gleichen statuarischen Gräbersclimuck anzunehmen.
Angeregt ist diese Frage ja bereits — ich erinnere
an Conzes Ansicht über Sinn und Bestimmung der
ludovisischen Gruppe des Menelaos "), oder an die
sog. Penelopestatuen — : sie iu grösserem Zusam-
menhange und mit reicherem Material vorzunehmen
fehlt es mir augenblicklich an Zeit, daher icii mich
hier mit der Andeutung begnügen muss, dass ich
geneigt bin die Frage zu bejahen.
Ueber die Zeit, in welcher unser Kopf entstan-
den sei, äussert sich Braun in dem oben angeführten
Briefe an Gerhard: „Der Styl ist breit, aber deco-
ratiousmässig und weist auf die erste Kaiserzeit
hin." Den Ausdruck „decoratiousmässig" kann
ich nicht für zutreffend halten. Vielleicht ist das
*") Sitzungsber. der Wiener Akad. LXXI S. 320. LXXX
S. Gl" f., vgl. Arch. Zeitg. 1S7G S. 148 Anm. 7.
Urtheil durch den entstellenden Ueberzug des Ori-
ginals mitbestimmt; an den Abgüssen tritt eine so
weiche und lebensvolle Behandlung der Oberfläche
und eine solche Uebereinstimmuug von Ausdruck
und Form hervor, dass mir jenes Urtheil dem Stil
nicht gerecht zu werden scheint. Aufgefallen ist
mir, wie in den beiden tiefen Rillen unterhalb des
Mantels und zwischen diesem und den Haaren die
Spuren des Bohrers stehen gelassen sind, doch war
diese kleine Nachlässigkeit bei einigermassen hoher
Aufstellung einst kaum bemerklich. Aber selbst
wenn Braun mit seiner Zeitbestimmung Recht haben
sollte, worüber ich mir ein sicheres Urtheil bei dem
gegenwärtigen Zustande und der ungünstigen Auf-
stellung des Originals nicht erlaube, so würde dies
doch nur das vorliegende Exemplar angehen. Der
Kopf ist sicherlich keine römische Erfindung, son-
dern stammt aus einer besseren, griechischen Zeit.
Mir ist es niclit undenkbar (und insofern kann ich
mich denen nähern, welche an eine Barbarin den-
ken) dass. wir in unserem Fragment den Rest einer
Statue aus hellenistischer, vielleicht frühhellenisti-
scher Zeit besitzen, deren Motiv später den Künstlern
gefangener Barbarinnen für römische Triumphal-
monumente zum Muster gedient hat.
Strassburg. Ad. Michaelis.
Anhangsweise mögen hier noch ein paar Stellen
aus Briefen Emil Brauns an Gerhard, im Herbst
1849 in London geschrieben, Platz finden. Sie be-
ziehen sich auf das in weiten Kreisen populär ge-
wordene und in Abgüssen verbreitete sogenannte
Marmorfigürchen aus Smyrna,
mit welchem Gerhard den siebenten Jahrgang seiner
Archäologischen Zeitung eröffnete. Die überraschende
Mittheilung, dass dieses von Gerhard einst in
Millingeus Händen gesehene und hochgeschätzte,
sodann in Lord Vernons Besitz gelaugte Werk
modernen Ursprunges sei, hat offenbar bei Gerhard
nicht sogleich Glauben gefunden; als er sich davon
hatte überzeugen müssen, verbannte er den Abguss
aus seinem Zimmer, um nicht stets an die ärger-
liche Täuschung gemahnt zu werden. Es wird kaum
der Erinnerung bedürfen, dass Braun damals bereits
84
A. Michaelis, Tragischer Kopf.
sehr stark von eleu bei ihm immer wachsenden
Interessen für technische Fragen und für Repro-
ductionsverfaliren erfüllt war.
„10. Sept. ... Was das Millingensche Biscuitfig-ür-
chen betrifft, so hörte ich lauge bevor Ihre Publi-
cation ankam davon reden. Burgon hat zuerst den
Betrug entdeckt. Es scheint noch vor Millingens
Tode verschwunden zu sein, ist aber von allen
hiesigen Museumsbeamten gesehen und einstimmig
verdammt worden'-.
„28. Sept. Ich habe Ihre lieben Zeilen vom
19. nicht eher beantworten wollen, bis ich das
Vernonsche Figürchen zu untersuchen Gelegenheit
gehabt hätte. Das ist erst gestern möglich gewesen.
Es bedurfte nicht erst der Untersuchung des Materials,
um sich von dessen Unechtheit zu überzeugen. Ganz
augenscheinlich ist es auf Betrug gemacht oder
wenigstens dazu hergerichtet worden. Die Draperie
der Brust erinnert auflallend au den Bröndstedschen
Torso*'), während der Faltenwurf des unteren Theils
durchaus nicht mit den dort entwickelten Motiven
stimmt. Von dem modernen Ausdruck des Gesichts
nicht zu reden, so ist der Vortrag der Haare der-
massen trivial und trotz des geistlosen Fleisses
leblos, dass dies allein jeden kundigen Archäolog'en
vorsichtig gemacht haben würde.
„Was nun das Blaterial betrifft, so ist es das
modernste Biscuit. König hat Säuren darauf reagiren
lassen, aber ohne den mindesten Erfolg. So weit
würde ich nie gegangen seiu. Die Risse, welche
beim Trocknen auf der Oberfläche entstanden sind,
reichen allein hin jeden Zweifel zu zerstören. Auch
ist es innen hohl, was bei einer Marmorstatuette
von so kleinem Umfang durchaus befremdend sein
würde.
*') Aus Keos: Bründsted Reisen und Untei's. 1 Taf. 9. Die
Aehnlichkeit ist nichts weniger als sclilagend.
„Die Frage, welche für mich allein Interesse
haben würde, ist die: ob es französischen oder
deutschen Ursprungs ist? Es scheint mir nicht denk-
bar, dass es ein englisches Fabricat sei, da Flaxman
die Sculptur nicht so weit gefördert hat ....
„Millingen ist eben stumpfsinnig geworden, wie
Payne Knight u. a. Ein solches Cento würde ihn
haben lachen machen, hätte er es in anderen Händen
getrofl"eu. Das kommt auf seine Rechnung und ist
eiu gutes Gegenstück zu Capranesis Zahnbürste mit
englischem Fabriknamen, die er mir trotz meiner
kritischen Einwendungen als antik verkauft hat,
und zu Fogelbergs moderner Glaspaste mit Künstler-
namen, die ich ihm mit 60 — 80 Scudi bezahlt habe.
„Ihnen, mein hochverehrter Freund, ist aber noch
etwas Schlimmeres passirt. Der Cammeo mit der
Minervengeburt, welchen Sie letzthin publicirt ha-
ben"), ist modern. Ich habe ihn oft galvanoplasticirt
und die Paste von Odelli mit Angabe des modernen
Künstlers, der auch ein Gegenstück dazu gemacht
hat, erhalten. Bucci") hatte eine Glaspaste davon,
die er mir bei Einschiffung der Leiche von Prinz
Heinrich für alt verkaufen wollte und die bei Cer-
veteri gefunden sein sollte. Bei dieser Gelegenheit
erhielt ich von Odelli die Gypspaste mit Perlenrand.
Dies bedarf keiner weiteren Erörterungen und Sie
dürfen die Sache als ausgemacht ansehen."
„29. Sept. Das Vernon -Figürchen ist nach
Newtons Vorschlag zu einem Schiffsbild als unge-
flügelte Kike") hergerichtet worden",
*-) Archüol. Zeitung 1849 Taf. 6, 1.
^^) Antikenhändler in Civitä Vecchia.
**) Die richtige Deutung — ob etwa auch das Vorbild des
Fälschers? — erglebt, wie längst bemerkt worden ist, die Mänade
Thalia auf der Vase bei Tischbein II, 44. Denkm. d. alt. K.
II, 41, 487. Dadurch findet auch die Thiertatze auf der Rück-
seite des Figürchens ihre Erklärung, auf welche ohne jenes oder
ein ähnliches Vorbild der Verfertiger nicht leicht gerathen sein
würde.
85
ZUM NIKE-PYRGOS.
Uebev das Alter der kleiuen zwischen Propylaeen-Südballe und Niketempel
liegenden Treppe.
(Tafel 10.)
■ Es lag in meiner Absieht die Resultate der Unter-
suchungen, die ich über die Propylaeen und ihre
Umgebung angestellt habe, im Zusammenhange zu
veröifentlichen. Wenn ich in Naclistehendem theil-
weis davon abweiche, so bin ich hierzu zunächst
veranlasst durch die jüngst in der Zeitschrift für
Bauwesen Jahrgang XXX Heft 1 — 3 erschienene
Abhandlung von Professor Karl Bötticher „Tekto-
nische Untersuchungen auf der Akropolis im Früh-
jahr 1878, betreffend die Thymele des Niketempels
und die Südhalle der Propylaeen. I". Wir begegnen
in dem ersten Abschnitt, der sich mit jener be-
kannten zum Niketempel gehörigen Treppe beschäf-
tigt, einer Reihe von Resultaten, die uns allerdings
nicht neu sind, da sie schon früher vom Verfasser
im Philologus XXI Band 1 ausgesprochen sind.
Sie treten aber dieses Mal in präciserer Form als
Früchte einer „wiederholten technisch durchgreifen-
den Prüfung an Ort und Stelle" auf, unterstützt von
einer Reihe von Zeichnungen, die leider im Detail
zuweilen gerade jene minutiöse Genauigkeit ent-
behren, die der Verfasser mit vollem Recht als un-
erlässliehe Nothwendigkeit für eine solche Unter-
suchung hinstellt.
Die Resultate aber, zu denen ich über jenen
Punkt gelangt bin, sind wesentlich verschieden von
den dort ausgesprochenen. Wenn ich mir gestatte
in Nachfolgendem dieselben darzulegen, so giebt
mir einerseits eine längere untersuchende Beschäf-
tigung an Ort und Stelle den Muth, mich zu denen
zu rechnen, welche ein Urtheil über diese Fragen
sich zu bilden berechtigt sind, andererseits aber
halte ich es auch für eine Pflicht, rechtzeitig der
Gefahr vorzubeugen, dass bei der hohen Autorität,
welche der Verfasser auf dem Gebiete der tech-
nischen Forschung mit Recht beansprucht, seine
dort niedergelegten Meinungen weitere Verbreitung
finden und damit, statt zu klären, eine gewisse Ver-
wirrung in mancherlei schwebende Fragen bringen.
Es möge mir gestattet sein, bei meinen Mitthei-
lungen im Grossen und Ganzen dem Gange zu
folgen, welchen Bötticher eingeschlagen, da ich
glaube, dass dies die vergleichende Abwägung
und die Schätzung der gegenseitigen Behauptungen
erleichtern dürfte. Ich werde mich natürlich nur
auf die in Betracht kommenden technischen Fra-
gen beschränken. Zur Erklärung des Folgenden
weise ich auf die Grundriss-Skizze der Treppe und
ihrer Umgebung hin, sowie auf die perspectivische
Ansicht derselben von Nord her (Taf. 10), da ich
glaube, dass besonders die letztere am besten zu
einem leichteren Verständuiss beitragen wird. Zum
Gruudriss bemerke ich, dass der Marmor weiss ge-
blieben ist; die Porosquadern, soweit sie in regel-
mässigem Verbände liegen, sind durch helle; un-
regelmässige Fundameute und Füllmaterial durch
dunkle Schraffur bezeichnet. In der Buchstaben-
bezeichnung folge ich so weit als möglich der von
Bötticher angewendeten.
Der Verfasser entwickelt in der Einleitung ') die
Gesichtspunkte, nach denen die Untersuchung ge-
macht werden müsste. Er betont mit Recht den
Zusammenhang in der Gestaltung zwischen dem
Niketempel und dem Südflügel. Es hat diesen bis-
her Niemand geleugnet und es wird ihn auch Nie-
mand leugnen wollen ; denn nur aus diesem gegen-
') Der von Bötticher erwiihnten Litteratur über diese Frage
füge ich noch Jie Abhandlung von L. Julius „über den Sud-
flügel der Propylaeen" in den Mittheilungen des deutschen ar-
chäologischen Instituts zu Athen IS 76 Heft III hinzu. Wenn
auch diese Schrift nicht „mit völliger Sicherheit" die Frage
nach dem Abschluss des SüdÜügels erledigt, so ist dennoch durch
die Beibringung einer Reihe von Momenten ein bedeutender
Schritt vorwärts gethan worden ; um so mehr muss es befremden,
dass dieser bisher wohl wichtigste Beitrag zur Klärung der Sach-
lage von Bötticher gänzlich mit Stillschweigen übergangen wird.
86
R. Bohn, Nike-Pyrgos.
seitigen Sichbediugeu, wie es der Thatbestand jetzt
zeigt, lassen sich die weiteren Fragen, die Bau-
zeit des Tempels und das Bauprogramm, bestimmen.
Ueberrascbend ist nur der Sclduss, den der Ver-
fasser daraus zieht: Durch die Südhalle allein
kann der festliche Zugang zum Altar vor dem
Tempel gewesen sein; folglich ist jede Möglich-
keit, den Platz von einer andern Seite her zu be-
treten, ausgeschlossen; folglich muss jene kleine
zwischen dem Siidtiiigel und dem Xikepyrgos lie-
gende Treppe modern sein d. h. aus fränkischer
oder türkischer Zeit.
Diese Behauptung sucht der Verfasser durch eine
Reihe von Beweisen zu stützen. Sie sind zwiefacher
Natur: zunächst Mittheiluug von Thatsacheu und
diese könnten zwingend sein; jedoch habe ich mich
von dem Vorhandensein der angeführten technischen
Merkmale trotz eingehendster Prüfung au vielen
Stellen nicht überzeugen können, zuweilen habe ich
sogar gerade das Gegentheil gefunden. Andere Be-
weise beruhen so zu sagen auf Schlussfolgerungen
aus schwankenden Prämissen, und diese sind natür-
lich discutirbar und anderer Auslegung fähig.
Ehe wir zu einer speciellen Würdigung der ein-
zelnen Punkte übergehen, möge der vorhandene
Thatbestand kurz hervorgehoben werden. Das nach
Norden schauende Krepidoma der Propylaeen-Süd-
halle ist durch gleichmässige Marmorplinthen ge-
bildet; der untere Theil, soweit er durch den alten
Aufgang gedeckt war, durch Porosquadern (P P).
Es endigt westlich in einem vorspringenden Stirn-
pfeiler (W), dessen oberste Schichten jetzt fehlen,
mitsamt den einst vielleicht darauf befindlichen
beiden Pieiterstatuen. Dass dieser Pfeiler in Form
einer Ante gebildet ist, d. h. nach Nord und
Süd um ein wenig vorspringt, beweist, dass hier
ursprünglich ein selbständiger Abschluss geplant
war, genau wie an der Nordhalle. Als man ihn
errichtete, war das Project einer westlichen Ver-
längerung und damit natürlich zusammenhängend
einer südlichen Hintermauerung noch nicht gefasst.
Wie die Nordseite so sind auch die West- und
Südseite nicht als Ansclilussflüchen gearbeitet, sie
zeigen noch einen feinen Werkzoll, d. h. gespitzte
Flächen mit schmalem glattem Randbeschlag. An
der Westseite sieht man ausserdem noch in den
beiden unteren Schichten die stehengebliebenen Ver-
setzungsbosseu. Ehe aber noch die Propylaeen
vollendet waren, wurde das Project erweitert aus
Gründen, die sich wohl muthmassen aber bis jetzt
nicht mit Sicherheit bestimmen lassen. Die aller-
dings schon früher aber in anderer Form vorhan-
dene Bastion, auf der jetzt der Niketempel steht,
wurde sowohl bis zu ihrer gegenwärtigen Höhe em-
porgeführt, als auch in ihrem nördlichen Abschluss
in eine Flucht mit der Propylaeen- Axe gebracht.
Ein neuer directer Zugang zu dem so geschaffeneu
Plateau wurde hergestellt, und in der geschicktesten
Weise natürlich da, wo die Poroswand des Pyrgos
mit der Marmorwange zusammentrifft, wie durch
die Natur gegeben so auch in künstlerischer Weise
den Uebergang zwischen beiden vermittelnd. Treppe,
Pyrgoswand mit dem Kranzgesims und Niketempel
sind aus einem Guss hergestellt, und zwar später
aber im unmittelbaren Anschluss an den Propylaeen-
bau').
Von der Treppe ist nur der einschneidende Theil
in fünf Marmorstufen erhalten. Ihre Breite beträgt
1,315 Meter; die unterste Stufe tritt ein wenig —
0,028 — vor die Flucht der Mauer vor, in welche
sie einbindet, während sie 0,100 hakenförmig über
den Pfeiler übergreift (jetzt abgebrochen). Wie
die unterste stossen auch die folgenden Stufen
stumpf gegen den Stirnpfeiler, sind dagegen in
richtigem Verband mit der Pyrgosmauer, also mit
ihr zusammen ausgeführt. Sobald aber die Treppe
ihre jetzige Höhe erreicht hat, erbreitert sich die-
selbe nach Osten zu, wie die Auftrittspuren der
obersten (p) erkennen lassen. Deshalb ist diese
verlängert, nicht zufällig, wie Bötticher meint, weil
sie wie alle übrigen anderen „antiken Werken ent-
nommen" wären. Noch zwei Stufen weiter und die
Höhe des Paviments vor dem Niketempel war er-
reicht. Gerade dort wird auch der östliche Lauf
der Nikebalustrade abgeschnitten haben; wir werden
■) Die Beweise dieser weitergehenden Behauiitung, nament-
lich \v:is den Nikctempel anbetrifft, werden später im Zusam-
menhange der Propylaeenuntersuchung gegeben werden.
R. Bohn, Nike-Pyrgos.
87
niclit fehlgTeifeü, jenes neulich gefundene Endstück,
welches in seinen Maassen vortrefflicli dahin passt,
auch dorthin zu setzen, so dass zwischen Tempel
und Balustrade ein kleiner Durchgang zu jenem
vor der Nordfront des Tempels liegenden dreieckigen
Plätzchen geschaffen wurde.
Die unterste Stufe (c) ruhte auf einer besonde-
ren, zur Aufnahme der Podestplatte ausgefalzten
Porosquader (a, b); ihr sorgsamer Fugenschluss bei-
derseits schliesst schon den Gedanken an ein nach-
trägliches „Einschieben" aus. Dass ein Unterschied
in der Farbe vorhanden sei, der auf eine „späte Her-
kunft" hinweise, habe ich nicht gesehen; dass die
gerade daneben befindliche Plinthe zufällig eine
gelblichere Tönung hat, konnte doch den Verfasser
nicht zu dieser Bemerkung veranlassen. Ein Blick
auf die übrigen zeigt uns, dass sie in allen Nuancen
zwischen Graugelb und Eothgelb spielen. Befestigt
war die Podestplatte an den Block durch zwei —
nicht einen — symmetrische jetzt durchgebrochene
Längsdübel, denen beiden der Bleiumguss nicht
fehlt. Die Ante wurde aber zur Aufnahme dieses
stumpfen Fugenstosses besonders hergerichtet. An
ihrer Südseite wurde, da die Treppe weiter reichte,
zwischen sie und die oberste Stufe ein Stück (/«)
eingeschoben; von dem vortretenden rauhen Werk-
zoll aber zu diesem Zweck ein wenig weggearbeitet.
Auf der Westseite wie auch auf der Nordseite,
soweit die unterste Stufe und die Podestplatte über-
griffen, wurde diese Werkschicht etwas sorgfäl-
tiger abgeglättet, so dass sich längs der Stufen theil-
weise ein besonderes Richtband bildet, wie wir es
an antiken Werken gewohnt sind. — Eine solche
Exactheit der Arbeit, die dem Verfasser keineswegs
entgangen ist, traut derselbe den Franken oder
gar den Türken zu! Es sind ja noch genügende
Spuren auf der Burg vorhanden, um zu sehen, wie
jene zu bauen pflegten. Ein Blick nur auf die
Reste der Kanzlei oberhalb der Pinakothek genügt,
wie ich glaube, um den gewaltigen Unterschied der
Art zu erkennen in welcher das Mittelalter in roher
Weise Material auf Material, aus den verschiedensten
Bauten entnommen, aufeinander thürmte, mit Mörtel
verband und verschmierte. Eben jene Hände, welche
Archäolot'. Ztg., Jahrgang XXXVIII.
den Thurm unmittelbar daneben aufführten und zu
diesem Zwecke alles Hindernde niederrissen und
liegen Hessen, sie sollen mit solcher Akuratesse
gearbeitet, sich solche Schwierigkeiten gemacht
haben: ich erinnere auch noch an das vom Ver-
fasser angenommene Einschieben und Drehen der
Stufen (§ 2, 4), an die Verlegung der oberen Kranz-
platte und Wiederherstellung der Balustrade (§ 4, 4).
Gehen wir nun zu einer specielleren Würdigung
der verschiedenen Beweise für den späten Ursprung
der Treppe über, die der Verfasser in § 2 giebt.
Da dieselbe nicht antik sein kann, so wird zunächst
ein Motiv gesucht, welches die Herstellung hätte
veranlassen können. Dieses wird in der Errichtung
des gewaltigen Thurmes über dem Südflügel ge-
funden: durch denselben wurde die Communication
mit dieser Hochfläche „vollständig" abgeschnitten,
und dadurch auch mit der grossen Bastion, welche
sich vom Nikepyrgos bis zum Agrippapostament
hinzog; folglich, so schliesst Bötticher, musste
jener neue Zugang angelegt werden. Hätte sich
aber jene Zeit, die ohne Schonung der Antike
Alles rücksichtslos zu Bedürfnissbauten umschuf,
wenn es überhaupt nothwendig gewesen, nicht an-
ders geholfen als durch jene zierliche und compli-
cirte Treppenanlage? Nun stammt aber der Thurm
aus der Zeit der türkischen Herrschaft und damals
führte, wie wir aus den Berichten der späteren
Reisenden Spon und Wheler und aus Vernedas
Plan ') sehen, der grosse Weg zur Burg durch das
Thor in der Batterie nahe dem Agrippapostament
nach Süden umbiegend und steigend längs der West-
front des Thurmes hin , bog dann nach Osten um
und führte über die Brauronische Stützmauer auf
das Burgplateau. Die so stark abgenutzten Ober-
plinthen des Krepidoma an der Südhalle lassen
deutlich erkennen, wie lange der Weg über sie
hinging. Wozu bedurfte es daneben noch der An-
lage eines besonderen Treppchens?
Der Verfasser berichtet nun aber weiter, in wel-
cher Weise die Treppe hergestellt wurde: An der
„bequemsten" Stelle unmittelbar neben dem Pfeiler
3) de Laborde II p. 182. Vgl. auch die späteren Skizzen
bei Stuart und Revctt.
12
88
R. Bohn, Nike-Pyrgos.
wurde die „stumpf und olme mögliche Einbindung
vorstossende" Kordmauer des Nikepyrgos „gewalt-
sam zerstört." Ich habe weder von der Entfernung
hindernder Plintheu, noch der „schrägen Verschie-
bung noch benutzbarer" irgend etwas constatiren
können und frage zunächst, wozu jener Einbruch
bis auf den Boden hinab überhaupt nothwendig
gewesen wäre, da die Treppe ja nur in ihrem
oberen Theil einschneidet, also der untere Mauer-
theil unbeschadet hätte bestehen bleiben können.
Was sich aber jetzt zeigt, entspricht vollständig der-
jenigen Technik, die in der Antike überall da auf-
tritt, wo zwei Mauern im Winkel zusammenstossen :
abwechselnd binden die Schichten ein. So sehen
wir auch hier die Quadern (e, e) verlängert, aber
so weit sie einst verdeckt waren als Anschluss-
flächen behandelt, d. h. mit rauher vertiefter Mittel-
fläche und glattem Rande ^). Es beweist dies also
den antiken Anschluss einer Mauer und zwar hier
des Unterbaues für die Weiterführung der Treppe.
Die weitere Behauptung, dass innerhalb des
Hohlraumes Steinabfälle mit Mörtel und Eeste frän-
kischer Ziegel gefunden wurden, entzieht sich natür-
lich jetzt jeder Controle; wenn jedoch der Ver-
fasser behauptet, dass jener Inhalt nicht vollständig
entfernt sei, um den Zustand der Höhlung noch
kenntlich zu lassen, so bemerke ich, dass ich trotz
wiederholter eingehender Prüfung nichts habe finden
können; nur die Eeste mergelhaltiger Erde sind
vorhanden, wie sie aus dem leicht verwitterbaren
porösen Kalkstein und der Feuchtigkeit ganz natür-
lich erzeugt wird.
Der Verfasser geht dann zu einer Beschreibung
der verschiedeneu Zeichnungen über und giebt
darin eine Reihe sehr richtiger Detailbeobachtungen,
die aber für die Entscheidung der vorliegenden
Frage ohne Belang sind. Nicht beistimmen kann
ich dem späten Ursprung der Porosplinthen (P, P)
an dem Krepidoma; dieselben sind antik, waren
aber einst durch den alten Aufgang verdeckt. Eine
weitere Stütze für seine Behauptung sieht der Ver-
fasser in dem ungleichen Auftritt der Stufen; er
*) In den Zeichnungen bei Biittichev (Xo. II) ist dieses für
die Beurthcilung nicht unwichtige I'aktum gar nicht dargestellt.
lässt dieselben zwischen 11" 6'" und 13" 6'" schwan-
ken, d. h. also um 2" = 0,053 M. Die genauen
Maasse sind aber auf der Ostseite, von oben begin-
nend, 0,330. 0,330. 0,342. 0,309. 0,330; das Maximum
der Differenz ist mithin nur 0,033. Es zeigt sich al)er,
dass die dritte Stufe ein wenig schräg verschoben
ist, und zwar um c. 0,005, wie die Witteruugskante
deutlich markirt: ein Umstand, der bei den er-
schütternden Zerstörungen die der Stirupfeiler er-
litten nicht zu verwundern ist. Bringt man dieses
in Rechnung, so bleibt als grösste Differenz nur
0,023 übrig und diese darf bei einer so nebensäch-
lichen Anlage wie unsre Treppe nicht in dem Grade
befremden dass daraus ein Beweis für modernen
Ursprung abgeleitet werden könnte. Zeigen uns
doch die Propylaeen selbst häufig Schwankungen,
z. B. der unmittelbar daneben befindliche Pfeiler in
der uuregelmässig verlaufenden Kantenlinie seiner
Eckquadern. Die Rillen auf den drei obersten
sowie die Löcher auf der dritten Stufe mögen spä-
tere Zusätze sein; sie berühren die Frage nach dem
Alter der Treppe selbst nicht.
Um das Uebergreifen der Porosplinthen auf die
Marmorstufen zu erklären und doch die spätere
Entstehung der Treppe zu retten, greift der Verfasser
zu der Annahme eines eigenthümlichen technischen
Verfahrens. Er lässt erst in die Poroswand, da wo
die Stufeu einbinden sollen, tiefe Löcher einarbeiten,
dann die Stufen schräg einschieben und allmälig
drehen, bis sie in ihre richtige Lage gekommen
sind. Ich habe eine solche tiefe Aushöhlung nir-
gends constatiren können und glaube auch, dass
sicli ein derartiges technisches Verfahren, zumal in
jener Zeit, wohl von selbst verbieten dürfte. Um
aber die Sache überhaupt möglich zu macheu,
hätte der Verfasser denn doch noch einen Schritt
weiter gehen müssen: er musste erst die ganze jetzige
Ecke wegbrechen, dann die Stufen einlegen und
darauf die neue Ecke im Verl)ande mit jenen wie-
der aufführen lassen. Für die obere Krauzplatte
nimmt er ja doch später etwas derartiges an. Wäre
ein solches Verfahren nicht einfacher und rationeller
gewesen?
Wir kommen jetzt zu dem zweiten Theil des
R. Bohn, Nike-Pyrgos.
89
Zugangs, soweit derselbe nämlich ausserhalb der
Maueräucht liegt. In Bezug auf seine Form war
ich zu denselben Resultaten gelangt wie Büt-
ticher: nicht eine Treppe, wie bisher ohne jeden
Beweis angenommen wurde, sondern eine Rampe
führte längs der Wange empor bis zu jenem
Podest. Dies lässt sich deutlich nachweisen an dem
schrägen Linterstreifen (f, f), der durch die Witte-
rung gebildet ist und den stumpfen Anschluss des
vermutblich marmornen Plattenbelages ge'gen die
Wand kennzeichnet. Die Steigung ist gering, sie
beträgt c. 1:8- Aus dem Abstand der zur Auf-
nahme jener Platten schräg abgearbeiteten Funda-
mentquadern (P) und dem Linterstreifen lässt sich
die Dicke des Belages zu c. 0,15 bestimmen. Auf
der andern Seite ruht die Rampe auf einem be-
sonders aus Porosblöcken (F, F) construirten Fun-
dament.
Eine andere Frage ist es aber, aus welcher Zeit
dieser Theil stammen mag. Hier kann es zweifelhaft
sein. Nicht dass in der Verwendung älterer Bau-
theile als Fundament irgend ein Beweis für eine
mittelalterliche Herkunft läge; denn durch die per-
sische Zerstörung war eine Fülle von altem Material
vorhanden, welches man zu den Neubauten au den
Stellen verwendete, wo es bestimmt war nicht ge-
sehen zu werden. Die mehrfach jetzt offen liegenden
Fundamente der Propylaeen zeigen, wie oft ganz
unregelmässig Quadern, Platten, ja Säulentrommeln
aus verschiedenem Stoff hierzu verwendet sind.
Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass jene
Treppe ursprünglich in nördlicher Richtung sich
direct fortsetzte, bis sie das Niveau des alten Auf-
gangs erreichte, der aber bedeutend höher lag als
die jetzige Treppe, die in ihrer Lage identisch ist
mit jener grossen in der ersten Hälfte des ersten
Jahrhunderts angelegten Marmor-Prachttreppe. Bei
dieser hätte jener Quereinschnitt gestört, man
knickte deshalb den Zugang und legte den Unter-
theil rampenartig gegen die Wange. Es spricht
hierfür die allerdings ziemlich flüchtige Construction
der Fundamente, andererseits aber auch der Umstand,
dass diese durch Marmorplatten bekleidet waren;
sowoiil die Spuren der Klammerbänder, mit denen
sie befestigt waren, haben sich erhalten, als auch die
deutlichen Marken (ii) ihres Anschlusses an die P}'r-
goswand von jener vorspringenden Stufe abwärts
bis auf die Haupttreppe. Daher erklärt sich auch
das Zurücktreten dieser Fundirung gegen die Stufen-
breite. Die Marmorinkrustirung entspricht viel mehr
der römischen Bauweise.
Ebenso wie die einschneidende Treppe ist auch
der jetzige Zustand der Nord-Ost-Ecke des Nike-
pyrgos antik, und die Nordwand ist niemals ver-
längert gewesen bis zu jenem Stirnpfeiler W. Den
Beweis hierfür giebt diese selbst. Sie ist in durch-
aus regelmässigem Fugenschnitt mit Läufern und
Bindern construirt, letztere sind jedoch zuweilen,
vielleicht weil eine dahinter befindliche ältere Mauer
ein tieferes Einbinden unmöglich machte, auch
Läufersteine, jedoch durch eingeschnittene Stein-
fugen als Binder charakterisirt. Dies ist bereits
früher bemerkt und auch von Bötticher *) hervor-
gehoben worden; es giebt uns den Beweis, welch
grosses Gewicht man auf einen regelmässigen
Fugenschnitt der Fläche legte. Die jetzige Ecke
schneidet nun genau mit je einem Binder abwechselnd
mit einem y^ Läufer ab. Gäbe man die Verlän-
gerung zu, so wäre man genöthigt, da das Licht-
maass der Treppe grösser ist als doppelte Binder-
breite, eine grössere Quader anzunehmen; dann wäre
jene Regelmässigkeit gestört. Ferner müssten die
beiden Quadern (e, e) unter der Treppe, die in der
Binderschicht liegen, wenn sie ursprünglich sichtbar
gewesen, auch jene Pseudofugen zeigen, was aber
nicht der Fall ist, wogegen sie, wie oben bemerkt,
als Auschlussflächen behandelt sind.
Gekrönt war die Mauer durch eine umlaufende
Marmorplatte, an welche sich das Paviment der
Hochfläche anschliesst. Sie besteht aus einem grossen
Kyma mit hohem Abacus darüber, welcher wieder
in einem zarten Kymation endet. Die Vorderfläche
dieses Gliedes zeigt durchweg das Spitzeisen, nur
die Ränder sind glatt. Auf seiner Oberfläche ist
noch die Lehre für die bekannte wohl nachträglich
hinzugefügte Nikebalustrade erhalten. Je zwei Re-
') Aber nicht einige Zoll, sondern nur c. 5 Millimeter be-
trägt die Tiefe des Einschnitts.
12*
90
R. Bohn, Nike-Pyrgos.
liefplatten waren immer auf der Mitte der Kranz-
stiieke zusammengestosseu und dort mit einem ge-
meinschaftlichen Verticaldübel auf jenen befestigt;
bei dem Eckstück (A) fällt der eine Dübel mit
der südlichen Stosskante zusammen, wo sich noch
eine Kranzplatte mit dem Endstück der Balustrade
anschloss. Dasselbe macht aber eine Ausnahme in
der Profilirung. Es ist an seiner Ostseite glatt ab-
geschnitten und tritt hier mit seiner Fläche nur
so weit über die Porosplinthen vor, als in der Nord-
front die Unterkante des Kyma darüber vorgreift,
d. h. 0,020 Meter '^). Die Witteruugskante an der
Unterfläche bestätigt dies. Es hatte einfach seinen
Grund darin, wie auch Julius a. a. 0. S. 227 be-
reits bemerkt, die an und für sich schon nicht
breite Treppe durch ein weit vorspringendes schwe-
res Profil nicht einseitig zu verengen. Nur jenes
obere kleine Kymation ist mit feinem künstlerischen
Gefühl herumgeführt; es wird sich eiust so weit
südlich an dem jetzt fehlenden Block fortgesetzt
haben bis es sich an der obersten Stufe todtlief.
Beweist dieses schon die Lage der Platte A als
von jeher an dieser Stelle beabsichtigt, so wird es
noch bestätigt durch 2 Lücher an den beiden süd-
lichen Stossflächen, welche je in der Platte und
Porosunterlage mit einander correspondiren und
einst zur Aufnahme der verbindenden jetzt heraus-
gebrochenen Dübel dienten.
Ist nach der Ansicht von B()tticher aber die
Treppe mittelalterlich, so wird er nothwendig zu der
Consequenz gedrängt, dass auch jene Eckplatte
nicht mehr an ihrer Stelle liegt, und er lässt die-
selbe daher ursprünglich bis unmittelbar an den
Stirnpfeiler W reichen, unter der Motivirung, dass
die „kranzbildende Eigenschaft" mit dem Fehlen
des grossen Kyma aufhöre und dass die lothrechte
Schnittfläche „auf einen stumpfen Fugenstoss oder
den ehemaligen Verstoss gegen einen anderen kör-
perlich von ihr gesondert bleibenden Stein" hin-
weise. Hierin sehe ich wohl den Versuch einer
tektonischen Erklärung aber keinen Beweis; wir
haben vielmehr in Obigem gesehen, wodurch ledig-
lich jene Umstände hervorgerufen wurden. Um
'; In den Zeichnungen bei Uütticher nicht dargestellt.
nun aber bei diesem „stumpfen Fugenstoss" auch
dem kleinen umlaufenden Kymation gerecht zu
werden, nimmt der Verfasser dasselbe zur Deckung
der durchgehenden Verticalfuge zwischen Stirnpfeiler
und Pyrgos an, und zwar in der Weise, dass „die
oberste Marmorpliuthe von W in der ganzen Länge
ihrer Stirn nah seinem" — d. h. des Kymation —
„Profil ausgefalzt zu denken ist" und dass „diese
Falzung dann mit ihm wieder eingedeckt und ge-
schlossen wurde". Eine derartige Verwendung eines
Kymation aber widerspricht vollständig der antiken
Constructionsweise.
Der von dem Verfasser versuchte „metrische"
Beweis für den örtlichen Wechsel der Platte A stützt
sich als „ausschlaggebend" unter anderm auf eine
einzeln vorhandene Platte (§ 4. 5. 7). Es über-
rascht uns aber, wenn er behauptet, dass diese
Platte nothwendig zum Nordkranz gehört haben
soll. Dieselbe ist allerdings einst benutzt und ge-
hörte nicht an die Westseite des Pyrgos, so weit
nämlich das Krepidoma des Tempels reicht, wie
der Verfasser ganz mit Eecht aus der Verschieden-
heit der Form folgert. Aber warum denn nicht an
die Westseite südlich des Tempels, wo die Form
der Kranzplatte genau dieselbe wie an der Nord-
seite, ja ein Stück noch in situ ist; die Südwest-
ecke des Pyrgos ist ja noch ca. 3,80 Meter vom
Tempelsterobat entfernt. Warum nicht an die
Südseite, wo der Verfasser doch selbst (§ 4, i) das
Herumlaufen des Kranzes annimmt. Ebensowenig
gehört auch die jetzt neben A liegende Platte (C)
ursprünglich hierher. Dieselbe ist weniger tief wie
sämmtliche übrigen am Nordrand noch in situ lie-
genden, welche unter sich und mit A gleiche Tiefe
haben, so dass eine durchlaufende Fuge entstand.
Auch in der Abnutzung der Oberfläche markirt sich
dieser Unterschied. Diese Platte ist erst bei der
Restauration des Tempels hierher gelegt worden
und stammt von der AVest- oder Südseite.
Der Verfasser denkt sich die jetzige Lage der
Platte dadurch hervorgerufen, dass beim „Einbruch"
der Treppe dieselbe von ihrer alten Stelle unmittel-
bar neben dem Stirupfeilcr entfernt worden sei;
c))enso sei die folgende ganz beseitigt und die er-
Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischen Tempel.
91
stere dann mit aller Präcision wieder auf die neu
formirte Ecke gelegt worden. Er stellt e.s dabei
als wahrscheinlich hin, dass auch die Nikebalustrade
in gleicher Weise mitgeändert worden sei. Wie
sehr aber ein so sorgsamer mit Schonung der An-
tike durchgeführter Umbau allem widerspricht, was
wir sonst von mittelalterlicher Bauthätigkeit auf
der Burg beobachten können, Laben wir bereits
oben hervorgeholten.
So viel zur Siclierstelluug des antiken Ursprungs
jener kleinen Treppe. Ein näheres Eingehen auf
die weiteren sicli daran schliessenden Fragen muss
ich mir für später vorbehalten.
Athen im Mai 1880. Richard Bohn.
DAS GRUNDMAASS DER GRIECHISCHEN TEMPELBAUTEN.
Unter allem Schönen und Bewundernswerthen,
was die deutschen Ausgrabungen zu Olympia ans
Licht gebracht haben, nimmt sicherlich nicht den
letzten Platz ein die Entdeckung zweier Maassstäbe
griechischer Architekten, deren einer bisher noch
völlig unbekannt war, während der andere sich als
der Vorgänger des römischen Fusses herausstellte.
Wir werden diese Maasse im Folgenden als den
grösseren und den kleineren olympischen Fuss be-
zeichnen.
In der Vorrede zum 3. Band der Ausgrabungen
(S. 28 f.) wurde von F. Adler auf Grund der Unter-
suchungen Dörpfeld's nachgewiesen, dass die Hand-
breite des kleineren Fusses 7 mal in der ägyptischen
Königselle enthalten ist, ferner, dass der kleinere
Fuss zum grösseren sich genau wie 13:14 verhält.
Daran knüpfte sich nun sofort die Frage, ob etwa
auch der grössere Fuss in einem erkennbaren Zu-
sammenhang mit dem ägyptischen Maasse gestanden
habe.
Einen bedeutsamen Fingerzeig gab das Oxfor-
der metrologische Relief, welches vor kurzem von
Ad. Michaelis in dieser Zeitschrift (XXXVII S. 177 ff.)
besprochen worden ist. Das Monument stammt wahr-
scheinlich aus Kleinasien oder von den Inseln und
gehört der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts oder
einer nicht viel jüngeren Epoche an. Die Darstel-
lung versinnbildlicht das Maass einer Klafter und
dazu einen kleineren Maassstab von 0,295 m, welcher
genau '/, dieser Klafter beträgt, überdiess aber dem
römischen, und mitbin auch dem kleineren olympi-
schen Fusse sehr nahe steht.
Es sind also der grössere olympische Fuss
ßV^mal, der kleinere olympische und der römische
Fuss 7 mal in der Klafter der königlichen Elle ent-
halten. Die naheliegende Frage, ob etwa noch
andere Fussmaasse des Alterthums in ähnlichem
Zusammenhange mit der Klafter stehen, führte zu
dem überraschenden Resultate, welches wir durch
die umstehende Uebersicht darstellen.
Zur Erläuterung dieser Tabelle ist zunächst zu
bemerken, dass der Betrag der ägyptischen Königs-
elle mit aller nur möglichen Sicherheit auf 0,525 m
bestimmt ist. Ihre Klafter hielt demnach 2,10 m.
Dieses uralte Maass ist später bei den griechischen
Baumeistern, wie leicht erklärlich, um ein weniges
herabgegangen; denn die Bauten von Olympia wei-
sen 2,084 m, der Parthenon zu Athen 2,081 m, das
Oxforder Relief 2,07 — 2,06 m als Betrag der Klaf-
ter aus.
Nur beiläufig sei die naheliegende Frage berührt,
ob das fremdartige Maass, welches so eigenthümlich
neben dem griechischen angewendet worden ist, aus
dem ägyptischen oder aus dem babylonischen Cultur-
kreise stammt. Denn neben der ägyptischen Königs-
elle steht als ursprünglich gleiches Maass die baby-
lonische Elle, von Uerodot ebenfalls als königliche
bezeichnet. Da ferner als Vermittler der Uebertra-
gung nach Griechenland jedenfalls die Phöniker
zu betrachten sind, so ist die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass die Elle aus dem babylonischen
oder, wenn man will, etwas später aus dem medi-
schen Reiche nach Griechenland gewandert sei.
Doch sprechen überwiegende Gründe der Wahr-
92
Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischen Tempel.
Auf die Klafter der
königl. Elle werden
gerechnet
Fuss
6
6'/3
6V4
7'A
s
Palästen
24
25
26
2GV2
27
30
32
Uebersicht der Fussmaasse
Philetärisoher Fuss
(Kleiner asiatisclier Fuss') . . )
\Pes Drusianus in Germanien-) J
Grösserer olympischer Fuss . . .
Correlat des samischen Fusses
Attischer Fuss
{Kleinerer olympischer Fuss . .
Fuss des Oxforder metrol. Reliefs
Römischer Fuss
(Fuss von Ushak in Kleinasien 3) 1
lOskischer und campanischer Fuss*) J
Fuss des Eratosthenischen Stadions')
scheinliclikeit für die Entlelinung aus Aegypten, wie
ja auch die Dimensionen des Heraion auf Samos
beweisen, dass die samische Elle Herodots die
grössere ägyptische, und zwar nach beutigem Maasse
im Betrage von 523 mm, war, während dem ßaai-
kijiog nfjXvg, d. i. der babylonisch-persischen Elle,
im Sinne desselben Schriftstellers ein Betrag von
mindestens 530, wahrscheinlich aber 533 mm zu-
kommt. Also waren, wenn diese Auffassung richtig
ist, die ursprünglich gleichen Maasse der ägyptischen
und babylonischen Elle zu Herodots Zeit local diflfe-
') Wird weiter unten am Artemistempel zu Ephesos nach-
gewiesen werden und ist ausserdem gesichert durch das Stadion,
welches 7'/2 mal in der römischen (nicht etwa in der Philetä-
rischen) Meile enthalten ist (Metrologie S. 267). Dasselbe Sta-
dion war genau 32 mal in dem ägyptischen Schoinos enthalten
(unten Anra. 5).
=) Metrologie S. 294.
3) Böckh Monatsbericht der Berliner Akad. 1854 S. 85 (wie-
derholt In den Gesammelten kleinen Schriften VI S. 261f.).
*) H. Nissen Pompejanische Studien S. 70ff. 390 ff. Die de-
finitive Festsetzung des oskischen Fusses auf 0,275 m findet
sich S. 92.
5) Der Schoinos war unter den Ptolemäern gesetzlich zu
12000 königlichen Ellen oder 30 Stadien desjenigen Fussmaasses
normirt, welches später auch in Aegypten das Philetärische ge-
nannt wurde. Wenn also Eratosthenes, der unter Ptolemaeos III
Euergetes und seinem Nachfolger in Alexandria lehrte, nach
Plinius 12, 13, 53 auf den Schoinos 40 Stadien rechnete, so
musste er damit andere als die Philetärischen meinen. Der
Fuss des Eratosthenischen Stadions verhält sich demnach zum
Philetärischen Fuss wie 3:4 ^ 6:8, wie in der obigen Ueber-
sicht gesetzt ist. Andere rechneten, wie Plinius hinzufügt,
32 Stadien auf den Schoinos, das sind jene kleinasiatischen,
welche seit dem 2. .Jahrb. n. Chr. häufig vorkommen und von
den Kömern zu 7'/2 auf die Meile normirt worden sind (Anm. 1).
Ursprüng-
licher Betrag
gemäss der
Klafter von
2,10 m
0,350
0,336
(0,323)
0,317
(0,311)
(0,300)
(0,280)
0,2625
Normalbetrag
nach der
Klafter von
2,084 m
0,3334
0,3206
0,3146
0,3087
0,298
0,2779
Elfectives Maass in
Metern
0,3546 bis 0,350
(0,335 bis 0,3286
l0,3327
0,321 bis 0,3206
0,317 bis 0,314
0,3083
ro,2977
0,295
[o,2957
1 0,2775
10,275
0,2625
renzirt, und zwar hatte die ägyptische, d. i. die ihr
gleiche samische Elle eine geringe Abminderung
erfahren, welche noch etwas grösser in den Bauten
von Olympia und Athen erscheint, die königlich
persische Elle aber war etwas über den ursprüng-
lichen Betrag gehoben, so dass der Unterschied,
welchen Herodot vorfand, nahezu einen Centimeter
heutigen Maasses betrug.
Die Fussmaassstäbe, welche 7 mal in der Klafter
enthalten sind, erklären sich, wie schon bemerkt,
aus der bekannten Thatsache, dass es in Aegypten
ausser der grösseren oder königlichen Elle eine
kleinere gab, deren Handbreite 7 mal in der grösse-
ren Elle enthalten war °). Wenn also die Griechen
nach ihrer Weise aus der kleineren Elle heraus ein
Zweidrittelmaass als Fuss bildeten, so musste dieses,
weil 4 Handbreiten enthaltend, 7 mal in der Klafter
der königlichen Elle enthalten sein.
^) Ein mathematisches Handbuch der alten Aegypter {Pa-
pyrus Rhind des British Museum), übersetzt und erklärt von
Aug. Eisenlohr, Leipzig 1877, I S. 9 vergl. mit S. 139f. 144f.
146, rechnet nach einer Elle von 7 Handbreiten. Der erwähnte
Papyrus ist um 1700 v. Chr. geschrieben; das Original aber,
welches der Schreiber vor sich hatte, reicht in die Zeit des
Königs der zwölften Dynastie Amemhat III, mithin nach Lep-
sius in das 23., nach Brugsch in das Ende des 24. Jahrh. zu-
rück. Ueber die verschiedenen noch vorhandenen Ellenmaass-
stäbe, deren ältester dem 15. Jahrh. angehört, ist Lepsius Die
altägyptische Elle und ihre Eintheilung, Abhandl. d. Berliner
Akad. 1865 S. 14 ff. 44 ff., über den Nilmesser von Elephantine
derselbe S. 53 f. zu vergleichen; ausserdem aber die modificirte
Ansicht desselben Gelehrten in der Zeitschr. für ägypt. Sprache
1877 S. 3 und 6 zu berücksichtigen.
Fr. Ilultscb, Grundraaass der griechischen Tempel.
93
Suchen wir nun, soweit es sich in obiger Ueber-
sicht um die Maassstäbe griechischer Architekten
handelt, in den Resten alter Tempel die Nachweise
für die Ableitung aus der Klafter.
Am nächsten steht der königlichen Elle als das ent-
sprechende Zweidrittelmaass der Philetärische Fuss.
Bauwerke dieses Fusses werden also am wenigsten
den Zusammenhang mit der königlichen Elle, und
voraussichtlich auch nicht mit der Klafter, verläug-
nen können. Der Tempel der Athena Polias zu
Priene zeigt als Säulenweite von Axe zu Axe im
Mittel 10 Fuss zu 0,354G m, und die Entfernung
von Mitte zu Mitte der Ecksäulen beträgt 100 Fuss
in die Länge und 50 Fuss in die Breite'). Daraus
lässt sich vermuthen, dass der Stylobat des Tempels
geplant war zu 105 Fuss von 350 Millim. in die
Länge und 54 in die Breite, d. h. zu 17 '/^ und
9 Klaftern der königlichen Elle.
Mit grösster Deutlichkeit zeigt das Heraion zu
Olympia die Klafter der königlichen Elle, und zwar
im genauen Betrage von 2,084 m, als Grundmaass.
Die Oberstufe ist angelegt nach der Norm von
24 Klaftern in die Länge und 9 in die Breite, die
Säulenhöhe beträgt 2'/j, die lichte Cellabreite 4 Klaf-
tern^). Die Länge der Oberstufe verhält sich zur
Breite wie 8 : 3. Die übrigen Dimensionen sind vor-
wiegend nach dem Maassstabe, welcher 7 mal, einige
vielleicht auch nach jenem, welcher ß'/^mal in der
Klafter enthalten ist"), bemessen.
Die Dimensioneu des Zeustempels zu Olympia
bekunden deutlich das Streben, das nationalgrie-
chische Maass, den Fuss, mehr hervortreten zu lassen,
ohne dass jedoch die altüberlieferte Klafter beseitigt
wird. In sinniger Auffassung wird der Ausgleich
zwischen beiden Maassen dahin geregelt, dass die
eine Hauptdiraension für einen runden, und zwar
decimalen Betrag von Fuss in Anspruch genommen
wird, die andere aber der Klafter der köuiglichen
Elle verbleibt. Als Fussmaass hat der grössere olym-
pische Fuss gedient. Die Oberstufe misst 200 solche
0 n. Wittich Archäol. Zeitung XX S. 276 f.
') So berechnet nach den Angaben F. Adlers und Dörp-
feld's, Ausgrabungen von Olympia, Bd. III Vorrede S. 28 f.
5) Dörpfeld a. a. O. S. 29.
Fuss in die Länge, 8G'/', in die Breite '"). Letztere
Dimension entspricht sehr nahe 53 königlichen Ellen.
Nehmen wir nun an, was der Walirscheinlichkeit
durchaus entspricht, dass die Unterstufe je um 3
königliche Ellen = 1,56 m länger und breiter sein
sollte, so erhalten wir eine Baufläche von 50 Ellen
oder 14 Klaftern in die Breite und 126 Ellen oder
3r/j Klaftern in die Länge, und als Verhältniss von
Breite zu Länge 4:9. Die durchschnittliche Axen-
weite aller Säulen beträgt 5,21 m d. i. 27; Klaftern.
Die übrigen Dimensionen scheinen sämmtlich nach
dem grösseren olympischeu Fuss, oder sagen wir
lieber nach einem Klaftermaassstab welcher in 26
Handbreiten getheilt war, geplant zu sein. Als
kleinster Theil der Handbreite ist am Zeustempel
bis jetzt die Hälfte, d. i. '/, des Fusses oder 2 Dak-
tylen, nachgewiesen'').
In bewunderungswürdiger Harmonie ist der Aus-
gleich zwischen griechischem und orientalischem
Maass vollzogen worden am Artemistempel zu Ephe-
sos, dessen Breite Plinius (36, 14, 95) zu 225 und
die Länge zu 425 Fuss angiebt. Mit Recht erblickt
H. Wittich (Bd. XXX S. 29 ff. dieser Ztschr.) hierin
römische Fuss; diese sind aber ebensowenig wie
bei dem Zeustempel zu Olympia oder dem Parthe-
non zu Athen zurückzuführen auf gemeingriechische
oder samische von 0,317 m, sondern sie gehören
einem besonderen kleinasiatischen System an, wel-
ches, wie die obige Uebersicht zeigt, dem Philetä-
rischen nahe steht. Wie 7 Philetärische Stadien
auf die römische Meile gehen"), so ist auch eine
Reduction derselben Meile auf 7'/._, Stadien nachzu-
weisen. Der Fuss dieses kleineren Stadions, dessen
Ursprung ebenfalls in Kleiuasien zu suchen ist, ver-
hielt sich also zum Philetärischen wie 14:15 und
betrug demnach etwa 0,33 m"). Wenden wir nun
diesen Maassstab auf die von Plinius überlieferten
'") Adler a.a.O. S. 26 und dazu Blatt 31 des III. Bandes.
Früher war eine Dimension von 200 imhümlich so genannten
olympischen Fuss zu 0,3168 m angenommen worden (vergl. Vor-
rede I S. 20), eine Verniuthung, die bereits in der Vorrede zu
Bd. II S. 15 zu einigen Bedenken Anlass gab und schliesslich
als unhaltbar sich heratisstellte.
") Derselbe a. a. 0.
'■-) Metrologie S. Ö7f., 267.
'^) Vergl. oben Anm. 1 und 5.
94
Fr. Hultsch, Gruudmaass der griechiscben Tempel.
Dimensionen des Artemisiou an, so ergiebt sieb
sofort, dass der Tempel zu 200 solcbe Fuss in die
Breite und 375 Fuss iu die Länge geplant war.
Da aber dieser Fuss zugleicb 6'/^ mal in der Klafter
der königlichen Elle enthalten ist, so ist die Länge
zu deuten als Dimension von 60 Klaftern. Der
Tempel mass also, und zwar nach aller Wahr-
scheinlichkeit in seiner Oberstufe, 100 Doppelfuss
in die Länge und 60 Klaftern in die Breite, d. h. die
eine Dimension war decimal und nach griechischem
Maasse, die andere sexagesimal und nach orienta-
lischem Maasse geplant'*) und beide überdiess auch
mit Rücksicht darauf ausgewählt, dass sie sich leicht
in das correspondirende Längenmaass übertragen
Hessen, nämlich die 200 Fuss der Breite in 32 Klaf-
tern, und die 00 Klaftern der Länge, wie schon
bemerkt, in 375 Fuss. Wechselseitig verhielten sich
Breite zu Länge wie 8:15. Die Säulenweite von
Axe zu Axe, welclie zu 7,28 m nachgemessen wor-
den ist, betrug 22 Fuss '°), der untere Durchmesser
der Peristylsäuleu wahrscheinlich 6 Fuss. Die Norm
des Fussmassstabes , welcher beim Tempelbau An-
wendung gefunden hat, ist mit Sicherheit zwischen
0,333 und 0,331 m festzusetzen.
Wir wenden uns nun zum Parthenon auf der
Akropolis von Athen. Der prächtige Bau ist be-
kanntlich von Perikles errichtet worden auf den
Substructionen eines älteren Tempels, der von Pei-
sistratos begründet, später nicht völlig vollendet,
zuletzt beim Einfalle der Perser zerstört worden
war "). Ueberliefert ist, dass der Perikleische Bau,
dem der Name ixaTÖvnedog beigelegt wird, um
50 Fuss grösser war als der von den Persern ver-
brannte Temi)er'). Dass das Mehr von 50 Fuss
nicht etwa auf die Längendimension des Stylobats,
geschweige denn auf dessen Breite, bezogen werden
darf, zeigt der noch erkennbare Unterbau des Tem-
pels nicht minder wie vereinzelte BaustUcke, welche
bei der Neubefestigung der Akropolis in die nörd-
liche Burgmauer eingefügt, so bis auf heutigen Tag
erhalten und sorgfältig nachgemessen worden sind'^).
Zunächst geht aus diesen Messungen zweifellos
hervor, dass der Maassstab, welchen die Baumeister
des älteren Parthenon angewendet haben, genau
nach dem attischen Fusse von 0,3083 m normirt
war, welcher am Perikleischen Parthenon mit Sicher-
heit nachgewiesen worden ist"). Ein und zwanzig
noch erhaltene grössere Säulentrommelu halten im
Durchmesser 6,233 F. engl. = 1,898 m, d. i. genau
6 attische Fuss 2^/^ Daktylen; fünf andere kleinere
im Durchmesser von 5,601 F. engl. = 1,7055 m
stellen nicht minder genau 5 attische Fuss 8'/^ Dak-
tylen dar"). Aehnlich sind folgende Dimensionen
zu beurtheilen'').
Fuss
engl.
Metopen des Gebülkes der Fronten
Triglyphen „ „ , ,
Metopen des Gebälkes der Flanken
Triglyphen „ , . .
Siiulenweite von Axe zu Axe in den Fronten . .
, , , , . Flanken . .
'*) In ganz analoger Weise hat die Ausgleichung zwischen
decimaler und sexagesimaler Rechnung in dem gemeingriechischen
System der Längenmaasse stattgefunden, worüber in Fleckeisens
Jahrb. 1867 S. 51»f., 533f. das Niihere zu finden ist.
'^) Berechnet unter Voraussetzung eines Fusses von 0,331 m.
Wittich, Archäol. Zeitg. XXX S. 30 deutet dieselbe Dimension
zu 23'/4 „altgriechischen, d. i. saniischen", Fuss. Nach letzte-
rem Maasse würden auf die Breite des Tempels 210, auf die Liinge
393Yi Fuss kommen.
"■) Ad. Michaelis, Der Parthenon S. 5 IT., 119ff.
") Ilesychios u. d. W. Michaelis S. 119.
'") Die Dimensionen des voriiersischen Parthenon behandeln,
ausser Michaelis a. a. O., li. Strack Archäol. Zeitg. XX S. 241 ff.,
Wittich ebenda XXIX S. 105 ff. Die Nachmessungen rühren her
3,795
2,49
3,92
2 72
12,57
13,28
Meter
1,1555
0,7582
1,1936
0,8282
3,8275
4,0438
Attische
Fuss 1 Dakt.
3
12
2
7'/=
2
14
2
11
12
6V4
13
2
Daraus abgeleiteter
Werth des attischen
Fusses in Metern
0,30813
0,3071
0,30803
0,3082
0,3082
0,3081
von F. C. Penrose An Investigation of the Frinciples of Athe-
nian Archilecture , London 1851, ein Werk, welches dem Ver-
fasser dieser Zeilen zur Zeit leider nicht zugänglich ist. Der
von Penrose benutzte Maassstab des englischen Fusses hat sich
nachträglich als um 0,001 zu klein herausgestellt; deshalb sind
im Folgenden die Messungen Penrose's reducirt nicht nach der
Bestimmung des engl. Fu.sses zu 0,30480 m (Bessel), sondern
nach einem Fuss von 0,3045 m.
'3} Metrologie S. 52 f.
20) Michaelis, Parthenon S. 122.
-') Zusannuengestellt nach Wittich a. a. 0. S. 108. Wittich
selbst führt die Messungen Penrose's zurück auf samische Fuss
von 0,317 m, welche die Eintheilung in 12 (statt Iti) 6(ixivi.ot
gehabt haben sollen.
Fr. Hultsch, Grundmaass der griechischeu Tempel.
95
Mit diesem zuverlässigen Maassstabe ausgerüstet
deuten wir nun leicht die Hauptdimeusioneu des
Tempels. Naeli der lichtvollen Darstellung Strack's
(Jahrg. XX S. 243 f. dieser Zeitschr.) hat die obere
Fläche des Stereobats 103,12 Fuss engl, iu die Breite
und 214,56 Fuss in die Länge betragen, und es
entwickelt sich daraus, wie der restaurirte Plan
nachweist, ein Stylobat von 91,7 F. engl. Breite und
205 F. Länge, d. i. 27,90 zu 62,42 m. Letztere Di-
mension aber entspricht genau 202'/^ attischen Fuss
zu 0,3083 m, während die Breite 9OV2 Fuss ergiebt.
Nun verhält sich beim Perikleischen Parthenon die
Breite des Stylobats zur Länge wie 4:9 (Metrolo-
gie S. 53); das gleiche Verhältuiss kommt aber auch
beim älteren Parthenon heraus, wenn wir die Breite
zu 90 statt 90'/j Fuss ansetzen. Iu neuerem Maasse
betrug also die Breite des Stylobats 27,75 m und
die Länge 62,42 m.
Allein die 90 und 202'^ attischen Fuss der Breite
und Länge, welche wir soeben ermittelt haben, sind
noch nicht diejenigen Zahlenbeträge, welche ur-
sprünglich beim Baue vorgeschwebt haben. Denn
da der attische Fuss 6% mal in der Klafter der
königlichen Elle enthalten ist (s. die Tabelle oben
S. 92), so erkennen wir in deu 2Ü2'/j Fuss der Länge
das Grundmaass von 30 Klaftern, woran sich eine
Breite von 13 '4 Klaftern schliesst. Wie die alten
Baumeister diese Beträge ausgesprochen haben, be-
halten wir uns vor noch später zu zeigen.
Die Säulenhöhe, mit Michaelis (S. 122) zu 10 Mo-
duli gerechnet, würde 9,49 m betragen. Strack
schätzt sie in seinem Plane zu 30 Vj F. engl. =
9,363 m, d. i. genau 30Va attische Fuss, und diese
wiederum lösen sich auf zu dem glatten Betrage
von 4V2 Klaftern.
Durch die Area des Stylobats sind Länge und
Breite der Cella ungefähr bestimmt. Die genauere
Dimension der Länge ist mit Recht aus der oben
angeführten Stelle des Hesychios ermittelt worden.
Beim Perikleischen Parthenon nämlich sind Cella
und Opisthodomos nebst den Mauern in einer Länge
von 158,56 F. engl. = 48,28 m bemessen ; rechnet
man nun hiervon 50 attische Fuss = 15,41 m ab,
so bleiben für die Cellalänge des älteren Parthenon
Archüolog. Ztg. Jahrgant' XXXVUI.
32,87 m, ein Betrag, den Strack in seinem Restau-
rationsplan nur unmerklich geändert hat, indem er
die Cellalänge im Licliten zu 97 '/^ F. engl., je eine
Mauerstärke zu 5 F., mithin die ganze Cellalänge
zu 32,73 m ansetzt. Es würden nun weiter die ent-
sprechenden Beträge in griechischem Maasse anzu-
geben sein; doch müssen wir, ehe dies geschehen
kann, zunächst den architektonischen Maassstab auf-
suchen, welcher dem Perikleischen Parthenon zu
Grunde gelegen hat.
Der Ausgang ist zu nehmen von der Benennung
exazni^inEdog. ' Hundertfüssig' hat man das Wort
von jeher gedeutet und diesen Betrag auch in Wirk-
lichkeit am Parthenon aufgefunden. Aber ursprüng-
lich bedeutete txaiöfineöog doch wohl 'hundertfiä-
chig', d. i. aream numero centenario dimensam coii-
tinetis. Wenn es also, wie nicht zu bezweifeln, auch
für 'huudertfüssig' gebraucht wurde, so geschah
dies nach demselben Sprachgebrauche, wie fivQiä-
dsg mit weggelassenem dqay^iiüv, xsvTrjvccQiov für
centum pondium, ferner cenletiarius für 'hundert-
pfüudig' und 'hundertfüssig', decietis statt einer
Million Sesterzeu und viele andere Benennungen
der Art gesetzt werden. Uebrigens mag auch die
ähnliche Form ixaTÖf-inodog, welche schon bei Ho-
mer (II. f 164) handschriftlich sich findet, die nicht
seltene Uebertraguug der Bedeutung ' hundert-
füssig' auf ixaTÖj-inedog veranlasst haben. Wie
aber der Parthenon dazu kam ixaro^nedog genannt
zu werden, geht aus einer werthvoUeu Notiz bei
Harpokration hervor, laut welcher nicht sowohl die
Zahl von 100 Fuss (gar viele Tempel waren ja
durch grössere Dimensionen ausgezeichnet), sondern
die schöne Harmonie des Baues die Benennung
veranlasst hat"). Wir deuten demnach den ixa-
zöfinsdog Haqd^Evüv als einen Tempel, dessen
Fläche (welche selbstverständlich ein längliches
Rechteck bildete) nacli der Zahl 100 bemessen war.
In attischem Maasse beträgt die Breite des Stylo-
bats 100, die Länge 225 Fuss, und die Breite ver-
hält sich zur Länge wie 4 : 9. Sowie wir nun an
--) Harpokr. u. fznidunt Jui'; ö II(iQ9ev(av vnö iiyoif (xa-
jouTifJoi (xciktUo diu xulkoi xa'i fvQvi/uiar, Ol) d/ci fj^ytilog,
üq J\ltvix).t)i ri KaXliOKHixui h Tw nn>\ l-i&ijfiSf.
13
96
Fr. Hultsch, Grundmaass der griecbischen Tempel.
die Ableitung des attischen Fusses aus der Klafter
der küiiigliclien Elle uns erinnern, reduciren sich
die 225 Fuss der Länge auf 33 '/a Klaftern, und wir
können sagen : der Tempel war bemessen zu 100 Fuss
in die Breite und zu einem Drittel von 100 Klaftern
in die Länge. Aber warum sollte es nicht ge-
stattet sein, das Drittel der Klafter selbst als einen
selbständigen Maassstab aufzufassen? Kennen wir
diesen Maassstab versuchsweise die attische Bau-
elle und denken ihn uns, wie jede Elle, getheilt
in 24 Daktylen. Dann war der Hckatompedos, wie
zu 100 Fuss in die Breite, so zu 100 Bauellen in
die Länge geplant, stellte also im eigentlichsten
Sinne die Fläche dar, welche das griechische Wort
bezeichnet. Weiter ergiebt sich unmittelbar, dass
Fuss zu Bauelle sich gerade so verhielt wie die
Breite des Tempels zur Länge, und wir können
nun sofort einen Maassstab uns reconstruiren, wel-
cher 2'/^ attische Fuss = 9 attische Palästen =
0,6937 m betrug und in Vierundzwanzigstel getheilt
war. Je 1 Vierundzwanzigstel war dann gleich
l'/j Daktylen des gewöhnlichen Fusses, und 4 Vier-
undzwanzigstel gliclien sich mit 6 attischen Dak-
tylen oder l'/j Palästen. Um nun zu verdeutlichen,
wie dieser neue Maassstab aufzufassen ist, lassen
wir die Einzeldimensionen der Stylobatlänge '^)
nebst den Reductionen auf attische Fuss, königliche
Ellen und attische Bauellen folgen.
Meter
Attische
Fuss
tylen
Königliche
' Dak-
Ellen
tvlen
Attische
Bau-
ellen
Dak-
tylen
Daraus abgeleiteter
Werth des Fusses
in Metern
Pteron mit Vorstufe zum Naos
Tiefe des Pronaos
Wanddicke
Cellalänge im Lichten
Zwischenwand
Opisthodoraos
Wanddicke
Tiefe des Posticum
Pteron mit der Vorstufe zum Naos
5,217
5,414
2,077
29,853
0,952
13,326
2,074
5,277
5,25tt
IC.
17
C
96
3
43
6
17
17
14
8'/.
12
12
i'A.
2
12
1
L_
10
10
4
57
1
25
4
10
10
9V:
20
13'/,,
2V,
7
7
3
43
1
19
3
7
7
12
19
14
14
0,30915
0,30882
0,30766
0,3085
0,30805
0,3090
0,3072
0,30925
0,3082
Stylobatlänge 09,45
Welchen von diesen drei Maassstäben sollen wir
nun für den wahrscheinlichsten erklären? Die Wahl
zwischen königlicher und Bauelle fällt nicht schwer.
Zunächst geht aus der früheren Darstellung hervor,
dass zwar die Klafter der königlichen Elle, nicht
aber dass diese Elle selbst nach dem griechischen
Festland übertragen worden ist. Vollends aber
zeigen die auslaufenden Brüche von '/j Daktylen,
dass dieses Maass den attischen Architekten fern
gelegen hat.
Wir haben also noch die Beträge in attischen
Fuss und in Bauellen zu vergleichen. Im Fussmaass
müssen wir herabsteigen bis zur Hälfte des Dak-
tylos = 9,6 mm; dagegen haben wir bei der Bau-
elle nur ganze Daktylen und als kleinstes Theilmaass
einen Betrag von 28,9 mm. Dies gicbt wohl den
entscheidenden Ausschlag zu Gunsten der Bauelle.
Indcss ist immer festzuhalten, dass attischer
225 I —
133
100
0,30866
Fuss und Bauelle neben einander gehen, nicht eines
das andere ausschliessen. Es wird also das eben
gewonnene Eesultat nicht dadurch umgestürzt wer-
den, wenn beim weiteren Forschen nach den Maassen
des Parthenon irgend eine kleinere Einzeldimension
bequemer auf Brüche des Fusses als der Bauelle
sich reduciren sollte.
Diese Untersuchung möge für spätere Zeit und
Gelegenheit aufbewahrt bleiben. Jetzt ist zunächst
noch die Frage zu beantworten, ob die Bauelle be-
reits bei dem vorpersischen Parthenon Anwendung
gefunden hat. Von vornherein ist dies wahrschein-
lich; denn die Dimensionen des jüngeren Parthenon
lehnen sich in der Hauptsache eng an den älteren
Bau an, nur dass eine Vergrösserung etwa in dem
■'■') Zusammengestellt nach Wittich Archüol. Zeitg. XXIX
8. 109. Der englische Fuss Penrose's ist, wie bereits bemerkt
wurde, zu 0,3045 m gerechnet.
Fr. Hultseh, Giundmaass der griechischen Tempel.
97
Verliältniss von 9 : 10 eingetreten ist. Im Einzelnen
wird die Anwendung der Bauelle für den älteren
Parthenon am kürzesten durch folgende Uebersicht
nachgewiesen, in welcher die beigefügten Zahlen
allenthalben Bauellen bedeuten: Stylobatbreite 40,
Stylobatlänge 90, Säulenweite von Axe zu Axe im
Pteron der Fronten 5"/,,, desgleichen im Ptcron der
Flanken 57,^, Säulenhühe lo'/j, Cellalänge im
Lichten 43"')! Längenmauer der Cella mit Einschluss
der Flügel 5G'^), Cellabreite im Lichten 23, äussere
Cellabreite 2G"), Area des eigentlichen Naos in
der Breite 27"), in der Länge GT'/j. Breite und
Länge der Naosarea verhalten sieh wie 2:5, die
Quermauern der Cella zu den Längenmauern wie
13:28.
Mehrere Gründe tragen dazu bei, diesen Zahlen
einen hohen Grad von Wahrsclieiulichkeit zu ver-
leihen. Zunäclist fällt ins Auge die durchgängige
Abrundung der Beträge und die Einfachiieit der
gegenseitigen Verhältnisse. Ferner kommt in Be-
tracht, dass Strack seinen schönen Recoustructions-
plau ohne jede vorgefasste Meinung betreffs des zu
Grunde liegenden Maasses entworfen hat, also die
nachträglich hergestellte Uebereinstimmung mit dem
^*) Wie bereits bemerkt, schätzt Strack diese Dimension zu
97Vj F. engl. = 9GVi6 attisciie Fuss = 39,C5 m. Wenn wir
statt dessen 96V4 att. F. = 43 Bauellen = 29,83 m anneh-
men, so wird die geringe Abweichung hinlänglich gestützt
durch die Tradition bei Hesychios. Denn beim Perikieisehen
Parthenon betragen Cella und Opisthodomos nebst den Mauern
nach der oben gegebenen Specialiibersicht 156 att. F. 7'/.j Dakt.;
davon 50 F. ab, bleiben rund IO6V2 Fuss. Die Mauerstärken
schätzt Strack zu 5 F. engl. = 1,522 m, wofür wir mit un-
merklicher Abweichung 4 att. F. 14 Dakt. = 1,603 ra anneh-
men. Zwei solche Mauerstärken ergeben also 9^/4 att. Fuss
= 4'/3 Bauellen :=: 3,005 m. Dazu nach der eben angeführten
Annahme die Cellalänge im Lichten von 96^/4 att. F. u. s. w.
ergiebt als äussere Cellalänge lOG'/j att. Fuss = 4773 Bauellen
= 32,83 m.
'*) Genau nach Strack, der 127'/2 F. engl, setzt, das sind
126 att. Fuss = I8V3 Klaftern = 5G Bauellen = 38,84 m.
-'') Auch diese Dimensionen sind genau aus dem Strack-
schen Plane abgeleitet.
-■) Strack nimmt an 62'/s F- engl- = Cl,73 att. F., wofür
wir 60-74 att. F. = 9 Klaftern = 27 Bauellen setzen , eine Ab-
weichung, welche durch die Gewinnung des glatten Verhält-
nisses 2:5 zwischen Breite und Länge gesichert ist. Denn die
Länge der Area, welche Strack zu 155 F. engl. = 153,09 att. F.
schätzt, braucht nur modificirt zu werden zu 15 1^, att. F. =
22'/3 Klaftern = 67 '/3 Bauellen, um die eben genannte Propor-
tion zu erhalten.
attischen Maass Zeugniss ablegt für die Richtigkeit
der Hyi)othese. Endlicli glaubt Unterzeichneter
noch anfuhren zu dürfen, dass er zunächst alle Di-
mensionen nur auf attisches Fussmaass zurUckge-
rechnet und dann die Reductionen auf Klaftern der
königlichen Elle beigefügt hat. Erst im Laufe der
Uutersuclmng wurde die attische Bauelle entdeckt,
nach welcher nun in ganz unerwarteter Weise die
anderweit festgesetzten Dimensionen sich so ver-
einfachten, wie oben gezeigt worden ist.
Zum Schluss ist noch mit wenigen Worten des
Heraions zu Samos zu gedenken. Dasselbe ist be-
kanntlich nach einem Fussmaass gebaut, welches zur
königlichen Elle sehr nahe wie 3:5 sich verhält^"),
und mit hinlänglicher Sicherheit auf 0,31G m anzu-
setzen ist*"). Aus dem Mittelbetrag der Säuleu-
durchmesser geht hervor, dass G samische Fuss
gleich 3y, königlichen Ellen gerechnet worden sind.
Dieses Yerhältniss liat nun in den Hauptdimen-
sionen dabin seinen Ausdruck gefunden, dass die
Breite des Tempels zu 160 Fuss, die Länge zu
50 Klaftern der königlichen Elle geplant wurde.
Daraus leitet sich ferner mit grosser Wahrschein-
lichkeit das Verhältniss 29:60 zwischen Breite und
Länge ab, und die IGO Fuss reducireu sich auf
24'/,, Klafter. Weiter folgt daraus, dass auf die
Klafter G'7,9 samische Fuss kamen, ein Verhält-
niss, das offenbar in dieser Form niemals Aus-
druck gefunden hat, sondern in die oben ange-
führte Gleichung von G samischen Fuss mit 37, königl.
Ellen umgesetzt worden ist. Deshalb haben wir
auch in der oben aufgeführten Uebersicht der Fuss-
maasse nicht den samischen Fuss selbst, wie er am
Heraion sicii zeigt, sondern ein Correlat desselben
eingesetzt, welches die Mitte zwischen dem grösse-
ren olympischen und dem attischen Fusse hält, aber
-*) H. Wittich wies in Jahrg. XV dieser Zeitschrift diesen
Fuss am Heraion nach und bestimmte ihn zu 0,31565 m, wofür
er später abgerundet 3173 Centinieter (XXIX S. 37) und zuletzt
0,317 m setzte (XXIX S. 107).
-') Aus dem mittleren Säulendurchmesser von 1,8938 m leitet
sich ab ein Fuss von 0,3156 m, aus der nur abgeschätzten Breite
des Tempels ein Fuss von 0,3162 m, ans dem Abstand der Säu-
lenaxen ein Fuss von 0,3167 m; mithin sind 0,316 m ein wahr-
scheinlicher Durchschnittswerth.
13*
98
G. Treu, Werke des Skopas.
auch in dieser Gestalt ziemlicb auÖ'iillig zwischen
die übrigen Jlaasse sich einschiebt.
Die eigenthüniliche Stellung des samischen Fusses
geht ausserdem auch noch aus der anderweit fest-
gestellten Gleichung hervor, wonach 10 samische,
d. i. gemeingriechische Fuss 6 königlichen Ellen
entsprechen "). Die Lüsung aller der Fragen, wel-
che hieran sich knüpfen, kann nur aus dem Ge-
sichtspunkte der Wegmaasse entwickelt werden,
würde also dem Zwecke dieser Zeilen, die es le-
diglich mit architektonischen Maassen zu thun haben,
fern liegen.
2») Vergl. Fleckeisens Jahrb. 1867 S. SlSfF.
Im allgemeinen darf als Norm angenommen
werden, dass alle noch so verschiedenen architek-
tonischen Maassstäbe (deren Zahl durch weitere
Untersuchungen vermuthlich sich noch vermehren
wird) aus der Klafter der königlichen Elle abzu-
leiten sind, und ferner dass aus dieser grossen
Vielheit von Maassen nur diejenigen zu weiterer
Verbreitung gelangt sind, welche zugleich als
Wegmaasse verwendet wurden^').
Dresden. Fr. Hultsch.
^') Anlimgend den rümischen Fuss finden sich einige An-
deutungen in Jahrg. XXXVII dieser Zeitschr. S. 178 f.
WERKE DES SKOPAS
im Museum zu Piali (Tegea).
Milchhöfer führt in seinem Verzeichniss tegea-
tischer Skulpturen unter anderem folgende Marmor-
werke auf (Mitth. d. Deutschen Arch. Inst, in Athen
IV, S. 13.3 f.) :
'24. Kopf eines Kriegers. Piali, bei Joann Kozaridis.
Dem Profildurchschnitt nach in zwei Hälften gespalten, wovon
die eine über der Hausthür eingemauert ist. H. 0,25. Unter-
kiefer und Nase fehlen. Auf dem Kopf ein runder Helm, mit
geschweiftem Visir. Das Auge liegt tief und blickt (schmerz-
lich?) nach oben. Der Augenknochen darüber ist stark ent-
wickelt. Das Haar ist zurückgestrichen; das Gesicht unbärtig.
Arbeit nicht vor alexandrinischer Zeit.'
'25. Jugendlicher Aihle tenkopf. Ebenda. H. 0,20.
Ein Stück des Schädels fehlt. Der Kopf ist nach links geneigt;
der Hals ist ausserordentlich stark entwickelt (heraklesartig).
Nase und Mund bestossen. Augen tiefliegend. Die niedrige
Stirn tritt mit dem unteren Theile hervor. Die Ohren sind klein.
Xicht bedeutende und etwas übertriebene Replik eines bekannten
Typus.'
'26. Stierkopf. Ebenda. Schnauze fehlt. Die Haare
sind büschelartig und mit besonderer Sorgfalt gearbeitet. Die
sehr lebendig gebildeten Augen liegen tief unter den gewölbten
Augenknochen. Arbeit aus guter Zeit.'
Dieser'Stierkopf" ist nichts geringeres als ein
Rest vom Haupte des kalydonischen Ebers aus dem
Ostgiebel des Athenatcnipels zu Tegea, und die
beiden übrigen, von Milchhöfer beschriebenen Köpfe
stammen meines Erachtens ebenfalls unzweifelhaft
von den Giebelgruppen des Skopas her. Alle drei
Stücke befinden sieh jetzt im Museum der Dimarchie
zu Piali, mit Ausnahme des eingemauerten Gesichts-
theiles von 24.
Auf den Eberkopf aufmerksam geworden zu
sein , verdanke ich einer mündlichen Aeusserung
Dörpfelds, der ihn mit Adler zusammen in Piali
gesehen hatte. Beide Herren hatten den Kopf so-
gleich richtig erkannt, ohne damals übrigens von
der abweichenden Deutung Milchliöfers Kunde zu
haben und ohne dem Fragmente ihre Aufmerksam-
keit näher zuwenden zu können. War doch ihre
Zeit vollständig von den architektonischen Eesteu
in Anspruch genommen, deren Untersuchung auch
sie zu der bestimmten Ueberzeugung führte, dass
der Tempel der Athena Alea von Milchhöfer in der
That gefunden sei.
Audi von dem Jünglingskopfe No. 25 hatte ich
bereits in Olympia gehört und zwar durch Kavadias,
der Milchhöfer nach Tegea als Ephoros der grie-
chischen Ilegierung begleitet hatte. Auf meine
Frage, ob denn in Piali nichts von den Giebeln
des Skopas vorhanden sei, hatte er auf jenen Kopf
als vielleicht hineingehörig hingewiesen und sich
auf den Stil und die Abmeisselung des Schädels
G. Treu, Werke des Skopas.
99
berufen. Den Eberkopf hatte avxeh er für ein Stier-
baupt augeseben.
Diese Nacbriebten veranlassten mich, auf meiner
Rückreise aus Olympia das Museum von Piali nach
Resten der skopasiscben Giebelgruppen zu durch-
forschen, mit der Absicht, die Abformung der wich-
tigsten Stücke durch den Gypsgiesser Kaludis zu
bewirken, der sich in unserer Begleitung befand.
Diese letztere Absicht scheiterte leider an dem
Widerstand des Dimarchen. Alle Vorstellungen,
dass eine Abformung der betreffenden Stücke dem
Plane einer Wiederaufnahme der Ausgrabungen und
daher auch dem Wohlstande des Dorfes nur förder-
lich sein könnte, waren vergeblich und haben uur
den Erfolg gehabt, die mir für das Studium des
Museums ohnehin schon knapp zugemessene Zeit
auf kaum eine Stunde zu reduciren.
Wenn ich es dennoch wage, unter so ungünstigen
Umstcänden gemachte und daher so unvollständige
Beobachtungen au dieser Stelle mitzutiieilen, so ge-
schieht es, weil ich deren Richtigkeit dennoch ver-
treten zu können glaube und es bei der Wichtig-
keit der Frage für meine Pflicht halte, nach Mög-
lichkeit zu einer Prüfung des Thatbestandes an Ort
und Stelle aufzufordern, bis es mir gelingt Ab-
güsse oder Abbildungen herbeizuschaffen. —
No. 26 ist der mittlere Theil eines etwa lebens-
grossen Thierkopfes (H. 30, Br. 43 Cm.). Ihm
fehlen einerseits die Schnauze, andrerseits Stirn,
Ohren und der grösste Theil des Halses. Wenn
also auch gerade die bezeichnendsten Theile abge-
brochen sind, so ist doch auch in dieser Verstüm-
melung noch der Eber an folgenden Merkmalen
sicher zu erkennen: erstens an der vollständigen
und dichten, borstenartigen Behaarung von Hals,
Kinnladen, Wangen, Stirn, Nase, kurz des ganzen
Kopfes; ferner an der durch die Hauer veranlassten
Emporziehung der Oberlefze, deren Ansatz noch
deutlich erkennbar geblieben ist, obgleich die ganze
Spitze der Sciinauze mitsamt den Hauern selbst
fehlt. Endlich verräth sich der Eberkopf in der
wagerechten Linie, welche die Kinnladen mit dem
Halsansatz bilden: bei einem Stiere müsste zwischen
beiden, bei der gewöhnliehen Kopfhaltung wenig-
stens, ein einspringender Winkel entstehen. Augen
und Augenknochen dagegen sind für einen Eber-
kopf allerdings etwas zu gross und kräftig; aber
dieser in den Eberdarstellungen der griechischen
Kunst häufiger vorkommende Verstoss gegen die
Natur, welcher die Verwechselung mit einem Stier-
kopf veranlasst haben mag, ist zwar in der Ober-
ansicht der Stirnpartien sehr merklich, beeinträch-
tigt jedoch das Profil des Eberkopfes viel weniger.
Dass dieser in der That für die Ansicht von der
linken Seite her gearbeitet war, beweisen zwei
Dubellöcher mit Bleiverguss an der rechten Seite
des Maules. Ich nehme an, dass dieselben zur Be-
festigung des Ebers vor einer Wand gedient haben
und denke dabei mit Adler und Dörpfeld an den
Giebel des Atheuatempels mit der kalydonischen
Jagd.
Grösse und Stil stimmen zu dieser Annahme
vortrefflich. Die Dimensionen des Thieres werden
die des bekannten florentinischen Ebers noch über-
troffen haben. Die Arbeit weist, mit diesem ver-
glichen, auf eine frühere, weniger naturalistisch ge-
stimmte Zeit. Sie trägt deutlich einen freien und
geistreichen, aber auch durchaus dekorativen Cha-
rakter, wie dies grade bei einer Giebelgruppe sehr
begreiflich ist. Wie Milchhöfer die Haare als mit
besonderer Sorgfalt gearbeitet bezeichnen konnte,
versteht man nur, wenn man sich dessen erinnert,
dass er an einen Stierkopf dachte: denn dann aller-
dings wäre die Sorgfalt soweit getrieben, selbst
dort gesonderte Haarpartieen zu bilden, wo in der
Natur lediglich glattes Fell zu sehen ist.
Entschieden wird die Frage der Zugehörigkeit
vollends durcli den Umstand, dass der Eberkopf
sich noch jetzt mit zwei anderen, von demselben
Tempel stammenden Giebelköpfen zusammen in dem
Besitz eines Bauern von Piali befindet, dessen Grund-
stück vor der Südostecke des Atheuatempels
gelegen ist, also ganz nahe von der Tempelfront,
die Skopas mit der Darstellung der kalydonischen
Jagd schmückte. Dass der Besitzer alle drei Stücke
auch auf seinem Grundstücke ausgegraben haben
werde, ist allerdings nur eine Annahme, aber, wie
man zugeben wird, eine sehr wahrscheinliche. Uud
100
G. Treu, Weike des Skopas.
selbst wenn sie sich als irrig erweisen sollte, so
bliebe doch immer sicher, dass der Eberkopf in
oder bei Piali, also in dem Tempelgebiet der Atheua,
und zwar zusammen mit anderen Giebelköpfen zum
Vorschein gekommen ist.
Jene beiden lebensgrossen Jünglingskopfe (siehe
oben No. 24 und 25) zeigen ungefähr den Typus,
den wir bisher der alexandriuischen Epoche zuzu-
weisen gewohnt waren. Mit ihrem tief liegenden,
schmerzlich aufblickenden Augen, der vorgebauten
Uuterstirn , dem markirten Muskelspiele sehen sie
etwa aus, wie in Form und Ausdruck gesteigerte,
pathetischer gestimmte Niobideuköpfe. Sie gleichen
hierin völlig den Köpfen vom Mausoleumsfriese;
ja selbst die Helmform von 24 kehrt dort genau
so wieder (z. B. Newton Discoveries Taf. 10, oben
= Overbeck Plastik IP Fig. 86, m).
Von Seiten des Stiles und der Grösse steht einer
Zuweisung dieser Köpfe zu den Skopasgiebeln also
wol nichts im Wege. Entschieden wird die Sache
aber durch den Umstand, dass sie nur an einer
Seite völlig ausgearbeitet sind. Die rechte
Kopfseite ist nämlich bei beiden nur aus dem Hohen
gehauen, und bei 25 ist sogar noch ein Theil des
Schädels in der Scheitelgegend in gerader Fläche
abgespitzt, offenbar um ihn leichter unter der ein-
engenden Giebelsima unterbringen zu können.
Wie dies alles Milchhöfer hat entgehen können,
ist mir völlig räthselbaft. Von der auffallenden
Vernachlässigung der einen Seite au jenen Köpfen
redet sein Bericht mit keinem Worte. Und auch
über jene Abmeisselung des Scheitels hat er sich
mindestens undeutlich ausgesprochen. Dass dem
'Athletenkopf' Xo. 25 'ein Stück des Schädels
fehle' konnte leicht dahin verstanden werden, dass
dieser Theil bloss abgebrochen sei. Dass er end-
lich in dem einen dieser Köpfe die 'nicht bedeu-
tende und etwas übertriebene Replik eines be-
kannten Typus' sah, mag auf Rechnung des üblen
Zustandes kommen, in dem sich der Kopf befindet.
Dass uns aber aus den erhaltenen Theilen des
behelmten Jünglingskopfes Art und Kunst eines
ganz grossen Meisters entgegenleuchten, wird wol
auch er zugeben.
Zu alledem gesellt sich ein äusseres Kriterium
der Zugehörigkeit aller dieser Stücke zum Tempel
der Atheua Alea, das Milchhöfer ebenfalls entgangen
ist: sie sind sämmtlich aus demselben Marmor
von Dolianä gemeisselt, aus dem nach Milchhöfers
und Siegels Beobachtungen der ganze Tempel ge-
baut war (s. Mittiieilungen IV S. 135 Anm.). Wenn
ersterer daher (ebenda V. S. GS), von einem neuer-
dings bei der Paleo-Episkopi gefundenen Arme,
'dem einzigen unter den ihm bekannt gewordenen
antiken Resten, welcher sich mit einiger Wahr-
scheinlichkeit den Giebelgruppen zutheileu Hesse',
behauptet, er sei aus parischem Stein, so wage ich
hieran Zweifel zu äussern, obgleich ich es leider
versäumt habe i!m auf sein Material hin zu unter-
suchen. Auch mir schien der Arm übrigens sicher
zum Giebel zu gehören und zwar nicht nur wegen
der Uebereinstimmung seiner Arbeit mit jenen Köpfen,
sondern auch weil an der einen Seite desselben die
ßaspelstriche stehen geblieben sind.
Nach allem diesem scheint es mir unzweifelhaft,
dass in Piali Reste der Giebelgruppen des Skopas
vorhanden und noch zu finden sind. Möge hier
der Spaten bald wieder angesetzt werden, um auch
diese kostbaren Schätze zu heben.
Berlin, Juli 1880. Georg Tkeu.
101
MISCELLEN.
ÜBER DIE STATUEN AUS AEGION.
In den „Mittheilungen des Deutsehen Archäolo-
gischen Instituts in Athen" III S. 95—103 veröifent-
licht Körte zwei Statuen aus Aegion: Hermes und
eine weibliche Porträtstatue. Während er nun zu
der ersteren eine ganze Reihe von Analogien (B—G
und a — Ä) aufzählt und sogar die schon von Conze
(Reise auf den Inseln des thrak. Meeres S. 19) her-
beigezogene Dresdener Statue (Augusteum T. 54)
erwähnt, die dem vorliegenden Typus doch ziem-
lich ferne steht, zieht er für die weibliche Gewand-
figur nur drei verwandte Bildwerke herbei, von
denen überdies das zweite ein Relief, das dritte,
eine Statue „mehr abweichend im Motiv" ist. Sehr
auifallend ist es, in dieser Reihe nicht der berühm-
ten Dresdener Statue zu begegnen (Augusteum T. 23,
24. Hettner Catal. no. 162), die bekannt ist unter
dem Namen des Mädchens aus Herculaneum. Die
Aehnlichkeit beider Statuen ist vom Wirbel bis zur
Zehe eine geradezu frappante, die Höhe der Dres-
denerbeträgt 1,70, die der Statue aus Aegion l,G9m.,
die Haartracht, das Gewandmotiv, die Haltung der
Arme, die Stellung der Beine, alles ist über-
raschend ähnlich, nur sind bei der Dresdener Statue
die Zehenspitzen des linken Fusses unter dem Ge-
wand verborgen, der rechte Fuss ist also weniger
•weit zurückgesetzt als bei der anderen, eine Eigen-
thümlichkeit, die sie mit der von K. zuerst genann-
ten Statue von Andros gemein hat. K. versetzt
beide Statuen in die römische Kaiserzeit. Das Ge-
wandmotiv des herculanischen Mädchens stimmt je-
doch nach Hettner a. a. 0. „ganz mit einer aus
Theben stammenden Terrakotta {Elgin Marlies II
p. 122) überein, deren Entstehung entschieden vor
die Kaiserzeit gesetzt werden muss, und ebenso mit
Terrakotten aus Tanagra." Körte selbst giebt, hin-
sichtlich der Verwendung der beiden Statuen aus
Aegion als Grab schmuck, zu, dass derartige Grab-
anlagen mit Hermes- und Porträtstatuen schon im
zweiten, ja vielleicht dritten vorchristlichen Jahr-
hundert sich finden konnten. Einzig die von K.
behauptete Verwandtschaft des Hermes mit den
Werken der Pasitelischen Schule würde demnach
zu einer Versetzung in den Anfang der Kaiserzeit
nöthigen; jedoch ist diese Verwandtschaft nicht
nachgewiesen und aus der Abbildung nicht zu er-
kennen. Jedenfalls aber darf in der Reihe der
Analogien zu der weiblichen Gewandfigur aus Aegion
die Dresdener Statue no. 162 nicht fehlen, und auf
diese aufmerksam zu machen, ist der Zweck dieser
Zeilen.
Ueidenheim, Ende Mai 1880.
Paul Weizsäcker.
NIKE UND LINOS.
Einige Besonderheiten in dem vielbesprochenen
Bilde der angeblich aus Nola stammenden r. f Le-
kythos n. 855 des Berliner Museums (Arch. Ztg.
1848 Taf. 21, 1), auf welche mich C. Robert zuerst
aufmerksam machte — namentlich die eigenthümliche
Form der Flügel der Nike, deren Federn sämmtlich
von fast gleicher Länge sind und die von den
Vasenbildern dieses Stils abweichende Bildung der
Locken des als Linos bezeichneten Jünglings —
veranlassten mich während meiner Thätigkeit am
Antiquarium des kgl. Museums im Sommer vorigen
Jahres eine genaue Prüfung des Gefässes vorzu-
102
G. Löschcke, Catagusa.
nehmen. Auf Wunsch der Redaction dieser Zeitung
theile ich hier kurz das Resultat derselben mit,
•welches die maunigfachen an dieses Vasenbild ge-
knüpften Erörterungen ') in unerwarteter Weise er-
ledigt. Verdacht erweckend erschien schon die
ganze Technik des Gefässes, dessen Firniss auf-
fallend stumpf ist, während die Linien der Zeich-
nung nicht, wie bei allen ächten Vasen, erhaben
hervortreten. Geliudes Waschen mit Spiritus ge-
nügte , um diesen Verdacht zur Gewissheit zu
bringen. Weder irgend ein Theil der Zeichnung
noch die Inschriften widerstanden diesem Ver-
fahren, durch welches bekanntlich ächte Vasenzeich-
nungen in keiner Weise angegriffen werden. Von
dem ganzen Gefäss scheint nur das Schulterstück
') Gerhard Berlin's antike Bildwerke, Vasensammlung
no. 855; Arch. Ztg. 1848 S. 321; O. Jahn, Arch. Beiträge
S. 97 6".; Friederichs Arch. Ztg. 1865 S. 80; Knapp ebenda
1876 S. 124.
antik zu sein: an diesem ist der Thon viel härter
als an den übrigen Theilen und die Linien des
Palmettenornamentes zeigen jene charakteristische
Erhabenheit.
Aus dem Kreise der Vasen, welche Nike einen
Jüngling verfolgend zeigen, ist die unsrige also
zu streichen und damit fallen die auf die letztere
begründeten Erklärungen jenes Darstellungskreises.
Der von Nike verfolgte Jüngling wird vielmehr,
wie ich schon Arch. Zeitg. 1878 S. 112 ausgeführt,
einfach als siegreich und zwar der Leier wegen,
die er in der Hand hält, als siegreich in den mu-
sischen Künsten aufzufassen sein. — Uebrigens ist
unsre Vase nicht die einzige gefälschte unter den
aus der von Koller'schen Sammlung stammenden
des Antiquariums, und verhältnissmässig viele der-
selben sind mehr oder weniger stark interpolirt.
Göttingen. G. Körte.
DIE CATAGUSA DES PRAXITELES.
Auch Overbeck's') Erklärung der vielumdeuteten
catagusa als eine Darstellung der Anodos der Kora
bietet kaum die endgiltige Lösung. Oder ist es
wirklich wahrscheinlich, dass man eine Gruppe wie
Overbeck sie voraussetzt: „Hekate die aufsteigende
Kora der Demeter zuführend" kurzweg als xarä-
yovaa benannt hätte, also nach einer Nebenfigur?
Vielmehr führt einzig, so viel ich sehe, ein Weg zum
Ziel, auf den Förster ') hingewiesen hat, freilich ohne
ihn selbst einzuschlagen. Er erinnert daran, dass
in den Worten des Plinius (Praxiteles) fecii Proser-
pinae raptum, item catagusam keinerlei Nöthigung
liegt, um innere Beziehung der beiden Werke auf
') Kunstmjthologie HI 433 ff.
') Raub der l'ersephone 105.
einander anzunehmen. Damit tritt die xaxäyovaa
des Praxiteles aber völlig in eine Reihe mit der
ipeXiovj^isvT] und wahrscheinlich auch der axeqxivovaa
desselben Künstlers und erklärt sich ungesucht als
Votiv- oder Porträtstatue eines spinnenden Mäd-
chens. In wie weit die schöne Bronzestatue einer
Spinnerin in München^) und die Marmorcopie des-
selben Originals, die sich einst bei Depoletti in Rom
befand ^), praxitelischen Charakter im Einzelnen be-
wahrt haben, vermag ich hier nicht zu entscheiden.
Dorpat. G. Loeschcke.
'J Brunn, Beschreibung der Glyptothek 314. Museo Chiara-
monti II tav. A.
■•) Kunstblatt 1838 S. 350.
103
BERICHTE.
ERWERBUNGEN DES BRITISCHEN MUSEUMS IM JAHRE 1879.
Aiiszue; aus C. T. Newton's Bericht an das Parlament.
Marmor. Fragment vom Friese des Mausso-
leums: Obertbeil einer mit ihrer Streitaxt vorwärts
stürmenden Amazone (abgeb. Newton Travels and
discoveries I pl. 1 p. 44). Geschenk des Sultans;
vormals im kaiserl. Museum zu Constautinopel.
Unter den 1856 zu Budrum ausgegrabenen Resten
ist das Fragment eines linken Schenkels, das zu
der neu erworbeneu Figur gehört. — Kopf des Eu-
ripides von wunderbarer Erhaltung; auch die Nase
ist vollständig. — Kopf von einer Statue des jugendl.
Dionysos, veröflentlicht von Robert Annali d. Inst.
1875 tav. C. Spuren rother Farbe im Haar, das
einen Epheukranz trug. — Kopf des Apollo, trotz
der Verstümmelung der Züge von besonderem In-
teresse durch seine Aehnlichkeit mit dem Apollo
Pourtales. Abg. Monumenli d. Inst. X t. 19 und
Otfr. Müller, Mittheilungen aus Griechenl. T. 4 rf.
— Mäuul. Kopf, bartlos, mit Flügelhelm also wahr-
scheinl. Perseus. Aeusserst verrieben, aber sehr
edel. — Weibl. Kopf, Exemplar eines in mehreren
Repliken bekannten für Sappho erklärten Typus,
dessen Original wahrscheinlich aus der besten Zeit
attischer Kunst stammt. Die Nase ist ergänzt. —
Kleiner Kopf des Eros von schöner Arbeit und sehr
guter Erhaltung. Vermuthlich zu einer Statue des
Bogenspauners wie Grieeh.-röm. Galerie uo. 145 ge-
hörig. — Kopf Alexanders des Grossen, der Hals auf
die eine Seite gebeugt. Er ist in der Auffassung
gänzlich verschieden von dem schon im Museum
befindlichen Alexauderkopfe und mit viel grösserem
Raffinement gearbeitet, vernmthlich die Copie einer
berühmten Bronze aus der Zeit des Lysipp. —
Schöner Kopf des Augustus in mittleren Jahren,
ohne Nase; charakteristischer halber Kopf des
Tiberius; Kopf des Trajau; 4 weibl. Porträtköpfe
u. A.
Bronzen. Votivhand, einen Tannenzapfen hal-
tend; auf der Rückseite eine Schildkröte und eine
Eidechse, auf der Handfläche ein Täfelchen, auf
dem Gelenk, um welches sich eine Schlange windet,
steht die griech. Weihinschrift an den Gott Saba-
zios (Archäolog. Ztg. 1854 S. 440, 0. Jahn Be-
Archiiolüij. Zv^., Jahrgang- XXXVlll.
richte der Sachs. Gesellsch. d. W. 1855 S. 102. Vgl.
Dilthey Archäolog. epigr. Mittheilungen aus Oesterr.
1878 S. 57). — Komischer Schauspieler auf einem
Altar sitzend. Gefunden zu Migalo Castro in Kreta.
Wie das vorige Stück aus der Sammlung des Lord
Londesborough. — Kleiner weibl. Kopf, mit Lorber
bekränzt. Gef. 1874 zu Apt, Vaucluse. — Lebens-
grosser r. Arm, welcher die r. Hand einer zweiten
Figur fasst. Von einem Taucher in der See bei
der Stadt Rhodus gefunden. — Statuette des Apollo,
von sehr schöner Erhaltung, doch fehlen die Arme.
Angebl. aus Thessalien.
Inschriften. Griechisch: Langes Fragment
enthaltend eine Liste von Beitragenden, wahrscheinl.
zu einem öö'entlichen Darlehen. Aus Rhodus. —
Inschrift aus Cerigo. — Vierzeilige Steinschrift
enthaltend einen Theil von der Datirung und dem
Praescript des Decretes eines parthischen Königs
aus der Dynastie der Arsaciden. Aus Babylon. —
Lateinisch: Bronzeschale mit flachem zum Auf-
hängen durchbohrtem Rand und der Inschrift
QCARMINIVS
OPTATVS
LARIBVS
Gefunden bei Mailand, früher in der Sammlung
Biondelli. — Drei Augenarztstempel: Grotefend
no. 38. 56. 57.
Terracotten. Statuette einer sitzenden Göttin,
wahrscheinlich Artemis, ein Rehkälbchen haltend. —
Ganymed einen Hahn, Frau eine Gans haltend.
Beide aus Kleinasien. — Ciste in der Form eines
Todtenbettes, auf welchem eine weibl. Figur aus-
gestellt ist. In demselben archaischen Stil wie die
1873 von Castellani gekaufte Ciste mit den beiden
lagernden Figuren desselben Fundortes Cervetri. —
Aus Tanagra: Bekleidete Frau in reizender Hal-
tung; Frau in Chiton und Mantel; eine stehende und
zwei kleine sitzende Figuren, wahrscheinlich alter-
thümliche in Böotien verehrte Gottheiten darstellend;
Silen eine Scheibe haltend; Silen mit dem Kinde
Dionysos auf der Schulter; Amme ein Kind nährend.
14
104
Sitzungsberichte.
Geschnittene Steine und Goldschmuck.
Gediegenes Armband 1862 in Pompei gefunden. —
Ring mit gesehn. Sarder: Krieger einen Helm hal-
tend; ein andrer mit Jasper: Hermes mit Geldbeutel;
Armband-Fragment von Bracteatengold mit Jasper:
Fortuna; Ohring mit Onyx: Stier. Diese 4 Stücke
mit noch 8 andern erworbenen Schmuckgegenstän-
den von Gold stammen aus einem Grabe zu Tor-
tosa in Phönicien und waren früher in der Samm-
lung des Prinzen Napoleon Bonaparte.
M. F.
SITZUNGSBERICHTE.
Festsitzung des archäologischen Instituts in Rom, 23. April 1880.
Den Tag der Palilien feierte das Institut dies-
mal in Gegenwart Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau
Kronprinzessin Victoria. Die Secretäre und Stipen-
diaten desselben empfingen die hohe Frau am Ein-
gange des Hauses und geleiteten dieselbe in den mit
frischem Grün geschmückten Sitzungssaal. Herr
Prof. Henzen hielt dann eine kurze Ansprache,
worin er die Bedeutung des Tages hervorhob und
die Anwesenheit Ihrer Kaiserl. Hoheit als ein neues
Zeugniss der wohlwollenden Theilnahme des Kaiser-
lichen Hauses begrüsste.
Derselbe eröffnete darauf die Reihe der Vorträge
mit der Erklärung einer Inschrift, welche kürzlich
auf dem römischen Forum, nahe dem Bogen des
S. Severus, blossgelegt worden. Sie findet sich auf
einem Marmorblock, welcher augenscheinlich einst
als Basis einer Reiterstatue diente und wurde zu
Ehren der Truppen, welche im J. 405 u. Chr. unter
Führung des Stilicho das Heer des Radagais bei
Fiesole vernichteten, vom römischen Senat und Volk
durch Vermittlung des Stadtpräfecteu Pisidius Ro-
mulus errichtet. Der Vortragende verbreitete sich
in kurzen Worten über die Lage des Römischen
Reiches seit dem Tode des grossen Theodosius und
besprach namentlich die Inschriften, welche sich
auf die politischen und kriegerischen Begebenheiten
jener Zeiten beziehen, so die Ehrenbasen des Sti-
licho, gesetzt die eine nach der Ueberwindung des
Gildo, die andere gleichzeitig mit der neuen In-
schrift; die Inschriften, welche die Ausbesserung
der Mauern, ThUrme und Thore Roms zur Zeit des
ersten Einfalls des Alarich verherrliciien; diejenige
des Triumplibogeus der Kaiser Arcadius, Honorius
und Theodosius des Jüngeren, und erläuterte die-
selben mit Hülfe der Gedichte des Claudian. Der
Name des siegreiclien Feldherrn, welcher nach sei-
ner Verurtlieilung und Hinrichtung sowohl auf sei-
nen Ebrenbasen , wie auf der Mehrzahl der In-
schriften der Stadtthore zerstört wurde, ist auch
auf dem neuen Monumente sorgfältig ausgemeisselt.
Hierauf ergriff Herr Prof. Lumbroso das Wort
über die Stellung Alexandriens in der alten Welt.
Er sprach von seinem Einfluss auf Bildung und
Cultur der Kaiserzeit und beleuchtete die Politik
Alexandriens gegenüber den Eingeborenen, seine
beständige Absonderung von Aegypten, welche noch
nach Jahrhunderten die Verschiedenheit der beiden
Nationen kenntlich gelassen habe.
Schliesslich handelte Herr Prof. Hei big über
den Gebrauch des Pileus in dem alten Italien.
Der Pileus wurde vom freien Römer getragen und
dem Sclaven bei seiner Freilassung aufgesetzt. Er
war also das Symbol der Freiheit, womit stimmt,
dass er bei mehreren uralten Priesterschaften, wie
den Flamines, Pontifices und Saliern, gebräuchlich
war. Besonders bezeichnend dabei ist, dass es dem
Flamen Dialis verboten war, denselben abzunehmen.
Wenn aber die Argei tutulati, d. h. mit einem
tutuliis, einer Art des Pileus versehen waren, so
beweist das, dass diese Kopfbedeckung dereinst
als ein characteristischer Bestandtheil der römischen
Tracht galt. Der Gebrauch den Pileus bei den
Saturnalien zu tragen, ist offenbar ein Ueberrest
aus jener Epoche. Die gleiche Bedeutung hatte
der Pileus im alten Etrurien. Die Wandmalerei
eines sehr alten cornetaner Grabes (sog. grotta
del morto) stellt einen Todten, der auf dem Pa-
radebette liegt, mit dem Pileus dar. Denselben
tragen in einem andern gleichzeitigen Grab (sog.
grolta delle iscri:,ioni) etruskische Larse, welche
an der Leichenfeier theiluehmen. Ebenso sind auf
etrurischen Monumenten Personen, welche Beziehung
zum Cultus haben, Priester, Festordner, Flötenspie-
ler, mit dem Pileus dargestellt. — Gilt es, die ur-
sprünglichen Typen der Kopfbedeckung der römi-
schen Priester zu veranschaulichen, so sind in erster
Sitzungsberichte.
105
Linie die etruriscben Denkmäler zu beachten, da
sie der Zeit, in welcher die betreffenden Ornate
festgestellt wurden, näher stehen, als die bisweilen
coufusen Angaben der Schriftsteller und die Abbil-
dungen der spätrömischen Monumente. Der Vor-
tragende zeigte, dass sich von der ursprlinglichen
Tracht der Flamines und der Flamiuica eine deut-
liche Vorstellung aus den ältesten cornetaner Wand-
malereien gewinnen lässt. — Zum Schluss untersuchte
derselbe, woher der mit der Binde umwundene steife
Pileus und die entsprechende Haube nach Italien
gelangte. Er wies nach, dass die Kopftracht des
jüdischen Hohenpriesters und die Tiara des Perser-
köuigs auf der gleichen Combination beruhen. Die-
selbe Tracht kommt auch auf phonicischen Denk-
mälern vor, und ihren Uebergang nach Griechenland
bezeugt die Schilderung, welche die Hias XXII,
468 fl'. von dem Kopfschmuck der Andromache ent-
wirft. Da jedoch diese Kopfbedeckung in Griechen-
land nur bei Frauen, nicht auch bei Männern nach-
weisbar ist, in Italien dagegen beiden Geschlechtern
eignete, so ist es fraglich, ob dieselbe durch helle-
nische Vermittlung in den Westen eingeführt wor-
den ist. Vielleicht erfolgte ihre Verbreitung daselbst
durch den Handel der Karthager, bei denen wir,
wie bei ihren östlichen StammbrUdern, diese Tracht
für beide Geschlechter voraussetzen dürfen. —
Der Vortragende knüpfte hieran eine Danksagung
an Herrn Alexander Castellani, welcher eine inter-
essante Serie von Goldarbeiten verschiedener Zeiten
aus seiner Sammlung ausgestellt hatte.
Die Frau Kronprinzessin nahm nach der Sitzung
auch die Bibliothek Italischer Muuieipalgeschichten,
welche dem Institut von Herrn von Platner bei Gele-
genheit der Jubiläumsfeier geschenkt war, in Augen-
schein.
Der Sitzung wohnten die Herren der Kaiserl.
Botschaft mit Ausnahme des durch Unpässlichkeit
verhinderten Botschafters, der Königl. dänische Ge-
sandte, der Director der französischen Schule Herr
Geffroy bei, von Einheimischen die Herren de Rossi
und Fiorelli, die als Ehrenmitglieder der Direction
am Directionstische Platz genommen hatten, Graf
Mamiani und zahlreiche andere Gelehrte, ebenso
viele Fremde.
Archäologische Gesellschaft in Berlin.
Sitzung vom 4. Mai 1880. Der stellver-
tretende Vorsitzende Herr Schöne legte eine Reihe
neuer literarischer Erscheinungen vor: Blümner's
zweite sehr erweiterte Bearbeitung von Lessing's
Laokoon; R. Förster, Farnesinastudien; P. Leh-
feldt. Die Holzbaukunst; Forchhammer, Mykenä
und der Ursprung der mykeuischen Funde; Sta-
tistisches Handbuch für Kunst und Kunstge-
werbe 1880. — Herr Dr. Furtwängler legte
seine Abhandlung „Die Bronzefunde von Olympia
und deren kunstgeschichtliche Bedeutung" (aus den
Abhandl. der Königl. Akad. der Wissenschaften
1879) vor. — Herr Dobbert bericlitete über Be-
obachtungen, die er an den Abgüssen zweier zum
Westgiebel des Parthenon gehörender Pferde-
köpfe gemacht. Nachdem Herr Professor Overbeck
im Sommer 1879 dem Vortragenden im britischen
Museum die schöne Entdeckung mitgetheilt, dass
das rechte Pferdehinterbein vom Westgiebel an der
Rückseite abgeplattet gewesen, um an die Wand
gelehnt zu werden, also zu einem Pferde gehörte,
das in der rechten Giebelhälfte zwischen Amphitrite
und Poseidon gestanden habe, untersuchte er die
ihm von Herrn Overbeck gezeigten in demselben
Museum befindlichen Abgüsse zweier Pferdekopf-
fragmente, ebenfalls vom Westgiebel, darauf hin, ob
sie nicht auch zur rechten Giebelhälfte gehörten.
Lässt sich diese Zugehörigkeit beweisen, so er-
giebt sich endgültig das IrrthUmliche der bekannten
Annahme Stephani's von nur einem Pferde neben
Poseidon. Der Vortragende fand nun, dass der
eine Kopf an der rechten Seite eine ganz ähn-
liche Abplattung behufs Anlehnung an eine Wand
zeige, wie das Bein, woraus er schloss, dass
der Kopf nach linkshin gewendet war, also zur
rechten Giebelhälfte gehörte; an der linken Seite
des andern Pferdekopfes fiel dem Vortragen-
den die starke Betonung der kleinen Falten am
Kinnbacken auf, wie sich solche an der rechten
Seite des äusseren Pferdekopfes vom Gespanne des
Helios am Ostgiebel finden: daraus zog er den
Schluss, dass jener zweite Kopf eine Wendung nach
links mache und also dem äusseren Pferde in der
rechten Hälfte des Westgiebels angehörte. Der
14*
106
Sitzungsberichte.
Vortragende habe damals seine Beobachtungen
Herrn Overbeck mitgetbeilt, der ihm vollkommen
Recht gegeben und seither ja auch seine eigene
Entdeckung am Beine sowie die Beobachtungen
Dobbert's an den beiden Köpfen, freilich ohne
diesen zu nennen, in den ^Berichten der Kgl. Sachs.
Gesellseh. d. Wissensch." veröffentlicht habe. Eine
eingehendere Prüfung der seit Kurzem auch im
Berliner Museum befindlichen Abgüsse hat dem
Vortragenden noch Folgendes ergeben. Lehnt man
den ersten Kopf mit der abgeplatteten Stelle an
die Wand, so springt derselbe ein wenig nach links
vor, was zu der auf Carrey's Zeichnung augedeu-
teten Stellung des entsprechenden Kopfes der linken
Giebelhälfte stimmt; auch die Neigung des Kopfes
mit den steifen Ohren scheint derjenigen beim ent-
sprechenden Athena-Pferde ähnlich gewesen zu sein.
Die Zugehörigkeit des zweiten Kopfes zum Am-
phitrite- Gespann erweist sich auch noch aus Fol-
gendem: die rechte Seite des Kopfes beschreibt
eine leicht convexe, die linke eine entsprechend
concave Biegung; die Mäbnenlinie wendet sich
nach links, wie an dem nach rechts gewendeten
Kopfe des Helios-Pferdes vom Ostgiebel die entspre-
chende Linie sich nach rechts neigt; das Haar der
Mähne sowie des Büschels zwischen den Ohren ist
nach linkshin geschwungen; der Kopf mag in
ähnlichem Grade emporgehoben gewesen sein, wie
(nach Carrey's Zeichnung) beim äusseren Athena-
Pferde; die Ohren waren in entsprechender Weise
zurückgekehrt. Herr Professor Albert Wolff habe
nach eingehender Prüfung sich entschieden für die
Zugehörigkeit der drei Fragmente zur rechten Gie-
belhälfte ausgesprochen. Herr Wolff erkennt an
der technischen Behandlung der Abplattungen des
Beines und des ersten Kopfes dieselbe Künstler-
hand; der zweite Kopf sei nach links gewendet.
Die Maasse der Köpfe stimmen nach den Ergebnissen
der Wolff'schen Messungen zu dem schon von Mi-
chaelis publicirten und von Overbeck wohl mit
Recht der rechten Giebelfläche zugewiesenen Pfer-
dekörperfragment, wälirend Herr Wolff bezüglich
der Zugehörigkeit des anderen Pferdetorso zum
Wcstgiebel wegen der Kleinheit des Maassstabes
Zweifel hegt. — Herr Conze legte den von ihm
gemeinsam mit A. Hauser und 0. Benndorf
herausgegebenen zweiten Band archäologischer
Untersuchungen auf Saniothrake (Wien, Ge-
rold und Sohn, 1880) vor, und sprach sich dank-
bar gegen die Kais, österr. Regierung aus, welche
es crmögliclit liabe, dass seiner Recognoscirungs-
reise vom Jahre 1857 eine voll durchgeführte
Untersuchung in den Jahren 1873 und 1875 habe
folgen können. Herr Mommsen ergriff' die Ge-
legenheit sich äusserst anerkennend über die Fort-
schritte der antiquarischen Forschungen in Oester-
reich seit den letzten Jahrzehnten zu äussern. Wenn
z. B. bis vor etwa zwanzig Jahren die unmittelbar
bei Wien gelegene Römerstätte von Carnuntum in
mehr als billiger Vernachlässigung geblieben sei,
so könne umgekehrt die jetzt darauf gewandte
Thätigkeit als Muster hingestellt werden. Und so
mache sich eine einsichtige Fürsorge über das ganze
Reichsgebiet, namentlich von Cisleithanien, bemerk-
lich, und zwar überall, an den Universitäten wie
in Aquileja, Spalato unter organisatorischem Ein-
greifen der Regierung, welche, wie die eben vor-
gelegte Publikation zeige, der geographischen Lage
des Kaiserstaates entsprechend auch Untersuchungen
der Stätten hellenischer Kultur im Bereiche der
österreichischen Machtsphäre als ihre Ehrenaufgabe
ansähe. Herr Mommsen erwähnte den Beschluss
der Berliner Akademie, die Oesterreich und den
Orient umfassende Abtheilung der Sammlung der
lateinischen Inschriften Herrn Otto Hirschfeld in
Wien zu übertragen und sprach die Hoffnung aus,
dass sowohl die Fortsetzung dieses Theiles der
Sammlung dauernd an Wien geknüpft bleiben möge,
als auch sonst die von Oesterreich durch eine Reihe
wohlgerichteter Untersuchungen geweckten Erwar-
tungen der Alterthumswisseuschaft fernerhin erfüllt
werden möchten. .— Herr Conze empfahl sodann
der Aufmerksamkeit die neue Auflage des kleinen
Katalogs der Gipsabgüsse im Königl. Mu-
seum (1880) und legte den Vortrag von Perrot,
De Varl egyptien et de Varl assyrien (Paris 1880),
sowie Detlefsen's dritte Abiiandlung de arte Ro-
manorum antiquissima vor. Letztere behandelt die
Darstellungen von Thieren, darunter vornehndich
auch die der Wölfin. Herr Conze hob hervor, dass
Detlefseu mit Recht keinerlei Fundnachricht für
das berühmte kapitolinische Bronzeexemj)lar der
Wölfin als beglaubigt ansähe und ebenso mit Recht
die Möglichkeit der Identificirung dieses Exemplars
mit irgend einem der in der antiken Literatur er-
wähnten Exemplare in Abrede stelle. Nicht be-
achtet sei bei Detlefsen der von Stevenson geführte
Nachweis, dass die jetzt kapitolinisclie Wölfin im
lateranensischcn Palaste schon im U. Jahrh. n. Chr.
erwähnt werde, endlich habe Detlefsen von der
neuerlicli erhobenen Controverse, dass die Bronze
mittelalterliclie Arbeit sein könne, nicht Notiz ge-
Sitzungsberichte.
107
nommen. Herr Bode erkKärte den Nachweis der
Existenz der Wölfin im Lateran scliou im i). Jahrh.
als nicht wohl von Stevenson get'ülirt ansehen zu
können, so dass er sich berechtigt halte, au der
Annahme eines späteren mittelalterlichen Ursprungs
festzuhalten, da eine Datirung in die karolingische
Zeit nach dem damaligen Zustande der Kunst in
Italien nicht möglieh scheine; wäre dagegen jener
Beweis von Stevenson wirklich geführt, so müsse
die kapitolinische Wölfin antike Arbeit sein. — Herr
Humann, bei seinem Eintritt durch Erheben von
den Sitzen begrüsst, dankte zunächst für den ehren-
vollen Empfang und erklärte dann, dass er nur in
seiner Eigenschaft als praktischer Ingenieur die
pergamenischen Ausgrabungen erläutern wolle.
Darauf zeichnete er eine Skizze der Burg von
Pergamon an die Tafel, zeigte die Attalische Be-
festigung, die höher gelegene und folglich kleinere
byzantinische und die noch höhere kleinste tür-
kische Veste und erzählte dann, wie er vor [) Jahren
die ersten Fragmente in der byzantinisclien Mauer
gefunden, wie vor 2 Jahren Herr Director Conze
ihn instruirt hätte, dass sie von einer Gigantoma-
cliie herrühren mUssten und dass der Zeus-Altar
zu suchen sei, den die Gigantomachie umgeben
habe; wie darauf Leben in die Sache gekommen
sei und am 8. September 1878 die von so vielem
Glücke begleiteten Arbeiten begonnen hätten. Der
Vortragende zeigte dann, warum der Zeus-Altar fast
sicher da liegen musste, wo er gefunden wurde,
erläuterte ferner die Lage des früher für die Po-
lias-Kuine gehaltenen, nunmehr auch blossgelegteu
Augusteums, des abgebrochenen und in eine Mauer
verbauten Tempels der Julia, sowie des theil weise
ausgegrabenen römischen Gymnasiums. Nachdem
er dann kurz darauf hingewiesen , welche Aufga-
ben noch zu erledigen, besonders welche Mauern
noch nach Bruchstücken der Friese des Altars und
nach Inschrift -Platten des Schlachten -Monuments
abzusuchen seien, ging er speciell auf den Zeus- Altar
über und skizzirte eine perspektivische Ansicht
desselben, wie sie sich nach den Fragmenten er-
giebt. Ein Würfel von rund 110 Fuss Länge,
100 Fuss Breite und In Fuss Höhe bildete den Unter-
bau; in die eine Seite schnitt eine Treppe ein. Den
Würfel umgaben unten 3 Stufen, auf welchen sich
eine etwa 1 Meter hohe Platte erhob, auf dieser
lag ein nur '/., Fuss dickes ablaufendes Glied,
welches die Namen der Giganten trug und unmit-
telbar iiierüber der 2,30 Meter liohe Fries der Gi-
gantomachie, ringsum und in die Treppe hinein
gegen die Stufen sich todt laufend, in einer Ge-
sammtlänge von etwa 135 Meter. Auf diesem
Fries lag schützend das weit ausladende Hauptge-
sims, in dessen Hohlkehle die Namen der Götter
standen, und schloss den Unterbau ab. Auf der
Plattform habe in der Mitte der kleine Zeus-Altar
gestanden , ringsum am Rande sicli eine ionische
Säulenhalle von etwa 10 Fuss Höhe hingezogen,
in oder auf der wohl die vielen gefundenen Elu-en-
statuen ihren Platz gehabt haben möchten. Von der
Säulenhalle etwas nach Innen gerückt sei wohl
der Telephos- Fries angeordnet gewesen, so dass
der am Altar Opfernde von diesem zunächst um-
geben war.
Sitzung vom 1. Juni 1880. Der Vorsitzende
Herr Cürtius legte vor: Heibig, Capellatiira all'
epoca Omerica; Martorell, Apunles Arqueotogicos;
Das Kuppelgrab bei Menidi, herausg. vom Athe-
nischen Institut, und sprach dann über die Resultate
seiner letzten Reise nach Olympia; mit Rom beginnend
erwähnte er, dass der Kopf des sog. Aristoteles im
Palazzo Spada sich als gar nicht zu der Statue ge-
hörig, auch aus anderem Marmor gefertigt, erweisen
lasse; er berichtete hierauf über die im botanischen
Garten aufgestellten bei der Villa Farnesina neu
ausgegrabenen Wanddekorationen, vornehmlich über
die Gemälde eines langen Saales, dessen durch
Kanephoren in Felder getheilte Wände mit Land-
schaften und darüber mit einem Friese geschmückt
sind, der in zwölf Streifen eben so viele höchst
realistische Darstellungen der vita forensis giebt, in-
dem jeweils links eine Störung der öffentlichen Ruhe,
rechts die gerichtliche Verhandlung darüber darge-
stellt ist. Darauf legte er den die letzten Ausgra-
bungen umfassenden Plan von Olympia vor und
sprach namentlich über die Gebäude im Westen der
Altis, wo er den ursprünglichen Sitz der Manteia von
Olympia sowie die Wohnstätten der priesterlichen Be-
amten nachzuweisen suchte. — Herr Hauck sprach
über seine Theorie der horizontalen Curvaturen,
indem er mehrere gegen dieselbe erhobenen Ein-
wände zu widerlegen suchte und am Poseidon-
tempel zu Pästum beobachtete Thatsachen als
neue Bestätigungen für dieselbe geltend machte.
Seine Theorie bringt die ausschliesslich an dori-
schen Tempeln beobachteten Curvaturen in Zu-
sammenhang mit der durch den Ecktriglyphen-Con-
flict veranlassten Verjüngung der äussersten Säulen-
zwischenräume. Die ungewohnte Gesammterschei-
nung, welche letztere zur Folge hatte, weckte das
Bedürfniss, das gestörte perspectivische Gleicbge-
108
Sitzungsberichte.
■svicbt dadurch wieder herzustelleu, dass man —
entsprechend der dem perspectivischeu Bewusstsein
geläufigen subjectiveu Erscheinungsform — mit dem
verjüngenden Abfallen der Breitendimcnsioneu ein
gleichzeitiges Abfallen der Hühendimeusionen nach
rechts und links correspondiren Hess. — Herr
Mommsen legte Tafeln in Farbendruck nach
Mosaiken vor, die ein Privatgrab grösster Aus-
dehnung in Nordafrika schmückten ; Jagd und Land-
leben bilden den Gegenstand der reichen Darstel-
lungen, die nach den erklärenden Beischriften von
ihm nach 350 n. Chr. datirt wurden. — Herr Bor-
mann legte ein im vorigen Jahr bei Regensburg
gefundenes und im Besitz von Herrn Schwarzenberg
in Potsdam befindliches Fragment eines s. g. Mi-
litairdiploms und zugleich das besonders gut
erhaltene Exemplar dieser Denkmäler vor, das der
Königl. Bibliothek zu Berlin gehört. Bei dem neu
gefundenen Stück fehlen mit der einen Tafel die
Namen der sieben Zeugen; die Fassung der Urkunde
selbst lässt sich fast vollständig herstellen. Sie ist
im Jahre 153 n. Chr. für einen mit seiner Frau
genannten gemeinen Soldaten der ala secutida Fla-
via miliaria pia ßdelis ausgestellt, die in dem da-
mals von dem Procurator Ulpius Victor verwalteten
Raetien stand. — Endlich sprach Herr L es sing über
ein von ihm aufgefundenes Stück Zeug, das, dreifach
bedruckt, den vom Adler geraubten Ganymed dar-
stellt und, da es der Sassaniden-Zeit angehört, das
älteste erhaltene Beispiel der erwähnten Technik ist.
Sitzung vom 6. Juli. Der Vorsitzende Herr
Curtius zeigte an, dass Herr Adler sein Amt im
Vorstande der Gesellschaft niedergelegt habe und
trug eine schriftliche Erklärung vor, welche der-
selbe Herr auf den Wunsch von Mitgliedern über
einen die pergamenischen Entdeckungen behandeln-
den Artikel im Berliner Tageblatt vom 5. Mai d. J.
abgegeben hat. Derselbe sei vom Bauführer Lud-
wig aus eigener Initiative verfasst und habe münd-
liche Mittheilungen de.s Herrn Adler fahrlässig in
von diesem gemissbilligter Weise verarbeitet.
Herr Curtius legte dann vor Newton, Essays
011 arl and archeology, desselben Catalog der Par-
thenonsculpturen ; Barclay Head's Münzen von
Ephesos; ferner die neueste Publieation des Mu-
seums und der evangelischen Schule in Smyrna,
wobei er besonders auf die erfolgreichen Arbeiten
des Herrn Weber über Heiligtliuiii und Tumulus
von Belevi (2 Stunden von Eplicsos) und die von
ihm beschriebenen Alterthümer vom Sipylon auf-
merksam machte. Ferner besprach derselbe die
Mittheilungen aus Athen Band V, Heft 2, wobei
Milchhöfer's Abhandlung über bemalte Grabsteine
den Anlass gab über attische Gräbersitte in älterer
Zeit zu sprechen. Es wurden Blätter vorgelegt,
welche eine sitzende Figur am Grabe zeigen, die
den Todten darzustellen scheint. — Herr Conze
legte darauf das I.Heft des 4. Jahrgangs der ar-
chäologisch-epigraphischen Mitth eilungen
aus Oesterreich vor, aus dessen Inhalte sich
neue Belege der kürzlich von Herrn Mommsen in
der Gesellschaft anerkannten Wirksamkeit der K.
K. Regierung innerhalb Oesterreichs und in dessen
Nachbarländern ergäben. Namentlich verweilte der
Vortragende bei dem Aufsatze des Herrn Benndorf
über einen weiblichen Marmorkopf aus Tralles, der
für die Zeitbestimmung der Venus von Milo und
des pergamenischen weiblichen Kopfes, welcher im
Abgüsse ausgestellt war, in Betracht kommt. —
Herr Robert besprach den Jahrgang 1879 der
Monume?äi deW Instiluto und legte eine neue Zeich-
nung des Achillessarkophages Borghese im
Louvre (Clarac, mtis. desculpt.pl. 111) vor, dessen
ursprünglich in ganz flachem Relief gehaltene Rück-
seite (mit der Auslösung des Hektor) in der Re-
uaissancezeit durch eine Menge moderner Zuthaten
zu einem vollständigen Hochrelief umgearbeitet
wurde, um, losgesägt von der Hauptseite, nunmehr
ein passendes Pendant zu der letzteren zu bilden. —
Herr Seeck entwickelte seine Deutung der an der
linken Treppen wange des pergamenischen Altars
befindlichen Reliefgruppe: er erkennt hier die Re-
präsentanten der vier Elemente gemeinsam gegen
die Giganten vorstttrzend; Wasser und Erde seien
links durch zwei Localgottheiten , das Feuer durch
Hephäst , die Luft durch Iris dargestellt. In
der sich hieran knüpfenden Debatte führten die
Herren Conze und Schöne Gründe gegen diese
Deutung an. — Herr Furtwängler legte den
neuen Compte rendu von Stephani und die darauf
beruhende Abhandlung von Ernst Schulze über
die mykenischen Alterthümer vor. Er suchte
sowohl die vollkommene Haltlosigkeit der Gründe,
welche beide Schriften gegen das hohe Alter der
mykenischen Funde vorbringen, als die Unmöglich-
keit der positiven Annahme Stephani's nachzuweisen,
dass die mykenischen Gräber von Herulern im
dritten Jahrh. n. Chr. angelegt worden seien.
DIE AUSGRABUNGEN VON OLYMPIA.
BERICHTE.
43.
Als ich vor zwei Jahren Olympia verliess, ge-
schah es mit dem Bewusstsein, dass trotz aller An-
strengungeu der grössere Theil der Arbeit uoch
ausstehe, und dass es der fortdauernden Gunst und
Fürsorge von Kaiser und Reich, sowie vielen Eifers
aller dazu Berufenen bedürfen würde, um das Unter-
nehmen glücklich zu Ende zu führen. Jetzt wieder
zu gemeinsamer Thätigkeit mit meinem Freunde
Curtius hierher zurückgekehrt, habe ich die Gewiss-
heit gewonnen, dass es noch in dieser Arbeitsperiode
möglich werden wird, die eigentlich technischen
Aufgaben zu erledigen; zur letzten wissenschaft-
lichen Ausbeutung, sowie zur Abwickelung aller
Geschäfte wird die nochmalige Aussendung der
beiden bisherigen Spezialieiter Dr. Treu und Bau-
führer Dörpfeld, wenn auch nur auf kürzere Zeit,
im Herbste kaum zu umgehen sein.
Von den namentlich in den letzten Wochen ge-
machten Fortschritten, die der ebenso umsichtigen
wie thatkräftigen Leitung verdankt worden, hebe
ich in aller Kürze Folgendes hervor.
Die Altis ist vollständig freigelegt und zwar bei
möglichster Sonderung der Materialien so übersicht-
lich und klar, dass von einem höheren Punkte aus
fast alle Bauwerke, die Tempel, die Schatzhäuser,
die Hallen und Thore, ja selbst eine erhebliche
Anzahl der noch am Platze gebliebenen Altäre und
Basen für jeden mit der Topographie Olympias
Vertrauten deutlich erkennbar sind. Aber über
jenen engeren Bezirk ist das Ausgrabungsfeld nach
allen Seiten schon weit hinausgewachsen.
Nach Osten hat die Freilegung des Stadion,
soweit dieselbe wichtig und ohne zu grossen Kosten-
aufwand möglich war, stattgefunden. Es wurden
alle ursprünglichen Einrichtungen, die Ablaufs- und
Zielschraukeu, die Stände für die 20 Läufer, die
Wasserleitungen mit den Schöpfplätzen, der geheime
Eingang u. A. wohlerhalten aufgefunden. Selbst
die Steigungswinkel der alten Erdaufschüttungen
zeigten sich messbar und die sichere Gewinnung
des olympischen Stadion mit ca. 192,15 m war eine
besonders werthvolle Frucht dieses Verstosses nach
Osten.
Im Süden ist die hoch interessante Gebäude-
gruppe des Buleuterion mit dem Temenos des Zeus
Horkios und eine stattliche zweischiffige korinthisch-
dorische Stoa, an welcher die heilige Feststrasse
entlang lief, hervorgetreten.
Noch bedeutender waren die Ergebnisse der
Forscliungen vor der durch zwei Thore und eine
Pforte sicher constatirten Altis-Westmauer. Hier
lagen in langer Reihenfolge von S. nach N. die
Unterrichts- und Uebuugsplätze für deu Wett-
kanipf, von einigen kleineren theils sacralen, theils
profanen Gebäuden unterbrochen. Zunächst im S.
das grosse Gymnasion, das schon nach seiner ge-
nerellen Planbildung und seinen Hauptdimensiouen
bekannt ist; auch ist ein Theil der Nordseite be-
reits freigelegt worden, während an der weiteren
Blosslegung augenblicklich eifrig gearbeitet wird.
Nördlich davon, jenseits der byzantinischen
Kirche, sind althellenische Grundmauern entdeckt
worden, die von einer eigenartigen Gebäudegruppe
herrühren. Den Kern bildet der merkwürdige
tholosartige Rundbau, der einen mit vielen Stuck-
lagen überzogenen Erdaltar geliefert hat (Bericht 40)
Oestlicli davon, aber getrennt, ist ein kleiner Säulen-
hof mit einem alterthümlich construirten Brunnen
in der Ecke erkennbar, vielleicht der interessante
Rest eines der vielen Beamtenhäuser. Auf einen
späteren Umbau deuten die Reste eines grossen
römischen Hofes östlich daneben, während andere
im W. und S.W. vorhandene Mauerzüge noch der
näheren Erforschung harren.
Der nächste, nördlich davon belegene Terrain-
abschnitt wird augenblicklich, einerseits zur Bergung
weiterer Giebelstücke des Zeustempels, die hierher
HO
Berichte aus Olympia.
versclileppt worden sind, andererseits zur Vervoll-
ständigung unserer topographischen und arehitecto-
nischen Erkenntnis«, durchsucht.
Noch weiter nördlich folgt die zwar einfach
gestaltete, aber durch edle Verhältnisse und feine
Architektlirformen ausgezeichnete Palästra. Auch
dieser im Ganzen wohlerhaltene Bau gliedert sich
mit Hallen und Hörsälen um einen offenen Hof wie
das grosse Gymnasion, aber es fehlen ihm die
äusseren Säulenhallen, die jenes auszeichnen. Da-
für sind seiner Nordseite zwei andere Gebäude
unmittelbar angefügt; eine nach Norden geöffnete
Stoa und ein auf hohem Stufenbau erhobenes Pro-
pyläon sehr monumentaler Structur, welches eine
Art von Festthor für diesen Theil der Gymnasion-
bauten bildete. Hier lagen parallel neben einander
und nach N. in das Kladeos-Thal weit eindringend
mehrere Uebungslauf bahnen, sowie die Plätze für
den Sprung und den Diskuswurf. Schon ist die
grosse zweischiftige Wandelhalle, welche diese Ge-
sammtanlage im 0. begleitete, auf mehr als 200 m
Länge festgestellt worden und hoffentlich wird es
noch gelingen, das entsprechende Gegenstuck im
W. jenseits des Kladeos ebenfalls nachzuweisen.
Alle diese mit dem griechischen Leben so innig
verwachsenen Bauanlageu treten uns hier in einer
Vollständigkeit und Deutlichkeit entgegen, wie bei
dem Beginn unserer Arbeiten in keiner Weise er-
hofft werden durfte.
An der Nord seile der Altis, da wo den Fuss
des Kronosberges eine lange gestufte Futtermauer
begrenzt, scheint uns das Schicksal die gleiche
Gunst gewähren zu wollen. Schon ist es gelungen,
aus den zahllosen Baustückeu, die die byzantini-
schen Mauern verschlungen, aber auch gerettet ha-
ben, die wichtigsten Bauglieder für zwei Schatz-
häuser hervorzuziehen und, wenigstens im Bilde, zu
vereinigen. Weitere Reconstructionen stehen in
Aussicht, so dass auch diese werth volle Gattung
antiker Denkmäler, von der bisher nur der Name
bekannt war, in der Geschichte der Baukunst fortan
nicht unvertreten sein wird.
Trüber sind die Aussichten für eine sichere
Wiederherstellung des auch im N. , aber weiter
westl. belegenen Prytaneion. Zwar ist der grössere
Theil seiner Grundmauern noch erhalten, aber ein
mehrmaliger und theilweis sehr durchgreifender
Umbau erschwert die bau-analytische Untersuchung
in hohem Maasse, so dass wir auf ungelöste Räthsel
und sehwebende Fragen schon jetzt gefasst sein
müssen.
Und wie mit steigendem Erfolge die Aussenan-
lagen eine nach der anderen blossgelegt sind, so
hat die nochmalige sorgfältige Reinigung und Unter-
suchung aller erhaltenen Baureste innerhalb der
Altis gleichfalls zu wichtigen nachträglichen Ent-
deckungen geführt. Sie einzeln aufzuführen ist
unmöglich. Es mag genügen, an das Festthor zum
heiligen Bezirke des Pelops, an die Proedria, d. h.
den Standplatz für die Behörden und Gesandten
beim grossen Festopfer, an die beiden ca. 14 m
hohen Marmorsäulen für Ptolemäus Philadelphos
und Arsinoe IL, an die unscheinbaren und doch so
wichtigen Reste des grossen Zeus-Altars zu erinnern.
Von den vielen Baulichkeiten, die erwähnt wer-
den, fehlt noch Einzelnes, wie das Theatron und
der Hippodrom, sowie die kleinen Tempel der De-
meter, der Aphrodite, der Eileithyia — alle ausser-
halb belegen — , vor Allem das ältere Festtbor im
Süden, das den Hauptzugang zur Altis eröffnete.
Die jetzt ertheilten Ausgrabungs-Directiven sind
darauf gerichtet, auch hier mehr Licht zu ver-
schaffen und das grosse gewonnene Material so
weit als möglich zu vervollständigen. Nach den
bisherigen Resultaten hegen wir die Hoffnung, dass
auch bei diesen letzten Tastungen ein guter Erfolg
nicht ausbleiben und es uns vergönnt sein wird,
die Altis innen wie aussen mit ihren Stiftungen
und Gebäuden bis zum Herbste d. J. im Wesent-
lichen vollständig im Bilde liefern zu können.
Druva, 20. April 1880.
F. Adler.
44.
Dem architektonischen Berichte lasse ich eine
Uebersicht der Denkmälerfunde folgen. Während
die bauliche Aufräumung auf allen Seiten nach be-
stimmten Zielen vorschreitet, um den Grundriss von
Olympia bis Anfang Juni möglichst zu vervoll-
ständigen, sind wir für bildliche und schriftliche
Denkmäler auf eine gelegentliche Nachlese ange-
wiesen, welche im Ganzen dürftiger wird, je weiter
wir uns vom Ceutrum der Altis entfernen. Gewiss
können die Schlusswochen noch reichere Funde
bringen, namentlich aus dem Innern des grossen
Gymnasiums, wo die Siegerlisten aufgezeichnet
waren. Aber wir müssen docli darauf gefasst sein,
dass gewisse schmerzlich empfundene Lücken in
den grossen Compositionen des Zeustempels unaus-
gefüllt und manches schöne Bildwerk trümmerhaft
bleiben wird. Neuere Erfahrungen haben gezeigt,
wie einzelne Bruchstücke von Giebelwerken hinaus
über die Grenzen von Olympia verschleppt worden
Berichte aus Olympia.
111
sind, uud ebenso dass am Fusse des Krouoshügels
Kalküfen versteckt lagen, welche wahrscheinlich
schon in byzantinischer Zeit eine Reihe von Mar-
niorwerken vernichtet haben. Wenn diese Stätten
des Verderbens uns zu Anfang bekannt gewesen
wären, so würden wir schwerlich mit so guter
Zuversicht die Aufdeckung der Altis beantragt
haben. Jetzt ergänzen sie die Geschichte des Unter-
ganges von Olympia, deren Studium ja auch ein
Theil unserer wissenschaftlichen Aufgabe ist, und
am Ende des 5. Jahrgangs können wir solche Er-
fahrungen schon mit grösserer Gemüthsruhe auf-
nehmen, nachdem wir einen solchen Deukniäler-
schatz geborgen haben, wie er im Felde der Altis
sowie in den Magazinen sich angesammelt hat.
Wer nach mehrjähriger Abwesenheit zurückkehrt,
bedarf, wenn er auch allen Fortschritten der Aus-
grabung gefolgt ist, doch einer Reihe von Tagen,
um sich wieder zu orientiren, und er kann, wenn
er an Ort und Stelle das grauenhafte Werk der
Zerstörung ansieht, sich nur darüber wundern, dass
es möglicli war, eine solche Menge plastischer Ge-
stalten in den hiesigen Mus-een zu vereinigen. Man
bedenke doch, dass vom Ostgiebel sämmtliche
21 Figuren aufgefunden sind und von den 13
menschlichen 7 mit ihren Köpfen. Im Westgiebel
sind bis auf den Theseus (von dem nur Fuss, Arm
und Hinterkopf vorhanden sind) ebenfalls alle
21 Figuren gefunden mit 13 Köpfen. Von den
unscheinbaren Bruchstücken werden viele erst in
der Olympia-Ausstellung des Berliner Museums ihre
Verwerthung finden, aber schon jetzt können wir
den Kopf des knieenden Knaben, das Unterbein
des Zeus, den Untertheil des sinnenden Greises,
den Schenlvel des Oinomaos als wichtige Fortschritte
bezeichnen, welche der Ostgiebel in der ablaufen-
den Arbeitsperiode gemacht hat. Der Westgiebel
verdankt ihr zwei Köpfe, den des Knabenräubers
und den vorzüglichen Kopf der knieenden Frau,
welche von einem Kentauren in das Haar gefasst
wird. Ausserdem fand ich durch die diesjährigen
Ausgrabungen wesentlich ergänzt die eine der
Nymphen, ferner die alte Sklavin, welche verzwei-
felnd das Haar rauft, und ebenso die verschiedenen
Kampfgruppen, welche durch Auffindung von Brust-
theileu. Armen und Füssen an Klarheit und Zu-
sammenhang gewonnen haben.
Die Metopen des Zeustempels, welche durch die
glücklichen Bemühungen von Dr. Treu ein ganz
neues Interesse für die Kunstgeschichte gewonnen
haben , sind neuerdings durch Vervollständigung
Archliolog. Ztg., Jahrg. XXXVIÜ.
des Löwen, des Stiers und der Hydra, vor Allem
aber durch den vorzüglich erhaltenen Kopf des auf
den Löwen tretenden Herakles wesentlich gefördert,
und es ist jetzt nur eine Metope übrig (die mit
der Hirschkuh), von der wir uns keinerlei Anschau-
ung maclieu können. Den zuletzt genannten Kopf
des jugendlichen Herakles stehe ich aber nicht an,
für einen der schönsten und wichtigsten unserer
Funde zu erklären. Auf mich wenigstens hat er
durch seinen tief empfundenen Gesichtsausdruck
den grössten Eindruck gemacht und mir zuerst die
Ueberzeugung davon gegeben , dass auch die Me-
topen Werke attischer Kunst sind, und zwar in
dem Stil der Tempelplastik, wie er sich gegen die
Mitte des 5. Jahrb. in Athen entwickelt hatte und
wie er einstweilen nur in den Denkmälern von
Olympia studirt werden kann.
Was endlich die beiden Einzelwerke klassischer
Kunst, Xike und Hermes, betrifft, so ist die eine
durch Gewandstück und Hinterkopf, der andere
durch Fuss uud Dionysosköpfchen wesentlich ver-
vollständigt, so dass man schon daran denken kann,
durch eine Restauration des Gipsabgusses den ur-
sprünglichen Gesammteindruck beider Standbilder
zu veranschaulichen.
Wenn diese Statuen mit den Metopen und Giebel-
kolossen zusammen gewissermasseu die Central-
gruppe unserer statuarischeu Funde bilden , so
schliessen sich daran einerseits die Ueberreste älte-
rer Kunstepochen, andererseits die Gruppe jüngerer
Werke. Beide Gattungen sind ansehnlich Ijereichert.
Die alte Zeit giebt sich dem Auge schon da-
durch zu erkennen, dass ihr der Marmor fremd ist.
Einen neuen überraschenden Einblick in diese Zeit
giebt Treu's Reconstruction des megarischen The-
saurengiebels, von dessen 12 Figuren nur 3 fehlen,
eine Frucht der diesjährigen Arbeitsperiode, sowie
andere Ueberreste polychromer Kalksteinreliefs. Aus
dem Gebiete religiöser Plastik ist zu dem bekannten
Herakopfe die schlangenhaltende Eumenide gekom-
men, die jetzt durch den unteren Theil ergänzt ist.
Dazu hat sich das Fragment einer zweiten ganz
gleichen gefunden aus demselben dunkeln lakoni-
schen Kalkstein. Endlich gehört hierher der von
Treu erkannte Eperastoskopf, welcher mit dem
Arme, der den Phrixosschild trug, und dem dazu
gefundenen Fuss zu einem kunstgeschichtlich sehr
wichtigen Siegerdenkmale gehört. In der feinen
Durchführung der Details scheint er der Kunst des
5. Jahrb. nahe zu stehen, und er unterscheidet sich
auch dadurch von den früher genannten Werken
15
112
Berichte aus Olympia.
altpeloponnesiscber Kunst, dass er aus paiiscbem
Marmor ist.
Die andere grosse Gruppe olj'mpischer Skulp-
turen ist die der Nacbblüthe attiseber Kunst, meist
römischer Zeit, eine Gattung, welcbe in diesem
Jahre auf 43 Statuen angewachsen ist. Dazu kom-
men 20 Köpfe und als ein Werk besonderer Art
der bekannte Stier mit der Weibinsebrift der Regula,
lauter Sculpturen aus pentelischem Marmor, und
wahrscheinlich zum grössten Theil in Athen fertig
gemacht.
Es sind zum Theil mythologische Figuren, wie
der Koloss des Zeus, der in diesem Jahr gefundene
arcbaisirende ApoUon, die Statuen der Nemesis-
Tycbe (die beiden Gegenstücke aus dem Eingange
des Stadiums), des Asklepios und des ruhenden
Herakles, ein tlötenblasender Satyr und ein nackter
Torso, beide diesjährige Funde. Zweitens Athleten-
l)ilder, in deren Reibe ein jüngst gefundener Pau-
kratiasteukopf gehört. Drittens Mitglieder des kaiser-
lichen Hauses und endlich Privatleute, Männer wie
Frauen. Diese Statuen stammen grössteutheils aus
der Exedra, aus dem Metroon und von der Ostseite
des Heraion. Einzelne derselben gewinnen durch
besondere Attribute, wie das Bild einer gefesselten
Provinz, die Athena mit der Wölfin auf dem Panzer
Hadrians u. s. w. oder durch ihre Künstlerinschriften
ein hervorragendes Interesse. Sie lehren uns fünf
Meister der attischen Renaissance kennen. Den
seltsamsten Ursprung haben die in den letzten Tagen
dazu gefuudeuen Römerstatuen. Sie waren nämlich,
dem Feuertode geweiht, schon in einen der oben
erwähnten Kalköfen geworfen: die Verbrennung ist
durch irgend eine Katastrophe unterbrochen worden,
und so bat man jetzt die zerschlagenen Blarmor-
bilder wieder aus dem Abgrund herausgezogen.
Ueberblicken wir die gesammten Sculpturfunde,
welcbe die beiden grossen Magazine nebst dem
Mittelhofe füllen, so sind es ohne die Masse der
Fragmente jetzt 87 Statuen (darunter 44 über
Lebensgrösse) und 42 Köpfe, welcbe die verschie-
densten Gattungeu und Zeiten griechischer Kunst-
übuug vertreten. Wenn man bedenkt, dass die elf
Metopenköpfe, die sich durch ilire Erhaltung aus-
zeichnen , die Köpfe der Hermesgruppe und der
Nike nicht mitgerechnet sind, so wird man zugeben,
dass nicht leicht eine Antikensanuiilung in kurzer
Zeit zusammengekommen sein möchte, welche für
das Studium der Kopfbildung in der Plastik der
Alten ein so reiches Material darbietet wie die
olympische.
Wo es sich um Kunstwerke handelt, haben Zalden
eine verhältnissmässig geringe Bedeutung; es schien
mir aber, nachdem die einzelnen Gegenstände bei
verschiedenen Gelegenheiten besprochen sind, jetzt
gegen Ende der Ausgrabungen nicht unpassend,
auch einen numerischen Ueberblick zu geben.
Terrakotta und Erz ergänzen die Ueberreste der
Steinskulptur. Sie sind das Material einer mehr
populären Industrie, welche auch den kleineu Leuten
Gelegenheit giebt, ihre Anwesenheit und Pietät in
roh geformten Gegenständen zu bezeugen, die ihrem
Lebenskreise entnommen sind. Als Kunstwerke
merkwürdig sind die alterthümlicheu Thonköpfe
von Zeus und Hera, die Fragmente weiblicher Ge-
wandfigureu von der soi'gfältigsten Ausführung,
einer Gruppe von Satyr und Kymphe, eines grin-
senden Sileuskopfes u. s. w. Diese Stücke sind von
vorzüglicher Wichtigkeit wegen der gut erhaltenen
Farben und wegen der Seltenheit grösserer Thon-
figuren in Griechenland. Dazu kommen Tiiierbilder
mannigfacher Art und ein römischer Porträtkopf
über Lebensgrösse. Ein besonderes Kabinet der
olympischen Magazine bilden die architektonischen
Terrakotten, die in voller Farbenfrische und in der
grössten Mannigfaltigkeit des Stils erhaltenen Kranz-
gesimse, sowie Stirn- und Firstziegel. Von wasser-
speienden Löwenmasken ist hier eine solche Fülle
in Thon und Stein erhalten, dass mau allen Wand-
lungen des Geschmacks durch Jahrhunderte hindurcli
folgen kann.
Die Bronzen bat Herr Dimitriades jetzt in einem
besonderen Raum geordnet. Wir finden dort die
spärlichen, aber unschätzbaren Ueberreste von Gross-
bronzen, tausende von kleinen Votivfiguren, dann
die bekannten Reliefs in orientalischem Stil, ferner
eine Gruppe von archaischen Statuetten (darunter
den blitzscbleudernden Zeus in seinem für Olympia
charakteristischen Typus und einen ausfallenden
Hopliten), zierliche Reliefs von getriebener Arbeit
in altkorinthischem Stil, endlich auch Figuren des
freien Stils bis zu den Mercurgestalten der römi-
schen Zeit.
Ausserdem sieht man im Bronzemuseum jetzt
eine reiche Auswahl von Wafi'en und Geräthstücken,
Schilden (einen mit Inschrift), Helme aus verschie-
denen Zeiten, Schienen aller Art, Scliwerter (sehr
selten), Lanzeuspitzen (zum Theil mit Zuschriften);
von Erzgeräthen sind besonders die Schalen massen-
weise vorbanden, Dreifüsse, Greifenköpfe in grosser
Auswahl, Henkel aller Art. Von Sehnuickgegen-
ständen abgesehen, sind es besonders die mit In-
Beliebte aus Olympia.
113
sclivift vevsebeneu Gewichte, die mit noch unerklär-
ten Inschriften und mancherlei Symbolen versehenen
GewichtstUcke verschiedener Form und Grösse (ca.
150 Stück), welche im Prytaneion, aber auch in
der ganzen Altis gefunden sind. Man sieht hier in
grosser Mannigfaltigkeit Alles vereinigt, was in Erz
den Gottheiten dargebracht zu werden pflegte;
darunter auch manches noch Räthselhafte, wie die
sogenannten „Stimmmarken." Endlich ist ein aus-
erwählter Schatz des Bronzenkabinets die Samm-
lung von Inschrifttafeln, die sich mit den grössern
Fragmenten schon auf 50 Stück beläuft und für
die Technik und Geschichte hellenischer Erzschrift
das reichste Material darbietet.
Während diese Urkunden jetzt sämmtlich in
einem Schrank zusammenliegen, sind die ca. 400
Steinschriften in der ganzen Altis zerstreut. Denn
man bat nur einzelne, besonders merkwürdige
Steine, wie den des Bybon, und die kleineren Stein-
tafeln, wie die Listeu der priesterlichen Beamten,
deren Bruchstücke noch fortwährend aus dem Pry-
taneion und der nördlichen Umgebung der byzan-
tinischen Kirche zum Vorsehein kommen, in das
Museum gebracht, die monumentalen Steinurkuuden
aber an ihrer Fundstelle gelassen. Im günstigsten
Falle, wenn die Fundstellen auch die ursprünglichen
Aufstellungsorte waren, sind die Inschriften auch
topographische Denkmäler ersteu Ranges, wie die
Nikeinschrifteu und die luschriftbasen des Praxi-
teles, Telemachos u. a., oder man hat die Inschriften
wenigstens in der Nähe ihres ursprünglichen Staud-
ortes aufgefunden, wie z. B. die Basis des Philonides.
Eine wichtige Inschrift, wenn auch nur aus vier
Buchstaben bestehend, brachte uns neulich der hinter
der Thesaureuterrasse gezogene Graben ; sie enthält
in alten Schriftzügen den Anfang des Namens der
Kyrenäa und ist das Bruchstück einer Dedikations-
urkunde aus dem Schatzhause derselben.
Wenn ich endlich noch die Münzen erwähne,
deren Anzahl auf 5000 angewachsen ist, wobei die
Masseufunde byzantinischer Münzen je unter einer
Nummer verzeichnet sind, so giebt diese Uebersicht
eine annähernde Vorstellung davon, was au Denk-
mälern aller Art aus dem Boden von Olympia an
das Licht gefördert ist.
Von merkwürdigen Einzelheiten erwähne ich
nur noch einen kleinen Erdaltar, der vor längerer
Zeit in dem Rundbau nördlich von der byzantini-
schen Kirche gefunden ist. Eine nähere Unter-
suchung zeigte uns in diesen Tagen, dass er, oben
mit einer Ziegelplatte bedeckt, au den Seiten mit
weissem Stuck überzogen war. Dieser Ueberzug
mit Schrift und Blattornament wurde von Zeit zu
Zeit erneuert. Es gelang uns, zehn solcher Schichten,
eine nach der anderen, abzulösen ; es war der Altar
eines Heros, dessen Name nicht genannt wird, dessen
Dienst aber mit der Mantik von Olympia im Zu-
sammenhang stehen muss. Es ist ein religiöses
Denkmal einzig iu seiner Art.
Die Hauptsache aber sind nicht diese Einzel-
heiten, sondern das Ganze, die wiedergewonnene
Anschauung des gesammten Raumes von Olympia,
und so kehre ich zu dem Grundriss der Altis zu-
rück, von dem ich ausging, der wichtigsten Ur-
kunde unserer Arbeiten, welche nooli in aller Hän-
den sein wird, wenn die Altis selbst wieder über-
wachsen, verschüttet und verwildert sein mag. Das
Interesse, das sich an den Grundriss anknüpft,
geht über das der Baugeschichte weit hinaus, und
wie genau wir uns mit seiner Hülfe in Olympia
Orientiren können, zeigen ja am deutlichsten die an
Ort und Stelle aufgefundenen Schrankensteine der
Rennbahn, an denen die Wettkämpfer ihren Lauf
anfingen und vollendeten.
Es fehlte noch ein umfassenderes Bild der Ge-
gend. Herr Landesvermessungsrath Kaupert ist be-
schäftigt, die topographische Aufnahme in V,oooo
auszuführeu, in einer Ausdehnung von 5000 m in
die Länge und 4000 m iu die Breite, so dass ein
Kartenblatt von20qkm hergestellt wird, wo Olympia
in der Mitte liegt.
Die Ausgrabung ist bis heute mit 500 Mann
fortgesetzt. Das griechische Osterfest macht eine
achttägige Pause.
Olympia, den 29. April 1880. E. Curtius.
45.
Das letzte Ausgrabungsjahr hat mit einem ebenso
überraschenden wie wichtigen Funde abgeschlossen,
dem lebensgrossen Bronzekopf eines olympischen
Siegers, einem Meisterwerke der Diadochenperiode.
Es ist das Bildniss eines reifen Mannes, dessen
finster und entschlossen dreinblickendes Antlitz von
dichtem, wirrem Haar und Bart tief beschattet und
eingerahmt wird. Der Kranz von wildem Oelbaum
kennzeichnet ihn als Olympioniken; die dick ver-
sch wolleneu Ohren als Pankratiasten. Die Lippen
scheinen versilbert gewesen zu sein, die Augäpfel,
ursprünglich wahrscheinlich ans farbigeu Steinen
gebildet, fehlen jetzt. Im Uebrigen ist die Erhal-
tung, von einigen Oxydwucherungen abgesehen,
eine gute. Die Höhe ist 31 Cm., genaue Lebensgrösse,
15*
114
Berichte aus Ohmpia.
wie wir aunelimen müssen, da es den Hellauodikeu
oblag, darüber zu wacheu, dass dieselbe nicht über-
schritten wurde. — Wenn Plinius berichtet, dass
erst ein dreimaliger olympischer Sieg das Kecht
7.ur Aufstellung einer Statue von voller Bildniss-
ähnlichkeit verlieh, dass also die übrigen Sieger
sich mit typischen Athletenbildern begnügen mussten,
so kann darüber gar kein Zweifel sein, dass uuser
Kopf der erstereu Klasse angehörte. Denn die
charaktervolle Hässlichkeit seiner Züge ist von dem
Künstler in aller ihrer brutalen Energie mit einer
Uuverhohlenheit, ja virtuosen Geflissentlichkeit wie-
dergegeben worden, welche deutlich zeigt, dass es
ihm hierauf recht eigentlich ankam. Uebrigens
verräth Alles einen Meister ersten Ranges: die
Sicherheit, mit der der Knochenbau, das trotzig
vorgeschobene Untergesicht, die breite gekrümmte
Nase, die energischen Stirnhügel gegeben sind;
die vollendete "Wahrheit in der Wiedergabe der
Haut, der gespannten sowohl, als der Fältchen
und Säckchen um die tiefliegenden, misstrauisch
und scharf aus ihren Höhlen hervorblickenden
Augen. Haar und Bart endlich sind von voll-
endeter Virtuosität: diese sich durch- und überein-
ander bäumenden Haarmassen, dieses geistreiche
Spiel in sorgfältig durchciselirten Einzelheiten ist
mit einer sicheren Bravour durchgeführt, wie sie
erst der Epoche der pergameniscben und rhodischen
Schulen zur Verfügung stand. In diese Zeit, in
das 2. oder .3. vorchristliche Jahrh., weist auch der
geniale Realismus der Porträtauffassung. Namen
jedoch vermögen wir weder für den Darsteller
noch für den Dargestellten zu nennen, da der Fund-
ort des Kopfes, dicht vor dem Abstich, an dem wir
im N.O. des Prytaneions Halt gemacht, zu deutlich
auf weite Verschleppung hinweist, wir mithin eines
sicheren topographisclien Anhalts für die Identifi-
kation der Statue entbehren.
Dass jene Scheidung zwischen ikonischen und
typischen Siegerstatuen für die Zeit der gereiften
Kunst wenigstens sicher bestand, dafür hat uns ein
anderer glücklicher Fund in derselben Gegend den
monumentalen Beleg gebracht.
Es ist dies ein etwas unter Lebensgrösse ge-
haltener Jünglingskopf aus pentelischem Marmor,
der, wie die venschwolleneu Oiiren zeigen, eben-
falls einen siegreichen Pankratiasten darstellen soll.
Aber statt der Bildnissähnliciikeit springt hier die
directe Anlehnung an einen praxitelisehcn, unserem
Hermes nahe stehenden Typus deutlich in die Augen.
Von diesem scheiden den neu gefundenen Kopf
wesentlich nur einige stärkere Drucker, eine leichte
Vergröberung der Formen. Er ist im Vergleich
zum Hermes sehr feinsinnig ins Herakleshafte hin-
übergestimmt; das kurz geschnittene Haupthaar ge-
drungener gelockt, die Backenknochen schärfer her-
vorgehoben, die Augen weiter geöffnet und schärfer
geschnitten, die Wendung des Kopfes lebhafter,
gleichsam herausfordernd.
Die Richtung auf volle Bildnisswahrheit konnte
sich von diesen typischen Athleteubilduugen natür-
lich erst scheiden, als die Kunst in den Vollbesitz
ihrer Mittel gelangt war. In unserem archaischen
Eperastos-Kopfe dagegen geht Typisches und Por-
träthaftes noch in voller Naivetät neben- und durch-
einander (s. Bericht 41).
Hat sich uns mit der Entdeckung dieser drei
Köpfe ein neues Gebiet erschlossen, so vervoll-
ständigt und berichtigt der neu aufgefundene Kopf
der Hippodameia unsere Kenutniss des Ostgiebels
in erfreulichster Weise. Wir haben ihn aus den
späten Hüttenmauern über dem Leonidaion hervor-
gezogen. Arg Verstössen und entstellt zieht er
dennoch durch die Anmuth seines lächelnden Aus-
druckes und das echt mädchenhafte Haargelock an;
das, vom Wirbel schlicht nach allen Seiten herab-
fallend, Stirn, Wangen und Nacken mit doppeltem
Geringel umgiebt. Mit dem Kopfe zusammen ge-
sehen, mildert sich auch die Starrheit in der Ge-
wandanordnung der Gestalt zu einer gewissen her-
ben Sprödigkeit, die sich sehr wohl zu dem Aus-
druck jungfräulicher Hoheit schickt.
Nicht vorbereitet waren wir auf eine so ent-
schiedene Wendung des Hauptes zur 1. Schulter hin,
wie sie jetzt der genau aufpassende Halsansatz er-
giebt. Diese Thatsache ist so überraschend und so
wichtig, dass sie nach der Meinung des Unter-
zeichneten eine Umkehrung der in der Berliner
Olympia-Ausstellung durchgeführten Anordnung der
Mittelgruppe des Ostgiebels nöthig macht. Die bis-
herige Aufstellung nämlich liess die fünf Mittel-
figuren in nachstehender Ordnung von 1. nacli r.
auf einander folgen: Sterope; Oinomaos, von seinem
Weibe ab und der Mitte zugewandt, in der Zeus
steht; Pelops, ebenfalls Zeus zugewandt; endlich
Hippodameia. Die letztere würde bei dieser Auf-
stellung, wie wir jetzt sehen, von ihrem Freier
Pelops sich völlig abwendend, in die Ecke blicken.
Dadurch fallen beide Gestalten gänzlich auseinander,
was weder ästhetisch befriedigt noch dem Licbes-
einverständniss der Beiden zu entsprechen scheint.
Ordnet man dagegen umgekehrt: Hippodameia —
Berichte aus Olympia.
115
Pelops — Zeus — Oinomaos — Sterope, so wen-
den sieb Pelops und Hippodaiiieia nicht nur zu
einander bin, wie in stillem Gespräcbe begriffen,
sondern man erhält auch zur L. wie zur R. des
Zeus je eine geschlossene Gruppe , wo früher
fünf Figuren unvermittelt und steif neben einander
standen. Erst dann gelangt ferner, wie die Be-
schreibung des I'ausanias dies fordert, Oinomaos
auf die Seite des Kladeos, Pelops auf die des Al-
pheios. Erst dann wendet sich Zeus entschieden
dem Pelops zu, der damit auf die rechte, die gltick-
verheissende Seite des Gottes zu stehen kommt.
Jetzt ist auch das beiderseitige Gefolge in Einklang
mit der Stimmung, die in den beiden Hauptgrui)pen
herrscht. Jener Greis vor Allem, der in trübem
Sinnen dasitzt, das Unheil gleichsam vorausahnend,
das über Oinomaos hereinbricht, befindet sich dann
hinter des Oinomaos Rossen. Auf der Seite des Pe-
lops dagegen herrscht rühriges, rüstiges Treiben. —
Der vorige Bericht hat die Lücke beklagen
müssen, welche durch das Fehlen des Herakles-
kampfes mit der Hirschkuh in der Metopeureihe
des Zeustempels zurttckblieb. Jetzt ist auch diese
Lücke einigermassen gefüllt. Schon früher hatte
der Unterzeichnete aus dem Vorhandensein eines
nach 1. niederblickenden Herakleskopfes und eines
nach derselben Seite kuieenden Beines, zweier
Stücke, die sich in keiner anderen Metope unter-
bringen Hessen, auf die Composition dieser Metope
zu schliessen versucht. Er hatte aus jenen Frag-
menten gefolgert, dass die Ereilung der Hirschkuh
durch Herakles auch hier in dem altgewohnten
Schema dargestellt gewesen sei, welches Herakles
auf dem Rücken der Hindin knieen und ihr Haupt
am Geweihe zurückbeugen lässt. Diese Vermu-
thung ist durch die Auffindung vom Rumpfe der
Hirschkuh lediglich bestätigt. Für die im 41. Be-
richt hervorgehobene Verwandtschaft unserer Me-
topen mit denen des Theseions ergiebt sich damit
ein neuer Beweis.
Die übrigen Marmorfunde waren von geringerer
Bedeutung. Ein römischer Porträtkopf, aus au-
gusteischer Zeit etwa, verdient nur diese kurze
Erwähnung, da er weder von besonders guter Ar-
beit ist, noch sich, fürs Erste wenigstens, benennen
oder unterbringen lässt.
Desto erfreulicher ist unsere Ernte an Klein-
bronzen ausgefallen, an der besonders die tieferen
Schichten des antiken Bodens im N. des Prytauei-
ons und im W. des Buleuterions betheiligt sind.
Der altehrwürdige Typus des nackten, weit
ausschreitenden blitzschleudernden Zeus mit dem
Adler auf der ausgestreckten Linken ist in nicht
weniger als drei vortrefflichen Exemplaren vertre-
ten, deren Vergleichuug um so lehrreicher ist, als sie
aus verschiedenen Kunstepochen stammen.
Zeus dürfen wir vielleicht auch noch in einer
vierten, nördlich vom Prytaneion gefundenen Sta-
tuette erkennen, unzweifelhaft der bedeutendsten
unter allen unseren Kleinbronzen — schon der
Grösse nach, denn sie misst 29 Cm. Dargestellt ist
ein bärtiger, eng in seinen Mantel gehüllter Mann,
der, in der bekannten starren Haltung archaischer
Statuen, mit durchgedrückten Knien dasteht, den
linken Fuss vorgesetzt, beide Unterarme in rechtem
Winkel vorgestreckt. Die Attribute in den Händen
sind bis auf unkenntliche Ansätze versehwunden,
nnd so wären wir für die Deutung dieser Figur
völlig ohne Anhalt, wenn nicht die frappante Aehn-
licbkeit des Kopfes mit einem in der Nähe des
Zeustempels ausgegrabenen Zeushaupte (Ausgr. IIL
Taf. 22) uns wenigstens ein gewisses Recht gäbe,
auf Zeus zu schliessen.
Endlich ist im Westen des Buleuterions das
allerliebste Bronzefigürchen eines zum Symposion
gelagerten Jünglings aufgefunden worden. Den 1.
Ellenbogen auf ein Polster gestützt, die Trinkschale
in der Hand, die Rechte in lebhafter Bewegung
erhoben und den Beschauer anblickend, erinnert er
sehr an die archaischen Dekelfiguren gewisser
etruskischer Sarkophage. Man muss sich dieselben
jedoch in den zierlichsten Stil vom Ausgang des
6. Jahrb. zurückübersetzen, um eine adäquate Vor-
stellung von diesem anmuthigen Figürchen zu ge-
winnen.
Dies sind die beträchtlicheren archäologischen
Ergebnisse aus den Schlusswochen der olympischen
Ausgrabungen, die am 14. Juni zu Ende gingen.
Sie haben mehr und Bedeutenderes gebracht, als
wir jetzt noch erwarten durften, wo wir nach allen
Seiten hin die Grenzen des heiligen Zeusbezirkes
weit übersehritten haben.
Am 24. d. M. werden die Museen für die Dauer
der Sommermonate versiegelt, und noch am sel-
ben Tage werden sämmtliche Expeditionsmitglieder
Olympia verlassen haben. In den Herbstmonaten
soll im Wesentlichen nur noch eine Aufarbeitung
und nochmalige Revision der Ausgrabungsergebnisse
stattfinden.
116
Berichte aus Olympia.
Nachträge zu Bericlit 42*).
Zum Kopfe des Dionysosknabeu in der
praxiteliscben Hermesgruppe:
Dass das Dionysosknäblein für seiu Alter zu
klein gebildet, ja überhaupt als Nebenwerk behan-
delt sei , wohl um den Hermes um so mehr als
Hauptgestalt der Gruppe wirken zu lassen, erfährt
nun eine weitere Bestätigung. Der kleine Schädel,
das zwar kindliche, aber doch nichts weniger als
puttenhafte pausbäckige Gesicht, das lange Haar,
welches in zierlich geordneten Wellen durch eine
Schnur zusammengehalten wird und über der Stirn
ursprünglich, wie es scheint, zu einem kleineu
kuaufartigeu Büschel zusammengefasst war, verräth
ebenso sehr ein entwickelteres Kindesalter als die
Körperformen und die sichere Haltung. Wenn da-
her die Proportionen das moderne Auge auch nicht
überall ganz kinderhaft anmuthen und die Einzel-
bildung des Gesichtes hinter der des Hermes un-
leugbar zurücksteht, so kosten wir dafür die Be-
wegung erst jetzt völlig in ihrem vollen Reize echt
kindlicher Lebensäusseruug.
Als wir am Nachmittag des 27. März das Köpf-
chen über 80 M. weit von dem ursprünglichen Stand-
orte der Gruppe ausgegraben hatten — es lag ca.
40 M. n.w. von der N. W.-Ecke des Zeustempels unver-
baut auf einer Schicht von Thonscherben und Poros-
brockeu — und das unverkennbare dem Rumpfe so-
gleich aufpassten, da war es vor Allem die Lebhaftig-
keit der Bewegung in der Kindesgestalt, deren wahr-
haft überraschender Wirkung sich keiner von uns
entziehen konnte. So lebendig hatte sich Niemand
das Kind gedacht. Diese naiv reizende Neigung
des vorgestreckten Köpfchens zur 1. Schulter hin,
um au dem Hermeskopf vorüber zu dessen r. Hand
hinaufblicken zu können, ist von so frappanter
Wahrheit, dass man das 1. Aermchen förmlich zu
sehen glaubt, welches sich bittend nach dem aus-
reckt, was Hermes in seiner Rechten hielt. Denn
es unterliegt jetzt gar keinem Zweifel mehr, dass
diejenigen Recht behalten werden, welche voraus-
setzten, der Gott halte seinem kleinen Gesellen eine
Traube oder etwas dergleichen hin.
*) [Bericht i2 ist oben S. öOf. aus eiuer Zeitung abgedruckt,
welche wie sich herausgestellt hat, den ursprünglichen Text nur
in Verstümmelung wiedergegeben hat. Es werden daher die
ausgefallenen Partien hier nachgetragen; des Zusammenhanges
wegen werden dabei einige Sätze wiederholt. Herr Treu hat
die Gelegenheit benutzt einige Zusätze anzufügen, welche durch
eckige Kbimmern gekennzeichnet sind. Hed.)
Und auch noch andere Hermes-Streitfragen, auf
die hier nicht näher eingegangen werden kann,
werden durch diesen neuen Fund ihrer Lösung ent-
gegen geführt. [Es sollte hiermit auf die von Benn-
dorf in Lützow's Kunstchronik XIII S. 779ff. aufge-
worfeneFrage hingedeutet werden, ob der olympische
Hermes wegen seiner, der lysippisehen so ver-
wandten, Formengebung nicht einem jüngeren, um
die Zeit des Theophrast lebenden Praxiteles ange-
hören könne. Hier schien mir das Dionysosköpfchen
durch seine unleugbar hinter der Hauptfigur zurück-
gebliebene Formengebung und durch eine gewisse
Aehulichkeit der Haarbehandlung und der Gesichts-
züge mit der knidischen Aphrodite diese Frage zu
Gunsten des älteren, des grossen Praxiteles zu ent-
scheiden.]
Die Hauptfreude bleibt aber nicht die Lösung
der wissenschaftlichen Probleme, sondern die Wie-
derauferstehuug eines Bewegungsmotivs voll an-
muthigsten Lebensgefühles. Und dieser Genuss
wird durch die Beschädigungen, welche der Kopf
erlitten, wenigstens nicht allzusehr beeinträchtigt,
da dieselben sich meist an der rechten, dem Be-
schauer abgewandten Kopfseite befinden; die linke
Seite ist verhältnissmässig gut erhalten. Wie zu
erwarten war, setzt sich auch hier, ganz wie beim
Hermes, das Haar rauh gegen die fein geglättete,
weisse Gesichtshaut ab. Endlich aber hat es sich
so glücklich gefügt, dass die Brüche des Halses
dem Rumpfe genau aufpassen, so dass die Zuge-
hörigkeit auch äusserlich erwiesen ist, Richtung
und Bewegung des Kopfes unverrückbar gegeben
sind. [Ich deute auf diesen äusseren Beweis der
Zugehörigkeit jetzt um so nachdrücklicher hin, als
dieselbe neuerdings von Newton in einem Times-
Berichte über seine letzte Reise nach Olympia
(April 1880) sehr mit Unrecht in Zweifel gezogen
worden ist. Davon dass die Brüche in der That
genau aufeinander passen, wird sich bald ein Jeder
mit Hilfe der jetzt bereits in Berlin eingetroffenen
Gypsform überzeugen können.] —
Zum Herakleskoj)f aus der Westmetope mit
dem nemeischen Löwen:
Die Gesichtshaut ist weiss und glatt, während
das Haar, das wie bei allen Heraklesköpfen der
Metopen als ungegliederte Masse behandelt ist, eine
rauhere Oberfläche zeigt. Ein Versuch, die ein-
zelnen Locken darzustellen, ist auch in der Farbe
nicht gemacht ; es wäre aber nicht undenkbar, dass
uns blos die Untermalung erhalten geblieben ist.
Der Gestus, in welchem dieser Herakles dar-
A. Kirchhoflf, luschriften aus Olympia.
117
gestellt war, kehrt zu ueuem Zcugniss für den
verwaudteu Ursprung- vou Metopeu uud Giebel in
einer Greisengestalt des Ostgiebels wieder; in un-
serem Relief erhält er aber noch einen tieferen Sinn
dadurch, dass eine zweite Gestalt, wahrscheinlich
Athena als göttliche Helferin und Trösterin, neben
Herakles dastand; dies glaube ich wenigstens aus den
Raumverhältnissen der Metope und der Vergleichuug
verwandter Darstellungen schliessen zu müssen.
Dass die Künstler der RIetopen mit ihrer Sceuen-
reihe eine chronologische Abfolge der Herakles-
thaten einzuhalten unternommen hatten uud den
Löwenkampf wie gewöhnlich als die früheste der-
selben aufgefasst wissen wollten, haben sie dadurch
deutlich dargethan, dass sie unseren Herakleskopf
allein unter allen erhaltenen unbärtig bildeten. Dass
endlich diese Reihe an der Nordwestecke begonnen
haben müsse, erhält durch den Fundort dieses Kopfes
eine neue Bestätigung. [Die Stylobatquader des
Zeustem])els, unter der dieser Kopf versteckt ge-
funden wurde, ist nämlich die der Nordwestecke.] —
Zum Kopfe des knabenraubenden Ken-
aureu aus dem Westgiebel :
Es ist eins der charakteristischen Kentauren-
gesichter mit wirrem, kurzem Haar, niedriger, ge-
furchter Stirn und dem Ausdruck thierischer Wild-
heit in den Zügen. Tief eingeschnittene, eigen-
thUmlich schematische Falten an Nasenwurzel imd
Nüstern zeigen, dass der Kentaur sich durch Beissen
seines Gegners erwehrte — vom Munde selbst ist
uns nur die Oberlippe erhalten. Mit diesem Motiv
ist aber auch der Platz des neuen Fundes im Giebel
gegeben. Denn nach der symmetrischen Entspre-
chung, welche durch die ganze Composition geht,
kann das Gesicht nur dem Gegenstück des beissen-
den Kentauren der linken Giebelhälfte angehören,
also dem Knabenräuber. —
Zu der Überlebensgrossen archaisirenden Statue
eines leierspielenden ApoUon:
In den Fundamenten einer anseheinend noch
aus spätrömischer Zeit stammenden Halle im S. des
Philippeions waren Bruchstücke von Inschriften und
Sculptureu bemerkt worden. Der in Folge dieser
Beobachtung sofort unternommene Abbruch der
Fundamente ergab richtig nicht nur einige In-
schriften, sondern auch über dreissig Bruchstücke
einer nackten männlichen Statue, die offenbar ab-
sichtlich zum Zweck der Einmauerung zerkleinert
worden ist.
Der etwas mühsame Versuch ihrer Wiederher-
stellung gelang endlich, und ich konnte bei dieser
Gelegenheit constatiren, dass wir Hinterkopf und
Hals der Statue bereits früher in der Nähe der so-
genannten byzantinischen Kirche aufgefunden hatten.
Bereits damals hatte ich aus dem Flechtzopfe, wel-
cher den Hinterkopf umgiebt, gefolgert, es müsse
in Olympia eine Marmorwiederholung jenes be-
kanntenarchaisirendenAppollontj-pus gegeben haben,
der in verschiedenen Exemplaren in den Museen
von Athen, Neapel, Mantua, Cassel vertreten ist.
Auch unser Exemplar stammt wohl aus römi-
scher Zeit, lieber die feineren StiluUancirungen
wird sich erst nach Auffindung des Gesichts und
der noch fehlenden Unterarme und Unterbeine ur-
theilen lassen. Uebrigens sieht man schon jetzt,
dass der von einer Chlamys locker umgebene linke
Arm eine Leier hielt, die Rechte daher wahrschein-
lich ein Plektron. Das Haupt schmückte ein Me-
tallkranz; die sonst üblichen Schulterlocken scheinen
zu fehlen.
Also ein leierspielender ApoUon in Olympia, den
Pausanias, wie fast alles aus römischer Zeit stam-
mende, übergangen. Vielleicht das Weihgescheuk
eines Dichters, der siegreich einen olympischen Hym-
nus gesungen, wie auf einer der Dichterbasen steht,
die wir in letzter Zeit hier gefunden.
Georg Treu.
INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.
363.
Bronzetafel, gefuiuleu 18. Octobev 1S79 innerhalb des Pry-
taneion, lang 0,19, hoch 0,06ö, an den vier .abgerundeten Ecken
mit Lochern zum Befestigen versehen. Die Schriftseite wenig
convex, an der unteren Hiilfte der linken Seite durch einen
Stoss oder Schlag eingedrückt. Bei der Auffindung fehlte ein
kleines Stück links mit dem Anfang der 2. Zeile; beim Aus-
graben ist sie in zwei ungleiche Theile zerbrochen und dadurch
eine Lücke in der 1. Zeile und eine kleinere in der 5. entstan-
den; endlich sind bei der Reinigung einige kleinere Stücke von
der linken oberen Ecke, welche jedoch keine Buchstaben ent-
hielten, .ibgebrochen. Purgold. Mit zwei Abschriften und zwei
Abklatschen, von denen die einen vor, die anderen nach der voll-
ständigen Reinigung genommen worden sind. Für das nachstehende
Facsimile ist ausser den Abklatschen die spätere dieser Abschriften
benutzt.
118
A. Kirchhoff, Inschriften aus Olympia.
^p-ATfATO^ArvA/Td
,.TAriOi.(Z)lAfAA/p^/V1
^T ^ AK oPOTA^O/M^A^r
"Ol O^oAPOI^t^^ O/äA'*
M /y Q I A^_^.0 ^ A ^ r O Pi^
Von den Bemerkungen, mit denen Herr P. seine
Abschriften begleitet hat, theile ich als von Be-
deutung die folgenden mit:
Z. 1. Vor dem ersten A scheint kein anderer
Buchstabe gestanden zu haben. Das F ist jetzt in
der angegebenen Weise durch die ganze Dicke der
Platte hindurehgestossen; es war vollständig unter
dem Oxyd verborgen, aber dass die Bronze gerade
in dieser Form dem Drucke nachgab, bezeugt, dass
hier diese Linien eingravirt waren.
Z. 2. Vor M können noch 1 — 2 Buchstaben ge-
standen haben.
Z. 4 sind an vorletzter Stelle von den schrägen
Strichen des R noch schwache Spuren erkennbar.
Z. 5 ist von dem drittletzten Buchstaben sicher
nur I, doch kann er sehr wohl K gewesen sein.
Am schwierigsten ist Z. 6, 3 '); hier ist die tiefste
Stelle einer Einbiegung, welche die Platte durch
einen Stoss erhalten hat. Es ist kaum zu entschei-
den, ob der Horizontalstrich an dieser Stelle (T) nicht
etwa bloss durch das Zusammenknicken der Tafel
entstanden ist, besonders, da deren zwei vorhanden
sind. Ist dies der Fall, so wäre K oder R möglich.
Der folgende Buchstabe könnte B sein. Von dem
<N in der Glitte der Zeile und dem Schluss der
nächsten sind, wie von den übrigen schraffirten
Buchstaben, nur in der günstigsten Beleuchtung
noch Spuren zu erkennen.
') Die erste Abschrift gibt hier ein schraffirtes ||; die
Abklatsche lassen nichts als den unteren Theil einer dem vorher-
gehenden A nüher als dem folgenden Zeichen stehenden litista
erkennen.
Ich habe dem noch hinzuzufügen, dass Z. 4 der
6. Buchstabe vom Ende auf der zweiten Abschrift
als I gegeben ist, auf der ersten dagegen als T, was
mir die Abklatsche zu bestätigen scheinen. Z. 3 end-
lich geben beide Abschriften übereinstimmend dem
14. Zeichen die Gestalt F ; es ist aber ohne Zweifel
ein B gewesen, und auf den Abklatschen glaube
ich den Verbinduugsstrich bei guter Beleuchtung
noch deutlich erkennen zu können.
Hiernach ist zu lesen :
o(t)s. (filiav Titvxav,ov\xa Fersa. ■xumözagoi i-ifjv-
nedeoiav, | and tio ßco/.tcü anoFrjkeoiäv xa toi
ngöl^svot xal toI fiävTisg. al td[v] 6[q]xov \ nalg]-
ßaivoiav, yvcüfiavTOQ . . ovao. | tiu^vvniai.
Die Namen der beiden contrahirenden Gemeinden
sind sonsther nicht bekannt; da aber der Dialekt
der Urkunde entschieden der von Elis ist und dazu
auch die Schrift stimmt, so muss wenigstens eine
von beiden eine eleische gewesen sein. Nach Ana-
logie anderer eleischer Rhetreu habe ich angenom-
men, dass die Namen der Contrahenten im Dativ
standen und dass folglich der Graveur sich wenig-
stens zweimal der Auslassung eines Iota schuldig
gemacht hat: die scheinbar überlieferten Accusative
fügen sich in keine Construction. Auch im folgen-
den ersten Satze, der als Gegenstand des Vertrages
ein Freundschaftsbündniss auf fünfzig Jahre angiebt,
scheint der Graveur geirrt zu haben; es fehlt das
Verbum und ich vermuthe, dass hinter (piliav der
Infinitiv ^fiev ausgelassen worden ist.
A. Kirchhoff, luschrilten aus Olympia.
119
Der folgende Satz verordnet, dass im Falle
eines Vertragsbruches der schuldige Theil von der
Opfergemeiuschaft des Altares, natürlich des Zeus
von Olympia, ausgeschlossen sein soll, und weist die
betreffenden Beamten und Priester, die ngö^evoi
und fiävTsig, an, ihn vorkommenden Falls abzu-
weisen. Eine Bildung sfinsöeiv gegenüber dem
gewöhnlichen e^nedovv kann auffällig erscheinen;
indessen ist zu beachten, dass der Sinn des Verbums
intransitiv, nicht transitiv zu sein scheint, da ein
Object wenigstens nicht ausdrücklich hinzugefügt
ist. anoFrjkeio ist gleich dem dnsileco oder aneilw
anderer Mundarten; vgl. syFriUuo der Tafeln von
Heraklea.
Der letzte Abschnitt scheint eine Busse festzu-
setzen für diejenigen, welche ihrer eidlichen Ver-
pflichtung nicht nachkommen würden, also sei es
die Beamten und Priester, falls sie die Vertrags-
brüchigen zulassen sollten, sei es die letzteren
selbst, falls sie der Zurückweisung nicht Folge
leisten sollten. Wortlaut aljer und specieller Sinn
des abschliessenden Hauptsatzes der Periode bleiben
mir rätliselhaft; die Schwierigkeit, welche vorliegt,
wird dadurch nicht vermindert, sondern eher ge-
steigert, dass man zu Anfange der fraglichen Stelle
yviö^iav, wie am Schlüsse zwlvvnlai deutlich zu
erkennen glaubt.
364.
Gefunden den 14. Apiil 18S0 am Ostende der Thesfinrenstrasse, vor der Futtermaiier des Kronion.
Neues Fragment von dem Rande desselben Bronzekessels wie Nr. 357, ebenfalls 23 Mm. breit, lang 0,17. Von dem Kessel
selbst ist an diesem Stück ein dreieckiges, 0,16 langes Fragment erhalten; sein ursprünglicher Durchmesser Hess sieb auf 1,60 be-
rechnen. Die Buchstaben sind tief eingegraben, die Schrift grosser und weitläufiger als auf dem Fragment 357. Purgold*).
Demnach scheint die Fassung der Weihinschrift die folgende gewesen
365.
Fragment eines 1 Mm. starken Bronzeblechs, etwa t) Cm.
hoch, imten S'/s Cni. breit. Gefunden r2. Juni 1S79 im Norden
des Prytaneion. Purgold.
Z. 4 vielleicht t]« xp[?;';i'ö^^«. Die Inschrift war
ersichtlich ßovaTQnq<T]ödv geschrieben in einem Alpha-
bete, in welchem + den Werth eines Chi hatte;
das Sigma ist trotzdem bereits vierstrichig gebildet.
In allen diesen Punkten verräth das Fragment
nächste Verwandtschaft mit den oben mitgetheilten
Stücken 318 und 3G1.
A. Kirchhoff.
*) (Von Nr. 357 theilt Herr Purgold zugleich eine neue
Abschrift mit, welche sich von der früheren dadurch unter-
scheidet, dass der Querstrich des zweiten Alpha über den linken
Schenkel beträchtlich hinausgeht, während der des dritten Alpha
vollständig erhalten ist. Red.]
zu sein:
iTO
Archiiolot'. Ztg., Jahrg.mg X.XXVIII.
16
120
Bericht
über die Tlultigkeit des kaiserlich deutschen Archäologischen Instituts vom 1. April
1879 bis dahin 1880.
Das Institut beging am 21. April 1879 das Fest
seines fünfzigjährigen Bestehens, worüber in dieser
Zeitung bereits berichtet ist (XXXVII, S. 106 ff.).
Die Ceutraldirection hielt ihre Plenarversamm-
lung zu Berlin am 24.-27. März 1879. Die Namen
der gewählten Blitglieder sind bereits in dem an-
geführten Berichte über das Jubiläum aufgeführt.
Die Stipendien wurden ertheilt den Herren Keck,
Purgold, Schäfer und Schmidt, sowie die zwei
fälligen christlichen den Herren Erbes und Hol-
zinger.
Von den periodischen Publikationen der Ceutral-
direction erschien die archäologische Zeitung
in regelmässiger Folge.
Die Serie der Karten von Attika wurde unter
Leitung des Herrn Curtius so weit gefördert, dass
die Ausgabe des 1. Heftes, die Stadt Athen und
den Piräeus umfassend, im Rechnungsjahre 1880/81
sicher erfolgen wird. Herr Milchhöfer hat die Ab-
fassung des Textes zum Piräeus übernommen.
Die Fertigstellung des 2. Bandes der etruski-
schen Urnen ist Herrn Körte übertragen.
Für die Sammlung der römischen Sarko-
phage hat Herr Eichler das Zeichnen in Italien
fortgesetzt und ist zuletzt mit Herrn Robert in Paris
zusammengetroft'en, um unter dessen Leitung die
Ergänzung der früher dort beschafl'ten Zeichnungen
vorzunehmen und bei der Revision der Zeichnungen
behülflich zu sein.
Von der Serienpublicatiou der Terrakotten
hat Herr Kekule den ersten Band, die Terrakotten
von Pompeji umfassend, bearbeitet von Herrn von
Kobden, erscheinen lassen.
Das Repertorium oder der litterarische Appa-
rat der Archäologie ist von Herrn Benndorf gemäss
den Beschlüssen der letzten Plenarversammlung in
Angriff genommen.
Die etruskischen S'piegel sind von Herrn
Klügmann fortgeführt worden.
Die Tafeln für das AVerk des Herrn Wau über
pompejanische Wandmalerei wurden der Vol-
lendung nahe ge!)racht.
Von dem aus Matz' Nachlasse von Herrn von
Duhn bearbeiteten Katalog antiker Bildwerke
in Rom mit Ausschluss der grösseren Samm-
lungen lagen der Plenarversammlung die ersten
Druckbogen vor,
ebenso von dem Katalog der Antikensamm-
lung der Villa Ludovisi von Herrn Schreiber
und von Herrn Dütschkes 4. Bande des Kata-
log es ober italienisch er Antikensammlungen.
Vor Erscheinen des ebenfalls druckfertigen 5. Bandes
soll die Antikeusammlung der Marciana demselben
eingefügt werden.
Die Tafeln zum 2. Hefte der Darstellungen
aus der heiligen Geschichte von Alexander
Iwauoff, welche das Institut testamentarischer
Verfügung zufolge herausgiebt, sind vollendet; die
Lebensbeschreibung Iwauoff's von M. Botkin, welche
mit dem 2. Hefte ausgegeben werden soll, ist im
Drucke begriffen.
Die römische Section des Instituts gab die
Monumenti, Annali und Bullettiui in ordnnngs-
mässiger Weise heraus; die Curse und Sitzungen
wurden von den Herren Sekretären abgehalten. Herr
Heibig besuchte etrurische und umbrische Fund-
stätten, andere Reisen führten die Herren von Duhn,
Kieseritzky und Mau aus, letzterer nach Pompeji,
wo auch das Zeichnen verschwindender Wand-
gemälde fortgesetzt wurde. Herr Dressel war für
Sammlung von Ziegelstempeln tliätig. In die Biblio-
thek fand eine Sammlung von Werken über Re-
naissauce-Architektur Aufnahme.
Die athenische Section hat den 4. Band der
Mittbeilungen abgeschlossen. Die Sitzungen sind
regelmässig gehalten. Durch Ausgrabung hat das
Institut zwei Punkte untersucht, ein dem mykeui-
schen verwandtes Kuppelgrab bei Menidi und den
Athenatempel zu Tegea, letzteren nur recognos-
cirend, das Grab bei Menidi abschliessend mit
glücklichstem Erfolge, worüber in einer eigenen
Publikation Rechenschaft abgelegt ist. Ausserdem
l)etreibt das Sekretariat die Forsetzung der Samm-
lung und Herausgabe uralter mykcnischer und ihnen
verwandter Vasen, wozu Herr Löschcke im britti-
sclieu Museum Studien gemacht und Aufnahmen
veranlasst hat. Conze.
AEGINETEN UND CORROSION.
Im Herbst 1878 hatte ich bei einer Untersuchung
der Aeginetenfragmente in der Glyptothek zu
München gefunden, dass jede der beiden Giebcl-
gruppen zwei Figuren mehr enthielt als man bisher
glaubte. Durch die gütige Vermittelung von Herrn
Prof. Overbeck publicirte ich meine Entdeckung in
den Berichten der königl. sächs. Gesellschaft der
Wissenschaften zu Leipzig, 1878 Heft II S. 1—94.
Nachdem diese Arbeit von Schwabe in den neuen
Jahrbüchern für Philologie 1879 S. 616 ff. sehr wohl-
wollend besprochen war, erschien kürzlich in der-
selben Zeitschrift 1880 H. 1—22 eine neue Behand-
lung des Gegenstandes von L. Julius, die zu dem
Kesultat kommt, dass ich mich geirrt habe. Da
der Verfasser auch einige sachliche Gründe gegen
mich vorbringt, die den Einen oder Anderen an der
Richtigkeit meiner Resultate irre gemacht haben
mögen, so sehe ich mich veranlasst, die Frage hier
noch einmal zu behandeln, zumal da ich seitdem
einige Details in München von neuem vergleichen
und über einen Hauptpunkt, die Corrosion, auf
meinen Reisen Material sammeln konnte, das man-
chem willkommen sein dürfte.
Ich hatte auf vier bisher entweder nicht er-
wähnte oder falsch bestimmte Fragmente bewaff-
neter Krieger hingewiesen (den Schildarm 29 und
die Beinfragmente 30, 34 und 35), die nicht bei den
12 Figuren unterzubringen waren , aus denen man
nach Prachovs Kachweis eines zweiten Zugreifenden
jede Giebelgruppe bestehen Hess, und die mir des-
halb den Beweis lieferten, dass jeder Giebel noch
zwei stehende Schildträger mehr enthielt. Diesen
Schluss zu widerlegen gab es nur ein Mittel, näm-
lich die betreffenden Fragmeute oder andere, die
zu ihrer Bestimmung dienten, den Aegiueten ein-
fach abzusprechen. Dies hat denn auch Julius ge-
than, und bei der Neuordnung der Aeginetenfrag-
mente in der Glyptothek sind die von mir als be-
sonders wichtig erkannten Stücke auf einem Haufen
zur Rechten des Eintretenden als nicht zu den Aegi-
ueten gehörig zusammengelegt worden.
AichUolog. Ztg., Jahrgang XXXVin.
Von dem Schildarm 29, den Brunn früher dem
Ostgiebel zugewiesen hatte, kann Julius nach mei-
nen Messungen nicht mehr läugnen, dass er dem
Westgiebel angehört hat. Er stimmt in der Hal-
tung genau mit den Schildarmen der vorhandenen
Lanzenkämpfer übereiu, und da alle Schildträger
des Westgiebels ihre Schildarme haben, so hatte
ich ihn einem neu hinzuzufügenden, sei es ste-
henden, sei es knieenden Krieger zugesclirieben.
Das hält nun Julius keineswegs für nöthig, son-
dern da Prachov einen zweiten Zugreifenden 1.
nachgewiesen hat, so gibt er diesem den Arm und
findet den „materiellen" Beweis hierfür darin dass
— alle übrigen Schildträger ihre Schildarme haben ;
wobei er nur, wie mir scheint, voraussetzt was er
erst beweisen will, nämlich dass die zwei neuen
Schildträger nicht dawaren. Dass der Zugreifende
1. keinen Schild gehabt haben kann, hatte ich nun
freilich im voraus gezeigt; denn erstens muss ein
in gel)ückter Stellung Zugreifender, der einen Schild
zur Vertheidiguug trägt, diesen selbstverständlich
zur Deckung seines Kopfes über sich, nicht mit
leichtgebogenem Arme neben sieh halten, zweitens
aber sind von dem Zugreifenden 1. zwei linke
Armfragmente vorhanden, nämlich die 1. Hand 24
mit einem Loch an der Aussenseite zur Befestigung
in der Wand und der Unterarm 28 mit zwei dem-
selben Zweck dienenden Löchern ebenfalls an der
Aussenseite, durch deren eines überdiess auf einer
Hallerschen Zeichnung ein Stift geht.
Nach Julius gehören nun beide Fragmeute nicht
zu den Aegiueten. Warum ? Weil sie hindern, den
Schildarm 29 dem Zugreifenden 1. zu geben. Denn
einen stichhaltigen Grund führt er nicht an. Er
ist vielmehr ganz wie ich der Meinung, dass bei
der verhältnissmässig sehr geringen Anzahl der
mit den Aegiueten gefundenen aber sicher nicht
zu ihnen gehörigen Fragmente (höchstens '/,) nur
eine ausgesprochene Differenz in Material, Maassen
uud Stil uns das Recht gibt, ein Fragment den
Giebelgruppen abzusprechen. In Material und Stil
stimmen nun 24 und 2S durchaus mit den Aegiueten
überein. Was die Maasse betrifft, so ist der Ge-
17
122
K. Lange, Aegiueten und Corrosion.
lenkumfang: der Hand 24 allerdings etwas grösser
als der der übrigen Hände des Ostg'iebels. Die
Differenz beträgt aber an der von Julius gemessenen
Stelle nicht wie er behauptet 2, sondern wie er-
neute sorgfältige Messungen mich lehrten iy._. Cm.
Wenn nun die Maasstabelle auf S. 11 f. meiner
ersten Abhandlung- bei entsprechenden Gliedern
desselben Giebels oft Differenzen von 3 — 4 Cm. im
Umfang zeigt, und wenn Julius selbst auf derselben
Seite, wo er unsere Hand den Aegineten abspricht,
einen Unterschied von 1 Cm. für nicht zu gross hält,
um zwei Fragmeute sogar derselben Figur zu-
zuschreiben, „da ähnliche Differenzen sich häufiger
linden", so wird der halbe Centimeter mehr ihn
.schwerlich berechtigen, die Hand 24 den Aegineten
abzusprechen. Was aber den Arm 28 betrifft, so
liedaure ich, dass Julius meiner Beweisführung in
IJezug auf ihn nicht ganz gefolgt ist.
Er behauptet nämlich, ich hätte gezeigt, dass schon
,. seine Maasse nicht stimmen wollen" (d. h. doch
offenbar mit den übrigen Figuren), und schliesst
daraus, dass er nicht zu den Aegineten gehöre.
Ich hatte dies aber nur unter der Voraussetzung
gezeigt, dass die Hand 24 zu den Aegineten gehört.
Denn da alsdann letztere vom Zugreifenden 1. im
Ostgiebel stammt, der einzigen Figur, der der Arm 28
gehören könnte, dieser aber zu weit erhalten ist, um
derselben Figur zugeschrieben werden zu können,
so muss er zum Westgiebel gerechnet werden, ob-
gleich sein Umfang an der dicksten Stelle genau
mit den Ostgiebelmaassen übereinstimmt und der
Umfang zunächst dem Handgelenk nur 72 Cm. we-
niger misst. Kun entfernt Julius selbst die Hand 24
aus dem Giebel: dann bietet der Arm 28 gar keine
Schwierigkeiten mehr, er gehört dem Ostgiebel und
zwar dem Zugreifenden 1. an und bep'eist für diesen,
also folglich aucli für den des AVestgiebels , was
im andern Falle für beide besonders bewiesen wäre,
nämlich dass sie keinen Schild trugen, der Arm 29
ihnen also nicht gehören kann.
Noch zwei andere Gründe findet Julius gegen
die Zugehörigkeit des Arms 28 zum Zugreifenden
1. : die Löcher an seiner Aussenseite sollen verlan-
gen, ihn mit der Innenseite nach oben zu kehren,
was wohl für einen Empfangenden, nicht aber für
einen Zugreifenden passe. Ich kann nach erneuter
Untersuchung nur versichern, dass der Arm nach
Maassgabe der Richtung seiner Lücher nicht selir
verschieden von dem des Zugreifenden r. bewegt
war, wie ihn Thorvaldsen ergänzt hat. Ferner
soll die Befestigung des Arms durch einen so kurzen
Stift, wie den von Haller gezeichneten (vgl. meine
Tafel II Fig. 28a) unmöglich sein, weil „wie schon
Prachov erwiesen", der Zugreifende vor dem Vor-
kämpfer, also der Giebelwand fern stand. Wodurch
hat Prachov das erwiesen? Durch die Bemerkung,
dass das 1. Bein des Vorkämpfers 1. nicht corrodirt
sei, folglich das r. Bein des Zugreifenden vor ihm
hergegangen sein müsse. Dass eine derartige Benut-
zung der Corrosion nicht zulässig ist, wird im zwei-
ten Theile dieses Aufsatzes nachgewiesen werden.
Da Julius auf ästhetische Reflexionen sehr viel
Werth legt, so versucht er auch zu zeigen, dass
der Zugreifende 1., den mau bisher immer arglos
ohne Schild ergänzte, auf diese Weise allen Gesetzen
der Schönheit ins Gesicht schlagen würde. Der
Schild soll nämlich dazu dienen, im Ostgiebel die
Aegis der Athene und den Oberkörper des Gefal-
lenen zu compensiren. Doch abgesehen davon,
dass diese Compensation ganz gut durch die r,
Hand der Göttin geschaffen werden konnte — denn
diese war ohne Zweifel lanzenschwingend erhoben —
so war sie doch im besten Falle nur im Ostgiebel
nöthig, während der Arm 29 grade dem West-
giebel angehört, wo die entgegengesetzte Richtung
des Gefallenen in der Mitte eine derartige Vermeh-
rung der Masse auf der 1. Seite gar nicht einmal
wünschenswerth machte.
Natürlich muss Julius, um die Hand 24 und den
Arm 28 zu verdächtigen, auch die zwei weiteren
Beispiele von Metallbefestigung, die ich gegenüber
dem Urtheil Wagners zuerst nachgewiesen hatte,
läugnen. Von dem Helmbusch 7 sagt er: „Im
Puutello" (vgl. meine Figur 7 a) „freilich ist ein
Loch; in diesem ist ein moderner Ring befestigt,
durch den eine Sicherheitskette gezogen werden
kann. Soll dieses Loch etwa antik sein? Ich kann
das kaum glauben : denn es wäre doch sehr unthun-
lich gewesen, zur Entlastung der Hand des Zu-
greifenden, welche den Helm frei hielt, nur den
Helmbusch und nicht lieber den Helm selber an
der Wand zu befestigen." Aber da der Helm ja
gar nicht erhalten ist, so kann auch er noch
befestigt gewesen sein und dies nimmt Julius
selbst später an; zwei Befestigungen, wie sie auch
der Arm 28 zeigt, sind bei einer so schweren Last
ganz natürlich. Das Loch ist aber sicher antik,
denn der Puntello, der das Gewicht des Busches
vermehrt, ist vom Künstler eben nur hinzugefügt
worden, um ein Loch von genügender Tiefe an-
bringen zu können, was in dem dünnen Marmor
nicht möglich gewesen wäre.
K. Lange, Aegineteu und Corrosioii.
123
Weiter hatte ich auf das Fragment eines Arms 40
hingewiesen, das in der Schildhandiiabe ein durch-
gehendes, innen noch mit Metall gefülltes Loch
zeigt. Letzteres kann nicht zur Befestigung- des
besonders gearbeiteten Schildes gedient haben, wie
Julius will, denn der Schild war, was aus der
Hruchtliicbe an der Aussenseite hervorgeht, gleich
den meisten anderen aus einem Stück mit dem
Arm gearbeitet. xVlso kann das Loch nur von einer
Wandbefestigung stammen.
Die zwei neuen Schildträger, die aus dem Schild-
arm 29 mit Sicherheit für den Westgiebel abzuleiten
sind, erwies ich für den Ostgiebel durch drei Frag-
mente bewaffneter Beine, 30, 34 und 35, die eben-
falls in Marmor, Maassen und Stil mit dem Ost-
giebel übereinstimmen und bei keiner der bisher
vorhandenen oder angeuommeueu Figuren unter-
zubringen sind. Aus Ansätzen von Bewaffnung
und Bekleidung, die sich au ihnen finden, schloss
ich, dass das zweite Vorkämpferpaar im Ostgiebel,
und folglich auch im Westgiebel, stehend zu den-
ken sei und dass es Panzer und Beinschienen ge-
tragen habe, welches letztere allerdings für den
Westgiebel wenigstens nicht bewiesen werden kann.
Den Einwand, dass nach meinem Entwurf auf
jeder Seite ein Vorkämpfer mit und einer ohne Pan-
zer und Beinschienen paarweise gruppirt werden wür-
den, was „nach der Sprache der griechischen Kunst"
unmöglich sei, hat schon Overbeck im Vorwort zur
dritten Auflage seiner Geschichte der griechischen
Plastik durcli Hinweis auf den Nikefries und zahl-
reiche andere Beispiele widerlegt. Auch auf die
Frage, wie sich in der sonst nackten Gesellschaft
ein völlig gewappnetes Kämpferpaar ausnehmen
würde, hat Overbeck durch Hinweis auf den ge-
panzerten Bogenschützen 1. im Westgiebel hinreichend
geantwortet. Ich möchte hier nur noch hinzufügen,
dass grade durch die zwei neuen Vorkämpfer wenig-
stens im Ostgiebel der Herakles und sein Gegenstück
nicht so vereinzelt unter der nackten Gesellschaft
der übrigen Figuren dastehen als bisher, ja dass
durch den regelmässigen Wechsel zwischen beklei-
deten und unbekleideten Figuren eine vorzügliche
Farbenwirkung erzielt wurde, deren Bedeutung der-
jenige nicht unterschätzen wird, der gewohnt ist,
antike Sculpturen mit einiger Farbenphantasie an-
zuschauen. —
Diese Gründe hält Julius für genügend, meine
„Hypothese zu zertrümmern". Gewissermassen
zum Ueberfluss bringt er noch einen Beweis gegen
dieselbe vor, der nach seiner Meinung sogar ein
„mathematischer" ist. Er behauptet nämlich: „Der
Raum im Giebel erlaubt nicht zwei stehende Lanzen-
kämpfer auf jeder Seite."
Wer sich erinnerte, dass ich durch eine Ober-
ansicht der ganzen Compositiou geometrisch die Mög-
lichkeit bewiesen hatte, 14 Figuren im Giebel unter-
zubringen, musste erwarten, dass Julius sich be-
mühen werde, die Correctheit meiner Messungen
anzuzweifeln. Weit gefehlt! So mühsame Beweise
hält er nicht fürnöthig; bietet ihm doch auch hier
die Corrosion eine bequemere Handhabe. Zunächst
giebt er durchaus zu, dass wenn überhaupt zwei
neue Vorkämpfer im Westgiebel anzunehmen seien,
die Figuren nur so georduet werden können wie
ich sie ordne : die erhaltenen Vorkämpfer der Giebel-
mitte zunächst. Nun macht er die Entdeckung, dass
die Corrosion an der r. Seite des Vorkämpfers 1. auf
dem Oberschenkel plötzlich aufhöre und zwar „deut-
lich fühl- und sichtbar kreisförmig concav". Dies
erkläre sich nur dadurch, dass vor dieser glatten
Stelle ein runder Gegenstand, d. h. der Schild des
knieenden Lanzenkämpfers 1. gewesen sei, und da
nun, wie ich selbst nachgewiesen, zwei neue Vor-
kämpfer nicht erlauben würden, die erhaltenen Vor-
kämpfer und die knieenden Lanzeukämpfer zu grup-
piren, so seien die zwei neuen Vorkämpfer zu ver-
werfen. Ich brauche kaum zu bemerken, dass dieser
„mathematische" Beweis nichts als ein Cirkelschluss
ist, da Julius auch hier voraussetzt, was er erst
beweisen müsste, nämlich dass glatte Stellen an
corrodirteu Figuren sich nur durch davor befindliche
Gegenstände erklären lassen. Nun kann man zudem
grade hier sicher nachweisen, dass die Corrosion, um
die es sich handelt, nicht im Giebel entstanden ist, son-
dern unter der Erde. Sie erstreckt sich nämlich kei-
neswegs, wie Julius glauben machen will, in dieser
Stärke auf deu ganzen Obevkörper der Figur, sondern
hört, wie die Schraftirung auf beistehendem Holz-
sclniitte zeigt, nach oben zu plötzlich auf, und zwar
mit der Bruchkante des ganzen Beins. Beim
124
K. Lange, Aegineteii und Corrosion.
Einsturz des Giebels brach das Bein vom Körper ab
und kam am Boden resp. unter dem Bauschutt so
zu liegen, dass die Oberfläche zunächst dem Bruch
stark verwitterte, währeud die anstossende Fläche
des Oberkörpers in Folge einer geschützteren oder
trockneren Lage nur jenes Minimum von Corrosion
zeigt, das auch ich im Giebel entstanden denke.
Wenn diese Corrosion nach unten zu bogenförmig
endigt, so ist das der reine Zufall, währeud der
Umstand, dass sie sieh aucli hinten auf dem Glutäus
fortsetzt, und zwar in einer Form und Ausdelmung,
dass man sie nicht durch vom Helmbusch herab-
tropfendes Regenwasser erklären kann, eine weitere
Bestätigung dafür bietet, dass sie nicht im Giebel
entstanden ist').
Zwei andere Gründe giebt mir Julius selbst an
die Hand, und ich will sie wenigstens erwähnen,
obwohl ich sie der Sache nach für falsch halte.
Er führt nämlich des längeren aus, dass der pa-
rische Marmor, wie die Theseion -Metopen zeigen,
keineswegs von ganz gleichmässiger Structur sei
und deshalb auch ganz unregelmässig verwittere.
Da er nun schwerlich die glatten Stellen der The-
seion-Metopen durch davor befindliche Schildträger
erklären wird, so kann man auch wohl für die
Aegineten von ähnlichen Erklärungsversuchen ab-
sehen. Ferner dreht er denselben knieenden Lanzen-
kämpfer 1., dessen Schild er für die Glätte auf dem
Bein des stehenden Lanzenkämpfers verantwortlich
macht, um eine Corrosion seiner 1. Wange zu er-
klären, mit dem Kopfe nach der von S. W. kommen-
den Verwitterung zu, ohne zu bedenken, dass dann
natürlich auch dessen Schild mit der scharfen Kante
nach dieser selben Seite zu gerichtet sein würde,
also das glatte Bein des Vorkämpfers nicht mehr
schützen könnte.
So wären denu die beiden Vorkämpfer wieder
in ihr Recht eingesetzt. Ihr Nachweis stützte sich
einfach auf die Existenz der Fiagmente, die auch
Julius nicht läugnet, sondern nur durch verkehrtes
Hineinmengen der Corrosion in ihrer Beweiskraft
abzuscliwächen sucht^).
') Die an Gipsabgüssen gar nicht erkennbare Bruclikante
des Beins konnte man auch am Original allenfalls übersehen,
da sie mit Gips verschmiert und staubig geworden ist.
■') Die Wahrscheinlichkeitsberechnung, wonach es undenkbar
sein soll, dass sich von 4 Figuren nur 3 (besser i mit dem Schild-
arm 29) Fragmente gefunden haben, kann ich wohl angesichts
der Thatsache, dass von mehreren Figuren des Ostgiebels nur
ein Fragment, von den beiden Zugreifenden im Westgiebel nur
ganz wenige Bruchstücke erhalten sind, auf sich lieruhen lassen.
Ein Nebenresultat meiner ersten Abhandlung
war, dass Herakles, den Brunn wegen der Corrosion
seiner 1. Seite auf die rechte Giebelhälfte versetzt
hatte, wieder auf die 1. zu setzen ist, weil diese
den Griechen gehört. Denn der Verwundete in der
Mitte ist auf jeden Fall ein Grieche, das verlangt
die ganze Handlung, besonders die schützende
Stellung der Athena. Nun wird er, wie Prachov
nachgewiesen, von r. her beraubt, von derselben
Seite, gegen die Athena ihre Aegis schüttelt. Rechts
müssen also die Troer, links die Griechen stehen.
Julius meint freilich, Atliena greife überhaupt nicht
unmittelbar in den Kampf ein, schon ganz „materiell"
genommen stehe sie ihm fern — nun ja, so fern,
dass sie im Westgiebel ihren Schild quer vor den
Zugreifenden r. schiebt und dass aus dem Schilde
des Gefallenen in der Mitte ein beträchtliches Stück
herausgeschnitten werden musste, um für ihre Beine
Platz zu schaffen! Meine Bemerkung, dass schon
die Stellung der Athena zwischen beiden Flügeln,
deren Vertheilung ja ganz im Belieben des Künstlers
stand, für ihre Parteinahme charakteristisch sei,
berücksichtigt Julius gar nicht. Gegen die Beraubung
von der r. Seite aber hat er einen Einwand, an den
ich freilich nicht gedacht hatte: der Zugreifende r.
ist gar nicht ein Feind des Gefallenen, sondern ein
Freund, der seine Waffen rettet: „er liest unterwegs
den Helm auf, um alsdann auch den Versuch zu
machen, den Gefallenen zu seiner Partei hinüber-
zuziehen"! Sollte es nicht doch zweckmässiger sein,
erst den Körper zu retten, anstatt sich die Hände
mit Waffen zu überladen und dem Feinde so Zeit
zum Hinüberziehen des Gefallenen zu geben? Ueber-
dies lässt die ganze Haltung nicht an ein Auflesen,
sondern nur an ein Berauben denken, und gegen
dieses vertheidigt sich ja auch der Gefallene mit
dem Schwert, wie Prachov weitläufig auseinander-
gesetzt bat').
II.
Die zahlreichen Glätten der Vorderseiten und
Corrosionen der Rückseiten an den Aegineten hatten
mich nach Vergleich anderer Werke und unter Con-
sultation eines Mineralogen zu dem Resultat kommen
'■') Eine erfreuliche Bestätigung meiner Ansicht finde ich
darin, dass A. Burckhardt (Ueber die äginetischen Giebel-
gruppen. Einladungsschrift des Pädagogiums zu Basel 1879)
ganz kürzlich unabhängig von mir mit denselben Gründen für
dieselbe Sache eingetreten ist. Auch Overbeck (Gesch. der
griech. Plast. I ' S. 233 Anm. 77) hat sich mir trotz des nicht
näher motivirten Widerspruchs von Schwabe (Neue Jhrb. f. Philol.
1879, S. 619) angeschlossen.
K. Lange, Aegineten und Corrosion.
125
lassen, dass uur das Minimum der Corrosion an
den exponirten Seiten oben im Giebel entstanden
sei, alle stärkeren Verwitterungen dagegen, sowohl
die ganz unregelmüssig vertlieilten im West- als
auch die ziemlich ^regelmässigen im Ostgiebel, an
oder unter der Erde. Da einerseits auch Julius
eine Erdcorrosion bei nicht weniger als drei Figuren
und einem Fragment annimmt, andrerseits es mir
nicht eingefallen ist, die Verwitterung antiker Werke
über der Erde überhaupt zu läugncn, so handelt
es sich nur um die Frage, welcher Grad der Cor-
rosion der Luft, welcher der Erde zuzuschreiben
sei. Die Regelmässigkeit der Corrosion an den Ost-
giebelfiguren hatte ich durch die Annahme erklärt,
dass sie zumeist auf die Vorderseiten stürzten und
durch den Contact mit der Erde grade hier ziemlich
stark corrodirteu, indem sich die Feuclitigkeit in der
Erde viel länger als in der Luft hielt und folglich
viel stärker wirken musste^).
Julius behauptet nun, auch der parische Mar-
mor verwittere sehr stark an der Luft; das gehe aus
den Theseion-Metopen hervor, die, obwohl sie nie
in der Erde gelegen, doch zahlreiche Verwitterungen
zeigten. Das ist allerdings richtig. Doch sind ihre
Corrosionen so unregelmässig, dass es offenbar un-
möglich ist, sie dem direct auffallenden Regen zu-
zuschreiben. Ist doch z. B. der Sinis über und
über ungefähr so stark zerfressen wie der Gefallene
r. im aeginetischen Westgiebel, während auf der
Stiermetope z. B. die hintere Hälfte des Stiers und
der grösste Theil vom Gewände des Theseus voll-
kommen intact sind. Da giebt es nur eine Erklä-
rung: Durch den Einfluss der Witterung wurden
die Geisonblöcke, welche die Metopen vor dem un-
mittelbaren Aufschlagen des Regens schützten, an
den Fugen durchgefressen, das Regenwasser sickerte
durch und wirkte auf einzelne Stellen zerstörend,
auf andre gar nicht ein, eine Erscheinung, die man
auf jeder Photograpliie eines antiken Tempels be-
obachten kann.
Als zweites Beispiel deutlicher Luftverwitterung
nennt Julius die Parthenonsculpturen. Da ich über
sie und andere Werke der griechischen Plastik in
London, Paris und Berlin genauere Untersuchungen
*) Man konnte auch an die stellen- und schichtenweise auf-
tretenden Säuren denken, die natürlich in dem über den Figuren
sich häufenden Bauschutt nicht vorhanden waren. Da genaue
Nachrichten über die Lage der einzelnen Figuren fehlen, so ist
auch die Möglichkeit, dass die Vorderseiten nach dem Fall
meistens nach oben gerichtet waren und durch den Jahrhunderte
langen directen Regenfall in dieser ungeschützten Lage corrodirten,
nicht ausgeschlossen.
in dieser Richtung gemacht habe, so sei es gestattet,
diese hier in grösserem Zusammenhange mitzutheilen.
Julius läugnet den Einfluss der Erde schlechthin
(was ilin freilich nicht hindert, ihn hie und da selbst
zur Erklärung heranzuzielien), schon deshalb weil
der grösste Theil der unsere Museen füllenden
Werke, obwohl unter der Erde gefunden, keine Spur
von Corrosion zeige. Man kann an zahlreichen
Beispielen das Gegentheil auch für die in Italien
gefundenen Werke nacliweisen. Ein besonders
schlagendes ist ein kleiner bogenspannender Eros
No. 146 im third Graeco- Roman Saloon des brit.
Museums, der in der Nähe von Antium gefunden
worden ist: Körper und Flügel waren in eine Am-
phora eingeschlossen und sind ganz intact geblieben,
Füsse, Köcher und Stütze lagen nahe davon in der
Erde und zeigen eine ziemlich starke Verwitterung ^),
Darüber dass an griechischen Werken die
Erdcorrosion vorhanden ist, und zwar in viel höherem
Grade als die Luftcorrosion, besteht unter Leuten,
die griechische Monumente mit Aufmerksamkeit be-
trachtet oder an Ausgrabungen Theil genommen
haben, kein Zweifel. Interessant ist in dieser Hin-
sicht die Erscheinung, dass bei Friesen aneinander
stossende Platten und bei gebrochenen Gliedern
die Theile zu beiden Seiten des Bruches verschieden
stark corrodirt sind.
Die sechs Platten des archaischen Wageufrieses
von Xanthos im brit. Museum«) sind in ganz un-
gleicher Stärke corrodirt, z. B. ist die Platte mit
dem vordersten Wagen sammt dem darauf stehenden
Lenker stark verwittert, während die r. anstossende
Platte mit den Pferden dieses Wagens sowie Armen
und Gesicht desselben Wagenlenkers vollkommen
glatt erhalten ist.
Ebenso sind beim Fries von Assos die einzelnen
Platten verschieden stark zerstört.
Am Fries von Phigalia, der am ursprünglichen
Bau dem Regen gar nicht ausgesetzt war, sind
zahlreiche Verwitterungen vorhanden, und zwar
wiederum unregelmässige. Nicht nur ist eine ganze
Platte (No. 12 im brit. Museum) viel stärker cor-
rodirt als die übrigen, sondern es sind auch zahl-
reiche Theile einer Platte oder einer Figur, die
abgebrochen waren, stärker verwittert als die un-
^) Synopsis of the Contents of the British Museum: a
guide to the Graeco - Roman sculptures. Part. I. sec. edition
1879 p. 6ß. Vgl. auch Hancarville, Recherches sur Vorigine etc.
I 345. Letzterer macht ,,les sels de la terre" für die Corro-
sion verantwortlich.
') A. Prachov, Antiquissima momimenta Xanthica. Pe-
tersburg 1871, Z ab.
126
K. Lange, Aegineteii und Corrosion,
mittelbar daianstossenclen, wofür die Beispiele hier
aufzuzählen zu weit führen würde.
Dass die Parthenon-Sculpturen, obwohl sie zum
grössten Theil nie unter der Erde gelegen haben,
doch starke Spuren von Witterungseinfluss zeigen, ist
bei der schiefrigen, wenig compacten Structur des pen-
telischen Marmors ganz natürlich. Von einer regel-
mässigen Lufteinwirkung auf einer Seite ist aber
nicht die Rede. Die ursprüngliche Oberfläclie, durch
bräunliche Farbe und politurartige Glätte kenntlich,
ist ausser auf einigen Rückseiten z. B. der des
Kephisos, an folgenden der Witterung ausgesetzten
Stellen erhalten geblieben : r. Seite des Halses und
Innenseite des linken Armes des Helios, Stücke der
r. Seite seines vorderen Pferdekopfes, grosse Stücke
an der Gewandung der beiden sitzenden Frauen,
der Iris und der liegenden Frau (und zwar nicht
etwa die geschützten Theile der Falten, sondern
grade die, wo sich das Wasser am längsten halten
musste), ferner Stücke vom Oberkörper und linken
Beine des Kephisos und vom Oberkörper des
Poseidon, endlich Faltenpartien im Gewände der
Leukothea. Wenn diese zahlreichen Stellen bei dem
pentelischen Marmor und bei einer über 2000jährigen
Einwirkung des Wassers glatt geblieben sind, wie
sollte der jedenfalls härtere parische Marmor der
Aegineten, der viel kürzere Zeit der Witterung
ausgesetzt war, in dem Grade an der Luft corrodirt
sein, den die Ostgiebelfiguren zeigen?
Bei den Maussoleum-Sculpturen, deren Mar-
mor allerdings härter ist wie der der Parthenon-
Figuren, aber doch gewiss nicht wie der der
Aegineten, gehören die corrodirten Theile der
Oberfläche zu den Seltenheiten. Grade die nach
oben gewendeten Flächen derjenigen Figuren, die
siclier am Äusseren des Gebäudes augebracht waren,
wie der Pferde, des Maussolos, des Reiters in
phrygischem Costüm, sind nicht nur nicht corrodirt,
sondern sogar so gut erhalten, dass man deutlich
die einzelnen Raspelstriche sieht, mit denen der
Künstler ilirer Oberfläche ein rauhes Ansehen ge-
geben hat. Bei den Löwen ist die Zerstörung sehr
unregelmässig, von einer Wetterseite keine Rede.
Die einzelnen Köpfe sind theils ganz glatt erhalten
uud nur mechanisch zerstört, theils ringsum bis zur
Unkenntlichkeit zerfressen — natürlich, denn sie
wurden überall zerstreut, zum Theil in Gebäuden
eingemauert zum Tlicil in der Erde, gefunden.
Besonders instructiv für den Ostgiebel von Aegina
ist das Studium des Nereiden-Monumentes von
Xantlios. Denn die zu ihm gehörigen Statuen sind
ebenfalls von parischem Marmor, und nach den
Fundberichten ist es unzweifelhaft, dass sie in den
Säuleniutercolumnien standen'), folglich mit der
Vorderseite vollständig dem Wetter ausgesetzt waren.
Dennoch finden sich an der Vorderseite aller Figuren
zahlreiche mehr oder weniger grosse glatte Stellen,
besonders bei 79 und 83 im brit. Museum und bei
dem von der linken Hand von 78 herabfallenden
Gewände, während die Hinterseite der meisten
Figuren mehr oder weniger corrodirte Theile auf-
weist, so bei 77 und 78, besonders aber bei 82,
wo die ganze Rückenpartie leicht corrodirt ist. Dass
die am meisten vortretenden Theile, Oberschenkel,
Kniee, Brüste, Faltenliöhen und Füsse am meisten
verwittert sind, wird man ähnlich zu erklären haben
wie die Corrosion der Ostgiebelfiguren von Aegina,
wenn man nicht lieber annehmen will, dass auf
diese Stellen das Regenwasser vom Gebälk herab-
tropfte. Für Erdcorrosion spricht freilich auch hier
der Umstand, dass grade die stärksten uud ausge-
dehntesten Corrosionen der Aussenseiten, z. B. an
75 (Michaelis I) und 81 (Michaelis IV) nicht von
derselben Richtung herkommen, sondern dass bei
einer und derselben Figur die eine Corrosion nach
vorn, die andere nach der Seite oder gar nach
hinten gewandt ist. Eine schon mehrfach beobachtete
Erscheinung findet sich auch auf dem Rücken von
78, wo die Fläche auf der einen Seite eines Bruches
etwa 2 Zoll breit verwittert, die anstossende Fläche
dagegen glatt geblieben ist.
Einseitig corrodirte Einzelfiguren kommen
öfter vor. So ist bei einer archaischen unterlebens-
grossen Figur in der Rotunde des Louvre die Vor-
derseite ziemlich regelmässig verwittert, die Hinter-
seite glatt, während umgekehrt bei einer neuerdings
ins britische Museum gelangten archaischen sog.
Apollonfigur, die demnächst von Löschcke in dieser
Zeitschrift publicirt werden wird, sowie bei einem
Dionysos im Louvre (No. 216) grade die Rückseite
die corrodirte ist. Man sieht hieraus, dass auch
aus einseitigen Corrosionen keineswegs auf die
ursprüngliche Stellung geschlossen werden kann.
Am wichtigsten für unsere Untersuchung sind
jetzt die pergamenischen Sculpturen geworden.
Ihr Material ist ein bläulicher Marmor, etwas fein-
körniger als der der Aegineten, etwa so hart wie
die zweite Sorte des carrarisclien. Seine Verwitte-
rungsfähigkeit sciicint grösser als die der Aegi-
neten zu sein, denn an den corrodirten Theilen
ist der Marmor an der Oberfläche leicht wie Sand-
') Michaelis Ann. d. Inst. 187.j p. 17'J Anm. 347.
K. Lange, Aegineten und Corrosion.
127
stein mit der Hand abzureiben, was bei jenen un-
möglicli ist.
In Bezug auf Corrosion theilen sich die per-
gameuisclien Reliefe in zwei Grup))en, nüuilich in
diejenigen, welclie in der byzautiuisclien Mauer
mit der Reliefseite nach innen eingemauert waren,
und in solche, die in der Erde gefunden sind.
Auf den e rsteren sitzt eine dicke, steinhart gewor-
dene Kalkkvuste, die jetzt mühsam entfernt wird,
und unter der die ursi)rUngliclie Oberfläche meist
so intact erscheint, dass man die einzelnen antiken
Raspelstriclie genau erkennen kann "). Diejenigen
Stücke dagegen, die in der Erde lagen, sind fast
alle mehr oder weniger stark corrodirt, meistens
über und über, oft aber auch nur stellenweise.
Besonders frappant ist der Gegensatz zwischen cor-
rodirten und nicht corrodirteu Stücken da, wo von
zwei aneinander stossenden Theilen einer Figur der
eine in der Mauer gesessen, der andere in der Erde
gelegen hat: diesseits des Bruchs vollkommene
Glätte, jenseits starke Corrosion. Conze und Hu-
mann erklären die verschiedene Corrosion der unter
der Oberfläche gefundenen Theile durch ihre ver-
schiedene Lage in der Erde: im ganzen sollen die
Platten, die mit dem Relief nach oben gekehrt
waren, stärker corrodirt sein als die übrigen. Nach
Humauu hätte auch die Art der Erde, ob Sand
ob Humus, entscheidend eingewirkt. Auch entnehme
ich den Angaben Treus über die olj'mpischen Sculp-
turen, dass da wo die Lage in verschiedenen Erd-
sorten zu constatiren ist, ihre Spuren auf der Ober-
fläche deutlich erkannt werden können. Vorläufig
wird mau also nicht sowohl die durchsickernde
Feuchtigkeit als die chemische Beschaffenheit der
Erde für die Zerstörung verantwortlich zu machen
haben.
Was die Giebelfiguren von Olympia betrifft,
so ist die Erlialtung ihrer Oberfläche eine auffallend
gute. Corrosionen in der Stärke wie bei dem Ost-
giebel von Aegina sind nur sehr wenige vorhanden,
sehr zahlreich dagegen sind die grossen fast glatten
oder nur ganz leicht corrodirten Flächen. Auch
") Wenn auch au dieseu Stücken hie und da eme Corro-
sion vorkommt, wie z. B. bei dem r. Oberschenkel und einem
Schlangenstück des Giganten der r. Treppenwange, in dessen
Schlange ein Adler die Krallen einschlägt, so wird man das,
«eil diese Stellen grade die am weitesten vorragenden des gan-
zen Reliefs sind , wohl durch die Annahme erklüren dürfen,
dass auf sie der Regen vom Gesims herabtropfte. Doch ist diese
Corrosion viel unregelmässiger als an den Üstgiebelßgureu von
Aegina und erinnert vielmehr an die Figuren des Nereidenmo-
numents.
für die Unterschiede der Zerstörung zu beiden Sei-
ten eines Bruches gibt es hier melirere Beispiele,
worauf mich Treu besonders aufmerksam machte.
So ist z. B. der Kopf des Apollon im Westgiebel,
der im Sand gefunden wurde, ganz intact, sein
Körper, der in Humuserde lag, leicht corrodirt, die
Schenkel wiederum glatt und ein unter einer Säulen-
trommel gefundener Gewandzipfel hinter dem r.
Bein sogar mit der Farbe erhalten; ebenso ist der
Körper Hippodameias ganz intact, ihr neu gefun-
dener Kopf stark verwittert. Die am meisten vor-
tretenden Pferde der Viergespanne und die bei-
den Lapitlien vor den der Mitte zunächst stehenden
Kentauren im Westgiebel haben die dahinter be-
findlichen Theile nicht vor der Verwitterung ge-
schützt. Köpfe, die so stark exponirt waren wie der
des Peirithoos 1. und der ueugefundene Frauenkopf
mit der Hand im Haar sind trotzdem fast ganz
intact. Bei den Metopen kann man zufällig nach-
weisen, dass sie am Tempel sogar ihre Farbe con-
servirt haben: der Herakleskopf von der Löwen-
metope war beim Sturz unter eine Eckquader ge-
kommen und zeigt noch seine ganze Bemalung,
während z. B. dass Fass des Eurystheus, dessen
Kopffragment eine vollkommen glatte Oberfläche
zeigt, sehr stark, offenbar von auftropfendem Regen,
corrodirt ist.
Ich darf hier nicht verschweigen, dass Conze
die Verwitterung der kleinen Giebelfiguren von
Samothrake im Giebel entstanden denkt, da sie
sich grade an den Theilen findet, die dem Regen
ausgesetzt waren. Ihre Stärke erklärt er aus der
geringen Widerstandskraft des Marmors und aus
dem sehr regnerischen Klima. Möglich dass dies
zur Erklärung ausreicht, jedenfalls zeigen auch hier
einige glatte Stellen an den Vorderseiten und das
Vorhandensein starker Corrosionen nach verschie-
denen Richtungen hin, dass von einer Regelmässig-
keit der Einwirkung nicht die Rede sein kann.
Auf Grund der hier zusammengestellten That-
sachen wende ich mich wieder zu den Aegineten.
Dass man corrodirte Flächen auf ihren Hinterseiten
auch durch Zufälligkeiten im Giebel, z, B. durch
umgekantete Geisonblöcke, die das Wasser herab-
laufen Hessen, erklären könne, will ich um so we-
niger läugnen, als ich selbst die Verwitterung der
Theseiou- Metopen ähnlich entstanden denke; dass
man es darum müsse, wird niemand behaupten.
Zudem giebt es an den Ostgiebelfiguren drei schla-
gende Beweise für Erdcorrosion:
Erstens: die Wetterseite ist in Aegina nach
128
K. Lange, Aegineten und Conosion.
Milcliböfers Untersuchungen Südwest; trotzdem sind
die Ostgiebelfiguren stäriier corrodirt als die des
Westgiebels. Julius erklärt dies daraus, dass der
Marmor des Westgiebels von compacterer Structur
als der des Ostgiebels sei, und in der Tbat ist jener
etwas feinkörniger als dieser; doch dass er darum
auch leicbter verwittern müsse, ist eine ganz will-
kürliche Voraussetzung. Die Verwitterungsfähigkeit
hängt mit der Grösse des Korns gar nicht zusam-
men, wie zahlreiche Erfahrungen lehren, und wenn
sie es thäte, so wurde eher der feinkörnigere Mar-
mor bei der grösseren Zahl seiner Angriffspunkte
verwitterungsfähiger sein als der grobkörnigere.
Zweitens: die Waffenstücke, die aus Metall
oder Marmor angesetzt waren, wie Wehrgehänge,
Backenklappen u. s. w. haben die unter ihnen be-
findlichen Flächen nicht vor der Verwitterung ge-
schützt, was sie doch hätten thun müssen, wenn
die Verwitterung im Giebel entstanden wäre, da
sie dort ohne Zweifel noch an ihrer Stelle sassen.
Ausnahmen hiervon sind die Frisur der Athena
des Ostgiebels und die Schamhaare des Vorkämpfers
1. im Ostgiebel, die offenbar beide nicht gleich
beim Sturz abbrachen oder wenigstens so lauge an
ihrer Stelle blieben, dass sie die darunter befind-
lichen Theile vor Verwitterung schützten.
Drittens: abgebrochene Glieder sind verschie-
den corrodirt von den austossenden Körpertheilen '').
Julius läugnet dies zwar. Bei genauer Prüfung
zeige sich nämlich, „dass an allen nach Maassgabe
der Bruchflächen sicher zu einem erhalteneu Kumpfe
gehörigen abgebrochenen Gliedern die Corrosion an
durcliaus entsprechender Stelle und in der Nähe
des Bruches auch in gleicher Stärke wie am Piumpfe
sich finde." Wenn dies wirklich der Fall wäre, so
würde es keineswegs gegen Erdcorrosion sprechen,
sondern einfach beweisen, dass die am Bodeu ab-
gebrochenen Glieder in derselben Lage verblieben
wie die zugehörigen Torsen, was jedenfalls die
Regel war. Nun gibt es aber ausser dem oben
besprochenen r. Bein des Vorkämpfers 1. im West-
giebel nicht weniger als fünf Beispiele derselben
Art: vom Gefallenen r. im Westgiebel, dessen Torso
ungemein stark zerfressen ist, hat der r. zum grössten
Theil antike Arm eine vollkommen glatte Ober-
fläche. Der 1. Fuss des Gefallenen 1. im Ostgiebel
ist auf dem nach oben gekehrten inneren Knöciiel
ganz glatt erhalten, während das Bein auf dieser
") Dies Argument, das ich schon bei vielen anderen Denk-
mälern angewandt habe, verdanke ich einer Bemerkung L.Schwabes
in der Anzeige meiner Arbeit.
Seite unmittelbar vom Bruch an ziemlich stark cor-
rodirt ist. Vom Gefallenen in der Mitte des West-
giebels ist der r. Oberarm an der Aussenseite stark
corrodirt, der Unterarm, der abgebrochen war, ganz
glatt. Vom Vorkämpfer 1. im Westgiebel ist der
1. Oberschenkel stark corrodirt, der gebrochene
Unterschenkel glatt. Während der r. Arm des Zu-
greifenden r. im Ostgiebel stark corrodirt ist, hat
der Helmbusch 7, der nur durch den Helm von
ihm getrennt war, eine ganz glatte Oberfläche.
Damit wird wohl die Erdcorrosion auch für die
Ostgiebelfiguren von Aegina ein für allemal be-
wiesen sein. —
Noch ein Wort über den Julius'schen Compo-
sitionsentwurf, den er wohl nicht ganz correct den
„Brunn-Prachovschen" nennt. Da Julius nicht alle
Corrosionen der Rückseiten aus Zufälligkeiten im
Giebel oder aus auftropfendem Regen nach dem Fall
erklären kann, um nicht endlich doch zugeben zu
müssen, dass die Corrosionen ganz unsichere Büttel
der Kritik sind, erklärt er einige derselben auf
eine neue Weise, nämlich durch die Drehung der
betreffenden Figuren im Giebel. Durch diese sollen
sich dann auch mehrere Glätten an den Vorderseiten
erklären, die man nicht aus davor befindlichen Fi-
guren ableiten kann. Sehen wir, was er um dies
Priucip durchzuführen den aeginetischen Künstlern
zutraut.
Der sog. Paris ist auf der 1. Schulter glatt, auf
der r. Rückenhälfte ganz regelmässig corrodirt,
folglich dreht ihn Julius, um jene Stelle zu decken,
diese der von S.W. kommenden Witterung auszu-
setzen so, dass er schräg in die Giebelwand hin-
einschiesst! Leider würde dadurch auch die 1. Seite
seines Gesichts geschützt, obwohl sie stark cor-
rodirt ist. Dagegen wird der knieende Lanzen-
kämpfer 1. wegen der Corrosion seiner 1. Gesichts-
hälfte mit dem Gesicht nach S.W. gedreht, wobei
zugleich sein glatter r. Unterschenkel vor der Witte-
rung geschützt werden soll. Freilich bleibt dann
die Glätte seiner 1. der Luft ausgesetzten Hand
unerklärt, und überdies wird es, wie schon oben
bemerkt, unmöglich, dann die Glätte auf dem r.
Beine des Vorkämpfers 1. durch den Schild dieses
selben Lanzenträgers zu erklären. Jlan sollte fer-
ner erwarten, dass Julius den Bogenscliützen 1.
der Responsion wegen ebenfalls schräg in die
Wand schiessen lässt. Ganz im Gegentheil! Auch
hier gilt es ja, eine Glätte am r. Unterschenkel
und eine Corrosion am 1. Oberschenkel zu erklären,
und so wird die Figur der vorigen parallel, d. li.
K. Lange, Aegineten und Corrosion.
129
mit dem Kopf uacli der Geisonkante gedreht, wo-
bei freilich wieder eine grössere corrodirte Fläche
unter der r. Achsel in gedeckte Stellung käme.
Kurz, wo es geht, werden Corrosionen und Glätten
aus der Stellung erklärt; wo es nicht geht, aus der
verschieden compacten Structur des Marmors; wo
auch das nicht räthlich scheint, gar aus dem ver-
schieden festen Anhaften der Farbe, wie bei den
ungedeckten und doch theilweise glatten oberen
Gewandfalten der Athena; oder — und das ist
jedenfalls das einfachste — gar nicht! Bei den
Zugreifenden und Vorkämpfern bieten sich nun
wieder entweder ganz zufällige oder (wie bei dem
1. Unterschenkel 38) gar nicht vorhandene glatte
Streifen, aus denen geschlossen wird, dass der
Zugreifende 1. nahe, derjenige r. fern der Giebel-
wand gestanden habe — und von diesen Unregel-
mässigkeiten, die Julius in die Anordnung hinein-
bringt, behauptet er dann, dass sie „für das Ein-
dringen in die Feinheiten der Composition" von
grosser Wichtigkeit sind! '")
'") Was die Deutung der Aegineten betrift't, so hatte ich mich
mehr für Patroklos' als für Achills Tod ausgesprochen. Da nun
auch A. Burckhardt (a. a. O.) sich unabhängig von mir ebenso
entschieden hat, so kann ich mich begnügen, auf seine und meine
früheren Argumente zu verweisen. Betreffs der kunsthistorischen
Stellung der beiden Giebel zu einander war ich zu dem Resultat
gekommen , dass der Ostgiebel etwas später als der Westgiebol
von einem selbständig arbeitenden Meister gefertigt sei, wobei
ich natürlich an einen , beträchtlichen" Unterschied bei ihrer
grossen formalen Verwandtschaft nicht gedacht hatte. Auch in
dieser Beziehung muss ich auf früher Gesagtes verweisen und be-
merke dazu nur, dass es keineswegs auffallend ist, wenn der West-
giebel, der nach der Insel zu lag und beim Aufgang zum Tempel
zuerst ins Auge fiel, auch zuerst mit Sculpturen versehen wurde,
und dass ferner die von Julius constatirte Verschiedenheit des
Marmors durchaus gegen eine völlig gleichzeitige Entstehung
beider Giebel spricht.
Im Interesse der Sache muss ich bedauern, dass
Julius sich nicht begnügt hat, mir im Einzelnen
Fehler in Angaben und Zeichnungen nachzuweisen,
wobei er ohne Zweifel noch mehr als die fünf Ver-
sehen hätte finden können, die ich um so lieber
zugebe, als sie für die Hauptfrage ganz gleich-
giltig sind und jeder billig Denkende sie dem
Anfänger verzeihen wird, der einer verwickelten
Frage und einem reichen Material gegenüber ganz
auf seine eigene Kraft angewiesen war ' ').
K. Lange.
") Diese fünf Fehler sind folgende: die Ferse 13 habe ich
mit Unrecht dem Bogenschützen 1. im Ostgiebel zugeschrieben,
sie gehört vielmehr einer weiblichen Figur an, wie aus leisen
Faltenspuren, die ich bei der dunklen Aufstellung übersehen,
hervorgeht. Das Säulenkapitell (No. 78 im Katalog) schrieb ich
mit Unrecht der äusseren Säulenreihe zu, da ich mich seiner
Grösse nicht mehr erinnerte. Bei Fragment 2 hatte ich zu er-
wähnen vergessen, dass Prachov es schon benutzt und abgebildet
hat. Bei der Zeichnung von Fragment 10 sind oben zwei quer-
laufende Striche vergessen, weil sie auch in Prachovs Zeichnung
fehlen, nach der die meinige gemacht ist. Ein Versehen war
es endlich, wenn ich vermuthete, die Hohenmaasse der Figuren
in Brunns Katalog seien durch Umrechnung aus dem Schom-
schen Katalog erlangt. Veranlasst wurde ich hierzu dadurch,
dass der Gefallene links im Ostgiebel von Fussspitze zu Scbild-
rand 1,S45 M. misst, während Brunn 1,68 angiebt, was freilich
wie Julius mittheilt (indem er übrigens fälschlich 1,88 als rich-
tiges Maass nennt) ein Druckfehler ist. Dann aber sind in
Brunns Compositionsentwurf die beiden Vorkämpfer um etwa
10 Cm. zu niedrig gezeichnet, was allerdings, wie ich zu con-
statiren versäumte, mit den Angaben des Katalogs nicht stimmt.
Wenn Julius bei der Bestimmung zahlreicher anderer Fragmente
(z. B. 14. 33. 37. 38. 40. 41. 42. 52. 53. 56. 57; vgl. besonders
S. 11) von mir abweicht, so beruht das entweder auf der Vor-
aussetzung, dass nur zwei Vorkämpfer da waren, oder auf der
ausschliesslichen Annahme von Luftcorrosion, oder auf vollstän-
diger Willkür. Willkür ist es auch, wenn er die Beinfragmente
54 und 55 den Aegineten abspricht.
Archäolog. Ztg., Jahrg. XXXVIII.
18
130
IRIS IN DEN GIEBELGRUPPEN DES PARTHENON.
Seit Visconti (1816) ist, wie die Zusammeustel-
lung bei Michaelis, Der Parthenon S. 165 lehrt, für
die jugendliche, in lebhafter Bewegung begriffene
Figur des Ostgiebels, deren stürmische Eile in den
mächtig zurückwallenden Falten des geschlitzten
Chitons und dem im Rücken bogenartig sich aufbau-
schenden Mantel den lebendigsten Ausdruck findet,
die Bezeichnung Iris zu so allgemeiner Geltung ge-
kommen, dass die dagegen auftauchenden Bedenken
immer wieder zurückgedrängt wurden (Petersen,
Kunst d. Pheidias 127 gegen Welcker A. D. I 83),
und auch die neueren Erklärer der Giebelgruppen,
Michaelis, Petersen, Newton {guide to the sculpt.
ofiheParth. 1880 S. 11) die herkömmliche Bezeich-
nung beibehalten. In der That entspricht ja die
jugendlich elastische Gestalt in ihrer fliegeuden Eile
sehr wohl unserer Vorstellung von der leichtfüssi-
gen Götterbotin, und wer in dem bauschenden Mantel
mit Visconti eine Hindeutung auf den Regenbogen
zu erkennen vermochte, musste auf Iris als zu-
trefl'enden Namen von selbst geführt werden. Grade
gegen die Andeutung des Regenbogens aber durch
den breiten fast die ganze Rückenhöhe einnehmen-
den Mantelbausch wandte sich Welcker a. a. 0.
und wies darauf hin, wie unähnlich diese breite
Peplosmasse dem schmalen Regenbogen sei, der
sich mit Leichtigkeit aus dem Mantel nachahmend
hätte bilden lassen. Den entscheidendsten Einwand
aber lässt auch er, wie fast alle nach ihm, unbe-
rührt, deu nämlich, dass ein griechischer Bildner aus
Phidias Zeit an einer so hervorragenden Stelle,
wie in den Giebelfeldern eines Tempels, die XQV-
aonregog V^tg nicht ungeflügelt hätte darstellen
können. Wäre die Beflügelung der Iris nicht durch
inschriftlich bezeugte Darstellungen gesichert (z. B.
auf der schönen Brygos-Vase mo7i. ined. IX 46),
so Hessen sich Stellen wie Porphyr, de abst. III 16
inxiqwaav de zi]v ze Nixtjv xal trjv Iqiv und schol.
Arist. av. 1213 Dind. ImiqtDtai (^ ^l^is) ^cii e^tjy-
■Kü)f.iEvov sxsi i^ov xiTÜiva^ xal za meqa öianinza-
zai tug xwuai dafür anführen '). Dass Welcker mit
seiner Benennung Oreithyia den Kreis von Dämo-
nen richtig bezeichnet, welchem diese windschnelle
Botin angehört, kann nach dem was Röscher (Her-
mes der Windgott S. 16 ff.) zusammengestellt hat,
und im Hinblick auf ganz ähnliche Darstellungen,
wie das von Matz erklärte Relief Colonna (arch.
Zeitg. 1875 Taf. 4) — wo selbst das Motiv des aus
dem Chiton nackt hervortretenden Beines, nur ver-
gröbert, wiederkehrt — nicht wohl zweifelhaft sein.
Zu sicherer Benennung jedoch fehlt es hier wie
dort an Anhaltspunkten.
■) Von zweifellosen Irisdarstellungen ist mir nur eine einzige
bekannt, wo die Beflügelung zu fehlen scheint: die inschriftlich
beglaubigte Iris der Fran9oisvase {mon. ined. IV 54 — 57; arch.
Zeitg. 1850 Taf. 23. 24). Dass sie in Wahrheit ungeflügelt ist,
möchte ich angesichts der grade an dieser Stelle ungenauen und
unzuverlässigen Publikation nicht behaupten. Der Oberkörper
der Iris ist völlig en face gebildet, so dass schon hierdurch die
Flügel griisstentheils verdeckt werden; dann aber scheint in deu
unklaren Linien an der Schulter, die das von Chiron getragene
Wild fast berührt, in der That der obere Flügelbogen unmittelbar
unter dem Stocke noch sichtbar zu sein. Sollte aber eine Nach-
prüfung des Originals auch das Fehlen der Flügel ergeben, so
wäre dies eine Freiheit des Vasenzeichner.s, dem zur Charakterisi-
rung seiner Figuren ausser den stehenden Attributen noch In-
schriften zu Gebote standen — auch dem Hermes, der bis in
die Einzelheiten des Gewandes ein Gegenstück zur Iris ist, fehlt
jede Andeutung von Flügeln — , eine Freiheit, aus welcher ein
Rückschluss auf eine gleiche Freiheit des Marmorarbeiters nicht
gezogen werden darf. Ob die flügellose Frau mit Kerjkeion im
Parisurtheil einer schwarzfigurigen Amphora zu Berlin (0. Jahn,
Telephos und Troilus Taf III) Iris zu nennen ist, muss bei dem
Maugel einer Inschrift und der Häufigkeit ähnlicher Figuren auf
Vasenbildern, wo auch Nike und Eirene mit Kerjkeion ausge-
stattet werden, dahingestellt bleiben. Jahn nennt sie wegen des
Kerykeion, und weil sie dem Hermes als Begleiterin beigegeben
ist, Iris, ohne jedoch den auflalligen Umstand ihrer Flügellosig-
keit zu verschweigen (S. 79 Anm. 96) oder ein zweites Beispiel
dafür beibringen zu können. Nicht recht verständlich ist mir,
was sich Welcker gedacht hat, als er über diese vermeintliche
Iris schrieb (onn. 1845 p. 158): 'Les ailes, avec leaqueltes eile
est ailteurs representde, n'auraient point convenu ici.' Gar
kein Grund liegt vor, die attribut- und flügellose Frau bei Ger-
hard A. V. II 14G. 147, welche mit staunender Geberde Nereus
naht, Iris zu nennen.
A. Trendelenburg, Tris im Parthenongiebel.
131
Muss so die Reibe der namenlosen Figuren des
Ostgiebels um die scbeinbar so treffend benannte
Iris vermehrt werden, so gewinnen wir durch Be-
seitigung- dieser Benennung für die Erklärung der
Mittelgruppe des Westgiebels freie Bahn: hat doch,
scheint es, nur das Festhalten an der überkomme-
nen Vorstellung von der Iris mit bauschendem
Mantel eine Figur dieser Gruppe und damit den
Zusammenhang derselben bisher nicht erkennen
lassen.
Unter den Fragmenten, welche Michaelis dem Ost-
giebel zuweist, betindet sich der Torso einer weib-
lichen Figur, welche grosse, regelmässige Vertie-
fungen an den Schulterblättern als ursprünglich ge-
flügelt erkennen lassen (Taf. VI J). Die Zugehörig-
keit dieses Torso zum Ostgiebel unterliegt aber
den gegründetsten Bedenken. Denn Visconti's An-
gaben über den Auffindungsort desselben wider-
sprechen sich (Michaelis im Text S. 175, 14), und
auf der Carreyschen Zeichnung (Taf. VI 5) ist von
dem 'swr le plan itiferieur du fronton' gefundenen
Torso nichts zu sehen. Diese Erwägungen be-
stimmten Matz (Gütt. g. A. 1871 S. 1948 ff.), den
Torso dem Westgiebel zuzuweisen und in ihm die
von Michaelis mit JV bezeichnete Figur der Carrey-
schen Zeichnung (Taf. VII 2) zu sehen. Die Ueber-
einstimmung ist eine schlagende. Die Haltung der
Arme — der linke ging, wie ein neuerdings dem
Torso angefügtes Schulterstück erkennen lässt, ge-
nau wie bei Carrey in massiger Neigung nach
unten — , die Entblossung derselben, die Gewand-
lage am Halse, das rechte vom Knie an aus dem
Gewände heraustretende Bein, die starke Erhebung
des rechten über den linken Oberschenkel, alles
stimmt bis ins Einzelne überein, so dass ein Zwei-
fel an der Identität beider Figuren ausgeschlossen
ist. Michaelis hat denn auch (arch. Zeitg. 1872
S. 115f.) das Gewicht der Matz'schen Bedenken
nicht nur sofort anerkannt, sondern dasselbe auch
noch durch eigene Beobachtungen über die Pro-
venienzangaben des Torso vermehrt, so dass er zu
dem Schlüsse kommt, ein äusseres Zeugniss, wel-
ches den Torso dem Ostgiebel zuzuweisen zwänge,
sei nicht vorhanden. Ist dies aber der Fall, so
tritt die bisher noch immer als zuverlässig erfun-
dene Carreysche Zeichnung in ihre Rechte, und
diese weist unserm Torso seinen Platz unwider-
sprechlich neben Poseidons Gespann an *).
Schwierigkeit maclite die Benennung. Matz be-
hielt die hergebrachte Bezeichnung Nike bei und
dachte sich dieselbe "von dem neutralen Hinter-
grunde" auf Athene zueilend. Das Missliche die-
ser Erklärung leuchtet ein. Um die vom Beschauer
nach links schreitende Athene zu erreichen, hätte
sie an den Rossen von Poseidons Gespann und
dann an diesem selbst vorbeieilen müssen: kein
Beschauer der Gruppe konnte so weit von einander
entfernte Figuren als zusammengehörig verbinden.
Auch scheint es unantik, dass die Siegerin vor der
Siegesgöttin scheinbar flieht: Nike fliegt sonst nicht
-) Petersens Gründe gegen die Identificirimg von J und
JV sind zahlreicher als stichhaltig. Er führt (K. d. Ph. S. 144
Anm. 1) deren sechs an: 1) 'die verschiedene Haltung des Ober-
körpers, dort gehoben, hier geneigt." Dies ist eine durch die
Stellung des Torso in der Michaelis'schen Zeichnung (VI 14)
hervorgerufene Täuschung. Derselbe steht zu sehr en face ;
rückt man ihn ein wenig mehr nach links (vom Beschauer) herum,
so tritt der annähernd rechte Winkel, in welchem Oberschenkel-
und Brustlinie zu einander stehen, deutlich hervor. 2) 'der
Shawl von N, welcher mit den Flügeln von J unvereinbar ist.'
Selbst wenn der Shawl auf dem 1. Arm von N sicher zu dieser
Figur gehört, was keineswegs ganz zweifellos ist, hindert er doch
durchaus nicht die Beflügelung derselben. Er fällt ja über den
einen Arm (nicht über beide, wie Petersen S. 174 sagt) herab
und kommt mit den Flügeln gar nicht in Berührung. 3) 'das
Gewand lang und schwerfällig bei A', kurz und fein bei J.'
Ob schwerfällig oder fein, mochte ich bei einer Zeichnung, wie
der Carreyschen, nicht entscheiden; gleich lang oder kurz sind
aber beide, denn beide lassen den rechten Oberschenkel frei
heraustreten. 4) 'die Unmöglichkeit hinter Amphitrites Wagen
noch eine Figur mit Flügeln zu stellen.' Für die Wagenlenkerin
der Athene, Nike, nimmt Petersen S. 166 die Beflügelung an,
obwohl zwischen dieser und der folgenden Figur auf der Zeich-
nung gar kein Zwischenraum gelassen ist; hinter N aber ist
ein ungewöhnlich grosser freier Raum , der grade bei der Nei-
gung des Überkörpers nach vorn wie zur Ausfüllung durch ein
i'lügelpaar bestimmt scheint. 5) 'Nike im Westgiebel wäre im-
erklärlich.' Nike soll auch unser Torso gar nicht sein. 6) 'end-
lich ist von den verschiedenen Angaben Viscontis jedenfalls die
positivste die, dass J im Ostgiebel gefunden sei'. Hierauf ant-
wortet Michaelis a. a. O. und Petersens eigenes 'jedenfalls'. —
Newton giebt in dem soeben erschienenen guide to the sculp-
iures of the Parthenon 1880 p. 15 die Aehnlichkeit des Torso
mit der Figur des Westgiebels zu, erklärt sich aber gegen die
Identificirung, weil er einmal Nike auf Poseidons Seite für un-
vereinbar mit der Composition hält und zweitens bei einer Nike
den Shawl am 1. Arm nicht zu erklären wisse.
18*
132
A. Trendelenburg, Iris im Parthenongiebel.
hinterdrein, sondern entgegen. Dazu kommt, dass
Nike in der Lenkerin von Atheues Wagen (G)
schon vorhanden ist; denn seitdem Petersen a. a. 0.
S. 168 für den männlichen Begleiter des Gespanns
{ff) aus dem charakteristischen Gewandmotiv —
die im Rücken herabhängende Chlamys ist über
den linken Arm geschlagen — die Benennung Her-
mes ausser Zweifel gesetzt hat, ist damit auch das
dritte Glied des Dreivereins 'Eqi.irjs 6 nit-iniov NIxtj
T lA&äva nohäg (Soph. Philokt. 133, Michaelis
S. 184) gegeben. Auch Michaelis weist a. a. 0.
die Unhaltbarkeit der Matz'schen Deutung durch
überzeugende Gründe nach. Aber befangen in der
Meinung, unser Torso könne schlechterdings nur
einer Nike angehören, die doch in der Wagenleu-
kerin der Athene schon vorbanden war, sah er
sich unlösbaren Schwierigkeiten gegenüber. Sie
lösen sich mit leichter Mühe, sobald wir diese Mei-
nung aufgeben.
Dies gethan und in der Figur Iris erkannt zu
haben ist das Verdienst Heinrich Brunns (ßer. d.
Münch. Akad. 1874 S. 24). Da er aber auf eine
nähere Begründung seiner Benennung verzichtet
und durch seine, wie mir scheint, unhaltbare Auf-
fassung der ganzen Mittelgruppe ') vielleicht selbst
gegen seine Deutung misstrauisch gemacht hat —
wenigstens erwähnt Newton, der sonst die neueren
Arbeiten über die Parthenonsculpturen eingehend
benutzt, derselben mit keinem Worte — , so soll
durch wenige Bemerkungen die Berechtigung der-
') Nachdem Brunn die Uebereinstimmung des Torso mit
der Begleiterin von Poseidons Gespann gegen Petersens Einwürfe
in ähnlicher Weise vertheidigt hat, wie es Anm. 2 geschehen ist,
bemerkt er über die Mittelgruppe: "Weit schöner gliedert sich
das Ganze, wenn wir annehmen, dass die Gespanne eben ankom-
men und nun angehalten werden sollen, und dass Hermes, indem
er den Wagen der Athene zur Stelle geleitet, ihr entgegeneilt,
um ihr im Auftrage der Gütter den Sieg zu verkünden, während
Iris dem Poseidon die Botschaft bringt, dass er sich aus dem
Lande zurückzuziehen habe , dessen Besitz ihm soeben abge-
sprochen worden ist. Mir scheint die Sache so einfach, dass sie
eines weiteren Beweises nicht bedarf." So einfach ist die Sache
wohl nicht; wenigstens ist die Auffassung des Hermes und der
Iris als Boten, welche dem eben noch streitenden Götterpaare
die Nachricht von dem Siege dort, der Niederlage hier bringen
sollen, sicherlich erheblichen Zweifeln unterworfen. Auch Brunn
kommt über die landläufige Auffassung der Iris als Gütterbotin
nicht hinaus, eine Auffassung die das richtige Verständniss der
Gruppe unmöglich machen musstc.
selben nachgewiesen und hierdurch für die ein-
fachste Erklärung der Mittelgruppe, dass die Götter,
wie die Helden Homers, mit ihren Gespannen und
ihrem Gefolge in den Kampf ziehen, ein neues und,
wie ich glaube, entscheidendes Moment gewonnen
werden.
In demselben Verhältniss wie Hermes zu Atheues,
steht die geflügelte weibliche Figur zu Poseidons
Gespann. Der Parallelismus beider Figuren, wie
der der ganzen Mittelgruppe, ist ein vollständiger.
Die beiden Kämpfenden in der Mitte, die zwei
Paare von Rossen (denn auch für Poseidons Ge-
spann sind durch die von Overbeck und Dobbert
neuerdings aufgefundenen Fragmente Rosse er-
wiesen, Ber. d. sächs. Ges. d. W. 1879 S. 72 ff. ;
Arch. Zeitg. 1880 S. 105f.), die beiden Wagenlenke-
rinnen und die beiden Begleiter der Wagen machen
ein so fest geschlossenes Ganze aus, dass für die
entsprechenden Glieder desselben, die bis in alle
Einzelheiten der Stellung und Bewegung symme-
trisch componiert sind, auch entsprechende Funk-
tionen angenommen werden müssen. Ist nun der
nofiTtalog des Athenegespannes Hermes, so wird
die Geleiterin des Poseidongespannes mit Sicher-
heit benannt werden können, wenn es gelingt eine
Göttin ausfindig zu machen, die in ihrem Wesen
dem Hermes entspricht. Eine solche aber ist Iris.
Sie ist wie Hermes jueTayyeXog &£(öv (0 144) und
trägt wie er ein Kerykeion, sie ist wie er noörj-
ve^iog und deshalb geflügelt (E 353), sie ist wie er
nonnalog *) ^ wie Hermes -Kadmilos (arch. Zeitg.
1880 S. 1 ff.) trägt sie auf bekannten Vasenbildern
eine Kanne, ja sie entspricht selbst in ihrer ursprüng-
lichen Bedeutung als Regen- und Wolkengöttin dem
Windgotte Hermes — als solcher überzeugend nach-
gewiesen in dem oben erwähnten Buche von Röscher
(Leipzig 1878) — und gehört recht eigentlich zum
Gefolge Poseidons.
•■) E'AiJ'i führt sie die verwundete Aphrodite aus der Schlacht,
indem sie selbst deu Wagen mit ihr besteigt und die Rosse ab-
schirrt; sie geleitet auf der Francjois-Vase den Hochzeitszug der
Götter zu Peleus und Thetis; sie geleitet den Wagen, auf wel-
chem Athene den Herakles in den Olymp führt (Millingen peint.
d. vas. ffr. pl. 36), sie den Wagen der Aphrodite (Bull. 1868
p. 184) u. a. m.
A. Treadelenburg, Iris im Parthenongiebel.
133
Der Regenbogen ist schon in der Ilias ein Sturni-
bringer (P 548 zsQog t) noke/^oio i] xal xeij-Kovog
dvai^aXnsog, vgl. scliol. B zu W 198 tj Iqiq (pavelaa
noXkaxig ävi/^iiov xivrjaiv örjloi), deshalb wird Iris
von Tzetzes in den homerischen Allegorien (bei
Matranga anecd. gr. I) als Wolkensamnilerin aus-
gelegt und zur Stütze hierfür ein Vers des Empe-
dokles ene Tig xüv hzigiov angeführt: ^Iqig d' ix
nsXäyovg avsfiov qieQBi iq /^iyav o/j-ßgov. Diese
gewiss ursprüngliche Bedeutung der Iris ') als
^) Eine sichere Ableitung des Wortes !(jis ist bisher nicht
gefunden. Ich ghuibte, einmal .auf die Regeugöttin geführt, die
von Pausanias III 19, 4 überlieferte Form iVp/j mit Jiiocc = Ifiaa
zusammenstellen und als Wurzel m = bibere annehmen zu dürfen:
'der Regenbogen trinkt, sammelt Wasser' {concipit bei Ovid),
allein Georg Curtius in Leipzig, den ich um Auskunft bat, über-
zeugte mich in einem ebenso freundlichen als ausführlichen
Schreiben von der Unmöglichkeit dieser Ableitung. Mit gütiger
Erlaubniss des ausgezeichneten Etymologen darf ich das auch
weiteren Kreisen gewiss willkommene Schreiben hier mittheilen.
"Ich bedauere Ihnen über den Namen Vpif nichts Fruchtbringendes
mittheilen zu können. Sie haben ganz Recht mit der Annahme,
dass ich von den bisherigen mit dem Worte angestellten Ver-
suchen (ffpcü =: X^yto, fi'po) = sero, tifii) keinen billige. Laut-
lich müssen wir von der bei Homer wahrscheinlichen Form
FT(ii - ; ausgehen, begrifflich, meine ich, von dem Naturobject
des Regenbogens. Mit den Lauten von Fiftii verträgt sich die
Form Bi^Qig bei Pausanias unter der Voraussetzung, dass das ß,
wie dies auch bei Grammatikern und Lexikographen häufig vor-
kommt (vgl. }'n-/9f()j'o'f Hes}-ch.) Zeichen für F, nicht Umwand-
lung des Lautes ist. Pausanias geht ja gar nicht darauf aus, die
auf jenem Altar eingemeisselten Schriftzüge genau wiederzu-
geben. Die Form IIooikSujv hat dort gewiss nicht gestanden,
denn sie ist ionisch. Er fand, denke ich, Ffnig vor, und da ihm
das alterthümliche F auffiel, wollte er das nicht unerwähnt lassen
und schrieb BiQig. Wäre wirklich einmal in Lakonien die Media
ß mit ihrem alten Klang in diesem Worte gesprochen, so müssten
wir den Namen vom homerischen Fujis völlig trennen. Denn
ein anlautendes ß vor einem Vok.il fällt ebenso wenig ab, als
es sich in F verwandelt. Auch mit n ist eine Gemeinschaft für
echtes ß schwer, für ß als Zeichen für F gar nicht zu erweisen.
Uiait neben Waa steht ganz vereinzelt da und ist nicht lakonisch.
Die Entstehung eines n aus F habe ich Grundz. * 588 ablehnen
zu müssen geglaubt. Sie sehen also, dass ich zu meinem Be-
dauern Ihrer Etymologie nicht zuzustimmen vermag. Leider
weiss ich Ihnen nun aber keine andre Deutung vorzulegen.
Bei jedem Versuch der Art scheint mir ein wichtiges Moment
in dem homerischen Plural iQiaatv A 11 zu liegen. Ich schliesse
daraus, dass schon in homerischer Zeit ?pi-f ein Appellativum
war, dass die Bedeutung 'bunter Streif am Himmel' feststand
und dass nach einer richtigen etymologischen Topik entweder
in einer Wurzel des Schimmerns, Schillerns, Glänzens (die Blume
Iris, die Iris im Auge, die Iris des Pfauenauges) oder in der
Vorstellung des Streifs das Etymon zu suchen ist. Die Göttin
Iris seheint mir ebenso secundär zu sein, wie die Göttin Eos
oder der Gott Helios u. s. w. Zusammenhang mit lat. vir-i-di-s
Regen-, Wolken- und Windgöttin ist unter dem Ein-
flu.ss der Ilias — die Odyssee kennt Iris gar nicht
und setzt Hermes an deren Stelle — früh verdun-
kelt, denn sie verwendet Iris ausschliesslich als
Götterbotin und wird damit für die spätere Dicht-
und bildende Kunst sowie für unsere Vorstellung
massgebend. Einzelne Anklänge an den ursprüng-
lichen Zusammenhang der Iris mit Meer (ex nskä-
yovg avefiov cpsQSi) und Wind scheinen sich zwar
auch in der Ilias zu finden, so wenn Iris ß 77 ff.,
die Thetis dem Zeus zuzuführen, in das Meer liinab-
taucht und sie aus den Fluthen heraufiführt, oder
^ 198 dem Boreas und Zephyros aus eigenem An-
trieb, ohne Befehl eines höheren Gottes, das Gebet
Achills übermittelt und darauf zu den Gestaden des
Okeanos, woher sie gekommen, zurückkehrt, allein
diese Züge Hessen sich allenfalls auch aus ihrem
Botencharakter erklären. Dagegen tritt in ihrer
Genealogie bei Hesiod die ursprüngliche Bedeutung
klar zu Tage. Sie heisst theog. 265 eine Tochter
des Thaumas und der Elektra; dies aber ist eine
Tochter des Okeanos; der Iris Schwestern sind die
im Sturme raubenden Harpyien, und wie eine von
diesen Aello heisst, so heisst sie selbst deUönog
(0 409 und sonst). Ganz geschwunden ist auch
späterhin nicht das Andenken an die Wind- und
Regeugöttin, sagt doch noch Ovid met. I 271 con-
cipit Iris aquas alimentaque nubibus affert.
Gäben uns schon diese literarischen Zeugnisse
ein unzweifelhaftes Recht, Iris im Gefolge Posei-
dons an der Stelle vorauszusetzen, wo im Gefolge
Athenes Hermes steht, so ist doch eine Bestätigung
durch ein Denkmal bildender Kunst immerhin er-
wünscht "). Eine solche bietet in überraschender
ist nicht unmöglich, unter der Voraussetzung und mit Bezug auf
die bekannte Thatsache, dass die Bezeichnung der Farben sich
erst verhältnissmässig spät fixirte. Aber auch dabei bleiben
Schwierigkeiten übrig, die namentlich in den Endsilben des la-
teinischen Wortes und dessen mehrfach herangezogenem indischen
Seitenstück liari-s 'falb, gelblich, grün' liegen."
«) In den bildlichen Darstellungen ist der Charakter der
Wassergöttin durch den der Botin in der Regel so völlig ver-
drängt, dass selbst bei Darstellungen von Wasserdämonen nicht
zu entscheiden ist, ob Iris Botin oder gleichgeartete Gottheit
ist. In einem pompejanischen Gemälde, einem Pendant zu
Bildern aus dem Kreise der Wasserwesen, erkannte Panofka
134
A. Furtwängler, Attische Lekythos.
Weise der Hyakintbos-Altar zu Amyklä (Paus. III
19, 3), dessen bedeutungsvoUeu Figurensclimuck ich
Bull. d. I. 1871 p. 124 ff. im einzelnen erklärt habe.
Die Eingangsseite desselben schmückte eine Darstel-
lung von acht Figuren : Dionysos mit seiner Schwe-
ster Semele und Ino von Hermes dem Zeus zuge-
führt; hinter Zeus die dem Dionysos stets freund-
lich gesinnten Gottheiten des Meeres : Poseidon,
Bull. d. J. 18-17 \>. 131 in einer geflügelten Frau mit einem
Baumzweige in der Hand Iris „avuto riyuardo alle sue streite
relazioni colle divinith del mare." Auf der Hesperidenvase
(Ann. 1859 tav. d'agg. GH) ist Iris (geflügelt und mit Kerj-
keionj Atlas und der Hesperide beigesellt, weil sie im Westen
an den Gestaden des Okeanos weilt (</' 198 0'.), in demselben
Sinne, wie neben ihr Poseidon selbst Zuschauer des Vorganges
ist. Hier ist ihre enge Beziehung zum Meere unverkennbar:
hieraus und nicht, wie Petersen es thut, aus ihrem Charakter
als Botin ist ihre Anwesenheit zu erklären.
Amphitrite und Iris — genau dieselben wie in un-
serm Giebelfelde! In besonderer Weise bedeutungs-
voll steht auf dem Altare Iris der Ino, beide die
Gruppe abschliessend, gegenüber: jene, die den
Sturm bringt und das Meer aufregt, diese, die als
Leukothea im aufgeregten Meere dem Schiffer den
rettenden Schleier zuwirft ').
A. Trendelenburg,
') Die Frage, ob Nike als Wagenlenkerin der Athene ge-
flügelt war oder nicht, erledigt sich jetzt zu Gunsten der erstereu
Annahme. Bei dem strengen Parallelismus beider Gruppen
scheint ein Gegengewicht gegen das Flügelpaar der Iris mit
Nothwendigkeit bei Nike gefordert werden zu müssen. Die
Flügel werden wie bei der Iris besonders eingesetzt gewesen
und deshalb um so leichter ausgebrochen worden sein. Eine
Dfi'xr) liTiTSQog wäre ja auch hier, wo die Hände kein charakte-
ristisches Attribut halten konnten, für den Beschauer als Nike
nicht verständlich gewesen.
WEISSE ATTISCHE LEKYTHOS.
(Tafel 11).
Die wohl erhaltene Lekythos des Berliner Mu-
seums, welche auf der beigegebenen Tafel 11 ab-
gebildet ist, stammt aus einem athenischen Grabe
beim Dipylon (bei der Kirche Agia Triada).
Der feine, schöne rothe Thon, aus welchem die
Vase gefertigt ist, tritt nur an der äusseren verticalen
Fläche des Fusses zu Tage, während derselbe im
Uebrigen theils von glänzendem schwarzen Firniss,
theils, und zwar an den Hauptflächen des Gefässes,
von einer dünnen aber festen und glatt glänzenden
weissen Thonschicht überzogen ist.
Auf der Vorderseite des Gefässbauches hat der
Verfertiger mit der schwarzen Firnissfarbe und mit
dem Pinsel (nicht mit der Feder) in einfachen Um-
rissen eines jener harmlosen häuslichen Bilder ge-
malt, wie wir sie auf so zahlreichen griechischen
Vasenbildern in ähnlicher und doch immer neuer
Weise dargestellt finden. Eine sitzende Frau hält
betrachtend mit beiden Händen einen aus einem
einfachen Zweige mit kleinen Blättchen gewundenen
Kranz vor sich hin. Eine Wachtel sitzt auf ihrem
Knie und schaut ihr zu; ihr gegenüber aber steht
ein bärtiger Mann, zugleich aufmerksam der Sitzen-
den zugewandt und doch in möglichst bequemer
Stellung, vorgelehnt auf den knotigen Stock und die
Rechte in die Seite stemmend. Dass die Unterhal-
tung der Beiden eine nicht ganz gleichgültige sei,
scheint der fliegende Eros anzudeuten, der über
ihnen an der Schulter der Vase abgebildet ist, in
jeder Hand das Ende einer nach r. und 1. auslau-
fenden ornamentalen Palmetten- und Blüthenranke
haltend, wie denn Eros mit ähnlichen Ranken oder
mit Blüthen und Zweigen gerade in den Vasen des
strengen Stiles nicht selten ist'); auch seine Bildung
als Knabe und mit langem Haare (dessen vor den
Ohren herabhängende Enden mit verdünnter Farbe
gemalt sind) entspricht den Gewohnheiten des ge-
nannten Stils.
Die Frau befindet sich offenbar in ihrem eigenen
Gemache, indemsie deu Besuch desMannes entgegen-
nimmt; an der Wand hängt echt weibliches Gcräth,
ein Spiegel und links ein Alabastron ; hinter ihrem
Stuhle steht der übliche Korb mit der Wolle für ihre
') Vgl. Furtwängler, Eros S. 14. 15.
A. Furtwängler, Attisclie Lekythos.
135
häusliche Arbeit. Ihr stattlicher Sitz mit Schemel und
Polster scheint die Herrin des Hauses anzudeuten:
der Stuhl mit den geraden Beinen und der geraden
von einer Palmette bekrönten Rücklehne ist mir ge-
nau so anderwärts nicht erinnerlicli ; es ist offenbar
eine ältere Uebergangsform zu dem vom sogenannten
schönen attischen Vasenstile au auf Vasen und anderen
Monumenten bis zum Beginne römischer Zeit durch-
weg üblichen Stuhle mit geschweiften Beinen und
ebensolcher Rücklehne. — Die Frau ist unbeschuht
und hat nackte Füsse, während die des Mannes mit
kurzen Buudscliulien versehen sind; auch dies wohl
ein Zeichen, dass der Mann von aussen kam, die
Frau sich zu Hause befindet. Einen ähnlichen Unter-
schied zwischen dem stehenden Manne und der sitzen-
den Frau finden wir übrigens mehrfach in attischen
Grabreliefs des vierten Jahrhunderts, welche eben-
falls das Zusammensein von Mann und Frau dar-
stellen ; letztere pflegt nämlich dann blosse Sandalen
zu tragen, während ersterer mit vollen Schuhen be-
kleidet ist"), ofi'eubar um den Gegensatz vondrausseu
und drinnen zu betonen.
Kleinere Vögel als häusliches Spielzeug nament-
lich junger Mädchen kennen wir aus zahlreichen
Vasen vom schönen Stile au und aus kaum weni-
ger zahlreichen attischen Grabsteinen. Auch der
Wachtel, die wir hier auf dem Schoosse der Frau
sitzen sehen, begegnen wir zuweilen auf Grabreliefs
und sonst, wie denn z. B. eine attische weisse Grab-
lekythos (Berlin, Inv. no. 2684) denselben Vogel in
derselben Weise auf dem Schoosse eines an der
Grabstele trauernd sitzenden Mädchens^) zeigt. Auch
das Motiv unserer Frau, indem sie einen Kranz
vor sich hinhält, ist kein individuelles, etwa nur für
diese besondere Scene geschaffenes; in demselben
Motive erblicken wir eine Frau auf einer nur wenig
jüngeren attischen Grablekythos (Benndorf, griech.
■) So z. B. das Relief bei Ileydemann, d. ant. Marmorb.
zu Athen S. 312 no. 831 (Hej'demanu's Besehreibung ungenau);
Kckule, Theseion no. 155 (die Schuhe des Mannes nicht erwähnt)
und no. 385 (die „weibliche Figur in doppeltem Gewände und
Schuhen" ist vielmehr ein Mann im Mantel, dessen 1. Brust
nackt ist).
') Dasselbe müsste nach Milchhöfer (Mittheil. ath. Inst.
V, 180) als die Verstorbene angesehen werden, was hier schon
wegen der oben flatternden Psyche wenig wahrscheinlich ist.
u. sie. Vasenb. Taf. 19, 5), und zwar bildet die ganz
allein dargestellte Frau hier das Relief oder Gemälde
einer Grabstele. Es war ein allgemeines Motiv
für Frauen, derselben Art wie das Halten von
Schmuckgegenständen oder dgl. Eine speciellere
Deutung unserer Bilder als die eines Besuches im
Frauengemach dürfte aber überhaupt dem zarten
Wesen dieser Gattung allgemein gehaltener attischer
Vasenzeichnungen widersprechen.
Bevor wir nun die historische Stellung unseres
Gefässes innerhalb seiner Gattung des Genaueren
fixiren können, müssen wir zunächst die technische
Ausführung desselben etwas näher betrachten. Die
Zeichnung ist, wie schon bemerkt, durchweg mit
dem Pinsel ausgeführt, und zwar ohne Zuhülfenahme
von anderen Farben lediglich mit der schwarzen
Firnissfarbe. Gleichwohl hat der Künstler eine
Abwechslung dadurch erreicht, dass er die Farbe
bald dick und schwarz, bald verdünnt und braun-
gelb auftrug. Diese Nüancirung sucht die von uns
gegebene Reproduction möglichst genau zum Aus-
drucke zu bringen. Namentlich sind die vielen
feinen Falten des langen Chitons der Frau mit den
weiten Oberärmeln durch die ganz dünne gelbliche
Firnissfarbe gegeben, während der gröbere Stoff
des Mantels, welchen der Mann nach der gewöhn-
lichen Sitte so umgeworfen hat, dass seine rechte
Brust davon frei bleibt, durch wenige kräftigere
Pinselstriche characterisirt ist. In ganz anderer
Weise ist der Mantel unserer Frau behandelt, indem
derselbe nicht bloss couturirt, sondern, wie auch
die Haare, mit der schwarzen Farbe voll ausgefüllt
ist. Diese Füllung ist indess kein gleichmässiger
schwarzer Ueberzug nach Art der schwarzfigurigen
Technik, sondern ungleich aufgepinselt, bald dicker
bald dünner, was unsere Tafel wicdergiebt *). Es
ist klar, dass diese Füllung mit dem Firnisse hier
nur der Ersatz für die Füllung mit einer anderen
wirklichen Farbe ist; das Gefäss ist also wieder
ein deutlicher Beweis, wie man keinen Anstoss
daran nahm, einen Theil der Gegenstände, nament-
*) Fi"eilich ein wenig zu stark, indem nicht alle zarten
Uebergiinge sich wiedergeben lassen. — Die weisse Stelle in der
Mitte ist am Originale durch Abspringen des Firnisses verletzt.
136
A. Furtwängler, Attische Lekythos.
lieh der Gewänder, mit Farbe gefüllt, einen anderen
bloss mit Linien umrissen zu seilen. Die Blättclien
der Palmetten an der Schulter unserer Vase wieder-
holen denselben Gegensatz des Gefüllten und nur
Conturirten.
Es würde zu weit führen, wollten wir die Ent-
wickelung- der attischen weissen Lekythen in allen
ihren Stufen verfolgen; nur auf einige für die Er-
kenntniss der Stellung unseres Gefässes besonders
wichtige Puncte sei hingewiesen.
Die Bildfläche von Vasen aus dem üblichen rothen
Thone mit einer dünnen weissen Tlionschicht zu über-
ziehen, wurde erst gebräuchlich in der Zeit der letzten
Entwickelung des schwarzfigurigen Vasenstils, doch
hier in grosser Ausdehnung namentlich fürOinochoen,
Schalen, Skyphoi und vor Allem für Lekythen ver-
wendet. Die Darstellungen auch auf letzteren sind
meistens mythische. Die daneben sich entwickelnde
rothfigurige Technik wird nun aber aucli auf die
weissen Lekythen übertragen, indem dieselben statt
voll angepinselter schwarzer Figuren vielmehr blosse
Contur- Zeichnungen strengen Stils erhalten. Die
Darstellungen dieser Lekythenklasse weichen ebenso
von denen der schwarzfigurigen ab, als sie mit denen
der streng rothfigurigen übereinstimmen. Scenen des
täglichen Frauenlebens aus möglichst wenig Figuren
bestehend wiegen hier weitaus vor, und unter den
Göttern sind Nike und Eros, auch Athena bevor-
zugt*)-, auf Grabescult Bezügliches findet sich nie-
mals. Nicht selten indess werden auch hier schon
einzelne Gewänder sei es nur mit Firniss sei es
mit rother oder brauner') Farbe gefüllt. Dieselbe
Technik ward auch für Innenbilder von Schalen
des strengen Stils beliebt; ein bekanntes, durch
den Künstlernamen hervorragendes Beispiel hiervon
ist die Berliner Schale des Euphronios (Gerhard,
Trinksch. u. Gef. 14).
Nur wenig später als die erwähnte Gattung
') Hierher gehören z. B. Ero3, Berlin 713; Nike fliegend
vor einem Altar, Berl. 2417; Nike mit Hydria, Benndorf Gr. Vb.
Taf. 31, 2; Athena stehend, Berh 1890; im athenischen Kunst-
handel ein besonders vorzügliches .Stück mit einem grossen
Athenakopfe; ein ähnlicher mit einem grossen weiblichen Kopfe,
neben welchem noch die leierspielenden Hände vorkommen, von
vier dorischen Säulen überdacht.
'') Violett und Blau kommen in dieser Gattung noch nicht vor.
scheint eine andere Gruppe weisser Lekythen zu
sein, welche die Conturzeichnung nicht in der
Weise der rothfigurigen Technik mit jenen feineu
Linien, die deutliches Relief haben, sondern
mit breiteren Pinselstrichen und mit verdünnter,
gelblicher Firnissfarbe aufträgt. Farbige Füllung
erscheint hier niemals. Der weisse Thougrund
hat hier nicht den dunkleren gelblichen Ton der
vorigen Gruppe, sondern ist von hellem, lichtem
Weiss. Der Stil der Zeichnung ist in der Regel
etwas weniger streng als in der vorigen Gattung
und die Augen sind bereits meist im Profil ge-
zeichnet. Den Hauptunterschied bilden jedoch die
Darstellungen, indem zwar hier diejenigen der vo-
rigen Gruppe nicht gauz fehlen'), doch bei weitem
die auf das Grab bezüglichen (es ist meist die
Schmückung der Stelen durch die Frauen oder die
blosse Darstellung des Grabes selbst) überwiegen.
Die hier dargestellten, meist vor einem Tumulus
befindlichen Stelen bieten übrigens für jene bekla-
genswerthe Lücke in den erhaltenen, nämlich aus
der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts wenig-
stens einigen Ersatz*).
Von diesen beiden Gruppen unterscheidet sich
unsere Lekythos durch einige Eigeuthümlichkeiten,
welche sie vielmehr in Verbindung mit den nun
folgenden Gattungen des ganz freien Stiles setzt.
Hals und Schulter der Vase zeigen dort nämlich
noch immer den vollen Thongruud und die Schulter
ist mit den aus Lotosknospen entstandenen schwar-
zen verticaleu Strichen bemalt. Hier ist der Hals
bereits schwarz gefirnisst und die Schulter zeigt
den weissen Grund und darauf freie Palmetten-
ranken. Dies ist bereits der für alle weissen Le-
kythen des ganz freien Stils festgehaltene Typus.
Unser Beispiel dürfte jedoch eines der ersten des-
selben sein: denn in seinen übrigen Eigenschaften
schliesst es sich vielmehr an die beiden vorigen
Gruppen an, zwischen denen es in der Mitte steht,
und zwar au die zweite derselben durch die Ver-
wendung der breiteren Pinselconturen ohne Relief
') Z. B. Berl. 712 eine sitzende Frau spendend; Benndorf
Gr. Vb. Taf. 27, 2 Iris.
") Nicht viele sind publicirt; von denen bei Benndorf Gr. Vb.
gehören hierher Taf. 19, 2. ä; 24, 1. 2.
A. Fartwängler, Attische Lekythos.
137
und das helle Weiss des Thongrundes, an die erste
jedoch durch die Art der theilweise gefüllten, theil-
weise nur conturirten Gewänder, ferner durch die
dem häuslichen Leben der Frauen entnommene Dar-
stellung, endlich durch den strengeren Stil; denn
auch hier sehen wir die Augen noch en face,
nicht im Profil gezeichnet. Hierzu und zu einer
Datirung des Gefässes nicht viel nach der Mitte
des fünften Jahrhunderts passt auch die Inschrift,
die coustant noch das dreischenklige Signia ge-
braucht; dieselbe, die hauptsächlich der Füllung
des Kaumes dient, enthält nur die gerade in der
genannten Zeit besonders beliebten xaAo'g-Eufe: 1.
ö JTßlg xalög, oben xaXog, r. 'Olvvmxog xalog").
Es ist indess gar nicht zu bezweifeln, dass die
Vase bereits der Zeit des Schwankens zwischen s
und s angehöre, denn die oben genannte Schale
des Euphronios, die nach der angewandten Technik
(Linien mit Relief) und der noch etwas strengeren
Zeichnung eher etwas älter sein müsste als unsere
Lekythos, schreibt bereits S; ferner zeigt z.B. eine
weisse attische Lekythos, die als die unmittelbar
nächstfolgende Stufe nach der unsrigen gelten muss
und von ihr im "Wesentlichen nur durch den freieren
Stil unterschieden ist, nicht nur bereits s sondern
auch das ionische Lambda a '"). Doch ist bekannt
und liesse sich leicht an vielen Beispielen zeigen,
dass die Vasenmaler noch lange s schreiben, nach-
dem s in den officiellen Gebrauch übergegangen
und auch ihnen nicht mehr unbekannt war.
Wir sahen, dass in verschiedenen Beziehungen
unser Gefäss einer Uebergangszeit angehört, indem
es die Eigenschaften mehrerer fest geschlossener, auf-
einander folgender Gruppen vereinigt. Ganz ver-
einzelt steht das Gefäss indessen nicht, wenn ich
auch augenblicklich als in Stil und Technik fast
genau tibereinstimmend keine Lekythos, sondern
nur ein weisses Alabastron aus Athen (Berl. luv.
no, 2632) nennen kann.
') Ein in Athen nicht ungewöhnlicher (vgl. C. I. A. 1, 443;
C, /. Cr. 120; 768), doch auf Vasen mir sonst nicht bekannter
Name.
'») Berl. Inv. no. 2508 APOMinPOS: KAAOS APOMO-
KAEIAO sitzende Frau, der eine Amme das Kind hinhalt.
Nur mit wenig Worten sei der weiteren Ent-
wicklung der weissen Lekythen gedacht. Gemein-
sam ist den folgenden Gattungen, dass andere Dar-
stellungen als solche, die sich auf Grabescult und
Tod beziehen, niciit mehr vorkommen. Es folgen
zunächst die ohne Zweifel noch ins fünfte Jahr-
hundert gehörigen Lekythen, welche die Umrisse
der Figuren noch mit verdünnter Firnissfarbe geben
(z. B. Benndorf Gr. Vb. Taf. 20, 2), dann diejenigen
welche die Firnissfarbe nur selten und für ge-
ringeres Detail, für die Conturen der Figuren aber
eine matte graue oder gelblichbraune Farbe ver-
wenden (z. B. Benndorf Taf. 18, 2), endlich die
ohne alle Firnissfarbe und mit rothen oder roth-
braunen Conturen der Figuren. Da die Bekrönung
der Grabstelen mit Akanthos erst in den beiden
letzten Gattungen auftritt, so werden jene vorher-
gehenden Gruppen, da der Akanthos auf inschrift-
lich zu datirenden erhaltenen Stelen schon zu An-
fang des vierten Jalirhunderts erscheint, noch in
das Ende des fünften oder wenigstens den Anfang
des vierten Jahrhunderts gewiesen. Auch dies eine
Bestätigung, dass die früher besprochenen älteren
Gi'uppen ungefähr in die Mitte des fünften gehören.
Zum Schlüsse möchte ich noch auf eine gewisse
Analogie hinweisen, die mir zwischen der besproche-
nen Entwicklung der weissen Lekythen und den
attischen Grabreliefs zu bestehen scheint. Es be-
darf dieser Punkt noch genauerer Forschung; in-
dess eine bestimmte Verwandtschaft der Darstel-
lung unserer Lekythos, ebenso wie der ähnlichen
oben Anm. 10 erwähnten, mit denjenigen älte-
ren 'Grabreliefs, welche nur Scenen aus dem
täglichen Leben des Frauengemaches darstellen,
ist nicht zu läuguen; und wie nun in den atti-
schen Grabreliefs offenbar, freilieh erst im vierten
Jahrhundert, eine Beziehung zum Tode und Ab-
scheiden immer deutlicher zum Ausdruck zu ge-
langen scheint, so sahen wir jene einfachen Lebens-
darstellungen von den weissen Lekythen schon in
der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts ver-
schwinden, um den von Grab und Tod entlehnten
Stoffen zu weichen. A. Furtwängler.
ArctaUolog. Ztg., Jahrgang XXXVUI.
19
PHINEUS AUF VASENBILDERN.
(Tafel 12.)
Die bis jetzt bekannt gewordenen bildlichen
Darstellungen der Phineussage entsprechen inhalt-
lich den beiden ältesten Phineusbildern, von wel-
chen wir Kenntniss haben, jenen am Kasten des
Kypselos') und am Throne von Amyklae^), d. h.
sie stellen ebenso wie jene die Befreiung des nor-
dischen Königs von den Harpyien dar.
Die Anzahl der nachgewiesenen Bildwerke ist
freilich noch eine ziemlich geringe, allein eine ver-
gleichende Betrachtung derselben, wie wir sie hier
anstellen wollen, erscheint uns schon deshalb lohnend,
weil abgesehen von den gemeinsamen Grundzügen
der Composition, die dadurch allein sich ergeben,
nur auf solche Weise namentlich das eine der
beiden Vaseugemälde, die auf Taf. 12 zum ersten
Male veröffentlicht werden, seine eigenartige Auf-
fassung des Mythus hinreichend erkennen lässt.
In Ansehung der Alterthtimlichkeit wenn auch
nicht seiner Inschriften, so doch der Compositions-
weise und der Stilformen ist an erster Stelle zu
erwähnen das innere Flanken-Bild einer grossen
schwarzfigurigen Kylix aus der ehemaligen Samm-
lung Feoli, jetzt im Museum der Universität Würz-
burg: Bull. d. Inst. 18G5. p. 50ff. (Brunn.) Ur-
lichs, Verzeichniss der Antikensammlung d. Univers.
Würzburg, Heft III p. 89. Mon. d. Insl. X. tav. VIII,
Ann. 1874. p. 3ff. (Flasch.)
Phineus ruht auf einem Bette, vor dem ein
Tisch aufgestellt ist. Aus der Armbewegung des
Blinden entnehmen wir, dass der Tisch mit Speisen
besetzt zu denken ist, von denen er zu sich zu
nehmen im Begriffe steht. Dass die Harpyien zu-
gegen gewesen sind und das Mahl zu stören ver-
sucht hätten, dafür fehlt jede Andeutung; es sind
weder auf dem Tische Speisen zu unterscheiden,
noch hängen solche, wie sonst der Fall ist, von
') Paus. V, 17, 4: 'hivivg xi ö ©oftf laiC, xtü ol natiSi;
ot Boq(ov lüg 'AQ7iv(ai ün avioij Sidxovaiy.
^ Paus. III, 18, 8: Kälaig äi xai Zrjirji ii'ti '.Aijnvlai
'l'iv^dig üntXuvvovaiv.
demselben herab oder liegen am Boden. Wir
müssen demnach als Idee des Vasenmalers anneh-
men, dass die Harpyien zwar gekommen seien,
ihren Unfug zu verüben, aber an der Ausführung
durch die beiden Boreassöhne gehindert wurden.
Auch in den Händen der flüchtigen Unholde ist
nichts zu gewahren, was sie geraubt hätten. Mit
ausgebreiteten Armen fliegen sie dem Meere zu,
das durch eine Wellenlinie und Fische darin ange-
deutet ist, verfolgt von Zetes und Kaiais, welche
mit der einen Hand die Fliehenden zu erhaschen
suchen, mit der anderen drohend das gezückte
Schwert schwingen.
Alles in diesem Bilde entspricht der Darstellungs-
weise der ältesten griechischen Kunst. Die Boreaden
sind bärtig und tragen ihr langes Haupthaar im
Nacken zu jener Form aufgebunden, in der man
den altattischen Krobylos erkannt hat. Ihre Tracht
besteht in dem ebenfalls aus alten Bildwerken be-
kannten kurzen Männer-Chiton. Namentlich aber ist
die Beflügelung der Verfolgten sowohl als der Ver-
folger alterthümlich: sie tragen je vier grosse Flü-
gel an den Schultern, das eine Paar nach oben,
das andere nach unten aufgeschlagen, dazu an
den Stiefeln ein kleineres Flügelpaar, ganz nach
Art des Hermes auf älteren Vasenbildern. Abge-
sehen von der Beflügelung aber sind die Harpyien
einfache Frauengestalten ohne irgend einen Zusatz
von nicht-menschlicher Form; ihre Haare fliessen
aufgelöst den Nacken hinab, ihre Tracht ist ein
gegürteter langer Chiton mit violetten Streifen.
Wollen wir uns von den beiden durch Pausanias
beschriebenen Bildwerken eine Vorstellung machen,
so halten wir uns am zweckmässigsten an dieses
Vasengemälde und zwar nicht blos in der Anlage,
sondern, wie wir eben gesehen haben, auch im
Detail. Nur giebt es jenen gegenüber den Vor-
gang noch durch drei weibliche Gestalten erweitert,
die um das Bett des Phineus angeordnet sind.
A. Flasch, I'hineus auf Vasenbildern.
139
Zwei davon — sie stehen zu Füssen der Klinc —
bilden eine Gruppe. Obwohl die eine der beiden
Frauen durch eine Knospe, die sie am Stengel
hält, sinnreich characterisirt ist und sich als eiu
der römischen Spes verwandtes Wesen zu erken-
nen giebt, so würden wir doch wohl olme die In-
schrift über die Deutung in Verlegenheit sein, we-
nigstens sie schwerlich erhärten können. Es sind
Heren, und wir müssen gestehen, dass durch ihre
Einführung die trockene Schilderung des Vorganges
anziehender geworden ist, indem sie uns sozusagen
eine Perspektive in das langjährige Leiden und das
Elend des Phineus eröfl'net. Die Göttinnen der Zeit-
abschnitte, der Stunden Tage und Jahre, führen ja
nicht bloss die Zeitigung der Feldfrüchte herbei
(Hes. Theog. 903 : alv l^y' wqevovoi xarad-vT^Toiai
ßgoToJai), sie zeitigen freundlich gesinnt auch der
Menschen Hoffnungen und Erwartungen und bringen
wiewohl oft zögernden Fusses den Leidenden Er-
lösung^). So haben sie auch dem Pliineus des
Bildes die erlösende Stunde heraufgefUhrt.
Die dritte weibliche Figur steht zu Häupten des
Bettes. Schon wegen dieser Sonderstellung, dann
aber auch, weil ihr der Maler einen besonderen
Namen — er nennt sie Erich tho — beigeschrieben
hat, kann sie nicht als dritte zu den Hoien ge-
rechnet werden. Diese erscheinen eben nach atti-
scher (Paus. IX, 35, 1) oder überhaupt älterer
(Paus. III, 18, 7) Anschauung in der Zweizahl. Hin-
sichtlich des Namens Erichtho aber lässt uns die
literarische Ueberlieferung im Stich ; sie meldet von
keinen Beziehungen desselben zu dem Mythus des
Phineus, und wir müssen uns deshalb begnügen, die
Figur im allgemeinen als zugehörig zu dem Blin-
den zu bczeiclmen, in ihr eine durch Familienband
an ihn geknüpfte Pflegerin zu sehen. Darnach
hätte der Maler jene Version des Mythus nicht ge-
kannt oder wenigstens nicht befolgt, nach welcher
Phineus das göttliche Strafgericht durch Versto-
ssung seiner ersten Gattin und Missliandlung ihrer
Kinder auf sich zieht. Schwerlich nämlich hätte
jene Version dem Künstler Veranlassung geboten,
eine familienangehörige Person in der Umgebung
») Cf. Thcükr. XV, 103. 11. XXI, 450.
des Phineus aufzuführen. Die Namen seiner Gat-
tinnen aber lauten sonst Kleopatra, eine Tochter des
Boreas und der Oreithyia, Idaia, Eidothea, Eurytia,
vgl. Soph. Antig. 980 nebst Schol., Schol. Apoll. Khod.
II, 178. Schol. Odyss. XII, 69. Welcker, Gr. Trag.
329 ff. Preller- Plew, Gr. Myth. II, p.331 Anm. 1.
Noch ein zweites schwarzfiguriges Bild können
wir erwähnen, das zwar nicht den Phineus, aber
die Harpyien in Beziehung auf ihn darstellt. Das-
selbe gehört zu den Fragmenten einer archaischen
Vase aus Aigina, welche vor kurzer Zeit vom
Berliner königlichen Antiquarium erworben worden
sind und demnächst in der arch. Ztg. veröffentlicht
werden sollen. In einem von Ornament eingerahmten
Felde sieht man zwei Harpyien, die erste als Are-
pyia insehriftlich bezeichnet, in einem förmlichen
Wettlauf dahineilen. Es sind geflügelte Frauen mit
fliessendem Haar; beachtenswerth ist ihr kurzer
Chiton; ferner hat der Maler der ersten die Hände
krallenförmig stilisirt. Ein zweites Feld, das ver-
loren ist, enthielt wahrscheinlich den Phineus mit
einer Nebenfigur. Auf einem anderen erhaltenen
Felde sieht man Perseus durch die Luft fliegen, wäh-
rend hinter ihm seine Beschützerin Athena steht.
Demnach hätten die Gorgonen das Gegenstück zu
den Harpyien gebildet, gerade wie sie bei Aischylos
in den Eumeniden (V. 48 ff.) einander parallel ge-
nannt werden.
Im Stile der entwickelten Kunst und schon
realistischer in der Auffassung giebt den Vorgang
das leider etwas fragmentirte rothf. Bild einer
Amphora aus attischen Ausgrabungen: Millingen,
A71C. Utied. Mofi. 15 — Stackeiberg, Gräber der
Hellenen 38. Ersterer erklärt dasselbe richtig,
letzterer will den Tod des Agamemnon und die
Erinyen dargestellt sehen.
In dem Feoli'schen Bilde ist Phineus als blin-
der Mann dargestellt, hier giebt sich der weiss-
häuptige Greis durch ein Scepter als König zu
erkennen. Er liegt auch nicht zu Tische, son-
dern sitzt hinter demselben, wenn man nach der
unklaren Zeichnung urtheilen darf, auf einer Er-
höhung. Speisen sind hier deutlich auf dem Tische
angegeben. Einzelnes entfällt oder ist entfallen,
19*
140
A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern.
Dank den Haipyien, gegen die Phineus — ein
Zeichen der Klage — die Rechte erhebt. Sie ent-
■weiehen eben mit ihrer Beute; zwei davon tragen
lange Fetzen, wohl Fleischstiicke , in den Händen,
eine dritte, wie es scheint, ein Brod. Die vorge-
schrittenere Kunst dieses Bildes zeigt sich besonders
in der Cliarakteristik, in den Wendungen und Be-
wegungen der Räuberinnen, wodurch den Gestalten
der Charakter flüchtiger, haschender, gieriger Wesen
eingeprägt ist. Ob auch die struppigen Haare so-
wie das unschöne Profil vom Maler beabsichtigt
sind und mit zur Charakteristik dienen sollen,
lässt sich bei der auch sonst zu Tage tretenden
Flüchtigkeit desselben leider nicht entscheiden;
im übrigen hat die Bildung der geflügelten Frauen
nichts Auffallendes.
Von den Boreaden vermag ich nur einen mit
Sicherheit zu erkennen, jene stark fragmentirte Ge-
stalt rechts neben dem Tische des Phineus, von
der nur die Unterbeine mit Stiefeln, die Spitzen
der Flügel, der Kopf, ein Stück des mit der Lanze
zum Wurf emporgehobenen Armes und ein Rest
der vorgestreckten Linken mit umwickelter Chlamys
erhalten sind. Millingen hält die sich bückende
Figur zur äussersten Rechten in der Publication
für den zweiten Boreaden. Das ist naheliegend,
um so mehr als die Figur einen kurzen Chiton trägt,
während doch die drei sicheren Harpyien mit langem
Chiton angethan sind. Allein mir scheint die Hal-
tung der Gestalt — sie duckt sich im weiten Aus-
schritt und bewegt die Hände nach unten, wie
wenn sie etwas aufraffen wollte — weit eher einer
Harpyie zu entsprechen als einem Boreaden, so
dass ich geneigt bin einen Irrthum oder eine Nach-
lässigkeit des Vasenmalers anzunehmen, der ent-
weder den zweiten Boreaden vergessen oder Bo-
readen und Harpyie verwechselt hätte.
Beide Bildwerke, das Feoli'sche und das Gra-
ham'sche, haben das gemeinsam, dass sie das
Abenteuer in keine sichtliche Beziehung zu dem
Zuge der Argonauten setzen. In den literarischen
Quellen des Mythus kommen die Boreaden als
Theilnehmer an der Argofahrt an das Gestade
ihres Oheims; in diesen Bildern dagegen findet
sich keinerlei Andeutung, weder dass die Befreier
zu Schiffe, noch dass sie überhaupt mit anderen
Genossen gekommen sind. Nicht so das nächste
Bild, welches die Befreiung des Phineus als ein
Abenteuer auf der Fahrt der Argo nach Kolchis
darstellt. Es ist unter dem bestimmten Einflüsse
der ausgebildeten Argouautensage entstanden, und
nicht bloss das, es kann auch seiner zeitlichen
Entstehung nach jener Epoche nicht fern stehen,
welclie das Gedicht des ApoUonios hervorgebracht
hat; denn seiner schon etwas lockeren Stilistik
nach gehört es eher dem Schlüsse des 3. Jahr-
hunderts v. Chr. als dessen mittleren Decennien an.
Es handelt sich um das bekannte Amphora-Bild
der Sammlung Jatta in Ruvo: Calalogo del Mnseo
Jatla, No. 1095. Bull. Arcli. Nap. IlL p. 28 ff.
IV. p. 199ff. Mon. d. Inst. 111,49, Ann. 1843. p. Iff.
(Duc de Luynes.) Stephani, Boreas und die Boreaden
p. 19, 2.
Die Scene ist hier zu einer breiten, figuren-
reichen Composition ausgesponnen, in welcher des
Phineus Befreiung von den Harpyien nur den
Mittelpunkt bildet. Der blinde, etwas verwildert
aussehende Phineus sitzt an dem Felsgestade seines
Landes. Seine königliche Würde ist durch ein
Scepter gekennzeichnet; dass er aber ein barbari-
scher König ist, lehrt seine phrygische Kopfbe-
deckung. Er hatte sich die Mahlzeit vorsetzen
lassen, der Tisch ist aber aus seiner geraden Stel-
lung verschoben und die Speisen sind durcheinander
geworfen. Laut klagend über sein Missgeschick,
schmerzbewegt aucii im Antlitz, streckt Phineus
seine Linke aus. Die Harpyien, zwei an Zalil,
tragen wieder den kurzen Cliiton, der ähnlichen
Dämonen von der ausgebildeten griechischen Kunst
insgemein gegeben worden ist, um dadurch den
Eindruck ihrer Raschheit und Bewegungsfähigkeit
zu erhöhen. Unmenschliche Bildung haben sie nicht,
allein die eine ist entstellt durch einen scheusslichen
Mund mit aufgeworfenen Lippen und durch eine
grosse, habichtartig gekrümmte Nase. Auch in
den verzogenen Augenbrauen und dem wirren
Haar hat der Künstler das Unholde dieses Wesens
auszudrücken versucht. Beide werden mit iiirem
A. Flascb, Phineus auf Vasenbildern.
141
Raube von den Boreadcn, von deui einen mit Speer,
von dem anderen mit dem Sciivverte dem Meere
entgegen gescheucht, wobei die erste ihrem Ver-
folger, der eben den Speer auf sie entsenden will,
die Rechte entgegenstreckt. Dieser Gestus, der nur
dahin interpretirt werden darf, dass sie um Schonung
ihres Lebens bittet, ist ein erfreulicher und frischer
Zug, welchen kein anderes Bild bringt. — Dem Vor-
gange folgen in der nächsten Umgebung des Phineus
einige Personen mit gespannter Aufmerksamkeit.
Am meisten füllt darunter ein Mann mit Speer in
die Augen, der durch seine Tracht, Hosen und
pbrygische Mütze, seine Zugehörigkeit zu Piiineus
zu erkennen giebt. Er ist ein getreuer Wächter
oder Pfleger, das mänjiliche Gegenstück zu jener
Frauengestalt zu Häupten der Kline auf der Feoli-
Vase. Duc de Luynes hat ihn an der Hand des
Apollonios*) Paraibios genannt; ob der Maler ihm
denselben Kamen gegeben hätte, ist nicht zu sagen,
auch an und für sich gleichgültig; nur auf das Ver-
hältniss kommt es hier an.
Auffallend schon dadurch, dass sie sitzt, noch
mehr aber durch das Kerykeion in ihrer Hand ist
ferner eine Jünglingsgestalt, die zwar gegen Phineus
gekehrt ist, aber sich umgewandt hat und mit er-
hobener Hand der Verfolgungsscene zuschaut. Duc
de Luynes will in ihr den Aithalides sehen, der
durch das Kerykeion als Sohn des Hermes charakte-
risirt sei '). Am besten ist es jedenfalls, wenn man
einmal an einen Argonauten denkt, hier den Herold
derselben zu sehen, der mit Phineus in ihrem Na-
men unterhandelt, das Mahl absichtlich hergerichtet
und die Verfolgungsscene in's Werk gesetzt habe.
Allein was soll überhaupt ein eigener Herold,
hier wo die ganze Schaar der Argonauten an's
Land gestiegen ist, wo unter anderen doch sicher-
lich auch lasou , der Führer und naturgemässe
*) Apoll. KhoU. II, -lös ff. : aiiv totatvä ixuvt Ilu^iulßiog,
Ö'j ^ß Ol fltV (fCi.XUTOi.
') Noch freier sagt Jatta, Calalogo \>. ülO: Quimlo alla
inierpreiazione della figura par7m allresi che nhin duhbio
debba aversi a crederla Erito o Echione o Elhalide, lulti Ire
ßgliuoli di Mircurio, i quali /ecero parte degli Argonauli. —
Ueber Aith-ilides s. Apoll. Rhod. I, 59 ft. : itCo^s 0' kit' (x J'i)os
ägiax^li 7t(>o(^xav AlOaliärfv xriQvxa 9o6v, ii!)7i(n ji fi0.t-
aOtti äyyi).(a; xiti ax^mnov (nttittnov Euutluo x. t. r.
Si)recher derselben, vom Maler gegenwärtig gedacht
sein muss ! Es bleibt uns keine andere Annahme als
die auch methodisch allein begründbare, dass näm-
lich die Figur Hermes sei. Schon das Sitzen unmittel-
bar in der Nähe des aufgeregten Vorgangs zeigt ein
über die Sache gleichmUthiges, göttliches Wesen an,
und auch die Begründung seiner Anwesenheit fällt
nicht schwer. Denn welcher Vorgang in der Heroen-
welt verträgt nicht die Gegenwart des Götterboten,
durcli den ein Ereigniss an den Willen des Zeus ge-
knüpft wird, namentlich auf einer sogenannten unter-
italischen Vase, wo das Einmischen göttlicher Wesen
in menschliche Vorgänge geradezu Regel ist, eine
Tendenz, in der sich merkwürdiger Weise die Aus-
gänge der griechischen Kunst mit ihren Anfängen be-
gegnen? Ausserdem aber ist Hermes als Theilnehmer
an dem Harpyienabenteuer keineswegs eine freie,
neue Erfindung unseres Vasenmalers oder seines
Vorbildes ; nach Hesiod (Schol. Apoll. Rhod. II, 296)
und Apollonios (II, 28G) hiess eine Botschaft des
Zeus die Boreaden von der Verfolgung abstehen,
bei dem letzteren bringt Iris die Botschaft, bei
ersterem Hermes *).
Wir müssen aber noch die Frage aufwerfen, ob
Hermes nur augenblicklich gegenwärtig gedacht
sei oder ob wir ihn nicht vielmehr im Sinne des
Malers als Theilnehmer an dem Argonautenzuge zu
betrachten haben. Zu dieser Frage nöthigt uns
schlechterdings der nllog, den er gleich anderen
Argonauten auf dem Haupte trägt. Beantworten
lässt sich dieselbe nur im Hinblick auf die An-
wesenheit noch einer anderen Gottheit, nämlich
der Athena. Obschon ihre sonstigen Kennzeichen,
wie Aigis und Helm fehlen, obschon sie gleichfalls
eine Schifl'ermütze auf der Hand hält, — mit dem Stab
in ihrem Arm kann nur eine Lanze gemeint sein,
und ein Schild zu ihren Füssen muss wohl als ihr
<■) Auf diese Deutung bin ich namentlich durch Engelraann
aufmerksam geworden, der hauptsächlich wegen der Anwesen-
heit des Hermes das bekannte Relief einer ephesischen columna
caelata auf nnsere Scene beziehen und den geflügelten Dämon
mit dem Schwert an der Seite für einen Boreadon erklären
will (vgl. Arch. Ztg. 1879. S. 114), worin ich ihm allerdings
nicht beistimmen kann. Die Robert'sche Erklärung freilich (Berl.
^yinckelnlannsprogr. 1S79) halte ich für nicht minder bestreitbar.
142
A. Flaseh, Phineus auf Vasenbildern.
Eigenthum betraclitet werden '). Wir kennen die
Laxheit der 8i)äten Vasenmaler in Bezug auf die
Charakteristik ihrer Figuren zu sehr, als dass wir
uns durch diese schwächliche Kennzeichnung in
unserer Deutung beirren lassen könnten. Allein die
gewöhnliche Athena ist hier nicht dargestellt, son-
dern wie ausser der Haltung die Schiffermiitze zeigt,
die Beschützerin der Argonauten, die Geleiterin oder
Theilnehmerin des Zuges"). Und sie ist als solclie
keine befremdende Gestalt unter den Argofahreru;
auch auf der ficorouischen Ciste sehen wir sie unter
denselben als Zuschauerin bei der Bestrafung des
Amj'kos. Dieselbe Bedeutung wie für Athena hat
die Schiffermiitze auch für Hermes. Während aber
Athena müssig ist und um den dargestellten Vor-
gang sich weiter nicht bekümmert, war Hermes bei
demselben besonders betheiligt, was sein Sitzen im
Centrum erheischte. Die Aufgabe, die er da hatte,
zeigt jene Version des Mythus, wonach die Harpyien
nur für immer vertrieben , nicht getödtet werden
sollten, deutlich an: er ordnete nämlich den Vor-
gang, überwacht ihn jetzt und wird rechtzeitig den
Willen des Zeus verkünden. Unter seinen Auspicien
also geht der Befreiungsact vor sich.
Am Ufer sehen wir die Menge der Argonauten zer-
streut. Sie sind von der Argo gestiegen, die man hin-
ter den Felsen versteckt sieht, um Wasser zu schöpfen,
sich zu baden, zu kräftigen, überhaupt auszuru-
hen von der Fahrt. Darauf deutet der sprudelnde
Quell, deuten die verschiedenen Utensilien am Boden
oder in den Händen der Jünglinge, als Amphoren,
Geräthkasten , Strigilis mit Salbgefäss u. s. w. Es
wäre ein mUssiges Unterfangen, ihnen Namen bei-
legen zu wollen. Nur lason, ihr Führer, ist durch
seine Stellung zwischen der Argo und Pliineus,
also unmittelbar bei der Mittelgruppe, deutlich ge-
macht. Er steht auf einen Speer gestützt, hohe
") Duc de Luj-nes cntsclieidet sicli nicht in der Deutung der
Figur, Stejiliani nennt sie eine Frau, vielleiclit Kleo]patra, Jatta
richtig Minerva.
*) Sie hat den Beinamen 'laaovltt cf. Schol. Apoll. Uhod.
I, 955. Sie hilft die Argo bauen. Auf einer Schale des Mus.
Greg, aus Cervetri steht sie in der Nähe des Jason wie sonst in
der Nähe des Herakles oder des Perscus {Mon. d. Inst. II, 3.
Gerhard, lason des Drachen Beute. Flaseh , Angebl. Argonau-
tonbilder \k 2-1 ff.)
Stiefel an den Füssen, die Schiffermütze auf dem
Haupt, und schaut den Boreaden nach.
Die nächste Analogie zu unserem im Detail so
reichen und umständlichen Vasenbilde bietet nicht
eine rein griechische, sondern eine nur von helle-
nischer Kunst beeinflussteComposition, das Abenteuer
der Argonauten mit Amykos auf der berühmten fico-
rouischen Ciste. Dort zerfällt das Bild wie hier in
ein Centrum und viele Nebenfiguren, Argonauten
von ganz ähnlicher Erscheinung und in denselben
Beschäftigungen begriffen. Auch dort ist, wie ge-
sagt, Athena zugegen. Je öfter man beide Com-
positionen mit einander vergleicht, desto mehr muss
man die Ueberzeugung gewinnen, dass durchaus
ähnliche Argonautenbilder oder ein Cyklus von
solchen sowohl den Maler des Gefässes als den
Zeichner des Graffito beeinflusst haben.
An diese schon früher bekannt gegebenen Bild-
werke reihen wir hier zwei neue, die nicht die Be-
freiung des Phineus zum Gegenstand haben, son-
dern nur seine Strafe, sein Leiden. Beide gehören
zu der Klasse der sog. rothfigurigen Vasenbilder
und befinden sich in dem britischen Museum.
Das erste ist einer Amphora entnommen, die
aus den Salzmann'schen Ausgrabungen zu Kameiros
stammt und auf Tafel 12, 2 abgebildet ist *). Wir
sehen Phineus beim Mahle sitzen; um seine könig-
liche Würde auszudrücken, hat sich der Maler nicht
mit dem Scepter begnügt, er lässt ihn auch auf
einem Throne sitzen, und seine Füsse auf hohem
Schemel ruhen. Die Speisen auf dem Tische zur
Linken sind verstört. Eine Harpyie, gegen die
sich der König mit dem Haupte und ausgestreck-
ten Arme gewendet hat, entfiieht mit Speisen
in der Linken, mit einer Schale in der Rechten.
Sie blickt auf Phineus zurück. Bedauernswerth ist,
[*) Dem Verfasser wie dem Redacteur dieser Zeitschrift ist
bekannt geworden, dass die Zeichnung dieser Vase, yelche ihnen
durch fremde GeliiUigkeit versclialTt wurde, recht ungenügend
ist. Da aber die Aus.sicht eine bessere zu gewinnen sehr unge-
wiss ist, haben sie sich nach einigem Schw.anken entschlossen,
die Abbildung nicht zu unterdrücken, besonders da es für den
Zweck dieses Aufsatzes zuerst auf eine Anschauung der Com-
])Osition ankommt. — Herrn Percy Gardner in London sind
Verfasser und Herausgeber für die sehr nützliche Auskunft dank-
bar, die er dem letzteren bereitwilligst über manche l'unktc er-
tlicilt hat, welche die Zeichnung unsicher Hess.]
A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern
143
dass gerade der Vorderarm desselben fragmcntirt
ist. Ich glaube niimlicli, Phiueus hob den Arm nicht,
wie wir namentlich auf dem Ruveser Bilde sehen, kla-
gend empor, sondern streckte ihn flehentlich ge-
gen die erbarmungslose Ilarpyie. So gefasst gewinnt
wenigstens die Composition der Vorderseite der Am-
phora, die nur aus diesen zwei Figuren besteht,
ausserordentlich an Interesse und an Beziehung der
gegenseitig sich anblickenden Gestalten. — Auf der
Etickseite ist eine zweite Ilarpyie abgebildet, die im
Flug wie triumphirend einen Knäuel Speisen empor- ■
hält. Die Räuberinnen sind von jugendlich schö-
ner Bildung, Mädchengestalten (virginei volucrum vol-
ius vgl. Verg. Aen. III, 21G) mit kurzen, ärmellosen
Chitonen, kleinen Flügeln und wallenden Haaren.
An zwei Stellen liest man den Ausruf KAUO^-
Das Bild bietet nichts Neues. Man kann sich das-
selbe sogar recht wohl in der Phantasie durch die Bo-
readen erweitern, ohne dass man mehr als die Kopf-
haltung der ersten Harpyie und vielleicht die Arm-
bewegung des Phineus zu ändern brauchte, und es so
zu einer Befreiungsscene umgestalten. Anders das
nächste, auf derselben Tafel publicirte Bild, das
von den Elementen, aus denen die angeführten Dar-
stellungen sich zusammensetzen, nichts als den Tisch
wiederbringt.
Die Vase, gleichfalls eine Amphora, stammt aus
Nola und befand sich ehedem in dem Museum Blacas.
Es ist das Verdienst Löscheke's, die Redaktion der
arch. Ztg. auf dieselbe aufmerksam gemacht zu
haben.
Ohne weiteres erklärt sich jetzt aus dem typi-
schen Tische, der TQdn£'(^a sösafiäxcov mit den
durcheinander geworfenen und herabhängenden
Speiseresten, die aufrecht stehende Gestalt des
bärtigen Mannes. Phineus ist höheren Alters, sein
Vorderhaupt bereits kahl; er ist auch blind, nur
den Lidspalt hat der Maler gezeichnet, das Auge
nicht geöfinet. Eine Binde im Haar und ein
Scepter, das in seinem Rücken lehnt, kennzeichnen
den König, wahrscheinlich auch die Tracht, die
aus Chiton und Himation besteht. Denn auch auf
der eben betrachteten Vase kehrt dieselbe Tracht
auffallender Weise wieder, während es doch Brauch
der auf solcher Hübe stehenden griechischen Kunst
ist, bei Männern insgemein den Chiton hinwegzu-
lassen und sie nur mit dem Himation zu drapiren.
Durch diesen Gegensatz zu dem lieblichen wirkt die
Gewandung schon bedeutungsvoll. Ziehen wir noch
hinzu, dass auch das Ruveser Bild dieselbe Tracht
zeigt und auf den sogenannten unteritalischen Vasen
Könige fast regelmässig den Chiton tragen, so er-
scheint es uns vollends unzweifelhaft, dass auch
hier die Würde der dargestellten Person durch die
Gewandung gekennzeichnet sein solP).
Am meisten befremdet, im Vergleich zu den an-
deren Bildern, dass hier Phineus vor dem Tische
steht, während wir ihn einmal liegend, sonst sitzend
gefunden haben. Zu dieser Haltung kommt als
nicht minder überraschendes neues Motiv die Be-
wegung der beiden Hände. Die Vorderarme sind
nämlich in ziemlich paralleler Führung leicht erhoben
und die Hände zugleich geöffnet.
Eine Erklärung des hier Dargestellten hat selbst-
verständlich von der Beschaffenheit des Tisches aus-
zugehen und nicht ausser Acht zu lassen, dass die
dort angerichtete Verwüstung zeigt, wie die Harpyien
bereits zugegen gewesen und nun entwichen sind.
Unter diesen Umständen Hesse sich, etwa auf der Rück-
seite der Amphora, eine Harpyie erwarten, ich sage
eine, weil dem einen Phineus doch nicht wohl
zwei Figuren auf der Rückseite hätten entsprechen
können. Und allerdings ist hier eine Frau darge-
stellt, allein in gewöhnlicher, uugeflUgelter Gestalt
und in ruhiger Haltung. Dieselbe ist auch zwei-
fellos als zu Phineus gehörig gedacht, allein nur in
demselben Sinne wie die Frauengestalt der Feoli-
Schale; sie ist Genossin, Pflegerin des Phineus?
vielleicht seine Gattin.
Entscheidendes also für das Hauptbild lässt sich
aus der Rückseite nicht entnehmen, dasselbe will
aus sich allein interpretirt sein. Bei einem Blinden
könnte man nun daran denken, dass er die Hände
vorstreckte, um sich tastend zu dem Speisetisch zu
bewegen. Allein dem widerspricht die ganze Hal-
') Vergl. Jatta, Calalogo p. 504: . . con lungo chitone
manicatu (ed ^ iL quarlo eaempio coteslo, dopo quello di Creonte,
di Ceteo e di Priamo, del ynwv }(tiinöu)i6g appropriato ai re
SU guesli vascularii dipinii).
144
A. Flasch, Phineus auf Vasenbildern.
tung des Phineus, der erhobenen Hauptes aufrecht
dasteht und nicht den geringsten Anschein giebt,
als wolle er vorwärts schreiten. Was sollte er auch
an dem Tische? Der Zustand desselben bezeugt,
dass ihm die Mahlzeit zum Theil schon entführt,
zum Theil ungeniessbar gemaclit worden ist. Ausser-
dem müsste er wohl mit den Händen vorwärts nach
unten tasten und sich selbst zugleich entsprechend
bewegen. Der Augenschein hingegen lehrt, dass
er seine Hände erhebt, ohne etwas greifen und
ohne sich bewegen zu wollen: er erhebt seine
Hände zu den Göttern, er betet. Stehend'") und
mit erhobenen Händen (y^elgag avaa%i!)v^ oqsyvvq)
wendet er sich zu ihnen um Erlösung von seinen
Leiden. Der Deutlichkeit halber unterstützte übri-
gens der Vasenmaler Haltung und Gestus noch
durch den Ausruf 0EOI, den er, als käme er aus
dem Munde des Phineus, beigeschrieben hat.
Das Gebet des hülflosen Alten, in dieser Einfach-
heit unter Ausschluss aller Zuthaten vom Maler vor-
getragen, macht einen ergreifenden Eindruck. Nie-
mand vermag dem Gestraften zu helfen als die Götter;
er hat es erkannt, ist in sich gegangen und nimmt
seine Zuflucht zu den gestrengen Pächtern. Diese
rein psychologische Auffassung des Mythus verleiht
dem Bildchen eine unwiderstehliche Wirkung, erweckt
in uns das tiefste Mitleid. Wir malen uns, angeregt
durch die erbarmungswürdige Erscheinung vor uns,
in der Phantasie die Summe ihres Elends weit grösser
aus, als wenn uns der Maler zeigte, wie Phineus
zu Tische sit/t und von den leibhaftig gegenwärtig
gemalten Harpyien gestört wird. Das kleine Bild
hat aber dadurch auch einen kunsthistorischen
Werth, insofern es sich mehr denn unzählige andere
Vasenbilder als ein achtes Kind der auf die Schil-
derung des Seelenlebens ausgehenden Kunst des
4. Jahrh. v. Chr. erweist.
Angebracht ist über dem Tische die Aufschrift
XAI'AAIAE^, unter demselben das dazu gehörige
KAUO^.
Die Schöpfung eines Bildes wie dieses möchte
">) II. XXIV, 30G: tvyjj 'iutna aiüs fj^aio ii>xH. l'hilostr.
Vit. Apollon. G, 4: xaOüntQ oi. lo X(itiitov oqOoi tl((>tt-
ntunvri;, was viele Bildwerke illustriron.
man gerne dem Einflüsse attischer Kunst zuschrei-
ben. Als Fundort der Vase wird Kola angegeben.
Allein wir können diesmal in der Frage nach dem
Fabrikationsorte weiter vordringen, da ein ausser-
ordentlich günstiges Geschick diese Vase und jene
aus Kameiros in ein und dasselbe Museum zusam-
mengeführt hat. Beide Stücke stimmen nämlich so-
wohl an Grösse als an Form vollkommen
üb er ein. Ferner ist auch die Kunststufe, auf der
sie stehen, die gleiche, und der Charakter der
* Zeichnung nicht wesentlich verschieden. Es müssen
also beide Amphoren aus einer und derselben Fa-
brik und aus ziemlich gleicher Zeit stammen. Der
gemeinsame Fabrikationsort zu sein , von wo das
eine Exemplar nach Kameiros, das andere nach
Nola wanderte, hat kein Platz mehr Anspruch als
Athen und es vereinigen sich glücklicher Weiseimeh-
rere Umstände, diese Hypothese fast zur Gewiss
heit zu erheben: erstens die tiefe, originelle Auf-
fassung des Mythus auf der Blacas'schen Vase, zwei-
tens die Zugehörigkeit des für beide gewählten
Vorwurfs zu der attischenLaudessage überhaupt, drit-
tens die Gegenstände anderer auf Kameiros mitgefun-
dener, stilistisch ähnlicher Vasen, worunter eine
Unterrichtsdarstellung und ein Bild mit der speci-
fisch attischen Sage von Erichthonios und den
Töchtern des Kekrops, weshalb die attische Prove-
nienz dieser schon früher vermuthet worden ist");
vgl. Ann. d. Insl. 1879. tav. d'agg. F. p. G2 — 66
(R. Engelmann); p. 112 — 119 (Heydemann). Ann. d.
Inst. 1878 tav. d'agg. 0. F. p. 284-295. Die dritte
Phineus- Vase, jene bei Millingen und Stackeiberg
publicirte, stammt aus attischen Ausgrabungen. Dass
das vierte Exemplar endlich, die aiginetischen Frag-
mente, attisches Fabrikat ist, erhebt die Namens-
form l4&>]vaitt über jeden Zweifel. Unter solchen
Umständen dürfte aber der gerade aus altattischen
Bildwerken bekannte Krobylos der Boreaden, so-
wie die vornehmlich für Attika bezeugte Zweizahl
der Hören, von denen eine durch die Blüthe sicher
' ') // Vdso la cui origine atenieee i fuor di duhbio, se si
giudica dal miio puramente ateniese .... Esso contribuisce
7wn poco a farci credere die la maggioranza dei vasi trovati
in quel silo non siano fabbricati allrove che in Atene Engel-
iiiann a. a. U. p. 65.
Th. Schreiber, Lndovisisehe Antiken I.
145
als Thallo unterschieden ist, Grund genug sein,
auch für die Feoli'sclie Vase attische Provenienz
anzunehmen. So stehen wir denn vor der er-
freulichen Thatsache, dass uns die Darstellung der
Phineussage wenn auch nur in TPenigen Bildwer-
ken, so doch in solchen vorliegt, die, eines ausge-
nommen, der attischen Kunstiudustrie angehören.
Nur von dem Ruveser Bilde lässt sich attische
Provenienz weder beweisen noch wahrscheinlich
machen. Es nimmt aber auch seiner ganzen Compo-
sition nach eine Sonderstellung ein, ist hellenistisch
nnd zwar, wie aus der Verwandtschaft mit der
erwähnten Ciste hervorgeht, italisch-hellenistisch.
Würzburg. A. Flasch.
LUDOVISISCHE ANTIKEN.
I. Paris und Oinone, ein
(Taf.
Ein vielbesprochenes Relief der Villa Ludovisi
schildert ausführlich das Urtheil des Paris. Die
Göttinnen sind von Hermes vor ihren Richter ge-
führt ; an Paris Seite , den Eros im Begriff ist zu
überreden, steht die bisherige Gefährtin seines
Hirtenlebens, die Nymphe Oinone. Sie scheint zu
ahnen, welches Unheil ihrer Liebe droht, indem sie
die Syrinx, auf der sie noch eben gespielt, vom
Munde absetzt und das heimliche Einverständniss
zwischen Paris und Eros argwöhnisch beobachtet ').
Einen Schritt weiter in der Entwickelung der
Sage führt ein anderes Monument derselben Villa,
das wie manches Bildwerk der Sammlung bisher
wenig Beachtung gefunden hat. Es ist das Relief,
welches nach einer photographischeu Aufnahme auf
Tafel 13 abgebildet ist '). Mit einem in Grösse
und Ausführung übereinstimmenden Gegenstück
bildet es gegenwärtig den einzigen Schmuck der
geräumigen, in das Erdgeschoss des Hauptpalastes
führenden Halle. Die Platte ist, obgleich vielfach
gebrochen, von vortrefflicher Erhaltung. Ergänzt
sind nur die Nasenspitzen des Jünglings und der
Frau, an letzterer noch die Spitze des 1. Daumens.
An dem Gewand des ersteren sind einige Falten
bestossen. Das Material ist grobkörniger griechi-
scher Marmor.
') Schreiber , Die antiken Bildwerke der Villa Ludovisi
nr. 106. Abweichende Auflassung bei Braun, Zwölf Basreliefs
zu Taf. VII und Overbeck, Bildw. z. troisch. Sagenkr. p. 239.
•) Katalog nr. 149. Die Maasse sind folgende: H. 1,13 m.
B. 1,33. Relieferhebung bis 0,10.
ArchUolog. Ztg., Jahrgang XXXVIIl.
hellenistisches Reliefbild.
13.)
Das Relief wird in einem Inventar v. J. 1633,
welches den Gesammtbestand der ludovisischen
Kunstschätze nach dem Tode des Cardinais Ludo-
visi verzeichnet, an der jetzigen Stelle angeführt,
die Darstellung als il rapimento d'Elena gedeutet ^).
Dieselbe Auslegung wiederholen die späteren Be-
schreiber der Villa, Pinarolo, Nibby u. A. Sie ist
auch von Winckelmann ^) beibehalten worden, der
gleich allen folgenden Erklärern das ludovisische
Relief nur beiläufig, bei Gelegenheit des verwandten
Monumentes in Palazzo Spada, mit kurzen Worten
erwähnt. Wie wenig diese Deutung mit der Dar-
stellung in Einklang steht, haben schon Otto Jahn
und Braun ') erkannt, und beide fast gleichzeitig
die richtige Erklärung gefunden. Die ruhige, nicht
zur Flucht antreibende, sondern eher abwehrende
Haltung des sitzenden Jünglings macht es unmög-
lich an eine Entfülirungsscene zu denken. Es ist
vielmehr der sich aus dem Schönheitsgerieht auf
dem Ida entwickelnde Moment wiedergegeben, die
Scene, in welcher Paris von den Versprechungen
der Aphrodite bethört sich zur Abfahrt nach Hellas
entschlossen hat, während Oinone, die treulos Ver-
lassene, noch einmal versucht den Geliebten vor
dem unheilvollen Unternehmen zu warnen. Der
Vorgang spielt sich am Gestade des Meeres ab.
3) A. a. O. p. 29 lin. 10.
*) Mon. ined. II p. 158.
^) Jahn, Arch. Beitr. p. 349. Braun, Bull. delV Inst. 1845
p. 39. 1848 p. 69. Zwölf Basreliefs zu Taf. Vlll.
20
146
Th. Schreiber. Ludovisisehe Antiken I.
Zur Linken sitzt Paris, durch die phvygische Mütze
und den Hirtenstab in seiner Linken gekennzeichnet,
auf einem Felsensitz unter einer Pinie, nicht mehr
im Hirtengewande, das er auf anderen Bildwerken
trägt, sondern mit einer leicht um die Glieder ge-
legten Chlamys bekleidet. In nachlässiger Haltung,
wie in Träumereien über das künftige Glück ver-
sunken, lehnt er den Oberkörper zurück und stützt
das lockige Haupt mit dem seitwärts auf dem Felsen
ruhenden rechten Arm. Seitlich hinter ihm, so dass
sie durch einen vorragenden Felsen unterwärts ver-
deckt wird, steht Oinone allein, nicht mehr traulich
an Paris gelehnt, obgleich die Beugung ihres Kör-
pers eine Stütze zu fordern scheint. Sie ist in den
Mittelpunkt des Bildes gestellt und darin, wie in
ihrer Geste und in der reichen Kleidung, im Schmuck
des Schleiers, der von ihrem Haupte über den Rücken
herabfällt und dessen einen Zipfel die Rechte an-
muthig gefasst hält, giebt sie sich als Hauptfigur
der Darstellung zu erkennen. Mit dem Zeigefinger
weist sie auf das Schiff zu iiiren Füssen. Sie sieht
mit dem Blick der Seherin ^) voraus, welches Un-
heil von hier') seinen Ausgang nehmen wird. Dass
ihre Warnung vergeblich ist, zeigt nicht blos die
lässige Haltung des Paris, der ihr kaum einen
flüchtigen Blick zu gönnen scheint, sondern auch
die Ausrüstung des Schiffes. Man sieht auf dem
Verdeck den in einen breiten Ring auslaufenden
Schaft des Ankers und am Schiffshintertheil einen
Schild, ein Tympanon und zwei mit flatternden
Bändern verzierte Thyrsosstäbe befestigt. Xacli
Welcker's sinniger Auslegung '') bezeichnen die bak-
chischen Geräthe „den Rausch, worin sich Paris
befindet, oder die Lustigkeit, womit er seinem ge-
wähnten Glück zueilt". Der Schild aber, wenn er
nicht leere Verzierung ist, konnte auf den Kampf
anspielen, der als letzte Folge aus dem Abenteuer
entspringen sollte. Einen wirksamen Abschluss nach
oben erhält die Darstellung durcli einen sclmialen
Reliefstreifen, der von dem Hauptbilde durch eine
schmale, unverzierte Leiste getrennt ist und in wohl-
^) Die Sehergabe der Oinone bezeugen A|iolloü. III, 12. 6.
Parthen. 4. Conon 23. Clem. Alex. Strom. I p. 144 Sylb.
') Von den v^ff ünyjxuxoi des Paris spricht schon II. V, 62 f.
«) A. D. V p. 177.
berechneter Reihenfolge die Zinnen und Gebäude
Troias summarisch andeutet. Von links nach rechts
folgen ein Stück der Stadtmauer, ein Thor, eine
Porticus, ein Tempel und eine einzelne Säule mit
undeutlichem Aufsatz aufeinander. Man bekommt
den Eindruck, als sei mit der Kleinheit dieses archi-
tektonischen Beiwerks und mit seiner Anbringung
über den Figuren in gesondertem Felde eine Art
perspectivischer Wirkung beabsichtigt. War dies
der Fall , so sollten die Gebäude Troias nicht blo.s
symbolisch die Oertlichkeit verdeutlichen helfen,
sondern sich mit dem Hauptbilde auch zu einer
räumlichen (ideal gedachten) Einheit zusammen-
schliessen. Damit liesse sich erklären, dass die
Gesammtdarstellung nach rechts durch einen Fels-
streifen abgeschlossen wird, der mit dem oberen,
die Stadt tragenden, zusammenstösst und die Meeres-
wellen mit dem Schiff wie in einen Hafen eingrenzt.
Es spricht nicht dagegen, dass die Wellen nur im
unteren Theil des Reliefs plastisch ausgeführt sind,
denn durch Bemalung, die auch an einem analogen
Relief vorausgesetzt worden ist (s. unten), konnte
die glatte Fläche über dem Schiff sehr leicht als
Wasser cliarakterisirt werden. Jedenfalls prägt sich,
worauf wir zurückkommen werden, die malerische
Haltung des Bildes in der Gesammtauffassung des
Stoffes deutlich aus.
Schon Winckelmann hatte das ludovisisehe Relief
mit einem anderen in Palazzo Spada zusammenge-
stellt, welches von ihm zuerst und seitdem ver-
schiedene Slale ') publicirt worden ist und von dem
der leichteren Vergleichung halber eine Abbildung
auch auf Tafel 13,2 reproducirt wird. Es wiederholt
im Allgemeinen die Composition der eben betrach-
teten Darstellung, doch mit wesentlichen Abwei-
chungen im Einzelnen. Aus den Pinienzapfen der
Thyrsosstäbe sind nach Brauns Angabe — das Origi-
nal lässt die Gegenstände nicht deutlich erkennen —
') Braun, Zwölf Basreliefs Taf. VIII. Jahn, Arch. Beitr.
Taf. 10. Overbeck, Gall. her. Bildw. Taf. 12, 5, daselbst p. 257
die übrige Literatur. Ergänzt an Paris: Kopf, r. Arm, 1. Hand,
an Oinone I. Hand und r. Vorderarm, am Wassergott beide Hände
und der Hals der Urne mit dem Wasser. Nicht vollständig sind die
Angaben von K. Keil, Arch. Anzeiger 1864 p. 26ö*. Die Maasse
sind: H, c. 1, 70, B. 1, 06. Relieferh. bis c. 0,lf).
Tb. Sclireiber, Ludovisische Antiken I.
147
Lanzenspitzen geworden, der Anker ist ausgelassen.
Oinone, die auf dem ludovisiscben Relief eine iso-
lirte Stellung einnimmt und sich auf einen (plastisch
nicht angegebenen) Felsen zu stützen scheint, lehnt
sich hier vertraulich auf die Schulter des treulosen
Gatten, dem sie auch den Kopf zuwendet, was
nach Wclckers richtiger Bemerkung verwirrend und
widersprechend wirkt. Wichtiger ist ein Unter-
schied, den Welcker übersehen hat. Während in
der spada'schen Darstellung sich Paris wie in herz-
lichem Gespräch aufgerichtet hat, giebt er in dem
ludovisischen Relief durch seine nachlässig abge-
kehrte Haltung deutlich zu erkennen, dass alle
Warnung fruchtlos sein wird, ein feiner, ohne Zwei-
fel dem Original gebührender Zug, durch den in
dem gegenwärtigen Moment zugleich der künftige
angedeutet wird. Auch ist der lange Schleier, den
Oinone auf letzterem Bildwerk trägt, der Würde
der Seherin angemessener, als die Haube, die ihr
in der spada'schen Replik verliehen ist. In dieser
ist von dem Schleier nur ein Rest über dem linken
Arm übrig geblieben, ein deutliches Zeichen, wie
willkührlich und unachtsam der Bildhauer die Mo-
tive des Vorbildes benutzt hat.
Besonders auffallend ist in der spada'schen Wie-
derholung die Erweiterung der Compositiou durch
die Figur einer Wassergottes, der für sich allein
die volle Breite des unteren Reliefstückes in An-
spruch nimmt. Sucht man nach einem Namen für
ihn, so haben Okeanos und die Flussgötter Ska-
mandros und Kehren, der Vater Oinonens, fast
gleiche Berechtigung, wenn auch Skamandros, als
dem Ida angehörig und auch sonst bei Begeben-
heiten der troischen Sage gegenwärtig'"), hier am
schicklichsten Platz finden könnte. Obgleich sich
also die Anwesenheit einer Lokalgottheit erklären
Hesse, so ist doch aus verschiedenen Gründen sehr
unwahrscheinlich , dass die Figur bereits der Ori-
ginaldarstellung angehört hat. Zunächst ist es ihre
Geberde, welche Bedenken erre^'t. Mit dem er-
hobenen rechten Arm (nur die Hand ist modern)
deutet sie, wie der Ergänzer wohl richtig ange-
nommen, in die Ferne und erhebt zugleich den
">) I3eisi)iele liei .Tahn a. a. O. p. 334.
Blick zu Paris hinauf. Wenn dem Künstler tiber-
haupt ein Gedanke vorschwebte, so kann es nur
der schon von Braun ausgesprochene gewesen sein,
dass der Flussgott dem zur Abreise entschlossenen
Paris eine Mahnung ertheilt „daheim zu bleiben im
Vaterlande". Es ist in dem Fall eine Nachahmung
der Warnung, welche Oinone mit gleicher Geberde
ausdrückt, eine Wiederholung des Motivs, die schon
darum nicht günstig wirkt, weil sie die Theil-
nahme von Oinone auf eine ganz untergeordnete
Figur ablenkt. Ueberdies ist das Eingreifen ir-
gend einer Lokalgottheit in den Verlauf der
Sage nicht bezeugt. Etwas anderes ist es, wenn
bei Horaz ") der greise Nereus, dessen Pro-
phetengabe die Sage oft hervorhebt, auf oifener
See dem mit Helena heimschiffenden Paris das
kommende Unglück voraussagt. Eine so selb-
ständige Bedeutung können Ortsgottheiten nicht be-
anspruchen, sie sind als reine Personifikationen mit
dem Lokal, welches sie repräsentiren, eng ver-
wachsen und eben deshalb von der bildenden Kunst
mit Vorliebe als sitzend oder am Boden gelagert
dargestellt worden. Wesen dieser Art sind, um
ein treifendes Wort von Friederichs ") anzuwenden,
„passiv nach ihrer Natur und wenn sie auch Theil-
nahme zeigen durch Geberden, so bleiben sie doch
immer kalt und uninteressant und scheinen ent-
behrlich". In der That wird niemand im ludovisi-
schen Relief die Gestalt des Wassergottes vermissen.
Die Composition ist hier in sich abgeschlossen und
klar disponirt, das Hauptbild und der darüber an-
gebrachte Hintergrund bestimmt von einander ge-
sondert. Nicht so in der spada'schen Wiederholung.
Oinone, die dort im Mittelpunkte des Bildes steht,
während Paris und Schiff, sich auf einander be-
ziehend, die beiden Seiten füllen, ist hier mehr auf
die Seite geschoben und mit Paris zu einer engen
Gruppe verbunden. Beide ragen über die obere
Trennungsleiste hinaus, was wiederum eine wesent-
liche Veränderung des architektonischen Hinter-
grundes veranlasst hat. Statt der wohl berechne-
") Carm. I, 15, 5.
'■-) Die iihilostratischen Bildei- p. 248, im Excuis „Ueber die
Personifikation der Natur'.
20 *
148
Tb. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
ten Reihenfolge der Bauten auf dem ludovisischen
Relief finden sich hier rechterseits drei tempelartige,
mit Säulenumgängen versehene Gebäude, zwei vier-
seitige, die mit Giebeldächern bekrönt sind, und in-
mitten ein Rundbau. Sie sind säuimtlich durch ein
zweites Stockwerk überbaut '^), offenbar um den
höher gewordenen Reliefstreifen zu füllen, wie ja
auch in der Mitte des Schiffes zur Verdeckung des
darüber entstandenen leeren Raumes ein arkaden-
artig sich öffnender Bau aufgesetzt ist. Nach links
folgt ein bedeutungsloser Hügel mit einem strauch-
ähnlichen Bäumchen als dürftiger Ersatz für die
neben Paris weggelassene Pinie. Am deutlichsten
zeigt sich das Ungeschick der Anlage in der räum-
liehen Einfügung der Figur des Wassergottes. Sie
ist mit dem Mittelbilde nur in sehr lockere Ver-
bindung gebracht, welche durch die vom Fuss des
Paris an quer laufende Leiste eigentlich wieder
aufgehoben wird. Indem ihr eine über die Ver-
hältnisse der Hauptfiguren weit hinausgehende
Grösse gegeben ist, soll sie augenscheinlich den er-
weiterten Rahmen wenigstens in der Breite aus-
füllen, ohne doch — wie die sehr empfindliche
Lücke unterhalb des Paris beweist — dazu geeignet
zu sein. Es ist nach dem Gesagten leicht zu er-
kennen, dass gerade diese Füllfigur die Verände-
rung und Verschlechterung der ursprünglichen Com-
position hervorgerufen hat. Um ihr Aufwärtsblicken,
durch welches allein der Zusammenhang mit dem
Mittelbilde hergestellt wird, einigermassen zu moti-
viren, musste die Hauptgruppe soviel als möglich
zur Seite gerückt werden. So zusammengedrängt
erforderte sie mehr Kaum nach oben und veran-
lasste wiederum die Verkürzung der Darstellungen
im oberen Randstreifen, während darunter links die
Pinie aus Raummangel, und aus Unverständniss auch
der Felsenrand zur Rechten in Wegfall kamen.
Von beiden Wiederholungen steht mithin die
ludovisische der Originaleomposition am nächsten,
ja sie darf wohl als getreue Nachbildung derselben
'^) Derartige Bauten sind, wenn auch nicht unerhürt, doch
keineswegs häufig gewesen. Pausanias (III, 15. 11) kennt nur
einen zweistöckig übersetzten Tempel (in Sparta). Der Tempel
des Iladrian in Kyzikos hatte ausser zwei Stockwerken noch
eine Krypta (Marquardt, Cyzicus p. 150 ff.).
gelten. Dass sie nicht selbst das Original ist, geht,
von anderen Gründen abgesehen, schon aus dem
Missverhältniss zwischen Erfindung und Ausführung
hervor. Denn trotz aller technischen Routine ist die
Arbeit von einer gewissen Trockenheit, wie sie
Werken der Kaiserzeit eigen ist, nicht freizuspre-
chen. Andererseits zeichnet sich die Composition
durch Vorzüge aus, die sie weit über die Durch-
schnittsleistungen der römischen Kunst erheben. So
bleibt die Frage übrig, welcher Zeit das Vorbild zu-
zuweisen ist. Sie wird sich, wenn überhaupt, nur
mit Hülfe eines vergleichenden Ueberblickes über
die verwandten Monumente lösen lassen.
Dass wir hier nicht eine vereinzelte Schöpfung,
sondern Produkte einer eigenthümlichen Geschmacks-
richtung vor uns haben, hatte schon Braun erkannt,
indem er mit dem erwähnten und den übrigen
sieben zu ihm gehörigen Reliefs des Palazzo Spada
zugleich vier andere publicirte, die in Auffassung
und Ausführung die nächsten Analogien bieten. Es
sind dies zwei Reliefs des capitolinischen Museums,
den schlafenden Endymion'^) und Andromeda's Be-
freiung darstellend '^) und zwei in Villa Albani be-
findliche, deren eines Daidalos und Ikaros, das
andere Herakles bei den Hesperiden behandelt.
Von einigen dieser Darstellungen sind mehr oder
weniger genaue Repliken nachweisbar "'). So ist
die Daidalosgruppe nochmals ausgeführt auf einem
Relief in rothem Marmor, ebenfalls in Villa Albani '').
Die capitolinische Darstellung der Befreiung Andro-
meda's ist mit Umkehrung des Motivs und mancher-
lei Veränderungen für ein kleines Relief des neapler
Museums verwendet "*). Die Liste ist damit nicht
abgeschlossen. In demselben Geschmack sind zwei
Reliefs des lateranischen Museums behandelt. Das
eine schildert, wie Heibig nachgewiesen hat, die
") Foggini, Mus. Cap. IV tv. 53. Braun Taf. IX.
'*) Foggini IV, 52. Braun Taf. X. Fedde, De Perseo et
Andromeda p. 63 nr. 1.
'^) Dass von dem Endymionrelief eine Keplik in Villa Ludo-
visi existire, wie Wörmann, Landschaft in d. Kunst d. a. V.
]i. 275 Anm. 31 angiebt, ist nicht richtig. Hat vielleicht das
stark ergänzte Relief mit einem gestürzten Niobiden (nr. 162)
zu dem Irrthum Anlass gegeben?
") Zoega, Bassir. tv. 44.
'») Miix. Borh. VI, 40. Fedde p. 64 nr. 3. Vgl. Mon. Matth.
III, 28. 2. Fedde p. 64 nr. 2.
Th. Schreiber, Ijudovisische Antiken I.
149
Kindlieitspflege des Pan ") , in dem zweiten hat
Kekule wohl mit Reclit die Auffindung des Knaben
Asklepios durch Autolaos erkannt "). Den gleichen
Charakter trägt ein Relief des Louvre "), gewöhn-
lich als „/e faune chasseur" citirt, in welchem ein
Satyr einem Panther neckend ein Wildpret vorhält.
Ferner ein auf unsrer Tafel abgebildetes Relief der
Villa Ludovisi "), welches, vermufhlich der ur-
sprünglichen Bestimmung entsprechend, bei der
Aufe^tellung als Gegenstück der Oinonedarstellung
verwendet worden ist. Es zeigt einen Satyr, der
eine schlafende Nymphe beschleicht, beide von einer
Grotte umgeben, zur Rechten vor derselben eine
Pinie. Hier lassen sich endlieh auch zwei Marmor-
reliefs in Palazzo Colonna ") anführen. In dem einen
sieht man zwischen einem Pfeiler mit Götterbild und
einer Herme einen stehenden Hermaphroditen, der
einen Eroten auf dem Arm trägt, hinter ihnen über
einer Mauer mehrere ländliche Heiligthümer. Das
andere enthält einen ebenfalls stellenden, syrinx-
blasenden Satyr, der sich auf einen mit einer Herme
bekrönten Pfeiler stützt. Daneben ist ein hoch auf-
ragender Baum angebracht. Im weiteren Umkreis
reihen sich, wenn auch theilweise nur als Ausläufer
derselben Richtung, zahlreiche Reliefs an, welche
unter Vermeidung mythologischer Stoffe dem Hinter-
grund eine selbständige Bedeutung geben, indem
sie landschaftliche Motive im Sinne des Idylls mit
einer gewissen behaglichen Breite schildern ^0-
Was diesen Darstellungen einen gemeinsamen
") Benndorf-Schüne, Lat. Mus. nr. 24. DaK. 11, 40. 482.
Vgl. Heibig, Untersuchungen p. 360 Anm. 6.
-'") Lat. Mus. nr. 11. Braun, Antike Marmorwerke Taf. 5.
Kekule, ^?ioiJe 3Icmorie d. I. p. 124 Anm. 4.
-') Fröhner, Notice I nr. 281. Clarac 17», 169. DaK. II,
39. 465.
■■^ Taf 13, 3. Schreiber, Villa Ludovisi nr. 148.
■'i) Gerhard, Ant. Bildw. Taf. 42, 1 u. 2. DaK. II, 56. 717.
Ueber das zugehörige dritte Relief s. weiter unten. Die Anzahl
der hierher gehörigen Reliefs wird sich vermuthlich vermehren
lassen. Vgl. z. B. das Fragment einer analogen Darstellung des
Britischen Museums (Theseus und Minotauros? Als Hintergrund
sorgfältig ausgeführtes Mauerwerk) Anc. marbl. XI pl. 48 und
unten Anm. 30. Auszuscheiden ist das in der Form des Rah-
mens an die aufgezählten Monumente erinnernde Relief des Lou-
vre DaK. II, 45. 568, welches nach Fröhner, Mus. de France
zu pl. 27 modern ist.
'*) Vgl. die Aufzählung bei Heibig, Untersuchungen p. 3G0
Anm. 7 und Wörmann, L.indsch. K. a. V. p. 296 fl'.
Charakter giebt, ist nicht sowohl die Wahl der Ge-
genstände, als die durchaus malerische Behandlung
des Hintergrundes. Baum, Fels und Meer kommen
für sich zur Geltung, sie sind mit einer Sorgfalt
und Ausführlichkeit behandelt, welche mit dem
Pinsel zu wetteifern seheint. An Stelle des knappen,
mehr andeutenden Ausdrucks der älteren Plastik ist
eine gewisse Redseligkeit getreten, die aucii vom
Nebensächlichen , vom Beiwerk nichts übergehen
will, ja gerade in ihm sich oft nicht genug thun
kann. Dabei ist docli in den besseren Reliefs ein
feines Gefühl für künstlerischen Aufbau der Staf-
fage unverkennbar. Wie schön gegliedert, wirksam
in den Contrasten und von anmuthigem Linienfluss
ist beispielsweise die Zeichnung des Louvrereliefs.
Welche Fülle reizvoller, wohlvertheilter Motive ent-
hält das lateranische Relief mit der Pflege des
jugendlichen Pan. Selbst im Grundschema der
Anordnung zeigen einige der besten Leistungen
dieser Gattung, welche weiter unten genauer zu be-
sprechen sein werden, eine unverkennbare Verwandt-
schaft unter einander.
Vor allem charakteristisch ist die Zusammenfas-
sung der Composition zu einem nur wenige, meist
zwei, nie über vier Figuren enthaltenden Bilde, dem
mit Vorliebe ein oblonger, mehr hoher als breiter Rah-
men gegeben wird. Durch letzteren und durch die
ungewöhnlich grossen Dimensionen fallen diese Jlar-
mortafeln unter der Masse römischer Reliefs, die
unsere Museen füllen, leicht in die Augen. Die
Figuren der Panspflege des Lateran und der Reliefs
in Palazzo Colonna erreichen volle Lebensgrösse.
Auf den Reliefs in Palazzo Spada ist ihnen durch-
schnittlich dreiviertel Lebensgrösse gegeben, ebenso
auf dem zweiten Relief des Lateran und dem des
Louvre. Die Gesammthöhe schwankt, wenn man
von den anders geformten ludovisischen Reliefs ab-
sieht, zwischen m. 1, 28 und 2,14, die Breite zwi-
schen 0,72 und 1,67 *'). Trotz so grosser Verhält-
nisse hält die Figurenerhebung zwischen Flach- und
Hochrelief massvoll die Mitte ein.
2*) Von einem der Spadareliefs sind die Maasse unter Anm. 9
angegeben. Lateran nr. 24 hat H. 2,14, B. 1,67; Lateran nr. 11
dagegen H. 1,28, B. 0,72; das Louvrerelief H. 1,786, B. 1,177
(Clarac).
150
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
Einige dieser Eeliefs, iu denen Fels und Baum
besonders geschickt verwendet sind, stehen hinter
der vollen Wirkung eines Landschaftsgemäldes nur
vrenig zurück und mochten ihr noch näher kommen,
wenn sie einst, wie man vernuithet hat, polychrom
bemalt waren "^). Auch in der Behandlung des
Stoffes tritt mehrmals zwischen Relief und Gemälde
eine gewisse Uebereinstimmung hervor, ohne dass
sich eine directe Abhängigkeit des einen vom ande-
ren, eine unveränderte Uebertragung des Gemäldes
in Relief nachweisen Hesse. Denselben Gegenstand,
welchen das Louvrerelief schildert, beschreibt Lu-
kian ") als Inhalt eines Gemäldes. Auf einem
Felsen sitzt Branchos, der Sohn des lächelnd zu-
schauenden Apollon, und spielt mit einem Hunde,
indem er ihm mit der Rechten einen Hasen vor-
hält. Das Hauptmotiv ist hier wie dort dasselbe
und doch soweit verändert, dass in beiden Com-
positionen die Freiheit der Erfindung gewahrt ist.
Auch die Beschleichung einer schlafenden Bak-
chantin, welche auf dem Gegenstück des ludo visi-
schen Oinouereliefs dargestellt ist, kehrt in ähn-
licher Auffassung auf pompejanisehen Wandgemälden
wieder, welche das Motiv dem berühmten Bild des
Nikomachos entlehnt haben mögen "). Dieselbe
Verwandtschaft ist zwischen den oben genannten
Reliefs mit Andromeda's Befreiung und einigen
Wandgemälden schon mehrfach hervorgehoben wor-
den '').
War die Annäherung dieser Reliefs an Wand-
gemälde, wie wir voraussetzen dürfen, eine beab-
sichtigte, so lässt sich daraus schliessen, dass sie
auch gleich jenen zur Wanddecoration bestimmt
waren und eben nur an Stelle der Tafelbilder treten
sollten. Darauf weisen nicht blos die plastisch aus-
'■">) Heibig (Untersuchungen p. 301 Anm. 4) meint, dass in
dem capitolinischen Andromedarelief die glatte Fläche hinter der
Figin- des Perseus, die im Vergleich zur linken Seite auffällig
leer ist, durch Farbe belebt sein konnte, etwa durch Andeutung
des Meeres. Auch in dem ludovisischen Oinonerelief wird die
nicht plastisch ausgeführte Stütze, auf welche sich Oinone mit
dem r. Arme lehnt, durch Farbe angegeben gewesen sein.
-') de domo 24. Vgl. Blümner, Arch. Stud. zu Lucian p. 62.
»») Ilelbig nr. 542 ff. Untersuchungen p. 238 ff. 371.
■') Heibig nr. 1185 ff. Fedde, de Perseo et Andromeda
p. 6-2 f.
geführten Rahmen, welche in einzelnen Reliefs (so
iu dem letzterwähnten des Capitols ^'') und in der
farnesischen Nachbildung) die Darstellung als in
sich abgeschlossenes Einzelbild charakterisiren, son-
dern auch der Umstand, dass sich mehrfach unter
ihnen inhaltlich mit einander verbundene oder we-
nigstens äusserlich in Bezug gesetzte Gegenstücke
finden. Wie das dem Louvrerelief verwandte Ge-
mälde nach Lukians Beschreibung mit sieben an-
deren einen einheitlichen Zimmerschmuck bildete^'),
so vermuthlich die acht Reliefs des Palazzo Spada,
die zusammen bei S. Agnese vor Porta Pia ^^) ge-
funden sind und in Grösse, Idee und Ausführung
einander völlig entsprechen. Nach Braun sind hier
vier Helden- und Liebesabenteuer an einander ge-
reiht. Mehr im Geiste antiker Kunst scheint es ge-
dacht, wenn Welcker") zwischen je zwei Darstel-
lungen einen Wechselbezug vermuthete, der in der
äusseren Symmetrie und im Charakter des Inhalts
zum Ausdruck komme. So tritt Bellerophon (Braun,
Taf. I), der nach dem Himmel strebt und zur Erde
tödtlich verwundet zurücksinkt, Adonis (Taf. II)
gegenüber, der aus den Armen einer Göttin iu den
Tod gellt. In einem anderen Tafelpaar finden sich
je zwei Figuren in einem Gegensatz der Eigen-
schaften: ..Amphion (Taf. III), ein Günstling des
Apollon, ist mit Zethos, der der Jagd und dem äusser-
lichen Leben ergeben ist, und Odysseus (Taf. IV),
den der Verstand, mit Diomedes, welchen die Hel-
denstärke auszeichnet, im Streit". Keiner Erklä-
2") In den Abbildungen (Braun Taf. X und Foggini IV, 52)
ist der Rahmen, auf welchen die Gewandung beider Figuren
(Perseus und Andromeda) stellenweise übergreift, niclit ange-
geben. Ebenso lässt die Abbildung des neapler Reliefs (Mus.
Borb. VI, 40) den Rahmen weg. Auch das in Anm. 23 er-
wähnte Fragment des britischen Museums ist mit einem sorg-
fältig ausgeführten Ralimen abgeschlossen.
^') Welcker, Philoslr. praef. p. LXV. Eine so strenge
Responsion, wie sie Blümner, Arch. Stud. zu Luc. p. 57 und 68
fordert, ist bei derartigen Zusammenstellungen selten beabsichtigt.
Eine gewisse äussere .Symmetrie der Anordnung und Aehnlich-
keit oder Contrast des Gedankens (nicht vcillige Gleichheit des
Mythus oder der Figuren) bilden meist das verbindende Element.
Vgl. Brunn, Troische Mise. HI, 185. 188.
^-) Bartoli mem. 100 bei [Venuti] Roma antica. R. 1741.
I p. 342 und Fea, Mise. I p. 250. Vgl. auch Vacca mem. 47
= Fea I, 74.
33^ Alte Denkm. II, 31G.
Tb. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
151
rung: bedarf es, wenn Paris von Eros verführt
(Taf. VII) und ebenderselbe von Oinone gewarnt
(Taf. VIII) einander gegenüber gestellt sind und
auch die letzten zwei Reliefs mit Pasiphae neben
dem Stier (Taf. V) und Hypsipyle bei Opbeltes Tod
(Taf. VI) konnten unter dem Gesichtspunkt, dass sie
die Scliicksale unglücklicher Königinnen schildern,
recht wohl in Verbindung gesetzt werden. Einen ge-
wissen, wenn auch lockeren Gedankenbezug möchte
ich ebenso zwischen den beiden ludovisischen Re-
liefs voraussetzen, wenigstens ist an ihrer Zusam-
mengehörigkeit, da sie in Grösse, Auffassung und
Reliefbehandlung übereinstimmen, nicht zu zweifeln.
Von dem Andromedarelief des capitolinischen Mu-
seums hat Bartoli ^*) die Notiz hinterlassen, dass
es beim Graben der Fundamente für den Palazzo
Muti auf Piazza SS. Apostoli zusammen mit „zwei
anderen Stücken in demselben Geschmack" aufge-
funden wurde. Die letzteren wurden leider auf Be-
fehl des Besitzers — den Beweggrund giebt Bartoli
genauer an — zerbrochen und an Ort und Stelle
wieder verschüttet. Auch die zwei Reliefs in Palazzo
Colonna sind mit einem dritten, oben übergangenen
offenbar als Gegenstücke gedacht. Daher die Gleich-
heit des Rahmens und der Grössenverhiiltnisse, die
übereinstimmende Beschränkung der Darstellung auf
eine Hauptfigur und gewisse Analogien der Anord-
nung. So wiederholt das dritte Relief im Beiwerk
(links ein Pfeiler mit daraufstehendem Götterbild,
rechts eine Herme) wie in der Gesammtgruppirung
genau das Motiv des Reliefs mit dem Hermaphro-
diten und unterscheidet sich nur — wenn Gerhards
Zeichnung darin zuverlässig ist — durch den gänz-
lich fehlenden Hintergrund.
In welcher Weise diese Gegenstücke verwendet
worden sind, darüber lassen sich bei dem Mangel
bestimmter Anlialtspuncte vor der Hand nur Vermu-
thungen äussern. Die Grössenverhältnisse und die
Goschlossenheit der Darstellung sprechen dafür, dass
sie nicht decoratives Beiwerk, sondern selbständig
wirkender Haupttheil des Wandschmuckes sein
sollten. Am nächsten liegt die Vergleichung pom-
pejanischer Wanddecorationen, in welchen das Tafel-
=*) mem. iö = Venuti I, 308. Fea I, 233.
bild, dem diese Reliefs so nahe kommen, zum
Mittelpunkt der in Felder getheilten Wandflächen
gemacht wird. Allerdings kann man einwenden,
dass die Ausgrabungen in Pompeji noch kein ein-
ziges Beispiel einer solchen Verwendung des Reliefs
geliefert haben. Dies beweist aber nur, dass die
campanische Landstadt, die ohnehin mit dem Luxus
Roms nicht wetteifern konnte, von einer Gesclimacks-
richtung noch nicht berührt war"), die in der Haupt-
stadt bereits allgemeine Geltung erlangt haben
musste. Dass letzteres der Fall war, geht aus Ar-
beit und Fundort der Mehrzalil der oben ange-
führten Reliefs unzweifelhaft hervor. Lassen wir
die Frage nach der Entstehungszeit der Vorbilder
vorerst bei Seite, so weist wenigstens die Ausfüh-
rung der uns erhaltenen Reliefs meist mit Sicherheit
auf die römische Epoche. Während einige offenbar
noch der ersten Kaiserzeit angehören — • so die bei-
den ludovisischen Reliefs — , sind andere, wie das
aus rothem Marmor gearbeitete Relief der Villa
Albani ") , letzteres schon des Materials wegen,
nicht vor der Zeit Hadrians entstanden. In dieser
Epoche hatte neben dem Relieffries auch das bild-
förmig in sich abgeschlossene Relief im System der
Flächendecoration eine wichtige Stelle errungen.
Man erkennt dies deutlich, wenn man einen Blick
auf verschiedene der uns erhaltenen Triumplibögen
wirft. Hier sind es besonders die breiten Flächen
der Attika, deren durch Pilaster abgegrenzte Felder
gern mit oblongen Relieftafeln ausgefüllt werden.
Manche von ihnen, wie die von einem Trajans-
bogen übertragenen Tafeln am Constantinsbogen,
zeigen selbst in der reichen architektonischen Staffage
eine grosse Verwandtschaft mit den uns beschäfti-
genden Reliefs, wenn sie auch dem Geist der Er-
findung nach von ihnen wesentlich verschieden sind.
Aber auch für Innenräume muss derartiger Re-
liefschmuck sich Geltung verschafft haben. Es war
dies lediglich eine Consequcnz der Veränderungen,
welche sich im Decorationsprincip der Kaiserzeit
3^) Das weiter unten (s. Anm. 42) erwähnte Stuckrelief giebt
wenigstens ein Zeugniss dafür, dass die Ersetzung des Gemäldes
durch Relief auch hier nicht unerhört war.
•■"") Zoega, Boss. I, 44 (Daidalos und Ikaros); vgl. Friede-
richs, Baust, p. 466 f.
152
Th. Schreiber, Ludovisisebe Antiken I.
allmählicb vollzogen hatten. Als man sich von der
einfachen Bemaluug der Wände zur Inkrustirung-
derselben mit kostbaren Marmorplatten wandte, war
der Uebergang vom Gemälde zum Relief gleichsam
von selbst geboten. Der überschwängliche Ge-
brauch des Marmors, die Bevorzugung gerade der
seltensten, der buntfarbigen Gattungen greift seit dem
Ende der Republik unaufhaltsam um sich '"). Der
Marmor überzieht nach und nach alle Flächen, die
bisher dem Stucco und der Malerei vorbehalten waren.
Wir können Anfang und Gipfelpunkt dieser Entwicke-
lung, soweit sie in Rom vor sich geht, noch genau be-
stimmen. Nach den Angaben des Plinius ") war Ma-
murra, der berüchtigte praefectus fabrtim des Caesar,
der Erste, der die Wände seines Hauses auf dem Cae-
lius mit Marmorplatten belegen liess. Sein Beispiel
fand bald so allgemeine Nachahmung, dass das ein-
fache Haus der Vorfahren zum Schlagwort der
Sittenrichter wurde und Seneca , der im 86. Briefe
ein grelles Bild vou dem Luxus seiner Zeit ent-
wirft, die verweiclilichten Römer mit bitterem Spott
an die schlichten Räume der Villa Scipio's erinnern
konnte: 'Heut zu Tage', ruft er aus, 'glaubt sich jeder
arm und elend eingerichtet, wenn seine Wände nicht
von mächtigen und kostbaren Marmorfülhmgen strah-
len, wenn nicht alexaudrinischer Marmor mit nu-
midischen Tafeln contrastirt, wenn nicht der kunst-
volle und nach Art der Malerei in Farben schillernde
Wachsüberzug {circumlitio) überall die Marmorfelder
bunt umsäumt ''*''), wenn nicht die Decke hinter
Spiegelglas unsichtbar wird'. Auch damit ist nicht
Allen Genüge gethan ; es finden sich Fälle erwähnt,
wo Platten aus Bronze und Edelmetallen, mitunter
durch eingelegte Gemmen und Perlmutterstücke
reich verziert, zur Wandbekleidung verwendet wer-
den "). In solchen Räumen hatte das Fresco-
gemälde keine Stelle mehr. Plinius sagt es am An-
") Semper, Stil P, 462ft'. FriedUinder, Sittengesch. Roms
lU p. 61 ff.
39) N. H. XXXVI. 48.
'^) Ich folge der Auffassung Sempeis a. a. 0. p. 463.
") Beispiele bei Semper a. a. O. p. 470 f. Für mit Erz-
platten bekleidete Wände mochten die ytti.y.oi nlvaxis yeyQafi-
fi(voi bei Philostrat. Vit. Ap. T. II, 2 bestimmt sein. Vgl.
E. Curtius, Das archaische Bronzerelief aus Olympia. Abh. d.
Berl. Akad. d. W. 1879 p. 7.
fang des 35. Buches mit deutlichen Worten, dass
die Malerei, der einst Könige und Völker gehuldigl
hätten, zu seiner Zeit völlig von den Marmoren d. h.
von der polylithen Wanddecoration aus dem Felde
geschlagen sei. Er klagt darüber, dass mau sogar
angefangen habe „mit dem Stein zu malen" {coe-
pimus et lapide pingere), denn man war, weil man
das farbige Bild nicht missen wollte, unter Kaiser
Claudius darauf verfallen die Marmorplatten durch
eingelegte bunte Marmorstückchen ornamental zu
verzieren und verstand in dieser Weise, durch In-
tarsia-Arbeit, selbst figürliche Darstellungen auszu-
führen "). Aber dieses Verfahren scheint der tech-
nischen Schwierigkeiten wegen nicht viel angewendet
worden zu sein. Ein einziges Beispiel derartiger Mar-
inorinkrustation haben die französischen Ausgrabun-
gen auf dem Palatin zuTage gefördert. Angemessener
und einfacher war es jedenfalls, die Malerei durch
das Relief, die Freskogemälde durch plastische Bil-
der zu ersetzen. Ich möchte vermuthen, dass die
plastische Decoration in Gyps oder Stucco diesen
Uebergang vermittelt hat, da sie ja oft genug mit
der Malerei unmittelbar verbunden wurde und manch-
mal deren Aufgaben auch selbständig durchführte.
Es lässt sich in den öifentlichen Gebäuden Pompejis
leicht verfolgen, wie die Stuckarbeit ihre ursprüng-
liche Bestimmung, den struktiven Gedanken eines
Baugliedes energischer hervorzuheben, die Flächen
ornamental zu gliedern, allmählich erweitert und der
Malerei sich nicht mehr dienend unterordnet, sondern
gleichberechtigt neben sie tritt. Namentlich im Decken-
schmuck gewöhnt man sich abgegrenzte Stuckreliefs
und Gemälde mit einander wechseln zu lassen *').
Aber man scheut sich auch nicht, dem Stucco das
Gemälde ganz zu opfern, wie am besten jene phan-
tastische, durchaus nach Art eines Gemäldes aus-
geführte Stuckdecoratiou beweist, mit welcher die
breite Wandfläche des Hofes der grösseren pom-
*o) Plin. H. N, XXXV, 2 ff. Heibig, N. Rhein. Mus. XXV
(1870) p. 397. Offenbar unrichtig erklärt Semper a. a. 0. p. 465
die Worte des Plinius.
■") Vgl. z. B. den Deckenschmuck derGrüber an der ViaLatina
Mon. deW Inet. VI tv. 43 ff. 49 ff. Auch die gelegentlich als
zum Ilausschmuck gehörig erwiihnten Reliefs (FriedUinder, Sitten-
geschiclite Roms III p. 137 Anm. 1) werden meist aus Terrakotta
oder Stuck bestanden haben.
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
153
pejaiiischen Thermen überzogen ist *'). Was hier
in geringem Material versucht wurde, konnte die
llau))tstadt in werthvollerem Stoffe ausführen, und
in der Tliat iässt sieh für die Marmorwände der
Prachthallen öffentlicher Gebäude, für die Luxus-
zimmer, mit deren Ausstattung sich die Reiclien
überboten, kein passenderer Schmuck denken, als
jene Marmorreliefs, von denen wir ausgegangen
sind "). Wenn uns der Boden Roms kein Beispiel
dieser Decorationsweise unberührt erhalten hat, so
mögen wir die Unachtsamkeit früherer Finder oder
das Spiel des Zufalls anklagen, einen gültigen Gegen-
beweis wird man daraus nicht ableiten dürfen.
Vielleicht Iässt sich aber durch Verknüpfung zweier,
getrennt überlieferter Nachrichten ein Zeugniss für
mehrere der in Frage stehenden Reliefs zurückge-
winnen.
In Vaccas Aufzeichnungen "■*) findet sich die
Notiz, dass bei S. Agnese vor Porta Pia neben dem
Bacchustempel — nicht, wie Fea's umgeformter
Text angiebt, mit diesem zusammenhängend — ein
grosser ovaler Säulenbau gestanden habe, unter
welchem man viele Kammern entdeckte, die im
Innern „an allen Seiten" mit Marmorplatten aus-
gelegt waren. Ueber die ehemalige Bestimmung
dieser Räume wagt Vacca kein Urtheil abzugeben,
er berichtet nur, dass man sie wegen einiger da-
selbst gefundener Gebeine für eine Zufluchtstätte
christlicher Märtj-rer gehalten habe, das übliche
*-) Oveibeck, Pompeji Taf. zu p. 198. Die Stuckdecoration
.gehört der Zeit nach dem Erdbeben vom Jahre 63 an (Nissen,
Pomp. Studien p. 151. 158. Mau, Pomp. Beitr. p. U7).
'') Ausser diesen, eine besondere Klasse bildenden Reliefs
Iässt sich leicht eine grosse Anzahl kleinerer Relieftafeln nach-
weisen, die ähnlichen Decorationszwecken gedient haben müssen.
Sie sind meist mit plastisch hervorgehobenen, mehr oder weniger
verzierten Uahmenleisten umgeben. Einige charakteristische Bei-
spiele sind an einer Wand des neapler Museums vereinigt. Vgl.
auch Visconti, Mon. sc. Borgh. {ed. mil.) tv. 33. Zoega, Basa. r.
tv. 30 u. a.
*'") mem. 47: me ricordo, che h Santa Agnesa, fuor di
Porta Pia , ui e li canto il tempio di Bucco un grand' inco-
lonnato di forma ouata, ui fh trouato sotto molte grotte alle
utC huomo, larghe dn cinque palmi, tutte föderale da oyni in-
torno con laalre di marmo. lo non so ijiudicare h che ser-
uissero anticamente. Vi trouorno delV ossa; si diceua che
fussero de martiri, che in quel luogho si stessero jier paurn
de tiranni. Ich citire nach der von mir vorbereiteten Text-
ausgabe.
Archiiolog. Ztg Jahrgang XXXVIII.
Volksgerede, wie es in jener Zeit überall entstand,
wo der Pliantasie freier Spielraum gelassen blieb.
Jedenfalls kann die Anlage nicht den Charakter
von römischen Grabkammern getragen haben, weil
dann die Aeusserungen Vacca's bestimmter ausge-
fallen wären. Nun wissen wir aus den oben an-
geführten Nachrichten Bartoli's, dass die Spada-
schen Reliefs bei der Erneuerung derselben Kirche
S. Agnese und zwar beim Ausbessern oder Her-
stellen der Treppe zum Vorschein kamen. Winckel-
mann giebt in seinen Moniimenli inediti ^^*') diese
Notiz mit der ohne Zweifel aus den Worten Bar-
toli's abgeleiteten Ausdeutung wieder, dass man die
Reliefs in den barbarischen Zeiten umgestürzt und
zu Stufen der Treppe, welche in die Kirche führt,
gebraucht hatte. Daraus macht Braun in der Ein-
leitung seines Werkes, die Marmortafeln seien, in-
dem man die glatten Rückseiten aufwärts kehrte,
zur Deckung des Fussbodens der Kirche benutzt
worden. Ueberliefert ist nur die Verwendung der
Platten beim Bau der Treppe von S. Agnese, sie
werden also sehr wahrscheinlich einen in der Nähe
vorhanden gewesenen Gebäude entnommen sein, und
dieses, möchte ich vermuthen, war eben dasjenige,
dessen Zimmer nach Vacca's Angaben vollkommen
mit Marmorplatten verkleidet waren.
Bei einigen anderen Reliefs ist es sicher, dass
sie zur Verzierung von Bäder- oder Brunnenanlagen
gedient haben. Ich meine die beiden laterauischen
Reliefs, bei denen die Platte an passenden Stellen
zur Einfügung von Ausflussröhren durchbohrt ist*').
Schwerlich kann hier an Brunnen der einfachen
Art, die uns aus pompejanischen Wohnhäusern be-
*^h) Zur Abbildung des Daidalos-Pasiphaereliefs nr. 94.
**) Ich möchte jedoch wenigstens von dem Asklepiosrelief
nicht glauben, dass schon das Vorbild diese Bestimmung hatte.
Das Kind schickt sich nicht zum Trinken an, das Vorhalten des
Kantharos ist also kein ursprünglicher Zug und erst in der Nach-
bildung durch Veränderung des Originals hinzugekommen. Auch
war die Mündung des von Autolaos mit der Rechten emporgehal-
tenen Horns zur Anbringung einer Ausflussöft'uung nicht geeignet.
Die griechische Kunst weiss aber das Auslaufen des Wassers
sehr sinnreich zu motiviren, z. B. wenn sie den Satyr im Rausch
das Haupt auf den offen gebliebenen Schlauch legen Iässt. Auch
in dem Relief mit Pans Pflege dürfte das Vorbeifliessen des
Wasserstrahls am Gesicht des Kindes nicht der Intention des
erfindenden Künstlers entsprechen.
21
154
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
kannt ist, gedacht werden. Die Grösse dieser Re-
liefs lässt eher verrauthen, dass sie zur Wanddeco-
ration in prächtigen, ausgedehnten Badehallen be-
stimmt waren, etwa in Räumen, wie sie Seneca in
dem schon angeführten Briefe geschildert hat. In
Hallen, deren Wände von Marmor strahlten, die
mit Säulen, Statuen und allerlei Zierrathen erfüllt
waren, in denen das Wasser aus silbernen Hähnen
über die Stufen sprudelte, ist auch für solche Re-
liefs der geeignetste Platz, während das Frescobild
als weniger dauerhaft hier kaum verwendbar war.
In einzelnen Fällen scheint man dann den Gebrauch
verallgemeinert zu haben. Ich schliesse dies aus
einer Angabe Cicero's, wonach das Relief gelegent-
lich selbst auf Kalkwänden das Frescobild vertreten
hat. In einem Briefe an Atticus (I, 10) erbittet er
sich einige Reliefs, um sie in die Stuckwände des
Atriums seiner tusculanischen Villa einzulassen.
Aber dies wird nur Ausnahmefall gewesen sein.
Seine natürliche Stelle hatte das bildförmig in sich
abgeschlossene Relief von Anfang an auf Marmor-
wänden, welche höchstens das Mosaikbild, nicht
aber das Freskogemälde zuliessen.
Diese so nahe liegenden Folgerungen hat Phi-
lippi in den Untersuchungen über die römischen
Triumphalreliefs") mehrfach gestreift, aber sich
gleichwohl zu dem Ausspruch verleiten lassen,
dass, abgesehen von den Tempeln, die Architektur
in älterer Zeit — gemeint ist die Epoche bis in
den Anfang der Kaiserherrschaft hinein — wenig
Gelegenheit geboten habe Reliefschmuck anzubrin-
gen, „weil die Stelle, welche der Reliefsculptur als
Decoration zukam, längst von der Malerei einge-
nommen war". Auch Semper ") hat in seinem
umfassenden Ueberblick über die Principien der
Wandbekleidung nur darauf hingewiesen, dass die
Marmorinkrustation dazu zwang zur Mosaikmalerei
überzugehen, um den Farbenschmuck, der mit dem
Mauerputz untrennbar verbunden war, nicht einzu-
büssen. Er übersieht, dass das buntfarbig bemalte
Relief sich hierfür noch besser eignete. Aber er
hat doch die Entwickelungsphasen der Wanddeco-
*'■>) Abhandl. d. Sachs. Ges. d. AViss. VI (1872) p. 269 f.
") Stil P § 81 ff', besonders p. 4G3.
ratiou in grossen Zügen so sicher gezeichnet, dass
es nicht schwer ist dem Relief die ihm gebührende
Stelle anzuweisen.
Es ist ein unbestreitbares Verdienst des Semper'-
sehen Werkes den Einfluss des Orients auf die
hellenistische Kunst in seiner ganzen Tragweite er-
kannt und nacligewiesen zu haben. Als die Er-
oberungszüge Alexanders d. Gr. den asiatischen
Osten dem Abendlande erschlossen hatten, führte
die genauere Kenntniss der orientalischen Kultur
allmählich eine tiefgreifende Veränderung im Ge-
schmack und in der Kunsttechnik der Griechen
herbei. Vor allem war es der uralte, in Asien sich
auch auf die Architektur erstreckende Bekleidungs-
luxus und das damit eng zusammenhängende In-
krustationsverfahren, welches die hellenistischen
Architekten sich aneigneten und bei monumentalen
Anlagen, wie bei Prunkzelten, Scheiterhaufen und
anderen Gelegenheitsbauteu zur Anwendung brach-
ten. Erst ven Griechenland her, aus den Diadochen-
reichen gelaugte die neue Kunstpraxis, die polylithe
Wandbekleidung, nach Rom, und wie sie sich hier
entwickelte, ist oben wenigstens in Umrissen ange-
deutet worden. Aber gewiss nicht blos das Deco-
rationsprincip, sondern mit ihm auch die Vorbilder
wurden dem hellenistischen Osten entlehnt. — Das
dürfen wir schon im Hinblick auf die campanische
Wandmalerei vermuthen , die ja in gleicher Weise
System und Motive des Wandschmuckes der alex-
andrinischen Kunst abgeborgt hat.
In der That ist von keiner Seite verkannt woiv
den, dass die Darstellungen der eingangsweise zu-
sammengestellten Reliefs dem Wesen der Erfindung
nach griechischen Ursprungs sind. Von dem An-
dromedarelief des Capitols sagt Friederichs"), die
Composition sei gewiss griechisch, wenn auch nicht
aus früher Zeit. Man kann von mehreren dieser Dar-
stellungen "*) bestimmter behaupten, dass in ihnen
eine Stimmung herrscht, die der bukolischen Dichtung,
wie sie die Diadochenzeit pflegte, durchaus verwandt
ist. Mit Vorliebe sind Mythen und Sagen behandelt,
welche in dieser Epoche erst ihre specifische Ausbil-
■■") Bausteine nr. tJ78.
'"■) Vgl. das Loiivi-erelief und oben Anm. 2-1.
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
155
düng erfahren oder iu deu Vordergrund treten. So
die Sage von Oinone, von Endymiou, von Pasipbae
und Adonis. Ueberhaupt ist charakteristisch und dem
Empfinden der hellenistischen Zeit durchaus ange-
messen, dass gerade Liebesscenen, meist in senti-
mentaler Auifassung, bevorzugt werden""). Auch
die Wahl von Gegenständen, wie die Kindheitspflege
des Pan, des Asklepios*"), ist in einer Zeit erklär-
lich, welche den Geburtslegenden der Götter be-
sonderes Interesse zuwendete ''''). Vor allem ent-
spricht die Betonung des landschaftlicben Elenjentes
den künstlerischen Neigungen der Diadochenperiode,
einer Zeit, die nicbt nur das Hirtenleben im Idyll
poetisch zu verklären wusste, sondern bereits die
Landschaftsmalerei zur selbständigen Kunstgattung
ausgestaltet hatte '").
Aber die Frage nach dem Ursprung der uns
beschäftigenden Reliefs ist mit diesen Bestimmungen
noch nicht gelöst. Die einzelnen Motive und ganze
Darstellungen konnten in der hellenistischen Epoche
entstanden und doch erst in der Kaiserzeit für das
Relief verwertbet worden sein. Hat doch die rö-
mische Kunst um der eigenen Armuth willen we-
nig Bedenken getragen sich Formen und Bilder aus
dem reichen Schatz der griechischen Vorzeit an-
zueignen und auch über stilistische Schranken sich
leicht hinweggesetzt. Die Schwierigkeit der Ent-
scheidung liegt vor allem darin, dass unsere Vor-
stellungen von dem Kunstvermügen der hellenistischen
Epoche zu einem nicht geringen Theile von Rück-
schlüssen aus dem Erbgut der römischen Kunst ab-
hängen und grössere Monumenteureihen zur Ver-
gleichung nicht zur Hand sind.
In einer Anmerkung der erwähnten Abhandlung
kommt Philipp!"^) auf das Problem zu sprechen,
ohne ein bestimmtes Urtheil zu wagen. Er hält
es für wahrscheinlich, dass schon die hellenistische
*»") Rohde, Griech. Roman p. 100 und sonst.
■") Hierher gehört auch das borghesische Relief mit einer
Kindheitspflege Besehr. Roms III, 3 p. 241 nr. 21. Winckel-
mann, M. I. nr. 71. Visconti, Mon. sc. Borgh. tv. 33. P'.ine
sichere Deutung ist noch nicht gefunden.
'■"■') Ich hoffe auf dieses Thema, dessen Begriindung hier zu
weit führen würde, an anderem Orte eingehen zu können.
^') Heibig, Untersuchungen p. 300 und sonst.
") A. a. O. p. 2S5 Anm. 41.
Skulptur wenigstens deu landschaftlichen Hinter-
grund aus der Malerei in das Relief eingeführt
habe und verweist auf die beiden capitolinischen
Reliefs, in welchen sich eine unverfälschte griechische
Erfindung und dabei eine Arbeit zeige, die sich
durch keinerlei bestimmte Merkmale als römisch zu
erkennen gebe. Andrerseits sei jedoch kaum die
Möglichkeit zu bestreiten, dass noch in der Kaiser-
zeit ausgezeichnete griechische Künstler solche
Werke hervorzubringen im Stande waren. Nicht
sicherer lautet das Urtheil Wörmann's '"''), der eben-
falls an beiden Möglichkeiten festhält. Er übersieht
aber gerade das wichtigste Kriterium, indem er
ohne Weiteres annimmt, die von Braun publicirten
und ähnlichen Reliefs seien „offenbar Gemälden
nachgebildet". Diese Vermuthuug mag bei einigen
Darstellungen vielleicht das Richtige treffen, bei
einer bestimmten Anzahl anderer ist sie sicher
falsch.
Beschränkt man sich auf das Studium der nach-
stehend angeführten Reliefs, so ist leicht zu erken-
nen, dass sie in einem wichtigen Punkte die engste
Verwandtschaft zeigen. Baum und Fels werden zwar
freigebig zur Ausstattung des Hintergrundes ver-
wendet, ja es waltet sichtlich das Bestreben vor,
mit ihnen den Raum nach allen Seiten zu erfüllen.
Gleichwohl wird für die Figuren stets ein freier
Hintergrund ausgespart, auf dem sie sich unge-
stört durch kreuzende Linien des Beiwerks zur
vollen Geltung bringen können. In dem Paosrelief
des lateranischen Museums tritt der bocksfüssige
Gesell des jugendlichen Gottes aus einer Grotte her-
vor, deren Hintei'grund nicht ausgeführt ist. Auch
die Umrisse der Nymphe und des Knaben heben
sich scharf von dem glatten Grunde ab und erst
über ihren Köpfen breiten sich die Zweige des mit
Vögeln reichlich besetzten Baumes aus, dessen Blät-
terwerk den Raum nach oben ausfüllt. Auf dem
Louvrerelief (le faune chasseur) ist dem Felsen eine
Unterhöhlung gegeben, um für den Oberkörper des
Satyrs möglichst freies Feld zu schaffen. Die gleiche
Felsbildung zeigt das spada'sche Relief mit Belle-
rophon und Pegasos, wo auch wie dort, nur mit
'^) Die Lanilscluift in der Kunst der alten Völker p. 272.
21*
156
Tb. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
Umkebrung der Anordnung, der Baum dem Felsen
gegenüber gestellt wird, und gerade hier verdient
Beacbtung, wie die Massen des Gesteins, aus wel-
cbem unten die das Flügelross tränkende Quelle
entspringt, in der Weise aufgetbürmt sind, dass
sie den Konturen der Gruppen entlang laufen
und sie gleicbsam einfassen. Ein drittes Mal kehrt
dasselbe bequeme Motiv des überhängenden Felsens
auf der Andromeda- Darstellung des Capitols wieder.
In der ausgeprägtesten Form erscheint es aber auf
einem nach dem Charakter der Composition hier-
her gehörigen Relief der Glyptothek**), in welchem
unterwärts eine Rinderheerde sichtbar ist, während
darüber von links her sich in der vollen Breite
des Bildes ein Felsenvorsprung ausdehnt, als Ruhe-
platz eines Berggottes, dem ein Hund, ein flammen-
der Altar und eine Priaposherme beigegeben sind. In
dem Asklepiosrelief des Lateran ragt der Felsen von
linksher nur soweit in die Bildfläcbe herein, als
der von den Figuren freigelassene Raum verstattet.
Eine Grotte mit glattem Hintergrund umschliesst die
beiden Figuren, Satyr und Nymphe, des einen ludo-
visischeu Reliefs (Taf. 13,3), und wie sehr derselbe
Vorzug eines freien Hintergrundes auf dem anderen
Relief (Taf. 13,1) dazu beiträgt die Klarheit und ru-
hige Wirkung der Darstellung zu sichern, lehrt ein
vergleichender Blick auf die verdorbene Composition
der Replik in Palazzo Spada. Auch das Endymion-
relief des Capitols, oder — wenn der Restaurator
von dem Verdacht, den Hintergrund verändert zu
haben, freigesprochen werden kann") — sein Vor-
liild, ist vermuthlich in demselben Geschmack be-
handelt gewesen, während jetzt durch die den
Reliefgrund nach allen Seiten ausfüllenden Risse
und Furchen der Felswand die Gesammtwirkung
wesentlich beeinträchtigt wird*").
Es bedarf keiner Ausführung, dass diese Dar-
stellungsweise unabhängig von malerischen Vor-
^*) ISiunu, Glypt. nr. 127. Winckclmann, M. I. CT. Biaun,
XII Basreliefs Vignette zu -Taf. 7.
") K. Keil (Areh. Anzeiger 1864 p. "205*) stiegen vor dem
Original „Zweifel auf gegen ilus Altenluim der umuhigen Be-
handlung des Grundes oben". Auch die unteren felsparticn
scheinen überarbeitet zu sein.
'*) Ich urtheile nach einer nhotographischen Aufnahme. Die
Braun'scbe Publilcation ist auch hier nicht zuverlässig.
bildern entstanden, dass sie allein auf die Wirkung
des Reliefs berechnet ist. Das landschaftliche Beiwerk
und die Figuren werden soviel als möglich aus-
einander gehalten, damit letztere durch den glatten
Hintergrund zu ruhigerer Wirkung kommen. Es ist
ein Compromiss zwischen dem malerischen Princip
einer jüngeren Zeit und den strengen Forderungen
des älteren Reliefstils, ein Versuch landschaftliche
Staffage in das Relief einzuführen, ohne den freien
Hintergrund für die Figuren aufzugeben. Zugleicli
prägt sich in dem übereinstimmenden Schema der
Anordnung einzelner Darstellungen, in der Wieder-
holung gewisser Motive (so des überhängenden
Felsens), auch in der mehrfach beliebten Gegen-
setzung von Fels und Baum eine eigenartig ent-
wickelte Kunstweise aus, die neben den verwandten
Schöpfungen der Malerei eine selbständige Bedeu-
tung beanspruchen darf. Ganz anders ist die
Relief behandlung in den Darstellungen auf römischen
Triumphbögen, wo die consequente Entwickelung
des malerischen Princips bereits zur Andeutung
perspectiviseher Verkürzungen, zur Vervielfachung
der Reliefpläne, die sich hintereinander absetzen,
geführt hat und unter Umständen der gesammte
Reliefgrund ohne Rücksicht auf die Figuren mit
landschaftlichem oder architektonischem Beiwerk
überzogen wird. Die grossen Reliefs am Titusbogen
und die in den Constantinsbogen übertragenen
Trajansschlachten zeigen durchschnittlich drei bis
vier, mitunter noch mehr Pläne, die mit grossem
Geschick zur illusorischen Vertiefung des Feldes
verwendet sind. Die Anfänge zu dieser Flächen-
behandlung finden sieh iu der Diadochenzeit. Auf
Münzen der Ptolemäer mit den Brustbildern des
Herrscherpaares und auf mehreren Prachtcameen
derselben Periode wird bereits eine doppelte Relief-
fläche angewandt. Dass diese Neuerung, die sich
wohl zuerst auf dem Gebiete der Glyptik zur Ver-
werthung der verschieden gefärbten Scliichten des
Onyx nötiiig machte"), frühzeitig auch auf die
Behandlung des Marmorrelicfs ihre Wirkung aus-
übte, ist eine naheliegende Vermuthung. In der
Darstellung des ludovisischen Paris -Oinonereliefs
") Ilelbig, Untersuchungen p, 48.
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
157
ist sie bereits zur Geltung gekommen. Die den
oberen Streifen füllenden Gebäude und das Schift"
sind in ziemlich flacher Erhebung gebildet, während
die Figuren und das landschaftliche Beiwerk zur
Linken kräftiger aus dem Hintergrunde hervor-
treten.
Wenn diese Untersuchungen dargethan haben,
dass die Keliefbilder — um für die verständliche
Sache einen kurzen Ausdruck zu gebrauchen — eine
Mittelstellung einnehmen zwischen den Schöpfungen
der älteren, vormakedonischen Kunst und denen der
römischen Epoche, so ist damit zugleich ihre Ent-
stehungszeit festgestellt. Sie sind Produkte der
hellenistischen Kunst, eben jener Epoche, die durch
die Aufnahme des Inkrustationsverfahrens auch dazu
gedrängt wurde ihre Decorationsmittel zu erweitern
und einen Ersatz für das theilweise verdrängte
Tafelbild zu schaffen. So erweist sich die Umbil-
dung des Reliefs nach der Seite des Malerischen
als letzte Frucht der griechischen Kunstentwickelung,
nicht — wie Philippi ^"J annahm — als selbständige
Leistung der epigonenhaften römischen Kunst.
Es darf als ein äusserer Beweis für die Kichtig-
keit dieser Folgerungen gelten, dass sich auch auf
Votivreliefs von sicher griechischer Arbeit etwa
aus dem Anfang des vierten Jahrhunderts die oben
geschilderte Behandlung des felsigen Hintergrundes
vorfindet. Ein in den Archäologisch-epigraphischen
Mittheiluugen aus Oesterreich ") mitgetheiltes, be-
sonders charakteristisches Beispiel zeigt die von
Hermes geleiteten Nymphen in einer plastisch an-
gedeuteten Höhle, deren Hintergrund noch nicht
realistisch ausgeführt, sondern als ebene Fläche
behandelt ist.
Nach diesen Erörterungen ist die Aufgabe nicht
schwer, unter den obeu zusammengestellten Reliefbil-
^*) Der 7. Abschnitt seiner Abhandlung trägt die Ueber-
schril't ,Die Umbildung des Reliefs nach der Seite des Male-
rischeu vollzog sich in Rom". Uebrigens hat bereits Heibig
(Untersiichuuyen p. 3üO) daraul hingewiesen , dass schon auf
Terrakotten südrussischer Provenienz, deren Arbeit sicher der
vorrömischen Epoche angehört, landschaftliche Motive ange-
bracht sind.
'") I Taf. 1 p. 4 ft'. Das Relief soll aiis Lampsakos stam-
men und belindet sich jetzt in der Sammlung Millosicz. Vgl.
auch das athenische >i'ymphenrelief Arch. Zeitg. 1880 p. 10 und
dass. Tafel 4, 1. 2 und 4.
dem die älteren hellenistischen Compositionen von den
in römischer Zeit hinzugefügten Ergänzungsstücken
zu trennen. Schon aus dem Paris-Oinonerelief in
Palazzo Spada geht hervor, dass das Bedürfniss
die Anzahl der Gegenstücke zu vermehren dazu
führen konnte, kleinere Compositionen durch Zusätze
auf die erforderliche Grösse zu bringen. In anderen
Fällen hat der römische Künstler sich nicht gescheut,
aus zusammengelesenen Motiven ein neues Bild zu
fertigen. So verdankt das Gegenstück des spada-
schen Oinonereliefs — Paris von Eros bethört —
seine Figuren einer grösseren Darstellung des Paris-
urtheils, von der uns eine Nachbildung, wenn nicht
das Original selber, in dem an der Spitze dieses
Aufsatzes genannten ludovisischen Relief erhalten
ist ^''). Die Hauptschwächen jeder Compilation tre-
ten hier unverhüllt zu Tage. Die obere Hälfte wird
den Forderungen der Raumfüllung nur in sehr ge-
rigem Maasse gerecht und im unteren Felde ist nicht
einmal ein Versuch gemacht, die Rinderheerde dem
Raum anzupassen, sondern von einem Thier das
nicht unterzubringende Stück einfach abgeschnitten.
Auch die Reliefs in Palazzo Colonna verrathen durch
die Mängel der Composition ihren späteren Ur-
sprung, aber sie dienen, wie die Grössenverhält-
nisse, die oblonge Form u. a. beweisen, denselben
Zwecken wie jene hellenistischen Reliefs und sind
offenbar im Hinblick auf sie geschaffen worden.
Bei zweien der Spadareliefs , vielleicht auch bei
anderen, ist die Möglichkeit, dass sie lediglich Ge-
mälden nachgebildet worden, nicht unbedingt abzu-
weisen. Prüft man die Darstellung mit Daidalos
und Pasiphae neben dem Stier (Braun Taf. V) auf
die Raumverwenduug hin, so fällt die Leerheit der
oberen Bildhälfte in die Augen. Rechterseits deckt
eine schmale Thür nothdürftig den Hintergrund,
die linke Seite dagegen ist plastisch unverziert
geblieben, eine Lücke, die im Gemälde leicht als
Wand charakterisirt werden konnte, die aber im
Relief, auch wenn Polychromie ergänzend aushalf,
immer neben den mehr oder weniger stark hervor-
^) Das Münchener Relief (Anm. 54), welches sich ebenfalls,
nur mit Umkehrung der Motive, an das ludovisische Vorbild an-
lehnt, muss, wie oben erwähnt, der Relief behandlung wegen
schon in hellenistischer Zeit entstanden sein.
158
Th. Schreiber, Ludovisische Antiken I.
springenden Figuren als leere Stelle fühlbar wer-
den musste. Dazu kommt, dass auch hier, wie im
Paris-Erosbilde, der Rahmen die hintere Hälfte des
Stieres abschneidet. Wenn eine solche Verkürzung-
wesentlicher Figuren im Gemälde, das durch deu
Rahmeu wie durch ein Fenster in die Sceue schauen
lässt, noch erträglich ist, so wirkt sie im Relief,
welches als körperlich hervortretend der Illusion
weniger Spielraum giebt, unstreitig sehr störend,
wird hierher also vielleicht erst aus malerischen
Vorbildern übertragen sein. In dem Relief mit
Odysseus und Diomedes (Braun Taf. IV) ist letz-
terer zwar vor freien Hintergrund gestellt, hinter
der Figur des Odysseus aber eine reich verzierte
Mauerwand angedeutet, die den Vorzug jeuer Figur
aufhebt. Hier entsteht die Frage, ob breit ent-
wickelte architektonische Hintergründe, die in Ge-
mälden keinen Anstoss erregen, schon in helle-
nistischen Reliefs vorauszusetzen oder erst seit
römischer Zeit, als die Triumphal-Darstellungen den
Reliefstil veränderten, zur Aufnahme gekonuueu
sind. Letztere Ansicht vertrat Philippi und dar-
nach müsste das eben erwähnte Relief, das alba-
nische mit Daidalos und Ikaros (Braun Taf. XII)
u. A. ebenfalls den römischen Ergänzuugsstückeu
beigezählt werden. Doch wage ich ohne eine weiter
ausgreifende Untersuchung, die an dieser Stelle
nicht möglich ist, kein bestimmtes Urtheil abzu-
geben. Auch andere Darstellungen, z. B. Hypsi-
pyle uud Opheltes (Braun Taf. VI), haben den Vor-
zug des freien Hintergrundes für die Figuren
aufgegeben; einige, wie Braun Taf. II (Adonis)
und Taf. III (Amphion uud Zethos) halten ihn we-
nigstens nicht mit der Consequenz fest, die wir in
den oben charakterisirten Beispielen gefunden haben.
Aber es kann nicht auffallen, dass eine Relief be-
behandlung, wie diejenige der hellenistischen Re-
liefbilder ist, nach und nach ausartete und vergrö-
bert wurde, bis sie endlich in die Richtung gerieth,
die wir aus den römischen Triumphalreliefs kennen.
In der Kaiserzeit mochte dann der Verbrauch sol-
cher Reliefs ein so starker sein, dass die helle-
nistischen Vorbilder nicht ausreichten und man ge-
zwungen war, dem Mangel durch eigene Produkte
abzuhelfen, die denn auch die Unselbständigkeit
und Gedankenarmuth der römischen Kunst nicht
verläugnen können.
Th. Schreiber.
159
MISCELLEN.
ROMISCHES BILDNISS AUF EINEM GOLDRINGE.
Ein beim Goldschmuck des Antiquariums unter
Nr. 207 aufbewahrter Ring hat den Kopf, dessen
Abdruck hier abgebildet ist, vertieft in das Gold
des Ringes, nicht in einen Stein, eingegraben; das
Ganze bildet nur ein Stück.
Es ist römische Arbeit, so naturwahr und herb,
charaktervoll und lebendig als römische Bildnisse
der guten Zeit zu sein pflegen; der Geist der
Künstler adelt die Hässlichkeit der Dargestellten.
Man möchte dem Styl nach glauben, die Arbeit
gehöre in die Zeit der Republik. Die Köpfe des
M. Claudius Marcellus, Seipio, Aheuobarbus und
einige andere auf Denaren der Republik haben den-
selben Charakter.
Wer der Dargestellte ist, das sagen leider nicht
die beiden Buchstaben hinter dem Kopf. Gleich-
zeitig mit demselben sind sie gewiss eingraviert,
nicht etwa ein späterer Zusatz, das zeigen ihre
Formen und die Stelle, wo sie, eine Lücke in der
Darstellung ausfüllend, stehen.
Man kann sie VP oder JA lesen, je nachdem
man sie von oben oder unten betrachtet. VP wäre
nach Analogie der Münzen die natürlichste Lesung;
auf den Münzen wenden nämlich die Buchstaben
die Köpfe fast immer nach aussen. V könnte dann
das Praenomen Volusus sein, T Name oder Zuname,
allein r wäre eine ganz ungewöhnliche Form für F
(Ritschi Priscae latinitatis monumenla Tafel XVI
Nr. 24). Liest man die Buchstaben wie sie auf
dem Ringe stehen — was man wohl nicht darf,
da das Bild doch zum Siegeln bestimmt war — so
passte das U, aber am A fehlte der Querstricli der
es zum A machen würde. Die Epigraphiker mögen
entscheiden. Griechisch sind die Buchstaben gewiss
nicht, vr etwa YA zu lesen, was diese Zeichen in
KAVr mit den grossgriechischen Formen einer
weit älteren Epoche allerdings bedeuten, und etwa
dies YA zu YA^ov zu ergänzen, zu dem Namen
eines berühmten Steinschneiders, — davor braucht
wohl nicht gewarnt zu werden.
Es ist oben gesagt, dass der Styl auf die Zeit
der Republik weist, allein das Stylgefühl, auf wel-
ches jetzt manche Kunstforscher so grosses Gewicht
legen, ist subjectiv und unsicher, besonders für
chronologische Bestimmungen, weil der Styl immer
durch den Ort, wo das Kunstwerk entstanden ist,
bedingt wird. So vielleicht auch in diesem Falle;
und jedenfalls ziemt es sich anzuführen, dass Plinius
(bist. nat. XXXIII 1 sect. 6) sagt: contra vero multi
nullas admitlunt gemmas, mtroque ipso signanl; id
Claudi Caesaris principalii repertum.
Es schien nützlicli, auf dies kleine interessante
Denkmal von neuem aufmerksam zu machen.
J. Friedlaender.
INSCHRIFT AUS MAKEDONIEN.
EKKAHSIASATO
ETTAPXOTAAEEAA'APOTTOrAEi^A/IAOT
KAITTOAAflA/ nOAEITft/vrno
TftA'EnAPXlKftA/EEEAATA'0/\/TAI
160 P'^- Sakellarios, Inschrift aus Makedonien.
5 THZTftA/AHMOSIftA/TOnftA/
XPHSEßSOTKAPKOTME/VftA'
A r r 9. A/ ETEIMHSAA/TO
nOAAAKAIEKEIH'ETSAMEA/OI
AAAAKAinEPIBAAAOME/VftA'
10 AAAASEATTOItKATOXAr
EA/XßPIOISrnEPßA/OIAIAKA
TEXOA'TErATTAITPOTEPOA'
EAOSAA/XEIPASA*irTAME
A^OIATTJ^A/KAinAPAXftPOTA/TES
15 ATTATHITTOAITEIAIA/TA/AEOI
ATA/ATflTEPO 1 T5^/VETTAPXI K 9 /V
EKBIAZOA/TAlTOrSTTEA'HTASKAI
ATTATEEKEIA/AAOTKEHO/VAT
TOISBOTAOA/TAIKATEXEIA'
20 KAITTPOSEMnOA'OTSITHA/APXAI
AA/rHA/XAPAKlSMOTTEKAI/VO
MH£ATTOKAEIOTi:iKAIA*AIPOTA/
TAITOrSnOAEITASKAIAIO
AftA'EAOEETi^ITETrOA EITAPXHI
25 KAITOlSTTOAEITAISOMOrA'flMOA'Or
SIMOA'AKATATHA/rE/VTIAA/OTAIATA
EIA^TOrSEnAPXIKOrSAETIMHSA/V
TOKATEXEIA/EISAETAAOITTAMHAE
A/lEEEl/VAIEnAPXiKßlHEMTTO/VEIA'
30 HArOPAZEIA/HKATEXEIA/MHAEAOr
MATI/VIAIAOA'AITTOAITEIASHXPHSE
;2STflA/AHM02:i5^A/MOA/Ol2AEAA/EI
SGAlTHA/rHA/TOISAnOTETIMHME
A/OIZOPErTOISEniMEAEISGAIAE
35 TOTTflA^TOA/KATETOSrEIA'OnEA/OA'
nOAEITAPXHA/ß5:TEEmA'A....TflA/nOAEITftA/KAI
EKBAAAEIA'KAIKßATEI/VTOTS...
...MHATTOTETEIMHMEA/HA'rHA/
BlAZOMEA'OrrEAA/AETHI . . . .
40 . . nOAEITAPXHlKAIAOTMA . . . .
AHMOriATOTTOA/ATTO
AOTA'AIEISAISKOA^AHA'APIAnEA'
TAKISXIAIAKAIAAAATHinOAl
TEIAITTEA'TAKISXEIAIA . . . .
45 TOTTOTOAOrMAE
AOHETßlAIEnOA/TITHA/EnAP
XlAA'IOTA/IftlPOT'l'IA/i^IAIA
TftA/TTPESBETTflA/TOT....
....KAIAIATPOTKAI . . .
50.... KAIAEKEI/VOSATTO
K r V Si Z . . KAISTHAOrPA*.
(PiAinn
A 1 A c
A. Furtwängler, Nike und Linos.
161
'ExxkTjata aazo , snäqxov ÄXe^ävöqov
10V ^scüviöov xal nokköjv nokeiTiuv vno
Twv snaQxixcüv e^si-avpoviai trjs zwv dt]/xoaiwv
zöniov xQTloeiog, ovx ctQxovi.ievMv avTwv, .... irsi-
/.irjOavzo nokXd xal exet ■{pevadf.ievoi, dlXa xal nsqi-
ßaHnfiivwi' ciXlag eavTo7g xaroxctg, vnsg ibv ol dia-
xatixovTsg avxd ngöregov eöoaav x^^Qog a(piatä(.uvoi
avtiöv xal nagaxiiiQOvvTeg avtd ttj 7ioXiTei(^, vvv
ÖE Ol övvaTUizEQOi zcöv Enaqxi'X'<^v sxßiä^ovzai zovg
nevTjzag xal aiza ze ixelva a ovx s^ov avzdlg ßov-
Xovzai xazixeiv, xal 7T()oa£/.iTioi'Ovoi zfjv aqxaiav yr^v,
XaQaxiafiov ze xal vofxfjg anoxlslovac xal dcpaigovv-
zai zovg noXeizag xal diodiov eSo^ev ziö ze noXsi-
tÖqxI} "'** '^"'S noXeizaig 6i:wyvcoi.wvovav f.iöva xazd
zrjv revziavov diäza^iv zovg snaQXi-'xovg a Izifirj-
aavzo xazixeiv, eig ös zu Xnind /.irjöevl sS.£lvai
enaQxixc^ i^ sunovEiv rj ayogäl^eiv // xazsxeiv, ftTjde
döyi-ia Zivi didövai noXizeiag r] XQ^f^^(^\^ tw»» Ötj^o-
aiiov, fxövoig öi dvsJa&ai zrjv yrjv zolg dnozezi(.ii]-
jxivoig 'Ogsazoig. ini/iieXelad-ai de zovziov zov xaz'
ezog yeivöi-ievov noXeizäQxr]v . waze iniva .... züv
noXeizwv xal ixßaXXeiv xal xwXveiv zovg f<^
änozezeif.iT]fiiv?]v yrjv ßiato/^ivovg' idv de z/j
noXeizdqx]] xal öoyi-ia di](.i6aia, zovzov
dnoöovvai elg {q>)iaxov drjväqia nevzaxiaxiXia xal
aXXa zfj noXizeia nevzaxiaxeiXia zovzo
zo ööyi-ia sdo^e t(^ dienovzi zrjv enaqxiav 'lovviip
''PovcpivM did züJv ngeaßevTtüv zov xal
/lidyqov xal xal a exeivog avzoxvqioa . . xal
azrjXoyqaq'
Deu Abdruck der vorliegenden Inschrift habe
ich im Distrikte Orestis (lieute enaqxia Kaazoqiag)
in Makedonien von einer Marmorplatte genommen.
Die Inschrift ist im Allgemeinen gut erhalten, d. h.
ihr Inhalt ist deutlich, mir aber ist es nicht ge-
lungen einen ganz vollständigen Abdruck zu nehmen.
Im Originale selbst sind die letzten vier Zeilen
grösstentheils zerstört; die Buchstaben derselben
waren kleiner als die der übrigen Inschrift, wie es
scheint, wegen Kaummangel. Es standen hier an-
scheinend verschiedene einzelne Namen, vermuth-
lich Unterschriften. Das Dogma, welches die In-
schrift enthält, ist unter dem Kaiser Hadrian ab-
gefasst, wie der darin erwähnte damalige Statt-
halter von Makedonien 'lovviog 'Povcplvog beweist.
Der Stein befindet sich jetzt im Dorfe Idranitzi,
welches ungefähr vier Stunden weit von der Stadt
Kastoria (in Römischer Zeit Celetrum) und 1 '/^ Stun-
den von den Quellen des Flusses Haliakmon liegt;
um diese Quellen wohnten die in der Inschrift er-
wähnten Oresten, wie auch die Städte Orestikon
Argos und Amantia wahrscheinlich in der Nähe der
Quellen des Flusses lagen. Eine zweite Lesung der
Inschrift oder ein glücklicherer Abdruck wird viel-
leicht die Lücken ausfüllen und den Sinn deutlicher
machen, wie auch den Namen der Stadt entziffern.
Halle a. S., 10. August 1880.
Philippos Sakellarios
aus Epirus.
NOCHMALS NIKE UND LINOS.
Eine von mir bei Gelegenheit der neuen Cata-
logisirung der Berliner Vasensammlung vorgenom-
mene Untersuchung der in einer Miscelle des vorigen
Heftes (S. 101) von G. Körte besprocheneu Lekythos
ergab ein von dem dort mitgetheilten verschiedenes
Resultat. Das ganze Gefäss, selbst Henkel, Mün-
dung und Fuss, ist völlig antik, doch aus Stücken
zusammengesetzt. Sicher modern eingefügt ist nur
das den vorgesetzten linken Fuss der Nike und den
Ai'chtiolog. Ztg., Jahrgang XXXVIII.
rechten des Jünglings nebst dem Mäander darunter
umfassende Stück. Der Firniss des Gefässes ist
tadellos. Der Restaurator desselben suchte in üb-
licher Weise nicht nur die Fugen der Brüche, son-
dern auch diejenigen Beschädigungen durch Ueber-
malung zu verdecken, welche die Oberfläche na-
mentlich an den mittleren Gewandpartien durch
Zersetzung erlitten zu haben scheint. Diese Ueber-
malung, die jetzt grösstentheils von mir entfernt
162
H. Blümner, S. g. sterbender Alexander.
ist, hielt sich indess ziemlich genau an die antiken
Spuren, wie sich namentlich an einigen Stellen er-
kennen Hess, wo dieselbe auf wohl erhaltene antike
Zeichnung übergegritfen hatte. Der trügende An-
schein eines modernen Ursprungs des Ganzen ward
eben durch jene Uebermalung veranlasst. — Noch
erwähne ich, dass von den Köpfen der des Jüng-
lings sehr übermalt war; die Flügel der Nike in-
dess sind intact und entsprechen durchaus der im
strengen Vasenstile gebräuchlichen Bildung.
Was dagegen die thörichten Inschriften betrifft,
so bestätigte sich Körte's Beobachtung durchaus;
sie sind modern und gegenwärtig entfernt. — Der
Stil des einst schönen und sorgfältigen Gefässes
ist der „strenge" im Uebergange zum „schönen".
Das theilweise oder vollständige Uebermalen etwas
beschädigter Vasenbilder wurde sowohl im[römischen
als besonders im neapolitanischen Kunsthandel mit
grosser Routine betrieben, und die Berliner Samm-
lung bietet zahlreiche dem obigen verwandte Bei-
spiele.
A. FURTWÄSGLER.
DIE MASKE DES SOG. STERBENDEN ALEXANDER.
Obgleich die Deutung dieses Idealkopfes, in
dessen Zügen sicherlich keine Spur von Portrait-
ähnlichkeit zu finden ist, als sterbender Alexander
noch in Friederichs (Bausteine No. 682) einen Ver-
theidiger gefunden hat, so sucht doch heut die
Mehrzahl der Archäologen sicherlich mit Recht die
Deutung auf mythologischem Gebiete. Overbecks
Deutung auf Kapaneus trifft, trotz des Widerspruchs
von Friederichs, insofern das Richtige, als sicher-
lich es ein physischer Schmerz ist, der das Gesicht
verzerrt und den Kopf nach hinten sich zurück-
beugen lässt. Freilich erregt die Bartlosigkeit Be-
denken, weniger der Ausdruck des Gesichts, denn
„weich" ist derselbe keineswegs, wennschon ebenso
wenig „wild".
Ich habe nun schon früher den Gedanken ge-
hegt, dass der Kopf einen jugendlichen Titanen
oder Giganten vorstelle. Seitdem mir aber die
erste vorläufige Publication der schönsten Re-
liefs vom pergamenischen Altar zugekommen ist
(Conze, Huniann u. A., Die Ergebrrisse der Aus-
grabungen zu Pergamon, Berlin 1880), hege ich
an der Richtigkeit dieser Deutung keinen Zweifel
mehr. Der Kopf des von Athene niedergeworfenen
jugendlichen Athleten auf Taf. IV entspricht im
Ausdruck, den hoch heraufgezogenen Augenbrauen,
dem wirr sich sträubenden Haar, der nach hinten
gebeugten Stellung so genau der florentiner Maske,
dass ich keinen Augenblick anstehen möchte, den
florentiner Kopf für den eines sterbenden Giganten
zu erklären, besonders da, wie ich höre, auch mit
einem der noch nicht abgebildeten pergamenischen
Gigantenköpfe grosse Aehnlichkeit vorhanden ist.
An der edeln, jugendlichen Bildung wird nunmehr,
nachdem wir in den pergamenischen Skulpturen
Giganten von „edelster sympathischer Bildung, sei
es frischer Jugendlichkeit oder würdiger Mannes-
gestalt" kennen gelernt haben, niemand mehr An-
stoss nehmen. Andererseits aber findet das mähuen-
artig gesträubte Haar, das man ja auch an den
schon früher bekannten Gigantenbildungen beo-
bachten konnte und das ganz besonders zu der Deu-
tung auf Alexander verleitet hat, bei dieser An-
nahme seine beste Erklärung; nicht minder ist,
abgesehen von der schon bemerkten eigenthUmlichen
Kopfhaltung, für welche der den Kapaneus treffende
Blitzstrahl doch nur ein schwaches Auskunftsmittel
war, für den Giganten das Sichtbarwerden der
Zähne charakteristisch. Ich weise bloss noch dar-
auf hin, dass diese Deutung mit der allgemein
angenommenen Datirung, wonach der „sterbende
Alexander" in die Üiadochenzeit gehört, sehr wohl
übereinstimmt.
Zürich. H. Blümner.
Zu Tafel 14. — Berichtigung.
163
Zu Tafel 14.
Der gUtigeu Vermittlung des Herrn Dr. A. Milch-
hüter verdankt die Redactiou eine von Herrn Gillieron
herrührende Zeichnung des im Museum von Sparta
befindlichen Sarkophages, den die auf Tafel 14
wiedergegebene reizende Darstellung sclimückt ; das
ins Patissiamuseum zu Athen versprengte Bruch-
stück mit Kopf und Schultern des cymbelschla-
gendeu Eroten ist in der Zeichnung hinzugefügt.
Dass unsere Tafel in der Noth des Kaumes das fort-
laufende Bildwerk getheilt geben musste, erschwert
die Veranscliaulichuug hoffentlich nicht zu sehr.
Eine eingehende Beschreibung des Denkmals findet
man in Dressel und Milchhöfer's Verzeichniss der
antiken Kunstwerke aus Sparta (Mittheilungen des
arch. Inst. II) S. 401, eine lichtvolle, die Composi-
tionsprincipien darlegende Auseinandersetzung über
den Keliefschmuck der wenig zahlreichen grie-
chischen Sarkophage bei Matz in der archäolog.
Zeitg. 1872 S. 11 ff. Unter den S. 16 aufgezählten
Erotendarstellungen auf dieser Klasse von Denk-
mälern steht die vorliegende an Schönheit gewiss
obenan; die streng symmetrische Gliederung, die
Matz als den ihm bekannten Exemplaren eigen-
thümlich hervorhebt, finden wir auch bei dem uu-
srigen wieder.
Es sei die Gelegenheit benutzt auf das Bruch-
stück eines stofflich gleichartigen Sarkophages von
später und gewöhnlicher Ai-beit hinzuweisen, das
mit der übrigen Ausbeute seiner Expedition vor
kurzem durch Sejjp in das Berliner Museum ge-
kommen ist. Es genügt nämlich ein Blick auf die
Abbildung in dieses Verfassers 'Meerfahrt nach
Tyrus' S. 202, um zu erkennen, dass kein „ertrun-
kener Melikertes", sondern ein stark betrunkener
Erot dargestellt ist, den ein zweiter vom Nieder-
taumeln zurückhält, während ein dritter, der das
Tympanon dazu schlägt, damit gewiss eine weit
harmlosere Absicht verfolgt als „die Auferstehung
zur Harmonie der Sphären anzudeuten."
M. F.
Berichtigung.
In der Sitzung der archäologischen Gesellschaft
in Berlin am 4. Mai d. J., über welche der Bericht
in der mir so eben zugegangenen Archäolog. Zei-
tung d. J. Heft 2 S. 105 f. abgedruckt ist, hat Herr
Prof. Dobbert die Entdeckung der Abplattung des
einen Pferdekopfes vom westlichen Parthenougiebel
für sich in Anspruch genommen und gesagt, er
habe seine Beobachtung mir mitgetheilt, der ich
ihm vollkommen Eecht gegeben und seither meine
eigene Entdeckung sowie die Beobachtungen D's.
an den Pferdekc'lpfen , freilich ohne diesen zu
nennen, in den Berichten der K. Sachs. Ges. d.
Wiss. veröffentlicht habe. — So kleinlich ein Prio-
ritätsstreit bei einer derartigen Entdeckung er-
scheinen kann, die Jeder macheu konnte, nachdem
diejenige der Abplattung des Pferdebeines gemacht
worden war, kann ich doch die in den Aeusserun-
gen des Herrn D. gegen mich gemachte Insinuation,
als hätte ich eine von ihm herrührende Beobachtung
als die meinige benutzt, nicht ruhig hinnehmen und
erkläre deshalb hiermit, dass Herr Prof. Dobbert
sich geirrt hat. Mein londoner Tagebuch weist
nach, dass ich, nachdem ich am 20. August die
Wahrnehmung an dem Beine gemacht hatte, durch
dieselbe ganz natürlicherweise zu weiteren Unter-
suchungen der Pferdefragmente vom Parthenon an-
geregt, selbigen Tages die verwandte Erschei-
nung an dem einen Pferdekopfe festgestellt habe.
Mit Herrn Prof Dobbert traf ich am 1. September
zusammen und theilte ihm, wie vorher Mehren
(Newton, Murray, Dr. Lange u. A.) meine Ent-
deckungen an dem Bein und an dem Kopfe
mit, desgleichen, dass ich auch den zweiten, bei
Michaelis nicht abgebildeten Pferdekopf zu dem
Gespanne des Poseidon rechne. Darauf machte
mich Herr Prof. Dobbert seinerseits auf „die Beto-
nung der kleineu Falten am Kinnbacken" aufmerk-
sam, „wie solche sich an der rechten Seite des äu-
ssern Pferdekopfes vom Gespanne des Helios am
Ostgiebel tinden" und leitete daraus den Schluss
ab, „dass jener Kopf eine Wendung nach links
mache und also dem äussern Pferd in der rechten
Hälfte des Westgiebels angehörte." Dass ich diese
Wahrnelimung dem Herrn D. verdanke, hätte ich
bei meiner Publication sagen sollen und hätte das
auch getlian, wenn icli hätte ahnen können, dass
Herr D. auf diese seine Wahrnehmung, welche meine
Entdeckung in so erwünschter Weise bestätigt, ein
so grosses Gewicht legt, wie es sich jetzt zeigt.
Dass ich aber irgend eine weitere Beobachtung dem
Herrn D. entlehnt habe, ohne ihn zu nennen, dies
stelle ich hiermit auf das Bestimmteste in Abrede.
Leipzig, 28. August 1880.
OVERBECK.
22*
DIE AUSGKABUNGEN VON OLYMPIA.
INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.
366.
„Niedrige Basis aus pentelischem Marmor, ohne Profilirung.
Gefunden am 4. April 1880 vor der Westaltismauer, südlich vom
PhilippeioD. o 5 steht auf der Vorderseite und der r. Neben-
seite, c auf der Oberfläche am vorderen Rande vor den beiden
darauf befindlichen Fussspui-en ; von diesen fehlt die r., da die r.
hintere Ecke der Platte abgebrochen ist; die 1. ist 0,17 gross;
auch durch sie geht ein Bruch, der die 1. hintere Ecke und die
1. Inschriftseite durchschneidet. An den Seiten hat die Basis
in der Mitte des unteren Randes je eine rechteckige Vertiefung,
welche vermuthlich zur Befestigung derselben auf der Unterseite
diente und nur auf der Rückseite fehlt; die Inschriften nehmen
schon auf dieselbe Rücksicht." Ausser einer Abschrift von K.
Purgold lag mir ein Abklatsch vor.
E P M A 2 I 2 mTu-O VXnTNI O x\^
YSAnoAÄTNHSNEIKHXAS
O A Y M n I ^
////
A I X K A I T H N
A O I n H N n E P I C ps-CTH E N "i K ///////
A K T I O I X K A 11-'
////
////
P A I o I S A H o\///
Y M n I rV/
ANAPASnANKPATION
'EQ/.iäg 'Ialcü\v]og ^vzioxs i vg and Jäifvrjq,
VEixrjaag 'OXv[.iTiia ölg xal ttjv | kotnrjv nsQtoöov
ev ifj \ne] \ Qi6ö(p avv ö[l\g Ns/xeioig, | M'xTtoi.g xai
'Hqaioig, Jil '0[^] | vi^niq). — \ avögag navxQäziov.
Die Worte ev t^ nagiödii) können wohl nur so
gedeutet werden, dass Hermas oline Unterbrechung
immer bei der nächstfolgenden Feier eines der vier
grossen Nationalspiele aufgetreten ist und gesiegt
hat, während in dem vixt^aag zrjv neqioöov an sich
dieses noch nicht liegt. Ueber die Verbindung an-
derer Festspiele mit der ursprünglichen neqiödog
siehe zu nr. ÜÜ.
367.
Fragment einer Kalksteinbasis, gefunden am '29. Oktober
1879 im Osten der Echohalle. Oben und an den Seiten Bruch,
unten der Ansatz des Profils erhalten; hoch 0,16, lang 0,25, tief
0,17. Abschrift von Purgold.
!1 TT CTTTTt K TVn
MeCCAAGl^/
THNAPeTHa
'H nölig xa[l fj 'Olv/.in:txri ßovXi] ] |
M.£aaaXsiv\ov, xov eavTtov £veQys]Trjv, oQETrjg [svexev].
Das Cognomen Messalinus ist zu häufig, um eine
nähere Bestimmung der Person der die Inschrift gilt
zu gestatten.
368.
Fragment aus gelbem Kalkstein, gefunden 16. Mai 1880 im
Norden des Prytaneion. Unten ist der Rand erhalten mit einem
Theil der rauhen Unterfläche; rechts Anschlussfläche, links imd
oben Bruch. Der erhaltene Theil ist 0,29 lang, 0,13 hoch. In
den Buchstaben noch deutliche Spuren von Roth. Ausser einer
Abschrift von Purgold lag mir ein Abklatsch vor.
p N S fl T H P A K-?rr
k^5 TKANTAAPE
[Tdv ösha . . , top eavT]cöv awzfJQU xai [eiieq-
yizriv, dLev\eyxavxa aQE[Tfj ].
369.
,, Basisblock von grauem Kalkstein, gefunden am 16. Decem-
ber 1870 im ersten grösseren Gemach von S. an der Ostwand
der Palästra in situ. Länge der Vorderseite (a) und Hinterseite
(b) 0,83, Breite der linken Seite 0,74, der rechten 0,70. Höhe
der vorderen Schriftfläche links 0,26, rechts 0,22; der hinteren
links 0,24, rechts 0,27. Dieser Kalksteinblock, ringsum glatt,
ohne Profil, bearbeitet, bildet gegenwärtig den Unterstein einer
Basis, welche ausserdem noch aus einem zweiten, auf ihm ru-
henden besteht (0,77 X Oj^'t g''oss, 0,165 dick); derselbe ist oben
mit einem zurücktretenden Profil von etwa 0,06 Höhe bekrönt
und zeigt auf der Oberfläche vier roh gearbeitete Vertiefungen
mit Gussrinnen, innen mit dem Bleivergiiss, durch welchen die
Plinthe einer darauf aufgestellten Statue befestigt war. Dieser
obere Block, der sich mit dem unteren auf keiner Seite genau
in der Grösse deckt, ist so auf denselben gelegt, dass an der
Westseite, wo sich das Gemach, in welchem sie stehen, nacli dem
grossen Sänlenliof des Gymnasiums öft'net, ihre Kanten auf ein-
aniler schlius.sen, offenbar weil die Statue, deren Basis sie in ihrer
jetzigen Verbindung bildeten, nach dieser Seite hin die Front
W. Dittenberger, luschriften aus Olympia.
165
hatte. Es ergibt sich ans den angegebenen Umständen, dass
die beiden Blöcke von älteren Monumenten genommen sind.
Uebcr die ursprüngliche Bestimmung des oberen Blocks ist keiner-
lei Vermuthung aufzustellen, für den unteren Block lassen die
beiden Inschriften, die er an den beiden jetzigen Nebenseiten
trägt, eine doppelte frühere Verwendung erkennen. Die altere
von beiden ist offenbar u , welche von einer Basis herrührt , in
welcher der Block hochkantig an die linke Ecke der Vorderseite
gestellt war. Dies Monument war schon in der auf Ol. 259
(257 — 260 n. Chr.)') nächstfolgenden Zeit zerstiirt, denn in
dieser wurde derselbe Block zu der Basis eines Siegers verwen-
det, in der er liegend, wie jetzt, nur natürlich mit anderer
Front, als Unterstein angebracht war. Ein darüber liegender
Block hat den Anfang der Siegerinschrift getragen, mit dem der
Name des Siegers verloren ist '). Wir haben hier einen Anhalts-
jiunkt dafür, dass in der Palästra vermuthlich noch im zweiten
Jahrhundert neue Monumente errichtet worden sind, freilich aus
den Bestandtheilen von früheren." Ausser einer Abschrift von
K. Purgold lag mir ein Abklatsch vor.
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KÄneTWA 1 AeNPU)JUHrA0HNAC-POXl A///
XOYeNPCOXlH.f. PIO JU HCA
W N ///////////////
Die Beste von a lassen zwar erkennen, dass
diese Inschrift zu der Statue eines Mannes gehörte,
die ihm von einer Stadtgemeinde (wahrscheinlich
der von Elis) gesetzt war; von einer Herstellung
aber kann nicht die Rede sein. Man erkennt: Z. 1
^ Tcokig, Z. 2 Käklin[nov] oder KakXin[7iiö>]v],
Z. 3 . . -xov TtjI . . . ., Tl. A innaQxri[öttvxtt\, Z. 5
[TEt^irj\uisvov 6[£ u. s. w., Z. 6 xiov xal . ■ ., Z. 7
aQtrfjg [evsxa].
Dagegen fehlt von b zwar der Anfang, das Er-
haltene aber ist ein zusammenliängendes und bis
auf ganz kleine und sicher zu ergänzende Lücken
vollständiges Stück: ßovXevTrjg xat 2^ivq-
vacog ßovlevzrjg xal 0ila\d£l(pevg ßovksvTrjg xal
'l£Qanol{£i]T7]g ßov).£v\zi^g xal TQinoksitTjg ßnvlevT^g
xal IleQ/alng ßovlEvzrjg, xfJQv^ TQiansgiodog a^ein-
Tog, I veixtjaag legoiig ayüvag zovg v7ioy£yQai.i\^ii-
vovg- 'OXv/^mia d' 'Ol(vixniaöi) avg', avtj', avi^' ,
') Vielmehr Ol. 260 s. unten. W. D.
<j[^']''), 1 Kan£zu)lia sv 'Pco/itt] / , läd^rjväg IlQOfiä- \
Xov ev 'Pdif-ij] y', 'P(ö/^rjg alcöv[ia].
Die Person des Dedicanten lässt sich, obwohl
der Name mit dem oberen Stein verschwunden ist,
sicher bestimmen. Es findet sich nämlich in dem
Verzeichniss ein Festspiel, das überhaupt nur ein-
mal stattgefunden hat: denn die 'Pcofijjg almvia
können in einer Inschrift dieser Zeit nur von der
Feier des tausendjährigen Bestehens der Stadt Rom
248 n. Chr. verstanden werden. In dieser aber hat
als xriQV^ Valerius Eclectus aus Sinope gesiegt,
nach der Inschrift eines von ihm dargebrachten Ana-
thems in Athen (C. /. Att. III 129); ihm muss, da
') Doch s. unten. W. D.
^) Dass der olympischen Siege vier waren, ist vorher aus-
drücklich angegeben, und da in Purgold's Abschrift wie auf
dem Abklatsch zwischen den Spitzen der Palmzweige der Halb-
kreis des C und zwei horizontale Linien, die offenbar zum ^
gehörten, erkennbar sind, für ein drittes Zahlzeichen aber kein
Raum zu sein scheint, so dürfte das Datum des vierten Sieges
(Ol. 260) gesichert sein.
166
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
zwei Sieger in demselben Agon undenkbar sind,
auch unsere Inschrift zugeschrieben werden. Und
dies findet bei näherer Betrachtung beider Denk-
mäler noch anderweitige Bestätigung: Zunächst gebt
aus den Olympiadenzahlen hervor, dass die Olympia-
siege mit Ausnahme des ersten erst nach seinem
Siege in den römischen Säeularspieleu errungen
sind; dies berechtigt wohl anzunehmen, dass sein
Auftreten in den Agonen zu Rom mehr in den An-
fang seiner Laufbahn, und vor die Periode seiner
glänzenden Erfolge in den griechischen National-
festen fällt; und dazu stimmt wieder vortrefflich,
dass in den Zahlen der in Rom errungenen Siege
beide Inschriften genau mit einander stimmen {Ka-
netiöKia ev 'Pdfitj y , l4d-r]väg nQOf.iäyov iv 'Po^^rj y).
Wenn sie dagegen in Betreff der hellenischen
Hauptfeste auseinandergehen, indem er in der atti-
schen Inschrift wiqvi. dtgneQLOöog mit zwei, in
der olympischen Tgigneglodog mit vier Olympia-
siegen heisst, so liegt auf der Hand, dass dies
durch die verschiedene Entstehungszeit beider Denk-
mäler bedingt ist, und die des attischen, welche ich
im Corpus nur nach dem Sieg bei der tausend-
jährigen Feier Roms nach 248 ansetzen konnte, wird
hierdurch genauer auf die Zeit zwischen der 258sten
und 259sten Olympienfeier (253—257 n. Chr.) fest-
gestellt, während das olympische Denkmal nach
(und zwar wahrscheinlich unmittelbar nach) der
2608ten (261 n. Chr.) errichtet ist. Unter den Städten,
deren Rathsmitglied der Dedicant sich nennt, kommt
freilich nur eine, Perge, in beiden Inschriften vor.
Aber bedenken wir, dass das Verzeichniss des
olympischen Denkmals durch Verlust des oberen
Steins verstümmelt ist, das des athenischen aber
durch den Zusatz xai aAAw»/ nokliöv rtöletov
noleiTTjg xai ßovlsvr^g sieh selbst als unvollständig
gibt, so erklärt sich das Fehlen von Philadelpheia,
Hierapolis und Tripolis in dem athenischen, das
von Sinope, Athen, Delphi, Elis, Sardes und Xikaia
in der olympischen Inschrift auf die natürlichste
Weise. Nur dass Smyrna, welches auf dem olympi-
schen Denkmal vorkommt, auf dem attischen fehlt,
könnte Bedenken erregen, da bei der Bedeutung
dieser Stadt doch die Nennung des Namens schwer-
lich unterblieben sein würde. Aber da die olympi-
sche Inschrift mehrere Jahre jünger ist als die atti-
sche, steht nichts der Annahme im Wege, dass
Eklektus erst nach der Errichtung der ersteren die
Würde eines Rathsherrn von Smyrna erlangt hat.
370.
Basis aus grauem Kalkstein, gefunden am 25. Mai 1880 im
Westen des Buleuterion- Südbaues. Lang 0,59, tief 0,52, hoch
0,36. Der Block ist ohne alle Profile glatt gearbeitet, auf der
Oberfläche zwei kleine ovale Löcher zum Einlassen einer Bronze-
statue, zwischen ihnen ein drittes, rechteckiges; die 1. Seite des
Steines ist als Anschlussfläche behandelt. Da jedoch die In-
schrift vollständig ist, kann sich hier nur entweder ein Stein mit
selbständiger Inschrift angeschlossen haben, oder der unsrige ist
in einer seiner ursprünglichen Bestimmung fremden Weise ver-
wendet. Die Buchstaben sind auf der ausgewitterten Vorder-
fläche zum Theil nur schwer leserlich, einige in der Mitte nicht
mehr erkennbar." Abschrift von K. Purgold.
^afiai9idag M£p\inn]nv 'HXslng, vix7]aag , avv-
laqidi na)?.txrj. Die Ergänzung des Namens rührt
von Purgold her. Nach der Schriftform dürfte das
Denkmal in die erste Hälfte des dritten oder die
zweite des zweiten Jahrhunderts vor Christus zu
setzen sein.
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
167
371.
Zwei Fragmente aus feinkürnigem, kalksteinartigem grauem
Marmor, a 0,24 lang, 0,28 hoch, 0,24 tief erhalten, gefunden
am 10. März 1880, verbaut im Süden des Philippeion in einer
spätrömischen Mauer, b im Ganzen 0,32 hoch, erhalten in der
Länge von 0,23, tief 0,2G. Unten Rand, 1. ein Stück der Seiten-
fläche mit einem Versatzbossen erhalten, oben ein Stück der
Oberfläche, welches erkennen lässt, dass die Inschrift hier nicht
mehr als vier Zeilen enthalten hat. Gefunden im April 1880 im
Westen des Prytaneion vor der Ostfront der Nordhalle der Pa-
lästra. Abschrift beider Stücke von K. Purgold.
ION
N EP f
I xav MslyaXonoXiTav avi\ \ d-r]xav
aQetä[g evexa TÜg eig] | avrovg.
JigiOTeag Nixa [ Meyalonolitag [enoirjas],
Dass die letzten Zeilen den Künstlernamen ent-
halten, ist sowohl wegen des Nominativs als wegen
der Stellung zur oberen Inschrift kaum zu be-
zweifeln.
372.
Fragment der Oberplatte einer Basis aus grauem Kalkstein,
gefunden am 20. März 1880 südlich vom Philippeion in einer
spätrümischen Mauer. Hoch 0,17, breit 0,37, tief 0,57. Der Stein
ist rechts und hinten gebrochen, etwa in der Mitte, da man am
Bruch noch die Spuren des abgestossenen Versatzbossen bemerkt,
der in der Mitte stehen geblieben sein wird; das Inschriftfeld ist
auch unten zerstossen. Ausser einer Abschrift von K. Purgold lag
mir ein Abklatsch vor.
■t-IAONIKO^ <i>IAr^
NIKH^AC OAYM
(Dilövixog 0iIio[tov {(Dilioxidov , Wiliaxov'?)
] I vix^aag 'OXv/^[nta ].
Dass der letzte Buchstabe in Z. 1 ein 2 (nicht
etwa J) gewesen ist, ergiebt der Abklatsch mit
Sicherheit.
373.
Fragment, von allen Seiten verstümmelt, nur oben ist der
Rand erhalten. Unterhalb der zweiten Zeile ist eine andere aus-
radirt. Ucber Ort und Zeit der Auffindung lag mir keine An-
gabe vor. Abklatsch und Abschrift von Purgold.
DTTIOtOKAIATTOAl
///////////////////////////////////////////,
ir o N
[TißeQiov Klavd]iov N£Qü)[va \ 6 deiva . . . .Jou
v\6g 6 xal ÄnoX[X ].
Die beiden letzten Zeilen können kaum zu der-
selben Inschrift gehören; vielleicht ist zu ergänzen
[fi ßovX\fi I [Jqov^oov, wenn man auch bei einem
gemeinsamen Denkmal der beiden Stiefsöhne des
Augustus die Namen eher neben als unter einander
stehend erwarten sollte.
374.
„Basisblock aus schwarzem Kalkstein, verbaut in eine
spätrömischc Mauer im Süden des Philippeion ; gefunden den
20. Mai 1880, 0,29 hoch, rechts und hinten gebrochen, etwa
0,70 lang und ebenso tief. Die linke Seite hat Anschlussfläche.
Die Inschrift steht am vorderen Rande der Oberfläche, links von
der Mitte derselben, wo der Stein jetzt 7 Centimeter breit aus-
gemeisselt ist, wohl zum Zwecke seiner späteren Verwendung.
Auch sonst ist die Oberfläche des Steines sehr beschädigt worden,
doch enthielt sie wohl die zwei Fussspuren " Abklatsch und Ab-
schrift von K. Purgold.
III P H IM.
In diesen Buchstabenresten ist wohl eher das
Ethnikon [^Jjxag als ein Personenname zu er-
kennen.
375.
Fragment eines Ziegelstempels, gefunden am 15. December
1879 im Südwestgraben. Abklatsch und Abschrift von Purgold.
Purgold vermuthet, dass [Ij/rt MsXyjlxog] zu lesen
sei. Mir ist es wahrscheinlicher, dass hier die in
Inschriften von Gebäuden u. dergl. so häufige
Formel [i]niiitskrj[d-£VTog (oder sTiifielTjTsvovTog) xov
^eivog^^ gestanden hat.
376.
„Ziegel mit Stempel, gefunden im Sommer 1879 im Pry-
taneion, 0,24 im Quadrat, 0,04 dick. Der Ziegel ist mit dia-
168
W. Dittenberger, Inschriften aus Olympia.
gonal laufenden, eingedrückten Doppelstreifen versehen ; über die-
selben hinweg ist in der Mitte in vertieftem Felde der Stempel
mit einer Form eingepresst; die Buchstaben in sorgfültiger, zier-
licher Ausführung römischer Zeit." Abklatsch und Abschrift von
K. Purgold.
A Y K 1 A Ä
AvKiöa.
377.
„Fragment aus grauem, kalksteinartigem Marmor (arkadi-
schem oder lakonischem). Oben und unten Rand, die anstossen-
den Flächen rauh bearbeitet, links Bruch. 0,095 hoch, erhalten
0,23 lang und 0,12 tief. Gefunden den 20. April 1880 im Nor-
den des grossen Südwest-Baues.'- Abklatsch und Abschrift von
Purgold.
/
A I N E M E A 1-
'f A MESSHNIC//
M II O A Y M n in ////
xat Nsfieag \ [b öslva . . .]ia Mea(j)]vio[g] \
378.
,, Fragment aus gelbem Kalkstein, gefunden vor der Ostfront
des Zeustempels am 29. Februar 1880, 0,16 lang, 0,14 breit und
0,10 dick; nur oben ein kleines Stück des Randes erhalten. Die
Inschriftfläche ist so verwittert, dass die Lesung äusserst schwie-
rig ist." Abschrift von K. Purgold.
Es ist nicht möglich, einen Zusammenhang her-
zustellen; wahrscheinlich gehörte die Basis zu dem
Anathem eines olympischen Sieges, worauf Z. 1
'Olv^n[ia] (oder [Jii] '0Ai);W7r[t'f<j]) und Z. 3 vixwv
hinzuweisen scheint. Die Reste der übrigen Zeilen
sind unverständlich.
379.
Fragment vom Oberblock einer Kalksteinbasis, mit Profil;
0,11 hoch, 0,36 lang, 0,26 tief erhalten. Auf dem oberen Rande
des Profils ist die Inschrift in sehr schwachen Zügen noch er-
kennbar. Gefunden am 21. Oktober 1879 im Westen des Pry-
taneion , verbaut in eine der ,,Slavenmauern." Abschrift von
K. Purgold.
STOYHAEIOS
\ T I T E A E I ft 1
fO öslva . . . .JffTov 'Hf.slog \ [vixj^aag 'Olvfinia
380.
Fragment vom Oberblock einer profilirten Kalksteinbasis,
0,11 hoch; 0,22 lang, 0,10 tief erhalten. Oben Rand mit einem
Stück der Oberfläche daran, unten der Ansatz des Profils ; r. und
1. Bruch. Gefunden am 2. Januar 1880 ausserhalb der West-
Altismauer, vor dem S.-W. -Graben. Abschrift von Purgold.
IXOSNIKOAPOMC)
I KH2 AS/// \ Y N/
■ n n A I //////
V I 52 I IUI
. . .xog NiKodQ6i.i[ov 'HXeios (?) v]ix>]aag ['0]}.vv-
[nia I nü}li[xüi (oder -xfj) | z/tt 'Olv/j.]nit{).
Ein Eleer Nikodromos kommt nr. 4 vor.
Halle a. S.
W. Dittenberger.
OLYMPISCHE STUDIEN.
I. Die Folgenreibe der Festspiele.
Die Folge der Festspiele ist uns von keinem
Schriftsteller ausdrücklich mitgetheilt; Tansanias
hat sie zwar überliefern wollen, doch ist seine
Nachricht durch handschriftliche Verderbniss ge-
trübt. An der Stelle V, 9, 3; 6 de xöa^ng o tieqI
zov aycSva ig)' rjfxwv, üg ■d-vsaQ-ai toj ^£fi5 t« 'legElct
nevtäd-Xov (.lev xal öqü/hov tiöv "nniov vaxsQa ayio-
viGfiätcüv, ovTng xazsaTTj acpiat o xoüfiog OXvfi-
ntäSi eßdö/iiT] ngog xalg sßöofi^xovra sind nämlich
mehrere Worte ausgefallen. Der mit wg eingeleitete
Satz erwähnte wie in Parenthese die Folgenreihe
der Festlichkeiten als eine allgemein bekannte
Sache, und berichtet dass sie in der 77. Olym-
piade eingeführt wurde, ta ttqo tovtcov di snl
■^(.ligag rjynv Trjg avTijg^ so erzählt P. weiter,
o^oiiog xal av&qwnoiv xal 'Inniav aycova. tots ds
TiQorixd-riaav ig vvxza ol nayxQaTiatovisg , are
ov xaza xaigov laxXt]&£vTsg , oItioi, öe iysvovxo
o'i TS 'InnoL xal ig nXiov eti tj nSv nsvTa&lcov
aj^iXla' .... ij^Tindiov ös nvx sfis'k'Ke nayxQUTio)
xov lomov x6 Tievxa&Xnv ovöi ol mnni yevriasa&ai.
Eines geht aus dieser Stelle mit ziemlich grosser
Klarheit hervor, dass nämlich die Wettkämpfe, die
man vor der 77. Olympiade an einem Tage ab-
hielt, seitdem auf zwei vertheilt wurden. Bevor
wir uns aber weiter mit der Stelle beschäftigen,
wollen wir erst zusehen, was anderswoher über die
Folgenreihe der Wettkämpfe festgestellt werden kann.
Wir lesen, wieder bei Pausanias (VI, 13, 2), von
einem gewissen Polites: avifpr^vE de ccqettjv nodüv
ev OXvixnia nSaav • and yctg xov lUTjKiaxov xal
öiagxEaxaxov di oliyioTOv drj xatgov iiiE9r]Qf.i6aaTO
inl x6 ßgaxvxaxov oiiiov xal wxiaiov, xal öollxov
x£ iv Tj^eQa xfj avxfj xal nagavtlxa axadiov laßcov
vixTjv nQnai3-t]xE diavXov acplai xfjv xQtxrjv. Diese
Worte beweisen, dass die Folgenreihe bei den ver-
schiedenen Arten der Wettkämpfe war: döXixog,
axädiov, ölavXog, und diese Folge hat auch ihren
rationellen Grund. Bei dem döXixog kommt es niclit
hauptsächlich auf Schnelligkeit an: man muss den
Arcliäolog. Zig. JahrcanfT XXXTIII.
Körper in eine Bewegung setzen, die er lange aus-
halten kann; wenn man damit anfängt möglichst
schnell zu laufen, so ist man erschöpft, ehe man
am Ziele ist. Bei dem axädiov im Gegentheil, wo
man nur einmal die Laufbahn zurückzulegen hat,
kommt es fast nur auf Schnelligkeit an. Der öiav-
log, das einmalige Durchmessen der Bahn hin und
zurück, ist etwas wie eine Verbindung der beiden
Anforderungen, er erheischt Schnelligkeit und
Ausdauer.
Von grosser Wichtigkeit ist weiter Paus. VI,
15, 3: fj de 'Olvfiuiäg rj erps^rjg (die 142.) elxs
fiiv xov Klsixofiaxov xovxov Ttayxgaxiov xal nvy~
fifjg äy(oviaTt]v, slyE de xal 'HIe7ov KÜtiqov inl
rjfiegag xijg avxfjg nalaiaai xs ofiov xal nayxQß~
xiäaai nQO&vfi.ov^iEvov. yeyovvlag de rjdrj xm Känqcff
vixrjg inl xtj nakr] ävedidaaxEv 6 Kkeizöfiaxng xovg
'EXkavodlxag yEvrjaea&ai avv zu dixalco ag)iaiv, «t
x6 nayxqaxiov iaxaXeaavxo nglv rj nvxTEvaavxa
avzov Xaßelv zqav^iaxa. Hieraus sehen wii-, dass
die näXi] der nvy/.n], die nvyi.i7j dem nayxqätiov
vorherging. Die Hellanodiken gaben dem Wunsche
des Klitomachos damals nach, dass aber öfter als
dieses einzige Mal die gewöhnliche Folgenreihe der
Wettkämpfe geändert worden sei, zeigt sich nirgends.
In späteren Zeiten (Ol. 21G) vernehmen wir aus
Inschr. 147 und 148 (Arch. Zeitg. 1878 S. 91) von
einem nayxgäxiov, das bis iu die Nacht dauerte;
es wird dies wohl der letzte in der Eeihe der
Wettkämpfe gewesen sein, so dass auch damals
ohne Zweifel die nvyfiT] vorherging.
Bei Xenophon Hell. VII, 4 lesen wir über ein
Festspiel zu Olympia: xal xrjv ftiv Innodga/^iav
ijdt] inanoi/jxeaav xal xa dQ0/.uxd zov nevxä&Xov.
Hieraus geht deutlich hervor, dass das nevxaitXov
nach der Innodgoixia folgte.
Wir kennen also drei Gruppen von nachein-
ander folgenden Wettkämpfen:
1. döXixog, axädiov, diavXog.
2. näXrj, nvy(.iri, nayxqäziov.
3. Innodgania, nivzad-Xov.
23
170
A. E. J. Holwerda, Olympische Studien.
Wie folgten nun diese Gruppen auf einander?
Bei Julius Africanus (Ed. Rutgers S. 67) lesen wir,
dass in der 113. Olympiade Argeus der Avgiver im
ööXixog siegte und sv "Agyei rtiv avzov vIxtjv avd-t]-
^SQov av^yystXev. Hieraus dürfen wir doch wohl
schliessen, dass d6Xixog,aT<xöiov, dlavlog des Morgens
abgebalten wurden. Ferner folgt aus der schon
angeführten Inschrift 148, dass näXr}, nvyfirj und
nayxgäTiov später am Tage stattfanden. Demnach
sind zwei Fälle möglich: 1. dass an einem Tage
abgehalten sind: ööXixog, aräöiov, dlavlos, nälr],
nvyy.ri, nayxQaziov, am andern \nnodQOi.da, nevt-
ad^iov. 2. dass an einem Tage abgehalten sind
ööXixog, otädiov, diavkog, inTiodQOf.iia, nEv%ad-Xov,
am andern nalrj, 7ivy/.i>], nayxQariov. Der zweite
Fall ist sehr unwahrscheinlich. Es ist fast undenk-
bar, wenn man an einem Tage nur die drei Wett-
kämpfe abhielt, dass das nayxqätiov jemals bis in
die Nacht gewährt haben sollte. Als man einen
Tag für die Wettkämpfe hinzunahm, wird man
diesem doch viel eher die zwei längereu InnodQO-
fiitt und nivTa&lov, als die viel kürzeren ndXr],
nvyftr^, nayxQOTiov zugewiesen haben.
Wir kehren nun zurück zu der ersten Stelle des
Pausanias. Früher wurden, so ist ihr Inhalt, an
einem Tage die Wettkämpfe von Pferden und die
von Menschen abgehalten. Zur Zeit der 77. Olym-
piade aber währte das nayxQariov bis in die Nacht,
weil die vorhergehende mnodQOi-iia und das nivz-
a&lov zu lange aufgehalten hatten. Nachdem die
neue Folgenreihe, die Pausanias an unserer durch
eine Lücke entstellten Stelle kurz angedeutet hatte,
eingeführt worden war, wurde das nayxgäTiov
nicht mehr durch das nivxad^Xov und die "nnoi
bedrängt.
Lässt sich nun über diese neue Folgenreihe aus
dieser Stelle des Pausanias etwas schliessen? Die
ausdrückliche Angabe, dass vor ihrer Einführung
der Wettkampf von Pferden und von Menschen an
einem Tage abgehalten wurde, könnte glauben
machen, dass dies nachher nicht mehr der Fall
war, dass also der Innoiv äywv seitdem an einem
andern Tage statt fand als die übrigen Kampf-
spiele. Aber es steht, wie wir gesehen haben, fest,
dass das nivtai^Xov am nämlichen Tage auf die
Innoögn/ida folgte. Ein der Kürze wegen nicht
sehr genauer Ausdruck ist freilich viel weniger
auöallend, wenn wir bedenken, dass die genauere
Nachricht in den entstellten Worten vermuthlich
eben vorhergegangen war. Wenn man mnnÖQo^iia
und ntviaO^lov verlegen wollte, um für das nayxgä-
Tiov Zeit zu gewinnen, so ist es am wahrschein-
lichsten, dass man ihnen den neu hinzugekommenen
Tag zuwies. So gewinnen wir auch hier dieselbe
Folgenreihe der Wettkämpfe, die wir bereits aus an-
dern Gründen abgeleitet haben.
Danach wage ich anzunehmen, dass den Inhalt
der entstellten Worte des Pausanias die Nachricht
bildete, dass das nhTa&kov und der ög6/:iog xtSv
"nncov später statt fanden als die übrigen Wett-
kämpfe. Die Stelle kann also etwa gelautet haben
wie folgt, ohne dass wir natürlich behaupten wollen,
gerade den Wortlaut getroffen zu haben : log dvea-
9ai Toj 9evj, zä isgeia, [s'neiza di yiyvea&ai tovg
ayiüvag ] nsvTä&kov /.tiv xal ögofiov ziov "nniav
voTega [fjf^isga, ngozsga ds zwv Xoincüv] äyiovia-
ftäzcüv. Die zwei fehlenden Stücke sind walir-
seheinlich fast gleich gross gewesen; es können
leicht die über einander stehenden Hälften von zwei
Zeilen verloren gegangen sein. Vor vozega und
ngoTsga habe ich keinen Artikel gesetzt, da man
sonst glauben konnte, dass die Festspiele zu Olympia
nur zwei Tage dauerten.
Wir haben bisher alle Männer-Wettkämpfe er-
wähnt, ausgenommen den Waifenlauf. Aus Arte-
midor I G3 ') (angeführt bei Krause, Seite 99 Anm. 5)
folgt, dass dieser eine Zugabe war zu den übrigen
Wettkämpfen, also auf das nivTudXov folgte. Es
ist daher nicht befremdend, dass Pausanias diese
Kampfart nicht nennt, wo er nur mit wenigen
Worten an die seinen Lesern wohl bekannte Folgen-
reihe der Wettkämpfe erinnern will.
Was die Wettkämpfe der Knaben anbelangt,
so dürfen wir aus Plut. Quaest. Conv. II, 5, 1
schliessen, dass sie denen der Männer vorher-
gingen.
Für den weiteren Hergang des fünftägigen Festes
ist von Wichtigkeit Andocid. IV, 29 (S. 12G), wo von
Alcibiades gesagt wird, dass er die nof-insta von den
athenischen Theoren entlieh, angeblich für die ini-
vixia (den xw^Hog zum Zeus-Altar), in Wahrheit aber,
um sie den folgenden Tag vor dem Opfer der Festge-
saudten zu benutzen. Hieraus sehen wir deutlich, dass
an dem Tage nach der Beendigung der Spiele erst das
Opfer der Sieger und nachher das der Festgesandten
dargebracht wurde. Der Scliluss wird wohl das
den Siegern von den Eleern im Prytaneion veran-
staltete Festmahl gewesen sein.
Der xü^tog der Sieger erfolgte am Abend nach
ihrem Siege.
') zö äl onXov ).ey6/i(V0V Inl Tic'tvjwv nciai nctnoXxtt;
ar)/iia(vii' jeXevzttTov yÜQ xai Inl niiai lo uOXov.
A. E. J. Ilolwerda, Olympische Studien.
171
Die Folgeureihc der Festlichkeiten während der
fünftilgigen Feier war also wahrscheinlich:
1. Bov&vaia (muthmasslich fanden am näm-
lichen Tage die sonstigen Vorbereitungen statt, wie
der Eid vor Zeus Vorkios und die Prüfung der
Knaben und jungen Pferde).
2. Wettkampf der Knaben.
3. Erste Hälfte vom Wettkampf der Männer:
döhxoe, OTÜSiov, diavXog, nält], nvyfii], nayxqätiov.
xtöfiog der Sieger.
4. Zweite Hälfte vom Wettkampf der Männer:
innoÖQOula, nivta&lov, onliTÜv öqÖhos- xwi-iog
der Sieger.
5. Opfer der Sieger und der Tbeoren. Fest-
mahl im Prytaneion.
II. "Eg>edQog und 'Eifedgela.
Die Frage nach dem Wesen der Ephedrie, die
den Gelehrten so viele Sorgen gemacht hat (Krause,
Olympia S. llSif.), kann, wie mir scheint, aus
den zu Olympia neu entdeckten Inschriften No. 146
bis 148 (Archäol. Zeitg. 1878 S. 90) beantwortet
werden.
In No. 147 lesen wir, dass Tiberius Claudius
Eufus nävrag /.lev ävecpedqng enayxQaiiaae xovg
xX^QOvg Tolg öaxifitüTÜToig Xa^iov ctvdqdaiv. Dies
beweist, dass die von Lucianus Hermot. 40 ff. be-
schriebene Loosung zur Paarung der Wettkämpfer
während eines Wettkampfes mehrmals stattfinden
konnte, wobei man dann natürlich jedesmal einen
gefährlichen oder einen weniger tüchtigen Gegner
bekommen konnte. Die Loosung konnte selbstver-
ständlich nicht anders vorgenommen werden als
erstens zwischen allen Kämpfern, danach zwischen
den Siegern aus den Paaren des ersten Ganges
und dem Ephedros, wenn es einen solchen gegeben
hatte, dann zum Dritten wieder zwischen den Siegern
aus den Paaren des zweiten Ganges, u. s. w. Es
konnte natürlich während eines Wettkampfes mehr-
mals vorkommen, dass die Zahl der Loose eine
ungerade war, und alsdann gab es während dieses
Wettkampfes mehrere eq>sdQeiag. Auf diese Art
werden, wie ich meine, die Worte unserer Inschrift
vollkommen klar. Mit einer gewissen Emphase
wird verkündigt, Piufus habe alle durch das Loos
bestimmten Reihen, xl?]Qovg, durchgekämpft, auch
nicht eine Eeihe sei an ihm vorübergegangen, er
habe nie eine scpsdQsla gehabt. Nehmen wir ein-
mal, um uns die Sache zu veranschaulichen, an,
dass es z. B. 18 Wettkämpfer gab, so wurden daraus
das erste Mal 9 Paare gebildet, ohne dass es einen
eqieÖQog gab. Aus den Siegern jener 9 Paare wur-
den dann wieder 4 Paare gebildet, wobei ein aqis-
ÖQog blieb. Diese 4 Paare gaben 2 Sieger, also
mit dem egteögog 3 Personen, aus welchen ein Paar
und ein eqtsdgog entstand; der Sieger aus dem Paare
kämpfte zuletzt mit dem ecpeÖQog um die Schluss-
entscheidung. Eine Anzahl von 10 Kämpfern gab
also 3 iq>eöeeiag; 16 Kämpfer gaben keine einzige,
11 und 5 gaben 2 Ephedrien u. s. w.
Die Inschrift 146 ist hiermit vollkommen in Ein-
klang. Ariston aus Ephesos erzählt uns darin, er
habe ävsq>edQog {b. Z. 7), ^wctS ecpsdQsiag (c. 5) ge-
siegt, und weiter (c. 7) eTtid yäg sx naidwv naXä-
lAug (.lovog ovx dvenavaa, CEvyvvi.ievog ö'alel nav-
xag ctnsaTEcpävovv. Ariston, der keine scpeSgeicc
gehabt hat, ist immerfort, ohne Unterlass, gepaart
worden. Also wurden mehrmals Paare gebildet
und musste es vorkommen können, dass jemand
einmal nicht in ein Paar eingeloost wurde. Weiter
lesen wir, dass Ariston dreimal an der Reihe war,
er wurde ja bekränzt TQiaad xa-i avTinaliov a&Xa
xoveiaä^isvog (b. 8). Die erste Loosung aus den
7 Kämpfern ergab 3 Paare und einen ecpeÖQog, die
zweite 2 Paare aus den 3 Siegern und dem ecpedgog,
die 2 Sieger aus diesen Paaren kämpften das dritte
Mal um den Kranz.
Es war immer vortheilhaft sq)eÖQSiav ksloyxsvai,
da man dann einen Kampf weniger zu bestehen hatte
als die Uebrigen; am vortheilhaftesten war natür-
lich eine s(f£ÖQEia beim letzten Gange, wenn negi
xov ateqittvov gekämpft wurde'). Eine solche ist
eine stpedgEia xat' s^oxi^v, und man hat sie denn
wohl auch im Auge, wenn man das Wort Eq>EÖQog
sprichwörtlich gebraucht. So ist Crassus (Plut.
Pomp. 53) der Ephedros von Pompejus und Caesar:
sie wussten, dass, wären sie mit einander in Streit
gerathen, der Sieger sich mit Crassus hätte messen
müssen. Aeschyl. Choephor. 866 muss statt eqiEÖQog
gelesen werden s(fidQoig:
zoi'ai'ÖE nälrjv fxövog mv stpidqoig
diaanlg heIXel &E~iog 'OQsazrjg
atpEiv.
Der Dichter sagt, dass Orestes es gegen zwei
-) Der Rafus der 147. Inschrift hat ttsqI rov ajKfüvov
gekämpft ngö; «vcfp« IfloyxÖTU f(ffäQf(av. Ich glaube nicht,
dass dies ein i(ff(S{>o<: von dem letzten Gange gewesen zu sein
braucht; das Gegentheil ist vielmehr wahrscheinlich. Warum
sonst nicht einfach ttoo? fyfJpor? Die Inschrift macht von
den Verdiensten des Rufus möglichst viel Aufhebens; hätte er
gegen einen fif fÖQog im letzten Gange gesiegt, so hätte sie es
deutlich gesagt.
23*
172
Fr. Holtsch, Attischer Fuss.
aufnehmen müsse; fängt er mit Aegistbos an, so ist
Klytaemnestra l'q)eÖQog, beginnt er mit letzterer, so
ist es Aegistbos. Bei Luciauus (Hermotimos 40)
beisst es vom l'^eÖQog, dass ibm sebr vortbeilhaft
sei t6 fielXeiv axfifj-ia toig xsxurjxöoi av/iinea£~iad^at,
und vorher itpeÖQevei neQifxiyiov eaz' dv ixelvoi
dywvlaMfiai. Da der Epbedros nur mit einem
jener Ermüdeten zu kämpfen hat, so würde Lucianus
sich genauer ausgedrückt haben, wenn er z. B. kvt
£x Twv xEx/^ir^xöziov gesagt hätte; da er sich aber
in den Zeitpunkt versetzt, wo der scpeÖQog noch
abwartete, welche unter den x£xi.irjx6Teg für ihn
als Gegner in Beti-acht kommen würden, so ist es
erklärlich, dass er die Mehrheit gebraucht.
Boeckh lässt den eqiEÖQog mit allen xex/xrjxöisg,
einem nach dem andern, kämpfen; da würde er wohl
sehr bald xEx/nTjxoxeg sich gegenübea* gehabt haben,
welche viel mehr äxi.ii]Teg waren als er selbst.
Hatte aber jemand auch nur im ersten Gange eine
Ephedrie gehabt, so war er während des ganzen
Kampfes im Vortheil; er war immerhin weniger
ermüdet als die übrigen. Man mui^ste selbstver-
ständlich bemüht sein, diesen Vortheil möglichst zu
verringern, und schon deswegen ist Krause's Er-
klärung unrichtig, der den Ephedros warten lässt.
bis alle Wettkämpfer so oft gepaart gewesen sind,
dass nur Einer übrig bleibt, mit dem er dann
kämpfen müsse. Ein i'tpsÖQog, der mit frischen
Kräften kämpft gegen Einen, der z. B. schon mehr
als drei Gegner besiegt hat, hätte gar zu leichtes
Spiel gehabt : Krauses Erklärung unterliegt dem ent-
gegengesetzten Mangel wie die Boeckh'sche ^).
Man könnte mir einwerfen, dass bei meiner Er-
klärung einem Kämpfer auch mehrere Ephedrien
zufallen konnten. Ich antworte darauf, dass dem,
wenn mau es wollte, sehr leicht vorzubeugen war:
man reichte z. B., wenn zum zweiten oder dritten
Male eine ungerade Anzahl Wettkämpfer das Loos
ziehen musste, vor der Loosuug demjenigen, welcher
schon einmal l'qieÖQog gewesen war, eine Marke,
mit einem Buchstaben bezeichnet, der sich noch-
mals in der Urne fand. Der Gegner des nicht
loosenden sqieÖQog war alsdann der, welcher den
gleichen Buchstaben zog.
Leiden. A. E. J. Holwerda.
') Wenn Krause meint, der Xtinofitvog oder xaTai.iin6fit}'og
idöv tiviciyioi'tojMV, von dem Pausanias spricht (VI, 10, 1 und
VIII, 40,2), sei ein 'iiftiinog gewesen, so ist et entschieden im
Irrthum. Ein Jeder der nach den wiederholten Versuchen zuletzt
übrig blieb, um den Kranz zu streiten, war ein xcaii).ti7i6fjevos.
BESTIMMUNG DES ATTISCHEN FUSSES
NACH DEM PARTHENON UND THESEION.
Der attische Fuss ist nach Wurm, Paucker und
Böckh bisher ziemlich allgemein zu 136,GG Par.
Linien = 308,3 Millim. angesetzt worden ') Jedoch
schienen die genaueren Messungen, welche Penrose
am Parthenon anstellte '), zu dem etwas höheren
Betrage von etwa 309 Millim. zu führen ^). Wenn
wir es nun versuchen, innerhalb dieser Grenzen
den möglichst genauen Werth festzustellen, so ist
zunächst zu untersuchen, inwieweit die gegebenen
Voraussetzungen als zuverlässig gelten dürfen.
Die Differenz zwischen den beiden Grenzwerthen
beträgt 0,7 Millim. oder 0,0023 des ganzen Fusses;
wollen wir also in diesem engen Bereiche, der an
sich schon sehr feine Messungen voraussetzt, noch
') S. Metrologie S. 53 f.
-) An Invesligation of Ihe Principles of Athenian Archi-
tecture Oy F. C. Penroae. Published by the Society of Di-
lettanti. London 1851.
') Ad. Michaelis Der Parthenon S. 123 Anni.
genauer den wahrscheinlichen Normalwerth auf-
finden, so haben wir, genau genommen, drei ver-
schiedene Voruntersuchungen zu führen, nämlich
zunächst über den Grad von Zuverlässigkeit jener
Maassstäbe, welche die alten Architekten angewendet
haben, ferner über die Abweichungen, welche der
Bau des Parthenon, trotz der scheinbaren Unwandel-
barkeit des Steines erfaliren haben kann, endlich
über die Genauigkeit der neuerdings angewendeten
Maassstäbe.
Es ist leicht zu sehen, dass die erste und zweite
der erwähnten Untersuchungen, wollte man sie er-
schöpfend führen, sehr umfangreich sich gestalten
würden; doch sind bereits früher einige hauptsäch-
liche Resultate genügend festgestellt worden. Eine
haarscharfe Messung bis auf Zehntausendtel unseres
Metermaasses war den alten Arcliitektcn kaum mög-
lich; sie würde aber auch nicht ängstlich von ihnen
erstrebt worden sein, selbst wenn die technischen
Fr. Ilultsch, Attischer Fuss.
173
Ilülfsmittel dies gestattet hätten. Breite und Länge
des Stylobatcs des Parthenon sollen sich verhalten
wie 4:9; aber in Wirkliehkeit sind beide Flanken
ein wenig länger als sie nach diesem Verhältniss
sein sollten, und wiederum untereinander weichen
sowohl die beiden Fronten als die beiden Flanken,
die einander je gleich sein sollten, ein wenig ab ^),
und in ähnlicher Weise haben sich kleine Ab-
weichungen zwischen den theoretisch berechneten
und den effectiven Dimensionen vielfach gezeigt *).
Ferner hat man beobachtet, dass der Unterbau des
Tempels, wahrscheinlich in Folge von Erdbeben
und unter dem Druck der darauf lastenden Massen,
theilweise ein wenig sich gelockert hat, sodass eine
wenn auch geringe, so doch merkbare Vergrösserung
der Dimensionen der Fronten eingetreten ist ^), in
Folge dessen auch der hieraus abgeleitete Werth
des Fusses etwas zu gross ausfallen wird.
Aber auch hinsichtlich des dritten Punktes müssen
wir einen höheren Grad von Unsicherheit consta-
tiren, als zunächst zu erwarten war. Wir wünschen
den Normalwerth des attischen Fusses möglichst
genau im Metermaass festzusetzen. Wäre nun die
jüngste Ausmessung des Parthenon mit Metermaass-
stäben erfolgt, so hätte zwar immer noch mancher
Fehler unterlaufen können, aber es wäre doch
wenigstens die Unsicherheit vermieden worden,
welche aus der nachträglichen Reduction des ab-
weichenden Maassstabes in das Metermaass unaus-
bleiblich hervorgeht.
Die beiden Maassstäbe, mit denen Penrose maass,
waren von Stahl, röhrenförmig, jeder etwa 4 Fuss
lang. Letztere Angabe ist ohne Zweifel so zu ver-
stehen, dass auf den Maassstäben drei ganze eng-
*) Penrose S. 7 f. und Tafel 4, Michaelis a. a. O.
*) Vergl. Penrose S. 9 f. 14 fiF.
*) Penrose schätzt in einer Note zu S. 7 den Gesammtbe-
trag dieser nachträglichen Ausdehnung auf 0,005 Fuss (^ 1,5 mm).
Später, in einer Note zu S. 28, giebt er an, dass von der ge-
messenen Ausdehnung der Ostfront 0,006 F. (= 1,8 mm) und
von der Westfront 0,009 F. (^2,7 mm) aus diesem Grunde
abgezogen werden müssen. Ich gestehe, dass die Genauig-
keit und der überaus kleine Betrag dieser Correcturen mir etwas
bedenklich erscheint. Ist wirklich ein Auseinandergehen der
Fügungen im Unterbau bemerkbar, so muss der Gesammteffect
wohl etwas höher angesetzt werden als auf nur j-j^o ö 'i^r Ge-
sammtausdehnung. Beiläufig bemerke ich hier noch, dass, je
grösser die zu messende Gesammtausdehnung ist und je öfter die
angelegten Maassstäbe gewechselt werden müssen, um so un-
vermeidlicher ein Fehler, und zwar stets nach dem Mehr hin,
entstehen muss. In der That geben im Durchschnitt die Dimen-
sionen nach l'enrose, je grösser sie sind, so auch grössere Werthe
für den attischen Fuss.
lische Fuss und darüber Zehntel, Hundertel und
Tausendtel des Fusses, letztere jedoch im Gesammt-
bctrage noch nicht einen ganzen Fuss darstellend,
eingetragen waren. Selbsverständlich waren beide
Maassstäbe Penrose's möglichst genau justirt; aber
doch fehlen uns die Unterlagen um beurtheilen zu
können, wie nahe der Fuss derselben überein-
stimmte mit dem normalen englischen Fusse, wel-
cher zu 0,304801 Meter angesetzt zu werden pflegt,
gar nicht zu gedenken des Umstandes, dass auch
ein niedrigerer Ansatz des englischen Fusses zu
nur 0,30479 Meter vorkommt. Ja noch mehr, als
nach Ausführung aller Messungen am Parthenon
die Penrose'schen Maas.sstäbe nochmals controlirt
wurden, stellte sich heraus, dass sie um 0,001 Fuss
kürzer waren, als anfänglich festgestellt worden
war. Der englische Fuss also, nach welchem Pen-
rose seine Messungen aussprach, war um das Viertel
eines Tausendtel kürzer, als er sein sollte '), und
die gemessenen Dimensionen sind in diesem Ver-
hältnisse zu hoch ausgefallen ").
Da indess dieser Fehler durch eine leichte Cor-
rectur sich beseitigen lässt, so wollen wir von nun
an annehmen, dass wir, nachdem die eben erwähnte
Berichtigung angebracht ist, den Penrose'schen
Maassstab genau in das Metermaass übertragen
dürfen, und setzen mithin jeden von Penrose durch
Messen gefundenen Fuss gleich 0,304725 Meter.
Danach ergeben sich aus den Messungen o. der
Stylobatbreite an der Ostfront, b. an der West-
') Penrose S. 7, sechste Anmerkung. Irrthümlich folgert
H. Wittich Archäol. Zeitg. XXIX S. 105 aus Penrose's Worten,
dass seine Messungen nach einem englischen Fusse ausgeführt
worden seien, der um ein volles Tausendtel zu klein gewesen
sei; ja er nimmt sogar an, dass Penrose's Fussmaassstab um
2 Tausendtel zu verkürzen sei. Penrose selbst dagegen setzt als
Correctur nur den Abzug des Achtels eines Tausendtels auf den
Fuss. Ich selbst glaube mit gutem Grund den Maassstab Pen-
rose's, so wie er bei der zweiten Controle sich ergab, als die
eflfective Norm seiner Messungen anzunehmen.
') Leider habe ich in meinem Aufsatz über ,das Grund-
maass der griechischen Tempelbauten', Archäol. Zeitg. XXXVIII
S. 94 u. 96, da mir damals (wie ich auch ausdrücklich bemerkte),
Penrose's Werk nicht zugänglich war, dessen Messungen nach
Wittich's Angabe (s. vor. Anm.), mithin um | Tausendtel zu
stark reducirt. Da es hier nur auf diejenigen Werthe des at-
tischen Fusses ankommt , welche dort S. 94 u. 90 in der letzten
Columne stehen, so sei kurz bemerkt, dass es genügt dort je
0,0002 m (genauer 0,00023 m) hinzuzufügen um den Fehler gut
zu machen. — Ich unterlasse nicht bei diesem Anlass der Direc-
tion der König!. Bibliothek zu Berlin meinen aufrichtigen Dank
dafür auszusprechen, dass sie mir das seltene und kostbare Werk
Penrose's nebst einigen andern verwandten Inhalts zur Benutzung
in meinem Wohnorte anvertraute.
174
Fr. Hultscb. Attischer Fuss.
front, c. der Stylobatläuge an der nördlichen Seite,
d. an der südlieben Seite, die Breite zu 100 und
die Länge zu 225 attischen Fuss gerechnet, folgende
Werthe des attischen Fusses:
a. 308,81 mm c. 308,98 mm
b. 308,87 mm d. 309,00 mm.
Unter diesen Beträgen sind c und d zu hoch infolge
eines Fehlers, welchen, wie schon bemerkt, bereits
die alten Werkmeister beim Baue selbst begangen
haben, aber auch a und b sind etwas zu kürzen,
und zwar a um mindestens 0,02 mm, b um min-
destens 0,03 mm , wahrscheinlich aber beide noch
um eine Wenigkeit mehr ').
Die letztere Unsicherheit wird völlig verschwin-
den, wenn wir im inneren Bau eine Dimension aus
findig machen, welche als bestimmtes Multiplum des
attischen Fusses erkennbar ist. Penrose deutet die
Cellalänge im Lichten zusammen mit der Stärke
der W^and zwischen Cella und Opisthodomos als
Strecke von 100 attischen Fuss '"). Da diese Dimen-
sion von ihm zu 101,222 engl. Fuss angegeben wird,
so brechen sich daraus 30,844 Meter, mithin
e. ein attischer Fuss von 308,44 mm.
Der gemessene untere Durchmesser der Säulen
des Peristyls beträgt nach Penrose (S. 710) 6,251 F.
— 1,9048 Meter und stellt dar ^\ der Breite des
Stylobates, mithin W" attische Fuss. Wir gewinnen
daraus als Werth des attischen Fusses
f. 308,35 mm.
Endlich beträgt, ebenfalls nach Penrose, die
Breite des Abacus der Säulen der Ostfront 6,756 F.
= 2,0587 Meter und dieselbe stellt dar ^\ der Stylo-
batbreite, mithin V attische Fuss, woraus sich
g. 308,78 mm
für den attischen Fuss ergeben.
Die mittlere Säulenhöhe, mit Ausnahme der Eck-
säulen, wird von Penrose ") zu 34,218 engl. F. =
10,427 Meter angegeben. Beabsichtigt war ohne
Zweifel die Höhe von 15 Bauellen ") = 33 1 Fuss,
') Die Reductionea berechnet nach Penrose S. 28. Im
übrigen vergl. oben Anra. 6.
'") A. a. O. S. 9, AbsaU 2, und nach ihm Wittich a. a. O.
S. 109. Nach meinem Ansätze in dieser Zeitschrift XXXVIII
S. 96 fehlen 2^ Daktylen an den 100 Fuss; es würde also hier-
nach der attische Fuss wieder etwas höher, nämlich auf 308,76 mm,
herauskommen.
") .S. 14, Michaelis S. 114.
'-) Ueber die ,Bauelle' als besonderes Maass des Parthenon
8. Archäol. Zeitg. XXXVIII S. 9C. Die oben angenommene Zahl
von 15 Bauellen wird zunächst gestützt durch das Verhältniss
zur Länge des Stylobates: dies ist nämlich 3; 20, gerade wie
der Abacus der Säulen der Ostfront (s. oben bei g) ^ des
wonach sich 308,95 Millim. als Werth des attischen
Fusses ergeben würden. Allein die besonderen
Rücksichten, welche, abgeleitet aus den feinsten Ver-
hältnissen zwischen Durchmesser und Höhe, gerade
bei dieser Dimension einen grossen Einfluss hatten ''),
mögen zu einer kleinen Abweichung von der Norm
von 15 Bauellen geführt haben, so dass nun die
attischen Fusses misst. Den sichern Beweis aber bietet die Ver-
gleichung mit dem älteren Parthenon. Dieser verhält sich in
Breite und Länge des Stylobates zu dem jüngeren Bau genau
wie 9 : 10. Wenn nun die Säulenhohe des älteren Tempels zu
13^ Bauellen sich hat bestimmen lassen (a. a. O. S. 97), so kommt
dem Jüngern Parthenon nach dem eben bemerkten Verhältniss
eine geplante Säulenhöhe von 15 Bauellen zu, unbeschadet der
kleinen Abweichungen bei der Ausführung im einzelnen, welche
die complicirten Gesetze der architektonischen Harmonie mit
sich brachten.
") Wie Penrose S. 13 f. des näheren nachzuweisen sucht,
ist die Höhe der Ecksäulen bestimmt a. durch das Verhält-
niss zur Stylobatbreite und zu der Gesammthöhe des Tempels,
b. durch das Verhältniss zum untern Säulendurchmesser. Die
Stylobatbreite verhält sich zur Gesammthöhe des Tempels wie
12:7, und wieder die Gesammthöhe zur Säulenhöhe wie 12:7;
also Säulenhöhe zur Stylobatbreite 7- : 12^. Andrerseits soll die-
selbe Säulenhöhe, wenn man den unteren Säulendm'chmesser sich
getheilt denkt in 60 Minuten, 5 Durchmesser 28^ Minuten be-
tragen. Die übrigen Säulen des Peristyls seien dann wieder nach
ganz bestimmten Voraussetzungen etwas kürzer bemessen worden.
Alle diese Combinationen sind ungemein scharfsinnig imd in der
Hauptsache unanfechtbar. Allein die supponirte Eintheilung des
Säulendurchmessers in Minuten und der Minute in Hälften,
Viertel und Achtel (vergl. z. B. S. 10 u. 15) ist, wenn irgend in
dieser Hinsicht die Geschichte der Mathematik zuverlässige
Daten bietet, ganz gewiss unhaltbar. Bei weiterer Verfolgung
der schwierigen Frage wird man unterscheiden zwischen den
durch geometrische Construction gefundenen Einzeldimensionen,
welche zum Theil gar nicht nach Fuss und Theilen des Fusses
oder irgend einem benannten Maassstab ausgemessen, sondern
auf Schablonen in die geforderte Grösse zum Gebrauch für die
Werkleute übertragen wurden (nur auf diese Weise z. B. konnten
die einzelnen Säulentrommeln so genau sich zusammenschliessen,
wie es in der That geschehen ist: vergl. Michaelis S. 181, und
zwischen anderen Dimensionen, welche in bestimmten Maassen
ausgesprochen und in die Detailpläne eingezeichnet wurden.
Dies mag dann in der Regel nach Fuss , Daktylen und Theilen
des Daktylos bis zum Achtel, vielleicht selbst bis zum Sechzehntel,
geschehen sein — es war die Methode der fortgesetzten Hal-
birung, denn der Daktylos ist -j'jj des Fusses, und ein Achtel des
Daktylos vertritt die Halbirung des Fusses bis zur siebenten
Potenz. Dass daneben noch -j- und ^ des Fusses, bezw, des
Daktylos (aber nicht etwa Neuntel, Siebenundzwanzigstel u. s. w.)
vorkommen konnten, ist wahrscheinlich, aber vor der Hand nicht
nachweisbar. Anlangend die Frage der Säulenhöhe, bietet meine
Hypothese eine klare und fassliche Norm, ohne die Details der
Ausführung, welche auf den feinsten geometrischen Constructio-
nen beruhten, zu präjudiciren. Für die Geschichte der ange-
wandten Mathematik sind in dem Penrose'schen Werke, wie
es mir scheint, Materialien von hoher Bedeutung verborgen.
Fr. Ilultseb, Attischer Fuss.
175
Nachmessung, wenn wir eben diese Norm zu Grunde
legen, einen Betrag des Fusses ergiebt, der in glei-
cher Linie mit den obigen Werthen c und d steht.
Ueberbliclien wir nun alle bisher berechneten
Werthe, so haben wir zuncächst c und d auszu-
scheiden, weil sie, wie nachgewiesen, von vorn-
herein etwas zu gross ausgefallen sind; ferner
wiederholen wir, dass auch a und b einer geringen
Abminderung bedürfen, und gelangen so zu dem
Resultate, dass der attische Fuss nach den Pen-
rose'schen Messungen des Parthenon anzusetzen ist
zwischen 308,35 und 308,8 Millim.
Auf einem etwas geringeren Betrag führen da-
gegen die Ueberreste des älteren, vorperikleischen
Parthenon. In der Abhandlung über das Grund-
maass der griechischen Tenipelbauten '^) habe ich
es versucht einige Maasse dieses Tempels auf at-
tische Fuss und Daktylen zu reduciren und daraus
die entsprechenden Werthe des attischen Fusses ab-
geleitet. Dieselben bedürfen, wie bereits erwähnt
(Anm. 8), noch einer kleinen Correctur. Insbeson-
dere ist abzuleiten aus der Säulenweite von Axe
zu Axe h. in den Fronten, i. in den Flanken
h. ein attischer Fuss von 308,4 mm,
i. ein attischer Fuss von 308,32 mm,
während die übrigen früher berechneten Dimensio-
nen einen Fuss zwischen 308,2 und 308,4 mm zu
ergeben scheinen.
Auch der Durchmesser mehrerer noch erhaltenen
Säulentrommeln hat sich berechnen lassen, und zwar
bei einundzwanzig derselben auf 1,899 M., bei fünf
dagegen auf nur 1,707 M. '^). Beide Zahlen stehen
so nahe zu einander in dem Verhältniss 10:9 "),
dass wir dieses für ein beabsichtigtes halten müssen,
um so mehr als auch Breite und Länge des Stylo-
bates und die Säuienhöhe bei dem älteren und jün-
geren Parthenon zu einander je wie 9 : 10 sich
verhalten. Nun kann es nicht Aufgabe der gegen-
wärtigen Untersuchung sein auch nur vermuthungs-
weise die Stellen zu bestimmen, welche die erwähn-
ten Fragmente in dem älteren Baue eingenommen
haben "); allein da einerseits das gegenseitige Ver-
») Archilol. Zeitg. XXXVIII S. 94.
'^) Vergl. Penrose S. 73 nebst Tafel 40 Fig. 3 No. 1 u. 2,
Michaelis S. 122.
'*) Die Penrose'schen Berechnungen kommen auf 6,233
und 5,601 engl. Fuss aus; das Verhältniss beider Zahlen ist
10,015:9, d.i. kein anderes als 10:9.
") Michaelis S. 122: 'Jene (die 21 Säulentrommeln von
1,90 M. Durchmesser) gehiiren ohne Frage der äusseren Säulen-
stellung und zwar SUulenlüssen an'. Nach dieser Vermuthung,
welcher ich durchaus beipflichte, würden vielleicht auch die fünf
hältniss der beiden Dimensionen constatirt ist, an-
drerseits der grössere Säulendurchmesscr von dem
am jüngeren Parthenon gemessenen kaum merklich
abweicht, so werden wir sagen können, dass der
eben erwähnte, nicht direct gemessene, sondern nur
mittelbar auf 1,90 M. geschätzte Durchmesser am
alten Parthenon kein anderes Maass darstellen sollte,
als der am jüngeren Bau gemessene von 1,9048 M.,
und folgern dann weiter, dass der grössere Säulen-
durchmesser am älteren Parthenon zu setzen ist
k = 6^-} attische Fuss '*), der kleinere aber, da er
zu jenem sich wie 9 : 10 verhält, l = 5| Fuss. Hier-
aus ergeben sich als Werthe des attischen Fusses
k. 307,75 mm, l. 307,22 mm.
Weiter ist es nun auch möglich einen Fusswerth,
dessen monumentale Fixirung etwa 15 Jahre vor
den Anfang des Neubaues des Parthenon fällt, aus
jenem Heiligthume Athens abzuleiten, welches als
Theseiou anzusehen trotz erhobenen Zweifels doch
wohl gestattet ist. DieStylobatlängedesselbenbeträgt
31,761, die Breite 13,716 M., die Länge der unteren
Stufe 32,516, die Breite 14,462 M. "). Die beiden
letzteren Dimensionen verhalten sich wie 9 : 4, die
Stylobatbreite steht der Absicht nach zur Stylobat-
breite des älteren Parthenon in dem Verhältniss
40:81'°), die Stylobatlänge endlich scheint nach
dem stärkeren Säulendurchmesser des älteren Par-
thenon geplant zu sein '"). Wir haben aber ausser-
Stücke geringeren Durchmessers als Säulenfüsse gedacht und
der zweiten Reihe der Fronten zugewiesen werden können. Ehe
man jedoch weiter combinirt, ist wohl das Bedenken zu berück-
sichtigen, dass schwerlich die fraglichen Reste bei ihrer geringen
Zugänglichkeit (vergl. die Penrose'schen Zeichnungen a.a.O.)
so genau haben gemessen werden kijunen, dass die beiden an-
gegebenen Beträge der Durchmesser wirklich für alle einzelnen
Stücke gelten. Wohl aber bleibt das Resultat gesichert, dass
diese beiden Durchmesser sich zu einander verhalten wie 10 : 9.
") Vergl. oben S. 174 Sp. 1. Doch ist der auslaufende Bruch
schwerlich von den alten Baumeistern so, wie oben ausgerechnet
steht, bezeichnet worden (vergl. Anm. 13), sondern durch den
sehr günstigen Näherungswerth von 2i Daktylen. Nach dieser
Voraussetzung ist oben der Werth h. berechnet worden. Legt
man die Bruchzahl 6^4 ^ti Grunde, so erhält man 307,61 mm
für den Fuss.
") Die Originalmessungen bei Penrose S. 67 lauten 104,23
45,011 106,708 47,459 Fuss.
-") Nach Penrose a. a. O. beträgt die Stylobatlänge des
Theseion ^ der Stylobatbreite des jüngeren Parthenon = 44J at-
tische Fuss. Allein der letztere Tempel stand noch nicht, als das
Theseion gebaut wurde. Wir haben also den Vergleich mit dem
älteren Parthenon zu ziehen, dessen Stylobat 90 Fuss maass.
2') Penrose setzt die Stylobatlänge des Theseion gleich y
des Durchmessers der Säulen des jüngeren Parthenon, mithin
gleich 102,88 attischen Fuss (berechnet aus der Proportion
5K 10': 35).
176
Fr. Ilultsch, Attischer Fuss.
dem, aller Analogie gemäss, glatte Werthe in at-
tischen Fuss für die Hauptdimeusionen zu suchen.
Da das Verhältniss 4 : 9 zwischen Breite und Länge,
welches am älteren und jüngeren Parthenon in den
Maassen der Oberstufe dargestellt ist, beim Theseion
in der Unterstufe seinen Ausdruck findet "), so
haben wir zunächst die Beträge nach Fuss aufzu-
suchen. Unverkennbar ist die Unterstufe geplant
m. in der Länge zu 105| Fuss, n. in der Breite
(gemäss dem Verhältniss 9:4) zu 46| Fuss, und
wir erhalten hiernach als Werthe des attischen
Fusses m. 308,2 mm,
n. 308,43 mm,
und erkennen, indem wir diesen Fussmaassstab
weiter anlegen, o. in der Länge des Stylobates die
Dimension von 103 '^ und p. in der Breite die
Dimension von 44^ attischen Fuss, nebst den Fuss-
werthen o. 308,36 mm,
p. 308,4 mm.
Die Säulenhöhe beträgt 5,709 Meter'*), d. i. 18^ atti-
sche Fuss zu 308,6 Millim., ergiebt also, ähnlich wie
beim Parthenon (oben S. 174, letzter Absatz), einen
verhältnissmässig- reichlichen Betrag des Fusses.
In dieser langen Reihe berechneter Werthe des
attischen Fusses scheiden wir zunächst als minder
sicher und offenbar zu niedrig ausgefallen die Be-
'-) Es wiederholt sich also hier dasselbe Verhältniss und
derselbe Ausdruck dieses Verhältnisses in den Dimensionen der
Unterstufe, wie ich es in dieser Zeitschr. XXXVIII S. 93 am
Zeustempel zu Olympia nachgewiesen habe. Nicht zufällig ist
es wohl, dass die Dimensionen der Unterstufe des Theseion leicht
auch auf grössere olympische Fuss sich reduciren lassen, nämlich
die Breite auf 45 Fuss zu 321,4 mm und die Länge auf 101^ Fuss
zu 321,1 mm. Dagegen scheint eine Beziehung zur Klafter der
königlichen Elle beim Theseion nicht statt zu finden. Da andrer-
seits die Beziehung zum attischen Fuss unleugbar ist, so mag
dieser Tempel als Beispiel dienen, wie auf dem Boden Atticas
das olympische Maass in das attische übergeleitet wurde. — Zu
erwähnen ist noch die abweichende Ansicht H. Wittich's (Philo-
logus XXIV S. 599), der einen Fuss von 316 bis 31S Millim. als
Grundmaass des Theseion annimmt.
23) Wollte man nach Maassgabe von Anm. 21 die Länge
zu 102f attischen Fuss ansetzen, so erhielte man für den Fuss
308.7 nun. Allein der obige Satz wird durch den olympischen
Fuss (Anm. 22) eclatant bestätigt. Denn die 44^ attischen Fusss
der Stj'lobatbreite sind genau 42J grössere olympische Fuss zu
320.8 mm, und die gemessenen 31,7G1 m der Stylobatlänge genau
99 olymp. Fuss ebenfalls zu 320,8 mm. Wir können also aus
der Froportion 42J : 44^ ^ 99 : x. die Zahl der attischen Fuss
berechnen, welche nach der Absicht des Erbauers in der Stylo-
batlänge enthalten sein sollten. Ausgerechnet ergiebt die Pro-
portion als Werth von x 10! .'y Fuss. Die Zahl von 103 ganzen
attischen Fuss stellte also die Vermittelung zwischen den ander-
weit berechneten Werthen 103^^ und 102J dar.
träge k und / aus, und haben dann in /«, i, vi bis
p wenig- dififerirende Werthe innerhalb der engen
Grenze von 308,2 bis 308,4, also einen höchst wahr-
scheinlichen Mittelwerth von 308,3 Millim.
Somit sind wir zurückgekommen auf die anfangs
erwähnte, bisher übliche Schätzung des attischen
Fusses und haben dieselbe nachweisen können für
eine Epoche, welche vor dem Bau des Perikleischen
Parthenon liegt. Dass wir diese Bestimmung aber
auch als die allein gültige für alle Untersuchungen
und Vergleichungen im Gebiete der griechisch-rö-
mischen Metrologie festhalten müssen, beweist, um
von anderen Gründen zu schweigen, die Vergleichung
mit dem römischen Fusse.
Eine der sichersten Grössen in der alten Metro-
logie ist der von Nissen festgestellte oskische Fuss ").
Da wir nun das gesetzliche Verhältniss zwischen
oskischem und römischem Fuss noch nachweisen
können, so kommt auch der Festsetzung des rö-
mischen Fusses derselbe Grad von Sicherheit zu
Gute. Von diesem, definitiv zu 295,7 Millim. be-
stimmten römischen Fusse gelangen wir nach dem
ebenfalls bezeugten Verhältnisse 24 : 25 zurück zu
einem attischen Fusse von 308,2 Millim.; also hatten
auch die Römer, als sie ihren Fuss nach dem at-
tischen regulirten, dasjenige attische Fussmaass vor
sich, welches wir soeben aus zwei älteren Bau-
werken Athens berechnet haben, nicht die besondere
und etwas höhere Norm, welche der jüngere Par-
thenon ausweist.
Wie kamen aber die Baumeister des jüngeren
Parthenon zu dieser, wenn auch unbedeutenden, so
doch immerhin merklichen Erhöhung? Ein Blick
auf die früher gegebene Uebersicht über die Ab-
leitung der griechischen Fussmaasse '") zeigt, dass
dem normalen grösseren olympischen Fusse von
320,6 Millim. ein attischer Fuss von 308,7 Millim.
genau entspricht. Dies war also die Norm, welche
Iktinos und Kallikrates dem neuen Bau zu Grunde
legten und, wie die Nachmessungen zeigen, im
ganzen mit grosser Genauigkeit festhielten, gewisser-
maassen ein modulus restitulus, wie die Münz-
kunde von nummi restituH spricht. Im übrigen
al)er behielt der attische Fuss den bereits vor
Perikles festgesetzten, um etwa 0,4 Millim. niedri-
geren Werth bei, welchem später auch die Römer
sich anschlössen.
Dresden. Fk. IIultsch.
-*) Keducirt aus 18,735 engl. Fuss nach Tenrose Tafel 35.
■") Vergl. Archäol. Zeitg. XXXVIII S. 92 mit Anm. 4.
■') Ebenda S. 92 oben.
177
DOKIMASIE DER ATTISCHEN REITEREI.
(Tafel 15).
Die auf Taf. 15 nach einer mit gewohnter
Genauigkeit und Sorgfalt angefertigten Bause
G. van Geldern's abgebildete r. f. Trinkschale stammt
aus der Necropole von Orvieto und befindet sich
jetzt im kgl. Museum zu Berlin '). Die Aussen-
seite ist mit einer fortlaufenden Darstellung ver-
ziert, deren Anfang und Ende durch den einen
Henkel von einander getrennt sind.
Unter einem flüchtig gezeichneten Baume sitzt
auf felsigem Grund nach 1. gewandt ein bärtiger,
mit dem Mantel bekleideter Mann. Er hält auf
den Knieen mit der L. ein Diptychon (das obere
Ende desselben fehlt zugleich mit dem haltenden
Daumen), der r. Unterarm ist erhoben, und die jetzt
fehlende Hand hielt einen Griffel, dessen Ende noch
erhalten ist. Offenbar ist der Dargestellte bereit,
irgend welche Aufzeichnungen in seine Schreibtafel
zu machen; um beim Schreiben unbehindert zu sein,
hat er den Mantel von den Schultern zurückgestreift,
so dass beide Arme frei sind. Der mit einer
schmalen Binde geschmückte Kopf ist ein wenig
gesenkt. Neben ihm steht ein Mann in langem
Mantel und Schuhen, in der erhobenen R. ein Scep-
ter; leider ist nur die untere Hälfte der Figur er-
halten. Auf diese beiden Männer zu kommen nun
von 1. her 3 Jünglinge in gleicher Tracht (Chla-
mys und Petasos ; der zweite trägt ausserdem
noch hohe Reiterstiefel), welche je ein Pferd am
Leitriemen führen, während sie in der anderen Hand
je 2 Speere halten. Zwischen dem ersten und
zweiten schreitet in derselben Richtung ein mit dem
Mantel bekleideter Jüngling, der in der vom Mantel
entblössten R. einen langen Krückstock trägt und
die (jetzt fehlende) L. erhebt, wie es scheint um
dem voranschreitenden Jüngling eine Anweisung
zu geben. Hinter ihm ist ein Baum gezeichnet.
') Sie ist im Sommer 1877 in einem auf dem Terrain des
Cav. Pallucco, südöstlich von der heutigen Stadt, gelegnen Grabe,
das wie bei Weitem die meisten orvietaner Gräber eingestürzt
war, gefunden worden.
Archiiolog. Ztg., Jahrg. XXXVIIl.
Den Beschluss macht jenseits des dritten Pferdes
ein bärtiger Mann im Mantel, mit Schuhen an den
Füssen, der die erhobene R. auf ein Seepter gestützt
ruiiig dasteht und aufmerksamen Blickes den Vor-
gang betrachtet.
Auf den ersten Blick ist klar, dass wir es hier
mit einer nicht der Mythologie sondern dem öffent-
lichen Leben entnommenen Darstellung zu thun
haben. Auch die specielle Bedeutung des darge-
stellten Vorganges ist unzweifelhaft: die jugend-
lichen Reiter stellen sich und ihre Pferde einer Com-
mission von zwei Männern vor; ein Schreiber ist
in Bereitschaft, das eventuelle Resultat dieser
Musterung zu verzeichnen. — Untersuchen wir, um
diese Erklärung weiter zu begründen, kurz die Nach-
richten über die attische Reiterei. Denn dass die
vorliegende Vase attisch ist, wird Niemand be-
zweifeln.
Wir wissen zunächst im Allgemeinen, dass die
Oberaufsicht über die Reiterei der ßovlri zustand ').
Vor versammeltem Rathe fanden öffentliche Para-
den der ganzen Truppe (öaxifiaalai, iniöel^sig^')
an verschiedenen Orten, nämlich der Akademie, dem
Lykeion und dem Hippodrom statt; wie man an-
nehmen darf zu bestimmten, gesetzlich vorgeschrie-
benen Zeiten. — Ausser diesen Paraden gab es
aber noch eine Dokimasie jedes einzelnen Reiters,
unmittelbar nach dem Eintritt in die Truppe,
-) Boeckh, Staatshanshalt I 2 S. 352.
ä) Xenoph. Hipp. III, 1; {^^ketv äl! iw innKQyiu) hi
ä€ y.aX lulXa, oaa iniöiixi'vvai iSsi ii] n6).ii oniog !] ävvn-
jöv y.ukliorn (nidti^ti, ji< Tf h' ^xciö rifx(u xtii i« iv Av-
xiCcp xttl TK 'hukrifioi xtt) T« hl im in 71 0(5 q6 /HO). In der
weiter unten (6 ff.), gegebenen Besprechung der Uebungen auf
den einzelnen Taradeplätzen, für deren jeden Xenophon beson-
dere Anweisungen ertheilt, werden nur 3 genannt: Lykeion (6. 7),
Hippodrom (10 — 13), Akademie (14). Die Worte xctl i« </>«-
).tjQol enthalten nur eine nähere Bestimmung zu dem folgenden
xai iti Iv ifp lTi7T0iiQ6/.iM, indem der Hippodrom ja in Phaleron
lag (Curtius u. Kaupert Atlas von Athen Taf. X). Es sind also
entweder diese Worte {xtd t« •4'alriuoi) zu streichen, oder
wenigstens das folgende xaC.
24
178
G. Körte, Dokimasie der attischen Reiterei.
wie der Rechtsfall des jtingeren Alkibiades zeigt.
Derselbe wurde nämlich äargaTslag und ösMag
angeklagt, weil er statt sich zum Dienst als Hoplit
zu stellen, zu welchem er von den Strategen aus-
gehoben war, als Reiter gedient hatte und zwar
ohne sich der vorgeschriebenen Dokimasie unter-
zogen zu haben *). Es leuchtet ein , dass das für
diesen Fall von Lysias angezogene Gesetz, welches
dem Uebertreter Atimie androhte °), nicht etwa auf
jene Paraden sondern auf die besprochene öoxi-
ixaaia des einzelnen Reiters Bezug hat. Diese
entschied zunächst über die definitive Zulassung
zum Dienst in der Reiterei, zu welchem der Rekrut
vorher durch den Hipparchen angenommen resp.
ausgehoben war ^). Sie gewährte also einerseits
dem Rekruten die Möglichkeit, Einspruch gegen
seine Heranziehung zum Cavalleriedienst (wegen un-
zureichender Mittel u. s. w.) zu erh eben; andererseits
konnten Untaugliche wieder entfernt und ein allzu
starker Zudrang zum Reiterdienst bei augenblicklich
etwa höherem Bedarf an Hopliten verhindert wer-
den. Freilich wird der letztere Fall, dass nämlich
auf Entfernung eines Reiters und Einreihung des-
selben in die Infanterie gegen seinen Willen ent-
schieden wurde, gewiss selten eingetreten sein: in
der Regel war es vielmehr schwierig, die Cavallerie
auf die vorgeschriebene Zahl von 1000 zu bringen,
wie Xenophon's Vorschlag, 200 fremde Reiter ein-
zustellen, sowie die Anweisung für den Hipparchen,
wie er die geeigneten Rekruten theils mit Güte
theils, wenn es nöthig, auch durch gerichtlichen
Zwang heranzuziehen habe, beweist'). Weiter er-
streckte sich diese Dokimasie ohne Zweifel auf die
Diensttauglichkeit der von den Reitern selbst zu
stellenden Pferde. Es liegt in der Natur der Sache,
wenn es auch nirgends ausdrücklich überliefert ist,
dass diese Einzelmusterung von Mann und Pferd
nicht von dem ganzen Rath, sondern durch eine
*) Lysias or. 14, 8.
') (toü vÖuov xt>.(vovjog,) luv rij üioxluaaiog InTievi),
cijiuov (irai. Auf diese dtixitiaaut im engeren Sinne gehen
dem Zusammenhang nach auch Lycurg bei Harpocration s. v.
iSoxi/iaaOfis und Xenojih. Oeconom. IX, 15.
•) Xcnoph. Hipp. I, 7.
') Ilipp. IX, 3. I, 9 ft.
dazu deputirte Commission") von Sachverstän-
digen, an denen es wohl niemals ganz gefehlt haben
wird, vorgenommen wurde. Es scheint, dass diese
Commission dauernd die Angelegenheiten der Ca-
vallerie im Plenum des Rathes vertrat und an-
dererseits der nach Xenophon's ganzer Schilderung
offenbar schwachen Autorität der Hipparchen den
Mannschaften gegenüber als Rückhalt diente'), in-
dem sie wenigstens befugt war, sich durch wieder-
holte Musterungen von der Ausbildung von Mann-
schaften und Pferden zu überzeugen und auch
nach der ersten Dokimasie die aus irgend einem
Grunde untauglichen Pferde auszumustern'"). Diese
Annahme dient den Forderungen des Xenophon
(Hipp. I, 13 — 15) zur Voraussetzung. Freilich lässt
die Fassung eben dieser Forderungen (ßoi öoxsl,
ayad-öv /.loi doxsl sivai) erratheu, dass sie in
Wirklichkeit selten oder nie erreicht wurden ")
und dass der Rath, resp. seine Commission von
dieser Befugniss keinen, oder keinen durchgreifen-
den Gebrauch gemacht habe.
Wir unterscheiden also, um diesen Hauptpunkt
noch einmal zu wiederholen, allgemeine öffentliche
Paraden der Reiterei, die im weiteren Sinne doxi-
jiiaatai genannt wurden, und eine im engereu
Sinne so genannte öoxijuaaia des einzelnen Reiters,
welche vielleicht ebenfalls periodisch wiederkehrte.
Eine solche ist auf unserer Vase dargestellt. Die
Commission des Rathes wird durch die zwei Män-
ner mit Sceptern (und Schuhen) repräsentirt. Dass
beide nicht nebeneinander, sondern der eine am Ende,
der andere am Anfange der Darstellung stehen, ist
offenbar nur dem Rhythmus der Composition und
den Erfordernissen des Raumes zu Liebe geschehen.
In dem Jüngling mit dem Krückstöcke zwischen
8) So wie der Trierenbau im Auftrag des Rathes durch
eine Commission, die jotrjoonoiol, besorgt wurde. Boeckh,
Staatshaush. I, S. 351; III, 59; vgl. auch ebda. Gl.
') Vgl. Xenoph. Hipp. I, 8 («j'nSö)' fiOi äoxd (ivai) fr ift
T(( /Sovilij l/fij' p^iopn? i7iiir)St(ovi, Sniüg Kyovin ifoßäiat rt
Toig Innfag, ßililovtg yaQ av ihr ifoßovfAfvoi, xatanQcivv-
wal j( i»;r ßovXt'ii', ijv ii naQn xitiiwv yctltTiahii.
">) Denn dies kann nicht wohl bei den grossen öffentlichen
Paraden (s. oben) geschehen sein.
") Vgl. V. Wilamowitz-MoellenJorff, Philologische Unter-
suchungen I, S. 24, Anm. 45.
G. Körte, Dokimasie der attischen Reiterei.
179
dem ersten und zweiten Reiter haben wir höchst
wahrscheinlich einen Offizier zu erkennen, viel-
leicht einen der Hipparchen selbst: denn dass zu
diesem Amt auch junge Leute gewählt wurden, be-
weist Xenophon Memorab. III, 3. In die an sich
gleichartigen Motive der Eeiter und Pferde ist in
glücklichster Weise Abwechslung gebracht dadurch,
dass uns der Künstler verschiedene Momente der
Musterung vorführt. Der erste Reiter ist schon un-
mittelbar vor dem prüfenden Senator angekommen
und steht in bescheidener Haltung vor ihm. Er ist
etwas hinter seinem Pferd zurückgeblieben, auf die
gute Dressur des Thieres vertrauend, das nur einer
leichten Führung durch den Leitriemen bedarf. Der
zweite kommt mit grossen Schritten herbei, sein
Pferd, das mit erhobenem Kopfe wiehert, nach sich
ziehend. Der dritte endlich ist eben erst im Begriff,
sich in Bewegung zu setzen. Er wendet sich vor-
anschreitend nach seinem Pferde um und fasst den
Leitriemen dicht am Maule mit der Rechten, indem
er das Thier zum Folgen aufl'ordert. Die Reiter
tragen nicht die schwere Rüstung, welche Xeno-
phon negi Inn. XII beschreibt, sondern die bei den
Uebungen im Frieden gewiss allgemein gebräuch-
liche leichte Kleidung : Chlamys und Petasos und
ausserdem die xQcevil'va 6vo nalTÖ, welchen Xeno-
phon als Angriifswaffe den Vorzug vor der lang-
geschäfteten Lanze giebt und auf deren geschickte
Handhabung er erklärlicherweise einen besonderen
Nachdruck legt"). Von dem Zaumzeug der Pferde
ist — wie auch sonst ähnliches Detail auf Vasen-
bildern häufig nur andeutungsweise dargestellt ist —
nur der Leitriemen (^äywysvg, Qvtaywyevg bei Xeno-
phon, sonst auch QvzriQ'^) angegeben, welcher von
den Alten neben den Zügeln gebraucht wurde,
hauptsächlich zur Führung des Pferdes an der
Hand").
'*) ntQl 17171. XII, 12. 13; Hipp. I, 6.
■3) Vgl. Dio Chrysost. or. C3, 4.
") Nach Xenoph. tt. ihtt. VI, 9 ist dem Reitknecht als
Regel einzuschärfen : fArjnore iiynv jfjs rjvlctg löv 'ititjov. toüto
yr.o hfnoyvti^ovs Tioni. Vielmehr soll das Pferd am Leit-
riemen, der in den Nasenriemen [U't'O.ioy) oder den Kinnriemen
(ÜTro/ftiivid'i'n) eingeschnallt wurde, geführt werden: VI, 4 — 6;
VII, 1. Die richtige Erklärung der letzteren Stelle, namentlich
der Worte i^niiov und vTjnyuXivtöin bei Jacobs, Xenophon's
Endlich sind über die Bewegung der Pferde
noch einige Worte hinzuzufügen. Alle drei schrei-
Buch über die Reitkunst übersetzt und mit Anmerkungen ver-
sehen S. 143 ff. — Auf der schönen Vase von Nola mit der
Darstellung des v7ioßißu^io!>ai unterscheidet man in der besseren
Abbildung Arch. Zeitg. 1878 Taf. 22 deutlich den dickeren äyta-
yfiig von dem nur durch einen dünnen Strich bezeichneten Zügel.
Er scheint am i/'f''^""' befestigt zu sein. Zügel und Leitriemen
(oder Leilseil) finden sich nebeneinander auch an dem (Bronze-?)
Kopf eines Pferdes mit vollständiger Zäumung bei Ginzrot,
Die Wagen und Fuhrwerke der Griechen und Römer u. s. w. II,
Taf. LXXII, 7 (nähere Angaben über den Aufbewahrungsort
u. s. w. fehlen) und den beiden von Aiax Ilios gehaltenen Pferden
auf der praenestinischen Ciste Mon. delV Inst. IX Taf. 22. 23.
Auf den beiden letzteren Monumenten ist der rtymyfvi vielmehr
an der vnox<')iviäüi befestigt zu denken. Auf andern Monu-
menten erscheint nur der äyuyfi'g, am Nasenriemen, ipäliov,
befestigt, so auf der r. f. Schale Gerhard, Auserl. Vasenb. IV
Taf. 293/4, 1 ; Münzen des Archelaos I. von Macedonien , des
Amyntas II. (?), des Audoleon von Paenonien, der Stadt Ma-
ronea in Thracien s. Catalogue of the greek coins in the
british museum Macedon etc. S. 164. 168. 4; Thrace etc. S. 126.
Die Erklärung des Wortes \l>aXiov betreffend füge ich noch
hinzu, dass die Knebel von Metall an den beiden Enden des Ge-
bisses , von denen Stephani einige aus südrussischen Gräbern
stammende von sehr mannigfaltiger Form abgebildet und be-
sprochen hat {Compte-rendu 1865 S. 186—90; 1874, S. 194;
1876 S. 123, 132—138; 1877 S. 8) sicher nicht wie dieser Ge-
lehrte, allerdings zweifelnd, vorschlägt, ilx'ciia zu nennen sind.
Die angeführte Stelle des Xenophon und Pollux I, 148 xiä ftijv
10 fjttv oXby Kt) OTouciTi Tov YTtTjov tjifri^ofxtvov 1p (i X 1 0 V ver-
bieten das. Einige andre Stellen , wo von dem Klirren der
ipäXia die Rede ist (Stephani C. r. 1865 S. 158), erklären sich
vielmehr durch die wohlbegründete Annahme von Jacobs a. a. O.,
dass häufig der auf der Nase des Pferdes aufliegende vordere
Theil des iptUtov aus Metall und zwar aus einem oder mehreren
Stücken bestand. Derartige Nasenriemen, deren vorderer Theil
aus Eisen oder mit Eisen gefüttert ist, sind in Italien noch heut-
zutage für Zug- und Lastthiere in Gebrauch, um das Maul der-
selben zu schonen. — Wie es scheint giebt es keine besondre
Bezeichnung für den in Rede stehenden Theil des Pferdege-
schirres, denn die in dem trefflichen Werke von Schlieben, die
Pferde des Alterthums S. 145 f. (auch schon von Montfaucon,
vgl. Jacobs a. a. 0. S. 190) gegebne Erklärung als lupi oder
Xvxoi „weil sie (die Knebel) eine krumme hakenförmige Gestalt
hatten und man unter Xvxo; auch einen Haken oder eine Wolfs-
angel verstand", passt durchaus nicht auf alle erhaltenen Knebel
der Art, welche häufig vielmehr ganz gerade sind : vgl. C. r. 1865,
S. 188; 1876, S. 123. 124. Eher möchten als Xixoi, lupi die
bei Stephani Cr. 1876 S. 125. 132—134 abgebildeten Ringe
zu deuten sein. Dieselben sind an den beiden Enden der Trense
angebracht, so dass sie sich um deren Achse drehen und haben
je 4 nach der Innenseite der Trense gerichtete scharfe Zacken.
Stephani bezieht sie S. 125 irrig auf die ;;frj'oi des Xenophon
TT. iTtTi. X, 6, welche vielmehr zweifellos als ringsum mit
Zähnen oder mit Einkehlungen versehene Walzen zu erklären
sind: vgl. Jacobs a. a. O. S. 186; Schlieben S. 143. Während
diese im Maule des Pferdes liegen als scharfes, im Gegensatz
24*
180
G. Körte. Dokimasie der attischen Reiterei.
ten nämlicli mit den beiden Beinen einer Seite
gleichzeitig aus. Dies ist nicht der natürliche Gang
des Pferdes, welches vielmehr beim Gehen auf den
beiden sich kreuzweise gegenüberstehenden Füssen
ruht'*). Allerdings kann jene gleichseitige Be-
wegung, der sogenannte Pass, dem Pferde künst-
lich beigebracht werden; doch war diese im Mittel-
alter allgemein, heute wohl nur noch im Orient
beliebte Gangart, welche für den Reiter ausser-
ordentlich bequem ist, im Alterthum durchaus nicht
so allgemein gebräuchlich als man gewöhnlich an-
nimmt'^). Gewiss ist, dass sie in Griechenland
zum weichen, glatten Gebiss, sollen die von Stephani publicirten
Ringe vielmehr zu beiden Seiten ausserhalb des Maules bleiben,
wie die seitlich und zwar nach innen angebrachten Zähne be-
weisen. Ihr Zweck war offenbar der, das Wenden des Pferdes
zu erleichtern , indem dabei der eine Stachel gegen die Lefzen
gedrückt wurde. Namentlich war diese Unterstützung der Zügel-
wirkung erwünscht, wenn der Reiter die Zügel nur mit einer
Hand führte (was auch im Alterthum die Regel war, s. Schlieben
S. 187); denn die Wendung mit blosser Trense ist dann, wenn
auch m(5glich, doch immerhin schwieriger. Die Kandare aber,
welcher wir ims dabei bedienen, war den Alten unbekannt.
") Vgl. Aristot. 7rf(j( CoiftJi' nooiCag c. \i: xivMcti Ö€
TK onCaitiu noog i« iunnoaitiv y.aiu ä ic'tfi tjQOV. ftlTÜ
yaQ lö dffiöj' läiv (fiTiQoaUfv jo tanoTtgöv iwv OTiiaittv xi-
vovaiv. iira i6 ccQiaiiooi' idv ifXTigoaStv, /Jtrci ö( jovro t6
Stiiöv %(üv oniaüiv.
") S. Ruhl, Ueber die Auflassung der Natur in der Pferde-
bildung antiker Plastik, S. 73; Schlieben a. a. O. S. 182. —
Die einzige Stelle eines alten Schriftstellers, welche den Pass-
gang beschreibt, ist Plinius N. H. VIll, 166, \>. 78, 12 ed.
Detlefsen: in eadem Hispania Gallaica gens et Äsiurka equini
generis — In sunt quoa celdones vocamus, minore forma appel-
latos aaturcones — gignunt, guibtis non vulgaris in cursu
gradus, sed mollis alterno crurum explicatu glome-
rativ, unde equis tolutim capere incursum iraditur arte.
Hier ist tolutim capere incursum, traben, dem jenen spani-
schen Pferden angeblich angeborenen Passgang gegenüber-
gestellt: jene Pferde müssen das Traben erst künstlich erlernen.
Denn dass tolutim, tolutarius nicht, wie man allgemein an-
nimmt, auf den Pass, sondern auf den einfachen Trab zu
beziehen sind, lehren die einschlägigen Stellen, welche auf meine
Bitte mein Freund G. Lüwe zusammengestellt hat. Ich gebe im
Folgenden seine Notizen wieder: „Hauptfundort für die Stellen ist
Nonius p. 4, Isqq., wo acht Belege gegeben werden. Er erklärt to-
lutim^volubiiiter (dass die Glosse in Juvenalem p.IX tolutim: vo-
lubiliter ebendaher stammt, hat schon Keil gesehen). Bei allen
Stellen kommen wir mit dem Deutschen ,im Trabe' am besten aus.
Plaut. Asin. v. 70G, wo Libanus seinen Herrn als Gaul behandelt,
sagt er zu ihm, als es nicht gut gehen will: „ei, was ist denn das?
wue ist das für ein Gang? Ich werde Dir den Hafer knapper mes-
sen, ,tolutim ni hadizas', wenn Du nicht ordentlich trabst." Aehn-
lich spricht Fronto übertragen von den sententiae tolutares, den
„nur trabenden" nicht stolz galoppirenden des Seneca. Ferner
bis auf Aristoteles' Zeit unbekannt war. Denn
dieser kennt sie nicht nur nicht, sondern geht so-
weit zu behaupten, dass ein Pferd, wenn es die
beiden Beine einer Seite gleichzeitig heben wollte,
umfallen mUsste"). Auch bei Xenophon und Pollux
wird der Pass nicht erwähnt'*).
bei Lucilius: Stadium acclive tolutim evadere (wo das acclive
ein tolutim erschwert) und velle tolutim hie semper et incepturu
videtur (er sieht aus wie einer, der immer im Trabe davon
will, es aber immer beim Anfange bewenden lässt). Trefilich
stimmt zu der Gleichstellung tolutim = Trab die Stelle aus
einer Satire des Varro: sed ut equos, qui ad vehendum est
natus, tarnen kic traditur magistro, ut equiso doceat tolutim , ■ :
das Pferd muss das (regelmässige, schulgerechte) Traben erst lernen.
In Glossen kommen die betr. Worte wenig vor. totularius:
iTznotf'OQsiig, tolutiloquentia: rd Inngo/ov, tolutim: fniiQOya
sind moderne Onomasticonglossen (Prodr. p. 184 sqq.). Nur tolu-
tarius ist zweimal vertreten, tolutarius: ßnäiajrjg (Philoxenus
p. 214, 13: ebenso ist p. 218, 50 zu schreiben) und toliiarius
(sehr, tolutarius) est ambulatorius equus (iletzer Glossar),
wozu nmbulatura bei Vegetius zu vergleichen. Vegetius, Mu-
lomed. IV, cap. 6: Persis et statura et positio a caeteris
equorum yeneribus non plurimum differt sed solius ambu-
laturae quadam gratia discernuntur a caeteris — inter
colatorios enim et eos guos totonarios vulgus appellat avibu-
latura eorum media est. Hier heisst ambulatura einfach
Gangart, und die gewöhnliche Gleichstellung des Wortes mit
fr. l'amble, it. ambio, ambiadura =^ Pass ist falsch. Vegetius
kennt offenbar den Pass nicht, die den persischen Pferden zuge-
schriebene Gangart ist vielmehr als ein schwimmender oder
trippelnder Gang (Schlieben, S. 183) zu denken. „Auch gradarius
hat mit dem Pass nichts zu thun" (wie Ruhl, S. 72, nach
Aldrovandi de quadrup. I, p. 19, angiebt). Lucilius bei No-
nius a. a. O. : ipse equo' nonformosu' gradarius optimu' vector
„es war nicht schön, aber es trug gut und ging seinen sicheren
Schritt"; Nonius erklärt gradarius: ,est molli gradu et sine
succussatura nitens'. Von Cicero heist es bei Seneca: Cicero
quoque noster, a quo Romana eloquentia exsiluit, gradarius
fuit: „er ging Schritt für Schritt" (dem eo:silire entgegengesetzt).
Bei Diomedes ist puyna gradaria Gegensatz zu p. stataria. In
Glossaren findet sich das Wort nirgends; das Onomasticon
Vulcanii (p. 60 gradarii: innoifOQttg) ist ein Product des XVI.
Jahrhunderts". —
Es giebt also weder im Griechischen noch im Lateinischen
ein Wort für Pass, Passgänger. Der einzige Schriftsteller, der
diese Gangart beschreibt, Plinius, betrachtet sie offenbar nicht
nur als eine ungewöhnliche, sondern als eine unreine. Die-
selbe kann also im Alterthum nicht allgemeiner üblich gewe-
sen sein.
'') ebda, weiter unten: e? Si loig ät^itig äuifoi^goig tiqio-
TOig fiiü tiv lyfyi'Oi'TO itüi' Infioui'awv xui uvfniTiiuv. Auch
der Passgang des Kameeis war dem Aristoteles unbekannt, denn
die llist. an. II, 9 dem Löwen und dem Kameel zugeschriebene
Bewegung xaiu axi).og ist nicht Pass, kommt übrigens weder
beim Löwen noch beim Kameel vor. Vgl. Aubert und Wimmer
zu der Stelle, die Plin. 11, lOü citiren.
") Denn die von Pollux I, 194 citirte Definition des Simon:
G. Körte, Dokiruasie der attischen Reiterei.
181
In der assyrischen und ägyptischen Kunst wer-
den schreitende Pferde und andere vierfüssige Thiere,
so viel ich sehe, durchgehends so dargestellt, dass
sie die beiden Beine derselben Seite heben. Diese
Darstellungsweise ist auch auf die phönikische '")
und auf die arciiaisch-griecliische Kunst ") über-
gegangen. Sie ist in letzterer durchaus die Kegel,
obwohl vereinzelte Ausnahmen schon früh vor-
kommen"), und ist namentlich auf Münzen ") bis
in die Zeit der höchsten KunstblUthe beibehalten,
ebenso auch auf vielen rothtigurigen Vasen stren-
geren Stils ''^). Offenbar handelt es sich also auch
für diese um ein lange Zeit festgehaltenes, der
Natur widersprechendes Schema der Bewegung,
nicht um die Darstellung einer besonderen Gang-
art. Auch die Beispiele ähnlicher Art aus späterer
(römischer) Zeit sind meines Erachtens auf ungenaue
Naturbeobachtung zurückzuführen^'), und ich kenne
kein sicheres Beispiel eines Passgängers; beson-
ders gilt dies von den berühmten Pferden über
dem Portal von S. Marco in Venedig, welche ur-
sprünglich einen Wagen zogen "). —
f v^Qo^og (5^ innog 6 öXlyov cti'^üJi' ttno itjg yrjg Iv i^
jqiX^iv I« axikri hat mit dem Passgang nichts zu thuu , wie
Schliebeu a. a. O. S. 18'2, ir29 bemerkt, bezieht sich vielmehr
auf einen schnellen und zugleich bequemen Trab.
") Vgl. die Silberschalen Cesnola, Cyprus pl. XI; S. 329;
Muaie Napoleon III pl. X; Mon. delC Inst. X, 31. 32. XI, 2,
auch die Sarcophage von Amathus pl. XIV und Golgoi pl. X
(griechische Arbeit).
-") Reliefs mit Viergespann: Schöne, Grieeh. Reliefs XV, 73;
Annali deW Inst. 1861 tav. B. Reiter; Mittheilungen IV, Taf. 4.
— Viele Beispiele für schwarztig. Vaseumalerei bei Gerhard, A.
Vasenb. passim.
'') So die beiden gewiss dem 7. Jahrh. angehörigen Vasen
von den griechischen Inseln Mon. deW Inst. IX, ö ; die korin-
thische Vase Gerhard A. V. Taf. 220; Overbeck, Ileroengal.
XXII, 1 (neben der gewohnlichen Uarstellungsart).
''') S. Cataloyue of the ijreek coins in the brlt. Mus.
Sicily bei Catana, Enna, Gela, Ilimera, Leontini, Messana,
Nacona, Panormus, Selinus, Syracus; ib. Thrace etc. bei
Aenus, Byzantium; ib. Macedon etc. bei Mende, Olynthos,
Potidaea, unbek. Stadt S. 136, den Bisalten, Edonern; Alexan-
der I. von Macedonien, Perdikkas (?).
") Gerhard A. V. 136, 227, 229/30, 293/4. 1. 2. 5, 291. 1
(beide Arten der Bewegung nebeneinander, ebenso 199). Ziegen-
bock, Widder: Mon. deW Inst. VI. VII, 67.
-*) Wie schon Winckelmann Kunstgesch. Theil I Cap. IV
annahm.
25) Vgl. zu denselben die feinen Bemerkungen von Ruhl
a. a. O. S. 47 f. — Das Pferd des Marc-Aurel geht keineswegs
Pass, wie Schlieben a. «. 0. S. 182 behauptet. Vgl. Ruhl S. 69. 72.
Meines Wissens ist unser Vasenbild das einzige
bis jetzt bekannte, welches einen solchen officiellen
Akt aus dem Leben der Athener zur Darstellung
bringt, und als solches darf es ein hervorragendes
Interesse in Anspruch nehmen. Es ist ein neuer
Beweis von jener Vorliebe des athenischen Volkes
für seine Cavallerie, welche ihren glänzendsten Aus-
druck im Parthenonfriese gefunden hat. —
Das Innenbild der Schale zeigt einen der 200
berittenen skythischen Bogenschützen, welche der
Staat als leichte Cavallerie zur Verstärkung der
aus Bürgern bestehenden unterhielt"). Er steht in
buntem Barbaren-Costüm neben (jenseits) seinem
ungeduldig mit dem linken Vorderfuss scharrenden
Pferde und sieht mit zurückgewandtem Oberkörper
visirend an^ einem Pfeil hinab, den er in beiden
Händen hält: offenbar um sich zu überzeugen, ob
er vollkommen gerade sei. Neben seinem rechten
Bein kommt unter dem Bauche des Pferdes ein Stück
des Köchers zum Vorschein, den er an der rechten
Seite hängen hat. Von dem rechten Hinterfuss des
Pferdes ist ein Stück, weil es in das zu decorirende
Kund nicht hineinging, einfach weggelassen.
Offenbar steht diese Darstellung in einer inne-
ren Beziehung zu der der Aussenseite; gegenüber
dem feierlichen Ernst der letzteren ein gemüthliches
Genrebild. —
Zum Schluss möchte ich noch auf das Relief bei
Schöne XVII n, 79 hinweisen. Ich glaube, dass es
von einem seiner Amtsführung wegen bekränzten
Hipparchen ") geweiht ist, der sich selbst an der
Spitze seiner ini (palayyog geordneten Truppe") vor
dem Rathe paradirend ") hat darstellen lassen. Der
Mangel der vollständigen BewaÖ'nung kann bei einem
griechischen Monument gegen diese Deutung nicht
geltend gemacht werden. Wir hätten also in diesem
schönen Relief ein an die oben erwähnten Cavallerie-
Paraden erinnerndes Denkmal zu erkennen.
Göttiugen. G. Körte.
'"') Boeckh, Staatshaushalt I S. 368.
") So nennt ohne nähere Begründung schon Bötticher, Ver-
zeichuiss der Gipsabgüsse 1871 n. 333 den voraufreitenden Mann.
^*) Dieselbe ist nur andeutungsweise dargestellt.
=') Ein Schauspiel, das Xenophon Hipp. III, 12 mit sicht-
licher Passion beschreibt.
182
BACCHISCHE SIEGESFEIER.
(Tafel 16.)
Die auf Tafel 16 im Maassstabe von Vs wieder-
gegebene Darstellung befindet sich auf den Frag-
menten eines in der Nähe des Peiraieus gefundenen
Kraters, welche ich durch Hrn. Giliieron copiren
und in den sicheren Theilen ergänzen Hess. Bei-
spiele der in Boeotien so häufigen Kraterform sind
mir bisher aus attischen Gräbern nicht bekannt ge-
worden; den engen Baum Verhältnissen derselben
wird es zuzuschreiben sein, dass hier überhaupt so
wenig unverletzte Vasen von grösseren Dimensionen
gefunden werden.
Unser Gefäss gehört dem streng rothfigurigen
Stile an; alle Tänieu, Blätter und Zweige waren
mit weisser Farbe aufgetragen.
Wir erkennen deutlich sämmtliche wesentlichen
Züge der Darstellung.
Es handelt sich um die Weihung eines Dreifusses
der von Nike bekränzt wird. Dabei steht der Opfer-
stier. Eine Frau mit Fackel und Oinochoe wendet
sich zu Dionysos, um ihm einzuschenken. Hinter
diesem steht ein Satyr. Die 'Anwesenheit der Nike
verkündet uns einen Sieg, die des Dionysos einen
Sieg errungen bei einem bacchischen Feste. Drei-
füsse sind der Preis, welcher den Siegern in den
dramatischen Aufführungen ertheilt wurde; mit Stie-
ren wurde das Siegesopfer dargebracht.
Es ist wohl zu bemerken, dass wir keine an-
dere Gelegenlieit kennen, bei der ein Stieropfer
mit Weihung eines Dreifusses verbunden wäre, dass
wir somit ohne zwingende Gründe weder diesem
Monument noch ähnlichen eine andere Deutung zu
geben berechtigt sind.
Folgende Vasen bilder sind dem unsrigen am
nächsten verwandt:
1. Hancarville II, 37 = Müller-Wieseler, Denkm.
II, 625. (Dreifuss, Stier, 2 Niken, Dionysos sitzend.
Ein Satyr und eine baechische Frau.)
2. Stamnos, in München. Jahn 386 = Gerhard,
A. Vb. 81; Vases etr. PI. I. (Dreifuss, Opferstier von
Nike getränkt. Eine Frau mit Tänie.)
3. Kalpis der Sammlung Catalani. Gerhard, A.
Vb. II p. 9 n. 32. (Dreifuss, Stier von Nike bekränzt.)
(gleich n. 1?).
4. Stamnos des Brit. Museums n. 755. Gerhard,
A. Vb. 243. (2 Dreifüsse, 2 Stiere, welche von zwei
Mädchen geschmückt werden.)
5. Hancarville III, 36 = Laborde I, 78 =
Inghirami 363. (Dreifuss, Opferstier mit Nike und
sechs Jünglinge mit Fackeln.)
Die Darstellungen auf 1 — 3 namentlich haben
zugleich mit unserem Vasenbilde gemeinsam, dass
sie sich völlig auf idealem Boden bewegen. Es
entspricht durchaus der Richtung der älteren Kunst,
menschliche Vorgänge in den Bereich des Göttlichen
zu versetzen. Derselben Auffassung folgt auch die
bekannte Serie der auf kitharödische Siege be-
züglichen Reliefs, welche Nike vor Apollo, Artemis
und Leto darstellen (Welcker, A. Denkm. II, p. 37 ff.
Jahn, Griech. Bilderchr. p. 45 ff.). Deshalb führe
ich auch sie, trotz der Einwendungen Stephani's
{Compte Rendu 1878, S. 218 ff.), auf ältere Vorbil-
der zurück.
Einer bald idealen, bald realen Auffassung be-
gegenen wir auch in den plastischen Darstel-
lungen, welche sich auf geweihte Dreifüsse be-
ziehen. Doch sind nur wenige ganz frei von
menschlicher Beimischung:
a) Die Basis von der Tripodenstrasse in Athen,
Pervanoglu, Annali delV Inst. 1860 Tv. d'agg. G.
Vielleicht auch
b) Das Fragment eines Reliefs, in den Propy-
laeen zu Athen befindlich. Höhe 0,28, Breite 0,33.
In der Mitte ein kleiner Bau mit Dach, der auf
drei Säulen ruht, ein Dreifussmonument. Links Kopf
einer Frau (Nike ?), rechts sind nur zwei Arme er-
halten, die etwas mit einem Hammer zu befestigen
scheinen. Da die Hände sehr breit sind, ist viel-
leicht an einen Satyr zu denken. Etwa Arbeit des
3. Jahrhunderts.
Nur wenig entfernt von dieser Gattung sind die-
jenigen Reliefs, auf denen statt der Gottheiten ihre
priesterlichen Vertreter erscheinen, so in der
A. Milchhöfer, Bacchische Siegesfeier.
183
e) bekannten Dresdener Basis.
Auf einen Dreifuss bezieht sieb gewiss auch
d) Mo7i. deW Inst. IV, 42. (Nike, Kitharode und
Priesterin.)
Während in d der Kitharode noch die Gestalt
des Gottes hat, tritt in den Uebrigen der Geehrte
oder Weihende in völlig menschlicher Darstellung
hinzu:
e) Schöne, Gr. Reliefs n. 63.
f) Eine sehr ähnliche Composition ausser dem
bei Schöne erwähnten Hesiod in der „Apotheose
Homers" in einem Relief der Propyläen zu Athen.
Höhe 0,4ö, Breite 0,25.
g) Curtius, Arehäol. Zeitg. 1867, Tafel 226.
Relief auf der Burg zu Athen.
Unter den Figuren unseres Vasenbildes ist nur
eine, deren Bedeutung vielleicht nicht völlig klar
ist — der Satyr, welcher auch auf Vase 1 erscheint,
gehört zur Begleitung des Dionysos und hat kein
Recht, den Namen Dithyrambos zu beanspruchen,
den ihm Wieseler ertheilt — es ist die Frau mit
Oinochoe und Fackel. Schon aus der Composition
ist zu entnehmen, dass auch sie den höheren Wesen
angehören muss. Ungeflügclte Frauen kommen auch
auf den Vasen 2 und 4 vor (vgl. Arehäol. Zeitg. 1853,
Tafel 52, 1). Die eine derselben erweist sich durch
den Thyrsos als bacchische Figur, als Begleiterin
und Dienerin des Dionysos; ihren Namen festzu-
stellen, scheint mir bei dem Mangel einer Beischrift
unmöglich. Auch müssen wir die Frage ungelöst
lassen, ob nicht, wenigstens in Vorbildern, welche
etwa unsern Vasen zu Grunde liegen, irgend eine
Personification gemeint sein könne, etwa Arete
oder die siegreiche Pliyle ').
Besonders wichtig aber wird uns die in Rede
stehende Figur durch das Attribut der Fackel.
Dieselbe erklärt sich hier hinreichend sowohl aus
dem feierlichen Opfer, welches mit dem Sieg ver-
') Man vergleiche das schon citirte Relief Schöne 63 , wo
EvTuSfu mit einem vor einem Dreifusse stehenden Manne dar-
gestellt ist.
bunden ist, als überhaupt aus der Beziehung auf
Dionysos und seine nächtlichen Feste. Mit einer
Fackel zündet die Priesterin auf der kitharödi-
schenBasis Monum. IV, 42 den Altar an'). Eine
Weihung der Fackel erscheint ferner auf der viel
besprochenen Dresdener Basis. Hier sind wir
ebensowenig berechtigt, an einen Sieg im Fackel-
wettlauf') zu denken, wie bei unserem Monumente,
welches, wie wir glauben, zur endgültigen Erklä-
rung der Dresdener Basis beitragen wird. Die
Lampadedromie wurde weder dem Dionysos ge-
feiert (vergl. Hermes VII, 437), noch wissen wir
dabei, wie schon oben hervorgehoben wurde, von
Dreifuss und Stier als Gegenständen der Siegesfeier.
Ebenso wird durch unser Vasenbild jede Beziehung
auf den delphischen Mythus (Bötticher) zurückge-
wiesen.
Sehr häufig ist mit der Siegesfeier auch die
Spende, die Libation verbunden, welche auf unserm
Vasenbilde dem Dionysos dargebracht wird. So in
den auf Siege der Kitharöden bezogenen Reliefs. Die
Meinung Stephani's {Compte Rendu 1873, 113 ff.), dass
in der anovöi'j ein Wunsch, die Bitte um Erfolg,
also Hinweisung auf ein Zukünftiges ausgedrückt
sei, ist schon an sich sehr gezwungen und wird
auch durch unser Vasenbild widerlegt, welches doch
offenbar einen vollendeten Sieg darstellt. Ich er-
kenne in der Spende nur den erhöhten Ausdruck
einer Ehrenbezeugung, die man Göttern und Heroen
darbringt, oder bei besonderer Gelegenheit auch
Menschen, welche heroische Handlungen unterneh-
men oder vollendet haben.
Arthur Milchhöfer.
2) Auch auf den anderen kithorödischen Siegesmonumenten
erscheint die Fackel (Welcker, A. D. II p. 37ft'. Jahn, Gr. Bil-
derchr. p. 45 ff.). Es ist wahr, dass dieselbe der Artemis, welche
sie trägt, als Attribut zukommt. Aber sie ist auch in den
Händen der Frauen bei Clarac, Mus^e de Sc. 122 n. 62, und
auf der albanischen Tafel (Jahn, Bilderchr. Taf. V).
3) Müller, Handbuch § 96 n. 20. Pervanoglu Annali
1861, p. 120. Friederichs, Bausteine, p. 92. — Auch die
Fackeln in den Händen der Jünglinge auf dem Vasenbild n. ö
erklären sich hinreichend durch das bevorstehende Opfer.
184
GRUPPE DER ARTEMIS.
(Tafel 17.)
Die auf Tafel 17 Nr. 1 nach einem Licbtbilde
gezeichnete kleine Marmorbildsäule — sie ist 80
Centimeter, ungefähr 2'/2 Fuss hoch — ist in Lar-
naea-Scala auf Cypern gefunden und von Herrn
M. 0. Richter in der Wiener Neuen lUustrirteu Zei-
tung, IX. Jahrgang, I. Band, vom 26. September
1880 abgebildet worden.
Herr Richter hält die Gestalt für die Tochter
eines Königs von Kition, welche sich auf das Idol
der Aphrodite lehnt, weil sie etwa im Begriff sei
sich zu vermählen. Allein die unter Nr. 2 ver-
grössert abgebildete Münze von Eukarpia in Phry-
gien zeigt, dass es Artemis ist. An dem Bande,
das schräg über die Brust der Bildsäule geht, hing
der Köcher am Rücken.
Eine verwandte Darstellung der Artemis giebt
die hier unter Nr. 3 abgebildete Lampe aus Knidos,
auf welche mich Conze aufmerksam gemacht hat:
sie ist von Newton Discoveries at Halicarnassus
Cnidos and Branchidae, Tafel LXXXIV 5 abgebildet;
Newton nahm die Figur als Hekate, es ist Artemis.
Wen das Idol darstellt, auf welches Artemis
sich in allen drei Denkmälern stützt, bleibt wohl
ungewiss. Denn auch Aphrodite stützt sich auf ein
völlig ähnliches Idol in der kleinen farbigen Mar-
morfigur, welche vor einigen Jahren in Pompeji
gefunden worden ist und demnächst in dieser Zeit-
schrift veröffentlicht werden wird. Auch da hält
das Idol in der Rechten eine kleine Blume oder
eine Frucht, und erhebt mit der Linken das Ge-
wand. Es kommt öfter vor, dass eine Gottheit in
ihrer späteren Gestaltung sich auf ihr eigenes alter-
thümliches Bild lelint.
Danach darf man glauben, dass auch Artemis
in dem cyprischen Marmorfigttrchen, der Gruppe der
Münze und der Lampe sich auf ihr eigenes Idol
lehnt.
Die auf der Münze dargestellte Gruppe war in
Eukarpia öffentlich aufgestellt, also gewiss von
grossen Verhältnissen, etwa von Lebensgrösse. Die
Vorderseite der Münze zeigt nämlich die Umschrift
AHMOC eVKAPneilN um den lorbeerbekränz-
ten Kopf des Demos, die Umschrift der Kehrseite
heisst AITHCAM6NOY H KA MAE MAPK6A-
AIANOY; und auf einer zweiten Münze ist der
Kopf der BOVAH eVKAPneßN, auf der Kehr-
seite die nämliche Gruppe, umher 6niM€AH0EN-
TOC r KA <|)AAKKOY. Also wird auf der ersten
dieser beiden zusammengehörigen Münzen durch
<xhrjaai.ievov ausgedrückt, dass Marcellianus die Er-
laubniss zur Errichtung der Gruppe erbeten, auf
der zweiten durch Eni^ielrj&evrog, dass Flaccus die
Errichtung besorgt hat. Diese Münzen gehören
ihrem Styl und der Art der Aufschriften nach sicher
der Zeit Hadrian's an, folglich ward damals die
Gruppe in Eukarpia aufgestellt (auf Münzen der
Antonine ist diese Gruppe weniger zart und schön
wiederholt). Man darf demnach glauben, dass die
Gruppe und das Marmorfigürchen, wenn sie sich
nicht wie Original und Kopie zu einander ver-
halten, wohl beide Nachbildungen eines älteren
Originals sind. Die Kleinheit der Marmorfigur
spricht schon dawider, dass sie ein Original-
werk sei.
J. Friedlaender.
185
ZUR ARKESILASSCHALE.
In dem Dorpater Programm von 1879 hat G.
Löschcke ') gelegentlich einer Aufziihlung der sämmt-
lichen Vasen, welche der Arkesilasschale ') ver-
wandt sind, als etwaige Fabrikationsorte derselben
Kyrene und Sikyon genannt, während er die Hypo-
these W. Klein's, dass sie aus Sparta stammen
möchten, zwar für wahrscheinlich, aber vorläufig
für unbeweisbar hält. Vielleicht dient die Wieder-
aufnahme eines bereits von Heeren') angestellten
Vergleiches der Arkesilasschale mit gewissen orien-
talischen Darstellungen dazu, ein neues Moment
zur Cbarakterisirung des Bodens, auf dem die
Schale entstehen konnte, zu gewinnen. Auf den
Wandgemälden ägyptischer Gräber nämlich ist be-
kanntlich keine Scene aus dem Leben des Ver-
storbenen häufiger dargestellt als die, dass dem
sitzenden oder auch stehenden Herrn die Tribute
und Erträgnisse seiner Besitzungen dargebracht
werden oder dass er seinen Untergebenen bei
den mannigfachsten Verrichtungen des alltäglichen
Lebens zuschaut. Als Theil eines solchen grosseren
Bildes findet sich häufig auch die Darstellung des
Abwägens von Getreide, Goldringen oder anderen
Gegenständen^), eine Darstellung, die in der äu-
sserst verbreiteten typischen Hlustration des ägypti-
schen Totenbuchs, dem Totengericht vor Osiris, zu
einem selbständigen und bedeutungsvollen Gemälde
ausgebildet worden ist'), und entsprechend der
Wichtigkeit dieses mythologischen Vorgangs fehlt
hier niemals eine der zur Bedienung der Wage
nothwendigen Personen. Indem so vor dem Thron
des Osiris das Herz des Verstorbenen mit der
Wahrheit gewogen wird, beobachtet Horus die eine
Wagschale und Anubis mit der zweiten zugleich
auch die Zunge, nach der er die Hand ausstreckt "),
während der ibisköpfige Thot das Resultat der
') De basi guadam prope Spartam reperta, S. 12 ff.
ä) Abgeb. 31. d. I. I, 47. Welcker, Alte Denkmäler, Bd. 3,
Taf. 34.
3) Vgl. Welcker a. a. 0. S. 496.
<) Lepsius, Denkmäler, Abth. III, Bl. 10. 39. 122. Wil-
kinson Anclent Egyptians 2. Aufl. I, S. 285.
') Ebda. III, 232. IV, 16. Leemans, Aegyptische Monumen-
ten T. PI. XXVI. Am bequemsten findet man ein Beispiel
der beiden Darstellungen bei Dümichen, Gesch. des allen Aegjp-
tens, Berlin 1879, auf den beiden ersten Talein.
') Auf der betr. Tafel bei Dümichen hat der Schreiber die
Zunge zu zeichnen unterlassen.
ArchSulug. Ztg., Jahrgang XXXVIII.
Wägung gewissenhaft verzeichnet. Wo es sich um
Scenen des gewöhnlichen Lebens handelt, kommen
natürlich noch die Lastträger hinzu.
Unscliwer erkennt man dieselben Rollen unter
dem Personal der Arkesilasschale, über deren Vor-
züge vor den ägyptischen Bildern wir kein Wort
zu verlieren brauchen. Da ist — um der Bequem-
lichkeit wegen eine Lesung zu adoptiren — Slipho-
machos, welcher neben der einen Wagschale stehend
mit dem Finger auf die Zunge derselben weist;
ein anderer, Uubenannter, verfolgt mit lebhaftester
Aufmerksamkeit das Steigen und Fallen der zwei-
ten Schale und entsprechend Thot oder dem Schrei-
ber bedeutet Sophortos seinem Gebieter Zahl und
Gewicht der gewogenen Massen. Dass die Last-
träger hier nicht fehlen dürfen, ist selbstverständ-
lich; eine echt ägyptische Figur ist der sie beauf-
sichtigende Wvla^^).
Dass diese Analogien des ägyptischen und des
griechischen Bildes, trotzdem sie sich aus der Natur
des dargestellten Gegenstandes von selbst ergeben,
nicht ganz zufällig sind, wird sowohl durch die
Wahl des Vorwurfs, der immer als alleinstehend
unter den Darstellungen archaischer Vasen bezeich-
net worden ist, als auch besonders durch einige
auffällige Einzelheiten der Arkesilasschale im höch-
sten Grade wahrscheinlich. Zwar will der ägyp-
tische Schurz, mit dem Sliphomachos und Sophortos
bekleidet sind, sowie die auf dem Totengericht und
unserer Schale identische Form des Wagebalkens
wenig sagen; aber auffallend für griechische Sitte
ist die Verwendung einer so fremdländischen und
gefährlichen Bestie wie des Panthers *) als Haus-
thier, das friedlich unter dem Stuhl seines Herrn
lagert, während die Aegypter ausser den Hunden
und Katzen auch Affen und andere Bewohner afrika-
nischer Wildniss im Hause hielten '). Am unzweifel-
') Vgl. Dümichen , Resultate, Taf. VIII. Bädeker, Aegyp-
ten, S. 411; vgl. S. 414.
') Auf einer Vase , deren Zeichnung sich im archäol. Ap-
parat des Berliner Museums (Fol. 230, Nr. 350) befindet, ist
der Panther zwischen den Stuhlbeinen tektonisch verwendet.
«) Hund und Affe bei Lepsius II, 134, b. III, 9, f. 12.
Dümichen, Resultate, Taf. X. Wilkinson, a. a. 0. I, S.431, Taf.XI;
gezähmte Thiere bei Kosellini I, 72. 73. Dümichen, Flotte einer
ägyptischen Kiinigin, Taf. VI (vgl. Taf. XII). Bädeker a. a. O.
S. 411. Wilkinson I, S. 38 Taf. II .4 ß. Besonders berühmt war
25
186
0- Puchstein, Arkesilasschale.
haftesten eiullicli gebt der über der Wage sitzende
Affe auf ägyptiscbe Anscbauung zurück: es ist der
Kynoskepbalos als Symbol des Thot, des Gottes
für Maass und Zabl, wie er auf der ägyptischen
Wage an derselben Stelle fast regelmässig vor-
gefunden wird, auf dem Totengericlit a. a. 0. ausser-
dem in dem oberen Streifen des Bildes beiderseits
als Hüter der Wage neben derselben sitzt.
Diese Anklänge einer griechischen Darstellung au
ägyptische Vorbilder Hessen sich leicht aus der Indi-
vidualität des betreffenden Künstlers erklären, der
von jedem griechischen Orte aus eigene Anschauung
Aegyptens erlangt haben könnte. Aber sollte mau
nicht von allen Punkten am wahrscheinlichsten da
den Künstler suchen dürfen, wo er ohne weite
Keisen und abenteuerliche Lebensschicksale durch
die gegebenen Verhältnisse seiner Heimat Gelegen-
heit hatte, ägyptisches Treiben kennen zu lernen?
Aus diesem Gesichtspunkt kann von den vor-
geschlagenen Fabrikationsorteu der Arkesilasschale
am ehesten Kyrene sowohl wegen seiner geo-
graphischen Lage wie wegen der intimen Beziehun-
gen zu Aegypten gerade im 6. Jahrhundert in
Betracht kommen. Zwar erlitt Apries, der von den
den Kyrenäern feindlichen Libj'ern zu Hülfe ge-
rufen war, eine vollständige Niederlage^"), aber
schon unter seinem Nachfolger Amasis (570—526)
bestand zwischen den Nachbarstaaten nicht allein
ein Schutz- und Trutzbündniss , das bis zur persi-
schen Invasion währte, sondern ausser den erklär-
lichen Handelsbeziehungen sogar Connubium. Amasis
selbst war mit einer Kyrenäerin verheirathet, und zu
den von ihm nach Kyrene geweihten Anathemen
gehörte auch sein eigenes gemaltes Porträt ' '). An-
dererseits wird in Kyrene der Isiskult bereits von
der zahme Löwe Ramses' 11, erwähnt bei Diodor I, 48, 1, abgeb.
Eosellini I, 84 (vgl. I, 65. Lepsius III, 2, b. 100).
'0) Herodot IV, 159.
") Herodot II, 181. 132; vgl. Plutar ch mor. p. 261.
Herodot bezeugt '"). Sehr wohl könnte man also die
Arkesilasschale als ein authentisches Zeugniss die-
ses lebhaften und freundschaftlichen Verkehrs der
beiden Länder grade zur Zeit des Amasis und
Arkesilas IL") auffassen, ein Zeitansatz, der unsere
Vase nur wenige Jahre jünger machen würde als
der von W. Klein vermuthete Zusammenhang mit
der Landvertheilung unter Battos II (um 575
V. Chr.'*).
Ausserdem Hesse sich, wie man sonst aus der
Darstellung bestimmter Mythen auf korinthischen,
chalkidischeu oder attischen Ursprung schliesst, allen-
falls mit gleichem Rechte die Figur des Arkesilas für
die Entstehung der Schale in Kyrene geltend machen.
Die Beischriften endlich, deren bisherige Deutungen
vielleicht an den barbarischen Bestandtheilen der-
selben gescheitert sind '^), würden ebensowenig
gegen wie für Kyrene sprechen: denn ob das dor-
tige Alphabet aus Thera, der Heimat der ersten
kyreuäischen Colonisteu, stammt oder etwa in Folge
des bedeutenden Zuwachses, den Kyrene aus dem
Peloponnes und anderen Territorien gelegentlich
der Landvertheilung erhielt ''^), modificirt worden ist,
bat noch nicht entschieden werden können. Jeden-
falls entspricht die Form l4Qxsal?.ag dem in Kyrene
üblichen dorischen Dialect.
Wie sich die anderen mit der Arkesilasschale
zusammengehörigen Vasen zur Annahme einer kyre-
näischen Fabrik verhalten, wird erst bei der Publi-
cation einer grösseren Anzahl derselben, welche die
Eedaction dieser Zeitschrift vorbereitet, untersucht
werden können.
Berlin. 0. Puchstein.
''^) IV, 186.
") Vgl. Brunn, Probleme S. 34.
") Euphronios, S. 36.
'^) So mag in Bezug auf den Namen Sliphoraachos nicht
unerwähnt bleiben, dass macha die ägyptische Bezeichnung für
,,Wage", ,, wägen" ist.
'6) Her. IV, 159; vgl. 161.
187
VOTIVRELIEF AN DIE GÖTTERMUTTER.
(Tafel 18.)
Das herrliche Votivrelief an die Göttermutter,
•welches aus dem Dorfe Mustaphades, nahe dem alten
Tanagra, stammt und zuerst von Körte (Mittli. III
S. 390 f.) beschrieben worden ist, hat in neuester
Zeit eine gleichzeitige Behandlung durch Milchhöfer
(Mitth. V S. 216f. u. 209 Anm. 1), Furtwängler („Der
Satyr aus Pergamon" Winckelmannsprogramm 1880
S. 28) und Conze (s. oben S. 3K) erfahren, und ist
dadurch dem Interesse des archäologischen Publi-
kums so nahe gelegt, dass eine Publication dessel-
ben nicht unwillkommen sein dürfte. Ich theile
deshalb auf Taf. 18 eine Zeichnung mit, welche ich
im vorigen Jalire in Athen nach dem Originale in
Vj der natürlichen Grösse machte.
Das Original, über dessen Fund und Maasse es
genügt, auf Körte's Beschreibung zu verweisen,
besteht aus 4 Fragmenten, die jetzt im Varvakion
aufbewahrt werden. Das HauptstUck war selbst
mehrfach gesprungen, ist aber jetzt zusammengefügt
und in Gips gefasst. Die 3 übrigen Stücke, die
sich durch die Gleichheit von Arbeit, Material (pen-
teliscbem Marmor) und Fundort als zugehörig er-
weisen, lassen sich gleichwohl weder unter sich
noch mit der Hauptgruppe zusammenfügen. Das
Stück, auf welchem uns der Oberkörper eines
jugendlichen Pan erhalten ist, gehörte dem linken
seitlichen Abschlüsse an. Milchhöfer hat zuerst
diese Deutung gegeben, während vorher die etwas
verstossenen aber unzweifelhaften Merkmale der
Hörner und spitzen Ohren übersehen worden waren.
Körte erkannte richtig, dass die Lehne und einige
Gewandfalten zu Häupten des Pan dem Bildnisse
einer nach r. thronenden Kybele angehören. Wir
haben also hier eine ähnliche Composition wie auf
dem Thonrelief der Göttermutter aus der Sammlung
Saburofif (E. Curtius, Mitth. II Taf. 3 S. 48 ff.), wo
neben dem Throne ein kleiner flötenspielender Si-
len sitzt.
Berechnet man die ungefähre Ausdehnung für
das Bild der Kybele und die zwischen ihr und dem
Manne zur Rechten zu ergänzenden beiden weib-
lichen Figuren, von denen uns nur die Köpfe er-
halten sind, so ergiebt sich für das Relief eine
ziemlich bedeutende seitliche Ausdelinung, zumal
da jene beiden weiblichen Gestalten, wie der Relief-
grund zeigt, nicht so dicht gruppirt waren wie die
erhaltenen. Ob Theile sämmtlicher Figuren auf uns
gekommen sind, lässt sich nicht mit Bestimmtheit
entscheiden. Wir vermissen jedenfalls den sonst
treuesten Begleiter der Kybele, ihren von Conze
als Herraes-Kadmilos bezeichneten Mundschenk. Von
den beiden bedeutendsten Votivreliefs an die Götter-
mutter, diesem und dem attischen oben Taf. 1 pu-
blicirten, ist beidemal leider nur die Hälfte — hier
die rechte, dort die linke — erhalten, doch glaube
ich , dass sich durch Zusammenhaltung dieser bei-
den Theile eine ungefähre Anschauung von der
Compositionsweise dieser Gattung von Kybele-Reliefs
wiedergewinnen lässt '). Dort werden wir also
auf der r. Seite die Gruppe der 3 Mädchen und
den bärtigen Mann mit mehr Wahrscheinlichkeit als
einen Zug von Adoranten voraussetzen, da sieh
solche bisher auf Kybelereliefs noch nicht gefunden
haben. Andererseits war auf unserem Relief die
Kybele offenbar in einer dem attischen Relief
durchaus entsprechenden Haltung gebildet, welche
uns ihr statuarisches Bild in seitlicher Ansicht
zeigt, während es in den vataxot naturgemäss en
face erscheint. Einer der weiblichen Köpfe wird
einer Figur angehört haben, welche der Fackel-
trägerin entspricht, und zu ihr wird sich die zweite
gesellt haben. Die Deutung für dieses Paar auf
') Dass die gegenseitige Ergänzung eine nur ungefähr rich-
tige sein kann, beweisen schon die vorliegenden Abweichungen
in den gemeinsam erhaltenen Partien: der Pan statt des Löwen
und zwei weibliche Gestalten vor Kybele statt der einen des at-
tischen Reliefs.
25*
188
L. Gurlitt, V'otivrelief an die Götterniutter.
Demeter und Köre liegt um so näher, als auch in
den Köpfen ein Altersunterschied zum Ausdruck
gebracht ist.
Die 3 übrigen weiblichen Gestalten kehren wie-
der auf dem Kybele-ßelief aus der Sammlung Sa-
buroff (E. Curtius a. a. 0., A. Conze a. a. 0. S. 4 P).
Dort sind, zu beiden Seiten längs der Säulen über-
einander, klein je 3 leidenschaftlich tanzende "Wei-
ber gebildet, von denen je eine auch ein Tympanou
führt, während die andern ohne Attribute sind ').
An sich wäre es zweifelhaft, ob mit diesen eine
Schaar irdischer Weiber gemeint ist oder göttliche
Wesen, doch entscheidet für letztere die Heranzie-
hung unseres Reliefs. Denn hier beweist die Grösse
der Figuren, dass sie höhere Wesen sind, und so
werden auch dort an demselben Platze, wo wir so
oft auf den vataxoi der Kybele klein gebildet ihr
dienstbare Gottheiten finden, dieselben göttlichen
Wesen nur in symmetrischer Verdoppelung gemeint
sein. Ihre Deutung haben schon Milchhöfer und
gleichzeitig Furtwängler gegeben, indem sie auf
Pindar, Pyth. III, 77 = 137 hinwiesen:
di.)^ £nev^aa-&ai (.itv iyiav i&elo}
MatQi, zav KovQai nag' e^iov nqöd^vqov avv
Jlavl i^elnovtai d^a(A.a
aefxvav -^söv iwiixtai.
Dieselbe Vereinigung von der Göttermutter, Pan und
den KovQOL kehrt wieder Frg. 63 Böckh (72 Bergk)
wo die Bezeichnung aeixvwv Xaqixwv an die Stelle
der KovQui tritt. Auf die innige Verwandtschaft
dieser Figuren in Haltung und stilistischer Behand-
lung mit attischen Nymphendarstellungen hat Milch-
höfer (a. a. 0. S. 216) ebenfalls schon hingewiesen.
-) Den Gegenstand in der Hand des mittleren Mädchens
unseres Reliefs weiss ich nicht zu deuten. Eine Fackel ist es
schwerlich.
Die bärtige Figur schliesslich ist identisch mit
der von Conze (oben Taf. 3, 1 u. 2 , dazu S. 3 M, N.
S. 4 Q) publicirten. Wie dort ist der Mann mit
einem langen Himation bekleidet, das die r. Brust
frei lässt, hat dichtes, fliessendes Haar und einen
vollen Bart. Seinem Gesichte, das wir hier zum
ersten Mal in genauer Durchbildung sehen, geben
ein lächelnder Zug und die vollen etwas sinnlichen
Lippen einen gemüthlichen, freundlichen Ausdruck.
Es würde dies für die von Milchhöfer vorgeschla-
gene Deutung auf den wohlwollenden Heilgott pas-
sen, welche ich durch keine bessere zu ersetzen
wüsste.
Auf das Interesse, welches die jugendliche Bil-
dung eines Pans in so früher Zeit beansprucht, ist
schon von anderer Seite aufmerksam gemacht wor-
den (Milchhöfer S. 209, 1 ; Furtwängler S. 28).
Betreffs der Zeit des Reliefs herrscht Ueberein-
stimmung: die Gedrungenheit der Figuren, die
Strenge der Zeichnung, in der jedoch keine Spur
archaischer Gebundenheit zurückgeblieben ist, die
einfache, höchst aumuthige Composition, zusammen
mit der Sicherheit und Feinheit in der Behandlung
des Flachreliefs, verweisen die Arbeit etwa in die
Zeit des Phidias, jedenfalls noch in das 5. Jahr-
hundert. Es gehört auch vom künstlerischen Stand-
punkt zu den bedeutendsten Votivreliefs so früher
Zeit und erweckt besonders durch die ausdrucks-
volle Durchbildung der Köpfe ') eine gute Meinung
von der Kunetübung in Tanagra zu einer Zeit,
welche fast | um ein Jahrhundert vor der Blüthe
der Terracotten-Technik liegt.
Hamburg. Ludwig Gurlitt.
2) Diese hat in der Lithographie leider einige Einbusse er-
litten.
LAOKOON
EIN VASENBILD.
189
Der Kantbaros des britischen Museums im Stile
des Epigenes, dessen Bild diesen Zeilen vorgedruckt
ist, wurde bereits zweimal publieirt, von Raoul-
Kocbette Mon. ined. pl. 40 und Pauofka Cab. Pour-
iales pl. 7.
Die Exegese dieser Herausgeber ist wunderlich
genug. Die eine Seite, welche, man sollte meinen
unverkennbar, die Bestrafung Ixions vorstellt, wurde
von beiden auf Orestes bezogen, und zwar einmal
als Orestes vor Iphigenie, das andere Mal als Orestes
vor der „Justiz", und es blieb Klügmann vorbe-
halten, die richtige Deutung auszusprechen'). Die
Erklärung der andern Seite als Ermordung des
Neoptolemos durch Orestes wurde von Robert mit
Kecht als gleich verfehlt bezeichnet, dessen Versuch
jedoch, etwas Positives an die Stelle zu setzen, nicht
gerade glücklich genannt werden kann*).
Gehen wir ohne Weiteres an die Betrachtung
des Bildes selbst. Was sehen wir? Einen Mann
von einer Schlange umringelt, wie hülfesuchend auf
einen Altar geflüchtet. Er schwingt in der K.
ein Schwert, dessen Scheide seine L. hält, ver-
gebens gegen das Unthier, das schon mit Blitzes-
schnelle aus dem Bereich seines Armes heraus auf
seinen Leib geglitten, ihm eben den tödtlichen Bisa
versetzt^). Neben ihm sinkt das erste Opfer der
Schlange, ein Jüngling, mit geschlossenen Augen in
') Nuove Memorie delV instiluto p. 388.
2) Thanatos S. 43.
') Auf der Vase selbst sieht man, was die Publicationen
anzugeben unterliessen, von der Stelle, wo der Rachen des Thie-
res ansetzt, zwei Streifen Blut herunterrieselu.
die Arme des Todes ^). Thanatos, dies ist gewiss
der richtige Name der Flügelfigur, beugt sich über
ihn und fasst seine Beute. Zu spät eilt von der
andern Seite durch den heiligen Hain, den ein Oel-
baum bezeichnet, eine fürstliche Gestalt, das Skep-
tron in der einen Hand, in der andern einen eben
aufgerafften Stein nach dem Unthier schleudernd.
Den Lesern dieser Zeitung ist erst vor Kurzem
an besonders hervorragender Stelle ins Gedächtniss
zurückgerufen worden, dass nach der älteren Fas-
sung der Laokoonsage in den Untergang des Vaters
nur einer seiner Söhne mitverstrickt wird. Das ist
die Lösung auch für unser Bild, und es bleibt
nur übrig, einen Namen für den Herbeieilenden
zu finden. Ich denke es ist Anchises, Laokoons
Bruder. Und wer Tioch an einem allerdings auf-
fallenden Nebenumstande, der Schwertscheide in
der Hand des Priesters, Anstoss nehmen sollte, den
mögen Stellen wie Euripides Iphigenie in Aulis
15G5 und Hekabe 543 überzeugen ^). Und gerade
in diesem Umstände liegt die Wahl des Momentes
noch schärfer ausgeprägt. Unser Meister stimmt
darin zwar nicht mit dem pompejanischen Wand-
*) Die Form der Wunde lässt keinen Zweifel, liass sie vom
Biss der Schlange herrühre und nicht etwa vom Schwert in der
Hand des Mannes. Im letzten Falle würde der frische rothe
Strich nicht fehlen dürfen.
*) Kti^xas <r ö fiävTis ii xnvövv XQvarikajov
lUrjxiv dfir ;feipl tfäayavoi' anaoa;
xoXnJiv iatüStv
und
fjr ü^ifCxQvaov (fctayavov x(ünr)i laßiav
tittlxt xoltov.
190
A. Michhöfer, Sculpturen von Tegea.
decorateur, doch mit Agesaudros und Athcuodoros
überein. Nocli sind die Vorbereitungen zum Opfer
für Poseidon nicbt im Gange, priesterlicbe Gewän-
der nicht angethan, Opfergeräth und Opfertbier nicbt
herbeigeführt, da vollzieht ein anderer gekränkter
Gott sich selbst sein eigenes Opfer. Der Grund die-
ser Uebereinstimmung kann hier, wo jedes directe
Abhängigkeitsverbältniss ausgeschlossen ist und auch
kein gemeinsames Kunstgesetz dem Maler verwehrt,
was den Bildbauern versagt blieb, nur in der sie
alle inspirirenden sophokleischen Tragödie zu suchen
sein. Wie sehr ihr Geist unser Gefäss erfüllt, das
zeigt am besten die Gegenüberstellung Ixion und
Laokoon. Sie weist uns gebieterisch, die Schuld
Laokoous dort zu suchen, wo Sophokles, der ja
auch einen Ixion gedichtet, und nicbt die spätere
uns geläufigere Sage sie sab '*). Ixion wie Laokoon,
beide haben gefrevelt, von brünstiger Begier nach
einem Weibe getrieben, gegen beide hat die Liebe
der Gottheit sich in strafenden Hass verwandelt.
Vom Geiste des Dramas leiht unser herrlicher
Kantharos seinen höchsten Werth. Sein Maler war
eben, das zeigt der Stil klar genug, des Dichters
Zeitgenosse.
London, Nov. 1880. Wilhelm Klein.
6) Welker, gr. Trag., S. 151.
MISCELLEN.
zu DEN SCULPTUREN VON TEGEA.
Da eine rasche Verständigung der Betheiligten
über wichtige, bisher nur dem Urtbeile Weniger zu-
gängliche Thatsacben stets im allgemeinen Interesse
liegt, so halte ich es nicht für überflüssig, mich offen
zur Ansicht derer zu bekennen, welche in den von
mir im Hause Kotzaridis zu Piali vorgefundenen und
Mittb. des deutsch, arch. Inst. IV, S. 133 f. unter
Nr. 24 — 26 beschriebenen Köpfen Eeste der Gie-
belfiguren vom Athenatempel des Skopas er-
blicken.
Ich gewann diese Ueberzeugung auf einem er-
neuten Besuche, den ich Tegea im Sommer 1880
abstattete. Eine in den athenischen Mittheilungen
zu veröffentlichende Notiz war druckfertig, als in
dieser Zeitung (oben S. 98 ff.) der Bericht von Treu
erschien, während Kavvadias in einem Artikel
des Bullet, d. Inst. 1880, S. 199 ff. seine Priorität
wahren zu müssen glaubte. Ich kann hinzufügen,
dass sich im Frühjahr 1880 Prof. W. Gurlitt
hinsichtlich der beiden männlichen Köpfe im glei-
chen Sinne geäussert hatte und sich dabei von einer
früheren Peise her eines dritten, seitdem verscholle-
nen Kopfes von gleichem Stilcharakter erinnerte').
Damit könnte die Sache, bis Abbildungen und
') Furtwängler hält es jetzt nach persönlicher Mittheilung
für wahrscheinlich, dass der in zwei Theile gespaltene und auf
beiden Gesichtsteitcn ungleich behandelte Kolossalkopf, den er
und Löschcke 1878 im Privatbesitz zu Tripolis sahen (vgl.
meinen Antikenbericht, Mitth. IV, S. 145, n. 4), ebenfalls den
Tempelskulpturcn angchürt habe.
Gipsabgüsse vorliegen, als erledigt gelten, wenn
nicht doch noch einige sachliche Punkte festzustellen
blieben, und wenn nicbt der vorwurfsvolle Ton in
Treu's Referat einige Bemerkungen in eigener Sache
entschuldigte.
Wer die mysteriösen Vorkehrungen kennt, unter
denen der Reisende in griechischem Privatbesitze
versteckte Alterthümer zu sehen bekommt, und wer
sich erinnert, wie wenig massgebend oft der erste
Eindruck selbst unter günstigeren Verhältnissen zu
sein pflegt, wird an Pionierarbeiten dieser Art,
wie „Antikenberichte aus dem Peloponnes", einen
anderen Massstab der Beurtheilung legen, als an
ausgeführte Museumskataloge. Als ich im Jahre
1878 jene drei Köpfe mit Schmutz und Schimmel
bedeckt in dem dunkeln Keller bei Kotzaridis vor-
fand, blieb mir dort weit weniger Zeit zur Betrach-
tung übrig, als z. B. Treu, der doch bereits ahnte,
was er sehen würde, in dem kleinen Museum von
Piali ').
In sachlicher Hinsicht bleibt mir Folgendes nach-
zutragen :
1. Nicht nur der Kopf Nr. 25, sondern auch Nr. 24
zeigt jene durch die Aufstellung im Giebel ver-
anlasste Abplattung des Schädels, was Treu eben-
falls entgangen ist.
2. Die beiden Löcher am Eberkopf unter der
-) Während der Untersuchungsgrabung am Tempel im Jalire
1879 hatte ich triftige Gründe, die in ihrem Versteck gebliebe-
nen Köiife nicht wieder aufzusuchen.
A. Furtwängler, Gefälschte Vase.
191
rechten Seite des Maiiles stammeu doch offenbar
von den eingesetzten Brouzespitzen der Geschosse
her, nicht von EisendUbein zur Befestigung an der
Giebelfläche. Der Eber war somit, was für die
Composition ebenso wichtig als auffallend ist, nach
rechts gewandt (die beiden übrigen Köpfe nach
links).
3. Das Material der Skulpturen stammt, wie
schon Treu hervorgehoben hat, aus den benach-
barten Brüchen von Dolianä, nicht aus Faros, wie
Kavvadias behauptet.
4. Dagegen ist der bei Palaeo-Episkopi gefundene
Arm wirklich aus parischem Marmor gefertigt. Schon
deshalb müssen wir seine Zugehörigkeit jetzt in
Abrede stellen.
5. Der Fundort der drei Köpfe ist zwar nicht
auf dem Grundstück Kotzaridis zu suchen, aber
auch nicht in weiter Entfernung. Sie stammen aus
späten Mauerresten, welche K. als Mitglied der
Kirchenbehörde, um Material für den neuen Glocken-
thurni zu gewinnen, aufgedeckt und aufgelöst hatte.
Berlin. Arthur Milchhöfer.
GEFÄLSCHTE VASE.
Aus der Reihe der Vasen, die völlig überein-
stimmende Wiederholungen anderer sind, ist ein
Beispiel, das bisher unter die wichtigsten gezählt
werden durfte, zu streichen. Die ehemals Witt-
genstein'sche, jetzt in Dresden befindliche Replik
eines herrlichen Aryballos des Britischen Museums,
die von 0. Jahn (Vasen mit Goldschmuck, Taf.
II, 3. 4) zuerst bekannt gemacht und ausführlich
besprochen wurde , ist gefälscht. Allerdings hat
Jahn das Gefäss erst allein und darauf „gemein-
sam mit kundigen Freunden genau geprüft" und
nach ihm könnte „an der Echtheit gar kein Zwei-
fel sein" (S. 8). Gleichwohl erkennt der geschärf-
tere Blick der Jetztzeit sofort, dass es ein zwar
geschicktes , doch zweifellos modernes Product ist,
hervorgegangen aus dem Atelier eines Neapolitaner
Händlers. Die völlig unautike Technik giebt hier-
für den unzweideutigsten Beweis; das Gelbroth der
Figuren ist nicht das des Thones, sondern eine auf-
gesetzte Schicht '). Aber schon beim genaueren Be-
trachten der Publication bei Jahn wird Niemandem
die hässliche Stillosigkeit entgehen, welche die
') Indess ganz verschieden von der nicht seltnen antiken
Technik der mit thonrother Farbe auf schwarzem Firnissgrund
bemalten Gefiisse.
moderne Copie in der Zeichnung aller Figuren,
besonders der Köpfe, im Vergleiche zum Originale
zeigt. Der Fälscher war übrigens an unteritalische
Vasen gewöhnt. Nicht nur die Form und Orna-
mentik seines Productes entbehrt all der attischen
Feinheiten des Originals"), sondern auch in die
figürliche Composition mischte er Gewohnheiten
apulischer Vasen ein. Die auf dem Originale ver-
goldeten Theile giebt demnach der Fälscher mit
dem gewöhnlichen Weiss, auf welches Gelb gesetzt
ist'); ebenso bemalt er einen Theil der Zweige und
und Kränze. Statt ferner die Eudaimonia auf einem
Felsen ruhen zu lassen, malt er unter ihren Sitz
nach apulischem Brauche eine Reihe weisser Punkte.
Die Haare endlich vermochte er nicht in der feinen
attischen Weise des Originals durch einzelne ge-
wellte Pinselstriche zu geben, sondern pinselte es
voll aus. Die Inschriften gab er sehr iucorrect
wieder. A. Furtwängler.
-) Ob indess antike Theile, etwa Mündung und Fuss, zu
dem Gefässe benutzt wurden, konnte ich bei meiner Anwesen-
heit in Dresden nicht constatiren.
') Die Vergoldung der Armbänder, die Jahn's Publication
angiebt, ist auf dem Gefiisse weder jetzt noch früher vorhanden
gewesen.
ZU N. 193 DER INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA.
Durch eine von Th. HomoUe auf der Agora von
Delos gefundene Statuenbasis mit der Inschrift (Bul-
leliti de Corr. Hellen. IV p. 325 f.): n'i tr^aiiüiai tov
vavagxov Kal^ixgäiJjv Bdiaxov ^äftiov ävi&Tjuav,
die von dem jetzt erst durch delische Funde als
politische Conföderation der Inseln des ägeischen
Meeres unter dem Schutz der Lagiden genauer be-
kannt gewordenen xoivov züv vrjaionwv herrührt,
192
R. Weil. Inschrift 193 aus Olympia.
hat sich als Dedieant in den beiden Inschriften aus
Olympia Archäol. Zeitg. 1878 S. 174, 1879 S. 143
und 211 des Ptolemaeos Philadelphos Admiial Kal-
likiates ergeben, so das»; auf der Basis der Arsinoe
zu ergänzen ist Ka}.XixQ(iTT][s Boiaxov] Hä^iog, auf
der des Philadelphos Kakltx[Q](itTjg [Boiax]ov 2ä-
[Utog]. Wenn die delische Inschrift einen etwas
jüngeren Schriftcharakter trägt als die elische, kann
dies von der Identificirung der betreffenden Persön-
lichkeit nicht ablialten, indem auf den Kykladen
unter kleinasiatischcm Einfluss die jüngeren Schrift-
formen zeitiger auftreten als auf dem Festland.
Wie HomoUe bereits gesehen, ist der in der olym-
pischen und delischen Inschrift erwähnte Kallikrates
nicht verschieden von dem Nauarchen dieses Ka-
mens, dessen in zwei Epigrammen des Posidipp
gedacht wird, bei Athen. VII p. 318Z> und in dem
neuerdings von Heinr. Weil publicirten, Monuments
grecs 1879 p. 28£f. (wiederholt von H. Blass, Eliein.
Museum 1880 S. 91 f.); beide beziehen sich auf das
von Kallikrates erbaute Heiligthum der Aphrodite
Arsinoe (Strabo p. 800) auf dem Zephyrion an der
Kanopischen Nilmündung. Leider giebt die delische
Inschrift keinen Aufschluss über des Kallikrates
weitere Thätigkeit. Doch wird man den Anlass
zur Errichtung der beiden Marmorsäulen mit den
Statuen des Ptolemaeos Philadelphos und seiner
Gemahlin Arsinoe in den Ereignissen bis zum chre-
monideischen Krieg' oder gar in der Verbindung
von Elis mit der Partei des Arcus suchen müssen.
Von letzterem waren zwei Statuen in der Altis,
eine welche den König zu Pferd darstellte, im Süd-
osten des heiligen Bezirks von den Eleern errichtet
(Paus. VI, 12, 5), eine andere im Süden des Zeus-
tempels in der Nähe der Statuen des Demetrios
und Antigonos erwähnt (Paus. VI, 15, 9). Zu den
beiden Inschriften n. 195 und 19G, von Statuen her-
rührend, welche ein Ptolemaeos, unter dem hier
nur Ptolemaeos (III) Euergetes verstanden werden
kann, für spartanische Könige hat errichten lassen,
scheint sich bei den Ausgrabungen keine Ergän-
zung gefunden zu haben.
E. Weil.
NACHTRAG zu S. 22 f.
Da ich die Erfahrung gemacht habe, dass meine
oben S. 22 vorgetragene Erklärung der Plinianischen
Beschreibung des Apollon von Kanachos (h. n. 34,
75) Unklarheit und Zweifel Hess, welche durch eine
Zeichnung sofort beseitigt ^vurde, so erlaube ich mir
das Versäumniss nachholend eine Zeichnung mitzu-
theilen, so gut ich sie zu geben vermag, und zur
Erläuterung derselben folgendes zu bemerken:
H stellt im Durchschnitt, wie alles Uebrige, die
innere Handfläche dar, die wirkliche Form nur an-
deutend. In ihr sind x y die Scheiden, in welche
a und b der dens verlebratus des vorderen und hin-
teren Fusspaares eingriff und zwar allerno morsu,
wie hier gezeichnet ist, wenn man das von Plinius
beschriebene Experiment des unter den Füssen
durchgezogenen Fadens machte. Mit c habe ich das
Centrum der Kreise bezeiciinet, aus welchen die
äusseren und inneren Umrisse der Zähne a b Seg-
mente sind; mit C das Centrum für die entsprechen-
den Kreise von x y. Man wird sich so leicht über-
zeugen können, dass in gleicher Weise wie b auch
a ausgreifen kann; dass aber auch beide zugleich
eingreifen können, wie es der gewöhnliche Ruhe-
stand erforderte; dass endlich nicht a b gleichzeitig
herausgezogen werden können, weil der Abstand
ihrer Spitzen geringer als der Abstand der Schei-
dcn-Oefifnungen, und dass bei dem Versuch, auch
den zweiten Zahn nach dem ersten herauszuziehen,
letzterer nothwendig wieder in seine Scheide zu-
rückkehrt.
Es genügt, die Möglichkeit des Experiments
überhaupt dargethan zu haben. Denn natürlich fällt
mir niclit ein, zu behaupten, dass die Construction
genau die eben beschriebene gewesen sei, da es
mehrere Möglichkeiten giebt. Es wäre z. B. mög-
lich, dass an jedem der vier Füsse ein Zahn an-
gebracht war: dann bedurfte es nicht der Scheide,
um die Bewegung der dentes beim Aus- und Ein-
greifen in eine bestimmte Richtung zu zwängen,
und auch bei einem einfachen Zahn je vorn und
hinten war die Scheide entbehrlich bei viereckigem
Schnitt des Zahnes wie der Oefifuung, in welciie er
einfassen sollte, da so eine seitliche Drehung des
halb herausgezogenen Hirsches um die Axe des
E. Petersen, Nachtrag zu S. 22 f.
193
anderen Fusses verhindert war, und bei accurater
Arbeit doch auch bei noch so grosser Dlinnheit
des Erzes der Ausschnitt die Kichtung des Zahnes
bestimmte.
Um einzusehen, dass der in eine Scheide oder
auch in einen einfachen Ausschnitt eingreifende
Zahn dens vertehratus genannt werden konnte, ver-
weise ich auf Haricss' Lehrbuch der plastischen
Anatomie V S. 163, Fig. 134, wo der Durchschnitt
zweier Halswirbel, vertebrae, ein analoges Eingreifen
derselben in einander zeigt. Viel schlagender noch
ist der Vergleich von S. 156, Fig. 127 und S. 157,
Fig. 128, wo das eine Mal ineinander, das andere
Mal auseinander gezeichnet sind die obersten ver-
tebrae des Halses, deren zweiter der episiropheus in
den atlas mit einem Zapfen eingreift, welcher sogar
den Namen processus odonloideus führt.
Prag.
Eugen Petersen.
BERICHTE.
SITZUNGSBERICHTE.
Archäologische Gesellschaft in Berlin.
Sitzung vom 2. November 1880. Der Vor-
sitzende Herr Curtius legte von eingegangenen
Schriften vor: W. Klein, über die parisch -atti-
sche Bildhauerschule; K. Schneider, die Geburt
der Athene; K. Lange, die Composition des
Frieses von Phigalia; Kordela, über die Wasser-
bauten von Alt-Atlicn ; besonders aufmerksam machte
er auf den ersten Jahresbericht des neu gegründe-
ten archäologischen Instituts von America
und das Programm der englischen Gesellschaft für
Förderung der hellenischen Studien. Eingesandt
sind ausserdem: Friedr. Wieseler, Festrede zur
academischen Preisvertheilung in GGttingen über
den Hermes des Praxiteles; 0 verbeck, Aualecten
zur Kritik und Erklärung der Parthenonskulpturen;
Guido Hauck, die Stellung der Mathematik zur
Kunst und Wissenschaft; Ad. Michaelis, ein
neues Handbuch der Archäologie (von C. B. Stark);
J. J. Bachofen, Antiquarische Briefe, vornehmlich
zur Kenntniss der ältesten Verwandtschaftsbegriffe ;
^Iwtti'vriq Ilavzat,idrjg negi Trjg XaQvaxog xnv Kv-
xpilov. — Darauf besprach Herr Dr. L. Gurlitt eiu
neu entdecktes Kriegerrelief aus Karnösi, dem
alten Kleitor in Arcadien, und legte davon eine
von ihm nach dem Originale genommene Zeichnung
vor. Die Haltung des Kriegers erklärte er für die
des Gebetes und wies das Bildwerk in die Blüthe-
zeit des achäischen Bundes, jedenfalls nach 207
V. Chr. Derselbe behandelte unter Vorlage von
Photographien drei Reliefs aus Patras mit der
Darstellung von Amazonenkämpfen, getreuen
Copien aus dem Friese von Phigalia. — Herr
Curtius legte zahlreiche Photographien nach den
neuesten Funden in Pomp ei und nach dem merk-
würdigen Friese vor, der jetzt im Musco Tibe-
riuo ausgestellt ist, wobei Herr Br uns über einige
der dargestellten Gerichtsscenen sprach. — Daran
schloss sich ein Vortrag des Herrn Curtius über
die seit einem halben Jahre im hiesigen Antiqua-
rium befindliche Bronzetafel mit dem De er et der
Anisener, welche im Original und von Herrn
Behrens ergänzt in einem Gipsmodelle vorlag, und
besonders eine Untersuchung über die Verwendung
von stützenden und tragenden Figuren, wie
solche an dieser Inschriftplatte angebracht sind,
innerhalb der antiken Kunst.
CHRONIK DER WINCKELMANNSFESTE.
Athen. Das Institut in Athen eröffnete seine
diesjährigen Sitzungen am 9. December, dem Ge-
burtstage Winckelmanns, mit einem Vortrage des
ArchSolog. Ztg., Jahrgang XXXVIU.
Herrn Professor Köhler über die pergameni-
schen Funde.
194
Chronik der Wiuckelmannsfeste.
Rom, 10. Deeember. Herr Henzen eröffnete die
Sitzung mit der Erinnerung an den jüngst verstor-
benen Collegen Adolf Klügmann. — Hieraufsprach
Herr Dresse 1 über ein vor kurzem in Rom gefun-
denes und in seinem Besitz befindliches Gefäss mit
altlateiuischer Inschrift von 128 linksläufig ein-
geritzten Buchstaben. Neben den spitzv^inkligen
Zügen ist von Bedeutung besonders das sonst nicht
gemeingebräuchliche fUnfschenklige m und die Form
des r, welches hier dem griechischen P gleich er-
scheint. Nimmt man das Vorkommen der früh auf-
gegebenen Buchstaben k und a hinzu und die noch
nicht durchgeführte Differenzierung des c und g, so
darf man diese Inschrift als das älteste Denkmal
lateinischer Epigraphik bezeichnen. Sie zerfällt in
zwei Theile, ist in saturnischem Rhythmus abgefasst
(nach Bücheier) und meldet, dass D venös das Ge-
fäss für einen Verstorbenen machte, dem es am
novendiale sacrum aufgestellt werden sollte. Dvenos
ist entweder Name des Töpfers oder auch allgemein
als „frommer, guter" aufzufassen; das letztere zieht
der Vortragende vor. Der zweite Theil der In-
schrift enthält religiöse Satzungen, in denen D. das
beim sacrum novendiale und der Weihuug des Ge-
fässes selbst zu beobachtende Ritual erkennen
möchte. Zu Gunsten des Verstorbenen wird das
Gefäss Jupiter und Saturn dargereicht und der Ops
Toitesia ein besonderes Opfer gebracht. Seine in
schroffer Gesetzessprache abgefassten Satzungen
verbieten die Theilnahme einer Jungfrau bei dem
Act der Darbringung, während deren Gegenwart
am Altar der Ops für nothwendig erklärt wird. —
Saturn und Ops stehen mit dem Todten in naher
Verbindung, nicht so Jupiter, wenigstens nicht in
dem italischen Cult. Seine Erwähnung neben Sa-
turnus und Ops erkläre sich nur durch griechischen
Einfluss, unter dem Ops mit Rhea (der Mutter des
Zeus), Saturn mit Kronos identificirt wurde. Diese
Combination müsse aber schon früh geschehen sein,
da die Inschrift — in der jetzigen Gestalt etwa 350
V. Chr. aufgeschrieben — offenbar auf ein äl-
teres Original zurückgehe. — Herr Hei big sprach
über die homerischen Waffen. Die AVaffen der
klassischen Zeit, besonders Helm und Panzer, sind
erst in verhältnis.smässig später Zeit entstanden.
Auf den Denkmälern, die vor die griechische Blüthe-
zeit fallen, ist das klassische Bildungsprincip noch
niclit zur Keife gekommen, vielmehr erscheinen die
auf ihnen dargestellten Waffen, verglichen mit den
Körpern, von denen sie getragen werden, unorga-
nisch und schwerfällig. Aehnlich hat man sich die
homerischen Waffen zu denken, die durch die
ältesten Vasenbikler veranschaulicht werden. — Es
folgte die Besprechung der einzelnen Waffenstücke.
Der homerische Helm bedeckte Stirn und Schläfe
und lief auf beiden Seiten in Bronzeplatten aus,
welche die Wangen bedeckten und in denen sich
Löcher für die Augen befanden. Da das Epos vom
Aufschlagen der Backenschirme schweigt, so waren
wohl Kappe und Backenschirme aus einem Stück
gearbeitet, wie es bei den ältesten erhaltenen
griechischen Helmen der Fall ist. Die Bedeckung
des Gesichts durch den Helm ging so weit, dass
sich die Helden in der Schlacht nur an der Be-
waffnung erkennen. Nach der verschiedenen Aus-
stattung der Helmkappe lassen sich die homerischen
Helme in zwei Gattungen theilen. Bei der einen
war die Kappe von einem bronzenen Bügel {<pdlog)
tiberzogen, der vom Hinterkopfe bis auf die Stirn
herabreichte und auf dem der Busch befestigt war.
Der a/.Kpifpa'kos hatte zwei parallele Bügel. Bei der
andern Gattung ward der Busch von einem hohen
dünnen Metallrohr getragen ; darauf beziehen sich die
Worte ÖELvdv de l6q>og xad-vnsQd-ev evevev. Die cpä-
Xaqa sind die Büschel, die auf den Seiten der
Kappe aus der Bronze herausgetrieben oder auf-
genietet waren. Der Panzer war unförmlich weit
und Hess dem Körper freien Spielraum. Der runde
Schild hatte beinahe die Höhe des Kriegers. Weil
zur Handhabe dieser kolossalen Scheibe die beiden
inneren Bügel nicht genügten, so gab man ihm
einen Stützpunkt durch einen Riemen {xEXafnäv)^
der an den beiden Endpunkten des horizontalen
Durchmessers befestigt war und sich au der rech-
ten Weiche des Kriegers kreuzend über der linken
Schulter getragen wurde. Schliesslich entwickelte
der Vortragende, wie die schwerfallige Rüstung die
Kampfweise der homerischen Epoche beeinflusste.
— Die Bibliotheksverwaltung ist Herrn Mau provi-
sorisch übertragen.
Berlin, 8. Deeember. Der Vorsitzende der
archäologischen Gesellschaft, Herr Curtius, er-
öffnete die 40. Winckelmannsfeier mit einem Nach-
rufe an die der Gesellchaft im Laufe des verflossenen
Jahres durch den Tod entrissenen Mitglieder: den
Bildhauer Gilly, den Privatdocenten Dr. Heller,
den Geh. Leg.-Rath von Jasmuud, den Pro-
fessor Dr. Nitzsch und den Oberhofbaurath Strack,
der zu dem engsten Kreise derer gehörte, welche
die Gesellschaft ins Leben gerufen und lebendig
erhalten haben, ein Mann, in dem wissenschaftliche
Chronik der Winckelmannsfeste.
195
Forsclmng und künstlerisches Schaffen harmonisch
vereint waren. Aus seinem Nachlass waren z. Th.
farbig ausgeführte Zeichnungen ausgestellt, auf das
Löwenthor, das Dionysostheater, Olympia, das pla-
täische Denkmal u. A. bezüglich. — Ausserdem
waren ein umfassender Plan der Altis und Um-
gebung, den Herr Kaupert nach seiner im Frühjahr
veranstalteten Aufnahme entworfen hatte, und eine
vom Bildhauer Herrn Walcher modellirte Relief-
karte von Athen ausgestellt. Als Festprogramm
gelangte eine Schrift von A. Furtwäugler „Der
Satyr aus Pergamon" zur Vertheilung. Eingesandt
war die Schrift Ziuzow's über Eros und Psyche.
Die Vorträge begannen mit einem der Gesellschaft
gewidmeten Berichte von Karl Humann aus
Smyrna, worin derselbe eine von Plänen und An-
sichten begleitete Schilderung von Forschungen gab,
welche er im Sipylos angestellt hat, eine Be-
zeichnung, die auf das Gebirge Manissa-dagh bei
Magnesia zu beschränken sei. Humann fand hier
in den Fels gemeisselte uralte Bauten; in 350 M.
Seehöhe war ein Prisma von 1,65 M. Länge, 1,30
M. Tiefe, 1,20 M. Höhe mit horizontaler Grund-
fläche aus dem Stein herausgearbeitet, ein Raum,
gerade gross genug, um einen Thronsessel aufzu-
stellen, so dass die Oertlichkeit auf die Burg des
Tantalos und den Thron des Pelops passt; der
letztere liegt, wie Pausanias 5, 13, 7 beschreibt,
oberhalb des berühmten Felsbildes am Sipylos. —
Hierauf besprach Herr Dr. Milch höf er, welcher als
Gast anwesend war, die korinthischen Thon-
täfelchen des kgl. Museums, über deren Fund-
stätte er an Ort und Stelle Ermittelungen vorge-
nommen hatte. Danach waren dieselben in einem
heiligen Haine des Poseidon , dessen Figur sie in
mannigfachen Variationen wiederholen, an Bäumen
aufgehängt. Die übrigen Darstellungen geben von
dem hoch entwickelten Culturleben Korinths im
siebenten und sechsten vorchristlichen Jahrhundert
ein reiches Bild. Ausser Jagd, Viehzucht und Land-
bau sind Krieg, Scliifffahrt und Gymnastik ver-
treten. Besonders lehrreich sind die Scenen in-
dustrieller Thätigkeit: des Bergbaues, der Metall-
schmelze, der Gefässfabrikation. Auch diese stehen
in engster Beziehung zum Lokal; denn eben hier
findet sich die weisse Töpfererde, und Bergwerks-
schachte sind in unmittelbarer Nähe nachzuweisen.
Auch mythologische Scenen sind dargestellt; zahl-
reiche Inscliriften im ältesten Alphabet erhöhen den
Werth dieser korinthischen Funde. — Herr Robert
deutete das ^1«». d. Insl. 1878 tav. d'agg. C publi-
cirte ruveser Vasenbild auf den Mythos von Orion,
Eos und Artemis (Apollodor I, 4, 3. Hygin astrol.
II, 34.) — Herr Mommsen behandelte eine in
Venedig wieder zum Vorschein gekommene latei-
nische Grabinschrift, welche, bisher für unecht
gehalten, nun als zweifellos echt sich herausgestellt
hat. Sie stammt vermuthlich aus der syrischen
Kolonie Berytos (Beirut). Das Hauptinteresse der
Inschrift besteht darin, dass der vornehme Bery-
tenser, dem sie angehört, als Kriegstribun in die
Armee des in dem Lucasevangelium genannten
römischen Statthalters von Syrien Quirinius eintrat
und als solcher die Schätzung der Stadtgemeinde
Apamea am Orontes vornahm. Die Bevölkerungs-
ziffer von 117,000 Stadtbürgern ist wohl die ein-
zige aus dem Alterthum überlieferte einer der-
artigen Mittelstadt. Die Schätzung der Gemeinde
Apamea wird derjenigen von Palästina gleichartig
gewesen sein. — Herr Kaupert sprach im An-
schluss an seine Wandkarte von Olympia über
die Lage und die natürliche Beschaffenheit des
alten Festortes und seiner Umgebung, sowie über
die Veränderungen, welche derselbe im Laufe der
Zeit durch Abschwemmung der Berge, durch Erd-
beben und Wassergewalt erlitten hat. Im An-
schluss daran wies Herr Curtius auf eine der
letzten Entdeckungen im Westen der Altis hin, auf
den alten Rundbau, auf welchem ein Aschenaltar
in situ gefunden wurde, der durch aufgemalte In-
schriften und Kränze als ein Heroeualtar gekenn-
zeichnet wird und auf die in Olj^mpia verehrten
Heroen der Mantik bezogen wurde.
Bonn. An der vom Verein von Alterthums-
freunden veranstalteten Winckelmannsfeier sprach
Herr Prof. Woermann aus Düsseldorf über die Ge-
schichte der ehemaligen Düsseldorfer Gemälde-
galerie, indem er von der Errichtung des 1710
vollendeten Galeriegebäudes, von der Bedeutung und
den Schicksalen der Sammlung bis zu ihrer Ent-
fernung aus Düsseldorf handelte und zum Schlüsse
darlegte, wohin die Sammlung in Baiern verstreut
worden ist, wo sich die Galerien von München,
Sclileisshcim, Augsburg, Würzburg u. A. in dieselbe
getheilt haben. Der Redner widerlegte die Be-
hauptung, als seien Bilder der Sammlung als
Geschenk Maximilian Joseph's von Baiern an Na-
poleon I. nach Paris gekommen; vielmehr habe
wahrscheinlich kein Bild Baiern wieder verlassen.
In Düsseldorf aber seien nur zwei Bilder der Ga-
lerie geblieben: Rubens herrliche Himmelfahrt
196
Chronik der Winckelmannsfeste.
Maria und Job. van Winglien's Delila: jenes, weil
es zu gross war, um transportirt zu werden, dieses
wahrscheinlich, weil man es nicht für modern genug-
hielt. — Herr Dr. Lamprecht sprach unter Vor-
lage von Abbildungen, welche der Verein zu die-
sem Zwecke hatte anfertigen lassen, über zwei
Meisterwerke Rheinischer Miniatur-Malerei
des 10. Jahrhunderts. Der Redner ging von der spä-
teren Karolingischeu Miniaturmalerei aus und zeigte,
wie die Schicksale derselben sich eng mit dem
letzten Aufschwung und dem jähen Verfall des
Herrscherhauses verknüpften, bei dessen Ausgang
sie Schutz und Fortpflanzung im Rheinlande, in
St. Gallen, Reichenau und dem linken Uferland des
Mittelrheins, fand. Hier war es besonders Reichenau,
in welchem unter dem starken Einfluss antiker
Reminiscenzen die Miniaturkuust eine neue Blüthe
zeitigte. Zeuge davon ist der Codex Egberti^ ein
Lectionar, aus den 70er Jahren des 10. Jahrh. her-
rührend, das sich jetzt in der Trierer Stadtbibliothek
befindet. Starken byzantinischen Einfluss hat man
in der Miniaturmalerei der Moselgegenden dieser
Zeit finden wollen, namentlich in den Bildern des
Echternacher Evangeliars, welches wahrscheinlich
in Trier in den Jahren 983 — 92 entstanden ist,
jetzt in Gotha. Dem gegenüber suchte der Redner
darzuthun, dass diese Bilder rein deutschen Cha-
rakter zeigen, u. A. wegen der Identität der Com-
positionen mit dem Codex Egberti.
Frankfurt a. M. Die diesjährige Winckelmanns-
feier fand am 9. December unter sehr starker Be-
theiligung statt. Von Seiten des Alterthumsvereins
sprach Herr Dr. Hammerau über die aus der
Vermischung der römischen und germani-
schen Cultur herrührenden Relicte der ersteren.
die besonders in der Sprache noch sehr zahlreich
seien. Es lägen Untersuchungen von Dilthey,
Moue und Vilmar vor; allein es müssten noch wei-
ter namentlicli die althochdeutschen Sprachdenk-
mäler nacli dieser Richtung hin durchforscht wer-
den. Besonders biete Otfried, aber auch der Heliand
und selbst der angelsächsische Beowulf eine reiche
Quelle, ebenso die mittelalterlichen Urkunden, so-
wie die Eigennamen. Redner gab eine reiche
Fülle von Beispielen, die er nach bestimmten
Gesichtspunkten zusammengestellt hat. Von beson-
derem Interesse waren die mundartlichen Aus-
drücke, welche wie in dem schwäbischen Merkt von
mercatus neben dem schriftdeutschen Markt den
Ursprung noch treuer festgehalten haben. — Von
Seiten des historischen Vereins sprach Herr Dr. V.
Valentin über eine Maler-Akademie im vori-
gen Jahrhundert zu Frankfurt a. M. Er zeigte
an der Hand der im städtischen Archiv befindlichen
Akten, wie eine solche Anstalt von den Kunst-
malern im Gegensatz zu den zünftigen Meistern
unter der Führung des tüchtigen Malers Christian
Schütz versuelit, dann von dem Maler und Kupfer-
stecher Coentgen durchgeführt worden sei. Er
knüpfte hieran Bemei-kungen über das Akademiei
wesen des vorigen Jahrhunderts und die ihr ent-
gegengetretene Strömung, aus welcher sich die Neu-
gestaltung der deutschen Malerei entwickelte und
unter deren Vorkämpfern Winckelmann in erster
Reihe steht.
Emden. Wie in früheren Jahren hielt die hie-
sige Gesellschaft für bildende Kunst und vater-
ländische Alterthümer auch am letzten Winckel-
maunstage eine Sitzung ab, in welcher Herr Dr.
Kohlmann die pergamenischen Funde erläuterte.
Berichtigungen.
Seite 38 Sp. 1 Z. 5. 6 lies i^cofioloyi^adfiTjv.
- 89 - - - 8u. 14 - Sinterstreifen.
-2-17 - Scheinfugen.
Tafel 11 ist durch Versehen des Schriftlithogra-
phen als Lithographie bezeichnet. Es ist Lichtdruck
nach einer Zeichnung des Herrn Martin Körte.
Register.
197
Erklärung.
Der oben S. 163 veröffentliclitcn „Berichtigung"
des Herrn Professor Overbeck gegenüber halte ich
meinen S. 105 f. im Auszuge mitgetheilten Bericht
in seinem vollen Umfange aufreclit und stelle hier-
mit in Abrede, dass mir in London irgend eine
die Zugehörigkeit der beiden Pferdeköpfe zum Po-
seidongespann betreffende Entdeckung mitgetheilt
worden. Auch konnte bei der Art, wie Herr Over-
beck damals meine Beobachtungen entgegennahm,
mir der Gedanke nicht kommen, dass eine solche
Entdeckung bereits vorangegangen sein könnte.
E. DOBBERT.
Erwiderunj
Auch ich bleibe bei meiner oben S. 163 abge-
druckten Erklärung in ihrem ganzen Umfange
stehen, und zwar mit um so grösserer Sicherheit,
als es sich bei mir nicht lediglich um Erinnerungen,
Eindrücke und Schlüsse handelt, sondern um den
folgenden Wortlaut meines londoner Tagebuches
vom 20. August 1879:
„Ausser den zwei bei Michaelis abgeb. Frag-
menten von Pferdeköpfen ist ein grosses drittes
mit einer Mähnenbehandlung vorhanden, welche an
die bei den Heliosrossen erinnert. Mass 27 — 28 Cm.
zwischen den inneren Augenwinkeln. Helios hat
seine 4 Pferde (2 in London , 2 in situ) , Selene
ihre 2 (1 in London, 1 in situ), Athena hat bei
Carrey nur 2 Pferde, folglich gehört der 3. Kopf
wie der Fuss zu dem Gespauu des Poseidon. Um
so sicherer, da der bei Michaelis abgeb. Kopf wie
das Bein hinten abgeplattet ist."
Leipzig, 11. Januar 1881. Overbeck.
REGISTEK
VON
O. PUCHSTEIN.
Ä. = Relief; T. = Terracotte; F=Vase.
Achelooskopf auf Kybelereliefs 5, V.
Admet, pompej. GemäUie 42.
Aegineten, Fragmente der — 121 ff.
Corrosion 127 fr.
Aesehylus Choephor. 8GG S. 171.
Affe auf der Arkesilasschale 185.
Akan thuskronung bei Grabstelen 137.
Alexander, sterbender 162. Kopf in
London 103.
Alkestis, pompej. Gemälde 42.
Anakies, Schale des Künstlers — 40.
Anchises auf V. 189.
Aphrodite Arsinoe, Heiligthtim der —
192.
Apollon von Kanachos 22 ff. 192.
Statuen aus Thessalien 103, in Olym-
pia 51. Kopf in London 103.
Argonautensage 140.
Aristoteles im P. Spada 107.
Arkesilasschale 185.
Arsinoe, Statue der 192.
Artemis mit Rehkälbchen 103; auf ihr
Idol gestützt 184, Taf. 17.
Artemision zu Ephesos, Maasse des 93.
Asklepios auf Kybelereliefs 188.
Athena auf weissen Lekytban 136; auf
V. aus Aegina 139; auf einer Phineus-
vase 141 ; — und der Satyr Ton Myron
25. Cameo mit Geburt der — 84.
Attis auf Kybelereliefs 6.
Augustnskopf in Olympia 49; in Lon-
don 103.
Barbarin, Kopf einer — 75, Taf 8.
Bauelle des Parthenon 174 Anm. 12.
Berenikekopf 36.
Boreaden auf Phineusvasen 138 ff.
Braun, Briefe von E. — 83.
Camillus vgl. Kadmilos.
Cavalieri's Ordnungsprincip der Ab-
bildungen 12.
Commodus als Hercules 42.
Corrosion antiker Sculpturen 124 fl'.
Curvatur der griech. Tempel 107.
Dedicationen an Private 34.
Dionysos auf V. 180 Taf. IG. Kopf
in London 103.
Dipoinos u. Skyllis, Gruppe von — 50.
Discus aus Bronze 63, No. 356.
198
Register.
Domi tiabüste in Florenz 36.
Dreifuss, Weihung eines — 182 ö'.
Eber, Kopf des kalydonischen — in
Tegea 98, vgl. 190.
Eidechse 103.
Ixaröfintöog 95.
Elemente, die 4 — in der pergam.
Gigantomachie 108.
Elle, ägyptische, babylonische, samische,
persische 91 fl".
Endymion, R. in V. Ludovisi 148
Anm. 16.
Eperastos, Porträtkopf des — 48.
Ephedrie 171.
Episcopius' Icones, Abfassungszeit von
— 16 Anm. 23.
Erichtho auf Phineusvase 139.
Eros auf weissen Lekythen 136. Kopf
in London 103. Eroten auf einem
Sarkophag 163 Taf. 14.
Euripideskopf in London 103.
Eumenide in Olympia 48.
Euphronios, Berliner Schale des — 136.
Fälschung einer V. mit der Hydra 74,
einer V. in Dresden 191, in Berlin 101
vgl. 161.
Faustinakopf in Olympia 49.
Fussmaass, das attische 94 if. 172 if.;
das olympische 91fl". vgl. 176 Aima.22;
das römische 91 S. vgl. 176.
Gabiniusbüste aus Herculaneum 33.
Giganten kämpf am Megareerschatzhaus
in Olympia 49; aus Pergamon 37. 41.
107 f. vgl. 43. 126. — köpf 162.
Gorgonen 139.
Grabescult, Darstellungen von — auf
Lekythen 136.
Grabfigur, Kopf einer — 75ff. Taf. 8.
Grabreliefs aus Pergamon u. Smyrna
37, in Lansdownehouse 82 Taf. 9.
Hand als Votiv 103.
liarpyien auf Phineusvasen 138 Ö'.
Ilekate auf Kybelercliefs 6. 9. 184.
Heraklosstatue in Florenz 17 Anm. 28.
Hercules Commodus 42.
Hermes auf Kybelercliefs 1 ff. Taf. 1 — 4.
vgl. 132; 7tvnif6(>os, nXovjoööjrjg 8;
auf Nymphenreliefs 8 ; auf Phineus-
vasen 141 ; Fuss des praxitelischen 44;
Dionysoskiipfchen desselben 50. 116.
Hören auf einer Phineusvase 139.
Hund auf Kybelercliefs 5, V. W.
Institut, Jahresbericht des archäol. —
120.
Iphigeneiaopfcr, Ära 17 Anm. 28.
Iris im Parthenongiebel 130 ff. ; als
Regen- und Windgüttin 132 S. ; Ety-
mologie 133 Anm. 5.
Kabir (Kuret, Korybant) auf Kybele-
reliefs 7, vgl. 187.
Kadmilos, Hermes- 7 ff.
Kanephore aus Pästum 27 ff. Taf. G.
Kanephorie 27.
Kallimachoskopf 36.
Kapaneuskopf 162.
Karyatiden 28.
Kasmilos s. Kadmilos.
zarny Ol/ff« des Praxiteles 102.
Kehren auf einem Parisrelief 147.
Klafter, Ableitung der griech. Maasse
aus der — 91 ff.
Kleomenes, der Künstler — 15 ff. 17
Anm. 28.
Kovgai auf Kybelercliefs 188.
Kybelereliefs Iff. Taf. 1—4. 187 Taf. 18.
Landschaftlicher Hintergrund auf Re-
liefs 148 ff.
Laokoonvase 189.
Lares, Votiv an die 103.
Lekythos, weisse — in Berlin 134 ff.
Taf. 11. Geschichte der attischen Le-
kythen 136.
Linos und Nike auf V. 101, vgl. 161.
Lotosknospe als Ornament 136.
Maass, der griech. Tempel 9 Iff.
Maussoleum-Sculpturen, Corrosion der
— 126; neues Fragment zu den — 103.
Metroon in Olympia 44; im Piräeus 1.
Mili tär diplom aus Regensburg 108.
Münze von Larisa 18.
Nereidenmonument, Corrosion der
Sculpturen vom — 126.
Nike auf Vn. 101, vgl. 161. 136. 182,
Taf. 16; in den Parthenongiebeln 13 Iff.;
— anathem von Samothrake 42 ; — ba-
lustrade 89; ^pyrgos in Athen 85 ff.
Taf 10.
Nikosthenes, Schale des 40.
Niobide im P. della Valle 14 Anm. 17.
O inone 145 ff.
Okeanos auf einem Parisrelief 147.
Omphalekopf 75 Taf. 8.
Orcus auf einem pompej. Gemälde 42.
Oreithyia als Botin 130.
Orion, Eos u. Artemis auf V. 195.
Ornament, lineares 63 No. 354; my-
kenisches und asiatisches 40; einer
argivischen V. 74; Lotosknospen 136;
Palmctte an der Stuhllehne 136 Taf. 11.
Krönung von Grabstelen 137.
Pan auf Kybelereliefs 5. 8. 187 Taf. 18.
Panther als Hausthier 185.
Paris und Oinone 145 Taf. 13.
Parthenon, Maasse des 94. 172 ff. Frag-
ment aus dem Westgiebel (?) in Ve-
nedig 71 Taf. 7; Gespann des Posei-
don 105 vgl. 132. 163. 197; Corrosion
der Giebelsculpturen 126. Erklärung
des Westgiebels 130 ff.
Pausanias V, 9, 3 vgl. 169 ff.
Pelops, Thron des — 195.
Penelope- artiger Kopf in Berlin 37.
Perseus auf V. 139. Kopf in London
103.
Pferdegeschirr 179 Anm. 14; -gang-
arten 180 Anm. 16.
Philetaskopf 36.
Phineus auf Vn. 138 ff". Taf. 12.
P Ileus, Gebrauch des — 104.
Calijurnius Piso, Kopf des — 20 Anm. 3.
32 ff.
Plinius n. h. 34. 75, zu — 22 ff. vgl.
192.
Praxiteles, Hermes des — 44. 50. 116;
die xarc'tyovaa des — 102.
Propyläen, Südhalle der — 85 ff.
Ptolemäos Philadelphos und Euerge-
tes, Statuen des — vgl. 192.
Pyrrhosbüste in Florenz 36.
Pythagoras von Rhegion 31.
Rabirius, Verfasser herculanischer Rol-
len 32 Anm. 3.
Reiterei, Dokimasie der attischen 177 ff.
Taf 15.
Reliefs mit malerischem Hintergrund
149 ff.
Ring mit Porträtkopf 159.
Sabazios, Votiv an 103.
Sapphokopf in London 103.
Sarkophag, etrusk. 37; -deckel ebda.
Satyr von Myron 25; — die Flöte bla-
send, Statue in Olympia 51. — und
Nymphe, R. 149, Taf. 13,3.
Scenischer Sieg, Monumente auf —
bezüglich 182 ff'.
Schauspieler, kom. — in London 103.
Schleifer in Florenz, Geschichte des
— 11.
Schildkröte 103.
Schoinos, ägyptischer — 92 Anm. 5.
Seneca, Kopf des — 20 ff. Taf. 5;
32. 35. 37.
Silensgesicht aus Olympia 45.
Skamandros auf einem Parisrelief 147.
Sklave, Freilassung der röm. -- 43.
Skopas' Werke in Tegea 98 ff. 190.
Sokrateskopf 20 ff. Taf. 5.
Register.
199
Sonnenuhr aus Athen 37.
Sosias, Teller des Künstlers — 40.
Spiele, Reihenfolge der oljnip. — lG9ff.
Stadion, Eratosthenisches 92 Anm. 5.
Stilicho, Inschriften des 104.
Tannenzapfen 103.
Tantalos, Burg des — 195.
Thallo auf l'hineusvasen 1Ö9. 145.
Thanatos auf V. 189.
Theseion, Maasse des — 175 ff.; Co-
rosion der -Metopen 125.
Thron von Marmor 37.
Tiberiuskopf in London 103.
Titanenkopf 162.
Trajanskopf in London 103.
Wachtel 135 vgl. Taf. 11.
Waffen, homerische — 194.
Wanddekoration durch Gemälde u.
Ss. 150 ff.; durch Marraorincrustation
152 ff. ; antike — bei der V. Farne-
sina 107.
Wasser daimon, Kopf auf Kybelere-
liefs 3 (vgl. Achelooskopf). 6, X 8.
Wassergott auf Parisrelief 147 Taf. 13.
Weihgeschenke, Aufstellung der 30.
Widder auf Kybelereliefs 5, V.
Wölfin, die kapitolinische 106.
Venus, älteste Abbildungen der medi-
ceischen — 13 f.; Inschrift derselben 15;
Statue im Viridarium Rucellai 14.
inoßi ßuitaS ai. Darstellungen des —
18.
Xenoph. Hipp. III, 1, zu — 177 Anm. 3.
II. TOPOGRAPHISCHES REGISTER.
Aarau, Iris mit Horus aus — 39.
Aegina, Balsamar aus — 40. 139.
Aegypten, Bronze aus — 39. Ent-
lehnung der griech. Maasse aus — 92.
Aegion, zu den Statuen aus — 101.
Agrai, Rs. aus — 6, X
Akrai, Santoni bei — 5, Ua.
Andros, R. aus — 5, U.
Anisa, Dekret der Stadt — 39.
Apamea, Schätzung von — 195.
Apt, Kopf aus — in London, 103.
Arges, V. aus — 74.
Assos, Tn. aus — 39.
Atalanti, T. aus — 39.
Athen, Alterthümer aus — 1. 37. 39.
40. 134 Taf. 11. — ijj. im Museum
der arch. Ges. 1, ß. 2, G. 3, K; vgl.
187 Taf. 18; im Nationalmuseum 2, F
Ga. Taf. 3. 4; 6, X Taf. 2, 2. 4, 3;
7, Y Taf. 2, 4; im Cultusministerium
2, Gb; im Museum der Akropolis 2,
C. D. E; in den Propyläen 182, b.
183,/. — Nikepyrgos 85 ff. Taf. 10.
Theseion 125. 175. Parthenon 94.
Attika, Lekythen aus — 40. R. in der
Kirche des Agios Dimitrios in — 3, /.
Taf. 2, 1.
Äugst, Gerätfragment aus — 39.
Axati, Carneol aus — 22.
Babylon, gr. Inschr. aus — 103.
Berlin, Erwerbungen des Museums im
Jahre 1879 S. 37 ff. — Rs. in — 1,
A Taf. 1 ; 2, Ba. H Taf 4, 1 ; 3, Jkf
Taf. ä,2\N Taf. 3,1; 4, 0. 5, V
Taf. 4, 4. Sarkophag mit Eroten 163.
Dopijelbüste des Seneca und Sokrates
20 ff. Taf. 5. Goldring 159. Lekythos
mit Nike und Linos 101, 161. weisse
Lekythen 134ff. Taf. 11. V. mit Har-
pyien 139, mit Darstellung des vnoßi-
ßäCia^tai ISS. Schale aus Orvieto 177
Taf. 15. korinth. Thontäfelchen 195.
Berytos, Inschr. aus — in Venedig, 195.
Cales, Gefässe aus der Fabrik von — 43.
Capua, V. aus — 40.
Cattajo, R. in — 4, Q Taf. 3, 3; R;
5, W Taf. 4, 2. vgl. S. 7 Anm. 5.
Cerigo, Inschrift aus — 103.
Cervetri, r. aus — 39. F. 40. Cistel03.
Co meto, T. und V. aus — 40.
Curti, T. aus — 40.
Cypern, T. aus — 39; vgl. Larnaca.
Dardanellen, Schleuderblei xmd T.
aus — 39.
Dresden, Basis in — vgl. 182 ff.; ge-
fälschte r. 191.
Ephesos, Maasse des Artemistempels 92
Anm. 1; 93. Rs. aus — 3, 31 Taf.3,2.
N Taf. 3, 1 ; 4, 0. P.
Eukarpia, Münze von — 184 Taf. 17.
Florenz, Geschichte des Schleifers in —
11 ff., der Venus Medici 13; Basis in —
16 Anm. 23; Ära mit Iphigeneiaopfer
17 Anm. 28; Pyrrhosbüste 36; Domitia-
büste ebda.; Ileraklesbüste im P. Pitti
17 Anm. 28.
Galaxidi, Spiegel aus
39.
Halae, Tn. aus — 39.
Herculaneum, Büste und Villa des
Piso in — 32 ff. 20 Anm. 3 ; Gabinrus-
büste aus — 33 ; lat. Inschrift 34.
Iconia, Adler und Petschaft aus — 39.
Imbros, Tempelinventar aus — 37.
Kameiros, Phineusvase aus — 142
Taf. 12.
Karantä, R. aus — 3,i.
Karn^si (Kleitor), Kriegerrel. aus — 193.
Kleinasien, T. aus — 103; Gem-
men 39.
Knidos, Lampe aus — 184 Taf. 17.
Kolor] (Kula), gr. Inschr. aus — 37 ff.
Korinth, T. aus 39; F. 40. Thontäfel-
chen 195.
Korseia, T. aus — 39.
Kreta, V. aus 40; Fund von Migalo
Castro 103.
Kreusis, R. aus — 37.
Kyme, T. aus — 39.
Kyrene, Fabrikationsort der Arkesilas-
schale 185.
Kyzikos, Glasgefäss aus — 38.
Lakonien, Gemme aus — 39.
Lansdownehouse, Grabrelief in —
81 ff. Taf. 9.
Larnaka, Artemis -Gruppe aus — 184
Taf. 17.
London, Erwerbungen des brit. Mus.
im Jahre 1879 S. 103. — Omphale-
kopf — 75 Taf. 8; Phineusvasen 142
Taf. 12; Laokoonvase 189; Corrosion
einzelner Sculpturen 125.
Mailand, Bronzeschale aus — 103.
Marathon, V. aus — 40.
Monte romano, Wandverzierung aus
— 39.
München, Aegineten in — vgl. 121 ff.
Mustaphades, Kybelerelief aus — 3, K\
vgl. 187 Taf. 18.
Mykene, Vn. aus — 40.
Myrina, Tn. aus — 39.
Mytilini, R. in — \0,Z.
200
Register.
Naupaktos, Bronzegeräth aus — 39.
Noia, Stil und Herkunft der Vasen aus
— 19. 1-44. Phineusvase aus — 143.
Norchia, Sarkophag aus — 37.
Olympia, Inschriften aus — 52 ff. 117 ff.
lG4ff. vgl. 191. Ausgrahungsberichte
44ff. lOOff.; das grosse Gymnasion 46;
Baugeschichte des Heraion 48; Epe-
rastosstatue 48; Aschenaltar 45; Rund-
bau 47; nördl. Palästra 47; Metroon
48 ; Megareerschatzhaus 48 ; Echohalle
48; Hydrametope 49; Herakleskopf 50.
116; Lapithin 51; Bronzekopf eines
Siegers 113; Jünglingskopf 114: Hip-
podameiakopf 114; Herakles und die
Hirschkuh 115; Kleinbronzen 115;
Dionysosköpfchen 116; knabenrauben-
der Kentaur 116; Apollostatue 116;
Corrosion der Sculpturen in — 127.
Reihenfolge der Festspiele 169 ff. ; Ephe-
drie 171 ff.
Orte, T. aus — 40.
Orvieto, Alterthümer aus — 37. 39.
40. 177 Taf. 15.
Paris, Bronzeabguss der Venus Medici
in — 18.
Faros, Nymphenrelief in — 4, T.
Pästum, Kanephore mit Inschrift aus
— 27 ff. Taf. 6.
Patras, Amazonenreliefs in — 193.
Pergamon, Kybelerelief in — 10, Za.
Grabreliefs aus — 37. T. aus — 39.
Ausgrabungen in — 37. 41. 107 f. vgl.
43. Corrosion der Sculpturen aus —
126 f.
Phigalia-Fries, Corrosion des — 125.
Copien 193.
Piali, vgl. Tegea.
Firäeus, T. aus dem — 39. Bs. 1, B.
2, B". n Taf. 4, 1. V. 182 Taf. 16.
Regensburg, Militärdiplom aus — 108.
Rhodos, Untersatz aus — ■ 38. Bronze-
fragment u. griech. Inschr. 103.
Rom, altl. Inschr. in — 194. Antica-
glie aus — 39. Wanddekorationen bei
V. Farnesina 107. Venusstatue im P.
Gaetani 12. Rlyronischer Satyr im
Lateran 25. Parisrel. in V. Ludo-
visi 145 Taf. 13, 1; Endymionrel. 148
Anm. 16; B. mit Satyr u. Nymphe 149
Taf. 13, 3. P. Mignanelli vgl. 11. 12.
Rom. Inschr. im P. der Propaganda 42.
Venusstatue im Viridarium Rucellai 13.
Aristoteles im P. Spada 107 ; Parisrel.
146 ff. Taf. 13, 2; Rs. von S. Agnese
153; Antiken im P. della Valle 14. 16
Anm. 26. vgl. 78 Anm. 16.
Saburoff, R. der Sammlung 4, P.
Samos, Maass des Heraious auf — 97.
Samothrake, Corrosion der Giebel-
figuren von — 127.
Sardes, Cinerar aus — 38.
Sipylos, Felsbauten des — 195.
Smyrna, Marmorfigürchen aus — 83 ff.
R. 37. F. 39.
Sparta, Sarkophag in — 163 Taf. 14.
S u n i 0 n , Lekythen von — 40.
Tanagra, Tn. aus — 39. 103.
Tegea, Tn. aus — 39. Skopasische
Sculpturen in — 98 ff. vgl. 190.
Theben, Kybelerel. in — Z,L. Vn. aus —
40.
Thessalien, Apollo aus — 103.
Tortos a (Phönizien), Grabfund von —
103.
Venedig, Statuenfragm. in — 71 Taf. 7.
Inschr. aus Berytos in — 195.
Verona, B. in — 4, S.
Vetralla, Teller aus — 40.
Wien, Corrosion der samothrak. Giebel-
figuren 127.
Xanthos, Corrosion des Wagenfrieses
von — 125.
Zephyrion, Heiligthum auf dem —
vgl. 192.
III. EPIGRAPHISCHES REGISTER.
Griechische luschrifteii
aus Athen S. 39; aus Constantinopel
S. 38; aus Imbros S. 38 ; aus Kula(Äo^.ö»;)
S. 37. 38; aus Kyreue S. 186; aus Ma-
kedonien (Idranitzi) S. 159 ff'. ; aus Olym-
pia S. 52 ff. No. 334—336; S. 117 ff.
No. 363. 364; S. 164 ff. No. 366 — 380;
vgl. S. 171 ff. 191 ; aus Püstum S. 29
Taf. 6 ; aus Rhodos S. 38 ; aus Sardes
S. 38; Metrische Inschr. 0. 339. 340.
S. 27 Taf. 6.
O := Olympia.
l. Namen.
14 yai) t]/ne()og 0. 347 57.
'^ynaaQxos 38. 0. 348 58.
'A»uvu S. 29 Taf. 6.
Uaevattt auf V. 40.
'ASr)VÜ IlQÖfxa^og, Spiele der — iu
Rom 0. 369,6 165.
'yl»tivaroi 0. 343 56.
AluvjCö la 11/j.C 40.
n. A t). 1 0 s ApCaiojv 0. 344 56.
'AxQMQetoi 0. 360 65.
"AxTia 0. 366. 164.
AXuavfjg 0. 360 65.
Fakiioi O. 362 66.
Alesion, vgl. zu 0. 360 65.
'A).^$uvägos 0.34.3 SbG. 0.347 S.57.
0. 350 S. 60. — Aiüjviäov 159. ,9«-
ail.^cog 'Ali^ävSgov auf einem Schleu-
derblei 39.
'Al(pei6s 0. 350 60.
Aft/^aJvios 0. 347 57.
'.^VKtiOf 0. 363 117.
'AvailnoXig Taf. 3,3. vgl. S. 4, Q.
J. "Avüiaxiag Qtoyivrig 0. 349 59.
'lAvTtixog O. 350 60.
AvTio/tvg 0. 366 164.
'Aviio/og 0. 347 57.
'Avt Kfiüvrjg 0. 346 56.
AvjmvCa Avjoivlov 37.
Avj{üJVio;) Zrjaog 0. 351 61.
'Anka 0. 341 55.
'Anull— O. 373 167.
Aii6}.).o)vi StmBoirjVM 37. — Tapat 38.
Anok).ojviog 0. 349. 350. S. 59. —
AtioUmvIov 0. 336. S. 53; der Künst-
ler An. S. 17 Anm. 29.
'Linniog 2^aßitvog 0. 345 56.
"AQyog 0. 337 53.
'AQeonayeiirjg O. 343 56.
Afiinvia auf V. 40.
'IAqc aiog 0. 347 57.
AgCataQ/og 0. 347 57.
Aqioi (ag, Künstler 0. 371 167.
AniaröSiifiog 0. 347 57.
Agiatoärifiog 0. 348 58.
AoiaioxQÜiTjg 0. 347 57.
Agxäs 0. 374 167.
"AQXEGog 0. 347 57.
Agfiöäiog 0. 347 57.
AQxtfiCiSiüQogAQii^iöixtQOv 38.
Aqt^/ziovos vloC 38.
AQXiüäug 0. 347 57.
AaiÜQxrig 0. 353 62.
xoivöv 'Aalag 0. 337 53.
IlonX. AaxXr]7iiäi!)'r]g 0, 356 63.
Register.
201
r. 'AaCvtog Kovaigitro; 0. 342 55.
Av {Quitos) 'AkfiuväQOi 0. 250 CO.
Av. 'AXipitös O. 350 60.
M. AvQ^Xi 0 ; 'ElXrjvoxQcnriq 0. 351
61.
Av. Klio^v/og 0. 350 60.
Av. Mrjjyößioi 0. 350 60.
Av. NeiXTiifÖQOs O. 350 CO.
Av.''0ivfi7ios 0. 350 CO.
Av. OvnaiffÖQOs 0.350 CO.
M. A(fiQnhog) 'Yyervoi 0. 350 CO.
xoivöv TüJv 'A)raiu>v 0. 344 56.
Valerius Eclectus s. zn 0. 309 S. 1C5.
Biytiog 0. 350. 351 CO.
BejXrjvri Kttoalct XnvanQ^ta 0. 352
61.
yi. Berlijvog .i'iKpfus 0. 351 61.
B tß{ovX kl os) 'f'cwmnviavös 0. 351
61.
M. Biipüviog 2:avv(iSag O. 350 60.
r Bezeichnung der Phyle 0. 347 — 351
57.
rät og 0. 349 59.
rEvi»i.tog 0. 351 61.
ViVTittVÖg 160.
/1 Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 57.
349 59.
Aa/^('yriTog 0. 334 52.
Aa/n(ci»id'ag 0. 370 166.
Aafiägiarog 0. 347 57.
Aätfvn 0. 366 164.
AiayoQttg 0. 334 52.
Alayqog 160.
Aioy(vrtg 0. 337 53.
Aiövdxog 0. 350 60.
Atovvaiog 0. 337 S. 53. 349. 350
S. CO. — 'A»rivaTog 38.
Ao. 0. 347 57.
AOMNOY auf einem Ringe S. 39.
Anofiinnog xukög AnofiOxkiCöo Vasen-
inschrift S. 187 Anm. 5.
AQOvaog 0. 373 167.
EtatSiaqog 0. 351, 5. 8. Gl.
"EXXnvig 0. 340 S.54. 344 S. 56.
^EXXrivoxQi'tfqg 0. 351 61.
'EXTtig 38.
'En aifQÖö iiog 0. 349 59.
'EiiCyovog 0. 348 58.
'ETiifiiXrig 0. 247 62.
'Egewittvög 0. 348 58.
'F.QixSg 0. 366 164.
Ev<5(tftog O. 341 55.
Evnonog 0. 350 60.
'E(f,(niog 0. 337 53.
Ziiig. Aiög UqÜ 0. 348—351 S. 58 Ai
0. 358 S. 65. All 'OXvftnio) 0. 336
Archüolog Ztg. Jahrgang XXXVIII.
S. 53, 356 S 63, 366 S. 164, 377.
378 S. 168. — 'OXvvntn) 337 S. 53
vgl. 364 S. 119. Zrivt iOviSlxa) 0. 340
S. 54. ZI 'OXvvTilot 0. 362 S. 66 —
als Personenname (Gen. Aiog) 350 S.CO.
Zfi»og 0. 351 61.
ZwiXog S. 38. 0. 347 S. 57
llXfTog 0. 336 S. 53. 346 S. 56. 370
S. ICC. 379 S. 168. — 7/Affc 346
S. 56. — 'HX f Ciov ßovlij 344 S. 56. —
"HX. ätifiog 341, 342 S. 55. — 'HX.
noXig 352 S. 61. — Phylen von Elis
vgl. zu 0. 347 S. 57.
'HQttxXeCärig 0. 247 S. 62. 0. 347
S. 57.
'HQBxXCärig 0. 347 S. 57. 349 S. 59.
'llQÜg O. 349 59.
ßeoy(vrtg O. 349 59.
©toJÖT« 0. 34C 56.
©«dJoTOf 0. 348 58.
Sioitvog 0. 335 52.
eBoaaXög 0. 343 56.
0p«fftuv 0. 348 58.
'Jttfiiärig 0. 347 S. 57. 348 S. 58. 349
S. 59. 350, 351 S. 60.
'reQci7ioX((rrjg 0. 3ed,b. 165.
IM Stempel einer T. 39.
'IovXCa':AnXa 0. 341 55.
r. 'lovXiog ZioGTQttTog O. 341 55.
r. 'lovXiog 'PCXmnog TgaXXiavög
0. 353 62.
'lovviog 'PovifTvog 160.
'InnCag 0. 347 57.
'laCiSioQog 0. 347 57.
7(t/(U)' 0. 366 164.
7(TÖ<fi)jU0f 0. 339 54.
K Bezeichnung der Phyle 0. 347 57.
KaXXixQu^rig 0.335S 52 vgl S.191ff.
KaXXtn- 0. 369, a 165 ,
KäXXiOTog 0. 349 59.
KriXXoiv O. 347 57.
Kaaaia 0. 352 Gl.
Kaaaiog B^ysiog 0. 350. 351 S, 60.
KXavdla 0. 352 Cl.
Tiß^Qiog KXaväiog Tißfglov vläg Ni-
Qwv 0. 336 S. 53. 0. 373 S. 167.
KXav(^äiog) IIoXvxQÜTrjg 0. 351 61.
KX."OXvftnog 0.3bO 60.
KX. Ttiaufitvog 0. 351 61.
TißSQ. KX. 'Ynariavög 0. 350 60.
KXannog 0. 347 57.
XXtOfAuyog 0. 3.50 60.
KXvTiüJrig 0.347 S.Ö7. 348. 349 S. 58.
350 S. 60. 3bl S. 61.
r. A'ilwJio? 0. 227 G2.
KviiCa Kviäiog 38.
KoQiv»iog 0. 356 63 .
KovaÖQÜi og 0. 342 55.
KvQog 0. 347 57.
AaxiiSuifAovCiav ol tfvyövi fg 0.335
52.
A(ovjäg 0. 350 CO.
Afovirjatog 0. 335 52.
.Afiovtäag S. 159. 0. 227 C2.
Aovxnvn KXaväUi 0. 352 61.
K. Aovxrivög ZttixXÜQog 0.352 61.
.Avxäiov 0. 349 59.
./^i^x^J«? 0. 376 168.
AvxoXdov 0. 349 59.
AvaCnnov tqyov S. 17 Anm. 28.
iM Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 67.
350 S. 60.
Mivrig Taf. 2, 3 S. 2.
MagxfXXtttVÖg auf einer Münze S.184.
Mägxog O. 348 58.
MeyaXonoXCtag 0. 371a. i. 167.
Mn-ng'i 0. 375 167.
r. M(ft^iog EvJnfjog 0. 341 55.
M. ;i/f^. "Avieixog 0. 350 60.
//. JIK/Jfiiog 'f'iXöäafiog 0. 341 55.
Mivinnog 0. 370 166.
/l/ftTOfafryos 0. 367 164.
Mf öa^vtof 0. 344 S. 56. 377 S. 168.
MeTÜTiiot 0. 363 118.
MriTQl 9idiv Taf. 2,3 S. 2.
Mrirgößiog 0. 350 60.
MCxa Taf. 2,3 S. 2.
Mixxiag 0. 347 57.
Mvaai»ia 0. 352 61.
MoXoaaog 0. 347 57.
Mo D(j HI-Off 0. 349 59.
JV = vtcÜTfeof ? 0. 347 S. 57; zur Be-
zeichnung der Phyle 0.347 S. 57. 349
S. 59.
NcünoXig 0. 337 53.
NetxoxXrjg O. 348 58.
Ntfi^ag O. 377 168.
Nigova O. 227 62.
]Viitf,(ov O. 351 61.
Nlxa 0. 371 167.
Nixöägofiog 0. 380 168.
'OXvfiTiCu 0. 342 S. 55. 362 S. 66.
363 S. 117.
'OXvfiniüg S.38. — dieKönigin 0.355
63.
'OXv^niyog 0. 347 S. 57. 'OXiivni-
/off xttXög auf V. Taf. US. 137.
'OXvfi7T({<or) 0. 247 62.
"OXvfiTiog 0. 348. 349 58.
— Ofi^vovg {kvyctirjg 82.
— oi'ioff 0. 346 56.
'OuTioog auf einer Büste in Florenz 36.
'Ontaitaaiog zu 0. 91 70.
"OQtazoi 160.
27
202
Register.
Tlegyatog 0. 369, 6. 165.
HiQiv; (für TltQatvi) auf V. 40.
noi.vxagnog 0. 349 59.
nolvxgdrri; 0. 351 61.
nof.vxägijs 0. 347 57.
flolv/agfiog 0. 340 54.
UgaSayög«; 0. 346 56.
noaittxmv 0. 347 57.
Hg^TKüV 0. 247 62.
nv»Ca)V 0. 348. 349 S. 58. 351 S. 61.
IIvqIqos] 0. 355 63.
'Pijya/a 0. 338 54.
'Pov<plv og 160.
■Pw^?) 0. 369,6. 165.
Zttßtivog 0. 345 56.
Zn/Srj-Of 0. 349 59.
2aix).agog 0. 352 61.
ZavvCSag 0. 350 60.
2tlnviüVTi.. . 0. 361 66.
^Ixgeißiavittvös 0. 356 63.
.^"^«i'pi'nroff 0. 369,2). 165.
Zoifiov 0. 349. 350 S. 59.
.Z'nßpTiäißt 0. 357 64.
Zr«;fys 0. 351 61.
SvvxaCQiav 0. 350 60.
XtoaCvixog 0. 347 57.
2(aaTQaiog 0. 341 55.
.S'ioi^pi;^ OS 0. 350 60.
.2'ftji/w»' 0. 347 57.
T Bezeichnung der Phyle 0. 347 57.
Tiiaafitvog 0. 351. 61.
T.ji 0. 369, a. 164.
Tellon, Basis des — O. 91 S.70.
TificcQiTcc 0. 346 56.
Tl/xcov 0. 347 57.
Tett).i.iav6g 0. 353 62.
TginoXiCxrig 0. 369,6. 165.
'Yytla 0. 338 54.
'Yy fXvog 0. 350 60.
Vr auf einer Gemme 159.
•Y;iaTt«»'os 0. 350 60.
juijvoj 'YntQßeQtiatov 38.
«/> Bezeichnung der Phyle 0. 347 S. 57.
0. 350. 351 S. 60.
't'ttCarog 0. 348 58.
't'avaTeivici vog 0. 351 61.
r. if^fi'iog KuUtaiog 0. 349 59.
'Pialijeg 0. 340 54.
<I>i).ttdt}.(ftvg 0. 369,6. 165.
't'iXiug auf einer V. 40.
'I'Clinnog 0. 353 62.
«^i/lfa O. 372 167.
'PCXtajog 0. 346 56.
'PtliM Taf. 6. S. 29.
'piXöiSa/^og 0. 341 54.
tf-oldv/xoc 0. 372 167.
T. <Plüßiog ElaläioQog 0. 351 61.
«f>i. ZxQiißb)Viav6g 0. 356 63.
*Aß,«(Of '/-iI-IkI 0. 343 56.
•/"Anxxof auf einer Münze 184.
'Piilai 0. 343 56.
X Bezeichnung der Phyle 0. 347 57.
XÜQrig 0. 247 62.
XaQfitäiig auf V. Taf. 12 S. 144.
Xagfj.vXii5ag Taf. 6 S. 29.
Xfipoi// 0. 347 57.
XQvaciQ^j« 0. 352 61.
■i2pß(>(OS Ilaßrvog 0 349 59.
2. Sachregister.
itQol xiu aT((fuvitjttl äy luve g 0.337 53.
Kili/TK();f ?)f 0. 356 63.
KV»vnajog 0. 342 55.
Apostroph 0. 340 54.
ctQfi « TiioXixov 0. 346 S. 56; 380 S. 168.
— latiov 0. 379 168.
r«e()))V O 362 S.66; Etymologie S 69.
ßp;^ijUßj'ipof 0. 347 57.
ß(>;fii^xnuv 0. 347 57.
ßO/l»)i^f 0.347 S.57; vgl. zu 349 S.59.
Beamtenkataloge 0. 347— 350 S.57.
— vgl. 0. 217 S. 62.
ßovXtvj^g 0. 3696. 165.
ßovXri 'OXvfimxri 0. 341 — 343 S. 55.
345 S. 56. 352, 353 S. 61. 367 S. 164.
yQa.fi jj.ai tilg 0. 347 — 350 S. 57.
äixciia Taf 6 S 29.
iXXttVoClxag 0. 362 66.
tiitynr^g 0. 347 S. 57. 349 S. 59.
0. 247 S. 62.
inaQ/Ctt, (naqxixaC, f;Tap;|fOf S. 159ff.
EHENIIOr, EflENnETO, ENHOI
0. 362 S. 66; vgl. S. 69.
tmanovä OQ/riarrig 0. 347 S.57.
349. 350 S. 59. 247 S. 62.
iifrißsvaag 0. 341 55.
Zetakismos vgl zu 0. 362. 66.
ittoC Ausruf auf einer V. S. 144.
»tox6Xoi W.iz/JTiizoi' 0.348-350 S.58.
"jlQaiu 0. 366 S. 164. iß fv "4Qyu
337 S. 53.
tazQÖg 0. 347 57.
iiQiiig T^s 'Pui/itjg 38.
itQO(fic(Virig 0. 344 56.
Innaq/riaag 0. 369, a. 165.
"Ia9fita 0. 337 53.
xa0^71fi(Q09vTrjg 0.347 57.
xaXög, 6 nccig xßAo'f S. 40. Taf 11
S. 136. Taf. 12 S. 143. 144.
KanfTüiXcc! 0. 369,6. 165.
x^puf 0. 3G96. 165.
xXitäovxog 0. 247 8.62. 0.347 S.57.
fiäyeiQog 0. 247 62.
fiävreig 0. 347—351 S. 57.
MA2:TPAAI 0. 362 S. 66, vgl. S. 69.
N^/iia 0. 337 S. 53. mfiein 0.366
S. 164.
SvXev; 0. 347 57.
olvo/oog 0. 347 S. 57. 0. 247 S. 62.
'OXv/iTTiK 0. 336 S. 53. 337 S. 54. 346
S. 56. 366 S.164. 369 S.165. 372 S.167.
378—9 S. 168.
navxQaj lov 0. 366 164.
7iivitt»Xog 0. 356 63.
neQuiyrjTttl 0. 350, 351 S. 60.
TitgCoäog äei Festspiele 0. 366 S. 164.
noXeizÖQxrjg 160.
nQia ßtVTuC 160.
nv»itt O. 337 53.
Rhotakismos vgl. 0. 362 S. 66.
aaXniaTiU 0. 337 53.
aoy/orijf 0. 343 56.
anov<SavX7]g 0. 349. 350 S. 69.
OTioväoifÖQoi O. 348—351 S.58.
avveäQog 0. 343 56.
avvxXriJtxög O. 356 63.
avv(oQli itXf(a 0. 346 56.
— 7i(oXix^ 0. 370 S. 166. 0. 380 S. 168.
zi&qinnog 0. 336 53.
— liXtiog 0. 346 56.
'OXvfiniog vfivos 0. 339 54.
vnajixög 0 345 S. 56. 0.356 S. 63.
vTiarog dnotStJeiyfiivog 0. 342 55.
qUaxog 160.
Lateinische Inschriften.
Aus Rom S. 42.43. 194; ausCales S.43;
aus Herculaneum S. 34 ff.
Q. Carminius Optatus 103.
duenos 194.
Hercules Silvani nepos 42.
Jupiter 194.
Latercula militum 43.
Ops Toiteria 194.
Pis(onis) 34.
q(uadratarius) 34.
sacrum novendiale 194.
Teles 34.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880
TAFEL 1
WHiJj^.jÄ „^,^,.i.^lll)rA|^|,. liihi.., ,
ATTISCHES WEIHRELIEF
AN DIE GROSSE GOTTIN
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880
TAFEL 2.
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CjtI l=3nK "Bei
WEIHRELIEFS
AN DIE GROSSE GÖTTIN.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880
TAFEL 3
WE I H R E LI E FS
AN DIE GROSSE GOTTIN
AKOnHULUOlOUnt. tLiit-*
W El H RE LI EFS
AN DIE GROSSE GÖTTIN.
LiiK V, Carl LeoriLBed..
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SENECA UND SOKRATES
DOPPELB Ü STE.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG )880
TAFEL 6
R>l3d/RÜ^1V^SyR ^Ö11>(D^ A^A0RT
KANEPHORE
BRONZE AUS PAESTUM
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ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880
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TRAGISCHER KOPF
IM BESITZE DES HON ASHLEY PONSONBY
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.
TAFEL 9
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ATTISCHES GRABRELIEF
IN LANSDOWNEHOUSE .
Lith.v.CUonh.Beclff!
A R CH AO 10 GISCHE 2EITUNG1880
TAFEL 10-
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i: 50.
ZUM NIKE-PYRGOS
AllU il.|i'7 V II Mr1i,
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HAOLOGISCHE ZEITUNG 1880
TAFEL 11.
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ATTISCHE LEKYTHOS
IM BERLINER MUSEUM.
C.Leonh.Becker.
Druck V. J Hesse Hafl.Beriui
PHINEUS -VASEN
IM BRITISH MUSEUM
h EecVer.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880
TAFEL 13.
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PARIS UND OINONE.
IjÖlv Carl Leorih Becker
JJmjücYlEesseJflfiJetlm-
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1380
TAFEL 14
SARKOPHAG AUS SPARTA.
OfttvüDiP uiLiäiv-) '.ainuel
Druck vJ&sselufl.:
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.
1
1
SCHALE AUS ORVIETO.
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880,
üÜitJ Samuel.
BACCHISCI-
KRATER A
ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.
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5ACCHISCHE SIEGESFEIER
KRATER AUS DEM PIRÄUS
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ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 1880.
TAFEL 18.
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RELIEF AUS TANAGRA.
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