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Full text of "Archäologische Zeitung"

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ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG 


HERAUSGEGEBEN 


VOM 


ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUT  DES  DEUTSCHEN  REICHS. 


JAHRGANG  XLIII. 

1885. 


REDACTEUR:  DR.  MAX  FRANKEL 


BERLIN, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG   REIMER. 
1886. 


INHAL  T. 


Spalte 
H.  DiERKs    lieber   das  Kostüm    der   griecliischeu  Schauspieler   iu    der   alten  Komödie  (Tafel  5  und 

Textabbildung) 31 

F.  VON  DuHN   Charondarstellungen  ('J'afel  1  —  3  und  zwei  Textabbildungen) 1 

Die  Götterversamnilung-  am  Ostfries  des  Parthenon 99.  (167) 

M.  Fränkel  Inschriften  aus  Mytilenc 141 

A.  FuRTwÄRGLEn  Griechische  Vasen  des  s.  g.  geometrischen  iStils  (Taf.  S) 131 

Prometheus  (Textabbildung) 223 

Die  „Hera  von  Girgenti"  und  drei  andere  KöjitV  (vier  Textabbildungen) 275 

G.  KoERTE  Koma,  antikes  Wandgemälde  im  Palazzo  Barberini  (Tafel  4) 23 

M.  Lehnerdt  Herakles  und  Aeheloos  (Tafel  6.  7,  1) 105 

F.  Marx  Ein  neuer  Aresmythus  (Textabbildung) 169 

Dioskuren  aus  Siiditalien  (Textabbildung) 269 

M.  Mayer  Lamia  (Tafel  7,  2) 119 

Alkmeons  Jugend  (Tafel  15) 241 

P.  J.  Meiek  Beiträge  zu  den  griechischen  Vasen  mit  iMeistersignaturen.  II  (Tafel  10.   11)      ....  179 

A.  Michaelis  Die  Lücken  im  Parthenonfries  (Textabbildung)        53 

W.  M.  Ramsay  Basrelief  of  Jbriz  (Tafel  13) 203 

K.  Wernicke  Lebenslauf  eines  Kindes  in  Sarkophag-Darstellungen  (Tafel  14) 209 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Vasen  mit  Meisternamen  (Tafel  16  — 19) 249.  (289) 

F.  Winter  Ueber  Vasen  mit  Unirisszeichnung  (Tafel  12  und  drei  Textabbildungen) 187 

P.  Wolters  Die  Eroten  des  Praxiteles  (Textabbildung) 81 

Der  Triton  von  Tanagra  (Textabbildung) 263 

MISCELLEN. 

C.  Aldenhoven  Zu  der  Cicerobüste  in  Madrid 235 

H.  Blümner  "Noch  einmal  die  griechischen  Speisetische  (Textabbildung) 287 

M.  Fränkel  Zu  der  Karlsruher  Unterweltsvase  Archäol.  Zeitung  1884  Tafel  19 71 

Hermes  als  Kind  (Tafel  9) 151 

A.  Furtwängler  Zu  Archäologische  Zeitung  1885  Tafel  1 153 

A.  Michaelis  Theseus   oder  lason? 231 

Nachtrag 281.  291 

Die  verschollene  mediceische  Poseidon-Statue  (Textabbildung) 283 

F.  Studniczka  Nachtrag  zu  Archäologische  Zeitung  1884  S.  281  ff 293 

K.  Wernicke  Die  Kindheit  des  Zeus  (2  Textabbildungen) 229 

Zu  den  Vasen  mit  Meisternamen.     Nachtrag 289 

BERICHTE. 

Erwerbungen  der  kgl.  Museen  im  Jahre  1884 

I.  Sammlung  der  Sculpturen  und  Abgüsse  (A.  Conze) 153 

II.  Antiquarium  (A.  Furtwängler) 155 

Erwerbungen  des  Britischen  Museums  im  Jahre  1884 237 

Sitzungen  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  im  Jahre  1885 73.   161.  293 

Festsitzung  des  deutschen  archäologischen  Instituts  in  Rom 157 

Chronik  der  Winckelmannsfeste  (Athen.  Rom.  Berlin.  Bonn.  Kiel) 295 

Benachrichtigung   betreffend   die    künftige  Gestaltung    der    periodischen    Publicationen    des  kaiserlich 

deutschen  archäologischen  Instituts 301 

Register  von  Konrad  Wernicke 305 


IV  Inhal  t. 

ABBILDUNGEN. 
Tafel    1.  Cliaron,  Teiiacotta-Relief  im  Berliner  Museum. 
2.  H.  Charon-Lekythen  im  Berliner  Museum. 

4.  Homa,  Wandgemälde  im  Palazzo  Barberini. 

5.  Komödien-Sceuen,  Vasen  in  Paris. 

6.  Herakles  und  Acheloos,  s.  f.  Amphora  des  British  Museum. 

7.  1.  Schale  iu  Verona.     2.  Krater  aus  Kameiros. 

8.  Vasen  des  s.  g.  gcometrisciien  Stils  in  Kopenhagen. 

9.  Hermes  als  Kind,  Marraorkopf. 

-  10.  Tanzender  Satyr,  Schale  der  Sammlung  Bourguignon  in    Neapel. 

-  11.  Schale  in  München. 

-  12.  1.  Schale  in  Bonn.     2.  Lekythos  des  British  Museum.     3.  Bemalte  Stele  in  Berlin. 

-  13.  Felsrelief'  von  Ibriz. 

-  14.  Sarkopliage  im  Louvre. 

-  15.  Alkmeou,  Hydria  in  Berlin. 

-  16.  Vasen  1)  des  Nikostheues  2)  des  Hermogencs  3)  des  Epiktet. 

-  17.  Schale,  muthmaasslich  von  Euphronios. 

-  18.  19,  1.  Schale,  mutlmiaasslich  von  Hieron. 

-  19,  2.  lunenbild  einer  Leagros-Schale. 

Spalte     9.  Charon,  Teriacottarelief  der  Sammlung  Liechtenstein  in  Wien. 

17.  Charon,  Lekythos  in  Athen  (nach  Pottier,  les  lecythes  blaues  T.  3). 

49.  Rückseite  der  Vase  Tafel  5,1. 

57.  Hekatombe  vom  Südfries  des  Parthenon. 

90.  Münzen  von  Parion  mit  Eros. 

131.  139.    Vase  des  s.  g.  geometrischen  Stils  in  Athen. 
139.  Bronzefibula  aus  Athen. 
142.  Darstellung  eines  orientalisclien  Cylinders. 

169.  Feuerbad  des  Ares  auf  einer  pränestinischen  Ciste  in  Berlin  (nach  Monumenti  IX  T.  48). 
189.  197.  198.  Weibliche  Köpfe  in  Umrisszeichnung  auf  Vasen  des  British  Museum. 
223.  Prometheus,  Carneol-Scarabaeus  zu  Odessa. 
229.  230.  Die  Kindheit  des  Zeus,  Sarkophag  in  Florenz. 
263.  Münzen  von  Tanagra  mit  Dionysos  und  dem  Triton. 
269.  Dioskuren,  Terracottagruppe  aus  Süditalien. 
275.  Vier  weibliche  Marmorköpfe:  A  die  s.  g.  Hera  von  Girgenti  im  British  Museum,  B  im  Besitze 

von  Castellani,  C  im  Berliner  Museum,  D  im  Besitze  des  Herrn  von  Warsberg  in  Wien. 
283.  Mediceische  Poseidon-Statue  (nach  Cavalieri,  Anliqnae  slahiae  urbis  Romae  II  T.  27). 
287.  Bronzetisch  im  Berliner  Museum. 


CHARONDARSTELLUNGEN 

(Tafel   1-3.) 

„Der  hellenisclie  Mythos  war  der  gemeinsame 
Inhalt  der  hellenischen  Poesie;  jeder  rechte  Dichter 
hatte  nicht  nur  die  Form,  sondern  auch  den  Stoff 
aus  dem  Gesanimtbesitz  des  Volkes  entnommen')." 
Aber  nicht  Alles  entnahm  der  epische  Dichter  jenem 
Gesammtbesitz:    vornehm  wählte  er  aus.     Der  ari- 


stokratische Charakter  einer  Kunstdichtuug  ist 
dem  Epos  eigen  und  neben  aller  voiksthümlichen 
Färbung  der  Schilderung  unverkennbar:  das  hat 
noch  kürzlich  scharf,  aber  gewiss  richtig  von  Wila- 
mowitz  hervorgehoben.  Man  schreibt  anders,  als 
man  spricht;  wer  schreiben  will,  bedient  sich  noch 
heute  gewisser  couventioneller  Ausdrucksweisen, 
welche  dem  gesproclieneu  Wort  fremd  sind,  Leute 
aus  dem  Volk  mehr  noch  und  auffälliger,  als  der 
Gebildete.  Ist  die  Kluft  zwischen  Schreib-  und 
Sprechweise  eine  grosse,  so  ist  sie  es  auch  auf 
anderen  Gebieten  des  geistigen  Schaffens.  Je  freier 
das  Individuum,  je  mehr  eines  dem  andern  gleich- 
berechtigt ist,  um  so  stärker  gewahren  wir  das 
Freiwerden  vom  Angelernten,  von  den  conventio- 
neilen Formen,  wie  im  Leben  überhaupt,  so  im 
Schreiben,  im  Denken  und  Dichten,  in  der  Kunst. 
Epische  Motive,  attischen  Kunstlern  des  fünften 
Jahrhunderts  nacherzählt,  werden  noch  im  vierten 
Jahrhundert  verwendet,  um  den  Grabesbezirk  eines 
lykischen  Grossen  zu  schmücken:  denn  es  herrsehte 
damals  noch  stärker  als  anderswo  die  Macht  der 
Tradition  in  jenem  isolirten  Berglande.  So  mussten 
im  einsamen  Monte  Oliveto  noch  Signorelli  und 
Sodoma  das  religiöse  Gefühl  interpretireu  durch 
episches  Kacherzählen  der  Thaten  des  heiligen 
Benedict;    ungern    genug    gingen    sie    daran    und 


leicht  genug  machten  sie  sich  davon.  Bereits  zu 
Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  bahnten  die  atti- 
sciien  Verfassungsänderungen  die  bald  darauf  fac- 
tisch  gewordene  Gleichberechtigung  aller  Freige- 
borenen an,  und  damit  jenes  Freiwerden  des  Indi- 
viduums, welches  den  Stempel  des  attischen  Volks- 
geistes im  fünften  und  vierten  Jahrliundert  bildet. 
Einen  der  ersten  Schritte  auf  diesem  Wege  hat 
uns  von  Wilamowitz  soeben  mit  glücklichem  Sciiarf- 
sinn  aufgezeigt,  indem  er  ein  altattisches  Weih- 
epigramm und  das  Hyporchema  des  Pratinas  in 
das  rechte  Licht  rückte^):  Myrons  Marsyasgruppe 
zeigt  aber,  wie  lange  in  gewissen  Kreisen  die 
Opposition  gegen  die  neue  Zeit  noch  dauerte. 
Auch  das  geschiciitliche  Verständniss  der  Werde- 
zeit attischer  Kunst  bedarf  noch  sehr  der  Förderung. 
Selbst  wird  der  Mann:  das  ist  die  Signatur  der 
Zeit  zwischen  Kleisthenes  und  Perikles.  Wie  an 
die  Stelle  der  gewerbsmässigen  Choreuten  und 
ihres  öiödaxalog  der  Mäunerchor  attischer  Bürger 
tritt,  so  der  Atliener  an  Stelle  des  loniers  oder 
Inselgriechen,  wenn  es  galt,  Statuen  zu  arbeiten 
oder  das  Epigramm  darunter  zu  dichten. 

Die  führende  Kunst  wurde  bald  die  Malerei, 
weniger  aristokratisch  und  conservativ,  als  die 
Plastik,  auch  dem  Aermsten  zugänglich.  Eine 
anspruchslose  für  Hoch  und  Niedrig  mehr  gleich- 
artige Bestattungsweise  ist  dem  fünften  Jahrliiuidert 
eigen;  wie  an  Stelle  der  Oligarchie  die  Demokiaüe, 
so  tritt  an  Stelle  der  wenigen  stolzen  Porträts, 
welche  bestimmt  waren,  bei  dem  Vorübergehen- 
den eine  hohe  Vorstellung  von  adligen  Männern 
und  Frauen  zu  erwecken,   für  Jedermann  die  ein- 


')  V.  Wihimowitz,   Homer.  Untersuchungen  S.  397. 
Archliolos;.  Zt<;.   Jahrgang  XLHl. 


■-■)   Hermes   XX  S.  Ü2  ff. 


F.  V.  Diilin,  Charondarstclliinyen. 


fache  Stele  mit  dem  Namen  oder  gemalten  Bilde, 
oder  gar  vergänglicher  tbönerner  Schmuck^);  mit 
leichter  Hand  werden  die  Umrisse  der  Verstor- 
benen durch  Malerhand  auf  den  Stein  fixirt,  und 
nicht  blos  er  allein,  sondern  häufig  auch  seine 
nächsten  Angehörigen,  sein  Kind,  sein  Diener;  in 
der  Plastik  schon  verschiedentlich  vorgebildete 
Typen*)  wurden  gewiss  auch  in  der  JVIalerei 
fortgeführt:  leichter  folgten  Griffel  und  Pinsel  der 
zartesten  Tönung  der  Empfindung;  inneres  Leben 
erfüllt  die  Gestalten,  und  als  das  Bild  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts  wieder  in  die  Plastik  tritt"),  da 
ist  es  ein  ganz  anderes  geworden,  und  vernehm- 
lich auch  unserem  Herzen  tönt  die  stille  Klage  um 
verlorenes  Glück.  —  Den  Weg,  welchen  die  für  uns 
fast  verlorene  sepulcrale  Malerei  genommen  haben 
muss,  scheint  die  Geschichte  der  Lekythenmalerei 
uns  noch  anzudeuten '^^).  Was  wir  zu  Ende  des 
Jahrhunderts  als  vollzogene  Tiiatsache  vor  uns 
sehen,  auf  den  Reliefs  der  Gräberstrasse  so  gut 
wie  in  den  Dramen  des  Euripides,  das  bereitet  sich 
im  Laufe  des  Jahrhunderts  vor  unseren  Augen  vor, 
an  hundert  Punkten  greifbar. 

Wer  die  Giebel  von  Aigina  mit  ihrem  Schmuck 
füllte,  war  noch  gewöhnt,  sein  Denken  und  Em- 
pfinden einzufügen  in  den  selbstgewählten  Zwang 
epischer  Ausdrucksweise,  die  eigenen  Gedanken  in 

■')  Eine  Parallele  zu  den  Lutroplioioi  sind  die  nach  Vasen- 
art  bemalten  Firstdeckziegel  (Benmlorf,  Vasenb.  S.  70;  Furt- 
wängler,  Samml.   Saboiuoff  zu  Tat"  LII). 

•")  Z.  B.  Mitiheil.  des  Arch.  Inst    VIII  Tuf  XVII. 

')  Sitzungsber.  der  küuigl.  jjreuss.  Akademie  der  Wissenscli. 
1882  S.  575  redet  Conze  mit  Kecht  von  der  praktischen  Gleich- 
stellung von  Malerei  und  Relief.  Als  Beleg  hierzu  und  als 
Parallele  zu  der  uns  im  Folgenden  beschäftigenden  Erscheinung 
ist  das  enge  Verwandtschaftsverhültniss  bemerkenswerth  zwischen 
der  alterthümlichen  Terracottaplatte  mit  Uarstellung  der  ?z</oo(« 
(Piraeus),  jetzt  in  Kopenhagen  (Kayet,  Monutn.  de  l'art  ant. 
pl.  75)  und  einer  sf.  Vase  aus  Vulci  im  Cab.  des  midailles  4901), 
abgeb.  bei  Micali  Mon.  per  serv.  alla  stör.  d'It.  96,1,  besser 
Gaz.  d.  b.  arts.  1878,  I,  105  =  Rayet,  a.  a.  O.  Text.  Auch 
an  das  Verhältniss  der  bekannten  Vase  aus  Chiusi  Mon.  deW 
Ist.  IX  42  zu  den  freilich  bedeutend  späteren  Terracottareliel's 
gleicher  Darstellung  mag  hier  erinnert  werden  ,  ebenso  an  das- 
jenige des  von  Purgold  zusammengefundenen  archaischen  Giebel- 
feldes auf  der  Akropolis  ('/ir/Tj^u.  tiijy.  1884  nCv.  7)  zu  den  sf. 
Vasenbildern  mit  gleicher  Darstellung,  dos  Kekropsreliefs  zu 
den  Vasen  u.  ä. 

'■)  Furtwäiigler,  Arch.  Zeitg.   ISSO  S.1.36.  137. 


die  epischeu  Formen  zu  kleiden;  die  monumentale 
Kunst  des  kimonischen  und  perikleischen  Athen 
beginnt  sich  ihre  eigene  Sprache  und  dieser  Sprache 
wieder  ihren  eigenen  Inhalt  zu  schaffen,  erst  lang- 
sam und  allmählich,  bald  immer  rascher.  Am  klarsten 
ist  dieser  Process  an  den  Vasenbildern  zu  verfolgen, 
wo  erst  in  den  rothfigurigeu  Vasen  die  neue  Zeit 
sich  uns  aufthut;  doch  auch  hier  zuerst  mit  alten 
Schläuchen,  in  die  der  neue  Wein  gefüllt  wird. 
Bald  aber  gewahrt  man  die  Emancipation  vom  Epos 
in  merkwürdiger  Weise  sich  regen:  gerade  solche 
Mythen  werden  hervorgeholt,  welche  das  aristo- 
kratische Epos  verschmäht  hat,  die  Localsage,  der 
nicht  kunstmässig  verarbeitete  Volksmythos  drängt 
sich  seit  Euphronios'  Zeiten  überall  vor,  durchbricht 
die  traditionellen  Schranken,  welche  die  heroische 
Dichtung  ihm  setzte,  an  denen  in  Attika  noch  kein 
Stesichoros  gerüttelt li atte.  Eminent  v o  1  k s t h  ü m  1  i c h , 
in  manchen  ihrer  Aeusserungen  wahlverwandt  der 
vorangeeilten  Lyrik  anderer  Stämme,  ist  somit  die 
athenische  Kunst  und  ganze  Cultur  der  zweiten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts.  Aber  nicht  lange 
dauert  dieser  glückliche  Zustand:  entweder  unter- 
liegt auch  das  eigentlich  Volksthümliche  der  lite- 
rarischen Verarbeitung  und  verändert  dadurch  seinen 
Charakter,  oder  aber  es  wird  durch  die  auf  höherem 
Kothurn  dahinschreitende  Bildung  wieder  zurück- 
gedrängt. An  Stelle  der  materiellen  Aristokratie 
des  sechsten  Jahrhunderts  tritt  im  Laufe  des  vierten 
gar  bald  eine  geistige,  welche  eine  Kluft  befestigt 
zwischen  Gebildeten  und  Ungebildeten,  die  in  der 
Folgezeit  immer  weiter  und  klaffender  wird  und 
eine  im  wahren  Sinne  volksthümliche  Kunst  und 
Poesie  grösseren  Stiles  nicht  wieder  aufkommen 
lässt. 

Gewiss  werden  die  vorstehenden  Ausführungen 
Manchem  recht  selbstverständlich,  vielleicht  auch 
überflüssig  erschienen  sein.  Ich  habe  sie  aber  nicht 
zurückhalten  wollen,  weil  durch  sie  der  Versuch 
gemacht  werden  sollte,  das  unvermittelte  Erscheinen 
der  Vorstellung  vom  Todtenschiöer  Charon  in  der 
attischen  Kunst  und  Dichtung  des  fünften  Jahr- 
hunderts und  ebenso  das  rasche  Wiedcrvcrsciiwinden 
derselben  nach  Alexander  zu  erklären.  Denn  schwer- 


F.  V.  Dului,  CIiarondai-stelluiiLi 


6 


lieh  wird  Jemand  aus  dem  vereinzelten  Vorkommen 
des  Charon  in  Grabepigrammen  und  sonstiger  grie- 
chischer oder  römischer  Dichtung  und  Prosa  schliessen 
wollen,  der  betreffende  Verseschmied  oder  Sclnift- 
steller  habe  jedesmal  direct  aus  dem  Volksbewusst- 
sein  geschöpft,  ebensowenig  wie  man  vereinzelte 
Grabmonumeute  in  diesem  vSinne  wird  verwerthen 
wollen').  —  Dass  im  attischen  Volksbewusstsein 
die  Vorstellung  vom  Todtenschififer  Charon  wirklich 
lebendig  war,  beweisen  deutlicher  nocii  als  die  be- 
kannten Dichterstellen  von  Aischylos  an  die  gerade 
ihrem  Charakter  nach  volksthiimliclien  Monumente; 
dass  Charou  zum  Todtenfeigen  individualisirt  sei, 
erst  nachdem  die  Phantasie  die  Vorstellungen  von 
der  Unterwelt  bis  in  die  bekannten  Einzelheiten 
ausgebaut  hatte,  also  spätestens  im  sechsten  Jahrhuu- 
dertj,  wird  man  ja  von  Wilamowitz*)  gern  zugeben; 
dass  Charon  selbst  erst  eine  Schöpfung  dieser  Zeit 
sei,  wird  widerlegt  durch  die  gewisslich  mit  dem 
Namen  aus  Griechenland  frühzeitig  übernommene 
Gestalt  des  ganz  anders  functiouirenden  etruskischen 
Charun'),  wie  ich  glaube  auch  durch  den  niittel- 
und  neugriechischen  Charos'"),  der,  in  einigen  Ge- 
genden sogar  mit  der  Cbarontissa  gepaart,  unmöglich 
aus  einer  Weiterbildung  der  Vorstellung  vom  Tod- 
tenfergen  entstanden  sein  kann,  sondern  aus  einer 
tieferen  Schicht  des  Volksglaubens  nach  Wegrasi- 
rung  der  oberen  Lagen  zu  Tage  getretener  eiir- 
würdiger  Rest  ist  einer  uralten  persönlichen  Hades- 
vorstellung  "). 

Die    griechischen    Cliarondarstellungen    guter 

')  So  hat  jetzt  i.  ß.  lür  den  vaticaiiischen  l'rotesilaos- 
sarkophag  M.  Mayer  (Hermes  XX  S.  125)  unmittelbaren  Anschlnss 
an  Enripides  wahrscheinlich  gemacht. 

*)  Uomer.  Unters.  S.  225;  vgl.  S.  33!ir 

')  MilchhiU'er,  Anf.  d.  Kunst  in  Griechen!.  S.  235.  Von  ähn- 
licher W'ichtigkeit  für  das  Verstäodniss  des  griechischen  Gervones 
ist  der  etruskische  Trabant  des  Pluton,  den  man  nicht  etwa  mit 
Körte  Ann.  d  Ist.  1S79  p.  304  einfach  als  „orora  mandato  iiW 
inferno  dalla  mono  vittrice  d'Ercoh"  erklären  darf. 

'»)  B.  Schmidt,  Volksl.  d.  Neugriechen  S.  222—246;  gricch. 
Märchen  u.  s.  w.  S.  158—180. 

")  Vgl.  Find.  Ol.  IX,  50.  Wie  zähe  auch  Hades  als  Per- 
sönlichkeit sich  hielt,  zeigt  z.  B.  die  Lazaruserweckung  in  einem 
byzantinischen  Psalter  des  13.  Jahrhunderts,  mit  der  Hamilton- 
sammlung  nach  Berlin  gekommen:  G.  Voss,  Zeitschr.  f.  bild. 
Kunst  1884  S.  335. 


Zeit'-)  sind  alle  mit  einander  verwandt:  es  ist 
Familienverwandtscliaft  zwischen  ihnen,  nicht  blosse 
Aehnliclikeit,  wie  sie  sich  häufig  von  selbst  ergiebt, 
wo  eine  auf  wenige  typische  Gestalten  bescliränkte 
einfache  Handlung  von  verschiedenen  Künstlern 
dargestellt  werden  soll.  Niemals  ist  auf  den  jetzt 
schon  ziemlich  zahlreichen  Lekythen  ")  der  Augen- 
blick der  Ueberfahrt,  nie  derjenige  der  Ankunft 
drüben  gewählt.  Eigentlich  sind  es  nur  zweiTypen'^), 
von  denen  der  erste  die  Ankunft  der  Todteu  am 
Unterweltsflusse  und  ihre  erste  Begegnung  mit 
Charon  darstellt,  während  der  zweite,  augenschein- 
lich später  erfundene  eine  Combination  herzustellen 
sucht  zwischen  dieser  Scene  und  der  Trauer  am 
Grabmal,  jenem  stets  wirkungsvollen  und  hundert- 
fältig von  ihnen  wiederholten  Lieblingsgegenstand 
der  Lekythenmaler  und  ihrer  Abnehmer.  Der  erste 
Typus  lässt  sicli  wieder  in  zwei  Unterabtheilungen 
zerlegen,  je  nachdem  die  Gestalt  des  Heimes  theils 
vermittelnd  eintritt,  theils  weggelassen  ist;  von  die- 
sen Unterabtheilungen  durfte  die  zweite,  zahlreicher 
vertretene  die  ersterc  zur  Voraussetzung  gehabt  haben, 
die  Weglassung  des  Hermes  nur  eine  Vereinfachung 
darstellen. 

Von  beiden  Haupttypen  bieten  Tafel  1 — 3  schöne 
und  lehrreiche  Beispiele. 

Das  Terracottarelief  auf  Taf.  1  ist  seit  kurzem 
im  Besitz  des  Berliner  Museums.  Der  Fundort  ist 
nicht  bekannt,  beim  Verkauf  wurde  nur  angegeben, 
dass  es  aus  Kleinasien  stamme.  Eingedenk  der 
Warnung  Reinach's")  wird   man  jedoch  gut  tliun, 

'-■)  Spätere  zusammengestellt  von  G.  Krüger,  Charon  und 
Thanatos,  Progr.  von  Charlottenburg,  Berlin  1866  S.  ICH'. 
Natürlich  giebt  es  da  zu  sichten  und  nachzutragen. 

'•')  Das  bis  jetzt  vollständigste  Verzeichniss  giebt  Pottier: 
Etüde  sur  les  lg,ythes  btancs  atiiques  (bibl.  des  icol.  frnnc.  XXX), 
Paris  1883.  p.  34  fi'. 

'^)  Ich  bemerke,  dass  es  mir  nicht  möglich  ist,  auf  dem 
bekannten  Relief  der  Grdberstrasse  (v.  Sybel  3328)  Charon  zu  er- 
kennen. Die  grosse  Barke  liegt  mit  dem  Hintertheil  am  Ufer 
und  zeigt  ausser  dem  Steuerruder  noch  eine  reguläre  Ruderreihe: 
der  behaglich  darin  sitzende  Schiffer  zeigt  keine  für  Charon  be- 
zeichnende Eigenthümlichkeit.  Schon  Salinas  {ilonum.  sepolcr. 
j>T.  la  chiesa  dt  S.  Trinitä  in  Atene  p.  25  entschied  sich  mit 
richtigen  Gründen  gegen  die  Deutung.  Ich  möchte  nicht  ein- 
mal mit  Milchhöfer  (Museen  Athens  S.  37)  wagen,  den  Unter- 
weltsnachen festzuhalten. 

1^)   Keine  archiol.    1SS4,  II  p.  95. 

1* 


F.  V.  Duliii,  Charondarstellnnu'en. 


8 


gegen  nicht  zweifellos  bezeugte  Provenienzangaben 
aus  Kleinasien  in  jetziger  Zeit  etwas  skeptisch  zu 
sein.  Dass  vielmehr  für  ein  Terracottarelief  dieses 
Gegenstandes  und  dieser  Zeit,  der  Wende  etwa 
vom  fünften  zum  vierten  Jahrhundert,  alle  Wahr- 
scheinlichkeit für  Attika  wenigstens  als  Fabrika- 
tionsort spricht,  wird  sich  aus  den  vorherigen  all- 
gemeinen Erörterungen  bereits  als  das  nächstliegende 
ergeben  haben,  durch  weiter  unten  folgende  Be- 
trachtungen noch  wahrscheinlicher  machen  lassen. 

Die  Maasse  sind  folgende:  Länge  0.235,  Höhe 
0.18.  Merkmale  die  auf  die  ursprüngliche  Verwen- 
dung und  Befestigung  schliessen  lassen  würden, 
sind  keine  vorhanden.  „Farbenspuren  sind  folgende 
erhalten:  die  Exomis  des  Charon  war  dunkelbraun, 
am  Körper  sind  .'Spuren  von  heilerem  Braun;  der 
dachen  war  gelb.  Die  Chlamys  des  Hermes  war 
roth,  auch  das  Haar  des  Mädchens.  Neben  dem 
Gewände  des  Hermes  zeigt  der  Reliefgrund  Reste 
einer  graublauen  Färbung.  Der  weisse  Ueberzug 
des  Thongrundes  ist  an  vielen  Stelleu  erhalten"  "^). 
Die  graublaue  Farbe  des  Hades  bildet  den  Hinter- 
grund, charakterisirt  den  Ort  der  Handlung.  Der 
Nachen  hat  das  Schilf  zurückgestreift,  dem  man 
die  dadurch  veranlasste  Bewegung  noch  ansieht; 
ebenso  überschlagen  sich  noch  in  kleinen  Kräusel- 
wellen die  Wasserfluten,  welche  der  Bug  des  Nachens 
soeben  durchfurchte.  Charon,  der  natürlich  bis 
kurz  vor  diesem  Augenblick  seinen  Platz  hinten  im 
Nachen  hatte,  ist  an  den  Schnabel  geeilt,  mit  dem 
langen  Ruder  im  Arm,  welches  ihm  gerade  diente 
den  Anprall  zu  pariren,  und  im  nächstfolgenden 
Moment  helfen  sollte,  die  etwa  nöthige  Schwenkung 
zu  bewerkstelligen.  Mit  dem  Naturalismus  eines 
Landschaftsmalers  hat  der  Künstler  all  dies  Detail 
dem  ruderkundigen  Beschauer  vor  Augen  geführt: 
das  hin  und  her  wogende  Schilf  mit  seinen  vielfach 
scharf  eingeknickten  Blättern,  das  aufspritzende 
Wasser,  die  noch  heute  in  fast  gleicher  Form  au 
der  venezianischen  Gondel  uns  begegnende  Schna- 
belverzierung, die  breitschauflige  Ruderstange  des 
Flussschiffers,  schliesslich  dessen  ganze  dem  Le- 
i)en     abgelauschte    Gestalt    mit    dunkler    Exomis, 

")  Mittlieilung  der  Ked. 


Schiffermfitze,  struppigem  Haar  und  Bart,  höchst 
gewöhnlich  profilirten  Zügen,  den  tiefliegenden  klei- 
nen, aber  scharf  beobachteuden  Augen  —  das  alles 
muthet  uns  an  wie  eine  in  Plastik  übersetzte  Malerei 
nach  dem  Leben.  —  Gerade  im  Augenblick  seiner 
eigenen  Ankunft,  nichtetwa  ausruhend  nach  längerem 
Warten,  gewahrt  Charon  das  Mädchen,  welches 
Hermes  im  Begriff  ist  ihm  zuzuführen. 

Vielleicht  haben  die  Beiden  schon  auf  Charons 
Ankunft  gewartet,  jetzt  ist  er  wirklich  da.  Hermes 
schreitet  kräftig  vor,  weist  mit  der  Rechten  auf 
Charon  hin,  begleitet  diese  Hinweisung  vielleicht 
noch  durch  ein  paar  Worte,  etwa  „siehe  da  ist  er", 
und  berührt  mit  seiner  Linken  die  r.  Schulter  des 
Mädchens,  um  sie  zu  veranlassen,  ebenfalls  vorzu- 
schreiteu,  vielleicht  um  ihr  dies  Vorschreiten  zu 
erleichtern.  Sie  aber  steht  noch  ruhig  da  und  tasst 
furchtsam,  vielleicht  auch  verschämt,  den  Zipfel 
ihres  Mantels ,  um  ihn  vor's  Antlitz  zu  führen. 
Sie,  die  im  Leben  so  züchtig  und  scheu  erzogen 
war,  soll  jetzt,  verlassen  auch  von  Hermes  dem 
treuen  Geleiter,  dem  einzigen,  der  in  diesem  Augen- 
blick für  ihre  Vorstellung  noch  die  Verbindung 
aufrecht  hält  mit  der  glücklichen  Oberwelt  wohin 
er  zurückkehren  wird,  sie  soll  jetzt  zu  jenem  rauhen 
Furcht  erregenden  Schiffsmann  allein  in  den  Nachen, 
ihm  sich  anvertrauen,  ohne  Schutz,  ohne  Hoffnung, 
ohne  Kenntniss  des  Zieles!  Wir  verstehen  ihr  Inne- 
halten. Es  ist  nicht  blos  Todesfurcht,  es  ist  zugleich 
eine  künstlerisch  und  psychologisch  feine  Consequenz 
aus  jener  Gegenüberstellung  von  Gegensätzen,  wie 
sie  allerdings  schärfer  niciit  gedacht  werden  konn- 
ten"). Hermes  wechselt  Blicke  mit  ihr,  in  welchen 
sie  Ermuthigung,  Beruhigung  finden  mag;  Charon 
selbst  scheint  ein  paar  auffordernde  milde  Worte 
zu  sprechen  und  dieselben  mit  seiner  Linken  zu  be- 
gleiten.    Nur   einen    Augenblick  wird  der  Kampf 

")  Wer  meine  Auft'assung  als  zu  modern  empfunden  tadeln 
mochte,  wird  bei  einer  Durchmusterung  der  sonstigen  verütt'ent- 
lichten  Charondarstellungen  auf  Lekythen  von  ihrer  Richtigkeit 
sich  überzeugen.  Es  liegt  in  der  That  ausser  dem  Ausdruck 
der  Schwermuth  über  den  zu  fassenden  Entschluss  noch  ein 
Etwas  in  jenen  Mädchengestalten,  das  nur  durch  jene  tradi- 
tionelle Auflassung  der  Persönlichkeit  des  Charon  erklärt  wer- 
den kann,  welche  schon  in  der  Bedeutung  seines  Namens  als 
ö  /ttQonus  begründet  liegt. 


F.  V,  Diilui.  Cliaroiularstellungen. 


10 


noch  (lauern,  dann  ist  er  überwunden:  davon  giebt 
uns  künstlerisch  Gewissheit  die  Bewegung  des 
Hermes,  zu  welcher  die  Ruhe  des  Mädchens  in 
einem  Coutrast  steht,  der  nur  Secunden  dauern 
darf,  wenn  er  nicht  unmöglich,  undenkbar  werden 
soll.  Es  war  ein  ungemein  glücklicher  Gedanke, 
durch  Fixiruug  gerade  dieses  Augenblickes  ein  so 
eigenartiges  Leben  in  die  einfache  Gruppe  zu  bringen. 
Zwei  Gestalten  mit  einander  eng  verbunden,  in  der 
auf  dasselbe  Ziel  gerichteten  Bewegung  einen  Augen 
blick  innehaltend,  eine  dritte,  Charon,  nicht  un- 
mittelbar betheiligt,  aber  zur  Trennung  der  Beiden 
berufen,  vielleicht  sogar  selbst  von  leiser  Mitleids- 
regung erfasst,  die  mittlere  Gestalt  durch  ihr  Be- 
wegungsmotiv die  beiden  äusseren  auf  das  natür- 
lichste verbindend  —  wer  wird  da  nicht  an  die 
Rhythmik  des  Orpheusreliefs  gemahnt  werden?  Eine 
so  ganz  andere  Handlung,  so  ganz  andersartige 
Gegensätze  und  doch  das  Compositionsproblem  so 
gleichartig  gelöst!  Ursprung  und  Datirung  des 
Orpheusreliefs  bedürfen  hier  keiner  weiteren  Er- 
örterung; dass  unser  Relief,  schon  angesichts  des 
in  der  Mädchengestalt  noch  leiclit  durclischimmern- 
den  Archaismus  eher   etwas  früher  als  später  ge- 


setzt werden  muss,  wird  man  mir  wohl  zugeben. 
Um  die  Wende  vom  fünften  zum  vierten  Jahrhundert 
wird  auch  unser  Relief  gearbeitet  sein. 

Tiefer  in's  vierte  Jahrhundert  hinein  bringt  uns 
ein  zweites  Terracottarelief,  dem  Inhalt  und  der 
Composition  nach  ähnlich,  der  künstlerischen  Be- 
handlung nach  bereits  einer  anderen  Zeit  ange- 
hörend. Es  ist  ein  schönes  Stück  der  früheren 
Sammlung  Lecuyer,  das  ich  zu  meiner  Freude  im 
Herbst  1883  im  Besitz  des  Fürsten  Liechtenstein  in 
Wien    wiederfand").      Als    vermufhlicher    Fundort 

'*)  Da  die  bisherigen  beiden  photographiscben  Reproduc- 
tionen:  Lenormant,  de  Witte  u.  A.,  Collection  Camilte  Lecuijer  pl. 
7'-;  Fröhner,  Coli.  C.  Lecuyer  (Auktionslciitalog),  Paris  1883  pl.  X 
ungenügend  und  weiteren  Kreisen  kaum  zugänglich  sind,  erschien 
es  der  Red.  besonders  erwünscht,  von  diesem  Relief  eine  gute  neue 
Abbildung  geben  zu  können.  Mit  gleicher  Freundlichkeit  gab 
der  erlauchte  Besitzer  die  Erlaubniss  und  vermittelte  Herr 
Dr.  Schneider  eine  photographische  Aufnahme.  Leider  konnte 
dieselbe ,  wohl  in  Folge  lokaler  Verhältnisse,  nicht  so  aus- 
fallen, dass  sie  einer  nach  allen  Richtungen  befriedigenden  Ver- 
öffentlichung hätte  zu  Grunde  gelegt  werden  können.  Die  Red. 
hat  somit  geglaubt,  sich  auf  einen  anspruchslosen  Zinkdruck 
beschränken  zu  müssen,  der  mit  Benutzung  der  beiden  älteren 
Abbildungen  und  der  neuen  Photographie  hergestellt  worden 
ist.  Der  Schönheit  des  Originals  hat  derselbe  selbstverständ- 
lich nicht  gerecht  werden  können. 


11 


F.  V.  Duliii,  Charondarsteüungen. 


12 


wird  Tanagra  angegeben"),  jedenfalls  liegt  nicht 
der  geringste  Grund  vor,  an  einer  Provenienz  aus 
Griechenland  zu  zweifeln;  schon  die  Aeusserliclj- 
keit  des  am  Aussencontour  weggeschnittenen  Relief- 
grundes verhindert  uns,  an  Kleinasien  zu  denken, 
von  wo  diese  Erinnerung  an  die  alte  Art  der  „me- 
lischen"  Reliefs  bisher  meines  Wissens  durch  kein 
Beispiel  bekannt  ist. 

Herr  Dr.  Schneider  hatte  die  Freundlichkeit,  mir 
folgende  vor  dem  Original  von  ihm  niedergeschrie- 
benen Notizen  zu  übersenden:  „Höhe  0,205.  Länge 
der  Basis  0,25;  hinten  kein  Brennloch,  aus  an  ein- 
ander passenden  Bruchstücken  zusammengefügt. 
Das  Haar  des  Mädchens  und  des  Hermes  ist  blond, 
das  Kleid  des  Mädchens  weiss,  sein  Mantel  rosa, 
sowie  die  Chlamys  des  Hermes,  die  Schuhe  des 
letzteren  dunkel,  an  seinem  Körper  Reste  weisser 
Farbe.  Mütze  und  Exomis  des  Charon  röthlich, 
Bart  und  wie  es  scheint  auch  sein  Haupthaar  weiss, 
Schilf  und  Schiff  dunkelblau'")." 

Eine  Vergleichung  mit  dem  Berliner  Relief  zeigt 
sofort,  dass  jenes  der  Originalerfindung  näher  steht, 
der  Darstellung  und  gewiss  auch  der  Entstelmng 
nach.  An  Stelle  der  strengen  Flächenbehandlung 
des  fünften  Jahrhunderts  ist  im  Wiener  Relief  das 
Bestreben  getreten,  den  Grund  perspectivisch  zu  ver- 
tiefen, ihn  verschwinden  zu  lassen,  die  Gestalten 
vom  Grunde  loszulösen,  Stellung  und  Bewegung 
nicht  mehr  der  Grundfläche  parallel  sich  entwickeln 
zu  lassen.  Nicht  mehr  auf  dem  blossen  coloristi- 
schen  Gegensatz  zwischen  Silhouette  und  Grund 
beruht  die  künstlerische  Wirkuug,  sondern  auf  der 
plastisch  und  perspectivisch  durchgebildeten  freien 
Bewegung  der  ganzen  Figur,  der  Wirkung  von 
Licht  und  Schatten,  auf  der  technischen  Vollendung 
und  psychologischen  Vertiefung  in  ein  Detail,  wel- 
ches durcli  die  einfache  Silhouettenbehandlung  nicht 
mehr  gegeben  werden  kann,  aber  von  der  neuen 
Zeit  gefordert  wird.  An  Stelle  der  coloristisch 
einfachen  Wirkung  des  polygnotischen  Jahrhunderts 

")  Pottier  und  Reinach,  Bull,  de  corr.  Hell.  VII  i>.  499. 

-'')  Frilhncrs  Notizen  im  Auktionskatalog  Coli.  Lecuver 
l'aiis  1883  \i.  20  sind  nicht  ganz  so  ansfühilich.  Die  Chlamys 
des  Hermes  wird  dort  als  roth,  die  Schuhe  als  gelb,  das  Schiff 
als  hellbraun  angegeben. 


ist  im  Zeitalter  des  Apelles  die  Forderung  nach 
einer  malerischen  und  wieder  in  der  Malerei  plasti- 
schen getreten.  Diese  Wandlung  vollzog  sich  im 
vierten  Jahrhundert"');  auf  ihr  als  einer  vollendeten 
Thatsache  beruht  bekanntlich  das  hellenistische 
und  römische  Relief,  soweit  beide  sich  im  Strom 
der  natürlichen  Entwickelung  befinden,  nicht 
mit  Bewusstsein  demselben  entgegenstreben.  Je 
mehr  der  Grund  zurück,  die  Figuren  in  den  Vor- 
dergrund treten,  um  so  naturgemässer  treibt  die 
Entwickelung  im  Gegensatz  zur  früheren  Entfaltung 
auf  der  Fläche  zu  einem  engeren  Zusanimeuschluss 
der  Figuren,  für  die  wieder,  wo  es  um  Leeren  zu 
vermeiden  wünschenswerth  erscheint,  ein  besonderer 
durch  die  Situation  bedingter  Hintergrund  ge- 
schaffen wird.  Für  letzteres  Verfahren  bietet  z.  B. 
der  kleine  Fries  von  Pergamon  und  manche  der 
hellenistischen  „Reliefbilder"  vielfache  Belege;  auf 
unserem  Wiener  Relief  erklärt  sich  aus  dieser 
Ueberlegung  der  hinter  und  rings  um  den  Nachen 
des  Charon  herumgeführte  Schilfhintergrund.  Das 
Schilf  zeigt  bei  weitem  nicht  mehr  jenes  Streben, 
eine  richtige  Gesammtwirkuug  durch  sorgfältige 
Zeichnung  der  Einzelheiten  zu  erzielen,  ebenso 
wenig  wie  die  Wellen  unter  dem  Nachen:  Schilf 
und  Wellen  sind  „malerischer"  behandelt.  Wäh- 
rend auf  dem  Berliner  Relief  Charon  selbst  nur  der 
Situation  und  der  Rücksicht  auf  die  beiden  An- 
kömmlinge entsprechend  dargestellt  ist,  tritt  im 
Wiener  Relief  die  Rücksicht  auf  den  Beschauer 
hinzu;  sein  Nachen  steht  nicht  mehr  in  strengem 
Profil,  er  selbst  aber  halb  in  Vorderansicht.  Um 
dieselbe  zu  erreichen  wurde  das  Ruder  der  Rechten, 
welche  im  Begriff  war,  damit  zu  agireu,  genom- 
men und  in  die  Linke  gegeben,  und  der  durch 
diesen  Wechsel  hervorgerufenen  Vorstellung  grös- 
serer Ruhe  entsprechend  die  so  lebendige  Bewegung 
der  freien  Hand,  jetzt  auch  perspectivisch  schwierig 
geworden,  ersetzt  durch  die  lässig  bequeme  Hüft- 
stellung; folgerichtiger  Weise  musste  jetzt  auch  der 
Mund  geschlossen  werden.     So  ist  schliesslich  au 

-')  Mitth.  des  Archäol.  Inst.  II  S.  214;  Schreiber,  Archäol. 
Zeitg.  1880  S.  157;  Conze,  Sit/.ungsber.  der  künigl.  jireuss.  Akad. 
d.  W.   1882  S.  570. 


13 


F.  V.  Diilii),  Cliaroiularstellnngen. 


14 


Stelle  der  leisen  Tlieilnalime,  die  aus  dem  stark 
vornüber,  der  Gruppe  entgegen  geneigten  Cliaron 
des  Berliner  Reliefs  so  liebenswürdig  uns  entgcgen- 
zuklingeu  scheint,  ein  kaltes  Abwarten  getreten, 
eine  Interesselosigkeit,  welche  nur  die  alltägliche 
Pflicht  kennt  und  keinen  Unterschied  macht,  ob  es 
nun  gilt,  einen  altersschwachen  Greis  oder  ein 
jugendfrisches  Miidciien  in  das  Todteureich  zu  be- 
fördern. Der  Contrast  zu  der  Gruppe  rechts  wird 
dadurch  um  so  fühlbarer.  Diese  ist  enger  zusam- 
mengeschlossen, zunächst  in  Folge  des  vorhin  Ite- 
sprochenen  Zurücktretens  des  Grundes.  Dann  aber 
hat  der  Künstler  augenscheinlich  den  zwar  psycho- 
logisch richtigen  Gegensatz  zwisciien  der  lebhaften 
Bewegung  des  Hermes  und  dem  Stillstehen  des 
Mädchens,  welchen  die  ältere  Vorlage  aufweist,  als 
künstlerisch  unrichtig  empfunden^'').  Er  gleicht 
diesen  Gegensatz  aus,  indem  er  Hermes  seinen 
Schritt  etwas  massigen,  das  Mädchen  den  ihrigen 
etwas  beschleunigen  lässt,  wobei  die  leichte  Vor- 
neigung der  beiden,  künstlerisch  derjenigen  des 
Charon  entsprechend,  jeden  Zweifel  nimmt,  ob  die 
Bewegung  zu  Ende  geführt  werden  wird.  Die  Ver- 
tiefung des  Grundes  im  Verein  mit  der  mehr  in 
Vorderansicht  genommenen  Bewegung  der  Beiden 
erlaubt  es  ihm  ferner,  Hermes  nicht  blos  in  nähere, 
sondern  auch  in  künstlerisch  gefälligere  Beziehung 
zum  Mädchen  zu  setzen;  der  Führer  tritt  mehr  an 
ihre  Seite,  lässt  dadurch  ihr  den  Blick  auf  Charon 
frei  und  bringt  sie  mehr  in  den  Vordergrund,  wo- 
durch das  Interesse  des  Beschauers  sich  sofort  ihr 
zuwendet.  Seine  Chlamys  braucht  jetzt  nicht  mehr 
hinten  so  lang  niederzufallen,  da  keine  Veran- 
lassung  mehr   vorliegt,    den   Körper  von    ihr   sich 

-^  Kein  Verständiger  wird  aus  den  personlichen  Wendun- 
gen, die  ich  der  Deutlichkeit  und  Einfachheit  wegen  vorziehe, 
den  Schluss  ziehen  wollen,  als  würde  ich  als  unmittelbares  Vor- 
bild der  Composition  des  Wiener  Keliefs  diejenige  des  Berliner 
ansehen.  Wie  viele  Zwischenglieder  vorhanden  waren,  wie  viele 
künstlerische  Persönlichkeiten  vermittelnd  eingetreten  sind, 
können  wir  nicht  wissen.  Es  kommt  hier  nur  darauf  an,  ur- 
sprüngliche Identität  der  Composition  und  bewusste  Umsetzung 
derselben  in  den  Geist  einer  neuen  Zeit  nachzuweisen.  Dass 
eine  solche  Umsetzung  meistens  langsam  vor  sich  geht,  mitunter 
aber  auch  rasch,  plötzlich,  von  einer  Künstlerpersönlichkeit  zur 
andern,  stattfindet,  lässt  sich  durch  vielfache  Analogien  aus  der 
Renaissance  erweisen. 


abheben  zu  lassen;  sie  fällt  deswegen  vorn  länger, 
bis  zum  Obersehenkel,  herab,  in  glücklichem  colo- 
ristischen  Gegensatz  zu  seiner  Hautfarbe  einerseits, 
auf  der  anderen  Seite  zum  weissen  Cliiton  und 
rosa  Mantel  des  Mädchens.  Seinen  Kopf  braucht 
er  nicht  mehr  in  Profilansicht  umzudrehen,  der 
Gegensatz  zwischen  seiner  Bewegung  und  Kopf- 
richtung ist  aufgehoben,  und  mit  leichter  Wendung 
trifft  sein  schönes  Antlitz,  in  seiner  feinen  praxite- 
lischen  '-^)  Form  jetzt  recht  zur  Geltung  kommend, 
dasjenige  des  Mädchens.  Die  glücklichste  Folge  der 
ganzen  Veränderung  ist  aber  die  Möglichkeit,  seinen 
Armen  ein  anderes  Bewegungsmotiv  zu  geben: 
während  der  rechte  Arm  auf  dem  Berliner  Relief 
unglücklich  an  den  Körper  gepresst  werden  musste, 
um  nicht  mit  der  Hand  des  Charon  zu  collidiren, 
hat  er  jetzt  Raum  zu  freierer  Bewegung  erhalten, 
der  linke  Arm  aber  braucht  nicht  mehr,  in  jener 
zwar  deutliclien  aber  weder  für  den  Faltenwurf 
seiner  Chlamys  noch  für  die  Armbewegung  des 
Mädchens  vortheilhaften  Weise  ihr  vou  vorn  auf 
die  Schulter  gelegt  zu  werden ;  er  verschwindet 
hinter  dem  Rücken  des  Mädchens  und  übt  höchstens 
mit  der  Hand  einen  leisen  zarten  Druck  auf  die 
EntSchliessung  seiner  Schutzbefohlenen  aus.  Die 
Hand  des  Mädchens  aber  wird  frei  und  kann  jetzt 
mit  dem  Zipfel  des  Mantels  zum  Kinne  geführt 
werden,  diesem  zur  Stütze,  mit  jenem  den  Alten 
so  geläufigen  Ausdruck  schmerzvollen  Sinnens,  der 
an  Stelle  des  zwar  naiven  aber  unklaren  Gewand- 
motivs auf  dem  Berliner  Relief  getreten  ist.  Dort 
wird  das  Heben  des  Gewandes  nur  erklärt  durch 
den  gleichzeitigen  Anblick  des  Charon;  hier  hat 
sie  Charon  längst  erblickt,  sie  weiss,  dass  er  da 
steht;  zögernd  setzt  sie  den  Fuss  vor,  sinnend  haften 
ihre  Augen  am  Boden;  der  feingeschnittene  Mund 
ist  nicht  festgeschlossen,  wie  man  nach  dem  gerade 
hier  besonders  mangelhaften  Zinkdruck  vermuthen 
müsste;  leise  Klage  entweicht  ihren  Lippen,  die 
sich  eben  ein  wenig  zu  öffnen  scheinen,  vielleicht 
auch  zu  öffnen,  um  ihren  Entschluss  auszusprechen 
und  von  Hermes  mit  einem  letzten  Worte  Abschied 

'-^)  Natürlich  nur  am  Original  oder  auf  der  Originalplioto- 
graphie  wahniohmbar. 


15 


F.  V.  Duliu,  Cliarondarstelluiigen. 


16 


zu  nehmen.  Ein  eigener  poetischer  Schimmer  liegt 
über  dieser  Gruppe;  der  Beschauer  wird  dauernd 
durch  sie  beschäftigt,  er  fühlt  sich  aufgefordert,  die 
Gedanken  des  Mädchens  nicht  blos  zu  errathen, 
sondern  auch  sie  nachzudenken;  der  Contrast  zu 
Charon  ist  mehr  in  das  geistige  Gebiet  übertragen 
und  wirkt  dadurch  doppelt  intensiv.  —  Auch  die 
Tracht  des  Mädchens  hat  sich  in  charakteristischer 
Weise  verändert;  zwar  hebt  auch  hier  noch  die 
Linke  den  Mantel,  damit  er  auf  der  Wanderung 
sie  nicht  belästige:  aber  aus  dem  kleinen  Zipfel 
des  Berliner  Reliefs  ist  eine  Hülle  für  den  unteren 
Theil  der  Gestalt  geworden,  welcher  die  Vertikal- 
falten in  wirksamster  Weise  abschneidet  und  gleich- 
zeitig dem  Oberkörper,  der  aus  ihm  schlank 
emporsteigt,  als  Folie  dient.  Sehr  viel  mehr  Sorg- 
falt ist  auf  die  Ausführung  der  weichen  feinen 
Falten  des  Chitons  vom  Künstler  des  Berliner  Reliefs 
gewendet,  aber  eine  gewisse  Eintönigkeit  lässt  sich 
nicht  läugnen:  wie  unten  durch  den  Mantel  und  die 
Bewegung  des  Schreitens,  so  hat  oben  durch  die 
effectvoUe,  wenn  auch  nichts  weniger  als  naive  Ent- 
blössung  der  linken  Brust  unser  Künstler  Ab- 
wechslung in  die  Erscheinung  der  jugendlichen 
Gestalt  zu  bringen  gesucht  und  auch  verstanden. 

So  stehen  sich  diese  beiden  Darstellungen  des- 
selben Gegenstandes  thatsächlich  gleichberechtigt 
gegenüber,  jede  als  ein  schönes  Zeugniss  künstle- 
rischen Könnens  und  Empfindens,  unter  sich  ver- 
schieden, wie  es  die  Menschen  des  Phidias  waren 
von  denen  des  Praxiteles. 

Bereits  bei  Besprechung  des  Berliner  Reliefs 
glaubte  ich  den  Eindruck,  welchen  namentlich  seine 
linke  Hälfte  machte,  bezeichnen  zu  müssen  als  den- 
jenigen einer  in  Plastik  übersetzten  Malerei,  natür- 
lich einer  Malerei  im  Sinne  und  Stil  noch  des 
fünften  Jahrhunderts,  an  dessen  Ausgang,  allenfalls 
an  den  Anfang  des  folgenden,  das  Relief  ja  ge- 
hören wird.  Die  neuen  Lehren  eines  Zeuxis  und 
Parrhasios  waren  noch  kein  Gemeingut  geworden, 
als  die  attischen  Handwerker  ihre  Gestalten  auf 
die  Lekythen  malten,  nur  mit  dem  Gegensatz  von 
Silhouette  und  Grund  operirten,  und  trotz  der  ein- 
fachen Colorirung  durch  die  Klarheit  der  Compo- 


sition  und  die  Innigkeit  der  Empfindung  ihrer 
Wirkung  sicher  sein  konnten.  An  jene  Lekytlien 
wird  man  angesichts  des  Berliner  Reliefs  un- 
mittelbar erinnert,  schon  durch  die  Gruppirung  und 
Behandlung  der  Gestalten  im  allgemeinen;  der 
glückliche  Umstand,  dass  unter  den  erhaltenen 
Charonlekythen  sich  zwei  befinden,  deren  Compo- 
sition  mit  der  unseren  so  übereinstimmt,  dass  ein 
Verwandtschaftsverhältniss  nicht  abgeläugnet  werden 
kann,  ermöglicht  es  uns,  jene  Rückführung  auf  ein 
gemaltes  attisches  Original  des  fünften  Jahrhunderts 
mit  noch  grösserer  Bestimmtheit  auszusprechen. 
Beide  Lekythen  unterscheiden  sich  von  den  übrigen 
dadurch,  dass  sie  die  Gestalt  des  Hermes  an  der- 
selben Stelle  und  in  der  gleichen  Function  wie 
auf  den  Terracottareliefs  erhalten  haben.  Die  eine, 
in  München,  die  jüngere,  ist  mehrfach  veröffent- 
licht,*^) die  zweite,  einer  athenischen  Privatsamm- 
lung angehörig,  wird  hier  in  Zinkdruck  wiederholt, 
nach  der  farbigen  Publikation  Pottier's  verkleinert"). 
Dieselbe,  ü,32  hoch,  ist  bei  Halimus  (Trachones) 
gefunden  und  wird  von  M^ionas  als  untadelig  er- 
halten bezeichnet,  womit  Pottier's  Tafel  nicht  ganz 
übereinzustimmen  scheint.  Die  Farben  werden  als 
theil  weise  restaurirt  angegeben:  Bart  und  Haupt- 
haar der  drei  Gestalten  sind  schwarz,  der  Chiton 
des  Charon  weinroth,  feuerroth  der  Mantel  des 
Jünglings  und  wie  es  scheint  aucli  die  Chlamys 
des  Hermes,  ebenso  verticale  Streifen  an  des 
letzteren  Schuhen.  Gelbbraun  sind  Nachen  und 
Ruderstange.  Also  auch  in  den  Hauptfarben 
herrscht  Uebereinstimmung  mit  den  Reliefs. 

Gewiss  steht  die  Darstellung  dieser  Lekythos 
dem  Archetypos  des  ganzen  Bildes  am  nächsten. 
Während  die  Münchener  Lekythos  zwar  den  Charon 
als  gerade  heranfahrend  noch  deutlicher  festhält, 
schildert  sie  ihn  dabei  docli  schon  mit  einem  im 
Gegensatz  zu  der  inniger  zusamniengesclilosseneu 
Gruppe  des  Hermes  und  des  Mädchens  absicht- 
lichen  Realisnms,    wie   er   unserer   Lekythos  nocli 

-')  Stackeiberg,  Gräber  der  Hell,  T.  47;  Benndorf,  griecb.- 
sic.  Vasenb.  T.  27,  1,  wonach  in  Roscher's  Lexikon  und  Hau- 
nieister's  Denkni.   im  Artikel   'Charon'. 

■')  Les  Uci/thes  blams  \>\.  III.  Vgl.  ebenda  \>.  35,  ö  und 
Mylonas,  BuU.  de  corr.  hell.  III  p.  177,2. 


17 


F.  V.  Dulm,  CharondarstcUunKen. 


18 


fremd  ist.  Auf  ihr  sehen  wir  das  Schema  der  drei 
Gestalten  in  der  einfachsten  Weise  vor  uns,  noch 
ohne  alles  landschaftliehe  Beiwerk,  das  schon 
manche  der  jüngeren  Charonlekythen  aufweisen. 
Der  noch  bärtige  Hermes,  genau  in  der  Mitte  in 
Vorderansicht  stehend,  weist  rechts  auf  Charon, 
während  Linke  und  Kopfwendung  zum  Jüngling 
gehen.  Dieser  steht  ruhig  da,  eingewickelt  in  den 
Mantel;  wir  sehen  in  ihm  den  noch  unbewussten 
Keim  zum  beabsichtigten  Stillstand  des  Berliner 
Eeliefs.  Die  Weiterbewegung  des  Typus,  welche 
schliesslich  im  Wiener  IJelief  aus  dieser  schon  auf 
der  Münchener  Lekythos  mit  feiner  Absicht  in's 
Weibliche  übersetzten  Gestalt  die  Hauptperson 
macht,  hat  noch  nicht  eingesetzt.  Völlig  neutral 
stellt  Hermes  nur  den  Vermittler  dar  zwischen 
Jüngling  und  Charon;  die  Gefühlsregungen  in  der 
Gruppe  wie  im  Charon  zu  entdecken  überlässt  der 
Maler  noch  durchaus  dem  Beschauer. 

Das  ruhige  ^^og  der  polygnotischen  Schöpfungen 
werden  wir  uns  ähnlich  zu  denken  haben.  Die 
erste  in  der  griechischen  Kunst  ims  bekannte 
Charondarstelluug  war  in  der  Lesche  zu  Delphi 
von  Polygnotos'  Hand  geschaffen:  wäre  der  Gegen- 
stand damals  schon  in  Literatur  und  Kunst  ein 
allgemein  geläufiger  gewesen,  so  hätten  schwer- 
lich die  gelehrten  Erklärer  den  Schluss  gezogen 
auf  die  Minyas  als  directe  Quelle  des  Malers.  Die 
erste  uns  erhaltene  Darstellung  findet  sich  auf  einer 

Archiiolog.  Ztg.  Jahrgauf;  XLUI. 


attischen  Lekythos,  auf  vielen  anderen  ebenfalls 
attischen  die  Weiterentwickelung.  Noch  im  poly- 
gnotischen Zeitalter  wird  ein  in  Attika  ansässiger 
Maler  die  so  entwickelungsfähige  Composition  zum 
ersten  Male  geschaffen  haben,  deren  Weiterbildungen 
wir  so  glücklich  waren,  bis  in  die  zweite  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts  herabverfolgen  zu  können. 


Tafel  2  und  3  geben  die  Darstellungen  zweier 
Lekythen,  welche  im  Jahre  1880  in  den  Besitz  des 
Berliner  Museums  kamen*'^).  Beide  sind  in  Attika 
gefunden. 

Die  Lekythos  der  Taf.  2  (Furtwängler,  Katalog 
der  Berliner  Vasensammluug  II,  2681)  ist  „0,465 
hoch.  Unter  dem  Boote  ist  die  Wassermasse  violett, 
das  Schilf  ist  schwarz.  Der  Mantel  des  Mädchens 
ist  violett,  dieselbe  Farbe  haben  die  herabhängenden 
Tänien." 

Die  Lekythos  Taf  3  (Furtwängler  II,  2680)  ist 
„0,535  hoch.  Die  Akanthosblätter  unten  an  der 
Stele  sind  violett  mit  rothbraunem  Contur,  violett 
auch  die  Akanthosblätter  oben  neben  den  Palmetten, 
welche  blassgelb  auf  grünem,  grösstentheils  ver- 
wischtem Grunde  sind.  Die  Streifen  am  Gewände 
der  Frau  sind  violett ,  ihr  Haar  rothbraun.  Die 
Exomis   des  Charon    ist  jetzt  violettschwarz.     Die 

-')  Archäol.  Zeitg.  18S1  S.  259.  Die  iiusseren  Angaben  ver- 
danke ich  freundlicher  Mittheilung  der  Redaktion. 


19 


F.  V.  Duhn,  Charondarstellungen. 


20 


kiirbisälinlicheu    Gegenstände    nuten    rechts    sind 
grün,  das  Schilf  ist  dunkelviolett." 

Es  sind  die  ersten  Exemplare  dieser  von  mir 
oben  S.  6  als  zweiter  Typus  der  Charondarstel- 
lungen bezeichneten  Composition,  welche  veröffent- 
licht werden.     Die  bis  jetzt  bekannten  sind  folgende: 

1)  Im  Jahre  1870  bei  einem  athenischen  Händler 
(Heydemann,  Arcb.  Zeitg.  XXVIII  (1871)  S.  15,13  = 
Pottier,  les  lecyllies  blancs  p.  38, 18):  „Polychrome 
Lekythos  (H.  0,47),  deren  Zeichnung  nicht  so  fein 
als  gewöhnlich  ist.  Cliaron  im  Nachen,  mit  Peta- 
sos,  Exomis,  und  Stange.  Es  nahen  zwei  Frauen, 
mit  der  R.  den  Schleier  hebend;  hinter  ihnen  As- 
phodelosstaudeu,  vor  ihnen  eine  Stele." 

2)  Berlin.     Unsere  Tafel  2.    (Pottier  38,19.) 

3)  British  Museum,  1873  erworben.  Academy  VI 
(1874)  p.  57:  „ow  one  of  them  (lekythos)  is  io  be 
Seen  Charon  approching  in  his  boat  to  where  a 
lady  Stands  beside  a  iomb." 

4)  Atlien.  Sammlung  Messinesis.  (Mylonas,  Bull, 
de  con:  Hell.  l\  p. -dl  1,1;  Pottier  p.  36,13;  Milch- 
höfer,  Mitth.  des  arch.  Inst.  V  S.  181,3).  Gefunden 
in  einem  Grabe  beim  Dipylou.  H.  0,54.  Pottier: 
„Charon  barbu,  coijfe  d'un  bonnet,  est  debout  ä  droite 
dans  sa  barque  et  tienl  ä  deux  mains  la  rame,  le 
bas  du  Corps  a  disparu.  Au  centre  se  dresse  la 
Stele  couronnee  d'une  palmelte  et  de  feuillage.  Sur  les 
degres  im  jeune  hemme  |  ebenso  Milchböfer;  Mylo- 
nas: yvvaixEia  noQ(frj  mit  Fragezeichen,  wogegen 
Pottier  die  kurzen  Haare  und  die  Bildung  der 
Brust  anführt]  est  assis,  le  haut  du  corps  nu,  une 
draperie  jetee  sur  les  jambes ;  il  tient  entre  les  doigis 
de  la  main  droite  [zwischen  Zeigefinger  und  Daumen 
nach  Mylonas]  l'obole,  quil  va  donner  ä  Cliaron. 
A  gauche  une  femme  drapee,  aux  cheveux  längs  et 
jiendanis,  apporte  vers  la  siele  une  corbeille,  d'oii 
pend  une  bandelelle.  Le  type  de  Charon  est  rcgulier.^^ 
Nacli  Mylonas  ist  die  Ausführung  schön,  Contur- 
linien  noch  sciiarf,  Farben  fast  verschwunden  bis 
auf  die  rothbraune  Farbe  von  Charons  Haar  und 
Bart  und  die  gleiche  Haarfarbe  des  Mädchens. 

5)  Athen.  Sammlung  Messinesis  (Mylonas,  Bull, 
de  corr.  Hell.  IV  p.  372,2;  Pottier  p.  37,14).  In  demsel- 
ben Grabe  mit  der  vorigen  gefunden.  H.  0,32.  Pottier: 


„Charon  barbu,  coijfe  d'un  bannet  ä  bords  retrousses, 
vetu  d'tme  courte  tunique,  est  debout  ä  droite  dans 
sa  barque;  il  tient  la  rame  de  la  main  gauche  et 
tend  l'autre  ä  un  enfant  drape  qui  se  leve  des  degres 
de  la  siele,  oü  il  elait  assis  [yvvaixela  (.lOQcpi^  Mylo- 
nas]. Au  cenire  se  dresse  la  siele  ä  palmelte  cou- 
ronnee de  feuillage  et  ornee  d'une  bandelelle.  On 
aperqoit  encore  les  traits  d'une  siele  plus  large  que  le 
peintre  avait  d'abord  tracee,  mais  qu'il  na  pas  ter- 
minee.  A  gauche,  une  femme  drapee,  dont  la  tele  a 
disparu,  s'avance  vers  la  siele  et  parte  une  corbeille 
d'ou  pend  une  bandelelle;  de  la  main  droite  eile  sou- 
tient  en  l'air  une  aulre  corbeille  qui  parail  contenir 
un  lecythe.  Le  type  de  Charon  est  regulier. ^''  Nach 
Mylonas  sind  die  Farben  bis  auf  das  rothbraune 
Haar  der  Gestalt  an  der  Stele  verschwunden,  die 
Zeichnung  schön. 

6)  Berlin.  Unsere  Tafel  3.  (Pottier  38,20.) 
Auf  1  und  2  kommt  Charon  von  der  linken 
Seite,  ob  auf  3  weiss  ich  nicht;  von  rechts  dagegen 
auf  4—6.  Die  Thatsache,  dass  nicht  blos  auf  den 
Charonlekythen  des  ersten  Typus  die  Hälfte,  darun- 
ter die  älteren  Exemplare,  Charon  von  links  kom- 
men lässt,  sondern  auch  die  beiden  Terracottareliefs, 
legt  uns  nahe,  jene  Richtung  als  die  ursprünglichere 
anzusehen. 

Unsere  Tafel  2  zeigt  uns  somit  zur  Linken  im 
wesentlichen  noch  die  gleiche  Scenerie,  welche  wir 
von  den  Terracottareliefs  kennen:  Vordertheil  des 
Nachens,  Charon  darin  vornübergebeugt  und  auf 
seine  Ruderstange  gelehnt,  Schilf  und  Wasser,  alles 
wie  auf  der  uns  schon  bekannten  Composition  und 
sicher  von  dort  übernommen.  Aber  Unterweltsfluss 
uud  Todtenschiff  kommen  an  die  Oberwelt,  wo 
kein  vermittelnder  Hermes  mehr  nöthig  ist.  Wir 
sehen  die  Verstorbene  auf  deu  Stufen  ihres  eigenen 
Grabmals  sitzend,  ihr  Geschick  betrauernd,  bis 
Charon  kommt,  sie  ganz  dem  Lichte  zu  entführen; 
erstaunt  hält  eine  Gefährtin  der  Verstorbenen  in 
ihrem  Schritt  inne:  die  traute  Vereinigung,  welche 
in  den  Weihegaben  ihren  Nachhall  fand,  die  sie 
am  Grabe  niederlegte,  in  dem  Schmucke,  womit 
sie  dasselbe  umgab,  muss  abgebrochen  werden;  die 
Zeit  löst  alle  Zweifel   über  eine  Fortexistenz  nach 


■21 


F.  V.  nulin,  Charondarstellniisren. 


22 


dem  Tode,  ein  Lebeu  nach  demselben;  die  Todte 
kehrt  niclit  wieder,  Charon  ist  gekommen  und  hat 
sie  entführt  auf  Nimmerwiedersehen.  „We  here 
reach  one  of  lliose  radical  confusions  of  ideas  which 
exist  among  all  peoples,  enen  among  oursehes,  if  we 
take  Ihe  trouble  to  consider  Ihe  malle?-" '").  Die  Vor- 
stellung von  dem  Fortleben  der  Todten  als  fjpweg 
in  seligem  Dasein  war  ursprünglich  allen  Griechen 
gemein;  dieser  Vorstellung  entspringen  die  Opfer- 
gaben und  Erinnerungsfeste  am  Grabe  auch  noch 
im  attischen  Volksbrauche  der  Zeit,  die  uns  be- 
schäftigt. Aber  lebendig  verstanden  war  der  Glaube 
damals  nur  noch  bei  nichtionischen  Griechen  und 
blieb  es  noch  lange.  Diese  mochten  auf  ihren 
Grabsteinen  darstellen  wie  der  selige  Todte  zu  Ross 
der  Anbetung  der  Seinen  theilhaftig  wird  oder  als 
nägeögog  der  Götter  sein  Mahl  einnimmt  in  Gegen- 
wart jener  Qea  Baaileia,  die  kürzlich  Löschcke") 
so  glücklich  zu  neuem  Leben  erweckte,  die  uns  als 
Bezeichnung  d^r  sitzenden  Frau  auf  den  Todten- 
mahlreliefs  in  einem  Falle  inschriftlich  bezeugt  ist^^). 
Wie  die  griechischen  Dialekte  am  richtigsten  in 
ionische  und  nichtionische  geschieden  werden,  so 
auch  eine  Fülle  religiöser  Vorstellungen.  An  Stelle 
des  Heroenglaubens  trat  bei  den  loniern  früh  die 
Verzweiflung  über  das  Nichts,  zu  welchem  der  Tod 
führe,  später  jene  stille  weihevolle  aber  hoffnungs- 
lose Trauer,  welche  die  attischen  Gräber  mit  ewiger 
Poesie  verklärt  hat.  Hoffnungslos  war  die  Trauer: 
denn  selbst  dem  schönstgeschmückten  Grabe  naht 
Charon  und  heischt  die  Todte,  heischt  versöhnende 
Gaben.  Das  Geschenk,  welches  auf  den  altsparta- 
nischen Grabstelen  dem  Heros  selbst  von  seinen 
Hinterbliebenen  dargebracht  wird,  der  Granatapfel : 
hier  nimmt  ihn  nicht  mehr  der  Todte,  sondern 
Charon  entgegen  (Taf.  3).  Dass  die  Verstorbenen 
selber  vielfach  zu  erkennen  seien  unter  jenen  Ge- 
stalten, die  am  Grabmal  in  Trauer  versenkt,  Lyra 

"0  GaiJner,  Joum.  of  hell.  slud.  V   (i.  133. 

-")  Veniuithuugen  zur  griech.  Kunstgescli.  u.  s.  w.  Dor- 
pater  Piogr.   18S4  S.  17. 

-')  Grabrelief  der  städtischen  SammluDg  in  Triest,  von  mir 
neu  untersucht  im  Herbst  1883.  Am  besten  abgeb.  Sitzungsber. 
d.  kaiserl.  Akad.  d.  Wissensch.  LXXI  (1872)  Taf.  I,  2,  wozu 
Conze  S.  323.  (=  Wiener  Vorlegebl.  Ser.  IV  T.  12). 


spielend  oder  sonst  anmuthig  beschäftigt  sitzen, 
haben  Milchhöfer^")  und  Furtwängler^')  mehr  als 
wahrscheinlich  gemacht.  Grade  die  Charonvasen 
unseres  Typus  sind  entscheidend,  was  Milchhöfer 
richtig  erkannte  unter  besonderem  Hinweis  auf 
unsere  Nr.  4,  wo  der  am  Grabmal  sitzende  Jüng- 
ling dem  Charon  seinen  Obolos  hinreicht. 

Während  das  Bild  unserer  Tafel  2  bei  der  ein- 
fach und  klar  angeordneten  Handlung  der  Erklärung 
keine  Schwierigkeit  macht,  ist  das  Bild  auf  Tafel  3 
eigenartig  und  bis  jetzt  ohne  Analogie.  Ich  habe 
bereits  angedeutet,  wie  die  für  die  Todten  bestimmt 
gewesenen  Opfergaben  dem  Charon  anheimfallen, 
der  mit  der  Rechten  nach  ihnen  greift.  Die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  der  Gaben  erklärt  die  Grab- 
stele ;  klar  ist  ebenfalls,  dass  die  Trägerin  der 
Spenden  nicht  die  Verstorbene  selbst  sein  kann. 
Dieselbe  fehlt  aber  nicht,  sondern  schreitet  in  be- 
sonders schönem  epheugesticktem  Gewände  in 
würdevoller  Haltung  heran,  sie  die  Herrin  hinter 
der  Dienerin.  Aber  der  Tod  kennt  keinen  Unter- 
schied; Charon  selbst,  plötzlich  mit  seinem  Nachen 
erschienen,  greift  nach  den  Fruchten,  die  für  die 
Herrin  bestimmt  waren.  —  So  weit  scheint  mir  die 
Deutung  sich  von  selbst  zu  ergeben;  andere  mögen 
eine  finden  für  den  Haufen  grüner  Kürbisse  zur 
Rechten,  an  der  Stelle,  wo  man  nach  Analogie  der 
verwandten  Monumente  die  Andeutung  des  Unter- 
weltsflusses voraussetzen  würde.  Etwa  in  dem 
stillen  Gewässer  schwimmende  Blattpflanzen  zu  er- 
kennen möchte  man  versucht  sein,  wenn  es  auch 
nur  annähernd  ähnliche  gäbe:  aber  die  am  meisten 
charakteristische  Eigentliümlichkeit  aller  Nymphäen- 
blätter,  die  zum  Stilansatz  scharf  eingezogene  Peri- 
pherie, würde  doch  selbst  ein  Lekythenmaler  zum 
Ausdruck  gebracht  haben,  wenn  anders  ihm  über- 
haupt daran  lag,  was  er  malte  auch  erkannt  zu 
sehen. 

Man  sieht,  wie  auch  auf  diesen  Lekythen  der 
Grundzug  der  alten  Composition  sich  wiederfindet: 
Charon  im  Nachen  ankommend  auf  der  einen  Seite, 
auf  der  anderen  zwei  Gestalten ;   war  freilich   ein- 

■'0)  Mittheil,  des  Archäol.  Inst.  V  S.  ISO. 

•■")  Samml.  Sabouroff  zu  Taf.  XV— XVII  und  zu  Taf.  LX,  2. 


23 


G.  Körte,  Roma  im  Palazzo  Barberini. 


24 


mal  die  Stele  mit  der  zu  ihr  gehörigen  Figur  ein- 
gesetzt, so  erforderte  die  Symmetrie  allerdings  die 
dritte,  so  dass  ich  nicht  wagen  möchte,  in  der  Ver- 
storbenen und  ihrer  Begleiterin  ein  unmittelbares 
Echo  des  Hermes  mit  der  Todten  wiederzuerkennen. 


Beide  Lekythen  gehören  in's  vierte  Jahrhundert. 
Der  Ausführung  nach  älter  ist  natürlich  das  Bild 
auf  Tafel  3. 


Heidelberg. 


F.    VON    DUHN. 


ROMA 

ANTIKES  WANDGEMÄLDE  IM  PALAZZO  BARBERINI. 

(Tafel  4.) 


Das  Monument,  von  welchem  wir  eine  neue  Ab- 
bildung vorlegen,  hat  unseres  Erachtens  neuerdings 
die  Beachtung  nicht  gefunden,  welche  ihm  nicht 
nur  des  Gegenstandes  sondern  auch  des  ihm  mehr 
als  irgend  einem  andern  antiken  Frescobilde  inne- 
wohnenden monumentalen  Charakters  wegen  —  eine 
thronende  Göttin  ist  in  mehr  als  Lebensgrösse  dar- 
gestellt —  gebührt.  Der  Grund  hierfür  liegt  wohl 
einerseits  darin,  dass  das  Bild  seit  geraumer  Zeit 
nicht  öfi'entlich  dem  Publikum  zugänglich  ist;  wäh- 
rend andererseits  die  Abbildungen  desselben  sämmt- 
lich  älteren  Datums  (die  letzte  aus  dem  Jahre  1810) 
und  bis  auf  eine,  in  einem  wenig  bekannten  Werk 
befindliche,  keineswegs  genügend  sind.  Unter  diesen 
Umständen  erschien  es  F.  von  Duhu  und  mir  als 
eine  Pflicht,  die  im  Winter  1876/7  durcli  das  Ent- 
gegenkommen des  fürstlichen  Besitzers  gebotene 
Gelegeniieit  zur  Erlangung  einer  neuen  Zeichnung 
nicht  unbenutzt  zu  lassen.  Bei  Ausführung  der- 
selben durch  die  bewährte  Hand  E.  Eichlers  konnte 
ich  das  Bild  in  der  Nähe  eingehend  untersuchen 
und  die  Ergänzungen  sowie  die  ziemlich  ausge- 
dehnten Uebermalungen  der  antiken  Theilc,  welche 
liisher  überhaupt  nicht  beobachtet  waren,  feststellen. 
Die  Veröffentlichung  der  neuen  Abbildung  sollte 
in  Verbindung  mit  einer  eingehenden  Untersuchung 
eines  befreundeten  Fachgenossen  über  die  Dar- 
stellungen der  Roma  erfolgen,  welcher  meine  Beo- 
bachtungen über   das    barbcrinische    Gemälde    als 


Material  einverleibt  worden  wären.  Da  die  Aus- 
führung jener  an  sich  höchst  wünschenswerthen 
Arbeit  aber  durch  die  Verhältnisse  in  allzu  weite 
Ferne  gerückt  ist,  so  übernahm  ich  es  auf  Wunsch 
der  Redaction,  die  Abbildung  mit  denjenigen  Be- 
merkungen, welclie  der  Gegenstand  zunächst  er- 
fordert, zu  begleiten. 

Authentische  Kunde  von  der  Auffindung  des 
Bildes  giebt  das  Memoriale  di  Cassiano  dal  Pozzo 
(bei  Lumbroso,  Notizie  sulla  vita  di  Cassiano  dal 
Pozzo  etc.  Torino  1875  p.  77  f.),  dessen  Bericht 
es  angezeigt  scheint  vollständig  herzusetzen.  „Vanno 
1655  nel  giorno  deW  assunzione  di  N.  S.  al  ponte- 
ficnto  che  fu  ai  seile  d'aprile,  si  irovd  in  alcune 
aniicaglie  assai  vicino  al  battistero  di  S.  Giovanni  in 
Laterano  una  slanza  dipinta  nella  quäle  s'osservd 
rcffigie  di  Roma  trionfanle  colorila  vagamenle  che  al- 
lellö  V eminentissiino  signor  cardiual  Francesco  Bar- 
berino  a  far  tagliare  il  muro  e  trasporlar  quella 
pittura  nel  giardino  del  palazzo  dt  casa  sna,  che  e 
alle  quallro  fontane,  ho  preso  a  farne  far  copia  da 
quella  che  il  medesimo  signor  cardinale  fece  fare  in 
tela."  Das  Bild  ist  mit  modernem  Rahmen  in  einem 
leider  schlecht  beleuchteten  Zimmer  des  Erd- 
geschosses, welches  gegenwärtig  als  eine  Art 
Rumpclkammer  dient'),  in  die  Wand  eingelassen 

')  Es  besteht  die  Absicht  —  deren  Ausführung  lebhaft  zu 
wünschen  ist  —  das  Bild  in  einen  besser  beleuchteten  Kaum 
zu  überführen  und  diesen  mit  zu  der  Gemälde-Galerie  zu  ziehen. 


25 


G.  Körte,  Roma  im  Palazzo  Barlioriiii. 


26 


und  (ohne  den  Ralinien)  1,70  in.  hoch  und  1,85  ni. 
breit.  Es  war  ringsherum,  am  meisten  oben  und 
unten,  beschädigt;  eine  punktirte  Linie  auf  der  Ab- 
bildung bezeichnet  die  Ergänzungen,  wozu  in  erster 
Linie  der  ganze  Obertheil  des  Kopfes  mit  den 
Augen  und  dem  Helme  —  einer  missverstandenen 
Nachbildung  eines  korinthischen  —  gehört.  Der 
Obertheil  des  letzteren  ücheint  gar  nicht  ausgeführt 
worden  zu  sein,  ebenso  wenig  wie  das  fehlende 
Stück  des  Schildes.  Gleichzeitig  aber  hat  das 
Bild  ziemlich  ausgedehnte,  theilweise  willkürliche 
Restaurationen  erfahren,  welche,  weil  mit  Oelfarbe 
ausgeführt,  bei  näherer  Betrachtung  leicht  als  solche 
zu  erkennen  sind.  Diesen  interpolirten  Zustand 
geben  sämmtliche  Abbildungen  wieder.  Die  älteren 
unter  ihnen,  welche  den  Helm  der  Eoma  vollständig 
geben,  scheinen  nicht  nach  dem  Original,  sondern 
nach  jener  „copia  in  tela",  von  welcher  Cassiano  dal 
Pozzo  berichtet''),  hergestellt  zu  sein.  Auf  unserer 
Tafel   sind    die  willkürlichen  Zusätze  weggelassen. 


-)  Eine  zweite  t'iii'  Kaiser  Ferilinand  III  angefertigte  Copie 
erwähnt  Winckelmann  Werke  V  p.  159.  —  Abbildungen: 
Belluri ,  Fi-agm.  vestiyii  vet.  liomat  (1G73)  p.  86  (vermehrte 
Ausgabe  von  Xav.  Cauale  u.  d.  Titel  hhnographia  vet.  R.  \lQi 
ji.  S'i)  im  Gegensinne  des  Originals,  auf  der  Standarte  der 
Victoria:  ü.  P.  Q.  R.  —  Reproducirt  bei  Bellori  und  M.  A.  Cau- 
seus,  Pktae  veterum  tabutae  in  cryplu  Romanorum  receptae  Ro- 
mae  1738  Titellcupfer;  s.  p.  105  (die  erste  Ausgabe:  Pitlure  anti- 
che  (teile  ijrotte  di  Roma  1706  enthält  die  Abbildung  nicht); 
Montfaucon,  antiqu.  expl.  1,2  p.  293  pl.  CXCIII  (ed.  LH  Ro- 
niae  1746);  Causeus,  Romanum  Museum  vol.  II  Titel  cf.  Sectio 
VI,  18  (Lens,  h  costume  des  peuples  de  l'antiqu.  pl.  32;  Bottari, 
Pkt.  ant.  crypt.  Rom.  Titelkupfer).  Causeus  Pictae  vet.  tab. 
p.  105  citirt  eine  grössere  Abbildung  des  „Crosalius  Gallus 
in  sua  celebrium  picturarum  stjllot/e"'  —  Selbständig:  A  curious 
collection  of  ancient  paintings  etc.  London  1741  fol.  pl.  1  (von 
Schreiber  Gott.  gel.  Anz.  1882  p.  615  nachgewiesen).  Weitaus 
be^te  Abbildung,  welche  genau  den  gegenwärtigen  Zustand 
wiedcrgiebt.  —  P'arbig  mit  vollständigem  Helm,  in  Farben 
und  !>til  der  Zeichnung  nicht  treu:  Sickler  und  Reinhart,  Al- 
uianach  aus  Rom  I  Leipzig  1810  (Titelkupfer);  wiederholt  bei 
l'iper,  Rom  die  ewige  Stadt  (Sehr.).  Beschrieben:  Matz  und 
V.  Duhn,  Antike  Bildwerke  in  Rom  III  n.  4111  nach  der  ersten 
von  V.  Duhn  und  mir  gemeinsam  vorgenommenen  Betrach- 
tang. Leider  hat  v.  Duhn  versäumt,  vor  Drucklegung  seiner 
Notizen  die  Eichlev'sche  Zeichnuug  und  meine,  wie  oben  ge- 
sagt, unter  günstigeren  Bedingungen  aus  nächster  Nähe  ge- 
machten Beobachtungen  zur  Vergleichung  heranzuziehen.  Dies 
zur  Erklärung  der  erheblichen  Abweichungen  seiner  Beschrei- 
bung von  der  meinigen  und  der  neuen  Abbildung.  Eine  neuer- 
dings   wiederholte   Vergleichung    des  Originals   hat  die  Richtig- 


Koma  sitzt  auf  einem  Stuhl  ohne  Arm-  und 
Rückenlehne^)  in  ruhiger,  majestätischer  Haltung. 
Das  rechte  Bein  ist  leicht  gebogen  und  der  Fuss 
steht  ein  wenig  zurück.  Der  Kopf  ist  ganz  un- 
merklich nach  links  gewandt').  Sie  ist  bekleidet 
mit  einem  an  den  Schultern  genestelten  weissen 
Untergewande,  welches  den  oberen  Theil  der  Büste 
frei  lässt°).  Darüber  trägt  sie  ein  mit  dunkel- 
farbigem Gürtel  gegürtetes  Praehtgewand  aus 
schwerem  Stoff  von  gelber  Farbe  mit  breitem 
rothen  Längs-  und  (unten)  drei  Querstreifen  von 
derselben  Farbe;  auf  den  letzteren  ein  Ranken- 
ornament in  Grau').  Zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  dieser  Querstreifen  bemerkt  man  auf  der  rech- 
ten Seite  ebenfalls  als  eingewebt  oder  gesticktgedachte 
grau  gemalte  Figuren').  Es  sind  deutlich  erkenn- 
bar zwei  Seekentauren  *),  auf  deren  Fischschwanz 
je  ein  nacktes  Weib  sitzt;  sie  sind  von  einander 
ab,  die  eine  nach  1.,  die  andere  nach  r.  gewandt. 
Auch  diesis  Gewand  war  an  den  Schultern  ge- 
nestelt, doch  ist  es  links  bis  dicht  oberhalb  der 
durch  die  doppelte  Hülle  hindurch  erkennbaren 
Brustwai-ze  herabgeglitteu  —  ein  Motiv,  welches 
dem  sonst  allzu  einförmigen  Faltenzug  der  gleich- 
artigen Gewänder  eine  grössere  Mannigfaltigkeit 
verleihen  und  die  feinen  Falten  des  weissen  Unter- 
gewandes nach  der  linken  Schulter  hin  zur  Geltung 
bringen  soll.  Die  Bekleidung  der  Göttin  wird  ver- 
vollständigt durch  einen  künstlich  drapirten,  dunkel- 
keit der  letzteren  in  den  betreft'enden  Differenzpunkten  lediglich 
bestätigt. 

^)  Die  doppelte  schwarze  Linie,  welche  die  letztere  andeuten 
soll,   ist  ebenso  wie  der  ganze  Hintergrund  mit  Oelfarbe  gemalt. 

■•)  Auch  die  erhaltenen  Theile  übermalt;  die  dunkel- 
braune Farbe  des  Haares  wohl  nach  vorhandenen  Spuren. 

^)  Der  ganz  schmale  Streifen  dieses  Untergewandes,  der 
unten  unter  dein  gelben  zum  V^orschein  kommt,  ist  mit  Oel- 
farbe übermalt. 

'')  Nicht  in  Gelb  wie  bei  Sickler  imd  Reinhart.  Der 
unterste  (Rand-)  Streifen  ist  übermalt. 

')  Auf  der  linken  Seite  —  wo  nur  ein  kleines  Stück  der 
tunica  unter  dem  Mantel  zum  Vorschein  kommt  —  habe  ich  auf 
dem  Original  keine  entsprechenden  Figuren  bezw.  Reste  von 
solchen  sicher  zu  erkennen  vermocht.  (Die  älteren  Abbildungen 
geben  solche  —  auch  die  englische  wenigstens  eine  Andeutung 
—  und  in  der  That  sind  sie  sicher  vorauszusetzen). 

')  Der  am  deutlichsten  erkennbare  znr  L.  ist  auf  allen 
älteren  Abbildungen  als  knieende  Figur  aufgefasst. 


27 


G.  Körte,  Roma  im  Palazzo  Baiberini. 


28 


rothen  (purpurnen)  Mantel.  Derselbe  fällt  laug 
über  den  Rücken  berab,  ein  Zipfel  liegt  auf  der 
r.  Schulter,  bedeckt  die  linke  und  ist  um  den  1. 
Arm  herumgescMungen;  von  da  fällt  ein  Tbeil  zum 
Boden  berab,  der  grössere  ist  über  den  Scbooss 
gelegt,  so  dass  ein  Zipfel  in  sorgfältig  geordneten 
Falten  zwiscben  den  Knieen  herabhängt.  Den  Hals 
der  Göttin  schmückt  ein  gelb  gemaltes  (goldenes) 
Halsband  mit  Anhängseln  in  Gestalt  von  kleinen 
ampullae.  Der  rechte  Unterarm  ist  vom  Körper 
abgestreckt  und  trägt  eine,  dem  Beschauer  zu,  nur 
ein  wenig  nach  links  hingewandte  Victoria.  Die- 
selbe ist  mit  einem  langen  weissen  Chitou  mit 
Ueberfall  bekleidet  und  etwas  nach  vorn  geneigt, 
als  sei  sie  im  Begriife,  von  der  Hand  der  Göttin  auf 
den  Beschauer  zu  herabzuschweben.  Der  Kopf 
und  der  ganze  rechte  Arm,  sowie  andere  kleinere 
Theile  sind  übermalt.  Die  rechte  Hand  war  offen; 
die  ebenfalls  in  Oelfarbe  gemalte  Kugel  auf  der- 
selben scheint  nach  vorhandenen  Spuren  ergänzt. 
Der  1.  Arm  hängt  am  Körper  herab,  die  (antiken) 
Finger  sind  leicht  geschlossen  an  den  Leib  gelegt; 
von  irgend  einem  Gegenstände,  den  sie  gehalten 
hätten  (etwa  einem  Palmzweig),  ist  keine  Spur  vor- 
handen, auch  ist  speciell  der  Daumen  nicht  ange- 
drückt. Die  Standarte,  welche  diese  Hand  jetzt 
hält"),  ist  moderne  Zuthat  und  daher  auf  unserer 
Zeichnung  weggelassen.  Mit  der  Linken  hält  Eoma 
ein  Scepter'"),  dessen  Ende  auf  den  Boden  ge- 
stützt ist,  zum  Theil  verdeckt  durch  den  grossen 
neben  dem  Sitz  lehnenden  (grösstentheils  modernen) 
Schild.  Auf  ihren  Schultern  sitzt  je  eine  kleine 
weibliehe  Flügelgestalt,  die  nach  innen  gewandtep 
Hände  auf  die  Schulter  der  Göttin  gestützt.  Die  zurR. 
des  Beschauers  (auf  der  1.  Schulter)  ist  ganz  übermalt, 
die  zur  L.  dagegen  unberührt.  Sie  neigt  den  Ober- 
körper und  Kopf  etwas  nach  innen  zu  und  ist  mit 
einem  grünen  Chiton  bekleidet.  Es  erübrigt  noch 
der   merkwürdigen    Gruppen  Erwähnung  zu  tliun, 

'■')  Siehe  die  Abbildungen. 

'")  Dasselbe  ist  jetzt  ganz  mit  Oelfarbe  gemalt  (gelb  mit 
herumgewundenem  rothen  Streifen),  doch  wohl,  wenigstens  was 
die  Länge  und  Form  betrifft,  nach  den  antiken  Resten:  eine 
Lanze  müsste  beträchtlich  länger  sein  und  würde  in  anderer 
Weise  gehalten  werden. 


welche  sich  vorn  auf  den  Pfosten  des  Stuhles") 
befinden.  Zur  L.  sieht  man  einen  flach  auf  der 
Oberfläche  des  Pfostens  aufliegenden  Schwan  mit 
entfaltetem  r.  Flügel  (der  1.  konnte  des  Raumes 
wegen  nicht  angegeben  werden)  und  etwas  nach 
unten  herabgebogenem  Hals.  Offenbar  ist  der 
Vogel  als  lebend  gedacht.  Auf  demselben  sitzt 
eine  unterwärts  mit  einem  Gewände  (grün  mit 
rothem  Randstreifen)  bekleidete  Frau,  welche  die 
Rechte  auf  den  Flügel  des  Thieres  stützt,  während 
sie  mit  der  erhobenen  und  vom  Körper  abge- 
streckten L.  das  Gewand  wie  ein  Segel  emporzieht. 
Nur  der  Kopf  dieser  Gestalt  ist  übermalt,  das 
Uebrige  unberührt.  Die  entsprechende  Gruppe  zur 
R.  ist  etwas  abweichend  gebildet.  Der  Schwan 
liegt  bedeutend  höher")  als  auf  der  andern  Seite, 
die  Flügel  sind  nicht  ausgebreitet  und  der  Kopf 
hängt  in  einer  Weise  herab,  dass  man  das  Thier 
für  todt  halten  muss;  auf  demselben  liegt  eine 
Kugel,  welche  wiederum  der  1.  Hand  der  Roma 
zur  Stütze  dient.  Die  der  Frau  auf  der  anderen 
Seite  entsprechende  Figur  sitzt  nicht  auf,  sondern 
neben  dem  Schwane  und  stützt  die  linke  Hand 
anscheinend  auf  die  obere  Bekrönung  des  Pfostens 
selbst  auf.  Dieselbe  ist  roh  überschmiert  und  da- 
her das  Geschlecht  nicht  völlig  deutlich;  doch  ist 
sie  der  genauen  Entsprechung  wegen  zweifellos 
für  weiblich  zu  halten  '■').  — 

Roma  ist  als  siegreiche  Weltherrscherin  auf- 
gefasst.  Als  solche  führt  sie  das  Scepter  und  stützt 
den  1.  Arm  auf  die  Weltkugel  —  denn  dafür  wird 
man  trotz  ihrer  Kleinheit  jene  Kugel  halten  müssen. 
Denselben  Gedanken  drückt  in  freilich  ungewöhn- 
licher Weise")    die  Kugel   iu   der  R.  der  Victoria 


")  Die  Pfosten  selbst  sind  beide,  auch  in  ihrem  antiken 
Theil,  ganz  übermalt,  die  Ornamente  und  der  eigenthünilich 
ausgebildete  obere  Abschluss  des  Pfostens  fallen  also  dem 
Kestaurator  zur  Last. 

''■')  Worauf  er  liegt,  ist  nicht  zu  erkennen.  Diese  ganze 
Partie  ist  übermalt. 

")  Bei  Bellori  sind  beide  Gestalten  als  nuinulich  wiederge- 
geben, daher  der  Irrtliuni  Winckelnumns  (Werke  II  .S.  510),  wel- 
cher die  durch  den  Schwan  cliarukterisirlen  Dioskuren   erkennt. 

")  Insofern  als  Victoria  die  Weltkugel  trägt,  während  sie 
gewöhnlich  auf  derselben  steht,  sowohl  iu  Einzeldarstellungen 
als  auf  der  Hand  der  Koma. 


29 


G.  Körte,  Roma  im  Palazzo  Barberini. 


30 


aus.  Zwei  andere  Siegesgöttinnen  sitzen  ausserdem 
auf  den  Schultern  der  Koma,  als  die  stets  bereiten 
Boten  der  Weltherrscheriu,  den  Adleru  des  Zeus 
entsprecliend.  Schwer  verständlich  sind  die  beiden 
Gruppen  auf  den  Pfosten  des  Sessels.  Zur  Erklä- 
rung derselben  weiss  ich  nur  auf  das  bekannte 
Florentiner  Relief  ^)  und  die  verwandten  Monumente 
zu  verweisen,  wo  die  auf  dem  Schwane  cinher- 
sehwebende  Frau  von  O.Jahn"')  zweifellos  richtig 
als  „die  Luft"  erklärt  worden  ist.  Diese  Deutung 
wird  man  auch  auf  die  entsprechende  Gruppe  (zur 
L.)  unseres  Mouumeutes  anzuwenden  haben.  Da 
dieselbe  nicht  als  ein  bioser  architektonischer  Zier- 
rath  behandelt  ist,  so  wird  man  auch  annehmen 
müssen,  dass  sie  irgendeine  bestimmte  allegorische 
Bedeutung  habe.  Die  Schwierigkeit  wird  vermehrt 
dadurch,  dass  von  dieser  die  entsprechende  Gruppe 
zur  K.  auch  der  Bedeutung  nach  nicht  wohl  zu 
trennen  ist.  Wenn  mau  nun  die  zur  L.  etwa  so 
auffassen  könnte,  dass  selbst  die  Luft,  das  flüch- 
tigste, freieste  Element,  der  Weltherrscherin  Roma 
dienstbar  ist,  so  bleibt  schon  die  Verdoppelung 
dieser  Personificatiou  höchst  sonderbar.  In  welchem 
Sinne  aber  gar  der  Schwan,  und  zwar  dem  An- 
.scheine  nach  als  todt  gedacht,  jene  Function  als 
Stutze  der  Weltkugel  und  indirect  der  Hand  der 
Roma  erhalten  konnte,  weiss  ich  nicht  zu  erklären. 
Rein  äusserlich  betrachtet  widerspricht  dieser  ganze 
Aufbau  allen  tektonischen  Gesetzen,  um  so  mehr  als 
wegen  der  andern  Seite  an  eine  Seitenlehne  des 
Stuhles  nicht  gedacht  werden  kann.  Aber  auch  die 
Art,  wie  links  der  schwebende  Vogel  unmittelbar 
auf  der  Fläche  des  Stuhles  aufliegt,  muss  als  durch- 
aus unnaturlich  bezeichnet  werden.  Nicht  undenk- 
bar ist  es  übrigens,  dass  der  unerfreuliche  Eindruck 
durch  willkürliche  Ergänzung  des  Stuhlpfostens  von 
Seiten  des  Restaurators  hervorgerufen  oder  ge- 
steigert ist. 

Die  Ausfuhrung  des  Bildes  ist  sorgfältig,  der 
Faltenwurf  der  Gewänder,  je  nach  der  Natur  des 
Stoffes  verschieden,  mit  Verständniss  behandelt"), 

''•')  üütschke,  Ant.  Bildw.  in  Obeiitalien  III  ii.  353. 
'8)  Arch.  Zeitg.   1858  S.  2-13ff.;  Iö64  S.  178ff. 
'^)  Unsere  Radirung  hat  diu  Falten  der  oberen  Partie  leider 
iu  knitterig  und   unruhig  wiedergegeben 


und  die  Brechung  des  Lichtes  auf  dem  gelben  Gewand 
ist  zum  Ausdruck  gebracht.  Die  Haltung  der  Gestalt 
ist  würdig  und  von  ungesuchter  Einfachheit,  die  For- 
men sind,  der  Bedeutung  der  dargestellten  Göttin 
angemessen ,  wohl  mit  Absicht  etwas  schwer  ge- 
halten.    Verzeichnet  ist  allerdings  der  1.  Arm. 

Alles  in  Allem  kann  man  der  constantinischen 
Zeit,  in  welche  das  Gemälde  wegen  seiner  Auf- 
findung in  der  Nähe  des  lateranensischeu  Baptiste- 
riums  gesetzt  worden  ist'"),  eine  solche  Leistung' 
unmöglich  zutrauen.  Eine  solche  Datirung  wird 
auch  durch  die  Angabe  des  Cassiano  dal  Pozzo  in 
keiner  Weise  gefordert.  Sie  beruht  auf  der  ganz 
willkürlichen  Ansicht  älterer  Topographen,  dass 
an  jener  Stelle  der  Palast  des  Constantin  gelegen 
habe.  Näheres  aber  über  jenes  antike  Bauwerk, 
in  welchem  das  Gemälde  gefunden  wurde,  wissen 
wir  nicht  und  entbehren  somit  jedes  äusseren  Kri- 
teriums, um  dieEntstehuDgszeitdes  letzteren  zu  fixireu. 
Eineallerdingsnurannäherungsweise  Datirung  ergiebt 
sich  dagegen  aus  dem  Typus  der  Roma  auf  dem 
Gemälde  selbst.  Auf  den  Münzen  der  Kaiser  bis 
zu  Hadrian  überwiegt  für  die  Darstellung  der  Roma 
völlig  der  Amazonentypus''),  erst  seit  und  nach 
Hadrian  findet  sich  daneben  häufiger,  später  über- 
wiegend der  Athena- Typus,  wie  er  auf  unserem 
Bilde  vorliegt.  Danach  ist  es,  wenn  auch  nicht 
sicher,  so  doch  wahrscheinlich,  dass  das  letztere 
nicht  vor  der  Zeit  des  Hadrian  entstanden  ist;  die 
weitere  Vermuthung  (von  Duhn's)  dagegen,  dass 
es  unter  dem  directen  Einflüsse  des  Cultbildes  in 
dem  von  diesem  Kaiser  (880  =  127  n.  Chr.)  ge- 
stifteten Tempel  der  Venus  und  Roma  gemacht 
sei,  schwebt  so  viel  ich  sehe  in  der  Luft.  Denn 
aus  litterarischen  Quellen   wissen  wir    über   dieses 

'*)  Vgl.  Winckelmann  V  S.  159;  Zoega,   Bassirilievi  p.  152. 

")  Doch  nicht  ausschliesslich,  wie  Zoega  a.a.O.  p.  149 
bchaujjtet.  Vgl.  das  Medaillon  des  Domitian  bei  Fröhner  les 
med.  de  l'emp.  rom.  p.  19  und  Grueber  Roman  medatlions  in  ihe 
Brit.  Mus.  pl.  I,  2 :  Koma  ganz  in  der  Gestalt  der  Athene,  aber 
mit  Scepter  (so  richtig  Grueber).  Dass  Koma  gemeint  sei 
(Fröhnev),  beweist  die  knieende  germanische  Gefangene  als  Schild- 
halter. Dasselbe  Medaillon  widerlegt  die  seit  Zoega  geltende 
Ansicht,  dass  Koma  zum  Unterschied  von  Minerva  nie  mit  der 
Aegis  dargestellt  sei.  Vgl.  auch  die  Goldmünze  des  Antoninus 
Pins  bei  Kenner,  Roma-Tjpen  (Ber.  der  phil.  -  bist.  Cl.  der 
Wiener  Akademie  d.  W.   1857)  Fig.  IG. 


31 


H.  Dierks,   Kostüm  der  griechischen  Schauspieler. 


32 


Cultbild  der  Roma  nur,  dass  die  Göttin  sitzend 
dargestellt  war""),  und  von  den  zahlreichen  Dar- 
stellungen der  Roma  auf  Münzen  dieses  Kaisers 
bat  keine  Anspruch  darauf,  für  eine  genaue  Nach- 
bildung desselben  zu  gelten:  weichen  doch  selbst 
die  mit  der  Beischrift  Roma  aeterna  versehenen 
Münztypen  der  Göttin  in  den  Attributen  nicht  un- 
erheblich von  einander  ab^').  Unser  Bild  aber 
unterscheidet  sich  (abgesehen  von  dem  übrigen 
Beiwerk)  von  allen  in  Betracht  kommenden") 
Münztypen  dieses  und  der  folgenden  Kaiser  durch 


1311. 


2»)  Dio  Cassius  69,  4.  5. 

=')  Vgl.    Cohen,    m^d.    impi-r.   IV  n.  1299,  1301  —  3,  1306, 


--')  Am  nächsten  stehen:  Pedrusi,  {  Cesnri  d'aryento  III 
tav.  3,14  (Hadrian)  =  Bellori,  ichnogr.  vet.  liom.  p.  2  (zwei  Mün- 
zen des  Antoninus  Pius  und  des  Septimiiis  Severus). 


das  Scepter,  welches  Roma  statt  der  Lanze  in  der 
L.  führt.  Es  kann  also,  wenn  überhaupt,  nur  von 
einem  ganz  allgemeinen  Zusammenhange  desselben 
mit  dem  Cultbilde  der  Roma  die  Rede  sein. 

Bezüglich  des  die  Venus  darstellenden  Gemäldes 
im  Pal.  Barberini,  welches  ebenfalls  für  antik  ge- 
halten wurde  und  von  Carlo  Maratta  oder  Pietro 
da  Cortona  ergänzt  sein  soll,  stimme  ich  durchaus 
dem  Urtheil  F.  von  Duhn's  bei"'),  dass  es  ganz 
modern  und  als  Pendant  zu  dem  der  Roma,  mit 
dem  es  in  den  Maassen  übereinstimmt,  gemalt  sei. 

Rom,  October  1884.  G.  Körte. 

"^)  Antike  Bildwerke  III  n.  4112.  Abgeb.  A  curious  collect, 
of  anc.  jjaint.  pl.  II  (ohne  den  angeblich  von  Carlo  Maratta  er- 
gänzten Vordergrund).  Am  Original  ist  von  Ergänzungen  nichts 
zu  bemerken. 


ÜBER  DAS  KOSTÜM  DER  GRIECHISCHEN  SCHAUSPIELER 

m  DER  ALTEN  KOMÖDIE. 

(Tafel  5.) 


Während  durch  PoUux  die  Tracht  der  komischen 
Schauspieler  in  der  alexandrinischen  Zeit  einiger- 
massen  vollständig  überliefert  ist,  finden  sich  bei 
ihm  über  ihr  Kostüm  in  der  alten  Komödie  nur 
dürftige  Andeutungen.  Auch  vereinzelte  Bemerkun- 
gen anderer  Grammatiker  sind  zu  geringfügig,  um 
ein  Bild  von  dem  Bühnenkostüm  des  5.  Jahrhunderts 
V.  Chr.  zu  ergeben.  Glücklicherweise  besitzen  wir 
noch  zwei  weitere  Quellen:  die  auf  uns  gekommenen 
Dramen  und  die  Monumente.  Beide  sind  bereits 
theilweise  zur  Reconstruction  benutzt,  aber  es  fehlt 
an  einer  Darstellung,  welche  alle  Notizen  über  das 
Kostüm  der  Schauspieler  in  der  alten  Komödie  zu- 
sauimenfasst  und  das  Verhältniss  der  Monumente 
zu  den  schrii'tlichen  Quellen  darlegt').  Dies  möge 
im  Folgenden  meine  Aufgabe  sein. 

')  Für  die  tragischen  Schauspieler  habe  ich  dusselbe  ver- 
sucht in  meiner  Schrift:  De  irnr/icorutn  /lislrionum  habilu  scae- 
nico  apud  Graecos.     Goltinc/ae  1S83. 


1.  Die  Masken. 
Ueber  die  Masken  der  alten  Komödie  berichtet 
Pollux^):  T«  de  xiü(.ity.tt  nqöaiona  xa  /.isv  ziig 
naXaiäg  y.iof.uodiag  dig  ImnoXv  xoig  ngoGionoig  cov 
excü/.imdoi'v  EnsixdueTO,  ^i]  snlro  yelniÖTSQOv  sayrjiAä- 
tiOTo.  Er  unterselieidet  hiernach:  Porträt-  und 
Caricaturmasken. 

Ueber  das  monströse  Aussehen  der  Masken  fin- 
den wir  in  den  Dramen  des  Aristophanes  häufiger 
Bemerkungen,  offenbar  in  der  Absicht,  die  Aufmerk- 
samkeit des  Publikums  darauf  zu  lenken.  Beson- 
ders reich  an  solchen  Scherzen  sind  die  VögeP). 


'^)  Onomasticon  IV   143. 

•')  Auch  auf  Vasenbildern  Knden  wir  häuKger  die  Darstel- 
lung von  menschlichen  Gestalten  mit  Vogelmasken:  Gerhard, 
Trinkschalen  T.  XXX,  1  —  3;  Journal  of  hellenic  studies,  PI. 
XIVB;  Tischbein,  Rec.  de  gravures  II,  Ö7.  Diese  Vasen  sind 
besprochen  von  C.  Smith  in  dem  Journal  of  liellenic  sttidies, 
Vol.  2  p.  309  fg. 


33 


H.  Dicrks,  Kostüm  der  griccliisolicn  Sclmnspicler. 


34 


Da  Trochilos  eine  Maske  mit  einem  g'äiinenden 
Sclinabel  trägt,  so  ruft  Euelpides  staunend  aus 
(Vs.  61):  ^Tin}.i.ov  anoTQÖnaie,  %ov  yao/urj^tarog*). 
Nicht  minder  lacbenenegend  ist  der  Sclinabel  au  der 
Älaske  des  Epops  (Vs.  99:  lo  Qäfiq-og  rjulv  aov 
yikoiov  (paiverai^).  Die  Maske  des  Euelpides  gleicht 
einem  Gänsekopf  (Vs.  804:  nlad-'  w  /naXiar'  i'nixag 
STTTtQfüfuvng;  elg  evtsXsiav  xr^vi  avyysyQafifiivoj) 
und  die  des  Peitlietaeros  einem  Amselkopfe  (Vs.  806: 
av  ÖS  icoxpiy^ii)  ye  axäq'iov  änorsxiXf.iivui).  Den  Cho- 
reuten voran,  von  denen  jeder  Einzelne  einen  be- 
sonderen Vogel  repräsentirtc,  ziehen  die  vier 
Musiker''),  ebenfalls  mit  Vogehnasken.  Der  eine 
trägt  einen  mächtigen  Buscli  auf  dem  Kopfe 
(Vs.  278:  etEQog  av  Xöcpov  xaiEtlTjqiiog  rig  oQvig 
nvToai)^  ein  anderer  —  der  Phoenikopteros  — 
einen  stark  gekrümmten  Schnabel')- 

Die  Masken  des  Chores  in  den  Wolken  waren 
nach  dem  Scholiasten  zu  Vers  343  mit  grossen, 
ungestalteten  Nasen  versehen:  slaslTjkvdijaav  ol 
yngei'Tal  ngoatünüa  ncQixeliitsvni  f.ieyaXag  tynvia 
(iivag  yeXdia  xai  aaxr]i.inva. 

In  der  Maske  des  Pseudartabas  war  ein  unge- 
wöhnlich grosses  Auge,  umgeben  von  dicken  Wülsten. 
(Acharner  Vs.  95:  vavcpQaxiov  ßXsnetg  rj  negl  axgav 
xdfinTiüv  vEwanixnv  oxnnslg;  oaxu/it  eyeig  nnv  nsql 
zov  <j(f&aXi.iQv  xazco). 

Die  Lakedaemonier  traten  mit  langen  Bar- 
ten auf  (Lj'sistrata  Vs.  1073:  xal  j-ii^v  ann  trjg 
^nÖQTTjg  oidi  ngicßeig  elxovTsg  vn/jvag  yuQOvai) 
und  ebenso  diejenigen,  welche  auf  der  Seite 
der  Lakedaemonier  standen,  die  „^axwv/covTeg", 
wie    z.  B.    Bdelykleon    in    den    Wespen    (Vs.  475: 


'')  Der  Sclioliiist  bemerkt  hierzu:  (nt'i  THjüaionov  nijviov 
f7iott]nfv  0  vTioxniiii^  6/o}'Tog  70  Qt'tuifoq  ye/rjyö^,  (^lü  jovro 
fiTifv  /aniirifiiiTOi. 

^)  Nach  dem  Scholiasten  entsprach  seine  Matke  dem  Kopf 
einer  Nachtigall.  Denn  zu  Vs.  G74  bemerkt  derselbe,  dass  Epops 
aufgetreten  sei  iri  iilia  xixtü.XtoTiiaud'OV,  irjV  <)'*  xf<fi0.ijv 
oQViUüi  f/ov  log  i'irjiSoroi. 

^  Dass  dies  die  Musiker  sind,  ist  eine  treffende  Bemerkung 
Wieselers  {A'iimadv.  in  Aristoph.  p.  37  seq.  Satyrspiel  p.  202). 

')  Der  Scholiast  zu  Juvenal  XI,  139  beschreibt  den  Schna- 
bel des  Phoenikopleros  in  folgender  Weise:  huius  roslrum  lam 
prolxxwn  est ,  ut  nlsi  merso  cajjite  tujtia  in  o.v  ipsius  non  possit 
intrarti. 

ArchSolog.  Ztg.  Jahrgang  ,XLm. 


xai   ^vvwv    BQaaiön")  ■   .  .    rijv   &'v7ii^vi]v   axovqov 

TQSCpCüV;). 

Die  Ernsten  und  Traurigen  sind  durch  die  zu- 
sammengezogenen Augenbrauen  gekennzeichnet^). 
Eine  solche  Maske  trägt  z.  B.  Lysistrata,  zu  der 
Kalonike  sagt  (Vs.  7):  /a}  axv!}QCüTiaV,  lutixvov,  nv 
yag  ngirtsi  am  zoSonnuiv  läg  otfQvg. 

Die  Masken  der  jüngeren  Frauen  sind,  wie  in 
der  Tragödie,  von  weisser  Farbe.  Chremylos  sagt 
deshalb  auch  von  dem  Chore  in  den  Ekklesiazusen 
(Vs.  386):  Ol'  yaq  aX)^  vnsQCpviög  wg  XevxoTiXT]&rjg 
^v  löelv  ^xxXrjala'").  Mit  weissgefärbter  Maske  tritt 
auch  Agatiiou  auf,  dessen  weibischer  Charakter 
dadurch  verspottet  werden  soll ,  und  zugleich  mit 
einem  jugendlich  schönen  Gesichte.  Denn  in  den 
Thesmophoriazusen  redet  ihn  Euripides  an  (Vs.  191): 
av  d'evnQnaiüTing,  Xevxng,  i^vgrifiEvog. 

Dagegen  waren  die  Masken  der  alten  Frauen 
hässlich  und  runzlig.  Der  Jüngling  im  Plutos  sagt 
deshalb  von  der  alten  Frau  (Vs.  1051):  iv  rtjü 
nQoaconq)  zdiv  qvtIöiov  naag  e^ei. 

Ueber  die  Porträtmasken  finden  wir  bei  Aristo- 
phanes  nur  eine  Andeutung.  Es  ist  die  bekannte 
Stelle  in  den  Rittern,  wo  Demosthenes  vor  dem 
Auftreten  des  Kleon  zu  den  Zuschauern  sagt 
(Vs.  2.30):  xal  fxrj  deSi^'  •  nv  ydo  saiiv  s^i^xaafisvog. 
vno  Tov  ösnvg  yag  avxov  ovÖEig  rj^sXs  tüv  axEvo- 
noiiöv  Eixäacd.  Man  hat  diese  Motivirung,  dass 
kein  Maskenmacher  die  Porträtmaske  Kleons  aus 
Furcht  vor  diesem  habe  anfertigen  wollen,  für  einen 
launigen  Scherz  gehalten  ");  allein  die  Worte  schei- 
nen durciiaus  ernst  zu  sein.  Denn  dass  die  axEvo- 
noioi  sicii  scheuten,  das  Porträt  des  mächtigen 
Demagogen  anzufertigen,  ist  sehr  glaublich;  gerieth 
doch  Aristophanes  selbst  wegen  der  Ritter  mit  Kleon 
in  Conflict,  und  ebenso  glaublich  ist  es,  dass  der 
Dichter  die  Maskenmacher  für  ihre  Feigheit  be- 
strafen wollte,  indem  er  sie  vor  den  versammelten 

*)  Der  Scholiast  bemerkt:  xa'i  ^vvtov  Bnnald'if  avii  loü 
laxoiviCfii'. 

^  Quintilian  Inst.  or.  XI,  3,  79:  trislitia  deductis  (super- 
uiliis),  hilariias  remissts  oslenditur.  Ebenso  wird  der  Ausdruck 
der  Trauer  auf  den  Masken  der  Tragödie  bezeiclinet,  vgl. 
Dierks  a   a.  O.  p.  2ü. 

1»)  Vgl.  Vs   427 :   i.ivx6s  Jig. 

")  Bernhardy,  Griech.   Litt    II,  2. 

3 


35 


H.  Dierks.  Kostüm  der  griephiseheii  Schauspieler. 


36 


Athenern  brandmarkte.  —  Die  Stelle  kann  also 
soviel  lehren,  dass  die  Anwendung  von  Porträt- 
masken damals  nicht  undenkbar  war,  doch  ist  dabei 
an  eine  Porträtirung  im  Sinne  unserer  Zeit  selbst- 
verständlicli  nicht  zu  denken;  man  wird  die  haupt- 
sächlichsten, am  meisten  charakteristischen  Züge 
wiedergegeben  liabeu. 

Auch  von  zwei  späteren  Schriftstellern  werden 
die  Porträtmasken  erwähnt;  jedoch  deren  Kennt- 
niss  ist  gewiss  erst  aus  der  aristophanischen  Stelle 
hervorgegangen.  Platonios  nämlich  sagt  von  den 
Masken  der  alten  Komödie'^):  iv  ftsv  ydg  rf] 
naXctiä  el'xatoj'  ta  nQoaioneia  xolg  xio/iKpöoviLievnig, 
"iva,  TTQiv  Ti  ■Kai  tnvg  vno'xqirag  smelv,  n  xcofKo- 
dov/xevog  ix  rTjg  h^iOLOxr^xog  zrjg  nipswg  xaxäöijXog 
fi'lv  de  TTJ  fiiOTj  xal  via  ■kw^küÖicx  snirrjösg  ra 
TigoöioTiEia  ngng  xh  yEXoiöxEqnv   iörjj^unvQyr^aav  — . 

Nach  Platonios  gab  es  also  in  der  alten  Ko- 
mödie nur  Porträtmasken,  während  erst  die  neuere 
Caricaturmasken  einführte.  Es  sei  dies  geschehen, 
M'ie  er  weiterhin  auseinandersetzt,  aus  Furcht  vor 
den  Macedoniern,  damit  nicht  etwa  eine  Maske 
einem  der  macedonischen  Herrseher  ähnele.  Die 
letzte  Nachricht  ist  anekdotenhaft  und  unwahr- 
scheinlich, die  erste  unrichtig.  Denn  Caricatur- 
masken wurden  —  wie  wir  sahen  —  gerade  haupt- 
sächlich in  der  alten  Komödie  gebraucht. 

Der  andere  Schriftsteller,  welcher  die  Porträt- 
masken erwähnt,  ist  Aelian.  Dieser  berichtet  in 
seinen  Vermischten  Geschichten  (II,  13),  dass  So- 
krates  bei  der  Aufluhrung  der  Wolken  des  Aristo- 
phanes  aufgestanden  sei  und  sich  den  Zuschauern 
zugewandt  habe,  damit  sie  sein  Gesicht  mit  der 
Maske  des  Schauspielers,  der  seine  Rolle  spielte, 
vergleichen  könnten.  Die  Anekdote  ist  gewiss  er- 
funden, vielleicht  geradezu  in  der  Absicht,  die  aus 
den  Kittern  gezogene  Voraussetzung  vom  Gebrauch 
der  Porträtmasken  zu  bekräftigen.  Denn  der  Schrift- 
steller fügt  hinzu:  (5>yAa  yag  dt]  oxi  xal  o'i  axevnnoioi 
inXaaav  avtov  (hg  bxi  /näliata  i^eixäaavxtg'^). 

'^  711(11  ()(«f/0()äj  xcofjoxhüiv  XXXV,  20  (Meineke,  Comic, 
r/raec.  frnijiii.   I,   533). 

")  Ausserdem  (indet  sich  in  den  Progymnasmatu  des  Ajjh- 
thonius  eine  Stelle  (ed.  Petzlioldt.  Lipsiac  1839,  p.  53),  die  die 
l'ortiätmasken  zwar  nicht  ausdrücklich  erwähnt,  aber   doch   auf 


Unsere  ganze  Kenntniss  der  Porträtmasken  be- 
ruht demnach  auf  der  aristophanischen  Stelle;  nur 
die  Angabe  über  Agathon  lässt  sich  hinzufügen, 
der  eine  weissgefärbte  Maske  von  jugendlich  schö- 
nem Aussehen  trug  (s.  o.),  also  jedenfalls  eine 
Maske,  die  an  sein  wirkliches  Aussehen  erinnerte. 

Wie  die  Porträt-,  so  sind  auch  die  Cari- 
caturmasken dieser  Zeit  nicht  wie  in  der  neueren 
Komödie  für  eine  Klasse  typischer  Figuren  be- 
rechnet, sondern  für  jede  einzelne  Rolle  wird  eine 
besondere  Maske  geschaffen,  durch  deren  Origi- 
nalität der  Skeuopoios  Aufsehen  zu  erregen  sucht. 
Erst  mit  der  Entwickelung  der  typischen  Charaktere 
in  der  Komödie  bildet  sich  der  systematische  Appa- 
rat aus,  wie  er  uns  durch  Pollux  überliefert  ist. 
Es  findet  also  hier  derselbe  Process  statt,  wie  in 
der  Tragödie,  wo  sich  allmählich  aus  den  Einzel- 
masken ein  System  entwickelt,  welches  in  den 
sxaxsva  ngnatona  nur  noch  einen  Rest  von  den 
früheren  Originalmasken  bewahrt. 

2.  Die  Kleidung, 
lieber  die  Kleidung  der  Schauspieler  in  der 
alten  Komödie  besitzen  wir  gar  keine  directe  litte- 
rarische Ueberlieferung.  Wir  sind  deshalb  zunächst 
allein  auf  die  Komödien  des  Aristopbanes  ange- 
wiesen. Das  Wichtigste,  was  wir  aus  diesen  er- 
fahren, ist  unbedingt  die  Nachricht,  dass  die  Scliau- 
spieler  männlicher  Rollen  in  der  alten  Komödie  den 
Phallus  trugen,  dass  sich  jedoch  bereits  am  Ende 
des  5.  Jahrhunderts  eine  Reaction  dagegen  geltend 
machte,  wie  aus  einer  Stelle  in  den  Wolken  hervor- 
geht; denn  der  Dichter  sagt  dort  (Vs.  537):  fjxig  (^ 
xioiuodia)  ngtäxa  fiev  ovösv  ^ß^e  gaipa/J-ivr]  axvxivov 
xa9sifxsvov,  sQvd-Qov  i^  axgov,  nayv,  xolg  naidiotg 
/V  fi  yiXtog.  Einen  solchen  Phallus  trägt  z.  B. 
Strepsiades  in  den  Wolken,  der  auf  die  Frage  des 
Sokrates:  ixsig  xi;  erwidert  (Vs.  734):  oidiv  ys 
nXtjv  i]  t6  neog  sv  xfj  (Je|t^'^),  ferner  die  Lakedä- 

sie  anzuspielen  scheint:  fMiüAo/ro//«  ij  nitoaamov  fiii'  f/ovaa 
yvüioiuor,  Tt!)v(cts  (Tf  xiti  loi'  )Jynr  nttvaufitvor,  log  fv 
ittiuoii  F.vnolis  ?nX(tnt  xcu  '.4ninin'äii^  ^v  rtp  vn'tQ  luv 
Ttooäooii'. 

")  Der  Scholiast  bemerkt  hierzu:  nnyf/j/j'ynf/ »;'  d'ii  )'«(> 
uviöy  x<t:)^Cfa:it<i  iyovjn  i6  itiitoTor    xa)   fiififia!fai    Tor  «ffp- 


37 


H.  Dierks.  Kostüm  der  griecliisclien  Schauspieler. 


38 


monier  in  der  Lysistrata  (Vs.  989  fg.  1083),  und 
Mnesilochos  in  den  Thesmophoriazuseo,  der  auf 
seineu  Phallus  zeigend  ihn  tovxl  z6  näog  (Vs.  62) 
nennt. 

Die  Gewissheit,  dass  die  Schauspieler  männ- 
licher Kollen  den  Phallus  trugen,  lässt  uns  die 
innige  Verbindung  der  Komödie  mit  dem  Phallo- 
phoreucultus  und  ihre  Entstehung  daraus  erkennen. 
Die  (fallocpÖQOL  trugen  nach  dem  Delier  Hemos'^), 
dem  Verfasser  des  Buches  neQi  uaiävtüv,  eine  eng- 
anliegende Kleidung,  älinlich  der  der  Kleiiiasiaten 
und  —  wie  ilir  Name  sagt  —  den  Phallus.  Den 
Kopf  bedeckten  sie  mit  Blättern  und  Epheukränzen. 
Der  Gebrauch  des  Phallus  auf  dem  attischen  Theater 
beweist,  dass  mau  die  Tracht  der  Phallophoren 
auf  der  Bühne  beibehielt.  Nur  die  Maske  wurde 
neu  eingeführt,  weil  dieselbe  bei  der  kunstmässigen 
Ausbildung  der  Komödie  nothwendig  wurde"'). 

Dasselbe  Kostüm  finden  wir  wieder  auf  den 
scenischen  Darstellungen  unteritalischer  Vasenbil- 
der. Auch  hier  tragen  die  Schauspieler  männlicher 
Rollen  den  Phallus,  aucli  hier  zeigen  die  Masken 
jene  Gestaltungen,  wie  wir  sie  aus  Aristopbanes 
kennen  gelernt  haben:  wir  finden  monströse  Miss- 
gestalten"), die  Form  eines  Löwenkopfes  ")  u.  s.  w. 

Es  fragt  sicli  nun,  in  welcher  Beziehung  die 
Vasenbilder  zur  alten  Komödie  stehen.  Am  Ende 
des  5.  Jahrhunderts  macht  sich  in  Athen  —  wie 
wir  aus  der  Stelle  in  den  Wolken  (Vs.  537)  er- 
sehen —  eine  Reaction  gegen  das  Tragen  des  Phallus 
auf  der  Bübne  geltend,  wie  sich  auch  auf  anderen 
Gebieten  eine  Bewegung  gegen  das  Obscöne  kund 
giebt,  z.  B.  auf  dem  der  Vasenmalerei,  welche,  wenn 
sie  erotische  Vorwürfe  wählt,   jetzt  an  Stelle  der 

fjvD.oi'ia.  Dass  Stveiisiades  troU  der  ubigen  Worte  (Vs.  537) 
in  demselben  Stücke  doch  den  Phallus  trägt,  scheint  mir  durch- 
aus wahrscheinlich.  Der  Widerspruch  soll  die  Zuschauer  noch 
mehr  zum  Lachen  reizen.  Es  verhält  sich  hiermit  ebenso  wie 
mit  dem  Scherze  des  Xanthias  im  Anfange  der  Frösche.  Dio- 
nysos bittet  ihn,  nur  ja  nicht  den  Scherz  zu  machen:  (uj 
m.ißofiai j  weil  er  allzu  bekannt  sei.  aber  X.  macht  ihn 
darum  doch. 

'^)  Athenaeus  XIV,   16. 

")  Ueber  die  Einführung  der  komischen  Maske  wusste 
schon  Aristoteles  nichts  näheres  {De  arte  poetica  c.  5). 

'')  Wieseler,  D.  d.  B.  IX,   13. 

'»)   il.  d.   l.   1844,  Vol.  VI,  Tav.  XII. 


rohen  Bordellscenen  zarte  Liebesbilder  setzt.  Die 
Schauspieler  der  neuen  Komödie  treten  überhauj)t 
nicht  mehr  in  der  burlesken  Phallophorentracht, 
sondern  in  der  Kleidung  des  täglichen  Lebens  auf. 

Wenn  dies  auch  in  Athen  der  Fall  war,  so 
sehen  wir  die  Phallophorenkomödie  sich  doch  auf 
den  Inseln  des  ägäischeu  Meeres  und  an  der  klein- 
asiatischen Küste  im  4.  und  3.  Jahrhundert  weiter- 
bilden, von  wo  aus  sie  etwa  300  v.  Chr.  von  Rhin- 
thon  in  Tarent  eingeführt  wird.  Man  nannte  sie 
dort  auch  Phlyakographie,  weil  die  Italiker  die 
Phallophoroi  mit  dem  Namen  Phlyakes  bezeich- 
neten '"). 

Aus  der  nun  folgenden  Zeit  stammen  eine  Menge 
von  unteritalischen  Vasen,  auf  denen  wir  sehr 
häufig  Darstellungen  von  Phlyakes  finden.  Nicht 
alle  von  diesen  beziehen  sich  auf  das  Theater. 
Denn  zuweilen  sieht  man  jene  in  Verbindung  mit 
Dionysos,  mit  Kentauren,  denen  sie  voranspringen, 
mit  Bacchantinnen,  oder  der  Maler  hat  durch  An- 
deutung der  Landschaft  zu  erkennen  gegeben,  dass 
er  die  Phlyakes  im  Culte  darstellen  wilP°).  Bei 
einer  verhältuissmässig  grossen  Anzahl  ist  jedoch 
die  Beziehung  auf  das  Theater  durch  die  Angabe 
der  Bühne  gesichert. 

Auf  den  Inhalt  der  Phlyakographie  näher  einzu- 
gehen, ist  hier  nicht  der  Ort"')-  Nur  das  Eine 
ist  noch  zu  erwähnen,  dass  diese  Komödie  auch 
inhaltlich  Berührungspunkte  mit  der  alt-attischen 
hat.  Welcker  bezog  daher  das  bekannte  Bild  mit 
der  Darstellung  aus  den  Fröschen  direct  auf  die 
Komödie  des  Aristopbanes'').  Dies  ist  zwar  nicht 
berechtigt  —  abgesehen  davon,  dass  die  Annahme 
etwas  gewagt  ist,  die  Komödien  des  Aristopbanes 
seien  noch  in  jener  Zeit  in  Unteritalien  allgemein 
verbreitet  gewesen  — ,  weil  Dionysos  beim  Aristo- 
pbanes im  langen  Chitou  auftritt,  während  letzterer 
auf  dem  Vascnbilde  fehlt.     Der  Chiton  ist  nämlich 

")  Athenaeus  XIV,   1.x 

-f)  Lenormant,  Chefs-d'oeuvre  de  l'art  ant.  V"  s€rie.  Vol.  I, 
PI.  92.  —  Siehe  auch  das  unten  von  mir  edirte  Vasenbild. 

■•^')  In  nächster  Zeit  hoffe  ich  eine  Sammlung  der  Frag- 
mente der  lihinthonica  und  eine  Untersuchung  über  dieselbe 
geben  zu  können. 

"2)  Abgebildet  bei:  Gerhard,  D.  u.  F.  1S4:),  T.  III,  1  = 
Wieseler,  D.  d.  B.  S.-X.  A,2i. 

3* 


39 


H.  Dierks,  Kostüm  der  griechischen  Scliauspieler. 


40 


gerade  das  Wichtigste;  denn  der  Gegensatz  zwischen 
dem  langen  weiblichen  Gewände  und  den  Insignien 
des  Herakles  sind  der  Grund,  weshalb  dieser  in 
ein  Gelächter  ausbricht.  Die  Anlehnung  jedoch  an 
Aristophanes  ist  unverkennbar.  Was  liegt  in  diesem 
Falle  näher  als  an  eine  Neubearbeitung  dieser 
Scene  durcli  einen  Hilarotragüden  zu  denken?  Diese 
kannten  der  Vasenmaler  und  seine  Kunden  aus 
eigener  Anschauung  und  jener  konnte  daher  auf 
Interesse  und  auf  Käufer  für  seine  Waare  rechnen. 

Auf  einer  anderen  Vase  finden  wir  zwei  Diener, 
die  sich  in  Liebkosungen  gegen  Apollo,  ihren  Herrn, 
überbieten").  Der  eine  sucht  seine  Gunst  durch 
einen  Korb  mit  Früchten,  der  andere  durch  decla- 
matorische  Schmeicheleien  zu  gewinnen.  Es  gemahnt 
dies  lebhaft  an  die  Scene  mit  dem  Wettstreit  des 
Paphlagoniers  und  des  Wursthändlers  um  die  Gunst 
des  Demos. 

Panofka  wurde  durch  ein  anderes  Bild  an  Kra- 
tinos'  Weinflasche  erinnert"^). 

Ein  anderes  schliesslich  (s.  Taf.  5,1)  ruft  eine 
Scene  aus  den  Acharnern  in's  Gedächtniss  zurück. 

Nach  dem  Gesagten  dürfen  wir  die  scenischen 
Darstellungen  unteritalischer  Vasenbilder  zwar  nicht 
direct  dem  Inhalte  nach  auf  die  alte  Komödie  be- 
ziehen, sondern  auf  die  Hilarotragödie,  welche 
Scenen  aus  derselben  entlehnt;  wohl  aber  können 
wir  bei  dem  Zusammenhange,  in  welchem  das 
Lustspiel  des  5.  und  3.  Jahrhunderts  v.  Chr.  zu  ein- 
ander und  zu  dem  Phallophorenkult  stehen,  die 
Kleidung  der  Hilarotragüden  zur  Reconstruction  des 
Kostüms  komischer  Scliauspieler  des  5.  Jahrhun- 
derts benutzen.  — 

Die  Schauspieler  männlicher  liollen  tragen 
einen  dem  Körper  dicht  anliegenden  Anzug  aus 
steifem  Leder,  welcher  die  Beine  bis  an  die  Knöchel 
der  Füsse  und  die  Arme  bis  an  die  Hand  bedeckt'*). 

-■•')  M.  d.  I.   1859,   Vol.  VI,  T.  XXXV,  1. 

-*)  Gerhard,  D.  n.  V.  1849,  T.  IV,  1.  —  Smilh  [Jour- 
tiül  of  heil.  siud.  2,313)  vergleicht  eine  scenische  Darstellung 
(Tischbein  II,  57)  mit  der  Scene  aus  den  Vögeln  des  Aristopha- 
nes „where  tlie  Chorus  0/  ÄiVrf.v  altacks  ihn  intruding  human 
strangers. '^ 

-'}  Die  eng  anliegenden  GewUndcr  der  rhallophoren  nannte 
man    nach    Athenaeus  XIV.    16    xniivaxei.      Wieseler    hat    die- 


Ein  besonderes,  eng  anliegendes  Gewandstück  be- 
deckt bloss  den  Oberkörper  und  lässt  Arme  und 
Beine  frei").  An  diesem  befindet  sich  vorn  der 
Phallus,  aus  Leder-')  und  von  unförmlicher  Grösse. 
Dieser  eng  anliegende  Anzug  ist  nicht  als  ein  Ge- 
wand aufzufassen,  sondern  als  eine  Nachahmung 
des  Körpers.  Darum  sind  die  Brustwarzen  ange- 
geben, darum  ist  auch  das  Somation  zuweilen  aus- 
gestopft, um  einen  Schmerbauch  darzustellen").  Mit 
einem  solchen  trat  z.  B.  Dionysos  in  den  Fröschen 
auf.  Denn  Vs.  200  sagt  der  Chor  zu  ihm  nvxovv 
xa^söei  diix    svd^adl,  yaatQiov;''^) 

Die  Arme  und  Beine  sind  meist  buntfarbig  ge- 
streift und  zwar  in  der  Weise,  dass  an  jeder  Seite 
derselben  ein  Streifen  von  oben  nach  unten  läuft, 
die  beide  duich  Querstriche  verbunden  sind;  das 
Somation  dagegen  ist  einfarbig. 

Die  Gewänder  der  Männer  entsprechen  der  Klei- 
dung des  täglichen  Lebens:  die  e^cofilöes,  cci.t(pifitta- 
XaXni,  l^ÖTia  und  xla^ivösg,  jedoch  sind  sie  im  Sinne 
der  alten  Komödie  carikirt.  Die  Exomis  ist  von 
dickem,  steifem  Zeuge  oder  auch  Leder,  gegürtet, 
uud  zuweilen  weit  vom  Körper  abstehend"').  Mit 
derselben  sind  z.  B.  die  Greise  in  der  Lysistrata 
bekleidet  (Vs.  G61 :  aXla  Trjv  e^w/z/d'  exdvco^tsi^a). 
Einen  Amphimasclialos  überreicht  der  Allantopolos 
dem  Demos  in  den  Rittern  (Vs.  881).  Auf  den 
Vasenbildern  siud  die  Schauspieler  meist  mit  der 
Exomis  bekleidet,  und  zwar  ebensowohl  Sklaven 
wie  Götter,  Könige  und  Heroen;  es  findet  sich 
auch  der  Amphiniaschalos^'),  und  zuweilen  sind  sie 

selben  wegen  der  Aehnlichkeit  mit  der  persischen  Kleidung 
di>iiiv()td'fi  genannt. 

-'')  Ohne  Zweifel  ist  dies  das  aio/A(iriov,  von  welchem 
Photius  sagt:  aw/^diirf  in  (iianXciauaTn,  oig  ol  imoxQnal 
äiicadiTOvaiv  avTovt,  o'uiiof  IV.iiiior.  Vgl.  hierüber  Dierks 
a.  a.  0.  p.  8, 

■')  S.  Wolken  538. 

-«)  Wieseler,  D.  d.  B.  IX,   11.   12. 

-^)  Der  Seholiast  bemerkt  hierzu:  tinuyovni  yi<()  lov  Jio- 
vvaov  71  ijoydmonec  xitl  oiiiaX^ov  ktiö  riis  (<()j'i'«f  xnl  oh'o- 
(flvylttq. 

™)  Die  Nachrichten  des  I'oUux  (IV,  118,  VII,  47)  und 
Hesycli  (I,  p.  1301)  beziehen  sich  nicht  auf  die  Exomis  der 
alten  Komödie,  sondern  auf  die  der  neueren  und  des  tüg- 
11  üben  Lebens. 

■")  Gerhard,  D.  u.  F.  1849,  Taf.  IV  M.  d.  I.  1859. 
T:iv.  XXXV,   2. 


41 


H.  Dicrks,  Kostüm  tlcr  gricchisclieii  Schauspieler. 


42 


ganz  nackt,  d.  Ii.  bis  auf  die  Kaunakes  und  das 
Soniation  ''■').  So  treten  aucli  die  Clioreuten  in  der 
Lysistrata  auf,  naclideni  sie  ihre  Exoniides  ausge- 
zogen haben  (Vs.  GGl).  Sehr  liäutig  trugen  die 
Schauspieler  das  Himation,  jedoch  von  spasshaft 
kleiner  Dimension");  z.  15.  der  Gerechte  im  Plutos 
(Vs.  881),  Mnesiiochos  in  den  Thesmoplioriazusen 
(Vs.  Ln4),  die  Athener  in  der  Lysistrata  (Vs.  1083), 
die  Frauen  in  den  Ekklesiazusen,  welciie  in  Männer- 
traclit  erscheinen  (Vs.  74),  Strepsiades  (Vs.  497)  u.  a. 
Mit  einem  Himation  aus  gröberem  Tuche,  tqißuv 
oder  tQißiüvinv  genannt,  trat  der  Sykophant  im 
Plutos  auf  (Vs.  897),  Philokieon  in  den  Wespen 
(Vs.  1131)  u.  a.  Die  Chlamys  tragen  auf  der  Bühne 
nur  Personen,  für  die  sie  auch  sonst  charakteristisch 
ist,  wie  Hermes^')  oder  die  Krieger,  die  sich  — 
wie  es  im  Kampfe  Sitte  war  —  dieselbe  um  den 
linken  Arm  gewickelt  haben'''').  Auch  die  Lake- 
diimonier  in  der  Lysistrata  sind  mit  der  Chlamys 
bekleidet  (Vs.  987:  ti  drj  nQoßällei  ti)v  %Xaixvda). 
Die  Kleidung  der  Schauspieler,  welche  die 
Frauenrolleu  gaben,  lernen  wir  —  abgesehen  von 
den  Va.seiibildern  ^'')  —  am  besten  aus  den  Thes- 
mophoriazuseu  kennen,  wo  Mnesiiochos,  sich  als 
Weib  verkleidend,  vor  den  Augen  des  Publi- 
kums ein  Gewandstiick  nach  dem  andern  anlegt. 
Zunächst  zieht  er  deu  langen  Chiton  an,  fesselt  ihn 
mit  dem  Gürtel  (aigöcfiov^']  und  wirft  sich  schliess- 
lich ein  an  den  Kändern  verziertes  Himation  {s'yxv- 
xlov)  über"*).  Ein  solches  Enkyklon  trägt  auch 
Myrrhine  in  der  Lysistrata  (Vs.  113^'').  Dasselbe 
wurde  häutig,  wie  es  im  Leben  Sitte  war,  über  den 
Hinterkopf  gezogen'"). 


='-')  S.  W'ietelur,  D.  d.  li.  IX,  11.  IL'.  ].j.  Gerhard,  D.  u.  F. 
1849,  T.  III. 

■")  S.  Wieseler,   D.  d.  H.  IX,  7.   13.  A.  d.  I.  1859,    T.  K. 

")  Wieseler,  D.  d.  B.  IX,   U. 

35)  A.  d.  I.  1871,  Tav.  G.  Gerhard,  D.  u.  F.  1849,  T.  V,  2. 

3«)  M.  d.  I  1859,  Vol.  VI,  T.  XXXV,  2.  A.  d.  I.  187], 
Tav.  //.  u.  0. 

•")  Auch  Myrrhine  in  der  Lysistrata  trägt  diesen  Gürtel 
(Vs.  931  10  njoöifior  i'idri  ).vo/.tai),  vgl.  Thesmophor.  Vs.  139.  255. 

3*)  Ueber  das  Haarnetz  {atxgv<fiti.og)  ».  u. 

3^)  Ueber  das  iyxvyJ.ov  s.  Hermann,  Privat- Alt. ■*  p.  188, 
A.  3.     Becker,  Charikles  Ul\  p.  222.  256. 

"«)  M.  d.  1.   1859,  Vol.  VI,  T.  XXXV,  2. 


Die  Farbe  der  Chitone  war  meistens  safrangelb 
(xßoxwTog  ")■  ^^'^  solches  Gewand  trägt  z.  B.  die 
Frau  in  den  Ekklesiazusen,  welche  Vs.  878  sagt: 
lyu)  ÖS  xaxansn'kaai.iivrj  ipifw^liii  ?art]xa  xai  xqo- 
xwtov  rj^iqiiEai.iivrj,  ebenso  die  Männer,  welche  sich 
als  Frauen  verkleidet  haben,  wie  Mnesiiochos  in 
den  Thesmophoriazusen  (Vs.  253),  Agathon  in  dem- 
selben Stücke  (Vs.  137),  ßlepyros  in  den  Ekkle- 
siazusen (Vs.  331)  und  Dionysos  in  den  Fröschen 
(Vs.  45).  Bunte  Kleider  trägt  das  alte  Weib  im 
Plutos  l)ei  der  Opferscene  am  Ende  des  Stückes. 
Denn  Vs.  1199  sagt  Chremylos  zu  ihr:  t^ovaa  d^fjl- 
^eg  avTrj  notxlla.  Nach  Artemidor'-)  wurden 
bunte  Kleider  meistens  von  Reichen  oder  Uetaeren 
getragen.  Ohne  Zweifel  wird  liierzu  in  Beziehung 
stehen,  dass  auch  die  Dienerinnen  der  Hetaeren  in 
der  neuen  Komödie  mit  bunten  Gewändern  auf- 
traten, wälirend  die  Dienerinnen  ehrbarer  Frauen 
einfach  weisse  trugen"). 

Da  die  Frauenrollen  bekanntlich  von  Män- 
nern gegeben  wurden,  so  mussten  diese  sicii  die 
Brüste  ausstopfen.  Die  falsclien  Brüste  nannte 
man  ngnazEgvlöia^*).  —  Als  die  Verkleidung  des 
Mnesiiochos  in  den  Thesmophoriazusen  entdeckt 
wird,  ruft  Eine  aus  dem  Ciiore  (Vs.  640):  xai 
vrj  Jia  Tizd^oüg  yüansQ  Tjfislg  ovx  bxbi.  Ein 
anderes  Beispiel  ist  die  Stelle  in  der  Lysistrata, 
wo  diese  zur  Lampito  sagt  (V.s.  83):  log  6^  xalov 
to  yiQrj(.i  ex^ig  töJv  Tizd^luv. 

Eine  Kopfbedeckung  trugen  die  Männer  — 
wie  im  täglichen  Leben  —  für  gewöhnlich  nicht. 
Auch  Strepsiades  tritt  ohne  dieselbe  auf,  aber  er 
beklagt  es  sehr,  seinen  Hut  zu  Hause  gelassen  zu 
haben,  als  er  den  Chor  der  Wolken  heranziehen 
sieht  (Vs.  2()8:  to  de  /.ttjdi  xvvrjv  ol'xod-ei>  sld^eiv 
eui  Tov  xaxodaifxov  s'xovTa).  Dagegen  trugen  die 
auf    der    Reise    Befindlichen    stets    eine    Kopfbe- 

■")  Auch  in  der  neuereu  Komödie  war  nach  PoUux  (IV, 
120)  die  Gewandung  der  jüngeren  Frauen  weiss  oder  byssos- 
l'arbig. 

^-')  Oneirocrit.  II,  3:  yuvaixi  dt  noixü.t]  xat  aväijoit 
la!>iji  avfttfioti,  uitkiaitt  Sl  ijafgn  xai  nkiivaitt. 

")  S.  Pollux  IV,  154. 

'■")  Lucian,  De  saltat.  c.  27.  —  Ueber  den  Gebrauch  der 
7t(>uoit{JVidiu  in  der  Tragödie  vgl.  Dierks  a.  a.  O.  p.  7. 


43 


H.  Dierks,  Kostiim  der  griecliisehen  Schauspieler. 


44 


deckung"),  ebenso  wie  Iris  und  Heiuaes ").  Als 
Iris  in  den  Vögeln  auftritt,  fragt  Peithetaeros  sie 
mit  Anspielung  auf  ihren  Hut  (Vs.  1202):  ovoi.ia 
de  001  Ti  SOZI,  nXolov  }^  xvvt]*^}.  —  Die  Frauen 
trugen  gewöhnlich  auf  dem  Kopfe  eine  Haube 
(xexQvcpalog)  und  eine  Binde  Qiitqu).  Beides  muss 
auch  Mnesilochos  anthuu,  als  er  sich  als  Weib  ver- 
kleidet (Vs.  257  KEXQV(fittknv  8ei  xal  jtuVpag),  und 
ebenso  trägt  den  Kekryphalos  der  in  Frauenklei- 
dung auftretende  Agathen  (Vs.  138).  Ueber  ihre 
Form  unterrichten  uns  am  besten  die  Vasenbilder "). 

Die  gewöhnliche  Bezeichnung  für  die  Fussbe- 
kleid  ung  der  Männer  ist  bei  Aristophanes  e^u/Jag"). 
In  den  Wolken  sagt  Philokieon  zum  Bdelykleon 
(Vs.  1157):  ayi  vvv,  anodvov  rag  xaraQäzovg  ifißa- 
dag.  Auch  der  in  den  Ekkle-siazusen  verkleidete 
Chor  der  Frauen  hatte  i^ißadag  angezogen  (Vs.  507 
ifißcig  exnodcüv  iVw).  Die  Form  derselben  ent- 
sprach unseren  Schuhen.  Dies  gebt  hauptsächlich 
aus  der  Stelle  in  den  Rittern  hervor,  wo  der  Chor 
sagt  (Vs.  321):  ttqIv  ydg  stvai  Jlsayaorjaiv  eveov 
iv  talg  £fxßdot.v '"").  Es  waren  Schuhe  mit  niedrigen 
Schäften;  denn  dies  folgt  meiner  Ansicht  nach  aus 
der  Angabe  des  Pollux,  dass  ihre  Gestalt  niedrigen 
Kothurnen  glich  (VII, 85  zfiv  di  Idiav  xodögvoig 
Tanetvolg  eotjce*'). 

Bisweilen  werden  die  ifißäöeg  auch  laxiovixai 
genannt.  In  den  Wespen  fordert  Bdelykleon  den 
Philokieon  auf,  seine  e/ißädeg  auszuziehen  und  dafür 
die  von  ihm  mitgebrachten  neuen  i.axiovixai  anzu- 
legen (Vs.  1157).     Der  Unterschied  liegt  hier  nicht 

■'■')  Ebenso  in  der  Tragödie,  s.   Dieiks  ii.  u.  Ü. 

")  Wieseler,  D.  d.  B.  IX,   11. 

^')  Der  Scholiast  bemerkt  hierzu:  xuvfi  äi  Zu  f/ti  ntni- 
xttfalttCttV  tov  Ttdaoov. 

<8)  Wieseler.  D.  d.  B.  IX,  ü.  11.  12.  A.  ä.  1.  1871, 
Tav.  H. 

")  Ekkl.  507.  Ritter  321,  8üy.  Wolken  719,  858.  Wespen 
103,  274,  447,   1157.  l'lutos  759  u.a. 

'»)  Vgl.  Becker,  Charikles  III-',  der  noch  andere  Zeugnisse 
anführt. 

^')  Schoene  (^De  personur.  in  Eurip.  Bacchah.  hab.  scaen. 
pag.  32),  Becker  (Charikles  111  ',  p.  277)  u.  a.  haben  rnTifirög 
auf  die  Sohlen  bezogen,  weil  sie  meinten,  dass  Pollux  an  dieser 
Stelle  von  den  hoehsohligen  Kothurnen  der  Tragödie  spräche. 
Dieser  spricht  aber  durchaus  nicht  von  dem  Bühnenkothurn, 
sondern  von  dem  des  täglichen  Lebens.  Es  ist  deshalb  gewiss 
richtiger  lunnvoi  auf  die  Schäfte  zu  beziehen. 


in  der  Form,  wie  man  gemeint  hat*-),  sondern 
darin,  dass  die  einen  Schuhe  alt  und  die  anderen 
neu  sind.  Denn  dass  die  laxojvixal  nur  eine  an- 
dere Bezeichnung  für  die  si^ßäösg  sind,  folgt  aus 
den  Ekklesiazusen,  wo  Blepyros  seine  Schuiie  la- 
xiovixtti  nennt  (Vs.  345),  während  dieselben  später 
von  den  Frauen  ej-ißädeg  genannt  werden  (Vs.  507). 

Die  Fussbekleidung  der  Frauen  wird  von  Aristo- 
phanes meist  mit  dem  Worte  xöd^oqvog  bezeichnet. 
Mit  diesen  tritt  der  Chor  der  Frauen  in  der  Lysi- 
strata  auf  (Vs.  656),  ebenso  auch  der  als  Frau  ver- 
kleidete Blepyros  in  den  Ekklesiazusen  (Vs.  345) 
und  der  weibische  Dionysos  in  den  Fröschen 
(Vs.  47).  —  Ueber  die  Form  dieser  xöi^oqvoi  kann 
nach  der  Beschreibung  Heiodots  (VI,  125)  im  all- 
gemeinen kein  Zweifel  sein").  Es  waren  Schuhe 
mit  hohen  Schäften  und  —  nach  der  im  Etymolo- 
gicum  Magnum  (p.  524,40)  erhaltenen  Nachricht  — 
mit  viereckigen  Sohlen.  ■ —  Die  Kothoruoi  wurden 
auch  nsQoixal  genannt.  Dass  dies  nicht  etwa  eine 
andere  Fussbekleidung,  sondern  nur  ein  anderer 
Ausdruck  war,  geht  aus  den  Ekklesiazusen  hervor. 
Denn  dort  spricht  Blepyros  zuerst  von  neQOixai, 
die  er  anziehen  will  (Vs.  319),  während  er  gleich 
darauf  sagt  (Vs.  346):  eg  zco  xo&6qvco  tw  nod' 
svd^elg  'üfiai. 

Aus  den  Vasenbildern  lässt  sich  über  die  Fuss- 
bekleidung nichts  Sicheres  seh  Hessen,  weil  sie 
in  solchen  Details  meist  zu  undeutlich  ausgeführt 
sind.  Wo  jedoch  bei  den  Männern  Schuhe  ange- 
geben sind"),  haben  diese  niedrige,  also  den  Em- 
bades  entsprechende  Schäfte. 

3.  Die  Attribute. 
Zur  Individualisirung  bestimmter  Rollen  werden 
natürlich  die  dafür  geeigneten  Attribute  verwendet, 
die  mithin  von  mannigfacher,  nicht  auf  Regeln  zu- 
rückzuführender Art  sind.  So  tritt  Dionysos  in  den 
Fröschen  mit  Keule  und  Löwenfell  auf  (Vs.  45), 
der  Chor  der  Wcs])eii  mit  einem  hinten  angebrach- 

^•)  Becker,  Charikles  III  ■  p.  27S. 

''■')  Vgl.    Becker,    Char.  III"    ]i.  2S2.       Wieseler,    Satyrsp. 
p.  72.     Hermann,  P.-A.''  p.  196.     Dierks  a.  a.  0.  p.  48. 
'■•*)  Ä.  d.  I.   1871,  Tav.  G. 


45 


H.  Dicrks,  Kostfiiii 


jjriccliisdioii  Schauspieler. 


46 


ten  Stachel,  der  Feldherr  Laniachos  in  den  Achar- 
nern  mit  Schild  und  Helm,  auf  dem  sich  ein  grosser 
Federbusch  befand  (Vs.  583"),  die  Handwerks- 
leute in  den  Vögeln  mit  iiiren  Werkzeugen  (Vs.  980. 
1002.  1036  u.  ü.)  und  der  conservative  Demos  in  den 
Rittern  mit  altmodischer  Haartracht  (Vs.  1331).  Be- 
kränzt erschienen  die  Schauspieler  in  jeder  Situation, 
bei  der  es  im  Leben  Sitte  war:  der  Jüngling  im 
Plutos,  weil  er  sich  zum  Gastmahl  begiebt  (Vs.  1041), 
Karion  und  Ciiremylos,  da  sie  vom  Orakel  zurück- 
kehren'"^), Kleon  in  den  Rittern  (Vs.  1227)  und 
diejenigen  Frauen  in  denThesmophoriazusen,  welche 
als  Redner  auftreten  (Vs.  38  tieqi^ov  xÖvSe  nqü- 
rov  nqlv  Xiyeiv'"^). 

Die  Bürger  führten,  wie  im  täglichen  Verkehr"), 
meist  einen  Stock.  Erwähnt  wird  er  im  Plutos 
Vs.  271  und  von  den  Frauen,  die  in  Männertracht 
auftreten,  Ekklesiazusen  Vs.  74^'). 

Bei  Scenen,  welche  als  am  Abend  oder  in  der 
Nacht  spielend  gedacht  wurden,  traten  die  Schau- 
spieler mit  Fackeln  oder  Lampen  auf'").  In  den 
Ekklcsiazusen  trägt  eine  Fackel  der  zur  Geliebten 
(Vs.  978),  im  Plutos  der  zum  Gastmahle  gehende 
Jüngling  (Vs.  1041),  in  den  Ekklesiazusen  die 
Sklavin,  die  den  Herrn  zum  Gastmalil  begleitet 
(Vs.  1149).  Lampen  werden  in  den  Wespen  (Vs.  246) 
und  in  den  Ekklesiazusen  (Vs.  27)  erwähnt. 

Die  auf  der  Reise  Befindlichen  waren  von  Die- 
nern begleitet,  die  das  Gepäck  {azQw^taza)  in  zu- 
sammengerollten Decken  (axQtifiaxndeafia  oder  axqio- 

'")  Krieger  mit  Helm  und  Kederbusch  finden  ticli  häufig 
auf  den  scenisehen  Vasenbildern:  Gerhard,  IJ.  u,  F.  1S49, 
T.  V,  2.    A.  d.  I.   1S71,  Tav.   G.  Wieseler,  D.  d    B.  IX,   14. 

*'■)  Aus  demselben  Grunde  bekränzen  sich  die  Schauspieler 
in  der  Tragödie,  vgl.   Dierks  a.  a.  0.  \i.  32.  " 

■■')  Der  Scholiast  bemerkt  hierzu:  äij'i  lov  orf/nioc  f.Voj 
yiio  r)V  loTi  X(yovai  aTHfavovaUni   nQÜijov. 

'"'^  Ueber  den  Gebrauch  der  Spazierstöcke  im  täglichen 
Leben  s.  Becker,  Charikl.  I  p.  löS).    Hermann,  l'.-A.^  p.  184,   1. 

^')  Dass  jedoch  jeder  athenische  Greis  zwei  Stäbe  getragen 
habe,  wie  der  Scholiast  zu  dieser  Stelle  meint  {ntnin;  ot  yf'ooi- 
ifS  fv  ifits  HUrjvaig  ävo  ßax7ii(ili<s  fßtinTit^or),  ist  sicher  nicht 
richtig;  es  wird  sich  gewiss  auf  einzelne  Fälle  beschränkt  haben. 
—  Auf  den  Vasenbildern  führen  die  Männer  sehr  häufig  einen 
Stab,  der  mannigfach  gekrümmt  ist  (Wieseler,  D.  d.  B.  IX, 
6.   15.    A.  d.  I.   18ö,3,  Tav.  D.  u.  ö.). 

«")  S.  Wieseler,  ü.  d.  B.  IX,  II.  12.  Hier  bandelt  es  sich 
beide  Male  um  ein  Liebcsabentener. 


I.iazeia'")  trugen,  und  zwar  auf  einem  zweigabeli- 
gen  Stock  (äväq'nQnv").  In  den  Vögeln  treten 
die  Diener  des  Peithetaeros  und  Euelpides  mit  dem- 
selben auf  (Vs.  656),  in  den  Fröschen  Xanthias 
(Vs.  12).  Auch  auf  den  Vasenbildern  sind  die  Stro- 
mateia  und  Anaphora  häutiger  dargestellt"). 


Die  auf  Tafel  .5,2  zum  ersten  Male  (in  Va)  ver- 
öffentlichte unteritalische  Vase  befindet  sich  im  Louvre. 
Auf  der  einen  Seite,  die  als  Vorderseite  zu  gelten 
hat,  ist  die  Darstellung  eines  Phlyaken,  der  be- 
kleidet mit  den  Kaunakes,  dem  Somation  (mit 
Phallus)  und  der  gegürteten  Exoniis  sich  von  rechts 
nach  links  bewegt,  den  maskirten  Kopf  nach  rechts 
zurückwendet,  auf  demselben  einen  Korb  mit  Früch- 
ten und  in  der  Rechten  eine  brennende  Fackel 
trägt,  während  die  linke  Hand  den  Kopf  stützt  und 
zugleich  eine  Binde  hält.  Er  bewegt  sich  gegen 
einen  Altar,  der  zur  Linken  steht,  während  ihm 
rechts  ein  Vogel  folgt,  der  wahrscheinlich  eine  Ente 
darstellen  soll,  und  im  Schnabel  einen  Wurm  oder 
eine  kleine  Binde  trägt. 

Die  vorwiegende  Farbe  ist  hellbraun;  dunkel- 
braun ist  das  aiüfiättov  ~-  mit  Ausnahme  der  gelb- 
lich braunen  Brust  —  und  der  dazu  gehörige  unter 
der  Exomis  zum  Vorschein  kommende  Phallus,  wie 
auch  die  Binde  im  Haare;  weiss  sind  die  Streifen 
an  den  Kaunakes,  die  Striche  auf  der  Haarbinde 
und  die  Spitzen  an  derselben,  die  Früchte  im  Korbe, 
die  Kügelchen  auf  dem  Altar,  an  dem  Kranz  um 
den  Kopf  und  unter  dem  Phlyaken,  der  obere 
Flügelansatz  der  Ente  und  einzelne  Punkte  auf  dem 
Gefieder. 

Der  Phlyake  dreht  sich  um  nacli  dem  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  befindlichen  Dionysos.  Die- 
ser, im  Profil  nach  links  gewandt,  setzt  den  rechten 
Fuss  auf  eine  Blume,  legt  den  linken  Arm  auf  das 
rechte  Knie,  indem  er  mit  der  linken  Hand  einen 
Kranz  und  den  Thyrsosstab  hält,  der  über  die  linke 

")  S.   l'oUu.x,  Onom.  VII,   79. 

''-)  Der  Scholiast  zu  den  Fröschen  Vs.  8  bemerkt:  i'«)'«- 
f/opov  (H  ii'lov  i(Uif ixoil.oy,  h'  lö  k'i  ifumfu  fScQirjnKtiig 
Ol  ((lydjtti  ßi<ai<i(ovai. 

«■■0  Gerhard,  D.  u.  F.  1849,  Taf  III,  1.  A.  <l.  I.  1853, 
Tav.  C-D. 


47 


II.  Dierks,  Kostüm  der  grieclüselien  Schauspieler. 


48 


Schulter  gebt  und  an  dem  sich  oben  eine  Binde 
befindet.  Ueber  den  linken  Arm  fällt  ein  mit  einer 
Einfassung  verziertes  Hiniation;  auf  der  am  Hand- 
gelenk mit  einer  Spange  verzierten  Rechten  trägt 
er  einen  Korb,  einen  Kranz  und  eine  Rinde,  um 
den  Kopf  eine  Binde  und  einen  doppelten  Kranz, 
über  der  Brust  ebenfalls  einen  Kranz,  der  .sich  von 
der  rechten  Schulter  unter  den  linken  Arm  hinzieht, 
an  den  Füssen  endlich  zierliche  Schuhe. 

Die  Grundfarbe  ist  wiederum  hellbraun;  das 
Hiniation  ist  auf  allen  Seiten  mit  einem  dunkel- 
braunen Bande  und  Punkten  verziert  (eyxvxlnvy, 
dunkelbraun  ist  auch  die  Binde  in  der  rechten 
Hand  und  am  Thyrsosstab  mit  Ausnahme  der  Spitzen, 
welche  weiss  sind;  von  der  letzteren  Farbe  ist 
auch  die  Blume,  auf  welche  Dionysos  den  Fuss 
setzt,  der  Kranz  um  den  Korb,  in  der  linken 
Hand  und  im  Haare,  ebenso  die  KUgelchen  auf 
dem  Altar,  je  drei  Punkte  auf  den  Schuhen  und 
schliesslich  die  Spangen  am  rechten  Arme  und 
unten  am  rechten  Fusse,  von  welchem  letzteren 
jedoch  nur  noch  wenig  zu  sehen  ist. 

Aus  den  vom  Boden  aufspriessenden  Blumen 
und  der  unter  dem  Phlyaken  gemachten  Terrain- 
angabe erkennen  wir,  dass  diese  Scene  als  in 
freier  Landschaft  vor  sich  gehend  zu  denken  ist. 
Der  Phlyake  begiebt  sich,  das  Phalloslied  (to 
(fallixöv)  singend,  zum  Altar  des  Dionysos,  um 
ihm  den  mit  Früchten  gefüllten  Phalluskorb,  die 
Binde  und  Fackel  zu  weihen.  Und  wie  auf  dem 
Friese  des  Parthenon  die  Götter  bei  der  festlichen 
Handlung  als  Theilnehmer  versammelt  sind,  so  ist 
auch  bei  diesem  Feste  Dionysos  zugegen. 

Auf  einer  von  Tischbein  gezeichneten  Vase 
begegnet  uns  eine  ganz  ähnliche  Darstellung '''). 
Hier  sind  beide  Figuren  auf  einem  Bilde  vereinigt. 
Der  Phallophore  ist  in  derselben  Stellung  wie  auf 
unserer  Vase  und  blickt  sich  nach  dem  auf  ihn 
zueilenden  Dionysos  um;  statt  der  Fackel  hält  er 
einen  gehenkelten  Korb  in  der  Kechten. 

Eine  solche  Feier  der  ländlichen  Dionysien  istaucii 

''*)  Recueil  de  rjratmres  d'djjreii  des  vaaes  anticjues  elv. 
Naples  1791,  Vol.  I,  I'l.  41.  —  Auf  diese  Vase  nuuhte  mich 
Herr  I'rofessor  Wieseler  uufmerksuin. 


von  Aristophanes  in  den  Acharnern  auf  die  Bliline 
gebracht,  wo  Dikaeopolis  wegen  des  eingekauften 
dreis.sigjährigen  Friedens  dies  Fest  veranstaltet 
und  das  (fallixöv  singend  mit  dem  Phalluskorbe 
über  die  Bühne  zieht  (Vs.  241  fgg.). 

Die  andere  früher  im  Besitze  Maffei's,  jetzt 
ebenfalls  im  Louvre  befindliche  Vase  (Tafel  5,1; 
Maassstab  Vj)  ist  bereits  mehrfach,  aber  stets  in 
völlig  ungenügender  Weise  veröffentlicht  worden  ^^). 
Auf  der  Vorderseite  stehen  zwei  Schauspieler  der 
Phlyakographie  in  dem  bekannten  Theaterkostüm 
in  Action  einander  gegenüber.  Der  links  stehende 
hält  mit  der  linken  Hand  einen  Korb  vor  sich,  die 
rechte  leere  Hand  dagegen  hinter  sich.  Abge- 
sehen von  den  Kaunakes  und  dem  Somation  (mit 
Phallus)  ist  er  mit  der  Exomis  bekleidet.  Um 
den  Kopf  trägt  er  eine  breite  Binde,  aber  keine 
Kopfbedeckung,  wie  alle  früheren  Zeichnungen  an- 
geben. Der  andere  Schauspieler  hat  den  rechten 
Arm  gesticulirend  erhoben  und  den  linken  in  das 
Himation  gewickelt,  welches  er  noch  über  der 
Exomis  trägt.  Zugleich  hält  er  in  der  linken 
Hand  einen  Stock,  dessen  unteres  Ende  nach 
oben  gerichtet  ist  "'^).  Die  Schauspieler  stehen  auf 
einem  Gerüst,  welches,  wie  auch  auf  anderen  sce- 
nischen  Darstellungen"),  die  Bühne  andeuten  soll. 
Durch  die  über  ihnen  befindlichen  weissen  Punkte 
wie  durch  die  Rosetten  wird  wohl  der  Hintergrund 
der  Bühne  angezeigt. 

Das  Bild  hat  stark  gelitten  und  der  Firniss  ist 


'''')  Zuerst  von  Dempster,  De  Etruria  regali,  Vol.  II, 
Tab.  LXXXX,  Florent.  1724  (hier  ist  der  Korb  einigermaassen 
richtig  und  an  der  linken  Figur  der  Phallus  sichtbar;  bei  den 
übrigen  ist  der  Korb  falsch  und  der  Phallus  bei  beiden  Schau- 
spielern weggelassen);  von  Maffei,  Museum  Veronense  1749, 
Tab.  IX,  1  (hiernach  ist  die  Abbildung  bei  Wieseler  gemacht, 
1).  d.  B  IX  8);  von  Passeri,  Picturae  Etruxcorum  in  Vasculis, 
Romae  1752,  Vol.  II,  Tab.  CLXIV  (in  dieser  Publication  am 
ungenauesten).  —  Dass  die  früher  Maffei  gehörende  Vase  und 
unsere  identisch  sind,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  da  sie 
—  abgesehen  von  den  offenbaren  Fehlern  in  der  an  und  für 
sich  ungenauen  Zeichnung  —  in  unmöglich  zufälligen  Einzel- 
heiten übereinstimmen. 

•''')  Der  Stock  ist  auf  keiner  früheren  Zeichnung  augegeben, 
da  derselbe  kaum  noch  sichtbar  if.t  und  liei  oberflächlicher  Be- 
trachtung leicht  übersehen  wird. 

")  A.  d.   I.   1853,  Tav.  C-D.   1S70,  Tav.  /. 


49 


H.  Dierks,  Kostüm  der  griechisclion  Scliauspieler. 


50 


deslialb  au  verschiedenen  Stelleu  abgeblättert "). 
Ob  die  Scliauspieler  eine  Fussbekleidung;  tragen, 
ist  daher  an  der  linken  Figur  gar  nicht  zu  er- 
kennen; die  Andeutungen  an  den  Füssen  der  rech- 
ten Figur  deuten  auf  nackte  Füsse.  Die  unter 
der  rechten  Hand  der  links  stehenden  Figur  zum 
Vorschein  kommenden  Umrisse  sind  nicht  etwa 
Theile  von  Kleidungsstücken  —  wie  die  übrigen 
Zeichnungen  angeben  —  noch  eine  Angelruthe  '^'), 
sondern  eine  stark  abgeblätterte  Stelle. 

Der  links  stehende  Schauspieler  trägt  eine 
weisse  Binde  im  Haar,  der  andere  am  Hinterkopfe 
ein  weisses  Rand;  von  weisser  Farbe  sind  feiner 
der  gekrümmte   Stock    und  die  Punkte    über    den 

Figuren. 

^*)  Die   abgeblätterten  iStellen    sind    von   dem  Zeichner   der 
Vase,   Herrn  Volbebr,   sorgfältig  durch   punktirte  Linien  ange- 
geben.    Ueberhaupt  sind   die  Zeichnungen  bis  auf  den  kleinsten 
Strich  mit  miiglichster  Genauigkeit  angefertigt, 
'i')  Wieseler,  D.  d.  B.  IV,  56. 
.\rchiiolog.  Zt^.  Jahrjjang  XLUl. 


Erklärt  ist  dies  Vasenbild  von  Passeri  '")  iu 
folgender  Weise:  „In  tabula  .  .  .  vides  Maccos  ge- 
minos  in  siiggeslu  thealri  de  ßscella  dispittantes, 
veluH  contraclum  itteant  de  inlerioribns  poniis  sice 
pullis."  AVieseler  sagt  hieran  anknüpfend:  „Warum 
nicht  piscibus'i  Denn  wenn  die  Handlung  in  der 
bezeichneten  Weise  zu  deuten  ist,  so  scheint  es  am 
passendsten,  die  Figur  links  als  Fischer  zu  fassen." 
Allein  die  Kopfbedeckung  und  die  Angelruthe, 
welche  er  für  den  Fischer  anführt,  sind  in  Wirk- 
lichkeit nicht  vorhanden  und  damit  wird  die  An- 
nahme hinfällig. 

Sicher  ist,  dass  wir  in  diesen  beiden  Figuren 
Herr  und  Diener  vor  uns  haben  ").  Jener  ist  ge- 
kennzeichnet durch  den  gekrümmmten  Stock,  wel- 

'»)  A.  a.  O.  p.  49. 

'')  Bereits  Wieseler  a.  a.  O.  machte  die  Bemerkung,  dass 
es,  wenn  nicht  ein  Fischer,  gewiss  ein  Sklave  mit  seinem 
Herrn  sei. 

4 


51 


II.  Dicrks,  Kostüm  der  giiechisclieii  Schauspieler. 


52 


clier  nur  den  Freien  zustand,  und  durch  das 
verzierte  Himation.  An  irgend  einen  Streit  um 
den  Korb  oder  seinen  Inhalt  ist  nach  dem  Aus- 
druck der  Gesichter  durchaus  nicht  zu  deniien, 
wohl  aber  scheint  es,  als  ob  der  Diener  dem  Herrn 
etwas  aus  dem  Korbe  dargereicht  hat,  was  dieser 
eben  kostet.  Er  hat  sich  zu  diesem  Zwecke  in 
eine  feste  Position  gestellt,  den  Arm  in  die  Seite 
gestützt,  indem  er  das  untere  Ende  des  Stockes 
nach  oben  kehrt,  und  macht  mit  der  rechten  Hand 
den  Gestus  eines  feinen  Kenners,  der  ein  Gericht 
probirt,  während  der  Sklave,  gespannt  auf  den  Eifect, 
seine  Hand  erwartungsvoll  auf  den  Rücken  legt. 

Diese  Scene  hat  mich  an  das  Zwiegespräch 
zwischen  Amphitheos  und  Dikaeopolis  in  den 
Acharnern  erinnert,  wo  der  erstere  mit  dem  für 
8  Drachmen  gekauften  Frieden  zurückkehrt  und 
davon  seinem  Herrn,  der  ihn  ausgesandt  hat,  zu 
kosten  giebt.  Dass  Amphitheos  den  Frieden  in 
einem  Korbe  bringt,  ist  ganz  im  Sinne  der  alten 
Komödie.  Er  langt  zuerst  den  fünfjährigen  Frie- 
den daraus  hervor  und  lässt  den  Herrn  probiren 
(Vs.  188:  avzai  /.liv  slai  nevTSTeig'  ysvaai  Xaßcöv), 
darauf  den  zehnjährigen  (Vs.  191:  av  ö'alla  ToaSl 
Tocg  de-iceT£ig  ysvaai  laßtov),  welcher  wie  der  erste 
dem  Dikaeopolis  nocli  einen  etwas  herben  Beige- 
schmack hat,  und  endlich  den  SOjährigeu  (Vs.  194: 
aX)J  avtaii  anovdal  Tgiayco^Tovridsg  xava  yfjv  ts 
xai  {yäXoTxav),  welcher  seinen  Herrn  zu  dem  freu- 


digen Ausrufe  veranlasst:  w  Jinvvaia,  avTcti  fisv 
oCnva  af.ißQnalag  xal  vfxzoQog.  Der  letzte  Moment 
ist  gewiss  auf  unserem  Vasenbilde  gemeint. 

Ist  meine  Deutung  richtig,  so  haben  wir  hier 
ein  zweites  Beispiel,  dass  die  Phlyakographie  direct 
eine  Scene  aus  der  alten  Komödie  entlehnt.  — 

Auf  der  Sp.  49.  50  im  Text  abgebildeten  Rück- 
seite befinden  sich  zwei  einander  gegenüberstehende, 
in  ein  langes  Himation  gehüllte  Männer,  von  denen 
der  rechts  befindliche  seinen  Arm  auf  einen  Stab 
stützt,  beide  tragen  um  den  Kopf  eine  Binde. 
Zwischen  ihnen  kommt  aus  dem  Boden  ein  Blumen- 
ornament hervor  und  oben,  hinter  dem  Rücken  der 
rechts  stehenden  Person,  ist  eine  Rosette.  Da  sich 
ähnliche  zwei,  in  der  Tracht  des  gewöhnlichen 
Lebens  gekleidete  Männer,  häufiger  auf  den  vorn 
mit  scenisehen  Darstellungen  versehenen  Vasen  be- 
finden, so  ist  gewiss  ein  Zusammenhang  zwischen 
ihnen  und  den  auf  der  Vorderseite  befindlichen 
Schauspielern  anzunelimen.  Man  könnte  an  Zu- 
schauer denken  und  hat  daran  gedacht;  allein  da- 
gegen spricht,  dass  sich  die  Personen  einander 
gegenüberstehen.  Dagegen  scheint  mir  die  Binde 
im  Haar,  das  Zeichen  des  Siegers,  darauf  hinzu- 
weisen, dass  wir  hier  die  Schauspieler  vor  uns 
haben,  welche  auf  der  vorderen  Seite  in  ihrer  Glanz- 
und  Siegesrolle  auftreten. 


Paris. 


Hermann  Dierks. 


53 


54 


DIE  LÜCKEN  IM  PARTHENONFRIES. 


Bei  den  Versuchen  die  Fragmente  des  Partiieuon- 


frieses    in    eine 
bringen    niusste 


möglichst 


gesicherte 


Ordnung 


zu 
icli  es,  wie  bei  manchen  anderen 
Abschnitten  meiner  Ausgabe  des  Parthenon,  als 
einen  besonders  schweren  Uebelstand  empfinden, 
dass  es  mir  nicht  vergönnt  war  vor  dem  Abschluss 
der  Arbeit  die  Originale  einer  erneuten  Prüfung 
zu  unterziehen.  Stand  mir  doch  selbst  von  Abgüssen 
nur  eine  ganz  geringe  Zald  zur  Verfügung,  sogar 
die  Ancienl  Marbles  konnte  ich  nur  zeitweilig  zu 
Rathe  ziehen.  So  blieb  mir  denn  für  die  Berech- 
nung der  Länge  der  erhaltenen  Fragmente  und  des 
Verhältnisses  derselben  zur  ursprünglichen  Länge 
des  ganzen  Frieses  nichts  übrig,  als  auf  Grund  der 
Tafelu  meines  Atlas  nach  dem  Reductionsverhältniss 
von  n  zu  100  die  Länge  des  Erhaltenen  zu  schätzen. 
Wie  unsicher  ein  so  gewonnenes  Resultat  sein 
musste,  sobald  es  sich  um  schwierige  Einzelfragen 
handelte,  konnte  mir  natürlich  niclit  entgehen;  ich 
habe  daher  aucli  meine  Bereclinungen  nur  als  an- 
nähernde Schätzungen  gegeben  (,S.  234.  241).  Ver- 
suche einer  genaueren  Bestimmung  sind  seither 
meines  Wissens  kaum  gemacht  worden.  Auch 
Robert  in   seinen   durcli    Mittheilung  neuen  Stoifes 


dankenswertheu,  obschon  in  den  Sehlussfolgerungen 
vielfach  irrigen  Bemerkungen  über  neue  Fragmente 
des  Frieses  (Arch.  Ztg.  1875  S.  95fif.)  hat  sich  in 
Beziehung    mit    meinen    Aufstellungen    be- 


obiger 
gnügt. 


Schon  im  Jahre  1873,  als  ich  zum  erstenmale 
nach  Abschluss  meines  Werkes  das  britische  Museum 
wieder  besuchen  konnte,  habe  ich  die  Gelegenheit  be- 
nutzt, alle  Platten  und  Fragmente  des  Frieses  genau 
zu  messen.  Damals  war  Newton  gerade  mit  der 
Neuaufstellung  des  Frieses  beschäftigt  und  gestattete 
mir  mit  seiner  stets  bewährten  Liberalität  völlige 
Freiheit  in  meinen  Arbeiten.  Aueii  war  der  Fries 
damals  noch  nicht  hinter  den  allerdings  schützenden, 
aber  alle  Einzeluntersuchung  erschwerenden  und 
die  künstlerische  Wirkung  empfindlich  schädigenden 
Glasplatten  verborgen.  Natürlich  ist  der  Wertli 
der 


um  die  Originale  oder  um  Abgüsse  handelt;  wegen 
der  verschiedenen  Ausdehnung  des  Gipses  beim 
Trocknen  und  bei  der  grossen  Nachlässigkeit  der 
Giesser  können  die  Messungen  an  Abgüssen  eine 
absolute  Genauigkeit  nicht  beanspruchen.  Indessen 
handelt  es  sich  hierbei  doch  höchstens  um  wenige 
Centimeter,  d.  h.  um  Grössen,  welche  bei  Bestimmung 
der  Gesammtzahl  der  Platten  kaum  in  Frage  kom- 
men. Uebler  ist  der  fragmentirte  Zustand  so 
vieler  Platten,  der  eine  directe  Bestimmung  der 
ursprünglichen  Länge  nicht  gestattet;  und  am  alier- 
übelsten  ist  es,  wo  wir  nur  mit  Carrey's  Zeichnungen 
zu  thun  haben.  Es  hat  sich  mir  aber  als  ein 
werthvolles  Resultat  der  durchgeführten  Messung 
ergeben,  dass  die  erhaltenen  Platten  des  Nord-  und 
des  Südfrieses,  auf  die  allein  es  ankommt,  mit 
einigen  besonders  motivirten  .Xusnahmcn  durchweg 
eine  feste  Normallänge  aufweisen.  Wir  können 
diese  also  ohne  Gefahr  wesentlichen  Irrthums  auch 
für  die  fragmentirten  und  die  nur  bei  Carrey 
überlieferten  Platten  voraussetzen. 

Zur  vollständigeren  Orientirung  schicke  ich  eiu 
paar  Worte  über  die  Schmalseiten  voraus. 

Am  Ostfriese  sind  Platten  verwandt  worden 
von  einer  Länge  wie  sie  am  übrigen  Friese  nicht 
wieder  vorkommt.  Die  Mittelplatte  (V)  niisst  nicht 
weniger  als  4,44  Meter,  d.  h.  genau  15  attische 
Fuss  (zu  0,296  M.).  Diese  Platte  entspricht  der 
Länge  des  mittleren  Intercolumniums.  Etwas  un- 
regelmässig schliessen  sich  beiderseits  die  weiteren 
Platten  an,  dergestalt  dass  sie  gegen  die  Enden 
allmählich  an  Länge  abnehmen,  im  Einzelnen  aber 
sehr  verschiedene  Maasse  aufweisen.  Man  möchte 
glauben,  dass  die  ungewöhnlich  langen  Blöcke 
schwerer  zu  beschaffen  waren  und  daher  so  un- 
gleichmässig  ausgefallen  sind;  in  geringerem  Grade 
mag  der  Wunsch  mitgewirkt  haben,  die  Figuren 
uiclit  durch  Plattenenden  zu  durchschneiden.  Im 
Folgenden  bezeichnen  die  eingeklammerten  Ziffern 
die  wahrscheinlichen  ursprünglichen  Längen;  ein 
Stern  hinter  der  Zahl  weist  darauf  hin,  dass  es  sich 


Hessun 

^en    verschieden,   je 

nachdem 

es    sich 

um  ein  Fragment  hai 

ideit. 

I 

0,54 

II 

0,79* 
(1,22) 

III 

3,19 

IV 

.3,42 

V 

4,44 

VI 

l,38*  +  a;-|-2,7G* 
(4,23) 

VII 

2,00 

VIII 

1,1)0 

IX 

(0,54) 

Die  gesammte  Länge  des  Frieses  beträgt  21,18  M. 
(Parthenon  S.  203),  d.  h.  71' 9"  attisch. 

Anders    ist    der    ebenso    lange  Westfries    zu- 


sammengesetzt. Nach  den  Abgüssen  in  London  lia- 
ben  die  Platten  III  bis  XIV  eine  Duichschnittslänge 
von    1,40  M.   (4'  11"  attisch).      Die   Schwankungen 

4* 


00 


Ad.  Michaelis.  Die  Lücken  im  Partlienonfrics. 


56 


bewegen  sich,  abgesehen  von  Platte  XII  mit  1,37  M., 
zwischen  1,39  und  1,40  M.  Dann  folgt  jederseits 
eine  längere  Platte,  11  von  1,705,  XV  von  1,67  M. 
Diese  Platten  dienen  zur  Ausgleichung  mit  den 
schmalen  Endplatten,  welche  nur  die  Breite  oder 
Schmalseite  eines  Friesblockes  darstellen.  XVI 
misst  0,52  M.,  entspricht  also  nahezu  Ostfries  I; 
Platte  I  des  Westfrieses  habe  ich  mir  zu  0,47  M. 
notirt,  aber  mit  einem  Fragezeichen,  dessen  Grund 
ich  nicht  mehr  anzugeben  weiss.  Hinter  der  ge- 
forderten Gesammtlänge  von  21,18  M.  bleibt  die 
gemessene  um  0,045  zurück;  dürfen  wir  diesen 
Ueberschuss  zu  Platte  I  hinzurechnen,  so  wird  sie 
fast  genau  so  lang  wie  die  andere  Eckplatte  XVI. 

Die  beiden  Langseiten  sind  ähnlich  wie  die 
Westseite  eingerichtet.  Abgesehen  von  den  End- 
])latten  ergiebt  die  Messung  als  Durchschnittsmaass 
der  Platten  eine  Länge  von  1,22  M.  (=4'  2"  attisch). 
Die  Schwankungen  bewegen  sich  fast  durchweg 
innerhalb  der  Grenzen  von  1,205  und  1,23,  nur 
ganz  vereinzelt  kommen  Platten  von  1,19  und  1,25 
vor  (unmittelbar  neben  einander,  also  einander 
ausgleichend,  Xordfries  XXVIII  und  XXIX),  einmal 
eine  von  1,24  (Nordfries  XXII);  in  letzterem  Falle 
kommt  in  Betracht,  dass  die  Platte  jetzt  aus  ver- 
schiedenen Fragmenten  zusammengestückt  und  da- 
durch vielleicht  etwas  länger  geworden  ist.  Legt  mau 
das  Durchschnitlsniaass  von  1,22  M.  zu  Grunde,  so 
ergiebt  sich,  dass  die  Gesammtlänge  von  58,53  M. 
(Parthenon  S.  203)  fast  genau  48  solche  Platten 
umfasst.  Diese  würden  58,56  M.,  d.  h.  198'  attisch 
ergeben  ;  es  ist  wohl  sicher,  dass  dies  letztere  Maass 
das  wirklich  gemeinte  war  und  dass  entweder  die 
mangelnden  0,03  M.  auf  IJechuung  ungenauer  Aus- 
führung kommen  oder  dass  die  nach  Penroses 
Angaben  angestellte  Berechnung  der  Länge  nicht 
ganz  genau  ist.  Ich  bemerke  übrigens  ausdrücklich, 
dass  ich  die  Messung  der  einzelnen  Platten  und  die 
Berechnung  des  Durchschnittsmaasses  ohne  Rück- 
sicht auf  die  attischen  Maasse  oder  auf  die  Gesammt- 
länge des  Frieses  vorgenommen  habe;  die  Ueber- 
einstimmung  mit  jenen  und  das  glatte  Aufgehen 
von  48  Plattenlängen  in  die  Gesammtlänge  haben 
sich  mir  erst  nachträglich  ergeben. 

Dennoch  enthielt  jede  der  beiden  Langseiten 
ursprünglich  nicht  48,  sondern  nur  47  Platten, 
so  dass  nicht  die  Fuge  zwischen  der  24.  und  25. 
JMatte,  sondern  die  24.  Platte  selbst  die  Mitte  des 
Frieses  bildete.  Dies  rührt  daher,  dass  für  die 
Eckplatten,  die  ja,  wie  oben  bemerkt,  der  östlichen 
und    westlichen    Friesseite   ihre   schmalere   Fläche 


(0,52 — 0,54  M.)  zukehrten ,  um  grosserer  Festigkeit 
willen  möglichst  lange  Blöcke  gewählt  wurden, 
deren  gegen  Norden  und  Süden  gekehrte  Langseiten 
das  Durchschnittsmaass  von  1,22  M.  um  ungefähr 
0,40  M.  (Genaueres  s.  u.)  überschritten.  Da  dieser 
Ueberschuss  von  rund  2x0,40  =  0,80  M.  nicht  die 
ganze  Länge  einer  Normalplatte  ausmacht,  so  musste 
die  Ausgleidmng  mit  der  zusammenhängenden  Reihe 
der  Normalplatten  dadurch  herbeigeführt  werden, 
dass  zwischen  die  letztere  und  die  Endplatten 
einige  etwas  grössere  Platten  eingefügt  wurden. 
Thatsächlich  ist  die  Aufgabe  so  gelöst  worden, 
dass  ein  für  7  Normalplatten  ausreichender  Raum 
(8,54  M.)  auf  6  Platten  vertheilt  und  hierdurch  die 
Gesammtzahl  von  48  Platten  um  eine  verringert 
ward.  Von  jenen  sechs  Platten  wurden  je  drei  an 
jedes  Ende  gebracht.  Dabei  war  es  keineswegs 
nöthig  die  8,54  M.  ganz  genau  in  zwei  gleiche 
Hälften  von  4,27  M.  zu  theilen;  es  genügte  wenn 
die  sechs  Platten  zusammen  jene  Länge  besassen. 
Es  ist  der  Mühe  werth,  das  dabei  beobachtete  Ver- 
fahren etwas  genauer  zu  verfolgen. 

Am  Westende  des  Nordfrieses  sind  alle 
drei  Platten  XL-XLII  vollständig  erhalten  (von 
XXXIX  linkshin  beginnen  die  Normalplatten). 
Sie  messen  1,31 -|-l,41-f  1,65  =  4,37  M.,  sind  also 
um  0,10  M.  länger  als  die  Hälfte  des  für  beide 
Enden  bestimmten  Raumes.  Somit  bleiben  für  die 
drei  östlichsten  Platten  des  Nordfrieses 
I  —  III  nur  4,17  M.  übrig,  vorausgesetzt  dass  die 
dazwischen  liegenden  41  gewöhnlichen  Platten  ge- 
nau die  normale  Gesammtlänge  von  50,02  M.  hatten, 
was  nicht  mehr  controlirbar  ist.  Von  jenen  drei 
Platten  misst  die  einzig  erhaltene  (II)  1,415  M.,  die 
beiden  andern  sind  vollständig  nur  bei  Carrey  er- 
halten. Indessen  haben  sich  allmählich  von  Platte  III 
zehn  Fragmente  zusammengefunden;  sie  beweisen, 
dass  das  rechte  Ende  dieser  Platte  unmittelbar 
hinter  die  vierte  Kuh  fällt,  und  Fig.  9  mit  dem 
Bruch  darunter  bereits  zu  Platte  IV  gehört.  Be- 
rechnet man  nach  diesen  Fragmenten  (vom  Fuss 
von  Fig.  8  bis  zum  rechten  Plattenrand  sind  es 
0,64  M.)  die  Länge  der  ganzen  Platte,  so  erhält 
man  1,40  M.  Für  Platte  I  ergiebt  die  Rechnung,  auf 
Grund  der  Facsimiles  nach  Carrey  in  Labordes 
Parthenon  vorgenommen,  nur  1,19  M.,  während 
bei  Zuziehung  der  Stuart'schen  Zeichnung  von 
Fig.  1  (vgl.  die  Reconstruction  in  meinem  Atlas) 
eine  bedeutend  grössere  Länge  (1,495  M.)  heraus- 
kommt. Nach  ersterer  Rechnung  erhalten  wir 
1,19+1,415-1-1,40  =  4,005  M.,  nach  der  letzteren 


57 


Ad.  Michaelis,  Die  i^iickeii  im  Partli<nonfries. 


58 


1,495+1,415+1,40  =  4,31  M.  Der  oben  berechnete 
Retrag  von  4,17  M.  liegt  etwa  in  der  Mitte  zwischen 
beiden  auf  Schätzung  beruhenden  Werthen.  Die 
Differenz  kann  bei  so  schwankender  Grundlage 
der  Messung  nicht  Wunder  nelinien;  sie  mag  sich 
in  Wirklichkeit  auf  beide  Platten  I  und  III  vertheilt 
haben ;  jedenfalls  ist  sie  nicht  erheblich  genug,  um 
das  Gesamnitrcsultat  wesentlich  zu  gefährden. 

Besonders  einfach  gestaltet  sich  die  Sache  beim 
Westende  des  Südfrieses  (PI.  I— III).  Platte  I 
misst  ungefähr  1,65'),  die  nächste  Platte  II,  die 
xi.i    iiu '      117       118  119  x],nn2e 


am  rechten  Rande  ein  wenig  gelitten  zu  haben 
scheint,  1,42  M.  Dies  ergiebt  zusammen  ungefähr 
3,07  M.,  d.  li.  etwa  2'l.,  Normaüängen  (3,05),  so 
dass  die  Ausgleichung  also  bereits  durch  diese 
beiden  Platten  erreicht  ist  und  Platte  III  das  gewöhn- 
liche Maas.s  erhalten  konnte;  in  der  That  misst  sie 
1,225  M. 

Am   wichtigsten   erweist  sich  die  gemachte  Be- 
obachtung   für    das    Ostende    des    Südfrieses. 
Bekanntlich  gehört  die  dort  dargestellte  athenische 
Hekatombe  zu    denjenigen  Theilen  des  Frieses,  die 
xxxixion  110       111    XL     112      ii.s  114        115 


(XL)  114 


XLlir20    121 


122    123 


124    XXXVIII 106  107 


108 


XLIII    127        128    XLIV    120     I.SO 


131 


einer  möglichst  raumsparenden  Anordnung  am 
meisten  Schwierigkeit  entgegenstellen.  Ich  konnte 
in  meinem  Parthenon  (S.  239 f.)  nur  das  Geständniss 
ablegen,  zu  keinem  befriedigenden  Ergebuiss  gelangt 
7AI  sein;  der  Ausfall  von  wenigstens  zwei  Platten 
erschien  mir  als  siclier.  Fortgesetzte  Beobachtungen 
sowoiil  an  den  Originalen  wie  an  Abgüssen  führten 
nicht  weiter;  ich  verzweifelte  desto  mehr  an  einer 
befriedigenden  Lösung  der  Aufgabe,  je  deutlicher 
ich  erkannte,  dass  es  sich  nur  um  ganz  geringe 
Lücken  handeln  könne.  Auch  Petersen  und  Kobert 
sciieinen  nicht  glücklicher  gewesen  zu  sein.  Nur 
Newton  (Guide  to  tlie  Sculptures   of  Ihe  Parthenon, 

')  Die  Länge  läsat  sich  wegen  des  Bruches  nicht  ganz  genau 
bestimmen  und  ist  vielleicht  noch  etwas  grösser,  in  meinem 
Atlas  ist  der  Bruch  zu  weit  gerathen.  Wie  die  Entfernung 
zwischen  Fig.  3  und  dem  zugehörigen  Pferdekopf  beweist,  sollte 
das  hinter  Fig.  4  nach  links  vorspringende  abgebrochene  Stück 
durch  die  erhaltene  Oberfläche  von  Fig.  3  grösstentheils  verdeckt 
werden. 


2.  Ausg.,  S.  76)  hat  einen  neuen  Vorschlag  gemacht  ■), 
der  wenigstens  einen  Punkt  iu  sehr  wahrscheinlicher 
Weise  erledigt  (s.  u.,  S.  59),  dafür  aber  noch  mehr 
Lücken  im  Zuge  anzunehmen  zwingt  und  eben  hier- 
durch in  seiner  Gesammtheit  alle  ^^'ahrscheinlichkeit 
verliert.  Jetzt  giebt  die  Beobachtung  über  die 
grössere  Länge  der  Endplatten  einen  festen  Aus- 
gangspunkt. Zunächst  ist  klar,  dass  die  Eck- 
platte XLIV,  deren  erhaltenes  Stück  0,965  M.  misst, 
einst  bedeutend  länger  gewesen  sein  muss.  Da 
nun  das  Fragment  XLIII,  127.  128  (lang  0,46  M.) 
nach  der  Wendung  des  Kopfes  von  Fig.  128  am 
besten  an  Platte  XLIV  mit  dem  ganz  links  er- 
scheinenden, linkshin  gewandten  Beine  sich  an- 
schliesst,  so  ist  dies  Fragment  ohne  Frage  ein  Theil 
der  Endplatte  selbst,  deren  somit  gesicherte  Länge 
von  1,325  M.  noch  durch  zwei  weitere  kleine  Stücke 


-■)  XLI.  XLIII,   126.  II  XXXIX.  XL. 
XLIII,  127.  XLIV. 


xxxvin.  iixLii.i 


59 


Ad.  Micbaclis,  Die  Lücken  im  Partlienonfries. 


60 


am  linken  Rande  und  zwischen  den  beiden  erhal- 
tenen Fragmeuten  erweitert  werden  uiuss:  wir  mö- 
gen etwa  1,50 M.  als  annähernde  Länge  annehmen^). 
Von  den  übrigen  Platten  der  Hekatombe  über- 
schreiten nur  XXXVIII  und  XLII  die  Normallänge 
und  müssen  also  der  Endplatte  zunächst  ihren  Platz 
finden.  Jene  misst  1,39,  diese  1,38  M.;  dabei  ist  jene 
anscheinend  am  liuken,  diese  am  rechteu  Rande 
ein  wenig  bestossen,  so  dass  die  Maasse  ursprüng- 
lich etwas  grösser  gewesen  sein  werden.  Von  den 
beiden  Platten  schliesst  sieh  XXXVIII  gut  an 
XLIII,127  an,  wenn  wir  die  Lücke  zur  Linken  des 
letzteren  Fragments  als  klein  annehmen:  die  von 
Fig.  108  geführte,  auf  der  Abbildung  sehr  lang  er- 
scheinende Kuh  erhält  dabei  nach  Ausweis  des  Ab- 
gusses genau  ihre  gehörige  Länge.  Ebenso  findet 
der  Zusammenschluss  von  XLII  und  XXXVIII  mit 
einer  ganz  geringen  Lücke  dazwischen  in  den  er- 
haltenen Resten  kein  Hinderniss;  das  Ende  der  Kuh 
ward  von  Fig.  124  verdeckt.  Bleiben  wir  nun  bei 
den  angegebenen  Maassen  stehen,  so  ergiebt  sich 
für  die  drei  Platten  eine  Gesammtlänge  von  1,38*  + 
1,39* +  (1,50)  =  4,27  M.,  d.  h.  genau  das  geforderte 
Maass.  Da  die  Länge  aber  nach  dem  Gesagten  ein 
wenig  höher  wird  angesetzt  werden  müssen,  so  ist 
der  Ueberschuss,  falls  nicht  die  Endplatte  etwas 
kürzer  war,  aus  der  Reihe  der  Normalplatten  zu 
ergänzen. 

Es  möge  gestattet  sein,  auch  die  weitere  An- 
ordnung der  Hekatombe  hier  gleich  zu  erledigen, 
und  zwar  mit  Rücksicht  darauf,  dass,  wie  schon 
bemerkt  ward  und  wie  sich  weiter  unten  genauer 
ergeben  wird,  die  grösste  Sparsamkeit  in  Annahme 
von  Lücken  dringend  geboten  ist.  Newton  hat  sehr 
richtig,  wie  ich  mich  am  Originale  überzeugt  habe, 
erkannt,  dass  das  Fragment  XLIII,12G  sich  un- 
mittelbar rechts  an  Platte  XLI  anschliesst.  Das 
Fragment  bildet  die  obei'e  linke  Ecke  einer  Platte, 
das  am  linken  Rande  abgebröckelte  Stück  lässt 
noch  den  Umriss  des  verhüllten  rechten  Arms  von 
Fig.  119  erkennen.  Ferner  hat  Newton  der  Platte 
XLI  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  den  letzten 
Platz  im  Zuge  der  Kühe  augewiesen.  Nichts  deutet 
auf  eine  nachfolgende  Kuh  hin;  die  von  Fig.  117 
geführte  Kuh  schreitet  völlig  ruhig  einher,  die 
Handbewegung  von  Fig.  IIG  findet  ihre  Erklärung 
am    leichtesten    in    der  Annahme,    dass    der  Mann 

')  Die  linke  unteie  Ecke  dieser  Endplatte  wird  das  Frag- 
ment mit  dem  Fuss  gebildet  haben,  das  auf  meinem  Atlas  unter 
XLIil,  126  gesetzt  worden  ist;  der  Fuss  scheint  zu  Fig.  127  zu 
gehören. 


zurückblickte,  etwa  nach  der  folgenden  Abtheiluug 
des  Zuges.  Somit  würden  die  ruhigen  Thiere  auf 
Platte  XLI.  XLIII,126  und  auf  Platte  XLII.  XXXVIII. 
XLIII,127f.  XLIV  Ende  und  Anfang  der  Hekatombe 
bezeichnen,  jenes  ohne  Zweifel  durch  eine  weitere 
Kuh  ergänzt,  die  in  dem  hinter  XLIII,126  verloren 
gegangenen  Theil  der  Platte  dargestellt  war.  Die 
ruhigen  Gruppen  nahmen  nach  Analogie  anderer 
Friestheile  die  beiden  unruhigen  Kühe  der  zusammen- 
gehörigen Platten  XXXIX.  XL  in  die  Mitte.  XL 
kann  sich  füglich  unmittelbar  an  XLII  anschliessend), 
und  ebenso  ist  kein  Grund  ersichtlich,  zwischen 
XLIII,126  und  XXXIX  mehr  als  den  Rest  der 
ersteren  Platte  ausgefallen  sein  zu  lassen.  Somit 
ergiebt  sich  als  wahrscheinliche  Anordnung  der 
ganzen  Hekatombe  XLI.  XLIII,126  und  Rest  der 
Platte.  XXXIX.  XL.  XLII.  XXXVIII.  XLIII,127. 
128+ XLIV.  Ausgefallen  ist  danach,  abgesehen 
von  den  kleinen  Lücken  der  Endplatte,  nur  der 
grössere  Theil  einer  einzigen  Platte,  deren  erhaltene 
obere  linke  Ecke  (XLIII,126)  0,27  U.  misst;  die 
Lücke  beträgt  also  ungefähr  0,95  M.  Ich  möchte 
glauben,  hiermit  ein  unbequemes  Problem  befrie- 
digend gelöst  zu  haben;  es  wird  schwerlich  ge- 
lingen mit  geringerem  Aufwand  von  Lücken  diesen 
Theil  des  Frieses  anzuordnen.  — 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zur  Bestimmung 
der  im  Friese  nachweisbaren  Lücken.  Es 
bedarf  jetzt  nicht  mehr  genauer  Messungen  der 
einzelnen  Fragmente,  sondern  wir  können  mit  ganzen 
Platten  rechnen.  Alles  Unwesentliche,  alle  für  diese 
Frage  gleichgiltigeu  Fragmente  lasse  ich  bei  Seite; 
ihre  Einordnung  wird  in  einem  seit  Jahren  vor- 
bereiteten Ergänzungshefte  zu  meinem  Parthenon, 
zu  dem  mir  aber  noch  einige  Zeichnungen  fehlen, 
eine  passendere  Stelle  finden.  Auch  will  ich  mich 
auf   abweicheude  Verniuthungeu    nur  so  weit  ein- 

*)  Ich  will  eine  .scheinbare  Schwierigkeit  nicht  unerwähnt 
lassen ,  damit  sie  nicht  gegen  obige  Anordnung  eingewandt 
werde.  Auf  dem  Abguss  von  Platte  XL  erscheint  der  untere 
Umriss  der  von  Fig.  114  und  llü  verdeckten  Kuh  linkshin 
dergestalt  gerundet,  dass  man  auf  den  ersten  Blick  den  Ansatz 
des  Hinterbeins  darin  vermuthen  möchte.  Doch  erledigt  sich 
diese  Annahme  alsbald  durch  die  tiefe  Lage  des  Bauchuujrisses, 
welche  nicht  zur  Gegend  der  Euter,  sondern  nur  zu  einer  mehr 
nach  vorn  liegenden  Partie  des  Bauches  passt.  .lene  Rundung 
ist  lediglich  durch  den  Uebergang  von  der  Bauchlinie  der  Kuh 
in  den  Mantel  von  Figur  114  veranlasst,  und  in  der  That  so 
unscheinbar,  dass  sie  in  den  sonst  so  genauen  Ancient  Marbles 
VIII,  41  gar  nicht  wiedergegeben  ist.  Bemerkenswerther  ist 
dass  die  Fortsetzung  der  Kuh  in  der  Lücke  zwischen  Fig.  1  Vi 
und  114  vom  Bildhauer  übersehen  worden  ist. 


61 


Ad.  Micliaulis.  Die  Lüok(Mi  im  Partlienonfries. 


62 


lassen,  wie  es  zur  Klarstellung  des  Tliatbestandes 
unerlässlich  ist. 

Im  Nordfries  bilden  die  östlichen  Platten 
I — XVI  einen  uuunterbroclienen  Zusammenhang; 
wenigstens  liegt  kein  hinlänglicher  Grund  vor,  eine 
Lücke  anzunehmen.  Platte  XIII  und  Platte  XV 
umfassen  aber  je  zwei  Platten.  Diese  Vermuthuug 
(Parthenon  S.  245)  ist  seither  durch  Auffindung  von 
Endstücken,  welche  die  Theilung  von  Platte  XIII 
mitten  durch  Fig.  48  und  diejenige  von  Platte  XV 
hinter  dem  vordersten  Pferde  darthun  (Robert 
S.  lOOf.),  vollends  erwiesen.  Somit  vertritt  jene 
Eeihe  in  Wirklichkeit  18  Platten.  Ebenso  schliesseu 
am  westlichen  Ende  12  Platten  (XXXI  — XLII) 
unmittelbar  aneinander  an;  das  macht  zusammen  30. 
Dazwischen  liegen  Trümmer  von  verschiedenem 
Umfang.  Das  grösste  Stück  wird  von  6  Platten 
I XXI— XXVI),  dem  Schluss  des  Wagenzuges  und 
dem  Anfang  des  Reiterzuges,  gebildet;  denn  Robert's 
Einwand  gegen  die  Zusammengehörigkeit  von  Platte 
XXI  und  XXII  (S.  102)  ist  durch  ein  von  ihm 
übersehenes  grösseres  Fragment  widerlegt,  das  die 
Lücke  zwischen  beiden  Stücken  genau  ausfüllt 
(Newton  S.  55f.),  und  der  Anschluss  von  XXIII  an 
XXIV  wird  durch  ein  Stück  des  Apobaten  (Südfries 
XXVIII,  s.  u.  S.  65)  am  linken  Rande  von  XXIV 
hergestellt  (Newton  S.  54).  Zu  diesen  36  Platten 
kommen  zwei  zusammengehörige  (XVII.  XVIII) 
und  eine  vereinzelte  Wagenplatte  (XIX),  desgleichen 
zwei  zusammengehörige  Reiterplatten  ohne  Anschluss 
links  und  rechts  fXXVIII.  XXIX)  und  ein  grösseres 
links  unvollständiges  Fragment  (XXX).  Insgesammt 
sind  also  42  Platten  im  Original  oder  in  Zeichnung 
erhalten.  Die  beiden  kleineren  Fragmente  XX 
(s.  Anm.  5)  und  XXVII  A  lasse  ich  einstweilen  aus 
dem  Spiel;  XXVII  B  mag  zu  Fig.  76  oder  77  ge- 
hört haben,  XXVII  C  und  D  gehören  sicher  zu 
Platte  III,  deren  linke  obere  und  rechte  untere 
Ecke  sie  bilden.  Von  später  gefundenen  Fragmenten 
bildet  I  liei  Robert  (S.  101)  die  obere  linke  Ecke 
von  Platte  XLI,  und  s  hat  seinen  passenden  Platz 
als  obere  rechte  Ecke  von  Platte  XXIV  gefunden 
(Newton  S.  54).  Damit  erledigen  sich  die  von 
Robert  (S.  102)  aus  diesen  Fragmenten  entnommenen 
Schwierigkeiten. 

Die  noch  nachweislichen  42  Platten  lassen  also 
Kaum  für  fünf  fehlende  Platten.  Hiervon  sind 
nach  der  auch  jetzt  noch  giltigen  Ausführung  im 
Parthenon  S.  248  mindestens  zwei  Platten  für  den 
Reiterfries  erforderlich  (s.  u.),  für  den  Wagenzug 
stehen   also  höchstens  drei  Platten  zur  Verfügung. 


Legen  wir  für  diesen  Theil  des  Frieses  die  in 
meinem  Atlas  angenommene  Reihenfolge  zu  Grunde, 
so  werden  in  der  That  alle  drei  Platten  erforderlich 
sein.  Platte  XVI,  entsprechend  verlängert,  würde 
dann  in  Platte  XVII.  XVIII  ihre  Fortsetzung  haben. 
Von  dem  Apobaten  XVIII,61  fiele  noch  ein  kleines 
Stück  in  die  Lücke,  und  ebenso  ein  Theil  der 
Pferdevorderbeine  von  Platte  XIX.  Wäre  nun  hier 
nur  eine  Platte  ausgefallen,  so  müssten  wir  uns 
diese  zum  grössten  Theil  durch  einen  in  ganzer 
Gestalt  zwischen  den  Wagen  sichtbaren  Geleitsmann 
ausgetüllt  denken  (so  Parthenon  S.  246).  Das 
würde  aber  eine  gar  aufl'ällige  Wiederholung  nebeu 
der  ähnlichen  Figur  58  sein.  Somit  bleibt  wohl 
nichts  übrig  als  den  Ausfall  zweier  Platten  (XVIII 
a.  b)  anzunehmen,  welche  natürlich  ein  weiteres 
Gespann  enthielten,  etwa  in  ähnlich  langgezogener 
Coraposition  wie  das  Gespann  von  Platte  XI.  XII. 
In  der  That  existirt  ein  Fragment,  das  icli  weder 
bei  Robert  noch  bei  Newton  erwähnt  finde,  haupt- 
sächlich in  dem  unteren  Stück  eines  sehr  breiten 
Schildes  bestehend,  mit  ein  wenig  Gewand  links; 
wenn  dies  zu  Fig.  61  gehörte  (und  ich  wüsste 
nicht,  wo  es  sonst  unterzubringen  wäre),  so  würde 
schon  diese  Figur  einen  ungewöhnlich  grossen 
Raum  beanspruchen.  —  Weiter  bliebe  eine  zweite 
Lücke  hinter  XIX.  Von  der  nächstfolgenden  Platte 
(XIX  a)  ist,  wie  Robert  S.  101  richtig  erkannt  hat, 
ein  unmittelbar  anschliessendes  Fragment  (»•)  er- 
halten; es  ergänzt  den  Wagenlenker  und  enthält 
dazu  den  Mittelkörper  des  schildbewehrten  Apobaten 
nebst  einem  Stück  des  Wagenrandes.  Leider  fehlt 
mir  das  genaue  Maass;  nach  der  mir  vorliegenden 
Zeichnung  nimmt  das  Fragment  etwa  ein  Drittel 
einer  Platte  ein,  misst  also  ungefähr  0,40  M.;  es 
blieben  sonach  etwa  0,82  M.  übrig.  Andrerseits 
beträgt  die  Länge  des  erhaltenen  Stückes  von 
Platte  XXI  0,99  M.,  es  fehlen  also  an  der  vollen 
Länge  dieser  Platte  0,23  M.  Somit  erhalten  wir 
für  die  fehlenden  Stücke  eine  Gesammtlänge  von 
1,05  M.  Diese  würde  durch  die  Vordertheile  der 
Pferde  allerdings  wohl  kaum  ganz  erfordert  werden, 
der  übrig  bleibende  Raum  würde  sich  aber  für 
einen  nicht  allzu  breiten  Geleitsmann  eignen,  da 
von  einem  solchen  ja  in  dem  erhaltenen  Stücke 
nichts  sichtbar  wird  0-  Es  ergäbe  sich  also  folgende 
Reihe: 

XVI*    XVIL     XVIII.    [XVIII  a.    XVIII  b.J     XIX. 
[XIX  a.]  XXI*  XXII.  XXIII; 

')  Ueber  Fragment  XX  wüsste    ich    dem    Parthenon  S.  247 
(jcsagteu  nichts  hinzuzufügen;  vgl.  auch  Robert  S.  102. 


63 


Ad   Michaelis,   J)ie  Lücken  im  Parthenonfries. 


64 


Bei  dieser  Anordnung  würde  die  Zahl  der  Gespanne 
sich  von  neun  auf  zehn  erhöhen;  ebenso  viele 
waren  einst  im  Siidfriese  vorhanden  (Parthenon 
S.  238  zu  Platte  XXIX).  Es  blieben  danach  für 
den  Reiterzug  nur  zwei  Platten  übrig.  Von  den 
im  Parthenon  S.  248  bezeichneten  beiden  Möglich- 
keiten (XXVI.  XXVI  a.  XXVIII.  XXIX.  XXX. 
XXX a.  XXXI,  oder  XXVI.  XXX.  XXX  a.  XXVIII. 
XXIX.  XXIXa.  XXXI)  möchte  ich  jetzt  der 
zweiten  den  Vorzug  geben.  Danach  würde  die 
fragmentirte  Platte  XXX  in  die  Lücke  unmittelbar 
hinter  Platte  XXVI  rücken.  Es  ist  ungefähr  die 
Hälfte  einer  vollständigen  Platte  (0,62  M.);  die 
verloren  gegangene  linke  Hälfte  würde  das  Pferd 
von  Fig.  92  vervollständigt  und  ausserdem  den 
grössten  Theil  desjenigen  Pferdes  enthalten  haben, 
dessen  vorderer  Umriss  am  rechten  Rande  von 
Platte  XXVI  neben  Fig.  80  erscheint.  Hinter  Platte 
XXX  wäre  dann  eine  Platte  (XXX  a)  verloren  ge- 
gangen, auf  welche  Platte  XXVIII.  XXIX  folgten, 
und  dahinter  eine  zweite  (XXIXa)  die  den  Anschluss 
an  Platte  XXXI  bewirkte.  In  dieser  zweiten  Platte, 
nahe  dem  linken  Ende,  möchte  ich  dem  Wiener 
Fragment  XXVII  A  seinen  Platz  anweisen.  Dann 
erhält  das  hinter  Fig.  90  sichtbare  Pferd  seinen 
Reiter  in  Fig.  81,  Fig.  82  fiele  mit  Fig.  91  zusammen, 
und  der  am  Knie  von  Fig.  91  sichtbare  Pferdefuss 
gehörte  zu  dem  Pferdekopf,  der  neben  Fig.  82  er- 
scheint. Eben  dies  Zusammenpassen  der  Figuren 
scheint  mir  für  die  dargelegte  Anordnung  zu  sprechen, 
doch  ist  es  nicht  durchaus  entscheidend,  da  das 
Wiener  Fragment  links  keine  Stossfuge  aufzuweisen 
scheint.  Somit  bleibt  auch  die  im  Atlas  beiolgte 
Anordnung  mit  je  einer  fehlenden  Platte  hinler 
Platte  XXVI  und  Platte  XXX  immerhin  möglich. 

Es  lässt  sich  aber  auch  eine  andere  Anord- 
nung aller  Lücken  im  Nordfries  aufstellen, 
bei  der  dem  Wagenzug  nur  zwei,  dem  Reiterzug 
dagegen  drei  fehlende  Platten  zugewiesen  würden. 
Nimmt  man  hinter  Platte  XVI,  mit  der  Carrey's 
zusammenhängende  Zeichnung  des  Wagenzuges 
schliesst,  den  Ausfall  einer  Platte  (XVIa)  an,  die 
den  zugehörigen  Wagen  enthalten  hätte,  lässt  dann 
Platte  XIX  folgen,  und  auf  diese  wiederum  eine 
zweite  fehlende  Platte  (XIX  a),  welche  ausser  dem 
oben  (S.  02)  besproclienen  Fragment  r  mit  dem 
Apobaten  ein  sich  hoch  empor  bäumendes,  also 
auch  verhältnissmässig  eng  zusammenrückendes  Ge- 
spann enthalten  iiätte,  so  könnten  nun  Platte  XVII 
mit  dem  stark  hemmenden  Lenker,  Platte  XVIII, 
und   im    unmittelbaren   Anschluss   daran   das   ver- 


vollständigte  Gespann    der    ergänzten    Platte  XXI 

nebst  den  zugehörigen  Platten  XXII.  XXIII  folgen. 

Also: 

XVP.  [XVIa.]  XIX.  [XIXa.]  XVIL  XVIII.  XXI* 

XXII.  XXIII. 
Es  blieben  dann  zur  Ergänzung  des  Reiterfrieses 
drei  Platten  übrig,  für  deren  Einschiebung  sich  auf 
diese  Weise  natürlich  die  Möglichkeiten  verviel- 
fältigen würden.  Die  Zehnzahl  der  Gespanne 
bliebe  die  gleiche,  wie  bei  der  vorhin  erörterten 
Anordnung.  Auch  lässt  sich  gegen  diese  Annahme 
nicht  etwa  daraus  ein  Einwand  entnelimen,  dass 
dann  Carrey  zwischen  dem  Ende  seiner  längeren 
Zeichnung  (Platte  XI — XVI)  und  der  vereinzelten 
Zeichnung  von  Platte  XIX  nur  eine  einzige  Platte 
übersprungen  hätte,  während  bei  der  anderen  Anord- 
nung vier  Platten  dazwischen  liegen  würden.  Denn 
der  gleiche  Fall  tritt  nicht  nur  bei  Platte  X  ein, 
wo  die  Auslassung  der  einen  Platte  sich  allenfalls 
aus  dem  geringeren  Interesse  des  Gegenstandes 
erklären  Hesse  (vgl.  jedoch  Südfr.  XXXV.  XXXVI), 
sondern  auch  im  Südfries  hinter  Platte  XXI 
(s.  u.);  ebendort  sind  die  beiden  langen  Stücke 
Platte  XVIII— XXVII  und  Platte  XXX— XXXVII 
nur  durch  zwei  Platten,  XXIX  und  [XXIXa],  von 
einander  getrennt.  Nichtsdestoweniger  halte  ich 
diesen  zweiten  Vorschlag  für  minder  vvalirsclieinlich. 
Denn  erstens  würde  für  die  Rosse  vor  Platte  XVII 
der  Raum  sehr  knapp  ausfallen,  was  im  Ganzen 
nicht  die  Art  des  Nordfrieses  ist  (nur  das  Gespann 
auf  Platte  XIX  macht  eine  Ausnalime).  Und  zwei- 
tens reicht  für  die  Ergänzung  des  Gespannes  von 
Platte  XXI,  dessen  eines  Pferd  ziemlich  stark  vor- 
anstrebt, das  an  dieser  Platte  fehlende  Stück  von 
0,23  M.  nicht  aus.  Die  Pferdebeine  müssten  also 
auf  Platte  XVIII  hinübergegriffen  haben;  dort  ist 
aber  nichts  von  ihnen  zu  sehen.  Dieser  Grund 
scheint  mir  entscheidend  zu  sein.  Auch  würde  das 
oben  besprochene  Fragment  mit  dem  sehr  breiten 
Schilde  als  Ergänzung  von  Fig.  Gl  keinen  Platz  auf 
Platte  XXI  finden  können,  während  es  sich  doch 
kaum  an  irgend  einer  anderen  Stelle  so  schicklich 
unterbringen  lässt  (auch  kaum  auf  Platte  XVIa). 
Aus  diesen  Gründen  glaube  icli  also  au  der  Reihen- 
folge meines  Atlas  und  der  an  erster  Stelle  vorge- 
schlagenen Ergänzungsweise  festhalten  zu  müssen. 
Einfacher  gestaltet  sich  die  Frage  und  sicherer 
die  Lösung  für  den  Südfries.  Mehr  oder  weniger 
vollständig  erhalten  sind  zunächst  23  Platten  vom 
Reiterzug  (I— XXIII),  sodann  13  Platten  vom  Zuge 
der  Wagen  und  der  ihnen  voranschreitenden  Fuss- 


65 


Ad.  Michaelis,  Die  Lücken  im  Partlienonfries. 


66 


ganger  (XXIV— XXVII.  XXIX— XXXVIP),  end- 
lich nacli  dem  oben  (S.  59  f.)  Bemerkten  7  Platten 
von  der  Hekatombe  (XLI.  XLIII,  126*.  XXXIX. 
XL.  XI.II.  XXXVIII.  Xi.ilF,  127*f.  +  XLIV*),  zu- 
sammen also  43  Platten.  Von  Fragmenten,  welche 
Schwierigkeiten  machen  könnten,  gehört  XXIV  A  zu 
Fig.  GS,  B  zu  Nordfr.  Fig.  8,  die  Pferdeköpfe  dersel- 
ben Platte  wahrscheinlich  als  obere  rechte  Ecke  zu 
Platte  XXII  (Newton  S.  80);  das  Fragment  XXVIII, 
dessen  Htossfuge  nicht  reclits,  sondern  links  fällt, 
gehört,  wie  Petersen  richtig  bemerkte  (Parth.  S.  238), 
zum  Nordfries,  und  ist  von  Newton  (S.  54)  mit 
grosser  Walirscheinliclikeit  als  linkes  Ende  von 
Nordfr.  XXIV  bezeichnet  worden;  der  Kopf  Fig.  125 
füllt  die  Lücke  von  Figur  52  aus,  der  Fuss  unter 
Fig.  12G  endlich  mag  zu  Fig.  127  gehören  (s.  Anm.  3). 
Das  von  Robert  S.  98  als  e  bezeichnete  Fragment 
vervollständigt  nicht  Platte  XXX,  sondern  Platte 
XXIX;  das  Fragment  h  findet  seinen  Platz  unmittel- 
bar unter  Fragment  b  und  bildet  mit  diesem  zu- 
sammen den  rechten  Rand  von  Platte  XVII  (Newton 
S.  81),  nöthigt  also  nicht  zur  Annahme  einer  be- 
sonderen Lücke. 

Obige  43  Platten  (wenn  wir  von  der  nur  zur 
Hälfte  erhaltenen  Platte  XXXVll*  zunächst  ab- 
sehen) erfordern  eine  Ergänzung  durcii  vier  ver- 
lorene Platten.  Es  gilt  die  Plätze  für  diese  zu 
finden.  Keine  Lücke  braucht  hinter  Platte  XI  an- 
genommen zu  werden  (Robert  S.  98f.),  denn  das 
Original  von  Platte  XII  ist  in  seiner  linken  Hälfte 
in  Wirklichkeit  so  zerstört,  dass  nicht  abzusehen 
ist,  warum  die  Linie  des  Pferdehalses  sich  nicht  gut 
an  den  Rest  auf  Platte  XI  anschliessen  sollte. 
Ebenso  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass 
zwischen  Platte  XIII  und  XH'  nichts  fehlt.  Das  er- 
giebt  sich  aus  der  Beobachtung  (Parth.  S.  235),  dass 
dieser  Theil  des  Zuges  in  Reihen  von  je  sechs 
gleichmässig  uniformirten  Reitern  zerfällt.  Die 
gleiche  Beobachtung  muss  uns  auch  bei  der  Aus- 
füllung der  ersten  sicheren  Lücke  leiten,  die 
Platte  XVI  und  XVII  von  einander  trennt  (Parth. 
S.  236).  Robert  (S.  98)  vermuthet  die  untere  rechte 
Ecke  der  verloren  gegangenen  Platte  in  seinem 
Fragment  g  (hoch  0,35,  lang  0,25  M.),  welches  das 
Hintertheil  des  Pferdes  von  Fig.  44  und  den  erho- 
benen Vordcrfuss  eines  zweiten  enthält.  Ein  Ab- 
guss  des  Fragments  scheint  in  London  zu  fehlen, 
da  es  weder  von  Newton  erwähnt  wird  noch  von 
mir  bemerkt  worden  ist;  so  fehlt  es  denn  auch 
unter  meinen  Zeichnungen.  Uebrigens  passt  der 
von    Robert    ihm    angewiesene    Platz    anscheinend 

Archjiolog.  Ztg.  Jahrgang;  XLUI, 


sehr  gut.  An  dem  auf  Platte  XVII  erhaltenen 
Theil  des  Pferdes  von  Fig.  44  ist  nämlich  keine 
Spur  eines  nachfolgenden  Pferdes  zu  entdecken, 
woraus  ich  schon  früher  den  Schluss  zog,  dass  mit 
dieser  Figur  ein  neues  Glied  (44  —  47)  beginne. 
Dies  wird  durch  das  neue  Fragment  bestätigt; 
denn  mag  der  Vorderfuss  des  zweiten  Pferdes  den 
schmalen  Rest  vom  Hintertheil  des  ersten  noch 
berühren  oder  nicht,  immerhin  besteht  zwischen 
Fig.  44  und  dem  nachfolgenden  Reiter  ein  so  weiter 
Zwischenraum,  wie  er  in  diesem  Theil  des  Frieses 
eben  nur  zwei  Glieder  von  je  sechs  Figuren  von 
einander  trennt.  Andrerseits  scheint  der  Anschluss 
von  Platte  XVII  an  die  arg  zerstörte  Platte  XVIII 
durch  die  neugefundenen  Fragmente  b  und  h  ge- 
sichert zu  sein  (Newton  S.  81);  wenigstens  passen 
die  Stücke  in  den  Linien  der  Pferde  vortrefflich 
mit  Platte  XVIII  zusammen  und  ergänzen  das  Glied 
zur  Zahl  von  sechs  Reitern,  von  denen  drei  (44. 
45.  45a,  d.  h.  die  neuen  Fragmente)  auf  Platte  XVII, 
die  drei  vorderen  (456,  nur  noch  am  Pferd  erkenn- 
bar. 46.  47)  auf  Platte  XVIII  ihren  Platz  finden. 
Kehren  wir  nun  aber  zur  Lücke  hinter  Platte  XVI 
zurück,  so  ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  nur 
eine  Platte  ausgefallen  sein  sollte.  Diese  könnte 
aller  Analogie  zufolge  nur  drei  Reiter  enthalten 
haben,  eine  Abtheilung  von  drei  Reitern  ist  aher 
gerade  in  der  Mitte  zwischen  je  drei  deutlich  ge- 
schiedenen Gliedern  von  je  sechs  Reitern  undenkbar. 
Alles  wird  klar,  sobald  wir  den  Ausfall  zweier 
Platten  (XVIa.  XVI b)  annehmen;  dann  erhalten 
wir  auch  hier  sechs  mit  Ledermänteln  bekleidete 
Reiter,  von  denen  nur  das  Pferdehintertheil  des 
letzten  (Fig.  43«)  auf  Platte  XVI  und  ein  Pferde- 
vorderfuss  des  ersten  (Fig.  43)  auf  Roberts  Frag- 
ment g,  dem  Schlusstheil  von  Platte  XVI  b,  erhalten 
sind'^). 

Somit  stehen  nur  noch  zwei  Platten  zur  Ver- 
fügung. Diesen  ist  ihr  Platz  sicher  bestimmt.  Eine 
Platte  muss  in  die  von  Carrey  deutlich  bezeichnete 
Lücke  zwischen  Platte  XXI  und  XXII  eingesetzt 
werden  (XXI  a).  Die  vorhergehende  Platte  XXI  wird 
ausser  durch  das  Fragment  Fig.  125,  das  zu  Fig.  52 
gehört  (s.  o.  S.  65),  auch  noch  durch  die  obere 
rechte  Ecke  ergänzt,  Schulter  und  Kopf  des  Reiters 
enthaltend;  letzterer  trägt,  wie  es  sich  gebührt,  den 
Petasos  (Newton  S.  80).     Die  Reihe  der  Reiter  mit 

*■)  Auft'aUend  bleibt  dabei  nur,  dass  auch  der  zum  vorher- 
gehenden Gliedc  gehörige  Reiter  44  einen  ähnlichen  Ledermantel 
zu  tragen  scheint. 

ä 


67 


Ad.  Michaelis.  Die  Lücken  im  Parthenonfries. 


68 


Petasos')  ist  also  beinahe  vollständig-,  es  fehlt  nur 
die  vordere  Hälfte  des  Pferdes  von  Fig.  53.  Andrer- 
seits sind  von  dem  vordersten  aufgelösten  Gliede  auf 
den  Platten  XXII.  XXIII  fünf  Reiter  vollstän- 
ständig  erhalten  (Fig.  54— 58),  von  dem  letzten 
(Fig.  53a)  nur  Kopf  und  Brust  des  Pferdes.  Auf 
der  verlorenen  Platte  XXIa  muss  sich  also  dieser 
Reiter  mit  seinem  Pferde  befunden  haben.  Zwischen 
ihm  und  Fig.  53  wird  ein  kleiner  Zwischenraum 
die  Trennung  der  beiden  Glieder  der  Reiter  be- 
zeichnet haben;  die  ganze  Platte  glich  also  hin- 
sichtlich der  Raumausfülluug  etwa  der  Platte  XIX. 
—  Die  letzte  Platte  endlich  (XXIX  a)  ist  erforder- 
lich um  zwischen  Platte  XXIX  und  XXX  den 
zehnten  Wagen  einzuschieben,  von  dessen  Inhabern 
sich  auf  der  vorhergehenden  Platte  deutliche  Reste 
erhalten  haben.  Bei  der  gedrängten  Darstellungs- 
weise des  Südfrieses  ist  eine  Platte  hierfür  völlig 
ausreichend.  —  Die  Lücken  des  Südfrieses  ver- 
theilen  sich  also  in  folgender  Weise: 

I-XVI.  [XVI a.  XVI b.]  XVII— XXI.  [XXIa.] 
XXII— XXIX.  [XXIX  a.]  XXX  u.  s.  w. 

Wenn  diese  Darlegung  richtig  ist  —  und  ich 
wüsste  in  der  That  nicht,  was  gegen  sie  vorgebracht 
werden    könnte   —  so    ergiebt    sich    das    wichtige 


Resultat,  dass  hinter  der  zur  kleineren  Hälfte  er- 
haltenen Platte  XXXVII  keine  weitere  Platte  fehlen 
kann,  sondern  dass  alles,  was  hier  fehlt,  in  dem 
verlorenen  Theil  jener  Platte  untergebracht  werden 
muss.  Dies  ist  zunächst  das  kleine  fehlende  Stück 
vom  Hintertbeil  der  Kuh  links  auf  Platte  XLI,  und 
weiter  ein  hochinteressantes  Fragment  mit  dem  Rest 
eines  Skaphephoren,  f  bei  Robert  (S.  98.  Newton 
S.  77.  Academy  1879  S.  308).  Hierdurch  wird  fest- 
gestellt, dass  zwischen  den  Thallophoren  und 
der  Hekatombe  ausser  drei  sicheren  Kitharisten 
(Fig.  102 — 104)  und  einer  weiteren  langbekleideten 
Gestalt  (Fig.  105),  die  wahrscheinlich  ebenfalls  ein 
Kitharist  ist,  allenfalls  ein  Flötenspieler  sein  kann, 
mindestens  einer,  aber  sicher  nicht  mehr  als  zwei 
Skaphephoren  dargestellt  waren.  Für  die  Hydrien- 
träger  des  Nordfrieses  war  also  kein  Platz  vorhanden, 
ebensowenig  für  eine  so  ausführliche  Darstellung 
der  Flötenbläser  und  Skaphephoren  wie  an  jenem 
Fries.  — 

Zum  Schluss  werfe  ich  noch  einen  vergleichen- 
den Blick  auf  die  beiden  Langseiten,  um  die 
Gleichheiten  und  die  Unterschiede  der  beiden 
Züge  hinsichtlich  der  räumlichen  Vertheilung  deut- 
lich zu  überschauen.  Eine  tabellarische  Zusammen- 
stellung wird  das  Verhältniss  am  klarsten  machen. 


Nordfries. 

4  Kühe  mit  8  Begleitern 
4  Schafe  mit  3  Begleitern 

3  Skaphephoren  und  1  Zugordner 

4  Spondophoren 
4  Flötenbläser  ] 
4  Kitharisten      j 

17  (Newton  S.  59)  Thallophoren 
10  weitgestelite  Viergespanne  mit  Apobaten, 
dazu  mindestens  7  Geleiter  und  1  Diener 

Ungefähr  63  Reiter  in  unregelmässigen  Glie- 
dern und  mindestens  2  Nebenpersonen 


Platten 

3 
1 
1 
1 


17 


20 


Summe  der  Platten    47 

Die  vorderste  Abtheilung,  die  Fussgänger  um- 
fassend,   ist  in  beiden  Friesen  nahezu  gleich  lang 

')  Der  von  mir  der  Fig.  48  zugewiesene  Kopf  kann  nicht 
zn  dieser  gehören,  wie  sich  am  Original  gezeigt  hat;  das 
Fragment  wird  demnach  am  besten  Fig.  4'J  zugetheilt  werden, 
deren  Kopf  in  gleicher  Weise  leicht  geneigt  ist. 


Südfries. 


10  Kühe  mit  mindestens  25  Begleitern 


'l — 2  Skaphephoren 

4  (3?)  Kitharisten 
18  Thallophoren 
10  enggedrängte    Viergespanne    mit    Be 

waffneteu,  dazu  mindestens  7  Geleiter 
42  Reiter    in    regelmässigen    Gliedern    z 

sechs  Mann 
24  Reiter    in    unregelmässigen    Gliedern 

und  ein  Begleiter 


zu 


1 
2 

17 
9 


Summe  der  Platten     47 


(N.  10,  S.  10 V2  Platten),  in  allem  Einzelnen  aber 
möglichst  verschieden  gestaltet.  Dem  reichen  Wech- 
sel der  Kühe  und  Schafe  der  Bundesstädte,  der 
Träger  trockener  und  nasser  Opfergaben,  und  der 
Flötenspieler  (8  Thiere  und  23  Personen)  entsprechen 
auf  der  anderen  Seite  nur  die  attische  Hekatombe 


69 


Ad.  Michaelis.  Die  Lüclven  im  Partlicnonfries. 


70 


mit  ihren  zahlreichen  Geleitsleuten,  und  ein  oder 
zwei  Opfertriiger  (10  Thiere  und  26 — 27  Personen). 
Erst  mit  je  4  Kitharisten  und  der  gedrängten  Schaar 
von  fast  gleich  vielen  Thallophoren  (17  :  18)  erreiclit 
diese  Abtheiiung  jederseits  ihr  gleichmässiges  Ende, 
so  dass  die  Reihen  der  Viergespanne  in  beiden 
Friesen  ziemlich  an  der  gleichen  Stelle  anheben. 
Aber  dieselbe  Zahl  von  Wagen  und  Begleitern  er- 
fordert hier  17,  dort  nur  lO'/,  Platten,  so  verschie- 
den ist  die  Art  der  Darstellung;  an  der  bevorzugten 
Nordseite  wiederum  die  reiche  Abwechselung  durch 
die  auf-  und  abspringenden  Apobaten  zwischen 
den  galoppirenden  Gespannen,  an  der  Südseite  die 
Bewaffneten  meist  neben  dem  Lenker  auf  dem 
Wagen  und  nur  auf  der  vordersten  und  den  beiden 
letzten  Platten  ruhig  neben  dem  Wagen  stehend;  auf 
der  Nordseite  Gespanne  mit  und  ohne  Geleits- 
männer in  anscheinend  bunterem  Wechsel,  auf  der 
Südseite  die  ersten  und  letzten  Wagen  regelmässig 
geleitet,  die  mittleren  ohne  solche  Zugabe.  Der 
starke  Vorsprung  des  nördlichen  Wagenfrieses  um 
ß'/o  Platten  wird  aber  auf  der  Südseite  mehr  als 
ausgeglichen  durch  die  17  Platten  der  etwas  einför- 


migen militärischen  Reiterei,  denen  eine  viel  gerin- 
gere Zahl  bunter  angeordneter  Reiter  auf  9  Platten 
sich  anschliesst.  Auf  der  Nordseite  finden  wir  fast 
genau  die  gleiche  Gesammfzahl  der  Reiter  (63?  :  66), 
aber  auf  den  bedeutend  engeren  Raum  von  20  Platten 
zusammengedrängt  zu  jenem  unvergleichlich  voll  und 
reich  in  breiten  Wogen  vorbeirauschenden  Strom 
rossefroher  Jünglinge,  hier  und  da  von  stolzen 
adligen  Gestalten  geführt.  So  hat  Phidias  es  meister- 
lich verstanden,  an  beiden  Friesseiten  wesentlich 
die  gleichen  Hauptbestandtheile  des  Zuges,  mit  fast 
der  gleichen  Zahl  von  Theilnehmern  in  den  drei 
Abtheilungen,  au  uns  vorüberzuführen  (so  dass  für 
den  Verständigen  auch  nicht  der  leiseste  Zweifel 
bestehen  kann,  dass  beidemal  derselbe  Festzug  ge- 
meint sei);  im  Einzelnen  aber  hat  er  durch  das 
Ganze  eine  so  wuuderbare  Variation  des  Grund 
themas  durchgeführt,  dass  wir  immer  von  neuem 
mit  staunender  Bewunderung  vor  der  unerschöpf- 
lichen Erfindungs-  und  Gestaltungskraft  des  Künst- 
lers erfüllt  werden. 


Strassburg. 


Ad.  Michaelis. 


71 


72 


MISCELLEN. 

zu  DER  KARLSEUHER  UNTERWELTS-VASE 

Archäol.  Zeitung;   18S4  Tafel  19. 


Es  ist  mir  von  zwei  Seiten  die  Ansicht  mitge- 
theilt  worden,  dass  auf  Fragment  b  der  oben  ge- 
nannten Vase  die  zweite  Beiscbrift  nicht  AlßN, 
sondern  A'i[i.i]cüv  zu  lesen,  und  demgemiiss  die  dar- 
gestellte Eurydike  nicht  als  die  Gemahlin  des 
Orpheus  sondern  als  die  des  Kreon  aufzufassen,  das 
ganze  Bild  auf  den  Antigonemythos  zu  beziehen 
sei.  Es  müsste  dann  die  andere  Seite  der  einerseits 
mit  der  Unterweltsdarstellung  a  geschmückten  Vase 
gebildet  haben;  denn  an  der  Zusammengehörigkeit 
der  Fragmente  kann  nicht  der  leiseste  Zweifel  sein: 
das  Palmettenornament  von  Fragment  b  ist  nämlich 
auch  auf  a  vorhanden  und  nur  in  der  Abbildung  des 
Raumes  wegen  nicht  wiederholt,  wovon  durch  das 
Weiterführen  der  beiden  Bruchconturen  über  den 
Eierstabstreifen  hinaus  eine  Andeutung  gegeben 
werden  sollte. 

Die  eben  erwähnte  Deutung  gewinnt,  wenn  man 
die  Arch.  Zeitg.  1870  Taf.  40  von  Heydemann  zu- 
sammengestellten beiden  Antigonevaseu  vergleicht, 
einen  solchen  Schein,  dass  sie  für  evident  gehalten 
werden  müsste,  wenn  ihr  nicht  der  Thatbestaud, 
der  in  der  Abbildung  nicht  deutlich  hervortreten 
kann,  widerspräche.  Die  Darlegung  desselben  hat 
daher  nicht  bloss  ein  actuelles,  sondern  auch  ein 
methodologisches  Interesse. 

Ausgegangen  war  die  neue  Deutung  bei  den 
beiden  Gelehrten  davon,  dass  der  AI  UN  iu  dem- 
selben typischen  Gestus  der  Betrübniss  den  Kopf 
mit  der  rechten  Hand  stützt  wie  Haimon  auf  bei- 
den Antigone-Vasen.  Der  Eine  derselben,  Herr 
Friedrieh  Hauser  in  Stuttgart,  hatte  noch  be- 
merkt, dass  die  Eurydike  unseres  Scherbens  das 
Himation  ebenso  über  den  Kopf  gezogen  hat  wie 
auf  der  Jatta'scheu  Vase  die  Frau  zur  äussersten 
Rechten,  welche  Heydemann  mit  Recht  für  Eurydike, 
die  Gemahlin  des  Kreon,  erklärt  hat.  Der  Andere 
hatte  in  dem  Namensreste  A  A I  dazu  noch  den 
MANv,  den  Sohn  des  Haimon  und  der  Antigene, 
erkannt,  der  auf  beiden  Antigonevaseu  dargestellt 
ist.  Man  sieht,  dass  die  Deutung  von  allen  Seiten 
gestützt  zu  sein  scheint. 

Für  die  Beurtheilung  der  Inschriften  und  der 
möglichen  Defecte,  die  sie  erlitten  haben,  ist  vor 
Allem  zu  erwägen,   dass  sie  nicht  aufgemalt,   son- 


dern eingeritzt  sind,  was  ich  dem  Bearbeiter  Herrn 
Dr.  Hai-twig  hätte  mittheilen  sollen.  Das  gänzliche 
Schwinden  des  My  in  der  angenommenen  Beischrift 
^'i[lii\cüv  ist  dadurch  ausgeschlossen;  überdies  ist 
der  Raum  für  diesen  Buchstaben,  wie  unsere  auch 
hierin  ganz  zuverlässige  Abbildung  zeigt,  nicht  vor- 
handen, da  nirgends  auf  unseren  Scherben  die 
Buchstaben  so  gedrängt  stehen  wie  es  hier  der 
Fall  gewesen  wäre.  Die  Stellung  des  zweiten  Iota 
in  der  Beischrift  neigld^oog  darf  hiergegen  nicht 
angeführt  werden,  da  dasselbe  augenscheinlich  ver- 
gessen und  später  nachgetragen  worden  ist.  Herr 
Dr.  Luckenbach  in  Karlsruhe,  der  auf  meine  Bitte 
die  Fragmente  genau  untersucht  hat,  schreibt  mir 
auch,  dass  weder  vor  dem  AlßN  noch  in  der  Mitte 
je  ein  weiterer  Buchstabe  gestanden  habe.  Ein  Ver- 
seheu anzunehmen  wäre  bei  der  eine  so  sorgfältige 
Hand  aufweisenden  Vase  aber  äusserst  misslich; 
wir  müssen  voraussetzen,  dass  der  Maier  hier  wie 
in  dem  eben  erwähnten  Falle  nicht  versäumt  haben 
würde  zu  verbessern. 

Nicht  besser  steht  es  mit  dem  Maiiov.  Das 
ist  doch  ganz  unmöglich,  dass  von  einem  einge- 
ritzten My  die  Hälfte  vollkommen  erhalten,  die  an- 
dere Hälfte  bis  auf  die  letzte  Spur  geschwunden 
ist.  Ich  kann  nichts  besseres  thun  als  die  Auskunft 
des  Herrn  Luckenbach  über  diese  Beischrift  hierher- 
zusetzen: „Das  erste  Zeichen  kann  nur  A  sein,  der 
Buchstabe  ist  vollständig  erhalten.  Die  Hasta  rechts 
vom  A  steht  sehr  weit  von  demselben  entfernt, 
jedoch  nicht  viel  weiter  als  iu  AlßN  das  |  vom 
ß.  Es  kann  nur  ein  Iota  sein.  Zwischen  diesem 
I  und  dem  vorhergehenden  A  'lat  kein  anderes 
Zeichen  gestanden."  Herr  Luckenbach  hat,  wie  ich 
selbst  angesichts  des  Originals,  an  die  Ergänzung 
AAI"?  gedacht.  Wer  es  unseren  Scherben  gegen- 
über wagt  seine  Deutung  auf  die  Annahme  eines 
Versehens  zu  gründen,  könnte  freilich  an  der  An- 
tigene festhalten,  indem  er  deu  Schatten  des  Laios 


gegenwärtig  glaubt. 


Ich  darf  schliesslich  noch  mittlieiien,  dass  Herrn 
Hauser  seine  Deutung  bei  einer  von  ihm  vorge- 
nommenen Prüfung  des  Originals  nicht  Stand  ge- 
halten hat.  Ilim  sowie  Herrn  Dr.  Luckenbach  sei 
i'Ur   ihre   freundliche  Beiliilfe  auch  an  dieser  Stelle 


Dank  gesagt. 


Max  Fkänkel. 


73 


74 


SITZUNGSBERICHTE 

Archäologische  Gesellschaft  in  Berlin. 


Sitzuug-  vom  6.  Januar.  Nach  erfolgter 
Kechnuugsablage  und  AViederwahl  des  Vorstandes 
wurden  an  neu  eingegangenen  Schriften  u.  A.  vor- 
gelegt: Perrot-Chipiez  liistoire  de  l'art  III;  Hey- 
deniann,  Vase  mit  Theaterdarstellungen;  Richter, 
rüm.  Rednerblihne;  Wieseler,  geschnittene  Steine 
des  4.  Jahrli.  ii.  Chr.;  Kuhnert,  Statue  und  Ort 
bei  den  Griechen  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältniss; 
E.  Böttieher,  4  Aufsätze  in  der  Zeitschrift  für 
Museologie,  welche  Hissarlik  als  Feuernekropole 
zu  erweisen  versuchen;  B  üb  lau,  de  re  cesliaria 
Graecorum.  Herr  Engelniann  fügte  diesen  Vor- 
lagen hinzu:  Antike  Charakterköpfe,  12  Bildnisse 
von  Rubens  nach  antiken  Büsten  gezeichnet  (Nach- 
bildungen von  Hirth);  Tb.  Schreiber,  culturhisto- 
rischer  Bilderatlas  II  —  IV  (Cultus,  Spiele,  Kriegs- 
wesen); Brizio,  situla  di  bronzo  (nach  dem  Ver- 
fasser ein  Product  der  unter  etruskischem  Einfluss 
stehenden  Umbrier).  —  Herr  Conze  sprach  über 
die  Bronzefigur  des  betenden  Knaben  im  k. 
Museum  und  ihren  modernen  Kachguss  in  der 
JVIarciana  in  Venedig.  Wie  dieser  letztere  ohne 
Arme  sei,  so  sei  man  bei  den  Untersuchungen  für 
den  neuen  Katalog  der  Originalsculpturen  unseres 
Museums  unter  Vorgang  des  Herrn  Furtwängler  zu 
der  Ueberzeugung  gekommen,  dass  die  Arme  des 
Berliner  Exemplars  beide  modern  seien.  Der  Vor- 
tragende nahm  an,  dass  das  Berliner,  unzweifelhaft 
antike  Exemplar  dasjenige  ist,  welches  für  das  Jahr 
158G  in  Venedig  beglaubigt  ist,  und  dass  es  bei 
späterer  Entfernung  von  dort  durch  einen  Nachguss 
ersetzt  sei.  Ueber  die  Herkunft  unseres  Exemplars 
sei  nichts  beglaubigt,  als  dass  es  vom  Vater  des 
Marschalls  Belleisle  an  Prinz  Eugen  von  Savoyen, 
von  diesem  an  den  Fürsten  Liechtenstein  und 
endlich  an  Friedrich  den  Grossen  gekommen 
sei.  Der  Vortragende  behielt  sich  vor,  die  Prove- 
nienz noch  weiter  zu  verfolgen.  —  Herr  Robert 
legte  zunächst  Urlichs,  Beiträge  zur  Kunstge- 
schichte und  Löschcke,  Vermuthungen  zur  griech. 
Kunstgeschichte  und  Topographie  Athens  vor. 
Die  in  letzterer  Schrift  enthaltene  neue  Deutung 
der  rechten  Hälfte  des  westlichen  Parthenongiebels: 
Herakles  (bisher  Aphrodite  genannt)  im  Schooss  der 
Melite,  neben  ihnen  Demeter  Kurotrophos  mit  den 
beiden  Söhnen  dieses  Paares,  erkannte  der  Vortra- 
gende als  bestechend  an,  jedoch  stehe  derselben  der 


Umstand  entgegen,  dass  die  auf  Herakles  gedeutete 
Figur  in  Carrey's  Zeichnung,  von  welcher  der  sog. 
Pariser  Anonymus  nach  des  Vortragenden  Ueber- 
zeugung nur  eine  an  Missverständnissen  reiche  Copie 
sei,  eher  weiblich  als  männlich  erscheine.  Sodann 
machte  derselbe  darauf  aufmerksam,  dass  sich  unter 
den  Zeichnungen  des  Coburgensis  auch  eine  solche 
des  Aaclicner  Kore-Sarkophages,  den  die  Le- 
gende für  den  Sarg  Karls  des  Grossen  hält,  befinde, 
welche  aus  dem  Ende  des  Iß.  Jahrhunderts  stamme, 
also  das  älteste  Zeugniss  für  dieses  Denkmal  sei. 
Die  unter  dem  Gespanne  Plutons  neben  dem  Ker- 
beros auftauchende  bärtige  Gestalt  sei  als  ianitor 
Orci,  die  drei  Jüngliugsgestalten  der  r.  Schmalseite 
als  Frühling,  Sommer  und  Herbst,  wo  Köre  auf  der 
Oberwelt  weile,  zu  deuten.  Eine  neue  Zeichnung 
des  Sarkophags  der  h.  Agathe  in  Catania,  die 
der  Vortragende  demnächst  vorlegte,  lässt  eine 
von  den  römischen  stark  abweichende  Darstellung 
der  kalydonischen  Jagd  erkennen,  die  der 
einer  apulischen  Vase  in  Berlin  (Gerhard,  apul. 
Vasenb.  9)  und  in  einigen  Punkten  auch  der  auf 
dem  Grabmal  von  Gjölbaschi  sehr  ähnlich  ist. 
Zum  Schluss  besprach  der  Vortragende  den  Ma- 
drider Achilleus  -  Sarkophag  unter  Vorlage 
einer  Photographie  und  zeigte,  dass  die  Stücke  C 
und  D  (areh.Zeitg.  1869  Taf  13)  zusammengehören 
und  die  vollständige  Vorderseite  bilden,  während 
A  die  rechte,  B  die  linke  Schmalseite  sei.  —  Herr 
Schöne  legte  das  soeben  erschienene  Werk  von 
0.  Benndorf  und  G.  Niemann  vor:  Reise  in 
Lykien  und  Karlen,  ausgeführt  im  Auftrage  des 
k.  k.  Ministeriums  für  Cultus  und  Unterricht.  Der 
Vortragende  recapitulirte  die  bereits  durch  den 
„vorläufigen  Bericht"  von  Benndorf  bekannte  That- 
sache,  dass  die  österreichische  Regierung  auf  Vor- 
schlag des  Prof.  Benndorf  1881  eine  Expedition 
nach  Lykien  und  Karlen  ausgesandt  habe,  welche, 
von  dem  genannten  Gelehrten  in  Gemeinschaft  mit 
dem  Architekten  G.  Niemann,  dem  Dr.  med. 
F.  von  Luschan  und  dem  Hofphotographen  W.  Burger 
ausgeführt,  zu  der  Entdeckung  eines  ausgedehnten 
Werkes  altlykischer  Sculptur,  des  Grabdenkmals 
von  Gjölbaschi,  geführt  und  sich  zu  einer  geogra- 
phisch-archäologischen Erforschung  der  lykischen 
und  karischeu  Landschaft  ausgedehnt  hat.  Dieselbe 
hat    alsdann    eine    zweite    Expedition    veranlasst. 


75 


Sitzunffs-Bericlite. 


76 


welche  die  Uebeifüluung  des  Monumentes  von  Gjöl- 
baschi  nach  Wien  zum  Ziele  hatte  und  unter  den 
Auspicien  der  österreichischen  Regierung  mit  den 
Mitteln  eines  aus  den  Kreisen  der  Wiener  Geburts- 
und Geistesaristokratie  zusammengetretenen  Comite's 
durchgeführt  wurde.  Das  vorliegende  Werk  be- 
schränkt sich  auf  eine  Darlegung  der  reichen 
und  mit  ebensoviel  yachkenntniss  wie  Energie  ge- 
wonnenen Ergebnisse  der  ersten  Expedition  und 
greift  über  dieselbe  nur  insofern  hinaus,  als  Prof. 
Kiepert  in  der  beigegebenen  Karte,  zu  der  er  in 
einem  besonderen  Hefte  Erläuterungen  gegeben  hat, 
auch  bereits  den  reichen  geographischen  Ertrag  der 
zweiten  Expedition  verwerthet.  Das  durch  die  Fülle 
neuen  Materials  ebenso  wie  durch  die  geschmack- 
volle Darlegung  desselben  in  Wort  und  Bild  bedeut- 
same W^erk  legt  glänzendes  Zeugniss  ab  für  die 
umsichtige  Förderung,  Avelche  die  österreichische 
Regierung  den  Alterthumsstudien  widmet,  und  für 
das  verständnissvolle  Entgegenkommen,  welches  sie 
dabei  findet. 

Sitzung  vom  3.  Februar.  Herr  Curtius 
machte  Mittheilungen  über  den  Fortgang  der  Aus- 
grabungen im  Heiligthum  des  Asklepios  bei 
Epidauros,  wo  ein  inschriftlich  bezeugter  Artemis- 
tempel, ferner  das  Bad  des  Asklepios  und  ein  drittes 
Gebäude  —  alle  nur  wenig  von  Erde  bedeckt  — 
zum  Vorschein  gekommen  sind.  Aus  dem  neuesten 
Heft  der  athenischen  Epliemeris  wurden  die  Inschrift- 
funde beim  Amphiareion  von  Oropos,  die  eJeusini- 
schen  Inschriften,  welche  auf  Athen  zur  Zeit  der 
Antigoniden  neues  Licht  werfen,  und  die  alten 
Giebelreliefs  von  der  Akropolis  besprochen.  —  Herr 
Hübner  legte  zunächst  einige  englische  Publica- 
tionen  vor,  welche  Abbildungen  der  am  Hadrianswall 
in  Nordengland  gefundenen  Denkmäler  und  eines 
in  dem  römischen  Castell  von  South  Shields  ent- 
deckten Grabmonumentes  —  der  Todte  ist  beim 
Maiile  liegend  dargestellt  —  aus  dem  3.  Jahrb.  n. 
Chr.  entiialten.  Sodann  berichtete  er  über  das  von 
der  Akademie  der  Geschichte  in  Madrid  herausge- 
gebene Boletin,  worin  neuerdings  der  Oberst  F. 
Coello,  welcher  als  Gast  der  Sitzung  beiwohnte, 
einen  jüngst  gefundeneu  Meilenstein  des  Nero  be- 
sprociien  hat,  der  einen  Theil  des  römischen  Strassen- 
zuges  durch  den  Norden  der  Halbinsel  und  den  bis 
dahin  unbekannten  Platz  der  römischen  Station  Inter- 
amnium  kennen  lehrt.  —  HerrBohn,  der  zu  einem 
kurzen  Aufenthalt  aus  Pergamon  hier  eingetroffen  ist, 
l)erichtete  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  per- 
gamenischen    Arbeiten.      Von    der   grossen    auf 


8  Bände  berechneten  Publication  liegt  der  zweite 
Band,  das  Heiligtlium  der  Atliena  Polias  mit  der 
Stoa  und  der  Bibliothek,  druckfertig  vor.  Die 
letzten  Ausgrabungen  wandten  sich  zunächst  dem 
alten,  von  Hallen  umgebeneu  Stadtmarkte  zu, 
welcher  südlich  an  den  Altarbau  des  Zeus  Soter 
stösst.  Neben  zahlreichen  Fragmenten  des  Giganten- 
frieses wurden  das  Fundament  und  die  Bauglieder 
eines  zierliehen  dorischen  Prostylos  aus  Marmor 
aufgedeckt,  der  dem  Dionysos  geweiht  war.  Dem- 
nächst wurde  die  Aufräumung  des  grossen,  über 
80  Sitzreihen  enthaltenden  Theaters  in  Angriff  ge- 
nommen, welches  in  der  Königszeit  am  Westabhang 
unterhalb  des  Athenaheiligthums  errichtet  worden 
ist.  Augenblicklich  sind  die  Arbeiten  wegen  der 
Winterregen  auf  einige  Wochen  unterbrochen  wor- 
den. Zum  Schluss  berichtigte  der  Vortragende 
seine  Reconstruction  des  Südflügels  der  Propy- 
läen zu  Athen,  der  wegen  späterer  Ueberbauung 
bisher  nicht  genau  untersucht  werden  konnte,  in 
einem  Punkte.  Seitdem  nämlich  unter  Dörpfeld's 
Leitung  auch  die  letzte  Spur  dieser  Einbauten  ent- 
fernt ist,  hat  sich  herausgestellt,  dass  einige  eigen- 
thümlich  geschnittene  Giebelgeisa  nicht,  wie  der 
Vortragende  angenommen  hatte,  zur  Nordfrout  ge- 
hörten, sondern  als  halber  Giebel  die  Südwand 
des  Südflügels  abschlössen,  so  dass  dessen  Dach- 
constructiou  genau  der  des  Nordflügels  entsprach, 
nur  wegen  der  geringeren  Tiefe  halbirt.  —  Herr 
Conze  ergänzte  seine  in  voriger  Sitzung  gemachte 
Mittheilung  über  die  Herkunft  des  betenden 
Knaben  durch  den  Nachweis  aus  Mariette's  Abe- 
cedario  11,  Paris  1853/54,  (unter  dem  Worte  „Fou- 
quet"),  dass  die  Bronze  im  17.  Jahrhundert  dem 
Surintendant  Fouquet  gehört  habe  und  von  dessen 
Sohn  an  Prinz  Eugen  gekommen  sei.  Damals  sei 
man  in  Frankreich  im  Stande  gewesen,  eine  so 
gute  Ergänzung  wie  die  der  Arme  zu  machen,  wo- 
für die  Statue  des  Augustus- Pourtales,  die  einst 
Richelieu  gehörte,  einen  Beleg  liefere.  Schliesslich 
betonte  der  Vortragende,  wie  merkwürdig  der  ganze 
Nachweis  für  die  Controle  unseres  Kunstverständ- 
nisses sei,  wenn  der  Adorant,  der  vorzugsweise  als 
Muster  des  reinen  antiken  Geschmackes  zu  gelten 
pflege,  einen  wesentlichen  Theil  seiner  Gefälligkeit 
einer  Ergänzung  aus  der  Zeit  Ludwigs  XIV.  ver- 
danke. 

Sitzung  vom  3.  März.  Vorgelegt  wurden 
vom  Vorsitzenden  ausser  den  Fortsetzungen  der 
periodiscii  erscheinenden  Zeitschriften  u.  A.  Gozza- 
dini,     nuovi    scavi    presso    Bologna;     von    Herrn 


77 


Sitzungs-Bericlite. 


78 


Forc'liliaiiinier  aus  Kiel  seiu  neues  Buch:  Erklä- 
rung- der  Ilias  auf  Grund  der  topischen  und  phy- 
sischen Eig'entiilimlichkciten  der  troischeu  Ebene; 
von  Herrn  Hübner,  ausser  zwei  Abhandlungen 
von  Meli  da  über  die  ägyptische  Religion  und  über 
die  Terracotten  des  Madrider  Natioualmuseuuis, 
die  Schrift  von  Pleyte  über  Mars  Thitigsiis.  — 
Herr  Conze  hatte  eine  grössere  Anzahl  von  im 
Probedruck  fertigen  Tafeln  des  Corpus  der 
attischen  Grabreliefs,  welches  von  der  Aka- 
demie der  Wissenschaften  zu  Wien  im  Spemaun- 
sehen  Verlage  herausgegeben  werden  wird,  zur 
Stelle  gebracht.  Er  erzählte  kurz  den  Hergang  der 
Unternehmung,  welche  nach  einem  schon  weit 
früher  von  Ad.  Jlicliaelis  verfolgten  Gedanken  mit 
dessen  Zustimmung  und  unter  seiner  Mitwirkung 
bei  der  Wiener  Akademie  seit  1873  ins  Werk  ge- 
setzt wurde.  Ausser  dem  Vortragenden  als  Heraus- 
geber haben  Michaelis,  Achilleus  Postolakkas  in 
Athen  und  Robert  Schneider  in  W^ien  an  der  Ar- 
beit Theil  genommen,  während  für  die  bildliche 
Reproduction  Louis  Jacoby  von  Anfang  an  be- 
rathend  und  leitend  betlieiligt  war.  Das  Erscheinen 
des  Werkes  konnte  erst  als  gesichert  gelten,  seit- 
dem die  Spemann'sche  Verlagshandlung  mit  an- 
sehnlichem Aufwände  für  die  Beschaffung  der  ge- 
sammten  Reproduction  den  Verlag  übernahm.  Der 
Sitz  der  Reproduction  ist  bei  der  kaiserl.  Reichs- 
druckerei in  Berlin,  wo  unter  Mitwirkung  Jacoby's 
die  Heliographien  von  Professor  Roese,  die  Radi- 
rungeu  von  Pfründner  ausgeführt  werden.  Mittelst 
dieser  beiden  Arten  der  Wiedergabe  gedenkt  man 
den  Originalen,  wie  einem  fremden  Litteraturwerke 
durch  eine  wörtliche  und  durch  eine  freie  Ueber- 
setzung,  von  zwei  Seiten  her  möglichst  nahe  zu 
kommen,  da  ein  vollkommenes  Wiedergeben  weder 
allein  in  der  einen  noch  in  der  anderen  Form  mög- 
lich ist.  Die  wichtigsten  Exemplare  werden  in  aus- 
geführten Blättern,  die  Menge  der  unbedeutenderen 
auf  üebersichtstafeln  oder  ohne  Abbildung  in  knapper 
Beschreibunggegeben.  Zum  Anordnungsprincip  ist  als 
das  einfachst  durchführbare  das  nach  den  Haupt- 
figuren der  Darstellung  gewählt  (weibliche  sitzend, 
stellend;  männliche  sitzend,  stehend,  kämpfend, 
reitend,  jagend,  liegend  —  Todtenmahle),  wäh- 
rend   die    kleine  Zahl    der    antiquissima  mit  einer 


auch  bei  den  Inschriftensammlungen  als  praktisch 
bewährten  Inconscquenz  vorangestellt  wird.  In 
Aussiciit  genommen  ist,  dass  diesem  Haupttheile 
des  Werkes  Abschnitte  über  die  tektonische  Form 
der  Grabsteine  (mit  erschöpfender  bildlicher  Mit- 
theilung der  .\kroterien),  über  die  Technik,  über 
die  Bedeutung  der  Darstellungen  und  über  die  ge- 
sanimte  geschichtliche  Entwickelung  der  Monumen- 
tenklasse, endlich  die  Register  sich  anschliessen 
sollen.  Der  Vortragende  rechnet  darauf,  dass, 
nachdem  die  Vorarbeiten  so  gut  wie  beendet  sind 
und  die  Tafeln  ihrer  Vollendung  ebenfalls  entgegen- 
gehen, nur  noch  eine  voraussichtlich  in  diesem 
Jahre  ausführbare  Revisionsarbeit  in  Athen  nöthig 
sein  wird,  um  dann  die  lieferungsweise  Heraus- 
gabe in  möglichst  gesicherter  Folge  beginnen  zu 
können.  —  Herr  Mommsen  wies  hin  auf  die  in 
Tel  el  Maskukah  westlich  von  Ismailia  von  dem 
Egypl  Exploration  Fund  unter  Leitung  des  Herrn 
Naville  veranstalteten  Ausgrabungen,  welche  fest- 
gestellt haben,  dass  an  der  genannten  Stelle  das 
Heroonpolis  der  Griechen  und  das  Pithom  der 
Bücher  Mosis  lag,  und  unweit  davon  die  Griechen- 
stadt Arsinoe  und  das  Castell  Klysma,  also  die 
Seeschi  ff  fahrt  in  alter  Zeit  nicht  bei  Suez  endigte, 
sondern  am  See  Timsah  bei  Ismailia.  —  Herr 
Diels  sprach  über  die  neu  gefundene  grosse  In- 
schrift von  Gortyn,  den  Theil  einer  Codification 
des  Civilrechts,  und  wies  auf  die  grosse  Wichtigkeit 
derselben  in  sprachlicher  und  sachlicher  Hinsicht 
hin.  —  Herr  Robert  legte  zunächst  die  neueste 
Serie  der  Wiener  Vorlegeblätter  vor  und  sprach 
dann  über  die  zwei  jüngst  in  der  athenischen 
Ephemeris  von  Kumanudis  veröffentlichten  Trink- 
schaleu  mit  iiischriftlich  bezeichneten  Darstellungen 
aus  der  troischen  Sage.  Die  eine  derselben  giebt 
den  Raub  der  Helena  durch  Theseus,  die  zweite 
eine  Episode  der  Iliupersis.  In  der  letzteren,  welche 
aus  5  Figuren  besteht,  deutete  der  Vortragende  die 
3.  und  4.  Figur  nicht,  wie  der  Herausgeber,  auf  Aias 
und  Kassandra,  sondern  auf  Neoptolemos  und  Age- 
nor,  auf  dessen  Namen  aucii  der  Rest  der  Inschrift 
führt,  die  letzte  weibliche  aber,  welclie  in  die  Kniee 
gesunken  beide  Arme  Hebend  emporhebt,  auf 
Hekabe. 


DIE  EROTEN  DES  PRAXITELES. 


Von  vier  Eroten  des  Praxiteles  ist  uns  Kunde 
erhalten,  von  keinem  babeu  wir  bis  jetzt  eine  ge- 
niig-eude  Vorstellung-.  Das  ist  zum  Theil  in  der  Art 
unserer  Ueberlief'erung  begründet,  die  neben  vielen 
Lobspriieben  nur  sehr  wenig  Tbatsäcblicbes  bietet; 
um  so  nothwendiger  ist  eine  scharfe  Sonderung  der 
wirklich  brauchbaren  Nachrichten  und  eine  strenge 
Prüfung  der  daraus  gezogenen  Schlüsse.  Eine 
solche  Kritik  der  Ueberlieferung  iiat  Stark  (Leip- 
ziger Berichte  18G6  S.  155ft".)  zu  geben  versucht, 
aber  seine  Resultate  bedürfen  durchgehends  der 
Verbesserung.  Auch  ist  seither  wenigstens  für  den 
einen  Eros  neues  Material  bekannt  geworden,  wenn 
auch  noch  nicht  gehörig  benutzt. 

Weitaus  der  grösste  Theil  unserer  Nachrichten, 
wie  sie  Brunn  (Geschichte  der  griechischen  Künstler 
I  S.  341)  und  Overbeck  (Schriftquellen  N.  1249— 
1267)  zusammengestellt  haben,  bezieht  sich  auf  den 
Thespischen  Eros.  Aber  wir  hören  viel  von  den 
Schicksalen  des  Werkes,  nichts  von  seinem  Aus- 
sehen. Ziemlich  werthlos  ist  zunächst  eine  Reihe 
von  Epigrammen  (VI  260.  XVI  167.  203—206). 
Der  Dichter  von  XVI  167  ergeht  sich  in  einer  ge- 
suchten Gegenüberstellung  des  Eros  und  der  Aphro- 
dite; die  übrigen  erzählen  mit  mehr  oder  weniger 
Witz,  wie  Phryne  diesen  Eros  von  Praxiteles  ge- 
schenkt erhalten  und  in  Thespiae  geweiht  habe. 
Die  List,  durch  welche  sie  dem  Künstler  das  Ge- 
ständniss  entlockt  haben  sollte,  dass  dieser  Eros  und 
der  später  in  der  Tripodenstrasse  aufgestellte  Satyr 
von  ihm  für  seine  besten  Werke  angesehen  wurden, 
und  auf  welche  hin  Phryne  nun  den  Eros  erbat 
und  erhielt,  hat  Pausanias  I  20,1  erzählt.  Die  Stelle 
ist  nach  Lesung  und  Erklärung  ungewöhnlich  oft 
und  eingehend  behandelt  woi-deu,  ohne  dass  bis 
jetzt  eine  Einigung  erzielt  wäre.  Ueber  die  Lesart 
allerdings  kann  man  jetzt  kaum  mehr  schwanken: 
einleuchtend  richtig  hat  Robert  (Hermes  XIV,  1879, 
S.  314)  vaoi  oaov  eg  zovzo  fisyä^^oi  geschrieben, 
und  damit  den  Anstoss  entfernt,  welchen  man  an  den 
überlieferten  Worten  nehmen  musste.  Der  Zweifel, 
der  über  die  Erklärung  der  Stelle  herrscht,  be- 
trifft   zwar    nicht    den    Eros,    sondern    den    Satyr 

ArchSoIog.  Ztg.  Jahrgang  XLUI. 


des  Praxiteles,  trotzdem  wird  es  gut  sein,  der 
Streitfrage  nicht  aus  dem  Wege  zu  geben.  Pau- 
sanias spricht  von  der  Tripodenstrasse  in  Athen. 
Ihren  Namen  hat  sie  von  den  verhältnissmässig 
grossen  Tempelcheu,  die  von  Dreifüssen  gekrönt 
werden.  Nur  von  Erz  sind  diese,  aber  sie  um- 
schliessen  werthvolle  Kunstwerke,  so  den  Satyr, 
auf  welchen  Praxiteles  stolz  war.  Als  Beweis  für 
diese  Notiz  erzählt  Pausanias  nun,  wie  Phryne 
durch  die  bekannte  List  den  Künstler  zum  Ge- 
ständniss  gebracht  habe,  dass  er  den  Satyr  und  den 
Eros  am  höchsten  schätze,  und  fährt  dann  fort: 
^liqvvTj  I.ISV  nvTtü  tov  Eqona  aiQEaai'  Jiovvaio 
öe  ev  T(7j  j'ortjü  x(^  nXrjaiov  ^ärvgög  iart  nalg  xat 
diöcoaiv  Exniüiiia.  Beziehen  sich  die  letzten  Worte 
auf  den  vorher  erwähnten  Satyr  des  Praxiteles? 
Friederichs  (Praxiteles  S.  13)  hat  diese  Frage  nach 
dem  Vorgang  anderer  bestimmt  verneint,  und  zu 
demselben  Ergebniss  ist  Lugebil  (Pliilologus  XXXIII 
1874  S.  67 ff.)  gelangt,  hat  aber  in  seine  weit- 
schweifigen Erörterungen  so  kühne  Vermuthungen 
über  deu  ehemaligen  Zusammenhang  der  Stelle  ver- 
webt, dass  ihnen  alle  Ueberzeugungskraft  verloren 
gegangen  ist.  Etwas  vor  ihm  hatte  Stepbaui  sich 
mit  der  Stelle  beschäftigt  {Parerga  archaeologica 
XXVIII;  Melanges  greco-romains\l\  S.  363)  uud  die 
Auffassung  Friederichs'  aufs  schärfste  bestritten,  und 
ihm  hat  sich  Benndorf  (Beiträge  zur  Kenntniss  des 
attischen  Theaters  VII;  Zeitschrift  für  die  öster- 
reichischen Gymnasien  XXVI  1875  S.  731)  ange- 
schlossen. Drei  Gründe  führt  Stepbaui  au.  Zu- 
nächst habe  Pausanias  wohl  erzählt,  wie  Phryne 
von  Praxiteles  das  Geständniss  erjjresst  habe,  dass 
der  Satyr  und  der  Eros  seine  besten  Werke  seien, 
und  wie  Phryne  für  sich  den  Eros  gewählt  habe, 
aber  man  vermisse  die  Mittheiluug,  was  nun  aus 
dem  Satyr  geworden  sei.  Also  müsse  im  Folgen- 
den eben  von  diesem  Satyr  des  Praxiteles  die  Rede 
sein.  Dieser  Einwand  hätte  vielleicht  Gewicht, 
wenn  die  Anekdote  für  sich  erzählt  wäre,  sie  ist 
aber  als  Beleg  für  den  Werth  des  Satyrs  ange- 
führt und  knüpft  an  diesen  und  seinen  Aufbe- 
wahrungsort an.     Was  aus  dem  Satyr    geworden, 


83 


P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


84 


weiss  der  aufmerksame  Leser  von  vorn  herein: 
der  steht  in  der  Tripodenstrasse  zu  Athen.  Mit 
mehr  Recht  könnte  man  eine  Notiz  üljer  den  Ver- 
bleib des  Eros  erwarten,  aber  nothweudig  ist  für 
den  Zusammenbang  auch  diese  nicht.  Einen  zweiten 
Beweis  für  seine  Ansicht  findet  Stephani  in  dem 
Sehhisssatz  Wqvvrj  /.tiv  ovzio  %6v  Eqioto  a'igeliaf 
/tiovvaio  ÖE  .  .  ^äzDQÖg  eotl  naig-  Denn  hier  sei 
Phryne,  die  Besitzerin  des  Eros,  in  Gegensatz  zu 
einer  anderen  Person  genannt,  und  diese  könne 
logischer  Weise  nur  der  Besitzer  des  Satyrs  sein. 
Pausanias  ist  leider  nicht  der  Schriftsteller,  für  den 
Gründe  der  Logik  viel  Gewicht  hatten;  ihm  kam 
es  darauf  an,  seinen  eigensinnigen,  anspruchsvollen 
und  gekünstelten  Stil  glänzen  zu  lassen,  und  er 
wird  manche  Notiz,  die  einem  sachlich  interessirten 
Manne  nothwendig  erschienen  wäre,  weggeworfen 
haben,  weil  sie  sich  seinem  Periodenbau  nicht  fügen 
wollte.  Friederiehs  hat  (Praxiteles  S.  13)  gerade 
darauf  hingewiesen,  wie  sehr  es  Pausanias  liebt, 
vermittelst  einer  nichtssagenden  Gegenüberstellung 
mit  fiiv  und  ös  auf  einen  anderen  Gegenstand  über- 
zugehen. Er  hat  eine  Reihe  von  Beispielen  ange- 
führt, in  denen  der  vordere  Satz  nur  eine  leere 
Phrase  ('So  ging  es  zu')  ist,  und  bei  denen  der 
rein  stilistische  Zweck  der  Redewendung  deshalb 
besonders  ofien  liegt.  Wenn  Stephani  aber  be- 
hauptet, diese  Beispiele  bewiesen  nichts  für  unseren 
Fall,  in  welchem  der  Vordersatz  noch  eine  wirk- 
liche, sachliche  Bedeutung  hat,  so  übersieht  er,  dass 
ganz  entsprechende  Fälle  bei  Pausanias  nicht  selten 
sind.  Man  vergleiche  z.  B.  I  13,9.  I  17,6  oder  be- 
sonders I  20,7  ^d-tjvai  fiiv  otitiog  vno  tov  no).sf.iov 
xaxiü&Eiaat  zov  ' Pw/naiiuv  av^cg  ^dgiavoü  ßaai- 
levovTog  rjv&r^aav  slai  di  ^itrjvaioig  eIxoves  ev 
xüi  ^ediqoj  .  .  noir^Tiüv.  Man  wird  also  mindestens 
darauf  verzichten  müssen,  diese  Satzverbindung 
gegen  die  von  Friederichs  vertretene  Meinung  an- 
zuführen. Einen  dritten  Umstand,  welcher  die 
Identität  der  beiden  Satyrstatuen  beweisen  soll, 
findet  Stephani  darin,  dass  Pausanias  bei  Anführung 
der  beiden,  mit  dem  letztgenannten  Satyr  zusammen 
aufgestellten  Statuen  des  Thymilos  'nicht  die  Nach- 
riclit  von  diesem  Beisammensein,  sondern  die  Nen- 
nung des  Verfertigers  als  logisches  Anknüpfungs- 
mittel benutzt.'  Dies  sei  nur  möglich,  wenn  auch 
der  Künstler  der  Satyrstatue  ausdrücklich  bezeichnet 
sei,  und  diese  Bezeichnung  sei  nur  vorhanden, 
wenn  dieser  Satyr  mit  dem  früher  erwähnten  des 
Praxiteles  identisch  sei.  Auch  hier  setzt  Stephani 
für  Pausanias  zu  viel  logische  Folgerichtigkeit  vor- 


aus. Wenn  wir  I  8,4  lesen:  T/]g  öe  tov  Ji]/iinad-E- 
vovg  slxövog  nlrjalnv  'AgEiog  eotiv  isqov,  sv&a 
aydkiiara  ovo  (.liv  IdtfQodixrjg  xslzai,  xo  ös  zov 
^QEiog  ETtolrjasv  Jtlxa/itEvrjg,  zr^v  ds  ^itrjväv  avfjQ 
nÜQiog.  oroi.ia  Se  avzi^  ^oxgng,  so  hat  Pausanias 
eine  Verknüpfung  der  Gedanken  angewandt,  die 
Stephani  an  unserer  Stelle  als  'vollkommen  sinn- 
los' abweist.  Nach  planer  Logik  dürften  wir  auch 
hier  etwa  schreiben:  ev{}a  dydlf.iaza  ovo  /niv  ^cpQo- 
ölzfjg  xelzat,  LiQEwg  öi  fV,  o  EnoirjOEv  AXxaj.iEvr)g, 
xai  Ä&riväg  dyak/iia,  sQyov  ytöxQov  —  Pausanias 
hat  so  nicht  schreiben  mögen.  Wir  dürfen  also 
zum  mindesten  dies  behaupten,  dass  keiner  der 
vorgetragenen  Gründe  die  Identität  der  beiden 
Satyrstatuen  beweist.  Dass  sie  aber  durchaus  nicht 
identisch  sein  können,  geht  aus  einem  Umstand 
hervor,  auf  den  mit  aller  Bestimmtheit  hingewiesen 
zu  haben  das  Verdienst  Benndorf's  ist.  Pausanias 
erklärt  die  Dreifüsse,  welche  auf  den  Tempelchen 
der  Tripodenstrasse  standen,  für  besonders  inter- 
essant der  trefflichen  Kunstwerke  wegen,  welche 
sie  umschlossen.  Als  Beleg  führt  er  den  Satyr  des 
Praxiteles  an;  also  auf  einem  Tempelchen  stand 
dieser.  Der  au  zweiter  Stelle  erwähnte  Satyrknabe 
aber  befand  sich  in  einem  Tempel  des  Dionysos  in 
der  Nähe  der  Tripodenstrasse.  Denn  in  der  Auf- 
fassung dieser  Worte  scheint  mir  Stephani  (S.  382. 
389)  durchaus  das  Richtige  zu  treffen,  wenn  er  den 
vaog  6  nXi]aiov  als  Tempel  in  der  Nähe  der  Tri- 
podenstrasse versteht,  das  Jiovvom  ^dzvQog  iazi 
durch  Vergleich  ähnlicher  Wendungen  bei  Pausanias 
schützt,  und  von  einer  Weihung  au  Dionysos  ver- 
steht. Auch  daran,  dass  die  Statuen  des  Thymilos 
mit  dem  jugendlichen  Satyr  keine  Einheit  bildeten 
(S.  385),  ist  nicht  zu  zweifeln.  Benndorf  hält  die 
Identität  der  beiden  Satyrstatuen  für  erwiesen;  der 
jetzige  Zusammenhang  der  Stelle  scheint  ihm  des- 
halb unmöglich,  da  sonst  derselbe  Satyr  auf  einem 
Tempelcheu  der  Tripodenstrasse  und  in  einem 
Tempel  in  deren  Nähe  gestanden  hätte.  Er  löst 
diese  Schwierigkeit  durch  die  Annahme  einer 
grösseren  Lücke  vor  dem  ISdzvQog  ydg  iaziv,  in 
welcher  die  berühmtesten  Kunstwerke  der  Tripoden- 
strasse aufgezählt  gewesen  wären;  von  diesen  erst 
sei  Pausanias  auf  den  Satyr  des  Praxiteles  ge- 
kommen, der  in  einem  nahen  Tempel  stand.  Dass 
die  Partikel  ydg  nach  ^dtvgog  dann  gestrichen 
werden  muss,  spricht  ebensowenig  gegen  diese  An- 
nahme, als  der  Umstand,  dass  sie  in  einzelnen 
Handscliriften  wirklich  fehlt,  für  dieselbe.  Nöthig 
ist  die  Annahme  aber  nur,    wenn  die  Identität  der 


85 


P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


86 


beiden  Satyrstatuen  aufrecht  erhalten  wird,  und  dass 
die  von  Stejihani  vorgetragenen  Gründe  diese  nicht 
beweisen,  haben  wir  gesehen.  Es  liegt  also  in  der 
That  kein  Grund  für  die  Annahme  einer  Lücke 
vor.  Ja,  ich  meine,  es  spricht  sogar  Einiges  direkt 
gegen  dieselbe.  Tansanias  will  die  Treö'liclikeit 
der  Kunstwerke  unter  den  Dreifüssen  beweisen. 
Konnte  es  dafür  einen  besseren  Beleg  geben  als 
ein  berUiimte.s  Werk  des  Praxiteles,  und  gar  ein 
Werk,  das  der  Meister  selbst  für  sein  vollkom- 
menstes erklärt  iiatte?  Erst  in  diesem  Zusammen- 
hang gewinnt  die  Anekdote  von  der  List  der  Phryne 
ihre  volle  Bedeutung.  Es  wäre  ein  eigener  Zu- 
fall, der  so  gut  Zusammenpassendes  zusammen- 
gebracht hätte.  Ferner  könnte  Pausanias  von  der 
Aufzählung  der  Kunstwerke  in  der  Dreifussstrasse 
doch  nicht  unmittelbar  zu  denen  im  Dionysostempel 
übergegangen  sein;  es  müsste  also  mindestens  der 
Dionysostempel  und  seine  Lage  zur  Tripodenstrasse 
berührt  worden  sein.  Dann  aber  ist  das  av  t(Z 
vaui  TW  nXr^ainv  am  Schluss  des  Abschnittes  völlig 
unverständlich.  Endlich  wissen  wir  aus  Athenaeus 
(XIII  S.  591 B),  dass  der  Satyr  den  Beinamen  o 
eni  Tginnöojv  führte.  Diese  Bezeichnung  wäre 
durchaus  nicht  zutreffend,  wenn  derselbe  sich  in 
einem  Tempel  nicht  weit  von  der  Tripodenstrasse 
befunden  hätte,  er  weist  gerade  auf  die  DreifUsse 
als  dessen  Aufstellungsort  hin.  Wir  werden  also 
den  Praxitelisclien  Sat^n-  eni  Tginndcov  von  dem 
löiTVQng  nalg  durchaus  getrennt  halten,  und  es  fällt 
die  urkundliclie  Bestätigung,  welche  man  für  den 
Praxitelischen  Ursprung  des  einschenkenden  Satyr- 
knaben (Berliner  Gipsabgüsse  N.  1217)  zu  besitzen 
glaubte,  um  so  sicherer  dahin,  als  der  Satyr  im 
Dionysostempel  ein  Triukgefäss  darbot  (öi'doiaiv 
exnwfia),  der  uns  erhaltene,  wie  vor  allem  die 
Berliner  Replik  lehrt,  aus  hoch  erhobener  Kanne 
in  ein  Trinkliorn  eingiesst.  Daran,  dass  dieser 
einschenkende  Satyr  auf  Praxitelische  Kunst  zurück- 
gehe, ist  trotz  des  Mangels  äusserer  Bestätigung 
nicht  zu  zweifeln;  ob  er  ein  Werk  des  Meisters 
selbst  sei,  ist  kaum  zu  entscheiden.  Sicherer  scheint 
dies  bei  dem  ausruhenden  Satyr  zu  sein;  vgl. 
Brunn,  Deutsche  Bundschau  VIII  1882  S.  200;  Ber- 
liner Gipsabgüsse  1216.  Eine  Beziehung  auf  litte- 
rarisch bekannte  Werke  ist  wohl  nicht  möglich. 
Da  der  neqißnrjTog,  als  Theil  einer  Gruppe  aus  dem 
Spiel  bleiben  muss,  kann  man  nur  den  Satyr  aus 
der  Tripodenstrasse  und  den  aus  Megara  (Pau- 
sanias I  43,5)  heranziehen,  aber  ich  sehe  keine 
Möglichkeit  sicherer  Entscheidung. 


Den  Eros  des  Praxiteles  hat  Phryne  nach  Thes- 
piae  geweiht;  nur  Strabon  (IX  S.  410)  nennt  statt 
ihrer  die  Glykera.  Sowohl  Eustathios  (zu  Ilias  B^ 
498;  S.  2G6,  10)  als  der  späte,  schon  lateinisch 
schreibende  Scholiast  zu  Lukian  (Jaoobitz  IV  S.  162, 
25)  habeu  aus  Strabon  geschöpft  und  kommen  neben 
ihm  nicht  in  Betracht.  Unzweifelhaft  hat  Phryne 
wie  die  Ueberlieferung  so  die  innere  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  da  sie  ja  aus  Thespiae  gebürtig 
war.  Die  Glykera  Strabon's  könnte  wolil  nur  die 
Geliebte  des  Harpalos  sein,  aber  wir  wissen  weder 
von  einer  Beziehung  derselben  zu  Praxiteles  noch 
zu  Thespiae.  Vielleicht  hat  Strabon  die  Geliebte 
des  Pausias  mit  der  des  Praxiteles  verwechselt.  In 
Thespiae  blieb  der  Eros  bis  auf  Caligula,  ward 
dann  nach  Rom  versetzt,  von  Claudius  zurückge- 
geben, von  Nero  wieder  entführt  (Pausanias  IX 
27,3);  zu  Plinius'  Zeit  (N.  H.  36,22)  befand  ersieh 
in  Oclamae  schoiis  und  ging  im  Jahre  80  n.  Ch. 
durch  Feuer  zu  Grunde  (Cassius  Dio  66,  24,2). 
In  Thespiae  ersetzte  ihn  eine  Kopie  von  Meno- 
doros.  Was  es  mit  der  Bemerkung  Julian's  (Rede  II 
S.  54C),  dass  eine  Vergoldung  der  Flügel  die  Fein- 
heit des  Werkes  geschädigt  habe,  auf  sich  hat,  ist 
schwer  zu  sagen.  Stark  (S.  165)  vergleicht  die 
rohe  Vergoldung,  welche  Nero  einer  Erzstatue  des 
Lysipp  angedeihcn  Hess  (Plinius  N.  H.  34,  63),  und 
macht  auch  für  die  Schädigung  des  Eros  Nero  ver- 
antwortlich. Aber  jenes  war  eine  Erzfigur,  bei 
welcher  die  Vergoldung  eine  müssige  und  sogar 
störende  Zutliat  war,  der  Eros  eine  Marmorstatue, 
die  sicher  der  Bemalung  von  Anfang  an  uiclit  ent- 
behrte. Was  also  hier  eine  nachträgliche  Vergol- 
dung sollte,  ist  nicht  recht  einzusehen,  und  Julian, 
der  nur  nach  dem  Hörensagen  erzählt,  wird  irgend 
ein  Missverständniss  begangen  haben. 

Unsere  Kenntniss  des  zweiten  Eros,  des  zu  Pa- 
rion  an  der  Propontis  befindlichen,  beruht  ganz  auf 
der  kurzen  Erwähnung  bei  Plinius  N.  H.  36,  22: 
eiusdem  (Praxitelis)  est  et  Cupido  obiecliis  a  Cice- 
rone Verri,  ille  propter  quem  Thespiae  visebantur, 
nunc  in  Octaviae  schoiis  positus.  Eiusdetn  et  alter 
nudiis  in  Paria  colonia  Propontidis,  par  Veneri  Cni- 
diae  nobilitate  et  iniuria:  adamavit  enim  AIcelas 
Rhodins  atque  in  eo  quoqne  simile  amoris  vesligiiim 
reliquit.  Von  dieser  Stelle  ist  Stark  in  seinem  be- 
reits erwähnten  Aufsatze  über  die  Erosbildungen 
des  Praxiteles  ausgegangen,  um  Genaueres  über 
die  Eroten  in  Thespiae  und  in  Parion  zu  ermitteln. 
Er  setzt  auseinander,  dass  die  Worte  des  Plinius 
eiusdem  et  aller  nudus  bewiesen,  dass  der  Eros  in 

6* 


87 


P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


88 


Parion  michis  war,  der  andere  in  Thespiae  nicht, 
und  findet  eine  berechnete  Geg-eniiberstelluug  zwi- 
schen den  beiden  Aphroditen  des  Praxiteles  in  Kos 
und  Knidos  und  diesen  Eroten.  Die  eine  Statue 
jeden  Paares  war  bekleidet,  die  andere  nackt,  diese 
letzteren  in  ähnlicher  Weise  frevelhaft  beschädigt. 
Und  diese  befinden  sich  in  Knidos  und  Parion,  den 
blühenden  Hafenstädten  an  der  südlichen  und  nörd- 
lichen Spitze  der  kleinasiatischen  Westküste,  während 
die  Aphrodite  von  Kos  weniger  Ruhm  besass,  der 
Eros  von  Thespiae  von  seinem  ursprünglichen  Platz 
entführt  in  Rom  unter  der  Masse  der  Kunstwerke 
eher  verschwand,  und  bald  durch  Feuersbrunst  ganz 
unterging.  • —  Es  hält  schwer,  sich  bei  Pliuius  eine 
so  ausgetiftelte  Anordnung  vorzustellen,  auch  wenn 
wir  ihm  die  Ahnung  und  Verwendung  des  dem 
Thespischen  Eros  drohenden  Unterganges  zuge- 
stehen wollten.  Wer  sich  die  Arbeitsart  des  alten 
Plinius  vergegenwärtigt,  wie  sie  uns  sein  Neffe 
(3,5)  so  harmlos  ausplaudert,  der  wird  solche  Fein- 
heiten bei  ihm  nicht  suchen,  einer  Zahl  von  weiteren 
Schwierigkeiten  zu  geschweigen.  Stark  glaubt  nun 
aber  das  nudns,  welches  der  eigentliche  springende 
Punkt  der  Gegenüberstellung  war,  beim  Eros  ganz 
anders  auffassen  zu  müssen,  als  bei  der  Aphrodite. 
Es  bedeutet  ihm  'waffenlos',  und  da  er  nun  den 
Mangel  aller  Waffen  als  eigentliches  Kennzeichen 
des  Eros  von  Parion  erkannt  zu  haben  meint,  be- 
zieht er  weiter  auch  auf  diesen  das  Epigramm  des 
Palladas  CXVI207): 
ri\uvng   Egcog.    /liu  xovxo  ysXä  xal  /.i£lXi)rög  iariv 

Ov  yccQ  £%£*  tÖ^ov  xal  nvqöevTu  ßsXrj. 
OvSi  /.ittztjv  naXai-iaig  xartxii  deXq^ha  xal  avdog' 

Tfj  fiiv  yciQ  yalav,  lij  de  Oäkaaociv  i'yei. 
Aber  der  Umstand,  dass  der  eine  Eros  nudus,  der 
andere  yvi.iv6g  genannt  wird,  genügt  doch  wahr- 
haftig nicht,  die  Identität  zu  beweisen;  ja  ob 
das  Epigramm  eine  Statue  schildert,  ob  ein  Re- 
lief oder  Gemälde  ist  nirgends  angedeutet.  Auf 
ein  Gemälde  würden  die  Worte  des  Tzetzes  (Chili- 
aden V  11  V.  500 ff.)  füiiren,  wenn  dieser  überhaupt 
mehr  gekannt  hätte  als  unser  Epigramm  (vgl.  Förster 
im  Rhcinisclien  Museum  N.  F.  XXXVIII  1883  S. 
427,1).  Auch  entspricht  doch  ein  Eros  mit  Delphin 
und  Blüthe  in  den  Händen,  wie  wir  ihn  nach  Stark 
annehmen  mUssten,  kaum  der  Vorstellung,  die  wir 
von  Praxiteles  haben  und  haben  dürfen.  Trotz- 
dem hat  diese  Annahme  ihre  Vertreter  gefunden, 
und  noch  ganz  kürzlich  hat  Overbeck  (Plastik^  II 
S.  34)  ihr  ohne  Rückhalt  zugestimmt.  Doch  ehe 
wir  zu  den  Tliatsaciien  übergehen,  welciie  ihre  Un- 


haltbarkeit  beweisen,  müssen  wir  kurz  noch  den 
Versuch  Stark's  berüliren,  den  Thespischen  Eros 
wieder  herzustellen,  einen  Versuch,  den  wir  oben 
übergehen  mussten,  weil  er  in  zu  naher  Beziehung 
zu  der  Annahme  Stark's  vom  Eros  in  Parion  steht. 
Waffenlos  sollte  der  Eros  von  Parion  sein ;  nicht 
nudus,  also  nicht  ohne  Gewand  und  Waffen  der 
von  Thespiae.  Und  in  welcher  Handlung  er  dar- 
gestellt sei,  glaubte  Stark  aus  einem  Epigramm  zu 
erkennen,  das  mit  unwesentlichen  Abweichungen 
beim  Planudes  (Anthologie  XVI  204)  und  Athenaeus 
(XIII  S.  591  A)  steht,  an  erster  Stelle  unter  dem 
.Namen  des  Simonides,  an  letzterer  unter  dem  des 
Praxiteles.  Dass  es  keinem  von  beiden  gehört,  ist 
klar;  vgl.  Stark  S.  1G4.  Benndorf,  De  anihologiae 
graecae  epigraminatis  quae  ad  arles  spectant  S.  25. 
Bergk,  Poetae  lyrici  graeci*  II  S.  323.  Es  handelt 
sich  vor  allem  um  die  Worte,  welche  das  Epigramm 
dem  Eros  selbst  in  den  Mund  legt  cfiXtqa  de  ßälXco 
Ov-xei'  oi'avsvwv  ulX!  aitviL.nj.ievng.  'Also  der  Gott 
schiesst  nicht  mehr  mit  seinen  Geschossen,  er  hat 
es  aber  gethan,  die  Waffe  wird  daher  bei  ihm  vor- 
ausgesetzt, aber  ihr  Gebrauch  als  ein  vollendeter 
bezeichnet,  die  Hauptmacht  liegt  nun  in  dem  inten- 
siven, auf  einen  Punkt  gerichteten,  Liebeszauber 
erregenden  Blick  .  .  .  Wir  haben  dalier  uns  bei  dem 
Thespischen  Eros  Bogen  und  Pfeil  oder  Pfeil  allein 
gesteckt  noch  in  der  einen  Hand  gehalten,  und  das 
Uebrige  in  der  Abrüstung  begriffen,  etwa  den  Köcher 
bereits  mit  Chlamys  zur  Seite  auf  einen  Steiu  oder 
Stamm  niedergelegt  zu  denken,  den  noch  die  Hand 
berührte.'  Diese  Erörterung  von  Stark  scheint  mir 
auf  einer  allerdings  verbreiteten,  aber  irrigen  Auf- 
fassung des  Epigramms  zu  beruhen.  Nicht  die 
Handlung,  welche  dem  in  der  Statue  dargestellten 
Augenblicke  vorausging,  wird  geschildert,  sondern 
die  Zeit  vor  Entstehung  des  PraxiteJischeu  Kunst- 
werkes und  das  Gebahren  des  Liebesgottes  vor  Er- 
schaffung seines  schönsten  Bildes  in  witzigen  Gegen- 
satz zur  Folgezeit  gesetzt.  Früher  bedurfte  Eros 
der  Pfeile  um  Liebe  zu  erwecken,  jetzt,  wo  ihn 
Praxiteles  so  wunderbar  geschildert,  braucht  er 
sich  nur  noch  anschauen  zu  lassen.  Denn  das 
aTEvitni.iEvog  ist  kein  Medium,  wie  man  fast  all- 
gemein annimmt  —  unsere  Stelle  wäre,  so  viel  ich 
sehe,  der  einzige  Beleg  für  diesen  Gebrauch  — 
sondern  Passivum,  wie  wenigstens  Grotius  richtig 
übersetzte  inde  sagiUis  nil  opus  est:  mdear  si  modo, 
sat  ferio.  Also  auch  hieraus  ist  kein  Schluss  auf 
die  Darstellung  des  Eros  zu  ziehen,  und  wir  be- 
hielten nur  die  aus  Plinius  gewonnene  Vorstellung, 


89 


P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


90 


ilass  der  Eros  von  Tliespiae  nicht  nndus  gewesen 
sei,  übrig',  wenn  sich  die  scliou  vorhin  aus  all- 
üemcinen  Gründen  angezweifelte  Gegenüberstellung 
nicht  siclier  als  irrig  erweisen  Hesse,  so  dass  wir 
zunächst  übej-  die  Thespische  Statue  und  ilir  Aus- 
sehen ganz  ohne  Kenntniss  bleiben. 

In  den  Berliner  Blättern  für  j\Iünzkunde  V 
1870  Tafel  5r),3  S.  1(1,14  batliaucli  eine  Münze  des 
Antouinus  I'ius  aus  Parion  abgebildet,  die  sicii  jetzt 
im  Berliner  Münzkabinet  befindet.  Er  vermuthete, 
dass  der  auf  der  Rückseite  dargestellte  Eros  Nach- 
ahmung eines  Bildwerkes  in  Parion  sei,  und  Bursian 
hat  in  dem  Jenaischen  Programm  von  1873  De 
Praxilelis  Cupiditie  Pariano  mit  unzweifelhaftem 
Rechte  eben  den  Praxitelischen  Eros  als  Vorbild  in 
Anspruch  genommen.  Leider  war  die  Abbildung, 
welche  Rauch  gab,  sehr  unvollkommen,  ja  irre- 
führend: sie  zeigt  Eros  vor  einem  Altar,  der  Blick 
ist  nach  oben  gericlitet,  die  Rechte  ist  gesenkt,  die 
Linke  ist  erhoben  und  zieht  ein  Gewand  über  die 
Schulter.  Bursian  hat  es  versäumt,  dem  Typus 
unter  den  sonstigen  Münzen  von  Parion  nachzu- 
gehen; seine  Vermuthung  kann  aber  nur  dann  auf 
Sicherheit  Anspruch  machen,  wenn  die  Darstellung 
übereinstimmend  mehrfach  vorkommt.  Schon  Rig- 
gauer  (Sallet's  Zeitschrift  für  Numismatik  VIII  1881 
S.  84)  wies  daraufhin  und  führte  eine  Zahl  anderer 
Münzen  von  Parion  mit  dem  Eros  an,  glaubte  aber 
zwei  verschiedene  Typen  unterscheiden  zu  müssen, 
einen  mit  der  Rauch'schen  Münze  übereinstimmen- 
den, einen  in  welchem  Eros  die  Linke  in  die  Seite 
stemmt.  Dieselbe  Scheidung  nimmt  Gardner  vor, 
der  im  Journal  of  hellenic  sliidies  IV  S.  270  die 
meisten  dieser  Münzen  bespriciit  und  abbildet.  Trotz 
dieser  Verschiedenheit,  deren  Ursache  zu  erklären 
er  nicht  versucht,  iiält  er  daran  fest,  dass  der 
Praxiteliscbe  Eros  das  Vorbild  der  Münzen  sei. 
Aber  wenn  wir  auf  den  Münzen  zwei  verschiedene 
Typen  besässen,  würde  uns  durchaus  jedes  Mittel 
zu  der  Entscheidung  fehlen,  welcher  derselben  denn 
nun  das  Praxiteliscbe  Werk  wiedergäbe,  ja  ob 
überhaupt  einer  dies  beabsichtige.  Wir  haben  aber 
in  der  That  nur  einen  Typus  anzuerkennen.  Eine 
Untersuchung  der  Rauch'schen  Münze  hat  mich 
überzeugt,  dass  dieselbe  gewaltsam  gereinigt,  und 
ihr  Gepräge  dabei  entstellt  worden  ist,  und  die 
frühere  Abbildung  i.st  den  verunstalteten  Formen 
noch  durch  willkürliche  Aenderungen  in  ihrer  Weise 
zu  Hülfe  gekommen,  so  dass  jenes  ganze  trüge- 
rische Bild  entstand.  Die  nachstehende  Abbildung  1 
giebt  das  in  der  That  noch  Erkennbare  treu  wieder. 


Der  linke  Unterarm,  der  in  die  Hüfte  gestemmt 
war,  ist  vom  Ellenbogen  an  weggeschabt.  Der 
Zeichner  Rauch's  hielt  dann  den  oberen  Rand  des 
linken  Flügels  für  diesen  fehlenden  Unterarm  und 
Hess,  beim  Versuch  sicli  das  Erhaltene  klar  zu 
machen,  ganz  willkürlich  die  erhobene  Linke  das 
Gewand  fassen.  Auch  der  aufwärts  gerichtete  Blick 
des  Eros  ist  reine  Erfindung  des  Zeichners,  der 
auch  die  Herme  neben  Eros  zu  einem  flammenden 
Altar  umgestaltete.  Es  ist  danach  klar,  dass  der 
Versuch  Furtwängler's  (Athenische  Mittheilungen 
V  S.  38,2),  den  Praxitelischen  Eros  als  Umgestal- 
tung des  uns  in  dem  Petersburger  Eros  (Berliner 
Gipsabgüsse  N.  217)  erhaltenen  alterthümlichen 
Typus  aufzufassen,  als  auf  thatsächlich  unrichtiger 
Grundlage  beruhend  misslingen  musste. 


Der  nie  versagenden  Güte  Imhoof-Blunier's  ver- 
danke ich  die  Abdrücke  der  hierher  gehörigen 
Münzen.  Die  Berliner  Exemplare  konnte  ich  im 
Original  untersuchen,  auch  liegen  Abdrücke  von 
diesen  vor  mir.  Nur  bei  einem  Exemplar,  einer 
noch  zweimal  und  besser  erhaltenen  Münze  —  es 
ist  die  unter  4  aufgeführte  — ,  bin  ich  auf  Ab- 
bildungen angewiesen.  Es  kommen  überhaupt 
folgende  Münzen  in  Betracht: 

1.  Antouinus  Pins,  frUiier  in  der  Sammlung 
Rauch,  jetzt  in  Berlin.  Abgebildet:  Berliner  Blätter 
für  Münzkunde  V  1870  Taf.  5.Ö,  3;  danach  bei  Bur- 
sian, De  Praxilelis  Cupidine  Pariano^  phototypisch 
bei  Gardner  N.  1.  Letztere  Abbildung  gestattet  kein 
Urteil  über  den  wirkliclien  Zustand  des  Originals; 
unser  Holzschnitt  1  wird  diesem  Zwecke  besser 
dienen.  Die  Umschrift  lautet:  DEO  CVPIDINI 
C0\-Oitia     CEAAiwa     IVLia     H/\Oriaua     PArium. 

2.  Antouinus  Pins  in  der  Sammlung  Imhoof- 
Blumer's.  Als  Umschrift  die  Anfangsbuchstaben 
des  Namens  der  Colonie  CCIHP.  Abgebildet; 
Gardner  N.  2.  Riggauer  Taf.  1,  13.  Vgl.  Im- 
hoof-Blumer,    Motinaies   grecques   S.  25G. 

3.  Dieselbe  Münze  in  München,  schlechteres 
Exemplar;  vgl.  Riggauer  S.  85. 

4.  Dieselbe  Münze  in  Paris,  früher  Wiczay. 
Abgebildet:   Gardner  N.  3.    Ungenau   beschrieben 


91 


P.  "Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


92 


von    Mionnet,    Sripplemcnt    V    S.  399,    732;     vgl. 
Riggauer    S.    84. 

5.  Conimodus  in  Kopenbagen-,  abgebildet  bei 
Gardner  N.  4  und  in  unserem  Holzschnitt  2.  Vgl. 
Imlioof-Blumer,  Monnaies  grecques  S.  25G,  139.  Die 
Umschrift  wie  bei    1. 

6.  Severus  Alexander  in  Berlin.  Abgebildet 
bei  Gardner  N.  5,  in  unserem  Holzschnitt  3.  Die 
Umschrift  lautet  DEO  CVPIDINI  Colonia  Qemina 
\ulia  /Kdriana  PARi«w. 

7.  Dieselbe  Münze,  ebenfalls  in  Berlin,  früher 
in  der  Sammlung  von  Knobelsdorff.  Abgebildet  Se- 
stini,  Lcltere  VI  Taf.  2,    10. 

8.  OtaciliaSevera  in  München;  vgl.  Mionnet  II 
S.  583,  454.  Riggauer  S.  85.  Imhoof- Blumer,  Mon- 
naies grecques  S.  256,  141.  Abgebildet  bei  Garduer 
N.  6,  wo  nur  irrig  als  Aufbewahrungsort  Mai- 
land angegeben  wird.     Umschrift:  DEO  CVPIDINI 

CCIHP. 

9.  Philippus  junior  aus  der  Sammlung  Cou- 
sinery,  in  Paris.  Abgebildet  Gardner  K.  7;  vgl. 
Mionnet,  Supplement  V  S.  406,  774.  Riggauer 
S.  84.  Imhoof-Blumer ,  Monnaies  grecques  S.  256, 
140.     Umschrift  DEO  CVPIDINI  CCIHPA- 

Der  Eros  aller  dieser  Münzen  stimmt  genau 
überein,  nur  die  unter  2—4  beschriebene  zeigt 
eine  kleine  Abweichung.  Die  beiden  Exemplare  in 
München  und  Paris  sind  sehr  schlecht  erhalten,  ich 
benutze  deshalb  vornehmlich  das  Imhoof  sehe.  Dass 
dieselbe  Erosgestalt  abgebildet  ist,  ergiebt  sich  mit 
Sicherheit  aus  der  Herme  links,  die  auch  hier  nicht 
fehlt,  und  die  bei  einer  etwa  frei  erfundeneu  Figur 
unerklärlich  bliebe.  Die  ganze  Haltung  ist  die- 
selbe, wie  bei  den  anderen  Münzen,  nur  ist  die 
Gestalt  mehr  von  ihrer  rechten  Seite  her  aufge- 
nommen. Die  Stellung  wird  dadurch  etwas  steifer, 
und  besonders  der  rechte  Arm  und  das  rechte  Bein 
gestreckter.  Eine  Veränderung,  die  sich  nicht  aus 
der  veränderten  Aufnahme  erklärt,  ist  nur  mit  dem 
linken  Arm  geschehen.  Riggauer  (S.  84)  und 
Gardner  (S.  271)  irren,  wenn  sie  denselben  er- 
hol)en  sein  lassen,  er  muss  vielmehr  gesenkt  sein. 
Wie  das  Gewand  angeordnet  ist,  lässt  sich  nicht 
deutlich  erkennen;  unklar  ist  auch  die  Bedeutung 
eines  oben  gekrümmten  und  in  zwei  kleine  Spitzen 
auslaufenden,  stabartigen  Gerätes,  welches  nach 
Imhoof's  Ansicht  Eros  in  der  Rechten  hält.  Was 
die  Veranlassung  gewesen  sein  mag,  dem  bekann- 
ten Bild  des  Eros  auf  dieser  einen  Münze  noch 
dies  besondere  Attribut  in  die  Hand  zu  geben,  wird 
sich  kaum  ermitteln    lassen;    dass    dies    der   Sach- 


verhalt ist,  und    nicht    etwa    diese  eine  Münze  des 
Antoninus  Pins    das    treuere  Abbild    des  Praxiteli- 
schen  Eros,    die    anderen    nur    ein    durch   willkür- 
liches Weglassen  eines  Attributes  entstelltes  bieten, 
liegt    auf   der    Hand.     Gegen    den    einen   (in  drei 
Exemplaren  erhaltenen^   Stempel    stehen    fünf  ver- 
schiedene,   unter   verschiedenen  Kaisern  gefertigte, 
ganz  übereinstimmende.     Und    es    ist   kein   Grund 
zu  ersinnen,  der  zur  Tilgung  eines  Attributes  immer 
wieder  in    gleicher  Weise   gewirkt   haben    könnte, 
von   Antoninus    Pius    bis    auf   Philippus,    während 
sich  der  Anlass  zur  Hiuzufügung  eines  solchen  eher 
denken  lässt.    Wir  werden  also  diese  eine,  übrigens 
au  Grösse  wie  Arbeit  ziemlich  tief  stehende  Münze 
bei  der  Herstellung   des  Praxitelischen   Eros   ganz 
bei  Seite  lassen,    und   uns   vor    allem  an  die  oben 
abgebildeten  halten.     Denn    auch    die  Münzeu  der 
Otacilia  und  des  Philippus    sind,    wenn  auch  sach- 
lich durchaus  zuverlässig,  doch  von  sehr  roher  und 
plumper    Ausführung.      W^ir    haben    uns    also    deu 
Eros  von  Parion  in  einer  Haltung  vorzustellen,  die 
lebhaft  an  den  Hermes  des  Praxiteles  gemahnt ;  die 
zarte,  weiche  Biegung  des  Körpers,  die  wir  an  seinen 
Werken  bewuudern,  lässt  sich  am  ehesten  noch  aus 
dem    Kopenhagener    Exemplar    ahnen.     Die    linke 
Hand  war  in  die  Hüfte  gestemmt,  ganz  ähnlich  wie 
beim  ausruhenden  Satyr    oder    deu    von  Praxiteles 
so  offenbar    abhängigen    Hermesgestalteu  (Berliner 
GipsbgOsse  N.  1218—1220).     Das  Gewand  scheint 
nur  über  dem    linken  Unterarm  gelegen  zu  haben; 
auch  hierin    lässt    sich    der    Hermes    von    Olympia 
vergleichen.      In    der   Rechten    hat   Imhoof-Blumer 
beim  Kopenhagener  Exemplar  einen  Pfeil  erkannt. 
So  ansprechend  diese  Vorstellung  ist,  müssen  wir  sie 
doch  als  ungewiss  hinstellen,  da  die  anderen  Münzen 
uns  hier    entweder    im    Stich    lassen,    oder  —  und 
dies    sind     allerdings    die    rohen    Exemplare    der 
Otacilia  und    des  Philippus  —  sicher   keinen  Pfeil 
zeigen.    Grosse,  stattliche  Fittige  würden  wir  auch 
ohne    Gewähr     der    Münzen    für    einen    Eros    des 
Praxiteles  anzunehmen  geneigt  sein.    Der  Kopf  war 
natürlich  nicht  so  stark    ins  Profil  gestellt,  wie  ihn 
die  Münzen    zeigen    —     schon    ein    Vergleich   der 
Münzen  mit  der  Knidischen  Aphrodite  lehrt  das  — , 
aber  offenbar    war    er    etwas    nach    seiner    linken 
Seite    gewendet.     Ueber    die    Tracht    des    Haares 
lehren  die    besseren    Exemplare    nur,    dass    es  auf 
dem  Wirbel  hinten  zu  einem  Knoten  zusammenge- 
nommen war.     Endlich  besitzen  wir  in  der  kleinen 
Herme    zur    Rechten     des    Eros    einen    nicht    un- 
interessanten Beitrag  zur  Kenntniss  der  technischen 


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P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


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Gewohnheit  tles  Praxiteles.  Wenn  Riggauer  (S.  85) 
diese  Herme  für  ein  primitives  Bild  des  Eros 
lialten  wollte,  das  nur  der  Stenipelschneider  neben 
die  Statue  gesetzt  hätte,  so  konnte  diese  Annahme 
schon  an  sich  keinen  iiohen  Anspruch  auf  Wahr- 
scheinlichkeit machen.  Gardner  (S.  270,  1)  hat 
unter  Vergleicliung'  einer  kleinen  Münze  des  An- 
toninus  Pius,  auf  welcher  nur  diese  Herme  erscheint, 
behauptet,  dass  die  Herme  bärtig  gewesen  sei,  und 
man  wird  sich  diesem  Schluss  kaum  entziehen 
können.  Dann  aber  war,  wie  er  mit  Kecht  sagt, 
dieselbe  sicher  kein  Bild  des  Eros.  Dass  die 
Herme  integrirender  Bestandteil  des  Praxitelischen 
Werkes  war,  ist  nicht  wohl  zu  bezweifeln.  Praxiteles 
hielt  auch  hier  eine  äusserliche  Stütze  bei  der 
Statue  für  nölitig,  aber  er  suchte  sie  in  die  Com- 
position  hinein  zu  ziehen,  ganz  ebenso  wie  er  dies 
beim  Hermes,  der  Aphrodite,  dem  Sauroktouos,  dem 
ausrulienden  Satyr  gethan  hat.  Hier  gab  er  ihr 
wenigstens  die  Gestalt  eines  dem  Eros  verwandten 
Dämon.  Wenn  wir  den  Namen  des  in  jener 
Gegend  verehrten  Priapos  nennen,  so  soll  damit 
nur  der  Kreis  bezeichnet  sein,  innerhalb  dessen  er 
gesucht  werden  darf. 

Gar  nichts  Genaueres  wissen  wir  von  einer 
dritten  Erosstatue,  die  Heius  in  Messana  besass 
und  Verres  raubte;  vgl.  Stark  S.  166.  Die  Aus- 
drucksweise des  Cicero  empfiehlt  die  Annahme, 
dass  es  sich  nur  um  eine  Copie  des  Thespisclien 
Eros  handele;  ob  diese  aus  Praxiteles'  eigener 
Hand  hervorgegangen  war,  wird  man  wol  be- 
zweifeln dürfen. 

Für  die  vierte  Statue  sind  wir  ganz  auf  die 
Beschreibung  angewiesen,  welche  Kallistratos  in 
seiner  dritten  Ekphrasis  giebt,  und  befinden  uns  in 
Folge  dessen  auf  äusserst  schwankendem  Boden. 
Es  ist  schwer  zu  sagen,  wieviel  Wahrheit  in  dem 
Phrasengeklingel  des  Kallistratos  enthalten  sei. 
Audi  in  dem  gunstigsten  Falle,  dem,  dass  er  uns 
keine  Hirngespinnste  vorzutragen  beabsichtigt,  kann 
er  nicht  für  einen  gut  unterrichteten  Gewährsmann 
gelten.  Scharf  aber  richtig  sagt  Winckelmann  in 
der  Vorrede  zur  Geschichte  der  Kunst  von  ihm: 
'dieser  magere  Sophist  hätte  noch  zehenmal  so  viel 
Statuen  beschreiben  können,  ohne  jemals  eine 
einzige  gesehen  zu  haben',  und  auch  Welcker  in 
seiner  kurzen  Besprechung  des  Kallistratos  (in 
Jacobs'  Ausgabe  des  Philostrat  S.  LXXl)  glaubt 
nicht,  dass  dieser  alle  von  ihm  beschriebenen 
Werke  aus  eigener  Anschauung  kenne.  In  der 
That,  wer  wird  es  sicii  einreden  lassen,  dass  Kalli- 


stratos, nur  um  vierzehn  rhetorische  Prunkstücklein 
zu  verfassen,  Aegypten,  Aethiopieu,  Makedonien 
und  Skythien  ebenso  wie  den  Helikon  und  Sikyon 
])esuclit  habe,  mag  er  selbst  auch  fortwährend  den 
Schein  des  Augenzeugen  erheucheln?  Doch  das 
würde  seinen  Werth  für  die  Kunstgescliichte  nicht 
])eeinträchtigen,  wenn  er  nur  gute  Quellen  sorg- 
fältig benutzt  hätte.  Diese  Annahme  ist  aber  bei 
einem  Schriftsteller,  dessen  ganzes  Interesse  auf  der 
formalen  Seite  liegt,  wenig  wahrscheinlich.  Trotz- 
dem könnte  man  auf  den  ersten  Blick  glauben, 
Kallistratos  besässc  sehr  genaue  Kenntuiss.  Er 
giebt  fast  immer  an,  ob  die  Statue  aus  Erz  oder 
Marmor  besteht,  und  weiss  von  der  Art  der  Auf- 
stellung im  Einzelnen  zu  berichten.  Aber  das  ist 
Schein.  Ein  bestimmtes  Material  nennt  der  Rhetor 
nur  um  seines  bis  zum  Ueberdruss  wiederholten 
Gedankens  willen,  dass  der  todte  Stoff  durch  die 
Kunst  zu  scheinbarem  Leben  gelangt  sei,  dass  Erz 
oder  Marmor  blühendes  Fleisch  geworden  sei,  oder 
Locken,  in  denen  der  Zephyr  spielt.  Und  die  ge- 
nauen Schilderungen  von  der  Oertlichkeit,  wo  ein 
Werk  steht,  haben  auch  nur  den  Zweck,  den  poeti- 
schen Reiz  der  Darstellung  zu  heben.  Gleich  die 
erste  Ekphrasis  zeigt,  wie  w'enig  es  Kallistratos 
darauf  ankam,  überhaupt  Wahrscheinliches  zu  er- 
finden: der  Satyr  steht  in  den  Katakomben  beim 
ägyptischen  Theben.  Der  geheimnissvolle  Zauber, 
den  die  Nennung  eines  solchen  Ortes  auf  die  Leser 
hervorbringen  sollte,  ist  das  einzige  Ziel  dieser  an 
sich  so  unwahrscheinlichen  Erfindung.  Und  noch 
manches  andere  ist  ohne  Zweifel  rein  poetische 
Aussciimückung.  Die  Wangen  der  beschriebenen 
Gestalten  sind  blühend  roth,  die  Augen  leuchten, 
das  Haar  des  Inders  ist  an  der  Wurzel  dunkel, 
an  der  Spitze  röthlich,  obwol  die  Statue  aus 
schwarzem  Stein  bestehen  soll,  das  Haar  des  Eros 
fühlt  sich  sogar  weich  an,  der  Körper  des  Narkissos 
scheint  durch's  Gewand,  und  bei  der  Medea  sieht 
man  abwechselnd  bald  die  Wut  in  dem  Blicke,  bald 
die  Trauer.  Das  ist  offenbar  alles  auf  die 
Phantasie  der  Leser  berechnet;  Wirkliches  liegt 
nicht  zu  Grunde.  Ein  Theil  der  von  Kallistratos 
beschriebenen  Statuen  hat  in  der  That  existirt: 
die  Mänade  des  Skopas,  der  Kairos  des  Lysipp, 
der  Orpheus  auf  dem  Helikon,  der  Memnon.  aucii 
wohl  der  Satyr;  denn  abgesehen  von  dem  unpassen- 
den Zusatz  des  Pan  mit  der  Echo  kann  man  die 
Kallistratische  Beschreibung  von  dem  Borghesischen 
Satyr  (Berliner  Gipsabgüsse  N.  1427)  verstehen. 
Für  die  Jledea  lässt  sich  wenigstens  das  Epigramm 


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P.  Wolters.  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


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der  Antliologie  XVI  142  anführen.  Nach  Abzug 
der  eben  charakterisirten  Phrasen  könnte  man  also 
hoffen,  hier  thatsächliche  Nachrichten  zu  finden. 
Aber  auch  ohne  Vergleich  des  Pausanias  IX  30,  4 
würden  wir  z.  B.  beim  Orpheus  die  Flüsse,  welche 
aus  den  Quellen  zu  dem  Gesänge  hin  strömen  und 
die  Meereswoge,  die  sich  aus  Liebe  zur  Musik  er- 
hebt, für  eitel  Phantasie  des  Rhetors  halten.  Eine 
vollständige  Erfindung  ist  der  Memnon.  Er  gilt 
dem  Kallistratos  für  eine  besonders  wunderbare 
Leistung  der  Kunst;  denn  die  Klagen  die  er  er- 
tönen lässt,  die  Thränen,  deren  er  nicht  entbehrt, 
haben  die  kunstfertigen  Aethiopen  ihm  verliehen, 
und  so  die  beweglichen  Statuen  des  Daidalos  bei 
weitem  Ubertroffen.  Es  zeigt  sich  also  hier  eine 
völlige  Unkenntniss  der  wirklichen  Verhältnisse 
und  eine  willkürliche  Ausmalung  einer  missver- 
standenen Nachricht.  Dass  beim  Satyr  die  Hin- 
zufUgung  des  Pan  Willkür  sei,  ist  sciion  bemerkt; 
dass  die  Kugel,  auf  welcher  Kallistratos  den  Kairos 
stehen  lässt,  nicht  zu  der  Beschreibung  des  Posei- 
dippos  (Anthologie  XVI  275)  stimmt,  bat  Benndorf 
(Arch.  Ztg.  1863  S.  85)  mit  Recht  behauptet.  Aber 
wir  brauchen  nicht  anzunehmen,  dem  Rhetor  habe 
eine  spätere  Umgestaltung  des  Lysippisclien  Werkes 
vorgeschwebt:  er  selbst  beansprucht  ja,  das  be- 
kannte Werk  des  Lysipp  zu  beschreiben.  Die 
Kugel  wird  also  ebenso  gut  der  Phantasie  des 
Kallistratos  und  nur  dieser  entstammen,  wie  alle 
die  blühenden  Wangen  und  flatternden  Haare.  Die 
Kenntniss  des  Tiiatsächlichen  in  allen  Beschrei- 
bungen ist  so  gering,  dass  ein  Epigramm  gewöhn- 
lichsten Schlages  als  einzige  Quelle  genügen  würde. 
Wie  ähnlich  Auflassung  und  Ausdruck  der  Epi- 
gramme sei,  liegt  auf  der  Hand ;  schon  Welcker 
dachte  an  sie  gerade  als  Quelle,  und  Benndorf 
(Arch.  Ztg.  1863  S.  84)  hat  von  neuem  auf  die 
Verwandtschaft  hingewiesen.  Vielleicht  ist  es  also 
kein  Zufall,  dass  der  Kairos  und  die  Mänade  zu 
den  in  Epigrammen  gefeierten  W^erken  gehören,  und 
dass  in  den  Gedichtchen  auf  die  Medea  des  Timo- 
machos  (XVI  135.  136.  138—140)  ebenso  wie  beim 
Kallistratos  die  Mischung  von  Zorn  und  Mitleid 
hervorgehoben  wird,  und  man  bei  dem  einen  dieser 
Epigramme  (XVI  143)  nicht  weiss,  ob  es  von  einem 
Gemälde  oder  einer  Statue  handelt.  Dass  sich  zu 
jeder  Ekphrasis  nun  ein  entsprechendes  Epigramm 
aufweisen  lasse,  wird  Niemand  verlangen,  ebenso 
wenig  wie  wir  behaupten  wollen,  Kallistratos  habe 
immer  aus  diesen  geschöpft.  Der  Asklcpios  ist  so 
allgemeines  Gerede,  dass  auch  nicht  der  geringste 


Anlass  ist,  eine  besondere  Anregung  dafür  zu 
suchen,  und  um  den  Kentauren  zu  schreiben  be- 
durfte es  auch  nur  der  Kenntniss,  dass  es  solche 
Wesen  gebe.  Die  albernen  Verse  der  Anthologie 
XVI  115  und  116  dürfte  man  mit  demselben 
Recht  auf  ein  statuarisches  Werk  zurückführen  wie 
diese  Ekphrasis. 

Solche  Betrachtungen  müssen  für  die  Benutzung 
des  Kallistratos  zu  kunstbistorischeu  Zwecken  die 
Norm  abgeben.  Je  mehr  er  sich  zu  poetischer 
Schilderung  des  Eindruckes  erhebt,  welchen  die 
Kunstwerke  machen,  desto  unbrauchbarer  wird  er 
für  uns.  Seine  gespreizten  Phrasen  zur  Charakte- 
ristik eines  Künstlers  zu  verwenden,  kann  nur  irre 
führen.  Sogar  in  der  Angabe  über  Thatsächliches 
verdient  er  nicht  unbedingten  Glauben:  wir  dürfen 
uns  also  nur  auf  ihn  verlassen,  wo  wir  die  Wahr- 
lieit  seiner  Aussagen  anderweitig  zu  prüfen  ver- 
mögen. Wir  werden  uns  ernstlich  zu  fragen  haben, 
ob  nicht  am  Ende  der  trunkene  Inder  ebenso  gut 
rein  aus  der  Phantasie  des  Kallistratos  stammen 
könne,  wie  der  Asklepios  oder  der  Kentaur.  Und 
dieselbe  Frage  wird  sich  für  jedes  Werk  mit  dem- 
selben Recht  wiederholen,  auch  für  die  einem  be- 
stimmten Künstler  zugetheilten.  Denn  wer  eine 
ganze  Statue  erfand,  konnte  leicht  einen  Künstler 
dazu  erfinden,  zumal  wenn  er  sich  ganz  auf  den 
sprichwörtlichen  Praxiteles  beschränkte.  Nur  Skopas 
und  Lysipp  als  Meister  der  Mänade  und  des 
Kairos  kommen  bei  Kallistratos  vor,  sonst  Niemand 
als  der  einzige  Praxiteles.  Gerade  bei  dem  Eros 
lag  es  zu  nahe,  Praxiteles  als  Künstler  zu  nennen ; 
wir  haben  hier  also  doppelt  das  Recht,  misstrauisch 
zu  sein. 

Nun  hat  Stark  (Leipziger  Berichte  1866  S.  167) 
einen  Erostorso  in  Dresden  mit  dem  von  Kalli- 
stratos geschilderten  Werke  identificirt,  und  hierin 
ist  ihm  sowol  Overbeck  (Plastik'  II  S.  35)  gefolgt, 
als  auch  Michaelis  (Arch.  Ztg.  1879  S.  175),  der 
zugleich  einige  andere  von  Stark  als  gleichartig 
herangezogene  Statuen  abgesondert  hat.  Ueber 
die  Haltung  des  Eros  hat  der  Rhetor  nur  wenige 
Zeilen:  'i'öqvto  di  ett,-  /^lav  zt)v  xoQixprjv  xov  de^inv 
inixai-imcuv  xagTiov,  zij  da  etfQCi  juerscogiCcov  zo 
tö^ov  xai  t)]v  trjg  (iäastog  laoggoniav  anixlivcop 
ani  tä  laia,  zrjv  yag  t?}c  UQiazsQäs  ?.aynvos  ax- 
azaoiv  avlazi]  n.Qog  svfiaQnzr^za  xov  %ahxov  zn 
azäyavov  exxläaac:.  Denn  die  vorhergehenden 
Worte  als  /"«''  yoQ  aSgav  azaaifiov  'iöqvzo,  rjnaza 
de  d<s  xal  zijg  (.tazaioQov  xvQiaviuv  cfogäg  beschreiben 
noch  nicht  das  Motiv  der  Statue;  sie  sind  nur  eine 


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P.  Wolters,  Die  Eroten  des  Praxiteles. 


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der  vielen  Wendungen  fUr  den  tausendfach  wieder- 
holteu  Gedanken,  dass  die  Statue  zu  leben  schien. 
Ebenso  heisst  es  vom  Kairos,  der  doch  mit  beiden 
Füssen  auf  der  Kugel  stehen  soll:  eotwc:  ös  oy^i^g 
i^ovai'ai'  t%eiv  söeixvvvn  aal  anv  znv  ocp&a^^tov  rjnäia, 
<hg  xal  r/;g  £ig  10  nQoaio  xv(}ievii>v  q^nfjög.  xai  na^d 
tov  dr]int.ovQYOV  laßcov  xal  tijv  at^inv  Xrj^iv  lif.ivsi.v, 
sl  ßnvlniTo,  znlg  nxf.Qv^i,  oder  vom  Diadunienos: 
äxlvrjTog  öi  äv  nving  n  scfrjßog  tdo^Ev  av  aoi 
xivr/aswg  (XEiiyiELv  xai  eig  yoQslav  EvTgeniCeoä-ai. 
Davon  also,  dass  ein  beginnender  Flug  in  die 
Lüfte  dargestellt  gewesen  sei,  ist  nicht  die  Rede. 
Es  ist  schwer,  die  verschnörkelten  Sätze  des  Rhetors 
in  klares  Deutsch  zu  fassen,  doch  kann  es  kaum 
etwas  anderes  heissen  als  dies:  Er  stand,  indem  er 
die  rechte  Handwurzel  zum  Scheitel  hin  umbog, 
mit  der  andern  Hand  den  Bogen  in  die  Höhe  hob 
und  das  Gleichgewicht  des  Standes  (d.  h.  den 
Schwerpunkt)  nach  links  hin  legte;  denn  er  Hess 
die  Erhebung  der  linken  Weiche  hervortreten,  in- 
dem er  die  Hülle  des  Erzes  gefällig  ausbog.  Ich 
habe  dabei  nong  Ev^iagort^za  =  EVfiaQiug  gefasst  und 
tnü  yalxnv  von  zo  oziyavov  abhängen  lassen.  In 
txoiaaiv  ctviozTj  ist  das  Hervortreten  eigentlich 
doppelt  ausgedrückt;  die  üebersetzung  kann  das 
geschickt  kaum  wiedergeben.  Offenbar  trat  die 
linke  Seite  der  Gestalt  aus  dem  völligen  Gleich- 
gewicht heraus;  die  linke  Hüfte  war  etwas  heraus- 
gebogen. Denn  von  dem  Betrachtenden  kann  hier 
das  links  nicht  verstanden  werden.  Bei  dem 
Dresdener  Torso  tritt  aber  gerade  die  rechte  Hüfte 
hervor.  Damit  hört  jede  Sicherheit  der  Beziehung 
auf,  und  wir  sind  wieder  auf  Kallistratos  allein 
angewiesen.  Ein  klares  Motiv  liegt  seiner  Statue 
nicht  zu  Grunde;  was  liei  einer  bequemen  Stellung 
mit  leicht  hervortretender  Hüfte  der  hoch  erhobene 
Bogen,  und  bei  so  lebhafter  Handlung  die  doch 
wohl  ruhend  auf's  Haupt  gelegte  rechte  Hand  be- 
deuten soll,  ist  kaum  zu  sagen.  Ich  neige  also 
zu  der  Ansiclit,  dass  Kallistratos  diesen  Eros  des 
Praxiteles  entweder  ganz  erfunden  oder  auf  eine 
kümmerliche  Kenntniss  hin  ausgeschmückt  hat: 
sicher  müssen  wir  ihn  als  äusserst  mangelhaft  be- 
glaubigt vorläufig  durchaus  bei  Seite  lassen. 

Es  bleiben  uns  endlich  noch  zwei  Epigramme 
des  Meleager  zu  betrachten  übrig,  die  sich  jetzt  in 
der  Anthologie  XII  56.  57  unter  den  Gedichten 
des  Straton  finden.  Sie  mit  Brunn  von  dem  Thespi- 
schen  Eros  zu  verstehen,  ist  kein  Grund  vorhanden, 
ja    nicht    einmal    von    irgend   einer   einzelnen,  nur 


uns  nicht  mehr  genau  bestimmbaren  Statue,  wie 
Overbeck  will,  ist  hier  die  Rede.  Meleager  spielt 
mit  der  Thatsache,  dass  Praxiteles  der  sprichwört- 
liche Bildner  des  Eros  ist,  und  lässt  nuu  im 
ersten  Epigramm  den  gleichnamigen  schönen  Knaben 
von  Eros  selbst  nach  seinem  Bilde  erschaffen  sein, 
im  andern  den  Knaben  Praxiteles  gleich  dem  Bild- 
hauer einen  Eros  hervorbringen,  allerdings  nicht 
im  Marmor,  sondern  in  der  Menschen  Herzen.  Der 
thatsächliche  Hintergrund  beider  Epigramme  ist  der 
Ruhm,  den  die  Eroten  des  Praxiteles  genossen, 
sonst  nichts. 

Wir  müssen  nach  alledem  gestehen,  dass  unsere 
Kenntniss  von  den  Erosbilduugen  des  Praxiteles 
noch  eine  sehr  dürftige  ist.  Am  ersten  könnte  man 
hoffen,  Nachbildungen  des  Eros  von  Parion  zu  ent- 
decken. Gardner  glaubt  auch  in  der  That  eine 
solche  in  einer  Terracottastatuette  erkannt  zu 
haben,  deren  Veröffentlichung  und  Besprechung 
ihm  Anlass  wurde,  die  oben  angeführte  Zusammen- 
stellung der  Jlünzeu  von  Parion  zu  machen;  in 
Einzelheiten  sei  dieselbe  allerdings  nicht  treu.  Aber 
so  viel  Praxitelisches  wir  auch  in  jeuer  Statuette 
spüren  oder  aufspüren  mögen,  der  Umstand,  dass 
Eros  hier  die  Linke  erhebt,  statt  sie  in  die  Seite 
zu  stemmen,  zeigt,  dass  sie  vielleicht  mittelbar  von 
Praxitelischer  Kunst,  aber  nicht  von  dem  bestimm- 
ten Werke  abhängen  kann. 

Eine  Kritik  der  sonst  beliebten  Rückführungen 
zu  geben,  ist  ebenso  unmöglich  wie  unnöthig;  es 
ist  ja  kaum  eine  wirkliche  oder  vermeintliche 
Erosdarstellung  nicht  in  Verbindung  mit  dem 
Namen  des  Praxiteles  gesetzt  worden.  Nur  von 
einer  sei  schliesslich  ein  Wort  gesagt,  nicht  weil 
sie  besser  begründet  wäre  wie  andere,  sondern 
weil  sie  bekannter  geworden  ist  und  lange  unbe- 
dingten Glauben  gefunden  hat.  Der  Eros  von 
Centocelle  ist  weit  entfernt,  Praxitelischer  Kunst 
überhaupt  nahe  zu  stehen.  Er  gehört  erst  der 
römischen,  vermuthlich  der  Hadrianischen  Zeit  an. 
Die  richtige  Ergänzung,  welche  über  seine  Be- 
deutung als  Todesgenius  mit  der  gesenkten  Fackel 
keinen  Zweifel  lässt,  hat  Friederichs  nachgewiesen; 
vgl.  seine  Bausteine  N.  448.  Berliner  Gipsabgüsse 
N.  1578.  Damit  ist  aber  jeder  Zusammenhang 
mit  Praxiteles  unmöglich  geworden,  auch  wenn 
man  den  süsslichen  Charakter  des  Werkes  nicht 
als  Gegengrund  gelten  lassen  wollte. 


Bonn,  im  Mai  1885. 


Paul  Wolters. 


Archäolog.  Ztg.   Jahrgang  XLIU. 


99 


100 


DIE  GOTTERYERSAMMLUNG 

AM  OSTFRIES  DES  PARTHENON. 


Kann  eigentlich  der  „Poseidon"  des  Ostfrieses 
Poseidon  sein?  Ob  sich  ein  Fachgenosse  diese 
Frage  schon  in  so  entschiedener  Fassung  gestellt 
hat,  weiss  ich  nicht;  auf  den  Lippen  war  sie  wohl 
schon  Manchem.  Denn  ein  leichtes  Befremden  über 
gewisse  Eigenthümlichkeiten,  welche  der  uns  ge- 
läufigen Vorstellung  von  Poseidons  Eigenart  zu 
widerstreben  scheinen,  geht  durch  die  Parthenou- 
literatur  hindurch  und  zeigt  sich  in  den  verschieden- 
artigen Versuchen,  jene  Eigentbümlichkeifen  zu  er- 
klären. 

Die  vorzügliche  Erhaltung  der  Platte  erlaubt 
uns  noch  ein  sicheres  Urtheil  über  die  einzelnen 
künstlerischen  Mittel,  durch  welche  Pheidias  be- 
müht war,  dem  Beschauer  die  Gestalt  kenntlich  zu 
machen.  Schon  durch  die  Gesammthaltung  allein 
hat  bei  allen  anderen  Göttergestalten  Pheidias  es 
meisterlich  verstanden,  das  Wesen  jeder  einzelnen 
klar  zum  Ausdruck  zu  bringen:  sollte  allein  bei 
dieser  Gestalt  die  Gesammthaltung  wenig  bezeich- 
nend sein?  Leider  zugeben  müssten  wir  das  unter 
der  Voraussetzung,  dass  Poseidon  thatsächlieh  ge- 
meint sei.  Wo  immer  die  Kunst  des  sechsten  und 
fünften  Jahrhunderts  Gelegenheit  hatte,  Poseidon 
darzustellen,  suchte  sie  in  ihm  den  kraftvollen 
Bruder  des  höchsten  Himmelsgottes  vorzuführen, 
jenem  nahezu  gleichberechtigt  und  unumschränkter 
Herrscher  in  seinem  Gebiet.  Vieles  neuerte  Phei- 
dias —  es  bedarf  ja  nur  eines  Blickes  auf  die  be- 
nachbarten Gestalten  des  Dionysos  und  der  Athena 


— ,    aber    den    Grundzug    des 


gewaltigen 


Erder- 


schütterers  derartig  zu  verändern,  dazu  fehlte  ihm 
die  Berechtigung.  Gerade  den  Poseidon  fasste  die 
spätere  Kunst  mit  nichten  weniger  machtvoll  auf, 
als  die  früiiere;  eher  lässt  sich  im  vierten  Jahr- 
hundert noch  eine  Steigerung  walirnehmen,  wofern 
eine  solche  möglich  war  gegenüber  der  gewaltigen 
Kampfgestalt,  wie  sie  im  Westgiebel  desselben 
Parthenon  Pheidias  geschaffen  hatte.  Die  meisten 
Beurtheiler  haben  diese  für  Poseidon  etwas  matte 
Ruhe  als  auffällig  empfunden  und  gesucht,  dieselbe 
sehr  verschiedenartig  —  ein  Beweis,  dass  eine 
richtige  Erklärung  keineswegs  nahe  liegt  —  zu 
deuten:  ging  man  doch  sogar  soweit,  eine  künst- 
liche, selbsterzwungene  Ruhe    erkennen  zu  wollen. 


so  Flaseh  und  Lucy  Mitchell;  der  klarste  Beweis, 
wie  sehr  man  diese  flaue  Haltung  als  für  Poseidon 
unrichtig,  ja  unwahr  empfand. 

Gehen  wir  von  dieser  allgemeinen  Betrachtung 
weiter  zum  Einzelneu,  so  möchte  zunächst  der 
schlaif  und  regungslos  herabhängende  rechte  Arm 
als  ein  gerade  für  Poseidon  besonders  wenig- 
passendes  Motiv  empfunden  werden;  zwar  hat  man 
auch  hier  „eine  gewisse  materielle  Derbheit,  z.  B. 
in  den  stark  geschwellten  Adern"  finden  wolleo, 
als  ob  solche  Schwellung  der  Adern  nicht  das  einzig 
natürliche  wäre  bei  herabhängender  Hand!  Dieser 
Arm  ist  nicht  bestimmt,  eine  wuchtige  Angriffswaffe 
zu  schwingen:  so  deutlich  als  es  ihm  möglich 
war,  hat  der  Künstler  ausgesprochen,  dass  wenn 
dieser  jetzt  regungslose  Arm  in  Action  tritt,  seine 
blosse  Erhebung,  das  Aussfrecken  der  Hand,  ge- 
nügt, um  die  Menschheit  zu  überzeugen  von  der 
Wirksamkeit  göttlicher  Kraft.  • —  Die  linke  Hand 
ist  leicht  erhoben,  ebenfalls  wenig  kraftvoll,  die 
Finger  umschlossen  einen  Schaft  —  ob  derselbe 
plastisch  ausgearbeitet  war,  ob  blos  gemalt,  ist  eine 
hier  weniger  wesentliche  Frage,  deren  sichere  Ent- 
scheidung wohl  nur  Autopsie  der  Originaljjlafte, 
und  vielleicht  auch  diese  nicht  einmal,  bringen 
kann.  Gewöhnlich  wird  das  vorauszusetzende  At- 
tribut zu  einem  Dreizack  ergänzt;  einen  bloss  ge- 
malten Dreizack  bezeichnetOverbeck(Kunstmyfhol.  II, 
2,235)  mit  Recht  als  unwahrscheinlich;  die  von  ihm 
(ebenda  327)  gegen  einen  Dreizack  von  Bronze  an- 
geführten Bedenken  scheinen  mir  noch  verstärkt 
zu  werden  durch  einen  Hinweis  auf  das  ungünstige 
Verhältniss,  in  welchem  die  obere  Ausladung  eines 
solchen  zum  Kopf  des  Dionysos  stehen  würde;  die 
Eventualität  aber  eines  schräg  gehaltenen  Dreizacks 
überhaupt  in's  Auge  zu  fassen  ist  überflüssig.  Das 
Attribut  wird  also  wohl  etwas  anderes,  kein  Drei- 
zack, gewesen  sein.  Somit  hätte  Pheidias  des  für 
Poseidon  namentlich  in  Ermangelung  von  etwas 
anderem,  z.  B.  einem  Fische,  fast  obligatorischen 
Attributes  sich  absichtlich  begeben,  hätte  verzichtet 
auf  ein  Mittel  der  Kenntlichmachung,  dem  gegen- 
über alle  anderen  Abweichungen  vom  traditionellen 
Typus  hätten  hingenommen  werden  müssen.  — 
Dass  das  Attribut  ein  stabartiges  war,  ist  das  Ein- 


101 


F.  V.  Dulni,  Die  Giitterversammliiii^'  am  Ostfries  des  Partheiiüii. 


102 


'/ige,  was  man  mit  einiger  Sicherheit  wird  be- 
haupten können;  nahe  dem  oberen  Rande  der  Platte, 
gerade  in  Verlängerung  einer  von  der  Hand  vcrtical 
nach  oben  geführton  Linie  zeigen  gute  Photogia- 
phien  wie  die  Sebali'sche  eine  viereckige  Ansatz- 
stelle, die,  wenn  sie  thatsächlieh  einen  Puntello 
trug,  nur  einen  solchen  i'iir  einen  Stab,  niclit  für 
einen  Dreizack,  kann  getragen  liaben.  —  Wir 
kommen  zum  Kopf.  Mächtig  wallendes  Haupthaar, 
ein  reicher  voller  Bart,  beides  an  Länge  und  Stärke 
demjenigen  des  Zeus  nichts  nachgebend'),  sind  die 
am  meisten  in  die  Augen  fallenden  Kennzeichen 
des  späteren  Poseidontypus  geradeso  wie  des 
früheren.  Schon  auf  den  Münzen  von  Poseidonia 
ist  das  Aufbauschen  der  Haarmassen  über  der 
Stirn,  ihr  langes  Niederwallen  au  den  Seiten  und 
im  Nacken,  der  mächtige  Sj)itzbart,  als  Grundzüge 
des  Typus  erkennbar;  ebenso  auf  den  schwarz- 
und  rothfigurigen  Vasen  vom  sechsten  Jahrhundert 
ab.  Kurzgehaltenes,  wohlgepflegtes,  nicht  in  grosse 
blassen  sondern  in  einzelne  freie  Lockchen  geord- 
netes, durch  ein  Band  zusammengehaltenes  Haar, 
ein  so  knapper  anliegender  Bart,  ein  nach  oben 
und  hinten  so  wenig  ausladender  Schädel,  ein  so 
ruhiger  Blick  aus  weitgeöffneten  Augen  sind  alles 
für  Poseidon  möglichst  wenig  charakteristische 
Dinge:  dagegen  sind  es  gerade  diejenigen  Mittel, 
durch  deren  Vereinigung  die  Plastik  des  fünften 
Jahrhunderts  dem  Wesen  des  Asklepios  nahe  zu 
kommen  glaubte.  Eine  Vergleichung  des  „Posei- 
don" kopfes  mit  den  sicheren  Poseidonköpfen  auf 
Münzen  und  Vasen  dieser  und  älterer  Zeit  einer- 
seits ,  andererseits  mit  den  Asklepiosköpfen  z.  B. 
der  Reliefs  Mitth.  des  arch.  Inst.  II  Taf  14.  15  wird, 
denke  ich,  noch  deutlicher  sprechen  als  meine 
Worte  es  vermögen.  „Friedlich  und  ruhig,  keine 
hochideale  Figur"  nennt  Overbeck  den  „Poseidon". 
„Poseidon  bietet  unter  allen  Göttern  die  wenigst 
ideale  Erscheinung  in  Körperbildung  und  Gesichts- 
ausdruck, eine  gewisse  Trockenheit  haftet  ihm  an," 
meint  Michaelis.  W^er  die  Reihen  der  im  Asklepi- 
eion  von  Athen  gefundenen  Reliefs  durchmustert, 
wird  in  ganz  ähnlicher  Weise  gerade  den  Asklepios 
zu  kennzeichnen  sich  veranlasst  fühlen.  Dass  auch 
tür  den  Asklepiostypus  die  Zeusbildung  der  Aus- 
gangspunkt war,  ist  noch  heute  meine  Ueberzeu- 
gung^);  wurde  dieselbe  um  zum  Ausdruck  des 
Poseidon  zu  dienen,  mehr  in's  Physisch -kraftvolle 

')  ihn    eher    übertreftend ,     wie     auf    der    Sclmle     mit    dfr 
Gi'itterversamnilung  Hon.  deW  Ist.  V,  49. 
2)  Mitth.  des  arch.  Inst.  II  S.  210. 


differcnzirt,  so  wurde  sie  herabgestimmt,  mehr  der 
Sphäre  des  täglichen  Lebens  genähert,  um  dem 
Wesen  des  hülfreichen  Heilgottes  nahe  zu  kommen. 
AVie  für  Zeus  das  Scepter,  so  ist  für  Asklepios  der 
attische  Bürgerstock  stehendes  Attribut,  das  erst  in 
späterer  Zeit  zum  Schlangenstab  wird  und  damit 
wieder  in's  Gebiet  des  Uebermensclilichen  eintritt. 
Diesen  Stock  kann  die  Linke  sehr  wohl  umfasst 
iiaben.  Die  Rechte  aber  ist  die  naiuiving  yeiQ, 
deren  blosse  segnende  Erhebung  dem  Kranken 
Heilung  bringt.') 

Durch  die  Deutung  auf  Asklepios  ist  noch 
mehr  gewonnen,  als  das  Verständniss  dieser  einen 
Gestalt. 

Die  Götterversammlung  über  dem  Eingang  in 
den  Parthenon  ist  seli)stverständiich  nicht  eine  zu- 
fällige Zusammenstellung  von  Gottheiten,  die  mehr 
oder  minder  passend  erschienen.  Sicherlich  haben 
feste  religiöse  Vorstellungen  bestimmt,  welche  Götter 
hier  Platz  finden,  welche  ausgeschlossen  werden 
sollten  oder  durften.  Wäre  unter  den  letzteren 
Poseidon,  so  würde  sich  dafür  ebensogut  eine  Er- 
klärung finden  lassen,  wie  sich  bis  jetzt  die  Ge- 
lehrten abmühten,  darzuthuu,  dass  derselbe  am 
wenigsten  könne  gefehlt  haben. 

Dargestellt  sein  müssen  solche  Götter,  die  man 
besondere  Veranlassung  hatte,  als  Zeugen  gegen- 
wärtig zu  denken,  wenn  der  panathenäische  Festzug 
seinem  Ziele  zustrebte.  Es  kann  kein  Kreis  von 
auf  der  Akropolis  verehrten  Göttern  sein:  Dionysos 
und  Aphrodite,  Demeter,  Ares,  Apollon  schliessen 
diese  Möglichkeit  aus;  nur  folgerecht  ist  es,  wenn 
man  sich  umgekehrt  auch  nicht  genöthigt  siebt, 
Alles  was  von  Göttern  auf  der  Akropolis  Ver- 
ehrung genoss,  an  dieser  Stelle  wiederzufinden, 
wie  z.  B.  die  brauronische  Artemis.  —  Deutlich, 
so  scheint  mir,  bat  der  erfindende  Künstler  die 
beiden  der  Mitte  zunächst  befindlichen  Gruppen 
von  den  übrigen  geschieden.  Zeus  Polieus  mit  der 
von  ihm  augenscheinlich  hier  als  untrennbar 
empfundenen  Hera  und  der  dienenden  FlUgelgestalt 
auf  der  einen  Seite,  auf  der  anderen  Atliena  und 
Hephaistos,  die  sowohl  in  der  Cultgemeinschaft  des 
Erechtheiou  wie  auf  der  platonischen  Urburg  ver- 
einigten beiden  Burggötter,  deren  gemeinsamer 
Sohn  Erichthonios  als  Stifter  der  Panathenäen  ver- 
ehrt wurde:  das  sind  diejenigen  Götter,  welche  zu- 

^)  Votivrelief  des  TlieoiJOrapos,  beschrieben  bei  Suidas  u. 
6£Ö-0|i-o;;  Mitth.  des  arch.  Inst.  II  S.  17  =  Arch.  Zeitg.  1S77 
S.  146  Nr.  14;  Lebas,  Mon.  fig.  53  =  Arch.  Zeitg.  1877  S.  174 
Nr.  115,  Girard,  l' Ascl^/iteion  p.  100. 


103 


F.  V.  Duhn,  Die  Götterversammlung  am  Ostfries  des  Parthenon. 


104 


näohst  berufen  sind  zur  Hut  der  Akropolis  und 
jener  beiden  Haupttenipel,  die  der  Verehrung  der 
Stadt-  und  StaatsgGttin  Athena  geweiht  sind.  —  In 
klar  hervorgehobenem  Gegensatz  zu  diesen  beiden 
Hauptgruppen  schliessen  sich  die  Seitengruppen 
unter  sich  enger  zusammen.  Nicht  bloss  durch 
Verschiedenheit  des  Ranges,  sondern  auch  durch 
eine  solche  des  Lokals  möchte  mau  geneigt  sein,  jene 
Trennung  der  seitlichen  von  den  beiden  mittleren 
Gruppen  sich  motivirt  zu  denken;  eine  gewisse 
örtliche.  Gemeinsamkeit  würde  alsdann  wieder  die 
Erklärung  geben  für  den  engeren  Zusammenschluss 
jener  Seitengruppen  unter  sich. 

Ein  Kranz  von  Heiligthümern  legte  sich  von 
aussen  der  Burg  vor.  Am  Südfuss,  von  wo 
steilere  Wege  dem  Burgeingang  zuführten,  eine 
Reihe  von  Culfstätten,  theilweise  wohl  erst 
fechüpfungen  des  fünften  Jahrhunderts,  unmittelbar 
überragt  vom  Parthenon  auf  leuchtender  Höhe. 
Dem  Burgeingang  gegenüber,  im  Westen  und  etwas 
weiter  entfernt  im  Nordwesten  an  der  Agora 
Götter,  an  denen  vorüberschreiten  musste,  wer 
vom  Dipylon  kommend  zur  Akropolis  emporstieg. 
W^enn  die  beiden  von  den  Mittelgruppen  so  auf- 
fällig getrennten  und  unter  sich  zusammenge- 
schlossenen Seitengruppen  keine  sicheren  Burggötter 
aufweisen  sollten,  wäre  es  da  nicht  das  einzig  nahe 
Liegende,  in  ihnen  die  hauptsächlichsten  jener 
Götter  wiederzufinden,  an  deren  heiligen  Stätten 
vorüber  musste,  wer  sei  es  vou  Süden  sei  es  von 
Norden  zur  Burg  emporstieg,  jeuer  Götter,  welche 
gewissermassen  als  die  Vorposten  derjenigen  be- 
trachtet werden  konnten,  deren  eigentlichstem 
Schutz  die  Burg  und  ihre  Tempel  anvertraut 
waren  ? 

In  der  Gruppe  zur  Rechten  erkenne  ich  nun- 
mehr ausschliesslich  Götter  des  Südfusses.  Asklepios 
und  Dionysos  sind  dort  unmittelbare  Nachbaren.  Die 
Umfassungsmauer  des  Dionysostheaters  schmiegt 
sich  an  die  spätestens  gleichzeitige,  vielleicht  ältere'') 
Gesammtterrasse  des  Asklepios;  eine  bequeme  selbst 
für  Processionen  geeignete  Verbindung  setzte 
Theater  und  beide  Dionysostempel  mit  der  As- 
klcpiosterrasse  in  engste  Beziehung^).  Mit  der  ab- 
wartenden Ruhe  des  beobachtenden  Arztes  sitzt  der 
Asklepios  des  Frieses;  in  traulichem  Wechsel- 
gespräch an  ihn  geschmiegt,  die  Füsse  übereinander 
gelegt,  behaglich  mit  beiden  Armen  aufgestützt 
Diouysos  neben  ihm;  freundnachbarlich  denkt  sich 

*)  Köhler,  Mitth.  des  arch.  Inst.  II  S.  178  2öS. 
'■')  Köhler,  a.  a.  O.  S.  180. 


natürlich  der  Grieche,  nicht  bloss  der  Künstler,  das 
Verhältniss  beider  Götter:  es  möchte  schwer  sein, 
ohne  in  barocke  Kleinmalerei  zu  verfallen,  in 
plastischer  Wiedergabe  beider  Gestalten  dies  ihr 
durcli  die  Oertliclikeit  bedingtes  Verhältniss  klarer 
und  anmuthiger  auszudrücken.  Blit  einander  be- 
schäftigt sind  diese  Beiden,  die  Hauptgötter  des 
Südfusses;  in  die  Ferne  hinaus  schaut  Aphrodite 
und  begleitet  ihren  Blick  durch  Hand-  und 
Fingerbewegung,  welcher  die  Blicke  des  Eros 
folgen:  xaTnxpini'  ytigtrJQ  TQoitrjvtag  nennt  Euripides 
Hippol.  32  den  Tempel  der  Aphrodite  EnVlnnolmo): 
ich  verweise  für  alles  übrige  auf  Köhler").  Dass 
für  mich  die  Begleiterin  der  Aphrodite  nicht  Artemis 
seiu  kann,  wie  neuerdings  wieder  vorgeschlagen 
ist'),  versteht  sich  nach  den  vorstehenden  Dar- 
legungen vou  selbst;  als  gemeinsam  verehrt  mit 
dieser  Aphrodite  nennt  Pausanias  Peitho,  in  un- 
mittelbarster Nähe  aber  des  Aphroditctempels  und 
Hippolj'tosdenkmals,  hier  wie  in  Troizen  selbst 
(Paus.  II,  27)  lag  das  Heiligthum  der  Themis 
(bezw.  rij  Qefiig),  mit  Aphrodite  und  ihrem  Cult 
eng  verbunden:  ob  hier  der  Name  Peitho  oder 
Themis  der  richtigere  sei,  ist  demnach  die  einzig 
mögliche  Alternative;  für  die  Oertlichkeit  bedeut- 
samer war  jedenfalls  Themis. 

Die  Probe  für  die  richtige  Identification  der 
rechten  Seitengruppe  mit  den  vornehmsten  Göttern 
des  Südfusses  ergiebt  sich  mir  aus  der  unge- 
zwungenen Einfachheit,  mit  der  jetzt  die  vier 
Götter  der  entgegengesetzen  Gruppe  sich  benennen 
und  lokal  vertheilen. 

Den  Akropolisgöttcrn  zunächst  sehen  wir  Ares 
und  Demeter.  Für  die  Ansetzung  des  Eleusinion 
in  unmittelbarer  Nähe  des  Areopag  sind  neuer- 
dings so  gewichtige  Gründe  zu  Tage  getreten, 
dass  wir  in  der  Vereinigung  der  beiden  Götter  an 
dieser  Stelle  wohl  nur  die  weitere  Bestätigung  einer 
an  und  für  sich  schon  höchst  wahrscheinlichen  topo- 
graphischen Thatsache  sehen  dürfen").    Bis  an  den 

'•)  a.  a.  O.  S.  17Ö.  246.  253  Da  die  Entfestigung  bereits  mit 
der  ersten  Kimonischen  Zeit  beginnt  (s.  Löschcke,  Dorp.  Progr. 
1  ^83  S.  13),  braucht  nicht  mit  v.  Wilamowitz  (ausKydathen  S  170) 
die  Terrassenanlage  des  Südfusses  erst  in  die  zweite  Hälfte  der 
rcntekoutaetie  hinabzurücken,  wer  es  glaubt  beweisen  zu  kiinneu, 
dass  diese  Anlagen  erst  im  Gefolge  der  Entfestigung  entbtan- 
ilen  sind, 

')  Robert,  Ann.  dcW  Ist.  1882  p.  2S5;  A.  Herzog,  olymp. 
Göttervereine  S.  32.  Hätte  Pheidias  Artemis  gemeint,  so  würde  er 
schwerlich  durch  das  herabgleitende  Untergewand  ein  gerade 
für  Artemis  besonders  wenig  passendes  Motiv  angebracht 
haben. 

«)  Löschcke,  Dorp.  l'rogr.  1883  S.13.  1884  S.22.  Milchhöfer, 


105 


M.  Lehnerdt,   Herakles  uufl  Aclieloos. 


106 


Fuss  des  Aveopag  erstreckt  sich  der  Markt.  Seine 
beiden  alteinlieimischen  Hauptg-öttcr  sind  Hermes 
Agoraios  und  Apollon  l'atroos,  jener  auf  der  nörd- 
lichen dem  Dipylon  zugewendeten,  dieser')  auf 
der  südlichen  an  den  Areopag  stossenden  Hälfte, 
beide  an  der  panathenäischeu  Feststrasse,  die  ersten 
göttlichen  Augenzeugen  der  auf  den  Markt  ein- 
tretenden Procession,    welche    schwerlich   an  ihnen 


Bauiiieiüter's  Denkra.  I  S.  19S.  Mit  der  Bezeichnung  üttö  tiq 
itoXei  (einzig  richtig  bereits  von  Wachsmuth  gefasst)  und  der  engen 
Nachbarschaft  des  Pelasgikon,  wie  sie  aus  der  eleusinischen  In- 
schrift hervorgeht,  einerseits,  andererseits  des  Areopag  (Loschcke) 
scheint  mir  die  Ansetzung  K.  Lange's  (Haus  und  Halle  S.  62, 
Tf.  7)  östlich  vom  Markte  unvereinbar.  Die  weitere  Frage, 
ob  das  Hauiuheiligthuni  auf  der  Südseite  oder  an  der  Nordost- 
seite des  Areopag  gelegen  habe,  kommt  fiir  unsern  Zweck  hier 
weniger  in  Betracht.  Dass  beide  Götter  den  gleich  zu  be- 
sprechenden Marktgöttern  gleichmässig  zugewendet  sind,  möchte 
eher  für  die  zweite  Alternative  sprechen. 

'■')  Der  neuerdings  wieder  von  Löschcke  vertretene  Versuch, 
den  Apollon  in's  „Theseion"  zu  bringen,  steht  mit  Pausanias  in 
Widerspruch:  wir  verlieren  aber  in  athenischer  Topographie  den 
letzten  Boden  unter  den  Füssen,  wenn  wir  uns  so  leicht  über 
ihn  hinwegsetzen.  Mit  Pausanias  einzig  vereinbar  und  daher 
meines  Erachtens  einzig  discutirbar  sind  Hephaisteion  und  Aphro- 
<litetempel  (Lange).     Nissen's  lakcheion    lag  am  Dipylon. 


vorüberzog,  ohne  —  moderne  Analogieen  fehlen  ja 
nicht  —  Station  zu  machen. 

Die  Umnennung  des  „Poseidon"  zu  Asklepios 
hat  sich  mir  als  nothwendig  ergeben  aus  der  künst- 
lerischen Charakterisirung  der  Gestalt;  sie  ergab 
sich  mir,  wie  icii  versichern  kann,  ohne  dass  ich 
voraussah,  wie  sehr  diese  Erkeiintniss  das  Ver- 
ständniss  der  ganzen  Götterversammlung  zu  fördern 
geeignet  sei.  Die  Erklärung  der  Giebelcompositio- 
nen hat  man  sich  lange  bemüht  und  bemüht  sich 
noch  immer,  auf  äiinlichem  Wege  zu  finden,  ohne 
bis  jetzt,  so  scheint  es,  zu  einem  allgemeinen  Ein- 
verständniss  gelangen  zu  können.  Auch  mein  Er- 
klärungsversuch des  Ostfrieses  wird  von  mir  selbst- 
verständlich nur  angesehen  als  hiermit  zur  Dis- 
cussion  gestellt.  Seine  Annahme  würde  auf  dem 
Gebiet  attischer  Religionsgeschichte  zu  mancherlei 
Consequenzen  von  erheblicher  Wichtigkeit  führen. 
Die  Anerkennung  ehrlichen  Bestrebens,  für  das 
Verständniss  einer  der  eigenartigsten  Schöpfungen 
des  Pheidias  an  Stelle  subjectiven  Ermessens  und 
Eathens  methodisches  Erkennen  zu  setzen  wird 
man  wenigstens  den  vorstehenden  Ausführungen 
nicht  versagen  wollen. 


Heidelberg. 


F.    VON    DUHS. 


HERAKLES  UND  ACHELOOS. 


(Tafel  6. 

Das  auf  unserer  Tafel  6  in  "^  der  Original- 
grösse  abgebildete  Vasengemälde  befindet  sich  auf 
einer  schwarzfigurigen  Amphora  aus  Vulci.  Höhe 
1  Fuss  47,„  Zoll  engl.     Brit.  Mus.  Nr.  536. 

Von  reichen  Blattornamenten  umgeben  sehen 
wir  den  Kampf  des  Herakles  mit  Acheloos.  Der  Held, 
das  Schwert  an  der  Seite,  Bogen,  Köcher  und 
Keule  auf  dem  Rücken'),  stürmt  von  1.  mit  erho- 
benem 1.  Bein  gegen  den  Flussgott  an,  er  hat  den 
Fliehenden  erreicht  und  packt  mit  der  I!.  sein  Hörn, 
mit  der   L.  seinen  spitzen   Bart.     Acheloos    ist   in 

')  Sie  hüngen  wohl  nicht  an  dem  Baumzwcigc,  wie  der 
Vasenkatalog  besagt 


7,1.) 

das  r.  Vorderknie  gesunken,  auch  die  Hinterbeine 
sind  von  der  Kraft  des  andringenden  Helden  ge- 
lähmt, sein  Mund  ist  zum  Schreien  geöffnet  und 
vergebens  sucht  er  mit  der  r.  Hand  den  Arm  sei- 
nes Gegners  von  seinem  Hörne  zurückzudrängen. 
Hinter  Herakles  sehen  wir  Hermes,  bärtig,  mit 
Chlamys,  Stiefeln,  Petasos  und  Kerykeion,  sich 
nach  den  Kämpfern  umblickend;  er  ist  im  Weg- 
gehen begrifl'en,  da  er  den  Kampf  entschieden 
sieht.  Vor  Acheloos  ein  Baum,  dessen  Zweige 
sich  weit   üi)er  das  Bild  erstrecken. 

Die  andere  Seite   der  Vase  zeigt  Herakles  auf 
einer  siebensaitigen  Lyra  spielend,    vor    ihm    Po- 


107 


M.  Lehnerdt,  Herakles  und  Acbeloos. 


108 


seidon  auf  einem  Klappstuhl,  hinter  diesem  ein 
Krieger  im  Helm  mit  zwei  Speeren  (Ares),  hinter 
Herakles  Pallas  Athene. 

Im  folKeuden  stelle  ich    die  auf  den  Acheloos- 


zusammen,  indem  ich  mit  der  am  wenigsten  figuren- 
reichen Darstellung  beginne.  Zu  den  fünf  bereits 
0.  Jahu  (Arch.  Ztg.  1862,  S.  314  Anm.  3)  bekannten 
Gefässen  sind   durch  Stcphani   Compie   rendu    1867 


kämpf    bezüglichen    schwarzfigurigen    Vasenbilder  zwei  weitere  hinzugekommen: 


A.  Sammlung  der  Akad.  d.  Wisseusch.  zu  Petersburg, 
gekauft  in  Neapel.     Stephaui  S.  5. 

B.  Brit.  JIus.  536.  Unsere  Taf.  6. 

C.  Berlin  661.  Gerhard,  etr.  u.  camp.  Vasenb.  15,  1.2. 

D.  Paris.    Catal.   del  Museo  Campana  IV.  28.     Arch. 
Zeitg.  1862  Taf.  CLXVII. 

E.  Berlin  669.     Gerhard  a.a.O.  15,3.4. 

F.  Aufbewahrungsort    und    Herkunft    wie   A.      Be- 
schrieben von  Stephan!  S.  19. 

G.  Brit.  Mus.  452.     Gazette  archcot.   1.   1875  pl.  20-'). 

Das  zuletzt  genannte  Gefäss  verdient  als  die 
figurenreichste  Darstellung  dieses  Kampfes  eine 
kurze  Beschreibung.  Es  ist  eine  schwarzfigurige 
Hydria  aus  der  Sammlung  Canino.  Höhe  1  Fuss 
67,0  Zoll  engl. 

Herakles,  in  gleicher  Ausrüstung  wie  auf 
der  Vase  B  gegen  den  Flussgott  anstürmend,  hat 
ihn  mit  der  L.  um  den  Hals  gepackt  und  mit  der 
R.  sein  Hörn  ergriffen;  Acheloos  fasst  mit  dem  r. 
Arm  nach  dem  Beine  des  Helden  und  schwingt  in 
der  L.  einen  Felsblock  gegen  den  Feind.  Sein  1. 
Vorderbein  ist  vom  Maler  fortgelassen.  Hinter  dem 
Flussgott  Hermes,  wie  auf  B  abgehend,  aber  noch 
gespannt  t^ich  nach  dem  Kampfe  umsehend.  Rechts 
davon  steht  den  Kämpfern  zugewandt  eine  Frau, 
bekränzt,  in  langem  Chiton  und  Peplos;  der  1. 
Unterarm,  in  das  Gewand  gehüllt,  ist  wagereciit 
gekrümmt,  der  r.  mit  nach  innen  gebogener  Hand 
emporgehoben.  Hinter  ihr  sitzt  auf  einem  Klapj)- 
stuhl  ein  weisshaariger  Mann,  gleichfalls  bekränzt, 
in  einen  weiten  Mantel  gehüllt.     Sein  r.  Unterarm 

-)  In  der  Publication  ist  der  Liinzenscliuft  der  Athena 
vor  dem  Beine  des  lolaos  sichtbar,  wührcnd  er  auf  der  mir 
vorliegenden  Ourchzeiclinung  hinter  demselben  versehwindet. 
Ferner  ist  daselbst  der  lielmbusch  der  Göttin  fälschlich  mit  dem 
Stirntheil  des  Helms  verbunden.  Bei  der  üebertragung  des  run- 
den Vasenbildes  auf  die  ebene  Flüche  der  Zciclniung  nuissten 
einige  Zwischenräume  verändert  werden. 


Herakles.     Acheloos. 
Hermes.     Herakles.     Acheloos. 
Herakles.     Acheloos.     Hermes  sitzend. 

Hermes.  Athena.  Herakles.  Acheloos. 
Athena.     Oineus.     Herakles.     Acheloos. 

Hermes.  Athena.  Herakles.  Acheloos.  Oineus. 
lolaos.     Athena.     Herakles.     Acheloos.    Hermes. 
Deianeira.     Oineus. 

ist,  wie  das  herabhängende  Gewandstück  beweist, 
vorgestreckt  und  hält  ein  unterhalb  des  Knies  der 
Frau  zum  Vorschein  kommendes  Scejjter.  Es  ist 
Oineus,  und  die  Frau  Deianeira,  der  Preis  des 
Kampfes. 

Hinter  Herakles  steht  seine  Beschützerin  Pallas 
Athene  in  langem  Gewände,  mit  Helm  und  Aegis, 
den  Speer  in  der  R.;  der  Schild  lelint  vor  ihr  an 
ihrem  Beine.  Die  L.  ist  aufmunternd  erhoben. 
Hinter  ihr,  nicht  mehr  völlig  sichtbar,  steht  ein 
Mann  in  der  Chlamys,  einen  Speer  in  der  R.  und 
den  Helm  auf  dem  Haupte,  dessen  Visir  sein  Ge- 
sicht verdeckt.  Es  ist  lolaos,  den  der  Künstler 
ohne  das  Vorbild  der  Sage  dem  Helden  auch  hier 
zum  Gefährten  gegeben  hat. 

Oberhalb  dieses  Bildes  läuft  eine  streng  sym- 
metrisch componirte  Darstellung  von  Thcseus  Kampf 
mit  dem  Minotauros  (Gaz.  arch.  I.  1875,  pl.  21), 
der  schon  am  amykläischen  Thron  mit  dem  Acheloos- 
kampfe  verbunden  war.  — 

In  der  Darstellung  des  Acheloos  stimmen  sämmt- 
liche  schwarzfigurige  Vasen  darin  überein,  dass  der 
vollständige  Oberkörper  eines  Mannes  mit  mensch- 
licheu  Armen,  die  er  zur  Gegenwehr  gebraucht, 
mit  dem  vierfüssigen  Stierleib  vereinigt  ist,  ganz 
nach  Analogie  der  späteren  Kenfaurenbildung.  Der 
bärtige  Kopf,  von  dem  lange  Haarflechten  auf  den 


109 


M.  Lehnerdt,  Herakles  und  Aclicloos. 


110 


Nacken  berabfalleu,  hat  vom  Stier  die  Oliien  und 
Hünier  auf  B  auch  eine  thiei  iscli  aufgestülpte  Nase. 

Herakles  eilt  stets  von  links')  gegen  Aeheloos 
heran  (auf  BCG  liat  er  iliu  von  hinten  eingeholt), 
von  seinen  Waifen  macht  er  keinen  Gebrauch,  son- 
dern liat  Keule,  Köcher  und  Bogen  entweder  über 
dem  Rücken  hängen  und  ist  nur  mit  der  Löwen- 
haut bekleidet,  oder  er  hat  sein  Gewand  und  die 
Keule  ganz  abgelegt  (A).  Immer  sucht  er  den 
Gegner  allein  durch  die  Kraft  seiner  Hände  im 
Ringkampf  zu  überwinden  und  das  Hörn,  den  Preis 
des  Sieges,  ihm  abzubrechen.  Des  gewöhnlichen 
Ringergrift's^),  den  Gegner  am  Bein  zu  packen  und 
ihn  so  zum  Falle  zu  bringen  (i't^siv),  bedient  sich 
Aeheloos  auf  D  und  E,  auf  B  hat  er  den  Arm 
desselben  gepackt.  Auf  G  schwingt  er,  ganz  wie 
die  kämpfenden  Kentauren,  einen  gewaltigen  Stein 
gegen  Herakles.  Auf  allen  Darstellungen  sieht 
man,  Aeheloos  werde  unterliegen,  auf  C  streckt 
er  bereits  flehend  die  Hände  aus,  wälirend  der  ver- 
folgende Herakles  von  hinten  das  Hörn  packt. 

Ungefähr  gleichzeitig  mit  den  schwarzfigurigen 
Vasen  dürfen  wir  eine  von  P.  Gardner,  ttjpes  of 
ancienl  cohis  PI.  IV,  1  veröffentlielite  Münze  von 
Phaseiis  in  Lykien  (Mionnet  Suppl.  VII.  S.  18  n.  74) 
ansetzen.  Aeheloos,  als  Stier  mit  bärtigem  Mannes- 
antlitz dargestellt,  ist  mit  den  Vorderbeinen  in  die 
Kniee  gesunken;  Herakles,  dessen  Kopf  über  den 
Rücken  des  Stiers  hervorragt,  hat  ihn  mit  dem 
rechten  Arme  nni  den  Leib  gepackt.  Auch  hier 
also  sucht  er  den  Gegner  im  Ringkampf  zu  be- 
zwingen. 

In  der  Bildung  des  Aeheloos  sehen  wir  auf  dieser 
Münze  bereits  die  Gestalt,  welche  seit  den  rotlifigu- 
rigen   Vasen ')    für    denselben    auf   den  erhaltenen 

■")  Die  Bewegung  von  links  nach  rechts  von  dem  Beschauer 
lierrscht  in  den  ältesten  griechischen  Werken  vor.  Vgl.  Conze, 
Theseus  und  Minotauros    (Berl.  Winckelmannsprogr.   1878)   S.  7. 

■*)  So  Herakles  im  Ringkampf  mit  Nereus:  Gerhard  Auserl. 
Vasenb.  II,  113,  mit  Antaios;  Archäol.  Ztg.  1878.  Taf.  10.  Vgl. 
Stephan!   Compte  rtndu   1867  S.  17ft'. 

■')  A.  Miinchener  Vase  251.  Urlichs  Ann.  d.  Inst.  XI  S.  2C5. 
Tau.  d'ayg.   Q. 

B.  Vase  aus  Girgenti ,  jetzt  im  Besitz  von  de  Witte  (Goj. 
anh.  1875,  S.  84),  Arch.  Ztg.  1862,  Taf.  CLXVIII,  1.  Bau- 
luei.-ter,   Denkm.  d.  class.  Alterth.   , Aeheloos". 

Der  Kampf   ist   auf  diesen    Gelassen    nicht    ein  Ringkampf, 


Monumenten  typisch  geworden  ist,  nämlicli  die 
eines  Stiers  mit  menschlichem,  meist  bärtigem  An- 
gesicht. 

Haben  wir  sonach  auf  den  Vasen  schwarzfigu- 
liger  Technik  die  Bildung  des  Aeheloos  als  Stier 
mit  mensclilichem  Oberleibe  gefunden,  so  liegt  es 
nahe,  dieselbe  auch  für  die  uns  nur  durch  schrift- 
liche Ueberliefcrung  bekannten  archaischen  Monu- 
mente in  Anspruch  zu  nehmen.  Es  sind  dies  die 
Gruppe  des  Dontas  aus  vergoldetem  Cedernholz, 
cinWeihgeschenk  der  Megarenser  in  ihremThesaurus 
zu  Olympia  (Paus.  VI  19,  12)  und  ein  Relief  au 
der  Innenseite  des  amykläischen  Throns  (ji  nqng 
ylxehijov  'HQaxXeovg  nälrj  Paus.  III  8,  16).  0.  Jahn 
a.  a.  0.  S.  317  meint,  der  Ausdruck  nälrj  sei  für  die 
Kentaurengestalt  nicht  passend  und  weise  auf  ein 
eigentliches  Ringen  hin,  ferner  sei  es  wahrschein- 
lich, dass  Aeheloos  wegen  des  unmittelbar  daneben 
dargestellten  Kampfes  des  Herakles  mit  dem  Ken- 
tauren Oreios  in  anderer  Weise  kenntlich  gemacht 
war.  Er  sei  daher  wohl  als  bärtiger  Mann  mit 
Stierhörnern  vorgestellt  gewesen. 

Warum  der  Ringkampf  eines  Helden  mit  einem 
Stier  mit  mensclilichem  Oberleibe,  wie  er  z.  B.  auf 
A  dargestellt  ist,  nicht  die  Bezeichnung  nuXrj  recht- 
fertigen solle,  dafür  ist  ein  Grund  nicht  ersichtlich. 
Was  ferner  die  Unterscheidung  des  Aeheloos  von 
dem  Kentauren  Oreios  betrifft,  so  wäre  bei  Jahns 
.Vnnahme  ebenso  leicht  eine  Verwechselung  mit 
dem  daneben  dargestellten  Minotauros  möglich. 
lOrittens  spricht  gegen  die  Annahme  Jahns  der 
Umstand,   dass   die  Gestalt   des  gehörnten  Mannes 

sondern  auf  beiden  bedient  sich  Herakles  der  Keule  zum  An- 
grirt',  auf  A  streckt  er  noch  mit  der  1.  Hand  den  Bogen  dem 
Feinde  entgegen.  Auf  ß  als  Zuscliauer  eine  lang  bekleidete 
Frau,  einen  Schleier  über  den  Kopf  und  ein  Scepter  in  der 
1.  Hand  (Deianeira).  —  Alleinstehend  ist  die  Bildung  des  Aehe- 
loos als  Sehlange  mit  gehörntem  Menschenkopf  und  mensch- 
lichen Armen  auf  einer  Vase  des  Pamjihaios  (Gerhard,  Auserl. 
Vasenb.  II,  115;  vgl.  Klein,  d.  griech.  Vasen  mit  Meistersigna- 
turen S.  158  n.  27).  Der  Künstler  bediente  sich  des  bereits  vor- 
handenen Typus  des  Triton  nicht,  wie  Gerhard  meint,  um  den 
Aeheloos  als  Meergott  zu  kennzeichnen,  sondern  indem  er  dem 
Theil  der  Sage  folgte,  wonach  Aeheloos  in  Schlangengestalt  mit 
Herakles  kämpfte.  Kr  wählte  dazu  jenen  Typus,  weil  eine  blosse 
Schlangengestillt  in  der  bildenden  Kunst  unverständlich  gewesen 
w  äre. 


111 


M.  Lehnerdt,  Herakles  und  Aclieloos. 


112 


bei  den  Flussgöttern  stets  später  ist  als  die  Stier- 
gestalt. Dies  lässt  sich  besonders  deutlich  auf 
Münzen  von  Gela,  Catana  und  Neapolis  erkennen. 
In  Gela  ist  in  älterer  Zeit  das  Vordertheil  des  Stieres 
der  gewöhnliche  Typus  der  Silbermiiuzen  (auf  sel- 
tenen Tetradraclinien  auch  die  ganze  Figur);  die 
Silberiniiiizen  mit  dem  unbärtigen  Flussgottkopf  sind 
um  400  geprägt,  ebenso  die  Goldmünzen'^). 

In  gleicher  Weise  gehört  auf  Münzen  von  Ca- 
tana') der  Mannstier  (in  ganzer  Gestalt,  stehend 
oder  schwimmend)  der  älteren  Zeit  an,  der  mensch- 
liche Kopf  des  Flussgottes  Amenanos  (manchmal 
ohne  sichtbare  Hörner,  oft  durch  die  Inschrift  be- 
zeichnet) ist  später. 

In  Neapolis  *)  endlich  erscheint  der  Mannstier 
schon  auf  Münzen  von  durchaus  archaischem  Stil 
und  war  auch  weiterhin  der  bedeutend  häufigere 
Typus,  in  mannigfacher  Form,  stehend  und  von 
Nike  gekränzt,  stossend,  schwimmend,  mehrfach 
mit  angegebenen  Wellen,  einmal  auch  wasser- 
speiend"), oft  die  Protome  und  sogar  der  blosse 
bärtige  Kopf  en  face  mit  Stieihörnern  und  -Ohren. 
Aber  schon  frühe,  bereits  in  der  Periode  des  Ueber- 
gangsstils,  findet  sich  der  gehörnte  jugendliche 
Kopf  des  Flussgotts  Sebethos  (^EPEIOO^  '")• 

^)  Nach  gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Director  von  Sallet. 
Vgl.  Catal.  of  the  greek  coins  in  the  Brit.  Mus.,  Sieily  S.  65 — 75. 
Berliner  Blätter  f.  Münz-Siege!-  und  Wappenk.  VI  S.  135  flf. 

')  Bril.   Mus.,  Sieily  S,  41  ff. 

")  Brit.  Mus.,  llahj  S.  92  ff. 

3)  Archäol.  Ztg.   1862    Taf.  CLXVIII,  7. 

"))  Der  Mannstier  und  der  gehörnte  Jünglingskoiif 
findet  sich  ferner  auf  M.  von  Laus  in  Lucanien  Bril.  Mus.,  Italy 
S.  2.36,  Bull.  Nap  I  (1843)  Taf.  I,  15)  und  Selinus  in  Sicilien 
(Müller,  D.  a.  K.  11,  97,  Brit.  Mus.,  Sieily  S.  141.  142)  Kupfer- 
münzen von  Agyrium  (.Salinas,  le  mottete  delle  antiche  cittä  di 
Sic.  XV,  9 — 11)  zeigen  auf  dem  Avers  den  gehürnten  Jüng- 
lingskopf,  auf  dem  Revers  den  Mannstier. 

Der  Mannstier  findet  sich  in  Sicilien  auf  Münzen  von 
Abacaenum  (Salinas  II,  1.  2),  Entella  (Mionn.  I,  234  n.  214, 
Suppl.  I,  385  n.  189),  Erbessos  (Berl.  Blätter  V,  1870,  S.  41), 
l^anorrnus  (Brit.  Mus.  S.  249),  Stiela  (S.  144),  Solus  (S.  242), 
Tauromenium  (S.  231),  Silerae  (S.  239).  In  Italien:  Aesernia, 
Larinum  {Brit.  Mus.  Italy  S.  67.  70.  Carelli,  num.  vet.  Ital. 
T.  LXI),  Allifae  {Bull.  Nap.  N.  S.  IV,  1856,  T.  IX,  1),  Cam- 
pani,  Cales,  Cubultcria,  Ilyria  {Brit.  Mus.  S.  72.  78.  84.  91, 
Carelli  LXVIII,  Fiiedlaender,  oskische  Münzen  Taf.  I.  V), 
Cuniae  {Bull.  Na/i.  N.  S.  III  T.  8),  Nola,  Nuceria  Alfalerna, 
Suessa  Aurunca,  Teanum  Sidicinuni,  Malies  {Brit.  .Mus.  S.  120 ft'.) 
Phistelia  (Friedlaender,    osk.  M.  T.  V,  7).     In  Spanien:    Km- 


Die  von  Jahn  angeführten  Darstellungen  des 
Acheloos  selbst  in  dieser  Gestalt,  die  bekannte 
Preismünze  von  Metapont  und  eineGemme  ")i  können 
ihrer  relativ  späten  Zeit  wegen  bei  der  Frage  nach 
der  Beschaffenheit  jener  archaischen  Werke  nicht 
in  Betracht  kommen. 

Sonach  dürfte  bei  denselben  die  Bildung  des 
Acheloos  wohl  sicher  sein.  Weitere  Vermuthungen 
über  die  Composition  der  Gruppe  des  Dontas  auf- 
zustellen erscheint  misslich. 

Zu  der  von  Jahn  und  Stephan!  gegebenen  Zu- 
sammenstellung späterer  Darstellungen  des  Acheloos 
werden  einige  Ergänzungen  nicht  unwillkommen 
sein.  Nach  dem  Cataloge  des  britischen  Museums"') 
findet  sich  der  Acheloosko])f  auf  Münzen  von  Akar- 
nanien,  Ambrakia,  Leukas,  Stratos  und  Thyrreium. 
Ausser  in  Metapont  wird  auch  in  Alontion  der 
Maunstier  auf  Münzen  nicht  den  localen  Flussgott, 
sondern  den  Acheloos  darstellen,  da  diese  Stadt 
eine  Gründung  der  Akarnanen  unter  Patron  aus 
Tliurion  ist'^).  Herakles  und  Acheloos,  Bronze  des 
britischen  Museums  P.  Gardner,  transact.  of  roijal 
SOG.  II.  Ser.  XI  (1878)  PI.  3.  -  Derselbe  Kampf 
auf  einer  Dreifussbasis  von  Nabulus,  deren  Publi- 
cation  (Schreiber,  Zeitschrift  d.  deutschen  Palästina- 
vereins, Bd.  VIII  Heft  2)  mir  leider  nicht  zugäng- 
lich ist'O- 

Archäol.  Ztg.  1883  Taf.  XI  S.  163  veröffentlicht 
Purgold    das   Bild    einer    Amphora    aus    Kuvo    im 

poriae,  von  Massilia  aus  gegründet  (Ileiss,  description  g^n&. 
des  me'd.  ant.  de  l' Espagne  T.  I.  12.  13).  Unbekannte  Stadt 
Arse    im    nordwestlichen  Spanien  (T.  XL). 

Der  gehörnte  Jünglingskopf  in  Sicilien  auf  Münzen 
von  Adranum,  Agrigentuni  (Salinas  II,  11.  VIII,  14.  XI,  6),  Ca- 
marina,  Longon  {Brit.  Mus.  S.  96),  Naxos  (AilSINOS  Brit. 
Mus.  S.  120),  Piacus  (S.  130),  Segesta  (S.  135,  Berl.  Blätter  I, 
Taf.  VIII,  2),  Selinus  {Brit.  Mus.  S.  141  flF).  Unsicher  Thermae 
Ilimereae  S.  240.  —  In  Italien  ausser  in  Neapolis  und  Laus 
auf  M.  der  Bruttier  (Berl.  Blätter  V,  1879,  S.  37),  von  Cau- 
lonia  {Bull.  Nap.  VI,  1848,  T.  IV.  20),  Consentia  {Brit.  Mus. 
S.  341),  Croton  (S.  355,  35G),  Bandosia  (KPAOSM  Brit.  Mus. 
S.  370). 

")  Archäol.  Ztg.   1862  T.  CLXVIII,  3.  4. 

i-O  Thessaly  to  Aetolia  S.  168.  95.  175.  lS9ß'.  Vgl.  Ini- 
hoof-Blumer  Wiener  numism.  Zeitschr.  X  (1878)  S.  26  und 
161. 

'')  Dion.  llal.   Antic.|.   Koni.  I,  51. 

n)  Berl.  l'hilol.  Wochenschr.  1885  S.  411. 


113 


M.  Lehnei-dt,  Herakles  und  Acheloo.s. 


114 


Neapeler  Museum.  Das  Gefäss  stammt  aus  der 
Verfallzeit  und  zeigt  die  bekannten  Eigeuscliafteu 
der  spätereu  unteritalischen  Vasenmalerei.  Ein 
Stier  sprengt  von  rechts  gegen  einen  nackten  Jüng- 
ling heran,  der  sich  ihm  entgegen  ins  Knie  ge- 
worfen hat,  ihn  mit  der  L.  packt  und  in  der  R. 
eine  Keule  schwingt.  Rechts  von  den  Kämpfern 
steht  ein  Baum,  um  den  sich  eine  grosse  Schlange 
windet,  die  züngelnd  ihnen  den  Kopf  entgegen- 
streckt. Ueber  dem  Rücken  des  Stiers  erscheint 
auf  einer  Ait  Balustrade  der  Oberkörper  einer  reich 
geschmückten  Frau;  sie  blickt  auf  den  Kampf 
herab  und  streckt  die  R.  nach  dorthin  aus,  zu  ihrer 
1.  Seite  ein  Eros.  Purgold  erkennt  dann  eine  Dar- 
stellung Jasons  im  Stierkampf  unter  dem  Beistaude 
Aphrodites. 

Gegen  diese  Deutung  hat  sich  Robert  ausge- 
sprochen (ebenda  S.  262).  Er  erklärt  das  Bild  für 
eine  Daistellung  des  Kampfes  des  Herakles  mit 
Acheloos,  die  Frau  für  Deianeira.  Der  Drache 
deute  eine  zweite  Verwandlung  des  Flussgottes  au, 
das  ganze  Bild  stehe  unter  dem  Einflüsse  sophokle- 
ischer  Dichtung. 

Nun  ist  aber  unter  allen  erhalteneu  Kunstwerken 
keines  bekannt,  wo  Acheloos  als  reiner  Stier  dar- 
gestellt wäre.  Die  Sage  und  Poesie  (Piudar,  So- 
phokles, Ai)o!lodor)  konnte  ihn  sich  in  dieser  Ge- 
stalt wohl  denken,  in  der  bildenden  Kunst  aber 
würde  ein  als  reines  Thier,  als  Stier  oder  Schlange, 
(s.  Anm.5)  dargestellter  Flussgott  nicht  von  einem  ge- 
wöhnlichen Thier  zu  unterscheiden  sein.  Dass  ein 
Flussgott  als  reiner  Stier  dargestellt  gewesen,  da- 
rüber haben  wir  nur  eine  Nachricht:  Timaios  bei 
Schol.  Pind.  Pyth.  I  185  x  hv  yaq  iv  xff  nölsi  (Gela) 
dEf)cvvi.iEVOv  Tuvqnv  (.n]  sivat  tov  (Dalägidog,  — 
all'  elxöva  Fika  tov  nmafiov,  eine  Nachricht,  die 
schon  durch  ihre  Fassung  das  Ungewohnte  und 
Ausserordentliche  dieser  Bildung  zeigt'*).  Auf 
Münzen  von  Gela,  Adranum  und  anderen  Städten 
Siciliens '")  findet  sich  der  ganze  Stier  häufig  auf 

'^)  Die  Worte  Aelians  v.  h.  II,  33  oi  ät  /iodr  fiJof  uvioTi 
7if(ii4!>tjxtiii  mit  den  angeführten  Beispielen  passen  auch  auf  den 
Stier  mit  Menschengesieht. 

"')   Brit.  Mus.,  Si'c%  S.  Uöft'.    Salinas  T.  II,  11. 
Archäolog.  Ztg.  Jahrgang  XLIII. 


dem  Revers,  während  auf  dem  Avers  der  gehörnte 
jugendliche  Kopf  des  Flussgottes  dargestellt  ist; 
der  Stier  kann  also  in  diesem  Falle  nicht  den 
Flussgott  bedeuten,  sondern  wird  auf  die  au 
seinen  Ufern  betriebene  Viehzucht  hinweisen  sollen. 
Auch  für  einige  alleinstehende  Bronzemünzen  von 
Gela"),  deren  Avers  den  Stier,  deren  Revers  ein 
Rad  mit  vier  Gerstenkörnern  zeigt,  hat  man  nicht 
nöthig  an  den  Flussgott  zu  denken,  sondern  es  ist 
einfach  eine  Bezeichnung  der  Fruchtbarkeit  und 
der  Viehzucht  in  dem  von  ihm  bewässerten 
Lande '0. 

Demnach  ist  die  völlige  Stierbildung  des  Ache- 
loos und  überhaupt  eines  Flussgottes  in  der  bil- 
denden Kunst  nicht  nachweisbar").  Wie  ist  dann 
ferner  eine  solche  Symbolisirung  möglich,  dass  die 
um  den  Baum  gewundene  Schlange  eine  zweite 
Verwandlung  des  Acheloos  andeutet?  Der  Künstler 
konnte  wohl  beim  Ringkampfe  des  Peleus  mit  Thetis 
glauben  seine  Absicht  dadurch  kenntlich  zu  macheu, 
dass  er  die  Schlange  sich  um  Thetis  winden  lässt, 
oder  allenfalls  dass  er  sie  neben  dieselbe  setzt;  er 
konnte  aber  nicht  verstanden  zu  werden  hoffen, 
wenn  er  sie  wie  hier  um  einen  anderen  Gegen- 
stand schlingt. 

Man  wird  aus  diesen  Gründen  von  Robert's 
Deutung  füglich  Abstand  nehmen  müssen.  Da  es 
al)er  aus  der  Anwesenheit  des  Eros  klar  ist,  dass 
in  dem  Bilde  ein  erotisches  Motiv  herrscht,  so 
passt  keine  andere  Deutung  als  jenes  Abenteuer 
aus  der  Argonautensage.  Die  Keule,  die  lasou 
in  der  Hand  hält,  kann  ihm,  wie  auch  Purgold 
bemerkt,  mit  demselben  Rechte  gegeben  werden, 
wie  sie  in  der  bildenden  Kunst  aus  der  Herakles- 
iu   die  The.seu8-Sage  übertragen  ist. 


")  Mionnet  Suppl.  I  S.  391. 

'*)  In  andern  Fällen  ist  der  Stier  bekanntlich  Symbol  Posei- 
dons (Preller,  Gr.  Myth.  I  S.  468),  so  auf  Münzen  von  Poseidonia, 
Sybaris,  Thurioi,  Syrakus.  In  Tauromenium  kann  der  Name 
der  Stadt  selbst  Veranlassung  gewesen  sein.  In  anderer  Bedeu- 
tung (als  Sieusstier)  auf  kretischen  Münzen  (\wu.  brit.  T.  VIII, 
13    15). 

•'■')  Ausgesprochen  bereits  von  Urlichs  Ann.  d.  Inst.  1839 
S.  270:  in  niun  luogo  un  ßume  e  rappreseutato  come  un  animale 
Miro.     Vgl.  O.  Müller,  Handbuch  der  Archäologie  §  33-1,  3. 

8 


115 


M.  Lehiierdt,  Herakles  und  Acheloos. 


116 


Fassen  wir  die  bei  dieser  Gelegenheit  für  die 
Bildung-  der  Flussgötter  überliaupt  gewonnenen  Re- 
sultate zusammen,  so  ergiebt  sicli  Folgendes.  Ne- 
ben der  mensehliclien  Gestalt  der  Flussgötter, 
wie  sie  uns  Homer  und  die  Giebelfiguren  von 
Olympia  und  dem  Parthenon  zeigen,  lief  früh  die 
Stierbildung,  die  vielleicht  ursprünglich  aus  der 
Localsage  von  Acheloos  auf  die  übrigen  Flüsse 
übertragen  ist.  Die  Kunst  konnte  die  reine  Stier- 
bildung, wie  sie  in  der  Sage  auftrat,  nicht  ge- 
brauchen, wählte  daher  den  Stier  mit  menschlichem 
Antlitz  °"),  dessen  spätere  künstlerische  Milderung 
der  gehörnte  Jüngling  ist.  Eine  Umwandlung  hierzu 
wäre  in  einer  so  kurzen  Spanne  Zeit,  wie  sie  uns 
die  sicilischen  und  unteritalischen  Münzen  zeigen, 
nicht  möglich  gewesen,  wenn  die  Bildung  in  mensch- 
licher Gestalt  nicht  vorher  existirt  hätte  und  neben 
der  Stierbildung  herlief,  welche  sie  in  der  hellenisti- 
schen und  römischen  Zeit  völlig  verdrängte. 


Anhangsweise  schliesse  ich  auf  Bitte  der  Redac- 
tion  dieser  Zeitschrift  die  Besprechung  einer  auf 
Tafel  7,  1  abgebildeten  rothfigurigen  Trinkschale 
des  Museo  cicico  zu  Verona  an,  deren  eine  Dar- 
stellung zu  dem  Gefässe  Berührungspunkte  bietet, 
von  welchem  Purgold  bei  Deutung  der  Ruveser 
Amphora  auf  lasons  Stierkampf  ausgegangen  ist. 

Das  Gefäss  ist  entschieden  attischer  Herkunft; 
die  flotte  Zeichnung  und  die  bei  genauer  Symmetrie 
doch  in  den  einzelnen  Figuren  durchaus  freie  Com- 
position  berechtigen  uns,  dasselbe  in  die  Zeit  der 
blühenden  Kunstentwicklung  um  die  Wende  des 
fünften  zum  vierten  Jahrhundert  zu  setzen. 

Beginnen  wir  mit  der  unverletzten  Seite  der 
Schale.  Ein  jugendlicher  nackter  Held  dringt  von 
links    gegen    eine    auf   ihn  losstürmende  Sau  (die 

■-'")  Nach  E.  Curtius  haben  die  Hellenen  diesen  Typus  aus 
dem  Orient  sich  angeeignet  und  veredelt  (Plastik  der  Hellenen 
an  Quellen  und  Brunnen,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  1876  S.  144). 
In  der  ältesten  in  Griechenland  voikoininenden  Form  desselben, 
nämlich  bei  den  Uarstellungen  des  Acholüoskampfes,  ist  jedoch 
ein  völlig  menschlicher  Oberkörper  auf  den  Stierleib  gesetzt. 
Kine  solche  Bildung  erinnert  mehr  an  die  Kentaurengestalt  als 
an  den  orientalischen  Mannstier. 


Zitzen  sind  deutlich  erkennbar)  ein.  Um  seine 
rechte  Schulter  hängt  der  Schwertriemen;  der  linke 
Fuss  ist  vorangestellt;  der  linke  Arm,  um  den  er 
die  Chlamys  gleichsam  als  Schild  geworfen  hat, 
ist  gehoben ;  in  der  Rechten  zückt  er  das  Schwert. 
Neben  dem  Thiere,  auf  dessen  linker  Seite,  steht 
eine  Frau  in  langem  Gewände;  die  Rechte  hat  sie, 
mit  der  Handfläche  nach  oben,  vorgestreckt,  mit 
der  Linken  stützt  sie  sich  auf  einen  langen  Stab. 
Der  etwas  gebeugte  Nacken  deutet  auf  ein  höheres 
Alter;  ihre  Geberde  scheint  auszudrücken,  dass  sie, 
wiewohl  vergeblich,  den  Angreifer  des  Thieres  ab- 
zuwehren sucht. 

Das  Geschlecht  des  Thieres  würde  uns  auch 
ohne  die  vorhandenen  Repliken  die  Deutung  sicher 
stellen.  Es  ist  der  Kampf  des  Theseus  mit  der 
krommyonischen  Sau,  eines  seiner  Abenteuer  auf 
seinem  Wege  von  Troezen  nach  Athen.  Das  mehr- 
fache Vorkommen  der  Gruppe  unseres  Gefässes 
unter  den  Darstellungen  rothfiguriger  attischer 
Vasen ^')  weist  auf  ein  gemeinsames  Vorbild  hin; 
das  Alter  der  neben  dem  Thiere  stehenden  Frau 
und  dass  sie  mit  der  Bewegung  ihrer  Arme  den 
angreifenden  Helden  abwehren  will,  ist  besonders 
deutlich  auf  der  im  Journal  of  liellenic  studies 
1880  PI.  X  veröffentlichten  Vase  des  Britischen  Mu- 
seums No.  824*. 

Man  hat  diese  Frau  Phaia  genannt  und  in  ilir 
die  Nymphe  der  Gegend  um  Krommyon  gesehen, 
welche  ihr  Thier  vor  dem  Helden  zu  schützen 
suche.  Das  erstere  ganz  ohne  Grund,  denn  Plutarch  ") 
und  Stephanos  Byzantios'-')  erzählen  nur,  dass  die 

21)  Sie  Hndet  sich  auf  folgenden  Vasen  mit  Darstellung  der 
Theseusalienteuer : 

i.   Brit.  Mus.  824*.   Journal  of  lie.llenic  studies  11,1  S.  57 — 64. 

ri.  X. 

II.  Brit.  Mus.   824.     Gerhard  A.  V.  III,  234. 

III.  Sammlung  Canino  75. 

IV.  Brit.  Mus.  826.     De  Witte,  cab.  itr.  No.  111. 

Vgl.  Gerhard,  A.  V.  III  S.  42  Anm.  46.  O.  Jahn,  Archäol. 
Ztg.   1865  S.  23. 

■■)  Flut.  Thes.  9.  7/  äi  KQOfJ/JVMvta  aus,  Jy)'  </>ni«i'  TiQoa- 
(ov6/.inCov  ....  "Eyioi  S(  (faai  irjv  'Pniuv  krjmQdSn  y(v^a»ixi. 
YVVciTxtt  (fOvixi]\'  zßi  «xakaaiov ,  aiJröOi  xmoixovaav  Iv 
K(>ofi/xv(üi't ,  aCv  äi  inovofiaattdaat'  ihn  lo  »j'/oj  xcd  jov 
ßCov  ditt  vnö   ßr\oi(og  Ü7io!t«i'(ii'. 

'-')  Steph.  Byz.  s.  v.  Kijtfj/.wu)V  h'  li  fivlHuovoi  i<(  nifit 
irjV  VI'-  .  .  .  .  10  lU  xv(iii)i'  ot'Ofia  cwjij;  h.ctktiio  <l'ata. 


117 


M.  Lehncrdt,  Herakles  und  Acheloos. 


118 


Sau  selbst  so  genannt  wurde,  und  der  crstere  fügt 
noch  eine  der  beliebten  euhemeristischen  Deutungen 
liinzu,  wonacb  Pbaia  eigentlich  ein  räuberisches 
und  wollüstiges  Weib  gewesen"^),  die  ihres  Lebens 
und  Charakters  wegen  den  Namen  jenes  Thieres 
erhalten  habe.  Die  ungewülinliche  Darstellung  einer 
Nymphe  als  einer  alten  Frau  könnte  mit  dem  Na- 
men des  Thieres  Waiä  „die  Graue"  zusammen- 
hängen, obwohl  es  wahrscheinlicher  ist,  dass  wir 
hier  eine  Lücke  in  unserer  Ueberlieferung  anzuneh- 
men liabcn. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  der  anderen  Seite 
der  Schale.  Ein  nackter  Jüngling  zieht  einen  vor- 
wärts springenden  Stier  mit  der  Linken  an  den 
Hörnern  zurück  (vielleicht  mittelst  eines  Strickes, 
von  dem  auf  der  erwähnten  Vase  des  Britischen 
Museums  ein  Stückchen  sichtbar  ist);  sein  rechtes  Bein 
ist  gerade  nach  vorn  gestemmt,  so  dass  der  Ober- 
körper sich  weit  nach  hinten  biegt;  das  linke  Knie 
stemmt  er  gegen  den  Bug  des  Stieres,  dessen  Unter- 
liegen nicht  melir  zweifelhaft  erscheint.  Der  Jüng- 
ling hat  um  die  rechte  Schulter  das  Schwert  hän- 
gen; der  rechte  Unterarm  ist  nach  der  Brust  zu 
gebogen;  die  Hand  hält  eine  gerade  Keule,  deren 
oberer,  über  die  Scliulter  ragender  Theil  ausge- 
brochen ist.  Vor  dem  Stiere  gelit  eine  jugendliche 
weibliche  Figur  in  langem  Gewände;  der  Kopf, 
dessen  Haar  durch  ein  Band  gehalten  wird,  ist  nach 
rückwärts  gewendet;  die  linke  Hand  nach  vorn 
gestreckt,  die  rechte  hält  dem  Stier  eine  flache 
Schale  entgegen. 

Wenn  uns  diese  Darstellung  allein  auf  einer 
Vase  entgegenträte ,  würden  wir  kaum  an  eine 
Deutung  aus  der  Theseussage  denken  können.  Die 
Frau,  welche  dem  Stier  eine  Schale  vorhält,  würde 
die  Zauberin  Medeia  sein,  mit  deren  Hilfe  Jason 
die  Stiere  des  Aietes  überwindet,  wie  Purgold  die- 
sen Vorgang  gewiss  richtig  auf  einem  zuerst  iu  den 

'■")  Eine  sonderbare  Vermuthung  wird  in  der  Besprechung 
der  Vase  824*  von  Cecil  Smith  in  dem  Journal  o/  hell.  slud. 
S.  ü2  aufgestellt.  Hiernach  soll  die  Nebeneinanderstellung  von 
Weib  und  Thier  sich  möglicherweise  auf  diese  Deutung  be- 
ziehen und  eine  Verbindung  der  beiden  Naturen  darstellen, 
gleich  als  wenn  die  Angabe  Plutarohs  eine  wirkliche  Sage  und 
nicht  bloss  eine  jener  in  grosser  Zahl  vorhandenen  pragmatischen 
L'indeutungcn  späterer  Zeit  wäre. 


Anütiiiiles  du  Bosphore  Cimmerien  T.  63o,  2  ver- 
öffentlichten Vasenbilde  aus  Kertsch  erkannt  hat"). 
Die  Frau  trägt  dort  das  in  der  späteren  Vasen- 
malerei der  Medeia  eigenthümliciie  orientalische 
CostUm  und  hält  in  der  Linken  den  Zauberkasten, 
mit  dem  sie,  mit  vorgebogenen  Knien  vorwärts 
gehend,  den  Stier  gleichsam  nach  sieh  zieht.  Dass 
an  Stelle  desselben  auf  unserer  Vase  eine  Schale 
getreten  wäre,  dürfte  nicht  auffallen,  da  sie  auf 
Vasen  und  Reliefs  zur  Bezauberung  des  das  Vliess 
hütenden  Drachens  gleichfalls  von  Medeia  ange- 
wendet wird. 

Nun  ist  es  aber  kaum  denkbar,  dass  der  Maler 
sich  zu  dem  Kampf  des  Tiieseus  mit  der  krommyo- 
nischen  Sau,  dessen  Deutung  auf  unserer  Schale 
sicher  steht,  sein  Gegenstück  nicht  aus  der  Theseus- 
sage gewählt  haben  sollte.  Weil  Medeia  in  einem 
ganz  anderen  Sinne  dem  Kampfe  des  lason  bei- 
wohnt als  die  sogenannte  Phaia  der  Theseus- 
tliat,  konnte  es  einem  antiken  Künstler  und  na- 
mentlich dem  attischen  Maler,  der  die  Thaten 
seines  Natioualheros  darstellte,  nicht  nahe  liegen, 
beide  als  Gegenstücke  zu  bilden.  Hierzu  bot  sich  ihm 
naturgemäss  die  zweite  Bestie,  die  Theseus  be- 
zwungen, der  marathonische  Stier.  Den  Kampf  des 
Helden  mit  diesem  auf  unserer  Vase  zu  erkennen, 
nöthigt  ausserdem  die  Aehnlichkeit  mit  der  Com- 
position  desselben  Kampfes  auf  der  Metope  des 
sogenannten  Theseion  und  auf  den  meisten  übrigen 
Vasenbildern. 

Der  Kampf  mit  der  Sau  bot  die  altherge- 
brachte Gruppe  von  drei  Figuren,  somit  forderte 
die  Symmetrie  auch  auf  der  anderen  Seite  den  Zu- 
satz einer  weiblichen  Figur.  Und  zwar  musste 
diese  vom  Stiere  weggehen ;  denn  wie  auf  jener  Seite 
der  Schale  die  Composition  gleichsam  centripetal 
ist,  war  sie  auf  dieser  entschieden  centrifugal  be- 
absichtigt. 

Diese  weibliche  Gestalt  Medeia  zu  nennen,  wie 
es  Michaelis  bei  dem  oben  erwähnten  Kertscher 
Vasenbild  -"),  das  er  für  eine  Darstellung  des  Kampfes 

■')  Archäol.  Ztg.   1884  S.  163. 

•^)  Archiiül.  Ztg.  1877  S.  75,  wo  auch  ein  Holzschnitt  des 
betreflenden  Bildes. 

8* 


119 


M.  Mayer,  Lamia. 


120 


mit  dem  maratlionischen  Stier  erklärt,  getlian  liat, 
dafür  bietet  die  von  ihm  berangezog-eue  Stelle  des 
Mythographus  Vaticanus  I  docb  einen  zu  geringen 
Rückhalt.  Auch  die  alte  Bäuerin  Hekale,  die  den 
Helden,  ehe  er  zum  Kampfe  auszog,  freundlich 
pflegte  und  für  seine  glückliche  Rückkehr  dem  Zeus 
Opfer  gelobte  (Plut.  Thes.  14),  passt  wenig  dazu, 
der  entschieden  jugendlichen  Figur  unserer  Bilder 
zu  einem  Namen  zu  verhelfen.  Wir  werden  uns 
begnügen  müssen,  die  Anwesenheit  dieser  weib- 
lichen Figur  aus  rein  künstlerischen  Gründen  der 
Composition  zu  erklären.  Gewiss  ist  dieselbe  beim 
Stierkampf  des  Theseus  nicht  erforderlich;  aber 
wenn  schon  einmal  von  Theseus  die  Rede,  und  der 
Kampf  des  Mannes  mit  dem  Stier  nach  dem  be- 
kannten Schema  des  Stierkampfes  des  Theseus  ge- 
bildet war,  so  hat  gewiss  der  antike  Beschauer 
die  weibliche  Figur  —  falls  er  sie  wirklich  nicht 
in  seiner  Erinnerung  vorfand,   was  wir  doch  niclit 


ganz  siclier  wissen  —  sich  zurecht  gelegt  und  bei 
der  Erklärung  einer  Ortsgottheit  sich  beruhigt,  die 
aus  denkbarem  Grunde  am  Stierkampf  sich  be- 
theiligte. — 

Das  Mittelbild  unserer  Schale,  mit  den  Aussen- 
bildern  in  keinem  Zusammenhang  stehend  und 
daher  liier  nicht  mitabgebildet,  stellt  eine  Opfer- 
scene  dar:  eine  jugendliche  langbekleidete  weib- 
liche Figur  steht,  das  rechte  Bein  mit  leicht  ge- 
bogenem Knie  etwas  vorgesetzt,  vor  einem  nur 
zur  Hälfte  sichtbaren  Altar;  mit  der  Rechten 
streckt  sie  eine  Kanne  aus,  aus  der  sie  im  Be- 
griff ist  die  Spende  auszugiessen;  die  linke  Hand 
hält  einen  Gegenstand,  den  wir  am  besten  als  einen 
Teller  mit  pyramidenförmigem  Opferkuchen  erklären 
werden.  Eine  Kuchenart  nvQa/nis  erwälmt  Athe- 
naeus  XIV  p.  642  f.  647  c,  Kuchen  in  Pyramiden- 
form finden  sich  z.  B.  auf  der  Vase  Mon.  deW  Inst. 
1860  lav.  37.  M.  Lehnerdt. 


LAMIA. 


(Tafel  7,  2.) 


Die  sonderbare  Darstellung,  welche  auf  Taf.  7,  2 
wiedergegeben  ist,  ziert  den  Bauch  einer  schwarz- 
figurigen  Kanne  mit  weissem  Bildfelde,  die  zu 
Kameiros  gefunden  und  aus  der  Sammlung  Bilioti 
in  den  Besitz  des  Berliner  Antiquariums  über- 
gegangen ist  (No.  1934).  Das  Gefäss  reiht  sicli 
nach  Form  und  Ornamentik')  durchaus  einer  weit- 
verbreiteten Classe  attischer  Töpferpruducte  an 
und  bekundet  seinen  Ursprung  ebenso  deutlich  wie 
zahlreiche  andere  in  Kameiros  gefundene  Vasen 
derselben  Sammlung,  die  sich  ohne  weiteres  als 
attisch  zu  erkennen  geben. 

Von  links  her,  wo  ein  Baum  sich  erhebt  und 
seine  Zweige  über  die  ganze  Scene  ausbreitet,  be- 
wegt   sich    mit    vorgestrecktem   Oberleib    mit    dem 

')  Ks  steht  bei  Furtwängler  Beschreibung  d.  Vusensamnilg. 
in  dem  schwariefigurigen  Stil  Klasse  2«  S.  402. 


linken  Fuss  vorsichtig  ausschreitend  eine  Figur 
von  wunderlichster  Bildung.  Der  ganze  Körper 
ist  bedeckt  von  einer  rauhen  Hülle,  die  man 
nach  der  Art  wie  sie  gezeichnet  ist  ebensowohl 
als  Scliuppen  wie  als  Federn  oder  Zotten  ver- 
stehen könnte.  An  den  Extremitäten  verliert  sich 
diese  Charakteristik  jedoch  in  kurze,  weniger 
geschwungene  Linien,  derart  dass  an  dem  rechten 
Fusse  etwas  wie  das  überhängende  Haar  eines 
Affen,  an  dem  linken  ein  dem  Hühnerfusse  ähn- 
liches Bild  entsteht,  während  man  bei  Armen, 
Hals  und  Brust  nur  den  Eindruck  starker  thieri- 
scher  Behaarung  erhält.  Fügt  man  hinzu,  dass  die 
Figur  nachdrücklich  als  ein  Weib  gekennzeichnet , 
ist,  sowohl  durch  die  Bauchlinie  als  durch  langes 
strähniges  Haar  und  tief  herabhängende  Brüste, 
deren  eine  sichtbar  ist,  so  würde  man  glauben  die 


121 


M.  Mayer,  Lamia. 


122 


Sonderbarkeiten  dieser  Erscheinung  erschöpft  zu 
iiaben,  wenn  man  niclit  scliliesslich  nocli  bemerkte, 
dass  sie  statt  der  Hände  grosse  Tatzen  mit  Krallen 
hat,  die  sie  krampfhaft  dem  Feinde  entgegen- 
streckt. 

Auf  sie  zu  schreitet  nämlich,  soweit  wie  es  der 
Platz  erlaubte  d.  h.  etwa  bis  zur  Mitte  des  Körpers 
siclitbar,  ein  gewaltiges  Ungethüm  von  ungewöhn- 
licher Gestalt.  Auf  einem  Löwenleibe,  von  dessen 
Bug  vorn  zwei  mächtige  Brüste  herabfallen,  um 
sich  am  Bauche  in  einer  Reihe  Zitzen  fortzusetzen, 
sitzt  vermittelt  durcü  einen  stiermässigen  Nacken 
ein  menschliches  Haupt,  bekränzt  und  wie  es  scheint 
mit  massig  langem  Haar,  welches  letztere  jedoch 
nur  an  den  Wangen  herabfällt,  während  das  Hinter- 
haupt, an  welches  in  pliantastischer  Weise  sogleich 
der  Nacken  ansetzt,  natürlich  solchen  Schmuckes 
entbehrt;  übrigens  ein  Umstand,  der  nicht  hindert, 
die  vom  Ohr  aus  tief  hinabgehende  Wellenlinie  als 
Andeutung  einer  Locke  aufzufassen.  Der  geöffnete 
Mund,  aus  dem  in  dünner  Linie  die  dreigespaltene 
Zuge  sich  hervorreckt,  ist  von  einer  grossen  Linie 
umzogen,  wodurch  anscheinend  ein  Grinsen  her- 
vorgebracht wird,  in  Wirklichkeit  aber  diese  Partie 
der  eines  Thierrachens  angeähnelt  werden  soll. 

In  ziemlich  seltsamer  Weise  und  offenbar  ohne 
rechten  Sinn  ist  an  beiden  Figuren  die  rothe  Farbe 
verwendet.  An  Schulter  und  Bug  der  Bestie  dienen 
diese  rothen  Streifen  zur  Andeutung  der  Musculatur, 
vor  und  hinter  dem  Ohr  können  sie  allenfalls  zur 
Colorirung  der  Haare  dienen  —  den  letzteren  Zweck 
haben  die  Streifen,  wie  auch  sonst  zuweilen  an 
schwarzfigurigen  Vasen,  ersichtlich  in  den  langen 
Haarendes  Krallenweibes  — ,  aber  welche  Bedeutung 
an  dieser  Figur  die  beiden  Querstreifen  haben 
sollen,  der  eine  über  den  Oberarm,  der  andre 
parallel  darunter  bis  zur  Brustwarze  laufend,  ist 
schwer  zu  sagen.  Sollte  damit  etwa  angedeutet 
werden,  dass  das  Fell  kein  natürliches  bondern 
nur  ein  Costüm  sei,  so  war  dies  jedenfalls  die  un 
günstigste  Stelle  um  die  Nähte  zu  zeigen;  bei  den 
Silenen  der  Bühne  pflegt,  was  das  Einfache  und 
Natürliche  ist,  der  Abschluss  des  Felles  an  den 
Fussknöcheln   und   am  Halse  markirt  zu  sein.     Es 


ist  aber  wohl  klar,  dass  der  Maler  sich  in  diesen 
leicht  hingeworfenen  Pinselstrichcn  gefiel  und  we- 
nigstens bei  dem  unteren  der  Parallelstreifen  ge- 
dankenlos gewesen  oder  verunglückt  ist.  Auch 
in  der  Zeichnung  herrscht  ja  eine  eigenthümlich 
flotte  und  flüchtige  Manier,  die  aber  auf  einer  weit 
grösseren  Formenbeherrschung  und  Formenrundung 
fusst  als  man  sie  im  Allgemeinen  von  schwarz- 
figurigen Gefässen  selbst  dieser  späteren  Technik 
gewohnt  ist.  Speciell  die  Frauengestalt  mit  ihrer 
zugleich  vorstrebenden  und  zurückweichenden  Be- 
wegung würde  man,  zumal  bei  solcher  Zeichnung 
der  Beine  und  Schultern,  weit  eher  auf  einer  Satyr- 
vase des  Brygos  oder  Hieron  suchen.  Mit  dieser 
Routine  contrastirt  —  ein  in  der  älteren  Kunst 
häufiger  Mangel  —  die  geringe  Naturwahrheit  der 
Gesichtszüge,  und  zwar  an  beiden  P^iguren,  beson- 
ders in  der  stumpfen,  kurzen  Nase  und  den  grossen, 
in  Seitenansicht  und  viel  zu  tief  gegebenen  Augen : 
Züge  die  nicht  durch  den  grotesken  Charakter  der 
beiden  Personen,  sondern  durch  wirkliche  Unge- 
schicklichkeit veranlasst  scheinen.  Andrerseits  kann 
doch  wieder  mit  einiger  Bestimmtheit  gesagt  wer- 
den, dass  der  übergrosse,  täppisch  geöffnete  Mund 
der  Weibsperson  eine  beabsichtigte  und  anschei- 
nend wohlgelungene  Charakteristik  enthält. 

Aber  was  ist  dargestellt?  Rechterseits  jedenfalls 
eine  Sphinx,  obschon  in  der  Auffassung  eigenartig 
genug  und  zwar  nicht  bloss  durch  das  Fehlen  der 
Flügel,  wofür  es  auch  sonst  Beispiele  giebt^). 
Weit  räthselhafter  ist  das  Weib,  das  vor  dem 
sicher  einher  schreitenden  Ungethüm  ersichtlich  zu- 
rückweicht, wenn  auch  nicht,  ohne  ihm  instinktiv 
seine  Krallen  entgegenzustrecken.  Furtwängler 
nennt  sie  eine  Sirene,  indem  er  die  ganze  Dar- 
stellnng  für  eine  Caricatur  erklärt.  Eher  Hesse 
sich  noch  eine  komische  Scene  annehmen;  denn 
der   erste  Eindruck  erinnert  an  jene  Vasen  ^),    wo 

-)  Z.  B.  der  etruskische  Spiegel  Gerhard  11  177  (Overbeck 
Her.  Gal.  Taf.  II  9),  den  Welcker  A.  D.  IH,  88  wegen  der  anschei- 
nenden Kleinheit  der  Sphinx,  die  hier  nicht  auf  einer  Säule 
oder  einem  Felsen  sitzt,  und  wegen  ihrer  erhobenen  Pfote  irrig 
in  parodistischeni  Sinne  deutete. 

^)  S.  Jahn  Perseus,  Herakles,  Satyrn  auf  Vasenbildern  und 
das  Satyrdrama  S.  21.  Ein  Satyrspiel  .S"'//;?  von  Aeschylos 
Nauck   7'rayicorum  Fragm,  p.  59. 


123 


M.  Mayer,  Lamia. 


124 


ein  Satyr  oder  Silen  sich  vor  einer  Sphinx  zu 
schaffen  macht  und  sie  gleichsam  zu  neciien 
scheint.  Allein  eine  Caricatur,  d.  h.  eine  absicht- 
liche Entstellung  der  Formen,  oder  auch  nur 
eine  Parodie,  wie  sie  einige  bekannte  schwarz- 
figurige  Vasen  bieten*),  vermag  ich  nicht  zu  er- 
kennen. Auch  hätte  der  Maler  eine  Sirene  nicht 
aller  irgendwie  charakteristischen  Merkmale  be- 
raubt: für  den  Mangel  der  Flügel,  die  doch  auf 
der  schwarzfigurigen  Caricatur  des  Vögelchors  nicht 
fehlen,  kann  man  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  auf 
die  Analogie  der  ohnehin  genügend  charakteri- 
sirten  Sphinx  nicht  berufen,  und  für  den  Vogel- 
leib könnte  die  vorliegende  Darstellungsweise  kei- 
nen erkennbaren  Ersatz  bieten,  auch  wenn  sie 
wirklich  Befiederung  bedeutete;  dass  dies  aber 
nicht  der  Fall  ist,  sieht  man  sowohl  an  Brust  und 
Armen  wie  an  den  Füssen,  deren  rechter  die  schein- 
bare Charakteristik  des  linken  Lügen  straft  und 
als  blosse  Flüchtigkeit  erweist.  Endlich  die  mit 
Tatzen  ausgestatteten  Arme  für  eine  Parodie  der 
Vogel fUsse  zu  erklären,  bliebe  immer  gezwungen, 
selbst  wenn  es  an  einer  besseren  Erklärung  fehlte. 
Zunächst  erinnert  man  sich,  dass  am  Kypselos- 
kasten  die  Ker  in  ähnlicher  Erscheinung  vorgeführt 
war:  tov  Ilolvvelxovg  ds  onia^sv  eOTtjusv  döövzas 
%E  exovaa  ovdiv  rjfiaQtüTeQOVS  ^rjgiov,  xai  oi  xal 
xüv  xeiQwv  slaiv  Inixa^insig  oi  ovvxsg  (Paus.  V. 
19,1,6*).  Damit  ist  uns  aber  wenig  geholfen.  Wie 
könnte  die  Ker  mit  der  Sphinx  in  Conflict  gerathen? 
Ohne  zu  wissen,   ob  unserem  Bilde  eine  komische 

^)  o)  London  659.  Journ.  o/  hell.  stud.  \A.  XIV,  B.  6)  Ber- 
lin 1830.  Gerhard  Trinksch.  30.  Journ.  of  hell.  stud.  pl.  XIV  A. 
c)  Berlin  1697.  Panofka  P.irodien  T.  I,  4.  5.  d)  Bull.  Nap. 
N.  S  V,  T.  7,  1.  Vgl.  J.  Bolte,  de  tuonwnentis  ad  Odysseam 
pertinentibus,  Berol.    1882,  p.  4ü. 

')  Bei  dem  pergaraenischen  Flügel -Giganten  der  früher  in 
Konstantinopel,  jetzt  in  Berlin  betindlichen  Platte  müssen  die 
Vogclkrallen,  die  er  statt  der  Hände  hat,  eine  Anspielung 
auf  den  Namen  enthalten,  wie  bei  dem  löwenhäuptigen,  in  dem 
Conze  trefl'end  den  Leon  erkannt  hat;  es  ist  vermuthlich  Alkyo- 
neus  gemeint,  den  die  hellenistische  Sage  (Hegesander  Fr.  46) 
wirklich  mit  den  Eisvögeln  in  Beziehung  setzte.  Bei  dem  Giganten- 
könig Porphyrion,  der  ohnehin  wahrscheinlich  in  der  Zeus- 
grujipe  zu  suchen  ist,  wiire  eine  solche  Anspielung  auf  den  gleich- 
namigen Vogel  nicht  ohne  Absurdität  möglich  gewesen  (nomen 
hallet  ma(jni  volucris  tum  parva  Giijantis.  Marlial  XIII  78);  sie 
würde  in  das  Bereich  des  Komischeu  fallen  (Aristoph.  Vög.  1252). 


Scene  zu  Grunde  liegt  oder  nicht,  verlangt  man  doch 
unwillkürlich  eine  minder  ernsthafte  Persönlichkeit 
als  die  Ker  und  womöglich  eine  solche,  von  der 
irgend  welche  Fabeln  im  Umlauf  waren.  Da  bietet 
sich  denn  meines  Wissens  nur  eine,  die  allen  oder 
doch  den  meisten  Bedingungen  gerecht  würde: 
Tig  —  TOVvof.ia  TovnovaiöiaTOv  ßqoToig 
ovx  oida  yta/.tiag  tfjg  yiißvotixtjg  ytvog;'^) 
Kaum  ein  andrer  weiblicher  Däniou  ist  im 
Volksleben  des  Alterthums  so  populär  gewesen  und 
es  bis  in  die  spätesten  Zeiten  geblieben  wie  dieses 
kinderraubende  Gespenst,  mit  dessen  Namen  man 
wie  mit  dem  der  Mormo,  die  aber  keine  Mythen  hat, 
die  Kleinen  schreckte.  Euripides,  dem  die  citirten 
Verse  gehören,  Hess  ihn  in  einem  Satyrspiel  den 
Prolog  sprechen.  Aristophanes  erwähnt  den  schmutzi- 
gen Unhold  mehrfach,  und  schon  Krates  hatte  ihn 
in  einer  eigenen  Komödie  behandelt').  Dieses  ge- 
frässige  Weib,  welches  in  einer  Höhle  wohnte  und 
wenn  es  nicht  auf  Raub  ausging,  seine  Augen  in 
einen  Sack  zu  tliuu  pflegte  *),  war  für  komische  Be- 
handlung wie  geschaffen:  es  galt  für  ebenso  lüstern") 
wie  hässlich'")  und  liebte  unmässig  den  Wein"). 
Vielleicht  ist  es  hier  am  Orte,  sich  zu  erinnern, 
dass  gerade  Krates  der  Erste  gewesen  sein  soll,  der 
Betrunkene  auf  die  Bühne  brachte'^);  und  die 
trunkene  Alte  blieb  ja  eine  stehende  Figur  der 
komischen    Bühne.     Bei   Aristophanes   Vesp.  1177, 


'')  Em-  Fr.  914.  So  und  obenein  mit  felilerhafter  Auf- 
lösung der  Krasis  im  dritten  Wort  ist  überliefert;  evident 
richtig  hat  Meineke  il^  lova'ov  öroftet  hergestellt.  Dass  es  ein 
Stück  von  Euripides  Namens  Lamia  (Nauck  p.  402)  nicht  gab, 
darüber  s.  Wilamowitz  Anal.  Eur.  159,  der  später  die  obigen 
Verse  sehr  passend  in  den  Busiris  gesetzt  hat. 

')  Meineke   Com.  II,  p.  240.    Kock  I,  p.  136. 

8)  Plut.  de  curios.  2.  Diod.  XX,  41  nuch  Durh  nt^lUyn- 
nox).(ovi  (vgl.  104,   3.  XXI,  6.   8). 

5)  Philostr.  vita  Apollon.  IV,  25  p.  165:  fotöai  ä'nvrm  (vgl. 
Anm.  20)  xal  üifnoäinCuiv  fJ^v,  aatjxiöv  tS't  /jahma  iiv!li>(anflu)v 
foiüai  xn'i  nttliuouat  lolg  ct<fgoöin(oig,  ofc's  uv  flkilotni  da(aaaHtti. 
Man  denke  auch  an  die  beiden  Lamien  bei  Apuleius  Met.  I, 
17.  V,  11.  Dass  Aristophanes  ihr  burlesker  Weise  grade  öp;^f/c 
zutheilt  Vesp.  1035,  Fried.  758,  scheint  nach  derselben  Rich- 
tung zu  deuten. 

"•)  Duris  b.  Schol.  Aristoph.  Wesp.  a.  O.,  Fried,  a.  0., 
Schol.  Aristid.  111,  p.  42.     Paroemiogr.  ed.  Leutsch  II,  498. 

")  Diod.  a,  0.    Dazu  passt  olxoi  fjiv  itöiiv  TViflrjV  (Plut.). 

'-)  Anonymus  nt(>i  xiofUiid'tn;  p.  XV  Dübner. 


125 


M.  Mayer,  Lamia. 


126 


dem  vielleicht  die  Fabel  des  Kratcs  vorschwebt, 
ist  die  Rede  davon  ilg  rj  y/ä^u'  äknva  e7t£Q<hzo. 
Horaz  in  der  Ars  poetica  340,  wo  er  zuvor  auch 
vom  Satyrspiel  gesprochen,  bezeugt  aus  solchen 
Lamia- Possen  ein  höchst  burleskes  Motiv:  man 
schneidet  der  Megäre  den  Bauch  auf,  und  siehe  da, 
ein  lel)endiges  Knäblein,  das  sie  „zum  Frühstück" 
verspeist  hatte,  kommt  zum  Vorschein. 

Wie  sollte  nun  ein  Vasenmaler  mit  seiner  be- 
schränkten Technik  den  halbthierischen  Charakter 
der  Lamia  —  rrjv  owiv  amrjg  d^7]QicüÖ7]")  —  besser 
kennzeichnen  als  durch  ein  zottiges  Fell  —  ähn- 
lich wie  die  Phaia  der  Londoner  Theseusschale  '^) 
durch  starke  Hehaarung  ausgezeichnet  ist  —  und 
ganz  besonders  durch  Krallen;  denn  dass  sie  ihre 
Opfer  auch  zerfleischte,  wird  ausdrücklich  gesagt: 
Laniias  qiias  fabitlae  iradimt  infaiiles  corripe.re  ac 
laniare  solilas^'-)  (Isiodor  Etymol.  VIII  11,  102). 
Auch  verkennt  man  in  dem  grossen  geöffneten 
Munde  nicht  die  Andeutung  des  gefrässigen  Cha- 
rakters, der  schon  in  ihrem  Namen  liegt.  Ich  muss, 
um  einem  naiieliegenden  Einwände  zu  begegnen, 
hinzufügen,  dass  die  Empuse  und  die  Mormo,  Spuk- 
gestalten, die  oft  mit  der  Lamia  zusammengeworfen 
werden,  den  für  sie  charakteristischen  Eselsfuss  im 
5.  Jahrhundert  noch  nicht  haben'"),  wie  auch  die 
Verwechselung  mit  Lamia")  und  die  Mehrheit  von 
Lamien  einer  späteren  Zeit  angehört.  Bildliche 
Darstellungen  dieser  Wesen,  besonders  der  Lamia, 
sind  aber  bis  jetzt  nicht  bekannt. 

Was  soll  aber  die  Gegenüberstellung  mit  der 
Sphinx?  Eine  bestimmte  Situation,  wie  sie  die 
Fabel  oder  die  Bühne  an  die  Hand  gab,  ist  jeden- 
falls gemeint.     Man  kann  sich  etwa  denken,   dass 

13)  Diod.  a.  0. 

'■')  Journ.  of  hell.  slud.  pl.  X.  Vol.  II,  p.  59. 

'^)  Sollte  die  zweite  Eigenschaft  wirklich  hlos  um  des  ety- 
mologischen Schlusses  willen  (a  laninndo  specialüer  diclas)  er- 
funden sein?  Auch  der  Erklärer  des  isidor,  Arevali ,  giebt  eine 
ganz  willkürliche  Etymologie  ,«  i.rif/i]  quae  est  sordes  oculorum', 
und  doch  stützt  er  sich,  wie  man  sieht,  auf  einen  überlieferten  Zug. 

1*)  S.  Aristoph.  Frö.  288  ff.  —  Dass  die  Eselsfüsse  später 
auch  auf  Lamia  übertragen  wurden,  dafür  scheint  Scbol.  Cruq.  z. 
Horaz  A.  P.  340  der  einzige  Zeuge  zu  sein. 

1'^)  Jedoch  theilt  Lamia  mit  der  Empuse  schon  früh  die 
Fähigkeit  jede  Gestalt  anzunehmen  (vgl.  Arist  Frö.  a.  0.  und  Schol. 
Arist.  Fried.   758) 


die  Megäre,  die  besonders  Knaben  und  Jüng- 
linge liebt,  um  sie  dann  zu  verspeisen,  in  der 
Sphinx,  die  plötzlich  vor  ihren  Blicken  auftaucht, 
eine  furchtbare  Rivalin  findet,  und  es  käme  nur 
ein  beliebtes  Komödienmotiv  zur  Anwendung,  wenn 
nun  die  Megäre  selber  von  dem  Ungethüm  ge- 
fressen würde:  die  Alte,  rjv  zo  xrJTog  ija&iev  ist 
aus  Phrynichos  (Aristoph.  Wölk.  556)  und  den 
Späteren"*)  genugsam  bekannt.  Man  wünsclit  aber 
auch  ungefähr  zu  wissen,  wie  und  wo  sich  die 
beiden  überhaupt  begegnen  konnten.  Nach  der 
verbreitetsten  Version,  die  auf  Duris  zurückgeht'^), 
haust  die  einstmals  schöne""),  von  Zeus  geliebte, 
aber  durch  die  Eifersucht  der  Hera  zur  Megäre  ge- 
wordene Lamia  in  Libyen,  also  derselben  Gegend, 
welche  schon   von   Euripides  angegeben  wurde  ^'). 

'«)  Platu,  Meineke  Com.  II,  p.  634,  1.  Kock  Fr.  b6  (I, 
p.  616).     Vgl.  Ameipsias,  Mein.  705,  3.     Kock  Fr.  7  (672). 

")  S.  Anmkg.  10.  Phot.  Lex.,  Suid.  s.  v.,  Villoison  Anecd. 
p.  274  f. 

"")  Vgl.  für  diesen  Zug  auch  Philostr.  a.  0.  >;  /(»JT^  vvatfr) 
ulu  itüv  ffiTjovaMv  iaiir,  as  i.aui'ag  rt  xci'i  /noijuolvxia;  ot 
Tiokloi  rjyovt'jcti.  Dabei  verdient  wohl  bemerkt  zu  werden,  dass 
die  Empuse  des  Aristophanes  Frü.  288  den  Menschen  ausser  in 
anderen  Truggestalten  auch  als  ein  blühendes  junges  Weib  er- 
scheint. Goethe  im  Faust  II  (in  der  Peneios-Scene)  hat  dies  für 
die  Lamien  benutzt,  doch  anscheinend  an  der  Hand  des  Philostratus. 

'-')  Von  den  Zeugnissen  (Anm.  19  und  10),  die  sich  sogar 
in  der  Fassung  wesentlich  an  die  Aristophanes-Scholien  anlehnen, 
nennt  Schol.  Aristid.  die  Lamia  eine  ylißvnan  yvvi]  und  beginnen 
die  Lexica  luvirir  (v  jrj  Aißvrf  Aovoii  h'  ß'  Aißvxtuv  larooil 
.  . .  yirfaOat,  während  in  Schol.  Ar.  Wesp.  (r  jfj  Aißv\]  fehlt. 
Wenn  nun  der  ausführlichste  Bericht,  Schol.  Ar.  Fried.,  so  be- 
ginnt: Xiynai  öl  i],  .U'tuia  Brikov  xai  Aißvtjs  Ovyiirrjo,  i); 
f(jcin!Hji'ni  luv  Jiit  ifttalv,  finccyttytTv  öi  ciinr]V  ano  -4ißvris 
tl;  ' iTtü.tttr,  ü(f'  f);  xa'i  ttÖXi;  h' ' hakin  Ai'ifiin  \^,li<uog'i]  TiQog- 
uyoQfvtTdi,  so  kann  dies  freilich  ein  nachträglicher  Zusatz  sein; 
ebenso  möglich  aber,  ja  wahrscheinlicher  ist  das  folgende  Ver- 
hältniss.  Duris  Hess  die  Lamie  unzweifelhaft  in  Libyen  hausen, 
da  die  Geschichte  unter  seinen  andern  Aißvxii  (vgl.  Fr.  34—36 
Müller)  ligurirt  und  bei  Diodor  speciell  an  eine  libysche  Oert- 
liehkeit  angeknüpft  wird.  Diodors  Quelle  sagt  aber;  or»  d*  xccia 
iijl'  Aißvriit  y^yoi'H'  nviJ]  xcd  i6)'  Eviii7iiät)V  äfiiai  tiq  uv 
/JC<(jivoovvja,  eine  Berufung,  deren  Anlass  und  Nothwendigkeit 
man  nicht  einsieht,  wenn  damit  nicht  auf  eine  abweichende 
Version,  eben  die  italische,  Rücksicht  genommen  wurde.  Diese 
Beziehung  ist  aber  in  Diodors  Excerpten  verloren  gegangen 
ebenso  wie  in  dem  Aristophanus-Commentar  vermuthlich  die  Ent- 
scheidung zu  Gunsten  Libyens.  —  Die  Euripideische  Darstellung 
unterschied  sich  übrigens  von  der  vorliegenden  in  mehreren  Punk- 
ten. Bei  Duris  sterben  der  Lamia  durch  Heras  Hass  alle  Kinder, 
bei  Euripides  dagegen  muss  sie  entweder  nur  eines  gehabt  oder 
wenigstens  dies  eine  behalten  haben,  nämlich  die  Sibylle.    Diese 


127 


M.  Mayer,  Lamia. 


128 


Da  nun  die  Kenntniss  von  dem  ägyptischen  Ur- 
^pl•ung  der  Sphinx,  wenn  auch  vereinzelt,  sich  be- 
nierlibar  macht  {snifKf&rj  t)  ~q'iy^  To7g  Gijßalocg 
ano  züJv  laxäziüv  (.ieqwv  T^g  ^l&ioniag  Pseudo- 
Pisander,  Schol.  Eur.  Phoen.  1760),  so  stände 
hiernach  nichts  im  Wege,  als  Localität  für  die  vor- 
gestellte Scene  Afrika  anzunehmen.  Aber  ich  weiss 
nicht,  ob  wir  jene  Kentniss  schon  für  das  fünfte 
Jahrhundert,  die  Zeit  unserer  Vase,  voraussetzen 
dürfen.  Auch  wird  man  a  priori  eine  weniger 
entlegene  Oertlichkeit  vorziehen,  zumal  wenn  sich 
eine  solche  wirklich  darbietet.  Ich  spreche  nicht 
von  Italien,  wohin  die  Sage  frühzeitig  gewandert 
ist:  Stesichoros  (Fr.  13)  kannte  die  Lamia  dort 
als  Mutter  der  Skylla;  eine  Gegend  bei  Akrai,  ver- 
nnithlich  ein  Hügelpaar,   hiess  ylaf.iiag  i-iaa&oi  (GIG 


gilt  merkwürdiger  Weise  lür  ihre  Tochter  bei  Paus.  X,  12,1: 
iiv  iH'yitJ^Qcc  ' EkkrjVfg  ^1ibg  y.ctl  .4itfAiug  i^f  Iloanäiövog  i/naiv 
ih'cci  neu  /Qrjauovg  re  niT'jl'  yvveiixwi'  nnanijv  (Jnai  xk'i  vtjö 
jtüv  jtißviiiv  ^'i'ßv)J.{iv  )Jyouaiv  övofiaaOrjvai,  ebenso  bei  Plut. 
Pyth.  or.  9  jfjii  jiQtÖTyjv  2^ißvllav  —  h'ioi  ä(  ifctoiv  Ix  MaXifoiv 
iiq ixiaHui  ^'Iii^ufag  oiauv  xlvycii^Qa  jijg  Hoatiöiüvog,  desgleichen 
bei  Suidas  (nach  Hesych;  Maass  de  Sib.  ind.  p  53).  Da  nun 
die  Erwähnung  der  libyschen  Sibylle  bei  Euripi<les  (Nauck  Trag. 
Frngm.  p.  402)  in  den  oben  citirten  Prolog  der  Lamia  (Fr  914) 
gehört,  so  kann  die  seltsame  Verbindung  der  beiden  Personen 
auch  hier  —  darauf  führt  schon  die  Euripideische  Prologuianier  — 
nur  die  genealogische  gewesen  sein.  Ist  dies  richtig,  so  muss 
auch  wohl  die  Herkunft  der  Lamia  von  Poseidon  bereits  Euri- 
jjideische  Ueberlieferung  sein.  Diuis  scheint  als  ihre  Eltern  viel- 
mehr Belos  und  Libye  genannt  zu  haben.  —  Wenn  die  höchst 
wahrscheinliche  Annahme,  dass  das  fragliche  Stück  des  Euripides 
der  Busiris  sei,  zuiriift,  so  würde  die  Erwähnung  der  Sibylle  im 
Eingang  ungemein  an  die  übrigens  ebenfalls  in  Libyen  spielende 
Helena  desselben  Dichters  erinnern,  wo  gleichfalls  die  Ankunft 
eines  griechischen  Helden  bei  fiemdentötenden  Barbaren  er- 
wartet und  von  der  prophetischen  Theouoe  vorausgewtisst  wird; 
ein  Motiv,  worauf  sich  denn  vielleicht  auch  hier  die  Anlage  des 
.Stückes  und  die  Rettung  des  Helden  aufbaute.  —  Maass  a.  a.  O. 
p.  Gl  geht  wohl  zu  weit,  wenn  er  annimmt,  Euripides  habe  nur 
dieErythräische  Sibylle  gekannt  und  gemeint,  die  nach  Eratoothenes 
in  Libyen  geweilt  haben  soll.  Die  Sibylle,  deren  Ursprung 
Maass  mit  Hecht  von  Kleinasicn  herleitet,  whrde  wohl,  da  sie 
eine  mythische  Figur  ist,  von  altersher  noch  an  mehr  Orten 
localisirt  als  sich  an  der  Hand  der  Zeugnisse  erweisen  lässt. 
Andrerseits  lässt  sich  z.  B.  in  Bezug  auf  die  Gergithische  Sibylle 
bemerken,  dass  die  Münzen  der  Stadt,  die  allerdings  um  ein  paar 
Jahrhunderte  älter  sind  als  der  Zeuge,  nicht  wie  Phlugon  bei 
Steph.  B.  u.  rdiyig  behauptet,  die  Sphinx  und  die  Sibylle  zeigen, 
sondern  die  Sphinx  und  einen  sehr  weiblich  aussehenden  Apollo 
mit  Halsband  L'ebrigens  gab  es  an  der  Küste  der  Troas  ein 
paar  Inseln,  die  den  Namen  Lamiue  führten  (Plin.  N.  H.  V,  138). 


III,  5430").  Aber  was  hätte  die  Sphinx  dort  zu 
schaffen?  Halten  wir  uns  vielmehr  an  das  Mutter- 
land, so  finden  wir  den  Mythus  heimisch  in  Trachis'^), 
wo  sie  Königin  gewesen  sein  soll,  und  vor  Allem 
in  Delphi.  Nikander  (bei  Anton.  Lib.  8),  der  so 
manche  Ortssage  bewahrt  hat,  berichtet,  dass  die 
Lamia  am  Fusse  des  Paruass  in  einer  Höhle  des 
Kirphis- Gebirges  hauste.  Hier  also  können  sich 
Lamia  und  Sphinx  so  gut  begegnen  wie  Oidi- 
pus  mit  Laios.  Die  Kenntniss  der  näheren  Um- 
stände fehlt  uns  freilich.  Immerhin  macht  der 
Baum,  der  auf  dem  Vasenbild  sich  über  Lamia 
hinrankt  "^),  sowie  die  ganze  Art  der  Begegnung 
den  Eindruck,  das.s  wir  uns  vor  der  Behausung 
der  Lamia  befinden,  nicht  in  Theben.  Und  die 
Sphinx,  deren  Sage  ja  einen  ihrer  Schwerpunkte 
in  Delphi  hat,  kann,  auch  wenn  sie  aus  dem  Osten 
kommt,  gleich  Kadmos  und  dem  Delphischen  Apoll 
den  Weg  über  diese  Stätte  nehmen.  — 

Lamia  war  nicht  von  jeher  der  Kinder  raubende 
und  schreckende  Popanz.  Sie  muss,  ehe  sie  so 
entstellt  wurde,  eine  ernsthafte  Figur  gewesen 
sein.  Nicht  sowohl  darum,  weil  der  Mythus  sagt, 
sie  sei  einstmals  von  hervorragender  Schönheit  ge- 
wesen; denn  diesen  Rückschluss  zog  nur  die  nimmer 
ruhende,  stets  fabulircnde  Volksphantasie  aus  der 
abstossendeu  Hässlichkeit,  für  die  sie  einen  Gruud 
suchte;  das  gilt  von  der  Lamia  so  gut  wie  von  der 
Meduse,  die  ja  von  Anfang  an  eine  Fratze  war. 
Aber  Niemand  kann  sich  für  die  Dauer  der  Ueber- 
zeugung  verschliessen,  dass  gerade  die  groteskcsten 
Erscheinungen  der  hellenischen  Mythologie  aus 
alterthümlichen  Göttergestalteu  hergeflossen  sind, 
die    allmählig  von  jüngeren  Vülkerschichteu   miss- 


-'-')  Die  Uebertragung  nach  Sybaris  bezeugt  Nikander,  dem 
zufolge  Sybaris  ein  anderer  Narae  der  Lamia  war.  Vgl. 
Anm.  21. 

-■')  Etym.  M.  s.  V.  Vgl.  die  Anm.  21  angeführte  Plutarch- 
stelle,  wo  fx  Mttkidov  unzweifelhaft  richtig  von  Alexandre 
{exerc.  ad  Sibi/Uin.  etc.  Paris  18ÖG  p.  42)  für  das  überlieferte 
fg  MuXtm'a  (Plut)  oder  IVlnhcäuiv  (C'lem.  AI.  Str.  131  S.)  emcn- 
dirt  ist.  Davon  wohl  zu  unterscheiden  ist  die  Diodor'sche  Dar- 
stellung, welche  obwohl  auf  Duris  fussend  mit  bewusstem  Ratio- 
nalismus aus  der  Fabelgestalt  eine  böse  Königin  macht. 

-■■)  iii'iiioy  ^1'  iv/^(}'f!ltg  xirroi  xiii  a/jO,ctxi  avvr'iunpig. 
Diod.  a.  O. 


129 


M.  Mayer,  Laiuia. 


130 


verstandeu  und  entstellt  wurden.  Gewiss  nicht  der 
Popanz,  sondern  die  „Königin"  von  Trachis  ist  es 
gewesen,  wonach  sich  die  benaciibarte  Stadt  Lamia 
benannte.  Von  einer  der  Lamia  ganz  verwandten 
Spukgestalt,  der  Empuse,  ist  sich  das  fünfte  Jahr- 
hundert noch  der  Identität  mit  Hekate  bewusst"'). 
Bei  der  ganz  gleichartigen  Mormo,  die,  wie  be- 
zeugt wird,  ein  korinthischer  Dämon  war'"^),  kann 
man  sich  mit  0.  Müller")  an  das  äel/aa  erinnern, 
welches  zu  Korinth  an  dem  uralten  , Grabmal'  der 
Medeia  zu  sehen  war  (Paus.  II  3,  6).  Es  wird  dies 
—  auch  das  Medusenhaupt  ist  ja  ursprünglich  nichts 
Anderes  —  eines  jener  ältesten  Idole  gewesen 
sein,  die  oft  nur  das  furchtbare  Angesicht  der  Gott- 
heit zeigten,  dergleichen  Masken  ausser  im  Diony- 
soskult, wo  sie  sich  am  längsten  erhielten,  besonders 
im  Kreise  der  Demeter  nachzuweisen  sind:  so  bei 
der  infernalischen  Demeter  von  Pheneos  (Paus.  VIII 
15,  1),  bei  Praxidike  d.  i.  Persephone"'),  bei  De- 
meter, Persephone  und  Dionysos  in  Phlius  (Paus.  II 
11,  3).  Danach  ist  denn  auch  das  Wesen  der 
Lamia  zu  beurtheilen.  Man  erinnere  sich  an  Er- 
scheinungen wie  die  Demeter  Idödrjcpayla,  d.  i.  Viel- 

")  Aristoph.  Fr.  500.  501  Kock;  p.  1153 f.  Meineke: 

A.  —  /9ovitt  &'  'Exärrj 

B.  iC  xakfis  Tiji'  "Eunovnay; 

Vgl.  Arist.  Frö.  288,  wo  die  Empuse  in  der  Unterwelt  weilt. 

26)  Schol.  Aristid.  III  p.  42. 

2^  Zu  den  Eumeniden  S.  141,7. 

28)  Phot.  Lex.,  Suid.  s.  v.;  Welcker  Götterl.  III,  24. 


frass,  die  in  Sicilien  verehrt  wurde  (Polemo  Fr.  39 
Preller).  Dort  scheinen  auch  die  „Brüste  der 
Lamia"  auf  eine  Erdgottheit  hinzudeuten,  wie  denn 
die  riesigen  Brüste  der  Lamia  sich  noch  in  neu- 
griechischen Märchen  erhalten  haben  ").  Und  man 
wird  wenigstens  nicht  läugnen  können,  dass  der 
Name  der  ldX(fi%iö,  die  ebenfalls  ein  kinder- 
schreckendes Gespenst  war  ^^),  genau  in  der  gleichen 
Richtung  liegt  und  erst  von  da  aus  Licht  erhält. 
Beiläufig  sei  bemerkt,  dass  die  durch  Gefrässigkeit 
ausgezeichneten  Unholde  und  Riesen,  wie  der  mit 
Demeter  eng  verbundene  Erysiclithon,  Idas,  Amykos 
(Theokr.  24,  115),  Bupliagos^')  und  der  Laistry- 
gonenhäuptling  ^o^aog'^),  im  Vergleich  zu  der 
Göttin  eine  etwas  jüngere  Sagenstufe  repräsentiren, 
gleichwie  den  Aloaden  ")  eine  Demeter  Irilioäg  vor- 
aufging. 

Maximilian  Mayer. 


2')  B.  Schmidt,  das  Volksleben  der  Neugriechen  S.  134. 
Derselbe  Zug  wie  der  dort  berichtete  soll  in  dem  Märchen  von 
einer  Drakäna  und  in  einem  anderen  von  den  Schwestern  der 
Sonne  vorkommen.  Das  kann  möglicher  Weise  von  Bedeutung 
sein.  Lamia  ist  bei  Nikander  ein  !h]nlov  fi^ya  xal  vTinjtfv^g. 
Tertullian  adv.  Valent.  3  spricht  von  Lamiae  turres  et  pectines 
Solls. 

20)  Plut.  de  Stoic.  rep.  15. 

^')  Paus.  VIII,  27,  II;  er  ist  Sohn  eines  Titanen  und 
frevelt  gegen  Artemis. 

•'-')  Mit  diesem  Namen  hängt  es  zusammen,  wenn  bei  Schol. 
Theokr.  XV,  40  Lamia  gerade  Königin  der  Laistrygonen  ge- 
nannt wird;  vgl.  Schol.  Ar.  Fried.  758. 

2'')  Ephialtes  ist  übrigens  auch  eine  Spukgestalt. 


Archäolog.  Ztg.  Jahrgang  XLTII. 


131 


132 


GRIECHISCHE  VASEN 
DES  S.  G.  GEOMETRISCHEN  STILS. 

(Tafel  8.) 


Bei  meiner  Anweseubeit  im  Museum  von 
Kopenbagen  im  Jabre  1883  sah  icb  die  beiden 
hier  wiedergegebenen  Vasen  aus  Athen  vom  Dipy- 
lon,  die  der  Director  Herr  Etatsratb  L.  Müller  mit 
freundiicber  Bereitwilligkeit  zeichnen  zu  lassen 
gestattete. 

Es  sind  ohne  Zweifel  zwei  der  merkwürdig- 
sten Gefässe  ihrer  Art,  mit  ungewöhnlich  reichem 
figürlichem  Schmucke  ausgestattet,  eine  bedeutende 
Erweiterung  der  immer  noch  ziemlich  seltenen 
Classe  mit  menschlichen  Darstellungen.  Zu  dem 
beschränkten  Kreise  der  bisher  bekannten  Bilder 
dieser  Art,  die  uns  nur  Leichenfeierlichkeiten, 
Wagen-  und  Kriegerzüge,  tanzenden  Chor,  See- 
schlacht und  Männer  mit  Pferden  zeigten '),  treten 
hier  mehrere  ganz  neue  Stoffe. 

1.  Die  eine  der  Vasen  (1  ^)  ist  eine  Kanne  von  der 
schönen  ja  eleganten  Form  (1  c),  die  wir  auch  sonst 
zuweilen  in  diesem  Kreise  treffen').  Der  Hals(la) 
zeigt  als  Bild  einen  Mann  zwischen  zvcei  Pferden, 
die  er  am  Zügel  hält;  an  seiner  Seite  ist  das 
Schwert  und  auf  dem  Kopfe  der  Helmbusch  ange- 
deutet.    Es  ist  dieser  Mann   mit  den  zwei  Pferden 


')  S.  den  Catalog  von  G.  Ilir.ichfeld  in  den  Annuli  d.  Inst. 
1872  p.  137ff. ;   Dumont,  les  ce'rami'/ues  de  la   Gr.  pr.  p.   96  f. 

2)    Nr.  1628.     Höhe  0,23. 

=)  Vgl.  Mittheil.  d.  atben.  Inst.  1881,  Taf.  ,3.  Conze  An- 
fänge Taf.  4. 


ein  bekannter  Typus,  den  wir  sowohl  auf  anderen 
Vasen  dieser  Gattung  (z.  B.  Annali  d.  Inst.  1872, 
Tav.  I,  1)  als  sonst  in  der  archaisch  griechischen 
und  etruskischen  Kunst  finden.  —  Auf  dem  Schulter- 
streif darunter  (1  &)  ist  ein  in  der  Gattung  dieser  geo- 
metrischen Vasen  neues,  aber  sonst  in  der  ältesten 
und  älteren  griechischen  Kunst  allgemein  beliebtes 
Bild  gemalt,  die  Verfolgung  eines  Hasen  durch 
laufende  Hunde,  worüber  man  vgl.  Arch.  Ztg.  1881, 
S.  33ff.  1883,  S.  155.  161. 

Das  Hauptbikl  läuft  in  einem  ununterbroche- 
nen Streifen  um  den  Bauch  der  Vase;  es  stellt  einen 
Kampf  dar,  in  dessen  Mitte  sich  ein  Schiff  befindet; 
doch  ist  es  keine  Seeschlacht,  wie  sie  in  den  be- 
kannten Fragmenten  vom  Dipylon  (Mon.  d.  Inst. 
IX,  40)  erscheint,  sondern  der  Kampf  eines  gelande- 
ten Schiffes  und  seiner  Besatzung  gegen  Krieger 
am  Strande.  Wasser  und  Land  zu  unterscheiden 
hat  der  Maler  unterlassen;  die  Zickzackstreifen 
dienen  nur  zur  ornamentalen  Raumfüllung  wie  in 
den  andern  Bildern;  doch  ist  offenbar  das  Schiff 
auf  beiden  Seiten  von  Land  umgeben  dargestellt. 
Es  ist  ein  Ruderschiff;  links  ist  das  aufgebogene 
Hintertheil  ziemlich  erhalten;  hier  sitzt  auf  dem 
Verdecke  der  Steuermann  und  ist  im  Begriffe  zu 
steuern;  die  hinter  ihm  emporragenden  drei  Pfähle 
oder  Ruder  weiss  ich  nicht  zu  deuten.  Leider  ist 
das  Vordertheil  des  Schiffes  verloren  gegangen,  und 


133 


A.  Furtwängler,   Vasen  geometrischen  Stils. 


134 


wir  wissen  deshalb  nicht,  ob  es  wie  die  anderen 
auf  den  Dipylonvasen  dargestellten  Schiflfe  einen 
e'ußolog  hatte  oder  nicht  ^);  der  erhaltene  Rest  eines 
nach  aussen  gekrümmten  kammartigen  Abschlusses, 
der  einem  Pferdehals  gleicht,  lässt  indess  eine  ganz 
verschiedene  Gestalt  dieses  vorderen  Schiffsendes 
vermuthen.  Auf  dem  Deck  vertreten  zwei  Männer 
die  Besatzung,  die  von  zwei  Seiten  angegriffen 
wird  und  sich  nach  beiden  zu  vertiieidigen  ge- 
zwungen wird.  Einige  von  der  Schiffsmannschaft 
waren  schon  ans  Land  gestiegen  und  sind  hier 
bereits  erlegen.  Die  Vertheidiger  im  Schiffe  tragen 
den  ausgeschnittenen  Schild,  der  wie  gewöhnlich  den 
Körper  bis  gegen  die  Kniee  deckt;  er  erscheint  hier 
nur  umgehängt,  indem  die  Männer  mit  beiden  Armen 
Angriffswaffen  tragen.  Auch  sonst  zeigen  Dipylon- 
vasen und  selbst  Kampfscenen  mykenischer  Monu- 
mente die  Schilde  zuweilen  nur  umgehängt  und 
beide  Arme  in  Action'*).  Der  eine  der  Männer 
schwingt  Schwert  und  Lanze;  der  andere,  dessen 
Schwert  noch  an  der  Seite  hängt,  schiesst  mit  dem 
Bogen.  Von  rechts  stürmen  zwei  Krieger  heran, 
der  vordere  mit  Lanze,  der  andere  mit  Schwert. 
Dann  folgt  eine  sehr  merkwürdige  Figur;  es  ist 
ein  Gefallener,  der  nach  rechts  vornüber  gestürzt 
ist.  —  Offenbar  gehörte  er  zur  Besatzung  des 
Schiffes;  er  ist  von  dem  üblichen  ausgeschnittenen 
Schilde  bedeckt  und  hat  einen  Helmbusch.  In 
seinem  Kopfe  steckt  ein  kurzer  Speer  (kein  Pfeil, 
denn  Pfeile  sind  hier  mit  Widerhaken  gebildet); 
die  zwei  schräg  nach  seinem  Oberkörper  gerichte- 
ten Stäbe  möchte  man  nach  ihrer  Form  ebenfalls 
etwa  für  Speere  halten ;  dann  müssen  auch  die 
unten  in  der  Diagonale  dazu  angebrachten  Striche 
für  solche  angesehen  werden;  die  Beine  waren 
wohl  auf  dem  verloreneu  Stücke  dargestellt,  die 
Arme  sind  ganz  unterdrückt.  Von  rechts  kommt 
ein  Krieger  mit  Bogen  und  Pfeil.  —  Betracliten  wir 
nun  die  Seite  vom  Schiffe  links,  so  kämpft  zu- 
nächst ganz    nahe   demselben   ein    Manu    mit  dem 

*)  Vgl.  Heibig,  (1.  homer.  Epos  S.  56.  114.  Annali  d.  Inst. 
1880  p.  126ff. 

*)  Vgl.  den  mykenischen  King  bei  Helbig,  homer.  Epos 
S.  220,  79;  das  Schwert  ebenda  S.  232. 


Schwerte  und  vorgehaltenem  kleinem  Schilde;  hinter 
ihm  liegt  ein  rücklings  gestürzter  Angreifer,  von 
der  Lanze  eines  der  Schiffskämpfer  durchbohrt; 
er  trägt  das  Schwert  an  der  Seite  und  ist  vom 
Schiide  bedeckt.  Das  zunächst  Folgende  ist  zu  frag- 
mentirt  um  sicher  gedeutet  zu  werden;  deutlich  ist 
dann  wieder  die  Figur  eines  Kriegers  nach  rechts, 
der  zwei  Lanzen  hält  und  Schild  und  Schwert  um- 
gehäugt hat.  Dann  ein  wie  es  scheint  nach  vorn 
fallender  Mann,  der  an  den  Schenkeln  von  Pfeilen 
getroffen  scheint;  in  der  Rechten  hält  er  noch  seine 
Lanze  und  ist  mit  dem  Schwerte  umgürtet. 

Es  ist  das  Bild  eines  kriegerischen,  seefahren- 
den Stammes,  das  der  Vasenmaler  vor  Augen  ge- 
habt haben  muss,  das  Bild  unternehmender  Männer, 
die  an  fremden  Küsten  landen  und  harte  Kämpfe 
zu  bestehen  haben. 

2.  Das  zweite  Gefäss  (2)  ist  eine  Schüssel  mit 
hohen  Henkeln")  deren  Form  (2a),  bisher  noch 
nicht  publicirt  war.  Die  Henkel  sind  breit  und  an 
den  Aussenflächen  mit  Bildern  geschmückt.  Der 
bandförmige  Streif  ist  in  Quadrate  getheilt,  die  ab- 
wechselnd mit  einem  Schwan  oder  dem  in  dieser 
Decoration  so  beliebten  Vierblatt  bemalt  sind.  Auch 
der  etwas  eingezogene  Rand  der  Schüssel  ist  in 
Vierecke  getheilt  —  fünf  auf  jeder  Seite  — ,  die 
gegen  einander  durch  einen  verticalen  Streif  von 
Kreisen  mit  Centralpunct  getrennt  werden.  Die 
Bilder  der  einen  Seite  sind  streng  symmetrisch 
angeordnet:  in  der  Mitte  liegendes  Reh,  rechts  und 
links  das  Vierblatt,  an  den  Enden  je  zwei  Schwäne, 
die  sich  gegenüberstehen.  Die  Bilder  der  anderen 
Seite  sind  willkürlicher  angeordnet:  an  den  Enden 
je  ein  Reh,  das  den  Kopf  umwendet;  das  liegende 
Thier  ist  hier  ein  Hirsch,  der  auf  den  Vasen  dieses 
Stils  selten  ist.  Die  liegenden  Rehe  mit  umge- 
wendetem Kopfe  erscheinen  auch  auf  dem  Henkel 
der  Annali  1872  p.  144  Nr.  43  beschriebenen  grossen 
Vase  mit  der  Protliesis  des  Todten.  Der  Typus 
findet  sich  indess  auch  ganz  gleich  auf  babyionisch- 
assyrischen  Cylindern'),    was    wohl  hervorgehoben 

6)  Nr.  727.     IIGhe  0,13. 

■)  Z.  B.  auf  Nr.  45  der  Petermann'schen  Sammlung  in  Berlin: 

q  * 


135 


A.  Furtwangler,  Vasen  geometrischen  Stils. 


136 


zu  werden  verdient.  Das  meiste  Interesse  bietet 
jedoch  der  an  Stelle  des  grössten  Umfangs  der 
Vase  angebrachte  Bilderfries  jeder  Seite.  In  der 
Mitte  der  einen  Hälfte  sehen  wir  eine  Gruppe, 
die  trotz  unbehülflichster  Zeichnung  zwei  Löwen 
erkennen  lässt,  die  einen  mit  dem  Schwerte  aus- 
gerüsteten Blann  verschlingen,  indem  sie  ihn  —  in 
einer  übrigens  sehr  unwahrscheinlichen  Stellung  — 
an  Kopf  und  Hintern  mit  den  Zähnen  gefasst  und 
emporgehoben  haben,  wobei  sie  mit  dem  einen 
Vorderbeine  etwas  nachhelfen.  Die  hier  in  den 
ungeschickten  Vasenstil  —  der  die  Darstellung  von 
Löwen  sonst  ganz  ausschliesst  —  übersetzte  Gruppe 
ist  im  wesentlichen  dieselbe,  die  wir  auf  einem 
Goldrelief  gefunden  haben,  das  aus  einem  Grabe 
derselben  Art  vom  Dipylon  stammt  und  unserer 
Vase  ungefähr  gleichaltrig  ist  (Arch.  Ztg.  1884, 
Taf.  9,  2,  vgl.  S.  103  und  über  Löwenkämpfe 
ebenda  1883,  S.  159  ff.).  —  Rechts  davon  steht  ein 
nackter  Mann  mit  einer  Leier,  der  Kitharis  oder 
Phorminx  der  alten  Zeit  mit  nur  vier  Saiten.  So 
sicher  dies  letztere  ein  Zeichen  relativen  Alters  der 
Vase  ist,  so  wenig  kann  es  doch  zu  einer  genauen 
Zeitbestimmung  dienen,  denn  obwohl  Terpander 
um  Ol.  26  das  siebensaitige  Instrument  eingeführt 
zu  haben  scheint,  so  wird  das  einfachere  doch  nicht 
gleich  verschwunden  sein.  Es  mag  indess  daran 
erinnert  werden,  dass  auf  der  alten  melischen  Vase 
bei  Conze,  Mel.  Thongef.  Taf.  4  und  im  Hymnus 
auf  Hermes  V.  51  bereits  die  siebensaitige  Leier 
erscheint.  Vor  jenem  Manne  nun  stehen  zwei  offen- 
bar weibliche  Figuren  mit  Krügen  auf  dem  Kopfe 
und  Zweigen  in  den  Händen;  es  sind  Hydrophoren, 
die  ja  auch  auf  den  attischen  Vasen  gewöhnlich 
Zweige  halten.  Der  eine  Arm  der  Figur  rechts 
wird  durch  den  Rand  abgeschnitten;  die  beiden 
Mädchen  scheinen  dadurch  und  durch  die  für  den 
Tanzreigen  typische  Art  sich  die  Hände  zu  geben 
als  Theil  einer  längeren  Reihe,  eines  Choros  be- 
zeichnet, zu  dem  der  Leierspieler  die  Musik  macht. 
Bekanntlich    zeugen    zahlreiche    Terracotteufunde*) 

Darstellung  einer  .Jagd,  darunter  der  liegende  Hirsch  mit  um- 
gewendetem Kopfe. 

')    Besonders    aus    dem    Ileiligthum    in    Tegca,    s.    Nuove 


davon,  dass  Hydrophoren  in  griechischen  Heilig- 
thümern  chthonischer  Gottheiten,  deren  Gebräuche 
zumeist  sehr  alterthümlich  zu  sein  pflegten,  zum 
Cultpersonale  gehörten;  es  sind  Mädchen,  die 
Wasserkrüge  auf  dem  Kopfe  tragen,  wie  die  hier 
dargestellten,  und  man  möchte  vermuthen,  dass  auch 
diese  letzteren  nebst  dem  sie  begleitenden  Leier- 
spieler im  Dienste  eines  Cultes  gedacht  sind.  — 
Die  Mädchen  sind  hier  wie  nackt  gebildet;  da- 
bei müssen  wir  aber  wohl  bedenken,  dass  dieser 
Stil  nur  ein  gleichsam  abstractes  Bild  menschlicher 
Gestalt  giebt  ohne  Rücksicht  auf  Bekleidung,  und 
dass  der  Maler  wohl  nur  weibliche  Figuren  über- 
haupt, nicht  aber  nackte  Frauen  malen  wollte;  das- 
selbe müssen  wir  bei  der  Vase  mit  dem  Leichen- 
zuge Mon.  d.  I.  IX,  39  annehmen.  Ein  anderer 
Maler  desselben  Kreises  freilich  malt  deutlich  be- 
kleidete Frauen  (ebenda  39,  2). 

Links  von  der  Löwengruppe  sehen  wir  einen 
Zweikampf  mit  dem  Schwerte;  die  beiden  Gegner 
sind  nackt  und  fassen  sich  gegenseitig  am  linken 
Arm,  während  sie  mit  der  Rechten  gegen  einander 
zu  stechen  suchen.  Es  dürfte  eher  nur  ein  Waffen- 
spiel als  wirklicher  Kampf  gemeint  sein.  Der  Zwei- 
kampf als  Agon  war  bei  den  Arkadern,  speciell 
den  Mautineern  Brauch  (Hermippos  und  Ephoros 
bei  Athen,  p.  154  d)  und  kam  auch  anderwärts  bei 
den  Griechen  vor  (s.  ebenda);  alte  Sitte  war  der 
Zweikampf  bei  den  Festen  auch  in  Etrurien,  von 
wo  er  zu  den  Römern  kam  (Nikol.  v.  Damask.  bei 
Athen,  p.  153 f.).  —  Weiter  links  befindet  sich  noch 
eine  Gruppe:  es  stehen  sich  Mann  und  Frau  gegen- 
über; letztere  ist  etwas  kleiner  als  jener;  sie  hält 
mit  beiden  Händen  einen  langen  Zweig  und  er 
greift  nach  ihren  Händen;  er  trägt  das  Schwert  um 
die  Hüfte.  Die  Gruppe  erinnert  sehr  an  den  in 
der  altgriechischen  und  altetruskischen  Kunst  be- 
liebten Typus,    wo    wie   hier  ein  Mann  links  und 


Memorie  d.  Inst.  tav.  6,  6;  Mitth.  d.  athen.  Inst.  IV  S.  171 ;  Votiv- 
relief  beschr.  Arch.  Ztg.  1883  S.  225;  aus  dem  Ileiligthum  in 
Knidos  Newton  Discoveries  pl.  46,  4.  47,  1;  ferner  aus  Athen, 
Megara,  Theben,  Atalanti  und  andern  Orten,  wo  das  Ileiligthum, 
aus  dem  die  E"iguren  stammen,  nicht  mehr  genau  bekannt  ist. 


137 


A.  Fiirtwänglcr,  Vasen  geometrischen  Stils. 


138 


eine  Frau  rechts  stellt  und  er  gegen  sie  etwas  zu- 
dringlich zu  werden  versucht'). 

Die  andere  Seite  entlüilt  drei  Gruppen.  In  der 
Mitte  stehen  sich  zwei  unbewaffnete  Männer  gegen- 
über, deren  Handlung  nicht  ganz  deutlich  ist;  doch 
dürfte  man  am  ehesten  Faustkämpfer  in  ihnen 
sehen.  Links  davon  ist  ein  Tanz  zweier  Bewaffne- 
ter dargestellt,  dem  ein  dritter,  der  indess  nur  das 
Schwert  trägt,  zusieht.  Die  Tänzer,  eben  in  einem 
Sprunge  begriffen  und  mit  beiden  Sohlen  über  der 
Erde  schwebend,  sind  vom  Schilde  bedeckt,  der 
die  übliche  ausgeschnittene  Form  hat,  und  tragen 
jeder  zwei  Lanzen,  wie  denn  die  Bewaffneten  auf 
den  Vasen  dieses  Stiles  in  der  Kegel  zwei  Lanzen 
führen.  Auf  der  anderen  Seite  war  ein  einzelner 
Tänzer  in  einem  noch  viel  stärkeren  Sprunge  dar- 
gestellt; sein  Oberkörper  fehlt  leider  und  man  sieht 
nur  die  emporgezogenen  Beine.  Sein  Tanz  wird 
von  den  Tönen  einer  Leier  begleitet,  die  ein  Mann 
zur  Linken  spielt;  rechts  befinden  sich  zwei  nackte 
Männer,  die  beide  gleichmässig  die  linke  Fuss- 
sohle  heben  und  die  Hände  aufeinander  legen;  sie 
sind  offenbar  in  leichtem  Tanzschritte  begriffen  und 
scheinen  durch  Klatschen  mit  den  Händen  den 
Ehythmus  für  Tanz  und  Musik  anzugeben;  ja  wir 
dürfen  sie  uns  auch  als  singend  denken ;  denn  Ge- 
sang gehörte  zu  einem  solchen  Tanz  mit  Leierspiel. 

Man  darf  in  dieser  k'vonlog  0Qxr]aig  ohne 
Zweifel  die  nvQQixt]  erkennen,  die  in  alter  Zeit 
auf  Cypern  und  Kreta  heimisch  war,  sich  von 
dort  verbreitete  und  auf  Cypern  nQvXig  hiess '"), 
ein  Name,  mit  dem  Kallimachos  den  Waffentanz 
der  Kureten  auf  Kreta  (Hymn.  in  lov.  52)  und  den 
der  Amazonen  im  Culte  der  ephesischen  Artemis 
(Hymn.  in  Dian.  240)  bezeichnet;  er  hängt  mit  dem 
in  der  Ilias  vorkommenden  TiQvXeeg  =  bnlaat  zu- 
sammen, das  als  speciell  gortyuisch  bezeichnet  wird 
(Hesych).  Auf  die  Inseln  im  südlichen  ägeischen 
Meere  werden  wir  als  Herkunft  unserer  Vasengat- 
tung bekanntlich  auch  sonst  vielfach  gewiesen.  — 
Besonderes  Interesse    beansprucht    unsere  Darstel- 

')  Vgl.  über  den  Typus  Milchhöfer,  Anfänge  d.  Kunst  S. 
ISO  ff  ;  meinen  Beiliner  Vasencatalog  Nr.   1573. 

'")    Aristoteles  beim  Schol.  Piud.  Pyth.  2,  127. 


lung  aber,  da  die  Pyrrhiche  hier  zugleich  als  Hyp- 
orchera  erscheint.  Dass  Hyporchemata  zur 
PjTrhiche  gewöhnlich  waren,  ist  bezeugt  (Schol. 
Find.  Pyth.  2,  127).  Die  zwei  Männer  im  ruhigen 
Tanzscliritt  singen  den  Gesang,  den  der  Waffen- 
träger mit  seinen  heftigen  Sprüngen  begleitet:  vuoq- 
Xsaai,  vgl.  Boeckh  de  metris  Find.  p.  270).  Nach 
Sosibios  waren  aber  ra  vnoaxrnxaTiKa  f.iikrj  nävta 
Kq>]tixcc  (Schol.  Find.  Pyth.  2,  127).  —  Mau  nahm 
bisher  an,  dass  die  Pyrrhiche  nur  von  der  Flöte 
begleitet  wurde  (weil  beim  Evöukiog  der  Spar- 
taner die  Flöte  bezeugt  ist");  unsere  Vase  be- 
weist, dass  auch  die  Leier  dazu  gespielt  werden 
konnte  oder  vielleicht  ursprünglich  immer  gespielt 
wurde.  Wenn  aus  den  antiken  Nachrichten  her- 
vorgelit,  dass  die  Pyrrhiche  ein  sehr  rascher  und 
lebhafter  Tanz  war,  so  stimmt  unsere  Darstellung 
damit  trefflich  Uberein.  Der  Tänzer,  der  den 
hohen  Sprung  macht,  kehrt  ebenso  wieder  auf 
einer  anderen  alten  Darstellung  der  Prylis,  auf  die 
ich  früher  einmal  aufmerksam  zu  machen  Gelegen- 
iieit  hatte"'),  auf  einem  in  Etrurien  gefundenen 
Silbergefässe,  das  wahrscheinlich  cyprischer  Her- 
kunft ")  und  etwas  jünger  als  unsere  Vase  ist.  Dort 
finden  sich  auch  Faustkämpfer  und  es  schliesst  sich 
ein  ganzer  Opfer-Festzug  an.  Wie  dort  ist  gewiss 
auch  auf  unserer  Vase  der  Waffentanz  als  ein 
Theil  des  Festgottesdienstes  zu  fassen.  Der  fest- 
liche Chor  der  Hydrophoren  auf  der  anderen  Seite 
passt  nun  sehr  gut  in  diesen  Zusammenhang.  Der 
Maler  unserer  Vase  stellte  also  einzelne  Scenen 
einer  Festfeier  dar,  denen  er  einen  ihm  durch 
die  gleichzeitige  Metallblech-Decoration  überliefer- 
ten Typus,  den  von  Löwen  verschlungnen  Mann 
und  w'ohl  auch  die  Gruppe  von  Mann  und  Frau 
zufügte.  —  Dem  Gegenstande  unserer  Vase  nächst 
verwandt,  freilich  viel  einfacher  ist  die  Moti.  d.  I. 
9,  39,  2  mit  dem  Bilde  des  festlichen  Chorrei- 
gens;   die  Reihe  von   Dreifüssen   rein  griechischer 

")    Vgl.  0.  Müller,  Doiier  II   S.  329. 

'■-')  Bronzefunde  v.  Olympia  (Abb.  d.  Berl.  Akad.  1879) 
S.  56. 

")  Inyhirami,  Mon.  elruschi  III  19.  20;  die  Hälfte  des  Bild- 
frieses auch  in  Müller-Wieseler,  Denkm.  a.  K.  I,  302  b;  Schrei- 
ber, Kulturhist.  Bilderatlas  1,  13,  6. 


139 


A.  FurtwäDgler,  Vasen  geometrischen  Stils. 


140 


Form  auf  derselben  Vase  bedeutet  die  ausgesetzten 
Preise  für  die  Festspiele.  — 

Durch   die   Freundlichkeit  G.  Hirschfeld's    sind 
wir  im  Stande,  in  den  hier  beigegebenen  Vignetten 


noch  einiges  Material  zur  Kenntniss  dieser  Vasen- 
gattung beizubringen.  Die  vorstehende  Abbildung 
zeigt  eine  Bronzefibula  aus  einem  der  Dipylongrä- 
ber'*),  die  genau  übereinstimmt  mit  der  Arch.  Ztg. 
1884  Taf.  9,  3  abgebildeten  goldenen  Fibel  aus 
Athen,  die  demnach  sehr  wahrscheinlich  auch  aus 
einem  der  Dipylongräber  stammt;  im  Uebrigen  ver- 
gleiche man  was  ich  ebenda  S.  105  über  das  Vorkom- 
men des  Typus  bemerkt  habe.  —  Die  beiden  Bilder 
über  dem  Texte  und  an  der  Spize  dieser  Seite  sind 
einer  Vase  des  Akvopolismuseums  in  Athen  entnom- 
men '*).  Der  Zug  der  Krieger  ist  interessant  durch 
die  Rundschilde,  da  die  gewöhnliche  Schildform  auf 
diesen  Vasen  die  längliche  mit  den  Ausschnitten 
ist.  Auch  haben  die  Schilde  in  dem  Vierblatt  schon 
eine  Art  Schildzeichen.  Das  Fragment  einer  Dipy- 
lonvase  in  Wien  zeigt  einen  Kriegerzug  nach  rechts, 

1«)    Erwähnt  Annali  d.  I.   1872  p.  136. 

")    Beschrieben  von  Hirschfeld  Annali  1872  p.  139  Nr.  15. 


wo  abwechselnd  immer  Einer  mit  Rundschild  und 
einem  Ornament  als  Zeichen  und  Einer  mit  ausge- 
schnittenem Schilde  sich  folgen.  Immer  tragen  sie 
je  zwei  Speere.  Das  andere  Bild  mit  dem  Stücke 
einer  Wagenprocession  ist  deshalb  von  Interesse, 
weil  es  meines  Wissens  zum  ersten  Male  auf  einer 
Vase  dieser  Gattung  ein  Viergespann  statt  der  sonst 
vorkommenden  Zwei-  und  Einspänner  zeigt.  Im  ho- 
merischen Epos  erscheinen  Viergespanne  bekannt- 
lich nur  an  wenigen  Stellen  späteren  Ursprungs '*). 
Der  Lenker  sowohl  wie  der  Krieger  auf  dem  Wagen 
haben  Helme  mit  langen  Büschen. 

Die  Schlüsse  auf  Zeit  und  Herkunft  der  ganzen 
Vasengattung  zu  ziehen,  welche  das  vorgeführte 
neue  Material  erlauben  könnte,  ist  hier  nicht  meine 
Absicht.  Und  nur  um  zu  weiteren  Forschungen 
anzuregen,  lasse  ich  noch  in  der  am  Schlüsse  stehen- 
den Abbildung  die  (auf  das  Doppelte  vergrösserte) 
Darstellung  eines  orientalischen  Cyliuders  folgen, 
dessen  Stil  eine  auffallende  Aehulichkeit  in  der  Bil- 
dung der  menschlichen  Gestalt  mit  dem  unserer  Vasen 
hat.  Leider  ist  die  genauere  Herkunft  des  Steines 
unbekannt").  Merkwürdig  ähnlich  ist  auch  die 
Bildung  des  Zweiges  in  der  Hand  der  Frau  und 
die  Art  wie  er  gehalten  wird.  Babylonisch  oder 
assyrisch  ist  der  Cylinder  übrigens  schwerlich;    er 

1«)    S.  Ilelbig,  d.  homer.  Epos  S.  90. 

")  Es  befand  sich  in  einer  einst  dem  Berliner  Musenm  an- 
gebotenen l'rivatsmnmlung  von  babj'Ionischen  Cylindern.  Das 
Material  ist  der  gewöhnliche  dunkle  Stein.  Die  Zeichnung  ist 
nach  einem   Abdruck  geuiiicht. 


141 


M.  Fränkel,  Inschriften  aus  Mytilene. 


142 


wird  vielleicht  in  Kleinasien  gemacht  sein.  Wenn 
auch  die  Frage  noch  offen  zu  lassen  ist,  ob  Cy- 
linder  dieser  Art  den  geometrischen  Vasenstil  als 
Vorbilder  beeinflussten,  so  giebt  der  Cylinder  doch 
wenigstens  eine  merkwürdige  Analogie  zu  den  Va- 
sen und  bestätigt,  dass  deren  Stil  durch  die  Nacli- 
ahmung  vertieft  in  nicht  zu  harten  Stoff  einge- 
schnittener Arbeiten  bedingt  ist,  worauf  Milchhöfer 
hingewiesen  hat,  wie  es  bereits  durch  die  Stil- 
analogie einer  gewissen  in  reicherem  Stein  gearbei- 
teten Gattung  von  mykenischen  und  „Inselsteinen" 
sich  wahrscheinlich  machen  Hess. 

A.    FURTWÄNGLER. 


INSCHRIFTEN  AUS  MYTILENE. 


Dass  wir  die  folgenden  beiden  Inschriften  un- 
mittelbar nach  ihrer  Auffindung  zurKenutniss  unserer 
Leser  bringen  können,  verdanken  wir  dem  Eifer 
und  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Gregorios 
Bernardakis,  Directors  des  grieciiischen  Gymna- 
siums in  Mytilene,  der  Abschriften  derselben  und 
einer  ganzen  Reihe  anderer  eingesandt  hat.  In  dem 
Wunsche,  die  neuen  Funde  möglichst  bald  der  Wis- 
senschaft zugänglich  zumachen  hat  Herr  Bernardakis 
bei  seiner  durch  Amtsgeschäfte  sehr  in  Anspruch 
genommenen  Zeit  die  Inschriften  schnell  copiren 
müssen;  wir  wählen  aus  den  durch  seine  Güte  uns 
zugänglich  gemachten  Urkunden  diejenigen  beiden 
aus,  deren  Text  uns  sicher  genug  scheint,  um  durch 
eine    spätere  Lesung,    die    wir  von    der  grösseren 

[E\öo^£  Tolg  AitwXrng  noii  xovq  Mvtt^rjvaiovg 
[T]dy  qiiXiav  ruv  vnaQxnvaav  diacpvXaaoeiv  xal  inr]&[e- 
[v]a  aysiv  Altiohöv  fir/di  tiöv  tv  u4itiüX/ai  nnXnivn^- 
[ßlvwv  {Toi)g  MvTilTjvaioig  /.irjöa/^iödsv  oq(xwi.ibvov, 
5     i-ir^TE  not    afi<i  iJCTvnvixoi'  jm^re  ttot    alln  e'yxl7]iia 

/LtTjd-f.v.     £1  öi   ii'g  xa  Qvoiä'Cr]  ij  ayrj,  xa  /.lif  Ivcfavia  av\a 
ngaaaeiv  xnv  axqmaynv  aei  zov  evagxnv  ovza 
xai  anndidniiisv  zolg  MvTiXrjvainig,  jiöv  de  a(fai'£ü)v 
xaiadixaCoviag  Tovg  avi'iögovg  xaxa  xcuv  aynv- 
10     xiüv  xai  quatatoviiüv  Caftiav,    av  xa  doxi^iaCiovii, 
\x\vQtovg  eliiuy.     nQtGjievxtti  Ewofiog  QrjQiov, 
Msliörjiuog  'L4iaviog. 

IHqi  CUV  ol  öTQnrayni  ngmldtiai  ngnoTtt^ctiaag  t5\c  ßol- 
l]ag  xai  ol  ngsaßeig  ol  annatalEvxEg  elg  Au\iüliav 
15     a\nayYt.X}.oiai  xai  dnyf.ia  Ijvixav  nag  xio  xnivuj  Ali[(ü}.iov 


Musse[sei  es  des  Herrn  Bernardakis  oder  Anderer 
erwarten,  sehr  wesentliche  Berichtigungen  nicht  er- 
fahren zu  können.  Die  beiden  hier  mitgetbeilten 
Inschriften,  die  beim  Abbruch  der  Kirche  des  hei- 
ligen Simeon  gefunden  wurden,  sind  auch  jedenfalls 
die  bei  weitem  wichtigsten  unter  den  eingesandten. 
Unter  den  übrigen  befindet  sich  ein  anscheinend  ganz 
spätes  Grabepigramm  in  6  Distichen. 

1. 
Stele,  oben  mit  Abschluss,  hoch  1,10  M.,  breit 
47,  dick  13—15  Cm.  Es  lag  auch  ein  Abklatsch 
vor,  der  jedoch  nur  theil weise  helfen  konnte.  — 
Buchstabenformen:  AI0MN£op!2^  Sigma  hat  theils 
ganz  wenig 
Schenkel. 


theils   gar  nicht  auseinanderstehende 


143 


M.  Fränkel,  Inschriften  aus  Mvtilene. 


144 


7i\tQi  Tag  oixrjiÖTttxog  xai  rag  qnliag  a'g  xe  diaf(sv[cüai 
£]lg  xöv  närxa  xqovov  xal  /^tjöeig  ixiqTE  Ahuihijv  ///;[t:«  xÜj- 
v]  xaxoixrjvxojv  kv  ^Ixwllai  firjdeva  Mvxilrjvaicnv  a[yij 
fi]T]daiin&ev  nQfiä/nevng,  /Lir/xs  xaxayQvaiov  f.irjTS  UQÖg  [ä- 

20     fi<pi]xivörixnv  /iiijxE  ngog  aXkn  syxXr]/.ia  i.irjdev-     dtöoyüai  t[w  d- 
«f^]a)  enalvTjaai  x6  xolvov  xwv  uälxiöXwv  xai  xnlg  irQOfÖQOig  xa[i 
njavxaleovxa  xnv  axgoxayov  oxi  svvocog  eyniai  ngog  xd[v 
Säfiov  xov  MvxilT]vanüv  xal  eni/iisXsad-ai  «iTwr  xdv  ß6[X- 
Xav  xal  xov  dttf.iov  xal  xqlg   dqyaig  äet  xalg  xat^iaxaf.i£vaig, 

25     wg  a  xe  cptlia  xal  nlxrjiÖTag  d  imagyniaa  ngog  ^IxwXoig 

dinusvet  eig  xov  nana  xgnvov  xal  aY  xi  xivog  dsviovxai  n[ä- 
ga]   rag  nnXtng  iog  saxac  avxoiai  nävxa  slg  xr)  dvvaxov,  £naiv[rj- 
aai  Se  xal  xnlg  ngioßsig  Evvn/.inv  Qrjglaov,  MElsdannv  Äß[n- 
vjxsiov  xal  aitcpäviuaai  avxoig  sv  xoig  Jiovvaioiai  ygi>a[eiü 

30     ax£(pavü)  xax    6vöi.iaxog,  oxi  xiov  xe  n{nli\vav  xivag  xiov  in- 

\vx\ü}v  iv  risXonoväaiü  elvxgojaavxo  xal  eTigaa{a)ov  eni  xd  E^\i- 
nef.tq>&ev  ngoit^viiiiog,  xn  de  ip[d]q)iai.ia  xovxn  xal  xn  Tidg  ^h(ülio[v 
y]gaüiavxag  xnl(g')  i^sxdaiaig  elg  (a)xdXav   ■Ifs/.isvai  slg  j'£o[j'? 
xcü  AaxXanUü.  xov  de  xafxiav  xnv  k'ni  xäg  dinixeaiog  dnf.i[£- 

35     vai  avxniat,  xn  xe  avdlwaav  eig  xoig  alxnaXcuxntg  xal  elg  ig[a 
dgaxf-iacg  xgiaxnaiaig  ÄXei,avögelaig,  xn  ös  dvdXwfta  xnvi[n 
£]fi/isvai  elg  nöling  acaxrjglav.   "Eygaipe  Wasaxag  Evoäfieio[g. 


Die  Ergänzungen  sind  zum  grösseren  Theil 
schon  von  Herrn  Bernardakis  angegeben. 

Die  Inschrift  umfasst  zwei  Decrete,  ein  auf 
die  Mytilenäer  bezügliches  der  Aetoler  und  ein 
durch  dasselbe  veranlasstes  der  Mytilenäer;  in 
dem  letzteren  ist  die  uns  vorliegende  Aufzeich- 
nung angeordnet  (Z.  32 f.).  Während  der  ätoli- 
sche  Beschluss  manche  dialektische  Formen  enthält 
(noxi,  xdv,  xa,  dnodid6(.iev,  ^a^iia,  el^tev),  ist  der 
zweite  ein  seiir  werthvolles  Denkmal  des  äolischen 
Dialekts. 

Das  ätolische  Decret  ist  in  seinem  Eingange, 
natürlich  bis  auf  den  Namen  der  zweiten  Partei, 
identisch  mit  einem  sclion  früher  bekannten  (C.  /.  Gr. 
2350.  LeBas  VoyageUnryd.  DittenbergerS!//%el83), 
nur  dass  das  im  Folgenden  gesperrt  Gegebene  in  der 
neuen  Inschrift  fehlt  und  statt  des  Mediums  noli- 
xevo/^evwv  das  gleichbedeutende  Activuni  gesetzt 
ist:  tdnS,ev  xoig  Ahiolnlg,  noxl  xovg  {Ke]iovg  xdv 
(fiXiav  xdv  vnagyjwaav  diacpvXdaaeiv  xai  fiTj&eva 
äyeiv  AliioXiüv  /.irjöe  xiiiv  sv  AhcüXla  nnXixevöv- 
xcov  xovg  Keinvg,  (.irjöanoitsv  6g/^ü)/.tsvov,  /xijze 
xaxd  yäv  fxt]xe  xaxd  &äXttTxav,  /xijxe  not" 
a(j.(fixxvnviK6v  iiyxXt]/.ia  /.iijxe  nnz'  aXXn  syxXrjfxa 
fxTj^iv,  log  AlxcüXiüv  ovxwv  xwv  Ksüov.  Audi 
die  weitere  Fassung  bietet  nach  Iniialt  und  Form 
die  grösste  Aehnlichkeit:    ei  de  xi'g    xa    dyei.    xovg 


Ksinvg,  xov  axgaxayov  asi  xov  s'vag"/ov  [ov')xa')  zd 
iv  .AixiüXiav  xaxayo/iisva  [avaTigdaa]nvza'')  xvgiov 
eip.sv,  xai  zovg  ovvsdgnvg  xaxaöixdCovxag  xoJg 
Keioig  [xazd  tw]»»')  d[y6vxtov  ai]xo[vg  Ca]iiiiav,  ay 
xa  doxcfiäCiüvxi,   xvgiovg  eifisv.  —  Ebenfalls   recht 

^)  So  ist  auf  Grund  der  neuen  Inschrift  zu  lesen,  indem 
das  zweite  ov  auf  dem  Steine  ausgelassen  wurde.  Dittenberger 
zweifelte  schon  an  Bockh's  h'ÜQXovict ;  er  wollte  i«  als  durch 
Dittographie  entstanden  streichen. 

-)  Böckh  ergänzte  xajttäiy.nC\ovTn,  was  auch  Dittenberger 
beibehält.  Der  Erstere  übersetzt;  „praetor  potestatem  habeto  ea 
Ceis  adiudicandi,  quae  in  Aeloliam  adducta  fuerint";  aber  xara- 
ihxäCiiv  heisst  stets  ,verurtheilen',  nie  ,zuerliennen'  und  es  nimmt 
niemals  den  Gegenstand  des  Processes  im  Accusativ  zu  sich, 
sondern  die  Strafe :  correct  gebraucht  steht  das  Wort  so  in  der 
nächsten  Zeile  derselben  Inschrift,  üeberdies  könnte  der  Dativ 
ToTs  Kffoi;  nicht  fehlen.  Die  Bedeutung  der  Stelle  hat  Bockh's 
Scharfsinn  besser  getroffen  wie  den  Wortlaut;  durch  die  neue 
Inschrift  scheint  beides  ausser  Zweifel  gesetzt  zu  sein:  die  Güter, 
die  der  Struteg  eintreiben  kann,  sind  natürlich  nur  die  f^ifnv(n; 
dass  sie  den  Eigenthümern  zurückgegeben  werden  sollen,  durfte 
als  selbstverständlich  ausgelassen  werden;  sind  die  Güter  aber 
nicht  eintreibbar,  also  (\(fnv(ct,  so  muss  durch  gerichtmässiges 
Verfahren  eine  Schätzung  des  zu  leistenden  Ersatzes  eintreten, 
und  wenn  gesagt  wird,  dass  die  Verurtheilung  in  denselben  zu 
Gunsten  der  Keer  (rofs  KtCüig)  erfolgen  soll,  so  ist  damit  aus- 
gedrückt, dass  diesen  die  ganze  Strafsuniuie  zufällt;  dass  also  ledig- 
lich auf  Ersatz,  nicht  auch  auf  jirocessualische  Busse  erkannt  wird. 

')  Dass  so  zu  ergänzen  ist,  zeigt  die  neue  Inschrift.  Böckh 
schrieb  [thi'tw]!',  was  auch  ohne  dies  neue  Zuugniss  nicht  zu 
billigen  wäre. 


145 


M.  Fränkel,  Inschriften  aus  Mytilene. 


146 


ähnlich  ist  das  Decret  C.  I.  Gr.  304G  (besser  bei 
Waddingtoü  in  den  Explications  zai  Le  Bas  Asie  85), 
in  welchem  die  Aetoler  den  Tcern  Freundschaft  und 
Asylie  gewähren;  hier  findet  sich  wie  in  unserer 
Insclirift  die  Unterscheidung  zwischen  verborgenen 
und  oflenbaren  Gütern,  die  geraubt  worden  sind: 
(el  de  Tig  xa  ayrj  rj  amovg  ij  rd  ex  tag  nökiog  ?] 
ytjQag,  zu  /itiv  ejnqiavrj  avariQaaasiv  xnv  aTQaTaydv 
xal  Tovg  avviÖQOvg  ael  lovg  ivagyniig,  zwv  de 
aqiaveiav  vnodlxnvg  etfxev  xnvg  ayvi^xorag  xtX.).  ■ — 
l'eber  die  Zeit  unserer  Inschrift  werden  wir  unten 
zu  Z.  22  sprechen. 

Z.  4.  Der  Stein  hat  nach  dem  Zeuguiss  von 
Abschrift  und  Abklatsch  ngog  Mvtili^vaiotg,  was 
keinen  Sinn  giebt.  In  der  Recapitulation  des  äto- 
lischen  Besclilusses  in  dem  äolischen  Decret  stellt 
an  der  entsprechenden  Stelle  (Z.  18)  (.nqdeva  Mvzi- 
Xrjvttitov^  in  dem  übereinstimmenden  auf  die  Keer 
bezüglichen  Beschluss  xovg  Keinvg;  C.  I.  Gr.  3046 
xai  ixi^&iva  Ahiolüiv  firjde  tüjv  ev  AlrwUcf  xatoi- 
xeni'Tiov  ayeiv  tovg  Trjiovg.  Es  kann  also  kein  Zwei- 
fel sein,  dass  tovg  Mviilrjvalovg  als  Object  zu  aysiv 
geschrieben  werden  sollte;  wir  haben  angenommen, 
dass  es  dem  lesbischen  Steinmetzen  im  Sinne  lag, 
die  ihm  geläufige  Form  TO<c^^i'r<A);j'«/ofe  ebenso  ein- 
zuschwärzeu  wie  er  es  Z.  7  in  dem  Worte  OTQÖxayov 
gethan  hat.  Indem  er  dann  nqög  für  ro/g  schrieb, 
ist  ihm  eine  neue  Verwechselung  dieser  Art  unter- 
gelaufen; denn  Z.  1  beweist,  dass  im  ätolischen 
Original  noti  gestanden  hätte.  —  Dass  das  ayeiv 
nicht  bloss  gegenüber  den  Personen  der  Mj'tilenäer, 
sondern  auch  gegenüber  ihrem  Eigenthum  unter- 
sagt sein  soll,  zeigt  das  Neutrum  lä  hcpavea  in  Z.  6, 
wie  der  ganze  Inhalt  der  Bestimmung  Z.  6  ff.  Cor- 
reeter  drückt  sich  C.  /.  Gr.  3046  in  der  oben  aus- 
geschriebenen Stelle  aus. 

Z.  6  QvaiäC'],  ayt).  Die  Auslassung  des  Iota 
in  den  Conjunctivendungeu  kommt  nur  auf  Eechnung 
der  mytilenäischen  Wiedergabe,  nicht  des  ätolischen 
Originals;  vgl.  zu  Z.  18.  —  Ueber  den  Bedeutungs- 
unterschied zwi>chen  qvaiäuEiv  und  ayeiv  s.  zu  Z.  19. 

Z.  8ff.  zwvöi  dcpavecov  gehört  zu  ^a^iiav;  xvgiovg 
elfiev  ist  mit  dem  Particip  construirt,  wie  C.  I.  Gr. 
2350  (s.  oben),  wo  Böckh  noch  1693 ff.  2360  an- 
führt. „Für  das  Verborgene  aber  sollen  die  Syne- 
dren  diejenigen,  die  es  geraubt  und  fortgeführt  ha- 
ben, in  eine  Busse,  so  hoch  sie  dieselbe  für  ange- 
messen halten,  zu  verurtheilen  befugt  sein." 

Z.  11.  Der  Vater  des  Eunomos  hiess  nach  Aus- 
weis von  Z.  28  QrjQiag. 

Archiiolog.  Ztf.    Jahrgang  XLni. 


Von  den  dialektischen  Formen  des  Decretes  der 
Mytilenäer  wollen  wir  im  Folgenden  nur  die  merk- 
würdigeren hervorlieben. 

Z.  13.  ngoTi&eiai,  vgl.  l'eiai  bei  Sappho  Fragm. 
16.  —  TtQoaia^alaag  für  ngoaiaSäat^g,  wie  nalaa 
für  näaa  u.  A.,  s.  Meister    Griech.  Dialekte  I  S.  TD. 

Z.  15.  ijvixav,  yg].  e^e[vi]xd^ievog  in  der  grossen 
Inschrift  von  Eresos  bei  Conze  Reisen  auf  Lesbos 
Taf.  12  A  (Collitz  Dialektinschriften  281)  Z.  5/6. 

Z.  18.  Man  erwartet  xaxoixivTwv  nach  der  Ana- 
logie von  ßai^6evTi,{^=ßot^&ovvTi)Q>Q\\\tz  281A,27und 
of-iovöevreg  214,30;  noiivxiov  überliefern  die  Gram- 
matiker (s.  Meister  S.  174);  Ahrens  hat  die  analogen 
Formen  gewiss  mit  Recht  mehrfach  hergestellt  (Al- 
caeus  Fragm.  18.  37.  102).  Unser  xaxoLxr\vTiov  hat 
aber  eine  beachtenswerthe  Analogie  in  dem  divt^vz^eg 
zweier  Handschriften  bei  Sappho  1,11  statt  ölvevvxeg. 
—  Iota  ist  am  Ende  von  AliwXiai  geschrieben, 
während  es  sonst  überall  (Z.  21  däfxit).,  30  axs(pävw, 
31  IleXoTioväaw)  fehlt.  Der  äolische  Dialekt  hat 
diesen  Laut  früh  vernachlässigt:  daraus,  dass  er  in 
der  erythräischeu  Inschrift  bei  Collitz  No.  215,  die 
der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  angehört,  ungleich 
häufiger  als  in  der  unsrigen  auftritt,  ist  für  diese 
eine  Zeitbestimmung  nicht  zu  entnehmen,  da  schon 
auf  Inschriften  aus  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts 
das  Iota  fehlt,  die  Schreibung  oder  Fortlassung 
des  längst  nicht  mehr  vorhandenen  Lautes  also 
auf  orthographischer  Willkür  beruht. 

Z.  19.  ogf-iä^evog.  Die  Contraction  von  ao  in 
a  belegt  Meister  S.  97  nur  durch  ag  (aus  aog 
=  eiog)  bei  Theokrit  29, 20. 

xaxaggvaiov.  Bekannt  war  bisher  nur  das 
Simplex  qvoiov]  nach  seinem  Stamme  liegt  iu 
dem  Worte  der  Begriff  des  gewaltsam  Angeeigneten 
(,Beute,  Pfand');  xaxä  verstärkt  den  Begriff  des  andern 
Componenten.  fO]X£  xaxaggvaiov  fehlt  an  der  Stelle 
des  ersten  Beschlusses,  die  hier  reproducirt  wird; 
da  die  Mytilenäer  aber  unmöglich  eine  Bestimmung 
als  von  den  Aetolern  erlassen  hinzudichten  können, 
so  ist  ganz  klar,  dass  sie  die  iu  den  Worten 
el  de  xig  xa  gvaiatrj  Z.  6  thatsächlich  enthaltene 
Erweiterung  der  ätolischen  Zusicherungen  deshalb 
hier  einzuschalten  beabsichtigten,  weil  sie  den  jene 
Worte  einschliessenden  Theil  des  ätolischen  De- 
cretes in  dem  ihrigen  nicht  mehr  rcproducirten. 
Das  Verbot  des  ayeiv  ngog  d^qiixxvovixov  i]  ä?.ko 
eyxlrj^a,  das  Fortführen  auf  Grund  einer  von  irgend- 
wem  erhobenen  Beschwerde,  ist  in  der  That  eine 
unzureichende  Garantie;  firjxe  xaxaggvaiov  enthält 
offenbar  die  noch  fehlende  Zusicherung:    auch  nicht 

10 


147 


M.  Fränkel,  Inschriften  aus  Mytilene. 


148 


bei  mangelnder  Beschwerde  solle  ein  Mj'tilenäer 
ge-  und  beraubt  werden,  auch  nicht  „als  Gegenstand 
des  Raubes"  —  so  muss  man  übersetzen;  gramma- 
tisch stehen  die  Worte  f.irjTE  ^azagguaiov  als  Appo- 
sition zu  firjdsva  MvTilrjvaiiüv.  Daraus  ergiebt  sich 
auch,  dass  in  Z.  6  und  9.  10  aysiv  und  qvoiäCeiv  nicht 
bloss  zur  Verstärkung  neben  einander  gesetzt  sind, 
sondern  auf  Grund  eines  Bedeutungsunterschiedes : 
QvaiäCsiv  ist  einfach  , rauben',  aysiv  , fortführen  auf 
Grund  eines  behaupteten  Rechtes'.  Dass  die  Myti- 
lenäer  die  Sicherstellung  gegen  das  Qvaiä^eiv  in 
ihre  Reproduction  des  ätolischen  Beschlusses  ge- 
flissentlich hineinzogen,  begreift  sich  bei  dem 
räuberischen  Charakter  ihrer  Bundesgenossen  sehr 
leicht.  —  Die  Form  xäza  (sonst  xdt)  spricht 
Meister  S.  191  f.  dem  älteren  Aeolisch  ab;  da  es 
aber  schon  im  4.  Jahrh.  auf  dem  zu  Z.  15  erwähnten 
Decret  aus  Eresos  in  Conipositioii  und  einzeln  vor- 
kommt, wird  man  xoTctQQsi  bei  Sappho  Fr.  4  nicht 
ändern  dürfen. 

Z.  21.  snaivrjoaL  (auch  Z.  27.  28),  s.  Meister 
S.  180. 

Z.  22.  navzalEovza.  Wir  kenneu  in  der  Ge- 
schichte der  Aetoler  zwei  Männer  des  Namens 
Pantaleon.  Nach  dem  Tode  des  Antigonos  Gonatas 
239  V.  Chr.*)  schlössen  die  Achäer  unter  Avat  mit 
den  Aetolern  Frieden  und  Freundschaft  zu  einem 
Bündniss  gegen  Antigonos'  Sohn  Demetrios;  sie 
wurden  dazu  von  Pantaleon  bestimmt,  rw  nlsToTOv 
AhioXüv  övvai-isvo)  (Plutarch  %Arat  33).  Vielleicht 
derselbe  Pantaleon  ist  es,  der  von  Polybios  4, 
57,7.  58,9  im  Jahre  219  als  Vater  des  Archidamos, 
eines  der  Führer  der  verunglückten  Expedition 
gegen  die  achäische  Stadt  Aigeira  genannt  wird. 
Den  zweiten  Mann  des  Namens  finden  wir  bei 
Polybios  20,  9,  2  als  Gesandten  an  den  römischen 
Feldherrn  M.'  Acilius  Glabvio,  als  im  Jahre  191 
Antiochos  der  Grosse  bei  den  Thermopylen,  die  ihm 
verbündeten  Aetoler  bei  Heraklea  den  Römern  unter- 
legen waren.  Er  war  mit  König  Eumenes  II.  von 
Pergamon,  als  dieser  seine  Beschwerden  gegen 
Perseus  von  Makedonien  anbrachte,  im  Jahre  172 
in  Rom  und  gegenwärtig  bei  dem  Ueberfall,  den 
Eumenes,  angeblich  auf  Anstiften  des  Perseus,  bei 
der  Rückreise  in  Delphi  erlitt,  wobei  Pantaleon  sich 
tapfer  benahm.  Aeloliae  princeps  nennt  ihn  Livius 
42,  15.')  Bei  Polybios  28,  4,8  fl".  hören  wir  von 
demselben  Manne,  dass  er  im  Jahre  109   in  einer 

*)  Ueber  die  Zeit  s.  Droysen,  Hellenismus  III  1  S.  442. 
^)  Ucber  den  Anfall  vgl.  ausser  Liviiis  noch  Ajipian,  Maccd. 
9,  9,  4.  Polyb.  27,  6. 


Volksversammlung  in  Anwesenheit  der  römischen 
Gesandten  auf  die  gegen  ihn  von  Lykiskos  erhobenen 
Beschuldigungen  eine  heftige  Scene  herbeiführte. 
Dieser  Pantaleon  kann  ganz  gut  der  Enkel  des  älteren 
gewesen  sein,  Sohn  des  Archidamos  nur,  wenn  die 
Ei-eignisse  der  beiden  letzten  Berichte  in  sein  hohes 
Alter  fallen.  In  unserer  Inschrift  werden  wir  den 
jüngeren  Pantaleon  zu  erkennen  haben:  gewiss  näm- 
lich gehört  unser  ätolisehes  Decret  nacli  der  Gleich- 
artigkeit in  Form  und  Inhalt  in  dieselbe  Zeit  wie 
die  oben  angeführten  auf  die  Keer  und  Teer  bezüg- 
lichen C.  /.  Gr.  2350  und  3046,  welches  letztere  sicher 
ungefähr  in  das  Jahr  193  fällt.  Gerade  dieses  Jahr 
ist  es,  in  welchem  die  Aetoler  alle  Anstrengungen 
machten,  um  sich  für  den  bevorstehenden  Kampf  mit 
den  Römern  Bundesgenossen  zu  verschatfen:  zu  Nabis 
von  Sparta,  zu  Pliilipp  von  Makedonien,  zu  Antiochos 
gingen  iln-e  Gesandtsehalteu  (Livius  35,12).  Von 
wem  die  Initiative  zu  dem  Vertrage  mit  Mytilene 
ausgegangen  ist,  können  wir  nicht  wissen:  obwohl 
er  mit  Gesandten  dieser  Stadt  in  Aetolien  abge- 
schlossen wurde,  können  ätolische  Gesandte  vorher 
ebenso  in  Mytilene  gewesen  sein,  wie  solche  zum  Ab- 
schlüsse der  gleiclilautenden  Vereinbarung  in  Keos 
waren*).  Jedenfalls  passen  diese  identischen  Ver- 
träge vollkommen  in  die  Bestrebungen  von  193. 
Das  Jahr  193/192  ist  für  unsere  Inschrift  ausge- 
schlossen, da  in  demselben  Damokritos  Strateg  der 
Aetoler  war');  wir  können  also  mit  Sicherheit  Pan- 
taleon als  Strategen  des  Jahres  194/193  ansehen; 
sein  Vorgänger  von  195/194  muss  Alexander  sein, 
den  Waddington  aus  oifenbar  unzureichendem  Grunde 
in  das  von  uns  dem  Pantaleon  zugewiesene  Jahr  ge- 
setzt bat.  Die  Buchstabenformen  stimmen  zu  unserem 
Ansatz:  sie  sind  identisch  mit  denjenigen  der  zwi- 
schen den  Jahren  222  und  205  liegenden  lesbischen 
Inschrift  Btiltethi  de  corr.  hellen.  IV  p.  434  ^)]  die  sicher 
kurz  vor  167  zu  setzende  Inschrift  C.  I.  Gr.  22656 
trägt  einen  etwas  jüngeren  Charakter,  da  sie  nach 
Le  Bas  II  1905  A  hat. 

Um  die  historischen   Beziehungen    hier   zusam- 

'')  ainu{Tny(nvjogiov  ätivoi,']  nnfoßivaavjiov  ii'  K^oi  .  .  . 
heisst  es  in  der  Inschrift.  Der  Vertrag  mit  Xeos  kann  hier 
nicht  herangezogen  werden,  da  derselbe  nur  einer  in  einer  gan- 
zen Reihe  gleichartiger  ist,  welche  dieser  Staat  damals  abschloss. 

')  S.  die  Liste  bei  Waddington    zu  Lebas  Aste  85. 

')  In  der  ganz  gleichzeitigen  Inschrift  Bulletin  VII  p.  37 
giebt  freilich  die  Publikation  TT,  in  der  andern  P,  ein  Unter- 
schied, der  recht  deutlich  beweist,  wie  unzureichend  die  Buch- 
stabenformen für  eine  nähere  Zeitbestimmung  gewöhnlich  sind, 
am  meisten,  wo  unsere  Kenutniss  auf  jedenfalls  ungenügender, 
oft  sogar  unsorgfäUiger  Reproduction  in  Bucbdrucktypen   beruht. 


149 


M.  Friinkel,  Inschriften  aus  Mytilone. 


150 


luenzustellen,  sei  gleich  bemerkt,  dass  die  Kämpfe 
im  Peloponnos,  die  Z.  30f.  erwälint  werden,  die  der 
Acliiier  gegen  Nabis  sein  können.  Wie  freilicii  niytile- 
nisclie  Bürger  dabei  in  Kriegsgefangenschaft  kom- 
men konnten,  wissen  wir  uiciit;  es  kann  auf  blossem 
Zufall  beruhen,  indem  sie  als  Privatleute,  in  Ge- 
schäften oder  zu  irgend  einem  andern  Zwecke,  auf 
dem  Kriegsschauplatze  anwesend  waren. 

Z.  26.  dia^tkVEL  ist  Futurum,  wie  taiai  Z.  27 
heweist,  das  von  demselben  Worte  loq  abhängt. 
Da  als  3.  Person  Pluralis  Futuri  bei  Collitz  214 
Z.  29  si.tfist'£niat  steht,  ist  in  dieser  das  Tempus- 
zeichen e  bewahrt,  im  Singularis  mit  der  Endung 
contrahirt  worden.  —  devwviai.  Ueber  ösvio  = 
decü  (aus  tff/w)  s.  Meister  S.  92. 

Z.  27.  amoiai.  Ueber  die  langen  Formen  des 
Dativ  Pluralis  der  Wörter  auf  og,  die  kurzen  des 
Artikels  (Z.  29  rotg  Jiowalniai)  s.  Meister  S.  164. 

Z.  28/29  JißävTeiov,  Z.  ol  Evaäf^iEins-  Ueber  die 
l)atrouymischen  Adjectiva  auf  eiog  Meister  S.  92. 

Z.  29.  avToiai,  wie  nach  Bernardakis  ausdrück- 
licliem  Zeugnisse  auf  dem  ^>tein  steht,  ist  Schreib- 
fehler. 

Z.  30/31.  £o[vT]tüv.  Die  echt  äolische  Form  vom 
Particip  des  Verbum  substantivum  ist  e/'g,  eVrog, 
Feminin  t'aaa,  s.  Meister  S.  171;  doch  steht  eövrwv 
auch  in  der  dem  4.  Jahrhundert  angehörenden  In- 
schrift Collitz  214  Z.  23. 

Z.  31.  e7iQaa{a)ov.  Dass  nur  ein  Sigma  ge- 
schrieben ist,  bezeugt  Bernardakis  ausdrücklich.  — 
enl  T«  E^liJTteftqi^ev:  „das  wozu  sie  abgesandt 
worden  sind."  Der  Artikel  ist  relativisch  gebraucht, 
wie  auch  Z.  35  tÖ  te  avähoaav^  ein  Gebrauch,  der 
aus  unseren  Inschriften  zwar  bekannt,  aber  in  den- 
selben seltener  ist  als  die  Anwendung  der  gewöhn- 
lichen Relativpronomina  (Meister  S.  168).  —  e^tuEfi- 
if&Ev.  Die  kurze  Form  der  letzten  Person  der  Prä- 
terita  wird  von  den  Grammatikern  auch  dem  äoli- 
schen  Dialekt  beigelegt,  doch  fehlte  es  bisher  in  der 
literarischen  und  inschriftlichen  Uebcrlieferung  an 
jedem  Beispiel ;  s.  Meister  Ö.  187. 

Z.  33.  Das  Öigma  von  rotg  fehlt  auf  dem  Steine, 
das  von  «tg  {^a)väXav  vielleicht  nur  in  der  Ab- 
schrift. —  Das  letzte  Wort  der  Zeile,  von  dem  die 
Abschrift  NEO  giebt  (das  dritte  Zeichen  als  un- 
sicher) wird  schwerlich  etwas  anderes  als  /rempel'  be- 
deuten; naqa  ^ilolsvaiv  vadg  vavog  heisst  es  aber 
in  der  grammatischen  Uebcrlieferung  (s.  Gregor. 
Cor.  ed.  Schäfer  S.  443),  und  so  steht  noch  in  der 
dem  Anfange  unserer  Zeitrechnung  angeliörigen  In- 
schrift C.  I.  Gr.  3524  (Collitz  311).     Da  die  attische 


Form  viojv  ausgeschlossen  ist,  habe  ich  veov  gesetzt, 
ohne  dafür  einstehen  zu  wollen. 

Z.  34.  Tov  tafiiav  tov  e'ni  zäg  dioixiaiog.  Inter- 
essant ist  die  Uebereinstiramung  mit  der  Bezeich- 
nung des  obersten  sittischen  Schatzamtes;  hier  ist 
der  oflicielle  Titel  nur  kurzer  o  (oij  enl  ti]  öioixt]aEi. 
Z.  35.  Iga  =  iequ  s.  Meister  S.  72. 
Z.  36.  dQäyi.iaig  ^Is^avdQEiaig:  Alexanderdrach- 
men  nach  dem  von  Alexander  dem  Grossen  in  sein 
Reich  eingeführten  attischen  Fusse,  damals  der  ver- 
breitetsten  Währung. 

2. 
Oberer   Theil    eines   viereckigen    Pfeilers,   52  Cm. 
hoch,  52  Cm.  breit,   63  Cm.  hoch. 

OMnHION  MAKPEI 
N  E  O  N  e  E  O  <t>  A  N  H  N 
O Y ATTOPOYIPONTA 
MIANKAIANTICTPATH 
5        rONnONTOYkA  IBEieV 
N  I  A  S  A  H  M  A  P  X  O  N  £  T  P  A 
THrONAHMOYPriMAI 
J2NEniMEAHTHNOAfiN 
N  .  S  .  nPESBE 

nln/x7H]inv  MaxQsl- 
vn\i\  viov  Q£0<fdv7]v, 
x]nvaTTnQnviQni',  ta- 
feittv  xal  avTiazQttTrj- 
5  yov  növTov  xal  Bei&v- 

vlag,  örßiaQxnv,  axQazrjynv 
drji^iov  '  Ptüfial- 
lüv,  E7tijitEkrjz>]v  odiüv, 
.  .  .  .,  nQeaßElvvt]v  -  -  - 

Die  Ergänzungen  sind  von  Herrn  Bernardakis, 
der  folgende  Erläuterungen  hinzufügt:  „Ilofint^i'ov 
MaxQEjvnv,  eitieq  oQ&üJg  avfiTiEnki^iJCüxa ,  Xiyovaa 
Tj  IncyQaqifj  drjXniv  Yatog  ßovXEzai  zov  vnazEvaavza 
ziö  EZEi  164  p.  Chr.  laiog  dt  zig  ovx  anEixaziog 
Einot  TOV  nof.inrjiov  zovzov  ekxEiv  z6  yivog  ccno 
nofinr]ittg  MaxQivrjg  zijg  enl  Tißeqlov,  ueqI  ^g 
eni-^i  Taciti  Annales  \'I,  18,  zijg  ngönannov 
EXOvat]g  Qsocfävrjv  exeIvov  zov  MvziXrjVaiov  zov  xal 
avyygacpEa  xal  noXizixov  avöga  (xaza  ^igäßcova  ev 
zFj  ly'  p.  617.  618),  (piXrarov  de  Ilof-ini^Ui)  ziü 
Mäyvo).  'Ev  zu  zqIzuj  azi^qi  Elkijvixolg  ygäfif^aai 
zo  Qiü/xa'i'xöv  qualtiiorvirum  drjkovzai."  Wir  möch- 
ten hinzufügen,  dass  die  Familie  des  hier  ge- 
ehrten Mannes  uns  nicht  zum  ersten  Male  auf 
Inschriften  von  Mytilene  begegnet:  auf  einem 
Archäologischer  Anzeiger  1854  S.  515  von  Newton 
veröffentlichten    Steine    wird  der  Gründer  des  Ge- 

10* 


151 


M.  Fränkel,  Hermes  als  Kind. 


152 


schlechtes,  der  berühmte  Theophanes,  als  aiÖTrjq 
xal  sveQyezag  xal  xtiazag  devregog  Tag  näzQiöng 
geehrt  und  ein  Ehrendecret  für  die  Enkelin  eines 
MÜQxog  no/.inr]ing  MaxQlvog  0£Ofpävvrjg  hat  Kaibel 
Epheiii.  epigr.  11  S.  19  fius  der  Sammlung  des 
Cyriacus  herausgegeben.  Wie  Newton  a.  a.  0.  an- 
führt,   bestätigt   eine   mytilenische  Münze    mit   der 


Aufschrift  Qeoq'ävrjg  d-sng  die  Nachricht  des  Tacitus, 
dass  der  Geschichtschreibcr  nach  seinem  Tode 
göttliche  Ehren  erfahren  habe;  daraus  erklärt  sich 
in  unserer  Inschrift  der  Ausdruck  veog  Qeocpävrig 
als  eine  Form  der  Adulation,  die  den  Nachkommen 
dem  vergötterten  Vorfahren  gleichsetzt,  wie  viog 
Jiövvang  und  dgl. 

Max  Fränkel. 


MISCELLEN. 


HERMES  ALS  KIND 

(Tafel  9). 

Das  Köpfchea,  von  dem  wir  auf  Tafel  9  zwei 
Ansichten  in  natürlicher  Grösse  geben  —  die  eine, 
halb  von  der  Seite  genommene  vor,  die  andere  mit 
den  von  Herrn  Possenti  ausgeführten  Ergänzungen  — , 
befindet  sich  in  Berlin  in  Privatbesitz.  Ueber  seine 
Herkunft  ist  näheres  nicht  zu  ermitteln  gewesen, 
als  dass  der  frühere  Besitzer  es  aus  Italien  mitge- 
bracht hat;  der  Marmor  ist  pentelisch.  Wie  die 
Anwendung  des  Bohrers  zeigt,  stammt  es  aus  spä- 
terer Zeit;  die  Arbeit  ist  aber  von  ausserge wohn- 
licher Trefflichkeit  und  es  ist  dem  Künstler  geglückt, 
die  Formen  eines  wohlgenährten,  etwa  dreijährigen 
Kindes  lebensvoll  und  wahr  wiederzugeben  und  in 
dieselben  den  Ausdruck  schelmischer  Verschmitzt- 
heit zu  legen. 

Eigenthümlich  ist  eine  Anzahl  von  Bohrlöchern, 
die  an  der  Stelle  angebraclit  sind,  wo  die  einzelnen 
Löckchen  sich  über  der  Stirn  von  der  Masse  des 
Haares  lostrennen.  Obwohl  sie  regelmässig  in  einer 
Keihe  angeordnet  sind,  können  sie  doch  einen  an- 


deren Zweck  als  den  einer  Verstärkung  der  Schatten 
nicht  gehabt  haben;  denn  bis  auf  eines  sind  sie 
nicht  tief  genug,  als  dass  sie  zur  Befestigung,  etwa 
eines  metallenen  Haarbandes,  das  hinter  dem  Hute 
verschwindend  gedacht  wäre,  gedient  haben  könnten. 
Ausser  seinem  künstlerischen  Werthe  hat  das 
Köpfchen  auch  einen  gegenständlichen.  Darge- 
stellt ist  unzweifelhaft  Hermes,  da  die  Ansätze 
beider  Flügel  auf  dem  Hute  erhalten  sind;  eine 
statuarische  Darstellung  des  Gottes  in  so  jugend- 
lichem Alter  mit  dem  Flügelhut  scheint  aber  bisher 
nicht  bekannt  zu  sein.  In  einer  Bronze  der  Uffizien') 
trägt  der  in  der  Linken  den  Beutel  haltende,  in 
die  Paenula  gehüllte  Mercur  dieses  Attribut,  doch 
ist  er  hier,  nach  den  Abbildungen  zu  urtheilen,  zwar 
noch  knabenhaft,  aber  doch  in  viel  höherem  Alter 
dargestellt. 

Max  Fränkel. 

Serie  IV,    Vol.  3, 


')  Zannoni    Reale    Galleria    di  Firenzi 
tav.  131.  132.     Müller- Wieseler  28,  313  a. 


153 


154 


ZU  ARCHÄOLOGISCHE 
Die  Proveuienzangalie  des  vorziig-licheu  auf 
Tafel  1  abgebildeten  Reliefs  wird  oben  S.  6f.  ange- 
zweifelt, aber  die  Bezeichnung  „aus  Kleinasien", 
die  ich  bei  der  Aufstellung  des  Objectes  im  kgl. 
Museum  demselben  beigab,  beruht  nicht  allein 
auf  der  Aussage  des  Verkäufers;  die  technischen 
und  stilistischen  Eigenthtiralichkeiten  machen  viel- 
mehr für  Jeden,  der  mit  den  Terracottafunden 
der  letzten  Jahre  näher  vertraut  zu  werden  Gele- 
genheit hatte,  die  Herkunft  aus  Kleinasien  und  zwar 
speciell  aus  der  an  Terracotten  so  ergiebigen  Gegend 
vou  Myrina  und  Kyme  zur  Gewissheit.  Stilistisch 
hat  unser  Eelief  freilich  noch  seinen  besonderen 
Charakter,  der  uns  aber  nicht  irre  machen  darf. 
Nicht  nur  die  strenge  Haltung  des  Mädchens,  auch 
die  Figur  des  Hermes,  namentlich  sein  Kopf  und 
die  Haartracht  desselben,  lassen  die  Einmischung 
von  Zügen  älteren  Stils  erkennen,  die  zum  Uebri- 
gen,  besonders  zu  der  ganz  freien  Gestalt  des 
Charon  im  Contraste  stehen  und  uns  bewusst  und 
beabsichtigt  erscheinen.  Seinem  Gesammtcharakter 
nach  ist  das  Relief  indess  von  dem  Gros  der  Terra- 
cotten jener  Gegend  nicht  zu  trennen;  das  bestätigen 
uns  auch  die  Details  wie  die  Modetracht  der  weib- 
lichen Figur,  die  doppelte  GUrtung  des  Chitons  direct 
unter  der  Brust  und  um  die  Taille,  und  ihre  Haar- 
anordnung. Es  kann  demnach  das  Relief  auch 
kaum  älter  als  um   den  Anfang    des    dritten  oder 


ZEITUNG  1885  TAFEL  1. 

frühestens  das  Ende  des  vierten  .Jahrhunderts  ge- 
setzt werden.  Archaisirende  Elemente  kommen  in 
kleinasiatischen  Terracotten  dieser  Zeit  zuweilen  vor. 

Aber  auch  das  andere  Charonrelief,  das  S.  10 
abgebildet  ist  und  das  ich  zur  Zeit  als  es  noch  im 
Besitze  von  Herrn  Lecuyer  war  genau  untersuchen 
konnte,  stammt  zweifellos  aus  Myrina.  Die  ge- 
rüchtweise Angabe  „Tanlagra"  ist  ganz  werthlos; 
schöne  Terracotten  werden  und  wurden,  namentlich 
bevor  die  kleinasiatischen  Funde  allgemeiner  be- 
kannt waren,  im  Kreise  der  Liebhaber  bekanntlich 
immer  gern  als  aus  Tanagra  stammend  bezeichnet. 
Trotz  der  Verschiedenheiten  von  dem  vorigen  Relief 
werden  beide  Darstellungen  wesentlich  derselben 
Zeit  angehören. 

Eine  dritte  Gruppe  mit  Charon ,  Hermes  und 
einem  Mädchen,  grösser  und  wesentlich  abwei- 
chend von  den  beiden  vorigen  hatte  ich  vor  kurzem 
im  Kunsthaudel  zu  sehen  Gelegenheit;  auch  diese 
stammte  aus  jener  Gegend  Kleinasiens. 

Ein  weiteres  Beispiel  für  die  Benutzung  der  Mo- 
tive attischer  sepulcraler  Kunst  im  Kreise  der  Terra- 
cotten von  Myrina  und  Umgegend  bietet  eine  grosse 
und  prachtvolle  Gruppe  im  Besitze  des  Herrn  Baron 
L.  Hirsch   in  Paris,    die  mehrere  Figuren   um   ein 


Grabmal  versammelt  zeigt. 
Berlin. 


A.  FURTWÄNGLER. 


BEEICHTE. 


ERWERBUNGEN  DER  K. 
I.     Sammlung  der  Sculpturen   und  Abgüsse. 

Indem  ich  mich  auf  die  vollständigeren  Berichte 
über  die  Gesammthätigkeit  der  Abtheilung,  welche 
im  Jahrbuche  der  kgl.  prcussischen  Kunstsammlun- 
gen vierteljährlich  erscheinen,  berufe,  gebe  ich  hier 
nur  eine  Uebersicht  der  Erwerbungen. 

Die  Haupterwerbung  an  Originalen  waren  die 
Sculpturen  der  Sammlung  Saburoff,  64Num- 
mern,  wie  sie  grossentheils  bereits  in  der  Publica- 
tion  dieser  Sammlung  von  Furtwängler   abgebildet 


MUSEEN  IM  JAHRE  1884. 
sind.  Als  wichtigstes  Stück  mag  die  lebensgrosse 
Bronzestatue  (ohne  Kopf)  eines  Jünglings 
(nach  F.  Apollon)  aus  dem  Meere  bei  Attika,  eine 
Arbeit  aus  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  ge- 
nannt sein,  sodann  die  zwei  attischen  Marmor- 
grabstatuen sitzender  Dienerinnen  (4.  Jahrh. 
V.  Chr.),  ausserdem  namentlich  zahlreiche  andere 
attische  Sepulcralsculpturen  derselben  Periode. 
Nicht  unerheblich  waren  auch  die  Zusendungen 
von    Fundstücken    der    dritten    pergameni- 


155 


Erwerbungen  der  k.  Museen  ISS-l. 


156 


sehen  Ausgrabuug-speriode,  wenn  auch  von 
Sculptuien  nur  Bruchstücke  aufweisend,  doch  da- 
runter so  wichtige  wie  das,  durch  welches  die  bis- 
her unbekannte  Breite  der  Altartreppe  bestimmt 
und  damit  in  der  Eeconstruction  des  Monuments 
ein  grosser  Fortschritt  gemacht  werden  konnte. 

Herrn  Grafen  Tyskiewicz  verdankt  die  Abthei- 
lung als  Geschenk  die  leider  stark  verstümmelte 
Porträtherme  des  Piaton  mit  Inschrift  aus  Cas- 
tellanischem  Besitze. 

Diese  und  einige  unbedeutendere  Erwerbungen 
von  Originalen  sind  in  dem  eben  zur  Ausgabe 
gelangten  Verzeichnisse  der  antiken  Sculpturen 
(W.  Spemann's  Verlag)  verzeiclmet. 

Ebenso  ist  der  ganze  Bestand  der  Gips- 
sammluug,  die  Erwerbungen  des  Jahres  1884 
eingeschlossen,  aus  dem  soeben  im  Drucke  fertigen 
Verzeichnisse  der  antiken  Gipsabgüsse  von  Frie- 
derichs, neu  bearbeitet  von  P.  Wolters,  zu  er- 
sehen. 

Besonders  erfreulich  war,  dass  wir  von  vier 
sehr  wichtigen,  bisher  der  Abformung  schwer  zu- 
gänglichen Werken  Abgüsse  erwerben  konnten,  von 
der  Ludovisischen  Galliergruppe,  welche  den 
kgi.  i\luseen  doch  am  wenigsten  fehlen  durfte,  von 
den  delischen  Sculpturen,  unter  denen  aller- 
dings besonders  wichtige  Stücke  leider  noch  immer 
nicht  in  Abgüssen  hergestellt  sind,  von  dem  tha- 
sischen  Nymphenrelief  im  Louvre  (Fröhner 
No.  9- — 11)  und  den  Reliefs  der  Westseite  am 
Grabdenkmal  der  Julier  zu  St.  Remy  (Gla- 
num).  Dieser  letztgenannte  Abguss  durfte  mit  Er- 
laubniss  des  Herrn  Bertrand  über  dem  Gips  des 
Museums  zu  St.  Germain  geformt  werden.  Ausser 
den  beiden  altgriechischen  Reliefs  vom  Es- 
quilin  (Bull,  municipale  IX  Taf.  14.  XI  Taf.  13) 
wurden  sonst  namentlicii  eine  Anzahl  von  Abgüs- 
sen nach  griechischen  Porträtköpfen  ver- 
schiedener Sammlungen  unter  Beistand  der  Herren 
Dilthey  und  Heydemann  angeschafl't. 

Was  von  allen  den  genannten  Erwerbungen 
in  Abgüssen  von  den  k.  Museen  zu  beziehen  ist, 
weist  der  zweite  Nachtrag  zum  Verzeichnisse  der 
im  k.  Museum  verkäuflichen  Gipsabgüsse  (ausge- 
geben am  1.  December  1884,  W.  Spemann's  Verlag) 
nach.  CoNZE. 

II.     Antiquarium. 
A.     Bronzen. 
Statuette  eines  gerüsteten  Jünglings,    der  eben 
den    Schild   anlegt;    streng  -  schöner  Stil   aus    Ita- 


lien. —  Statuette  eines  nackten  ausschreitenden 
Mannes,  archaisch,  aus  Gr-echenland;  Hydria  aus 
Eretria  mit  Silensmaske.   Beides  aus  der  S.  Saburoff. 

—  Frosch  mit  altgriecliisclier  Inschrift,  aus  der 
Peloponues.  —  Grosser  Henkel,  an  dem  ein  nackter 
Jüngling  als  Griff  verwendet  ist,    spät  etruskisch. 

—  Zwei  Geräthbeschläge  in  Form  eines  Giganten 
mit  zwei  Schlangenbeinen,  arcijaisch,  Italien.  — 
Drei   weibliche  Votivfiguren,   archaisch,   etruskisch. 

—  Kleines  Rund  mit  zwei  wapjjenhaft  gegenüber- 
stehenden Löwen  in  Relief,  aus  Kappadocieu,  Ge- 
schenk des  Herrn  Ramsay. 

B.     Terracotten. 

Kleiuasien.  Grosse  Gruppe  eines  Adlers,  der 
eine  allem  Anscheine  nach  weibliche  Figur  in  der- 
selben Weise  emporträgt,  wie  dies  anderwärts  mit 
Ganymed   geschieht;    aus  der  Gegend  von  Myriua. 

Griechenland.  Muse  mit  Kithara,  aus  dem 
Piräus. 

Italien,  a)  Etrurieu  und  Campanien.  Eine 
Sammlung  von  Stirnziegeln  archaischen  Stils,  meist 
sehr  wohl  erhaltene  Stücke;  auch  einige  spätere 
Stiruziegel.  —  Thronsessel  und  Canopus  aus  Chiusi, 
ersterer  mit  eingeritzter  Ornamentik.  —  Kleinere 
campanische  Figuren  späteren  Stils,  u.  A.  eine 
Gauklerin. 

b)  Tarent.  Grössere  Sammlung,  die  mehrere 
Hauptstücke  enthält,  so  ein  grosses  vollständig  er- 
haltenes Exemplar  des  gelagerten  Mannes  im 
archaischen  Stile;  mehrere  vorzügliche  Köpfe  des 
archaischen  und  besonders  des  streng-schönen  Stils. 
Mehrere  Stirnziegel. 

C.     Vasen. 

Die  ganze  Sammlung  Saburoff,  die  wichtigste 
Erwerbung  dieses  Jahres,  ca.  100  Stück  aus  Grie- 
chenland stammender  Vasen;  alle  wichtigeren  Stücke 
werden  in  dem  Werke  „die  Sammlung  Saburoff" 
publicirt;  auch  sind  sämmtliche  bereits  in  meinem 
neuen  Vasenkataloge  beschrieben.  —  Der  letztere 
enthält  auch  die  Beschreibung  der  übrigen  Erwer- 
bungen dieses  Jahres;  es  sind  das  namentlich  Stücke 
aus  der  Sammlung  Castellani  (besonders  No.  2G35. 
4033.  3983.  3912.  4026).  Ferner  das  merkwürdige 
Gefäss  No.  3984;  die  Fragmente  des  Epilykos  4041; 
der  Krater  mit  der  aufsteigenden  Köre  (2(546); 
endlich  die  feine  Kanne  mit  Demeter  und  Köre 
(4053). 

D.     Gemmen  und  Edelmetalle. 

Archaische  Fibel  und  Diadem  von  Gold  aus 
Athen  (abg.  Arch.  Ztg.  1884  Taf.  9,  3.  10,  1).  - 
Goldener  Fingerring,   glatt,  mit  Höhlung  für  einen 


157 


Festsitzung  des  deutschen  archäoloffischen  Instituts  in  Rom. 


158 


Stein;  wahrscheinlich  zum  Vettorsfelder  Goldfund 
gehörig.  —  Fränkischer  rioldschmuck  aus  einem 
Grabe  bei  Rheims,  Vermiichtniss  Sr.  kgl.  Hoiieit 
des  Prinzen  Carl  von  Preussen.  —  Viereckiger 
dunkler  Stein  mit  vertieftem  Bilde  an  sechs  Seiten 
(Tliiere),  sehr  alterthümlich,  aus  Cyperu.  —  Fünf 
der  sog.  „Inselsteine"  aus  Kreta.  —  Carneol,  Scara- 
bäoid:  schlafender  Negerknabe,  strengen  Stils,  aus 
Grieclienland. 

E.     Varia. 
Die    auf  dem    llunsriick    gefundene    Elfeuliein- 
grupi)e  eines    nackten  Mannes,   der   einen  anderen 
auf  dem  Rücken  trägt  (H.  Knebel,    de  sigiio  ebiir- 


neo  nuper  e/fosso),  Geschenk  des  Herrn  Suer- 
mondt.  Nach  Ansicht  des  Unterzeichneten  ist  die 
zwar  vorzüglich  gearbeitete  Gruppe  kein  antikes 
Werk.  —  Mosaikbild  der  Britannia  mit  der  In- 
schrift Pf>ITANNIA,  Brustbild  mit  Thurmkrone  und 
Schleier,  von  Biredschik  am  Euphrat;  von  einem 
Fussboden,  von  dem  andere  Stücke  bereits  1876 
erworben  waren;  Geschenk  des  Herrn  Pressel  in 
Wien.  —  Ein  Bleibarren  von  32  Kilo,  913  Gramm 
Gewicht,  aus  Carthagena;  mit  drei  Stempeln :  yv\.  RAI- 
RVFh  dann  ein  Caduccus,  dann  FER,  Geschenk  Sr. 
kais.  u.  kgl.  Hoheit  des  Kronprinzen. 

A.    FURTWÄNGLER. 


FESTSITZUNG  DES  DEUTSCHEN  ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUTS  IN  ROM. 


Rom,  17.  April.  Anknüpfend  an  die  eben  er- 
folgte Publication  des  Werkes  von  Gaetano  Marini 
über  die  antiken  Doliarinschriften  gab  Herr 
Dr.  Dressel  eine  kurze  Uebersicht  über  die  stadt- 
röniischen  Ziegeleien  der  Kaiserzeit.  Er  wies 
nach,  dass  während  der  allerersten  Kaiserzeit  die 
Fabrication  der  Ziegel  in  Rom  und  Umgegend  fast 
ausschliesslich  von  Privatunternehmern  betrieben 
wurde,  bis  das  kaiserliche  Haus  durch  Anlage  von 
Ziegeleien  auf  eigenem  Boden  allmählig  einen 
Theil  dieses  Industriezweiges  an  sich  zu  bringen 
suchte.  Noch  gegen  Ende  des  1.  Jahrhunderts  ist 
eine  reiche  und  angesehene  Privatfamilie,  die  der 
Domitier,  im  Alleinbesitz  fast  aller  römischen 
Ziegeleien;  von  da  au  bezeichnen  die  Ziegelstempel 
immer  häufiger  Kaiser  und  Kaiserinnen  als  Besitzer 
von  Oefen  und  Prädien,  auf  denen  allerlei  Ziegel- 
werk gefertigt  wird.  Trotzdem  lässt  sich  mit 
Sicherheit  nachweisen,  dass  die  Kaiser  keineswegs 
die  Absicht  des  Monopols  verfolgten:  waren  doch 
eine  Menge  Oefen  im  Besitze  von  Leuten  aus  der 
Nobilität  und  vieler  hochgestellter  Beamten  und 
einflussreicher  Personen,  denen  die  Kaiser  gewisse 
Rücksichten  schuldig  waren. 

Die  politischen  Ereignisse  seit  dem  Beginn  des 
3.  Jahrhunderts  haben  auf  die  Fabrication  des 
Ziegelmaterials  einen  entscheidenden  Einfluss.  So 
verschwinden  die  Ziegelstempel  mit  Septimius  Se- 
verus  und  Caracalla  und  treten  erst  während  der 
Neugestaltungsperiode  unter  Diocletian  und  Con- 
stantin  wieder  auf:  freilich  in  ganz  anderer  Gestalt 
und  mit  ganz    anderen   Formeln    als   früher.     Den 


letzten  Abschnitt  bilden  die  Dachziegel  mit  den 
Namen  des  Theoderich  und  Athalarich. 

Der  zweite  Theil  des  Vortrages  besprach  die 
Ziegelstempel  als  werthvoUes  Hilfsmittel  für  die 
chronologische  Bestimmung  der  antiken  Gebäude. 
Nur  ein  geringer  Theil  der  Stempel  trägt  die  Be- 
zeichnung des  Jahres,  in  welchem  die  Ziegel  an- 
gefertigt sind,  andere  lassen  sich  nur  annähernd 
einem  bestimmten  Zeitabschnitt  zuweisen.  Die  Con- 
suldaten  beginnen  mit  dem  Jahre  110.  Unter 
Hadrian  erreicht  die  Ziegelfabrication  die  höchste 
Blüthe,  zumal  im  Jahre  134,  demselben,  in  welchem 
der  Kaiser  von  seinen  Reisen  definitiv  nach  Rom 
zurückkehrte.  Mit  dem  Jahre  1G4  hört  die  Be- 
zeichnung des  Datums  auf  den  Stempeln  plötzlich 
auf  und  verliert  sich  für  immer.  Die  plötzliche 
Unterbrechung  führte  der  Vortragende  auf  die 
grosse  Pest  zurück,  welche,  aus  dem  Orient  im 
Jahre  162  eingeschleppt,  in  Rom  ungefähr  167  aus- 
brach und  auf  lange  Zeit  die  Gewerbthätigkeit 
lähmte. 

Herr  Professor  Jordan  aus  Königsberg  sprach 
darauf  über  die  von  ihm  in  den  letzten  Tagen 
wieder  aufgenommene  Ausgrabung  des  Vesta- 
tempels  und  legte  einen  Plan  desselben  im  Grund- 
riss  und  Durchschnitt  vor.  Auf  einem  mächtigen, 
runden  Unterbau  aus  braunem  Tuff  liegt  zunächst 
im  Innern  eine  schmale  Schicht  von  kleinen 
Marmorstücken  und  über  dieser  eine  zweite,  etwa 
einen  Meter  dicke  aus  Ziegeln  und  gelben  Tuff- 
stücken, weiche  kreisförmig  einen  Erdkern  umgiebt. 
Von  dem  unteren  Theile  dieses  Baues  gehen  nach 


159 


Festsitzung  des  deutschen  archäologischen  Instituts  in  Rom. 


160 


Westen  die  Reste  einer  Stufenreilie  aus.  Dieser 
Umstand  hatte  den  Vortragenden  schon  früher  zu 
der  Vermutliuug  veranlasst,  dass  die  gelbe  Tuff- 
schicht  nicht  zu  der  ursprünglichen  Anlage  gehöre; 
mehrere  jetzt  ausgeführte  Bohrungen  haben  diese 
Vermuthung  zur  völligen  Gewissheit  erhoben. 
Einmal  ist  diese  obere  Schicht  nicht  stark  genug, 
um  die  Säulen  und  die  Cellamauer  zu  tragen,  dann 
fehlt  aber  auch  der  Raum  für  eine  Stufenreihe, 
welche  bis  auf  die  jetzige  Höhe  hinaufgeführt  haben 
könnte.  Die  erhaltenen  Reste  zeigen  ein  nur  für 
drei  bis  fünf  Stufen  genügendes  Profil,  während  im 
anderen  Falle  zwölf  bis  fünfzehn  Stufen  nöthig 
gewesen  wären.  Es  ist  daher  anzunehmen,  dass 
die  spätere  Erhöhung  frühestens  im  6.  oder  7. 
Jahrhundert  aufgeführt  ist,  der  Zeit,  bis  zu  welclier 
der  Tempel  bestand.  Schwieriger  ist  die  Frage 
nach  dem  architektonischen  System  des  Tempels. 
Ein  Versuch,  den  Durclunesser  des  Rundbaues  nach 
den  Maassen  der  vorhandenen  Cassetten  des  Peri- 
styls  zu  bestimmen,  führte  zu  keinem  sicheren  Re- 
sultat, da  ihre  Erhaltung  eine  zu  mangelhafte  ist; 
dagegen  lässt  der  Umstand,  dass  im  Innern  der 
Substruction  sich  niclits  findet,  worauf  der  obere 
Bau  hätte  basirt  sein  können,  nur  die  Möglichkeit, 
dass  Säulen  und  Mauern  von  den  Tuffparallelepipe- 
den  getragen  wurden,  weiche  radienweise  den 
unteren  Theil  des  Fundamentes  durchziehen.  Dem- 
nach ergiebt  sich  für  den  runden  Oberbau  ein 
Durchmesser  von  vierzehn  bis  fünfzehn  Metern. 

Hieran  knüpfte  der  Vortragende  eine  Bemerkung 
über  die  Tracht  der  Vcstalinnen.  Ein  lateinischer 
Grammatiker  spricht  von  den  ^sex  crities' ,  welche 
ihren  Kopfschmuck  bildeten.  Durch  die  Ausgra- 
bungen sind  vier  unverschleierte  Köpfe  von  Vcsta- 
linnen bekannt  geworden,  und  alle  diese  tragen 
oberhalb  der  Stirn  sechs  Binden,  welche  aus  Haaren 
oder  Wolle  geflocliten  sind. 

Als  weiteres  Resultat  der  neuesten  Ausgrabungen 
ist  hervorzuheben,  dass  die  Bäckerei,  die  Cisterne 
und  die  Vorrathskammer  der  Vestalinuen  aufge- 
deckt sind.  In  der  letzteren  fand  man  an  der 
Hinterwaad  im  Boden  eingegraben  drei  grosse 
Vorrathsgefässe  aus  Thon  und  in  einem  derselben 
eine  grosse  Schale  und  einen  kleinen  Krug  aus 
demselben  Material,  zwar  der  Teciinik  nach  aus 
der  späteren  Kaiserzeit,  aber  in  der  Form  der 
ältesten  Gefässe.  Der  Vortragende  vermuthete, 
dass  sie  für  die  ,mola  salsa'  benützt  worden  seien. 
Endlich  haben  sich  im  Westen  bei  den  Stufen  der 
Tempeltreppe    die    gut   erhaltenen  Reste  einer  Art 


quadratisclien  Brunnens  gefunden.  Er  wird  durch 
sieben  mächtige,  gut  behanene  Peperinblöcke  ge- 
bildet, welche  ihn  auch  nach  unten  zu  völlig  ab- 
schliessen,  und  ist  etwa  einen  Meter  breit  und  2,07 
Meter  tief.  Es  scheint,  dass  diese  Grube  zur  Auf- 
bewahrung des  heiligen  Tempelkehrichts,  des 
'stercus  Vestae'  diente,  welcher  einmal  in  jedem 
Jahre  herausgenommen  und  nach  dem  clicus  Capi- 
tolinus  gebracht  wurde. 

Herr  Professor  Mommsen  besprach  eine  vor 
wenigen  Tagen  in  Pratica,  dem  alten  Lanuvium 
gefundene  Inschrift.  Dieselbe  bezieht  sich  auf 
einen  schon  aus  einer  pompejanischen  Inschrift 
(Wilmauns  1746)  bekannten  Mann  aus  der  Zeit 
des  Claudius,  Sp.  Turranius  Proculus  Gellianus, 
welcher  eine  Anzahl  merkwürdiger  priesterlicher 
Aemter  bekleidete.  Er  war  u.  A.  paler  patralus 
populi  fjaiirentis  foederis  ex  libris  Sibyllinis  per- 
cutiendi  cum  p.  R.,  ferner  sacrorum  principiorum 
populi  Romatd  Quiriiium  ttominisqne  Lat'mi  quai  apud 
Laurentum  coluntur  flainen  Diatis,  lauter  Priester- 
fhümer,  die  uns  in  die  Urzeit  Roms  zurückführen. 
Die  Inschrift  ist  zwar  fragmentirt,  aber  mit  Sicher- 
heit zu  ergänzen.  Der  Zeit  nach  steht  sie  etwas 
vor  der  pompejanischen:  sie  gehört  noch  in  die 
letzten  Regierungsjahre  des  Tiberius. 

Herr  Professor  Henzen  legte  eine  in  der  Nähe 
des  Monte  Testaccio  gefundene  Inschrift  in  einem 
Abklatsche  vor,  welche  von  den  Mitgliedern  eines 
colleglum  salulare  dem  numen  domus  Auguslae,  dem 
Aesculapius  und  der  Salus  geweiht  ist.  Inter- 
essant ist  dieselbe  zunächst  durch  die  Erwähnung 
der  praedia  Galbana.  Diese  stehen  ohne  Zweifel 
in  Beziehung  zu  den  horrea  Galbiana,  welche,  wie 
aus  früheren  Funden  bekannt  ist,  am  Tiber  unter 
dem  Abhänge  des  Aventin,  also  in  der  Nähe  des 
Fundortes  unserer  Inschrift  lagen.  Es  waren  dies 
Getreidemagazine,  welche  Augustus  für  die  Ver- 
sorgung eines  Theiles  der  Stadtgarnison  (cohortes 
urbanae  tres)  einrichtete,  und  welche  ihren  Namen 
von  einem  Sulpicius  Galba  erhielten.  Da  die  De- 
dicanten  nun,  wie  die  Inschrift  besagt,  einen  Platz 
von  dem  procurator  rationis  palrimomi  angewiesen 
erhalten  hatten,  so  müssen  die  praedia  zum  Do- 
manialgut  des  Kaisers  gehört  haben.  Das  7iumeti 
domus  Auguslae  findet  sich  höcbst  selten  und  mit 
einer  einzigeu  Ausnahme  (C.  I.  L.  VIII  4199)  nur 
auf  stadtrömischen  Denkmälern,  welche  meist  mit 
der  kaiserlichen  Dienerschaft  in  Verbindung  stehen. 
Das  coUeginm  salulare,  zu  welchem  sich  die  Wei- 
henden vereinigt  liaben,  ist   die  Bezeichnung  einer 


161 


Sitzungsberichte. 


162 


in  den  eisten  Jahrliunderten  der  Kaiserzeit  häufigen 
Genossenschaft,  deren  Mitglieder  durch  gemeinsame 
Beiträge  eine  Begräbnisslcasse  zusammenbrachten. 
Das  unsrige  hatte  ausser  einem  Vorstand  von  drei 
Personen  drei  als  immunes  bezeiclinete  Elirenmit- 
glieder  und  53  zalilende  Mitglieder  (phbs).  Was 
die  Zeit  der  Inschrift  betritift,  so  fehlen  directe 
Angaben,  doch  lässt  sich  aus  den  Namen  und 
anderen  Judicien  schiiessen,  dass  sie  etwa  in  die 
hadrianische  Periode  gehört. 

Der  Vortragende  machte  sodann  die  .Mittheilung 
von  einer  dem  Institut  zu  Theil  gewordenen  werth- 
vollen  Schenkung.  Herr  Baron  von  Platner^ 
der  schon  gelegentlich  des  Institutsjubiläunis  1879 
seine  reiche  Bibliothek  italienischer  Staaten-  und 
Städtegeschichten    als    Geschenk    Übermacht    hatte, 


hat  jetzt  eine  zweite  Sammlung  desselben  Inhalts 
geschenkt,  welche,  mit  der  ersten  vereinigt  und  mit 
dem  Namen  des  verdienten  Stifters  bezeichnet,  als 
besondere  Abtheilung  der  Institutsbibliothek  aufge- 
stellt wird.  Das  Institut  besitzt  in  dieser  jetzt  über 
GOOO  Bände  zählenden  Abtheilung  eine  so  reiche 
uud  vollständige  Sammlung  auf  diesem  Gebiete  wie 
sie  sonst  scinverlicli  anzutreffen  sein  wird. 

Der  Vortragende  scliloss  mit  den  Worten  des 
Dankes  an  diejenigen,  welche  durcli  iiire  Theil- 
nahmc  an  den  Sitzungen  dazu  beigetragen  haben, 
dass  der  alte  Zweck  unseres  Instituts  erreicht 
werde,  einen  wissenschaftlichen  Sammelpunkt  zu 
bilden  für  die  in  Rom  weilenden  Gelehrten,  nament- 
lich Deutsche  und  Italiener. 


Archäologische  Gesellschaft  in  Berlin. 


Sitzung  vom  5.  Mai.  Eingegangen  waren  u.  A. 
Hauck,  die  Grenzen  zwisclien  Malerei  und  Plastik; 
Pervauoglu,  Corcyra;  Papers  of  the  american 
school  at  Athens;  Imhoof-Bluiner,  Griechische 
Münzen  aus  Klagenfnrt;  Schreiber,  Rom.  Fnndbe- 
richte;  Six,  de  Gorgone;  Hirsch,  De  tinminibus 
oppidorum  Phrygiae;  Ziemann,  De  anathemalis 
Graecis;  Bruchmann,  De  ApoUiiie  et  Minerva  düs 
medicis.  —  Herr  Adler  besprach  die  Befestigungen 
von  Troia,  Tiryns  und  Mykenae.  Er  suchte 
an  den  Mauern  und  Thoren  von  Troia  die  Existenz 
des  Flankirungssystems,  welches  Hauptmann  Steffen 
für  die  heroische  Zeit  geläugnet  hat,  nachzuweisen, 
hob  flir  Tiryns  die  musterhafte  Ausnutzung  des 
Platzes  und  die  merkwürdigen  Jlauerprofile  hervor 
und  sprach  für  Mykenae  auf  Grund  der  Ausgra- 
bungsberichte uud  eigener  Untersuchungen  die  von 
ihm  schon  früher  geäusserte  Ansicht  aus,  dass  die 
von  Dr.  Öchliemann  aufgedeckten  Burggräber  älter 
seien,  als  die  gleichzeitig  mit  dem  Löwenthore  er- 
baute südliche  Ringmauer.  —  Herr  H  übner  legte  den 
soeben  von  ihm  herausgegebenen  Band  der  Exem- 
pla  scripturae  epigraphicae  Latinae  vor,  wel- 
cher eine  Ergänzung  zum  Corpus  Inscr.  Lal.  bildet 
und  die  Paläographie  der  lateinischen  Inschriften 
aus    der  Zeit   von  Cäsars   Tod    bis   auf  Justinian 

Archiiolog.  Ztg.   J.ihrgaiif:  XLIII. 


durch  1200  ausgevväiilte  Proben  der  verschiedenen 


Scluiftarten    erläutert. 


Ausführliche    Prolegomena 


legen  die  Besonderheiten  derselben  dar.  Die  Bei- 
spiele selbst,  nach  Papierabdrucken  der  Originale 
zinkotj-pirt,  sind  in  die  zwei  Hauptgruppen  der 
monumentalen  uud  der  urkundlichen  Schrift  ge- 
getlieilt  und  innerhalb  dieser  nach  chronologischen 
Gesichtspunkten  geordnet.  Drei  Register  beschliessen 
das  Werk,  welches  iioffentlich  dazu  beitragen  wird, 
die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  auf  die  paläo- 
graphische  Seite  der  Inschriftenkunde  zu  lenken.  — 
Herr  Furtwängler  legte  Abgüsse  eines  neuerdings 
vom  konigl.  Antiquariuin  angekauften  Skarabäus 
aus  Orvieto  vor,  der  sowohl  durch  seine  streng 
alterthümliche  und  sehr  sorgfältige  Arbeit,  als  auch 
dureli  die  Darstellung,  in  welcher  der  Vortragende 
den  vom  Pfeil  des  Apollo  getroffenen  Tityos  er- 
kannte, von  Bedeutung  ist.  Ferner  legte  derselbe 
eine  Zeichnung  nach  einem  Skarabäus  im  Privat- 
besitz vor,  dessen  Bild  er  als  Prometheus  deutete, 
der  von  Hephästos  angeschmiedet  wird.  —  Herr 
Curtius  besprach  das  jüngst  in  Athen  gefundene 
und  von  Knmanudes  in  der  Ephemeris  veröffent- 
lichte Psephisraa  aus  dem  Archontat  des  Antiphon 
(41<S  v.  Chr.),  welches  für  die  Topographie  wie 
für  die  Geschichte   der  Kulte  von   hervorragender 

11 


163 


Sitzungsberichte. 


164 


Wichtigkeit  ist.  Die  Urkunde  bezieht  sich  auf  die 
Verpachtung  des  „Heiligthums  des  Kodros  und  des 
Neleus  und  der  Basile",  welches  in  einer  von 
einem  Graben  durcbflossenen  Niederung  lag,  zum 
Zweck  seiner  Wiederherstellung.  Der  Pächter  soll 
über  den  Graben  uud  alles  Regenwasser  eines  Be- 
zirks verfügen,  dessen  vier  Grenzen  genau  ange- 
geben sind.  Derselbe  lag  danach  im  Quartier 
Limnä,  das  durch  den  nach  dem  Ilisos  geführten 
Graben  entwässert  wurde,  so  dass  das  Heiligthum 
in  der  Gegend  des  jetzigen  Militärhospitals  zu 
suchen  ist.  Von  den  drei  Inhabern  desselben  wird 
Neleus  auch  allein,  und  nach  ihm  das  Ganze  Neleion 
genannt,  also  ein  Heroon  des  Sohnes  des  Kodros, 
des  Gründers  der  ionischen  Städte.  Vermuthlich 
ist  diese  Stiftung,  welche  die  Beziehungen  zwischen 
Athen  und  lonien  so  stark  betont,  in  der  Zeit  des 
Themistokles  erfolgt,  als  es  sich  um  die  Betheili- 
gung am  ionischen  Aufstand  handelte.  In  der 
„Basile"  erkennt  der  Vortragende  eine  Personifica- 
tion  des  alten  Königthums  (Baaih),  so  auch  die 
besten  Handschriften  im  Anfang  des  platonischen 
Charmides),  von  der  sich  Spuren  auch  in  dem 
Volksmärchen  von  Basileia,  der  Uranostochter,  der 
Erzieherin  ihrer  jüngeren  Geschwister,  finden.  Wahr- 
scheinlich waren  nach  einheimischer  Ueberlieferung 
auch  Kodros'  üeberreste  von  dem  Platze,  wo  er 
gefallen,  hierher  gebracht  worden,  wie  ja  das  Ko- 
dros-Epigramm  (Kaibel  1083)  auch  beide  Stätten 
unterscheidet  und  mit  dem  Ende  des  Königthums 
die  Gründung  der  Dodekapolis  von  lonien  ver- 
knüpft. [Vgl.  die  Ausführungen  des  Herrn  Vortra- 
genden in  den  Sitzungsberichten  der  Akademie  der 
Wissenschaften  1885  S.  437  ff.  mit  einer  die  Lage  des 
Heiligthuras  darstellenden  Kartenskizze  des  Herrn 
Kaupert.]       • 

Sitzung  vom  2.  Juni.  Eingegangen  waren 
u.  A.  Ebers,  Richard  Lepsius;  Benndorf,  Ueber 
eine  Statue  des  Polyklet  und  Blümner,  Westliches 
Giebelfeld  des  Partlienon  (beides  aus  der  Fest- 
schrift für  Anton  Springer);  Imhoof- Blumer, 
Porträtköpfe  auf  antiken  Münzen  hellenischer  und 
hellenistiselier  Völker  (von  Herrn  Weil  mit  erläu- 
ternden Bemerkungen  begleitet).  —  Herr  0.  Richter 
sprach  über  die  Topographie  des  Palatin,  dessen 
Gebäude  besonders  schwierig  zu  bestimmen  sind 
und  sich  bisher  die  willkürlichsten  Benennungen 
haben  gefallen  lassen  müssen,  weil  jede  inschrift- 
liche oder  anderweitige  Ijegiaubigung  fehlt.  Als 
Beispiele  hierfür  wurden  angefüllt t  der  sog.  Cali- 
gulapalast,   der  frühestens  aus  der  Zeit  Domitians, 


wahrsclieinlich  aber  erst  aus  der  Traians  stamme, 
und  ein  Complex  anscheinend  uralter  Gebäude  an 
der  S.  W.  Ecke  des  Palatin,  die  bisher  'Haus  des 
Romulus'  u.  s.  w.  genannt  wurden,  in  der  That  aber 
ganz  junge,  aus  und  über  den  Trümmern  der  alten 
Befestigungsmauer  errichtete  Bauten  sind.  Auf  die 
litterarisch  bekannten  Tempel  des  Palatin  eingehend, 
erläuterte  der  Vortragende  ausführlich  die  Lage 
der  aedes  Magnae  Malris.  Er  ging  aus  von  einer 
topographischen  Analyse  des  Nordrandes  des  Pala- 
tin, östlich  vom  Titusbogen,  stellte  fest,  dass  die 
Torre  Cariularia  auf  den  Trümmern  eines  grossen 
Tempels  errichtet  gewesen  sei,  und  dass  längs  der 
Sacra  via  zwischen  der  Strasse  und  jenem  Tempel 
eine  Säulenhalle  gelegen  habe,  die  vermuthlich  den 
Vorhof  desselben  umgab.  Durch  Erläuterung  des 
bekannten  Reliefs,  welches  Gebäude  an  der  sacra 
tia  darstellt,  wurde  sodann  dargethan,  dass  der  ge- 
fundene Tempel  derjenige  der  Magna  Mater  sei, 
ein  Resultat,  welches  seine  Bestätigung  u.  A.  in 
der  Orientirung  der  Ruine  und  der  Beschreibung 
der  Oertlichkeit  bei  Martial  (I,  70)  findet.  —  Herr 
Curtius  legte  die  wohlgelungenen  Photographien 
vor,  welche  Herr  Frisch  von  der  Ostfront  und  dem" 
Westgiebel  des  olympischen  Zeusterapels  nach 
den  im  Olympia-Museum  aufgestellten  Modellen  an- 
gefertigt hat.  Von  dem  Westgiebel  sind  zwei  Auf- 
nahmen gemacht  worden,  die  eine  mit  allen  21,  die 
andere  —  unter  Weglassung  der  beiden  Nymphen 
rechts  uud  links  —  mit  19  Figuren.  Bei  einer 
Vergleichung  beider  Ansichten  ersclieint  die  letztere 
vortheilhafter;  man  vermisst  nichts,  das  Gedränge 
und  die  unangenehme  Wiederhoking  zweier  liegen- 
der Frauen  an  jedem  Giebelende  wird  vermieden. 
Die  beiden  einander  vollkommen  gleichen  und  im  Stil 
von  den  übrigen  Figuren  abweichenden  Nymphen  sind 
überflüssig.  —  Herr  Trendelenburg  versuchte,  ob- 
wohl er  die  Archäol.  Ztg.  1884  S.  213  von  Herrn 
Puchstein  gegebene  Berichtigung  anerkannte,  die 
Beziehung  des  Schlangengefässes  im  pcrgamenischen 
Altarfriese  auf  den  Kreis  der  Heilgötter  festzuhalten, 
da  das  Schlangengefäss  auf  Mysteriendienst  hin- 
weise. [Vgl.  Wochenschrift  für  klassische  Philo- 
logie 1885  S.  952.] 

Sitzung  vom  7.  Juli.  Aufgenommen  wurde 
Herr  Professor  0.  Hirsch  fei  d,  ausgeschieden  ist 
Herr  Generalmajor  Bergius.  Eingegangen  waren 
u.  A.:  Pöhlmann,  die  Uebervölkerung  der  antiken 
Grossstädte;  G. Hirschfeld,  Paphlagonische  Felsen- 
gräber; H.  Lewy,  Altes  Stadtrecht  von  Gortyn. 
—  Herr  Furtwängler  berichtete  über  neue  Aus- 


165 


Berichte. 


166 


grabungen  in  Cypeni  auf  Grund  von  Mittliei- 
lungen  des  Herrn  Ohnefalsch -Richter,  welcher  sich 
schon  seit  mehreren  Jahren  dureli  gewissenhafte 
Beobachtung  und  Leitung  von  Ausgrabungen  auf 
Cyperu  um  die  Alterthumskunde  dieser  Insel  grosse 
Verdienste  erworben  bat.  Vor  Kurzem  bat  Herr 
Richter  bei  Dali  ein  Heiligthura  ausgegraben,  das 
nach  den  darin  geweihten  Statuen,  weiblichen  be- 
kleideten Figuren,  die  meist  eine  Blume  an  die  Brust 
drücken,  der  Aphrodite  gehört  zu  haben  scheint. 
Fast  alle  sind  in  altertbUmlichem  Stile  gearbeitet 
und  zeigen  theils  den  ägypto-phönikischen  Typus, 
tbeils  den  eigentbUmlicben  lokalcypriscben,  theils 
den  griechischen  des  alten  und  des  entwickelt  ar- 
chaischen Stils.  Ferner  berichtete  der  Vortragende 
über  die  Resultate,  die  er  aus  den  selir  reichhaltigen 
und  überaus  dankenswerthen  Mittheilungen  Herrn 
Richters  über  die  Geschichte  der  iiltesten  Keramik 
auf  Cypern  ziehen  konnte.  Es  lassen  sich  jetzt 
zwei  grosse  Gruppen  in  den  alteyprischen  Gräbern 
mit  Vasen  scheiden:  die  ältere  entbehrt  jedes  phö- 
nikischen  Einflusses,  die  Gefässe  sind  ohne  Dreh- 
scheibe gemacht  und  nur  linear  verziert;  die  andere 
enthält  die  pbönikisirenden  Gefässe.  Ein  genauer 
Bericht  Herrn  Richters  über  11  von  ihm  geöffnete 
Gräber  der  ersteren  Gruppe  wurde  nebst  den  zu- 
gehörigen Photographien  vorgelegt.  —  Schliesslich 
berichtete  der  Vortragende  kurz  über  die  von  ihm 
besuchte  Auction  der  Bronzen  der  Sammlung 
Greau  in  Paris  im  Juni  d.  J.  und  verweilte  etwas 
länger  bei  der  im  Kataloge  von  Fröhner  pl.  20 
abgebildeten,  jetzt  im  Berliner  Museum  befindlichen 
Statuette  des  Apollon  wegen  ihrer  unverkennbaren 


Verwandtschaft  mit  der  grossen  Bronzestatue  der 
Sammlung  Saburoff,  deren  Deutung  auf  Apollon 
durch  die  neue  Statuette  eine  wesentliche  Bestäti- 
gung empfangen  zu  haben  scheint.  Die  Attribute 
sind  unwesentlich  verschieden:  letztere  hielt  offen- 
bar Bogen  und  Pfeil  in  der  Linken,  in  der  Rech- 
ten einen  LorberbUscliei;  die  Saburoff'sche  wahr- 
scheinlich den  Pfeil  in  der  rechten  und  den  Bogen 
in  der  andern  Hand.  —  Herr  Robert  legte  die 
Photographien  von  sechs  vor  Porta  Salara  in  Rom 
in  einer  Grabkammer  gefundenen,  durch  hohen 
Kunstwerth  ausgezeichneten  Sarkophagen  vor  und 
knüpfte  daran  einige  Bemerkungen  über  die  in  der 
ersten  Hafte  des  2.  nachchristlichen  Jahrhunderts 
gebräuchlichen  Sarkophag- Typen.  —  Herr  Curtius 
machte  Mittheilung  über  eine  von  Herrn  Purgold  aus 
Olympia  eingeschickte,  von  ihm  neuerdings  ge- 
fundene Siegerinschrift,  welche  dem  Postament 
des  von  Pausanias  VI  3,2  erwähnten  Messeniers  So- 
phios  angehörte.  —  Herr  Adler  gab  zu  seinem  letzten 
Vortrage  über  die  Befestigungen  von  Troia,  Tiryns 
und  Mykenä  wesentliche  Ergänzungen,  welche  durch 
die  jüngst  vollendeten  Ausgrabungen  auf  der  Burg 
von  Tiryns  gewonnen  worden  sind.  Dieselben 
beziehen  sich  auf  die  Entdeckung  von  zahlreichen, 
in  den  starken  Ringmauern  angelegten  Räumen, 
welche  durch  Galerien  unter  einander  und  mit  dem 
Palaste  verbunden  waren  und  sicherlich  als  Maga- 
zine, Kasematten  und  Cisternen  gedient  haben.  Be- 
sonders wichtig  erscheint  die  Aufdeckung  einer 
Treppe  von  65  Stufen,  welche  den  geheimen  Burg- 
eingang gebildet  hat. 


Bericht 

über  die  Tbätigkeit  des  Kaiserlich  Deutschen  Archäologischen  Instituts  vom  1.  April  1884  bis  1.  April  1885. 


Die  regelmässige  Plenarversammlung  der  Cen- 
traldirection  fand  vom  7.  bis  10.  April  1884  statt;  in 
ihr  fanden  unter  Anderem  die  Mitgliederernennun- 
gen statt.  Es  wurden  zu  ordentlichen  Mitgliedern 
ernannt:  in  Deutschland  Herr  Puchstein;  in  Frank- 
reich die  Herren  HomoUe  und  Heron  de  Ville- 
fosse;  in  Holland  Herr  J.  P.  Six;  in  Italien  Herr 
Ghirardini;  in  Ocsterreich  Herr  Klein;  in  Eng- 
land Herr  Ramsay;  in  der  Türkei  die  Herren 
Maspero  in  Cairo,  Joh.  Mordtmann  in  Constan- 
tinopel.  Zu  correspondirenden  Mitgliedern  wurden 
ernannt:    in  Deutschland  die  Herren  Ohlenschla- 


ger  in  München,  Arnold  in  Kempten,  Hammeran 
in  Frankfurt  a.  M.,  Keller  in  Mainz;  in  Amerika 
Herr  Jos.  Th.  Clarke  in  Boston,  Herr  J.  R.  Ster- 
rett  aus  Lexington  und  Frau  Lucy  Mitchell  in 
New- York;  in  Frankreicli  die  Herren  Blade  in 
Agen,  de  la  Blanchere  in  Algier,  Cagnat  in 
Douay,  Duchesne  in  Paris,  Poulle  in  Constan- 
tine  und  Sacaze  in  St.  Gaudant;  in  England  die 
Herren  Jebb  in  Glasgow,  Hodgkin  in  Ivewcastle 
und  Nichols  in  Lawford  Hall;  in  Italien  die  Her- 
ren Piccolomini  in  Pisa,  Promis  in  Turin,  Mar- 
tinelli  in  Anagni,  Cicerchia  in  Palestriua,  Ferri 


167 


Berichte. 


168 


in  Florenz,  Tamponi  iu  Terrauuova-Pausania,  so- 
wie die  Herren  DUmmler,  Hülsen,  Kroker, 
Meier  und  Richter,  zur  Zeit  in  Rom;  in  Oester- 
reich  die  Herren  Schneider  in  Wien  und  Gelcich 
in  Ragusa;  in  den  ottomanischen  Staaten  die  Her- 
ren Delattre  in  St.  Louis  de  Carthage,  Nikepho- 
ros,  Erzbischof  von  Methymua,  in  Kalloni,  Fon- 
trier  in  Siuyrna  und  Stamatiadis  in  Sanios;  in 
Portugal  Herr  Colcho  in  Lissabon;  in  Russland 
Herr  Korrolkow  in  Orel;  in  Spanien  Herr  Meli  da 
in  Madrid. 

Für  die  Reisestipendien  wurden  erwählt  und 
erhielten  die  Bestätigung  des  auswärtigen  Amts 
die  Herren  Dümmler,  Kopp,  Marx,  Rossbach 
und  für  das  Stipendium  der  cliristlichen  Archäologie 
Herr  Moritz. 

Die  archäologische  Zeitung,  die  Ephemeris  epi- 
graphica,  die  römischen  Monumenti,  An?iali  und 
Bullettino,  die  Mittheilungen  des  athenischen  Zweig- 
instituts haben  ihren  Fortgang  genommen,  wenn 
auch  das  Erscheinen  der  Monumenti  und  Annali  sich 
etwas  verzögerte. 

Bei  dem  römischen  Zweiginstitute  wurde  na- 
mentlich die  ständige  Beobachtung  der  pompejani- 
schen  Entdeckungen  und  der  etruskischen  Funde 
fortgesetzt,  iu  Orvieto  auch  eine  kleine  Ausgrabung 
unternommen. 

Die  römische  Bibliothek  des  Instituts  wurde 
ausser  den  regelmässigen  Anschaffungen  durch 
Schenkung  einer  Photographieusammlung  von 
Herrn  des  Granges  und  von  Seiten  des  Herrn 
von  Platner  durch  die  werthvoUe  Schenkung  be- 
reichert, durch  welche  die  bereits  früher  dem  In- 
stitute zugewendete  Platner'sche  Sammlung  italischer 
Städtegeschichten  eine  äusserst  erwünschte  Vervoll- 
ständigung erhalten  hat. 

Von  dem  athenischen  Zweigiustitute  gingen  im 
Laufe  des  Rechnungsjahres  namentlich  zwei  grössere 


Unternehmungen  aus,  eine  Ausgrabung  an  der 
Stelle  des  Tempels  von  Sun'on  und  eine  Bereisung 
der  Insel  Greta.  Die  Ausgrabung  leitete  Herr 
Dörpfeld,  die  Bereisuug  unternahm  Herr  Fabricius; 
das  am  meisten  in  die  Augen  fallende  Ergebniss 
der  kretischen  Reise  war  der  Fund  der  grossen 
Inschrift  von  Gortys,  an  welchem  der  italienische 
Reisende  Herr  Halbherr  wesentlichen  Antheil 
nahm. 

Von  den  Unternehmungen  der  Centraldirection 
führte  Herr  Michaelis  das  Repertorium  in  diesem 
Jahre  noch  fort,  Herr  Kekule  mit  Herrn  Otto  die 
Sammlung  der  antiken  Terracotten,  Herr  Robert 
mit  Herrn  Eichler  die  der  römischen  Sarkophage, 
Herr  Körte  die  der  etruskischen  Urnen  und  Spie- 
gel; für  die  Fortsetzung  der  Wiener  Sammlung  der 
griechischen  Grabreliefs  waren  namentlich 
Herr  Kieseritzky  in  St.  Petersburg  und  Herr  Posto- 
lakkas  in  Athen  thätig;  die  kartographische  Auf- 
nahme von  Attika  nahm  unter  Leitung  der  Her- 
ren Curtius  und  Kaupert  durch  die  Herren  Eschen- 
burg, von  Tvvardowski,  von  Zieten  und  Wolff  ihren 
Fortgang. 

Es  erschienen  der  zweite  Band  der  antiken 
Terracotten,  Sicilien  umfassend,  das  zweite  und 
dritte  Heft  der  Fortsetzung  der  etruskischen  Spiegel, 
das  dritte  Heft  der  attischen  Karten.  Die  testamen- 
tarisch verordnete  Herausgabe  der  Iwanoff'schen 
Darstellungen  aus  der  heiligen  Geschichte  schritt 
bis  zur  Ausgabe  des  zehnten  Heftes,  mit  welchem 
das  neue  Testament  abgeschlossen  ist,  vor;  es  wird 
nunmehr  das  alte  Testament  folgen. 

Ein  Erlass  Sr.  Durchlaucht  des  Herrn  Reichs- 
kanzlers vom  9.  März  d.  J.  hat  die  Centraldirection 
aufgefordert,  eine  in  Zukunft  weiter  als  bisher 
gehende  Anwendung  der  deutschen  Sprache  in  den 
Publicationen  und  bei  den  öffentlichen  Sitzungen 
des  römischen  Zweiginstituts  herbeizuführen. 


NACHTRAG  ZU  S.  lOl. 


Herr  Dr.  A.  Herzog,  der  auf  meine  Bitte  die 
Originalplatte  kürzlich  untersucht  hat,  schreibt  mir: 
„einen  Puntello  an  der  betreffenden  Stelle  anzu- 
nehmen   zwingt  nichts;    der  Marmor    ist   hier    nur 


etwas  tiefer  und  rundlicher  zerfressen,  wie  au  vielen 
Stellen.  Gegen  Stab  oder  Dreizack  spricht  die  fest 
geschlossene  Hand." 

F.    VON  DUHN. 


EIN  NEUER  ARESMYTHUS. 


Mit  Ares  bescliäftigt  sich  die  griechische  Voiks- 
sage  und  Poesie  verhältnissmässig  wenig.  Ebenso 
finden  wir  verliältnissiuässig  selten  den  Ares  als 
solchen  oder  Mythen  des  Ares  auf  Darstellungen 
der  bildenden  Kunst.  Es  haftet  dem  thrakischen 
Kriegsgott  stets  etwas  Barbarisches,  etwas  Un- 
griechisches an.  Wüstes  Raufen  und  tobender 
Kampf  ist  ihm  lieb:  deshalb  ist  er  dem  Vater  Zeus 
der  verhassteste  unter  allen  himmlischen  Göttern 
(Hom.  E  890),  und  Athena  behandelt  ihn  im  fünften 
Gesang  der  Ilias  wie  einen  thörichten  Knaben 
(35.  830).  'Den  Bakchos  mit  goldenem  Stirnband, 
den  weinfunkelnden',  bittet  der  Chor  im  König  Oedi- 
pus  210  'die  hell  leuchtende  Fichtenfackel  zu  schleu- 
dern gegen  den  unter  den  Göttern  ungeehrten  Gott.' 
Und  dennoch  ist  Ares  von  hoher  Geburt,  als  Sohn 
des  Zeus  und  der  Hera  allgemein  anerkannt:  kaum 
dass  gegen  diese  Ueberlieferung  die  Notiz  eines 
späten  Mythographen,  der  Enyo  seine  Mutter  nennt 

ArchUolog.  Ztg.  Jalir^:ang  XLIII. 


(Cornutus  21),  und  die  vereinzelte  Sage  bei  Ovid 
Fasti  V  251  ff.,  wo  Juno  von  einer  Blume  schwanger 
den  Mars  gebiert  —  letztere  eine  ursprünglich  ita- 
lische und  wahnscheinlich  nur  gräcisirte  Sage,  wie 
die  Motivirung  mit  der  Athenageburt  des  Zeus  es 
beweist  —  dagegen  in  Betracht  kommen ').  Von 
dem  Ort  und  den  Nebeuumstiinden  seiner  Geburt 
verlautet  in  der  Sage  nichts:  insgemein  gilt  als 
sein  Vaterland  Thrakien;  Epicharm  hatte  ihn  einen 
Spartiaten,  andere  einen  Arkader  genannt  (Clemens 
Alexr.  Protr.  p.  25  P). 

Einen  ganz  neuen  Aresmythus  gewinnen  wir 
durch  die,  wie  mir  scheint,  noch  nicht  gefundene 
Deutung  dreier  auf  italischem  Boden  sicherlich 
unter  griechischem  Einfiuss  entstandener  Bildwerke. 
Das  erste  und  wichtigste  derselben  ist  eine  jetzt  in 
Berlin  befindliche,    philologisch    wie   archäologisch 


')  Usener,  Kliein.  Mus.  XXX  p.  216. 


12 


171 


Fr.  Marx,  Aresmytlius. 


172 


gleich  interessante  Ciste  aus  Palestrina,  welche 
Monum.  IX  Tav.  LVIII  publicirt  und  zuerst  von 
Michaelis  Aimali  1873  p.  221  IT.,  seitdem  öfters  be- 
sprochen ist.  Mehr  als  die  Ansicht,  es  sei  die  Ge- 
burt oder  das  Bad  des  Areskindes  dargestellt,  ist 
im  grossen  und  ganzen  nicht  darüber  vorgebracht 
■worden  (Preller-Jordan,  Piöm.Mythol.  I  S.  343  Anm.). 

Wir  sehen  als  Hauptgegenstand  der  Darstellung 
Atheua  {Menerva),  welche  Helm  und  Schild  hinter 
sich  auf  einen  Fels  gelegt  hat,  um  desto  ungehin- 
derter sich  der  Pflege  eines  jungen  Götterkindes 
widmen  zu  können.  Sie  trägt  die  Aegis,  eine 
kleine  Nike  schwebt  im  Päieken  der  Göttin  auf 
dieselbe  zu.  Vor  Athena  steht  eine  grosse  Urne 
mit  vier  Doppelstreifen  verziert,  aus  welcher  Flam- 
men hervorzusclilagen  scheinen,  und  auf  dem  Eande 
derselben  kniet  von  der  Linken  der  Göttin  leicht 
umschlungen  der  kleine  Ares  (Mars),  in  der  Rech- 
ten die  gezückte  Lanze  schwingend,  in  der  Linken 
hält  er  den  runden  Schild,  sein  Haupt  ist  mit  dem 
Helm  bedeckt.  Mit  einem  kleinen  Stäbchen  (?), 
welches  die  mütterliche  Pflegerin  in  der  rechten 
Hand  hält,  berührt  sie  dem  Kinde  das  Antlitz,  lieber 
dem  Ares  unterbricht  ein  dreiköpfiger  Kerberos  in 
auffälliger  Weise  den  breiten,  sonst  überall  gleich- 
massigen  Ornanientstreifen,  welcher  um  die  ganze 
Ciste  herumläuft.  Die  Versammlung  der  olym- 
pischen Götter  wohnt  dem  wunderbaren  Akt  bei: 
rechts  von  der  Urne  folgen  in  ununterbrochener 
Reihenfolge  Diama  Fortuna,  Inno  lonos  Mer- 
curis,  Herde  Apolo  Leiber  und  Victoria.  Die 
Einzelheiten  der  Dar.stellung  alle  zu  erläutern,  er- 
scheint nach  der  ausführlichen  Besprechung  von 
Michaelis  a.  a.  0.  überflüssig. 

Was  bedeutet  diese  wunderbare  Darstellung? 
Ist  es  die  Geburt  des  Ares  aus  der  Urne?  Dafür 
spricht  nichts,  dagegen  alles,  schon  der  Umstand, 
dass  der  Knabe  gar  nicht  aus  dem  Gefäss  heraus- 
kommt, sondern  vielmehr  über  der  Urne  gehalten 
wird.  Also  besser  ein  Bad.  Aber  was  für  ein 
Bad?  Ist  Hera  gerade  entbunden  worden,  und  wird 
das  Neugeborene  von  Athena  jetzt  nur  gewaschen, 
wie  auf  den  mannigfachen  Darstellungen  der  He- 
rakles- uud  Dionysosgeburt,  wie  der  kleine  Apoll 
(Ilyrim.  Ilom.  in  Apoll.  Del.  120)  von  den  Göttinnen 
auf  Delos  gewaschen  wird?-)  Aber  die  Urne  gleicht 
einer  Badewanne  sehr  wenig.  Warum  streicht 
Athena  dem  Kinde  über  das  Antlitz?  Hat  der  erste 
Erklärer  der  Darstellung  recht,  wenn  er  darin  nur 
den  allgemein  üblichen,  abergläubischen  Brauch  der 

^)  Meursius  ad  Li/cophr.  322. 


Ammen  und  Mütter  sieht,  welche  ihre  Pfleglinge 
dadurch  von  allem  Zauber  und  Bösen  schützen 
wollen  (a.  a.  0.  p.  225)? 

Die  erste  Frage,  welche  zur  Erklärung  weiter- 
hilft, ist  die:  was  ist  dies  für  eine  Urne,  und  für 
ein  feurig  aufloderndes  Wasser  in  dem  Gefäss? 
Doch  sicherlich  kein  Wasser  der  gewöhnlichen  Art, 
auch  kein  siedendes  Wasser,  denn  wir  sehen  keiner- 
lei Feuer  unter  dem  Gefäss  brennen.  Der  bisher 
unerklärte  Kerberos  über  dem  Ares  giebt  die  Ant- 
wort auf  die  Frage,  woher  die  feurige  Fluth 
stammt:  aus  den  flumina  ßagratitia  igne  der  Unter- 
welt (Seneca,  Consolatio  ad  Marciam  19),  wie  dem 
Pyriphlegethon,  dem  Acheron  und  Kokytos.  Der 
ünterweltsfluss  xar'  e^ox>^v  ist  aber  der  Stygische 
Fluss,  mit  seiner  furchtbaren,  tödtlichen  Wasserfluth 
(Preller  Griech.  Myth.  I  S.  28  Anm. ').  Wie  auf 
unserer  Ciste  zur  Taufe  des  Ares,  so  bringt  Iris  zum 
Eidschwur  der  Götter  nach  Hesiod  Theog.  782  in 
einer  goldenen  Kanne  (ev  XQvaerj  nqoxöii))  das  Wasser 
der  Styx  in  den  Olymp,  und  so  finden  wir  die 
Göttin  mit  einer  Urne  oder  einem  Eimer  dahin- 
schwebend  dargestellt  auf  den  Spiegeln  bei  Gerhard 
Etr.  Spiegel  I  Tat'.  XL.  XLl :  wie  auf  unserer  Ciste, 
so  schlagen  auch  dort  die  Wasser  aus  dem  Gefäss 
(a.  a.  0.  Taf.  XLI). 

Die  klarste  Annlogie  bietet  die  Sage  und  eine 
Darstellung  von  der  Eintauchung  des  Achilleus- 
kindes  in  die  Styx.  Während  auf  der  capitolini- 
schen  Brunnenmündung  {Mus.  Capitol.  IV  17)  Thetis 
den  Knaben  am  Knöchel  fasst  und  in  den  Ünter- 
weltsfluss selbst  kopfüber  eintaucht,  vollzieht  die 
Mutter  auf  einer  Gemme  (Cades  XXVII  147)  das 
Bad  sonst  in  derselben  Weise  wie  dort,  aber  in 
einer  grossen  Urne.  Mit  der  Rechten  fasst  sie  den 
Knaben  am  Knöchel  und  taucht  ihn  kopfüber  in 
das  Gefäss,  welches  zweifelsohne  die  Stygische 
Fluth  enthält.  Die  ganze  Feuertaufe  geschieht 
offenbar  ausserhalb  des  Hauses  bei  Nacht  und  ohne 
Vorwissen  des  Vaters:  Thetis  selbst  hält  in  der 
linken  Hand  eine  Fackel,  und  eine  Dienerin,  welche 
neben  der  Urne  kniet,  deren  zwei.  Links  schliesst 
ein  Baum,  an  dem  ein  Widdcrkopf  angebracht  ist 
und  ein  Bogen  hängt,  die  Darstellung  ab. 

Die  Sage  von  der  Eintanchung  des  Achilltus- 
kindes  in  die  Styx  tritt  uns  verhältnissmässig  spät 
entgegen :  erst  Statius  spielt  Achill.  I  2G9  darauf  an 
und  auf  den  Versen  des  Statius  beruhen  zum  Theil 
die  Berichte  des  Serv.  Aen.  VI  57  und  Fulgent.  Mythol. 

')  Der  Kerberos  heisst  bei  Seneca  Herc.  Für.  783,  Herc.  üet. 
1245   und   iilters  der  Sty{,'ische  Hund,  der  Stvtjische  Wiieliter. 


178 


Fr.  Marx,  Aresmythus. 


174 


III  7.    Das  besprochene  Gcmmcnbild  gicbt  uns  die 
Sage  ausflibilicher,  als  die  sciiriftliciien  Quellen:  in 
einer  Urne  bolt  die  Multer  das  furchtbare  Wasser 
der  Styx  aus  der  Unterwelt,  wie  auch  Psyche  bei 
Apuleius  Met.  VI   p.  408  Oudend.,  und  nächtlicher 
Weile    beim  Schein    der  Fackeln    ohne  Vorvvisseu 
des  Pelcus  fasst  sie  den  Knaben  am  Knöchel  und 
taucht  ihn  kopfüber  in  das  Gefäss.      Dass  es  sich 
auf  dem    besprochenen   Geramenbiid    in    der    That 
um    die   Eintaucliung    in    das  Styxwasser    handelt, 
dafür  ist  ausser  der  Analogie  mit  dem  capitoliui- 
schen  Relief  der  Umstand  beweisend,  dass  sich  die 
Sage     von     der     alleinigen     Yerwnndbarkeit     der 
Achillesferse    ohne  Zweifel  nur  im  Zusammenhang 
mit  der  vom  Bade  im  Styxwasser  ausgebildet  hat. 
In  den  ältesten  Berichten  über  die  Geburt  des  Achill 
ist  von  Verleihung  der  Unsterblichkeit  und  dgl.  gar 
nicht  die  Rede,  wenn  anders  der  Sclioliast  des  Apol- 
lonios  IV   8 IG   richtig   über  das  Epos  vom  Könige 
Aigimios  berichtet.    Thetis  will  nur  erfahren,  ob  ihre 
Kinder  unsterblicli  sind:  sie  wirft  eines  nach  dem 
andern  in   einen   Kessel   mit  (was  für?)  Wasser*), 
nach  Lykophr.  178.  Schol.  Hom.  JI36  (Ptol.  Heph.  7) 
deren  sechs  nacheinander  ins  Feuer,  bis  Peleus  ^ie 
überrascht  und  den  letztgeborenen  Achill  noch  rettet. 
Die  Sage  von  der  vereitelten  Absicht  der  Thetis 
dem  Sohne  Unsterblichkeit  und   ewige  Jugend   zu 
verschaften,    finden    wir    zuerst    bei   Apollonios  IV 
8G9ff.  (Apollodor  III  13,0);  sie  ist  augenscheinlich 
dem  nachgebildet,  was  der  Homerische  Hymnus  auf 
Ceres  235ff.  (Apollodor  I  4,  5,4.  Ovid  Fasti  IV  551) 
von  Demeter  erzählt,  welche  Demophon,  den  Sohn 
der  Metaneira,  unsterblich  und  nie  alternd  machen 
will.     Bei  beiden  misslingt  das  Unternehmen,   hier 
durch   der  Metaneira,    dort  durch   des  Peleus   Da- 
zwischenkommen: beide  Göttinnen  salben  den  Pfleg- 
ling am  Tage  mit  Ambrosia,  nachdem  sie  des  Nachts 
alles,   was  an  ihm  sterblich,   in  den  Feuerflammen 
verzehrt.     Nacli    dieser  Sage    ist    es    das    Feuer*), 
welches    den    sterblichen    Leib    zum    unsterblichen 

*)  Schol.  Apoll.  Rhod.  IV.  816  ...  ij  0^r/f  fi\-  l^ßrija 
liäaroi  C^oiTic  fif'iici).t  rotf  fx  IIr)).^tü;  yfrof4(i'Ovg  ititTj 
TJttiäa;.  So  die  älteren  Ausgaben  des  Apollonius  und  der 
Fragmente  der  Epiker.  Bei  Merkel  und  Kinkel  lehit  Cfof'"', 
es  steht,  wie  ich  mich  selbst  überzeugt  habe,  ni.ht  im  Lauren- 
tianus.  —  Eine  ähnliche  Scene  bei  Gerhard  A.  V.  Taf.  LXX 
p.  196,  womit  Etr.  Sp.  IV  1,  Taf.  CCCLII  zu  vergleichen  ist: 
unseren  Darstellungen  steht  näher  das  Vasenbild  AViVe  c^ramogr. 
III  /)/.  XLV.    Gerbard  A.  B   I  5-.>. 

')  Ebenso  zerstört  bei  der  Apotheose  des  Herakles  das 
Feuer  alles  Sterbliche  an  dem  Helden.  Theokrit  XXIV  82. 
Seneca  Herc.    C'et    1960.     Lucian   Ilerniot   7. 


macht,  nach  der  Glaukossage  bei  Ovid  Metam.  XIII 
Ö.'iOfi".  läutern  mit  der  Fluth  von  hundert  Strömen 
Okeanos  und  Tethys  den  Sterblichen  zum  Gott,  bei 
der  Apotheose  des  Aeneas  ebenda  XIV  600  neh- 
men die  Flusswellen  des  Numicius  alles,  was  an 
dem  Helden  irdisch  ist,  hinweg,  nach  der  andern 
Version  der  Aciiiiieussage  bewirkt  dies  das  Wasser 
der  Styx  —  denn  die  Unverwundbarkeit,  welclie  in 
dieser  Gestaltung  der  Sage  an  die  Stelle  der  Un- 
sterblichkeit getreten  ist,  ist  doch  wohl  mit  dieser 
gleichbedeutend  — ,  und  eine  analoge  Darstellung 
iiaben  wir  auf  unserer  Ciste. 

Dass  wirklich  Ares  auf  unserer  Darstellung  als 
Kind  aufzufassen  ist,  und  es  sich  nicht  etwa  um 
ein  Bad  handelt,  wie  es  Hebe  Ilias  E  905  an  dem 
verwundeten  Kriegsgott  vollzieht,  dass  ferner  der 
Knabe  auf  unserem  Monument  in  der  Urne  wirklich 
gebadet  und  eingetaucht  gedacht  ist,  beweisen  zur 
Evidenz  die  beiden  unten  zu  besprechenden  etrus- 
kischen  Spiegelzeichnungen.  Die  Consequenzen 
der  obigen  Betrachtungen  sind  aber  jetzt  leicht  zu 
ziehen.  Ist  Ares  wirklich  auf  unserer  Ciste  dar- 
gestellt, wie  er  im  Feuer.strom  der  Unterwelt  ge- 
läutert wird,  dann  dient  dieses  merkwürdige  Bad 
nach  der  Analogie  der  obigen  Mythen  zur  Ver- 
leihung der  Unsterblichkeit  au  Ares,  zu  seiner 
Apotheose.  Folgerecht  kann  aber  dieser  Ares 
unmöglich  der  Sohn  des  Zeus  und  der  Hera 
sein:  die  Darstellung  setzt  eine  Sage  voraus,  nach 
welcher  "der  unter  den  Göttern  ungeehrte  Gott'  von 
einem  sterblichen  Vater  oder  einer  sterblichen 
Mutter  abstammte,  und  nach  der  Athena  ihm  durch 
das  läuternde  Bad  der  Styx  Unsterblichkeit  uud 
Göttlichkeit  verlieh.  Dann  muss  die  Berührung 
des  Antlitzes  des  Knaben  mit  dem  stiftähnlichen, 
undeutlichen  Gegenstand  den  gleichen  Zweck  haben 
wie  die  Eintauchung  in  die  feurige  Fluth:  der 
Knabe,  soeben  gebadet,  kniet  hoch  über  der  Urne, 
während  —  offenbar  der  wichtigere  Akt  —  ihm 
Athene  das  Gesicht  bestreicht.  Wie  bei  der  De- 
mophon- und  Achilleussage,  so  geht  auch  hier  der 
Feuerläuterung  die  Salbung  mit  Ambrosia  parallel. 
Der  undeutliche  Gegenstand  in  der  Hand  der  Athena 
muss  zur  Salbung  mit  der  Götterspeise  dienen,  es 
ist  vielleicht  ein  Salbstift''),  vielleicht  stellt  der 
Künstler  so  die  Götterspeise  selbst  dar.  Uud  ge- 
rade das  Bestreichen  des  Gesichtes  ist  für  die  Ver- 
göttlichungbedeutungsvoll. Aphrodite  machtTheokrit 
XV  108  Berenike  zur  Göttin  dfißQoaiav  tg  atrjSog 

«)  Gerhard,   Etr.  Rp.  III  1,   S.  -204,  Anm.  1G8. 

12* 


175 


Fr.  Marx,  Aresmythus. 


176 


anoazä'£.aoa  yi'vaixöi;');  den  Fluss  Numicius  heisst 
sie  (Ovid  Metaiu.  XIV  GOOff.)  alles,  was  an  dem 
Aeneas  sterblich  und  dem  Tod  verfallen  ist,  mit 
seinen  Wellen  wegspulen;  darauf 

liistraliim  genetrix  diumo  corpus  odore 
unxil  et  ambrosia  cum  dulci  nectare  mista 
coiitigit  OS  feciique  deum. 


Diese  Deutung  der  Pränestinischen  Ciste  be- 
stätigen und  erweitern  zugleich  die  Zeichnungen 
der  beiden  kurz  schon  oben  erwähnten  etruskiscben 
Spiegel,  welche  bei  der  ersten  Besprechung  der 
Ciste  in  den  Annali  noch  nicht  mit  in  Betracht  ge- 
zogen worden  sind.  Der  erste  derselben  bei  Ger- 
hard Etr.  Sp.  II  Taf.  CLXVI  stammt  aus  Chiusi 
und  befindet  sich  jetzt  gleichfalls  in  Berlin.  Wir 
sehen  eine  evident  analoge  Darstellung.  Athena 
(Menrfa)  mit  Helm  und  Aegis  hält  über  einer  reich 
verzierten  doppelhenkligen  Amphora  ein  mit  Hän- 
den und  Füssen  zappelndes,  nacktes  Knäblein 
(^Marishusrtiana),  offenbar  um  dasselbe  in  das  mit 
Wasser  gefüllte  Gefäss  einzutauchen.  Die  eine 
nackte  Brust  mit  deutlich  ausgeprägter  Brustwarze 
schaut  aus  dem  Obergewaude  der  Göttin  hervor. 
Hinter  ihr  ein  nackter  Jüngling,  die  Chlamys  um 
Schultern  und  Kücken,  auf  seine  Lanze  ge- 
stützt, ohne  Beischrift.  Auf  der  anderen  Seite  der 
Amphora  steht  Aphrodite  (Tnran)  in  langem  Ge- 
wände, neben  welcher  ein  ganz  nackter  Jüngling 
(Leitith)  auf  eine  Lanze  gestützt  dasitzt.  Der- 
selbe hält  auf  seinem  linken  Knie  ein  zweites 
nacktes  Knäblein  (Marishahia),  welches,  ebenso 
wie  das  erste,  eine  Bulla  am  Halse  trägt.  Die 
weibliche  Figur  am  Griff  (Recial)  gehört  nicht  zur 
Darstellung. 

Ein  zweiter  Spiegel  aus  Bolsena,  jetzt  im  Bri- 
tish Museum,  a.  a.  0.  III  2  Taf.  CCLVII  B  von 
Gerhard  zuerst  auf  die  Geburt  der  Kabiren  ge- 
deutet (p.  328  ff.),  zeigt  uns  ebenfalls  Athena 
{Menrfa)  mit  Helm,  Lanze  und  Aegis,  welche  in 
derselben  reichverzierten  doppelhenkligen  Amphora 
das  Knäblein  Marishusrnana  bis  über  die  Brust 
eintaucht.  Nach  rechts  folgen  dieselben  Figuren 
wie  auf  dem  vorhergehenden  Spiegel,  Turan  und 
der  Jüngling  mit  der  Lanze  und  Ciilamys,  welchen 
die  Beiscbrift  aran  erklären  soll.  Kechts  schliesst 
eine   nur    mit   einem    Ueberwurf   bekleidete    Frau 

')  rindar  l'yth.  IX  61  sollen  die  göttlichen  Pflegerinnen 
den  Aribtaeus  zum  unsterblichen  Gott  wie  Zeus  und  Apoll 
machen,  indem  sie  ihm  vixittn  (v  yilkioai  xnl  (tfiß^inaluv 
axttioiai. 


Amatiitunia,  links  Hermes  (Turms)  die  Darstellung 
ab:  erstere  hat  den  zappelnden  kleinen  Marishalna, 
letzterer  einen  dritten  Knaben  Marisisminihians^  wie 
die  beiden  anderen  nackt  und  mit  dem  Amulet  ge- 
schmückt, auf  dem  linken  Arm.  Im  ^Segment  über 
der  Darstellung  Helios  mit  der  Quadriga,  am  Griff 
Herakles. 

Die  Analogie  der  beiden  Darstellungen  mit  der 
Pränestinischen  Ciste  ist  unmittelbar  einleuchtend- 
sie  ist  auch  fördernd  für  die  Kenntniss  des  Etrus- 
kiscben, insofern  wir  daraus  lernen,  dass  der 
etruskische  Name  des  Kriegsgottes  Maris  ist,  mit 
dem  der  übrigen  Italiker  verwandt  wie  analog  A'e- 
thuns  und  Menrfa.  Ueber  die  Beinamen  der  Ares- 
kinder, sowie  die  beiden  andern  räthselhaften  Bei- 
schriften philologisch  zu  handeln  erscheint  hier 
überflüssig:  es  genügt  die  Figuren  rein  archäolo- 
gisch zu  betrachten,  um  so  mehr,  da  bis  jetzt 
nichts  Sicheres  über  die  Bedeutung  dieser  Beinamen 
eruirt  ist.  Klar  ist  auf  beiden  Darstellungen,  dass  es 
sich  um  ein  bedeutsames  Bad  der  drei,  beziehungs- 
weise zwei  Knäblein  in  der  schön  verzierten  Urne 
handelt,  welches  Athena  vollzieht.  Wie  auf  der  Ciste 
so  ist  die  Form  des  Gefässes  sicher  charakteristisch: 
es  ist  gewiss  kein  Badegeräth,  keine  Badewanne; 
es  ist  das  mythologisch  bedeutsame  Gefäss,  in  dem 
Iris  das  Styxwasser  in  den  Olymp  bringt.  Dass 
auf  beiden  Darstellungen  die  Liebesgöttin  Turan 
zugegen  ist,  erklärt  sich  leicht:  sie  hat  den  Liebes- 
bund gestiftet,  dem  die  neugeborenen  Knäblein  ent- 
sprungen. Für  das  Verständniss  des  jugendlichen 
Leinth  auf  dem  Chiusiner  Spiegel  scheint  wenig- 
stens ein  Fingerzeig  vorhanden  zu  sein:  auf  einem 
Spiegel  bei  Gerhard  II  Taf.  CXLI  führt  Herakles 
von  Nike  (Mean)  bekränzt  den  Kerberos  hinweg, 
eine  verhüllte  langbekleidete  Frauengestalt  Leinth, 
von  Gerhard  a.  a.  0.  für  Pcrsephone  erklärt,  steht 
mit  abgewandtem  Gesicht  dabei.  Leinth  ist  also 
geueris  communis  im  Etruskiscben,  wie  ja  auch 
Turan  (Corssen  Spr.  d.  Etr.  I  p.  254).  Hat  Gerhard 
recht  mit  seiner  Deutung,  und  haben  die  Etrusko- 
logen  richtig  mit  dem  Wort  das  leine  —  mortuus 
est  der  Grabschriften  verglichen  (Corssen  Spr.  d. 
Etr.  I  p.  300),  dann  hätten  wir  auch  auf  diesem 
Spiegel  wie  auf  der  Ciste  in  dem  Kerberos  eine 
Andeutung  der  Unterwelt,  woher  das  Wasser  in 
der  Urne  stammt.  Statt  des  Leinth  sehen  wir  auf 
dem  zweiten  Spiegel  den  Hermes  angebracht:  offen- 
bar nur,  weil  man  gewohnt  war,  ihn  als  Pfleger 
neugeborener  Götterkinder,  des  Dionysos,  Herakles, 
Aristaeus,  Asklepios,   der  Dioskuren  dargestellt  zu 


177 


Fr.  Marx,  Aresmythus. 


178 


sehen.  Die  mit  deiu  duiikelu  Amalntunia  be- 
zeichnete weibiiciie  Figur  auf  dem  Spiegel  aus 
Bolsena  ist  wohl  nur  Fiillfigur  wie  die  Lasa. 

Die  wichtigste  Figur  ist  der  nackte  auf  dem 
letzteren  Spiegel  mit  aran,  auf  dem  ersteren  gar 
nieiit  bezeichnete  Jüngling  mit  der  Lanze.  Er  ist 
offenbar  neben  Athena  am  meisten  bei  dem  Vorgang 
betheiligt,  auf  beiden  Spiegeln  gleichermaassen  dar- 
gestellt, wahrscheinlich  der  Vater  der  Kinder.  Man 
liat  wohl  richtig  den  Namen  zu  Lara»  ergänzt,  die- 
sen öfters  (Corssen  a.  a.  0.  p.  252)  vorkommenden 
Namen  aber  mit  '-^t"?S  verglichen  und  als  gräcisi- 
rende  Bezeiclinung  des  Kriegsgottes  im  Gegensatz  zu 
dem  italischen  Maris  aufgefasst  (Bugge  in  Deeckes 
Forschungen  u.  Studien  IV  p.  223fi'.,  vgl.  Deecke 
Forschungen  IV  p.  35).  Aber  dass  auf  denselben 
Darstellungen  derselbe  Gott  einmal  mit  griechischem, 
einmal  mit  etruskischem  Namen  vorkommen  soll  — 
die  Vorbilder  waren  doch  griecliisch  und  einheitlich 
—  wie  auf  unsern  Spiegeln  und  bei  Gerhard  I  Taf. 
XC*)  (Bugge  a.  a.  0.  p.  224),  ist  unmöglich.  Es 
ist  gewiss  denkbar,  dass  der  ctruskische  Künstler 
den  griechischen  Kaufmann,  der  ihm  die  Vorbilder 
brachte  und  wohl  auch  erklärte,  falsch  verstand, 
und  so  derselbe  Gott  unter  zwei  Namen  zweimal 
auf  dieselbe  Darstellung  kam:  in  einem  solchen 
Fall  hätten  wir  aber  die  Beischriften  ganz  bei  Seite 
zu  lassen.  Da  uns  die  Namen,  mit  denen  die 
etruskischen  Spiegelzeichuer  die  Haupfgötter  der 
Griechen  bezeichneten,  bekannt  sind,  so  kann  jener 
Laran  nur  eine  niedere  Gottheit,  oder  einen  Heros, 
einen  Helden  bezeichnen;  möglich,  dass  das  Wort 
gar  kein  Name  ist,  sondern  allgemein  nur  „Held" 
oder  „Krieger"  bedeutet. 

Das  Auffallende  und  Neue,  was  die  beiden 
Spiegel  bieten,  ist  die  Mehrzahl  der  Kinder.  Wir 
müssen  die  Dreizahl  des  Spiegels  von  Bolsena  als 
die  ursprüngliche  Zahl  der  Atlienapfleglinge  zu 
Grunde  legen:  der  Zeichner  des  Chiusiner  Spiegels 
hat  nachlässiger  Weise  ein  Kind  beim  Copiren 
des  Vorbildes  weggelassen;  ähnliches  kommt  auch 
sonst  vor").  Wie  ist  aber  die  Mehrzahl  der  Knaben 
zu  erklären?  Ist  die  Zahl  der  Kinder  etwa  für  den 
Mythus  gleichgiltig,  und  wirft  etwa  die  Mutter  meh- 
rere derselben  wie  Thetis  in  die  Stygische  Fluth 
zu  ihrem  Verderben,  bis  nur  der  einzige  Ares  der 
Cista  die  Taufe  besteht?    Dagegen  sprechen  schon 

^)  liier  ist  die  Rückfülirung  des  Hephaistos  in  den  Olymp 
durch  Dionysos  dargestellt. 

■')  ]Man  vergleiche  die  öfters  wiederholte  Uarstellung  bei 
Gerhard  A.  V.  I.  Tal.  LV  mit  Taf.  LVI. 


die  genau  bezeichnenden  Beischriften  Marishusr- 
ttana,  Marishalna,  Marisisminthiatis ,  welche  uns 
noch  dunkel  sind.  Nur  eines  lehren  sie  uns 
mit  Bestimmtheit:  die  drei  Kinder  sind  drei  ein- 
ander gleichartige,  marsartige  Gottheiten,  welche 
durch  Beinamen  von  einander  unterschieden  sind,  wie 
Lasavecu,  Lasasilmica,  Lasaraciirieta.  Werden  wir 
diese  Zunamen  einst  verstehen,  so  werden  wir  einen 
Einblick  haben,  wie  die  griechischen  Kaufleute 
die  etruskischen  Arbeiter,  welche  von  ihnen  ihre 
Vorlagen  kauften,  in  der  Theologie  Altgriechen- 
lands unterwiesen,  und  wie  diese  solche  Unter- 
weisungen verstanden  und  missverstanden.  Wenn 
wir  auf  einem  Spiegel  bei  Gerliard  IV  2  Taf. 
CCCLXXXI  über  einem  geflügelten  Jüngling  mit 
Chlamys  und  Speer  geschrieben  lesen  Mtirislnran, 
so  hat  es  allerdings  den  Anschein,  als  hätte  der 
Zeichner  damit  sagen  wollen,  dass  er  von  dem 
Verhältniss,  in  dem  Ares  zur  Aphrodite  in  den 
griechischen  Liedern  stand,  erzählen  gehört  (Cor- 
ssen I  p.  2G4). 

Die  Darstellung  der  Ciste  wie  die  des  Spiegels 
gehen  auf  dieselbe  Sage,  aber  nicht  auf  dieselbe 
Version  der  Sage  zurück,  wie  rein  äusserlich  die 
Vorbilder  für  beide  Darstellungen  offenbar  verschie- 
den waren.  Nach  der  Version  der  Sage,  welche 
dem  lateinischen  Monument  zu  Grunde  liegt,  ist  nur 
der  einzige  Ares'")  der  Ehe  der  Göttin  und  des 
Sterblichen  entsprossen  und  wird  von  Athena  im 
Wasser  des  Unterweltsstromes  gebadet,  nach  der 
anderen  Version  sind  es  drei  Kriegsgötter,  Drillinge 
offenbar  —  sagen  wir,  blos  um  Namen  zu  haben, 
Ares,  Deimos  und  Phobos — ,  seine  Gesellen  in  Kampf 
und  Feldschlacht.  Wer  ist  nun  aber  die  göttliche 
Mutter  der  Kinder?  Wir  haben  die  Wahl  zwischen 
den  anwesenden  Göttinnen,  Aphrodite  oder  Athena 
selbst.  Gegen  Aphrodite  spricht  schon  der  Um- 
stand, dass  diese  Göttin  auf  der  Ciste  überhaupt 
fehlt:  für  Athena  schon  die  Analogie  mit  der  The- 
tissage.  Es  ist  ferner  bedeutungsvoll,  dass  auf  dem 
Chiusiner  Spiegel  die  nackte  Brust  mit  deutlich  aus- 
geprägter   Brustwarze  aus    dem   Obergewande    der 

'*')  Vgl.  auch  die  etruskische  Bronze  Annali  1872  Tav.  N. 
(und  Roulez  ebenda  p.  2 16 ff),  welche  Athena  geflügelt  darstellt 
mit  einem  Knäbleiii  auf  dem  Arm.  Die  von  Schreiber  Arch.  Ztg. 
1883  p.  277  veröffentlichte  Gemme  zeigt  Athena,  zu  ihren  Füssen 
ein  nacktes  Knäblein  mit  Schlangenbeinen  (?),  welches  Schreiber 
richtig  Erichthonios  nennt.  Analogien  sind  übrigens  die  Statuet- 
ten bei  Müller -Wieseler,  A.  D.  II  21,  230  und  besonders  Jahr- 
bücher der  Alterthumsfreunde  im  liheinl  XVIII  Taf.  II,  und 
der  Knabe  ist  kein  willkürlicher  Zusatz  des  Steinschneiders. 
Vgl.  die  Münze  bei  Müller-Wieseler  a.  a.  O.   232. 


179 


P.  J.  Meier,  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


180 


Atheiia  hervorschaut:  offenbar  hat  die  Göttin  die 
Kinder  gerade  gesäugt  wie  Hera  den  Herakles  und 
Hermes").  Dann  ist  diese  Athena  aber  nicht  mehr 
die  unberührte  Jungfrau  der  attischen  Sage;  sie  ist 
offenbar  die  Mutter  der  drei  Kriegsgötter,  welchen 
sie  Unsterblichkeit  und  ewige  Jugend  gleich  nach 
der  Geburt  zu  verleihen  trachtet,  wie  Thetis  ihrem 
und  des  Peleus  Sohn  '■). 

Es  ist  zwar  misslich,  wissen  zu  wollen  xai  wt; 
Zeig  ^}'(xys9'"HQi]v,  aber  wenn  nicht  alles  täuscht, 
gewinnen  wir  aus  den  drei  besprochenen  Monu- 
menten mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  etwa  folgen- 
den Mythus: 

11)  Preller,  Gr.  Mythol.  -i  II.  p.  179  Anin.  1. 

12)  Auf  dem  Spiegel  bei  Gerhard  II  Taf.  CLXI  umfasst 
ein  nackter  Jüngling  Athena  wie  Peleus  die  Thetis;  es  scheint 
sich  um  einen  Liebesraub  zu  handeln,  vergl.  Gerhard  III  1, 
p.  151. 


Aphrodite,  erzürnt  über  die  spröde  Jungfräulich- 
keit der  Athena,  erregt  deren  Liebe  zu  einem  sterb- 
lichen Helden,  der  der  Göttin  begehrt,  wie  nach 
der  attischen  Landessage  einst  Hephaistos.  Dem 
Liebesbund  entspringt  der  Kriegsgott  Ares,  nach 
einer  andern  Version  der  Sage  gebiert  Pallas  Tri- 
togeneia  drei  Kriegsgötter,  Drillinge,  deren  ältester 
Aies  ist.  Die  Göttin  will  den  Kindern  Unsterblich- 
keit und  ewige  Jugend  verleihen:  sie  nährt  die 
neugeborenen  an  ihrer  Mutterbrust,  und  in  die  Urne, 
welche  die  Feuerfluth  des  Unter weltsstromes,  der 
Styx  enthält,  taucht  sie  die  Knaben  ein  und  läutert 
sie  von  dem,  was  an  ihnen  sterblich  und  irdisch 
ist.  Darauf  bestreicht  sie  das  Antlitz  des  von  allem 
Yergängliclien  gereinigten  Götterkindes  mit  Am- 
brosia: ambrosia  ditlci  cum  rieclare  mista  configit 
OS  fecitqiie  deitm. 

Friedrich  Marx. 


BEITRAGE  ZU  DEN 
GRIECHISCHEN  VASEN  MIT  MEISTERSIGNATUREN.  IP). 

(Tafel  10.  11.) 


Vasen  mit  dem  Lieblingsnamen  Leagros. 

(Klein,    Griechische    Vasen    mit    Meistersignaturen 

S.  57). 

Zu  den  rothfigurigen  Schalen  mit  yteayQng  xalög 
kommt  neu  hinzu: 

9b  (Taf.  10).  Schale  aus  Orvieto  in  der  Sammlung 
Bourguignon  zu  Neapel.  Sie  ist  nur  innen  bemalt, 
und  zwar  mit  einem  völlig  nackten  Satyr,  der  tan- 
zend mit  dem  linken  Bein  auf  der  Erde  steht  und 
das  rechte  hoch  emporzieht-).  Die  übermUthige 
Bewegung  der  weinseligen,  ithyphallischen  Figur 
erstreckt  sich  auch  auf  die  beiden  Arme,  die  Hände 
und  den  Kopf,  der  im  Gegensatz  zu  dem  von  vorne 
gesehenen  Körper    nach   rechts  gewandt  und  stark 

')  Vgl.  Archäol.  Zcitg.  1884  S.  237. 

^  Es  steht  vom  Knie  bis  /.u  den  lang  ausgestreckten  Zehen 
in  Vorderansicht;  vgl.  hierüber  Arch.  Zeitg.  1883  S.  15,  Anm.  35. 
Oberhalb  des  Knöchels  sitzt  ein  King,  wie  er  sich  z.  B.  bei 
der  Borghesischen  Arcsstatue  im  Louvre  findet. 


zurückgeworfen  ist,  so  dass  die  Enden  des  langen 
aufgelösten  Haares  noch  unter  der  rechten  Achsel 
sichtbar  werden.  Selbst  der  lange  Pferdeschweif 
bleibt  nicht  ruhig,  sondern  wedelt  offenbar  hin  und 
her.  Den  lustigen  Gesellen  verräth  die  leere  Spitz- 
amphora, die  hinter  ihm  auf  dem  Boden  liegt.  Rechts 
von  der  Figur  liest  man  AGENOAOTO^ 
KAUO^,  links  von  ihr  linksläulig  UEÄARO^ 
KAUO^-  Ein  drittes  KAUO^  stellt  auf  der  Am- 
phora. Das  Bild,  welches  den  ganzen  Kreis  ein- 
nimmt, ist  von  einem  Mäauderstreifeu  eingefasst. 
Der  Satyr  gehört  unstreitig  zu  den  bedeutendsten 
Leistungen  der  Vasenmalerei.  Wie  schön  ist  die 
Figur  der  Rundung  angepasst,  wie  vorzüglicli  der 
begeisterte  Rausch  dargestellt,  wie  sorgfältig  die 
Muskeln  •■'),  besonders  der  Rippen-  und   der  Bauch- 

•1)  Die  Linien  der  Innenzeichnung,  welche  Brust  und  Unter- 
leib begrenzen,  sind  wie  gewöhnlich  mit  schwarzem,  die  übrigen 
mit  verdünntem  FimLss  angegeben. 


181 


P.  J.  Meier,  Vasen  mit  Meistersignaturen. 


182 


partie,  die  der  Neigung  und  Wendung  des  Kör- 
pers nach  rechts  genau  folgen,  angegeben.  Alles 
ist  fleissig  beobachtet  und  wohl  erwogen;  von 
Schematismus,  von  gedankenlosem  Nachsprechen 
überkommener  Formen,  von  falschem  Verständnis« 
der  Natur  ist  nirgends  die  Rede.  Das  Ganze  atli- 
met  originelle  Urspriinglichkeit*).  Hervorragend 
ist  vor  allem  der  Kopf,  der  kaum  seines  Gleichen 
findet*).  Von  seiner  Stellung  sprach  ich  oben. 
Der  kaiile  Sciiädel,  den  nur  ein  rothbrauner  Epheu- 
kranz  bedeckt,  ist  flach  gewölbt,  der  Hals  kurz  und 
gedrungen.  Ein  mächtiger,  in  langen  Einzelhaaren 
endender  Vollbart,  an  dem  die  Partie  unter  der  Lippe 
mit  Rothbraun  angegeben  ist,  ein  dichter  Schnauz- 
bart und  übermässig  buschige  Augenbrauen  geben 
in  Verbindung  mit  dem  Contur  des  Gesiclits,  der 
kleinen,  aufgestülpten  Nase,  den  dicken  Lippen, 
den  vollen  Backen,  dem  grossen  Auge  mit  seiner 
weit  vorgerückten  Pupille  den  thierischen  Ausdruck, 
zugleich  auch  die  Verzücktheit  in  unnachahmlicher 
Weise  wieder. 

Zur  Lösung  der  Frage,  wer  der  Meister  dieser 
hervorragenden  Schale  ist,  sind  besonders  die  In- 
schriften zu  Rathe  zu  ziehen.  Der  Lieblingsname 
Athenodotos  findet  sich  auf  dem  Gefäss  des 
Peithinos  in  Berlin  (2279  Furtw.)  und  auf  einem 
Gefäss  ähnlicher  Darstellung,  das  Klein  a.  a.  0. 
S.  73  aus  diesem  Grunde  zu  jenem  gestellt  hat, 
Leagros  dagegen  auf  Vasen  des  Kachrylion, 
Euxitheos,  Euthymides  (vgl.  Klein  S.  81  Nr.  4)  und 
besonders  des  Euphrouios.  Bei  diesem  häufigen 
Vorkommen  der  Namen  erscheint  die  Zuweisung 
der  Schale  an  den  einen  oder  den  anderen  Meister 
schwer.  Aber  die  gegebenen  Möglichkeiten  verrin- 
gern sich  doch  sehr,  wenn  man  zunächst  Ijeachtet, 
dass  beide  Lieblingsnamen  sich   nur  bei  stilistisch 

*)  Nur  die  Finger  und  Zehen  sind  noch  zu  lang  gebildet; 
ausserdem  waren  Kopf  und  Obertheil  des  Leibes  etwas  zu  gross 
angelegt,  to  dass  tur  die  Beine  nicht  mehr  hinreichend  Kaum 
blieb;  sie  sind  daher  zu  kurz  gerathen.  Vermuthlich  erschienen 
die  oberen  Partien  dem  Künstler  selbst  so  wohlgelungen,  dass 
er  die  Vorzeichnung  nicht  ändern  und  lieber  einen  Fehler  sich 
erlauben  wollte,  als  Gefahr  laufen,  die  wohlgelungene  Stimmung 
des  Ganzen  zu  zerstören. 

•')  Seine  Haltung  ist  fast  dieselbe,  wie  beim  Satyr  auf  dem 
Berliner  Untersatze  des  Sosias,  Nr.  1   Klein  2315   Furtw. 


und  zeitlich  eng  zusammengehörigen  Meistern  fin- 
den; denn  auch  Euphronios  hat  den  Namen  Leagros 
nur  auf  seinen  älteren  Schalen  1 — 3  Klein.  Es  ist 
nun  unzweifelhaft,  dass  ausser  Euphronios  die 
Meister  dieser  Periode  der  rothfigurigen  Technik 
nicht  die  Mittel  besassen,  solche  Figur  wie  den  Sa- 
tyr zu  compouiren.  Ja,  man  möchte  sogar  Bedenken 
tragen,  dieselbe  der  ersten  Periode  des  Euphronios 
zuzuschreiben,  wenn  man  nicht  bedächte,  dass  dieser 
auf  seinen  älteren  Gefässen  freilich  in  der  Anord- 
nung der  Gewänder  noch  manches  zu  wünschen 
übrig  lässt,  aber  gerade  in  der  Bildung  nackter 
Körper  und  im  Ausdruck  des  Gesichts  wenigstens 
bei  den  Hauptfiguren  die  gleichzeitigen  Meister  weit 
überholt  hat.  In  beiderlei  Beziehung  vergleiche 
man  nur  die  grossartige  Zeichnung  des  Antaios  auf 
Schale  1  Klein  oder  des  todten  Memnon  auf  der  Pam- 
phaio  -  Schale  (19  Klein),  deren  Aussenbilder  von 
dem  Letzteren  mit  Fug  und  Recht  dem  Euphronios 
zugeschrieben  werden,  und  man  wird  mir  zugeben, 
dass  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dass 
der  Meister  schon  früh  auch  den  Satyr  malen  konnte 
und  ihn  in  der  Tliat  gemalt  hat. 

Euphronios  (Klein  S.  59). 

Die  auf  Tafel  11  veröffentlichte  Schale,  Nr.  515 
der  MUnchener  Sammlung*^),  ist  bereits  in  meinen 
früheren  „Beiträgen  zu  den  griechischen  Vasen  mit 
Meistersignaturen"  (Arch.  Zeitg.  1884  S.  243)    kurz 

•^  Jahns  Vasenkataloge  entnehme  ich  folgende  Angaben: 
Höhe  3,2;  Durcbm.  8,  5;  früher  zur  Sammlung  Candelori  ge- 
hörig (Nr.  123r,  also  aus  den  Vulcenter  Ausgrabungen  von 
1829  herrührend.  Jahns  Beschreibung  des  Innenbildes  ist  nicht 
ganz  genau.  Der  Jüngling  ist  laufend  zu  denken;  nur  ist  des 
Raumes  wegen  die  Stellung  der  Beine  noch  unnatürlich,  wie 
auf  archaischen  Denkmälern.  Dafür  bieten  Innenbilder  von  Scha- 
len der  ülteren  streng -rothtigurigen  Technik  zahlreiche  Analo- 
gien. Fetner  giebt  Jahn  fälschlich  für  die  Inschrift  des  Innen- 
bildes zweimal  ein  Z  statt  S  an.  —  Herr  Professor  von  Brunn 
hat  die  grosse  Güte  gehabt,  die  Schale  einer  genauen  Prüfung 
in  Bezug  auf  die  Ergänzungen  zu  unterziehen:  ergänzt  ist  nach 
ihm  nur  der  rechte  Arm  der  Figur  links  auf  Ausscnseite  B.  Da- 
gegen hat  die  Oberfläche  der  Vase  an  sehr  vielen  Stellen  durch 
Wasser  gelitten  und  man  hat  dann  Contur  und  Innenzeichnung, 
meist  in  etwas  roher  Weise ,  modern  nachgezogen.  Am  auf- 
fälligsten ist  dies  beim  Kopf  des  jugendlichen  Reiters  auf  Aussen- 
seite  A.  Sonst  schien  et  unnötbig  die  modernen  Striche  genau 
anzugeben,   da  sie  den  antiken  durchaus  entsprechen. 


18c 


P.  .1.  Meier,   Vasen  mit  Meistersignaturen. 


184 


erwähnt  und  als  Werk  des  Euphronios  bezeichnet 
worden.  Den  Beweis  für  diese  Benennung  ermög- 
licht aber  eist  die  beigegebene  Tafel,  wenngleich 
die  ihr  zu  Grunde  liegende  Originalbause  nicht 
als  eine  völlig  ausreichende  zu  bezeichnen  ist. 

Im  Innern  des  Gefässes  sehen  wir  einen  fast 
gänzlich  unbekleideten  Jüngling  eiligst  nach  rechts 
fliehen;  hinter  ihm  ist  ein  Gegner  in  Gedanken 
zu  ergänzen,  zu  dem  jener  den  Kopf  zurück- 
wendet; zugleich  streckt  er  gegen  denselben  den 
linken  von  einem  prächtigen  Pantherfell  geschütz- 
ten Arm  aus  und  zückt  in  der  halb  gesenkten 
Rechten  die  Lanze.  Das  lange  Haar  des  Jünglings 
ist  hinten  aufgebunden  und  zwar,  wie  es  scheint, 
in  der  Weise,  dass  auch  der  grosse,  breitkrämpige 
Petasos  durch  dieses  Band  festgehalten  wird;  doch 
dient  zu  weiterem  Schutze  des  Hutes  ein  zweites 
Band  unter  dem  Kinn.  Beide  Bänder  gehen  von 
einem  Ringe  am  Hute  aus.  Im  freien  Raum  lechts 
von  der  Figur  liest  mau  über  der  Lanze  HOPÄI^, 
unter  ihr  KAUO^-  Das  Bild,  welches  den  ganzen 
Raum  füllt,  ist  von  einem  Mäanderrahmen  eiu- 
gefasst. 

Auf  der  Aussenseite  A  gehen  zwei  Pferde, 
auf  deren  hinterem  ein  Knabe  sitzt,  nach  links. 
Von  links  eilt  ein  völlig  nackter  Jüngling  mit 
einer  langen  Springstange,  deren  Ende  bereits 
auf  den  Boden  aufgesetzt  ist,  herbei,  um  sich,  wie 
es  scheint,  in  kühnem  Sprunge  auf  das  vordere 
der  beiden  Pferde  zu  schwingen'),  die  deshalb 
von  dem  jugendlichen  Reiter  angehalten  werden. 
Man  vergleiche  hierzu  das  späte  schwarzfigurige 
Vasenbild  bei  Salzraann,  necropole  de  Camiros 
pl.  57,  wo  ein  Gaukler  mit  Helm,  Beinschienen  und 
zwei  Schilden  versehen  unter  Flötenbegleitung  und 
dem  Bravorufen  der  Zuschauer  (xahög  zJi  •Avßia{trj)- 
xi',Qi)  von  hinten  auf  ein  Pferd  springt,  das  von 
dem  Reiter  eines  zweiten  gehalten  wird.  Ein  rechts 
von  den  Pferden  der  Münchener  Schale  auf  seinem 

')  Der  Gebrauch  der  Spriiigstange,  der  hier  sicher  zur  Dar- 
stellung gebracht  ist,  wurde  bisher  geleugnet;  vergl.  Krause, 
Gymnastik  und  Agonistik  I  386.  Uebrigens  mnss  man  sich 
denken,  dass  der  Springer  in  Wirklichkeit  nicht  von  vorn,  son- 
dern von  der  Seite  auf  die  l'l'erde  zueilt.  Für  den  Vasenmaler 
war  es  unmöglich,  dies  der  Nalur  villlig  entsprechend  darzustellen. 


Krückstock  sich  weit  vorbiegender  älterer  Mann  im 
Himation  ruft  dem  Springer  etwas  zu,  indem  er 
zugleich  die  Rechte  weit  austreckt;  sein  etwas 
spärliches  Haupthaar  ziert  ein  schmales  Band.  — 
Ueber  dem  Springer  steht  NAIKI,  tlas  dazuge- 
hörige KAU0[^]  rechts  vom  Reiter;  ganz  links 
hängt  Palästritengeräth. 

Auf  B  zieht  ein  gleichfalls  völlig  nackter  Ephebe 
ein  Pferd  am  Zügel  nach  rechts  fort;  in  der  er- 
hobenen Rechten  schwingt  er  einen  gabelförmigen 
Stab,  wie  ihn  die  Aufseher  in  der  Palästra  führen. 
Dem  Alten  auf  A  entspricht  ganz  links  ein  nach  rechts 
gewandter  Jüngling  im  Himation,  der  sich  auf  den 
Krückstock  stützt;  seine  Rechte  ruht  auf  dem  Hüft- 
knochen. Das  Haar  beider  Figuren  ziert  ein  Band. 
Links  hinter  dem  Pferde  wächst  ein  Oelbaum.  Die 
Inschrift,  welche  sich  zu  beiden  Seiten  des  Pferde- 
kopfes befindet;  lautet  HOPAI^  KÄUO^- 

Schon  bei  der  ersten  kurzen  Besprechung  der 
Schale  wies  ich  auf  die  bewegten  lebendigen  Ge- 
sichtszüge der  Figur  des  Innenbildes  und  auf  den 
mit  äussei'ster  Sorgfalt  gezeichneten  Rücken  der- 
selben hin,  der  dem  Beschauer  recht  geflissentlich 
in  seiner  ganzen  Ansicht  gezeigt  wird;  in  beiderlei 
Hinsicht  mag  man  die  Innenbilder  der  Panätios- 
schaleu  Arch.  Zeitg.  1878  Tat.  11  und  1884  Taf  16,2 
vergleichen.  Derartige  Profile  mit  ihrer  weit  vor- 
springenden Nase  sind  ein  untrügliches  Merkmal 
der  Hand  des  Euphronios;  und  wenn  sie  sich  z.  B. 
auch  auf  der  Wiener  Durisschale  Nr.  14  Kl. 
finden,  so  kommen  hier  noch  andere  Momente  hinzu, 
die  beweisen,  dass  Duris  bei  diesem  Gefässe  sich 
eben  eng  an  den  älteren  Euphronios  angeschlossen 
hat;  vgl.  Archäol.  Zeitg.  1883  S.  25.  Die  höchst 
natürliche  Oeffnung  des  Mundes  bei  körperlicher 
Anstrengung'  oder  innerer  Erregung,  die  z.  B.  auf 
der  Berliner  Schale  des  Duris  Nr.  19  Kl.  (2287  Furtw.) 
vielleicht  sorgfältiger,  aber  zugleich  gezwungener  er- 
scheint, findet  sich  besonders  beim  Achilleus  im 
Innenbilde  der  Troilosschale  Nr.  8  Kl.  —  Auch 
die  Aussenseiten  verrathen  ganz  bestimmt  den 
Stil  des  Euphronios.  Bei  den  unbärtigen  Figuren 
lässt  uns  leider  der  Zustand  des  Gefässes  im 
Stich;    aber   der    Kopf    des    älteren    Mannes    und 


185 


P.  .1.  Meier,     Vasen  mit  Meistersignaturen. 


186 


die  Pfeide  bieten  untriigliclie  Kennzeiclien  dar. 
Für  jenes  ausdrucksvolle,  realistisclie  Gesicht  ver- 
gleiclie  man  die  ganz  ähnlichen,  nur  noch  sorg- 
fältiger durchgeführten  auf  der  Eurystheusschale 
(Nr.  4  Kl.):  tles  Slannes  im  Innenbilde  und  des 
Greises  auf  A").  Dieselbe  Schale  bietet  aber  auch 
auf  B  analog  gezeichnete  Pferde.  Hier,  wie  auf 
unserer  M unebener  Schale  dürre,  fast  unschöne  For- 
men, reiche  lunenzeicimung,  eigenthinnliche  Köpfe 
mit  sehr  hoch  gesträubter  Jlähne;  selbst  das  Zaum- 
zeug ist  auf  beiden  Gefässen  völlig  gleich  dar- 
gestellt. Aehnlich  gebildet  sind  auch  die  Pferde 
auf  der  Troilosschale  (Kr.  8  KI.)  und  der  Per- 
liner  polychromen  Schale  (Nr.  9  Kl.  2282  Furtw.), 
besonders  was  die  ungelenke,  bizarre  Bewegung 
betrifft;  man  beaclite,  wie  auf  der  Münchener  Schale 
nirgends  die  aufgesetzten  Vorderbeine  durchgedrückt 
sind.  Ganz  anders  ist  das  Pferd,  welche  Leagros 
auf  der  älteren  Schale  3  Kl.  reitet.  Es  ist  stärker 
gebildet  und  die  lebhafte  Bewegung  ist  besser  ge- 
lungen; nur  der  Zaum  entspricht  dem  oben  er- 
wähnten. Dieser  Pferdetypus  lehnt  sich  ziemlich 
eng  an  die  fiüheren  Darstellungen  an;  auf  den 
späteren  Schalen  hat  sich  Euphrouios  von  der 
Tradition  frei  gemacht.  —  Ich  möchte  hervorheben, 
dass  ich  die  Analogien  für  unsere  Schale  nicht 
von  Gefässen  aus  den  allerverschiedensteu  Ent- 
wicklungsstadien des  Euphrouios  zusammenzusuchen 
brauchte;  weitaus  die  raeisteu  bot  die  Eurystheus- 
und  die  zeitlich  nahe  Troilosschale').  In  die 
gleiche  Zeit  gehört  auch  die  Münchener  Schale. 

*)  Ganz  ähnlich  ist  auch  hier  wieder  eine  Figur  auf  der 
Wiener  Durisschale,  von  links  gerechnet  die  erste  auf  A, 

^)  Klein,  Euphronios  S.  40  hält  die  Kurystheusschale,  wie 
mir  scheint,  für  älter,  als  sie  in  der  That  sein  möchte.  Sie 
wiederholt  aussen  ein  herkömmliches  Thema,  aber  in  durchaus 
zeitgemässer  Auffassung  und  Durchführung,  und  das  Innenbild 
ist  vollends  ganz  modern  gedacht. 


Duris  und  Hieron  haben  zahlreiche  Gefässe,  die 
palästrische,  bakchische  und  Liebes-Scenen  dar- 
stellen, mit  ihrem  Namen  bezeichnet.  Unter  Eu- 
phronios' Namen  gehen  fast  nur  Vasen,  deren  Bil- 
der entweder  sämmtlich  oder  zuiu  grössten  Theil 
mythologisch  sind;  nur  Nr.  2  Kl.  maclit  eine 
Ausnahme.  Die  w-olil  überwundene  Schwierigkeit, 
nackte  Frauen,  noch  dazu  in  dieser  Grösse,  wieder- 
zugeben, mag  den  Meister  veranlasst  haben,  seinen 
Namen  hinzunialen.  Unter  den  Gefässen  dagegen, 
die  wir  an  der  Hand  bestimmter  Lieblingsnameu 
und  stilistischer  Momente  dem  Euphronios  zuschrei- 
ben können,  findet  sich  nur  eine  (Klein  S.  62  Nr.  6) 
mit  einer  bestimmten  mythologischen  Scene,  Dionysos 
im  Giganfenkampf,  während  3  von  ihnen  (Nr.  4  Klein, 
Nr.  8  in  meinen  Beiträgen  Aich.  Zeitg.1884  S.  243ff. 
und  die  hier  veröffentlichte  Münchener  Schale)  pa- 
lästrische Scenen  darbieten,  die  oben  besprochene 
Neapler  Schale  eine  aus  dem  bakchischen  Kreise. 
Man  wird  daraus  den  Schluss  ziehen  dürfen,  dass 
Euphronios  derartige  Darstellungen  nicht  um  ihrer 
selbst  willen  gewählt,  sondern  sie  nur  als  bequeme 
Vorstudien  für  grössere  Aufgaben  betrachtet  hat. 
Auf  den  Uebungsplätzen  Hess  sich  ja  der  Körper 
in  allen  seinen  Stellungen  und  Wendungen,  mit 
allen  Muskeln  und  Sehnen  sorgfältig  studiren,  und 
Euphronios  ist  es  gerade,  der  sich  die  aller- 
grösste  Mühe  gegeben  hat,  die  Formen  der  mensch- 
lichen Gestalt  sich  zu  eigen  zu  machen.  Im  Gegen- 
satz aber  zu  seinen  Schülern  —  hierzu  gehören  die 
weniger  bedeutenden  Meister  Duris  uud  Hierou  — 
stellt  er  sich  höhere  Aufgaben,  nicht  allein  in  der 
Formgebung  seiner  Figuren,  sondern  vor  allem  in 
die  Wahl  des  Gegenstandes.  Vgl.  hierüber  auch 
Klein,  Archäol.  Zeitg.  1878  S.  71. 

Brauuschweig.  P-  J-  Meier. 


Archaolog,  Ztg.   .Jahrgang  XLIU. 


13 


187 


188 


ÜBER  VASEN  MIT  ÜMRISS- ZEICHNUNG. 

(Tafel  12.) 


In  einer  niclit  genauer  bestimmbaren  Zeit,  ver- 
mutliiieli  während  der  ersten  Hälfte  des  sechsten 
Jahrhunderts,  begannen  die  Vasenmaler  eine  von 
der  ältesten  Gewohnheit  abweichende  Decorations- 
art zu  verwenden.  Die  wesentliche  Neuerung  be- 
stand darin,  dass  man  nicht  mehr  wie  früher  die 
ganze  Fläche  der  Gefässe  mit  Figuren  und  Orna- 
menten bedeckte,  sondern  das  Bild  auf  einen  be- 
stimmt abgegrenzten  Raum  beschränkte  und  die 
übrigen  Gefässtheile  mit  einer  Decke  von  schwarzem 
Firniss  überzog.  Damit  war  die  Entstehung  der 
rothfigurigen  Technik  im  eigentlichen  Sinne  vor- 
bereitet. Nur  daueite  es  eine  Zeit  lang,  bis  mau 
die  Vortheile,  welche  das  neue  Verfahren  an  die 
Hand  gab,  für  die  Ausführung  des  Bildes  selbst 
verwerthete  und  auf  den  Gedanken  kam,  den  gan- 
zen Grund  der  Gefässe  schwarz  auszufüllen  und  die 
Figuren  in  der  rothen  Thonfarbe  stehen  zu  lassen. 
Wie  Klein,  Euphronios  S.  20ff.  gezeigt  hat,  waren 
die  Schalenmaler  aus  dem  Kreise  des  Epiktetos  die 
ersten,  welche  den  rothfigurigen  Stil  zur  Anwendung 
brachten;  aber  schon  vor  ihnen  war,  wenn  auch 
zaghaft  und  immer  nur  bei  einer  ganz  bestimmten 
Art  von  Darstellungen,  der  Versuch  gemacht,  für 
die  Zeichnung  der  Figuren  ein  neues  Ausdrucks- 
mittel zu  finden.  Als  nächste  Vorläufer  des  Epi- 
ktetischen Kreises  giebt  sich  eine  eng  zusammen- 
gehörige Gruppe  von  Künstlern  zu  erkennen,  welche 
sicli  durcli  die  Ausführung  zierlicher,  mit  geringem 
Bilderschmuck  versehener  Schalen  charakterisiren  '). 
Meist  sind  es  ein  paar  kleine  schwarze  Figuren 
zwischen  Palmettenornamenten  oder  ornamental  be- 
handelten Thiergestalten,  welche  zusammen  mit  der 
Inschrift  die  einzige  Verzierung  der  Gefässe  aus- 
machen. Doch  ist  der  Darstellungskreis  damit  niclit 
erschöpft.  Mit  Vorliebe  beschränkt  man  den  gan- 
zen bildlichen  Schmuck  darauf,  am  äusseren  Rande 

•)  Eine  vollstäniligc  Zusammenstellung  giebt  Klein,  Die 
griechischen  Vasen  mit  Meistersigniituren  S.  32 — 39.  Ihre  liiiupt- 
vertreter  sind  Eucheiros,  der  fSohn  des  Ergotiuios,  Tleson,  Archi- 
kles  und  ülaukjtes,  Xenokles,  liermogeiies,  S.ikoniiles. 


der  Schale  jederseits  einen  —  in  der  Regel  weib- 
lichen —  Kopf  anzubringen  und  darunter  die  In- 
schrift zu  setzen.  Diese  Art  von  Decoration  war  eine 
neue  Erfindung.  Die  alten  Künstler  des  schwarz- 
figurigen  Stiles  malten  nur  gauze  Figuren,  und  für 
die  Ausführung  dieser  hielten  auch  die  Schalen- 
maler der  bezeichneten  Gruppe  an  der  gewohnten 
Technik  fest.  Für  die  Darstellung  einzelner  Köpfe 
dagegen  eignete  sich  das  alte  Verfahren  schlecht. 
Schon  das  Motiv  zeigt,  dass  man  etwas  Besonderes 
geben  wollte:  man  fing  an,  in  sehr  wesentlichem 
Gegensatze  zu  der  früheren  Zeit  sich  für  die  Ge- 
sichtszüge im  besonderen  zu  interessiren,  und  hatte 
bei  der  Ausführung  dieser  Köpfe  offenbar  den 
Wunsch,  wenn  auch  nicht  die  Züge  bestimmter 
Persönlichkeiten  zu  bieten,  so  doch  eine  von  der 
frUlieren  schematischen  Behandlungsweise  entfernte, 
individuell  belebte  Darstellung  zu  erreichen,  welcher 
nicht  das  Gegenständliche,  sondern  lediglich  das 
Formelle  den  Werth  gab.  Einem  solchen  Bestre- 
ben, hinter  welchem  freilich  das  Können  dieser 
Vasenmaler  noch  stark  zurückblieb,  indem  sich  die 
wirklichen  Fortschritte  auf  nicht  viel  mehr  als  auf 
Einzelheiten,  wie  die  Ausführung  des  Auges,  er- 
streckten, stand  die  schwarzfigurige  Technik  im 
Wege.  Man  half  sich  mit  demselben  Auskunfts- 
mittel,  welches  man  bei  der  Ausführung  des  in 
Vorderansicht  gebildeten  Gorgoneiou  anwendete, 
d.  h.  man  zeichnete  den  Kopf  in  einfachen  Umriss- 
linien  auf  den   rotheu  Thongruiid  auf').      Dass  es 

-)  Es  versteht  sich,  dass  diese  Unirisszeichnungen  für  sich 
betrachtet  werden  müssen,  und  nicht  etwa  im  Zusammenhang 
mit  den  ersten  Versuchen,  menschliche  Gewichter  zu  zeichnen, 
wie  sie  von  den  Verfertigern  der  melischen  Thongefässe  gemacht 
wurden  Auf  diesen  Vasen  sind  die  Köpfe  der  Figuren  in 
Unirisszeichnung  ausgeführt,  ebenso  wie  auf  den  alterthümlichen 
Gefässen  bei  Salzmann,  Nicropole  de  Camiros  Taf,  49,  60,  51,  54. 
In  dersellrcn  Weise  sind  auf  der  Schüssel  aus  Acgina,  Berlin 
1G82  Furtwängler,  abgeb.  Arch.  Ztg.  1882  Taf.  9.  10  (vgl.  S.  205), 
die  nackten  Theile  der  Athenafigur  behandelt,  während  die  übrigen 
ITiguren  mit  Farbe  vollständig  ausgefüllt  sind.  Das  gleiche  Ver- 
fahren kehrt  wieder  auf  der  Vase  des  Kolchos,  Berlin  1732, 
abgeb.  Gerhard  A.  V.  Taf.  122.  123  (vgl.  Furtwängler's  Be- 
schreibung), welche  den  oben  genannten  Schalen  bereits  nahesteht 


189 


F.  Winter,  Vasen  mit  Umriss-Zeiclinuiig. 


190 


nur  ein  Versucli  war  und  nicht  eine  Lösung  des 
gestellten  Problems,  zeigt  sich  g.anz  deutlicli  darin, 
dass  die  schwarzfigurige  Teclinik  nach  wie  vor 
weiter  geübt  wuide. 

Die  älteste  Vase,  auf  der  ein  Brustbild  in  Um- 
risszeiclinung  vorkommt,  ist  die  iuj  lierliner  Museum 
befindliche  Schale  des  Eucheiros  (N.  1756  Furtwäng- 
1er;  Klein,  Die  griechischen  Vasen  mit  Meistersigna- 
turen S.  33,  2).  Von  den  Malern  dieser  Gruppe  der 
'Kleinmeister'  sind  es  ausserdem  Hermogenes,  Epi- 
timos  und  Sakonides,  welche  Darstellungen  der 
gleichen  Art  ausgeführt  haben.  Hermogenes  ist  mit 
vier  Schalen  (München  28,  30;  Louvre,  Dubois  Vases 
de  Canino  253;  Castle  Ashby  bei  Northarapton,  siehe 
Archäol.  Zeitg.  1881  S.  302;  Klein's  Beschreibung 
S.  38,8 — 11  ist  ungenau)  vertreten,  die  auf  beiden 
Seiten  einen  Fiauenkopf  in  Umrisszeichnung  tra- 
gen; ebenso  sind  die  beiden  Sclialen  des  Sakoni- 
des (Sammlung  Fontana  in  Triest  und  München 
27;  Klein  S.  38,  1.2)  verziert;  auf  der  Schale  des 
Epitimos  (Klein  S.  38)  entspricht  ein  in  Konturen 
ausgeführter  bärtiger  Kopf  auf  der  einen  Seite  einer 
schwarzfigurigen  Darstellung  von  zwei  Reitern  auf 
der  anderen.  Gleichartig  in  der  Gefässform  (Fig.  11 
Jahn)  und  in  der  Anordnung  des  Bilderschmuckes 
reiht  sicli  diesen  Beispielen  eine  niclit  mit  einem 
Künstlernamen  bezeichnete,  nachstehend  abgebildete 


Schale  des  Hrittischen  Museums  an  (aus  Vulci,  früher 
Sammlung  Blacas),  welche  auf  beiden  Aussenseiten 
mit  einem  in  Umrissen  gezeiclineten  weiblichen 
Kopfe    geschmückt  ist').     Derselben  Art  sind    die 

Der  Vollständigkeit  halber  seien  die  korinthischen  Aryballoi  in 
Berlin  1042  und  1094  und  in  Athen,  Sammlung  der  archäologisch. 
Gesellschaft  2480,  auf  denen  am  Henkel  ein  Kopf  in  Umriss- 
zeichnung angebracht  ist,  sowie  die  korinthischen  l'inakes  in  Berlin 
475.  477.  479.  487.  488.  493.  495.  498.  538.  765.  787.  827. 
828.  891   erwähnt.     Vgl.  Puchstein,  Arch.  Ztg.   1881   S.  245. 

^)  Die  heigegebene  Abbildung  sowie  die  Beschreibung  der 
Vase  verdanke  ich  l'aul  Wolters.  Das  Haar  des  Kopfes  ist  mit 
schwarzer,  die  Binde  und  das  Gewand  mit  rothbrauncr  Farbe  aus- 
gefüllt.    Eingeritzt  ist  nur  die  Grenze  von  der  Schulter  zum  Zopf 


Schalen  Berlin  1757,  Münclien  12  und  3G,  wäiirend 
die  in  Berlin  befindliche  Schale  1803  sowie  die 
der  Münchener  Sammlung  553  und  G30  (abgeb. 
Micali,  Monumeuli  inediti  Taf.  43,  5)  bereits  in  ab- 
weichender Form  ohne  abgesetzten  oberen  Rand  ge- 
bildet sind.  Bei  den  beiden  Münchener  Exemplaren 
sind  die  Köpfe  an  den  Aussenseiten  von  zwei 
Augen  umgeben,  das  innere  Rund  ist  mit  einem 
Gorgoneion  ausgefüllt,  eine  Decorationsweise,  welche 
bekanntlich  den  Schalen  des  Epiktetischen  Kreises 
eigentliünilich  ist. 

In  beschränkterer  Zahl  treten  diesen  Vasen  die 
Schalen  gegenüber,  bei  welchen  für  die  Ausführung 
der  Köpfe  die  alte  schwarzfigurige  Technik  beibe- 
halten ist.  Gefässe  mit  Künstlerinschriften  sind 
hier  gar  nicht  vertreten.  Von  Schalen  der  älteren 
Form  mit  abgesetztem  oberen  Rande  sind  mir  nur 
zwei  Beispiele  bekannt:  die  Schale  des  Brittischen 
Museums  680,  abgeb.  Annali  1857  Taf.  A,  und  die 
der  Münchener  Sammlung  1224.  Bei  beiden  ist  die 
bildliche  Ausstattung  auf  die  Darstellung  eines  weib- 
lichen Kopfes  jederseits  beschränkt.  Ihnen  reiht 
sich  als  Glied  einer  zweiten,  etwas  jüngeren  Gruppe 
die  Schale  Petersburg  84  an;  sie  ist  ohne  abgesetzten 
Rand  geformt  und  trägt  auf  der  einen  Aussenseite 
von  zwei  Augen  umgeben  die  'Maske'  des  Dionysos, 
auf  der  anderen  die  'Maske'  eines  Satyrs,  im  In- 
neren ein  Gorgoneion.  An  Stelle  des  Gorgoneion 
trägt  die  Schale  des  Museo  Campana  Ser.  IV  —  VIT 
115  im  Inneren  eine  'Maske'  des  Dionysos,  welche 
Darstellung  zwischen  zwei  Augen  an  den  Aussen- 
seiten wiederholt  ist,  während  auf  der  ebendaselbst 
N.  104  beschriebenen  Schale,  auf  deren  beiden 
Aussenseiten  ein  weibliches  und  ein  männliches 
Brustbild  zwischen  Augen  angebracht  ist,  das 
Inneubild  fehlt. 

hin  und  das  in  sechs  Strichen  angedeutete  Zopfband.  Unterhalb 
des  Kopfes  befindet  sich  die  Inschrift  Nl  -f-  OSl-hOSI  -|-  I  -|-  1-4-, 
welcher  auf  der  anderen  Seite,  deren  identischeDarstellungschlechter 
erhalten  und  durch  moderne  Ausbesserung  entstellt  ist,  die  Inschrift 
KA-fNI -f  VI +AOSI+  entspricht.  Eine  Schale  mit  einem 
Kopfe  in  Umrisszeichnung  auf  jeder  Seite  befindet  sich  in  der 
Sammlung  Bourguignon ,  zwei  ähnliche  Exemplare  in  Athen, 
Sammlung  der  arch.  Ges.  705  und  1494,  wie  mir  1'.  J.  Meier 
mittheilt. 

13* 


191 


F.  Winter.    Vasen  mit  Umriss-Zeichnuna;. 


192 


In  näherer  Beziehung  zu  den  Vasen  mit  Uni- 
risszeichnung  stehen  zwei  Schalen,  welche  der  Form 
und  Decoratiousweise  nach  der  zuletzt  behandelten 
jüngeren  Gruppe  angehören.  Die  Schale  Berlin 
2056  (abgeb.  Gerhard,  Gesammelte  akademische  Ab- 
handlungen Taf.  LXVII,  4.  5)  zeigt  auf  der  einen 
Seite  zwischen  Augen  die  nebeneinander  gestellten 
Brustbilder  eines  bärtigen  Mannes  und  einer  Frau, 
und  zwar  ist  das  männliche  Gesieht  roth,  das  weib- 
liche weiss  gemalt,  auf  der  anderen  Seite  ist  ein 
wie  ein  Gorgoneion  behandelter,  männlicher  Kopf 
in  Konturen  aufgezeichnet.  Reichhaltiger  ist  die 
Darstellung  der  Schale  Neapel  S.  A.  172,  abgeb. 
Gerhard,  Ges.  akad.  Abhandlungen  Taf.  LXVIII,  1. 
2:  auf  der  einen  Seite  der  Kopf  des  bärtigen  Diony- 
sos, dem  Kopfe  einer  mit  KAH^  bezeichneten  Frau 
gegenüber,  rechts  und  links  der  Kopf  einer  Jlaenade, 
auf  dem  Gegenbilde  die  Köpfe  des  Dionysos  und 
der  Semele  zwischen  Kebzweigen,  auf  denen  sich 
drei  kleine  schwarzfigurige  Satyrn  herumtreiben. 
In  der  Zeit,  welche  dem  Aufkommen  des  roth- 
figurigen  Stiles  vorangeht,  ist  die  Darstellung  von 
Einzelköpfen  fast  ausschliesslich  auf  die  Schale  be- 
schränkt. Sie  findet  sich  auf  Gefässen  anderer 
Form  während  dieser  Zeit  in  der  Regel  nur  als 
nebensächliche  Decoration  verwerthet*),  so  auf  den 
Henkelplatte  einer  sog.  Amphora  a  colonnetle,  Mün- 
chen 983.  Als  Beiwerk  giebt  sie  sich  aucii  zu  er- 
kennen, wo  sie  als  Schmuck  für  den  oberen  Theil  von 
Amphoren  verwendet  ist,  wie  z.  B.  auf  den  Vasen 
Neapel  2832,  München  916.  917.  918,  Berlin  1674, 
Museo  Campana  Ser.  IV  — VII  1042.  Eine  Aus- 
nahme machen  die  kleinen  Kannen  Berlin  1933 
und  4003,  abgeb.  Furtwängler  Sammlung  Sabouroff 
Taf.  50,  2,  deren  erstere  mit  dem  Kopfe  eines 
Greises  geschmückt  ist,  während  die  letztere,  in 
abweichender  Technik,  einen  Hermeskopf  schwarz 
auf  weissen  Grund  aufgemalt  trägt.  Die  Amphora 
Gerhard,  Ges.  akad.  Abhandlungen  Taf.  LXVIII  3, 
mit  der  Darstellung  eines  männlichen  und  eines 
weiblicheu   Brustbildes,    verniuthlich    des  Dionysos 

■•)  Auf  dem  oberen  Rande  der  .Scliiile  Berlin  17Ö3  ist  ein 
männlicher  Kopf  zwischen  zwei  mit  MenschcukiJijfen  versehenen 
Vögeln  angebracht. 


und  der  Semele,  welche  von  Satyrn  und  Maenaden 
umtauzt  werden,  weicht  insofern  ab,  als  auf  ihr 
die  Köpfe,  ebenso  wie  auf  der  an  letzter  Stelle  er- 
wähnten Schale,  nicht  selbständige  Bedeutung 
haben  ^). 

in  der  eigentlichen  Blüthezeit  der  attischen  roth- 
figurigen  Vasenmalerei  während  der  ersten  Hälfte 
des  fünften  Jahrhunderts  scheint  man  fast  ganz 
von  der  Ausführung  des  Brustbildes  abgekommen 
zu  sein.  Die  drei  als  rothfigurig  bezeichneten  Scha- 
len des  Museo  Campana  Ser.  IV — VII  1U9  (auf  jeder 
Seite  die  'Maske'  eines  bärtigen  Satyrs  zwischen 
zwei  Augen,  unter  den  Henkeln  kämpfende  Krie- 
ger, im  Innern  ein  Satyr  und  eine  Maenade),  112 
(Brustbild  eines  Kriegers  zwischen  Augen,  unter 
den  Henkeln  zwei  Satyrn),  624  (jederseits  die 
'Maske'  eines  Satyrs  zwischen  zwei  Augen,  unter 
den  Henkeln  Rebzweige,  im  Inneren  ein  Gorgoneion) 
geben  sich  deutlich  als  Werke  des  epiktetischen 
Kreises  zu  erkennen.  Nicht  viel  später  ist  die  Sosias- 
scliale  (Berlin  2278)  verfertigt,  auf  welcher  unter 
dem  einen  Henkel  in  eine  ausgesparte  rothe  Scheibe 
ein  Frauenkopf  in  Umrissen  hineingezeichnet  ist. 
Auch  die  Lekythos  Berlin  2230  mit  einem,  wie  es 
scheint,  auf  dem  schwarzen  Grunde  ausgesparten 
weiblichen  Kopfe  und  die  Vase  (sog.  Phiale)  Ber- 
lin 2310,  auf  deren  Omphalos  ein  Frauenkopf  in 
'schönem,  strengem  Typus'  aufgemalt  ist,  gehören 
dem  älteren  rothfigurigen  Stile  an.  Um  so  be- 
stimmter wird  man  in  der  Wahl  dieser  Art  von 
Decoration  eine  Nachwirkung  der  vorhergehenden 
Epoche  erkennen  dürfen,  als  analoge  Darstellungen 
auf  den  Vasen,  welche  der  zweiten  Hälfte  des 
fünften  Jahrhunderts  entstammen,  so  viel  ich  sehe, 
überhaupt  nicht  nachweisbar  sind. 

Erst  seit  dem  vierten  Jahrhundert  kam  das 
Brustbild  wieder  zu  Ehren.  Mit  V'orliebe  benutzte 
mau  es  von  dieser  Zeit  an  zur  Verzierung  von 
Lekythen,  für  welche  ein  Hinweis  auf  die  Zusam- 
menstellung hei    Heydemann,    Griechische   Vasen- 

')  Aniiloge  Darstellungen,  meist  später  Zeit  angehörig,  sind 
in  der  folgenden  Aufzählung  fortgelassen.  Vergleiche  die  Zu- 
sammenstellungen bei  Froehner,  Musies  de  France  S.  68 — 74,. 
Taf.  22,  1   und  Annali  1884  S.  205  flf.,  Taf.  N. 


193 


F.  Winter,  Vasen  mit  Umriss-Zeichming. 


194 


bilder  S.  12  zu  Taf.  XI,  4')  genügen  möge.  Auch 
anderen  Gefässeu  zierlicher  Form,  wie  Rliyton 
(Münciien  872,870  abgeb.  Brunn-Lau  Taf.  XL  1, 
XLIV  2),  Aryballos  (I'.erlin  2(595,  Neapel  2312, 
R.  C.  57,  59),  Oinochoc  (Frochner,  Mnsees  de  France 
Taf.  22,  2.  Neapel  1957,  196G),  Pyxis  (Berlin  2721, 
abgeb.  Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff  Taf.  G5,2) 
diente  es  als  Ausstattung.  Vou  hier  übernahmen 
es  die  unteritaliscben  Vascnmaler,  um  es  vorzugs- 
weise zur  Decoration  des  Halsstreifens  der  grossen 
Prachtgefässe  zu  verwenden.  Manches  Neue  brach- 
ten sie  hinzu,  indem  sie  den  Kopf  mit  reichem 
Blätterornameiit  umgaben,  so  dass  er  wie  aus  den 
Zweigen  herausgewachsen  sich  ausnimmt,  und  die 
Vorderansicht  des  Gesichtes  ausbildeten,  die  we- 
nigstens für  den  Einzelkopf,  abgesehen  von  dem 
Gorgoneion  und  ähnlichen  Bildungen,  auf  attischen 
Vasen  noch  nicht  versucht  zu  sein  seheint.  Die 
Ausfuhrung  im  Einzelnen  ist  auf  den  jüngsten 
attischen  und  vielen  unteritalischen  Bildern  so  wenig 
verschieden,  dass  eine  Entscheidung  über  die  Her- 
kunft nach  stilistischen  Merkmalen  oft  zu  den  Un- 
möglichkeiten gehört:  schwerlich  würde  man  die 
beiden  gemalten  Frauenköpfe  'E(prjfiEQts  ctQxaiolo- 
yixt]  18G9  Taf.  51  als  Werke  eines  attischen  Künst- 
lers in  Anspruch  zu  nehmen  wagen,  wüsste  man 
nicht,  dass  die  Firstziegel,  zu  deren  bildlichem 
Schmuck  sie  gehören,  in  Athen  selbst  gefunden 
sind'). 

Die  jüngeren  Vasen  dieser  Gattung  unterschei- 
den sich  von  den  älteren  sehr  merklich  dadurch, 
dass  die  Köpfe  nicht  in  Umrisszeichnung  ausgeführt, 
sondern  durcbgehends  auf  dem  scliwarzen  Grunde 
ausgespart  sind.  Die  Umrisszeichnung  ist  über- 
haupt der  Uebergangszeit  des  schwarzfigurigen 
zum  rothfigurigen  Stile  eigenthUmlicli  und  begegnet 
späterhin,  abgesehen  von  den  Gefässen  mit  weissem 
Grund,  welche  ihre  selbständige  Eutwickelung  ha- 

^  Unter  den  daselbst  aufgezählten  Vjisen  befinden  sich  auch 
einige  ältere,  so  N.  4,  welche  als  schwarztiguiig  bezeichnet  ist, 
ferner  ein  "Skyjjhos',  der  jederseits  mit  einem  in  schwarzer  Um- 
risszeichnung ausgelührten  Frauenkopfu  bemalt  ist. 

')  Ein  in  Athen  gefundener  Firstziegel  derselben  Form  mit 
der  Darstellung  eines  weiblichen  Kopfes  an  dem  einen  ge- 
schlossenen Ende  befindet  sich  in  Berlin  No.  2624. 


ben,  nur  in  vereinzelten  seltenen  Fällen.  Die  bei 
Dubois-Maisonneuve,  InlroducHou  Taf.  18  veröffent- 
lichte Vase  mit  der  Darstellung  einer  nach  links 
eilenden  Frau,  sowie  die  Lekythos  des  Neapler 
Museums  R.  C.  182  (abgeb.  bei  Fiorelli,  Vasi  Cumani, 
Titelvignette),  auf  der  eine  Frau  gemalt  ist, 
welche  in  der  erhobenen  Hand  eine  Blume  hält, 
sind  die  einzigen  mir  bekannten  jüngeren  Beispiele 
für  Umrisszeichnung  -auf  rothem  Grund.  Sie  sind 
beide,  wie  der  Stil  deutlich  verräth,  bald  nach  der 
Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  verfertigt.  Auch  das 
kennzeichnet  die  jungem  Vasenmaler,  dass  sie  es 
ängstlicher  als  die  älteren  vermeiden,  die  begren- 
zenden Linien  verschiedener  Theile  der  Figuren 
zusammentreffen  zu  lassen.  Auf  der  Schale  des 
Pamphaios  Gerhard  A.  V.  Taf.  221.  222  sind  die 
Köpfe  der  beiden  Flügelfiguren  und  des  gestor- 
benen Helden  so  gezeichnet,  dass  sich  die  Ge- 
sichtslinien nicht  vom  schwarzen  Grunde  abheben, 
sondern  auf  die  rothe  Fläche  der  angrenzenden 
Körpertheile,  der  Flügel  und  des  einen  Armes,  zu 
stehen  kommen.  Eine  ähnliche  Häufung  derartiger 
Konturzeichnungen,  für  welche  sich  aus  den  älteren 
rothfigurigen  Vasen  ohne  Mühe  weitere  Beispiele 
auffinden  lassen'),  gehört  auf  den  Gefässbildern 
des  freien  Stiles  zu  den  Seltenheiten'). 

Die  gegebene  Uebersicht,  welche  allerdings  bei 
den  oft  unzureichenden  Angaben  über  die  Technik 
der  Vasenbilder  keinen  Anspruch  auf  Vollständig- 
keit machen  kann,  bei  welcher  ich  aber  hoffe  nichts 
Wesentliches  ausgelassen  zu  haben,  lässt  die  Be- 
deutung und  Stellung  der  zwei  auf  Taf.  12, 1  und  2 
abgebildeten  Vasenbildcr  leicht  erkennen. 

Das  eine  Bild,  welches  auf  Taf.  12,  1  zum  ersten 
Male  —  in  der  Grösse  des  Originals  —  veröffent- 

»)  Vgl.  auch  I'.,J.  Meier,  Arch.  Ztg.  188.3  S.  3  Anm., 
welcher  einige  Beispiele  von  Unirisszeichnungen  zusammenge- 
stellt hat. 

^  Eine  Ausnahme  macht  die  bei  Fiorelli,  lusi  C'umnni 
Taf.  8  veröffentlichte  Amazonenvase.  Doch  ist  zu  berüclssich- 
tigen,  dass  das  auf  diesem  Bilde  reichlich  verwandte  imd  auf 
den  gleichzeitigen  (gegen  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  verfer- 
tigten) Vasen  überhaupt  sehr  beliebte  Motiv  der  in  Angriffs- 
stellung gebildeten  Figur,  bei  welcher  die  Profillinien  des  Ge- 
sichtes mit  der  Fläche  des  einen  zum  Schlage  erhobenen  Armes 
zusammentreffen,  von  den  Vasenmalern  nicht  selbst  erfunden, 
sondern  aus  den  Werken  der  grossen  Kunst  entlehnt  ist. 


195 


F.  Winter,  Vasen  mit  Umriss-Zeiclinung. 


196 


licht  wird'"),  scliiiiückt  das  innere  Hund  einer 
Schale,  welche  Ende  des  Jahres  1877  in  Orvieto 
gefunden  worden  ist  und  sich  jetzt  im  akademischen 
Kunstmuseum  zu  Bonn  befindet.  Das  Gefäss  ist 
mehrfach  zerbrochen,  doch  fehlen  nur  wenige 
Stücke  des  äusseren  Randes.  Die  Bruchlinien  des 
lunenbildes,  welche  von  dem  oberen  Naseiiansatz 
der  Figur  über  den  Hals  sich  hinziehen,  sind  auf 
der  Abbildung  fortgelassen,  um  den  Eindruck  der 
Zeichnung  nicht  zu  stören;  nur  an  der  einen  Stelle 
des  umlaufenden  Streifens  schien  es  wegen  der  Ver- 
letzung der  Inschrift  nüthig,  die  Bruchstelle  anzu- 
geben. Die  Schale  (H.  0,7  m.  Dm.  0,196  m.),  ohne 
besonders  abgesetzten  oberen  Rand  gebildet,  hat 
dieselbe  Gestalt,  wie  beispielsweise  die  Schalen  des 
Pampliaios  und  Epiktetos.  Auch  die  gleiche  De- 
coratiousart  theilt  sie  mit  einer  Anzahl  von  Werken 
dieser  Künstler").  Sie  ist  bis  auf  den  Raum  des 
Innenbildes  vollständig  mit  schwarzem  Firniss  tiber- 
zogen, nur  ein  schmaler  ausgesparter  Streifen  ohne 
Ornament  leitet  zu  der  Darstellung  über.  Der  brei- 
tere, schwarz  ausgefüllte  Kreis  zwischen  diesem 
Streifen  und  dem  eigentlichen  Bilde  ist  zur  Auf- 
nahme der  Inschrift  EUPINIKO^  KÄUO^ ")  be- 
nutzt. In  dem  inneren  Runde  der  Sciiale  ist  mit 
kräftigen,  ausserordentlicli  sicher  gefülirteu  schwar- 
zen Pinselkonturen  ein  Kopf  auf  den  rothen  Thon- 
grund  aufgemalt.  Dass  es  der  Kopf  eines  Mäd- 
chens ist,  zeigt  der  weibliche  Charakter  der  Züge. 
sowie  namentlich  die  Hinzufügung  des  Ohr-  und 
Halsschmuckes.  Das  kurze,  aber  volle  Haar,  wel- 
ches allein  mit  schwarzer  Farbe  ausgei'üllt  ist,  fällt 
in  zierlichen  Löckchen  auf  Stirn  und  Wangen  her- 
ab und  wird  von  einer  breiten,  hinten  zusammen- 
geschluugenen  Binde  festgehalten.  Die  Pünktchen 
am  Ilalshaude  selien  fast  aus  wie  eine  Inschrift; 
man  meint,  in  den  acht  Zeichen  reclitcr  Hand  ein 
EPOIE^EN  lesen   zu  können.     Doch  iiat  sich  mir 

'")  Die  Vorlage  für  die  Abbildung  ist  nach  einer  Photo- 
graphie  hergestelll    iiml    von    mir  mit  dem  Originale  verglichen. 

")  Vgl.  Klein,  Muistersignaturen  S.  44,  20—24.  S.  47,11— l.'J. 

'-')  Achnlich  lindet  sicli  die  Liebcsinschrift  STPOIBOS 
KAPOS  in  Verbindung  njit  einem  weiblieben  Brustbild  auf  der 
.Schale  de.-*  lirittischen  Mu.■^eums  680,  abgebildet  Annali  1857 
Taf.  A. 


bei  wiederholter  Prüfung  des  Originals  ergeben, 
dass  die  Aehnlichkeit  der  Zeichen  mit  Buchstaben 
nur  eine  zufällige  ist. 

Wie  bereits  hervorgehoben  wurde,  giebt  sich 
die  Schale  deutlich  als  ein  Werk  des  epiktetischen 
Kreises  zu  erkennen:  das  zeigt  die  Gefässform  und 
die  Einfachiieit  der  auf  das  innere  Rund  be- 
schränkten bildlichen  Ausstattung,  Eigenthümlich- 
keiten,  durch  welche  sich  die  Vase  ebenso  merk- 
lich -von  den  älteren  Schalen  der  sog.  'Kleinmeister', 
wie  von  den  jüngeren  des  Duris  und  Genossen 
unterscheidet.  Die  stilistische  Ausführung  des  Bil- 
des maclit  es  wahrscheinlich,  dass  sie  zu  den  jün- 
geren Werken  dieses  epiktetischen  Kreises  gehört. 
Trägt  der  Kopf  auch  noch  archaischen  Charakter, 
so  verräth  die  Zeichnung  doch  bereits  einen  leb- 
haften Fortschritt  gegenüber  der  Art,  wie  beispiels- 
weise Andokides,  Oltos,  Pamphaios  die  Köpfe  ihrer 
Figuren  gebildet  haben.  Die  nächsten  Analogien 
auf  Vasenbildern  scheinen  mir  die  Köpfe  der  Theseus- 
schale  des  Euphronios  zu  bieten.  Wir  werden  nicht 
weit  fehl  gehen,  wenn  wir  die  Schale  in  das 
zweite  oder  dritte  Jahrzeliut  des  fünften  Jahrhun- 
derts verweisen. 

Das  zweite  auf  Taf.  12,  2  abgebildete  Vasenbild 
—  ein  Athenakopf  zwischen  zierlichen  Palmetten- 
ranken —  gehört  einer  Lekythos  des  Brittischen 
Museums  (früher  Sammlung  Hamilton  392)  an. 
Dieselbe  ist  0,25m.  hoch,  Ausguss  und  Hals  sind 
schwarz  gefirnisst;  die  Schulter  ist  in  zwei  Streifen 
getheilt,  das  Stubornament,  welches  den  oberen 
derselben  ziert,  sowie  die  Palmettenranken  am 
unteren  sind  mit  schwarzer  Farbe  auf  den  rothen 
Thoiigrund  aufgemalt.  Das  Bild  wird  oben  durch 
einen  Mäander  begrenzt;  der  unterhalb  der  Dar- 
stellung befindliche  Theil  der  Lekythos  mit  Aus- 
nalime  des  unbemalt  gebliebenen  Fussrandes  ist  mit 
schwarzem  Firniss  überzogen.  Der  eigentliche 
Körper  des  Gefässes  ist  mit  gelblich  weissem  Grunde 
bedeckt,  und  auf  diesen  das  Bild  selbst  in  schwarzer 
Umrisszeichuung  aufgemalt'').    Mit  schwarzer  Farbe 

'■')  Auf  den  schlecliten  f.irbigcn  Abbildungen  der  Lekjthos 
bei  Dubois- Maisonneuve,  Iniruduciinn  'J'al'.  18  und  bei  David, 
Antiquilds  V  Taf.  31    ist  der  Grund    fälschlich    reib    angegeben. 


197 


F.  Winter,  Vasen  mit  Umriss-Zeichnung. 


198 


l^g^^l^^J^ggl^ 


■pj^JT^LTSf^RSSJ-^U^i 


sind  nur  die  Palmetten  voll  ausgefüllt,  sowie  die 
Verzierungen  am  Helm  und  das  Haar,  während  der 
Granatapfel,  welchen  die  Göttin  in  der  erhobenen 
Linken  hält,  zuerst  mit  einer  schwarzen  Linie  um- 
zogen und  dann  mit  brauner  Farbe  ausgefüllt  ist. 
Unsere  Abbildung,  die  nach  derselben  Zeichnung 
Benndorf  8  ausgeführt  ist,  welche  der  verkleinerten 
Wiedergabe  bei  Kekule,  Die  Reliefs  an  der  Balu- 
strade der  Athena  Nike  S.  25,  zu  Grunde  liegt,  giebt 
die  Zeichnung  in  natürlicher  Grösse. 

Ueber  die  enge  Zusammengehörigkeit  beider 
Vasen  kann  bei  dem  verwandten  Charakter  der 
Zeichnung  kein  Zweifel  sein.  Sie  entstammen  ge- 
wiss beide  ein  und  derselben  Zeit  und  sie  sind 
beide  in  Athen  verfertigt.  Liegt  die  Bedeutung 
des  Schalenbildes  im  Wesentlichen  darin,  dass  wir 
in  ihm  die  einzige  in  Umrisslinien  ausgeführte  Dar- 
stellung grösseren  Umfanges  aus  der  ersten  Zeit 
der  bereits  entwickelten  rothfigurigen  Teclmik  be- 
sitzen, so  nimmt  die  Lekythos  innerhalb  der  Klasse 
von  technisch  gleichartigen  Gelassen  eine  nicht 
minder  wichtige  Stellung  ein.  Unter  den  vielen 
weissgrundigen  Gefässen  mit  Umrisszeichnung  ist 
die  Zahl  derjenigen,  deren  bildlicher  Sclmuick  auf 
die  Darstellung  des  Eiuzelkopfes  beschränkt  ist, 
eine  versehwindend  geringe.  Zeitlich  scheinen  der 
Lekythos  des  Brittischen  Museums  die  beiden  Vasen 
gleicher  Form  und  Technik  nahe  zu  stehen,  welche 
Furtwängler,  ArchZtg.  1880  S.  13G  als  im  athenischen 
Kunsthandel  befindlich  anführt:  die  eine  mit  einem 
grossen  Athenakopfe,  die  andere  'mit  einem  grossen 
weiblichen  Kopfe,  neben  welchem  noch  die  leier- 
spielenden Hände   vorkommen,  von   vier  dorischen 


Säulen  überdacht.'  Als  jüngere  Werke,  wohl  spä- 
testens dem  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  ange- 
hörend, geben  sich  zwei  Lekythen  des  Brittischen 
Museums  zu  erkennen,  deren  Darstellungen  oben  ab- 
gebildet sind").  Die  eine  derselben  ist  in  Athen  ge- 
funden und  aus  der  Sammlung  Elgin's  in  das  Britti- 
sche Museum  gelangt.  Sie  ist  ohne  den  abgebroche- 
nen Hals  0,12  Meter  hoch.  An  der  Schulter  sind 
schwarze  Palmetten  auf  den  rothen  Thongrund  aufge- 
malt. Am  Bauch  ist  ein  weiblicher,  nach  rechts  blicken- 
der Kopf  mit  Haube,  neben  welchem  eine  siebensaitige 
Leier  sichtbar  wird,  in  Umrisslinieu  auf  den  weissen 
Grund  aufgezeichnet.  Die  andere  Lekythos  — 
0,11  Meter  hoch,  in  Nola  gefunden  —  stammt  aus 
der  Sammlung  Blacas.  Nicht  nur  der  Bauch,  sondern 
auch  die  Schulter  trägt  einen  weissen  Ueberzug, 
auf  welchen  ein  Strichornament  aufgesetzt  ist.  Der 
in  Konturen  ausgeführte  weibliche  Kopf,  mit  Haube 
und  Ohrschmuck  versehen,  ist  nach  links  gewendet 
und  zwischen  zwei  dorische  Säulen  gestellt. 

Einen  interessanten  Vergleich  zu  den  beiden 
Vaseubildern,  welche  auf  unserer  Tafel  veröffent- 
licht sind,  gewährt  ein  in  Attika  gefundenes  und 
jetzt  im  Berliner  Museum  (Conze,  Verzeichniss  der 
antiken  Sculpturen  734)  befindliches  Bruchstück  einer 
bemalten  Marmorstele,  deren  Darstellung  Taf.  12,3  in 
Verkleinerung  auf  '/.,  wiedergegeben  ist.  AVie  die 
Figur  des  Lyseas  war  auch  das  Bild  dieser  Stele  nur 
in  Farben  ausgeführt.  'Die  Farben  sind  verschwun- 
den, aber  man  erkennt  in  der  einst  von  ihnen  be- 

'*)  Die  Abbilcliingen  sind  durch  die  Vermittelung  von 
l'aul  Wolters  besorgt.  Die  auf  S  197  i>t  im  Massstabe  von  731 
die  auf  S    198   iu  Originalgri'isse  gegeben. 


199 


F.  Winter,  Vasen  mit  Umriss-Zeichnung. 


200 


deckten  und  dadurch  gesell ützten  und  hell  erhaltenen 
Fläche  deutlich  einen  nach  links  hin  gewendeten 
Jünglingskopf,  das  Gesicht  mit  doppeltem  Umrisse 
umzogen,  Augenbrauen  und  Ohr  kaum  noch  kennt- 
lich, sehr  deutlich  aber  das  Auge'  (Conze).  Die  Vor- 
lage für  die  Tafel  ist  auf  Grundlage  der  im  Bulletin 
de  Correspondance  hellenique  VIII  (1884)  Taf.  XIV 
veröffentlichten  Heliogravüre  mit  genauer  Verglei- 
chung  des  Originals  unter  Aufsicht  des  Herrn  Dr. 
Fränkel  hergestellt.  'Sie  giebt'  —  so  schreibt  der- 
selbe — ,  eine  deutlicliere  Vorstellung  von  dem  Ori- 
ginal als  es  einer  photographischen  Wiedergabe  mög- 
lich ist,  da  eine  solche  stets  die  täuschenden  und 
nur  mit  Mühe  von  den  beabsichtigten  Linien  zu  unter- 
scheidenden Flecken  scharf  hervortreten  lässt,  da- 
gegen da  versagt,  wo  nur  noch  blasse,  kaum  er- 
kennbare Reste  der  Zeichnung  vorhanden  sind,  wie 
namentlich  deutlich  wird,  wenn  man  die  Lippen  und 
die  Augen  der  beiden  Abbildungen  vergleicht'. 

Der  Kopf  der  Stele  zeigt  in  der  Profiilinie  sowie 
in  manchen  Einzelheiten,  in  der  Ausführung  des 
Haares  "),  der  Bildung  des  Auges,  der  Angabe  der 
Lippen  eine  überraschende  Aehnlichkeit  mit  dem 
Bilde  der  Schale,  wie  ihn  denn  schon  Pottier  Bulle- 
lin  de  Corr.  hell.  1884  S.  459  ff.  mit  Köpfen  von 
Figuren  des  Euphronios  verglicheu,  und  Conze  auf 
die  Verwandtschaft  mit  Zeichnungen  der  gegen  die 
Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  verfertigten  Vasen 
hingewiesen  hat.  Wir  gewinnen  durch  dieses  Werk 
ein  neues  Beispiel  für  die  gleichartige  Entwicke- 
lung  der  Kunst  der  Vasenmaler  und  der  monumen- 
talen Malerei,  für  welche  wir  ein  Zeugniss  aus 
früherer  Zeit  in  der  bekannten  Lyseasstele  be- 
sitzen. 

Locschcke"*)  hat  für  die  älteren  Vasen  ein  stren- 
ges Abhängigkeitsverhältniss  naciizuvveiseu  versucht, 
indem  er  auf  Grund  der  engen  Verwandtschaft, 
welche  die  Lyseasstele  mit  den  frühesten  rothtigu- 
rigen  Vasen  verbindet,  die  Entstehung  der  roth- 
figurigen  Teclinik  unmittelbar  aus  der  Malerei  auf 

'•')  Herr  I>r.  Fränkel  tlieilt  mir  mit,  dass  nur  <lie  in  der 
Abliildung  gegebenen  Lücicelien  sicher,  weitere  Simren  dagegen 
zweifelliaft  sind. 

""')  Mittlieilungen  des  atlienisclien   Instituts  XV  1879  S.  39ft'. 


Marmor  ableitete.  Das  Hauptargumeut  für  diese 
Ansicht  beruht  darauf,  dass  das  Bild  der  Ly- 
seasstele ebenso  wie  das  der  Aristionstele  ver- 
mittelst desselben  technischen  Verfahrens  wie  die 
Zeichnungen  der  rothfigurigen  Vasen  ausgeführt  ist: 
man  entwarf  eine  Konturzeicimung  auf  hellem 
Grunde  und  füllte  die  Darstellung  selbst  mit  bun- 
ten Farben  aus,  wälircnd  man  den  Grund  dunkel 
färbte.  Schwerlich  würden  die  Vasenmaler  auf 
jene  Stiländerung  gekommen  sein,  wenn  nicht  ein 
ähnlicher  Umschwung  in  der  monumentalen  Malerei 
vorangegangen  wäre.  Indessen  ist  gegen  Loeschcke's 
Vorstellung  einzuwenden,  dass  eine  directe  Abhän- 
gigkeit nur  dann  wahrscheinlich  sein  würde,  wenn 
die  Vasen,  auf  welchen  die  rothfigurige  Technik 
zum  ersten  Male  angewendet  ist,  noch  unter  dem 
frischen  Eindruck  einer  neuen  Erfindung  entstanden 
wären.  Dagegen  fällt  die  Entstehungszeit  der 
ältesten  rothfigurigen  Vasen  vermuthlich  in  die 
Wende  des  seciisten  und  fünften  Jahrhunderts,  wäh- 
rend die  Stele  des  Lyseas  und  wohl  auch  die  des 
Aristion  noch  in  die  Zeit  des  Peisistratos  hinauf- 
reicht und  zudem  diese  Monumente  gewiss  nicht 
gerade  die  ersten  Werke  waren,  deren  Maler  den 
Versuch  machten,  eine  vom  dunkeln  Grunde  sich 
abhebende  Figur  auf  den  Marmor  zu  malen.  An- 
dererseits ist,  wie  Klein  mit  Recht  ausgeführt  hat, 
die  rothfigurige  Technik  nicht  mit  einem  Male  ent- 
standen, sondern  in  allmähliger  Entwicklung  inner- 
halb des  Kreises  der  Vaseumaler  selbst  ausgebildet. 
Die  Versuche,  welche  die  Schalenuiaier  mit  der 
Umrisszeichnung  machten,  bestätigen  diese  An- 
nahme"). 

Klein  hat  (Euphronios  S.  24f.)  das  Aufliommen 
des  rothfigurigen  Stiles  mit  den  technischen  Neue- 
rungen in  Zusammenhang  gebracht,  welclie  nach 
der  viel  besprochenen  Stelle  des  Plinius  N.  H. 
XXXV  56 '")  Kimou   von  Kleouae  ausgebildet   hat. 


")  Vgl.  auch  Milchhiilcr,  Mittlieilungen  des  athenischen 
Instituts  V   1880  S.  165. 

")  '-  -  et  qui  primus  in  piciura  mtirem  a  femina  rüscreverit, 
Eumarum  Alheniensctii,  fiyuras  oninis  imitari  ausuin ,  ijuique  in- 
venta  eitts  ej-colueril ,  Cimotiem  Cleonaeum.  hie  catagraplia  iuvenil, 
hoc    est    ohlifjiias    irnaqines   et    varic  formarc    roltus,    rt'spicientis^ 


201 


F.  Wiiiti-T,  \'aseii  mit  Umriss-Zeiclmnns. 


202 


Soweit  die  gleichartigen  HestrebungxMi  jener  ver- 
schiedenen Kunstarten  bewiesen  werden  sollen,  ist 
gegen  diese  Zusammenstellung  nichts  einzuwenden. 
Nur  scheint  mir  die  Charakteristik  des  Kimon,  wie 
sie  Klein  gegeben  hat,  iu  einem  Tunkte  nicht  das 
nichtige  zu  trefifen,  der  für  die  Reurtheilung  der 
Vasen  mit  Umrisszeichnung  nicht  ohne  Bedeutung 
ist.  Klein  fasst  in  dem  Belichte  des  Plinius  das 
'invetiif  wörtlicii  auf  und  muss  daher  zu  einer 
gezwungenen  und  keinesfalls  richtigen  Erklärung 
des  'calagrapha'  seine  Zuflucht  nehmen.  'Cataiiraplia! 
heisst  nichts  anderes  als  'Profil',  und  so  hat  auch 
Plinius  das  Wort  verstanden,  wenn  er  es  mit 
'obliquae  imagiiies'  übersetzt.  Es  wird  sich  dem- 
nach mit  dieser  'Erfindung'  ebenso  verhalten  wie 
mit  vielen  anderen  Erfindungen,  welche  bei  Plinius 
so  manchem  Kunstler  zugeschrieben  werden.  Man 
malte  von  Anfang  an  die  Köpfe  —  denn  auf  diese 
kommt  es  wesentlich  an  —  im  Profil.  Aber  so 
lange  man  die  Figuren  wie  Silhouetten  behandelte, 
ging  die  Zeichnung  des  Gesichtes  nicht  über  die 
äusserlichste  Wiedergabe  der  Form  hinaus.  Erst 
als  man  die  Figuren  mit  heller  Farbe  bemalte  und 
dadurch  die  Möglichkeit  gewann,  eine  wirkliche 
Innenzeichnung  auszuführen,  war  man  in  den  Stand 
gesetzt,  eine  lebenswahrere  Behandlung  der  Köpfe 
zu  erreichen.  Kimon  führte  seine  Bilder  in  dieser 
Weise  aus,  das  zeigt  der  Gegensatz,  in  den  er  zu 
Eumaros  gesetzt  ist,  welcher  noch  nach  der  alten 
Weise  malte,  das  zeigen  ferner  die  Worte  des  Pli- 
nius über  die  Einzelheiten  der  Ausführung  Kimoni- 
scher  Figuren,  welche,  wie  Klein  richtig  hervor- 
gehoben hat,  Anwendung  der  Linearzeichnung  im 
Gegensatz  zu  der  früher  gewohnten  Technik  des 
Einritzens  bedingen.  Durch  die  Anwendung  dieses 
Verfahrens  gelang  es  Kimon  vermuthlich,  sowohl 
in  der  Ausführung  der  ganzen  Figuren  als  nament- 
lich in  der  Wiedergabe  der  Köpfe  seine  Vorgänger 
zu  übertreffen,  und  so  kam  es,  dass  man  ihm  die 
Profilzeichnung  als   Erfindung  zuschrieb,    während 


sufpicieiitisv«    vel   despicientis ,    arlictilis   niembra    distinxit,    venas 
prolulil  jiraeterijue  in  vesle  rugas  et  sinus  invenii.'     Vgl    Brunn, 
Geschichte  der  griechischen  Künstler  II  S,  9  f. 
Archäolog.  Ztg.   Jahrgang  XLUI. 


sein  wirkliches  Verdienst  nur  iu  einer  höheren 
Ausbildung  derselben  beruhte'''). 

Klein  erklärt  'calagrapha'  als  Umrisszeichnung. 
'Kimon  ersetzt  die  Silhouette  durch  den  Umriss,  des- 
sen Linien  die  rothfigurigen  Vasen  strengen  Stiles 
auch  unter  dem  Gewände  nicht  verschwinden  lassen. 
Seine  Intentionen  geben  sie  aber  doch  nicht  völlig 
rein  wieder.  Die  Aussparung  des  hellen  Grundes 
ist  ein  Compromiss,  den  der  Linearstii  mit  dem 
Flächenstil  einging,  während  der  Fortschritt  sich 
in  voller  Schärfe  auf  den  weissgrundigen,  kleinen 
Gefässen  ausprägt'.  Wäre  diese  Vorstellung  richtig, 
so  würden  wir  besonders  in  jenen  frühesten  Ver- 
suchen, welche  die  Schalenmaler  mit  der  Umriss- 
zeichnung machten,  eine  unmittelbare  Einwirkung 
der  Kunst  des  Kimon  zu  suchen  haben.  Dagegen 
liegt  es  auf  der  Hand,  dass  hierin  nicht  der  Fort- 
schritt des  Kimon  bestanden  haben  kann.  Umriss- 
zeichnung im  strengen  Sinne  hat  für  einen  Vasen- 
maler nichts  Auffälliges;  dass  sie  in  der  grossen 
Malerei  jemals  anders,  als  für  den  ersten  vorläufi- 
gen Entwurf  verwendet  sein  sollte,  ist  völlig  un- 
wahrscheinlich. Vielmehr  wird  die  neue  Technik, 
wie  sie  in  der  Lyseasstele  vertreten  ist,  ohne  ver- 
mittelnden Uebergang  das  alte  Verfahren  abgelöst 
haben. 

Im  Grunde  wird  durch  diese  abweichende  Er- 
klärung an  der  Stellung  und  Bedeutung,  welche 
Klein  dem  Kimon  zuertheilt  hat,  wenig  geändert. 
Dass  dieser  Künstler  für  die  Entwicklung  der 
Jlalerei  von  dem  höchsten  Einfluss  war,  geht  nicht 
nur  aus  der  Notiz  des  Plinius,  sondern  auch  aus 
den  Worten  Aelians  (V.  H.  VIII  8)  hervor,  und  diese 
Ueberlieferung  lässt  allerdings  mit  Wahrscheinlich- 
keit in  Kimon  den  Begründer  des  neuen  Stiles  er- 
kennen. 

W^enn  die  von  mir  vorgetragene  Ausführung 
stichhaltig  ist,  so  ergiebt  sich  für  die  chronologische 

'■')  Die  Erfindung  der  l'rofilbildung  mit  Brunn  speciell 
auf  die  Zeichnung  des  Auges  zu  beschränken,  scheint  mir  des- 
halb nicht  annehmbar,  weil  von  einem  derartigen  Fortschritt, 
welcher  doch  gewiss  sehr  bald  auch  von  anderen  Künstlern  und 
namentlich  von  den  Vaseninalern  ausgenutzt  worden  wäre,  die 
erhaltenen  Monumente  selbst  aus  den  ersten  Decennien  des  fünften 
.Taliihunderts  noch  keine  Spur  aufweisen. 

U 


203 


W.  M.  Rainsay,  Basrelief  of  Ibriz. 


204 


Bestimmung  des  Kimon  ein  fester  Anhaltspiniiit^"): 
seine  Wiricsamkeit  muss  vor  die  Verfertigung  der 

^'')  Die  beiden  Epigramme  der  Anthologie  IX  758  und  XVI 
84  geben  für  die  Zeitbestimmung  nichts  aus.  In  ersterem,  welches 
bei  Planudes  unter  dem  Namen  des  Simonides  überliefert  ist, 
dessen  Urheberschaft  aber  bekanntlich  nicht  geringen  Bedenken 
unterliegt,  ist  Ali'xojr  für  Ki'uoiv  eine  wahrscheinliche  Aenderung 
O.  Müllers.  Letzteres  ist  nur  durch  Conjectur  dem  Simoiiides  zu- 
gewiesen.    Vgl.O.  Jahn,  Sächsische  Berichte  1856S.  284ft'.    Benn- 


Lyseasstele  fallen;  ihn  in  erheblich  frühere  Zeit, 
viel  über  die  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  hin- 
aufzurücken, scheint  nach  dem  Grade  der  künst- 
lerischen Entwickelung,  welchen  die  Beschreibung 
bei  Plinius  für  ihn  voraussetzen  lässt,  nicht  rathsam. 
Bonn.  Franz  Winter. 

dorf ,    de    Anthologiae    Graecae    epigrmnmatis    S.   26  if.      Bergk, 
Poetae  lyrici   Gnieci  4  III  S    503.   517. 


BASRELIEF 

(Tafel 

Close  to  the  village  of  Ibriz,  nunierous  foun- 
tains  burst  out  froni  the  naked  limestone  rocks  of 
the  lofty  Taurus  mountains  (vvhich  in  this  part  are 
now  called  Bulgar  Dagh)  and  form  at  once  a  con- 
siderable  river.  Flowing  down  through  the  town 
of  Eregli,  the  ancient  Cybistra-Heracleia,  which  is 
embowered  in  luxuriant  orchards  and  gardens,  the 
river  is  then  lost  in  the  Ak  Göl,  'White  Lake', 
which  was  in  ancient  times  probably  the  Lake  of 
Derbe.  The  lake  reaches  close  to  the  precipitous 
sides  of  Mount  Taurus,  and  discharges  its  surplus 
waters  through  a  xcnäßo&Qov  (what  the  Turks 
now. call  a  diuleii),  helping  no  doubt  to  feed  the 
Cydnus  or  some  other  of  the  Cilician  rivers,  which 
rise  in  great  Springs  from  the  southern  flanks  of 
Mount  Taurus.  The  modern  road,  and  certainly 
also  the  ancient  road,  from  Konia  or  Iconium  to 
the  Cilician  Gates,  runs  close  under  the  cliffs  of 
Mount  Taurus,  where  they  rise  in  lofty  precipices 
straight  from  the  piain,  and  crosses  by  a  bridge 
the  Channel  through  which  the  lake  communicates 
with  the  duden.  In  June  1882  the  Channel  was  dry 
and  the  duden  was  a  little  pond  in  a  sunken  hole 
under  the  cliff.s,  but  three  years  previously,  in  the 
height  of  Summer,  tlie  water  was  running  through 
the  Channel  with  a  strong  current  towards  the 
duden^).    The  river  therefore  seems  to  be  given  by 

')  Sir  C.  Wilson  observed    the  differencc    in   bis  two  visits. 


OF  IBRIZ. 

13.) 

God  himself  expressly  to  convert  this  little  cor- 
ner  of  the  great  plains  of  Lycaonia  and  Cappadocia 
iuto  a  blooming  gardeu,  and  then  to  disappear 
again  into  the  mountain. 

In  the  rock  beside  the  fountains  at  Ibriz,  though 
not  exactly  over  the  largest  sources,  is  carved  the 
basrelief,  which  is  represented  on  Plate  13.  The  sub- 
ject  is  piain:  a  Priest  or  King  is  adoring  the  living 
God,  and  the  striking  contrast  between  the  gor- 
geous  embroidered  rohes  of  the  Priest  and  the 
simple  peasant's  dress  of  the  God  has  clearly  lain 
within  the  intention  of  the  artist.  The  God  is 
conceived  as  the  giver  of  corn  and  wiiie  and  of 
the  fruits  of  the  earth,  who  fertilises  mother-earth 
with  the  life-giving  river,  and  he  bears  his  gifts 
in  his  hands.  He  is  dressed  as  a  husbandman,  and 
the  peasants  of  the  district  at  the  present  day 
wear  exactly  the  same  kind  of  dress:  the  short 
tunic  girt  with  a  belt,  and  the  boots  made  with  two 
flaps  and  fastened  by  a  tliong  passed  several  times 
round  the  ankle.  The  curious  pointed  hat  of  the 
God  isthe  only  part  of  his  attire  that  differs  from  the 
modern  dress  of  the  district. 

The  monument  at  Ibriz  is  represented  in  Ritter's 
Kleinasien  (vol.  I,  plate  3)  from  a  drawing  by 
Fischer,  a  hasty  sketch  by  a  traveller  who  had  no 
time  to  make  a  finished  drawing.  Davis,  an  English 
clergyman,   published  in  'Life  in   Asiatic  Turkey', 


205 


W.  M.  Kainsay,  Basrelief  of  lliiiz. 


206 


London  1879,  p.  252,  a  small  drawing,  raucli  more 
careful  and  corrcct  than  Fisclier's.  It  gives  tlic 
geueral  efl'ect  very  well,  but  as  soon  as  tbe  details 
are  looked  carcfully  into,  it  is  found  wanting.  It 
has  beeil  niade  on  too  small  a  scale,  aud  tlie  very 
complex  details  cau  liavdly  bc  drawn  except  on  a 
large  scale. 

While  I  liave  been  obliged  to  differ  froni  Davis' 
drawing  on  many  points,  I  niust  express  my  great 
Obligation  to  it.  In  the  tiuie  wliich  I  liad  at  my 
disposal  it  would  liave  been  impossible  for  me  to 
make  a  large  drawing  of  tlie  entire  monument, 
witb  it.s  elaborate  detail,  while  a  small  one  would 
have  been  quite  useless.  Tbose  wbo  have  travelled 
in  rough  style,  without  proper  equipment,  for 
monfhs  at  a  time,  in  Anatolia,  will  appreciate  the 
difficulties  Davis  had  in  making  bis  drawing. 
In  Order  to  justify  my  drawing  in  those  points 
where  it  diifers  from  Davis's,  and  to  explain  bow 
far  I  have  been  obliged  to  leave  some  details 
uncertain,  a  few  words  are  required. 

Wben  I  accompanied  Sir  C.  Wilson  to  Ibriz 
in  June  1882,  I  was  able  to  spend  a  day  and  a 
half  before  the  monument,  and  I  had  witb  me  a 
hasty  tracing  of  Davis'-s  publisbed  drawing').  In 
tbe  first  place  I  set  myself  to  make  an  accurate 
copy  of  tbe  bieroglypbics,  and  it  will  bardly  be 
believed  how  much  time  and  trouble  were  required 
before  I  succeeded  in  tbis.  I  tben  made  a  large 
drawing  of  tbe  elaborately  ornamented  dress  of 
tbe  priest:  but  tbe  paper  wbicb  I  had  was  not 
large  euough  to  take  in  the  head,  and  I  made  a 
separate  sketcb  of  the  hat  alone.  Tbe  pattern  of 
the  Priest's  garment  recalls  the  pattern  of  tbe  Tomb 
of  Midas:  tbe  broocb  whicb  fasteiis  bis  cloak  is 
of  similar  sbape  to  one  of  tbe  gold  Ornaments 
found  in  a  Lydiau  tomb  and  photographed  in  Bull. 
de  Corresp.  Hellen.,  1879  PI.  IV.  V.  (I  saw  the  Origi- 
nals in  iSmyrna  in  1880,  and  believe  them  to  have 
been  found  in  a  tumulus  south  of  Mount  Messogis.) 
The  artist  had  not  skill  enougb  to  counect  tbe  left 

'■)  The  tracing  was  made  at  Konia,  where  the  late  Col. 
Stewart  (who  was  afterwards  with  Gordon  in  Khartum)  had  a 
copy  of  Davis's  book  at  his  residence. 


arm  witb  the  left  Shoulder,  or  to  repre.sent  the 
body  properly  in  profile.  The  bands  are  clasped 
as  if  in  prayer,  and  at  least  two  fingers  of  tbe 
right  band  apjiear  at  tlie  side  of  the  left  band. 

I  bad  uo  time  to  make  a  complete  drawing  of 
tbe  God,  but  was  obliged  to  restrict  myself  to 
a  few  details  in  which  Davis  was  inaccurate.  I 
drew  tbe  hat,  whose  form  Davis  has  quite  mis- 
conceived,  the  profile  of  tbe  face,  the  pattern  of 
the  girdie,  and  the  right  leg  with  its  boot  and 
with  tbe  object  (wbicb  to  me  is  unintelligible') 
betweeu  the  two  feet.  I  am  uncertain  about  tbe 
manner  in  wbicb  tbe  ears  of  corn  were  rcpresented. 
In  tbe  hasty  tracing  of  Davis's  drawing  wbicb  I  car- 
ried  with  me  I  left  tbe  details  blank,  and  thus  I 
had  no  opportunity  of  comparing  bis  representation 
of  the  corn  with  the  original.  The  description  of 
the  monument  wbicb  I  wrote  on  the  spot  has  been 
lost:  and  as  I  feel  convinced  now  tbat  Davis's  de- 
tails are  inaccurate,  I  bave  only  memory  to  de- 
peud  on,  and  tbirty  eigbt  montbs  bave  elapsed 
since  I  saw  the  monument*).  According  to  Davis 
the  grains  in  tbe  ears  of  corn  are  represented,  not 
by  zigzag  lines,  but  by  rows  of  little  circles. 

Anotber  detail  must  remain  uncertain.  I  have 
a  note'  tbat  botb  figures  wear  ear-rings,  but  I  have 
no  note  as  to  tbe  sliape  of  tbe  ear-rings.  I  may 
speak  positively  on  fhis  poiut,  as  I  was  particu- 
larly  interested  at  tbat  time  to  observe  bow  far 
ear-rings  were  used  by  male  figures  in  tbe  Ana- 
tolian  raonuments.  Davis  on  the  other  band  says, 
'neither  of  tbe  figures  appears  to  bave  ear-rings'. 

Finally  tbe  Clusters  of  vine-leaves  and  grapes 
are  simply  imitated  Irom  Davis:  I  have  no  notes 
on  this  point. 

In  carving  tbis  subject  the  artist  seems  first  to 
bave  prepared  a  smootb  flat  surface  on  the  rock. 
He  next  indicated  tbe  outline  of  the  two  figures, 
and  tben  eut  away  tbe  rock  all  round  tbe  outlines 
to  a  depfb  of  several  incbes,  leaving  tbe  two  figures 

•')  This  object  is  in  very  low  relief,  much  Iower  than  the 
legs  and  feet  of  the  god. 

')  It  clings  in  my  memory  that  the  number  of  bars  in  the 
zigzag  was  uneven. 

14* 


207 


AV.  M.  Kamsay,  Basrelief  of  Ibriz. 


208 


Standing  out  in  low  relief  within  a  sunken  panel. 
The  surfaee  of  each  figuve  is  tlierefore  perfectly 
flat,  and  the  details  are  indicated  by  incision  on 
this  flat  surfaee.  In  Davis's  drawing,  ou  tbe  other 
band,  tbe  two  figures  are  sbaded  so  tbat  tbey  seem 
to  be  carved  in  tbe  ordinary  style  of  round  relief. 
In  one  point,  viz.  tbe  girdle  of  tbe  priest,  the 
treatnient  is  a  little  more  complicated,  a  double 
System  of  relief  being  employed.  Tbe  circles  are 
in  relief  on  a  raised  band,  wbile  the  small  Squares 
are  in  lower  relief  witbin  a  sunk  squarc. 

According  to  Davis's  estimate  made  by  eye,  tbe 
God  is  about  6  metres,  20  feet  bigh,  and  the  Priest 
about  S'/a  metres,  or  12  feet  bigb^).  He  mentions 
tbat  Ibriz  was  first  visited  in  1737  by  Otter,  a  Swe- 
disb  traveller  sent  to  the  east  by  tbe  Frencb  mi- 
nister, Comte  de  Maurepas.  Otter  says  ^on  a 
taille  datis  le  rocher  oh  est  sa  sonrce,  uiie  figiire 
dhomme  qnon  appelle  Abris.  L'ou  reut  que  ce  soit 
nne  corrupiion  du  tiom  d'nn  certain  'Abrmos',  sei- 
gneur  de  ce  Heu."  One  is  familiär  in  Turkey  witb 
this  kind  of  rationalistic  explanatiou.  Davis  ex- 
plains  'Ibriz"  as  derived  from  a  Persian  word 
meaning  'water',  and  tbougb  I  doubt  the  admissi- 
bility  of  tbis  derivation,  I  bave  no  other  to  ofier. 
Tbe  word  may  be  an  aucient  name. 

The  monument  at  Ibriz  is  marked  by  tbe  biero- 
glypbic  inscriptions  °)  accompanying  it  as  belonging 
to   tbat   distinct  and  well  -  marked   class  of  nionu- 

^)  The  estimate  appeared  to  us  correct.  Accurate  measure- 
ment  cannot  be  made  without  a  scafFolding. 

'')  Two  are  given  in  the  accompanying  plate:  a  third  longer 
one  is  carved  below  the  monument,  but  being  under  the  level 
of  the  water  it  has  been  mucli  defaced. 


nients  wbich  are  fouud  all  over  Asia  Minor  from 
Sniyrna  to  Marasb,  and  in  north ern  Syria.  Tbis 
class  of  monuments,  wbose  striking  similarity  of 
character  can  be  appreciated  only  by  tbose  who 
bave  Seen  a  large  number  of  photographs  together 
witb  some  at  least  of  tbe  actual  monuments,  is 
frequenthy  called  'Hittite';  but  tbis  name  implies 
tbe  acceptance  ol'  an  bistorical  bypothesis,  wbich, 
tbougb  it  has  certainly  expressed  part  of  tlie  trutb, 
appears  to  me  at  least  to  require  considerable 
moditication,  before  it  can  be  accepted.  The  mar- 
vellous  agreemeut  in  general  style  and  in  details 
between  monuments  excavated  at  Jerabis  and  tbose 
found  in  Anatolia  is  a  fact  from  wbich  we  bave 
to  Start,  but  tbe  inference  tbat  a  race  from  northern 
Syria  conquered  and  ruled  over  the  whole  of  Asia 
Minor  is  certainly  unjustifiable  at  present,  and 
seems  to  me  to  be  opposed  by  other  evidence. 

Comparing  tbe  monument  at  Ibriz  witb  the  rock- 
monuments  in  the  north  of  Asia  Minor,  at  Boghaz 
Keui,  Eyuk,  Giaour  Kalesi,  Magnesia,  etc.,  there 
appears  to  be  a  certain  difference  in  style.  The 
former  seems  to  belong  to  a  different  and  later 
period  and  to  be  much  more  under  the  influenee 
of  Assyrian  art,  wbereas  tbe  northern  monuments 
probably  show  more  the  influenee  of  Egyptian  art. 
But  along  witb  this  difference  there  is  in  tbe  wbole 
style  a  close  resemblance  between  tbe  southern 
monument  and  the  northern  group;  and  even  without 
the  existence  of  identical  bieroglypbics  in  both  there 
could  be  no  question  tbat  all  belong  to  an  art 
distinct  from  both  Egyptian  and  Assyrian. 

Oxford.  W.  M.  Eamsay. 


209 


210 


LEBENSLAUF   EINES  KINDES 

IN  SARKOPHAG -DARSTELLUNGEN. 

(Tafel  14.) 


Bei  den  Sarkophagen,  welche  Scenen  des  mensch- 
lichen Lebens  darstellen,  gehen  zuerst  zwei  Typen 
nebeneinander  her,  die  des  Kinderlebens  und  der 
Hochzeit.  Von  beiden  sind  uns  Exemplare  er- 
halten, die  zu  den  ältesten  Überhaupt  bekannten 
Sarkophagen  gehören;  beide  haben  ihre  selbstän- 
dige Entwickelung  und  werden  zu  Mittelpunkten, 
um  die  sieh  andere  Scenen  gruppiren ;  beide 
fliessen  schliesslich  in  eine  Darstellung  des  ge- 
sammten  Menschenlebens  zusammen.  Nei)enher 
aber  gehen  immer  noch  die  alten  Typen;  denn 
einerseits  konnten  Darstellungen  des  Menschenlebens 
auf  Kindersai'kopliagen  sich  nicht  über  den  Lebens- 
lauf eines  Kiudes  liinaus  erstrecken,  andererseits 
sehen  wir  das  treurerbundene  Ehepaar  bis  in  die 
späteste  Zeit  hinein  den  gern  wiederholten  Schmuck 
der  Sarkophage  Erwachsener  bilden. 

1.  Unter  der  Reihe  der  Kindersarkophage  ist 
der  hier  auf  Tafel  14,  1  zum  ersten  Male  abge- 
bildete von  ganz  besonderem  Interesse,  da  er  uns  über 
Zusammenhang  und  Entwickelung  der  Typen  man- 


cherlei  Aufschluss    giel)t. 


Derselbe    geliörte 


ehe- 


mals der  Campaua'schen  Sammlung  an  und  befindet 
sich  jetzt  im  Louvre').  Zahlreiche  Farbenspuren 
weisen  auf  die  einstige  Bemalung  hin:  rothe  an 
dem  Gebäude  und  dem  Gewände  der  Mittelfigur, 
schwarze  am  Pfeiler  der  Sonnenuhr,  der  Kline  und 
dem  Parapetasma  dahinter.  Die  Darstellung  der 
Vorderseite  zerfällt  in  drei  Scenen;  die  mittlere 
spielt  vor  einem  Parapetasma.  Auf  einem  erhöhten 
Thron  sitzt  in  Vorderansicht  ein  Knabe  mit  Aermel- 
tunica,  Mantel  und  Stirnbinde,  welcher  in  der  ge- 
senkten Linken  eine  Rolle  hält  und  die  Rechte  mit 
ausgestrecktem  Mittel-  und  Zeigefinger  deklamirend 
erhebt.  Zu  seiner  Linken  lehnt  ihm  zugewandt 
eine  weibliche  Figur,  welche  das  Kinn  auf  die 
rechte  Hand  stützt  und  die  Linke  auf  die  Seiten- 
leliue  des  Thrones  legt.    Sie  trägt  ein  Untergewand 

')  Flühner  No.  397.     Maseo  Campaiia  No.  324. 


und  einen  Mantel,  der  fast  die  ganze  Figur  um- 
hüllt. Ihr  entspricht  auf  der  anderen  Seite  des 
Knaben  eine  mehr  von  vorn  gesehene  weibliehe 
Figur,  die  in  der  Linken  ein  Diptychon  hält  und 
mit  der  Rechten  einen  Griffel  in  ein  neben  ihr  am 
Boden  stehendes  liermenartig  gebildetes  Tintenfass 
taucht');  über  der  Stirn  trägt  sie  eine  Feder.  Zwi- 
schen diesen  Figuren  und  dem  Knaben  zeigt  sich 
noch  im  Hintergrunde  jederseits  ein  weiblicher, 
gleichfalls  mit  einer  Feder  geschmückter  Kopf. 
Diese  „Sirenenfedern"  kennzeichnen  die  vier  Ge- 
stalten als  Musen ,  welche  der  Deklamation  des 
Knaben  zuhören.  An  der  linken  Seite  der  Scene 
ist  auf  einem  Pfeiler  eine  Sonnenuhr  aufgerichtet. 
Im  Hintergrunde  der  zweiten  Scene,  links  von  der 
vorigen,  erblickt  man  ein  Gebäude,  dessen  Fa^ade 
von  mehreren  Bogenöffnungen  durchbrochen  ist. 
Links  sitzt  vor  dem  ersten  Rogen  auf  einem  Korb- 
stuhl mit  RUcklehne  eine  Frau  nach  rechts  gewandt, 
welche  die  Rechte  auf  den  Sitz  und  die  Linke  auf 
eine  Rolle  stützt.  Aus  dem  zweiten  Bogen  fährt 
nacli  rechts  ein  zweirädriger  Sitzwagen,  mit  zwei 
Widdern  bespannt.  Unter  den  Füssen  der  letzteren 
liegt  ein  umgestürzter  Korb;  auf  dem  Wagen  sitzt 
ein  Knabe,  der  die  Zügel  hält.  Ein  anderer  steht 
nach  links  hin  gebückt  auf  dem  Wagen  und  rückt 
die  Kissen  zurecht;  offenbar  ist  er  ein  Diener. 
Im  Hintergründe  läuft  neben  dem  Gespann  her  ein 
Knabe,  der  den  Kopf  umwendet  und  ermunternd 
die  linke  Hand  nach  den  Insassen  des  Wagens 
ausstreckt.  Die  dritte  Scene  endlich,  rechts  von 
der  Mittelscene,  spielt  wie  diese  vor  einem  Para- 
petasma. Auf  einer  Kline  (Fassende  links)  ist  ein 
Knabe  gelagert,  mit  nacktem  Oberkörper,  um  die 
Beine  einen  Mantel    geschlungen.      Er    stützt    sidi 

-')  In  ganz  derselben  Weise  findet  sich  die  Herme  neben 
der  Kalliope  des  Veroneser  Musensarkophags  (Matfei,  Museum 
Veronense  p.  93,  1),  wo  Dütschke  (Antike  Bildw.  in  Oberita- 
lien IV  Nr.  518)  ihre  Verwendung  als  Tintentass  nicht  er- 
kannt h.it. 


211 


K.  Wernicko.  Lebenslauf  eines  Kindes  in  Sarlfophag-Davstellungen. 


212 


auf  den  linken  Ellenbogen  und  streckt  die  rechte 
Hand  aus  zu  einem  links  am  Lager  lehnenden 
Mädchen,  das  ihm  aus  einem  Korbe  einen  Becher 
reicht.  Vor  der  Kline  steht  ein  Tisch  mit  Speisen, 
von  rechts  naht  ein  Diener,  der  eine  neue  Platte 
bringt;  was  darauf  liegt,  ist  undeutlich,  nach  den 
Analogien  dürfte  es  Geflügel  sein.  Auf  der  Kline 
steht  am  Fussende  ein  Eros,  der  einen  Fruchtkorb 
und  das  Ende  einer  Guirlande  hält.  Vor  der  Kline 
sitzt  ein  kleiner  Knabe,  der  mit  einem  Hunde 
spielt  ■'). 

Dass  diese  drei  Scenen  sowohl  einzeln  be- 
trachtet wie  in  ihrer  Zusammenstellung  nicht  selb- 
ständig entstanden  sind,  sondern  am  Ende  einer 
Enfwiekelung  stehen,  würde,  auch  abgesehen  von 
der  verhältuissmässig  späten  Zeit  des  Sarkophags, 
aus  mehreren  Gründen  ersichtlich  sein.  Denn  erst- 
licli  stellt  sich  die  Museuscene  nur  als  eine  ziem- 
lich gezwungene  Uebertragung  von  den  Dichter- 
sarkophagen dar;  ferner  sehen  wir  den  bekannten 
Typus  des  heroisirten,  von  seiner  Gattin  beim 
Mahle  bedienten  Mannes  hier  auf  den  Knaben  und 
—  offenbar  —  seine  Schwester  übertragen;  endlich 
ist  die  Bedeutung  der  zweiten  Scene  ohne  Ver- 
gleichung  anderer  Monumente  völlig  unverständlich. 
Auch  begreifen  wir  nicht,  was  zwisclien  diesen 
Scenen  die  Sonnenuhr  zu  bedeuten  hat. 

2.  Versuchen  wir  nun,  durch  Heranziehung 
und  Vergleichuug  der  verwandten  Monumente  die 
mannichfachen  Wechselbeziehungen,  die  hier  statt- 
finden, zu  erkennen.  Am  einfachsten  und  natür- 
lichsten sind  die  typischen  Scenen  des  Kinderlebens 
dargestellt  auf  dem  Sarkophag  des  M.  Cornelius 
Statins  im  Louvre,  der  sich  gleichfalls  früher  in 
der  Campana'schcn  Sammlung  befand  (Tafel  14,  2). 
Derselbe  gehört  der  hadrianischen  Zeit  an,  wie  der 
kurze  Vollbart  und  die  schlichten  Haare  des  Man- 
nes zeigen.  Die  fast  vollständig  auf  der  unteren 
Leiste  erhaltene  Inschrift 'lautet 

M-C'OKNEI,IO-M-r-PAL-STATIO-P[«;-i'«<e,s////o]FRCER- 
Die   Darstellung    läuft    von   links   nach   rechts  und 

')  Bei  Caiiipana  befund  sich  auf  dem  Sarkoiiliag  noch  ein 
Deckel  mit  der  Grabschiift  einer  Coceeia  Severa.  Derselbe 
scheint  jetzt   verschollen  zn  sein. 


zerfällt  in  vier  Scenen.  Ein  grosser  Theil  des  jetzt 
Vorhandenen  ist  ergänzt,  und  zwar  ausser  den 
Nasen  des  ersten  Paares  die  ganze  untere  Hälfte 
der  rechten  Seite  ^).  Links  sitzt  in  einem  Korb- 
stuhle') nach  rechts  gewandt  eine  jugendliche 
Frauengestalt,  bekleidet  mit  einem  langen  Unter- 
gewand mit  geknöpften  Halbärmeln  und  einem 
Mantel  über  dem  Schooss.  Die  Haare  sind  in  einen 
Knoten  zusammengenommen.  Auf  ihrem  Schoosse 
sitzt  ein  kleiner  Knabe,  mit  leichtem  Jäckchen  be- 
kleidet, der  von  ihr  gesäugt  wird.  Vor  ihr  steht 
mit  linkem  Standbein  und  rechtem  Spielbein  nach 
links  gewandt  ein  bärtiger  Mann,  der  sich  an  einen 
zwischen  ihm  und  der  Frau  befindlichen  Pfeiler 
lehnt.  Den  Kopf  stützt  er  in  die  rechte  Hand;  was 
er  in  der  Linken  hält,  die  er  auf  den  Pfeiler  legt, 
ist  nicht  ganz  klar^).  Er  ist  bekleidet  mit  Unter- 
und  Obergewand  sowie  mit  Stiefeln.  Sehen  wir 
hier  das  Kind  in  Gegenwart  des  Vaters  von  der 
Mutter  gesäugt,  so  sitzt  es  in  der  folgenden  Scene 
schon  munter  auf  dem  Arme  des  ersteren.  Dieser 
steht  in  Vorderansicht,  mit  rechtem  Standbein  und 
linkem  Spielbein  da,  blickt  etwas  nach  (seiner)  lin- 
ken Seite  und  hält  auf  dem  linken  Arm  den  Kna- 
ben, der  ihn  mit  seiner  Rechten  vergnügt  an  den 
Haaren  zaust  und  ihm  die  Linke  entgegenstreckt. 
Die  Eechte  des  Vaters  legt  dieser  zur  Unterstützung 
der  tragenden  Hand  an  die  Füsse  des  Kindes.  In 
einem  weiteren  Stadium  der  Entwickelung  zeigt 
uns  den  Knaben  die  dritte  Scene:  er  hat  einen 
Wagen  bestiegen,  hält  in  der  Hand  die  Peitsche 
und  fährt  nach  rechtshin.  Vor  den  Wagen  ist 
ein    Thier    gespannt,     das    in    der    vorliegenden 

**)  Bis  auf  den  Fuss  des  sitzenden  Maune.s  und  da.s  Inschiift- 
fragraent  fecer. 

^)  Mit  der  gewölbten  Rücklehne,  wie  sie  z.  B.  auch  bei 
l'rothesisdarstellungen  üblich  ist;  solche  geflochtenen  Stühle  finden 
sich  besonders  häufig  auf  Monumenten  der  Rheingegend,  vgl. 
beispielsweise  Westdeutsche  Zeitschr.  für  Geschichte  und  Kunst 
II.  Taf.  I,  2. 

'')  Es  scheint  eine  Rolle  zu  sein;  in  diesem  Falle  wären  es 
die  lahulae  nuptiales,  die  bei  den  Ehesarkophagen  eine  so  be- 
deutsame Stelle  einnehmen.  Vielleicht  ist  es  auch  nur  ein  Tuch, 
wie  es  ähnlich  bei  Circusrenneu  der  Eestgeber  hält,  vgl.  Vis- 
conti, Mus.  Pio-Clem.  5,42.  Auf  dem  Maflei'schen  Relief 
Annali  1839  Tav.  d'agg.  N  2  sieht  es  eher  wie  ein  Bündel  von 
Stäben  aus. 


2i:5 


K.  WL'rnickc,  Lebenslauf  eines  Kindes  in  Sarkc)pliaj;-Darstcllun<;Tn. 


214 


Eichlcv'sclien  Zeichnuug-  nicht  recht  deutlich  ist. 
Nach  den  Analogien  niüsste  es  ein  Widder  sein, 
aber  es  scheinen  die  Hörner  zu  fehlen;  zudem  hat 
das  Thier  einen  Bart.  Die  Darstellung  des  Kör- 
pers kann  nichts  lehren,  denn  dieser  Theil  des 
Sarkopliags  ist  eben  ergänzt,  und  zwar  das  Thier 
als  Widder.  Um  so  melir  aber  fällt  der  Gegensatz 
zwischen  dein  antiken  Kopf  und  dem  ergänzten 
Körper  auf.  Ergänzt  ist  ferner  die  ganze  Figur 
des  Knaben  bis  auf  den  Kopf.  Die  Peitsche,  von 
der  die  Spitze  erhalten  war,  ist  ihm  in  die  Rechte, 
die  Zügel  in  die  Linke  gegeben.  Freilich  hat  man 
ihn  dann  auf  einen  Streitwagen  gestellt,  der  natür- 
lich hier  ganz  unpassend  ist.  Vielmehr  wird  der 
Knabe  auf  einem  nach  vorn  zu  offenen  Wagen  ge- 
sessen habeu,  wie  es  sich  auch  sonst  findet.  End- 
lich von  der  letzten  Scene  ist  nur  der  nach  rechts 
gewandte  Kopf  des  Knaben  und  der  Oberkörper 
des  nach  links  sitzenden  Vaters  antik.  Derselbe 
sitzt  auf  einem  Lehnstulil,  dessen  untere  Hälfte 
ganz  unverständig  als  Klappstuhl  ergänzt  ist,  stützt 
das  Kinn  in  die  rechte  Hand  und  legt  die  Linke 
auf  seinen  Schooss.  Der  Vorgang  ist  leicht  zu  er- 
rathen:  der  Knabe  wird  unterrichtet,  und  zwar 
hätte  er  nach  der  Analogie  der  anderen  Darstel- 
lungen lesend,  nicht  deklamirend  ergänzt  werden 
müssen. 

So  zeigt  dieser  Sarkophag,  welcher  den  ersten 
Typus  repräsentirt,  in  der  That  die  Elemente  des 
Kinderlebens:  Pflege  durch  die  Mutter  (I)  und  den 
Vater  (II),  Ausfahrt  auf  dem  Kinderwagen  (III), 
Unterricht  (IV).  Aus  ihm  entstellt  nun  durch  ein- 
fache Fortentwickelung  ein  zweiter  Typus,  dessen 
Ilauptrepräsentant 

(3.)  ein  Sarkophag  der  Villa  Panfili  in  Rom 
ist').  Durch  Beseitigung  der  Scene  II  ist  hier 
für  Einfügung  einer  neuen  Scene  (V)  vor  I  Raum 
geschaffen.  Wieder  sitzt  die  Mutter  auf  einem 
Stuhl   nach   rechts,    aber    sie   stützt   sich    mit   der 


')  Matz-Duhn  II.  3087,  wo  AbbiUlungen  und  Literatur  an- 
geführt sind;  hinzuzufügen  wäre  noch  die  Zeichnung  No.  22  des 
Berliner  Codex  von  Girolanio  Ferrari  aus  dem  IC.  Jahrhundert, 
vgl.  Schreiber  bei  Conze,  das  Berliner  Medearelief,  in  den  histor. 
u.  philolog.  Aufsätzen  Ernst  Curtius  gewidmet  S.  101. 


rechten  Hand  auf  ihren  Sitz,  während  sie  die 
Linke  in  den  Schooss  legt.  Vor  ihr  steht  ge- 
bückt, nach  links  gewandt,  eine  ältliche  Frau 
mit  Kopftuch,  welche  damit  beschäftigt  ist,  einen 
kleinen  nackten  Knaben  in  einem  am  Boden  ste- 
henden Napfe  zu  baden.  Der  Knabe  sclireit  und 
gestikulirt  lebhaft  mit  den  Armen.  Dass  hier  kein 
beliebiges  Bad,  sondern  das  erste  Bad  des  neuge- 
borenen Kindes  gemeint  ist'),  zeigen  die  bei  dem 
Vorgang  anwesenden  Parzen.  Die  erste  von  ihnen 
hält  in  der  gesenkten  Linken  eine  Rolle  und  weist, 
indem  sie  die  Rechte  erhebt,  mit  einem  Stäbchen 
auf  die  Himmelskugel,  welche  sich  vor  der  auf 
einem  Pfeiler  aufgerichteten  Sonnenulir  befindet,  — 
sie  stellt  dem  Kinde  das  Horoskop;  die  zweite, 
deren  eigenthümlicher,  einer  phrygischen  Mütze 
ähnelnder  Kopfschmuck  Missverständniss  der  Publi- 
cation  ist,  hält  in  der  gesenkten  Linken  ein  Dipty- 
chon'); die  dritte  trägt  eine  Rolle.  Ihnen  folgt 
noch  eine  vierte  weibliche  Figur  mit  Diadem,  welche 
in  der  Linken  ein  Scepter  trägt  und  die  Rechte  auf 
die  Brust  legt;  das  Rad  zu  ihren  Füssen  keun- 
zeichnet  sie  als  Fortuua.  Es  folgt  nun  die  ihren 
Knaben  säugende  Frau  der  Scene  I,  und  dann  die 
Unterrichtsscene  (IV).  Aber  wie  der  allgemein 
natürlichen  Beschäftigung  der  Eltern  mit  dem  Kinde 
die  bedeutsame  erste  Pflege  hinzugefügt  war,  so 
ist  auch  diese  Scene  hier  vertieft  und  reicher  ge- 
staltet: anwesend  sind  Mercur  und  die  .Musen. 
Jener  steht  links  vom  Knaben  in  Vorderansicht, 
das  linke  .Bein  über  das  rechte  geschlagen;    er  ist 


'')  Der  Knabe  ist  zwar  ungemein  entwickelt,  aber  unzweifel- 
haft soll  es  sich  doch  um  das  Bad  des  Nengeborenen  handeln. 
Ganz  kleine  Kinder  stellt  die  antike  Kunst  nur  als  Wickelkimler 
dar;  da  aber  der  Knabe  zum  Baden  nackt  sein  musste,  so  wunle 
ihm  schon  jenes  Maas»  von  Beweglichkeit  und  Entvvickeltsein 
gegeben,  ohne  das  in  der  antiken  Kunst  ein  nackter  Körper  un- 
denkbar war,  vgl.  Furtwängler,  der  Dornauszieher  und  der  Knabe 
mit  der  Gans  S.  9.  Eine  ähnliche  Beobachtung  kann  man  in 
der  christlichen  Malerei  an  den  Darstellungen  des  Christkindes 
machen,  das  vom  frühen  Mittehilter  bis  zur  Renai^sance,  ja 
selbst  bis  auf  unsere  Zeit,  fast  immer  zu  entwickelt  dargestellt 
wird,  vgl.  Kaffaels  sixtinische  Madonna. 

^)  Im  Pighianus  und  Coburgensis  sind  diese  beiden  Figuren 
durch  einen  Irrthum  des  Zeichners,  der  nach  Vollendung  der 
vorderen  Hälfte  der  ersten  zur  Rückseite  der  /.weiten  überging, 
in  eine  zusammengezogen 


215 


K.  Weniicke.  Lebenslauf  eines  Kindes  in  Sarkophag-Darstellungen. 


216 


l)is  auf  ein  kleines  Gewandstiick  über  der  linken 
Schulter  unbekleidet,  stützt  die  Kechte  in  die  Seite 
und  liält  in  der  Linken  den  Caduceus;  so  blickt  er 
aufmerksam  auf  die  Gruppe.  Links  von  ihm,  sowie 
zwischen  Vater  und  Sohn  steht  im  Hintergrund  in 
Vorderansicht  je  eine  Muse.  In  den  äusseren  Hän- 
den halten  sie  eine  Maske,  die  zur  Linken  eine 
tragische,  die  andere  eine  komische.  Wie  bei  der 
Geburt  schon  die  Parzen  die  Nativität  stellen,  so 
zeigt  sich  auch  im  weiteren  Leben  das  Walten  der 
Gottheit.  Mercur  ist  seit  dem  Beginn  der  Kaiser- 
zeit, seit  man  den  römischen  Haudelsgott  immer 
mehr  mit  den  Eigenschaften  des  griechischen  Her- 
mes ausstattete,  so  recht  eigentlich  der  Gott  des 
Jugendunterrichts '").  Während  er  somit  die  auf 
das  praktische  Leben  gerichtete  Seite  der  Ausbil- 
dung bezeichnet,  namentlich  in  Rhetorik  und  Gram- 
matik, die  ja  schon  seit  dem  plagosus  Orbilius 
einen  breiten  Raum  in  der  römischen  Erziehung 
einnahmen,  weisen  die  Musen  auf  die  ästhetische 
Seite  des  Unterrichts  hin").  Wir  kommen  zur 
letzten  Seene.  Sie  ist  entwickelt  aus  III  (der  Aus- 
fahrt); aber  nicht  mehr  eine  Vergnügungsfahrt  sehen 
wir  vor  uns,  sondern  die  letzte  Fahrt,  die  Fahrt 
ins  Jenseits'-);  aus  diesem  Grunde  liat  auch  die 
Stellung  von  III  und  IV  gewechselt.  Ein  Zwei- 
gespann von  Rossen  sprengt  eilig  nach  rechts,  ge- 
führt wieder  von  Mercur,  der  hier  fast  ganz  in 
Rückenansicht  erscheint.  Offenbar  auf  dem  vor- 
deren Wagenrand  sit/.t  ein  Adler  mit  emporge- 
hobenem Schnabel  und  ausgebreiteten  Schwingen, 
von   vorn  gesehen.     Auf  ihm  sitzt,    das  über  dem 

'")  Ich  erinnere  an  das  berühmte  Merruri,  facmide  nepos 
Atlantis^  qui  feros  ciiUus  hominum  recentum  voce /oniiaxti  caius 
et  decorae  more  fialaeHlrae  (Ilor.  Od.  I  10,  Ift'.),  wo  die  bei- 
den Seiten  der  geistigen  und  kilrpcrlichen  Erziehung  /.usaininen- 
gefasst  sind.  Aelinlich  Ovid.  Fast  V,  (JüT :  laele  li/rae  pulsii, 
nitida  rjuorjue  laele  pulaestra,   rjuo  didicil  culle  lingua  docente  lorjui. 

")  Die  Masken  sollen  gewiss  nicht  andeuten,  dass  besonders 
Tragödien  nnd  Komiidicn  zur  Lektüre  gedient  hätten,  elienso- 
wenig  wie  sie  das  im  Knal)enaller  verstorbene  Kind  als  künl- 
tigen  Dichter  bezeichnen  wollen. 

■-')  Diese  Fahrt  ins  Jenseits  entspringt  derselben  echt  ita- 
lischen Anschauung  wie  der  auf  etruskischen  Monumenten  so 
häufige  Todtenritt,  der  auch  bisweilen  auf  Siirkoi>hagen  vor- 
kommt, vgl.  den  Sarkojihag  inj  Belvedere  des  Vatican,  abge- 
bildet bei   Gerhard   i\utikc   liildw.  74. 


Haupte  bogenförmig  flatternde  Gewand  mit  der 
Rechten  ergreifend,  die  Linke  um  die  Flügel  des 
Adlers  legend,  der  verstorbene  Knabe  in  Vorder- 
ansicht, das  Haupt  nach  links  wendend.  Unter 
den  Rossen  ist  nach  rechts  hin  gelagert  Tellus, 
gleiclifalls  mit  bogenförmig  flatterndem  Gewände. 
Demselben  Typus  gehört  nun  noch  eine  Reihe 
von  Sarkophagreliefs  an,  die  ich  hier  mit  kurzer 
Angabe  der  Abweichungen  zusammenstellen  will: 

4.  Sarkophag  in  der  Loggia  scoperta  des  Vati- 
can. Abgebildet  bei  R.  Rochette  M.  I.  pl.  LXXVII 
2  zu  p.  212.  Die  Badescene  ist  in  merkwürdiger 
Weise  mit  der  Säugung  durch  die  Mutter  combi- 
nirt,  indem  die  letztere,  während  sie  dem  Bade 
zusieht,  selbst  an  ihrer  Brust  ein  Kind  hält").  Die 
Fahrt  zum  Grabe  nähert  sich  in  der  Darstellung 
dem  auf  unserer  Tafel  als  No.  1  abgebildeten  Sar- 
kophag: der  Wagen,  mit  Widdern  bespannt,  fährt 
aus  einem  Thorbogen  auf  ein  Grabmal  zu.  Auch 
kehrt  der  Diener,  welcher  die  Kissen  gerückt  hat, 
und  der  begleitende  Knabe  hier  wieder.  Die  Fort- 
setzung ist  abgebrochen. 

5.  Verschollener  Sarkophag,  angeblich  in  Polen, 
früher  in  der  Sammlung  de  Angelis  in  Tivoli. 
Nur  ungenügend  abgebildet  bei  Roccheggiani,  rac- 
coUa  II,  6.  Erhalten  ist  nur  die  Badescene;  die 
Attribute  der  Parzen  sind  vom  Zeichner  übersehen 
worden,  der  die  Figuren  daher  für  Wärterinnen 
hielt. 

G.  Kleines  Fragment  in  der  Villa  Borghese, 
von  E.  Eichler  unter  zahlreichen  anderen  Bruch- 
.stücken  in  den  Kellerräumen  entdeckt.  Die  allein 
erhaltene  Unterrichtsscene  ist  hier  für  den  Sarko- 
phag eines  Mädchens  umgestaltet:  im  Beisein  einer 
Muse  (es  waren  ursprünglich  wohl  zwei)  wird  das 
Mädchen  von  der  Mutter  unterwiesen'*). 

")  Was  das  dui)]ielte  Vorhandensein  des  Kindes  betrifft,  so 
ergeben  sich  verschiedene  Müglicbkeiten  der  Erklärung.  Ich  wäre 
am  meisten  ;^eneigt,  an  einen  Irrthum  der  Abbildung  zn  glauben, 
zumal  da  die  znm  Säugen  erforderliche  Entblüssung  der  Brust 
nicht  angedeutet  ist.  Sollte  aber  die  Zeichnung  richtig  sein, 
so  wird  man  sich  zwischen  den  beiden  Annahmen  entscheiden 
müssen,  dass  entweder  zwei  verschiedene  Kinder  (etwa  ein 
Zwillingspaar)  gemeint  sind,  oder  beide  Mal  dasselbe  Kind  in 
sihr  gewagter  frolejise  hier  badend,  dort  gesäugt  dargestellt  ist. 

")  Zweifelhaft  ist  die  Darstellung  auf 


217 


K.  Wcmicko,    Lebenslauf  eir.cs  Kindes  in  Sar]<oi)liag-Darstelluiigen. 


218 


Zu  den  bisher  besprochenen  Seenen  fügen  die 
Monumente  des  dritten  Typus  noch  eine  neue 
(VI)  hinzu,  die  Prothesis  des  Verstorbenen.  Haupt- 
vertreter dieser  Gruppe  ist 

12.  ein  Sarkophagdeckel  im  Museo  Torlonia, 
abgebildet  bei  Kaoul-Rochette  M.  I.  pl.  LXXVII,  1 
p.  406  n.  2'^).  Wieder  beginnt  links  die  übliche 
Badescene,  diesmal  ohne  die  Anwesenheit  der  Par- 
zen, es  folgt  dann  der  Unterricht  des  Knaben  in 
Gegenwart  der  Musen,  hierauf  die  Prothesis.  Der 
Todte  liegt  (Fussende  links)  auf  einer  Kline,  stützt 
den  linken  Ellenbogen  auf  das  Polster  und  den 
Kopf  in  die  Hand;  die  Rechte  sinkt  kraftlos  herab. 
Unter  der  Kline  steht  ein  Napf;  am  Fussende  der- 
selben sitzt  auf  einem  Klappstuhl  nach  rechts  der 
Vater  (Barttracht  nach  Septimius  Severus),  das  Kinn 
in  die  rechte  Hand,  und  den  rechten  Ellenbogen 
auf  die  linke  im  Schoosse  ruhende  Hand  stutzend, 
üen  Mantel  hat  er  trauernd  über  das  Gesicht  ge- 
zogen. Ilim  entspricht  am  Kopfende  des  Lagers 
die  Mutter,  auf  einem  Sessel  nach  links  sitzend. 
Sie  hat  das  rechte  Bein  über  das  linke  geschlagen, 
stützt  sich  mit  der  linken  Hand  auf  den  Sessel  und 
mit    dem  rechten    Ellenbogen  auf  die  öophalehne; 

7.  Ein  Fragment  in  Verona,  in  der  AbbiUlung  bei  Maffei, 
Museum  Veroneiise  p.  CXXVl  n.  2  als  SclmuUseite  ergänzt, 
zeigt  die  Unterrichtsscene  mit  mehr  Figuren  ausgestattet  und 
gehört  daher  vielleicht  in  einen  anderen  Zusammenhang. 

8.  Fragment  in  Rom,  Falazzo  Coraetti  (Matz-Diihn  II, 
3130).  Auch  bei  diesem  aus  sehr  später  Zeit  stammenden  Stück 
ist  unsicher,  ob  es  hierhergehürt. 

Ich  will  hier  gleich  hinzufügen,  dass  Bad  und  Unterricht 
sich  auch  aui  Sarkophagen  finden,  die  das  gesamnite  Menschen- 
leben umfassen: 

9.  Rechte  Schmalseite  des  Sarkophags  Medici,  jetzt  in 
den  Uffizien  (Üütschke  III  62;  abgebiMet  bei  Guattani,  Moii. 
Ined.  178-t  O'iui/uo  I,  II.  Burtoli,  Admininda  N'o.  82.  AVinckel- 
niann  M.   I.    N'i.  184):  Bad  und  Unterricht. 

10.  Rechte  Schnuilseite  eines  Sarkophags  in  Villa  l'oggio 
a  Caiano  hei  Florenz  (Dütschke  II,  401;  abgebildet  bei 
Gori,  Inscr.  Aul.  Eh:  III.  p.  121  Taf.  34.  Bei  Rossbach,  Ehe- 
denkm.  S.  147  als  verschollen  bezeichnet):  nur  die  Badescene. 

11.  Fragment,  einst  der  Sammlung  Sacchetti  angehürig, 
jetzt  im  Capitol  (abgebildet  bei  Bartoli,  Admiranda  N.  65. 
Montfaucon  II.  Suppl.,  44.  Zeichnung  auch  bei  l'ozzo):  zwischen 
dextrarum  innctio  und   Opfer  eingescholien  das  Bad. 

'•'')  Die  Abbildung  zeigt  das  Relief  noch   im  Wesentlichen 

unverletzt;   es  ist  seitdem,    wie   die  mir  vorliegende  Eichler'sche 

Zeichnung  beweist,  mehrfach  beschädigt  und   (besonders  der  ur- 

,-prünglich  nur  abbozzirte  Kopf    durch  Ueberarbeitung  verdorben. 

ArrhiioUi;.'    Zt-     .liihrijnni.'  .VLIII 


das  von  einem  Kopftuch  bedeckte  Haupt  legt  sie 
auf  die  rechte  Hand.  Hinter  der  Kline  werden 
noch  drei  Personen  sichtbar:  links  der  Pädagoge 
im  Mantel,  auf  seinen  Stab  gestützt,  mit  traurig 
gesenktem  Kopf,  rechts  die  Amme  mit  Kopftuch, 
und  in  ähnlicher  Stellung  wie  die  Mutter  in  der 
Mitte  die  Schwester,  welche  die  Hände  gesenkt 
hält.  Endlich  viertens  folgt  analog  dem  Sarkophag 
Panfili  die  Fahrt  zum  Hades,  hier  charakterisirt  als 
Entführung  durch  Hades  selbst,  mit  Benutzung  des 
Schemas  des  Koraraubes"').  Auf  einem  mit  zwei 
Rossen  bespannten  zweirädrigen  Wagen  fährt,  sich 
umsehend,  nach  rechts  Pluto,  ein  bärtiger  Manu 
mit  düsterem  Gesichtsausdruck;  er  hält  vor  sich 
auf  dem  Wagen  den  Knaben  in  langem  faltigem 
Chiton  unifasst.  Ueber  den  Pferden  fliegt  nach 
rechts  ein  Eros,  der  sich  zu  Pluto  umsieht  und  mit 
beiden  Händen  eine  brennende  Fackel  hält.  Unter 
den  Pferden  ragt  mit  halbem  Leibe  aus  dem  Boden 
Tellus  mit  bogenförmig  flatterndem  Gewand.  End- 
lich führt  die  Rosse  am  Zaum  der  eilig  dahin- 
schreitende  Mercur.  Zu  demselben  Typus  gehört 
vor  allem 

13.  ein  Sarkophagdeckel  im  Louvre,  abgebildet 
bei  Clarac  153,  459  und  333.  Die  Protliesis  ist  in 
die  Mitte  gerückt  und  viel  reicher  mit  Figuren  aus- 
gestattet. Rechts  wird  das  Bad  vollzogen  in  Anwe- 
senheit der  Parzen,  welclie  das  Horoskop  stellen. 
Dieser  Scene  entspricht  auf  der  linken  Seite  der  Un- 
terricht des  Knaben  durcli  den  kahlkö])figen  Päda- 
gogen; rechts  hinter  dem  lesenden  Knaben  stehen 
zwei  Jünglinge,  anscheinend  im  Gespräch:  der 
eine  hat  das  Haar  in  einen  Schopf  zusammenge- 
nommen ")  und  hält  in  der  Linken  eine  Tasche, — 
vielleicht  hat  er  dem  Knaben  seine  Schulbücher 
nachgetragen;  der  andere  hält  in  der  Linken  an- 
scheinend eine  Tänie  und  erhebt  die  Rechte,  — 
der  Zweck  seiner  Anwesenheit  bleibt  unklar.  Der 
Sarkophag  ist  ebenso  arm  an  Erfindung  wie 
reich    an    Figuren.      Der    Verfertiger    operirt   mit 

'*)  Vgl.  Overbeck,  Atlas  zur  Kunstmythologie  Taf.  17. 

")  Diese  Haartracht  findet  sich  auch  sonst,  z.  B.  auf  dem 
unter  No.  17  besprochenen  Sarkophag;  es  scheint  eine  gallische 
Tracht  zu  sein. 

15 


219 


K.  Weniioke.  Lebenslauf  eines  Kindes  in  Sarkophag-Darstellungen. 


220 


einer  überaus  g-eriugeu  Zahl  von  Jlotiven:  das  Mo- 
tiv der  sitzenden  Mutter  kommt  zweimal  fast  über- 
einstimmend vor,  das  Aufstützen  der  rechten  Hand 
auf  den  Sitz  sogar  auch  noch  bei  dem  Pädagogen. 
Die  Haltung  des  Kopfes  und  der  Hände  des  Vaters 
findet  sich  gleichfalls  dreimal,  nämlich  ausserdem 
nocli  bei  den  beiden  Figuren  hinter  den  Lehn- 
stühlen. Und  diese  Motive  selbst  sind  eben  auch 
nicht  eigene  Erfindung  des  Künstlers.  Sehr  ver- 
wandt mit  diesem  Sarkophag  ist 

14.  ein  ovaler  Sarkophag  in  Lowther  Castle"*), 
der  1817  bei  der  Via  Appia  zu  Eom  gefunden 
wurde.  In  ziemlich  roher  Weise  ist  links  die  Unter- 
richtsscene,  rechts  die  Prothesis  dargestellt.  Die 
sitzende  Figur,  welche  sich  noch  ausserdem  ganz 
rechts  befindet,  ist  modern. 

Eine  Anzahl  von  Sarkophagen,  die  sich  füglich 
am  besten  hier  einreihen  lassen,  beschränken  sich 
auf  die  Darstellung  der  Prothesis;  es  sind  kurz 
folgende: 

15.  Sarkophag  im  British  Museum,  früher  im 
Palazzo  Capranica  zu  Rom  (abgebildet  bei  Spon, 
Recherches  curieiises  cfAnliquile,  Lyon  1683,  pl.oOB. 
Bartoli  Admiranda  Taf.  72.  Ancient  Marbles  V  3, 5). 
Hier  begegnet  zuerst  der  unter  der  Kliue  liegende 
Hund'O. 

17.  Sarkophagdeckel  im  Musee  de  Cluny  zu 
Paris,  gefunden  bei  Ausgrabungen  in  der  llue  Mon- 
tholon  {Musee  des  Thermes  et  de  rUotel  de  Climy, 
Paris  1855  No.  86).  Ein  todtes  Mädchen  wird  von 
Eltern  und  Geschwistern   betrauert;    der  Vater  hat 


1")  Aldi.  Ztg.  1873  S.  .SO  No.  ■-'.  Michaelis,  Ancient  Marhles 
in  Greal  B ritain  No.  44. 

")  Der  Spielgelälirte  des  verstorbenen  Mililchens,  vgl.  Iii- 
venal  IX,  60  f.  ruslicus  in/ans  cum  niatre  et  casulis  et  cum 
lusore  catello.  Anf  einem  verschollenen  Sarkophag  (16), 
erhalten  in  einer  Zeichnung  des  Cassiano  dal  Pozzo  (bei  A. 
W.Franks;  ist  an  die  Stelle  des  Ttidtenbettes  die  Grabinschrift 
getreten : 

D  ^  M 

SEX  ■  SlLl  ■  l'ATKKNl  •  QVI 
VIX-ANN-XXXVIl    • 
AEMILIAMAHCIANA 
C  ON  IV  Ü  •  BEN     .M  IC  K  • 
Aber    als   ob    das   Todtenbett    dargestellt    sei,    ist   die   trauernde 
Familie  versammelt,   und    der  Hund   liegt   neben   der  gleichfalls 
typischen  Fussbaiik  mit  den   Schuhen   dus   Verstorbenen. 


das   Haar    nach    gallisch  -  germanischer   Sitte  ^'')    in 
einen  Schopf  zusammengeuommen. 

18.  Sarkopliag  in  den  Uffizien  zu  Florenz"') 
Die  Daistellung  ist  eingefasst  durch  zwei  Eroten; 
der  zur  Linken,  geflügelt,  stützt  sich  mit  der 
linken  Achsel  auf  eine  umgekehrte  Fackel,  in  der 
linken  Hand  hält  er  ein  Bändel  Mohnköpfe  und 
legt  die  rechte  Hand  auf  die  linke  Schulter;  das 
linke  Bein  hat  er  über  das  rechte  geschlagen.  Der 
zur  Rechten,  ungeflügelt,  hat  dieselbe  Stellung  im 
Gegensinn,  Auf  der  Kline  liegt  ein  Knabe,  links 
sitzt  die  Mutter,  neben  der  die  Schwester  steht, 
reclits  der  Vater,  neben  dem  der  Bruder  steht. 

19.  Fragment  in  den  Uffizien  (Dütschke  111431). 
Erhalten  ist  ausser  dem  Fussende  der  Kline  nur 
der  stehende  Vater  und  der  Oberkörper  einer  weh- 
klagenden Frau'"'). 

Dieser  'J'yP^"'  ^l*^'"  Frotiiesis  ist  auf  sehr  ver- 
schiedene Scenen  übertragen  worden.  Abgeleitet 
ist  aus  ihm  z.  B.  die  Darstellung  der  Vermählung 
von  Eros  und  Psyche  auf  einem  ovaleu  Sarkophage 
im  British  Museum  (Aue.  Marbl.  V  U,  3—5);  abge- 
leitet auch  die  Sterbescene  der  Alkestis-Sarkophage. 
Eine  dritte  Ableitung  finden  wir  auf  einem  ovalen 
Sarkophag  des  Museo  Kircheriano,  welcher  eng 
verwandt  ist  mit  der  hier  besprocheneu  Reihe ''). 
Hier  ist  aus  der  feierlichen  Ausstellung  der  Leiche 
die  —  Geburtsscene  geworden:  auf  der  Kline  liegt 
eine  Frau ;  ihr  Gewand  ist  von  der  rechten  Schulter 

-")  Martial  III  9:  Crinibus  in  nodum  tortis  venere  Si- 
camhri.  Seneca  de  ira  III  27:  ruß'us  crinis  et  coactus  in  nodum 
apud  Germanos.  Tacitus  Germania  cap.  38  hält  diese  Tracht 
mit  Unrecht  für  eine  dem  Stamme  der  Sueven  eigenthümliche. 

-')  Dütschke  III,  377;  abgebildet  bei  Gori,  Inscr.ant.  [1727] 
III  Tab.  17.  Barbault,  Recueil  de  Munumens  anciens  de  l'  Italic, 
Rome  1770  pl,  43,  3,  läarbault,  Monumens  antiijues,  Rome  1783 
pl.  '.'O,  2. 

-'■)  Aehnlicli  tinilen  wir  die  I'rotbesis  z.  ß.  auch  auf  dem 
Grabstein  der  üctavia  Exorata  in  Verona  (Maffei,  Mus.  l'eron. 
p.  137,  3.  Dütschke  IV,  470),  wo  die  Figuren  inschriftlich  als 
pater,  niater ,  jiatruus  bezeichnet  sind.  Ein  Sarkoi)hag  (20)  im 
Louvre  (Caylus  Recueil  III  pl.  LXXIill  scheint  stark  über- 
arbeitet zu  sein.  Nur  aus  Beschreibungen  sind  mir  folgende 
in  Rom  befindliche  Fragmente  bekannt:  21.  Villa  Medici 
(Mat/.-Duhn  11,  3145  ;  22.  Atelier  des  Bildhauers  Jerichau 
(M.-D.  II,  3148);  23.  Via  Margutta  No.  53b  (M.-D.  II, 
3148a);  24.   Vigna  Codini  (M.-D.  II,  3149). 

■^)  Abgebildet  Annali  deW  Ist.  1868  Tav.  QR.  Gefunden 
bei   Fortnnati's  Au.-grabiuigeii   in   der  Via  Laiina. 


221 


K.  Wi'niickc.  l.i'liiMislaiif  ciiios  Kindes  in  8;irkn]]lKig-r)ar.steilMnL''cn. 


9  2  2 


lierabg:cglitten,  sie  stützt  sich  auf  den  linken  Ellen- 
bogen und  erliebt  die  Linke  zu  dem  selinierzvoll 
seitwärts  geneigten  Haupt;  die  Rechte  hängt  sclilaft' 
herab.  Hinter  der  Kline  werden  links  und  rechts 
Kopf  und  linke  (resp.  rechte)  Hand  zweier  weib- 
licher Figuren  siclitbar,  deren  Aufmerksamkeit  auf 
die  liegende  Frau  gerichtet  ist;  in  der  Jlitte  eine 
gleiche  Figur,  w  eiche  die  Linke  auf  die  Lehne  legt 
und  die  Rechte  mit  dem  uralten  typischen  Gestus 
der  Geburtshilfe  erhebt.  Am  Fussende  des  Lagers 
sitzt  eine  Frau,  welche  beide  Hände  in  ähnlicher 
Weise  eriicbt;  hinter  ihr  sieht  man  noch  zwei  weib- 
liche K(i])fe.  Am  Kopfende  l)efindet  sich  die  Gruppe 
eines  sitzenden  und  eines  dahinter  stehenden  Mäd- 
chens. Unter  der  Kline  endlich  steht  ein  Napf, 
neben  dem  links  ein  nackter  Kna!)e  liegt,  —  offen- 
bar das  neugeborene  Kind.  Für  todt  kann  man 
es  niciit  halten,  da  es  dann  wohl  nicht  am  Erd- 
boden liegen  würde;  auch  haben  wir  es  mit  keinem 
Kind'ersarkophage  zu  thun.  Die  Grösse  des  Neu- 
geborenen wird  aber  Niemand  befremden,  der 
dasselbe  bei  den  Darstellungen  des  Hades  bemerkt 
hat.  Aber  warum  liegt  das  Kind  an  diesem  Platze, 
scheinbar  höchst  ungehörig?  Man  wird  hierbei  wohl 
an  die  von  Vielen  bezeugte  römische  Hitte  denken 
müssen,  das  Neugeborene  auf  den  Erdboden  zu 
legen,  und  der  Entscheidung  des  Vaters  zu  über- 
lassen, ob  er  es  durch  Aufheben  Uiiairipere,  tollere) 
anerkennen  wolle  oder  nicht ''^).  Hob  der  Vater 
das  Kind  nicht  auf,  so  wurde  es  ausgesetzt  und 
konnte  froh  sein,  wenn  sich  ein  nnlrtlor  seiner 
erbarmte,  der  es  nicht  zur  Schande  aufzog"*).  So 
liegt  aucii  hier  der  Knabe,  man  wird  wohl  sagen 
niUssen  vor  der  Kline  und  liarrt  noch  der  Aner- 
kennung und  des  darauf  folgenden  Bades.  Aber, 
so  fragt  mau  unwillkürlich,  wo  findet  denn  ];ier 
die  bei  Darstellungen  aus  dem  Menschenleben  doch 
nothwendige  Beziehung  auf  die  in  dem  Sarge 
ruhende  Person  statt?  Die  Vermuthung  liegt  nahe, 
in  der   liegenden   Frau   etwa   eine    im   Wochenbett 

-*)  .v«sr;i),e)e :  Ter  Andr.  II  •-'(;.  Cic.  \'en-.  11  i,  G9. 
riin.  ep.  IV  1.  34.  tollere:  Ter.  Ileaiit.  IV  1,  IS.  Plaut.  Trucul. 
II  4,45.    Cic.  Div.  1   21.     Suet.  Nero  .). 

'•'•')  Wie  ■/..  15.  bei  dem  Rhetor  M  Antonius  (inipho,  vgl. 
Sueton  de  grammuticis  VII,  1. 


Verstorbene  zu  sehen;  aber  dagegen  spricht,  dass 
links  von  der  besprochenen  Scene  weiter  der  Unter- 
richt des  Knaben  dargestellt  ist.  Also  der  Knabe 
muss  schon  selbst  der  Todte  sein;  freilicli  war  er 
bereits  erwachsen,  als  er  starb  und  der  grosse 
Sarkophag  flir  ihn  bestellt  wurde;  im  Anschluss  an 
diese  Kindheitsscenen  dürfen  wir  daher  in  der  dritten 
Scene,  die,  so  wie  sie  jetzt  in  der  Abbildung  vor- 
liegt, unerklärbar  scheint^'),  eine  Dar.stellung  aus 
dem  späteren  Leben  erwarten.  Zwischen  diesen 
Scenen  sind  die  Figuren  der  römischen  Lupa  und 
des  Cerberus  als  Symbole  von  Geburt  und  Tod 
angebracht. 

Schliesslich  stellt  sich  auch  die  römische  Form 
des  Todtenmahles  als  eine  Umbildung  des  Prothesis- 
typus  dar").  Das  Charakteristische  der  griechischen 
Todtenmahle  nämlich  ist  die  auf  dem  Lager  am 
Fussende  sitzende  Frau;  auf  den  römischen  Mo- 
numenten sitzt  dagegen  die  Frau  entweder  neben 
der  Kline,  oder  sie  geniesst  neben  dem  Manne  auf 
der  Kline  liegend  die  Freuden  des  Mahles  mit""). 

Am  Ende  der  Entvvickelung  angelangt,  kehren 
wir  zum  Ausgangspunkt,  dem  Sarkophag  Campana, 
zurück.  Jetzt  ist  alles  klar  geworden:  die  Scene 
links  ist  die  Fahrt  ins  Jenseits;  die  auf  dem  Korb- 
stuhl sitzende  Mutter  ist  von  der  Badesceue  herüber- 
genommen, hier  blickt  sie  dem  scheidenden  Sohne 
nach;  die  Sonnenuhr  stammt  gleichfalls  aus  der 
Badescene;  die  Anwesenheit  der  Musen  bei  der 
Unterrichtsseene  war  die  Veranlassung,  die  letztere 
nach  dem  Vorbilde  der  Dichtersarkophage  zu  ge- 
stalten; für  die  Prothesis  endlich  ist  hier  das  wirk- 
liche Todtenmahl  gesetzt"). 

Berlin.  Konrad  Wernicke. 

-'')  Vielleicht  sind  es  niissverständlich  gezeichnete  I'arzen. 

■-')  Vgl.  Welcker  A.  D.  II  S.  232  f. 

-^)  Vgl.  Garrucci.  Museo  Laleranense  Taf.  30,  1  und  2. 
Benndorf-Schöne,  No.  481.  Matz-Duhn  11,  3144.  Ciacconius  de 
triclinio  (Amstelod.  1G64)  im  Appendix  von  Fulvius  Ursinus. 
Gnlleria  Giustiniani  II.  91.  Montfaucon  III  1,  57.  Conze,  Ver- 
zcichniss  der  antiken  .Scnlpturcn  des  Kgl  Museums  zu  Berlin 
No.  83S ;  eine  Zeichnung  des  letztgenannten  Reliefs  befindet  sich 
im  archüol.  Apparat  der  kgl.   Museen. 

-'^)  Die  Schmalseiten  des  Sarkophags  zeigen  die  eine  Eroten 
beim  Vogelfang,  die  andere  tanzende  Eroten;  über  den  Vogel- 
fang mit  der  Leimrnthe  (itrumlo)  verweise  ich  auf  die  inter- 
essante Zusammenstellung  von  Zacher  im  Hermes  XIX  S.  432ft". 
15* 


223 


224 


PROMETHEUS. 


Das  hier  stark  vergrössert  nach  einem  Abdrucke 
wiedergeg'ebene  Bild  befindet  sieb  als  Iniaglio  auf 
einem  Carneol-Scarabaeus  im  Privatbesitze  vai  Odessa 
und  wurde  im  Pariser  Kuusthandel  erworben.  Bei 
näherer  Betrachtung  kann  man  über  die  Darstellung 
nicht  im  Zweifel  sein;  auf  den  ersten  Blick  zwar 
glaubte  ich  Philoktet  mit  verbundenem  Schenkel  und 
Odysseus  zu  erkennen;  doch  die  Kette,  die  nach 
oben  geht,  machte  es  bald  klar,  dass  niemand 
anders  als  Prometheus  geraeint  sei,  der  als  dsaftwztjg 
in  Fesseln  geschmiedet  ist. 

Um  den  linken  Oberschenkel  des  Titanen,  der 
mit  mächtigen  Körperfoimen  gebildet  ist,  liegt  eine 
breite  Fessel,  und  von  dieser  aus  geht  eine  Kette 
nach  oben,  wo  sie  an  einer  runden  convexen  Scheibe 
befestigt  ist,  die  auf  der  als  Hintergrund  zu  denken- 
den festen  Wand  sitzt.  Die  Aime  sind  noch  frei 
von  Banden;  die  Rechte  stützt  er  auf  ein  Scepter, 
doch  an  den  linken  Arm  fasst  ihm  ein  Mann  von 
rechts'),  zwar  ruhig  und  milde,  doch  offenbar  in 
der  Absicht  ihn  auch  hier  zu  fesseln.  Prometheus 
macht  zwar  eine  abwehrende  Bewegung  mit  der 
noch  freien  linken  Hand,  aber  Widerstand  leistet 
er  nicht.  Jeuer  Mann  ist  bärtig,  trägt  einen  Pilos 
und  bat  den  Mantel  so  umgeworfen,  dass  seine 
linke  Brust  frei  bleibt;  der  Zipfel  des  Mantels  fnllt 
zwischen  ihm  und  Prometheus  herab.  Er  ist  etwas 
kleiner  und  scliwächer  gebildet  als  der  Titane  neben 
ihm.  Ohne  Zweifel  ist  es  Hepiiästos,  der  Pro- 
metheus fesseln  soll,  es  aber  nur  widerwillig  thut 
und  von  Mitleid  ergriffen  ist. 

Die  Situation  entspricht  demnach  vollständig 
der  Darstellung  des  Acschylos  im  TJQnimjd^evg  öta- 
fi(ÖTi]g,  nur  dass  die  beiden  Gesellen,  die  llepbästos 

')  Seine  rechte  Hand  erscheint  unter  ricjpielheus'  ülieriinii; 
mit  der  linken,  die  ohne  etwas  zu  halten  unter  Prometheus' 
Unterarm  zu  sehen  ist,  scheint  er  Prometheus'  linke  Hand 
fassen  zu  wollen,  der  sie  ihm  aber  entzieht. 


dort  beigegeben  sind,  Kratos  und  Bia,  hier  fehlen. 
Hephästos  sagt  bei  Aeschylos  (V.  18  ff.) 

T(ye  oQdoßovlnv  Qi/iitdog  alTiv/.irJTa  nai, 
axnvTci  a    axiuv  dvalvioig  %aXx£vj.iaai, 
nQoariaacalsvaiiJ  tmö    anav&Qiüno)  xnnii). 
Aufrecht    stehend    soll    Prometheus    angeschmiedet 
werden   (^ngi^naräöip  V.  3"2);  an  dem  Felsen  selbst 
werden  seine  Fesseln  befestigt,  zuerst  die  der  Arme, 
dann  wird  ihm  ein  Keil  durch  die  Brust  getrieben, 
dann    um    die    Hüften    /.taaxaliatrJQsg   gelegt    und 
endlich   die   Beine  mit  Ringen   umgeben  {axslrj  de 
xiQxcoaov  ßia  V.  74).      Nur  die  letztere   Fesselung, 
welche  die  freie  Haltung  der  Gestalt  am  wenigsten 
behinderte  und  doch  deutlich  genug  sprach,  ist  auf 
unserem  Scarabäus  dargestellt,  und  zwar  als  bereits 
geschehen. 

Dass  Prometheus  ein  Scepter  trägt,  entspricht 
zwar  nicht  der  Scene  der  Fesselung  bei  Aeschylos, 
wohl  aber  der  ganzen  Auffassung  des  Titanen  bei 
diesem  Dichter  und  der  Geltung  desselben  im  atti- 
schen Cultus.  Als  mächtiger  Gott,  der  dem  Zeus 
zum  Siege  verhalf,  als  Sohn  der  Themis,  als 
Beratiier  und  Propliet  der  Götter,  konnte  er  ange- 
messener Weise  mit  Scepter  gedacht  werden.  Auch 
der  versöhnte  Prometheus,  der  im  Olymp  vor 
Hera  steht,  trägt  auf  einer  attischen  Vase  (iWon.  d.  I. 
V.  35)  das  Scepter. 

Nicht  nur  durch  die  mächtigen  Körperformen, 
auch  durch  die  Bildung  des  Kopfes-)  hat  der  Stein- 
schneider eine  Ciiarakterisiiung  des  Titanen  ver- 
sucht. Die  Haare  sind  wie  in  die  Höhe  ge- 
sträubt, die  Stirn  ungewöiiulich  breit  und  in  der 
Mitte  eingesenkt,  der  Mund  etwas  geöffnet,  der 
l'>art  kräftig,  der  ganze  Kopf  mehr  breit  als  oval. 
In  der  Wiodcrgal)e  der  Muskulatur  des  Körpers  hat 
sich  der  Küustler  viel  Mühe  gegeben,  doch  ist  ihm 

■-')  Der  Abbildung  ist  die  Wiedergabe  desselben  nicht  ganz 
gelungen. 


225 


A.  Fiirtwängler,  Prometheus. 


226 


der  Ucbergang  vom  Oberkörper  zu  den  Beinen  und 
die  Stellung  der  letzteren  niclit  gut  gelungen. 

Man  wird  den  Scarahäus  etwa  um  das  Ende 
des  fünften  Jahrhunderts  datiren  müssen. 

Wir  f(igen  an  die  Beschreibung  dieses  inter- 
essanten Denkmales  einige  Bemerkungen  über  das 
Verhältniss  desselben  zu  den  bisher  bekannten 
Darstellungen  des  gefesselten  Prometheus.  Diese 
scheiden  sich  in  zwei  grosse  Gruppen,  von  denen 
die  eine,  die  ältere,  der  uns  bei  Hesiod  erhaltenen 
Sage  von  der  ?>sselung  folgt,  während  die  andere 
sich  an  die  Umarbeitung  hält,  die  Aeschylos  mit 
jener  Ueberlieferung  vorgenommen  hatte. 

Die  wichtigsten  unter  den  Denkmälern  der 
ersten,  älteren  Beihe  zeigen  den  Prometheus  in  ganz 
unzweideutiger  Weise  gepfählt^);  ein  aufrechtstehen- 
der Pfahl  ist  ihm  der  Länge  nach  durch  den  Rumpf 
getrieben;  die  Arme  sind  beweglich,  jedoch  meist 
durch  Handschellen  verbunden;  die  Stellung  ist  in 
der  Regel  die  hockende,  indem  die  Kniee  herauf- 
gezogen sind.  Nur  eine  altattische  Vase  wählt  statt 
dessen  das  bekannte  arcliaische  Lanfschema  und 
lässt  deslialb  auch  die  Arme  ohne  Fesseln^) 

Nicht  deutlich  ist  der  Pfahl  auf  der  Darstellung 
einer  Gemme  ^),  was  aber  bei  der  Uebereinstimmung 
des  übrigen  Tj'pus  nur  als  UnvoUständigkeit  und 
Nachlässigkeit  gefasst  werden  kann.  Der  genannte 
Stein  ist  seinem  Stile  nach  schwerlich  älter  als 
das  sechste  Jahrhundert;  seiner  Form  nach  gehört 
er  freilich  zu  den  sog.  Inselsteinen ,  deren  grosse 
Menge  in  eine  bedeutend  ältere  Zeit  zu  setzeu  ist; 
doch  giebt  es  eine  kleinere  Gruppe  unter  denselben 
—  und  zu  ihr  gehört  jener  Stein  —  die  bereits 
einen  ausgebildeten  hellenisch  archaischen  Stil  zeigt 
und  dem  7.  und  6.  Jahrb.   angehört ;  derartig  sind 

')  So  das  sehr  alteithümliche  Vasen fragnient  vom  Phaleron 
bei  Benndorf,  giiecli.  u.  sie.  Vasenb.  Tal".  54,  2;  S.  105 f.  Ferner 
die  Vase  in  Berlin,  Furtw.  Xo.  1722  (Benndorf  ebenda  S.  106), 
die  entschieden  chalkidischer  Fabrik  ist  (s.  meinen  Vasenkatalog 
S.  1054);  endlich  die  altattische  Amphora  Arch.  Ztg.  1858, 
S.  165  Taf.   1 14,  2    (O.  Jahn) 

*)  Ks  ist  die  Arch.  Ztg.  1S58  Taf.  114,  2  abgebildete  Am- 
phora der  von  Gerhard  sog.  tyrrbenisclien  Gattung.  Es  sind 
hier  mehrere  Götter  anwesend.  Uie  von  Jahn  für  Zeus  ge- 
haltene Figur  ist  aber  vielmehr  Poseidon  mit  dem  Fünfzack  (wie 
auf  korinthischen  Pinakes  in  Berlin,  Furtw.  No.  379.  385.  464). 
Der  Hermes  im  langen  Chiton  und  der  ebenfalls  langgewandcte 
Apoll,  der  umbliikt,  ents]irechen  ganz  den  Figuren  der  Berliner 
Amphora  gleicher  Gattung  mit  der  Athenageburt  (Furtw.  Xo.  1704; 
Mon.  d.   Inst.   IX  55). 

^)  Milchhiifer,  Anfänge  d.  gr.  Kunst  S.  S9,  No.  58.  Wiener 
Vorlegebl.  D,  0,  5. 


z.  B.   die  Arch.   Ztg.   1883,  Taf.  IG,  5.  G  und  na- 
mentlicli    Ifi  abgebildeten  Steine''). 

Ein  anderer  ,, Inselstein"  aber  und  zwar  einer 
der  älteren  Art,  ist  fälschlicli  auf  Prometheus  be- 
zogen worden;  er  stellt  das  in  der  alten  orienta- 
lischen Kunst  beliebte  'riienia  des  von  den  Vögeln 
zerfleischten  Gefallenen  dar');  wie  geläufig  diese 
Vorstellitng  dem  homerischen  Epos  ist,  braucht  kaum 
erinnert  zu  werden ").  Auszuscheiden  ist  aus  den 
Prometheusdenkniälern  auch  ein  Vasenbild  von  der 
Gattung  der  Arkesilasschale'),  das  wohl  den  thro- 
nenden Zeus  mit  seinem  Adler ''),  sicher  nicht  Pro- 
metheus darstellt.  —  Ungewisser  Deutung  ist  das 
Fragment  eines  olympischen  Bronzereliefs"). 

Wir  müssen  also  nach  den  Denkmälern  anneh- 
men, dass  die  alte  Sage  von  einer  Pfählung  des 
Prometheus  berichtete.  Diese  ist,  wie  Welcker 
(Alte  üenkm.  3,  S.  19.3,  2)  gesehen  hat,  auch  bei 
Hesiod  Theogouie  521  angedeutet: 

(J^ffe  (Zeus)  d'dkvxToued>]ai  nQn^trji^ia  noixi- 
Xößnvknv 
dsainnlc:  ägyakeniai  /.teaov  dia  xlnv  ikäaaag, 
aber  der  Dichter  hat  das  grausame  Motiv  möglichst 
in  den  Hintergrund  gedrängt;  er  macht  die  Fesse- 
lung zur  Hauptsache  und  deutet  die  Pfählung  nur 
an,  und  zwar  so,  dass  sogar  eine  Zweideutigkeit 
entsteht  und  man  ohne  Kenntniss  der  Sage  von  der 
Pfälilung  die  Worte  natürlicher  nur  auf  die  Fesse- 
lung bezieht  und  zu  iläaaag  aus  dem  Vorigen 
akvxTOTiiöag  ergänzt,  also  die  Fesseln  durch  die 
Mitte  einer  Säule  geschlagen  werden  lässt.  So  er- 
klärten nicht  nur  Neuere;    auch    im   Alterthum  i.st 

^)  Bei  Untersuchung  des  Originales  glaubte  ich  deutlich  zu 
erkennen,  dass  das  Bild  der  a.  a.  O.  No.  IC  abgebildete  Seite 
des  Steins  erst  später  eingearbeitet  ist,  nachdem  die  andere 
Seite  mit  den  Fischen  No.  15  längst  ihr  Bild  hatte. 

')  Ein  Goldring  aus  dem  Grabe  der  äthiopischen  Königin 
von  Meroe  in  Berlin  (Inv.  1720)  zeigt  einen  von  einem  Geier 
zerfleischten  Gefallenen.  Da  jenes  Grab  indess  später  nach- 
chrisllicher  Zeit  angehört,  so  verzichtet  man  besser  auf  diese 
Analogie;  in  eigentlich  ägyptischer  Kunst  scheint  das  Thema 
nicht  vorzukommen. 

*)  Da>s  die  Figur  stehe,  wie  Milchhiifer  a.  a.  O.  behauptet, 
finde  ich  durch  nichts  ausgedrückt;  dagegen  kann  man  wohl  aus 
der  Stellung  des  Vogels,  dessen  natürliche  Haltung  die  horizon- 
tale ist,  auch  auf  das  Liegen  des  Mannes  schliessen. 

')  Arch.  Ztg.  1881    Taf.   12,  3.    Wiener  Vorlegebl.  D,  9,  2. 

'")  Dieser  Ansicht  scheint  auch  Bonndorf  zu  sein,  indem  er 
in  den  Vorlegebl.  D,  9,  3  eine  arkadi>che  Münze  neben  jene 
Vase  stellt. 

")  Ausgrab.  v.  Olympia  IV  S.  IS.  Curtius,  d.  arch.  Bron- 
zerel.,  Abh.  d.  Akad.  1879,  S.  14.  Milchhöfer,  Anfange  S.  185. 
Wiener  Vorlegebl.  D,  '.),  4. 


227 


A.  Fiirtwäiitiler,  Prüinctheus. 


228 


diese  Auffassung-  naclizuweisen.  Das  I5ilcl  einer 
Sehale  von  der  Gattung-  der  Arkesilasvasen  entspricht 
derselben  genau,  indem  hier  Prometheus  nur  ge- 
fesselt ist  und  die  Fesseln  um  die  Mitte  einer  Säule 
befestigt  sind.  Während  die  oben  angeführten  Denk- 
mäler mit  dem  gepfählten  Titanen  wahrsclieinlicli 
aus  der  Sage  selbst  scliopften,  die  für  die  Theo- 
gonie  Quelle  war,  iiat  sich  der  Künstler  der 
letztgenannten  Scliale  offenbar  nur  an  jene  Hesiod- 
stelle  angeschlossen.  Es  passt  hierzu,  dass  diese 
Schale  den  Prometheus  dem  Atlas  gegenüberstellt, 
der  bei  Hesiod  als  Bruder  des  Prometheus  un- 
mittelbar neben  und  mit  demselben  behandelt  wird 
(Thcog.  509  ff.). 

Der  Fall  ist  überaus  lehrreich  und  zeigt  uns 
mit  seltener  Deutlichkeit,  wie  die  arcliaische  Kunst 
liieils  aus  der  Sage  selbst  schöpft,  theils  aus  der 
dichterischen  Verarbeitung.  Ueberdies  lernen  wir, 
<lass  im  6.  Jahrhundert  an  dem  Fabrikationsorte  der 
.\rkesilasschalen  jene  Stelle  der  Theogonie  in  der- 
selben Geslalt  bekannt  war,   wie  wir  sie  lesen. 

Die  zweite  und  spätere  Gruppe  von  Denkmälern, 
die  uns  den  Prometheus  öeopuJTrjg  vorführen,  unter- 
scheidet sich  vor  allem  dadurch,  dass  er  mit  den 
Armen  oder  Beinen  an  einen  Hintergrund  gefesselt 
ist,  der,  wo  er  überhaupt  charakterisirt  ist,  als 
Fels  erscheint.  Diese  Darstellungen  sind  somit  von 
der  Gestaltung  beeiuflusst,  die  Aeschylos  der  Sage 
gegeben  hatte. 

Jlau  kann  zwei  Abtheilungen  in  dieser  Gruppe 
unterscheiden.  Die  eine,  ohne  Zweifel  die  ältere, 
zeigt  den  Helden  in  einer  gewissen  Ruhe  und 
Würde.  An  die  Spitze  dieser  Keihe  tritt  der  hier 
veröffentlichte  Scarabäus,  der  die  von  Aeschylos 
geschaffene  Gestalt  unter  den  bisher  bekannten  Mo- 
numenten wohl  am  besten  ausdrückt,  indem  liiei- 
edler  Stolz,  und  hohes  göttliclies  Wesen  mit  Trotz 
und  titanisclier  Kraft  vereint  angedeutet  sind.  Es 
gehören  dann  ferner  hierher  zwei  etruskisehe  Spie- 
gel,  die  Prometlieus  sogar  ein  Gewand  geben. 
Auf  dem  einen'")  steht  er  nur  mit  Handschellen 
gefesselt  ruhig  da  und  Herakles  blickt  zu  ihm  aui'. 

'■)  Gfvliard,  etr.  Siiiug.  13!l.  Wiener  Vorlejjeljl.  I),  '.),  4. 
\'gl.  Jahn,  uicli.   licitr.  S   •.'i)'.'. 


Verwandt  muss  der  Besclireibung  nach  das  Ge- 
mälde des  Panainos  im  olympischen  Zeustempel 
(Paus.  5,  1 1,  6)  gewesen  sein.  Der  andere  Spie- 
gel'^) zeigt  den  sitzenden  Helden,  dem  eben  die 
Handfesseln  abgenommen  worden  sind. 

Die  zweite  Reihe  stellt  Prometheus  nur  als  den 
Gequälten  dar  in  ganz  pathetischer  Fassung;  die 
betreffenden  Bildwerke  gehen  alle  auf  ein  Original 
zurück,  das  Milchhöfer  ")  niclit  ohne  Wahrschein- 
lichkeit in  einem  Gemälde  des  Parrhasios  vermuthet. 
Zu  den  von  Milchhöfer  a.  a.  0.  besproclienen  Bild- 
werken kommen  noch  zwei  rothe  Terracottareliefs 
von  Gefässen  gallischer  Fabriken;  die  für  die  grosse 
Verbreitung  der  Composition  7AUgcn.  Das  eine 
derselben,  aus  Orange  stammend,  ist  bei  Froeliner, 
miis.  de  France  pl.  15,  1  abgebildet;  das  andere 
befindet  sich  im  Besitze  des  lleirn  Jul.  Greau  in 
I^aris,  in  dessen  grossartiger  Sammlung  gallischer 
Thonvvaaren,  die  er  mir  mit  grösster  Zuvorkommen- 
heit zeigte,  ich  das  Stück  1883  notierte.  Es  stammt 
aus  der  „vallee  du  lihöne^'  und  ist  ein  locales  Pro- 
duct  in  Nachahmung  aretinischer  Fabrik.  Der  Pro- 
metheus ist  nach  rechts  gewandt;  das  linke  Bein 
ist  heraufgezogen  wie  auf  dem  Esquilinischen 
Wandgemälde  (Milchhöfer  a.  a.  0.  S.  14);  der  Adler 
hackt  von  rechts  ein.  Rechts,  unterhalb,  und  zwar 
in  der  Höhe  des  heraufgezogenen  linken  Fusses 
ist  der  linke  vom  Löwenfell  behangene  Unterarm 
des  Herakles  mit  dem  Bogen  erhalten;  daneben 
die  Inschrift  HERCVLES.  Interessant  ist  an  dieser 
Replik  namentlich  die  tiefe  Stellung  des  Herakles. 
Sie  passt  zu  der  von  mir  frUlier  geäusserten  Ver- 
muthung'^),  dass  die  jetzt  zu  der  pergameuischen 
Gruppe  gerechnete  liegende  Gestalt  ein  Flussgott 
sei  und  nicht  zu  ihr  gehöre,  dass  vielmehr  rechts 
oben  ein  Berggott  zu  ergänzen,  folglich  Herakles 
weiter  herabzurücken  sei. 

A.  Fliktwanolek. 


")  Gtrhard  138;  Voi-legebl.  D,  0,  5;  pliotoyraijhiscli  alig. 
in  dem  Auctionscatalog  der  coli.  Jul.  Griau  (1885)  pl.  11,  No. 
580  (Fröliner). 

")  Befreiung  des  l'rometlieus,  Berl.  Wiiickclmannsprogr. 
1882.  S   20  ft'. 

'■')  Deiitselie  Literatur/.eitung    ISSÖ  tS.  781. 


229 


230 


M  I  S  C  E  L  L  E  N. 

DIE  KINDHEIT  DES  ZEUS. 


H.  V.  Kohden  liat  in  deu  Ainiali  cleä'  Ist.  1884 
p.  30  ff.  eine  Keihe  von  Relief'daistellungen  (ausser 
mehreren  etrnski.sclien  Spieg-cldcckehi  auch  eine 
Thonschaehtel  aus  Canosa  im  Berliner  Museum) 
besprochen,  die  er  für  die  Pflege  des  Diouysos- 
kindes  durch  die  Nymphe  Nysa  erklärt.  Zu  die- 
ser Gruppe  von  Monumenten  treten  die  oben  ab- 
gebildeten Sciiuialseiten  eines  Sarkojjhages  der 
Uftizien  (DUtsciike  III,  377)  hinzu,  welche  die  Scene 
in  einem  wesentlich  andereu  Liclite  ersclieinen 
lassen: 

A.  Auf  einem  Leimstuhl  sitzt  nach  links  eine 
Frau  mit  einem  Kinde  auf  dem  Schooss.  Vor  ihr 
steht  ein  Jüngling  und  streckt  beide  Arme  aus,  wie 
um  das  Kind  in  Empfang  zu  nehmen. 

B.  Eine  Frau  mit  nacktem  Oberkörper  sitzt 
nacii  links  vor  einem  Baum  und  stützt  sich  mit  der 
Linken  auf  ihren  Sitz;  auf  ihrem  Schoosse  iiat  sie 
ein  riesiges  Füllhorn,  das  sie  vcrmuthlich  mit  der 
abgebrochenen  IJechten  hielt. 

Eine  im  Freien  unter  Bäumen  sitzende  weibliche 
Figur  mit  einem  Füllhorn  im  Schooss  kann  nur 
eine  Nymphe  sein.  Setzen  wir  sie  in  Verbindung 
mit  der  anderen  Schmalseite,  so  wird  klar,  dass 
der  Jüngling  auf  A  das  Kind  von  seiner  Mutter 
fort  und  zu  der  Nyui])he  tragen  soll.  Nehmen  wir 
diesen  Zusammenhang,  durch  den  allein  die  beiden 
Seenen  verständlich  werden,  an,  so  haben  wir  unter 
deu  verschiedenen  Mythen  von  der  Erziehung  eines 
Kindes  durch  die  Nymphen  nach  einer  zu  suchen, 
in  welcher  das  Füllhorn  eine  liolle  spielt;  das  kann 
nur  die  Erziehung  des  Zeus  sein,  wobei  es  gleich- 


giltig  ist,  ob  wir  die  Nymphe  Adrastea  oder  Anial- 
thea   nennen. 

Aber  auch  für  die  anderen  Darstellungen  halte 
ich  mit  Heydemann  (Mitth.  aus  Antiken-*.  S.  98  f.) 
die  Deutung  auf  Zeus  fest.  Denn  erstens  bildet 
das  Füllhorn  in  allen  so  augenfällig  den  Mittel- 
punkt, dass  die  Deutung  uuab weislich  davon  aus- 
gehen nuiss.  Dass  es  aber  der  Nymphe  gehört 
und  nicht  dem  Kinde,  zeigt  unser  Sarkophag- 
relief; aber  auch  ohne  dieses  würde  man  nicht 
anders  urtheilen  dürfen,  da  das  Füllhorn  durch- 
aus kein  stehendes  Attribut  des  Dionj'sos  ist, 
vielmehr  nur  äusserst  selten  sich  bei  ihm  findet 
(vgl.  Stephani,  Coinple  Reiidti  1867  p.  181),  dagegen 
in  der  Zensfabel  bedeutsam  genug  hervortritt.  Fer- 
ner, ist  niclit  die  Auffassung  die  natürlichste,  welche 
den  auf  den  Spiegeln  erscheinenden  Adler,  den 
mit  Zeus  zugleich  geborenen  Vogel,  der  das  Götter- 
kind  nach  anderer  ^'crsion  nn't  Hiuimclsspeise  nährte, 
lieber  als  eine  llindeutung  auf  Zeus  seihst  ansieht, 
als  auf  einen  seiner  Söhne,  mit  dem  das  .Attribut 
gar  nichts  zu  thun  hat?  Und  wenn  man  an  dem 
angeblichen  Anachronismus  Anstoss  nimmt,  dass 
Mercur,  der  Sohn  des  Zeus,  hier  als  Ueberbringer 
des  Zeuskindes  erscheint,  so  lässt  sich  darauf  ent- 
gegnen, dass  die  Figur,  welche  das  Kind  überbringt, 
in  einigen  Fällen,  so  auf  der  Annali  1884  tar.  E 
(übrigens  sehr  ungenau)  ))ublicirten  Schachtel  aus 
Canosa  und  unserem  Relief,  durch  nichts  als  Mercur 
charakterisirt  erscheint,  und  man  daher  zuversicht- 
lich mit  Ileydemann  annehmen  kann,  dass  Mercur 
nicht   ursprünglich  der  Ueberbringer  war,  sondern 


231 


A.  Michaelis,  Theseus  oder  lason. 


232 


erst  daich  eine  künstleriscbe  Fictiou,  die  der  Reclit- 
fertigung'  nicht  bedarf,  aus  seiner  bekannten  Eigen- 
schaft als  göttlicher  Kinderwärter  heraus  auch  in 
diese  Scene  eingeführt  wurde.  Weshalb  übrigens 
Priap,  der  Dämon  des  überquellenden  Katursegens 
und  Katurlebens,  nicht  passen  sollte  zu  Amalthea, 
die    doch    schliesslich    wie    die  Magna  Mater,   wie 


Tellus  mit  dem  Füllhorn  (deren  von  0.  Benndorf, 
Griech.  und  sicil  Vasenb.  8.  113f.  besprochenen 
Typus  Kohden  mit  Unrecht  iieranziebt)  auch  nur 
eine  Rejiräsentation  der  allnährcnden,  segenspen- 
denden Mutter  Erde  ist,  vermag  ich  nicht  einzu- 
sehen. 

Berlin.  Konrad  Wernicke. 


THESEUS  ODER  lASON? 


In  dem  Jahrgang  1877  S.  75ff.  habe  ich  Stephanis 
Erklärung  einer  Kertscher  Vase  in  St.  Petersburg 
(No.  2012.  Atüiq.  du  Bosph.  Cimm.  Taf.  63a,  2)  auf 
Theseus'  Bezwingung  des  niarathonischen  Stiers 
durch  die  Deutung-  einer  orientalisch  bekleideten 
Frauengestalt  auf  Medeia  zu  ergänzen  gesucht;  der 
erste  Mythogra])hus  Vaticanus  48  gab  die  entspre- 
chende Tradition.  Piirgold  hat  im  Bullcttino  1879 
p.  76  und  ausführlicher  neuerdings  in  dieser  Zei- 
tung (1883  S.  163ff.)  dieser  Deutung  widersprochen. 
Medeia  eile  nicht  fort,  sondern  sitze  oder  lehne 
sich  an;  die  Haltung  des  Zauberkastens  wider- 
spreche der  Annahme  dass  der  Zauber  unwirksam 
sei;  die  „entlegene  und  vereinzelte  Erzählung  eines 
späten  Slythographen"  könne  für  die  attische  Vase 
nichts  beweisen.  Gestützt  auf  die  ähnliche  Dar- 
stellung einer  späten,  manierierten  Vase  aus  Ruvo 
(Neapel  3-i52.  Arch.  Zeitg.  1883  Taf.  11)  stellt  er 
die  Deutung-  auf  Jasons  Stierkampf  auf,  obschon 
er  die  ihr  entgegenstehenden  Schwierigkeiten  nicht 
verkennt.  Das  Abenteuer  lasons  weiss  ebenso  in 
der  litterarischen  wie  in  der  bildlichen  Tradition  nur 
von  zwei  Stieren,  nicht  einem  einzelnen  Stier,  ganz 
latürlich,  da  es  sich  um  das  Gespann  für  einen 
Pflug  handelt;  ein  einzelner  Stier  würde  geradezu 
dem  angenommenen  Vorgange  widersprechen.  Fer- 
ner muss  Purgold  selbst  anerkennen,  dass  die  Dar- 
stelluogsart  von  den  Abenteuern  des  Theseus  und 
Herakles  entlehnt  ist.  in  der  That  ist  nicht  die 
Beugung  des  Stieres  unter  das  Joch  dargestellt, 
>ondern  der  Held  umklammert  ihn,  eine  Bewegung 
die  vollständig  zu  der  überlieferten  Fesselung  des 
Thieres  passt.  Die  sicheren  erhaltenen  Darstellun- 
gen  von   lasons  Stierkampf,   die  Sarkojihagrelicfs, 


sind  in  beiden  Beziehungen  correkt  und  deutlich; 
die  genannten  Abweichungen  des  Vasenbildes,  da- 
zu die  für  lasen  ebenso  ungebräuchliche  wie  für 
Theseus  übliche  Keule,  scheinen  mir  Purgolds  Deu- 
tung völlig  unannehmbar  zu  machen.  Als  Stütze 
dient  ihr  denn  auch  lediglich  das  Ruveser  Vasen- 
bild. Da  ist  es  eigenthümlich,  dass  Robert  (Arch. 
Zeitg.  1883  S.  261)  eben  dies  letztere  auf  Herakles 
und  Acheloos  bezieht  und  dennoch  Purgolds  Deu- 
tung des  Kertscher  Vasenbildes  für  „unbedingt 
richtig"  erklärt,  obschon  ihm  die  von  Purgöld  selbst 
hervorgehobenen  Seltsamkeiten  der  Darstellung  doch 
nicht  entgehen  konnten.  Letztere  hat  auch  Leh- 
nerdt  nicht  gewürdigt,  wenn  er  (oben  S.  117)  Pur- 
golds Erklärung  für  „gewiss  richtig"  erklärt,  darin 
consequenter  als  Robert,  dass  er  auch  für  das  Ru- 
veser Vasenbild  die  gleiche  Deutung  bestehen  lässt. 
Nun  hat  Lehnerdt  ebenda  S.  llöft'.  eine  attische 
Vase  des  Museums  in  Verona  (Taf.  7,  1 )  besprochen, 
die  mit  dem  Kei-tscher  Bilde  nahe  verwandt  ist 
und  die  er  um  des  Gegenbildes  der  krommyonischen 
Sau  willeu  bkiov  aixovil  ys  i^vfic^  für  Theseus'  Stier- 
kampf gelten  lassen  muss,  wofür  sie  allerdings 
jeder  Unbefangene  wohl  auch  ohne  jenes  Gegeu- 
bild  gehalten  haben  würde.  Das  Bild  bietet  die 
bei  diesem  Theseusabenteuer  sonst  nicht  gewöhn- 
liehe Ergänzung  der  Hauptscene  durch  eine  Frau, 
die  zurückblickend  mit  ausgeljreiteten  Armen  davon 
eilt,  in  der  Rechten  eine  Schale  gegen  den  Stier 
hin  iKiltciid.  Die  Analogie  dieser  Figur  mit  der- 
jenigen auf  der  Kertscher  Vase  hat  Lehnerdt  nicht 
entgehen  können.  Dennoch  zieht  er  es  vor  „die 
Anwesenheit  dieser  weibliehen  Figur  aus  rein  künst- 
lerischen  Grüudcu  der  Composition   zu    erklären", 


233 


A.  Michaelis,  Thcscus  oder  lason. 


234 


d.  h.  sie  zu  einer  uiclitssageuden  Figur  /u  stcnipelu, 
als  dass  er  Äledeia  in  iiir  anerkennte,  da  für  diese 
die  Stelle  des  vaticanischen  Mytiiograplien  doch 
einen  zu  geringen  Anhalt  biete.  Auch  hierin  stimmt 
er  also  mit  Purgold  überein.  Als  ob  alles  in  jener 
Sammlung  Ueberliet'ertc  von  dem  Verfasser  erfun- 
den wäre  oder  erst  in  seine  Zeit  gehörte!  Neben 
vielem  späten  Gerede  ist  bei  dem  Mythographus  I 
doch  auch  eine  ganze  Reilie  von  Abschnitten  vor- 
handen, die  gerade  so  viel  Auctorität  beanspruchen 
können  wie  Hygins  Fabeln.  So  sclieint  mir  denn 
aucii  die  erste  Hälfte  jenes  Abschnittes  48  ganz 
unverkennbar  auf  alter  guter  Grundlage  zu  be- 
ruhen. So  etwas  erfindet  kein  später  Mytliograph ; 
man  glaubt  ja  noch,  ganz  wie  so  oft  bei  Hygin, 
die  einzelnen  capitiila  einer  tragischen  Hypothesis 
deutlich  zu  erkennen.  Was  hat  denn  auch  das  von 
dem  Mythographen  bezeugte  Yerhäitniss  Medeias 
zu  Tiiescus  Auftälliges  oder  für  die  alte  Zeit  Un- 
annehmbares, wenn  man  sich  (worauf  ich  schon 
früher  hinwies)  ihrer  ganz  entsprechenden  Eolle  in 
dem  euripideischen  Aegeus  oder  der  Stelle  er- 
innert, die  ihr  auf  der  Kodrosschale  zugewiesen 
wird? 

Mir  scheint  es  unzweifelhaft,  dass  die  Kertscher 
Vase  und  die  in  Verona  denselben  Vorgang  dar- 
stellen, und  dass  die  Frauen  in  beiden  Vasen  die 
gleiche  Bedeutung  haben.  Beide  entweichen  rasch; 
denn  wenn  Purgold  dies  für  das  Kertscher  Bild 
für  nicht  sicher,  sondern  auch  ein  Sitzen  oder  An- 
lehnen der  Figur  für  möglich  hält,  so  widerspricht 
dem  der  klare  Augenschein:  die  Stellung  der  Füsse, 
der  Zug  der  Falten  des  Gewandes,  die  Haltung 
des  Mittelkörpers  verglichen  mit  derjenigen  der 
sitzenden  Athena,  die  Bewegung  des  linken  Arms, 
welcher  sich  sicher  nicht  au  den  Baum  lehnt,  alles 
das  zeugt  wider  Purgolds  und  für  meine  Auffassung 


des  Motivs.  Beide  Frauen  blicken  sich  nach  dem 
Ort  der  Handlung  um;  beide  halten  auf  der  Hand, 
und  zwar  beide  auf  der  dem  Kampf  zunächst  be- 
findlichen Hand,  ein  Geräth,  die  eine  den  (pwQia^iög, 
die  andere  eine  Schale,  welch  letztere  ja  in  glei- 
cher Bedeutung  auch  sonst  bei  Medeia  nicht  selten 
vorkommt  (z.  B.  beim  Drachenkampf  auf  der  Paesta- 
ner  Vase  Neapel  3248,  der  Vase  bei  Millingen 
peint.  de  din.  coli.  Taf.  G,  dem  Tiionrelief  Campana 
'l'af.  03.  Bril.  Mus.  Taf.  28,  52).  Das  ist  doch  sicher 
die  gleiche  Fi-au  —  dann  aber  kann  es  nur  Medeia 
sein  wegen  der  ausländischen  Tracht  auf  der 
Kertscher  Vase,  wogegen  die  griechische  Tracht 
auf  der  Veroneser  Schale  der  Weise  der  älteren 
attisclien  Vasenmalerei  entspricht. 

Uebrig  bleibt  die  Vase  von  Ruvo.  Roberts  Deu- 
tung auf  Acheloos  und  Herakles  wird  von  Leiinerdt 
(S.  112ft'.)  mit  guten  Gründen  bekämpft.  Aber  auch 
Purgolds  Deutung  ist  keineswegs  ohne  Schwierig- 
keit: der  einzelne  Stier,  die  Keule  als  Waffe  lasous, 
die  von  Robert  richtig  hervorgehobene  ängstliche 
Spannung  der  zuschauenden  Frau,  die  Heydemann 
für  Medeia,  Purgold  für  Aphrodite  erklärt,  dies 
alles  ist  mit  der  Erklärung  auf  lason  schwer  ver- 
einbar. Eine  bessere  Deutung  weiss  ich  freilich 
nicht  zu  geben;  sollte  aber  wirklich  Jasons  Stier- 
kampf gemeint  sein,  so  kann  doch  aus  der  unver- 
ständigen, allem  Herkommen  und  aller  Ueberliefe- 
rung  widersprechenden  Darstellung  eines  in  dem 
überladenen  Beiwerk  stark  zum  Seltsamen  neigen- 
den apulischen  Vasenmalers  kein  RUckschluss  auf 
ein  an  sich  völlig  deutliches  attisches  Bild  gemacht 
werden,  dessen  Bedeutung  durch  die  unzweifelhafte 
Darstellung  einer  zweiten  attischen  Vase  vollends 
sichergestellt  wird. 


Strassburg. 


Ad.  Michaelis. 


Archiiolog.  Zt;.   .Talusfing  XLHI. 


235 


236 


ZU   DER  CICERO  BÜSTE  IN  MADRID. 


Das  Porträt  Ciceros  im  Museum  des  Prado  hat 
in  der  letzten  Zeit  grosses  Ausehen  erlangt,  theils 
wegen  der  sicheren  Inschrift  an  der  Büste,  theils 
wegen  der  lebendigen  Charakteristik  des  Kopfes. 
Was  letzteren  betrift't,  so  ist  der  Ausdruck  aller- 
dings ganz  eigenthiimlich:  der  obere  Theil  des  Ge- 
sichtes mit  seiner  durchfurchten,  hohen,  doch  nach 
vorn  zugesj)itzten  Stirn  und  den  kleinen  uuruliigen 
Augen  gehört  einem  von  Geschäftssorgen  bedrück- 
ten Staatsbeamten,  die  untere  Hälfte,  deren  beide 
Seiten  merkwürdig  ungleich  sind,  wird  zwar  durch 
das  starke  Kinn  etwas  gehoben,  ist  aber  sehr  weich, 
und  der  von  tiefen  Falten  umgebene,  halbgeöffnete 
Mund  scheint  durch  die  geistreiche  aber  rabulistische 
Beredsamkeit  eines  gescliiekten  Reclitsanwalts  ge- 
formt zu  sein. 

Ob  eine  solche  Erscheinung  dem  Bilde  entspricht, 
welches  wir  uns  von  dem  grössten  römischen  Red- 
ner nach  seinen  Werken  und  Thateu  maclien  l<öii- 
nen,  ist  eine  liberflüssige  Frage,  sobald  durch  eine 
„wahrsciieinlich  gleichzeitige"  Inschrift  die  Wahr- 
heit des  Porträts  beglaubigt  ist  Allein  hier  möchte 
ich  mir  erlauben  einen  Zweifel  zu  äussern.  Herr 
Professor  Httbner,  welclier  das  grosse  Verdienst 
hat  die  antiken  Kunstwerke  der  Madrider  Samm- 
lung zuerst  bekannt  gemacht  zu  haben,  sagt:  „Der 
Kopf  war  vom  Bruststücke  getrennt,  gehört  aber 
unzweifelhaft  dazu,  wie  die  Gleichheit  des  Marmors 
und  der  Behandlung  beweist"  (s.  E.  Hübner:  Die 
antiken  Bildwerke  in  Madrid  Nr.  191  S.  115).  Dies 
scheint  mir  niciit  richtig  zu  sein.  Die  Büste  besteht 
aus  gelbem,  wahrselieinlich  griechischem  Marmor 
mit  kleinen  leuchtenden  Krystallen,  und  die  Behand- 
lung ist  in  Folge  des  feinen  Materials  seiir  zart 
durchgeführt;  der  Kopf  dagegen  ist  aus  grauem 
glanzlosem  italienischem  Marmor  gearbeitet,  die 
Flächen  und  Vertiefungen  setzen  hart  ab,  auch  be- 
merkt man  überall  die  Spuren  der  Raspel.  (Die 
Lücken  an  Brust  und  Schulter  sind  mit  einer  dritten 
Steinart  ausgefüllt).  Es  scheint  freilich  so,  als  ob 
auch  an   dem  oberen  Theil  der  Büste  die  Muskeln 


von  derselben  Hand  ein  wenig  übergangen  sind, 
um  die  beiden  Theile  des  Halses  vollkommen  aus- 
zugleichen. 

Der  Wertli  des  Kopfes  lässt  sich  also  nur  be- 
haupten, wenn  mau  annimmt,  dass  die  Büste  be- 
reits zur  Römerzeit  dazu  gearbeitet  sei,  was  bei 
dem  Alter  der  Inschrift  doch  nicht  gerade  wahr- 
scheinlich ist.  Ein  zufälliges  Zusammenpassen 
zweier  antiker  Fragmente  möchte  ich  bei  der  eigen- 
thümlichen  Faltenbilduug  am  Halse  für  unmöglich 
halten.  Wonach  komme  ich  zu  der  Ansicht,  dass 
der  Kopf  modern  ist. 

Ich  will  gerne  einräumen,  dass  ich  ohne  äussere 
Verdachtsgründe  nicht  an  seiner  Echtheit  gezweifelt 
hätte,  denn  er  trägt  im  Allgemeinen  das  Gepräge 
einer  römischen  Arbeit,  wenn  auch  nicht  gerade 
aus  der  besten  Zeit.  Spuren  hohen  Alterthums 
kann  mau  in  der  schmutzig  braunen  Farbe  des 
Gesichtes  und  den  Verletzungen  an  Lippen,  Nase, 
Ohren  und  Augen  sehen;  alle  diese  Beschädigungen 
haben  aber  keinen  Schaden  getlian,  und  nur  ganz 
hinten,  wo  es  nicht  auffällt,  scheint  der  Stein  ge- 
waltsam aufgeschlagen  zu  sein.  Als  Vorbild  würde 
die  Maltei'sche  Büste  in  Apsley  House  gedient  haben. 
Sie  hat  einen  vornehmen  Zug,  der  hier  gänzlich 
fehlt,  und  stimmt  nach  der  Abbildung  bei  Visconti 
(Iconographie  romaine  pl.  12  Nr.  3)  auch  in  Nase, 
Mund  und  Kinn  mit  der  Madrider  überein,  was  um 
so  merkwürdiger  ist,  als  gerade  diese  Theile  in 
London  ergänzt  sind  (s.  A.  Michaelis:  A7icient 
marbles  in  Great  Britaiu  p.  429). 

Bei  dieser  Gelegeniieit  sei  mir  noch  eine  Be- 
merkung gestattet.  Dass  der  behelmte  Jünglings- 
kopf in  Madrid,  den  Stark  für  „Aies  Sotcr"  erklärt 
(bei  Hübner  Nr.  123  S.  90),  nicht  zu  der  Büste  mit 
der  Aegis  gehört,  hat  Michaelis  iu  der  Archäologi- 
schen Zeitung  (187G  S.  154)  nachgewiesen:  auch 
hier  sind  die  beiden  Stücke  von  verschiedenem 
Marmor. 


Gotha. 


C.  Aldenhoven. 


237 


23K 


BERICHTE. 


ERWERBUNGEN  DES  BRITISCHEN  MUSEUMS  IM  JAHRE  1884. 

Auszug  aus  C.  T.  Newton's  Bericht  an  das  Parlament. 

Masken  lialten,  aus  Athen.  Alle  drei  von  bester  Er- 
haltung und  grosser  Scliönlieit.  —  Eine  Anzahl  ar- 
chaischer Fragmente  eines  etruskisclien  Frieses.   Aus 


Marmor.  Zurücklehnende  weibl.  Figur,  durch 
das  Attribut  eines  Kauiuehens  als  Personification 
von  Spanien  bezeichnet.  —  Sonnenuhr  aus  Smyrna 
—  Weibl.  Kopf,  mit  vielfachen  Farbenspuren.  — 
Aus  den  Ausgrabungen  des  Herrn  J.  T.  Wood  in 
Ephesos:  verschiedene  Architekturfragmente  vom 
Artemision;  zwei  Beinfragmente  einer  etwa  lebens- 
grossen  Figur,  welche  an  einen  Hintergrund  be- 
festigt waren;  Fragment  eines  Decretes,  welches 
verbietet  Jemanden  (waiirscheinl.  innerhalb  des  Tem- 
pelbezirks) zu  schlagen;  Weihung  von  Moscheine 
an  ihren  Gemahl  M.  Cocccius  Alexander;  Grab- 
stele: ein  sitzender  Mann,  syrinxspielend,  mit  der 
W^eiiiung  eines  gewissen  „Protaules"  Ebenos  an 
seinen  Sohn,  den  j-Syristen"  (Syrinxspieler)  Hie- 
rokles;  Jlarmorhuf  eines  Pferdes,  aus  dem  Tempel- 
bezirk. 

Kalkstein.  Sitzende  männl.  P^igur  von  sehr 
altem  etruskischen  Stil,  aus  Cliianciano  bei  Chiusi. 
Erworben  auf  der  Castellani-Auction,  Paris. 

Bronee.  Schale,  um  den  Bauch  einen  Epheu- 
kranz,  reich  mit  Silber  eingelegt;  zwei  Flöten  mit 
Maenadenköpfen  iu  Relief.  Aus  der  Sammlung 
Castellani,  Rom.  —  Beilschneide  aus  Calabrien  mit 
der  Inschrift  Röhl  543;  5  Cisten  aus  Palestrina:  1) 
Aeneas  abgeb.  Mouumenti  deW  Inst.  VIII  tav.  7.  8.  2) 
Bellerophon  und  Pegasos,  3)  auf  dem  Deckel  Nerei- 
den auf  Seeungeheuern  reitend,  4)  auf  dem  Deckel 
Kampfscene,  den  Griff  bilden  die  Figuren  zweier 
einen  Todten  tragender  Krieger  (in  diesen  Cisten 
wurde  eine  Reihe  htllzerner  Kästchen  gefunden,  ent- 
haltend Schminke,  Kämme  u.  A.);  Reliefspiegel 
(Ganymed  und  der  Adler)  aus  Palestrina,  abgeb. 
Mouumenli  deW  Inst.  YlII  tav.  47,  2;  zwei  Spiegel 
mit  gravirter  Zeichnung;  archaische  Figur  eines 
Kriegers;  Statuette  der  Athena  und  Kopf  des  Her- 
mes. Alles  dies  erworben  auf  der  Castellani-Auction, 
Paris.  —  Androsphinx,  aus  Kleinasien.  —  4  Vasen 
aus  Galaxidi  bei  Delphi.  —  Kleine  archaische  Apollo- 
statuette. 

Terracdtta.  Weibliche  Figur,  an  einen  Fel- 
sen leluKMul;  zwei  sitzende  weibliche  Figuren,   die 


der  Sammlung  Castellani,  Rom.  —  Aus  Tarent:  Sta- 
tuette, Spuren  von  Vergoldung  im  Haar,  von  Roth 
und  Blau  in  der  schön  comjionirten  Gewandung;  10 
Deckziegel,  mit  Masken  iu  Relief;  25  Gewichte  mit 
verschiedenen  Abzeichen;  Kopf  eines  Flussgottes 
(Journal  of  heUcnic  stKclies  IV  pl.32,  4);  Meduseu- 
kopf  (ebenda  3);  Panskopf  (ebenda  1);  bärtiger 
Kopf,  vermuthl.  Dionysos  (vgl.  Gazelle  archcol.  VII 
p.  159);  Obertheil  eines  zuriicklehnendeu  Dionysos 
(vgl.  ebenda  p.  157). 

Vasen.  Oinochoe  mit  dem  Relief  eines  ge- 
flügelten Jünglings  mit  phrygischer  Mütze,  wahr- 
scheinlich Ganymed,  aus  Korinth.  —  Vase,  angeb- 
lich aus  Piiokaea,  abgebildet  Journal  of  hellcnic 
studies  II  p.  305.  —  Vase  von  rothem  Thon  mit 
dem  Relief  einer  weiblichen  Figur,  von  einem  häufig 
in  Cypern  begegnenden  Typus,  angeblich  aus  Pho- 


kaea. 


Keselförmige  Vase  mit  Ausguss  und  zwei 


Henkeln,  von  einem  in  Rhodus  und  andern  Inseln 
des  Archipelagus,  auch  in  Aegypten  begegnenden 
Typus.  Aus  Telmessos  in  Lykieu.  —  Eine  Reihe 
von  archaischen  Fragmenten,  ähnlich  denen  von 
Mykenae  und  lalysos,  aus  Myrina.  —  Attische 
Lekytiios  von  besonderer  Grösse  mit  weissem 
Grunde:  Hypnos  und  Thanatos  legen  die  Leiche 
des  Sarpedon  ins  Grab.  —  Pyxis,  um  den  Bauch 
im  Umriss  auf  weissem  Grunde  acht  Frauen  bei 
der  Toilette,  aus  Athen.  —  Archaische  Oinoclioe 
mit  dem  Kam})fe  zweier  Krieger,  an  jeder  Seite 
ein  Jüngling  zu  Pferde,  ein  anderes  Pferd  führend. 
Aus  Korinth.  —  Archaische  Oinochoe  mit  dem 
Kampfe  zweier  Kriegerpaare,  eines  Bogenschützen 
und  einer  sich  duckenden  Figur,  bezeichnet  XAPON- 
Aus  Korinth.  —  Erworben  auf  der  Auction  Castel- 
lani in  Rom:  Schwarz  bemaltes  Trinkhorn,  in  Kopf 
und  Vordertheil  eines  Pferdes  endend,  aus  Vulci. 
Oinochoe,  r.  f.,  Caricatur  des  Palladionraubes  (abge- 
bildet Catalog  Castellani  Nr.  1 17).  Gruppe  von  vier 
auf  einem  säulenartigeu  Fussc  vereinigten  Bechern, 


239 


Krwcrbiintren  des  Britischen  Museums  1884. 


240 


jeder  eiu  Sehwanenei  enthaltend  (abgebildet  ebeuda 
pl.  4).  Lekj'tlios  mit  Hochrelief,  darstellend  den 
Kaub  der  ans  Palladien  geklammerten  Kassandra. 

Geschnittene  yteiue.  3  archaische  Gemmen 
aus  Comana,  einer  aus  Kaisarich  in  Klein-Asien. 
—  9  archaische  vertieft  geschnittene  Steine  aus 
Kreta:  1)  3  Hirsche,  2)  Blume,  3)  Gorgoneion?, 
4)  Ziege,  5)  Ziegen,  G)  Löwe,  7)  Schiff,  8)  Löwe 
und  Vogel,  9)  Schiff. 

Gold.  Ornament  in  Blassgold,  wahrscheinlich 
der  griechisch  phönicischen  Periode  angehörend.  — 
Zwei  goldene  Fingerringe,  in  schönstem  griechischen 
Stil.  Auf  dem  einen  eingravirt  ein  weiblicher  Kopf, 
auf  dem  andern  ein  galoppireuder  Reiter.  Beide 
aus  der  Auction  Castellani,  Rom  (der  zweite  abge- 
liildet  Catalog  p.  116).  — •  Eine  Reihe  von  Schmuck- 
gegenstäuden,  darunter  Skarabäus  mit  sitzender 
weiblicher  Figur,  bezeichnet  AIIPON,  aus  Tarent; 
Ohrring  mit  Gehäuge  in  Form  eines  Kentauren  von 
weissem  Email;  ein  Paar  Ohrringe  mit  Gehängen 
in  Form  von  Hähnen  von  weissem  Email  (diese 
Email- Ohrringe  sind  von  grosser  Seltenheit,  sie 
sind  bei  den  Ausgrabungen  des  Fürsten  Torlonia  in 
Vuici    gefunden);    Ohrring    von    ausserordentlicher 


Grösse  und  Schönheit,  als  Gehänge  ein  weil)licher 
Kopf  in  reichem  Blumeuornament;  Fibula  mit  der 
Figur  eines  Löwen,  aus  Cervetri;  Haarnadel,  be- 
krönt mit  einer  Apliroditenfigur;  Halsband  mit 
einem  Satj'rkopf  als  Gehänge;  Alabastos  mit  gra- 
nulirten  Mustern,  aus  Palestrina.  Alles  dies  er- 
worben auf  der  Auction,  Castellani  in  Paris. 

Cyprische  Alterthümer  entdeckt  von  Obne- 
falsch-Richter:  Vasen  mit  eingeritzten  oder  gemalten 
geometrischen  Mustern;  Thonwirteln  mit  eingeritzten 
Mustern;  Porzellankügelchen  ;  Marmorfragment  einer 
griechischen  Inschrift;  Steiufigur  eines  hockenden 
Silens;  Frau  in  Terracotta,  einen  Fäclier,  eine  an- 
dere ein  Kind  auf  dem  Arm  haltend  u.  A. 

Verschiedenes.  11  Amulete  von  Elfenbein, 
Stein  und  Porzellan,  aus  Rliodos.  Grosser  Bern- 
steinring, ringsum  mit  eingeschnittenen  Figuren  in 
hohem  Relief,  aus  der  Sammlung  Castellani,  Rom. 
—  Verschiedene  Elfenbeingegenstände,  darunter  eine 
dünne  Kette  mit  eingegrabener  Zeichnung  einer 
nackten  weiblichen  Figur,  die  vor  einem  Brunnen 
kniet.  Aus  der  Auction  Castellani  in  Paris,  ab- 
geb.  Catalog  p.  29. 


ALKMEONS 

(Tafel  1 

Gegenüber  den  zahllosen  Vasenbildern  mit  be- 
stimmter Action,  sei  sie  kriegerischer  oder  erotischer, 
scenischer   oder    palästrischer  Art,    werden  Bilder 
wie  das  der  Berliner  Ilydria  No.  2395,  welches  auf 
Tafel  15  in  der  natürlichen  Grösse  wiedergegeben  ist, 
immer  eine  winzige  Minderheit  bilden.    Es  war  für 
den  Kleinkünstler,  und  nicht  bloss  für  den  griechi- 
schen, ein  langer  und  schwieriger  Weg  von  historien- 
haften  Schildereien  bis  zur  rein  beschaulichen  f]rfas- 
sung  alltäglicher  Momente,   und  es  bedurfte  schon 
einer  gewissen  Reflexion,  um  das  Interesse  an  der 
Handlung,  welches  in  dem  Genre  des  fünften  Jahr- 
hunderts  noch  überwiegt,  zu  Gunsten  des  blossen 
Situationsbildes  zurückzudrängen;  die  Beobachtung 
von  Situationen  ist  überdies  schwieriger  als  die  von 
Begebenheiten.       Andrerseits    kommen    die    vielen 
genrehaften  Vasen  des   vierten  Jahrhunderts   über 
die  gemächliche,  zum  Theil  recht  weichliche  Schil- 
derung   eines    ziemlich    inhaltlosen    Verkehrs    von 
Mädchen  und  Frauen  unter  einander  und  mit  dem 
anderen  Geschlecht  meist  nicht  hinaus')  und  können, 
auch    wo    nicht  gerade  Eros   gegenwärtig  [ist  oder 
sonst  ein  erotischer  Beigeschmack  anhaftet,  mit  dem 
Inhalt  und  dem  schönen  Ernst  der  liier  vorgeführten 
Familienscene  kaum  verglichen  werden.     Dem  ent- 
spricht   zum    grossen    Theil    die    Ausführung    der 
Zeichnung.    Wenn  es  zuweilen  befremden  will,  eine 
bis  ins  Kleinste  und   Feinste    eindringende   Kunst- 
analj'se    auf   Vaseneigeuthüiulichkeiteu    angewandt 
zu  sehen,    die  sich   bei  methodischer  Vergleichung 
ähnlicher  Typen  oder  nur  stilverwandter  Exemplare 
als  zufällige  oder  gemeinsame  zu  erkennen  geben, 
so  gewähren  Vasenzeichnungen  wie  die  vorliegende, 

')  Die  Grablekythen  natürlich  ausgenommen. 
Archäolog.  Ztg.   Jahrgnn^'  XLIIl. 


JUGEND. 

5) 

ein  doppeltes  Recht,  sich   vor  dem  isolirten  Bilde 
dem  ungelehrtesten  Genüsse  hinzugeben. 

Auf  einem  jener  eleganten  Stühle  mit  geschweif- 
ter Lehnen-  und  Fussform,  wie  sie  seit  dem  vierten 

■  Jahrhundert  in  Athen  an  Stelle  der  geradlinigen, 
reich  gedrechselten  aufkommen,  sitzt  nach  rechts 
hin  ein  junges  Weib,  die  Stirn  mit  einem  schmalen 
Kopftuch  umwunden,  angethan  mit  einem  Chiton, 
der  die  mit  Spangen  geschmückten  Arme  frei  lässt, 
während  der  schmale  Peplos  von  den  Schultern 
herabgeglitten  ist  und  nur  den  Sitz  und  die  Kniee 
einhüllt.  Sie  säugt  einen  auf  ihrem  Schoosse  sitzen- 
den Knaben^),  der  als  AAKMEßN  bezeichnet  ist, 
wie  sie  selbst  durch  den  Inschriftiest  ((  VAH)  sich 
als  Eriphyle  zu  erkennen  giebt.  Mit  der  Linken 
stützt  sie  das  Haupt  des  Kindes,  das  seinerseits 
die  Brust  im  Trinken  erfasst;  doch  ist  das  Profil 
dieses  Kürpertheiles  total  verzeichnet  und  in  seiner 
Schmalheit  fast  unkenntlich  geworden:  eine  Folge 
der  in  der  attischen,  man  kann  eigentlich  sagen  in 
der  griechischen  Kunst  überhaupt  von  Anfang  an 
herrschenden  Vorliebe,  der  weiblichen  Brust,  und 
nicht  bloss  der  jungfräulichen,  eine  eigenthümlich 
spitzige  Form  zu  geben.  Die  Verzeichnung  ist  in 
unserm  Fall  um  so  störender,  als  der  Maler  damit 
ein  gut  beobachtetes  Motiv  verbunden  hat:  die  Frau 
legt  mit  leisem  Drucke,  um  das  Saugen  des  Kindes 
zu  erleichtern,  die  ausgespreizte  Rechte  so  an  ihre 
Brust  als  ob  sie  eine  grosse  Fläche  umspannte. 

Hinter  dem  Stuhl  der  Gattin,  in  einiger  Entfer- 
nung, lehnt  Amphiaraos  (AMtl)IAPA..),  bis  auf 
die  freigebliebene  Brust  in  den  Mantel  gehüllt  und 
mit  der  linken  Achsel  in  der  bei  attischen  Männern 

-')  Er  tragt  um  die  Brust  ein  Band  mit  zwei  Amuletten. 

17 


243 


M.  Mayer,  Alkmcoiis  .Ino-end. 


244 


üblichen  Stellung  auf  den  Stab  gestützt,  während  vou  die  Stuhlleiste  beabsichtigt  gewesen  zu  sein  scheint: 


der  andern  Seite  her  sich  sanft  bewegend  oder  nur 
den  linken  Fuss  leise  zurücksetzend  eine  Dienerin 
sichtbar  wird,  welche  in  der  jetzt  zerstörten  Rechten^) 
eine  in  ihrem  untern  Tlieil  noch  sichtbare  S])indel 
hält  und  in  der  erhobenen  Linken  wie  die  Haltung 
der  Finger,  besonders  des  Daumens  verräth,  den 
einst  mit  Farbe  angegebenen  Faden  ab-  oder  auf- 
wickelte. Ein  Wollkorb  hinter  ihr  vervollständigt 
das  weibliche  Arbeitsgeräth. 

Sehr  hübsch  wird  die  häusliche  Scene  durch 
zwei  mit  einander  kämpfende  Hähne  belebt,  eine 
an  sich  nicht  ungewöhnliche  Darstellung,  die  aber 
in  der  Art,  wie  sie  hier  mit  der  Familienscene  ver- 
bunden ist,  den  anheimelnden  Eindruck  derselben 
verstärkt.  Er  beruht  auf  der  Wahl  des  Vorwurfs, 
die  über  das  gewöhnliche  Gefühlsniveau  der  Vasen- 
zeichner hinausgeht  und  dem  stillen  Innenleben  der 
Familie  ein  gemüthliches  Interesse  abzugewinnen 
.sucht. 

Ich  kann  nicht  umhin,  auf  die  verwandte  und 
nicht  minder  graziöse  ßeliefdarstellung  eines  Glas- 
tellers aus  Myrina  zu  verweisen,  der  im  BnUelin  de 
corr.  hell.  1885  p.  176  abgebildet  ist.  Auf  einem 
Sessel  älterer  Form  nach  r.  hin  sitzend,  die  Füsse 
übereinanderschlagend,  säugt  dort  eine  Mutter,  deren 
Oberkörper  entblösst  ist,  einen  Knaben,  der  rittlings 
auf  ihrem  Knie  sitzt  und  instinctiv  nach  der  Brust 
greift.  Auch  diese  Frau  legt  die  r.  Hand  (deren 
Finger  hier  geschlossen  sind '),  an  die  Brust,  ^^ur 
ist  das  Kind  nicht  genügend  angelehnt,  und  es  han- 
delt sich  dort  um  die  linke  Brust,  wodurch  der  Arm 
der  Frau  zu  eng  an  ihrem  Leibe  haftet,  während  auf 
der  Vase  der  Arm  mehr  zurückgehen  kann  und 
ursprünglich  sogar  ein  Auflehnen  des  Ellenbogens  auf 


^)  Die  Vase  ist  aus  vielen  Stücken  zusammengesetzt  und 
liat  zuilem  durch  Feuer  gelitten;  s.  Kurtwängler  a.  a.  ü.,  der 
übrigens  den  Namen  der  Dienerin  y1)]f)oJ  liest.  [Eine  zufällige 
Verletzung  über  dem  auf  unserer  Tafel  gezeichneten  schrägen 
Strich,  der  fast  sicher  ein  Buchstabenrest  ist,  bringt  den  an- 
nähernden Schein  eines  Sl  hervor.  Hinter  JIl  glaubt  man  bei 
wechselndem  Lichte  bald  dies  bald  das  zu  erkennen;  doch  ist 
nur  eine  senkrechte  Hasta  einigermassen  sicher.     Red.] 

^)  Aehnlich  wie  bei  iler  ein  Kind  nährenden  Göttin  im 
Mus.  C'hiaramonti. 


Umstände,  wodurch  die  Bewegung  hier  eine  ungleich 
freiere  und  ausdrucksvollere  wird.  —  Den  Hühnern 
des  Vasenbildes  entspricht  auf  dem  Eundrelief  ein 
Hündchen,  das  sich  an  den  Kuieen  der  Herrin 
emporrichtet  und  ihrem  Thun  aufmerksam  zusieht. 
Das  Haupt  der  Frau  ist  in  beiden  Fällen  geneigt; 
aber  dort  seheint  es  unmittelbar  auf  den  Säugling 
zu  blicken,  während  in  unserem  Bilde  der  Blick 
um  etwas  darüber  hinausgeht  und  auf  das  Treiben 
der  geflügelten  Hausgenossen  gerichtet  ist. 

Was  die  Grössenverhältnisse  des  kleinen  Alkmeon 
anbetrifft,  die  nach  unsern  Begriffen  keineswegs  die 
eines  Säuglings  sind,  so  erinnert  man  sich  leicht, 
dass  auf  einem  der  Poh'gnotischen  Gemälde,  der 
Iliupersis,  der  kleine  Astyanax  sogar  stehend  von 
der  Mutterbrust  trank  oder  wenigstens  danach  griff. 
Zwar  sollen  in  südlichen  Gegenden  wirklich  Kinder 
von  drei,  vier  und  mehr  Jahren  noch  die  Brust 
nehmen.  Allein  man  weiss  doch  auch,  wie  spät 
die  griechische  Kunst  gerade  in  der  Bildung  der 
Kindesgestalt  dazu  gelangte,  der  Natur  gerecht  zu 
werden.  Von  langgezogenen  Puppenfiguren  aus- 
gehend, die  sich  als  diminutive  Männer  auf  dem 
Arm  ihrer  Wärterinnen  oft  komisch  genug  aus- 
nehmen, hat  sie  vielleicht  noch  am  Ostgiebel  des 
Parthenon  nicht  diejenigen  Kindesproportionen,  die 
sie  beabsichtigte,  zu  Stande  gebracht  und  lässt  noch 
auf  dem  Erechtheion- Friese  einen  ungeschlacht 
grossen  Jungen  sich  auf  dem  Schoosse  der  Mutter 
oder  Pflegerin  lagern.  Dass  noch  Praxiteles  bei 
seinem  Bakchoskind  in  den  entgegengesetzten  Fehler 
verfiel,  lässt  sich,  trotzdem  sein  Vater  bereits  die 
richtigen  Proportionen  traf,  nicht  wohl  als  Absicht 
deuten,  sondern  lediglich  als  ein  Rest  von  Ungeübt- 
heit  neben  der  vollendetsten  Kenntniss  der  erwach- 
senen Menschengestalt. 

Uebrigens  zeigt  unser  Bild  in  den  Seitenfiguren 
Spuren  von  Flüchtigkeit,  besonders  in  den  unteren 
Gliedmaassen  des  Mannes,  wie  auch  die  Hände 
durchweg  zu  gross  gerathen  sind.  Trotzdem  enthält 
die  Zeichnung  grosse  Feinheiten  und  verdient  im 
Allgemeinen  um  so  grössere  Anerkennung,  als  sie 
au   einem   ziemlich  schwierigen  Orte  des  Gefässes, 


245 


M.  M;iver.    Alkiiieons  Jniroiul, 


246 


an  dem   Uebergang  der  Scluilter  zum  Bauche  an- 
gebiaclit  ist. 

Es  giebt  eine  Metliodc  der  Vasenerklärung, 
weiche  Heroendarstelluugeu,  wenn  sie  unbedeutende 
odei-  alltägliche  Momente  vorführen,  lediglich  als 
ein  iieroisirtes  Genre  betrachtet,  d.  h.  darin  nichts 
anderes  sehen  will  als  den  Versuch,  Bildern  des 
gewöhnlichen  Lebens  durch  Beifügung  bedeutender 
Namen  ein  liüheres  Interesse  zu  verleihen.  Zwar 
widerspriclit  Heydemann'^),  der  Vertreter  dieses 
Standj)unkts,  sich  selber,  wenn  er  auf  den  Umstand 
Gewicht  legt,  dass  im  wirklichen  Leben  die  den 
Heroen  entlelinteu  Namen  etwas  Gewöhnliches 
waren;  auch  hat  er  seiner  Darlegung  dadurch  die 
Spitze  abgebrochen,  dass  er  sie  bis  auf  kriegerische 
Sceneu  ausdeiint  und  andererseits  blosse  Neben- 
einandersteliungen  heroischer  Figuren,  wie  die  der 
Kodros-Schale,  deren  Interesse  eben  nur  in  der 
Bedeutung  der  vorgestellten  Persönlichkeiten  lag, 
in  den  Kreis  seiner  Betrachtung  zieht.  Aber  auch 
so  muss  dieser  Anschauung  gegenüber'')  immer  wie- 
der betont  werden,  dass  umgekehrt  vielmehr  in  An- 
lehnung an  die  Dichtung  erfundene  Scenen  eine 
Verallgemeinerung  erfuhren.  Es  sei  hier,  wo  die 
Frage  nicht  auf's  Neue  erörtert  werden  soll ,  nur 
ein  Beispiel  angeführt,  welches  bei  Heydemann  folge- 
recht hätte  Erwähnung  finden  müssen:  das  Brett- 
spiel auf  der  bekannten  Vase  des  Exekias.  Kann 
es  einen  alltäglicheren  Vorgang  geben?  Und  doch 
ist  in  den  beigeschriebenen  Namen  ,Achilleus'  und 
,Aias'  weit  mehr  als  ein  blosses  Spielen  mit  bedeu- 
tenden Namen  zu  erkennen.  Es  ist  nicht  Zufall, 
dass  die  zahllosen  Wiederholungen  dieses  Typus  auf 
Vasen  älterer  Technik  immer  nur  Krieger  vor- 
führen, und  dass  Athena  dabei  gegenwärtig  zu  sein 


und  eine  Stellung  in  der  Mitte  einzunehmen  pflegt, 
die  ganz  aussieht  wie  eine  Eigenthümlichkeit  des 
ursprünglichen  Schemas,  vielleicht  entstanden  aus 
demselben  BedUrfniss  der  Raumfüllung  wie  der  Palm- 
baum, der  sie  in  einzelnen  Fällen  vertritt.').  Auf 
die  Krieger,  die  zuweilen  die  Umgebung  bilden, 
sei  gar  kein  Gewicht  gelegt,  da  die  Scene  auch  in 
anderer  AVeise,  z.  B.  durcii  beiderseitige  Frauen- 
liguren,  Erweiterung  erfaiiren  hat.  Jedenfalls  lehrt 
Polygnots  Gemälde  (Paus.  X  31,  1),  wo  Palamedes 
und  der  Tolanionier  Aias  spielend  und  der  zweite 
Aias  zuschauend  dargestellt  waren,  lehrt  vor  Allem 
die  Euripideische  Schilderung  des  Aulischen  Heer- 
lagers mit  der  Spielergruppe  der  beiden  Aias  und 
des  Protesilaos  (Eur.  Iph.  A.  193")  in  Verbindung 
mit  dem  Vers  ßeßXrjx'  ^yi?.).svg  6vn  mißcu  xal  xio- 
auQtt  (Eur.  Fragni.  880),  dass  solche  Scene  schon  im 
Epos  vorkam. 

Unsere  Alkmeon-Vase  ist  mehr  als  irgend  eine 
andere  jener  Behandlungsweise  ausgesetzt.  Die 
heroischen  Namen  erscheinen  in  diesem  häuslichen, 
fast  kleinbürgerlichen  Idyll  beinahe  entbehrlich. 
Aber  doch  nur  so  entbehrlich  wie  die  biblischen 
Namen  in  manchem  Bilde  der  heiligen  Familie, 
welches  um  seiner  Naivetät  willen  auch  noch  kein 
,heroisirtes  Genre'  ist.  Sieht  man  nämlich  genauer 
zu,  so  zeigt  sich  dass  die  Wahl  gerade  solcher 
Scene  für  den  dargestellten  Mythus  in  gewissem 
Sinne  sogar  etwas  Charakteristisches  hat  und  einem 
ganz  bestimmten  Gedanken  entsprang. 

Zunächst  ist  die  Thatsache  ins  Auge  zu  fassen, 
dass  die  (fast  durchweg  schwarzfigurigen)  Vasen- 
biider,  die  sich  mit  unserem  Mythus  beschäftigen  — 
nur  der  Auszug  des  Aniphiaraos  erfreute  sich  im 
Allgemeinen    bildlicher    Darstellung')  —   den  Alk- 


^)    Comment,   in  hou.   Muniniseni  p.  163  sqq. 

«)  Auch  Luckeobach  (Jahrb  f.  Phil.  XI.  Suppl.-Bd.)  theilt 
dieselbe  öfter  als  mir  iiijtlüg  scheint;  so  z.  B.  in  dem  Falle 
(S.  Ö53)  wo  Helena  zwischen  zwei  bekränzten  Jünglingen,  deren 
einer  Uiomedes  ist,  kredenzend  steht  (Jahn  Vasenb.  IM).  Der 
Inschriftrest  des  zweiten,  ElO,  lässt  doch  nur  die  Lesung  'Ennos 
zu  (vgl.  Walz  Ztschr.  f.  Alt.-W.  1839  S.  1219).  Es  wären  also 
einfach  die  Helden  der  beiden  für  Ilions  Fall  entscheidenden 
Abenteuer  vereinigt,  wobei  etwa  die  Erinnerung  vorschwebte, 
dass  Helena,  die  den  Diomedes  hier  anblickt,  die  Käuber  des 
l'alladions  heimlich  aufnahm. 


')  Welcker  A.  D.  III  16f.  hatte  Kecht,  ihr  nur  massige 
Bedeutung  beizulegen.  Keinesfalls  brauchte  die  Scene  von 
Hause  aus  den  l'alamedes  und  Athenes  Gegenwart  dessen  neue 
Erfindung  anzugchen. 

*)   xajiiJov    äf    äv '  Aiavil    av\'(önuo, 
idv   Oli-^ioi  Tiluf/äirös  ii  yövor, 
T«f  Jialnijhog  aidfarot; 
llntoitadnov  i    in\  Häxaiq 

tfitJni  nolvTiXöxoi;. 
'■')  D.  h.  dies  war  die  einzige  von  Alters  her  dargestellte  und 

17* 


247 


JI.  Mayer,  Alkmeons  Jugend. 


248 


maion  immer  nur  im  Kindesalter  zeigen,  als  einen 
Knaben,  der  kaum  erwachsen  genug  ist,  um  den 
verhängnissvollen  Auftrag  des  Vaters  in  Empfang 
zu  nehmen.  Schon  dies  und  der  Umstand,  dass 
man  gewolint  war,  auf  dem  Arm  der  Eripliyle  oder 
der  Amme  einen  Säugling,  den  Amphilochos,  zu 
erblicken,  jedenfalls  aber  junge  Kinder  bei  dem 
Auszuge  des  Vaters  zurückbleiben  zu  sehen,  lässt 
soviel  erkennen,  dass  unsere  Scene  sich  nicht  allzu 
weit  von  dem  gewohnten  Vorstellungskreise  entfernt. 
Aber  für  einen  Maler  von  nicht  ganz  banausisclier 
Empfindung,  wie  es  der  unsrige  doch  war,  und  für 
jeden  antiken  Beschauer,  der  in  der  Schule  das 
Epos  gelesen  hatte  und  dessen  Gestalten  auf  der 
Bühne  täglich  verkörpert  sah,  verbanden  sich  mit 
solchem  Bilde  tiefsten  häuslichen  Friedens  noch 
ganz  andere  Gedanken,  zu  denen  es  keines  beson- 
ders tiefen  Nachsinnens  bedurfte. 

Alle  die  Scbreckensgedanken,  die  die  spätere 
Dichtung  und  wir  heute  mit  den  Namen  des  Orest 
und  der  Klytaimnestra  verbinden,  knüpften  sich  für 
das  fünfte  und  theilweise  noch  für  das  vierte  Jahr- 
hundert an  den  Namen  Alkmaion  und  Eriphyle. 
Nicht  nur  historisch  tritt  Alkmaions  schon  in  den 
alten  thebanischen  Epen  erzählter  Muttermord  — 
wovon  die  göttliche  Strafe  des  Wahnsinns  doch 
wohl  unzertrennlich  ist  —  früher  auf  als  der  ent- 
sprechende Mythus  des  Atriden-Hauses'"),  sondern 
auch  in  dem  Bewusstseiu  der  klassischen  Zeit  ver- 
mochte die  erst  durch  Aeschylos  und  Euripides 
dem  attisclien  Publikum  näher  gebrachte  Fabel  vom 
Muttermord  und  Wahnsinn  Orests  nur  sehr  langsam 
Hoden  zu  fassen.  Noch  bei  dem  Komiker  Timokies 
in  den  Dionysiazusen  (Meineke  III  503,  Kock  II 
p.  458)  heisst  es: 

tovg  yag  XQayojdnvg  tiqüiov,  st  ßnvlei,  axnnsi, 
big  üiq'tXovac  nävtag.     o  iiiiv  lot'  yaQ  nepijg 
nxMxnxSQOv  aimov  xazoftai/iov  zov   TrjXsrfov 
yevöjiievnv  f]ör]  t^v  neviav  ^änv  (ftgei. 
o  vnaiTiv  r/  (lavixnv  Ji Ixfttoiy    i^ßxiipazo  .  .  . 

typisch    gewordene    ■Scene.  Andere    Momente     des    Alknuiion- 

Mjthus,  die  man  auf  Vasen  erkennen   wollte,   beruhen   auf  ganz 
unsicherer  Deutung. 

'")  S.  Robert,  Bild  und  Lied  S.  10-.'. 


Bei  dem  Komiker  Antiphanes  in  der  Poiesis 
(Meineke  III  105,  Kock  II  p.  90)  liest  man: 

—   ioaS-    vnnftvrjoai.  fiövnv 
ötl  Tov  Ti()tr]Trjv  Oldlnovv  ydo  av  piövnv 
(fiij.  TciXla  nävT    laaciiv  o  nazriQ  y/äing^ 
/'('jcriQ  'loKäaxrj  xxl. 

av  naliv 
eint]  xig  Alxf^iliüva,  xai  xd  naidia 
nävx    evi}vg  sI'qi]"/  oti  /itaieig'^)  änexxnvev 
xrjv  firjxeg  ,   ayavaxuov  d    ^ögaaxog  ev^-e'wg 
tj^si  7ici?.iv  X    aneiai .  .  .'') 
Aristoteles    Nikom.   Eth.  III   1,8    p.  1110a,    wo  er 
die  Nöthigung  zu  einer  unnatürlichen  Handlung  ver- 
wirft,   exempliticirt  auf  den  dem  Alkmaion  befoh- 
leneu  Muttermord,    während   er  allerdings  an  an- 
deren   Stellen    (Poet.  13,  1453a   19.  14,  145ob  21) 
wie  Plato  (Alkib.  II  6,  143  c)    den    Orest   daneben 
anführt. 

Es  bedarf  nuu  gar  nicht  erst  der  Annahme, 
das  in  den  Orestes-Dichtungen  oft  wiederholte  Mo- 
tiv, dass  die  Mutter  im  Momente  der  höchsten 
Angst  dem  Mörder  die  entblösste  Brust  zeigt,  die  ihn 
genährt  (Eurip.  Elektra  1206,  Orest  527,  566,  1205), 
sei  schon  bei  Alkmäon  vorgekommen.  Klar  ist 
auf  alle  Fälle  dies:  den  Alkmäon  als  Kind  an  der 
Mutterbrust  liegend  und  im  Genüsse  dieses  häus- 
lichen Glückes  den  Vater  gegenwärtig  zu  sehen, 
denjenigen  Vater,  dessen  Fluch  der  zur  Verrätherin 
gewordenen  Gattin  Tod  und  dem  unschuldigen  Kinde 
Wahnsinn  und  Elend  bringen  wird:  dies  war  ejn  Con- 
trast,  der  deutlich  und  lebhaft  zu  den  Sinnen  jedes 
denkenden  Beschauers  sprach.  Sollte  aber,  was 
keineswegs  ausgeschlossen  ist,  in  der  Schilderung 
von  Alkmäon's  Jugend  schon  epische  Dichtung  dem 
Vasenmaler  vorgearbeitet  haben,  so  würde  es  dessen 
Verdienst  sein,  dass  wir  das  Gewicht  seiner  Kunst- 
gattung auf  dem  Gebiete  des  Genres  ausnahmsweise 


tiberschätzt  hätten. 


Maximilian  Mavek, 


")  Dies  natürlich  ungenau;  der  Mord  zog  erst  den  AVahn- 
sinn   nach   sich. 

'-)  Die  Scene  ist  wahrscheinlich  aus  der  Sophoklcischen 
Eriphyle,  gegen  deren  Identiticirung  mit  den  , Epigonen'  und 
Keconstruirung  mit  Hülfe  des  Attius  (Welcker  Gr.  Tr.  II  ■-'09) 
sich,  wie  mich  dünkt,   wenig  einwenden  lässt. 


249 


250 


BEITRAGK  ZUR  KENNTNISS 
DER  VASEN  MIT  MEISTERNAMEN. 


(Talel 

Bei  der  Durclisicht  des  Apparates  von  Zeich- 
nungen, welcher  aus  Eduard  Gerhaid's  Besitz  iu 
den  des  Berliner  Museums  übergegangen  ist  und 
in  der  Bibliothek  desselben  aufbewahrt  wird,  fand 
sich  eine  Reihe  von  Durchzeiclinuugen  nach  bisher 
unpublicirten  Vasen  attischer  Meister.  Es  schien 
wiinschenswcrth,  dieselben  zu  einer  Fortsetzung  der- 
jenigen Nachtrüge  zusammenzustellen,  welche  P.  J. 
Meier  in  daukenswertlier  Weise  zu  der  trefflichen 
Schrift  von  Wilhelm  Klein  „Die  griechischen  Vasen 
mit  Meistersignaturen"  geliefert  hat.  Die  inter- 
essantesten Stücke  werden  zugleich  durch  Abbildung 
bekannt  gemacht.  Bei  der  Besprechung  folge  ich 
der  Reihenfolge  der  Malernaraeu  bei  Klein;  die 
Nummer  der  Zeichnung  im  Berliner  Museumsappa- 
rat füge  ich  unter  der  Bezeichnung  „App."  hinzu. 
Von  den  verschollenen  Vasen  gebe  ich  eine  ge- 
nauere Beschreibung. 

Taleides. 

Voll  iler  Berliner  .Scliale  17C'2  (Klein  S.  "22, -i)  ist  eine  Zeich- 
nung vorhanden  (A.\>\>.  MM  310),  welche  auf  A  die  Inschrift  des 
Hermogenes,  sogar  mit  dem  für  Hermogenes  charakteristischen  t'^ 
zeigt:  HE^'/V\OAE^ESE^OIESE^.  Eine  Revision  der  Vase, 
welche  ich  daraufhin  vornahm,  ergab  die  Unrichtigkeit  dieser  An- 
gabe; das  Facsimile  iu  Furtwüngler's  Katalog  ist  absolut  genau. 
Dass  dennoch  dieselbe  Vase  gemeint  ist,  beweist  die  Intclirift  auf  B, 
welche  die  Zeichnung  ganz  richtig  TAEIAESPOIKESEN 
giebt.  Ob  die  Fälschung  der  Inschrift  nur  auf  dem  Papiere 
vorgenommen  wurde,  oder  ob  der  Name  des  Hermogenes  ehe- 
mals auch  auf  der  Vase  übcrgemalt  war,  um  die  letztere  inter- 
essanter Z.U  machen,  lässt  sich  natürlich  nicht  mehr  feststellen. 

Tychios. 

Die  Zeichnung  (App.  M  31,  49)  der  bisher  allein 
bekannten  Vase  dieses  Meisters,  einer  Hydria  der 
Sammlung  Fontana  in  Tri  est,  giebt  die  Ergän- 
zungen an.  Danach  bleibt  für  den  guten  Tychios 
nicht  viel  übrig.     Antik  ist: 

A.  in  dem  Schulterbild:  1)  der  Greis  links  bis 
auf  ein  Stück  des  Gewandes  und  einen  Theil  des 
Stabes;  2)  von  der  Gruppe  des  Herakles  und  Tri- 
ton fast  nichts,  nur  recliter  Ellenbogen,  oberer 
Kopfrand  und  linker  Fuss  des  Herakles,  linke  Hand 


l(i— 19.) 

und  Schwanz  des  Triton;  3)  die  oberen  Hälften  der 
drei  rechts  stehenden  Figuren. 

B.  in  dem  Bauchbild:  1)  an  Atheua  nur  ein 
kleiner  Theil  der  Aeg\s  und  der  Unterkörper;  2)  der 
Wagen  bis  auf  den  vorderen  Theil  des  Kastens  und 
den  oberen  Rand  des  Rades;  3)  an  Apollo  Gesicht, 
Kranz,  Leier  mit  linker  Hand  und  Blüte,  Unter- 
schenkel und  Flisse,  sowie  die  Inschrift;  4)  die  vor- 
deren Hälften  der  Pferde;  .5)  der  von  den  Pferden 
merkwürdigerweise  fast  verdeckte  Hermes,  dessen 
Beischrift  übrigens  ^3iVl  13  'I  lautet. 
Nikosthenes. 

1  (Klein).  Amphora  mit  Bandhenkelu.  App.  M 
416.  Aus  Cerveteri.  Von  Gerhard  bei  üepoletti 
gesehen,  nicht,  wie  Klein  angiebt,  bei  Basseggio. 

Henkel:  Jederseits  eine  Sirene  nach  rechts  mit 
umgewandtem  Kopf. 

Hals:  Jederseits  die  zweimal  wiederholte  Gruppe 
eines  nackten  Satyrs,  der  eine  mit  gegürtetem  Chi- 
ton bekleidete  Mänade  verfolgt. 

Bauch:  A.  Herakles,  nackt,  schreitet  die  Keule 
mit  der  Rechten  erhebend  auf  den  Löwen  zu  (eine 
Variation  des  alten  Steh-Schemas),  der  von  rechts 
mit  erhobenen  Vordertatzen  auf  ihn  zukommt.  Un- 
ter den  letzteren  weg  fliegt  auf  Herakles  ein  Vogel 
zu.  Hinter  dem  Löwen  steht  ein  nackter  Jüngling 
nach  links,  der  in  der  Linken  etwas  Undeutliches 
(wohl  ein  Kerykeion)  hält;  er  erhebt  die  Rechte 
und  trägt  einen  aufgeklappten  Reisehut:  Hermes; 
hinter  Herakles  steht  nach  rechts  gewandt  ein  nack- 
ter Jüngling,    beide  Hände   halb  erhebend:  lolaos. 

B.  Dieselbe  Darstellung  wie  auf  A.  NIKO- 
^GENE^EPOIE^EN. 

47  (Klein).  Hcnkeltasse').  App.  M  392.  Aus- 
gelassener Tanz  von  fünf  Satyrn  und  vier  Mänaden. 

')  Der  Name  Kelle',  den  Klein  dieser  Vasenform  giebt, 
und  von  dem  ich  nicht  weiss,  wer  ihn  aufgebracht  hat.  ist  so 
unpassend  wie  möglich  gewählt.  Da  niiige  man  denn  doch  lie- 
ber bei  den  alten  von  Gerhard  beliebten  Namen,  wie  Kyathis, 
O.xybaphon,  Kclebe  u.  s.  w.  bleiben,  so  unverbürgt  sie  auch  sind. 


251 


K.  Wernicke,  Vasen  mit  Meisternamen. 


252 


Von  Gerhard  bei  Bassegg-io  gesehen. 

54  (Klein).  Triukschale,  ehemals  bei  Depoletti. 
App.  M  463.  Abgebildet  auf  unserer  Tafel  16, 1  in  V3. 

I.    Gorgoneion. 

A.  Viergespann  in  Vorderansieht')  mit  Wagen- 
leuker  und  behelmtem  Krieger;  jederseits  eine 
Frau,  bekleidet  mit  Cliiton  und  Himation,  die  dem 
Beschauer  zugewandte  Hand  halb,  die  andere  in 
das  Gewand  gehüllte  ganz  erhebend.  NIKO^GE- 
NE^MEPOIE^EN. 

B.  Dionysos,  bärtig  und  bekränzt,  sitzt  nach 
rechts  auf  einem  Klappstuhl;  er  trägt  Chiton  und 
Mantel  und  hält  in  der  Linken  ein'Trinkhorn.  Die 
Rechte  sollte  wohl  den  Rebstock  halten,  der  sich 
über  das  ganze  Bild  verbreitet.  Auf  beiden  Seiten 
des  Gottes  schwingt  sich  im  Tanz  je  die  Gruppe 
eines  nackten  Satyrs  und  einer  mit  Chiton,  gegür- 
teter Kebris  und  Binde  angethanen  Mänade. 

Um  die  Henkel  Rebzweige  mit  Trauben. 

55  (Klein).  Trinkschale  im  Louvre.  App.  M 
343.  Nach  der  Notiz  auf  der  Zeichnung  einst  zur 
Feoli'schen  Sammlung  gehörig. 

Um  die  Henkel  Rebzweige. 
I.    Gorgoneion. 

A.  Zwischen  Augen  schreitet  der  bärtige  He- 
rakles nach  rechts,  mit  beiden  Händen  die  mäch- 
tige Keule  aufstellend^);  das  Löwenfell  hat  er  ge- 
gürtet und  über  den  Kopf  gezogen,  auf  dem  Rücken 
trägt  er  den  Köcher,  hinter  der  linken  Seite  wird 
die  Seil  wertscheide  sichtbar.  NIKO^GENE^ 
EPOIE^EA/. 

B.  Zwischen  Augen  nach  rechts  gewandt  der 
bärtige  Dionysos,  bekränzt,  mit  Locken  über  der 
Schulter,  in  langem  Chiton  und  Himation,    mit  der 

-)  Üass  die  Beine  der  Pferde  auf  der  AbbilJunj^  in  eine 
etwas  eigenthümliche  Stellung  gerathen  sind,  liegt  oB'enbar  nur 
an  der  Uebertragung  des  runden  Vasenbildes  auf  eine  gerade 
Fläche  und  gerade  Grundlinie,  wobei  die  untere  Hälfte  der  Figu- 
ren auseinander  gerückt  werden  musste.  —  Ein  Gespann  in  Vorder- 
ansiclit  so  darzustellen,  dass  der  Krieger  und  der  Lenker  beide 
hinter  Wagenrand  und  l'ferdeki)i)fen  sichtbar  werden,  i>t  ein 
l'roblem,  welches  der  Kreis  des  Epiktet  mit  Vorliebe  behandelt, 
vgl.  die  Panphaiossehale   Museo  Oregoriaiio  II  06,4. 

'■')  Durch  diese  etwas  schwer  verständliche  Hantirung  mit  der 
Keule  sind  die  Deutungen  'Herakles  am  Spinnrocken'  und  He- 
rakles mit  dem  Bratspiess'  hervorgerufen,  die  wir  bei  Panolka 
lesen. 


Linken  den  Kantharos  erhebend.  Rechts  von  ihm 
schreitet  der  bärtige  Hermes  nach  rechts,  sich  um- 
blickend, mit  Chlamys  über  den  Schultern,  aufge- 
klapptem Reisehut  und  Stiefelu  mit  Zugstück;  in 
der  Linken  hält  er  das  Kerjkeion. 

Charitaios. 

Trinkschale  Torlonia  (Klein  S.  36,  1).  App.  M  417.  Die 
Inschriften  sind  bei  Klein  falsch,  bei  Brunn  (Künstlergesohichte 
II,  666)   richtig  angegeben. 

Heriiiogeues. 

13  (Klein).  Trinkschale  in  München  1U82. 
App.  M  M  299.  Die  Seite  A  in  Originalgrösse  ab- 
gebildet auf  Tafel  16,  2. 

Jederseits  ein  Viergespann  nach  links;  auf  dem 
Wagen  steht  der  Lenker  in  langem  Chiton,  den 
böotischen  Schild  auf  dem  Rücken.  Hinter  dem 
Wagen  schreitet  ein  Krieger  nach  links,  mit  Helm, 
Panzer  und  Beinschienen;  am  linken  Arm  trägt  er 
den  Rundschild  (Sciiildzeichen  auf  A  ein  Dreifuss 
mit  zwei  Henkeln,  auf  B  eine  Rosette),  in  der  rech- 
ten Hand  die  quergehaltene  Lanze.  Auf  A  und  B 
gleichlautend  die  Beischrift  HEF'MOAENE>- 
EPOIE^ENENE.O 

Charinos. 

5  (fehlt  bei  Klein).     Uinochoe.   App.  MM  315. 

Weinstock  mit  Trauben.  Unter  dem  Henkel  Pal- 
metten. Links  die  Inschrift  XAPINO^:  FTOIE^; 
rechts  X  ^  ^ A/  O AO  •  ■  •  i  A  v  -v---  <'  [.  SivoöoTog 
•/.ctXng. 

Paiipbaios. 

'l\  (Klein).  Trinkschale,  einst  bei  Lucien  Bo- 
u aparte  1513.     App.  NN  213,  325. 

Die  Darstellung  ist  keine  Badescene,  wie  Brunn 
und  ihm  folgend  Klein  nach  de  Witte  angenommen 
haben.  Während  bei  solchen  Innenbildern,  die  Ra- 
descenen  darstellen,  wie  z.  B.  Neapel  2630  Heyde- 
mann  oder  das  bei  Gerhard,  Auserl.  Vasenb.  180. 
181  abgebildete,  stets  deutlich  die  vollständige 
Wanne  dargestellt  ist,  sehen  wir  hier  eine  fortlau- 
fende Mauer  ^)  die  ohne  AbschJuss  nacli  rechts  oder 

')  Ob  in  dem  A^tp*-"^'^  einer  zierlichen  ehemals  Feoli- 
hcheu,  jetzt  Würzburger  Trinkschale  (Urlichs  III,  400.  Apji. 
MM  :!1L')  nicht  der  Name  des  Sakonides  steckt,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 

■')   Dafür  erklärte  schon   l'anofka  den  Gegenstiuul  mit  licclit. 


253 


K.  Wernioke.  Vasen  mit  Mcisteriiaiiicn, 


254 


links  über  den  Kreis  des  Innenbihles  hinausgehend 
zu  denken  ist,  aber  oben  mit  einer  vors])ringendeu 
Leiste  abschliesst.  Ueber  dieser  Mauer  erscheint 
der  nackte  Oberkörper  eines  bekränzten  Mannes, 
der  dieselbe  eben  übersteigen  will.  Das  rechte 
Bein  ist  (in  unniüglieher  Weise)  erhoben,  die  Brust 
von  vorn  gesehen;  mit  der  Linken  seheint  er  zum 
Aufstützen  nach  der  Mauer  greifen  zu  veollen.  In 
der  erhobenen  Rechten  hält  er  einen  halbrunden 
Gegenstand  wie  das  Ende  eines  Hornes.  Dicht 
unter  dem  oberen  Ahschluss  der  Mauer  steht  die 
KUnstlerinschrift  rAMOAlO^EPOIE^EA/.  Dass 
kein  Bad  dargestellt  ist,  lehrt  auch  die  Bewegung 
des  Mannes,  der  die  Hände  weder  eintaucht  wie 
auf  der  Neapeler,  noch,  um  sich  aufzurichten,  sie 
am  Wannenrande  festklammert,  wie  auf  der  Ger- 
hard'schen  Vase.  Weslialb  er  die  Mauer  übersteigt, 
dafür  lassen  sich  zwar  mancherlei  Gründe  denken, 
aber  die  ganze  Darstellung  hat  so  wenig  von  be- 
zeichnender Schärfe,  dass  dies  blosse  Vermuthungen 
sein  würden. 

Epiktet. 

1  (Klein).  Trinkschale  in  Würzburg.  App.  N 
50.  Die  Darstellung  von  A  abgebildet  auf  Tafel 
16,  3  in  V,. 

Um  die  Henkel  Palmetten. 

L  Ein  bekränzter  Jüngling,  nur  mit  einem  über 
den  Schultern  hängenden  Mäntelchen  bekleidet, 
schreitet  eilig  nach  rechts  und  balancirt  auf  der 
linken  Hand  einen  Skyphos;  Gesicht  und  Mittel- 
körper  sind  stark  beschädigt.  Die  Figur  ist  eine 
nur  wenig  variirte  Wiederholung  des  von  Panofka 
im  Katalog  Pourtales  Tafel  41  abgebildeten  Innen- 
bildes (Klein,  Epiktet  No.  11),  von  dem  sich  App. 
NN  213,  323  gleichfalls  eine  Zeichnung  findet. 

A.  Das  Gesiciit  des  kauernden  bekränzten  Sa- 
tyrs ist,  wie  die  Abbildung  zeigt,  nicht  in  Vorder- 
ansicht, sondern  nach  links  gewandt. 

Oefässe  mit  dem  Lieblingsnamen  des 
Hipparclios. 

8  (fehlt  bei  Klein).  Trinkschale  Feoli,  jetzt  in 
Würzburg  (Urlichs  III,  432).     App.  NN  60. 

I.  Krieger,  nach  links  stehend,  mit  Beinschie- 
nen, Schild  (Sz.  Delphin)  und  Helm;    Gesicht   und 


oberer  Schildrand  sind  zerstört.    Umschrift  AP.O^ 

KA.O^- 

A.  Zwischen  Augen  zwei  Palmetten,  in  deren 
Mitte  ein  nackter  Jüngling  steht;  in  beiden  Händen 
hält  er  einen  Stab  und  bückt  sich  mit  schöner 
Kückeiilinie  tief  nacli  rechts  hin,  um  mit  dem  Stabe 
nach  einem  (unsichtbaren)  Gegenstande  zu  stossen. 
Hinter  ihm  hängen  Schwamm  und  Alabastron. 

B.  Aehnliche  Darstellung. 

Die  Liebesinschrift  ist  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit zu  "[TTTiag'/og  xalög  zu  ergänzen,  da  die 
ganze  Darstellung  auf  den  Kreis  des  Epiktet  hin- 
weist"). Besonders  der  gebückte  Jüngling  erinnert 
lebhaft  an  das  Aussenbild  der  Panphaiosschale  im 
Museo  Gregoriano  (Klein  S.  42,  8),  wie  auch  an 
den  Maulwurfjäger  der  Berliner  Nikosthenes-Schale 
No.  1806  (Gerhard  'i'rinkschalen  u.  Gef.  T.  1). 

Cliachrylion. 

7  (Klein).  Trinkschale,  von  Gerhard  bei  Bas- 
seggio  gesehen,  später  im  Besitz  von  Lucien  Bo- 
naparte.    App.  N  66. 

I.  Nackter,  epheubekränzter  Satyr  mit  langem 
Haar,  gefranstem  Bart  und  Spitzoliren,  das  linke 
Bein  zum  Tanze  erhebend.  In  der  Rechten  hält  er 
ein  Trinkhorn,  in  der  Linken  einen  Schlauch.  Der 
Typus  entspricht  genau  dem  bei  Chelis  und  anderen 
Meistern  des  Epiktetischen  Kreises  üblichen,  beson- 
ders dem  Innenbild  der  Berliner  Schale  des  Epiktet 
und  Panphaios.     -^A+^■VHONE^OIE^EN. 

A.  Tod  des  Aigisthos  ("?).  Von  links  stürmt 
heran  ein  nackter  Jüngling,  in  der  Rechten  das 
blosse  Schwert.     Mit    der    Linken    ergreift    er    die 


")  Die  Angabe  der  Inschrift  fehlt  im  Würzbnr^'er  Katalog 
Ich  habe  deswegen  Herrn  Geheimrath  von  Urlichs  briellich  um 
eine  Revision  der  Vase  gebeten,  welche  derselbe  mit  der  lie- 
benswürdigsten Bereitwilligkeit  bewirkt  hat.  Die  Vase  ist  jetzt 
"besonders  auf  der  linken  Seite  dick  mit  Kitt  iiberschmiert, 
ausserdem  mit  Klammern  durchzogen.  Die  Decke  liess  sich 
nicht  lösen,  ohne  das  Gefäss  zu  beschädigen'.  Von  den  Buch- 
staben, welche  die  Berliner  Zeichnung  giebt,  fand  sich  das  A  und 
S  des  Lieblingsnamens  noch  erhalten,  ausserdem  noch  ein  sehr 
undeutlicher  Rest  des  S  von  xakog.  Vor  dem  ersten  A  hat  die 
Untersuchung  kein  Zeichen  ergeben.  Die  Berechtigung  unserer 
Ergänzung  bleibt  also  zwar  wahrscheinlich,  ist  aber  nicht  völlig 
zu  sichern. 


255 


K.  Weiiiieko.  Vasen  mit  Meisternamen. 


256 


Locken  eines  bärtigen  Mannes ')  und  bat  ibu  zu 
Boden  gerissen.  Dieser  streckt  den  recbten  Arm 
weit  nacb  links  am  Boden  bin,  bat  das  rechte  Bein 
unter  den  Körper  gezogen,  das  linke  aufgestemmt, 
und    erbebt    klagend    die    linke    Hand.      Darüber 


UE'^AAmM^  •  •  UOr  wolil  ylsayQog  xaXng  (nur  ein- 
mal, auf  B  überhaupt  nicht).  Von  links  eilen  zwei, 
von  rechts  eine  Frau  herbei  in  Chiton  und  Hima- 
tion.  Ergänzt  sind  alle  Oberkörper  bis  auf  den 
des  liegendeu  Mannes  und  der  ersten  Frau  links. 
Durch  diese  mangelhafte  Erhaltung  sowie  dadurch, 
dass  der  angebliche  Pjiades,  wie  die  Gewandung 
des  antiken  Unterkörpers  deutlieh  zeigt,  weiblich 
ist,  wird  die  Deutung  der  Scene  auf  Aigisthos'  Er- 
mordung sehr  zweifelhaft. 

B.  Auch  diese  Seite,  bei  der  Klein's  Beschrei- 
bung zutrifft,  giebt  zu  gerechten  Bedenken  Anlass, 
doch  sind  die  modernen  Stücke  aus  der  Zeichnung 
nicht  zu  erkennen. 

Vasen  mit  dem  Lieblingsuameu  des  Leagros. 

IG  (fehlt  bei  Klein).  App.  L  200.  Das  Inuen- 
bild  abgebildet  auf  unserer  Tafel  19,  2  in  %. 

I.  Auf  einer  niedrigen  Basis  steht  nach  links 
ein  nackter  bekränzter  Knabe,  in  der  halb  erhobe- 
nen Rechten  einen  Stab,  in  der  gesenkten  Linken 
einen  Schwamm  und  ein  Alabastron  haltend.  Glei- 
ches Geräth  hängt  an  der  AVand.  Vor  der  Basis 
ist  eine  Hacke  mit  dem  Stil  in  die  Erde  gesteckt; 
vor  dem  Knaben  steht  nach  rechts  ein  bärtiger  be- 
kränzter Mann  im  Himation,  der  die  Rechte  in  die 
Seite  stemmt  und  in  der  Linken  einen  Stab  hält, 
mit  dem  er  die  Beine  des  Knaben  zu  berühren 
scheint.  Umschrift  Aiayqoc,  [xaA.Jo(o)e.  Der  Sinn 
der  Situation  ist  jedenfalls  der,  dass  der  Knabe 
beim  Paidotriben  eine  sichere  Stellung  und  feste 
Haltung  lernen  soll.  Koch  stehen  die  Beine  nicht 
vorschriftsmässig,  weswegen  sie  der  Lehrer  mit  dem 
Stabe  berührt.  Interessant  ist  an  der  Figur  des 
Mannes  die  Wiedergabe  des  von  vorn  gesehenen 
rechten  Fusses. 

')  Die  Grösse  dieser  Figur  geht  weit  über  das  Maass  der 
übrigen  hinaus;  die  Sccne  ist  deshalb  von  Gerhard  im  Inventar 
als  'Ermordung  eines  Riesen   bezeiclmet. 


A.  Zwei  mit  Himation  bekleidete  bekränzte 
Jünglinge,  zwischen  denen  ein  Krater  steht,  sind, 
offenbar  um  den  Besitz  des  letzteren,  in  Streit  ge- 
ratheu. Der  Linke,  der  über  der  rechten  Schulter 
eine  an  einem  Stab  hängende  Oinochoe  trägt  und 
mit  der  Linken  einen  Becher  vorstreckt,  taumelt 
zurück,  während  der  andere  zum  Schlage  ausholt. 
Ein  nackter  Jüngling  und  ein  Mädchen  im  Hima- 
tion, beide  bekränzt,  eilen  ersehreckt  von  rechts 
herbei.     KAUO^. 

ß.  Ein  mit  Himation  bekleideter  bekränzter 
Jüngling,  der  in  der  Linken  einen  Stab  hält,  tau- 
melt weinselig  vornüber  nach  links  und  bietet 
einen  grossen  Skj'piios  einem  bärtigen  Manne  dar, 
welcher,  in  der  Rechten  einen  Stab  tragend,  über 
den  linken  Arm  das  Himation  geschlagen,  entsetzt 
zurückweicht.  Rechts  von  dieser  Gruppe  spielt 
ein  bekränzter  Jüngling  im  Himation  die  Doppel- 
flöte und  tanzt  dazu  nach  rechts  hin,  wo  ihm  ein 
Mädchen  im  Ciiiton  mit  Ueberschlag  voraneilt,  sich 
umsehend,  die  Linke  vorwärts  streckend  und  in 
der    Rechten    einen    Thyrsos    haltend.      Beischrift 

lAt^OMO'y.  AUO^  (etwa  'EnlÖQoinns  xalSg). 

Euplu'onios. 

Den  Vasen  des  Euphronios  glaube  ich  mit  ziem- 
licher Sicherheit  eine  unbezeichnete  hinzufügen  zu 
können,  welche  auf  Tafel  17  abgebildet  ist  (in  74): 

Trinkschale  aus  Camposcala,  früher  bei  Depo- 
letti.  App.  NN  G8.  Die  Haare  sind  auf  der  Zeich- 
nung braun  gefärbt;  vielleiclit  weist  dies  darauf 
hin,  dass  die  Figuren  in  ähnlicher  Weise  wie  Euphri)- 
nios  9 '(Klein)  auf  weissen  Grund  gemalt  sind. 

L  Ein  jugendlicher  Krieger  ist  nach  rechts  ge- 
stürmt und  stösst  in  die  Trompete,  die  er  in  der 
rechten  Hand  hält  **).  Auf  dem  Kopfe  hat  er  einen 
attischen  Helm  mit  niederem  Bügel,  an  den  Unter- 
schenkeln Beinschienen,  am  linken  Arm  den  halb- 
mondförmigen Schild,  welcher  von  innen  gesehen 
wird. 

A.  Auf  einem  Polster  ist  ein  bekränzter  Jüng- 
ling bequem  nach  links  gelagert;  er  trägt  nur  ein 

")  Ein  Motiv,  das  an  die  Berliner  Euxitheosscliale  (1  Klein) 
erinnert. 


257 


K.  Wonücke,   Vn^m  mit  McistciMiamen. 


258 


Hiiiiatiou,  welches  die  linke  Seliulter  und  den  rech- 
ten Oberschenkel  bedeckt.  Den  Oberkörper  wendet 
er  nach  vorn  und  trinkt  aus  einem  grossen  Skyphos, 
den  er  mit  der  rechten  Hand  zum  Munde  führt. 
Das  Gesicht  ist  zuerst  vollständig  aufgezeichnet, 
und  dann  die  Linie  des  oberen  Becherraudes  Über 
die  untere  Partie  des  Gesichtes  hinübergezogen. 
In  der  linken  Hand  hält  er  zwei  Flöten,  welche 
dem  links  ihm  zugewandt  knieeuden  Mädchen  ge- 
hören; die  letztere,  unbekleidet  (ihr  Gewand  ist 
hinter  dem  Jüngling  aufgehängt),  ist  beschäftigt, 
sich  eine  Binde  um  das  Haar  zu  legen.  Hinter  ihr 
hängt  ihr  Flötenfutteral,  die  ovßi'jvrj. 

B.  Wiederum  lagert  nach  links  auf  einem  ge- 
stickten Polster  ein  Jüngling,  bekleidet  wie  der  auf 
A,  im  Haar  eine  Binde,  deren  Enden  auf  beide 
JSchultern  herabfallen;  an  der  Wange  ist  Bartflaum 
angedeutet.  In  der  rechten  Hand  hält  er  eine 
Triukschale  zum  Kottaboswurf,  der  Mund  ist  leicht 
geöffnet.  Links  von  dem  Jüngling  ist  in  derselben 
Weise  ein  mit  weichem  ionischem  Chiton  (die  zier- 
lichen Falten  sind,  wie  die  Zeichnung  erkennen 
lässt,  durch  verdünnten  Firniss  angedeutet)  beklei- 
detes Mädchen  gelagert;  die  Haare,  um  die  eine 
Binde  gelegt  ist,  sind  in  einen  Knoten  aufgenom- 
men; ihre  rechte  Brust  ist  entblösst,  am  linken 
Arm  trägt  sie  eine  Spange.  Mit  beiden  Händen 
hält  sie  die  Uopi)elflö!e,  auf  der  sie  bläst,  ^'or  ihr 
hängt  ein  grösseres  und  ein  kleineres  (?)  Flöten- 
futteral, hinter  dem  Jüngling  ein  Wandkorb. 

Das  Ganze  ist  durciiaus  im  Stile  des  Euphro- 
nios  gehalten;  fast  meint  man  aus  dem  Munde 
des  Jünglings  das  tlv  tÜiöe  Imaooio,  ^idaygs  zu 
vernehmen.  Auch  ist  eine  grosse  Aehnlichkeit  zwi- 
schen dem  Kopfe  dieses  Jünglings  und  dem  des 
Achillcus  der  Berliner  polj'chromen  Schale  2282 
(9  Klein)  unverkennbar.  Vor  allem  aber  erinnert 
das  ganze  (Belage  auf  beiden  Aussenseiten  lebhaft 
an  die  Petersburger  Hetärenvase,  speciell  der  Kojjf 
des  trinkenden  Jünglings  au  den  der  Hetäre  Pu- 
laisto,  wie  es  denn  überhaupt  Euphronios  liebt. 
Köpfe  in  Vorderansicht  darzustellen.  Er  war  sicli 
offenbar  der  eigeuthümlichen  Wirkung  dieser  Stel- 
lung wohl  bewusst,  und  wir  treffen  dieselbe  daher 

Arihiiolog.  Zlj.'.   .lahrifang  XLlll. 


nicht  selten,  so  bei  dem  Kerkyon  der  Theseus- 
schale  7  (Klein),  dem  Troilos  auf  8  (Klein),  dem 
Astyanax  der  Berliner  Hiupersisschale  G  (Kleiu), 
besonders  häufig  aber  auf  der  interessanten  Mün- 
chener Schale  mit  Tlavaizing  xaAo'g,  die  Klein  (Areh. 
Ztg.  1878  S.  (iiif)  doch  wohl  mit  Hecht  demselben 
Meister  beigelegt  hat.  Auch  die  Schüler  des  Euphro- 
nios versuchen  gelegentlich  dieses  Motiv  zu  ver- 
werthen,  so  Duris  auf  der  Londoner  Palästravase  1 
(Klein)  und  auf  der  gewiss  ihm  gehörenden  Ber- 
liner Skironschale  2288;  auch  Hieron  auf  der  Go- 
thaer  Vase  Mov.  deW  Iiisl.  X  37').  Welche  Wirkung 
dies  Motiv  ausübte,  beweist  die  verunglückte  Nach- 
ahmung desselben  durch  den  ausscrlialb  dieses 
Schulzusammenhanges  stehenden  Hermonax  (Arch. 
Ztg.  1878  Taf.  12).  Auch  auf  der  aus  dem  Kreise 
des  Euphronios  hervorgegangenen  Schale  Mtin.  deW 
Iiisl.  III  12  finden  wir    das  gleiche  Motiv   wieder. 

Dnris. 

Dem  Stil  des  Duris  nahe  verwandt  scheint  mir  die  Vase, 
welche  E,  Braun  Mon.  de/l'  Insl.  IV  33  aus  englischem  Privat- 
besitz publicirt  IkU. 

Hierou. 

13  (Klein).  Auch  von  der  bei  Gerhard  im 
liaiijiorlo  Volceiile  (Aintali  Bd.  III)  n.  710  kurz  er- 
wähnten Hieronscliale  Depoletti's  aus  Camposcala 
mit  bacchischen  Darstellungen  und  'col  nome  graf- 
fiaio  nella  parle  superiore  del  veriiicialo  piede'  hat 
sich  eine  Zeichnung  gefunden:  App.  N  56.  Dieselbe 
giebt  aber  zu  grossen  Bedenken  gegen  die  Urheber- 
schaft des  Hierou  Anlass. 

I.  Ein  nackter  bekränzter  Satyr  mit  langem 
Bart  und  Locken  läuft  nach  links,  indem  er  dun 
Kopf  umwendet  und  die  linke  Hand  zurück- 
streckt'°).  Dabei  links  KATO-PAUO,  rechts 
KAUO^. 

'')  Auf  dieser  Vase  mit  Aussenbilderii  auf  weissem  Grund 
und  rothfigurigem  Innenbild  ergänzt  Furtwängler  (Mittb.  d.  alh. 
Inst.  1881  S.  114)  sicherlich  mit  Recht  den  Künstlernamen  zu 
Ilicron,  dessen  Urheberschaft  für  das  Innenbild  nicht  zu  be- 
zweifeln ist.  In  den  Ausscnbildern  zeigt  er  noch  nicht  ganz 
seinen  individuellen  Stil,  sondern  bleibt  mehr  in  der  Schultr.i- 
dition.  Im  Motiv  des  trinkenden  Mannes  in  Vorderansicht  lehnt 
er  sich  an  seinen  Meister  Euphronios  an,  während  die  Zeich- 
nung dieses  Kopfes  an  den  Skiron  seines  Schulgenossen  Duris 
gemahnt. 

'")   Dieses  Motiv   bezeichnet  hier    wie   so    oft  in  der  iilteren 

18 


259 


K.  \Vernicke,  Vasen  mit  Meisteniamen. 


260 


AB.  Jederseits  wird  eiue  Mäuade  durch  drei 
itliypiialiische  Satyrn,  die  ihr  tanzend  und  jubili- 
rend  nahen,  augegriffeu.  Auf  A  wehrt  sie  sich 
durch  eine  vorgehaltene  Schlange  und  trägt  in  der 
Linken  Krotalen;  auf  B  ist  sie  oline  Attribut.  Der 
links  stehende  Satyr  hat  auf  A  ein  Triukhoru,  auf 
B  einen  Schlauch;  die  übrigen  sind  beidemal  ohne 
Attribut.  Alle  Satyrn  sind  nackt  und  bekränzt,  die 
Mänaden  tragen  Chiton  mit  Halbärmeln,  Himation 
und     Binde.       Jederseits     über     der     Darstellung- 

HOPAI^KAUO^- 

Dass  Hieron  an  diesem  Werke  keinen  Theil 
hat,  wird  Jedem,  der  die  Zeichnung  sieht,  sofort 
in  die  Augen  springen.  Da  ist  nichts  von  dem 
wilden  Liebestaumel,  der  in  den  bacchischen  Ge- 
mälden des  Uieron  lebt  (vgl.  Wiener  Vorlegeblätter 
A2und  A4);  wir  sehen  nur  eiue  der  vielen  gleichgil- 
tigen  Wiederholungen  des  alten  Themas.  Auch  der 
Typus  der  Satyrn  ist  völlig  verschieden  von  denen 
des  Hieron;  vor  allem  fehlt  ihnen  die  Glatze,  welche 
für  die  Satyrn  des  Hieron  so  charakteristisch  ist. 
Xicht  geringere  Unterschiede  zeigen  sich  auch  in  der 
weiblichen  Gewandung;  während  dieselbe  bei  Hie- 
ron in  der  Regel  in  einem  über  dem  bisweilen  fast 
zu  stark  gebauschten  Ueberschlag  gegürteten  Chiton 
besteht,  der  in  zahlreichen,  sorgfältig  gezeichneten 
Falten  herabfällt,  begnügt  sich  hier  die  Zeichnung 
mit  der  Angabe  der  Hauptfalten  in  ziemlich  sche- 
matischer  Weise.  Aus  allem  diesem  glaube  ich 
schliessen  zu  dürfen,  dass  die  Vase  nicht  von  Hie- 
ron sei.  Dagegen  finde  ich  keinen  Grund,  weder 
in  der  Vase  noch  in  der  Inschrift  eine  Fälschung 
zu  sehen").  Es  mag  liier  ebenso  nicht  Zusammen- 
gehöriges aneinandergesetzt  sein,  wie  bei  der  Vase 
Wiener  Vorlegeblätter  AI. 

Während  so  diese  Vase  vermuthlich  aus  der 
Liste  der  Werke  des  Hieron  zu  streichen  sein 
wird,    glaube  ich   eine   andere,    nicht    bezeichnete 

Vasenmalerei    nur   die    Eile    des  Laufes  iiml  den   Ausgangspunkt 
desselben. 

")  IJass  die  Inschrift  (HIEPONEPOIESEN)  bei  dem  sonst 
am  Henkel  zeichnenden  Hieron  am  Fuss  steht,  ist  nicht  mehr 
zu  beanstanden,  seit  sich  auch  auf  der  Akropolis  zu  Athen  ein 
Vascnfuss  mit  seinem  Namen  gefunden  hat  {'Ei/rju.  un/uioX. 
1(585  S.  56). 


derselben  hinzufügen  zu  dürfen,  und  zwar  schei- 
nen mir  die  stilistischen  Kennzeichen  so  sichere, 
dass  ich  den  Vorwurf  der  Unvorsichtigkeit  dabei 
nicht  befürchten  zu  müssen  glaube. 

Trinkschale,  ehemals  bei  Basseggio.  App.  NN 
39;  abgebildet  auf  unserer  Tafel  18  uud  19,1  in  7,. 

L  Ein  bekränzter  Jüngling  mit  Backenbart- 
fiaume  steht  nach  links  auf  seinen  Stab  gelehnt; 
er  ist  ganz  in  sein  Himation  gewickelt  und  neigt 
sich  zärtlich  herab  zu  einem  Knaben,  der  gleich- 
falls bekränzt  und  sittsam  in  seinen  Mantel  ge- 
wickelt ihm   gegenübersteht. 

A.  Drei  Paare  von  Männern  und  Knaben;  der 
sQaaii'iq  steht  immer  links,  der  sQiüfievog  rechts. 
Alle  bis  auf  deu  Knaben  rechts  (und  dieser  ist 
wohl  nur  durch  Versehen  der  Zeichnung  ausge- 
nommen) sind  bekränzt.  Von  den  Männern  ist 
derjenige  links  unbärtig;  er  hält  eine  Blume  in  der 
linken  Hand.  Der  zweite  ist  bärtig,  seine  Brust 
nackt;  er  spricht  lebhaft  mit  seinem  Liebling- 
und  gesticulirt  dabei  mit  den  Händen.  Der  dritte, 
gleichfalls  bärtig,  steht  ruhig  auf  seinen  Stock  ge- 
stützt da.  Die  Knaben  sind  alle  in  ihre  Mäntel 
gehüllt  und  benehmen  sich  ausserordentlich  zurück- 
haltend. 

ß.  Gleichfalls  drei  Paare  von  Männern  und 
Knaben;  igaaciji;  und  eQCti/.tsi'og  haben  ihre  Plätze 
gewechselt,  die  Situation  ist  eine  wesentlich  andere. 
Zwei  der  Knaben  haben  deu  Mantel  bereits  nach- 
lässiger umgeworfen,  so  dass  einzelne  nackte 
Körpertheile  gesehen  werden;  sie  halten  die  ihnen 
von  ihren  Liebhabern  geschenkten  Blumen  in  der 
Hand,  und  der  eine  scheint  nicht  abgeneigt,  auch 
nach  dem  Beute!  zu  greifen,  der  ihm  dargeboten 
wird.  In  der  Mittelgruppe  dagegen  will  der  Knabe 
den  Kranz,  welchen  sein  Freund  trägt,  zum  Ge- 
schenk haben. 

Es  kann  nicht  schwer  halten,  für  diese  Dar- 
stellungen bei  llieron  Analogien  zu  finden;  sie  bie- 
ten sich  von  allen  Seiten.  Besonders  der  Vergleich 
der  Liebesscenen  des  Hieron  mit  denen  des  Duris 
zeigt  deutlich,  wem  unser  Vasenbild  gehört.  Der 
Typus  der  lockigen  Knaben  ist  am  ähnlichsten  dem 
Innenbild  der  Berliner  Trinkschale  mit  dem  Paris- 


261 


K.  Woriiicko.  Vasen  mit  M(.'istt'i'ii;iiiU'n. 


262 


urtheil  (14  Klein),  die  Knaben  mit  kurzem  Haar 
sind  häufiger;  der  Typus  der  bärtigen  Männer  ist 
hier  durchaus  der  Hieron  eigenthümliche. 

Polygiiotos. 

2  (Klein).  Stamuos  in  Brüssel.  Eiienials  bei 
Campanari.   App.  N  169,  2215. 

A.  Kaineus  (KAlNEV^),  halb  nach  rechts  ge- 
wandt, ragt  mit  dem  Oberkörper  aus  der  Erde;  er 
trägt  Panzer  und  Schurz,  attisclien  IleUn  mit  Backen- 
klappen, in  der  Linken  den  Scliild  (von  innen  ge- 
sehen), in  der  Kechten  das  Schwert.  Er  blickt 
empor  zu  einem  von  rechts  ansprengenden  Ken- 
tauren, der  sich  auf  den  Hinterbeinen  bäumt  und 
mit  einem  Baumast  nach  ihm  stösst.  Ihm  ent- 
sprechend sprengt  von  links  ein  zweiter  Kentaur 
heran,  über  dem  vorgestreckten  linken  Arm  ein 
Pantberfell,  mit  der  Rechten  einen  Felsblock  schwin- 
gend.    rOUVANOTO^    11    E/\I^A  I'  Ei^. 

B.  Laugbekleidete  Mänade  mit  Thyrsos  ruhig 
stehend  zwischen  zwei  nackten  Satyrn,  deren  linker 
eine  Kanne  trägt,  während  der  üeclitc  ein  Trink- 
horn  hält. 

Die  Durchzeichnung  ist  namentlich  an  den  Köpfen 
offenbar  stilistisch  ungenau  und  manierirt,  war  da- 
her zur  Publicatiou  nicht  geeignet.  Doch  mochte 
der  Stil  des  jedenfalls  schon  der  freiereu  Manier 
angehörigen  Polygnotos  (vgl.  die  Londoner  Vase 
Gerhard,  Auserl.  Vasenb.  243)  zur  Modernisirung 
gewissermaassen  herausfordern.  — 

Im  Anschluss  an  diese  Vase  des  Polj^gnot  sei 
mir  gestattet,  noch  kurz  von  der  Zeichnung  einer  an- 
deren Kaineusvase  (App.  N  168,  262)  Nachricht  zu 
geben,    welche    aus  Vitorchiano    stammt   und    von 


Gerhard  bei  Depoletti  gesehen  wurde.  Die  Köpfe 
der  Kentauren  sind  auch  hier  wieder  stillos  wie- 
dergegeben; sie  waren  offenbar  wie  die  bejahrter 
bärtiger  Satyrn  mit  Glatze  und  Spitzohren  aufgefasst. 

A.  Kaineus,  von  vorn  gesehen,  ragt  mit  dem 
Oberkörper  aus  der  Erde.  Er  hat  unten  ausge- 
fransten Bart  und  Einzeliocken,  trägt  korinthischen 
Helm,  Panzer  mit  Lederstreifen  und  Achselklappen 
(auf  deren  sichtbarer  rechter  eine  Rosette),  und  hält 
in  der  Linken  einen  mächtigen  Schild  (Zeichen:  nach 
links  sjn'engender  Kentaur  mit  Baumstamm);  mit 
der  Rechten  stösst  er  einem  von  links  auf  ihn  zu- 
sprengenden Kentauren,  zu  dem  er  sich  auch  hin- 
wendet, das  Schwert  in  den  Bauch.  Dieser  bäumt  sich 
mit  den  Vorderbeinen  auf  Kaineus  zu  und  hält  iil)er 
seinem  Kopfe  mit  beiden  Händen  einen  Felsblock 
erhoben,  den  er  auf  seinen  Gegner  schleudern  will; 
luii  die  Schultern  liat  er  ein  Pantherfell  geworfen. 
Ebenfalls  von  links  sprengt  ein  zweiter  Kentaur 
lierbei,  der  einen  Baumast  schwingt.  Rechts  von 
Kaineus  ist  noch  ein  Kentaur  zu  erblicken,  in  sehr 
kühner  Verkürzung  von  hinten  gesehen  und  eben- 
falls einen  Baumast  schwingend.  Ein  fast  identi- 
sches Beispiel  dieser  Verkürzung,  die  mir  wegen 
ihrer  Kühnheit  zuerst  verdächtig  vorkam,  findet  sich 
abgebildet  in  dem  Aiiiiali  dell'  lusl.  1860  Tat-,  d'agg. 
A  (Prachtamphora  aus  Ruvo  in  Neapel  2350). 

B.  Mänade  in  Chiton  und  Himation,  in  der 
Linken  einen  Schlüssel  (?)  haltend,  steht  zwischen 
zwei  nackten  Satyrn,  von  denen  der  links  befind- 
liche im  linken  Arm  einen  Thyrsos  hält. 

Die  Abhängigkeit  der  Darstellung  beider  Seiten 
von  dem  Staninos   des  Polygnot  ist  unverkennbar. 
Berlin.  Konrad  Wernicke. 


18* 


263 


264 


DER  TRITON  VON  TANAGRA. 


In  der  Wiener  Numismatischen  Zeitschrift  IX 
1877  S.  32  hat  Iinhoof-Blumer  eine  unter  Marc  Aurel 
in  Tanagra  geschlagene  Münze  veröfl'entliclit,  die 
ein  besonderes  Interesse  beanspruciit.  Dargestellt 
ist  unter  einem  von  Atlanten  gestützten  Baldachin 
der  jugendliche  Dionysos,  zu  dessen  Füssen  ein 
Triton  am  Hoden  liegt.  Zur  Erklärung  des  Münz- 
bildes verwies  Imhoof  auf  Pausanias  IX  20,  4  und 
erkannte  in  dem  Dionysos  demgemäss  das  Werk 
des  Kaiamis.  Bei  der  immer  noch  nicht  aufge- 
hellten, quälenden  Dunkelheit,  die  einen  in  der 
litterarischen  Ueberlieferung  so  vielfach  genannten 
und  scheinbar  so  deutlich  charaktcrisirten  Künstler 
umgiebt,  verdiente  diese  Beobachtung  die  vollste 
Aufmerksamkeit  der  Archäologen,  welcher  E.  Cur- 
tius  noch  durch  eine  eineute  Besprechung  und 
bessere  Abbildung  (Arch.  Ztg.  1883  S.  255)  zu 
Hülfe  kam.  Doch  ist  jenes  Exemplar  der  Münze 
nicht  besonders  gut  erhalten,  und  da  in  Folge  da- 
von, wie  mich  ein  vom  Besitzer  bereitwilligst  zur 
Verfügung  gestellter  Abdruck  lehrt,  auch  die  neue 
Abbildung  nicht  ganz  genau  ist,  so  erscheint  die 
Mittheilung  zweier  besser  erhaltener  Exemplare 
nicht  überflüssig. 


LONDON. 


BERUH. 


Die  erste  der  hier  abgebildeten  Münzen  befindet 
sich  im  Brittischen  Museum,  ist  im  Katalog  dessel- 
ben Central  Greece  S.  6(j,  60  besprochen  und  Taf.  10, 
15  abgebildet.  Sie  ist  unter  Antoninus  Pins  ge- 
schlagen; ihr  Revers  entspricht  dem  Imhoof'schen 
Exemplare  vollkommen,  doch  lehrt  sie  uns,  dass 
die  Atlanten  nicht,  wie  die  früheren  Abbildungen 
zeigten,  Kränze  in  den  Händen  erheben,  sondern 
vielmehr  das  Dach  des  Baldachins  stützen,  wie  es 
ja  auch  angemessener  ist,  und  dass  die  Linie, 
welche  jenen  täuschenden  Schein  hervorrief,  viel- 
mehr der  Band  eines  halbkreisförinigen,  über  dem 
Haupt  des  Gottes  gewölbten  Bogens  ist.  Ferner 
sehen  wir,  dass  Dionysos  Stiefel  trägt,  und,  wie 
wir    aus    den    Faltenspuren  au    der   rechten    Hüfte 


schliessen  dürfen,  eine  auf  der  linken  Schulter  ge- 
heftete Nebris.  Eine  Chlamys  wäre  für  Dionysos 
kaum  passend.  Ob  der  Gott  einen  Chiton  trägt, 
vermögen  wir  weder  auf  dieser  noch  auf  der  zweiten 
JlUnze  mit  völliger  Sicherheit  zu  erkennen,  doch 
würden  die  Umrisse  einer  fast  ganz  nackten  Figur 
wohl  etwas  anders  erscheinen. 

Die  zweite  der  abgebildeten  Münzen  befindet 
sich  in  Berlin.  Sie  bietet  auf  der  Vorderseite  den 
Kopf  des  Marc  Aurel  mit  Resten  derselben  Um- 
schrift wie  das  Imhoofsche  Exemplar;  der  Revers 
stimmt  in  allem  Wesentlichen  mit  den  besprochenen 
Münzen  überein,  nur  erscheint  neben  dem  linken 
Arm  des  Dionysos  noch  ein  herabhängendes  Stück 
Tuch  oder  Band.  Man  ist  zuerst  versucht,  dies  für 
einen  ^lautelzipfel  zu  halten,  und  für  die  Statue 
eine  Gewandanordnung  vorauszusetzen,  wie  wir  sie 
etwa  beim  Augustus  von  Prima  Porta  tindeu;  da 
aber  der  Arm,  dessen  Hand  unten  am  Thyrsos 
sichtbar  ist,  oä'enbar  ebenso  gekrümmt  war  wie  auf 
dem  Londoner  Exemplar,  und  das  Stück  Gewand 
sich  bis  weit  über  den  Ellenbogen  hinauf  verfolgen 
lässt,  von  wo  es  gerade  herabhängt,  so  ist  diese 
Annahme  unmöglich.  Der  Stempelschneider  hat 
wohl  ein  besonderes  kleines,  um  den  Arm  ge- 
schlungenes Gewandstück,  wahrscheinlich  einen 
Zipfel  der  Nebris,  gemeint. 

Aber  obwohl  jeuer  moderne  Wurf  des  Mantels,  - 
der  eine  Beziehung  des  Werkes  auf  Kaiamis  ohne 
weiteres  unmöglich  machen  würde,  nicht  vorhanden 
ist,  bleibt  doch  eine  grosse  Schwierigkeit.  Den 
Baldachin  mit  den  Atlanten  hat  schon  Curtius  für 
jünger  erklärt  als  Kaiamis,  aber  kann  diese  Statue 
auf  ihn  zurückgehen?  Es  scheint  vielleicht  kühn,  an 
einer  zunächst  so  einleuchtenden  Zurückführung  zu 
zweifeln,  zumal  wir  ja  eben  ein  sicheres  Bild  von 
der  künstlerischen  Eigenart  des  Kaiamis  noch  nicht 
gewonnen  haben,  aber  das  wenige  was  w  ir  wissen, 
zwingt  dazu.  Kaiamis  gehört  der  ersten  Hälfte 
des  fünften  Jahrhunderts  an  (Brunn,  Geschichte  der 
griechischen  Künstler  I  S.  125.  Overbeck,  Plastik'' 
I  S.  217),  dahin  weisen  die  wenigen  festen  Daten 
ebenso  wie  die  bei  Cicero  (Brutus  18,  70)  und  Quin- 
tilian  (XII  10,  7)  erhaltenen  Kunsturtheile ').     Nach 

')  Aus  der  Notiz  des  Uionj's  von  Iliilikainasä  (//fp!  'InoxQn- 
TOi's  3  S.  541  Heiske)  lässt  sich  kein  Zeitiinsat/.,  weder  für  Kalainis 
noch   lür  Kalliinachus  gewiiineii,    weil    liier  nicht  die  geschieht- 


265 


1'.  Woltcis.  Der  Tritiiii  von  Taiiajrr;!. 


266 


diesen  iiiHssen  wir  ilin  uns  sogar  noeli  areliaisclier 
denken  als  Myron,  und  dazu  stimmt  die  Nachah- 
mung des  Hermes  Krioplioros  auf  den  Münzen  von 
Tauagra  (Wiener  Muniismatische  Zeitschrift  IX  S.  2St), 
obschon  wir  vou  dem  uubelioU'en  steifen  Eindruci<, 
den  das  Figürchen  macht,  ein  gutes  Theil  abziehn, 
und  bedenken  müssen,  dass  etwa  der  Apollo  aus 
dem  Theater  von  Athen')  in  iilinlicher  Verkleine- 
rung kaum  anders  erscheinen  würde.  In  dem 
Dionysos  der  Münzen  haben  wir  aber  offenbar  eine 
Gestalt  in  der  charakteristischen  IStcllung  vor  uns, 
welche  erst  Pliidias  ausgebildet  und  zum  Gemein- 
gut der  griechischen  Kunst  gemacht  hat;  vgl.  Win- 
ter, Die  jüngeren  attischen  Vasen  und  ihr  Ver- 
hültniss  zur  grossen  Kunst  S.  10.  Kaiamis  konnte 
so  noch  nicht  arbeiten.  Wenn  Triton  und  Dionysos 
ein  einheitliches  Werk  wären,  wie  dies  Imlioof  an- 
zunehmen scheint,  oder  auch,  wenn  es  zwei  nicht 
durch  die  Handlung,  sondern  nur  durch  die  Auf- 
stellung vereinigte,  ursprünglich  sell)st;indige  Kunst- 
werke wären,  wie  Curtius  glaubt,  immer  wür<len 
wir  vor  einem  unlösbaren  Widerspruch  unserer 
Ueberlieferung  stellen.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall. 
Pausanias  (1X20,4)  schreibt:  'Im  Tempel  des 
Dionysos  ist  auch  das  Bild  sehenswürdig,  das  von 
parischem  Marmor  und  ein  Werk  des  Kaiamis  ist, 
wunderbarer  ist  aber  der  Triton'.  Eine  enge  Zu- 
sammengehörigkeit ist  nicht  ausgesprochen,  im 
Gegentheil  ist  der  Triton  dem  Dionysos  als  beson- 
ders wunderbar  gegenüber  gestellt.  Darauf  theilt 
Pausanias  die  beiden  Sagen  mit,  durch  welche  die 
Tanagräer  die  Anwesenheit  des  Triton  und  den 
Umstand,  dass  ihm  der  Kopf  fehlte,  zu  erklären 
versuchten,  fügt  die  überraschende  Xotiz  hinzu, 
dass  er  noch  einen  anderen  Triton  unter  den 
Sehenswürdigkeiten  zu  Rom  bemerkt  habe,  der 
aber  kleiner  gewesen  sei  als  der  zu  Tanagra,  und 
giebt  uns  eine  naturgeschichtliche  Beschreibung  der 
Tritonen  nach  Haar,  Schuppen,  Kiemen  u.  s.  w. 
Alles  das  ist  bei  einem  Kunstwerk  unverständlich, 
und  der  Verdacht,  es  sei  ein  Naturwunder  gewesen, 
das  die  Neugier  des  Pausanias  in  so  hohem  Grade 
erregte,  wird  weiter  dadurch  bestätigt,  dass  er  aus 
Anlass    dieses    Triton    uns    nun    eine    ganze   Liste 

liclie  Stellung  tles  Isoki-.ites  und  Lysias  in  l'arallele  zu  l'hidias, 
l'olyklet  und  Kiiliunis,  KalUmaohos  gesetzt  wird,  sondern  der 
Gegensatz  einer  grossartigen  Kunst  gegenüber  der  /f/iTori);  und 
X^SiS  '•ur  Erläuterung  ihres  verschiedenen  Charakters  verwendet 
ist.  Vgl.  Beundorf,  Ueber  das  Cultusbild  der  Athena  Nike  S.  40. 
'■')  Vgl.  Conzc,  Beiträge  zur  beschichte  der  griechischen 
Plastik  S.  19. 


melkwürdiger  Thiere  vorführt,  vom  Nashorn  bis 
auf  den  Martichoras  des  Aufschneiders  Ktesias,  um 
uns  zum  Schluss  eine  naturphilosophische  Betrach- 
tung über  den  Einfluss  des  Klimas  auf  Menscii 
und  Thier  und  einen  geflügelten  Skorpion  mit  in 
den  Kauf  zu  geben ').  Naturwunder,  wirkliche  und 
vermeintliche,  hat  das  Alteithum  ebenso  gern  in 
den  Tempeln  aufgehoben  wie  das  Mittelalter  in 
seinen  Kirchen;  vgl.  Friedländer,  Sittengeschichte^ 
II  S.  15(3.  Unser  Triton  war,  wie  es  scheint,  ein 
sehr  berühmtes  Stück,  und  nicht  nur  Pausanias  hat 
Interesse  an  ihm  genommen.  Bei  Aeliau  (Heql 
Cwwv  XIII  21)  linden  wir  folgendes:  'Demostratos 
in  den  ylnyoi  aXtsvzixol  sagt,  dass  er  in  Tanagra 
einen  einbalsamirten  Triton  {läotxnv  TQiiiova)  ge- 
sehen habe.  Im  Uebrigen,  sagt  derselbe,  war  er 
denen  in  der  Plastik  und  Malerei  ähnlich,  der  Kopf 
aber  war  in  Folge  der  langen  Zeit  zerstört  und 
nicht  mehr  deutlich  zu  erkennen;  bei  meiner  Be- 
rührung fielen  feste  und  sehr  harte  Schuppen  ab'. 
Die  weitere  Geschichte,  wie  einer  der  Collegen  des 
Deniostratos  eine  Probe  vou  der  Haut  des  Tritons 
verbrannte,  um  zu  erkennen,  ob  es  ein  Geschöpf  der 
See  oder  des  Landes  sei,  und  kurze  Zeit  darauf  er- 
trank, und  wie  die  Tanagräer  das  als  Strafe  für  diesen 
Frevel  ansahen,  bietet  weiter  kein  Interesse.  Ueber 
eine  dritte  Stelle  vermögen  wir  leider  nicht  zur 
Klarheit  gelangen.  Bei  Athenaeus  XII  S.  551A 
lesen  wir  zum  Schluss  des  Kataloges  der  unnatür- 
lich Wohlbeleibten,  es  sei  doch  besser  arm  zu  sein 
und  mager  i]  vnsQTtlovTovvTa  roT  Tavayqauü  xij- 
TEi  ioixevai  xaf^ariEQ  n'i  nQoetQrjftei'oi  arÖQsg. 
Es  liegt  nahe,  in  diesem  xfJTos  eben  unseren  Triton, 
und  in  dieser  sprichwörtlichen  Redensart  einen  wei- 
teren Beweis  von  der  Popularität  des  Meerwunders 
zu  sehen,  jedoch  hat  Meineke  (Philologicanan  exer- 
citalionum  in  Alhenaei  Deipiiosophistas  specimen  II 
S.  25  und  danach  in  seiner  Ausgabe  IV  S.  25ü) 
die  Richtigkeit  der  Lesart  bezweifelt,  unter  Hin- 
weis auf  die  leider  corrupte  Glosse  des  Hesych 
TavayQaliov  '/  vfjv  x^rsi  o/noinzrjTa.  Eqingng  ksyei 
tivai  Tira  fi'  Tavayqq  nayiiaTOv  og  kXiy&in  Krj- 
Tevg.  Er  schreibt  deshalb  auch  bei  Athenaeus 
KrjT£i,  und  versteht  beide  Stellen  vou  einem  unge- 
wöhnlich  dicken  Menschen,    der  den  Namen   oder 

2)  Es  ist  aurtullig,  dass  Tansanias  hier  wie  V  12,  1  das 
Nashorn  als  tuvijos  .iHtionixög  bezeichnet,  worunter  andere 
Schriftsteller  ein  fabelhaftes  Ungeheuer  verstehen,  vgl.  Aelian's 
Thiergeschichtc  XVII  45  mit  der  Anmerkung  von  Jacobs;  für 
die  übrigen  genannten  Thiere  vgl.  dort  II  38.  IV  21.  VI  20. 
VII  3.    XVI  41.  42. 


267 


P.  Wolters,  J-»ci-  Triton  von  Tanagrn. 


268 


waliischeinlicber  den  Spitznamen  Keteus  gefUlnt 
habe.  Die  Scliwierigkeit,  tla!<s  wir  auf  diese  Weise 
in  Tanag-ia  ein  berühmtes  xriTog  und  einen  sprich- 
wörtlichen KijTavg  liabeu,  liegt  auf  der  Hand,  und 
wenn  ich  aucli  glauben  möchte,  dass  ein  Zusam- 
menhang dazwischen  besteht,  so  sehe  ich  doch 
keine  Möglichkeit  in  einfacher  und  sicherer  Weise 
die  Ueberlieferungen  zu  vereinigen^). 

Jedenfalls  ist  der  Triton  von  Tanagra  aus  der 
Liste  der  Kunstwerke  zu  streicheu,  und  wenn  er 
auf  der  Münze  zu  Füssen  des  Götterbildes  er- 
scheint, so  kann  er  diese  Stelle  nur  dem  Stempel- 
schneider verdanken,  der  ihm  auch  wohl  die  leb- 
hafte Bewegung  und  den  Kopf  wieder  verlieli;  eine 
einfache    Abbildung    der    Mumie    würde    auf    der 

••)  Man  könnte  vei-muthen,  Krjjtvg  sei  auch  in  TanagiM 
mythisclier,  vielleicht  in  der  Gestalt  eines  zijro?  gedachter  Ahn- 
herr gewesen,  der  dann  spater  an  Würde  so  sehr  eingebüsst 
haben  müsste,  dass  man  seinen  angeblichen  Leichnam  als  Cn- 
riosität  zeigte.  Allerdings  galt  es  den  Tanagräern  auch  dann 
noch  als  «af'ßrj/^tt,  was  der  neugierige  Genosse  des  Demostratos 
that.  Zu  Kr,T(vs  vgl.  Wilamowitz,  Homerische  Untersuchungen 
S.  152,12.     8allet's  Zeitschrift  liir  Nnraismatik  XIII  S.  73, 


Münze  undeutlich  geworden  sein,  und  es  kam  ja 
nur  darauf  an,  das  Meerwunder,  auf  dessen  Besitz 
Tanagra  stolz  sein  durfte,  in  möglichst  deutliclier 
und  überraschender  Gestalt  vor  Augen  zu  führen. 
Ist  aber  auf  diese  Weise  jeder  engere  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Triton  und  dem  Dionysos  des 
Kaiamis  gelöst,  so  ist  uns  wohl  die  Sicherheit  ge- 
geben, dass  der  Dionysos  der  Münze  auf  ein  Werk 
in  dem  von  Pausanias  erwähnten  Tempel  zurück- 
geht, aber  nicht  mehr.  Man  kann  es  walirschein- 
lich  finden,  dass  dies  das  Hauptbild  des  Tempels 
sei,  obschon  Pausanias  eben  dies  eigentliche  Cult- 
Ijild  dem  Kaiamis  zuzuschreiben  scheint,  da  er  es 
kurz  als  in  äyaf^ia  bezeichnet.  Vielleicht  liegt 
hier  wieder  einer  jener  Fälle  vor,  in  denen  Pau- 
sanias uns  Nachrichten  bietet,  die  nur  für  eine 
weit  vor  ihm  selbst  liegende  Periode  Richtigkeit 
liatten,  vielleicht  lässt  sich  die  Schwierigkeit  auf 
anderem  Wege  heben:  keinesfalls  kann  sie  gegen 
die  vorgetragene  Auffassung  des  Münzbildes  in's 
Feld  geführt  werden. 

Bonn,  im  Oktober  1885. 

Paul  Wolters. 


269 


270 


DIOSKUREN  AUS  SÜDITALIEN. 


Das  hier  uach  einer  Eicliler'schen  Zeiclinung- 
in  74  '^er  natürlichen  Grösse  (Höhe  0,11  tn.,  Breite 
0.07  m.)  in  Zinkdruck  mitgethcilte  kleine  Jlonunient 
aus  gebranntem  Thon  wurde  der  Seltenheit  der  Dar- 
stellung wegen  im  römischen  Kunsthandel  erworben 
und  stammt  nach  einer  zuverlässigen  Mittheilung 
aus  dem  Tarentinerlande,  aus  der  Gegend  von 
Bari.  Das  Material  hat  eine  rüthliche  Farbe.  Auf 
der  durch  die  Reinigung  stark  angegriffenen  Ober- 
fläche treten  rothe  Farbspuren  an  verscliiedenen 
Stellen  deutlich  zu  Tage.  Die  Rückseite  ist  ausser 
der  oberen  Partie  um  Ko])f  und  Hals  ganz  roh 
behandelt  und  zeigt  in  der  Mitte  ein  grosses  rund- 
liches Brennloch. 

Wir  erkennen  zwei  nackte,  dicht  neben  einan- 
der sitzende  Jünglingsgestalteu,  mit  lang  herab- 
wallendem Haar,  die  Köpfe  mit  Spitzmützen  be- 
deckt, von  denen  die  eine  rechts  vom  Beschauer 
zur  Hälfte  abgebrochen  ist.  Hie  legen  sich  wechsel- 
seitig die  inneren  Arme  um  die  Schultern,  die 
äusseren  Arme  fassen  nach  dem  Rücken  der  bei- 
den Thiergestalten,  welche  von  rechts  und  links  zu 
ihnen  aufspringen.  Letztere  sind  durch  den  breiten 
Kopf,  die  Schnauze,  die  stark  hervortretenden  Hüft- 
knochen, den  schlanken  Leib  deutlich  als  katzen- 
artige Raubthiere,  Löwen  oder  Panther,  charakte- 
risirt.  Sie  legen  den  Kopf  und  die  beiden  deut- 
lich   ausgeprägten   Vordertatzen    auf   die   äusseren 


Oberschenkel  der  .Jünglinge;  auf  der  linken  Seite 
ist  deutlich  die  rechte  Hand  des  Jünglings  zu  er- 
kennen, welche  das  Thier  unter  dem  Kopf  fasst. 
An  dem  rechten  Unterschenkel  des  Sitzenden  rin- 
gelt sich  der  Schweif  des  aufspringenden  Löwen 
aufwärts:  auf  der  schlechter  erhaltenen  rechten 
Seite  der  Gruppe  sind  die  Details  nicht  mehr  so 
genau  zu  erkennen.  Auch  die  Oberfläche  der  Ge- 
sichter der  Jünglinge  ist  stark  angegriffen  und  ver- 
waschen :  die  Arbeit  des  Ganzen  roh  und  unsorg- 
fältig. 

Trotzdem  uns  keine  ganz  analogen  Darstel- 
lungen erhalten  sind'),  so  kann  doch  über  die 
Bedeutung  dieser  interessanten  Gruppe  kein  Zweifel 
obwalten.  Wir  haben  fraglos  das  spartanische 
Brüderpaar  der  Tyndarideu  in  derselben  zu  er- 
kennen ,  dessen  Cult,  wie  die  unteritalischen  Mün- 
zen beweisen,  mit  den  lakonischen  Colonisten  im 
achten  und  siebenten  Jahrhundert  vor  Christus  nach 
Grossgriechenland  herüberkam  und  dort  stets  in 
hoher  Ehre  stand:  man  vergleiche  u.  a.  die  Gold- 
münze bei  Lenormant  Gazella  archeolog.  VII  p.  164. 
Am  nächsten  kommt  noch  unserer  Darstellung  die 
Terracotta  aus  Kyzikos,  ])ublicirt  und  auf  Dios- 
knren  gedeutet  von  Gerhard  Archäol.  Zeitg.    186.0 


')  Vgl.    die  Siubildei-    der   nimisclien    l'enuten   Dionys  I  68 
imj   die  Münzen   der  gens  Caesiii. 


271 


Fr.  Marx,  Dioskuren  aus  Siiditalien. 


272 


Taf.  199  p.  66^).  Das  Neue  uud  Interessaute  in- 
dessen, was  unsere  Gruppe  bietet,  ist  das  merk- 
würdige Beiwerk  der  aufspringeudeu  katzenartigeii 
Thierfigureu  zu  beiden  Seiten.  Es  sind  dieselben 
keineswegs  etwa  rein  ornamental  aufzufassen,  wie 
die  mannigfachen  Thiergestalten,  Löwen,  Sphinxe 
und  Greife,  welclie  als  Stütze  der  Armlehnen  von 
Sesseln  und  Stühlen  dienen:  weit  eher  macheu 
dieselben  den  Eindruck  von  Attributen,  wie  die 
Löwen  der  Kybele  oder  der  asiatisclien  Artemis, 
welche  in  gleicher  Weise  den  Göttinnen  zur  Seite 
stehen.  Die  Jünglinge  packen  vertraulich  mit  der 
Hand  den  Kücken  der  anspringenden  Thiere,  welche 
ihrerseits  Kopf  und  beide  Vordertatzen  ganz  zahm 
auf  die  Oberschenkel  ihrer  Herrn  auflegen. 

Von  den  Löwen  oder  Panthern  als  den  heiligen 
Thieren  der  Dioskuren  ist  weder  aus  der  Sage 
noch  aus  dem  Cult  derselben  irgend  eine  Andeu- 
tung erhalten.  Die  heiligen  Thiere  der  ö^eni  lav- 
xönwlni  sind  die  Lichtrosse:  in  der  Heldensage 
dagegen  ist  der  sterbliche  Kastor  allein  der  Rosse- 
tummler'),  wie  auf  der  Vase  des  Exekias  im  Museo 
Gregoriano  {Moimm.  II  Tav.  XXII),  wo  dem  Poly- 
deukes  ein  zu  ilim  aufspringender  Hund  beigegeben 
ist.  Das  Scliema  der  zu  beiden  Seiten  aufsprin- 
genden Raubthiere  scheint  uns  vielmehr  in  die 
Heimath  jener  Artemis-  und  Kybele- Idole,  nach 
Kleinasien  zu  verweisen. 

Dies  unscheinbare  Monument  zeigt  klar  die 
Macht  einer  durch  ein  bedeutenderes  Denkmal  der 
bildenden  Kunst  angeregten  rein  bildlichen  Tradi- 
tion. Die  Schaaren  spartanischer  Auswanderer, 
welche  im  achten  und  siebenten  Jahrhundert  im 
Westen  eine  neue  Heimath  suchten,  und  unter  denen 
besonders  Perioeken  aus  Amyklae  und  Tlierapuae 
genannt  werden,  brachten  fraglos  auch  ilire  Götter- 
bilder mit  in  ihre  neuzugründenden  Wohnsitze  und 
unterhielten  stets  einen  regen  Verkehr  mit  der 
Mutterstadt  am  Taygetos,  besonders  einen  Verkehr 
religiöser  Art*).  Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass 
die  archaische  Bronze  aus  Grumentum  Mon.  \ 
Tav.  L,  welche  einen  gerüsteten  Krieger  mit  Helm 
und  Lanze,  hinter  ihm  einen  Jüngling  ohne  Waffen, 
beide  in  vollem,  langen  Haarschmuck  auf  demsel- 
ben Pferde  sitzend,  darstellt,  angeregt  ist  durch 
ein  Vorbild    auf   dem    amyklacjischen    Thron,    wo 

'-')  Uebcr  dieses  uml  ähnliche  Momimente  aus  Boeolien  und 
Olympia  vgl.  Mittheil,  des  athen.  Instit.   1885  S.  81  ft'. 

•■')  Ebenso  auf  dem  Spiegel  hei  Gerhard,  Etr.  Spieg.  III  'i, 
Taf.  CCLIV  A  1. 

*    Müller,   Dorier-  I   S.  12 7 f. 


dargestellt  war  MsyaTrevdip'  öa  tov  Mersläov  xal 
NixnaTQarnv  'innog  slg  rpfgcuv.  (Paus.  III  18,3^). 
Die  Darstellungen  der  Dioskuren  auf  italischen 
Münzen,  römischen  wie  griechischen,  zeigen  die 
Götter  meist  auf  ihren  Pferden  sitzend  und  stets 
einander  assimilirt.  Dieser  Assimilatioiisprocess 
muss  sich  frülizeitig  unter  dem  Einfluss  des  Cultus 
uud  der  bildlichen  Darstellungen  von  neuem  voll- 
zogen haben,  nachdem  die  Sage  die  &eol  lev- 
xnntolni.  geschieden  und  einen  sterblichen  Rosse- 
tunimler  Kastor  und  einen  unsterblichen  Faust- 
kämpfer Polydeukes  ausgebildet.  Auf  dem  Kypse- 
loskasten  war  der  eine  bärtig,  der  andere  unbärtig' 
dargestellt  nach  Paus.  V  19,2"):  noch  Plutarch 
(Ti.  Gracch.  2)  weiss  in  den  Darstellungen  der  Tyu- 
dareossölme  den  ni'xTtnog  von  dem  dQoßixog  zu 
unterscheiden,  und  die  Exekiasvase  giebt  nur  dem 
einen  das  Pferd,  das  mythologisch  beiden  gehört. 
Aber  daneben  besteht  die  Vorstellung  von  den  bei- 
den rossetummelnden  Zwillingsgöttern,  welche  ein- 
ander vollständig  gleichen,  weiter  fort,  in  Italien 
vorzüglich,  wo  auch  der  nv^  ayai}6g  Iloli'deir^r^g 
wieder  seinem  Bruder  assimilirt  wird  und  in  Rom 
beide  als  Castores  Innoöä^ioi  verehrt  werden. 

Die  beiden  aufspringenden  Thiergestalten  wer- 
den schwerlich  einer  blossen  Laune  des  Verfertigers 
dieses  rohen  Monuments  zuzuschreiben  sein:  wir 
werden  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  in  der  Heimath, 
in  der  Eurotasebene  das  Vorbild  oder  die  Anregung 
zu  einer  derartigen  Darstellung  suchen.  Pausanias 
berichtet  (III  18,  8)  bei  der  Beschreibung  des  amy- 
klaeischen  Thrones:  rov  Sgömv  de  ngog  rnlg  äno 
neoaaif  iq>  'i'rinwv  fy.uTfQ(üOiv  alaiv  o)  Tfröagsw 
nmdtg  '  xal  acplyyeg  rt  tlaiv  vnn  icng  'irtnotg  xai 
■Ürjoid  ai'OJ  ^invza,  riö  /.liv  nägdalig,  xcnot  Ss  inv 
rin'/.vösvxTjr  Haiva.  Die  beiden  'aufwärts  sprin- 
genden' Raubthiere  hatten  natürlich  mythologisch 
so  wenig  mit  den  Dioskuren  zu  Ihun,  \vie  die 
Sphinxe:  sie  waren  rein  ornamental.  Der  klein- 
asiatische Künstler  des  amyklaeischen  Thrones 
hatte  den  ganzen  decorativen  Apparat  seiner  Hei- 
math   mit    nach    Lakonien    herübergebracht.      Die 

•'')  Die  Stelle  verglich  schon  Brunn,  s.  BMelino  1851  p.  3i. 

'■)  F.  Lenormant  hat  Qazette  arch€ol.  VII  p.  165  zwei 
Tarcntiner  Terracottenköpfe  bekannt  gemacht,  beide  mit  dem 
I'ileus  bedeckt,  der  eine  bärtig,  der  andere  unbärtig:  mit  dem 
letzteren  vgl.  den  als  Dioskur  gedeuteten  Kopf  von  Tyndaris 
bei  Kekuld  „Die  Terracotten  von  Sicilien"  S.  40.  Zu  seiner 
Deutung  auf  Dioskuren  hätte  die  Stelle  des  Pausanias  ver- 
werthet  werden  können ;  doch  ist  diese  Deutung  äusserst  zweifel- 
haft.    Vgl.   Dünimler  AtmaU   1883    p.  19G. 


273 


Fl-.  M:ir\.   l»ioskiu-cn  aus  Siiiiitalii'n, 


274 


beiden  Tyudaiidcu  waveu  sclbstveistäudlicli  Gegen- 
stücke und  plastisch  dargestellt.  Zu  ihnen  spran- 
gen auf  den  Aussenseiten  wappeiiartig  von  ruclits 
und  links  die  katzenartigen  Bestien  auf,  welche 
Pausanias  als  Fanther  und  Löwen  bezeichnet.  Un- 
richtig liat  man  die  beiden  Thicre  sich  den  Heroen 
feindlich  gegenüber  gedacht.  Batiivkles  hatte  offen- 
bar das  Schema  der  zu  beiden  Seiten  der  asiati- 
schen Artemis  aufspringenden  Raubthiere')  auf  die 
Dioskuren  übertragen,  aber  doch  schwerlich  eine 
Löwenjagd  darstellen  wollen.  Auf  den  Armen  der 
uns  erhaltenen  Nachbildungen  der  ephesischen  Ar- 
temis sehen  wir  ein  zu  der  CUittiu  aufwärts  sprin- 
gendes Löwen-  und  Pantlierpaar:  so  auf  den  Ar- 
men der  Artemis  Ephesia  des  Museo  Pio  Clemen- 
tino  (Visconti  I  Tav.  32),  besonders  des  Museo  Tor- 
lonia  no.  483  und  öfters  (Ste]iliani  Coniple  rendii  18()8 
p.  24.  Menetreius  SyiuIxiHca  Dianac  Hphesiae  slaliia 
p.  9.  10.  58.  (50):  die  Artemisbilder  der  Heimatli- 
stadt  des  Batliykles  waren  aber  der  ephesischen 
gleichgebildet.  (Prcller  Griech.  Mythol.  ■'  I  p.  253). 
Auch  sonst  wechseln  auf  ornamentalen  Tliicrstreifen 
Löwen  und  Panther  mit  einander  ab  (Momim.  IX 
Tav.  25, 3).  Der  Sphinxe  unter  den  Pferden  waren 
vielleicht  mehrere:  wir  sehen  dieselbe  Art  der  De- 
coration an  der  oben  angeführten  archaischen  Bronze 
von  Grumentum,  wo  unter  dem  Pferde  mehrere  in 
kleineren  Verhältnissen  gearbeitete  Löwen-  und 
Pantherpaare  (?)  angebracht  sind.  Es  ist  nach  die- 
ser Analogie  dies  wahrscheinlicher,  als  dass  die 
Pferde  je  eine  Sphinx  unter  sich  hatten,  welche  als 
Stütze  diente:  einerseits  sehen  wir  zwar  oft  die 
Sphinx  als  Stütze  und  Fuss  von  Geräthschaften  be- 
nutzt und  andererseits  werden  gerade  Stützen  von 
Pferden   zu    einem   Steuerruder    oder  einer  Herme 

')  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Gerhard  Arcliüol.  Zeitg. 
18.34  Tal".  LXXff.  —  Von  den  Reeon.striictionen  de.s  ann- 
klaeisehen  Throns  fasst  die  eine  (Archäologische  Zeitung  1854 
Taf.  70)  die  Worte  ')r)o(it  Inui  ih^ovia  richtiger  auf;  auf  der 
anderen  (ebenda  1852  Taf.  43)  springen  die  Bestien  dtn  Dios- 
kuren entgegen,  wie  zum  Angriff'.  Die  Anmerkung  Milelihlifer?, 
Mittheilungen  d.  Athen.  Instituts  1879  S.  t!2  erledigt  sich  nach 
der  Betrachtung  der  Bronze  von  Grumentum  und  der  obigen 
Auseinandersetzung. 


u.  dergl.  verarbeitet,  wie  an  den  bekannten  Keiter- 
statuen  des  Museo  Nazionale  in  Neapel;  doch 
hatten  die  Posse  der  Dioskuren  auf  dem  amy- 
klacischen  Thron,  welche  wir  uns  steif  und  ruhig 
aussclireitend  denken  müssen  wie  das  Bronzepferd 
von  Grumentum,  schwerlich  eine  Stütze  nöthig. 

Audi  bei  den  Dioskuren  auf  dem  amyklaeischen 
Thron  bemerken  wir  links  und  rechts  aufspringende 
katzenartige  Kaubtliiere,  wie  auf  unserer  Terra- 
cotta.  Es  wird  dies  schwerlich  Zufall  sein.  Ein 
Kunstwerk  wie  der  Thron  des  Batliykles  musste 
bei  dem  Ausehen,  den  der  Cultus  des  Apollo  und 
der  Dioskuren  von  Amyklae  bei  allen  Dorern,  auch 
in  den  Colonien  genoss"),  ungemein  anregend  wir- 
ken und  unser  unscheinbares  Monument  zeigt,  wenn 
nicht  alles  trügt,  einen  Anklang  an  jene  Darstel- 
lung. Dass  wir  in  der  Tarentiner  Terracotta  keine 
reitenden  Dioskuren  vor  uns  haben,  sondern  die 
Jünglinge  nebeneinander  sitzen,  ist  für  diese  Auf- 
fassung ebenso  unwesentlich,  wie  der  Umstand  dass 
hier  die  iieideu  anspringenden  Bestien  einander 
ganz  gleich  sind  und  beide  Löwen  zu  sein  schei- 
nen. Ein  Künstler  entlehnt  ein  Motiv  von  einem 
Vorgänger  selten  ganz  unverändert.  Während  in- 
dessen die  anspringenden  Itaubtliierc  der  Dios- 
kurengruppe  auf  dem  amyklaeisciien  Thron  rein 
ornamental  und  schematisch  erscheinen,  unterschei- 
den sich  die  beiden  Löwen  zur  Seite  der  Terra- 
cottagruppe  bezüglicii  ihres  Verhältnisses  zu  den 
Göttern  in  nichts  von  den  attriijutiven  Löwen  der 
Kybele,  dem  Panther  des  Dionysos,  der  Hindin 
der  Artemis,  dem  Esel  der  Vesta.  Sie  sehen  aus 
wie  die  Attribute  der  Tyndariden.  Wir  sehen  unter 
dem  Einfluss  der  bildenden  Kunst  sich  liier  eine 
Umwandlung  in  historischer  Zeit  vollziehen,  welclie 
für  die  Anfänge  der  griechischen  Mythologie  E.  Cur- 
tius  in  der  Abhandlung  'Wappenstil  und  Wappen- 
gebrauch im  Alterthuni'  (Abhandl.  der  Berl.;  Akad. 
der  Wissensch.   1874j  S.  117   vorausgesetzt  hat. 

Rom.  Friedrich  Marx. 


'^  Die   Dioskuren    heissen  '-luvxkaToi  ßuailtiq,    'AiivyJ.atoi 
ilioC  Theokrit.  XXII   12-2.  A\)\t    Anthol.  Piilat.  219. 


Archäolog.  Ztg.   Jahrganjj  XLItl. 


19 


27.- 


276 


DIE  „HERA  VON   GIRGENTI" 
UND  DREI  ANDERE  KÖPFE. 


ü 


Eine  neue  Besichtigung  des  Originales  der  sog. 
Hera  von  Girgeuti  in  London  giebt  mir  Anlass  zu 
diesen  Bemerkungen. 

Ich  scliieke  voraus,  wie  es  mir  persönlich  mit 
diesem  Kopfe  gegangen  ist.  Bevor  ich  das  Origi- 
nal kannte,  versuchte  ich  es  oft  vergebens  den  Kopf 
zu  verstehen,  Hess  ihn  aber  immer  bald  wieder 
fallen,  da  ich  nichts  mit  ihm  zu  machen  und  ihn 
nirgends  einzureihen  wusste.  Ich  schalt  meine 
eigene  Thorheit,  denn  an  der  mir  überlieferten 
kunsthistorischen  Bedeutung  des  Kopfes  wagte  ich 
nicht  zu  zweifeln.    Später  als  ich,  1881,  zuerst  das 


Original  selbst  zu  sehen  bekam,  entschied  ich  mich 
dafür,  dass  es  eine  geringe  und  relativ  späte  rö- 
mische Arbeit  sei,  die  verschiedene  Elemente  in 
missverstandener  Weise  vermenge.  Ich  wurde  dann 
an  diese  Hera  wieder  erinnert,  als  ich  1884  bei  der 
Auetion  Castellani  in  Rom  einem  hochgepriesenen 
Kopfe  gegenüberstand,  den  ich  selbst  sciion  1877 
bei  Castellani  pflichtschuldigst  bewundert,  aber  nicht 
verstanden  hatte.  Diesmal  war  mir  sofort  klar, 
dass  der  Kopf  eine  Fälschung  sei.  Als  icli  nun 
vor  Kurzem  die  „Hera  von  Girgenti"  in  Lon- 
don   wiedersah,    erkannte   ich   zu   meiner    eigenen 


377 


A.  Kiirtwiiiigler.  l->ie  ,,Hcra  von  Oirgonti''. 


378 


Uebenaschung',     dass     auch     sie     nur     eine     Fäl- 
schung ist. 

Icli  kann  dies  freilicli  nicht  daduich  beweisen, 
dass  icii  etwa  den  VerCertiger  und  ein  Gestündniss 
desselben  vorführeu  könnte.  Ein  solcher  Beweis 
wird  ja  auch  nur  vom  Laien  verlangt  werden;  der 
Facliniann  weiss,  dass  in  diesen  Dingen  nur  die 
dem  Werke  selbst  entnommenen  Gründe  die  ent- 
scheidenden sind.  Ist  es  doch  schon  vorgekommen, 
dass  geständige  Fälscher  auch  ächte  Antiken  als 
ihre  AVerke  in  Ansprucli  nahmen  und  dadurch  ver- 
dächtigten. In  unserem  Falle  indess  glaube  icii, 
dass  es  sorgfältigen  Nachforschungen  gelingen 
niüsste,  den  Verfertiger  der  „Hera  von  Girgenti" 
nachzuweisen;  aber  ich  bin  im  Augenblicke  ausser 
Stande  sie  anzustellen  und  gestehe  auch  sehr  wenig 
Interesse  daran  zu  haben,  wie  der  Jlann  lieisst  oder 
hiess,  von  dem  die  vier  Köpfe  lierrühreu,  die  ich 
oben  in  Skizzen  habe  zusammenstellen  lassen. 

Denn  dass  der  Casteliani'sche  Kopf  (B)  und 
die  Hera  (A)  von  einem  und  demselben  Künstler 
verfertigt  sind,  war  mir  durch  die  völlige  Ueber- 
cinstinimung  von  Stil  und  Arbeit  sofort  deutlicii  ge- 
worden. Au  die  beiden  anderen  Köpfe  aber  er- 
innerte mich  Herr  Dr.  Puchstein,  als  ich  ihm  meine 
Ansicht  über  die  ersteren  mittheilte.  Und  eine  ge- 
naue Vergleichung  ergab  uns,  dass  der  in  Berlin 
im  Original  befindliche  und  hier  bereits  als  Fäl- 
schung erkannte  Kopf  C  und  der  kleine  Aphro- 
ditekopf des  Herrn  von  Warsberg  (D)  in  der  That 
aus  derselben  Fälscherwerkstatt  stammen  müssen 
wie  jene. 

Das  Uebereinstimmende  der  vier  Köpfe  tritt 
selbst  in  den  hier  gegebenen  Skizzen  hervor.  Ich 
habe  die  Seitenansicht  für  dieselben  gewählt,  weil 
sie  eine  Hauptsache  deutlich  macht,  die  völlig  un- 
antike Führung  des  Profiles.  Wir  besitzen  zwar  in 
der  statuarischen  Sculptur  bekanntlich  nur  wenige 
antike  griechische  Nasen  —  unsere  Köpfe  würden, 
wenn  sie  antik  wären,  einen  wunderbaren  Zufall 
darstellen,  der  gerade  an  diesen  vier  so  ähnlichen 
Stücken  die  Nasen  völlig  verschont  hätte  — ,  aber 
Reliefs  und  Vasen  und  namentlich  die  Münzen  ge- 
ben uns  reichen  Ersatz  und  lehren  uns  die  Ent- 
wicklung der  griechischen  Pi-ofilbildung  vollständig 
kennen.  Ich  habe  eine  dei'  hier  angewandten  ent- 
sprechende an  ächten  Werken  niemals  bemerkt. 
Das  Eigenthümliche  und  Unantike  derselben  besteht 
hauptsächlich  in  der  zu  lang  herabhängenden  Na- 
senspitze und  dann  in  dem  zurückweichenden  kraft- 
losen Kinn.    Gemeinsam  ist  den  vier  Köpfen  ferner 


eine  gewisse  Manier  der  Haarbeliaudlung;  die  Art 
der  Scheitelung  über  der  Stirn  und  die  Bildung 
der  Haare  des  Oberkopfes  ist  an  allen  fast  ganz 
gleich.  Für  die  Haarschleife  im  Niicken  hatte  der 
Künstler  eine  Vorliebe,  aber  er  hat  sie  in  keinem 
Falle  richtig  anzubringen  gewusst.  Eine  Vorliebe 
hatte  er  ferner  für  den  strengeren  Stil,  von  dessen 
Elementen  er  den  Köpfen  A  —  C  etwas  gab.  Ge- 
meinsam ist  ilmen  allen  endlich  auch  eine  leichte 
Neigung  und  Wendung. 

Betracliten  wir  nun  die  einzelnen  noch  etwas 
näiier. 

A.  Die  ..Hera  von  Girgenti"  im  British  Mu- 
seum. Sie  tauchte  Ende  der  60er  Jahre  in  Neapel 
auf  und  kam  bald  in  Besitz  von  AI.  Castellani '), 
auf  den  jedoch  keinerlei  Verdacht  fällt,  als  ob  er 
um  die  Fälschung  gewusst  oder  gar  sie  veranlasst 
habe.  Der  Kopf  besteht  aus  italischem  Marmor 
nicht  sehr  guter  Qualität  und  etwas  bläulichgrauer 
Farbe.  AVie  an  einer  Stelle  des  Hintcrkojtfes  er- 
sichtlich, ist  er  aus  einem  bereits  anders,  wahr- 
scheinlich architektonisch  verwendet  gewesenen 
Blocke  gearbeitet.  Derselbe  reichte  für  den  Hinter- 
kopf nicht  ganz  aus.  An  mehreren  Stellen  ist  der 
Kopf  mit  einer  hauptsächlich  durch  Säuren  erzeug- 
ten künstlichen  Corrosion")  bedeckt,  wie  sie  von 
den  Fälschern  in  Italien  immer  angewandt  wird 
und  die  z.  B.  den  aufmerksamen  Besuchern  des 
Museo  Torlonia  in  Rom  besonders  bekannt  sein 
wird.  —  Der  Kopf  ist  in  allgemeiner  Anlehnung 
an  die  sog.  Polykletische  Amazone  und  an  die 
Hera  oder  Demeter  genannten  Kopfe  und  Statuen 
strengeren  Stiles  in  den  italienischen  Museen  ge- 
arbeitet, doch  kein  einziger  Zug  ist  wirklich  ver- 
standen. Besonders  unklar  war  der  Künstler  über 
die  Haartracht.  Da  der  Block,  wie  schon  bemerkt, 
am  Hinterkojjfe  nicht  ganz  ausreichte,  machte  er 
hier  eine  Andeutung  als  ob  eine  Haarschleife  wie 
(He  an  B  und  0  weggebrochen  sei,  ohne  zu  beden- 
ken, wie  wenig  eine  solche  zu  der  strengen  Haar- 
tracht gepasst  haben  würde.  Ganz  ungehöriger 
Weise  aber  Hess  er  vor  dem  Olir  ein  Löckchen 
herabfallen,  ein  Motiv,  das  in  der  etli'ectvollen  und 
freien  Haarbehandiung  des  hellenistischen  Stiles  zu 

1)  Heibig  in  den  Annali  d.  Iiisl.  1869.  1-I4H'.  Monum.  d. 
Inst.  IX,  1.  Ovei-beck,  Kunstmjthol.  der  Hera  S.  81;  Atlas 
T;if.  IX.  4.  5.     Friederichs -Wolters,  Gipsabgüsse  501. 

■-')  Fiilschlicli  haben  Heibig  (a.  a.  0.)  und  Murray  {lii.il.  of 
yr.  sculj)!.  I,  278)  dieselbe  für  eine  zu  st.irke  Reinigung  mit 
Säuren  gehalten.  Von  wirklicher  Heinigung  oder  Ueberarbeitung 
ist   keine  Spur  zu  bemerken. 

19* 


279 


A.  Furtwäiiifler,  Die  _Uera  von  Girgenti''. 


280 


Hause  i.st,  aber  mit  dem  liier  augeiiommeneu  stren- 
geren Cliaral\ter  in  unvereinbarem  Widersprutilie 
steht.  Auch  ein  solches  steifes  und  plumpes  Diadem 
erinnere  ich  mich  nirgends  gesehen  zu  haben.  Sollte 
die  alterthiimliche  hohe  Stephane  der  Hera  nachge- 
bildet werden,  so  uiusste  sie  in  ringsum  gleicher 
Höhe  um  den  Kopf  gehen;  das  gewöhnliche  Dia- 
dem aber  hat  immer  ein  geschwungenes  Profil. 
Vor  Allem  nichtssagend  und  kleinlich  ist  endlich 
der  Mund  mit  seinen  leblosen  schwächlichen  For- 
men, die  sich  wieder  im  stärksten  Widerspruch  mit 
dem  angenommenen  Gesammtcharakter  lietinden. 

B.  Dieser  Kopf  kam  vor  etwa  zehn  Jahren 
bei  AI.  Castellani  in  Rom  zum  Vorschein,  und  zwar 
mit  der  Fuudangabe  Sicilien.  Bei  der  Auction  der 
Sammlung  Castellani  im  Jahre  1884  zu  Rom  bil- 
dete er  ein  Hauptstück'),  blieb  aber,  wenn  ich  nicht 
irre,  im  Besitze  der  Familie.  Er  ist  aus  italischem 
etwas  bläulichem  Marmor*)  gearbeitet  und  zeigt  au 
vielen  Stellen,  namentlich  an  den  Haaren,  dieselbe 
künstliche  Conosion  wie  die  „Hera  von  Girgenti". 
Die  Uebereinstimmung  mit  der  letzteren  im  Ganzen 
und  Einzelnen,  in  der  Formenbehandlung  wie  im 
Technischen  ist  ganz  in  die  .Augen  fallend.  Man 
vergleiche  namentlich  die  Haare  am  Oberkopfe  so- 
wohl wie  vorne;  dann  die  hier  ganz  ausgeführte 
Haarsclileife  über  dem  Nacken,  die  zu  dem  ama- 
zonenartigen strengereu  Charakter  des  Ganzen  so 
gar  nicht  passt.  Dann  das  kleine  Löckchen  vor 
dem  Ohr  genau  ebenso  wie  an  jener  „Hera".  End- 
lich die  lange  Nase,  der  Ansatz  der  Oberlippe  an 
dieselbe  und  der  matte  leblose  Mund,  das  charakter- 
lose flaue  Kinn. 

C.  Kopf  im  Berliner  Museum^).  Derselbe 
kam  schon  1825  in  Besitz  der  königlichen  Samm- 
lungen und  war  durch  Vermittclnng  Bunsen's  von 
Capranesi  in  Rom  gekauft  worden,  lieber  seinen 
Fundort  wurde  „absichtliches  Geheimniss"  bewahrt: 
doch  schien  eine  Spur  auf  Neapel  als  seine  Her- 
kunft zu  weisen ").  die  Iteachtenswerth  ist,  da  auch 


'■')  Er  ist  von  zwei  Seiten  aligeliiMet  ninl  kurz  bosc^liriehen 
in  dem  Anctionseatalog  von  AV.  Fiiiliiier  pl.  XXII.  XXIII. 
.\o.  108.').     Danach   un^o^e  Zeichnung. 

^;  Nicht  aus  pai-ischem ,  wie  in  dem  angcliilirten  Cataloge 
angegeben  wird. 

')  Vcrzeichn.  d.  antiken  Scul)]turen,  lierlin  18.S.J,  N".  1328; 
als  Fälschung  beschrieben. 

'■)  Icli  setze  hier  den  Wortlaut  der  mir  von  Hrn.  Dr.  l'iu-li- 
stein  nachgewiesenen  Notiz  Bunsens  vom  12.  Dccember  1825 
in  den  Acten  der  kgl.  Museen  her:  „Leider  bin  ich  noch  nicht 
im  Stande  über  die  Herkunft  des  merkwürdigen   antiken   Koiifes 


A  von  dort  kam.  Er  ist  aas  schönem  weissem, 
wahrscheinlich  griechischem  Jfarmor  gearbeitet.  Die 
künstliche  Corrosion  ist  hier  stärker  als  an  A  und  B; 
sie  ist  namentlich  stark  auf  der  einen  Wange. 
Auch  sonst  hat  sich  der  Urheber  noch  mehr  Mühe 
gegeben  den  Schein  des  Antiken  durch  künstliche 
Risse  und  Brüche  zu  erwecken.  DieUebereinstimraung 
mit  A  und  B  ist  nicht  gauz  so  gross  als  die  der  beiden 
letzteren  unter  einander.  Der  araazonenartige  Cha- 
rakter und  die  ganze  Auffassung  ist  zwar  dieselbe; 
auch  die  Haartracht,  wieder  mit  der  unpassenden 
Schleife,  stimmt  im  W^esentlichen  überein.  Doch 
fehlt  das  Löckciien  vor  dem  Ohr;  auch  ist  das 
Haar  des  Oberkopfes  ein  wenig  anders  behandelt 
als  an  A  und  B  und  Auge  und  Mund  sind  etwas 
strenger  als  dort.  Auch  das  Kinn  ist  nicht  ganz 
so  schwächlich,  kurz  der  Kopf  eigentlich  besser  als 
jene  beiden.  Dennoch  ist  die  Uebereinstimmung 
im  Wesentlichen  so  gross,  dass  ich  an  der  Iden- 
tität des  Künstlers  nicht  zweifle.  Die  Köpfe  A  und  B 
werden  also  wohl  schon  längst  existirt  haben,  be- 
vor sie  als  in  Sicilien  gefunden  bei  AI.  Castellani 
auftauchten. 

D.  Kopf  im  Besitze  des  Freiherrn  von  Wars- 
berg in  Wien.  Icii  kenne  denselben  nur  im  Ab- 
guss.  Er  wurde  angeblich  vor  etwa  2  Jahren  in 
Athen  unterhalb  der  Akropolis  gefunden.  Verdacht 
an  seiner  Aechtheit  ist  schon  von  mehreren  Seiten 
ausgesprochen  worden ').  Die  Uebereinstimmung 
des  Kopfes  in  der  Gesammtanordnung,  der  Haar- 
behaudlung  und  dem  Proflie  mit  den  drei  anderen 
ist  offenbar.     Auch  die  Art  der  Arbeit   ist,    soweit 


und  den  vermuthlichen  Fundort  etwas  Nüheres  zu  berichten. 
AVährend  der  Monate  September  und  October  habe  ich  last  vier 
Wochen  hindurch  die  Nachbarschaft  von  Frascati  und  der  Stadt 
durchfragt  und  durchsucht  um  hinter  die  Wahrheit  zu  kommen. 
Ich  hatte  absichtlicli  mir  dort  ein  Landhaus  gemietbet,  um  bei 
erhaltener  Nacbweisung  unter  meinen  Augen  an  Ort  und  Stelle 
nachgraben  lassen  zu  können.  Das  Resultat  ist  am  Ende  nur 
gewesen,  dass  ein  absichtliches  Geheimniss  über  den  Fundort 
waltet.  Die  Meinung  Einiger  ist,  dass  der  Kopf  vor  geraumer 
Zeit  aus  der  berühmten  Sammlung  des  Schlosses  Mondragone 
gestohlen  sei,  worin  allerdings  mehrere  Kopfe  fehlen,  ohne  dass 
man  bei  der  dreissigjiihrigen  Vernachlässigung  jener  Villa  X'ach- 
wcisungen  über  den  ehemaligen  Bestand  derselben  erhalten  kann. 
Andere  glauben,  dass  der  Koiif  urspiünglich  im  Neapolitani- 
schen gefunden  und  hierher  insgeheim  transportirt  sei,  damit 
die  dortige  Regierung  ihn  nicht  reclamiren  könne." 

')  Friederichs- Wolters,  Gipsabgüsse  1458.  —  .\bgüsse  des 
Kopfes  sind  im  Publicum  unter  der  Bezeichnung  ,,Venns  von 
der  Akropolis",  zuweilen  mit  dem  Beisatze  „von  Praxiteles", 
weit  verbreitet  worden. 


281 


A.  Miciinclis.  Theseus  oder  lasoii? 


282 


ich  nach  dem  Abgüsse  urtheilen  kann,  dieselbe. 
Da  jedoch  dem  Künstler  hier  nicht  wie  dort  ein 
strengeres  amazonenartiges  Ideal,  sondern  das  der 
Aphrodite  aus  der  späteren  Kunst  vorschwebte,  so 
ist  der  Kopf  in  seinen  einzelnen  Formen  natürlich 
beträchtlicli  verschieden  von  jenen.  Statt  der  grossen 
Augen  des  älteren  Stiles,  der  dort  nachgeahmt  ist, 
finden  wir  hier  das  schmale  etwas  sclimachtende 
Auge  der  A])hrodite,  ihre  runderen  Wangen  und 
ihren  kleinen  volleren  Mund.  Dennoch  macht  das 
Ganze  einen  äusserst  unantiken  Eindruck.  Die 
Haarschleife  ist  hier  bei  der  Anlehnung  au  das 
spätere  Apliroditeideal  zwar  an  sich  berechtigt, 
aber  sie  sitzt  falsch.  Die  Binde  im  Haar  und  die 
rteheitelung  stimmt  ganz  mit  B  und  C  überein. 


Der  Verfertiger  dieser  vier  Köpfe  hat  sich  an 
keine  einzelnen  antiken  Stücke  genau  angeschlossen. 
Er  hat  aus  seiner  Kenntniss  der  Antike  heraus 
eigene  Schöpfungen  versucht.  Dabei  ist  er  verhält- 
nissmässig  nicht  ungeschickt  verfahren  und  mag  über- 
haupt kein  ganz  geringer  Künstler  gewesen  sein. 
Sehr  merkwürdig  ist  es  aber,  dass  seine  Werke 
wie  es  scheint  erst  lange  nach  ihrer  Entstehung  zu 
Anseheu  und  Ruhm  gelangt  sind,  und  zwar  dies  zu 
einer  Zeit,  wo  das  Verständniss  des  ächten  griechi- 
schen Stiles  doch  bereits  ein  höheres  und  allge- 
meineres war  als  vordem. 

A.    FURTWÄNÜLER. 


M  I  S  C  E  L  L  E  N. 


THESEUS  ODER  lASON? 
Nachtrag. 


Die  oben  S.  231  aufs  neue  von  mir  vertretene 
Ansicht,  dass  die  Erzählung  des  Miilhogniphus  Va- 
licaiius  von  Medeias  Autiieil  an  der  Entsendung  des 
Theseus  gegen  den  maratlionischen  Stier  auf  alter 
Ueberlieferung  beruhe,  hat  sehr  bald  eine  unver- 
hoffte Bestätigung  gefunden  Gleichzeitig  mit  dem 
dritten  Hefte  dieser  Zeitung  erhielt  ich  das  erste  Heft 
des  einundvierzigsten  Bandes  des  rheinischen  Muse- 
ums, in  dem  R.  Wagner  von  dem  Funde  einer  vati- 
canischen  Excerptenhandschrift  berichtet,  die  beson- 
ders durch  einen  Auszug  aus  dem  verlorenen  Theile 
von  Apollodors  Bibliothek  wichtig  ist.  Dieser  Auszug 
kommt  auch  den  Theseusabenteuern  zu  gute.  „Bei 
der  Erzählung  seiner  Ankunft  in  Athen",  sagt 
Wagner  S.  144,  ..und  der  Nachstellungen,  welche 
Medea  ihm  bereitet,  ist  es  liemerkenswerth,  dass 
Aegeus,  ehe  er  den  unerkannten  Sohn  durch  Dar- 
reichung des  Giftbechers  direkt  zu  verderben  sucht, 
ihn  gegen  den  Marathonischen  Stier  aussendet  in 
der  Erwartung,  dass  er  von  diesem  Unternehmen 
nicht  zurückkehren  werde-*;    worauf  dann   Wagner 


an  die  auch  von  Näke  und  von  mir  herange- 
zogene Stelle  Ovids  (Mel.  7,  433  ff.)  erinnert.  Damit 
wäre  also  die  Uebereinstimnuing  des  Mythographen 
mit  Apollodoros  nachgewiesen.  Der  zuvorkommen- 
den Freundlichkeit  des  Entdeckers  verdanke  ich  es, 
die  bezügliche  Stelle  hier  im  Originaltext  mittheilen 
zu  können: 

xaihiyng  nvv  &>jff£vs  rrjv  ndnv  t]x£v  eig  Jibrj- 
rag.  Mi]dtia  ds  Alysi  tote  avvoixovaa  ene- 
ßnvXevasv  avT(Z  xal  nsit}ei  zov  ^lyta  (fvkät- 
readoL  log  snißovXnv  avznv,  ^lyevg  ds  zov 
löinr  ayvnüiv  naWa  rieiaag  ensfiipsv  ettI  zov 
MoQnijuninv  lavQov.  log  öi  avsJlsv  avznv, 
nagä  Mr^öei'ag  Xaßdjv  ai'i^r^usQivnv  ngnarivEyxEv 
avzu)  (päg/^iaxov ,  o  öe  ftilloi'zng  avzot  znv  no- 
znv  Tjona<ftQ£ai)ai  iöioQi'jaazn  ziü  naTQi  xh 
^i'foc.  nneq  fTjLyvnvg  uilyeig  zrjv  xvXixa  e^eg- 
Qtipe  ZMv  yttQiüv  avzov.  0/]atvg  de  äi'ayywgi- 
o.'>6/'c    zoi    nazQi    xal    zrjv    iriißovXr^v    fiatßwv 


i^äßaXe  zt]v  Ulrjöeiav. 


Strassburg. 


Ai>.  Michaelis. 


283 


284 


DIE  VERSCHOLLENE  MEDICEIöCHE  POSEIDON-STATUE. 


Winckelmann    kannte    iiui-  eine 
einzige,    von    ihm    öfter    ervvälmte 
Statue  Poseidons,  in  der  Villa  Me- 
dici  (KG.  5, 1, 36.  Mo»,  ined.  S.  XLII. 
Werke  II,  505);  er  giebt  nichts  Nä- 
heres über  sie  an,   ausser  dass   er 
einige  Bemerkungen   über  die  Ver- 
schiedenheit   des    Bartes    und    des 
Haares  vom  Zeustypus  macht.    Die 
Statue  war  im  Jahre  1787  zur  Ueber- 
führung  nach  Florenz  bestimmt  (s. 
Docum.    ined.   per   serv.    aUa   storia 
dei  Musei  d'Ilalia  IV,  77  no.  18),  ist 
aber  nie  dahin  gelangt,  wenigstens 
dort  nicht   zum  Vorsehein    gekom- 
men;  die   Angabe    im   Register   zu 
Winckelmanns  Werken  (VII,  398), 
sie    „solle    in    Livorno    aufgestellt 
sein",  die  vernmthlicii  auf  AI.  Hirt 
(Bilderbuch  I,  25)  zurückgeht,    hat 
sich   als   irrthümlich  erwiesen   (vgl. 
Overbeck    Kunstmytii.    III,   201  f.). 
Da  die  Statue  auch  sonst  nirgendwo 
wieder   aufgetaucht   ist,    so  würde 
H.   Meyers    Zeichnung    des    Kopfes 
(zu  Winckelmanns  Werken  IV,  Taf. 
8,  A),  die  ohne  Zweifel  in  Rom  ge- 
macht ist,    die  einzige  Erinnerung 
an    das    Standbild    sein,    wenn    es 
nicht  einige  ältere  Zeugnisse  gäbe. 
Zunächst  bemerkt  F.  A.  Visconti  in 
seinem     Gutachten 
behufs  der  Ausfuhr 
von  Rom  nach  Flo- 
renz  (Docum.  hied. 
a.   0.    S.   78)    mit 
der  für  solche  Gut- 
achten cliarakteristi- 
schen  Aufriciitigkeit 

„ü  Neltuno  con  piccolo  Trilone  ai  piedi  e  dl 
mediocre  scultnra,  e  rislanralo  in  mollissime  parli". 
Ferner  ergiebt  sich,  da  ein  anderer  Poseidon  in  der 
Sammlung  Medici  nicht  vorhanden  war,  aus  dem 
1584  anlasslich  des  Verkaufs  au  den  Cardinal  Me- 
dici aufgenommenen  Inventar  der  Sculpturen  des 
Jlarchese  di  Cajjranica  (Ootti  Galt,  di  Firenze,  2.  Aufl., 
1875,  S.  362  =  Donim.  ined.  IV,  377),  dass  die  me- 


h{evlunuj  nLiritcne 


diceische  Statue  aus  dieser  Samm- 
lung herrührte.    Dort  heisst  es  von 
ihr  „Vn  Neiluno,   alto    pal.  11,   con 
le  ganibe  moderne  senza  braccia,  con 
il  posamento  antico"  (geschätzt  auf 
200  Ducaten).      Dass    es  sich   hier 
wirklich  um  dieselbe  Statue  handelt, 
beweist Aldrovandi(S.217  bei  Mauro 
Antich.  di  Roma,  1556),  der  1550  an 
gleicher  Stelle  im  Hause  Capranica 
antraf  „titi   Neltuno    ignudo    in    pie 
sopra    una    aniica    c    bella    hasi:   e 
setiza  braccia:  et  ha  seco  altaccato 
un  buslo  duna  nimpha  marina,   che 
dal  mcizo  in  giu  e  pesce,  ö  delphino: 
cosa   appropriata  ä  Neltuno,    che  e 
Idio  del  mare".     Da  nun  das  Haus 
Capranica  später  an  die  verwandte 
Familie  della  Valle   gelangte,    die 
Ijereits   die  drei  Nachbarhäuser  be- 
sass  (Arch.   Zeit.   1880,    13 f.),    so 
begreift  es  sich,    dass   eine  Abbil- 
dung der  Statue  im  zweiten  Baude 
von   Cavalieri's    anliquae  sta- 
iuae  nrbis  Romae  (III  et  IV  l., 
1594)  Taf.  27  (wiederholt  bei 
I.  D.    de    Rubels   insign.   stat. 
urbis  R.  icones,  1645)  die  Un- 
terschrift   Neplunus    cum    Tri- 
lone   In    aedibns    Vall.    trägt. 
Der  Kopf  zeigt  in  diesem  na- 
türlicii    sehr    massigen    Stich, 
der  wegen  der  Seltenheit  von 
Cavalieri's  Buch   hier  verklei- 
nert   wiederholt  wird ,    Aehn- 
lichkcit  genug  mit  H.  Meyer's 
Zeichnung,  um  au  der  Identität 
nicht  zweifeln  zu  lassen.    Die 
Abbildung  giebt  die  Statue  mit 
gebrochenen  Armen,  also  ohne  die  von  Visconti  er- 
wähnten   Ergänzungen.      Der    völlig    unbekleidete 
Gott  ruht  —    unter   der   Voraussetzung,    dass  hier 
wie    fast    durchweg   in    jenem    Werke    der    Stich 
im    Gegensinne    gemacht    ist   —   auf  dem    rechten 
Bein    und    hält    das  linke  in   der   bei  lysippischeu 
Statuen    beliebten   Weitstellung;    die    rechte   Hüfte 
tritt  stark  heraus.    Von  dem  gesenkten  linken  Arm 


285 


A<1.  Michaelis.  Die  Mcdicoisclie  Po.seidon-Statiie. 


286 


ist  etwa  ein  Drittel,  von  dem  gehobenen  rechten 
nur  die  Schulter  erhalten.  Der  Kopf  ist  anscheinend 
ein  wenig-  nach  seiner  Rechten  gewandt.  Neben 
dem  rechten  Bein  erblickt  man  das  in  den  Beschrei- 
bungen genannte  Jlischwcsen,  das  man  nach  dem 
.Stich  für  männlich,  also  mit  Visconti  für  einen 
Triton  halten  muss.  Der  Torso  desselben  reicht 
etwa  bis  /um  Knie  des  Gottes,  der  Kopf  sowie  der 
gehobene  linke  und  der  gesenkte  rechte  Arm  fehlen. 
Ein  zicnilicii  grosser  Block,  der  dem  linken  Unter- 
bein zur  Stütze  dient,  legt  den  Veidacht  modernen 
Ursprungs  für  diesen  Theil  der  Statue  nahe,  da 
der  Triton  am  anderen  Bein  zu  dem  angegebenen 
Zwecke  genügte.  Uebrigens  ist  es  nicht  ganz  un- 
möglich, dass  auch  der  Triton  modern  war.  Das 
oben  erwähnte  Inventar  Capranica  spricht  von  le 
gamhe  moderne,  und  auf  einem  jener  geringen 
Holzschnitte,  wie  sie  Girolamo  Francini  seit  etwa 
1590  verotientiichte  (wiederhqlt  z.  B.  in  der  Roma 
modenia  von  1687,  S.  5(3),  erseheint  unsere  Statue 
als  loms  sta.  in  hortis  Car.  Medic,  im  Uebrigen 
mit  Cavalieri's  Stich  übereinstimmend,  doch  so,  dass 
neben  dem  Standbein  ein  grösserer  ziemlich  form- 
loser Block,  neben  dem  gebogenen  Bein  Hals  und 
Kopf  eines  Adlers  sichtbar  werden.  Wenn  man 
jedoch  bedenkt,  dass  der  Triton  1550  von  Aldro- 
vandi  beschrieben,  1594  bei  Cavalieri  abgebildet 
und  wiederum  1787  von  J.  A.  Visconti  erwähnt 
wird,  und  dass  die  Statue  überall  als  Poseidon  gilt, 
so  kann  jeuer  dürftige  um  1590  entstandene  Holz- 
schnitt schwerlich  einen  genügenden  Gegenbeweis 
abgeben ;  ja  es  ist  nicht  ganz  undenkbar,  dass  der 
grosse  Block  nur  eine  missverstandene  Wiedergabe 
des  köpf-  und  armlosen  Tritontorso  ist.  Ein  Restau- 
rator in  der  ersten  Hälfte  des  Cinquecento  würde 
überhaujjt  nicht  leicht  darauf  verfallen  sein,  einen 
Poseidon  statt  des  so  viel  näher  liegenden  Zeus, 
einen  Triton  als  Nebenfigur  Poseidons,  und  einen 
Torso  anstatt  einer  vollständigen  Figur  zu  bilden. 
Die  Statue,  die  wir  somit  ruhig  als  Poseidon 
werden  gelten  lassen  dürfen,  gehört  im  Ganzen  in 
die  ziemlich  zahlreiche  Klasse  derer,  die  durch 
Münzen  mit  dem  ehernen  Poseidon  von  Kenchreä 
(Paus.  2,  2,  3)  in  Verbindung  gesetzt  werden  (s. 
Jouni.  ofHell.  Sind.  1885,  G6.  Taf.  51,  Ü0-ß2.  Mfiller- 


Wieseler  II,  (5,  72a,  vgl.  die  Gemme  bei  Overbeck 
Kunstmyth.  III  Gemment.  2,  9);  böotische  Münzen 
wiederholen  das  gleiche  Motiv  im  entgegengesetzten 
Sinne  (Overbeck  a.  a.  0.  Münzt.  6,  8.  Müller-Wieseler 
II,  6,  72.  Head  Guide  Taf.  42,  19.  Bril.  Mus.  Cal., 
Boeotia  Taf.  13,  5).  Die  weitbeinige  Stellung  kehrt 
auch  z.  B.  in  den  Bronzestatuetten  in  Wien  und 
Pest  wieder  (Overbeck  a.  0.  Hilfst.  3,  1.2),  aber 
dort  sind  beide  Arme  gesenkt.  Auch  der  Triton 
neben  dem  einen  Fuss  hat  seine  Analogie  in  der 
korinthischen  Münze  des  Commodus  (no.  02),  wo 
ein  ziemlich  grosser  Delphin  neben  dem  rechten 
Standbein  erscheint,  ähnlich  wie  in  den  Statuen 
von  Scherschel  (Arui.  1857  Taf.  E.  Overbeck  Atlas 
Taf.  12,  34)  und  von  Holkham  Hall  no.  18  (Clarac 
IV,  744,  1796  A).  Darin  aber  weicht  die  mediceische 
Statue,  so  viel  ich  sehe,  von  allen  verwandten  ab, 
dass  das  Standbein  mit  ausgebogener  Hüfte  nicht 
dem  gesenkten  sondern  dem  gehobenen  Arm  ent- 
spricht, der  ohne  Zweifel  einst  den  Dreizack  packte. 
Da  nun  zugleich  der  Blick  sich  etwas  nach  dieser 
Seite  zu  wenden  scheint,  so  dürfen  wir  uns  schwer- 
lich die  Hand  mit  einem  Delphin  oder  Hippokampen 
oder  einem  ähnlichen  Attribut  ausgestattet  denken, 
denn  nach  einem  ebenso  stehenden  wie  natürlichen 
Gebrauch  gehört  eine  beschwerte  Hand  auf  die  tra- 
gende Körperseite  und  zieht  die  Blickrichtung  nach 
sich;  vielmehr  hing  der  linke  Arm  wohl  unthätig 
herab,  obschon  der  Oberarm  stärker  zurüekgebogen 
zu  sein  scheint  als  man  danach  erwarten  sollte. 
Auf  jeden  Fall  nimmt  die  Statue  einen  gesonderten 
Platz  unter  den  Typen  des  Poseidon  ein.  Um  so 
mehr  bleibt  ihre  Wiederaufündung  zu  wünschen.  — 
Wenige  Tafeln  später  ist  bei  Cavalieri  eine 
Apollonstatue  in  aedibns  Victoriarum  (Palazzo 
Vettori  beim  Pantheon)  abgebildet,  von  der  ich  in 
meinen  Anc.  Marlies  in  Gr.  Brii.  S.  599  f.  unent- 
schieden Hess,  ob  sie  eine  Replik  des  Apollon  Egre- 
mont  oder  mit  diesem  identisch  sei.  Sicherlich  ist 
Letzteres  der  Fall,  da  gerade  alle  an  der  Pet- 
worther  Statue  ergänzten  Theile  hier  fehlen,  mit 
Ausnahme  des  1.  Schienbeines,  dessen  Ergänzung 
auch  hier,  wie  beim  Poseidon  Medici,  nöthig  war, 
damit  die  Figur  überhaupt  stehen  konnte. 


Strassburg. 


Ad.  Michaelis. 


287 


288 


NOCH    EINMAL    DIE   GRIECHISCHEN   SPEISE-TISCHE, 
(vgl.  Ai-eh.  Zeit«-.  XLII,  S.  179  uud  2SÖ.) 


Im  Berliner  Aiitiquariuni  befiudet  sich  eine  bei 
Clusium  gefundene  Bronze,  welche  in  zierlichster 
Arbeit  einen  mit  Castaguelten  seine  Bewegungen 
begleitenden  Tänzer  zeigt,  dem  ein  dreifUssiger  Tisch 
als  Postament  dient.  Friederichs,  Berl.  ant.  Bildw. 
II,  167  No.  093  bezeichnet  dies  Tischchen  als  modern. 
Herr  Professor  Furtwängler  hatte  die  Güte,  micli 
darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  dies  ein  Irr- 
thum,  der  Tisch  vielmehr  antik  und  ursprünglich 
zugeliörig  sei,  und  dass  derselbe  für  die  von  mir 
behauptete  Form  der  Tische  einen  neuen  Beleg  ab- 
gehe, nur,  dass  das  Tischblatt  ein  regelmässiges 
Rechteck  aufweise;  für  letztere  Form  hatte  ich 
mich  auch  schon  im  Nachtrage  zu  meinem  Auf- 
satze ausgesprochen.  —  Meiner  Bitte,  das  Tischchen 
zeichnen  zu  lassen,  kam  die  Rcdaction  dieser  Zeitung 
bereitwilligst  nach;  die  beifolgenden  Abbildungen  zei- 
gen dasselbe  in  7,  der  Oi  iginalgrösse  von  der  Seite 
und  von  unten  gesehen.  Herr  Dr.  Fränkel  bemerkt 
dazu  brieflich  folgendes:  „Die  Figur  steht  auf  einer 
antiken  oblongen  Plintljc,  zu  deren  Aufnalime  die 
Tiscliplatte  einen  vertieften  Einschnitt  aufweist,  wie 
die  Zeichnung  es  giebt.  Dass  die  Figur  mit  dem 
Tische  zusammengehangen  hat,  beweisen  die  antiken 
Nietspuren  an  der  Unterfläche  des  Tisches,  deren 
Abstände  zu  der  Form  der  Plinthe  genau  passen, 
und  mindestens  an  einer  Stelle  ist  auch  bei  dieser 
die  entsprechende  Spur  erhalten.  Der  Einschnitt 
des  Tisches  ist  aber  modern,  wie  man  nicht  zwei- 
feln kann,  wenn  man  seine  Fläclie  nach  Entfernung 
der  Figur  untersucht.  Ursprünglich  sass  also  die 
Figur  mit  ihrer  kleinen  Plinthe  ohne  weiteres  auf 
der  Tiscliplatte  auf.  —  Dass  'der  Tisch  antik  ist, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Friederichs  wurde 


zu  dem  entgegengesetzten  Glauben  verniuthlich  da- 
durch gebracht,  dass  die  Patinirung  von  der  der 
Figur  etwas  verschieden,  minder  stark  ist,  und  wohl 
auch  dadurch,  dass  ihm  die  Dreibeinigkeit  anstössig 
erschien;  endlich  mag  er  auch  den  modernen  Ursprung 
des  Einschnittes  bemerkt  und  daraus  eine  Bestäti- 
gung des  ihm  durch  die  beiden  anderen  Momente  an 
die  Hand  gegebenen  Verdachtes  entnommen  haben". 
Dies  Tischchen  bestätigt  demnach,  was  wir  aus 
auderen  Denkmälern  entnommen  hatten,  dass  von 
den  drei  Füssen  der  eine  an  der  schmalen  Seite, 
die  beiden  anderen  dagegen  an  den  beiden  Lang- 
seiten angebracht  sind,  und  zwar  so,  dass  noch 
ein  Theil  der  Tischplatte  über  dieselben  hinausragt; 
die  Uuteransicht  zeigt  ferner,  dass  auch  hier  die 
Vorrichtungen  zur  Aufnahme  von  Querstützen  an- 
gedeutet sind,  obgleich  diese  Stützen  nicht  vor- 
handen waren  und  der  Bildner  sich  mit  der  An- 
deutung der  für  ihre  Aufnahme  bestinmiten  Bet- 
tungen begnügte.  Wir  entnehmen  daraus  auch,  dass 
nur  zwei  Queerstützcn  vorhanden  waren:  eine,  welche 
die  beiden  einander  gegenüberliegenden  Füsse  ver- 


band, und  eine  zweite,  welche  vom  dritten  Fuss  aus 
zur  Mitte  der  ersten  Stütze  hinüberging.  . —  Die- 
selbe Form  des  Tisches  tritt  deutliciier  als  au  irgend 
einem  der  von  uns  gesammelten  Beispiele  an  dem 
Yasengemälde  aus  Neapel  hervor,  welches  vor  kur- 
zem Schreiber  im  kulturhistor.  Bilderathis  Taf.  7tj,2 
publicirt  hat.  Da  hier  die  Tischplatte  perspektivisch, 
nicht  wie  sonst  gewöhnlich  im  Profil  gezeiciinet  ist, 
so  ist  die  Stellung  der  Füsse  evident;  die  Queer- 
leisten,  die  auf  der  Schale  des  Duris  (Schreiber, 
Taf.  77,  9)  nebst  den  Stützen  deutlich  angegeben 
sind,  fehlen  hier. 


289 


K.  'Wernickc,  Vasen  mit  Mi'istci'iiaincii. 


290 


Es  ent^^teht  min  wieder  die  alte  T'rag'e:  was  liatfc 
diese  Form  der  Tische  für  einen  Zweck?  —  Die 
Erklärung-,  die  mir  jetzt  als  die  wahrscbeinlicliste 
vorkommt,  ist  folgende:  die  Tische  gingen,  weil  sie 
dazu  bestimmt  waren,  nach  der  Mahlzeit  vor  Be- 
ginn des  Sj'mposions  entfernt  zu  werden  (was  frei- 
lich oft  unterbleiben  mochte,  wenn  wir  den  Denk- 
mälern Glauben  schenken),  auf  Rollen  oder  Kadern; 
und  dass  es  bei  weitem  leichter  ist,  einen  drei- 
füssigen  Tisch,  bei  dem  das  eine  Bein  gewisser- 
maassen  die  Steuerung  übernimmt,    nach  einer  be- 


stimmten Richtung  zu  rollen,  als  einen  vierfüssigeu. 
das  liegt  auf  der  Hand  und  bedarf  nicht  erst  des  Hin- 
weises auf  dreirädrige  Stosswagen  und  dergleichen. 
Dass  aber  dies  eine  Bein  auf  den  Denkmälern  sich 
immer  an  der  Fussseite  des  Gelagerten,  nie  zu  Häup- 
teu  derselben  befindet,  das  kommt  jedenfalls  daher, 
dass  der  Gelagerte  so,  wenn  er  einmal  aus  der 
liegenden  Stellung  in  die  sitzende  überging  und  die 
Beine  auf  die  Erde  setzte,  nicht  Gefahr  lief,  mit 
einem  Tischbeine  zu  collidiren. 

H.  Blümner. 


ZU  DEN  VASEN  MIT 
Nachtrag  zu 

Zu  den  von  mir  zusammengestellten  Zeichnungen 
haben  sich  noch  einige  hinzugefunden,  welche  in 
dieselbe  Reihe  gehören.  Den  Namen  'ETildQoi.iog, 
den  ich  Sp.  256  vermuthungsweise  auf  der  Leagros- 
schale  ergänzte,  kann  ich  jetzt  aus  einer  zeitlich 
nahe  genug  stehenden')  Vase  belegen: 

Schale  mit  Innenbild.  Aufbewahrungsort  unbe- 
kannt.   App.  NN  208  A,  Mb. 

I.  Ein  nackter  Jüngling  steht  nach  rechts  vor 
einer  palästrischen  Stele;  beide  Hände  vorstreckend''), 
schickt  er  sich  zum  Sprunge  an.  Beischrift  fePI- 
APOA/^O  'EnlÖQnftng.  Der  Stil  weist  auf  die 
Uebergangszeit  von  der  Manier  des  Epiktetischen 
Kreises  zur  BUithe  des  strengen  Stils  hin. 

Zu  dem  Motiv  des  trinkenden  Mannes  in  Vor- 
deransicht Hesse  sich  noch  die  demselben  Kreise  wie 
die  ebengenannten  Gufässe  angehörige  Berliner 
Schale  2298  (App.  NN  216,  330)  sowie  die  von 
Minervini,  monnmetdi  arif.  ined.  possedvti  da  Raffaele 
Barotie  Taf.  X  abgebildete  Vase  mit  der  Spiiinx') 
anführen. 

Schalen  mit  ngoaayoQsvcij. 
2  (Klein).     Eine  Zeichnung  des  Innenbildes  be- 
findet sich  im  App.  NN  210,  319. 


')  Ihre  Entstehiingszeit  ist  etwas  früher  .ils  die  der  Lengros- 
schiile  anzusetzen. 

-)  Die  Halteren,  die  er  jedenfalls  hielt,    sind    in  der  Zeich- 
nung fortgelassen. 

')  Die  Sphinx  sitzt  unter  Männern  und  .Jünglingen,    denen 
sie  ihr  Riithsel   aufgiebt;    in    dem    Jüngling    links    vermag    ich 
Oedijius  ebensowenig  zu  erkennen ,    wie    in    dem    von   vorn  ge- 
sehenen Jüngling  rechts  lokaste. 
Archlinlog.  Ztg.   Jahrgang:  XLIIl. 


MEISTEKNAMEN. 

S.  249  ff. 

Schalen  mit  inoleoev. 
3  (Klein).  Wie  die  Zeichnung  App.  NN  203, 
307  zeigt,  liegen  zu  den  Füssen  des  Jünglings  statt 
der  räthselbaften  eiförmigen  Gegenstände  zwei  harm- 
lose Halteren,  die  mit  Eiern  nicht  die  geringste 
Aehnlichkeit  haben.  Natürlich  kann  sie  der  Jüng- 
ling in  diesem  Augenblick  nicht  gebrauchen,  da  er 
in  jede  Hand  einen  Springstock  genommen  hat. 
Der  Sprung  scheint  überhaupt  in  der  Palästra  ab- 
wechselnd mit  Stöcken  und  Springgewichten  geübt 
worden  zu  sein,  wie  dies  auf  einer  ehemals  Cande- 
lori'schen  Schale ^  (App.  NN  203,  306)  dargestellt 
ist.  Wir  sehen  daselbst  einen  nackten  Jüngling,  der 
in  jeder  Hand  einen  alTtjg  hält  und  vorschreitend 
sich  vornüber  neigt,  um  sich  zum  Springen  den  er- 
forderlichen Schwung  zu  geben.  Hinter  ihm  sielit 
man  in  schräger  Richtung,  also  zu  Boden  fallend, 
zwei  Springstöcke  gemalt:  der  Jüngling  hat  sie 
eben  weggeworfen  und  will  nun  zu  der  Uebung 
mit  den  Hanteln  übergehen. 

Vase  mit  dem  Lieblin^snameu  des  Megakles. 

Megakles  ist  der  Liebling  des  Phintias'j  und 
des  Euthymides.  Bisher  war  die  seine  Schönheit 
rühmende  Beischrift  nur  auf  zwei  Vasen  dieser  bei- 
den Vasenmalcr  bekannt.  Jetzt  kann  ich  eine 
dritte,  freilich  ohne  Malernamen  gelassene  Vase 
liinzufügen. 

■•)  Ich  finde  sie  im  Münchener  Katalog  nicht;  sie  wird  also 
wohl  mit  der  ersten  Sammlung  Candelori's  in  den  Vatican  ge- 
kommen sein. 

'■')  So  wird  der  Mann  doch  wohl  heissen,  wenn  er  sich  auch 
auf  den  drei  von  ihm  bekannten  Vasen  zweimal  't>iXtia;  resp. 
'I'ni'ni  verschrieben  hat. 

20 


291 


A.  Michaelis.  Zusatz. 


292 


Aiuphora,  von  Geiliavd  bei  Depoletti  gesehen. 
App.  NN  214,  327. 

Dargestellt  ist  ein  Komos,  der  sich  um  beide 
Seiten  des  Gefässes  herumzieht.  Auf  A  schreiten 
drei  bekränzte  Jünglinge,  nur  mit  einer  kleinen 
Chlamys  um  die  Schultern  bekleidet,  in  begeister- 
tem Rausche  nach  rechts;  der  vorderste  erhebt  die 
linke  und  senkt  die  rechte  Hand,  um  sich  im 
Gleichgewicht  zu  erhalten;  der  zweite  trägt  in  der 
Linken  wagerecht  einen  Stock,  erhebt  die  Rechte 
über  den  Kopf  und  wendet  sich  zu  seinem  Hinter- 
mann um;  dieser  letztere  bläst  die  Doppelflöte. 
Ueber  dem  Kopfe  des  dritten  Jünglings  steht 
MSAAKUE^,  über  dem  des  ersten  KAUO^. 
Den  Jünglingen  kommt  von  rechts  entgegen  ein 
bärtiger  Mann,  die  Leier  spielend  und  mit  erhobe- 
nem Kopfe  dazu  singend. 

Auf  B  sind  drei  Figuren  im  Hiraation:  linksein 
bärtiger  Mann  nach  rechts  stehend;  er  hält  mit  der 
rechten  Hand  eine  Schale  am  Fusse  zum  Kottabos- 
wurf   empor    und    blickt  nach   oben    zu  der  hinzu- 


zudenkenden nläaziy'^;  über  ihm  KAUO^.  Rechts 
davon  stehen  ein  Jüngling  und  ein  bärtiger  Mann 
einander  gegenüber;  sie  sind  im  Morraspiel  be- 
griffen. Beide  halten  in  der  Rechten  einen  Stock, 
und  der  Jüngling  hebt  drei  Finger  der  Linken  em- 
por, während  der  Gefährte  noch  überlegend  die 
Hand  verbirgt.  Ueber  der  Gruppe  KUEO^ON 
KAUO^. 

Ob  die  Vase  dem  Phintias  oder  dem  Euthymides 
gehört,  ist  bei  dem  überaus  älinlichen  Stil  beider 
nicht  zu  entscheiden;  auch  leidet  die  Zeichnung  an 
übel  angebrachter  Verschönerungssucht,  was  sich 
namentlich  an  den  Köpfen  bemerkbar  macht.  Aber 
trotzdem  schimmert  die  zierliche  Manier  des  Euthy- 
mides durch,  wie  ja  das  Bild  auch  stofflich  sich 
von  seinem  Gedankenkreise  nicht  entfernt  und  in 
dem  bei  Jahn,  Dichter  auf  Vasen bildern  Tafel  5  ab- 
gebildeten Gefäss,  das  bereits  Klein  zu  Euthymides 
gestellt  hat,  seine  nächste  Analogie  findet. 

Berlin.  Konrad  Wernicke. 


ZUS 

zu  S, 
Zu  dem  oben  mitgetheilten  Excerpt  aus  .\polIo- 
dor  möge  es  gestattet  sein  noch  vor  Abscliluss  die- 
ser Zeitung  eine  Bemerkung  hinzuzufügen.  Der  Be- 
richt Apollodors  stimmt  nicht  nur  mit  dem  Myllio- 
graphus  Vaticaniis  in  allem  Wesentlichen  überein, 
sondern  steht  aucli  dem  Scholiou  zu  H.  yt  741,  das 
den  Inhalt  des  euripideischen  Aegeus  nach  Krates 
wiedergiebt,  sehr  nahe,  nur  dass  hier  der  Zug  ge- 
gen den  marathonischen  Stier  fehlt  und  die  Ränke 
Medeias  sich  sogleich  in  der  Giftmischerei  zeigen. 
Sollen  wir  nun  in  dem  Zuge  gegen  den  Stier  einen 
blossen  Zusatz  der  Mythographen  oder  etwa,  wie 
Herr  Wagner  anzunehmen  geneigt  ist,  die  Aus- 
schmückung eines  späteren  tragischen  Nachdichters 
erblicken,  oder  gehört  auch  dieser  Zug  der  euri])i- 
deischen  Tragödie  an  und  ist  nur  in  der  Wieder- 
gabe des  Scholiasfen  ausgefallen,  dem  es  zur  Er- 
klärung des  homerischen  Verses  ();  rnaa  (pägfiaxa 
Jjdrj,  oaa  rgiffti  tvQÜa  yßwv)  lediglich  auf  das  Bei- 
spiel des  Giftmischens  ankam?  Ich  neige  zu  letz- 
terer Annahme,  so  dass  Apollodor  hier  den  euripi- 
deischen Aegeus  ebenso  wiedergäbe,  wie  seine  Er- 
zählung von  den  korinthischen  Ereignissen  deutlich 
eine  Ilypothesis  der  Medeia  desselben  Dichters  ent- 


ATZ 

281. 
hält.  Für  diese  Annahme  scheint  mir  Folgendes 
zu  sprechen.  Die  Verbindung  Medeias  mit  Aegeus 
und  Athen  ist  kein  alter  Sagenzug,  sondern,  so 
weit  wir  sehen  können,  eine  Erfindung  des  Euri- 
pides;  mit  dem  Thema  seines  Aegeus  steht  die 
Einführung  dieses  Königs  in  der  Medeia  in 
engem  Zusammenhang.  Nun  finden  wir  in  der 
Kodrosschale  Medeia  als  Theseus'  Gegnerin  im 
Hause  des  Aegeus  (nscpvxe  yäg  nug  naiol  nols- 
l^itog  yvvrj  zolg  ngöa^ev  tj  Cvytlaa  öevciga  naTQi, 
wie  es  in  Fragm.  4  des  Aegeus  heisst),  also  ein 
euripideischer  Zug;  und  ich  glaube  früher  gezeigt 
zu  haben  (Arch.  Zeitg.  1877,  76f.),  dass  der  Zug 
gegen  den  Stier  am  meisten  Anspruch  darauf  hat, 
als  Gegenstand  der  dort  geschilderten  Aussendung 
des  Theseus  zu  gelten.  Die  Kodrosschale  gehört 
aber  sicher  den  letzten  Jahrzehnten  des  fünften 
Jahrhunderts  an  (vgl.  Fr.  Winter  die  jüngeren  att. 
Vasen  S.  If.  9.  26),  fällt  also  schwerlich  in  den 
Bereich  eines  euripideischen  Nachdichters,  sondern 
steht  unter  dem  Einfluss  des  Euripides  selber,  was 
dann  natürlich  auch  füi-  die  Veroneser  Schale  und 
die  Vase  aus  Kertsch  gilt.  Von  dieser  Seite  steht 
also   nichts   der  Vermuthung  von   Wilamowitz  ent- 


293 


F.  Stiuliiiczka,  Naclitrai; 


294 


gegen  (anal.  Enrip.  S.  150.  175),  dass  die  Anspie- 
lung bei  Aristoplianes  Ach.  119  sicli  auf  den  Aegeus 
beziehe,  und  dieser  somit  vor  425  anzusetzen  sei, 
vielleicht  gleiclizeitig  mit  dem  428  aufgeführten 
Hi]ipol)'tos,  nachdem  die  Medeia  drei  Jahre  vorher 
das  Thema  angesciilagen  hatte.  —  Der  Verlauf  des 
Dramas  muss  danach  natürlich  etwas  anders  recon- 
struirt  werden,  als  es  von  Welcker  (griech.  Trag. 
II,  72'Jtf.)  versucht  worden  ist.  Medeia  wird  im 
Prolog  ihren  Anschlag  dargelegt  und  von  der  Ent- 
sendung des  gefährlichen  Jünglings  in  das  drohende 
siclierc  Verderl)en  erzählt  haben.  Möglich,  dass  in 
der  Parodos  die  Worte  des  Fragm.  11  ihren  Platz 
hatten:  tau  xai  maiaavT^  «Qeiav  anodei^aadat, 
&avaz(ii.  l'nverniuthet  kehrt  er  nun  aber  als  Sieger 
zurück  und  berichtet  von  seinem  Kampf.  Bei  die- 
ser Gelegenheit  kann  die  paruethische  Bergfeste 
Panaktos  erwähnt  worden  sein  (Fragm.  12),  und 
vielleicht  bezog  sich  auch  das  Wort  avtqa'iog 
(Fragm.  13)  auf  den  Stier;  vgl.  Soph.  K.  Oed.  27G 
(pnixä  yuQ  vn  aygtav  iilav  arä  %  ätzga  xal 
neTQog  ars  ravQog.  Ohne  Zweifel  feierte  der 
Chor  den  Sieg.     Nachdem  der  Anschlag  somit  ver- 


eitelt ist,  sinnt  Medeia  auf  neue  List,  für  die 
sie  den  schwachen  Gatten  gewinnt.  Auf  eine  dem 
Jüngling  günstige  Einmischung  des  Chores  mag 
sich  in  Medeias  Munde  der  Vers  deihöv  yvvalxsg 
deanoTiöv  &Qaava[n/.ioi  (Fiagm.  3)  bezielien.  Dar- 
auf erfolgt  av(yrjfieQLvöv  (mit  Recht  maclit  Herr 
Wagner  mich  darauf  aufmerksam,  dass  dies  Wort 
auf  eine  Tragödienhypothesis  hinzuweisen  scheine) 
der  Versuch  der  Vergiftung.  Bei  dieser  findet  die 
avayvüqiaig  statt,  nach  Apoliodor  nicht  durcli  ein 
zufälliges  Ziehen  des  Schwertes  zum  Gebrauch  als 
Messer  bei  der  Mahlzeit  (Plut.  Thes.  12),  sondern 
dadurch  herbeigeführt,  dass  Theseus  dem  Vater  sein 
Schwert  zum  Geschenke  darbot.  Jetzt  ahnt  dieser 
die  Wahrheit,  und  seine  Erregung  glaube  ich  in 
den  gehäuften  Fragen  zu  erkennen,  mit  denen  der 
alte  homerische  Vers  umschrieben  wird  (Fragm.  1): 
noiav  ae  (fiöf^uv  yaiav  £xlE?MinÖTCc 
nolit  ^einvadai  t/jöe;  tig  näiqag  oQog:, 
zig  saiy  o  (fvaag;  zov  x&xrjQviai  nargog; 
Natürlich  sehloss  die  Tragödie  mit  der  Anerkennung 
des  Theseus  und  der  \'erbannung  Medeias. 
Strassburg.  Ad.  Michaelis. 


NACHTRAG 
zu  Archäologische  Zeitung  1884  S.  281  ff. 


Die  von  mir  in  diesem  Aufsatz  begründete  Um- 
nennung  der  beiden  stehenden  Frauen  im  olym- 
pischen Ostgiebel  hatte,  wie  ich  erst  jetzt  bemerke, 
bereits  Furtwängler  gelegentlich,  ohne  jede  Be- 
gründung, Mittheil,  des  athen.  Inst.  V  S.  40  Anm.  1 
ausgesprochen:  'die  sog.  Hippodameia  (besser  Ste- 
rope)'.      In    seiner    ausführlichen    Behandlung    der 


Olympiafunde  (Preuss.  Jahrbücher  LI  S.  373)  sehloss 
er  sich  freilich  wieder  auch  in  diesem  Punkte  der 
Aufstellung  von  Curtius  an.  So  erklärt  es  sich, 
dass  jene  versteckte  Bemerkung  mir  wie  allen  An- 
deren entgangen  ist. 

Athen.  Fhanz  Studniczka. 


BERICHTE. 


Archäologische  Gesellschaft  in  Berlin. 


Sitzung  vom  3.  November.  Der  Vorsitzende 
machte  von  dem  Austritt  der  Herren  Sachau  und 
Clemens  Meyer  Mittheilung  und  legte  an  einge- 
gangenen Schriften  vor:  Loewy,  Inschriften  grie- 
chischer Bildhauer;  Urlichs,  Phidias  in  Rom; 
Lange,  Profanbauten  in  Olympia;  Holwerda,  die 
alten  Kyprier  in  Kunst  und  Cultus;  BlUmner, 
Altgriechischer  MObelstil;  Wieseler,  Geschnittene 


Steine  des  4.  Jahrhunderts  n.Chr.;  Hertz,  August 
Böckh  und  Immanuel  Bekker;  AA'eber,  Topogra- 
phie d'Ephese;  Holm  und  Cavallari,  Topngraßa 
archeoloyica  dt  Siracusa;  Gozzadini,  Dkc  siele 
einische;  unter  anderen  Fortsetzungen  die  des  ffi'^- 
f.oyog  ffiloloyixog  zu  Konstantinopel,  der  zu  einer 
internationalen  Versammlung  von  Gelehrten  am 
20.  August   1886  einladet.     Im   Anschluss  an    das 

•20* 


295 


Chronik  der  Winckelmannsfeste. 


296 


letzte  Heft  des  Journal  of  Hellenic  sludies  gab  der 
Vorsitzende  einen  Bericht  über  die  merkwürdigen 
Entdeckungen  in  Naukratis,  Herr  Weil  über 
den  darin  enthaltenen  Anfang  eines  numismatischen 
Commentars  zu  Pausanias  von  Inihoof- Blumer 
und  Perey  Gardner.  —  Herr  Furtwiingler 
legte  einen  Bericht  über  eine  Forschungsreise  auf 
Cypern  vor,  welche  Herr  Max  Ohnefalsch- 
Richter  im  Mai  und  Juni  d.  J.  unternommen  hat. 
Er  enthält  eine  Fülle  werthvollen  Materials,  das 
viele  Lücken  unserer  Kenntniss  ergänzt  und  eine 
lebendige  Anschauung  der  ältesten  Cultur  auf  Cy- 
pern gewährt.  Bei  Fortsetzung  dieser  Untersuchun- 
gen seien  für  die  gesammte  altgrieehische  Kunst 
interessante  Aufschlüsse  zu  hoffen,  insbesondere  für 
die  Uebergangszeit  zwischen  der  mykenischen  und 
archaischen  Periode.  Einige  Terracottastatuen, 
Weihegaben  an  Todte,  welche  einen  fast  griechi- 
schen Charakter  tragen,  wurden  eingehender  be- 
sprochen. Zum  Schluss  machte  der  Vortragende  aus 
einer  cyprischen  Zeitung  Mittheilung  von  einem  Be- 
richt des  Herrn  Dümmler  über  eine  Ausgrabung, 
die  Herr  Ohnefalsch-Richter  vor  Zeugen  an  der 
Stelle  veranstaltete,  wo  Cesnola  den  „Schatz  von 
Kurion"  gefunden  zu  haben  angiebt.  Danach  sollen 
die  Fundangaben  Cesnolas  sowohl  über  diesen 
„Schatz",  wie  über  den  „Tempel  von  Golgoi"  auf 
Unwahrheit  beruhen.  —  Herr  Treu  aus  Dresden, 
als  Gast  anwesend,  erläuterte  einige  farbige 
Wi  e  d  e  rh  ers  t  el  lu  n  g  s  v  er  SU  ch  e  antiker  plastischer 
Werke,  welche  zu  dem  Zweck  gemacht  sind,  einer 
farbigen  Reconstruction  der  olympischen  Sculpturen 
vorzuarbeiten  und  durch  die  Anschauung  eine  Klä- 
rung  der  Ansichten   über  das  System  der  antiken 


Polychromie  herbeizuführen,  namentlich  über  den 
Punkt,  ob  das  Nackte  farblos  geblieben  oder  mit 
den  bemalten  Gewändern  durch  transparente  Far- 
bentöne in  Uebereinstimmung  gebracht  worden  sei. 
Dass  letzteres  der  Fall  gewesen,  beweisen  ausser 
der  Analogie  der  durchgängig  bemalten  Kalkstein- 
und  Terracotta-Statuen  einzelne  litterarisciie  Nach- 
richten über  Statuenbemaiung  durch  bedeutende 
Maler,  ferner  pompejanische  Bilder,  auf  denen  das 
Nackte  stets  fleischfarbig  bemalt  sei,  endlich  die 
Thatsache,  dass  sich  Farbe  am  Fleisch  der  Statuen 
in  einigen  Fällen  wirklich  erhalten  habe.  Nur  eine 
solche,  wenn  auch  mehr  decorativ-  als  realistisch- 
farbige Gesammthaltung  mache  den  Eindruck  ästhe- 
tischer Wahrsciieinlichkeit.  Herr  Lessing  be- 
merkte, dass  an  den  Werken  des  Luca  della  Robbia 
trotz  der  Farbigkeit  der  Gewänder,  ja  der  Augen- 
sterne und  -brauen,  doch  das  Fleisch  weiss  ge- 
lassen wäre,  möglicher  Weise  weil  seine  Technik 
über  Fleischfarbe  nicht  verfügte;  seine  Nachfolger 
gaben  dem  Nackten  eine  braune,  aber  keine  natu- 
ralistische Färbung.  —  Herr  Hübner  besprach  die 
Abhandlung  des  General-Major  Wolf  über  Köln 
und  seine  römische  Rheinbrücke  und  wies  auf 
den  regen  Antheil  hin,  welchen  eine  immer  stei- 
gende Zahl  von  Genie  -  Officieren  an  der  Lösung 
der  zahlreichen  topographisch -antiquarischen  Auf- 
gaben im  römischen  Deutschland  nimmt.  —  Zum 
Schluss  legte  Herr  Curtius  den  Gipsabdruck  einer 
Münze  der  Akrasioten  vor,  die  kürzlich  in  einem 
vorzüglichen  Exemplar  vom  königl.  Münzkabinet 
erworben  worden  ist  und  das  Bild  der  farnesi- 
schen  Stiergruppe  zeigt. 


CHRONIK  DER  WINCKELMANNSFESTE. 


Athen.  In  der  am  9.  December  abgehaltenen 
Erötfnungssitzung  des  archäologischen  Instituts 
.sprachen  die  Herren  Köhler  über  die  attischen 
Nekropolen;  Dörpfeld  über  die  Ergebnisse  der 
Ausgrabungen  in  Tiryns;  Conze  über  den  gegen- 
wärtigen Stand  der  Ausgral)ungen  in  Pergamon. 

Rom,  11.  December.  In  der  Festsitzung  des 
archäologischen  Instituts  sprach  Herr  Tomassetti 
über  ein  im  Besitze  des  Fürsten  Colonna  befind- 
liches opus  seclile  mit  einer  auf  die  Gründungsle- 
gende von  Rom  bezüglichen  Darstellung.  Dasselbe 
wurde  1837  in  der  Nähe  von  Marino  gefunden,  im 


Bulleltino  1838  p.  112  kurz  beschrieben,  seither 
jedoch  nicht  wieder  erwähnt,  und  ist  nun  aufs 
Neue  aus  einem  Magazin  des  Palazzo  Colonna  zu- 
gleich mit  dem  Mosaikfussboden,  dessen  vornehm- 
sten Schmuck  es  bildete,  durch  den  Vortragenden 
ans  Tageslicht  gezogen  worden.  Der  Redner  ver- 
breitete sich  zunächst  über  die  von  dem  eigentlichen 
Mosaik  (opus  tessellalutn)  wesentlich  verschiedene 
und  dem  heutigen  Florentiner  Mosaik  verwandte 
Technik  des  opus  seclile,  dessen  äusserst  seltenes 
Vorkommen  (in  Rom  sind  nur  drei  Beispiele  mit 
figürlichen  Darstellungen  nachweisbar)  er  besonders 


297 


Cliroiiik  der  Winckcliiiaiiiisfeste. 


298 


ilaclurcli  zu  erklären  suchte,  das««  die  in  das  opus 
seclile  eingesetzten  verhältnissmässig-  grossen  Stücke 
seltener  Marmorsorten  die  spätere  Zeit  zur  Weiter- 
'  Verwendung  angereizt  hätten.  Die  Darstellung  der 
aus  rosso  antico  bestehenden  Tafel,  an  der  nur  ge- 
ringe Reste  der  Einsätze  von  weissem  und  gelbem 
Marmor  erhalten  sind,  zeigt  in  der  Mitte  die  ßcus 
riuniiialis,  in  deren  Zweigen  zwei  aucli  auf  ver- 
wandten Darstellungen  vorkommende  Vögel,  piciis 
und  parrha^  letzterer  hier  deutlich  als  Kiebitz  zu 
erkennen,  sitzen.  Am  Fusse  des  Baumes  steht  der 
Hirt  Faustulus  mit  Hut  und  Pedum,  rechts  von  ihm 
liegt  die  Wölfin  mit  den  Zwillingen,  den  Kopf  ihnen 
zuwendend,  lieber  ihr  befindet  sich  ein  Altar,  in 
welchem  man  die  ara  qiiadrata  des  Romulus  zu  er- 
kennen haben  wird,  und  ein  von  reclits  nach  links 
darüber  hin  fliegender  Vogel,  offenbar  ein  für  die 
Gründung  der  Stadt  günstiges  Auguriuni.  Auf  der 
anderen  Seite  thront  oberhalb  eines  Felsens,  an 
dessen  Fusse  sich  zwei  weidende  Schafe  befinden, 
die  dea  Roma,  aus  deren  römischen  Waffenstücken 
sich  ein  Schluss  auf  die  locale  Entstehung  des 
Kunstwerks  ziehen  lässt.  Seinem  Stile  nach  glaubte 
der  Vortragende  es  an  das  Ende  des  zweiten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  setzen  zu  müssen,  doch  liege  jeden- 
falls ein  dem  ersten  Jahrhundert  angehöriges  Ori- 
ginal zu  Grunde. 

Herr  Hei  big  handelte  anknüpi'eud  an  die  in- 
schriftlich bezeichnete,  vormals  in  der  Sammlung 
Alessandro  Castellani  befindliche  Herme  über  die 
Ikonographie  des  Plato.  Eine  anselinliche  Reihe 
von  Köpfen  und  auch  eine  vaticanische  Herme,  mit 
der  modernen  Inschrift  Zenon,  darf  auf  Grund  jenes 
authentischen  Porträts  nunmehr  mit  Sicherheit  dem 
Plato  zugesprochen  werden.  Allerdings  stimmt  der 
finstere  Ausdruck  aller  dieser  Köpfe  nur  wenig  mit 
dem  Bilde,  welches  sich  der  Moderne  von  dem 
grossen  Philosophen  zu  machen  pflegt.  Aber  ein 
Zeitgenosse,  der  Dichter  Amphis,  lässt  den  Plato 
anreden:  „0  Plato,  du  weisst  nichts  anderes  zu 
thun  als  finster  zu  blicken  und  majestätisch  die 
Augenbrauen  emporzuziehen".  Bei  einem  anderen 
gleichzeitigen  Komödiendichter,  Ephippos,  wird  die 
Haar-  und  Barttracht  der  Akademiker  genau  über- 
einstimmend mit  der  jener  Köpfe  geschildert.  Die 
besser  gearbeiteten  Exemplare  lassen  auf  ein  Bronze- 
original der  zweiten  attischen  Schule  schliessen. 
Es  scheint  somit,  dass  alle  Repliken  dieses  Typus 
auf  ein  bei  Lebzeiten  des  Plato  gearbeitetes  Porträt 
zurückgehen. 

Es    gab    aber    im  Altertlium   noch   ein   anderes 


Porträt  des  Plato,  welches  ihn  als  Greis  darstellte. 
Wir  kennen  dasselbe  insbesondere  durch  eine  bei 
Chiusi  gefundene  Doppelherme,  wo  es  mit  demje- 
nigen des  Sokrates  verbunden  ist.  Der  fortge- 
schrittene Naturalismus  dieses  Porträts  verweist  es 
in  die  Zeit  nach  Plato's  Tode.  Es  findet  eine  Ana- 
logie in  dem  durch  mehrere  Rei)liken  erhaltenen 
Porträt  des  greisen  Sophokles,  in  dem  wir  mit 
Sicherheit  eine  Schöpfung  der  hellenistiseiien  Kunst 
erkennen  dürfen. 

Die  inschriftlich  bezeichnete  Florentiner  Büste 
des  Plato  wurde  von  dem  Vortragenden  ausge- 
schieden, da  die  Inschrift  verdächtig  erscheint. 

Berlin.  Das  45.  Winckclmannsfest  der  archä- 
ologischen Gesellschaft  wurde  am  4.  December  ge- 
feiert. Das  Programm  „Ueber  antike  Steinmetz- 
zeichen" hatte  Herr  0.  Richter  verfasst.  Der 
Vorsitzende  Herr  Curtius  gab  einen  Ueberblick 
über  die  Funde  und  Forschungen  des  verflossenen 
Jahres  und  verweilte  insbesondere  bei  den  epoche- 
machenden Entdeckungen  in  Gortyu  und  Tiryns. 
Während  die  in  der  kretischen  Stadt  gefundene 
grosse  Rechtsurkunde  uns  die  Griechen  in  ganz 
neuer  Weise  von  der  Seite  ihres  juristischen  Den- 
kens kenneu  lehrt  und  uns  in  Volkszustände 
blicken  lässt,  die  sich  in  ihrer  Ursprünglichkeit 
hier  viel  länger,  als  in  den  uns  bekannteren  Staa- 
ten erhalten  haben,  haben  die  Schliemann'schen 
Ausgrabungen  zu  Tiryns  uns  den  Grundplan  eines 
homerischen  Anaktenhauses  in  allen  Einzelheiten 
vor  Augen  gelegt  und  uns  ein  anschauliches  Lebens- 
bild aus  vorhistorischer  Zeit  entrollt.  Die  Ring- 
mauer aber,  welche  mit  ihren  kasemattenartigen 
Innenräumen  eine  anft'ällige  Analogie  mit  den  Rui- 
nen Carthagos,  Uticas  und  anderer  phönikischer 
Städte  bietet,  hat  die  Frage  nach  der  Einwande- 
rung der  Phöniker  in  Griechenland  in  neuer  Fas- 
sung auf  die  Tagesordnung  gesetzt.  Schon  1850 
hatte  der  Vortragende  in  seinem  Aufsatz:  Die 
Phönicier  in  Argos"  auf  die  in  besonders  nach- 
haltiger Weise  nach  Argos  eingeführte  Cultur  Phö- 
nikiens  aufmerksam  gemacht;  es  hat  also  an  sich 
nichts  Unwahrscheinliches,  dass,  wie  David  und 
Salomo  sich  von  Hiram  ihre  Künstler  nach  Jeru- 
salem holten,  so  die  Burgherren  von  Tiryns  phö- 
nicische  Bautechniker  zur  Ausführung  ihrer  Burg- 
anlage beriefen.  Trotz  dieses  von  Jahr  zu  Jahr 
deutlicher  erkennbaren  Einflusses  orientalischer  Vor- 
bilder auf  griechische  Architektur,  Plastik  und  Ma- 
lerei stehen  doch  die  auf  europäischem  Grund  und 
Boden  erwachsenen  Denkmäler  einzig  in  ihrer  Art 


299 


Chronik  der  "Wiuckelmannsfeste. 


300 


da:  die  dem  Morgeulaiide  entstamiiiendeii  Künste  ha- 
ben unter  den  überseeischen  Fürstenhäusern  der  Ar- 
golis  eine  besonders  glückliche  Entfaltung  gehabt  und 
durch  Berührung  mit  dem  auf  griechischem  Boden 
ansässigen  Pelasgervolk  Resultate  gezeitigt,  welche 
die  Ueberlegeuheit  unseres  Erdtheiles  deutlich 
offenbaren.  —  Herr  Schöne  legte  das  Werk  von 
Schliemann  über  Tiryns  und  den  soeben  erschie- 
nenen Band  der  im  Auftrage  des  Cultusministers 
von  Conze  herausgegebenen  Alterthümer  von  Per- 
gamon  vor,  welcher  die  Bearbeitung  des  Atheua- 
tempels  und  der  umgebenden  Hallen  von  Bohn 
und  der  sog.  Trophäenreliefs  von  H.  Droysen  um- 
fasst.  Der  Vortragende  erläuterte  die  architektur- 
geschichtlichen Probleme,  deren  Lösung  von  einer 
genauen  Durchforschung  der  olympischen  und  per- 
gamenischen  Funde  am  ehesten  zu  erwarten  sei.  — 
Zum  ychluss  erstattete  Herr  Piobert  in  eingehender 
Weise  Bericht  über  den  Stand  der  Arbeiten  für  die 
unter  Co  uze's  Leitung  von  dem  archäologischen 
Institut  vorbereitete  Serienpublication  der  römischen 
Sarkophage  und  entwickelte  nach  einem  Ueber- 
blick  über  die  von  Jahn,  Matz  und  Michaelis  die- 
sem Unternehmen  gewidmeten  Vorarbeiten  den 
Publicationsplan  des  gauzen  Werkes.  Danach 
soll  die  ganze  grosse  Masse  der  Sarkophage  mit 
Rücksicht  auf  den  Gegenstand  der  Darstellungen 
gesondert  werden,  wobei  sich  von  selbst  o  Haupt- 
gruppeu  ergeben,  deren  erste  die  Darstellungen  des 
täglichen  Lebens,  die  zweite  die  mythologischen, 
die  dritte  die  ornamentalen  Darstellungen  umfasst. 
Die  umfassendste  dieser  Gruppen  ist  die  zweite; 
sie  wird  daher,  während  für  die  Sarkophage  der 
ersten  und  dritten  Gruppe  je  ein  Band  in  Aussicht 
genommen  ist,  deren  4  füllen  und  zwar  in  der 
Weise,  dass  die  Darstellungen  der  populären  oder 
Schulmythen  (troische,  thebische,  Argonauten-Sagen) 
und  die  der  symbolischen,  eine  Beziehung  auf  den 
Tod  zulassenden  Mythen  (z.  B.  Endymion,  Meleager, 
Adonis,  Piiaethon)  je  einen,  die  bacchischen  und 
die  decorativ-mytliischen  Darstellungen  (Seewesen, 
Eroten,  Musen)  zusammen  zwei  Bände  bilden  sollen. 
Bonn,   19.  December.     Zum  Winckelmannsfeste 


des  „Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rhein- 
lande" legte  der  Vorsitzende  Herr  Geh.-Rath  Pro- 
fessor Dr.  Schaaffhausen  das  Winckelmannspro- 
gramm  des  Vereins  „  das  römische  Köln "  von 
General  von  Veith  vor  und  zeigte  den  Gipsab- 
guss  eines  Marmorkopfes,  welcher  bei  Grund- 
arbeiten auf  dem  Kölner  Neumarkte  gefunden 
und  dem  Verein  von  Herrn  Robert  Heuser  in 
Köln  zum  Geschenk  gemacht  wurde.  Alsdann 
spracli  Herr  Professor  Dr.  Justi  über  altflan- 
drische Malerei  in  Spanien,  Herr  Professor  Dr. 
Klein  über  die  Ausgrabungen  in  Pommern  an  der 
Mosel.  Der  genaue  Ort  derselben  liegt  zwischen 
Carden  und  Pommern,  Treis  gegenüber,  auf  dem 
öOO  Fuss  hohen  Marberg.  Hier  hatte  man  schon 
1831  mancherlei  Alterthümer  ausgegraben  (so  Sil- 
bermünzen, welche  die  Umwohner  zu  Trauringen 
umarbeiten  Hessen),  in  der  letzten  Zeit  aber  die 
Fundamente  ausgedehnter  alter  Bauten  blossgelegt, 
sowie  abermals  eine  Menge  von  Thonscherben, 
metallene  Gegenstände,  wie  Lanzenspitzen  u.  s.  w., 
ein  stark  beschädigtes  Schwert,  dann  aber  eine 
griechisch-lateinische  Inschrift,  360  Münzen  und  eine 
bronzene  Statuette,  die  er  für  den  jugendlichen 
Mars  erklärte.  Was  die  Bestimmung  der  ehemali- 
gen Baulichkeiten  anbelangt,  so  entscheidet  sich 
der  Vortragende  dafür,  dass  es  uralte  Cultusstätten 
gewesen,  die  im  Innern  überaus  prächtig  ge- 
schmückt waren.  Als  ihre  Erbauer  nimmt  er  die 
Römer  au,  auf  welche  das  starke  Mauerwerk,  die 
üppige  Aussclmiückung  und  die  an  Ort  und  Stelle 
gefundenen  Münzen  hinweisen.  Die  Zerstörung  hat 
wahrscheinlicli  nach  der  Zeit  des  Gratian  stattge- 
funden. 

Kiel.  Am  Abend  des  Winckelmannstages 
wurde  von  Professor  R.  Foerster  im  Akademischen 
Pliilologen-Verein  ein  Vortrag  über  „das  Vorbild- 
liche in  Winckelmann",  an  dem  darauffolgen- 
den Sonntage  von  Herrn  Geheimrath  Professor 
Forchhammer  in  der  Universitäts-Aula  eine  Rede 
über  „Kunstbestrebungen.  Rückgang  der  hö- 
heren Geistesbildung"  gehalten.  Letztere  ist 
im  Druck  erschienen. 


Benachrichtigung. 


Jiir  die  periodischen  Schriften  des  kiiiserlich  deutschen  arciiäuiogisciien  Instituts  tritt  vom 
Jalire  1886  ;iu  folgende  Neugestaltung  in  Ivraft. 

Die  Monuinenti  inediti  und  Aimali,  sowie  die  Archäologische  Zeitung  gehen  ein. 

In  Berlin  erscheinen  fortan  im  ^'erlage  von  Georg  Ifeinier: 

T. 

Antike  Denkmäler  herausgegeben  vom  kaiserlich  deutscheu  archäologischen  Institut. 

Am  Ende  eines  jeden  Jahres  wird  ein  Heft  in  Foiioformat  ausgegeben,  in  der  IJegel  12  Tafeln  ent- 
lialtend,  mit  einem  ganz  knappen  Texte,  welcher  nur  die  tliatsiicidichen,  zur  wissenschaftlichen  Benutzung  der 
Abbildungen  nothwendigen  Angaben  bringt.  Die  antiken  DenkiniiJer  entnelunen  ihr  Material  dem  ganzen 
Umfange  der  klassischen  Archäologie  einschliesslich  der  Arcliitektürfursclmng,  und  dem  gesamraten  Bestände 
innerhalb  der  lyänder  klassisciier  Kultur  und  der  Samndunuen  antiker  Kunstwerke.  Die  Herausgabe  der 
„antiken  Denkmäler"  wird  unter  Mitwirkung  der  Centraldirektion  und  der  Sekretariate  in  Rom  und  Athen 
im  Auftrage  des  In.stituts  durch  Herrn  Dr.  Max  Fränkel  erfolgen. 

II. 
Jahrbuch  des  kaiserlich  deutschen  archäologischen  Instituts  herausgegeben  von  Max  Fränkel. 

^'ierteljährlich  wird  eine  Lieferung  ausgegeben,  in  grösstcm  Octav,  mit  Tcct-lllustrationen  und  Tafeln 
nach  Bedarf,  der  Jahrgang  im  Umfange  von  etwa  20  Bogen.  Das  „Jahrbuch"  bringt  in  deutscher  oder 
lateinischer  Sprache  ^Vufsätze  aus  dem  ganzen  Umfange  der  klassischen  Archäulogie  und  Epigraphik,  so  weit 
letztere  mit  der  Archäologie  in  A'erbindung  steht,  ausserdem  Uebersichten,  zunächst  wenigstens  in  Inbliogra- 
pliischer  Form,   über  neue  Erscheimmgen  auf  den  beziigliclien  (>ebieton. 

Tür  umfangreichere  Abhandlungen  ist  die   Beigabe  von  Su  ppieiuenten  in  Aussicht  genommen. 

HI. 

Ephemeris  epigraphica  Corporis  luscriptionum  Latinarum  Snpplementum  edita  iussu  Instituti 
archaeologici  Romani. 

Die  Ephemeris  erscheint  in  i)isheriger  Weise  weiter. 


303  804 

In  Rom  erscheinen  lioi  Hermann  Loescher: 

IV. 

Mittheiliingen  des  kaiserlich  deiifscheii  arcliäolofifischen  Instituts.     Römische  Ahtheilung. 

Vierteljährlich  wird  ein  Heft  ausgegeben,  in  Gross-Octav,  mit  Text-Illustrationen  nach  l'edarl'.  der  Jahr- 
gang mit  etwa  12  Tafeln.  Die  römischen  „Älittheilungen"  erscheinen  in  deutscher,  italienischer,  lateini- 
scher oder  bei  Autoren  aus  den  Ländern  französischer  Zunge  französischer  Sprache;  sie  bringen  Bericlite  über 
die  Sitzungen  der  römischen  Institutsabtlieilung  und  über  Reisen,  sowie  andere  Aufsätze  und  Nachrichten 
aus  dem  Gebiete  der  Archäologie  und  Epigraphik  innerhalb  Italiens  und  der  übrigen  westlichen  Länder  des 
römischen  Reichs. 


In  Athen  erscheinen  bei  Carl  A\'i]berg: 

V. 

Mittheilungen  tles  kaiserlich  dentscheu  archäologischen  Instituts.    Athenische  Abtheilung. 

Vierteljährlich  wird  ein  Heft  ausgegeljen,  in  Gross-Octav,  mit  Text-Illustrationen  nach  Bedarf,  der  Jahr- 
gang mit  etwa  12  Tafeln.  Die  athenischen  „Mittheilungen"  bringen,  wie  bisher  in  der  Regel  in  deutscher 
oder  griechischer  Sprache,  Berichte  über  die  Sitzungen  der  athenischen  Institutsabtheilung  und  über  Reisen,  so- 
wie andere  Aufsätze  und  Nachrichten  aus  dem  Gebiete  der  Archäologie  und  Epigraphik  innerhalb  Griechenlands 
und  der  übrigen  östlichen  Länder  hellenischer  Kultur. 

Berlin.    März  1886. 

Die  Oentral-Direction. 

Der  Vorsitzende:   Conze. 


305 


306 


Br.  =   Bronze.      G.   =   Gemme.      Mos.   = 
Sta.   :=   Statue. 

Aachen  Slcpluj.  Karls  des  Grossen  in  — 
74 

Abacaeniim   .1/,:«.  von  —  lU,  ]0 

Acheloos  Mze.  von  Metapont  112;  (1. 
112;  —  im  Tyims  des  Triton  I'.  I  Id, 
10;  —  und  Herakles  Br.  (Brit.  Mus  ) 
112,  Drtijuxshasis  von  Nabulus  112, 
Gruppe  des  Dontas  HO,  am  amvkläi- 
sclien  Thron  108.  HO,  I'h.  105  H'. 
Tat'.  6.   232,   Mze.  von  l'haselis   109 

AchiUeus  von  Tlietis  gebadet  192;  Vn. 
184.   245.  257;   Skphj.  (Madrid;   74 

M'.  Acilius  Glabrio   147 
'.AiSif rjifayla  s.  Demeter 

Adler  Slcph(/.2lö;  —  eine  Krau  raubend 
T.  (Berlin)  156;  —  Ganymedes  rau- 
bend Sp.  (Brit.  Mus.)  237;  —  bei 
Prometheus  T.-Rel.  228;  —  bei  Zeus 
1'.  226,   Sp.  230 

Ad  ran  um   Min.  von  —    112,  10 

Adrastea  Nymphe  230 

Aeetes  1 17 

Aegeus  des  Euripides  281  f.  291  rt 

Aegina  Tempelgiebel  von  —  3;  I'. 
aus  —   (Berlin)    ISS,  2 

Aegisthos  Tod  des  —    V.  254 f. 

Aelian  de  N.  An.  XIII  21:  266;  Var. 
Hist.   II  13:  35;  VIII  8:  202 

Aentas  Ciste  (Brit. Mus.)  237;  Apotheose 
174  f. 

Aeschylos  Prometheus  18  ft".:  224; 
Sphinx.  Satyrspitl    122,  3 

Aesernia   M:n.  von   —    111,  10 

Aetoier  Vertrag  der  —  mit  Mytileue 
143  rt\ 

Agathon  34.  42  f. 

Agenor    V.  78 

Agora  in  Athen    103.    105 

Agoraios  s.  Hermes 

Agrigentum  Mzn.  von  —   112,  10 

Agyrium   Mzn.  von   —    111,  10 

Aias  I'h.  78.  245;  Wgin.  des  Polygnot 
246 

Aigei  ra  Stadt    147 

Akarnanien   ihn.  von  —    112 

Ak  Giil  See  203 

Akrasioten  Mze.  der  —  (farnes.  Stier) 
294 

Alexander  Sever us  il/oi.   des    —   \ou 
Parion  91 
Archäolog.  Ztg.  Jahrgang'  XLIII. 


REGISTER 

VON 

KONRAD  AVERNICKE. 
I. 

:   Mosaik.      Mze.   =   Münze,      liel.  =   lielief. 
T.  =   Terracotta.      l'.   =   Vase.      Wi/m.   = 

All'aterna  s.  Nuceria 

Alkestis  Skphrje.  220 

Alkmeon's  Jugend  T'.  (Berlin)  241  ff. 
Taf.  15 

Alkyoneus  Gigant  123,5 

Allifae   Mzn.  von   —    111,  10 

A 1 0  a  d  e  n    1 30 

Alontion   Mzn.  von   —    112 

Alphito   130 

Altar  Vn.  46.  120;  ara  cpiadrata  des 
Romnlus  Mos.  297 

Amalthea  Nymphe  2301'. 

Amazonen  V.  194,9;  Tanz  der  —  137 

Ambrakia   Mzn.  von    —    112 

Ambrosia  Salbung  mit  —    174 

Ameipsias  fr.  7:  126,  18 

Amen  an  OS  Flussgott  Mzn.   111 

Amphiaraos  Vn.  242.  246f.;  Heilig- 
thuni   des  —  in  Oropos   75 

Amphilochos    I'h.  247 

Amphitheos  auf  KomiJdien -Vase  51 
Taf.  5,  1 

Amselkopf  als  komische  Maske  33 

Amykläischer  Thron   108.   110.  271ff. 

A  mykos   130 

Andokides  Vasenmaler   196 

Anonymus  ntQ'i  x(üfimd'(tig  p.  XV: 
124,  12;  Parihenon/.eiehniingen  des  Pa- 
riser —   74 

Antaios   und   Herakles    I'.   109,4 

Anthologia  Palatina  VI  260:  81;  IX 
758:  203,  20;  XII  56  f. :  97;  XVI  84: 
203,20;  167.  203 ff.  81;  207:  87;  ApiJen- 
dix219:274,8;-  PlanudeaXVI204:  88 

Ant igone-Sage  auf   Vn.  71 

Antigonos  Gonatas   147 

Antiochos  der  Giosse   147 

Antiphanes  Komüdiendichter  248 

Anton  in  US  Liberalis  8:  128 

Antonin  US  Pins  .Mzn.  des  —  30,  19. 
31.  89.  263  f. 

Aphrodite  macht  Berenike  zur  Giittin 
174f.;  Tempel  der  — :  df'  fnnoXvrqt 
104,  in  Cypern  165;  Darstellungen: 
Westgiebcl  des  Parthenon  73,  Parthe- 
nonfries 104,  .Slatuen  des  Praxiteles 
81.  87,  Kopf  angeblich  von  der  Akro- 
polis  280 f.  Textabb.,  Vn.  113.  234, 
Sp.  175  f,  GoWiin*/ (Brit.  Mns.)  240; 
s.  Venus 


Skpluj.    =   Sarkophag.     Sp.   =  Spiegel. 
Wandgemälde. 

Aphthonius  p.  53:  35,  13 

Apobat  im  Parthenonfries  61  f. 

Apollo  Patroos  in  Athen  105;  Sta- 
tuen aus  Athen  265,  (Egremont)  286; 
Bronzen  (Berlin)  154.  165f..  (Brit. 
Mus)  237;  Vn.  39.225,4.  250;  Ciste 
171;  —  und  Tilyos   G.   (Berlin)   162 

ApoUodor  bibl.  I  4,5.  VII  13,  6;  173; 
Fragment  in  vaticani^chen  Excerpten 
281  f.  291  ff. 

ApoUonios  IV  869ff.:  173 

Apotheose   174ft'. 

Appian  Maced.   9,9,4:  147,5 

Apuleius  Met.  I  17.  V  II:  124,9;  VI 
408  :  1 73 

Ara  tos   147 

Archidamos  Aetoier   147 

Archikles  Vasenmaler   187,1 

Areopag  104 

Ares  im  Panhenonfries  104;  —  Soter 
Kopf  (Madrid)  236;  —  von  Athena 
gebadet  Ciste  (Berlin)  169 ff.  Textabb.; 

—  von  Hebe  gebadet  174;  —  in  Göt- 
terversammlung  1'.  107;  Apotheose  des 

—  174ff. ;  s.   Mars 
Aristaeus'  Apotheose  175.  7 
Aristion-Stele  200 
Aristophanes  33ff    36.  37f.  40ff.  51. 

123  ff.    129.    293;  Scene  der  Acharner 
auf   I".  39   Taf.  5,  1 

Aristoteles  37,  16.  248 

Arse   Mzn.  von   —    112,  10 

Arsinoe  Stadt  78 

Artemidor  Üneirocrit.  II  3:  42,42 

Artemis  im  Parthenonfries  104;  — 
Ephesia  137.  273;  Tempel  der  —  in 
Ephesos  237,  in  Epidauros  75;  s.  Diana 

Asklcpios  im  Parthenonfries  lOlfl'.; 
Heiligthum  des  —  in  Epidauros  75; 
Votiv-fie/.  desTheopompos  an  —  102,3 

Assin  OS  Flussgott   Mze.   112,  10 

Astyanax  T'.  des  Euphronios  253; 
Wgm.  des  Polygnot  244 

Athalarich  Ziegelstempel  des  —   158 

Athen  Charakter  der  attischen  Kunst 
2rt'. ;  Topographisches  103 ft'.;  Satyr 
des  Praxiteles  in  der  Tripodenstrasse 
82  ff. 

Funde:  Apollon  Sta.  265;  sog.  Ve- 
nus von  der  Akropolis  2S0f.  Textabb.; 
21 


307 


Register. 


308 


Giebel-Äe/i'e/'s   von   der  Akvopolis  75  ; 

Charon    Rel.    6,  14;    Firstziegel     193; 

Tn.     (Brit.    Mus)     237  f.;     Vn.     16  ff. 

Textabb.   19.    131  ff.   190,3.  238;   Br.- 

Fibel  139    Textabb.;    Golä-Rel.   135; 

Goldschmuck  (Berlin)  156 
Athena  Tritogeneia  180;   —  Polias  in 

Pergamon    76;    Cultgemeinscliaft    mit 

Hephaestos     102;     im     Partlienonfries 

99.   102;   Bronzen   178,10.  237;    Ciste 

(Berlin)    169 ff.    Textabb.;    Sp.    175 ff. 

179,12;   r».    107  f.    188,2.  196    Taf. 

12,2.  198  Textabb.  245  f.  250 
Athenaeus  II    p.  154d:  136;    XII    p. 

551a:   26Gf.:    XIII    p.    591a:  88;    p. 

591b:  85;  XIV  15:  38,  19;   16:37,15. 

39,25;  p.  642  f.  647  c:  120 
Athenodotos  Lieblingsname  T';!.  180f. 
Atlas    V.  227;  Atlanten  M:n.  263f. 
Aufseher  der  Palaestra   Vn.  184.  255 
Augen    Vn.  mit  —  190 ff. 
Augustus    Pourtalcs    Sta.    76;    —    von 

Prima  Porta  Sta.  264 
Aurunca  s.  Suessa 

Bad   von    Göttern    171;    Badescene    auf 
Slcphgn.  214.  21 6  ff.,  .auf   Vn.  252  f. 

Bäckerei  der  Vestalinneu  in  Rom  159 

Bakch antin  s.  Mänade 

Baldachin  M:n.  263  f. 

Bari  Dioskuren  7\  aus  —  269 ff'.  Text- 
abb. 

Basile  Heiligthum  der  —   163 

Biia  a  s  i  tt  ;>c(i  GvAh-Rel.  in  Triest  21,29 

Bathykles  s.  Amjkläischer  Tliron 

Bdelykleon  33.  43 

Bellerophon   Ciste  (Brit.  Mus.)  237 

Bemalung  s.  Polychromie 

Berenike  Apotheose  der  —   174f. 

Berlin  Erwerbungen  des  kgl.  Museums 
1884:  153  ff.;  Bronzen:  betender  Knabe 
Sta.  73.  76,  Ares"  Apotheose  Sp.  175  ff'., 
Ares  von  Athena  gebadet  Ciste  169  ff. 
Textabb.,  Tisch  mit  Tänzer  287 ff. 
Textabb.;  Marmor:  Prometheus  Gruppe 
aus  Pergamon  208,  Hermes  als  Kind 
Kopf  (Privatbesitz  >  151f.  Taf.  9,  ge- 
fälschter Frauen-Ä'o/)/  279  f.  Textabb., 
Kopf  in  Umrisszeichnung  Siele  198  f. 
Taf.  12,3;  Gemmen:  Apollo  und  Tityos 
162,  Prometheus  162;  Vn.:  aus  Aegina 
188,  2,  Alkmeon  241  ff.  Taf.  15,  Charon 
18  ff.  Taf.  2.  3,  Gelage 289,  Herakles  und 
Achcloos  107,  kaljdon.  .Jagd  74,  La- 
mia  119  ff.  Taf.  7,  2,  mit  Meisternamen 
181,5.  184.  188,2.  192.  249.  254. 
256,8.  257f.,  Parodie  123,4,  Prome- 
theus 225, 3,  mit  Umrisszciclinung  190  ff.; 
Pinakes  189;  Tn.:  Charon  lic.t.  6  f. 
153f.    Taf.  1,    Zeus'    Kindheit   229  ff., 


Firstziegel  193.7;  M:n.:  von  Parion 
(Eros)  90f.,  von  Tanagra  (Triton)  264; 
Mos.   von  Biredschik   (Britannia)    158 

Bernstein  Ring  von  —  (Biit.  Mus.) 
240 

Bestattung  T.  (Kopenhagen)  und  V. 
(Paris)  3,  5 

Biliotti'sche    Vn.  -Sammlung    119 

Biredschik  Britannia  Mos.  von  — 
(Berlin;   158 

B  1  epy  r  os  42.  44 

Blume  G.  (Brit.  Mus.)  239 

Büotien  Mzn.  von  —  (Poseidon)  286 

Bogenschütz   V.  238 

Bolsena  Apotheose  des  Ares  Sp.  aus  — 
175  ff. 

Bonaparte  s.  Canino 

Bonn  i)/a)7HorAo/]/ aus  Köln  in  —  300; 
V.  mit  Umrisszeichnung  in  —  195  f. 
Taf.  12,  1 

Brettspiel   F.  245 

Britannia  Mos.  aus  Biredschik  (Berlin) 
158 

Bronzen  Erwerbungen  des  Berl.  Mus. 
154  ff.,  des  Brit.  Mus.  237;  Sammlung 
Greau  (P.iris)  165  f;  Ciste:  Bad  des 
Ares  (Berlin)  169 ff.  Textabb.;  Fibula 
vom  Dipylon  139  Textabb. ;  Mzn.  von 
Gela  114;  Rel.  Prometheus  (aus  Olym- 
pia) 226;  Sp.:  Apotheose  des  Ares 
I75ff. ,  Athena  und  Jüngling  ringend 
179,  12,  Prometheus  227 f.,  Zeus'  Kind- 
heit 229 ff'.;  Statuen:  betender  Knabe 
(Berlin  und  Venedig)  73.  76,  Herakles 
und  Aclieloos  (Brit.  Mus.)  112,  Hermes 
als  Knabe  (Florenz)  152,  Athena  ge- 
flügelt mit  einem  Knaben  auf  dem  Arm 
178,  10,  Pferd  mit  zwei  Reitern  (aus 
Grumentum)  271,  Poseidon  (Wien  und 
Pesth)  286,  Mars  (aus  Pommern  a.  d. 
Jlosel)  300;  Tisch  mit  Tänzer  (Berlin) 
287  ff'.  Textabb. 

Brüssel    I".   des  Polygnotos  in  —  261 

Brunnen  Frau  am  —  Elfenbeinkette 
(Brit.  Mus.)  240 

Bruttier  Mzn.  der  —    112,10 

Bulgar  Dagh   203 

Buphagos  Titan   130 

Caere  Löwe  Gohlfihel  aus  —  (Brit.  Mus.) 

240 
Calabrien   Br.-Rel.  aus  —  (Brit.  Mus.) 

237 
Cales  Mzn.  von  —   111,10 
Caligula  raubt  den  Eros  des  Praxiteles 

86;  Palast  des  —    163 
Camarina   Mzn.  von  —    112,  10 
Campani   Mzn.  von  —  111,  10 
Canino  Vn.  aus  der  Sammlung  —  107  f. 

116,21 


Canopus  T.  (Berlin)   156 

Capranica  Sammlung  —   284 

Caricatur  des  Palladionraubes  V.  (Brit. 
Mus.)  238;  — en  auf  Vn.  122f.;  — 
masken  der  Komödie  34  ff. 

Carrey'sche  Zeichnungen  des  Parthenon 
54  ff.  74 

Carthagena  Bleigewicht  aus  —  (Ber- 
lin) 158 

Castell  von  South  Shields  75 

Castellani'scher  Frauenkopf  279  Text- 
abb. 

Castle  Ashby  U.  des  Hermogenes  in  — 
189 

catagrapha  Profil  201  f. 

Catana  Skphij.  der  h.  Agata  in  —  74; 
Mzn.  von   —    111 

Caulonia   Mze.  von  —    112,10 

Centocelle  Eros  von  —  98 

Cervetri  s.  Caere 

Charinos   V.  des  —  252 

Charitaios    T'.   des   —   252 

Charon  als  Todtenschiffer  4;  etruskische 
und  neugriechische  Umbildungen  5 ; 
Darstellungen   1  ff.  Taf.  1—3.   153f. 

C  h  a  r  0  n  t  i  s  s  a  5 

C  h  a  r  u  n  5 

Chelis  Vasenmaler  254 

Chianciano  Kalkstein-Äa(ue«e  aus  -^ 
(Brit.  Mus.)  237 

Chremylos  34.  42 

Chiusi  Funde:  Plato  und  Sokrates  ZJo/)- 
pelherme  298;  T.  (Berlin)  156;  Br.- 
Tisch  mit  Tänzer  (Berlin)  287 ff.  Text- 
abb. 

Cicero  Brutus  18,70:  264;  BlUte  (Ma- 
drid) 235  f. 

Claudius  giebt  den  Thespiern  den  Eros 
zurück   86 

Clemens  Alexandrinus  Strom,  p. 
131  S:  128,23;   Protr.  p.  25P:    170 

Coburgensis  Codex  —  74 

Comana  Gemmen  aus  —  (Brit.  Mus,)  239 

Commodus  Mzn.  des  —  91.  226 

Consentia  Mze.  von  —   112,  10 

Cornutus  21:  170 

crines  sex  der  Vestalinnen   159 

Croton  Mze.   von  —  112,10 

Cnbulteria  Mzn.  von  —   111,  10 

Cumae  Mzn.  von  —   111,  IG 

Cylinder  orientalische—  140  Textabb. 

Cypern  Ausgrabungen  auf —  165.  295; 
Alterthümer  aus  —  (Biit.  Mus.)  240; 
Waffentänze  in  —    137 

Damokritos  Aetoler  148 
Declamation   Skphg.  210 
Deianeira    Vn.    108.    110,5.    113 
Delphi   Ueberfall   des   Eumenes  bei   — 
147;  Lescbc  in  —   17 


309 


Register. 


310 


Deli>hin  Mze.  des  Commoilus  2S6:  Eros 
mit  —  87 

Demeter  'Aäärj(iay(a  129:  —  'Akuitti 
130;  —  KovnojQÖtfog  im  Westgiebel 
des  Parthenon  "3;  —  im  Parthenon- 
fries 104;  —  in  Pheneos  niui  Phlius 
129;  —  und  Denioijhon  173;  —  und 
Köre    y.    156 

Demetrios  Sohn  des  Antigenes  Genatas 
147 

Demophon   173 

Demos  personificirt  bei  Aristophanes -lä 

Derbe.    Der  See  von  —  203 

dextrarura   iunctio  Skphy.  217,14 

Diana  Cixie   171;  s.  Artemis 

Dikaeepolis   V.  48.  51  Taf.  5,  1 

DioCassius66,22,2:  86;  69,4,  5:  31,20 

Diodor  XX  41.   104.  XXI  G.   S:  124,8 

Dioniedes    1'.  245,6 

Dionvsiiizusen  Komödie  des  Timokles 
247 

Dionysien   ländliche    1'.  47  f. 

Dionysios  v.  Halikarnass  Ant.  Rom.  I 
51:  112,  13:   de  Isocrate  3:  264,  1 

Dionysos  in  Aristophanes'  Fröschen 
38f.  42.  44;  Kindheit  des  —  229«  : 
Cult  des  —  in  Phlius  129;  Tempel 
des  —  in  Athen  82.  84.  103,  in 
Pergamon  70;  Theater  des  —  in  Athen 
103:  Darstellungen:  im  Parthenonfries 
99.  103,  Sla.  des  Kaiamis  263  ft',  Tn. 
(Brit.  Mus.)  238,  Vii.  46  Taf.  5,2 
(Komödie).  186(Gigantenkampf).  190ff. 
(—  und  Semele).  251  f.  Taf.  16,  1 

Dioskuren  l-/Hi;z^«roi  274,8;  Alvxo- 
ntoXvi  271  f.;  spartanischer  Cult  der  — 
270 ff. ;  Darstellungen:  amykl.  Thron 
272,  Tn.  269 ff.  Textabb.,  Mzn.  272, 
V.  des  Exekias  271 

Diptychon  der  Musen  Skphij.  214 

Dipylon  in  Athen  103.   105 

Domitian   Mze.  des  —  30,  19 

Domitier  als  Ziegeleibesitzer    157 

DoDtas  Herakles  und  Acheloos  Gruppe 
des  —   110 

Dresden  Eros  Torso  in  —  96 

Duris  Mythograph  126 

Duris  Vn.  des  —  184ft\  196.  258. 
288 

Egremon  t  Apollo  Sta.  der  Sammlung  — 

286 
Ehepaar  Skphye.  209 
Eleusinion  in  Athen   104 
Elfenbein-Schmuck  (Brit,   Mus.)   240 
'iXxiir  Ringergriff  V.   109 
Emporiae   Mzn.  von  —    111,  10 
Empusa  125.  129 
England  Hadrianswall  in   —  75 
Ente   V.  46 


Enteila  Mzn.  von  lU,  10 

Enyo  Mutter  des  Ares   1G9 

Epeios    I'.  245,  6 

Ephesos  Artemis   Ephesia    273:    Funde 

in  —  237 
Ephialtes  Gespenst  130,33 
Epidauros  Heiligthümer  in  —  75 
Epidromos    Lieblingsname     Vn.     256. 

289 
Epiktetos   Vn.  des  —   187.   195.    2531". 

Taf.   IG,  3 
Epilykos    V.  des  —   156 
Epitimos  Vasenmaler   ISO 
Epops  komische  Maske  33 
Erbessos  Mzn.  von  —   111,10 
Eregli  Stadt  203 
Eretria  Br.-V.  aus  —   156 
Erichtbonios  .Stifter  der  Panathenäen 

102;  —  und  Athena   G.   178,  10 
Eriphyle  des  Sophokles  248,  12;  —  I". 

242 
Ergotinios  Vasenmaler   187,1 
Eros  des  Praxiteles   81  ff'.;    Sta.  (in  Pe- 
tersburg) 90,   (von  Centocelle)  98;   T". 

113;  T.-Statuelle  98;  Skphye.  211.220; 

—  und    Psyclic     Skjjhg.     220;     beim 
Vogelfang  tSkph;i.  222,  29 

Erysichthon   130 

Esquilin  altgriech.  Tie/ie/s  vom  —    155 

Etymologicum  Magnum  p.  524,40; 
44 

Eucheiros  Vasenmaler   I87,  i_   j89 

Euelpides  33.  46 

Eumaros  Maler  200  ff. 

Eumenes  II,  von   Pergamon   147 

Euphronios  \'asenmaler  ISllK  196. 
199;    Tn.  des  —   256 ff".  Taf.    17 

Euripides  bei  Aristophanes  34;  Aegeus 
des  —  291ff.;Elcktra  1206:  248;  Hip- 
polytos  293;  Iph.  Aul.  193:  246;  Me- 
deia  291  f.;  Orestes  527,  566,  1205: 
248;  Fragm.  SSO:  246:  914:  124. 
127,21 

Eurydike    V.  71 

Eurystheus    T'.   IS5 

Eustathius  ad  II.  H  498  jj.  266,  10:  86 

Euthymides  Vasennialer   ISl;    Vn.   des 

—  290  ft". 

Euxitheos  Vasennuilcr   ISl;    1'.  des  — 

256,  8 
Exekias    Vti.  des  —    245.   271 

Fahrt  zum  Grabe  SkpUg.  216;  —  ins 
Jenseits  Skphge.  210.  215.  218.   222 

Farbenspuren  s.  Polychrotnie 

farnesischer  Stier  auf  .l/:i".  der  Akra- 
sioten  296 

Faustkämpfer   V.  137 

Faustulus  Mos.  297 

Felsrelief  von  Ibriz  203ft'.  Taf.  13 


Fibula  Br.  vom  Dipylon  139  Textabb.: 
goldene  —  aus  Athen  (Berlin)   156 

ficns  ruminalis  Mos.  297 

First  Ziegel  s.  Stirnziegel 

Fischer   V.  50  Taf.  5,  1 

Flöte  Br.  (Brit.  Mus.)  237;  bei  der  Pyr- 
rhiche  gespielt  138;  Flötenspieler  im 
Parthenonfries  6  f.,  auf  Vn.  256.  291; 
Flötenspielerin    V.  257 

Florenz  Uffizien:  Personification  der 
Luft  Rel.  29;  Hermes  als  Knabe  Bi: 
152;  Skphye.  217,14.  220.  229  ff.  Text- 
abb.; Skphg.  in  Villa  Poggio  a  Caiano 
bei  —  217,  14 

Flügelfiguren  weibl.  -  auf  den  Schul- 
tern der  Roma  Wgm.  27;  männl.  — 
auf!'.  194;  Athena  geflügelt  ßr.  178,10 

Flügelhut  Attribut  des  Hermeskindes 
152 

Flussgott  in  Stiergestalt  lllft".:  —  in 
Menschengestalt  115;  —  auf  pergamen. 
Rel.  228;   -  r.-Ä>/ (Brit.  Mus.)  238 

Fortuna  t'isle  171;  Skphg.  214 

Fränkischer  Goldschmuck  (Berlin)  157 

Frauenköpfe  s.  Köpfe 

Frosch  Br.  (Berlin)   156 

Frühling  personificirt  Skphg.  74 

Füllhorn  der  Amalthea  229 f,;  des  Dio- 
nysos 230 

Fulgentiiis  Mythol.  III  7:  173  f. 

Galaxidi    Vn.  aus  —   i,Brit.  Mus.)  237 

Gallier  ludovisische  — gruppe  155;  gal- 
lische Haartracht  218,17.  220,20 

Gans  als  kom.  Maske  33 

Ganymedes  Sp.  (Brit.  Mus.^  237;  T'. 
(Brit.  Mus.)  238 

Gaukler  T'.  183;  Gauklerin  T.  (Berlin) 
156 

Ge  Theuiis   104 

Geburtsscene  auf  Skplign.  220ff. 

Gefangene  germanische  —  Mze.  dei 
Domitian  30,  19 

Geier  Gefallene  zerfleischend  Gohiring 
226,  7 

Gela  Mzn.  von  —   111 

Gelage    T'.    256 f.  Taf.  17;  s,  Komos 

Gelas  Flussgott    113 

Gemälde  des  Panainos  in  Olympia  (Pro- 
metheus) 228;  des  Parrhasios  (Prome- 
theus) 228;  des  Polygnot  17.  244.  246; 
Roma  i)ersonificirt  (Rom)  23ft".  Taf.  4; 
Venus  (modern,  Rom)  32 

Gemmen  Erwerbungen  des  Berl.  Mus. 
157,  des  Brit.  Mus.  239;  Acheloos  112: 
Achilleus  von  Tbetis  gebadet  172; 
Apollo  und  Tityos  162;  Athena  und 
Erichtbonios  178,  10;  Gefallener  von 
Vögeln  zerfleischt  226 ;  Prometheus 
162.  22311".  Textabb. 

21* 


311 


Register. 


312 


Genre  heroisirtes  —  auf  Vn.  245 

Gergis  Mzn.  von   —    r27,  21 

Germanin  gefangene  —  il:e.  des  Do- 
mitian  30,  19 

Geryones  etrusk.  Umbildung  des  —  5,9 

Gespräch   F.  260f. 

Gigant  Br.  (Berlin)  156:  Giganto- 
machie  (pergamen.  Altar)  76.  12;),  5; 
T*.  186 

Girgenti  Hera- Ab/;/ von  —  (Brit  Mus.) 
275  ff.  Textabb. ;  Heraliles  und  Ache- 
loos   V.  aus  —   109,  ö 

Gjölbasclii  Grabdenkmal  von   —   74 

Glabrio  M.'  Acilius  —    U7 

Glaukos  174 

Glaukytes  Vasenmaler   1S7,  1 

Glykera  Geliebte  des  Harpalos  und 
Pausias   86 

Gold  Erwerbungen  des  Berl.  Mus  156  f., 
des  Brit.  Mus.  239 f.;  Löwen  Rel.  vom 
Dipylon  135:  Mzn.  111.  270:  Gefalle- 
ner von  Vögeln  zerfleischt  Ring  226,7; 
Goldschmuck  aus  Lydien  205 

Golgoi  Ttmpel  von  —  295 

Gorgoneion  G.  (Brit.  Mus.)  239;  T. 
(Brit.  Mus.)   238;    Vn.   190  tf.  251 

Gortyn  Inschrift  von  —  78.   168.  298 

Gotha   T'.  des  Hieron  in  —  258 

Gott  von  einem  Priester  angebetet,  Fels- 
Rel.  von  Ibriz  203  ff.  Tiif.  13;  Götter- 
versammlung im  Parthenonfries  99  ff. 
167  f.,  beim  Aresbad  Ciste  171 

Grab  Fahrt  zum  —  Skphg.  216;  Grab- 
mal Slcpliff.  216;  Figuren  um  ein  Grab- 
mal T. -Gruppe  (Paris)  154;  Grabmal 
der  lulier  in  St.  Remy  155;  Corpus 
der  att.  Grabreliefs  77;  Grabstele  I'.  20 

Granatapfel  Unterweltssymbol  21;  At- 
tribut der  Athena  V.   197 

Greau'sche  Antikensammlung  165f. 

Grumentum  Pferd  mit  zwei  Reitern 
Br.  aus  —   271.   273,7 

Haartracht  gallische—  218,17.  220,20 

Hades  Skphge.  74.  21S 

Hadrian   Mzn.    des  —    31;    Hadrians- 

wall  75 
Hahn  Ohrring  (Brit.  Mus.)  239;  H^ihnen- 

kampf  V.  243 
Haltercn    Vn.  289,2.  290 
Harpalos  86 

Hase  vom  Hund  verfolgt  132 
Hebe  Ares  badend  174 
Hegesander  fr.  46:  123,5 
Heius  Eros-SVa.  im  Besitz  des  —  93 
Hckabo   V.  78 
Hckalc  119 
Hekate  129 
Hekatombe    im    I'arthenonfries    58  ff. 

Textabb. 


Helena  Raub  der  —  V.  78;  —  kreden- 
zend   V.  245,  6 

Helios  Sp.   176 

Hepha  est  OS  Cultgemeinschaftmit  Athena 
102;  —  im  Parthenonfries  102;  —  und 
Prometheus   G.   (Berlin)   162.   223  ff. 

Hera  Mutter  des  Ares  170;  im  Par- 
thenonfries 102;  sog.  —  von  Girgenti 
Kopf  (Jini.  Mus.)  275 ft\  Textabb. 

Herakleia  Schlacht  bei  —  147;  s.  Ky- 
bistra 

Herakles  Sp.  176;  V.  251;  Westgiebel 
des  Parthenon  73;  —  und  Acheloos 
Gruppe  des  Dontas  110,  amykl.  Thron 
108.  110,  Dreifussbasis  von  Nabulus 
112,  Br.  (Brit.  Mus.)  112,  Vn.  105  ff. 
Taf.  6.   232,    Mze.  von  Phaseiis   109; 

—  und  Antaios  I'.  109,4;  bei  Aristo- 
phanes  39;  —  und  Kerberos  -S)).  176; 
leierspielend  V.  (Brit.  Mus.)  106 f.;  — 
und  der  Löwe  V.  250;  —  und  Nereus 
V.  109,4;  —  und  Oreios  110;  —  und 
Prometheus  T.-MeL223;  -  imd  Triton 
V.  249  f. 

Herbst  personiticirt  auf  S/,p/i(f,  74 
Hermen  des  Plato  und  Sokrates  297  f. 
Hermes   Agoraios    in   Athen    105;     — 

und  Ares   Sp.   176;  —  und  Athena  V. 

250;  —  bei  Athenageburt  Vu.  225,4; 

—  und  Charon  6  ff'.  Taf.  1  und  Text- 
abb.   153;  und    Dionysos    V.    252; 

—  und  Herakles  Vn.  106  f.  Taf.  6. 
250;  als  Kind  Marmorkopf  (Berlin) 
151  f.  Taf.  9;  als  göttl.  Kinderwärter 
176.  231;  als  Knabe  Br.  (Florenz) 
152;  in  der  Komödie  41.  43 ;  —  Krio- 
phoros  des  Kaiamis  auf  Mzn.  265 ;  — 
und  Prometheus  V.  225,4;  —  und  <las 
Zeuskind  Skphg.  230 f.;  Hermeskopf 
Br.  (Brit.  Mus;)  237,  V.  191;  s.  Mer- 
curius 

Hermogeues  Vasennialer    187,  1.    189. 

249;    r.  des  —   252  Taf.   16,2 
Hermonax   V.  des  —  258 
Herodot  VI  125:  44 
Heroonpolis  78 
Hesiod  Theog.  509ft'.  :227;    521:226; 

782:  172 
Hesych  v.  (iuiud  40,30;  ni)vX(H  137; 

TuvctyQddtiV   266 
Hetären   V.  des  Euphronios  186.  257 
Hieron  Vn.  des  —  258ff.  Taf.  18.  19,  1 
Himereae  s.  Thermae 
Hipparchos  Lieblingsname  auf  F.  25."!  f. 
Ili  lijioda  meia  im  olymp.  Ostgiebel  293 
Ilippolytos  Aphroditetempel  dj'  Inno- 

i.ijiif   104 
Hirsch  G.  239;    F.   134 
Hittitische  Kunst  208 
Ho  chzei  ts-.Sly;Äyc.  209 


Ilolkham  Hall  Poseidon  Sla.  in  — 
286 

Homer  II.  Z  35.  890.  830:  169;  905: 
174;  A  741:  291;  hymn.  in  Apoll. 
Del  120:  171;  in  Cer.  235ff.:  173;  in 
Merc.   51:  135 

Iloraz  ars  poet.  340:  125;  Od.  10,  Iff'.: 
215, 10 

Horoskop  auf  Skplign.  214.   218 

Hund  Rel.  eines  Glastellers  aus  Myrina 
244;  Skphge.  211.  219;  Vn.  (Hasen 
verfolgend)   142,  (bei  Polydeukes)  271 

Ilunsrück  Elfenheingruppe  vom  —  (Ber- 
lin)  157  f. 

Hydrophoren  1351'. 

Hypnos   F.  (Brit.  Mus.)  238 

Hyria  Mzn.  von  —  111,10 

Jagd  kalydouische  74;  Hasen  —  F.  132 

lanitor  Orci  Skphg.  74 

lason    im    Stierkampf   Vn.     112 ff'.    117. 

231  ff.  281  ff".  291  ff'.;   Skphge.  23 Iff. 
Ibriz  FeU-Rel.  von   —   203 ff.  Taf.   13 
Idas   130 
Iliupersis   Wgm.  des  Polygnot  244;  Vn. 

78.  258 
Inselsteine  aus  Kreta  (Berlin)  157 
Interamnium     röm.    Milifärstation    in 

Spanien  75 
lolaos   Vn.   108.  250 
Iris     in    der    Komödie     43;     mit     dem 

Styxwasser    'S)j.    172 
Isidor  Etymol.  Vlll    11,  102:  125 
Jüngling  behelmt  Ä'o/)/ (Madrid)  236; 

fliehend  F.   (München)    183;  im  Komos 

r.  291;  Rosse  tummelnd    V.   183  f. 
lulian  or.  II  p.  54 C:  86 
lulier   Grabmal    der   —    bei    St.   Kemy 

155 
luno   Ciste   171;  s.  Hera 
luppiter   Ciste   171;  s.   Zeus 
luvenal   IX  60f.:  219,  19 

Kachrylion  Vasenmaler  181:  V.  des 
—  254  f. 

Kaineus    T".   2Glf. 

Kairos  des  Lysipp  94  f. 

Kaisarieh  G.  aus  —  (Brit.  Mus.)  239 

Kaiamis  Dionysos  des —  263 ff. ;  Her- 
mes Kriophoros  des  —   265 

Kaliimachos  hymn.  in  lov.  52,  in 
Dian.  240:  137 

K  allist  ratos'  Statuenbeschreibungen 
93  f. 

K  a  1  o  n  i  k  e  34 

Kalydonische  Jagd,  Darstellungen  74 

Kam  ei  r  OS   F.  aus  —   119 

Kaninchen  Attribut   der  Hispania  237 

Kappadokien  Löwen  Br.-Rel.  aus  — 
(Berlin)   156 


313 


Register. 


314 


Kurien  ö^terr.  Expedition  luicli  —  74 
Karl  (1.  Gr.  Skphff.  des  —  (Aachen)  74 
Karlsruhe  Unterwelts- K.  in   —   711'. 
Kassa ndra   Vn.  78.  239 
Kastor  271  f.;  Castoves  in  Korn  272 
Kenchreae  Mzn.  von  —  2Sö 
Kentaur  Ohrring  (Brit.  Mus)  239;  — en 
und  Kaineus  Vn.  2C1  f. ;  —  als  Schilil- 
»eiehen  262 
Ker  am  Kypselosknsten    123 
Kerberos   Ciste  171;    NX/j/h/c.   74.  222; 

Sj).   17G 
Kerkyon    V.  2öS 
Kertsch   V.  aus  —   231  ff.  292 
Keteus  266f. 

Keule   Herakles  mit  —   Vit.    109.  250 f.; 
lason  mit  —  V.  113;  Tlieseus  mit  — 
Vn.   117.  232 
Kiebitz  Mos.  297 
Kimon   Maler  200 ff. 
Kinder  Uarstellung  der  —   in  der  anti- 
ken    Kunst    214,8.     244;     Lebenslauf 
eines  Kindes  auf  .'ikplif/n.  209  ff'.  Taf.  14 
Kirphis  Gebirge   128 
Kitharisten   im  Partlicnonfries  67ft' 
Kleidung  der  kom.  Schauspieler  36 ff'. 
Klysma  Castell  78 

Knabe  betender  —  Br.  (Berlin  und  Ve- 
nedig) 73.76;  Negerknabe   G.  (Berlin) 
157 
Knidos  Aphrodite   von    —   87;    Hydro- 

phoren   Tn.  aus  —   136,  8 
Kodros  Ileiligtlium  des  —  163;  —schale 

29 1  f. 
Köln  röm.  Rheinbrücke  in  —  296;  Mar- 

morkopf  aus  —   (Bonn)  300 
Kolchos   Vasennialer   188,2 
Komödie  Scenen    der   —  auf   Vn.  38 f. 
46  Taf.  5   und  Textabh. ;    Kostüm    der 
kom.  Schauspieler  3 1  ff'. 
Konios    Vn.  256.  291:  s.  Gelage 
Kopenhagen  Bestattung  T.  in  —  3,3; 
Dipylon-F«.  in  —  131  ff.  Taf.  8;  Eros 
Mze.  von  Parion  in  —  91 
Kopf    in    Umrisszeichnung    .Marmorstele 
(Berlin)     198  f.    Taf.  12.  3,    Vn.    189  ff. 
Taf.  12,  1.2    und    Textabb.;     Frauen- 
kopf:  Ohrring   (Brit.   Mus.)  239  f.,   Vn. 
lS9ft'.  Taf.  12  und  Textabb.,  gefälschte 
279  f.  Textabb. 
Köre  Skphy.  (Aachen)   74;   Vn.  (Berlin) 

156;  s.  Persephone 
Korinth    Vn.  aus  —  (Brit.  Mus.)   238; 

Mze.  von  —  (Poseidonl  286 
Kos  Aphrodite    des  Praxiteles  in  —  87 
Kostüm  s.   Kleidung 
Kottabos    Vn.  257.   291  f. 
Krates  Laniia  des  —   124 
Krathis  Flussgott  Mze.   112,  10 
Kreta   Gemmen  aus  —   239;    Inselsteine 


aus  —    \;>7;     .M:n.    von     —     114,18; 

^^'aft'entän/.e  in   —    137 
Krieger    Vn     192.    253;   —    trompetend 

r.  256;  zwei   —   auf  einem  Pferd  Br. 

271 
Krommyon    Nymphe    von    —    V.   116; 

krommyon.  Sau    l'n.    Hoff.   Taf.  7,  1 
Kühe    im    Partlicnonfries     56    Textabb. 

59  f.   67  f. 
Kürbis   V.  22 
Kureten  Tanz  der  —   137 
K  u  r  i  o  n  der  Schatz  von   —    295 
Kybistra  Herakleia  203 
Kydnos  Fluss  203 
Kypselosk asten    123.   272 
Kyzikos  Dioskuren    T.  aus  —  270 f. 

Laios  Schatten  iles  —    V.  72 
Laistrygonen   Lamia  Königin    der  — 

130,32 
La  mach  OS  45 
Lamia  V.  (Berlin)  11 9 ff.  Taf.  7.2;  L.t- 

niiae,  Inseln  127,  21  ;  .Initlaq  ui<n9oi' 

Hügel  127 
Lanios  130 
Lampito  42 

Lanuvium  Inschriften  aus   —    160 
Laos  Mzn.  von    111,  10 
Leagros  Lieblingsnanie    auf   I'h.    I80ff. 

255.   289 
Leier  Mann    mit   —   im   Parthenonfries 

07f.,     auf   Vn.    135.    137.    291;     Muse 

mit   —    T.  (Berlin)   156 
Leon  Gigiint   123,5 
Lesche  s.  Delphi 

Leseunterricht  .Sk/ih^e.  2 13 f.  216  ff'. 
Leukas   M:n.   von  —    112 
llvxönojXog  s.  Dioskuren 
Liber  Ciste   171 
Liechtenstein  s.  Wien 
Livius  35,  12:  148;   42,  15:  147 
Löwe    Attribut    der   Artemis    273,    der 

Dioskuren  269  ff'. ;  Darstellungen:    Br.- 

Ret.  (Berlin)  156,   Gemmen  (Brit.  Mus.) 

239;    Goldßhula  (Brit.  Mus.)  240;    T. 

(Rom)  269  ff'.:    Vn.   135.  250 
London  British  Museum,  Erwerbungen 

1884:  237  ff.;   Br.    Herakles  und  Ache- 

loos)   112;    Marmor:    „Hera   von  Gir- 

genti-' 275rt'.   Textabb.,  .S'X-p%e.  2 1 9  f. ; 

Mze.    von  Tanagra  263 f.;    Sp.  (Ares' 

Apotheose)  175ff.;  Vn.   19.  lOöff.  Taf. 

6.     108.    116,21.    123,4.    189f.   196  ff. 

Taf.   12,2  lind  Te.xtabb.   258.  261 
Longon   Mze.  von  —    112,10 
Lonvre  s.  Paris 

Lowther  Castle  Skphtj.  in  —  219 
Ludo visische  Gailiergruppe  155 
Luft    personificirt    Rel.    (Florenz!     und 

\r</m.  (Rom)   29 


Lukian  Hevmotim.  7:  173,5;  de  saltat. 
■J7:  42,44 

Lupa  Mos.  295;  Skpl.g    222 

Lut  r  ophoroi  3,  3 

Lydien  Guldschuiuck  aus  —  205 

Lykien  österr.   Expedition  nach    --    74 

Lykiskos   148 

Lykophron    178:    173 

Lyseas-Stele   19Sft'. 

Lysippos  Kairos  des  —  94  f.;  Vergol- 
dung einer  Sia.  <les  —   86 

Lysistrate  34 

Macrina    150 

Madrid  Cicero  Büste  23ö(.;  Jünglings- 
Kopf  236;   Achilleus-.S'A^/Aii,   74 

Mänade  Vn  191  f.  250f.  259.  261  f.; 
Kopf  einer  --  ß/-.- Flöte  Brit.  Mus.) 
237 

Magna  Mater  Tempel  der  —  in  Rom 
164 

Makedonien  Porseus  von  —  147; 
Philipp  von  —    148 

Malies   Mzn.  von    -    111,  10 

.Mann stier  s    Mischbiklungen 

Marathonischer  Stier  231  ff".  281  f. 
291  rt'. 

Marc  Aurel   Jlzn.  des   —  263f. 

.Marmor  Erwerbungen  des  Berl.  Mus. 
153  ff'. ;  des  Brit.  Mus.  237.  Köpfe: 
aus  Köln  (Bonn)  300;  Cicero  Büste 
(Madrid)  235  f.;  „Hera  von  Girgenti" 
und  3  andere  FäUchungen  275  ff.  Text- 
abb.; Hermes  als  Kind  (Berlin,  Privatbe- 
sitz) 151  f.  Taf.  9;  Jüngling  (Madrid) 
236;  Plato  und  Sokrates  Dop/jelherme 
298.  Reliefs:  Charon  (Athen)  6, 14;  Luft 
(Florenz)  29;  Todteumahl  75.  77;  Fries 
des  Parthenon  53  ff'.  99  ff".  167  f,  des 
pergamen.  Altars  76;  Grabreliefs  in 
Triest  21,  29,  attische  77;  .Metopen  des 
Theseion  118:  Skphge  :  von  Porta  Sa- 
laru  166,  Achilleus  (Madrid)  74,  ka- 
lydon.  Jagd  (Catana)  74,  Koraraub 
(Aachen)  74,  Lebenslauf  209 ff'.  Taf.  14, 
Protesilaos  (Vatican)  5,  7,  Zeus'  Kind- 
heit (Florenz)  229  ff'.  Textabb. ;  Volit-rel. 
an  Asklepios  102,3.  .S'(a(aeii.;  Apollo 
(aus  Athen)  265,  (Egremont)  286; 
Dionysos  des  Kaiamis  263  ff. ;  Eros 
(Dresden  96,  (Petersburg)  90;  Hermes 
Kriophoros  des  Kaiamis  265;  Poseidon 
(Medici)  283  f.  Textabb.,  (Scherschel 
und  Holkham  Hall)  286;  Sophokles 
298 ;  Giebel  vom  olymp.  Zeustcmpel 
164.  293  f,  des  Parthenon  73.  Bemalte 
Sielen  198  ff'.  Taf.  12,3.  Plerdehuf  (lirit. 
Mus.)  237 

Mars  Br.-Slatuetle  aus  Pommern  a.  d. 
Mosel  300;  s.  Ares 


315 


Resister. 


316 


Marsyas  des  Rlyron  2 

Martial  I  70:  IG-1;  III  9;  220,  20:  XIII 
78:   123 

RIartichoras  266 

Masken  der  älteren  Komödie  32 fl'. 

Mauer  Mann  eine  —  übersteigend  T". 
253 

Mauhvurfj  äger    V.  254 

Medeia  117.  231ft'.  281f.  2niff. 

Med  iceische  Poseidon-SVa.  283  f.  Text- 
abb. 

Medusa  s.  Gorgoneion 

Megakles  Lieblingsname   Vii.  290 ft'. 

Megapenthes  272 

Megara  Satyr  des  Praxiteles  in  —  85: 
Schatzhaiis  der  Megaieer  in  Olympia 
110 

Meisternamen  s.  Vasen 

Melite  im  Westgiebel  des  Parthenon  73 

ufV-äf  bei  Pausanias  83 

Menodoros  Copie  des  Eros  in  Thespiae 
von  —  86 

Menschenleben  Ükp/iye.  209.   217,  14 

Mercurius  Unturrichtsgott  215;  Cistc 
171;  Skphrje.  214f.   218;  s.  Hermes 

Metaneira  173 

Metapont  M:e.  von  —   112 

Mikou  Maler  203,20 

Mi  n  erva  s.  Athcna 

Minotauros    V.  (Brit.  Mus.)   108 

Mischbil düngen:  (iiganten  geflügelt, 
löwenhäuptig  (pergamen  Fries)  123,5: 
Lamia  V.  (Beilin  HO«'.  Taf  7,2; 
Mannstier  111;  Sirene  Vn.  122.  250, 
Sirenenfedern  der  Musen  SL-/ihy.  210: 
Sphinx  am  aniykl.  Thron  272,  Br. 
(Brit.  Mus.)  237,  Vn.  121  ft".  Taf.  7,2. 
289;  Triton  110.  249.  263  ff".  Textabb. 
285 

Mnesilochos  41  ff. 

mola  Salsa   159 

Mondragone  Antiken  in  —   280,6 

Mormo   124.   129 

Morraspiel    V.  292 

Mosaik  Urittannia  (Berlin)  lö><;  lupa 
(Rom)  297 

München  Eros-.l/;e.  von  Parion  in  — 
90f.;  Vn.  in  —  16.  109,5.  182ff. 
Taf."  11.   189  fi'.   252 

Münzen  der  Akrasioten  (farnes.  Stier) 
296;  des  Antoniniis  Pius  30,19.  31, 
22;  biiotische  ~  (Poseidon)  286;  des 
Commodus  (Poseidon)  286;  des  Domi- 
tian  (Roma)  30,  19:  von  Gergis  127,21; 
des  Iladrian  31  ;  von  Kenchreae  (Po- 
seidon) 285  f.;  von  Korinth  (Poseidon) 
286;  von  Mytilene  151  f.;  von  Phuselis 
(Aclicloo.s)  109;  von  Poseidonia  101; 
des  Septimius  Severus  31,22;  von  Ta- 
nagra  26311,  Textabb.;    mit  Achcloos 


109.   112;    mit    Dioskuren    270.    272 

mit  Eros  89  ff". ;  mit  Flussgöttern   111 

mit  Poseidon  und  Zeus  als  Stier  1 14, 18 

Münzfund    in    Ponmiern    a.    d.    Mosel 

300 
Muse  Skphge.  209ff.  214  ft'.  217:   —  mit 

Leier   T.  (Berlin)   156 
Mykenae  Befestigung  von   —    161 
Myrina    V.  aus  —   238;    Glasteller  aus 

—   243 
Myron  Marsyas  des  —   2 
Myrrhine  41,  37 
Myth  ograph  US  Vaticanus  48.  1 19.  231. 

281.  291 
mythologische    Scenen    auf     Vn.    dos 

Euphronios   186 
Mytilene  Inschriften  aus  —  141  ft';  Mze. 

von  —  1 5 1  f. 

Kabis  von  Sparta   148 

Nabulus  Dreifussbasis  von   —    112 

Nachen  in  Charondarstellungen   7ff. 

Nashorn  266 

Naukratis  Ausgrabungen  zu  —  295 

Naxos  Mzn.  von  —   112,  10 

Neapel   Mzn.   von  —    111;    Vn.    in    — 

112  f.   179ft'.  Taf.  10.   190f. 
Negerknabe   G.  (Berlin)   157 
Neleion  in  Athen  163 
Neoptolemos   F.  78 
Nereiden  Ciste  (Brit.  -Mus.)  237 
Nereus  Herakles  und   —    V.   109,4 
Nero  raubt  den  Eros  des  Praxiteles  86; 

vergoldet    eine    Sta.    des    Lysipp    86: 

Meilenstein  des  —  75 
Nike    Ciste    171;     M:n.   111:     Sp.   176; 

s.  Victoria 
Nikosthenes    Vn.  des  —   250f   254 
Nikostratos  272 
Nola  Mzn.    von     -    111,10;    V.  aus  — 

198  Textabb. 
Nuceria     Alfaterna     .M:n.     von     — 

111,  10 
Numicius  Fluss   174  f. 
Nymphen    Rel.    (Louvre)     155;    olymii. 

AVestgiebcl   164 
Nysa  Nymphe  229 

(Jdessa  Prometheus  G.  in  —  223ft'. 
Textabb. 

Oelbaum    V.    184 

Oineus    Vn.    108 

( )  k  e  a  n  0  s   1 74 

Ultos  Vasenmaler   196 

(Jlympia  Prometheus  Br.-Rel.  aus  — 
226;  Gemälde  des  Panainos  im  Zeus- 
tempel 228;  Giebel  i\ci  Zeustempels  1 15. 
164.  293f.:  Inschrift  ;ius  —  166;  Scliatz- 
haus  der  Megareer  in   —   110 

Opfer  .Skph,;.  217,4;    V.    120 


opus  sectile  und  tessellatum  296 f. 

Orcus  s.  lanitor  Orci 

Oreios  Kentaur  1 10 

Oropos  Ileiligthum  des  Amphiaraos   in 

—  75 
Orpheus  liel.  9 

O r vi eto  Ausgrabungen  in  -  167;  G.  aus 

—  162;  Vn.  aus  —  179  ft'.  Taf.  10. 
195  Taf.  12,  1 

Otacilia  Sevcra  Mzn.  der  —  91 
Ovid  Fast.  IV  551:  173;  V  251ff.:   170 

V  667:    215,  10;    Metam.  VII  433 ft". 

282;    XIII  950ff'.:    174;    XIV  600ft'. 

174  f. 

Paedagog  Slcphr/e.  218 

Paedotribe   V.  255 

Palaestra    Vn.    184.    255    Taf.    19,2. 

258.  289 
Palaisto  Hetäre    V.  257 
Palamedes    Wym.  des  Polygnot  246 
Palatin  s.   Rom 
Palestrina  Cisten  aus  —    (Brit.  Mus.) 

237;  Goldschmuck  ans —  (Brit  Mus.) 

240;   S/j.  aus  —  (Brit.  Mus.)  237 
Palladion   V.  (Brit.  Mus.)  23Sf 
Pallas  s.  Athena 
Pan   T.-Kopf  (Brit.   Mus.)   238 
Panainos  Prometheus   Gemälde   des  — 

228 
Panaitios  Lieblingsname  Vn.  184.258 
Pan ak tos  Bergfeste  293 
Panathenäen  102 
Pandosia  M:e.  von   —    112,  IG 
Panormus   Mzn.  von  —    111,  10 
Panphai OS  Vasenmaler  182.   194f.;  Vn. 

des  —   110,5.  252.  254 
Pantaleon  Aetoler  147 
Panther  Attribut  der  Artemis  273;  der 

Dioskuren  269  ft'. 
Parion  Eros  von  —  86ft'. 
Paris  Unheil  des  —    V.  260 
Paris    Mze.    von    Parion    in     —     90f.; 

Nymphen  Rel.   in   —    155;    Skphge.  in 

—  209ft'.  Taf.  14.  219.  220,22;  Tn. 
in  —  3,5.  46  Taf.  5  und  Textabb. 
107.  109,5.  189;  Zeichnungen  des 
Parthenon  in  —   74 

Parodien  auf   Vn.    1221'. 

parrha  Vogelart  Mos.  297 

Parrhasios  Prometheus  Gemälde  des  — 
228 

Parthenon  Fries  53 ft'.  Textabb.  99 ff. 
167f.;  AVestgiebel  73.  115;  Zeichnun- 
gen des  Pariser  Anonymus  74 

Parzen  Skphge.  214.  216.   218.  222,26 

Patron  Gründer  von  Alontion   112 

Patroos  s.  Apollo 

Pausanias  nnmismat.  Commentar  zu  — 
295;  /iih-äf  bei  —  83 


317 


Register. 


318 


I  8,4:  84;    13,9.   17,1:  83;  20,1:  81f.; 

20,7:  83;  43,5:   85 
H  2,3:  286;    3,6:   129;     11,3:    129; 

27:    104 
m  8,  16:    110;   18,  3.   8:   272 
VU,6:   228;    19,1:   123;   19,2:   272 
VI  3,2:    166;   19,  12:    110 
Vm  15,  1:    129;  27,  1 1 :    130,31 

IX  20,4:  263.    265.   268;    27,3:   86; 
30,4:   95 

X  12,  1:    127,21;   31,1:   246 
Pausias  Maler  86 
Pegasos   eiste  (Brit.  Mus.)  237 
Peithetaeios  33.  43.  46 
Peithinos  Vasennuiler   181 
Peitho  im   Parthenoiil'ries    104 
Pergamon    Kumenes  II.    von    —    147; 

Ausgrabungen  in  —  75 f.  154 f.;  iler 
kleinere  Altarfties  12;  Prometheus  Rel. 
228 

Persephone  in  Phlius  129;  s.  Köre 

Perseus  von  Maketlouien   147 

Personificationen:  Basile  163;  Bri- 
tannia  Mos.  (Berlin)  158;  Demos  bei 
Aristophanes  45:  Frühling,  Sommer, 
Herbst  Skplnj.  74;  Ilispania  Sta.  237; 
Luft  Ril.  (Florenz)  und  Wgm.  (Rom) 
29;  Roma  Wgm.  (Rom)  23  ff.  Taf.  4, 
ihn.  30,  19,  Mos.  297 

Pesth  Poseidon  Br.-Slatv.eUe  in  —  286 

Petersburg  Eros  Uta.  in  —  90;  Vn. 
in  _    107.    190.  231  ff.  257 

Pferd  Attribut  der  Dioskuren  271.  Dar- 
stellungen: im  Parthenonfries  63ff. ; 
I'h.  131.  183  ft'.  238;  mit  zwei  Reitern 
Br.  271;  Viergespann  im  Parthenon- 
fries 67  f.,  auf  Vn.  250  tf.  Taf.  16; 
Zweigespann  Skphg.  215;  Pferdehuf 
von  Marmor  237 ;  Pferdevordertheil, 
Geläsäform  (Brit.  Mus.)  238 

Phaia   Vn.   116.  125 

Phalaris  Stier  des  —    113 

Phaleron  Prometheus  F.  aus  —   225,3 

Phallos  in  der  Komödie  36;  Phallos- 
lied  47 f.;  Phallophoren   37 

Phaseiis   Mze.  von  —    109 

Pheidias  s.   Parthenon 

Pheneos  Demeter  von  —   129 

Philipp  von  Makedonien  148;  —  Kai- 
ser M:e.  des  —  91 

Philokieon  41.  43 

Philostrat  V.  Apollon.  IV  25  p.  165: 
124,  9 

Phintias  T'».  des  —  290ft'. 

Phistelia  il-.<i    von  —   111.10 

Phlius  Demeter,  Persephone,  Dionysos 
in   —    129 

Phlyakographie  38.  46 

Phönizier  in  Tiryns  2981". 

Phokäa    Vn.  aus  —   (Brit    Mus.)  238 


Photius    v.  ^tü^iia     126,  19;     noiunTiei 

40,  26 
Phryne  81  f. 

Piacus  ü/.-e.  von  —   112,10 
picus  Vogelart  Mos.  297 
Pindar  Ol.  IX  50:    5,  11;    Pyth.  IX  61: 

175,7 
Piräus  Uestattiing   T.    aus    —    (Kopen- 
hagen) 3,  5;  Muse  mit  Leier  T.  aus  — 

(Berlin)   156 
Pithora  Stätte  des  alten   —    78 
Plato  Porträts  des  —  155.  297f.;  Alkib. 

II  e,  143  c:  248;   fr.  56:    126,8 
l'latonios    Tiint    äiai/oficig    xcüfi^jäiiiJv 

XXXV  20:   35,  12 
Plinius  N.  II.  V  138:  127,21;  XXXIV 

63:    86;    XXXV  56:    200f.;    XXXVI 

22:   86;  ep.  3,5:   87 
l'hitarch  Arat  33:    147  ;;Ti,_Graechus 

2:  272;  Thes,us9:    116,22;   12:294; 

14:  119;  de  curios.  2:  124,  8;  de  Pyth. 

orac.  9:    127,21;    de    Stoic.    rep.    15: 

130,30 
Pluto  s.  Hades 

Poiesis  Komiidie  des  Antiphanes  248 
Polemo  fr.  39:    130 
P  olias  s.  Alhena 
Polieus  s.  Zeus 
PolUix  On.  IV  118:  40,30;  120:42,41; 

143:  32,2;   154:  42,43;    VII  47:   40, 

30;  85:  43 
Polybios   147 
Polyohromie    .'System    der   antiken    — 

295 f.;    Farbenspuren   an    weibl.   Kop/ 

(Brit.  Mus  )   237,  Skyhg.  (Louvre)  209 

Taf.  14,  1,    Tn.  7.   11.  238.  269 
Polydeukes  2711". 
Polygnotos  Maler   17.  244.  246 
Polygnotos    Vascnmaler     Vn.    des     — 

261 
Polyneikes   123 
Pommern    a.  d.  Mosel,    Ausgrabungen 

in   —   300 
Pomp  ei a  Macrina   150 
Pompeius  Magnus   150 
Porphyrion  Gigant   123,5 
Porträt  des  Plato,   Sokrates,  Sophokles 

297f.;  griechische —köpfe  155:  — mas- 

ken  34 
Poseidon    Vater    der    Lamia     127,21; 

Parthenonfries    99.   167 f.;    Parthenon- 
giebel 99;    Mzn.  285  f.;    Statuen  285 ff. 

Textabb.;     Vn      1061".     225,4;     Stier 

Symbol  des  —   .Vzn.   114,  18 
Poseidonia  M:n.  von  —    101.   114,  18 
Praeneste  s.  Palestrina 
Praxidike   129 

Praxiteles  Werke  des  —  81  f.  87 
Priapos    T.    231;     Stützfigur   des   Eros 

von   P.arion  93 


Priester  anbetend,  Fels /Je/,  von  Ibriz 
203  ff.  Taf  13 

Prima  Porta  Augustus  von  —  264 

Profilbildung  griechische  —  277 

Prometheus  Gemmen  162.  223ff.  Text- 
abb.; andere  Darstellungen  225  ff. 

Propyläen  Reconstruction  des  Südflü- 
gels 76 

Protesilaos  Sk/jlnj.  (Vatican)  5,7; 
Wgm.  246 

P  r  o  t  h  e  s  i  s  Skphge-   2 1 7  ff". 

■nnvkt;  Tanz  in  Cypern    137 

Pseudartabas  33 

Psyche  mit  dem  Sty.xwasser  173;  — 
und  Eros  Skjjhg.  (Brit.  Mus.)  220 

Ptolemaeiis  Hephaestion  7:   173 

TivQa/Aig  Üpferkuchen   120 

71  V  li  ö  ly  r]   Tanz   1 37 

Quintilian  Inst.  or.  XI  3,79:  34,9; 
XIII   10,7:  264 

Reh    V.   134 

Reiter   Gutdring    (Brit.  Mus.)  239;    Vn. 

183.  189;   —   im  Parthenonfries  61  ft'.; 

zwei  —   auf  demselben  Pferd  Br.  271 
Rem  US  J/bs.  297 
R  hei  ms     fränk.     Goldschmuck    aus    — 

(Berlin)   157 
Rheinbrücke  röm    —   in  Köln   296 
Rhinthonische  Komödie  38 
Ring  von   Gold   156 f.   226,7 
Robbia  Polychromie  der     -   296 
Rom  Gründungslegende   Mos.  297;  Pal. 

B:irberini    Wgm.  23  ff.    Taf.  4.  32;  V. 

Borghese  Skplig.  216;  Capitol    Skphg. 

217,  14;    Castellani'scher    Frauenkopf 

279    Textabb.;     Pal.     Colonna     i/o«. 

296 f.;    Pal.    C'orsetti    Skphg    217,14; 

Atelier  Jerichau  Skphg.  220,  22  ;  Mus. 

Kircheriano    Skphg.   220ff.;  Via  Mar- 

giitta     Skphg.     220,  22;     V.     Medici 

Skphy.  220,22;   Topographie  des  Pa- 

latin   163 f.;    V.  Panfili   Skphg.  213 ft'.; 

Skphge.   vor    Porta   Salara   166;    Mus. 

Torlonia  217;  Vatican,  Porträt- /7e?-nic 

des  Plato   297,    Skphge.  215,12.   216, 

Vn.    254.     271,     Handschrijl     281  f.; 

Vestatempel   158  f. 
Roma  J/os.    297;    .1/;«.    30,19;     Wgm. 

23  ff.  Taf  4;    Tempel    der  Venus   und 

—  30 
Rom u Ins   Mos.   297;  Haus  des  —    164 
Ruder  Attribut  des  Charon   7ft'. 
Ruvo    V.  aus   —    112.  231  ft'. 

Sabur  off'sche    Anlikensammlung     1.54. 

156 
Säugung   Glasteller  243;    Skphge.  212. 

214.   216      V.   242 


319 


Register. 


320 


Sakonides  Vasenmaler  187,1.    189;  I'. 

des  —  25-2,4 
«appho  I  11  :    14U;  l'r.  4:    147 
Sarkophage   Corpus    der    —    299;    s. 

Miiriiior 
Sarpedon    V.  (lärit.   Mus.)   23S 
Satyr  des  Praxiteles  811.  85;  Vii.  179ft'. 

Taf.  10.   181,5.   191.  250f.  Taf.  IG,  1. 

253     Taf.    16,3.    254.     258  f.     261  f.; 

— knabe  im  Dionysostenipel  zu  Athen 

82ff.,  einschenkend    85;    — köpf  Golcl- 

liatsbaud  {ßiit.  Mus.)  240;  — maske  i'ii, 

190.   192 
Sau  krommvünisclie  —    Vn.    115  ff.  Tat. 

7,  1 
Schale  im   rarthenonfries  67 
Schauspieler    Kostüm    der   komischen 

—  3 1  ff. ;  s.  Komödie,  Masken,  Theater 
Scherschel   Poseidon   Sla.  von  —   286 
Schiff  Gemmen  (Brit.  Mus.)  239;  Schiffs- 
kampf  V.   132  'Jaf.  8 
Schildicichen:   Delphin  253;  Ureifiiss 

252;  Kentaur  262;  Kosette  252 
Schilf  in  Charondarstelluiiyen   7 ff'. 
Schlange  Vn.   113.  259;  Schlangenstab 

Attribut  des  Asklepios   102 
Scholion  ApoUon.  IV  816:    173 

Aristid.  III  p.  42:    124,10.    129,26 

Aristoph.  Ekkl.  74:  45,59;  Fried.  758: 
124,10.  125,17.  130,32;  Frosch. 
200:  40,29;  Thesm.  38:  45,57; 
Vög.  61:  33,4;  99:  33,5;  Wesp 
475:  34,8;  Wölk.  343:  33;  734: 
36,  14 

Eurip.   Phoen.    1760:    127 

Hon..  ./  741:  291;  //36:   173 

Hör.  Ars  Poet.  340:   125,  16 

luven.  XI  139;   33,7 

Lukian  IV  p.  162,25:   86 

Pind.  l'ylh.  I  185:    113;  II  127:   138 

Theokr.  XV  40:    1.30,32 
Schwan    V.     134;     Wgm.    (Uom)    28f.; 

Si;hwanenei   V.  238  f. 
Sehethos  Flussgott  Mzu.   111 
Seckentauren    Wym.  (Rom)  26 
Seeungeheuer  Ciste  (Brit.  Mus.)  237 
Segesta   Mze.  von  —   112,  10 
Sei  in  US   Ahn.  von   —    111,10 
Semcle  und  Dionysos   V.   191  f. 
Sencca  cons.  ad  Marc.  19:    172;  de  ira 
III  27:   220,20 

Herc.    für.    783:    172,  13;    Hcrc.    Üct. 
1245:   172,  13;   1966:   173,5 
Septimius  Severus  Mze.   des  —   31,22 
Servius  Aen.  VI57:   172 
Severa  s.  Otacilia 
Severus  s.  Alexander,  .Septimius 
Sibylla    Tochter    der    Lnmia    126.21: 

Sibyllen   127,21 
Sidicinum  s.  Teanum 


Silen     hockend     Siehißgur    (lirit.    Mus.) 

240;  Silensmaske    V.  (Berlin)    156 
Silerae  Mzn.  von  —   111,  10 
Sirene  s.  Mischbildungen 
Situationsbild     in     der    V:l^enmalerci 

241 
Skaphephoren   im  Parthenonl'ries  67  f. 
Skiron   V.  258 
Skorpion  geflügelt  266 
Skylla  Tochter  der  Lamia   127 
Sükrales    bei    Aufführung    der  Wolken 

35;   —   und   Plato   iJoppelherine   298 
Solus   Ahn.  von  —    111,10 
Sommer  personiticirt  Skphg.   74 
Sonnenuhr  Skphgc    209  f. 
Sophokles    Eriphyle    des   —     248,12: 

König  Oed.  210:    169;   Porträt  des   — 

298 
Sosias  Vasenmaler   181,5.    192 
Soter  s.  Ares,  Zius 
South  Shields  röni.  Castell  in   —   75 
Spanien    personificirt    Slu.    237;    röm. 

Strassennetz  in  —   75 
Sparta    Nabis    von    —    148;    Cult    der 

Dioskuren  in   —    270  ff, 
Speisetische  der  Griechen  2S7ff.  Text- 

abb. 
Sphinx  s.  Misclibildiin;,'en 
Spiele   s.   Brettspiel,    Kottabos,    Morra- 

spiel 
Spindel    T'.   243 

Spondophoren   im  Parthenonfries  67 
Springstock   Vn.  183.  290 
Sprung    Vn.   183.  289f. 
Statius  Achill.  I  269:   172 
Stele  palästrische  —    V.  289 
Stephanos  von   Byzanz   v.  Fioyig    127, 

21;  KnOfXfiviüf    I  16,23 
stercus  Vestae   160 
Sterope  im  olynip.   Ostgiebel   293 
Stesichoros  fr.    13:    127 
Stiela   Ahn.  von   —    111,  10 
Stier    Symbol    des    Poseidon    und    Zeus 
114,18;    farnesischer    —     Mze.    296; 

kretischer   —    Vn.    I12rt'.    117;    mara- 

thonischer  —    I'».    IIS.   281  f.   291  ff'.; 

dos  Phalaris  113;  mit  Menschenko]if  s. 

Miscbbildungen 
Stirnziegel   Tn    3,3.   156.    193.   23,s 
Strabo   IX   p.  410:    86;    XIII   p.  617f.; 

150 
Stratos   Mzn.   von    —    112 
St.  Remy  Grabmal  der  lulier  bei   —  155 
Strepsiades  37,14.  41 
Styx  172  ff'. 

Suessa  Aurunca   .l/cii.  von  —  111,  10 
Sueton  de  gramin.  \'II  1:    .!21,25 
Suidas   V.    GtoTiufinug    102,";    ..■lufii« 

126,  19;   :itftvXi.ic    127,  21 
Sunion   Ausgrabungen  in   —    168 


Sybaris    128,22;   Ahn.  von  —   114,  18 
Syrakus  Ahn.  von   —    114,18 

Tacitus  Annal.  VI  18:    150;   Germania 

38:   220,20 
Taleides   V.  des  —  249 
Tanagra  Ahn.  von  —  263 ff".  Textabb.; 

Charon   T.-Rel.  ans  —   11   Textabb. 
Tanz    von     Eroten     222,29;     von    Mä- 

naden  I^;i.  250f. :  Reigentanz  Vn.   135. 

137;      von     Satyrn      Vn.      250  f.      254; 

Tänzer  auf  ßc.-Tisch  (Berlin)   287 ff'. 
Tarent    G.    aus    —    (Brit.  Mus.)    239; 

In.   aus  —  (Berlin)    156,   (Brit.  Jlus.) 

238,   (Rom)   272,  6 
Tauromenion   AJzn.    von    —     111,  10. 

114,  18 
Taurus  Gebirge  203 
Teanum     Sidicinum      Ahn.    von     — 

111,  10 

Tegea  Hydrophoren   7'.  aus  —   135.  8 

Tel  el  Maskukali  Ausgrabungen  in  — 
73 

Teil  US  mit  Füllhorn  232;  auf  Skplign. 
216.  218 

Telmessos  V.  aus   —   (Brit.  Mus.)  238 

Terp  ander  135 

Terracotten  Erwerbungen  des  Berl. 
Mus.  156,  des  Brit.  Mus  237  f.;  Re- 
liefs: Bestattung  (Kopenhagen)  3,5; 
Charon  (Berlin)  6  ff'.  Taf.  1.  153,  (Wien) 
lOff.  Textabb.  154;  Prometheus  228. 
Gruppen:  Dioskuren  269 ff.  Textabb.; 
Figuren  am  Grabmal  (Paris)  154.  Sta- 
tuetten: Eros  98;  Hydrophoren  135,8: 
—  aus  Cypern   295 

TertuUian  adv.   Valent.  3;    130,29 

Monte  Testaccio  Inschrift  vom  — 
160  f. 

Tethys   174 

Thallo])horen    im  Partlienonfries  67 f. 

Thanatos    V.  (Brit.  Mus.)  238 

Thasos  Nymphen  - /Je/,  aus  —  (Paris) 
155 

©t«  VnalXtia  Grab-iJc/.  (Triesti  21,29 

Theater  in  Athen  103;  —  in  Perga- 
mon   76 

Themis  Mutter  des  Prometheus  224: 
Ge  Themis  in  Athen   104 

Tlieoderich  Ziegelstempel  des  —  158 

Theokrit  XV  108:  174;  XXII  122: 
274,8;  XXIV  82:   173,5;   115:   130 

Theonoe   127,  21 

Theophanes   151 

Theo  pompös  \o\'w- Ret.  des  —  an 
Asklepios   102,  3 

Thermae     lliniereae     Alze.     von    — 

112,  10 

Thermopylen  Schlacht  hei  den  —  147 
These ion  in  Athen    105,9.    118 


121 


Roristcr. 


322 


Theseus    Suge    281  f.    201  rt'.;   Vn.    78. 

108.  115ff.  Taf.  7,  1.   mu.  231ff.  258 
Thespiae  Eros  von  —  Sl 
Thetis  den  Achill  badend   172 
Thron   7'.  (Berlin)   150;  amykläischer  — 

108.   110.   271  ft'. 
Thurioi    Alzn.   von    —    114,18 
Thymi  los  Künstler  83  f. 
Thyrreion   M:n.  von  —    112 
T  i  m  a  i  0  s  113 

Timokles  Koniodioniliuhter  247 
Timsah  See  78 
Tintenl'ass  Sk-pluje.  210 
Tiryns  Ausgrabungen  in  —  1G6.  298  f.; 

Befestigungen  von  —  Ißl 
Tisch  s.   Speisetisch 
Tityos  und  Apollo   G.  (Berlin)    162 
Tivoli  Skphy.  in  —  21Ü 
Tleson  Vasenmaler   181,1 
Todtenmahl  Reliefs  75.    77;    Skphge. 

2 10  f.;  röm.  und  griech.   form  des  — 

222 
Todtenritt  215,  12 
Toilettenscene   V.  (Brit.  Mus.)  238 
Trachis  128 
Triest  Grab-ZiV^.    in   —   21,29;    Vn.  in 

—   189.  249  f. 
Trinkhorn    Vn.  251.   254.  259 
Tripodenstrasse  Satyr  der   —   81 
Tritogeneia  s.  Athena 
Triton    von   Tanagra   263ft'.  Textabb.; 

bei  Poseidon  285;   —  und  Herakles  V. 

249;  Typus  des  —  auf  Acheloos  über- 
tragen  V.   HO,  5 
Trochilos  koiii.  Maske  33 
Troia  Befestigungen  von  —    161 
Troilos   Vn.   184f.  258 
Tqoi  Civ  (f  y>i  104 
Trompete   V.  256 
Tychios   V.  des  —  249 f. 
Tyndaris  Dioskur  T.  aus  —  272,6 
Tzetzes  Chil.  V  ll.öOOff.:   87 

ümriss/, eiclinung  s.  Vasen 
Un terriehtsscene    auf  Skphgn.  213f. 
210  rt'. 


Unterwelt  V.  (Karlsruhe)  71  f.;  feuriges 
Wasser  der  —   172;  FUiss  der  —  6 

Vasen  Erwerbungen  iles  Bcrl.  Mus.  15G, 
des  Brit.  Mus.  238  f.;  Dipylon  -  131  ff. 
Taf.  8;  kyprischo  —  165;  Lutroiihoroi 
3,3;  mit  Meisternamen  179  ff.  Taf. 
lOf  249ff.  Taf.  16—19.  289ff.;  Si- 
tuationsbilder auf  —  241;  mit  Um- 
risszeichnuug  187  ff.  Taf.  12  und  Text- 
abb.;  Veikiirzung  auf  Va.-enbildern  262; 
Köpfe  in   Vorderansicht   257  f.   289 

UarstelUinijen :  Alkiueons  .Jugend 
(Berlin)  241  ff'.  Taf.  15;  Aristophanes' 
Frösche  38;  Caricaturen  und  Parodien 
122f.;  Charon  lOff.  Taf.  2.  3;  Dios- 
km-en  (Vatican)  271;  (Jrlage  288; 
Götterveisanmihuig  100 f.;  Herakles  und 
Aclieloos  105ff.  Taf.  6;  kalydon.  Jagd 
(Berlin)  74;  Lamia  (Berlin)  UOff'.  Taf. 
7,2;  Prometheus  225;  Tlicseus  oder 
Lison  112ff.  231  f.  281  I'.  2^11  ff  ;  Unter- 
welt  (Karlsruhe)   711". 

Va^eninaler  s.  Andokides.  Archikles, 
Charinos,  Charitaios,  Cheiis,  Duris, 
Epiktetos,  Epitimos,  Ergütimos,  Euchei- 
ros,  Euphronios,  Uuthymides,  Euxitlieos, 
Exekias,  Glaukyles,  Ilermogenes,  Hie- 
ron, Kachrylion,  Kolchos,  Nikosthenes, 
Oltos,  Panphaios,  Peithinos,  Phintias, 
Polygnotos,  Sakonides,  Sosias,  Talei- 
des, Tleson,  Tychios,  Xenokles 

Venedig  Copie  des  beienden  Knaben  in 
—   73 

Venus  Tempel  der  —  und  Koma  30; 
s.  Aphrodite 

Vergoldung  an  T.-Stuiuetle  (Brit.Mus.) 
238 

Verkürzung  auf  Vasenbildern  202 

Verona  Grab-i?e/.  in  —  220, 22 ;  skphge. 
in  —  210,2.  217,14;  V.  in—  115ff. 
Taf.  7,  1.  232.   292 

Verrcs  laubt  den  Eros  des  Praxiteles  86 

Verstorbener  in  Charondarstellungen 
6 ff.;  auf  Lebenslauf  -  N/yy/i(/»  2 10 f. 
215  ff.   217  f.;    gefallener  Krieger  Ciste 


(Brit.  Mus.)  237,  von  Vijgeln  zer- 
fleischt  G.  und   Goldring  226 

Vesta  Ausgrabungen  im  Heiligthum  der 
—  158  f. 

Vestalinnen   159 

Victoria   Cime   171;    Wgm.  27;  s.  Nike 

Viergespann  s.   Pferd 

Vogel  Gewimen  220.  239;  Goldriny  •226; 
als  koni.  Maske  33;  V.  250;  — fang 
Skphy.   222,  29 

Vorderansicht  der  Kijpfc  auf  Vn. 
257  f.  289 

Vütivrelief  des  Theopompos   102,3 

Vulci  Ohrringe  aus  —  239;  Vn.  aus  — 
3,5.   105  ff.  Taf.  0 

Wagen  mit  Widdergespann  Äiy^Aye.  210. 
213.  210;  mit  Hossgespann  s.  Pterd;  im 
Parthenonfries  Ol  ff. 

Wandgemälde  s.  Gemälde 

Wassergottheiten  s.   Fhissgott 

Weinstock    V.  252 

Wellen  auf  Cliarondarstellungen  7  ff. 

Widderwagen  Shphye.    210.   213.  216 

Wien  Poseidon  Br.-Sliiiuette  in  —  286; 
gefälschter  Frauen  -  A'o/)/  (Warsberg) 
280 f.  Textabi).:  Charon  T.-Rel.  (Liech- 
tenstein) 10  ff'.  Textabb  ;  K.  des  Duris  184 

W  ö  1  f i  n  s.  Lupa 

Würzburg  Vn.  in   —   252 ff.  Taf.  10.3 

Xan thias  37,  14.  40 

Xenodotüs  Lieblingsname  auf   V.  252 

Xenokles  Vasenmaler   187,1 

Zeus     mit    .\dler     V.    226;     als    Kind 

Skphy.  229  rt'.  Textabb  ;  —  Polieus  im 

Parthenonfries    102;    —  Soler  70;  als 

Stier  ihe.  114,  18;  Altar  des  —  (Per- 

gamon)  76;  Tempel  des  —  (Olympia)  104 

Ziege   Gemmen  (Brit.   Mus.)  239 

Ziegeleien  stadtrijmische  —   157 

Zug    von    Kriegern    139    Textabb.;     — 

von  Wagen   140  Textabb. 
Zweigespann  s.   Pferd 
Zweikampf    Vn.    130.    238 


IL     EPIGRAPHISCHES  REGISTER. 


1.     Griechische  Inschriften 
aus  Athen   162;    Eleusis   75;    Gortyn   78. 

168;  Mytilene  141  ft\;  Olympia  166 
Hßävjlioi  143f. 
Ußtti  141 

'A!tr)v6äoi OS  xitlo;    V.   180 
Arcti  V.  245 
A'iutov    V    71  f. 
Aiiiokoi   141  tV. 

.\rciuiolog.  Ztjr.   Jalir^'nng  XLIII. 


Aio:>v    V.  71  f. 
'A).tlitv  ä  ofln   önti/fii]    143 
•Alxfi^tüv    V.  242 
Li/xqi laQcio;    V.  242 
KjU(^(  ZI  i)0»'ixo?   143 
liviioi  Qi-  rrjyog   150 
'Ai' Ulf  luv  Archon   102 
i'tnoiS I  (So  u  fv    141 
'An  y.  f.a  71  to  s   143 


'Aaxorii)..  V.  252,4 
ASiül  NOS   Mze.   112,  10 
Axili.tv;    V.  245 
Bet9vv(a  150 
ßöXXtt  (=  ßovXi'i)   144 
yQic(f(o.   fy{}ail'fi'    V.   201 
ö^vtü   (^=  J^w,  tSf^tti)  149 
dijudij/O';   150 
Aiju'i    V-   -■13,3 

0-2 


323 

liioixeais.  6  jdui«;  6  ^/7i   j('S  liioixt- 

aioi  14-t 
^tioi'vain   144 
"Eßti'o;  237 

'  E).7i  iy  ixtiq  xu)6;    V.    lOj 
iS iTi i  Ulf  !Hv   l4o 
i  SiTtlairis  143 
"CTifiös   r.  240,  fi 
'Eniä QOfxOi  xukoi    Vn.  2äü.  28!l 
i7itfxi>.r]r7]S  üd'ior   150 
'£p((/ü;.>i    K.  242 
En  u  tj  s    V.   250 
'Eq fiOyf'rr]g    Vn.  249.  252 
Evvouog  &>jgiuv  141 
Evauf-Kios  144 
^a/jCtt   141 
©soycj'ijff  öiö,  ilZ-'e    152;  v^os  150 

@iO'füvvr]c:   151 
(iriftCuOi  144 
Ö^pioi   141 
'ItQOxi.rjS  237 
'I^Qoiv  (noitatr   V.  259,11 
"Innaaxog  xaloi    V.   254 
t'pös  (=  ifyöj)  144 
Ä'uij'füs    F.  261 
Kit  Kg  V.  191 
z«/l.os   r«.   180.   183f.    195.   252.   254ff. 

258  f.  291  f.;  xitlöig  im  xufliaTrjiijfii  V. 

183 
xicijo  .  71  ulo  .  .  .    V.  25S 
xctT(i(>()vaiOi   1 44 

ÄHTOizij  i'i  («>■    (=   /;nro(.züiIj';(u»)   143 
«■{Tof  143 

Klioij  wr  xu).6s   V.  292 
xovuir  Ci>uv  iiiog  150 
KPAOSM  il/jc    112,  10 
xvßioi  >]i  ri(j    V.   183 
^«'lOf    V.  T2 
Xniüaniij    V.  257 
AiayQOi;  xaXög   Vn.   140.  255    257 
MiUiav   V.  71 
il/«xji{f  J'Off  150 

JMuxnJvoi   150 
Miytixi.fii  xukoi    V.  291 
JVlcliä rjito;  "-ißitviuq   141 
AI  VT  tlrii'iiiog   1411). 
vuixi    184 

.V/zoo.V^j'ijf    Kh.   2501'. 
Ä«»'otfofO?  xii).6s    V.  2b'2 
ntiig.i  naf;  xtiXös    Vn.    1831".  259 
//«»'«i'r/os  zo^.o's    K.  258 
I[avin)(uiv   143 


Register. 

II äv if  ai  og   V.  253 

IleiQCHoog    V.   72 

IliloTi  ovnaog   143 

7iO(«ri'.  (noitafv   Vd    249ff.  290 

Hoi.vyrojTog    V.  2G1 

IIoftTiTjiog   150  f. 

llövi  og  150 

noji  141 

7ipo(T«j'op{  (!üj    r    2S9 

TiQoajdiittnic   142 

TZQOji  3  n  ni  (=   nijoTiäiiiOi)    142 

(j  u  a/(Jff  ( I'  141  ff. 

Poifiicioi    150 

SEPEIOOS   -1A--,.   111 

^öifi  og  166 

^rooTiSof    r.   195,  12 

(Xipdr«j'Of   =    (TrfKtrr/J'o'f    1-11 

TaliCiSrig    V.  249 

TttfiCag  6  in),  läg  iSioixiaiog   144 

T^ioff  145 

't'aiatag  144 

'/>(l'it«j,  '^PiXjt'ttg,  •I'nüig    Vn    290,5 

XaQiv og    V.  252 

X«()ft»)'    F.  238 

Xn;^pii A t'(u  1/    F.  254 

2.     Liit einiselie  Inschriften 
aus  Lanuvium  160;  vom  Monte  Testaccio 

160 f.;    griechisch -lateinisclie  —   300; 

Palacographie  der  lateinischen  —   161  f. 
Aeniilia  M.irciana  Skphg.  219.  19 
Aesculapius   160 
Alexander  237 
Amatutunia  Sp    176 
Apolo   171 

nunien  donms   Aiiyiistue    100 
Britannia   Mos.  (Berlin)   158 
Cocceia  Severa  Hkplig.  211,3 
M.  Cocceius  Alexander  237 
collegiuni  salutarc    IGO 
M.  Cornelius  Stalins  Skplit/.  211 
deo  Cupidini  3fzn.  90 f. 
flamen  Uialis  160 
Diaraa  (=  Diana)   Cisle   171 
Exorata  220,22 
flamen  Dialis  160 
F o r  t  iin  a   Cisle   171 
Galbana  praedia,  hurrea    100 
GeUianus   160 
Geinina.  colonia  Gcmina  Iiilia  Il.idriana 

Barium   M:n.  90  f. 
11  adrianus  s.  Gemina 


324 

Hercules  T.-Rel.  228 

Uercle  Cisle   171 
horrea  Galbiana   160 
i  m  m  u  n  i  s   161 
1  o  u  0  s  Cisle   171 
lulia  s.  Gemina 
Inno    Cisle    171 
Laran  Sjj     175 
Lasa  177 

Lasavecu,  Lasasitmica,  L.isaracuneta 

178 
Latinum  nomen    160 
L  a  u  r  e  n  t  u  m    160 
Leiber  Cisle   171 
leine  176 
Leinth  Sp.   175  f. 
Marciana  Skphg.  219,  19 
Marishaina  Sp.   175  f. 
Mar ishusrnana  Sp.   175 
Marisisminthians  Sji.   176 
Maristuran   Sp.   178 
Mars  Cisle    171 
Mean  Sp.    176 
M  e  n  e  r  V  a  Cisle   1 7  1 

Meurfa  Sp.   175 
M  e  r  c  u  r  i  s   Cisle    1  7 1 
Moscheine  237 
Octavia  Exorata  220.22 
Barium    M:n.   901". 
pater  patiatus  populi   Laurentis   160 
Paternus  SIcphg.  219,  19 
plebs  161 

praedia  Galbana    160 
l'roculus  160 

procurator  rationis  patrimonii   160 
Quirites  160 

M.  Rai  Rufi  Fer  .  . .   Bleiycu-icht  158 
Recial  Sp.   175 
Ruf  US  158 

Roma  aeterna  M;n.  31 
populus  Rom  an  US  160 
Salus   160 

salutare  coUegium   160 
Severa  .S/.7%.  211,3 
libri  Sibyllini   160 
Sex.  Silius  Paternus  Skpliy.  219,  19 
Statins  Skphy.  211 
Turan  Sp.   175 
Turms  Sp.    176 

Sp.  Turranius  l'roculus  Gellianus  160 
Victoria  Ciste   1 7 1 
Zenon  Herme  297 


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ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  1885 


Tafel  4 


QEZ  V  E  EICHLER 


ROMA 

WANDGEM/tLDE   IN  PALAZZO    BARBERINI 


ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885 

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TAFEL    5 


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KOMOEDIEN-SCENEN 

VASEN  IN  PARIS. 


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ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG    1885, 


TAFEL  7 


1.  SCHALE    IN    VERONA. 
2.  KANNE    AUS    KAMEIROS. 


RCMAOLOGISCHE      ZElTUfJC     1885 


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VASEN     DES   S.  G    GEOMETRISCHEN    STILS 

IN     KOPENHAGEN 


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ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG       1885 


TAFEL10, 


SCHALE     DER    SAMMLUN&    BOURGUIGNON 


IN    NEAPEL. 


Lichtdruck  v.A. Frisch. Berlin. W 


ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     I88b 


TAFEL11 


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SCHALE   IN    MÜNCHEN. 


Ijiditdnick  v.  A  Frisch,  Berlin .  W, 


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ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885 


TAFEL  13 


FELSENRELIEF    VON    IBRIZ 


Lichtdruck  v.A  Frisch, Berlin  V/. 


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ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885. 


TAFEL  16 


VASEN 
1.DES  NIKOSTHENES  2. DES  HERMOGENES 
3.DES  EPIKTET. 


ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885 


TAFEL    M 


SCHALE 

MUTHMASSLICH   VON    EUPHRONIOS. 


ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885 


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ARCHÄOLOGISCHE     ZEITUNG     1885 


TAFEL    19. 


INNENBILDER  ZWEIER   SCHALEN 


GETTY  CENTER  USRARY 


3  3125  00098  5354