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Full text of "Archiv für Landes- und Volkskunde der Provinz Sachsen 15.1905"

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ARCHIV 


FÜR 
LANDES- UND VOLKSKUNDE 


DER 


PROVINZ SACHSEN 


NEBST ANGRENZENDEN LANDESTEILEN. 


IM AUFTRAGE 
DES THÜRINGISCH-SACHSISCHEN VEREINS FÜR ERDKUNDE 


HERAUSGEGEBEN VON 


ALFRED KIRCHHOFF. 
15. Jahrgang: 1905. 


INHALT: 
Seite _ Seite 
Albert Müll i ‘drow ise - T. Jacob, Die geographisch bedingten wirt- 
ickl Ж, шшш 5 schaftlichen Grundlagen der Magdeburger 
wicklung der Fuhneniederung (mit einer Gegend imit 2 Karten) . 
Karte) . . . . . 1 үү, Ule, Etwas von der Bahn Oberróblingen - 
HermannGrößler "Diekinteilungdest.änies Querfurt . (9 


H.T f Phi Мо; gi che Beobachtuns en in 
zwischen unterer Saale und Mulde in баце Thüringen. 001. їз. Ja Jahr) . . B >.. 81 


und Archidiakonate (mit einer Karte) . . 17 Literatur-Boricht, 


HALLE А. 8. 
VERLAG VON TAUSCH & GROSSE. 


1905. 


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Die hydrographische Entwicklung der Fuhneniederung. 
(Mit einer Karte.) 


Von 
Dr. Albert Müller 


aus Minden i. W. 


Einleitung. 


Von alters her zog sich im Süden des Herzogtums Anhalt von 
der Mulde bis zur Saale ein langer Talweg dahin, welcher zum größten 
Teil ein sumpfiges, schwer überschreitbares Gebiet bildete. Diese 
Niederung wurde mit dem gemeinsamen Namen ,Die Fuhne* bezeichnet. 
Auch heute geschieht dies wohl noch an einigen Orten. Im allgemeinen 
aber, wenn man jetzt kurzweg von der Fuhne redet, meint man immer 
das Flüßchen, welches in einem Teile dieser Niederung seinen Lauf 
nach der Saale zu nimmt und unweit Bernburg, bei Dróbel, in dieselbe 
fließt. Was bedeutet nun der Name ,Fuhne*? Die Fuhne heißt 945 
Fona, 973 Vona, 1361 Voyne, später Fuhne. Falls dieser Name nun 
deutsch ist, kónnte er aus einem verloren gegangenen Adjektiv ,fón, 
біп“, „faulig, sumpfig“, das zur Wurzel „fü“ gehörte und dem aus 
althochdeutsch und altsiichsisch „aha“ „Wasser“, „Fluß“ zusammen- 
gezogenen à zusammengesetzt sein und die Bedeutung „fauliger Fluß, 
sumpffluf^ haben. Diese Erklärung würde allerdings zu den Angaben 
der Urkunden passen, nach denen die Fuhne bald als Fluf) (fluvius), 
bald als Sumpf (palus) bezeichnet wird.“ 

Nun können wir noch die Frage aufwerfen: „Hat das Flüßchen 
den Namen von der Niederung oder umgekehrt?* Nehmen wir vor- 
stehende Erklärung als feststehend an, so könnten wir daraus schließen, 
daß die Niederung als Abflußgebiet des Sumpfflusses den Namen auch 
von ihm erhalten hat. Bedenklich erscheint mir dies aber doch, da 
der früher abflußlose Osten denselben Namen schon in den ältesten 


! cf, Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde. 
Dessau 1893. Bd. Vl, S. 70. 
Archiv f. Landes- u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1905, 1 


2 A. MÜLLFR: 


Zeiten führte. Dies ließe sich dann nur erklären, daß die Bewohner 
diesen Teil als Quellgebiet der Fubne ansahen und ihn deshalb so nannten. 

Über die Ausdehnung der Niederung läßt sich nur wenig sagen. 
Fast halbkreisförmig umschließt sie den Süden des Herzogtums Anhalt. 
Ihre Länge beträgt ungefähr 53 km. Die größte Breite findet sich im 
mittleren Teile zwischen Capelle und Wieskau, und zwar mit 900 —1300 m. 
Von Wieskau aus bis Werdershausen verschmälert sie sich dann bis 
auf 150—190 m. Bei Gróbzig verbreitert sie sich dann wieder bis auf 
750 m, um nach der Saale zu allmählich wieder abzunehmen. Sie be- 
sitzt hier eine Durchschnittsbreite von 250 m. Von Capelle nach der 
Mulde zu verschmälert sie sich dann ebenfalls. Anfänglich ist sie 
850 m breit und endet mit einer Durchschnittsbreite von 150 m.! 


Geologischer Aufbau und Oberflichengestalt. 


Die Ausbildung der einzelnen Flußläufe wie die Ausgestaltung des 
gesamten Flufinetzes eines Stromgebietes hüngt, von den klimatischen 
Verhältnissen abgesehen, von seiner Bodenbeschaffenheit und seiner 
Oberflächengestalt ab. Hinsichtlich der Bodengestalt ist das Vorherrschen 
von ebenen Flüchen und die Mannigfaltigkeit des Reliefs von besonderer 
Bedeutung. Beides behindert einen schnellen Abfluß des meteorischen 
Wassers und begünstigt die Verdunstung. Unser Gebiet zeigt nur ein 
monotones Bild. Es ist ja auch nur eine Niederung, welche von keinem 
Höhenzuge, keiner Hügelkette durchschnitten wird. Das Fuhnetal mit 
seinen ganz flachen Gehängen hat kaum ein Gefälle und trotzdem oder 
eben deshalb auffallenderweise zwei Gefälle. Doch davon später. Neben 
dieser Kenntnis der Art und des Charakters einer Landschaftsform 
bietet der geologische Aufbau, sein erdgeschichtliches Werden eine be- 
deutsame Unterlage für eine richtige Beurteilung der Verhältnisse Von 
dem größeren oder geringeren Alter des währenden Zustandes hängt 
die hydrographische Entwickelung des Landes ab. Wichtiger als das 
Alter des Zustandes ist die Kenntnis des geologischen Aufbaues des 
Bodens, ob er aus Schichten besteht, die ein schnelleres Abfließen des 
Regenwassers verhindern oder beschleunigen, ob z. B. in größerer oder 
geringerer Tiefe undurchlässige Schichten lagern, welche ein tiefes Ein- 
sickern des Wassers verhindern, und es so kurz oder weiter unter der 
Oberfläche aufstauen oder nicht. 

Da, wie wir gesehen haben, Oberfliichengestalt und geologischer 
Aufbau überall in enger Beziehung stehen und zum Verständnis der 


1 Die Breitenangaben sind den Meßtischblättern entnommen. 


DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIEDERUNG. 3 


Hydrographie notwendig sind, so sollen sie im folgenden Abschnitte 
gemeinsam betrachtet werden. 

Räumlich fällt unser Gebiet schon ganz in die norddeutsche Tief- 
ebene. Wie diese, so verdankt es auch seine Oberflüchengestalt vor- 
wiegend dem merkwürdigen, in die Periode des Diluviums fallenden 
Vorgange der Vergletscherung Nordeuropas.! 

Am Aufbau nehmen fast ausschließlich Ablagerungen der Tertiär- 
und Quartürperiode Anteil; solche paläozoischen und mesozoischen Alters 
besitzen oberflächlich eine zu geringe Ausdehnung, als daß sie für die 
Oberfliichengestaltung und damit für die Ausbildung des Flußlaufes von 
nennenswertem Einfluß wären.? 

Aus der ältesten Abteilung der Tertiärperiode, dem Eozän, kommen 
Ablagerungen in unserem Gebiete weniger in Betracht. Erst in dem 
folgenden Abschnitte, dem Oligozän, drang das tertiäre Meer weit nach 
Süden vor und hinterließ bis in die Gegend von Halle und Leipzig 
mächtige Absätze von marinen Tonen, dem sogenannten Septarienton, 
und darüber lagernden feinen Quarz- und Glimmersanden. Bevor diese 
zur Ablagerung gelangten, wurden am Rande des Meeres, also in unserem 
Gebiete, durch eine üppige Vegetation die pflanzlichen Massen an- 
gehäuft, welche das Material zu dem Braunkohlenvorkommen lieferten. 
Wir finden also zum Teil unter zum Teil über der Braunkohle, welche 
mehrfach bauwürdig erbohrt worden ist, Sande. Der Sand über der 
Braunkohle ist als unterer, mariner mitteloligozäner Sand anzusprechen.’ 
Er hat eine blau-graue Farbe. In dem Sande ist ein Tongehalt nicht 
selten, welcher sich auch in schmalen Lagen aussondert und nach unten 
so zunehmen kann, dab Tone das unmittelbare Dach der Kohlenflötze 
bilden. Deshalb ist in unserer wasserreichen Niederung nach Durch- 
stechen der Tonschicht das Abbauen der Kohlenflötze nur schwierig 
und mußte an einigen Stellen gänzlich aufgegeben werden.‘ Der obere 
marine Sand ist durch kein Bohrloch bekannt geworden. Das Meer 
hatte sich also nach diesen letzten Ablagerungen schon aus unserem 
Gebicte zurückgezogen und dasselbe der Denudation preisgegeben. Nun 
erfolgte auch schon die Bildung der Täler. Auch das Fuhnetal mit 
seinen Nebentälern muß sich in dieser Zeit gebildet haben, denn die 
folgenden diluvialen Absätze bilden eine zusammenhängende Decke, 


! cf. Der Elbstrom, herausgegeben von der kgl. Elbstrom - Bauverwaltung zu 
Magdeburg. Berlin 1898. Bd. I, 104. 

? Ebenda Bd. I, 164. 

? ef. Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den thürin- 
gischen Staaten. Berlin 1874. Nr. 245. Blatt Grobzig, Seite 7. 

t Ebenda Nr. 246. Blatt Zürbig, Seite 4 u. 5. is 


4 A. MÜLLER: 


welche allen früheren Niveauverhültnissen folgt und alle älteren Bil- 
dungen mit wenigen Ausnahmen verhüllt.! Gleichzeitig ein Beweis, 
daß die vordiluviale Talbildung tiefer erfolgte als die jüngere, und daß 
diese nahezu dem Verlaufe jener entsprechen. Über den tertiüren 
Sanden, Tonen und pflanzlichen Bildungen wurde in der nun folgenden 
erdgeschichtlichen Periode, der des Diluviums, eine Decke aus ebenfalls 
mehr oder minder lockeren, in ihrer Gesamtmächtigkeit ungemein 
schwankenden Massen aufgelagert, deren richtige Deutung erst durch 
die Inlandeistheorie möglich geworden 18.2 Nach dieser Theorie er- 
streckte sich bekanntlich in einer külteren und besonders an atmo- 
sphiirischen Niederschlügen reicheren Zeitperiode, als die gegenwürtige 
ist, eine mehrere Hundert Meter mächtige Eisdecke von Skandinavien 
und Finnland über die seichte Ostsee bis an den Rand der mittel- 
deutschen Gebirge, so daß das ganze Land unter ihr begraben lag. 
Verdankt nun das norddeutsche Flachland der miichtigen Aufschüttung 
der glazialen Bildung seine Oberfliichengestaltung im einzelnen, so ist 
auch seine Gliederung durch die Flußläufe im wesentlichen schon ein 
Werk der Eisbedeckung. Gegen das Ende der Diluvialzeit begannen 
dann wieder Talbildungen, von denen oben schon gesprochen ist. Das 
Diluvium bedeckt nun nicht nur die Ebene, die Gehiinge und Niede- 
rungen, sondern erstreckt sich auch unter die heutigen Talsohlen der 
Flüsse und Bäche, so daß wir das Diluvium im Tale der Fuhne als 
stete Unterlage der Alluvionen finden. Das Diluvium besteht aus den 
drei Abteilungen, welche das Harzer Gebirgsdiluvium mit dem nord- 
deutschen Seediluvium verbinden. Uber den nordischen Kiesen und 
Sanden (Unterdiluvium) und dem märkischen Geschiebelehm (Mittel- 
diluvium) folgt der Löss als Oberdiluvium. Derselbe kann nur ein 
Absatz periodisch flieDender Gewiisser, cine zur Diluvialzeit durch 
Regen oder Überschwemmung zusammengespülte Dammerde sein. Diese 
drei Diluvialglieder finden sich teils zugleich übereinander, teils fehlt 
eins oder zwei Glieder, sei es ursprünglich oder durch spiitere Denu- 
dation. Am häufigsten fehlt der Geschiebclelim, am seltensten der Löss, 
weleher nur an einzelnen Stellen der flaehen Talgehünge ganz fort- 
geschwemmt ist. Das Unterdiluvium, der Sand und Kies, tritt in natür- 


1 cf. Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den Thürin- 
gischen Staaten. Berlin 18:4. Nr. 246. Blatt Zorbig, Seite 5. 

? cf. Elbstrom, herausgegeben von der kgl. Elbstrom -Bauverwaltung zu Magde- 
burg. Berlin 1898. Dd. I, 162. 

? cf. Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den Thü- 
ringischen Staaten. Berlin 1874. Blatt Grobzig. Nr. 245, 8.8. 


DIE. HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUIHNENIEDERUNG. 5 


lichen Entblófungen, welche durch jüngere Abwaschungen entstanden 
sind, namentlich an den unteren Gehängen der Täler, zutage; er bildet 
im Tale der Fuhne die stete Unterlage der Alluvionen. 

Das Material der Absätze stammt fast ausschließlich von nordischen 
Gesteinen her und ist durch das Eis hierher transportiert worden. Das 
сесеп die Sande und Kiese scharf begrenzte Mitteldiluvium besteht 
gerade so, wie in der norddeutschen Tiefebene, aus einem sehr kalk- 
haltigen Lehm, der viel Sand und kleine wie große Geschiebe enthält. 
Wegen seines hohen Tongehaltes ist er sehr plastisch und erhärtet gut 
an der Luft, so daß ihn der Bauer zu seinen „Wellerwänden“ benutzen 
kann. Uber dem Geschiebelehm und unter dem höchstens 1 m dicken 
Oberdiluvium liegt die für die steinarme Gegend zu Bauten äußerst 
wichtige, dem Landwirte aber schädliche „Steinsohle“ oder „Steinpflaster“. 
Da sie aus beiden Gründen aufgesucht und gegraben wird, verschwindet 
sie immer mehr. Dieselbe ist eine meist 8—16 cm mächtige, aber häufig 
nach unten anschwellende Lage von großen und kleinen Geschicben, 
untermischt mit losem oder lehmigem Sande. 

Das Alluvium! der Täler nun besteht aus den Regenanschwem- 
mungen von den anstehenden Gesteinen, also aus verschwemmtem 
Diluvium und vorzugsweise aus dem zur Ackerkrume umgewandelten 
Löss. Die nur vom Regen zusammengeschlemmten und am Fuße der 
Gehänge abgelagerten Alluvionen sind geneigt, die innerhalb des Über- 
schwemmungsgebietes der Flüsse dagegen horizontal ausgebreitet. Stoff- 
lich unterscheiden sich beide nur unwesentlich. Der Wiesenlehn, d.h. 
verschwemmte, entkalkte und humifizierte Ackererde, tritt in der Fuhne- 
niederung wohl selbst nicht auf, sondern nur an einigen Stellen der 
Nebentäler. Wohl aber findet sich der Wiesenmergel in seiner voll- 
kommensten, charakteristischen Ausbildung mit allen Übergängen, teils 
zum Muschelmergel, teils durch Moorbildung zum Torf, in der Fuhne- 
niederung und in den Nebentülern. Der Wiesenmergel ist im Laufe 
der Zeit in dem stagnierenden oder träge fließenden Wasser durch 
unorganisch oder organisch abgeschiedenen Kalk ungemein kalkig, durch 
üppige Wiesen- oder Sumpfvegetation sehr humös geworden. Je nach 
der Menge des Humusgehaltes unterscheidet man den unteren, mittleren 
und oberen Wiesenmergel. Der obere Wiesenmergel enthält den meisten 
Humus und Pflanzenmoder. Er kann nur selten und nur durch künst- 
liche Mittel zu höherer Kultur als zu der von Wiesen gebracht werden, 


! cf. Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den Thü- 
ringischen Staaten. Berlin 1874. Blatt Gröbzig, Nr. 245, S. 11, und Blatt Zorbig, 
Nr. 246, 8. 10. 


6 А. MÜLLFE: 


so dab das Fuhnetal ein echtes sumpäzes Wiesental ist. in welchem 
der Boden durch Abzugsgraben sorgfalug geschützt werden mul. wie 
wir spáter noch sehen werden. Der meist nur 0.5 m dicke Boden ist 
in nassem Zustande schwarz, in trockenem grau und geht durch die 
ірріге Wiesen- und Sumpfveretation, wie schon erwähnt ist. in einen 
Moorboden und selbst in Torf über. Torf ist auch an verschiedenen 
Stellen gestochen worden, so іп der Nahe von Wadendorf. Hervorzu- 
heben sind noch die durch kleine Porphyrkuppen veran.abten diluvialen 
Halbinseln und Inseln in den Alluvicnen der Fuhne bei Piütz und 
zwischen Grobzig und Schlettau.! Die Verengunzen des Fuhnetales 
bei Kattau und unterhalb Grobzig sind durch алеге, feste Gesteine, 
die der Erosion widerstanden haben und an den Gebänsen anstehen, 
veranlaDt worden. 

Zu erwahnen ist hier noch, dab die norddeutsche Ticfebene sich 
in unserem Gebiete 90 — 95 m mittlerer Höhe über die Ostsee erhebt, 
und dab die Täler 10 — 20 m tief einzesenst sind.? 

Das Haupttal ist die Fuhneniederung. Die bedeutendsten Neben- 
taler sind die Teiche, der Strengbach, der Prielidorfer Landzraben, die 
Reide, der Gorziger Landgraben und die Ziethe. 


Niederschlagsverhiültnisse. 


Gehen wir nun zur Betrachtung der Niederschlag-verhiltnisse 
über. deren Kenntnis wie die der Geologie zur Hydrographie einer 
Landschaft unbedingt erforderlich ist. Da unser Gebiet nun aber nur 
einen verhaltnismaliig kleinen Raum einnimmt, in welchem also auch 
nur entsprechend wenig Bevbachtungsstationen liegen, so werden die 
nachfolgenden Angaben, zumal sie aus noch nieht allzulangen Be- 
obachtunzsjahren? zusammengesetzt sind, noch keinen Anspruch auf 
allremeine Gültigkeit machen können. 

Gemáb der geographischen Lage unseres Gebietes, das auf der 
Westseite das Meer, auf der Ostseite den Kontinent zu liegen hat. 
werden gewöhnlich westliche Strömungen  grebere, östliche geringere 
Feuchtigkeit und schwächere Neigung zur Bildung von Niederschlag 
mitbringen. Ob und in welcher Stärke er »chiieblich erfolgt. wird aber 
von der Wärmeänderung abhängen, der die zugeftihrte Luft unterworfen 


! cf. Erlàuterunzen zur geologischen Spezialkarte von Preut^^n und den Thü- 
rinzischen Staaten. Berio 1574. Бай 6robzig. Nr. 245, 5.2. 

> Ebenda Blatt Деги. Nr. 240. S. 1. 

* cf. Der Elem. derauszezeben von der КОЩЛ. Ellstrombauserwaltung zu 
Mardeburz. Berno 1545. Tabelle X, 5.21. 


DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIEDERUN(G. 7 


wird. Mischt sich dieselbe mit kälterer Luft, so ist naturgemäß Tempe- 
raturerniedrigung die Folge, aber der EinfluB auf den Kondensations- 
prozeß erweist sich in dem Falle als geringfügig. 

Viel schneller und anhaltender vollzieht sich Erkaltung und 
Wasserausscheidung, wenn die Luft zum Aufsteigen gezwungen wird. 
Das Emporsteigen geschieht nun allgemein in den Gebieten niedrigen 
Luftdrucks, insbesondere aber auch durch Stauung an entgegenstehenden 
Hindernissen, als welche sich alle Bodenerhebungen geltend machen. 
Da wir in der Umgebung der Fuhneniederung nun keine größere Boden- 
erhebungen haben, so sollte man glauben, daß hier auch der Nieder- 
schlag ein gleichmäßiger wäre. Dies ist aber, wie aus der nachfolgenden 
Tabelle zu erschen ist, nicht der Fall. Die genannten fünf Stationen 
liegen bis auf Bitterfeld direkt in oder an der Fuhneniederung.! 


Hil Niederschlags- 
Station чан menge 

m mm 
Bernburg . . . . . 90 446 
Gróbzig. . . . . 75 471 
Glauzig. . . . . . 80 613 
Brachstedt. . . . . 110 552 
Bitterfeld . . . . . 50 458 


Im allgemeinen liegt unser Gebiet also in der Region mit 450 
bis 500 mm jährlichen Niedersehlags. Daß Glauzig 613 mm und das 
nicht weit entlegene Gróbzig nur 471 mm Niederschlag haben soll, ist 
unwahrscheinlich, da Gründe für eine solche große Ungleichmäßigkeit 
nicht vorhanden sind. Zur Übersicht seien noch einige weiter entfernt 
liegende Stationen hier angegeben. 


Niederschlags- 


Station Höhe терро 

т mm 

Dessau . 5 m 5 

Aken . . . . . . 505 510 

Halle a.S.. . . . . 91 488 

Kalbe . . . . . . 60 441 

Zerbst . . . . . . 66 519 

Magdeburg. . . . . 54 470 


1 of. Der Elbstrom, herausgegeben von der Kgl. Elbstrombauverwaltung zu 
Magdeburg. Berlin 1898. Tabelle X, S. 61 u. 02. 


8 A. MULLER: 


Die Entwiekelung der Niederung. 


Die erste Kunde über unser Gebiet erhalten wir aus dem Jahre 
945.1 Konig Otto I. schenkte den Sóhnen eines seiner Vasallen die 
an der Fuhne im Gau Serimunt gelegenen Dórfer Wieskau, Plótz und 
Zeundorf. Es heißt dort: ,...... inter Slavos prope fluvium Fona 
vocatum in pago Serimuntilante ..... ш 

Zwanzig Jahre spüter 965? wird die Fuhne dann wiederum in 
einer Schenkungsurkunde erwähnt, die Stelle lautet: ,..... in villa 
scilicet Drogobuli quae Salam et Fonam fluvios interjacet." 

In diesen beiden Angaben erfahren wir nichts Direktes von der 
Niederung, sondern von dem in ihr befindlichen Abflusse der Fuhne. 
Die Niederung selbst wird erst 973? zum ersten Male genannt; die 
urkundliche Stelle lautet: ,. . . . tantum terrae proprietatis nostrae in 
regione Koledizi et in ipsius comitatu, quantum a palude Vona versus 
occidentem . . . ." 

Diese Urkunde bezieht sich also auf den óstlichen Teil der Niede- 
rung; es muf) hier also nur sumpfiges Gebiet ohne Abfluf gewesen sein, 
da der Chronist nur von einem „palude Vona“ berichtet. Denn wäre 
hier ein Abfluf gewesen, so hätte er sicher auch von einem „fluvius“ 
gesprochen. 

Wenn wir auch in den ersten Urkunden nichts von einem Sumpfe 
im westlichen Teile erfahren, so wäre es doch falsch anzunehmen, daß 
dieser Teil der Niederung schon zu Otto I. Zeiten durch die Fuhne 
vollständig entwässert gewesen sei und fruchtbaren Ackerboden geliefert 
hätte. Nein, die ganze Niederung ist erst verhältnismäßig sehr spät in 
den heutigen Kulturzustand übergeführt worden. Erst gegen Ende des 
16. Jahrhunderts wurde der Versuch gemacht, durch zahllose Abzugs- 
gräben das Gebiet zu entwässern und zu Ackerboden und Wiesen um- 
zuwandeln. Der Grund der späten Urbarmachung liegt wohl darin, 
daß die Fürsten von Anhalt zu ungern diese natürliche Befestigung 
ihres Landes beseitigt wissen wollten. Noch 1493, als der Rat der 
Stadt Löbejün eine steinerne Brücke über den „unpassierbaren“ Fuhne- 
sumpf erbaute, um den Verkehr mit Kattau zu erleichtern, erhob Fürst 
Woldemar von Anhalt Protest dagegen, weil dadurch ein Einfallstor in 
sein Land geschaffen war.* Diese Stelle erwähne ich hier, weil man 


! von Heinemann, Codex diplomaticus Anhaltinus, 1867, Bd. I, 14. 

з Ebenda Bd. I, 43. 

* Ebenda Bd. I, 51. 

* Eckstein, Geschichte des Amtes Gróbzig. Mitteilungen des Vereins für 
Anhaltische Geschichte und Altertumskunde, Bd. V, 411. 


DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIEDERUNG. 9 


daraus ersieht, daß 1493 die Niederung im Süden noch ein ungangbares 
Sumpfeebiet gewesen ist. Auch zur Zeit des 30jährigen Krieges, also 
in der ersten Hülfte des 17. Jahrhunderts, war die Gegend bei Berwitz 
und Ilbersdorf noch Sumpfgebiet. Denn niiherte sich jener Gegend 
zersprengtes und plünderndes Kriegsvolk, so versteckten sich die be- 
drohten Anwohner in der Fuhneniederung. Damit sie aber nicht ein- 
sunken, stellten sie sich auf ihre untergelegten hólzernen Eggen.! Der 
vordringende Feind aber, mit den Verhältnissen unbekannt, sank ent- 
weder beim Beschreiten des Sumpfes ein und konnte dann leicht nieder- 
gemacht werden, oder er mufite auf Vordringen verzichten und umkehren. 

Da nun die Fuhne schon seit alters wenigstens etwas zur Ent- 
wässerung des Westens beitrug, hatte auch hier der Sumpfgürtel lange 
nicht den Umfang angenommen, wie im östlichen Teile. Die Urbar- 
machung war hier also leichter und ging schneller vonstatten, so daß 
beide Teile noch heute einen etwas verschiedenen landschaftlichen 
Anblick gewähren. Im Westen ist die Niederung im Laufe der Zeit 
schon so trocken geworden, daß Getreide fast an allen Stellen gebaut 
werden kann und die Wiesen immer mehr verdrängt werden. Freilich 
ist auch hier an einigen Stellen der Charakter des Moorgebietes noch 
nicht ganz verschwunden. In sehr regenreichen Jahren tritt er hier 
und da noch zutage, so daß dann die an der Fuhne gelegenen Wiesen 
nur schwer mit Pferdegespannen zu befahren sind. Ja, es soll noch 
in den letzten Jahren vorgekommen sein, daß Pferde so tief eingesunken 
sind, daf sie nur mit vieler Mühe herausgeseilt werden konnten. 

Der óstliche Teil zeigt uns ein anderes Bild. Wir finden dort 
nicht wie im Westen schon überall fruchtbaren Ackerboden, sondern 
fast nur ausgedehnte Wiesenstrecken. Da hier jeglicher Abfluß fehlte, 
so mußte erst ein solcher geschaffen werden. Dies geschah Ausgang 
des 16. Jahrhunderts. Einige Andeutungen über dieses große Werk 
finden wir in dem Amtsbuche des Amtes Cöthen von 1602.? Die 
Stelle lautet: „Denn obwohl die Fuhne, durch langwierige Mühe und 
Arbeit und sonderlich vor wenigen Jahren durch Erhebung der Gräben, 
und sonderlich des Haupt- und Landgrabens, der itzo die Grenzscheidung 
hält zwischen dem Churfürstentum Sachsen, dem Erzstift Magdeburg 
und dem Fürstentum Anhalt, dermaßen excoliert, gebessert und zu- 
gerichtet ist, daß тап notdürftig Gräserei und Wiesenwachs, auch Huet 
und Trift darinnen haben kann, so ist doch noch bei denklichen Zeiten 


! Nach mündlicher Überlieferung. 
2 Amtsbuch des Amtes Cóthen, 1602, 8.6. (Herzogl. Anh. Staatsarchiv zu 
Zerbst.) 


10 А. MÜLLER: 


ein soleh Gesümpf und Geróhrig darinnen gewesen, Чай man weder 
mit Pferden oder Kühen nicht wohl hinein kommen können.“ Wir 
erfahren also hieraus, daß der noch heute dort bestehende Abfluß 
künstlich verfertigt ist und den Namen Landgraben trägt; wo er bo- 
gonnen, wird hier nicht gesagt, doch davon später. Dieser verfertigte 
Landgraben nahm nun alle Entwüsserungsgrüben in sich auf. Bei der 
großen Ausdehnung des Sumpfgebietes ging die Trockenlegung nicht so 
schnell wie im westlichen Teile. Bis auf den heutigen Tag ist die 
Entwüsserung noch nicht ganz gelungen, denn in der Vogtei, sowie 
weiter nach der Mulde zu, ist das dem Landgraben benachbarte Gebiet 
noch ziemlich naß. Die verwachsene Grasdecke hält zwar beim Betreten 
stand, aber sie gibt doch bei jedem Tritt etwas nach, so daf man auf 
einem weichen Teppich zu gehen glaubt. Bei nasser Witterung muß 
dies Gebiet auch heute noch schwer zu betreten sein. Bewachsen ist 
das Land in der Nähe des Landgrabens mit Gehólz, niedrigem Weiden- 
gestrüpp und hohem Schilf, und zwar so dicht, daß man kaum hin- 
durchkommen kann. 

Wie ungangbar die ganze Niederung in den früheren Zeiten 
gewesen sein muß, ersehon wir daraus, daß nur einige wenige Uber- 
gänge bestanden haben. Auf den ältesten Karten, welche, nebenbei 
bemerkt, zum Vergleich nicht herangezogen werden kónnen, da sie zu 
ungenau entworfen sind und wenig taugen, sind solche verzeichnet 
bei Preuflitz, Gróbzig, südlich Piethen, also wohl bei Kattau, bei Rade- 
gast und bei Steinfurt.! Letzteres hat darnach seinen Namen. „Es 
war dort eine Furt von Holz und Reisig gebaut, die einen notdürftigen 
Übergang gewährte, zu dessen Seiten sich weithin ein breiter Morast 
erstreckte.“? Auch bei Radegast ist zum Zeichen der früheren Ungang- 
barkeit und zum Andenken an den über den Sumpf nach Zörbig ver- 
fertigten Damm eine steinerne Säule errichtet, .an welcher folgender 
charakteristische Vers zu lesen ist: 


„Du wirst, mein Reisender, es noch am besten wissen, 
Wie Dir bisher vor diesem Tamm gegraut, 

Zu dem sich manches Pferd zu Tod arbeiten müssen, 
Als dieser Ort noch war grundlos und ungebaut. 

Jetzt wird er Dir nicht mehr der Reise Last vergrößern, 
Weil in zweijáhrger Zeit mit Steinen diese Bahn 

Durch emsig großen Fleiß und Kosten lassen bessern 
Der Mehrer seines Lands, der teure Christian. 


Anno 1688.“ 


! Schuchart, Nova Anhaltini Principatus Tabula, Autore Joh. Tob. Schuchart, 
Architect. Anh. M. D. C. C. X. 
? Lindner, Geschichte u. Beschreibung des Landes Anhalt. Dessau 1833, S. 266. 


DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUIINENIEDERUNG. 11 


Aus dieser Inschrift ersehen wir, daß erst 1688 hier der Fuhne- 
sumpf ohne Mühe und Gefahr zu passieren war. 


Im Vorliegenden habe ich nun versucht, an der Hand der wenigen 
Aufzeichnungen, soweit sie mir zugängig waren, die Entwickelung der 
Fuhneniederung von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag klar- 
zulegen. Es bleibt nun noch die Betrachtung der das Gebiet ent- 
wüssernden Flüsse, der Fuhne und des Landgrabens übrig. Betrachtet 
man ein Kartenbild von Anhalt, so bemerkt man, Чай in der Niederung 
von der Saale bis zur Mulde ein langer Fluß als Verbindungslinie ge- 
zeichnet ist. Nach der Saale zu ist er mit ,Fuhne*, in der Mitte und 
nach der Mulde zu mit ,Fuhne oder Landgraben* bezeichnet. Verfolgt 
man den Lauf genauer, so findet man in der Mitte zwischen Zehmitz 
und Zehbitz einen Pfeil, der nach Westen gerichtet ist, und etwas 
weiter bei Zehbitz einen nach Osten gerichteten Pfeil. Das Wasser 
muß sich also hier teilen und nach entgegengesetzter Richtung abfließen.! 
Es ist mithin eine Bifurkationserscheinung. Uber dieselbe wird uns 
zum ersten Male in dem schon erwühnten Amtbuche des Amtes Cóthen 
aus dem Jahre 1602 berichtet. Es heißt dort bei der Beschreibung der 
Umgegend von Radegast: „... Und hat sonderlich dies Morast 
die Natur und Eigenschaft, daß die Quellen und Flüsse sich teilen, 
einesteils gegen Abend, die fließen unter Bernburg in die Saale, eines- 
teils gegen Morgen und kommen bei Jeßnitz in die Milde und fügen 
also beide Wasser, die doch fast auf 5 Meilen Wegs von einander ge- 
legen, zusammen.^? Zwischen Zehmitz und Zehbitz liegt also die 
Wasserscheide Eine Strecke weit steht dort das Wasser vollständig 
still, darauf geworfenes Papier bleibt an derselben Stelle liegen. Diese 
Stagnation ist zu jeder Zeit dort; bei niedrigem Wasserstande sowie 
bei Hochwasser. Geht шап nun von dieser Wasserscheide aus nach 
Westen, so bemerkt man einen allmählichen Abfluf, welcher immer 
stärker wird und schließlich in ein ziemlich munteres Gefälle übergeht. 
Genau so ist es nach Osten zu. Da sich nun der Stagnationspunkt 
nicht verschiebt, so bleibt dieser Doppellauf immer derselbe. Wie im 
ersten Teile der Abhandlung aber schon erwähnt war, ist diese Teilung 
nicht auf natürlichem, sondern auf kiinstlichem Wege entstanden. Inter- 
essant ist diese Erscheinung aber immerhin, weil hier das Wasser seine 
eigene Wasserscheide bildet. Der ältere und bedeutendere der beiden 
Abfliisse ist die Fuhne. Wie schon gesagt, erfahren wir 945 und 965 


! ef. Karte. 
? Amtbuch des Amtes Соер 1602, S. 6. (Anhalter Staatsarchiv zu Zerbst). 


12 A. MULLER: 


zum ersten Male von einem ,fluvius Копа“, und zwar durch Ortschaften, 
welche an ihm liegen. 


Durch die Erwähnung von Zeundorf wissen wir, daß bis dorthin 
die Fuhne wohl schon bestanden hat. Wie ist es aber mit der Quello 
dieses Flusses? Darüber erfahren wir in den älteren Zeiten nichts. 
Die Vermutung liegt nun nahe, daß von Radegast bis Zeundorf in 
jener Zeit die Fuhne noch nicht als Fluß wie heute bestanden hat. 
Wir haben es uns vielleicht folgendermaßen zu denken. Die ganze 
Gegend war ein Sumpf; die tiefste Stelle das heutige Fuhnetal. Dort 
sammelte sich das Wasser von allen Seiten im Schilf und Geróhrig an 
und floß langsam nach Westen hin ab, bis es später, sei es nun bei 
Zeundorf oder Wieskau an Gefälle und Wassermenge zunahm und 
einem Flusse immer ähnlicher wurde. Daß die Fuhne ehemals be- 
deutender war als heutzutage, beweist die unverhältnismäßig große 
Breite und Müchtigkeit der Sohlalluvionen, in die sie sich im Laufe 
der Zeit einen tiefen Kanal gegraben hat, dessen Riinder sie heute 
auch bei höchstem  Wasserstande kaum mehr zu übersteigen vermag.! 


Den geregelten Lauf bei Radegast hat die Fuhne erst in den 
Jahren 1584 und 1596 erhalten. Der Grund hierzu ist in den Streitig- 
keiten der Ortschaften wegen der Grenze zu suchen. Einige Jahre 
früher nämlich (1576) bricht ein solcher Streit aus zwischen den Bauern 
von Löbersdorf und den Besitzern von Cositz wegen des richtigen 
Laufes der Fuhne. Es heißt dort unter anderem: ,... das auch des 
Orts, da sich der Tam endet, ein Graben ist, darinnen die Fuhne 
fleußt. Solehen Fuhnegraben halten Rabiclen vor die Landgrenze und 
wollen denen von Löbbersdorf die Trifft und Hutungen darüber nicht 
zugestehen ... Die von Löbbersdorf aber haben ungefähr eines Buchsen 
Schoßes (?) weiter nach dem Dorfe Cößnitz bei einem Stege einen 
Graben geweiset mit Vermeldung, daß des Orts vor alters die Fuhne 
reflossen und die Grentze sollte gehalten haben. ио aber allda kein 


Graben zu sehen gewesen . . .* Dieser Streit wird 1584 geschlichtet. 
Die Akta lautet: „... Und so fort gehet die Fuhne nach Radegast 


und scheidet daselbsten die Landgrenze zwischen Ihrer Chur- und 
Fiirstlichen Gnaden; da dann an dem Radegaster Tam der anhal- 
tische Graben gleichergestalt soll wieder uffrenommen werden, weil 


der auch mehrenteils vergangen . . ., so dann fort sind sie gezogen uff 
Kösitz ... und weil man keinen gewissen Gang des Fuhnegrabens 


! ef. E. Kayser, Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen 
und den Thüringischen Staaten, Gradabteilung 57, Nr. 21. Шай Cónnern, 8. 2. 


DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIFDERUNG. 13 


des Orts befinden können .. . soll ein Graben eine Ruthen breit uf- 
geworfen werden . . . daß in diesem Graben die Fuhne ihren Lauf 
habe .. .*! Uber die Ausführung dieses Werkes erfahren wir näheres 
aus einem Schriftstiicke aus dem Jahr 1596.? Es heißt dort: „... Der 
damals unentschiedene Grenze in der Fuhna getroffen, daß ein breiter 
Graben durch die Fuhna von Wieskau bis naeh Wolsen?, vier ganze 
Meilen wegs gehoben und verfertigt werden sollte, damit sich das 
Gesümpf in der Fuhna, wanns trucken würde, setzen und zur Gräserei 
oder Wiesenwachs werden kónnte, wie denn auch alsbald erfolget, daf) 
unser Mündlein Vater und seine Dorfer an der Fuhna denselben Graben, 
soweit ihnen gebühret, mit großen Unkost gehoben und damit das 
Wasser weggebracht.^ Aus dieser letzten Angabe ersehen wir einmal, 
daß die Fuhne in diesem Teile ihre heutige Gestalt zu jener Zeit er- 
erhalten hat, andernteils aber auch die Wasserscheide und der Land- 
graben, denn die Strecke Wieskau — Wolfen gehört nur zum Teil dem 
Abflußgebiete der Fuhne an, der größere Teil dem des Landgrabens. 


Wie die Fuhne heute von der Wasserscheide bis zur Saale hin 
ihren Lauf nimmt, ist auf der hinten angehüngten Karte ersichtlich. 
Im grofen und ganzen wird sie diesen Lauf auch immer gehabt haben. 
Nur an einigen Stellen sind kleine Anderungen im Laufe der Zeit ein- 
getreten, sei es nun, daß der Fluß sich selbst ein neues Bett suchte, 
sei es, dal} der Mensch seinen Lauf verlegte. Wie und wo diese 
Anderungen eingetreten sind, lift sich an manchen Orten schwer fest- 
stellen. Die Chronisten melden nur andeutungsweise dieselben, und 
sie nach alten Karten aufzusuchen, wäre unvorsichtig, denn die- 
selben sind, wie schon bemerkt, fast alle grundfalsch. Abgesehen von 
der willkürlichen Festlegung des Flußlaufes von Zehmitz bis Wieskau, 
wie wir schon oben gesehen haben, sind bei Gröbzig, Lebendorf und 
Roschwitz solche Veränderungen zu verzeichnen. Bei Gröbzig zunächst 
schen wir auf den Generalstabskarten eine Teilung der Fuhne. Dieselbe 
beginnt bei Werdershausen und endet hinter Gröbzig. Diese Teilung 
wird 1602 schon erwähnt, es heißt: „.. . da die Fuhne nach der 


1 Anhalt. Staatsarchiv zu Zerbst. Gesamt-Archiv Registrande VI, 221. 

? Ebenda. G. A. R. I, 336°, Nr. 11. 

3 [n der handschriftlichen Aufzeichnung stand zu lesen , Wolsen*, wenigstens 
mußte man es den Buchstaben gemäß so deuten. Einen Ort ,Wolsen* hat es aber, 
soweit Verfasser es erfahren konnte, in der Gegend nicht gegeben. Wohl aber liegt 
ein uralter Ort ,Wolfen* in der Fuhneniederung unweit der Mulde. Da nun der 
Graben durch die ,Fuhna* gehen soll, um sie zu entwässern, so muß schon , Wolsen* 
mit „Wolfen“ identisch sein. 


14 A. MULLER: 


Gróbziger Mühle gehet, scheidet ein alter Landgraben zur linken 
Hand ...%1 Hier ist der Arm nach Gróbzig mit „Fuline“ bezeichnet 
und der andere mit ,alter Landgraben*. Sicherlich ist aber wohl der 
linke Arm der mit „alter Landgraben" bezeichnete, das alte Fuhne- 
bett, der rechte dahingegen ein neuer gestochener Graben, welcher das 
Wasser zur Mühle führte. Begründet kann dies nur werden durch den 
geraden und breiten Lauf, der noch heute den Eindruck des künst- 
lichen macht, durch die Bezeichnung ,Mühlgraben*, wie er heute noch 
heißt, und indirekt durch das Beiwort „alter“ bei der Benennung des 
linken Armes. Die Änderung liegt nun darin, daß heute nicht mehr 
diese Teilung vorhanden ist. Wohl ist der alte Arm noch vorhanden, 
aber er ist ап der Abzweigungsstelle, wahrscheinlich durch Menschen- 
hand, zugeworfen, so daf jetzt kein Wasser von der Ғаһпе aus hinein- 
fließt.” Anfänglich ist er kaum als Graben zu erkennen, etwa ein 
Schritt breit und ganz flach. Spiiter wird er drei bis vier Schritt breit 
und führt mehr Wasser, welches, durch kleine einmündende Abzugs- 
gräben vermehrt, schließlich in ziemlich munterem Laufe der Fuhne 
zufließt. Ein unbefangener Beschauer wird ihn als Nebenfluß ansprechen. 
Weiter unterhalb bei Ilbersdorf sind noch einige kleine Änderungen 
dadurch eingetreten, daß der Müller der Wassermühle einige Krümmungen 
weggestochen hat, um das Ansetzen des Schlammes zu verhüten und 
dem Wasser einen schnelleren Abfluß zu geben. Bei Lebendorf ferner 
hat wahrscheinlich eine Verschiebung stattgefunden, denn wir erfahren 
1602 folgendes:? „... und war hierbei zu gedenken, daß der alte 
Grenzgraben nach Lebendorfer Marke ganz und gar verfallen, die Fuhne 
einen КІВ diesseits genommen und itzo den Gang in der Werder Ge- 
richte hatte, daß der alte Graben möchte wieder erhoben werden.“ — 
Soweit die Aufzeichnung. Ob der alte Graben nun wieder hergestellt 
ist, ist nicht verzeichnet, auch konnte darüber keine Aufzeichnung ge- 
funden werden. Schließlich sei noch erwähnt, daß die Teilung bei 
Roschwitz verschwunden ist; wahrscheinlich der alte Arm.  Aufzeich- 
nungen habe ich darüber nicht gefunden, wohl aber ist der Lauf noch 
kenntlich dureh zwei Reihen Weidenbüume, welehe an den Ufern des 
alten Armes gestanden haben und sich heute noeh durch das Feld 
ziehen. Der jetzige Flußlauf ist sicher künstlich, erkenntlich an der 


1 Saal- und Amtbuch des Amtes Cóthen, 1602, fol. 26° im Herzoglichen Staats- 
archiv zu Zerbst. 

? cf. Karte. 

? cf. Amtbuch des Amtes Cóthen, 1602, S. 20. (Anh. Staatsarchiv zu Zerbst). 

* cf. Karte. 


DIE HTDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIEDERUNG. 15 


schnurgeraden Richtung. Uber die Wasserverhiiltnisse der Ғаһпе ist 
nur wenig Zu sagen. Юа sie keine Quelle, d. h. was wir unter Quelle 
verstehen, also hervorsprudelndes Wasser, besitzt, so ist sie nur auf 
ihre Zuflüsse und den Niederschlag angewiesen. Der bedeutendste und 
wasserreichste Nebenfluß ist der Strengbach, welcher bei Radegast ein- 
mündet. Noch zu erwühnen sind der (Priefdorfer) Landgraben, die 
Reide und die Ziethe. Neben diesen ergießen natürlich eine Unmenge 
Entwüsserungsgrüben ihr Wasser in die Fuhne. Der Wasserstand 
schwankte im letzten trockenen Herbste, soweit Messungen gemacht 
wurden, zwischen 20 cm und !/, m, selten erreichte er eine Tiefe von 
] m. Im Frühjahr ist der Wasserstand gewöhnlich bedeutender, er 
übersteigt die Hóhe von 1 m; die Fuhne ist vollufrig. 

Seit ewigen Zeiten ist die Fuhne das Schmerzenskind des Land- 
mannes gewesen. Durch die üppige Sumpfvegetation an den Ufern 
und im Bett hat das Wasser oft nicht den rechten Abfluß; alle mit- 
geführten Sinkstoffe setzen sich dann ab, das Schilf vermodert und so 
wird der Lauf des Flusses bald ganz gehemmt. Sobald dies geschieht, 
kommt gleich wieder der Charakter des Sumpfgebietes in den anliegen- 
den Ackern und Wiesen zum Vorschein, das stillstehende Wasser er- 
säuft dieselben. Um dies nun zu verhüten, muß von Jahr zu Jahr 
das Bett vom Schlamme gereinigt werden. Ein anderer Ubelstand, 
welcher das Absetzen des Schlammes und ein langsames Fließen 
des Wassers verursacht, sind die unzähligen kleinen Krümmungen. 
Würden dieselben durch eine ordentliche Regulierung fortgestochen, so 
würde das Wasser bedeutend schneller abfließen, das Absetzen von 
Sinkstoffen verhindern und eine intensivere Entwässerung des jetzt noch 
feuchten Gebietes bewirken. 

Vor 50 Jahren etwa noch war die Fuhne bekannt durch ihren 
großen Fischreichtum, vor allem gab es viele Krebse. Jetzt aber, wo 
eine Unmenge von Fabriken, besonders Zuckerfabriken, ihr Wasser 
hineinleiten, ist das Wasser so verdorben, daß nur bis zum Herbst 
kleine Fische, welche von der Saale heraufkommen, im Unterlauf sich 
aufhalten. Sobald aber die Kampagne beginnt, sind auch diese wie 
weggefegt. Die Breite der Fuhne schwankt zwischen 1—4 m. 

Nun bliebe noch die Besprechung des Landgrabens übrig. Im 
allgemeinen läßt sich über denselben nicht so viel sagen, wie über die 
Fuhne, weil er jünger und in den Akten weniger erwähnt ist. Wie 
schon früher gesagt, ist er auf jeden Fall künstlich, und zwar wird er 
wahrscheinlich in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts gestochen 
worden sein. Eine genauere Jahresangabe konnte nicht ermittelt werden. 


16 A. MÜLLER! DIE HYDROGRAPHISCHE ENTWICKLUNG DER FUHNENIEDERUNG. 


Erwühnt wird er zum ersten Male in einer Grenzvergleichung aus dem 
Jahre 1584.! Ев heißt dort: „.... weil gleichwohl der Fuhnegraben 
hinter Ihrer Churfürstlichen Gnaden Holz, die Vogtei genannt, bis unter 
die Capelle sonderlich uf dem Anhaltischen Teil sehr eingegangen, aber 
gleichwohl kenntlich sind, und auch vor der Capellen mit den Nach- 
barn etlich geringe Irrungen sich derentwegen verhalten, ist es dahin 
verglichen,....daf) uf den Frühling, sobald sichs leiden will, daselbsten 
der Graben, soviel deren eingegangen, wieder ufgenommen und ge- 
räumt werde....^ Hiernach muß also der Landgraben vor 1584 schon 
bestanden haben. Lange Zeit vorher kann er aber noch nicht vorhanden 
gewesen sein, denn 1596 heißt es in der schon auf Seite 15 angeführten 
schriftlichen Aufzeichnung: ,....der damals unentschiedene Grenze in 
der Fuhna getroffen, ....daß ein breiter Graben durch die Fuhna, von 
Wieskau bis an Wolsen vier ganze Meilen wegs gehoben und verfertigt 
werden sollte....^ Auch 1602 wird gesagt: „.... und sonderlich vor 
wenigen Jahren durch Erhebung der Gräben, und sonderlich des Haupt- 
und Landgrabens....*? 

Die Aufzeichnung von 1596 zeigt uns wohl am deutlichsten, daß 
der Landgraben in seiner heutigen Gestalt wesentlich künstlich ist.? 
Auch beweist dies der fast krümmungslose Lauf. Wie die Fuhne, so 
hat auch der Landgraben immer an Verschlammung gelitten, so daß 
er wohl noch häufiger geräumt werden muß, zumal an seinem Ober- 
lauf die Wiesen noch einer größeren Entwässerung bedürfen. Auch 
der Landgraben wird durch die vielen Rüumungsarbeiten seinen Lauf 
häufig etwas verlegt haben. Dies aber nachzuweisen, ist mir nicht 
möglich, weil ich darüber keine Aufzeichnungen gefunden habe. Der 
Wasserstand ist ungefähr derselbe wie bei der Fuhne. Größere Neben- 
fliisse sind außer der Teiche nicht zu verzeichnen, wohl aber eine 
Menge Entwässerungsgräben. 


1 Grenzvergleich an der Fuhna zwischen Sachsen und Anhalt gericht 1584. 
О. A. R. VI, 221. (Staatsarchiv zu Zerbst.) 

? Amtbuch des Amtes Cóthen 1602, 8.6. (Anh. Staatsarchiv zu Zerbst.) 

3 cf. E. Obst, Geschichte und Beschreibung des Kreises Bitterfeld 1857,88. 


Н. GRÜSSLER: DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE usw. 17 


Die Einteilung des Landes zwischen unterer Saale und Mulde 
in Gaue und Archidiakonate. 


(Mit einer Karte.) 


Von 


Prof. Dr. Hermann GroBler 
in Eisleben. 


A. Die Einteilung in Gaue. 


Die Abgrenzung der bischóflichen Sprengel und ihrer Unterbezirke, 
der Archidiakonate, in dem Lande zwischen unterer Saale und Mulde 
ist nicht etwa als eine Sache der Willkür seitens ihrer Urheber an- 
zusehen, sondern hat sich, namentlich auf ehemals slawischem Boden, 
ursprünglich genau an die Abgrenzung der Gaue und Grafschaften, bezw. 
der Burgwartbezirke angeschlossen, der Art, daß erstens jeder bischöf- 
liche Sprengel aus einer Anzahl schon früher abgegrenzter Landschaften 
oder Gaue zusammengesetzt wurde, welche einzeln oder zu mehreren 
einen geistlichen Unterbezirk ausmachten, dem ein Archidiakonus des 
Bischofs vorstand, und der darum als Archidiakonat oder Bann be- 
zeichnet wurde, und zweitens, daß jedem Gaugrafen ein Archidiakonus 
als geistlicher Gerichtsherr beigegeben war, der nicht selten an der 
weltlichen Dingstätte des Grafen auch sein geistliches Gericht abhielt. 
Das erhellt aus verschiedenen Kapitularien des achten Jahrhunderts, 
auf welche zuerst Bóttger! hingewiesen hat. Ein Capitulare Karlmanns 
von 742 bestimmt: ,Decrevimus, ut secundum canones unusquisque 
episcopus in sua parochia sollicitudinem exhibeat adiuvante gra- 
vione, qui defensor ecclesie est, ut populus dei paganias non faciat." 
Und ein Capitulare Karls d. Gr. von 802 verordnet: , Volumus, ut epi- 
scopi et comites concordiam et dilectionem inter se habeant, — 
ut episcopus suo comiti, ubi ei necessitas poposcerit, adjutor et 
exortator existat, qualiter suum ministerium explere possit. Similiter 
et comes faciat contra suum episcopum, ut in omnibus ei ad- 
Jutor sit, qualiter infra (d. h. innerhalb) suam parochiam canonicum 
possit adimplere ministerium.“? Ein solches Zusammenwirken der 


1 Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. ІП. Jahrg., 2. Heft, S. 181, 
Magdeburg 1808. 

* Monum. Germaniae, Leges I, 17. (Vel. auch Karoli Magni capitulare an, 769). — 
Ebenda I, 104. 


Archiv f. Landes - u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1900. 2 


18 Н. GROSSLER: 


Bischöfe und Grafen setzt voraus, daß sie einen und denselben Wir- 
kungskreis hatten, daß also die äußeren Grenzen der Gaue (unter den 
comites und die Grenze der Diözese, damals auch als Parochie be- 
zeichnet (unter dem episeopus), zusammenfielen. Ев war ja auch das 
Einfachste und Natiirlichste, daß bei der Gründung, Abgrenzung und 
Einteilung von Bistümern die schon vorhandenen vólkerschaftlichen oder 
politischen Abgrenzungen zugrunde gelegt wurden. Will man also über 
die Ausdehnung der kirchlichen Sprengel und ihrer Unterbezirke Klar- 
heit erlangen, so ist dies nur móglich, wenn man sich über die Grenzen 
der gleichzeitig vorhanden gewesenen Gaue klar geworden ist, wie man 
auch umgekehrt von kirchlichen Abgrenzungen sichere Rückschlüsse 
auf politische Einteilungen machen kann, da eben in ältester Zeit die 
Sprengel weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit — auch auf dem 
ehemals slawischen Kolonialboden — zusammenfielen. 

Aber auch zu den bischóflichen Archidiakonen hatten die Grafen 
die engsten geschäftlichen Beziehungen. Denn als nach allmählicher 
Zunahme der Kirchen in seiner Diózese der Bischof die geistliche Ver- 
waltung nicht mehr allein zu führen vermochte und darum namentlich 
für Synodalangelegenheiten Archidiakone zu seinen Stellvertretern ein- 
setzte, da traten die Grafen auch zu den Archidiakonen in die engste 
geschäftliche Beziehung, weil dem Könige daran gelegen sein mußte, 
daß sein Graf die nunmehr von den Archidiakonen abzuhaltenden Syn- 
oden mitberief und auf denselben gegenwürtig war. 5о bestimmt 
schon ein Capitulare des Königs Pippin vom Jahre 757!: „De presby- 
teris et clericis sic ordinamus, ut archidiaconus episcopi eos ad 
synodum commoneat una cum comite. Et si quis contempserit, comes 
eum distringere faciat, et ipse presbyter aut defensor suus 40 (60) 
solidos componat et ad sinodum veniat. Et episcopus ipsum presbyterum 
aut clericum iuxta canonicam auctoritatem dijudicare faciat. Solidi 
vero 60 de ipsa causa in sacellum regis veniant.“ | 

Freilich ist trotz dieser doppelten Möglichkeit der Beweisführung 
die Festlegung der kirchlichen und politischen Grenzen keine leichte 
Sache, weil die Nachrichten, aus denen geschópft werden kann, äußerst 
dürftig sind und sogar betreffs der einzelnen Glieder einer Schlußkette 
der Nachweis, daß sie in diese Reihe hineingehóren, selbst erst wieder 
durch Sonderuntersuchungen geführt werden muß. 

Nun gibt es zwar schon Versuche in dieser Richtung und auch 
eine ältere, die Hauptgrenzen der hier in Betracht kommenden Archi- 


! Monum. Germaniae, Leges I p. 29. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUR usw. 19 


diakonate andeutende Karte von Eduard Jacobs!, aber das Ergebnis 
dieser sehr anerkennenswerten Bemühungen läßt doch noch vieles un- 
gewiß. Sehr wenig in der Erklärung bisher unerklärter Wüstungs- 
namen und in der Bestimmung der Lage eingegangener Orte leistet 
Stenzel in seinen drei Aufsätzen: „Zur Geschichte der Wüstungen 
Anhalts im Kreise Dessau", ,Zur Geschichte der Wüstungen Anhalts 
im Kreise Kóthen^ und ,Zur Geschichte der Wüstungen Anhalts im 
Kreise Bernburg.*? 

Wenn ich nun ebenfalls an die Lósung dieser Aufgabe herantrete, 
so werde ich zunächst voranschicken, was aus sehr zerstreuten Quellen 
über Namen und Abteilungen der Gaue zu ermitteln ist, um dann zu 
untersuchen, in welcher Weise sich die kirchliche Einteilung der welt- 
lichen angeschlossen hat. Doch werde ich mich auf die Bestimmung 
derjenigen Gaue des Magdeburger Sprengels, welche zwischen unterer 
Saale und Mulde lagen, beschrünken, da nur diese für meinen Zweck 
in Betracht kommen, wie ich auch auf die Anführung solcher Ortlich- 
keiten verzichten werde, deren Zugehörigkeit zu den zu besprechenden 
Gauen oder Archidiakonaten nur durch umstündliche Schlüsse nach- 
gewiesen werden könnte. 


I. Der Gau Serimunt. 


Folgende Orte werden urkundlich als im Gau Serimunt gelegen 

genannt: 
945 1.3. „in pago Seromunti in comitatu . . . cristiani in loco Steno 

et in loco Qiuna vocato." 3 

Ersterer Ort wird 983 geschrieben: Stano, 1024 Stano, 1145 
Stano. 1162 gehören zum burgwardium Stene secus Mildam die villae 
Musice, Chosize, Psorobe.5 1147 gehört „ad burgewardum Cuine“ 
die villa Curaw.® 

Steno, auch Stano ist die Wüstung Stene oder Steine südlich 
von Dessau, Qiuna oder Cuine ist die Alteburg zwischen Groß-Kühnau 
und Ziebigk am Ostende des Groß-Kühnauer Sees; Musice das Dorf 
Mosigkau südwestlich von Dessau; Curaw ist Chórau (Kórau) nord- 


1 Magdeburg. Geschichtsblütter II, 12. Magdeburg 1867. 

? Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde VI, 
S. 114—135, 323—336, 337—3064. Dessau 1893. 

3 Cod. dipl. Anhalt. I, p. 10. 

* Ebenda p. 55, 83, 235. 

* Ebenda p. 347. 

° Ebenda p. 251. 


20 H. GRÜSSLER: 


westlich von Mosigkau. Chosize und Psorobe sind bisher nicht nach- 

gewiesen. 

. 951 28.7 nennt eine Urkunde ,tres marchas eiusdem predicte 
regionis (Serimunt), unam Uuissepici, alteram Uuitóuulici (lies 
Witowlici) cum villis infra nominatis: Uuitouulici, Trebuco- 
uuici, Neozodici, Drogobulesthorp; terciam Sublici cum 
villis tribus Sublici nominatis et Becimunthorp, Procines- 
thorp, Obithesdal, Lizstidesthorp ... in comitatu Thetmari 
comitis." ! 

Die genannten ersten zwei Marken sind Wispitz und Wedlitz 
nórdlich von Nienburg, beide an der Saale; die dritte Mark ist un- 
bekannt. Beckmann denkt an eine Dorfstütte Sülsen, für welche die 
sprachliche Form in keiner Weise spricht. Ich halte für wahrscheinlich, 
daB darunter der Flurschlag Zieglitz oder Sieglitz, entstellt aus Zieplitz 
oder Sieplitz), südwestlich von Patzez und óstlich von Wispitz gelegen, 
zu verstehen ist. Ob unter Procinesthorp Borgesdorf südóstlich von 
Pobzig zu verstehen ist, bleibe dahingestellt. "Wahrscheinlich ist mir, 
daß unter diesem das am 11.1. 1145 (1144) erwähnte Burchardestrop zu 
verstehen ist. Trebucouuici ist entweder Trabitz a. d. Saale, Calbe 
gegenüber, oder — was mir wahrscheinlicher dünkt — die Wüstung 
Trabitz nordwestlich von Patzez in letzterer Flur, oder die Wüstung 
Trabitz nördlich von Zuchau in Zuchauer Flur, die ebensowohl paßt. 
Neosodici und die übrigen Dörfer sind unbekannt.  Jedesfalls kann 
Drogobulesthorp nicht Dróbel óstlich von Bernburg sein, wie manche 
annehmen, da Dróbel von den genannten beiden Marken durch die 
Burgwart Grimhereslebo getrennt ist. 

945 11.6.: ,inter Sclavos prope fluvium Fona vocatum in pago 
Serimuntilante nuncupato in comitatu Cristiani comitis villas iiii 
Uuizekiani, Bodblozi, Zuchliandorp, Pohchutikie nomi- 
natas.“? Daß die genannten Orte an der Fuhne zu suchen sind, 
sagt die Urkunde selbst; es fragt sich nur, an welcher Stelle ihres 
Laufs. Wieskau, nordöstlich von Lóbejün, ist unverkennbar 
— Uuizekiani; Zuchliandorp scheint Zeundorf westlich von Rade- 
gast zu sein. Bodblozi würde Unter-Plótz südlich von Wieskau 
sein, wenn dies nicht südlich der Fuhne lüge. Doch kónnte diesen 
Namen ein Ort geführt haben, der Plótz gegenüber nórdlich von 
der Fuhne gelegen hat. In Pohchutickie hat man alles Mögliche 


1 Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 18. 
? Ebenso I, p. 11. 


DIE FINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE Usw. 21 


und Unmögliche erkennen wollen. Eine sichere Erklärung ist noch 
nicht gefunden. Anscheinend kommen einige der eben besprochenen 
Orte noch einmal vor in einer Urkunde des Jahres 1043: ,XL 
Mansos in comitatu Hesichonis in locis Zachaliza, Bochutize 
et Wizega.“! Aber da der erstgenannte Ort sicher die Wüstung 
Zechlitz südlich von Dróbel a. d. Saale ist, so nehme ich an, daß 
statt Bochutize richtiger zu lesen ist Bochulize. Dann würde 
die in unmittelbarer Nähe von Zechlitz, zwischen diesem und 
Dröbel gelegene Wüstung Pechlitz gemeint sein. Die unmittel- 
bare Nachbarschaft dieser beiden Dörfer läßt weiter vermuten, daß 
auch Wizega nicht weit von ihnen zu suchen ist, also mit 
Uuizekiani nicht zusammenfallen kann. Vielleicht läßt sich ein 
entsprechender Flurname in der Gegend von Bernburg und Dröbel 
noch entdecken. 

965 29.11: „villa Drogobuli, que Salam et Fonam fluvios inter- 
iacet, іп comitatu comitis Thietmari.^? Das unweit der Mündung 
der Fuhne in die Saale gelegene Dorf Dróbel. 

973 17.5.: ,duas curtes regni sui..., alteram que vocatur Rosburg 
in pago Sirimunti, іп comitatu Huodonis marchionis sitam.“3 
Der Ort ist Grof-Rosenburg unweit der Mündung der Saale in 
die Elbe. 

974 2. 11.: „villam quam vulgo vocant Biendorp in pago Sere- 
mode et in comitatu Thiemonis comitis sitam.^ 978 10.5.: ,villam 
Biendorp ultra fluvium Sala sitam in pago Zirmute in comitatu 
iam dicti Thietmari comitis.^* Biendorf an der Ziethe, westlich 
von Kóthen. 

979 3.3.: ,quoddam castellum Grimerslevo theotonice, sclavonice 
Budizco nominatum* mit den Dörfern: „Widogosti, Prederiti, 
Bedosiki, Rusocouuiki, Cossauiki, Strobouueki, Malouuodi, 
Pezodulba, Amoconthorp, Zlubusiki... in comitatu pueri 
Gerunis in pago Sirmuti.^* In einer andern Urkunde vom Jahre 
980 3.3. werden die vorerwühnten Orte (die hier in derselben 
Reihenfolge aufgezählt werden sollen, folgendermaßen geschrieben: 
Widogosti, Prederiti, Rusocouuiki, Cossouiki, Strobouueki (et item 


! Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 92. 

? Ebenda I, p. 33. 

? Ebenda I, p. 39. 

* Ebenda I, p. 44. Auch p. 49. 
5 Ebenda I, p. 51. 


22 Н. GROSSLER: 


Strobouuiki), Malouuodi, Pezudulpa, Amaconthorp, Zlubusiki. 

Neu hinzugefügt werden: Ogoimiki (alias: Ognimiki), Bugouuiki, 

Repeti, Windogosti aquilonaris, Windogosti australis, 

Clanscesthorp (alias: Danscesthorp).! 

Der Burgwartort Grimerslevo ist das der Bodemündung gegen- 
über gelegene Grimschleben. Aus dieser seiner Lage leite ich auch 
seinen unbedingt erheblich jüngeren slawischen Namen Budizco ab, 
der etwa so viel als Bodemünde, Bodenstedt bedeuten wird, da er 
offenbar den Flufinamen Buda (Bode) enthält. Zu beachten ist, daß 
eine Urkunde von 979 bei Bestimmung der Lage von Nienburg 
und Grimschleben ausdrücklich bemerkt: ,ubi Sala et Boda se mi- 
scendo vicissim stabili federe maritant.^? Außer Grimschleben sind nach- 
weisbar: Widogosti = Weddegast östlich von Bernburg; Prederiti 
kann Prederitz südlich von Bernburg an der Pfuhlschen Aue sein. 
falls der Burgwartbezirk Grimschleben sich bis dahin erstreckte; Ruso- 
couuiki ist Roschwitz, südöstlich von Bernburg. Die übrigen scheinen 
sämtlich längst verschollen zu sein oder sind doch nicht mit genügender 
Sicherheit nachzuweisen. Doch will ich einige mehr oder minder wahr- 
scheinliche Vermutungen aussprechen. Amoconthorp halte ich für 
die Wüstung Ankendorf, südöstlich von Pobzig; Strobouueki ist an- 
anscheinend derselbe Ort, wie das am 11. 1. 1145 erwähnte Zcrob- 
uuech.2 Wohl kaum wüst Zabritz östlich von Maxdorf. Pezodulba hielt 
Bóttger* für Besedau. Aber dies ist ausgeschlossen, wenn die Pfuhl- 
sche Aue die Südgrenze des Burgwarts Grimschleben bildete, zu dem 
doch Pezodulba gehórte. Eher würe — allerdings unter der Voraus- 
setzung starker Verderbung des Namens — an das óstlich von Weddegast 
gelegene Klein-Paschleben zu denken, das ja von Grof-Paschleben 
durch mehrere Dorffluren getrennt ist und dessen Name in Anlehnung 
an den Namen des letzteren umgebildet worden sein mag. Clans- 
cesthorp kónnte zu Gramsdorf (wüst südwestlich dicht bei Sachs- 
dorf nach Zuchau zu) entstellt worden sein. Bedosiki kann schwerlich 
die. Form Patzez erlangt haben, da dies außerhalb der Burgwart Grimsch- 
leben, nämlich im Gaue Zitrici gelegen haben muß. Eher könnte Repeti 
in der Wüstung Repz zwischen Wulfen und Dornbock südöstlich vom 
Vorwerk Bobbe wiedergefunden werden. Dann könnte das wunder- 
liche Ogoimiki (alias: Ognimiki), vielleicht auch Ogriwiki = Ogriwici 


1 Cod. Dipl. Anh. I, p. 52. 

* Ebenda I, p. 51. 

® Ebenda I, p. 235. 

* Magdeburger Geschichtsblütter III, 175. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDF IN GAUE USW. 23 


zu lesen sein und für das wüste Ockeritz westlich von Dornbock nach 
Zuchau zu gehalten werden. Bugouuiki kann, wenn die Form richtiger 
Bupouuiki lautet, für Popowizie, das heutige Popzig óstlich von Grimsch- 
leben gehalten werden. 

986 7.5.: ,villam quandam Zitowe vocatam ... in pago Zirimudis 
(alias: Zirimundis) dicto et in comitatu Geronis comitis sitam.^ Am 
Rande des Walesroder Copialbuchs ist zu dem Namen Zitowe be- 
merkt: „que nunc dicitur Wolestorpe.* (Knaut liest Walestorpe).! 
Der Ort ist Wohlsdorf a. d. Ziethe nórdlich von Biendorf; er war 
also ursprünglich nach diesem Gewüsser benannt. Seinen spiiteren 
Namen hat er von dem in der Urkunde erwühnten Grafen Walo 
oder Wali, dem Gründer des Klosters Walesrode. 

095 3.10.: ,castellum unum Vulva cum villa Bodendorp in comi- 
tatu Geronis marchionis situm.^?  Ersteres ist natürlich Wulfen, 
nórdlich von Kóthen; Bodendorp ist die Wüstung Lang- und 
Kurz-Bohndorf 3,5 km óstlich von Wulfen. 

978 17.4.: „ХХХ regales mansos in locis subnotatis donamus: in 
castello scilieet quodam sclavonice quondam В udizco, nunc autem 
theutonice Grimmerslovo, Prudua, Luitatczie, Popouuizie 
legaliter determinandos.“ 3 
In einer Urkunde vom 11. 1. 1145 lauten die vorstehenden Namen: 

Grimmesleve, Pruthua, Powize. (Luitatezie — bei Knaut Letatizic, bei 
Beckmann Catizize gelesen — ist darin nicht vertreten.)! Es ist un- 
sicher, ob die genannten Orte siimtlich in den Burgwartbezirk Grimsch- 
leben gehörten. Prudua dürfte an einem Flusse zu suchen sein, Lui- 
tatezie konnte Lausig (Luzich), östlich von Köthen sein, Popouuizie 
== Pobzig. Für den Zweck dieser Untersuchung sind die Angaben dieser 
Urkunde nicht zu verwerten. 


II. Der Gau Colodizi (Colidizi). 


Zum Jahre 839 berichten die Annales Bertiniani: ,Saxones contra 
Sorabos, qui Colodici dicebantur, prope Resigesburch (andere 
Lesart: Kesigesburch) dimicarunt et ... eandem urbem et undecim 
castella ceperunt.“ | 

Den Namen des Gaues oder der Völkerschaft bewahren vieileicht 
die beiden Dörfer Groß- und Klein-Gólz (oder Golzau, 1362 Golzow), 


! Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 56. 
? Ebenda I, p. 67. 

5 Ebenda I, p. 48. 

* Ebenda I, p. 235. 


24 Н. GROSSLER: 


nordwestlich von Radegast, unweit der Fuhne. Die Lage der so früh 
erwühnten Resigesburch ist bisher nicht nachgewiesen; es ist auch ge- 
wagt, eine Vermutung zu äußern. Hält man jedoch die Lesart Resiges- 
burch fest, so würde kaum ein Bedenken entgegenstehen, diesen Namen 
auf das nördlich von Gölz gelegene Dorf Riesdorf zu beziehen, um 
so weniger, als unweit von Riesdorf nach Osten zu eine alte Burgstelle 
sich befindet, die den Namen Muchelsburg führt, der möglicher- 
weise aus dem Namen des im Jahre 806 vom Chronicon Moissiacense 
erwähnten „rex superbus Miliduoch (nach den Annales Einhardi 
== Milito), qui regnabat іп Siurbis* entstellt ist. In diesem Falle würde 
man den im Jahre 839 bei der Eroberung von Resigesburch getóteten 
König der Kolodizen namens Cimusclus (oder Cimuselus?) für einen 
Nachfolger Miliduochs halten dürfen.! 


973 2.6.: ,tantum terrae proprietatis nostre in regione Koledizi 
et in ipsius (Thiemonis) comitatu, quantum a palude V ona versus 
occidentem longius ad marchas Koteuui, Biteni et Ezeri pro- 
tenditur, et hinc versus aquilonem contra marcham Serimode et 
ultra tumulum Bulzina et de tumulo usque ad lucum Churozt 
contra marcham Gorizka et inde usque ad paludem cireumquaque 
infra ipsum ambitum concluditur." ? 


In Koteuui erkennt man leicht Kattau a. d. Fuhne, in Biteni 
(Pithin) Piethen, nórdlich von Kattau, in Ezeri (Ezericko) das nórdlich 
von Piethen gelegene Edderitz. Der Name Bulzina ist noch in dem 
der Bilsen-Höhe nordöstlich von Edderitz erhalten, desgleichen der 
der Mark Gorizka in dem des Dorfes Górzig östlich von Kattau und 
Piethen. Der Name Churozt soll noch in dem eines Gehólzes bei 
Reinsdorf unweit Górzig fortdauern. 


981 4. 11.: „in comitatu pueri Geronis in pago Colidiki marcam 
» p pag 
que vocatur Gimuete.*$ 


Diese Ortlichkeit ist bisher noch nicht nachgewiesen. Wiischke 
schreibt den Namen, anscheinend auf Vermutung hin, Gunnete und 
setzt den Ort auf seiner Karte nördlich von der oberen Fuhne.! 


! Monum. German. SS. I, 436. Prudentii Trecens. Annales. 

? Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 40. In einer Urkunde des Jahres 983 finden sich 
die Schreibungen Ezericko und Pithin. (Ebenda I, p. 55.) 

з Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 54. 

* Wäschke, Zur Wirtschaftsgeschichte der Anhaltischen Lande usw. (in den 


Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Altertumskunde УІ, S. 390 
bis 437. Dessau 1893). 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE usw. 25 


978 8.7.: „in villa...(Lücke)... in marca Zuocha in pago etiam 
Zitrici et in comitatu Huodonis comitis.^! Zuchau, nordöstlich 
von Kloster Nienburg. 

Aus den vorstehenden urkundlichen Angaben ergibt sich, daf der 
Gau Serimunt im weiteren Sinne das ganze Land zwischen 
Saale, Elbe, Mulde und Fuhne umfaßte, im engeren dagegen nur 
das Land zwischen dem Pfuhlschen Busche, der Saale, Elbe, 
Mulde und Ziethe, welches letzte Gewässer ihn von dem Unter- 
gau Kolodizi schied. Па unter der Mark Zuocha im Gaue Zitrici 
offenbar das Dorf Zuchau zu verstehen ist, so folgt daraus, daß der von 
Saale und Elbe eingeschlossene nord westliche Winkel des Gaues Serimunt 
einen kleinen Untergau namens Zitrici gebildet hat, wofür im be- 
sondern spricht, daf) der 978 genannte Graf Huodo 973 auch das 
nordlich unweit von Zuchau gelegene Rosenburg (Rosburg) unter seiner 
Verwaltung hatte, wie aus der bereits angeführten Urkunde zu er- 
sehen ist. 

III. Der Gau Nudzizi. 

961 29.7.: ,in Nudzizi, ubi est Vitin civitas et civitas Liubuhun 
vocata, et Sputinesburg, Loponoh civitas et Trebonici et 
civitas quae dicitur Brandunburg.*? 

Die in dieser Urkunde erwühnten Orte sind Wettin a. d. Saale, 
Lóbejün, nordóstlich von Wettin, unweit der Fuhne, Rotenburg 
а. d. Saale, welches hier noch mit seinem ilteren, slawischen Namen 
Sputinesburg erscheint, welcher als Bestimmwort einen Personennamen 
(Sputihnev oder Spitihnev) enthält. In einer andern Urkunde von dem- 
selben Tage und Jahre wird es genannt: ,municipium vel burgwardum 
urbis Zpuitneburg in pago Nuditzi sitae.^? In einer Urkunde 
vom 8.8. 961 findet man die Angabe: ,urbem Sputinesburg sitam in 
pago Nudiezi^*, in einer andern vom 12.4. 965: „municipium vel burg- 
wardium urbis Hpuitneburg (auf dem Rücken steht Zputineburg) in 
pago Nudhici site“? Daß diesem slawischen Ortsnamen als Bestimm- 
wort der Personenname Spitihnev zugrunde liegt, läßt sich nicht ver- 
kennen. Schwierigkeiten macht Loponoh.  Bóttger? hält es irriger- 
weise für Lóbnitz bei Teicha; es ist aber Laublingen bei Besen an 
einem alten Saalarme, wie aus folgender Entwickelung der Namens- 


1 Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 50. 

з Boysen, Histor. Magazin І, 96. Gercken, Cod. Diplom. Brandenb. VI, 383. 
* Hófer, Zeitschrift für Archivwesen II, S. 341. 

* Gercken. Cod. Dipl. Brandenb. VI, p. 383. 

5 Gauenkunde IV, S. 29. 


26 Н. GROSSLER: 


formen zu ersehen ist: 961 Loponoh, 1135 Loppenick, um 1370 Lope- 
nynge und Lopelinge, 1400 Lopelinge, Loublinge; Loblingen, 1467 
Loplingen, 1479 Loplinge. Trebonici hält Böttger a. a. O., wiederum 
irrend, für Trebitz bei Wallwitz, während doch Trebnitz a. d. Saale 
nordwestlich von Cónnern gemeint ist. Brandenburg hat man bisher 
nicht zu deuten gewagt. Es ist aber offenbar der jetzige Brinzen- 
berg, nórdlich von Domnitz und Dornitz bei der Wüstung Brentin. 
Der Name Brandunburg erinnert, wie auch der Name des bekannten 
Brandenburg a. d. Havel (Brendunburg in ältester Form) an die Brenten, 
einen Zweig der Völkerschaft der Heruler. Daß letzterer Ort Brannibor 
geheißen habe, ist bloße Phantasie und auf Irrwegen gehende Etymologie 
eines slawischen Berichterstatters, wird aber von dem fremdsüchtigen 
Deutschen begierig als gesichertes Ergebnis angeblicher Forschung auf- 
genommen. | 

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Gau Nudzizi (auch Nudhici, 
Nudsici u. ähnlich), dessen Name in dem des Dorfes Neutz zwischen 
Wettin und Lóbejün fortlebt, sich aus der Gegend von Besen -Laublingen 
zwischen Saale und Fuhne oder vom Pfuhlschen Busch an bis an die 
Mündung der Gódsche (urkundlich Godessowa), also bis in die Gegend 
von Teicha und Morl erstreckt hat. Auf der Strecke von Kustrena bis 
Mokrena (Alsleben gegenüber) war nicht die jetzige Saale, sondern ein 
alter Lauf derselben, der wechselnd verschiedene Namen führt, z. B. 
Strenge bei Kustrena, welches von diesem Wasserlaufe (— an der 
Strenge) seinen Namen hat, weiter aufwürts aber Kuhfurt heifit und 
Kustrena, Poplitz und Mokrena ausschliebt, die Grenze gegen den 
Schwabengau, da Poplice im Jahre 1060 als zum Hassegau (richtiger 
aber zum Schwabengau) gehörig angeführt wird. Überhaupt ist betreffs 
der Westgrenze des Gaues Nudzizi zu bemerken, daß an mehreren Stellen 
nicht der jetzige Saalelauf, sondern ältere, jetzt zum Teil eingegangene 
Arme dieses Flusses die Grenze gebildet haben, über welche in meiner 
vorerwähnten Abhandlung über den Lauf der Saale in den Mitteil. des 
Ver. f. Erdkunde zu Halle (Jahrg. 1897) nähere Auskunft zu finden ist. 
Die Ostgrenze des Gaues Nudizi lief aus der Gegend von Plötz a. d. Fubne 
in ziemlicher Übereinstimmung mit der jetzigen Grenze des Saalkreises 
bis zum Petersberge nach Süden, so jedoch, daß sie diesen entweder 
einschlof oder über ihn hinwegging, und von da nach der Mündung 


1 Genaueres hierüber bei Größler, Urkundliche Nachweise über den Lauf der 
Saale zwischen Halle und der Wippermündung und die an demselben gelegenen 
Wiistungen. Mit Karte. (Mitteilungen des Ver. f. Erdk. zu Halle a. S. Jahrg. 1897 S. 17.) 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCREN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUR USW. 27 


der Gödsche (Goddessowa), etwa zwischen Teicha und Morl hindurch. 
ПаВ sie diese Richtung gehabt haben тий, wird sich aus der Lage der 
Orte des Nachbargaues Neletizi ergeben. 

Schließlich bedarf noch folgende Angabe einer Beleuchtung: 

945 4. 5.: ,proprietatem nostram trans Salam fluvium in comitatu 
Thietmari inter paganos sitam in pago lingua sclavorum Zitice 
nominato, villae videlicet Tribunice vocatae."! 

Da hier kein anderer Ort gemeint sein kann, als Trebnitz 
a. d. Saale, nordwestlich von Cónnern, so ergibt sich, daß der nórd- 
lichste Teil des Gaues Nudzizi, d. h. die Gegend von Besen-Laublingen 
und Cónnern einen Untergau namens Zitici gebildet hat, welchen 
die Pfuhlsche Aue von dem Gaue Serimunt, beziehungsweise von dem 
Burgwartbezirke Grimschleben geschieden hat. 


IV. Der Gau Neletizi. 


961 29. 7: ,omnen regionem pagumque Neletice omnemque 
utilitatem in eo manentem, urbem videlicet Giuicansten cum 
salsugine eius ceterasque urbes.*? Eine andere Schreibung des 
Namens ist Giuiconsten. Giebichenstein bei Halle. 

066 28. 7.: „quicquid praedii vel haereditatis aliquando Bilingo nostro 
comiti iure concambii in Neletici concessimus .... in locis sub- 
notatis, videlicet Nova urbs et Brogora, Uppineng et Broch- 
stad.*? 

Die Schreibung zweier Namen ist verderbt. Brogora ist Dobra- 
gora zu lesen; es ist also Gutenberg, nordóstlich von Trotha, gemeint; 
Uppineng ist richtiger Uppine zu lesen, das ist Oppin, óstlich von 
Gutenberg. Brochstad, die in einem Bruche gelegene Wohnstätte, 
ist Brachstedt, Nova urbs ist Niemberg. 

073 5.6.: „pagum seu regionem Neletici nominatam in 
orientali parte Salae fluminis sitam, in qua civitas Giuiken- 
stein et Dobrogora et Rodibile habentur." ! 

Aufer den schon bekannten Orten Gutenberg und Giebichenstein 
wird hier noch Radewell a. d. Elster genannt. 

Der Gau Neletici, welcher übrigens mit einem andern Gaue. 
desselben Namens auf der rechten Seite der Mulde, dessen Hauptort 


! Cod. Dipl. Anh. I, p. 10. 

2 Riedel, Cod. Dipl. Brandenb. A. XVII, p. 421. v. Dreyhaupt, Saal- 
kreis I, S. 10. 

? Scheidt, Origin. Guelph. IV, S. 559. 

* v. Dreyhaupt, Saalkreis I, 8. 20. 


28 Н. GROSSLER 


Wurzen war, nicht verwechselt werden darf, erstreckte sich also von 
der Mündung der Gédsche bis zur Mündung der Elster. Nach Westen 
bildete die Saale seine Grenze, nach Norden die Fuhne, und zwar etwa 
von Plótz an bis zur Mündung des Strengbaches in die Fuhne. Die 
Ostgrenze ist unsicher, doch wird sie sich aus der Betrachtung der 


kirchlichen Bezirke mit groBer Wahrscheinlichkeit ermitteln lassen. Den - 


Namen des Gaues selbst trügt wahrscheinlich noch das Dorf Nehlitz 
am Südabhange des Petersberges, obwohl diese Lage hart an der West- 
grenze einigermaßen befremden muß. Die Südgrenze wird erst später 
genauer festgestellt werden. 


V. Der Gau Citice (Zitizi). 

Dieser Gau, den Posse („Die Markgrafen von Meißen“) bei seinem 
Versuche, die Gaue zwischen Mulde und Saale zu bestimmen, gänzlich 
übersieht, wird mit anderen benachbarten Gauen zusammen genannt 
in folgender Urkunde: 

973 5.6: ,decimam mellis ... in provintiis vel pagis subnominatis, 
hoc est: Siusli, Citice, Sirmunti, Cholidiki ete.“ ! | 

Als der einzige in ihm gelegene Ort ist nur die civitas Zurbici, 
jetzt Zórbig in einer Urkunde vom 21.7. 961 bestimmt nachweisbar?, 
die aber Posse? irrtümlicherweise in den Gau Neletici verlegt. Doch 
werden in einer Urkunde des Jahres 1156* im Burgwart Zurbice 
noch folgende Orte genannt: Ruchtendorf (wüst óstlich von Spóren), 
Odeleie (vermutlich Heideloh, óstlich von Zórbig), Gordenewice 
(Górdenitz, óstlich von Brena, falls wirklich der Burgwartbezirk Zórbig 
so weit nach Süden reichte), Smalice (unbekannt), Batsice (unbekannt), 
Cachre (Köchern, südöstlich von Zörbig), Mulendorf (unbekannt) und 
Ceperchowe (Zschepkau, nordóstlich von Zórbig), deren Lage beweist, 
daB der Gau Zitizi im wesentlichen mit dem westlichen Teile des 
Kreises Bitterfeld von dem Strengbache bis zur Mulde zusammenfiel. 
In späterer Zeit scheint er in die Grafschaft Brena aufgegangen zu sein. 

Nun entsteht aber noch die Frage, ob man die Herrschaft 
Ostrau am Petersberge in den Gau Zitizi einschließen muß. Im Jahre 
1377 werden als Zubehör derselben genannt folgende Dórfer:* Goetenitz 


1 Cod. Dipl. Anhalt. I, p. 41. 

з Boysen, Histor. Magazin I, S. 96. Gercken, Cod. Dipl. Brandenb. VI, S. 383. 

з Posse, Markgrafen v. Meien S. 223. 

t v. Dreyhaupt, Saalkreis II, S. 869 — 871. 

° Küstermann, Altgeographische Streifzüge durch das Hochstift Merseburg. 
(Neue Mitteil. des Thüringisch-Sächs. Vereins XVIII, 2, S. 87 ff, wo auch eine zum 
Teil gelungene Feststellung der Lage der genannten Dorfer versucht ist.) 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAVE usw. 90 


(Góttnitz, westlich von Löbersdorf), Küttene (Kütten, östlich vom 
Petersberge), Drogwitz (Drobitz, nordóstlich vom Petersberge), Dreglitz 
(Drehlitz, in derselben Gegend), Neltz (Nehlitz, südlich vom Peters- 
berge), Koeseln (Kösseln, östlich von Plótz a. d. Fuhne), Thysene 
(wüst Deifien bei Oberplótz а. d. Fuhne), Rodenitz (bisher noch nicht 
ermittelt), Heryngisdorph (Hinsdorf, westlich von Möst), Dry (un- 
bekannt), Blótz (Ober- oder Nieder-Plótz, unweit der Fuhne), Nebelitz 
(wohl verderbt aus Niubudici — Nebeditz, jetzt wüst Nebitz, nordóstlich 
von Nehlitz), Tzornewitz (unbekannt), Rokenitz (unbekannt), Sachs- 
torph (wüst Sagisdorf, óstlich von Werderthau), Ketzendorph (wüst 
Kitzendorf, südöstlich von Kösseln), Westewitz (in älterer Form 
Wistatuwiz, Westewitz a. d. Gódsche, westlich von Nehlitz), Weysitz 
(unbekannt), Busene (wüst Bassene, nordóstlich von Drehlitz, ein Teil 
Hófe zu Werbene (Werben, óstlich von Ostrau), wie auch zu Lobs- 
torf (Lóbersdorf, westlich der Strengemündung), weiter noch Lehen 
und Gerechtigkeiten in Móstitz (Most, südlich der Fuhne), Heyn- 
richsdorf (Heinsdorf, westlich von Mist) und Kempendorf (vielleicht 
— Stempendorf — Stumsdorf?). 


1378 wird Werderden (Werderthau, nordwestlich von Ostrau) 
als im Gericht Ostrau gelegen, bezeichnet. 


Eine völlig zuverlässige Unterlage bieten diese Angaben nicht. 
Da aber die Grenzbeschreibung des Archidiakonats Neuwerk ausdrücklich 
sagt: „a fluvio Elstra usque ad Vonam", so muß die Herrschaft 
Ostrau zu diesem Archidiakonat und somit auch zum Gaue Nele- 
tici gehört haben, weil letzterer sonst die Fuhne nicht erreicht hätte, 
da östlich von der Herrschaft Ostrau der Erzpriesterstuhl Zórbig, westlich 
von ihr dagegen der Archidiakonat Cönnern längs der Fulme sich er- 
streckt. Der westlichste Ort dieser Herrschaft war Plötz, der östlichste 
Löbersdorf, beide an der Fuhne; der südwestlichste, falls dies Ver- 
hältnis alt ist, Nehlitz. Auch Stumsdorf scheint noch zu Ostrau ge- 
hórt zu haben, nicht aber Rieda und Siegelsdorf. In Betracht kommt 
auch noch, 4ай, wenn die Herrschaft Ostrau nicht in den Archidiakonat 
Halle-Neuwerk oder, was dasselbe besagt, in den Gau Neletici gehört 
hatte, das Dorf Nehlitz, welches doch den Namen des Gaues triigt, 
außerhalb desselben gelegen haben müßte. 


VI. Der Gau Siusili. 


Der Name kommt in folgenden Formen vor: 869 Siusli, 965 
Siusilli, 974 Siusuli, 1000 Siusili, 1031 Susali, 1043 Susalin. 


30 . H. GROSSLER: 


961 29.7.: „їп regione Siusli, in qua est civitas Holm nominata.“! 
Die Lesung Holin? bei v. Mülverstedt ist falsch. Der Wahrheit 
noch näher käme die Schreibung Cholm. Der bisher noch nicht 
gedeutete Ort ist offenbar Gollmen bei Landsberg im Kreise 
Delitzsch. 

1031 19.2.: „villa Wetowizi sita in pago Susali in comitatu 
Theoderici.^? Wohl nicht Wiesewitz, südwestlich von  Brena, 
sondern wahrscheinlich Wedewitz, südwestlich von Eilenburg. 

1043 15.11.: ,quoddam predium nomine Rogaz in pago Susalin 
et in comitatu comitis Dedi situm.^* Dies kann unmöglich Roitzsch 
bei Lóbnitz im Kreise Delitzsch sein, wie Bóttger? will, sondern 
wird die wüste Mark Racks bei Liemena, westlich von Eilen- 
burg sein. 

Anscheinend bewahrt auch der Name des Dorfes Sausedlitz am 
Leinebach, südóstlich von Niemegk bei Bitterfeld, den Namen des Gaues 
und der Völkerschaft, falls er aus Siusilici oder Susalici entstanden ist. 

So gering nun auch die Zahl der zurechtweisenden Orte ist, so 
sieht man doch, daß sich der Gau Siusili von Gollmen am Streng- 
bach bis in die Gegend von Niemegk bei Bitterfeld und weiter nach 
Süden bis in die Gegend von Eilenburg erstreckt hat, also ostwärts 
bis zur Mulde. Posse? behauptet zwar, der Gau Siusili habe sich 
über die Mulde hinüber erstreckt, bringt aber keine Beweise bei. Ja 
man kann geradezu sagen, daß seine Behauptung falsch ist, weil das 
dem Gau Siusili auf der rechten Seite der Mulde gegenüber liegende 
Gebiet von Pouch über Düben bis nach Eilenburg hin in den Gau 
Scudizi (Chutizi), weiter aufwürts aber in der Gegend von Wurzen in 
den Gau Neletiki (nicht zu verwechseln mit dem an der Saale!) gehórte. 
Dagegen verkürzt Posse den Gau Siusili sehr stark nach Westen zu, 
da ег! den bei Zwochau entspringenden und bei Bitterfeld in die 
Mulde fließenden Bach, nämlich den Rheinbach, als die Ostgrenze des 
Gaues Neletizi bezeichnet, was sich bei Betrachtung der kirchlichen 
Grenzen als völlig verfehlt herausstellen wird. Die Südgrenze wird 
später erörtert werden, wenn von der Grenze des Hochstifts Merseburg 


1 Boysens Histor. Magazin I, S. 96. 

? Regg. Archiep. Magdeburg. І, No. 158. 

з Gersdorf, Cod. Dipl. Saxoniae reg. 1, 1, 77. 
* Lepsius, Bischófe von Naumburg 8. 207. 

5 Gauenkunde IV, S. 20. 

6А. а. О. Б. 354. 

' Ebenda XS. 320. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE 065%. ЗІ 


gegen das Hochstift Magdeburg die Rede sein wird, da die Gauengrenze 
selbstverständlich mit jener zusammenfallt. Aber schon jetzt läßt sich 
sagen, dafi der Gau im wesentlichen dem heutigen Kreise Delitzsch ent- 
spricht. Er bestand demnach aus den spiiteren Grafschaften Brena und 
Eilenburg, die die ältere Zeit nur als Burgwartbezirke bezeichnete. 


VII. Der Gau Quezici. 


961 29.7: „in regione Quezici, іп qua est civitas Ilburg“* sagt die 
schon oben erwiihnte Urkunde von diesem Tage. Die hier genannte 
Hauptburg dieses Gaues ist natiirlich die Stadt Eilenburg, welche 
auf einer Insel der Mulde liegt. 

1000 31.1: „villam Gubici dictam ... in comitatu Friderici comitis 
adiacentem, in pago autem Quezici dicto in burgwardio Ilburg 
sitam.^! Posse macht keinen Versuch den Namen des Ortes zu 
deuten. Da er im Burgwart Eilenburg zu suchen ist, so scheint das 
Dorf Kopsa bei Behlitz, westlich von Eilenburg, gemeint zu sein, 
welches früher Gubse, Kupse gesprochen sein wird. 

So dürftig nun auch diese Nachrichten sind, so beweisen sie doch 
erstens, dal} der Burgwartbezirk (die spiitere Grafschaft Eilenburg) ent- 
weder im Gaue Quesizi lag oder überhaupt mit ihm zusammenfiel, und 
zweitens, Чай der Gau Quesizi nur ein Untergau des Gaues 
Siusili gewesen sein kann. Denn wenn auch Bischof Thietmar von 
Merseburg zum Jahre 1017 die Nachricht bringt: „Huius civitatis Ilburg 
comitatum et super Siusili pagum potestatem ille Thidericus imperatoris 
munere post suscepit^? und somit ausdrücklich die Grafschaft Eilenburg, 
d. h. die Grafengewalt über den Gau Quesizi von der Grafengewalt über 
den Gau Siusili unterscheidet, so zeigt doch die Zuzühlung der Orte 
Wedewitz und Racks bei Eilenburg zu diesem Gaue, daß der Name 
Siusili bald in weiterem, bald in engerem Sinne gebraucht wurde. Im 
engeren Sinne erstreckte sich der Gau Susili anscheinend von dem 
westlichen Strengbache bis zur Leine, im weiteren aber bis zur Mulde, 
den Untergau Quesizi im Westen von Eilenburg, der seine südöstliche 
Ecke bildete, ja sogar den Burgwartbezirk Chut, von dem noch die 
Rede sein wird, mit umfassend. 

Aber auch noch ein anderer kleiner Gau muf) als Untergau zum 
Gaue Siusili gehört haben. Schon Thietmar? nennt unter den neun 


' Gersdorf, Cod. Dipl. Saxon. reg. I, 1, 52. 
? Chron. in Monum. Germ. SS. III, 829, 
Chron. ІП, 9 in Monum. German. 55. III, 764. 


32 Н. GROSSLFR: 


Burgen (urbes), die Erzbischof Giselher von Magdeburg bei der Auflósung 
des Bistums Merseburg sich vorbehielt, ,quarum sunt haec nomina: 
Scudici, Cotug, Vurcin, Bigni, Hilburg, Dibni, Раис, Liubanici et 
Gezerisca^ den Namen des kleinen Gaues oder Burgbezirkes mit, dessen 
Zugehörigkeit hier festzustellen ist, das ist der Gau Liubanici oder 
Lóbnitz zwischen Düben und Niemegk auf der linken Seite der Mulde, 
zwischen dieser und dem unteren Leinebach. Sowohl die Kleinheit, wie 
auch die Lage dieses Bezirks, der ostwürts von der Mulde begrenzt und 
westwärts völlig vom Gaue Siusili umfaßt wird, berechtigen zu der 
Annahme, daß der kleine Löbnitzgau ebenfalls ein Untergau 
des Gaues Siusili gewesen ist. Von der urbs Gezerisca später! 


VIII. Der Gau Chutici (Scudici). 


Der Name dieses Gaues erscheint in mancherlei Formen: Die 
älteste Form ist Chutici, die jüngere: Zeudici, Scudizi, Schutizi, Szudici, 
Scutizi, Zkudiz. Diese haftet heutzutage noch an der Stadt Schkeu- 
ditz a. d. Elster. Trotz aller Ähnlichkeit ist der Unterschied dieser 
Namen doch so groß, daß man einen verschiedenen Ursprung beider an- 
nehmen muß. | 

Vor 973: „Imperator (Otto I.) (Bosoni episcopo)... in pago Chutici 
positum quoddum castellum, quod Medeburu vocatur, ... concessit"! 
Magdeborn in Sachsen, bei Rötha, südsüdöstlich von Leipzig. 

974 30. 8.: „quandam (nostri) iuris civitatem Zuenkouua nuncupatam 
in regione Chutizi et in comitatu Gundherii comitis sitam.^? Zwen- 
kau in Sachsen, südlich von Leipzig, an der Elster. 

974 30.8.: „forestum . . . in comitatu Gunterii comitis et in pago 
Chutizi situm ... inter Salam ac Mildam fluvios ac Siusili et 
Plisni provincias iacentem.“ Dieser Wald ist also südlich vom Gaue 
Siusili zu suchen. 

1004 24.2: ,quedam nostri servitii et regie proprietatis loca in pro- 
vincia Zeudici sita . . . quandam civitatem nomine Chut cum 
toto eius territorio sive burgwardio, marca quoque usw.‘ Die 
Deutung auf Taucha erscheint Kehr unsicher. Sie ist aber sprachlich 
geradezu unzulässig. Mir scheint nur Gotha bei Eilenburg der 
sprachlichen Form und der Lage zu genügen. (Dieser Burgwart- 
bezirk wurde von Kaiser Heinrich П. unter Loslósung von dem 


! Thietmari Chron. II cap. 37 іш Mon. Germ. SS. X, 160. 
? Kehr, Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg I, S. 10. 
3 Ebenda S. 12. 
* Ebenda 8. 32. 


DIR FINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE USW. 33 


Gaue Chutici dem Erzstift Magdeburg als Entschädigung überwiesen, 
also seitdem wohl dem Gaue Siusili zugerechnet, dessen 
nächst anstoßender Burgwartbezirk Eilenburg war.) Die eigentliche 
Hauptburg des Bezirks Chut dürfte in dem östlich von Gotha ge- 
legenen Groitsch zu erkennen sein. 

1004 4.3.: quandam regii quondam iuris civitatem Zuuenkouua 
(nominatam) in regione Schutizi sitam.“1 Diese und die vorige 
Stelle beweisen, daf seit 1004 an die Stelle des Namens Chutizi 
der Name Zcudici, Scudici und Schutizi getreten ist. 

1004 5.3.: „duas villas in pago Schutizi et prius in episcopatu Merse- 
burgensi sitas nomine Wissepuchg et Lostataua.“? Ersteren 
Ort hält Lappenberg für Wiesenburg a. d. Elbe; letzterer ist Lastau 
an der Mulde. 

1015: „Gero archiantistes et ego eiusdem comes ad locum qui 
Mucherini dicitur, veniebamus. Ibi tunc ego de promissis dulcibus 
eum ammonens, percepi ab eodem cum baculo eius, quem hodie 
teneo, parrochiam super has ШІ urbes: Scudici, Cotuh, Bichini 
et VurzinA^? Ез sei dahingestellt, ob unter dem erstgenannten 
Orte Móckern nordwestlich von Leipzig oder Machern zwischen 
Taucha und Wurzen zu verstehen ist. Jedesfalls sind Schkeuditz, 
Püchau und Wurzen, letztere beiden an der Mulde, völlig klar. 
(Kehr a. a. O. 8. 45 verlegt aber irrigerweise Püchau auf die óst- 
liche Seite der Mulde.) Allerdings gebraucht Thietmars Chronicon VIII 
c. 52 auch von Bichni den Ausdruck „in orientali parte Мае 
fluminis^, so daß man annehmen muß, ein Muldenarm sei früher 
auch westlich von Püchen (jetzt meist Püchau) vorhanden gewesen 
oder die Bezeichnung habe nur von Wurzen gelten sollen. Die 
Deutung des Namens Cotuh auf Gautzsch bei Leipzig ist ebenso 
unrichtig, wie die auf Taucha. Der Lage und dem Lautstande 
nach scheint mir am ehesten der wüste Ort Gottge bei Leutsch 
südlich der Luppe — zwischen Wahren und Lindenau, westlich 
von Leipzig — zu passen. 

Von spüterer Hand ist der vorerwühnten Stelle aus Thietmars 
Chronicon die Bemerkung nachgetragen: 

»De residuis V Ilburg, Рапс, Dibni, Liubanizi et Geserisca 

differens ac in posterum dicens relicturum.*1 | 


! Kehr. Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg I, S. ЭЗ. 
? Ebenda S. 35 und 36. 
3 Thietmari Chron. VIII cap. 24 (Mon. Germ. SS. X) und Kehr S. 15. 
* Kehr а.а. О. S. 45. 
Archiv f. Landes- u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1905. 3 


34 H. GRÓSSLER: 


Eilenburg und Lóbnitz (links der Mulde), Düben und Pouch 
(rechts der Mulde) sind klar. Geserisca hat die sonderbarsten Erklürungs- 
versuche gefunden. Einer der stümperhaftesten ist die Deutung auf 
Gerichshain zwischen Taucha und Brandis. Andere raten ebenso fehl- 
greifend auf Zóckeritz. Diese Deutungen sind schon deshalb falsch, 
weil Gezerisca magdeburgisch blieb, also nicht innerhalb des Merse- 
burger Sprengels gesucht werden darf. Da der Name jesero — See, 
Teich mit der augmentativen Endung -isca auf eine seenreiche Gegend 
hinweist und da die urbs Geserisca sich der Reihenfolge nach ап 
Liubanizi anschließen muß, so halte ich das östlich von Lóbnitz gelegene 
Tiefensee bis auf den Nachweis einer besseren Deutung für den 
Träger des frei ins Deutsche übertragenen Namens Geserisca. Thiet- 
mar erhielt also die Burgwartbezirke des dem Bistum Merseburg 
geraubten Gebietes von der Elster bis zur Mulde zuriick, die auch 
in der richtigen Reihenfolge von Westen nach Osten aufgezühlt werden, 
wogegen Erzbischof Gero die abwärts von Wurzen und Püchau an der 
Mulde gelegenen Bezirke zurückbehielt, nämlich Eilenburg auf einer 
Muldeninsel, Düben und Pouch auf der rechten, Lóbnitz und Tiefensee 
auf der linken Seite der Mulde. 


1050 3.8.: „quandam villam Nuwindorph dictam et in comitatu 
Wilhelmi marchionis in pago Szudici in burewardo Libizken 
sitam.^! Bei Thietmar, Chron. III c. 25 und VIII cap. 66 heiBt der 
letztgenannte Ort Lipzi. 


Breflau? zweifelt, ob unter Libizken Leipzig zu verstehen sei. 
Auch Kehr wagt keine Bestimmung. Юа aber auf Chart. magn. f. 99! 
die Überschrift der Urkunde lautet: , Privilegium imperii super villa 
Nuendorff prope Schudicz, desolata est“,® so ist klar, daß eine 
Wüstung bei Schkeuditz gemeint ist. Es fragt sich nur, wo dieselbe 
lag. Ich nehme an, daß um die Mitte des 11. Jahrhunderts (1050) 
Leipzig als Burgwart an die Stelle des nahegelegenen Cotuh 
(Gottge) getreten war und Чай demnach unter der villa Nuendorf, 
die nach einer Zeit der Veródung wieder neu besiedelt sein kann, Abt- 
Naundorf an der Parthe, nordöstlich von Leipzig, zu verstehen ist. 
Allenfalls könnte man auch an Linden- Naundorf am Zschampert (west- 


! Kehr a.a. О. 8. 63. 

2 Kehr 8. 71. 

3 Brotuff, Bericht vom Closter Sanet Petri zu Merseburg (Schóttgen und 
Kreysig, Diplomat. Nachlese Xl], 171). Schmekel, Historisch-topographische Be- 
sehreibung des Hochstifts Merseburg, 5. 88. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE USW. 35 


lich von Leipzig), kaum aber an Knaut- Naundorf (südsüdwestlich von 
Leipzig) denken. 

1091 1.8. (auch 1021) werden wohl aus dem Copiale privilegiorum 
folgende Orte aufgezählt: „In Burgwardo Scutici . . . Rasenize, 
Wessmar, Dewini, .. . Tholenici und Wideriz bey Leipzig."! 
Diese Ortsnamen erklürt Schmekel (nach Brotuff)? für Schkeuditz, 

Rasnitz und Weßmar (beide an der Elster) und Wiederitzsch (öst- 
lich von Schkeuditz), Tholenici dagegen für eine Wüstung „im Dölitz“. 
Aber dieser Ort ist offenbar Dóllnitz in der Aue, an der unteren Elster 
gelegen. Dewini halt Kehr mit Schmekel für die wüste „Weniger 
oder Winniger Mark“ in der Flur von Weßnitz an der Elster, nördlich 
davon. Diese Annahme ist wahrscheinlich, da die erste Silbe De später 
als Artikel gefaßt und weggelassen sein kann. 

Ebenda werden weiter genannt: „In Burgwardo Zwegene... 
das Dorff Schwindele, Belitza, Gundtorff.“ Kehr findet in diesen 
Orten mit Schmekel richtig die Dörfer Zweymen (an der Luppe), Böhlitz 
und Gundorf (beide weiter nach Osten zu ebenfalls an der Luppe), und 
Zscherneddel (südwestlich von Zweymen). Letztere Deutung ist be- 
rechtigt, wenn man annimmt, daß Schwindele verlesen ist statt Schern- 
dele oder Schernedele. 

Um 1167: Erzbischof Wichmann von Magdeburg genehmigt den 
von Wichard von Deliniz (Döllnitz in der Aue sc. der Elster) unter- 
nommenen Bau einer Kirche in Glochowe (Lochau a. d. Elster) und weist 
ihr die Dörfer „Glochowe, Morozene (angeblich wüst bei Wesenitz) et 
Wesewitz (östlich von Lochau a. d. Elster), ab ecclesia Rothwelle 
(Radewell nahe der Elstermündung) absolutas“ zu. Die Kirche zu Rade- 
well empfängt dafür den Zehnten in Zlamerize (vermutlich wüst in der 
Nähe von Radewell).3 Da Döllnitz nach der Urkunde von 1091 bezw. 
1021 mit Rasnitz und Weßmar in den Burgwartbezirk Schkeuditz und 
demnach in den Merseburger Sprengel gehörte, so hat Wichmann seine 
Genehmigung nicht als Diözesan, sondern als Metropolitan erteilt. Aller- 
dings läßt die bisherige kirchliche Verbindung mit Radewell die Möglichkeit 
zu, daß Döllnitz, Lochau und Wesewitz ursprünglich zum Gaue Neletizi 
und damit zum Archidiakonat Halle (später Neuwerk b. Halle) gehört 
haben. 


! Kehr 8.71. 

* Brotuff, Bericht vom Closter Sanet Petri zu Merseburg (Schottgen und 
Kreysig, Diplomat. Nachlese ХП, 171. Schmekel, Historisch -topographische Be- 
schreibung des Hochstifts Merseburg, S. 88. 

* Kehr а. а. О. S. 89. 

3% 


36 Н. GRÜSSLER! 


Am 29, 6. 1266 tauschten die Brüder Hoyer der Altere und Hoyer 
der Jüngere von Friedeburg die Herrschaft Skuditz von den Grafen 
Burchard dem Alteren und Burchard dem Jüngeren von Mansfeld bezw. 
von Schraplau ein,! teilten aber dann ihren Besitz. Am 14. 2. 1267 
erhielt Hoyer der Ältere pro parte sua ambo castra Zkudiz cum 
omnibus bonis sitis ex illa parte Sale, ubi castra Zkudiz sunt, also 
óstlich der Saale, jedoch excepta villa Bansz (Panitsch óstlich von Leipzig). 
Unter dem zweiten castrum Zkudiz dürfte das castrum Warin 
(Wahren a. d. Elster, óstlich von Sckeuditz) zu verstehen sein. 

Dagegen trat Hoyer der Altere von Friedeburg am 26. 7. 1267 
an seinen Bruder Hoyer den Jüngern .pro suppletione bonorum in 
Bornstete" folgende villas ab: Rogeliz, Otmutzk, Dobertowe, 
Ribsin, Borsdorph“.? Keines Nachweises bedürfen die Orte Ober- 
thau und Rübsen a. d. Elster (westlich von Schkeuditz) sowie Róglitz 
(nordwestlich von Oberthau, dessen anlautendes D später abgefallen ist). 
Otmutzk soll nach Küstermann wüst zwischen Oberthau und Dölkau 


liegen — ich jedoch möchte es für Ermlitz a. d. Elster zwischen 
Oberthau und Sehkeuditz halten. — Borsdorf ist angeblich das an der 


Parthe, weit östlich von Leipzig, gelegene Borsdorf. Da aber dieses 
doch wohl außerhalb des Burgwartbezirks Schkeuditz lag, so ist vermutlich 
statt Borsdorf: Corsdorf oder Lorsdorf zu lesen, die beide nahe bei 
Schkeuditz lagen. Cursdorf liegt nördlich von letzterer Stadt, und 
unweit von Cursdorf nach Westen zu das wüstgewordene Lursdorf. 

Besteht aber die Lesart Borsdorph zu Recht, so kann alleraings 
nur das an der Parthe gelegene Borsdorf gemeint sein, da die Edlen 
von Friedeburg dort noch andere Besitzungen als Zubehór von Bansz 
(jetzt Panitzsch) hatten. Ат 30. 6. 1269 aber vertauschte Hoyer der 
Ältere von Friedeburg die castra Zkudiz wieder gegen die Herrschaft 
Bornstedt an den Bischof Friedrich von Merseburg zu ewigem Besitz.? 

Die Folgerungen, die aus diesen Ortsbestimmungen zu ziehen 
sind, werden im folgenden Abschnitte hervortreten. 


В. Die Einteilung in Archidiakonate. 

Die Gaue Serimunt und Kolodizi in den beschriebenen Grenzen 
bildeten den Archidiakonat oder Bann Köthen, von dessen 
(6 Kirchen um das Jahr 1400 nicht weniger als 67 unmittelbar unter 
dem Dompropste von Magdeburg standen, welcher diesen großen Bezirk 


1 Mansfelder Blätter IIT. 5.91, Eisleben, 1889 und Neue Mitteil. Vf. 1, 8.161 
? Ebenda 5. 265 und 267. 
, ® Kehr, Merseburger Urkundenb. 8. 287. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE USW. 37 


als Archidiakonus verwaltete.! Іп dieser Gegend scheint das Christen- 
tum am frühesten und festesten Wurzel gefaßt zu haben, denn schon 
961 wird hier eine Kirche zu Balberge erwühnt.? Allerdings ist nicht 
ausgeschlossen, daf in der betreffenden Urkunde die Kirche eines gleich- 
namigen Dorfes auf der linken Seite der Saale, den Dórfern Wispitz 
und Wedlitz bei Nienburg gegenüber, gemeint ist. Bei der durch 
Naturhindernisse besonders geschützten Lage und der großen Nähe alt- 
deutschen Landes hat hier, nachdem im Jahre 839 die Kolodizen ent- 
scheidend geschlagen und 12 ihrer Burgen erobert worden waren, das 
deutsche und christliche Wesen sich im ganzen ruhig entwickelt. Gleich- 
wohl finden wir auch hier im zwólften Jahrhundert noch Heiden, wenigstens 
in den östlichen Strichen beider Gaue auf dem linken Ufer der Mulde. 

Leider fehlt uns von den übrigen Archidiakonaten des Erzstifts 
Magdeburg zwischen Saale und Mulde ein Verzeichnis der zu cinem 
jeden von ihnen gehórigen Kirchorte. Hütten wir ein solches, so würden 
sich ihre Grenzen mit Leichtigkeit festlegen lassen. Іп Ermangelung 
eines solchen läßt sich nur sagen, daß der Gau Nudzizi nebst seinem 
Untergau Zitizi den Archidiakonat Kónnern bildete. Archidiakone 
von Kónnern, die zugleich Pfarrer der dortigen Wenzelskirche und meist 
auch Magdeburger Domherren waren, werden wiederholt in Urkunden 
genannt, so 1293 Wipertus, canonicus Magdeburgensis, plebanus in 
Conre,? 1324 Heinrich von Nigrip und nach ihm Gerhard Lawyr, Dom- 
vikar zu Magdeburg,* 1329 Conradus capellanus noster (sc. des Erz- 
bischofs von Magdeburg), plebanus in Konre.? А 

Der Gau Neletizi dagegen deckte sich mit dem Archi- 
diakonat Halle, der spüter nach dem Kloster Neuwerk b. Halle ver- 
legt wurde und seitdem archidiaconatus Novi operis hief. Als jedoch 
diese Verlegung im Jahre 1121 durch den Erzbischof Rodger von 
Magdeburg stattgefunden hatte, scheint der Gau Neletizi in zwei Erz- 
priesterbezirke geteilt worden zu sein. Seine damalige Begrenzung er- 
fahren wir aus einer zwar sehr kurzen, aber doch sehr wichtigen Grenz- 
beschreibung des archidiaconatus Novi Operis vom Jahre 1121, welche 
folgendermaßen lautet: „a fluvio Sala usque Strisitze, a fluvio Elstra 
usque ad Vonam.“® 


— 


Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg II, 1, 63 und 70. 
Cod. Dipl. Anh. I, p. 25. 

v. Dreyhaupt, Beschreib. des Saalkreises II, 825. 

* Gescehiehtsquellen der Prov. Sachsen XXI, 150. 

5 v. Drevhaupt, II, 828. 

в Ebenda I, 721. — v. Ludewig, Rell. manuscr. V, 63 u. 60. 


1s 


[^4 


38 Н. GROSSLER: 


Wührend hier Saale, Elster und Fuhne ohne weiteres als Grenz- 
linien erkennbar sind, ist der die Ostgrenze des Archidiakonats und 
damit zugleich des Gaues Neletizi bildende Bach oder Fluß Strisitze 
um so zweifelhafter. Da niemand die Strisitze für die Mulde wird 
nehmen wollen, so kann nur ein zwischen Saale und Mulde in der 
gleichen Richtung wie diese, also ein von Süden nach Norden 
fließendes Gewässer gemeint sein. Nun führt aber heutzutage kein 
Fluß oder Bach innerhalb des bezeichneten Raumes noch den Namen 
Strisize. Nur der Flußname Streng zeigt eine geringe Ähnlichkeit mit 
jenem Namen. Überdies ist der Name Streng ein deutscher, der Name 
Strisitze dagegen ein slawischer. Aber auch angenommen, der Name 
Strisize hätte sich im Laufe der Jahrhunderte in den Namen Streng 
verwandelt oder wäre eine Übersetzung desselben, so entsteht doch eine 
neue Schwierigkeit durch den Umstand, daß es zwei Flußläufe des 
Namens Streng gibt, von denen der eine nórdlich von Schkeuditz, 
der andere bei Hohen-Ossig südóstlich von Delitzsch entspringt. Ent- 
weder ist also unter Strisitze derjenige Strengbach zu verstehen, der 
nórdlich von Schkeuditz entspringt und an Landsberg und Zórbig vorbei 
in die Fuhne fließt, oder der bei Hohen-Ossig entspringende, welcher 
sich bei Bitterfeld mit der Lober vereinigt und bald danach in die 
Mulde mündet. Da jedoch Gollmen bei Landsberg, wie wir sahen, in 
den Gau Siusili gehórte, die Gaue aber sich mit den Archidiakonaten 
deckten und der hier vorüberfließende Strengbach allen Anforderungen 
als Grenzscheide der beiden Gaue Siusili und Neletizi und demgemäß 
auch der beiden Archidiakonate Halle und eines dem Namen nach un- 
bekannten, weiter óstlich gelegenen entspricht, so nehme ich an, daf) 
dieses Gewüsser vor Zeiten den Namen Strisize getührt hat. So viel 
aber ergibt sich mit Sicherheit aus der besprochenen Grenzbeschreibung, 
daß zu der Zeit, in welcher jene niedergeschrieben ward, das Land 
zwischen Strisitze und Mulde, also nach meiner Darlegung die Gaue 
Zitizi, Lubaniz, Gezerisca, Quesizi und Siusili dem Archidiakonus und 
Propste von Neuwerk nicht unterstellt gewesen sein kónnen. Diese 
Folgerung wird im besondern dadurch gestützt, daB der Gau Siusili mit 
seinen genannten Nebengauen ursprünglich zum Sprengel des Hoch- 
stifts Merseburg gehört hat. Gleichwohl ist für das spätere Mittelalter 
die Ausdehnung des Archidiakonats Halle- Neuwerk bis zur Mulde nicht 
zu bezweifeln, aber diese war erst möglich, nachdem die erwähnten 
Gaue in den Besitz des Erzstifts Magdeburg gelangt waren. Die Ver- 
anlassung dazu war folgende: Im Jahre 981 bewirkte der zum Erz- 
bischof von Magdeburg erhobene frühere Bischof Gisilher von Merseburg. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UDD MULDE IN GAUE USw. 39 


eine Aufteilung des Bistums Merseburg unter die benachbarten Diózesen 
Zeitz, Meißen und Magdeburg. Für sich, d. h. für das Erzstift Magde- 
burg, behielt Gisilher bei dieser Gelegenheit 9 Burgen, d. h. 9 Burgwart- 
bezirke oder Gaue zurück, nümlich Schkeuditz, Wurzen, Püchau, Eilen- 
burg, Düben, Pouch, Lóbnitz und die bisher nicht gedeuteten Burgen 
Cotug und Geserisca, in denen ich Gottge westlich von Leipzig und 
Tiefensee zwischen Eilenburg und Löbnitz erkannt zu haben glaube. 
(,sibi autem retinuit Gisilerus ҮШІ urbes, quarum sunt haec nomina: 
Scudici, Cotug, Vurcin, Bigni, Ilburg, Dibni, Puc, Luibanici et Geze- 
risca.“)! Von diesem Raube gab spiiter im Jahre 1015 der Erzbischof 
Gero von Magdeburg dem aufs neue errichteten Hochstifte Merseburg 
die Burgen Scudizi, Cotuh, Bichini und Uurcin zurück; die Herausgabe 
der übrigen versprach er zwar, schob sie aber hinaus,? und sie ist 
niemals eingetreten. Doch gelang es später dem Hochstift Meißen, in 
den Besitz des an Merseburg zurückgegebenen Wurzen zu gelangen. 
Es verblieb also ein beträchtlicher Teil des ehemals merseburgischen 
Sprengels bei dem Erzstifte Magdeburg, nämlich die Gebiete Düben, 
Pouch, Lóbnitz, Gezerisca und Eilenburg. Düben und Pouch liegen 
auf dem óstlichen Ufer der Mulde, kommen also hier nicht in Betracht. 
Da aber Eilenburg und Lóbnitz sowie das zwischen ihnen gelegene 
Gezerisca (Tiefensee) zweifellos ehemaliger merseburgischer Besitz auf 
der linken Seite der Mulde waren, so ist klar, daß der Archidiakonat 
Halle- Neuwerk sie ursprünglich nicht umfaßt, also sich nicht bis an 
die Mulde erstreckt haben kann, und ferner, daB die Gaue zwischen 
Strisitze und Mulde eine Zeitlang einen eigenen Archidiakonus gehabt 
haben müssen. Fragt man, wo der Sitz dieses Archidiakonus oder seines 
Stellvertreters gewesen, so kann Winter recht haben, welcher vermutet, 
daß Niemegk bei Bitterfeld sein Sitz gewesen sei, weil seit der Pflanzung 
des Christentums in den óstlichen Gauen auf der linken Seite der Mulde 
lange Zeit die dortige „große und kleine Kirche“ die einzigen christ- 
lichen Stiftungen gewesen seien.? Freilich könnte man auch an das 
spüter als erzpriesterlicher Sitz hervortretende Gollmen bei Lands- 
berg im Kreise Delitzsch denken. Wenn nun aber Winter weiter der 
Ansicht ist, daß der Propst des im Jahre 1136 zu Niemegk gegründeten 
Nonnenklosters nur bis zum Jahre 1150, in welchem jenes dem Kloster 
Lauterberg unterstellt wurde, diesen Archidiakonat verwaltet habe, und 
daß gelegentlich dieser Unterstellung schon im Jahre 1150 „der Archi- 

1 Thietmari Chronicon ПІ, 9 (Mon. Germ. SS. HI p. 764). 

2 Ebenda VII, 37 (Mon. Germ. SS. III p. 843); Kehr, Merseb. Urkundeub. 8. 45, 

? Magdeburg. Geschichtsblatter ІП, 2, S. 180 u. 181, 


40 Н. GROSSLER: 


diakonatbezirk Niemegk* dem Propste zu Neuwerk zur Verwaltung mit 
überwiesen worden sei, so kann ich dieser Annahme nicht beistimmen. 
Denn dieser Archidiakonat, welcher doch schon vor dem Jahre 1136 
bestanden haben muß, mul} auch nach dem Jahre 1150 noch eine Weile 
fortbestanden haben, weil noch im Jahre 1194 Papst Cólestin dem Kloster 
Neuwerk nur den Archidiakonat von der Saale bis zur Strisitze bestätigt 
mit den Worten: „archidiaconatu Hallensi, qui protenditur usque ad 
hos fines, scilicet a fluuio Sala usque ad Schrisitze, a fluuio Elstra 
usque ad Vonam."*! Hieraus folgt, daß der östliche Archidiakonat dem 
Propste zu Neuwerk erst nach 1194 unterstellt worden sein kann. Wann, 
das bleibt freilich noch zu ermitteln. Nur so viel läßt sich sagen, daß 
diese Überweisung vor dem Jahre 1331 erfolgt sein muB, weil in diesem 
Jahre Gollmen und Zörbig als zwei der vier zu dem Archidiakonat 
Halle gehórigen Erzpriesterstühle bezeichnet werden, in der Bezeichnung 
des Propstes von Neuwerk als ,archidiaconus per quatuor sedes, 
scilicet Colmensem, Hallensem, Sorbeke et Brachstede“? Da 
als die beiden andern Erzpriestersitze Halle und Brachstedt genannt 
werden, so ergibt sich, daß der Archidiakonat Halle bis mindestens 
zum Ende des 12. Jahrhunderts nur aus dem Gaue Neletizi bestanden 
haben kann, wührend der Gau Zitizi dem Erzpriesterstuhle Zórbig, 
der Gau Siusili mit seinen Untergauen dem Erzpriesterstuhle Gollmen 
entsprochen haben wird. Kine Abgrenzung der vier Erzpriesterstühle 
Halle, Brachstedt, Zörbig und Gollmen gegeneinander ist bei dem Mangel 
eines Verzeichnisses ihrer Kirchen bis zur Auffindung eines solchen 
nicht herzustellen. Nur das wissen wir, dal) etwa um das Jahr 1400 
der erzpriesterliche Sprengel Halle-Neuwerk 28 Pfarrkirchen zählte, der 
des Stuhles Brachstedt 23, der des Stuhles Zórbig 16, der des Stuhles 
Gollmen aber 583°, ein Verhältnis, welches zu dem Schlusse berechtigt, 
daß letzterer bei weitem die grofte Ausdehnung gehabt haben mul. 
(„Hec sunt parrochie, quae pertinent ad diocesim Magdeburgensem: in 
archidiaconatu novi operissunt XXVIII, item in sede Bracstede XXIII, 
item in sede Zorbeke XVI, item in sede Cholmen LVIII.“) Dasselbe 
lehrt auch das Ergebnis meiner Untersuchung über die politische Ab- 
grenzung, welche uns — abgesehen von dem Gaue Nudzizi mit der 
sedes Braestede — den Gau Neletizi mit der sedes Novum opus als 
erheblich größer als den Gau Zitizi mit der sedes Zorbeke, den Gau 


! v. Ludewig, Reliquiae manuser. У p. 64. 
? Magdeburg. Geschichtsblätter II, 1, S. 58 u. 59. 
3 Winter in den Magdeb. Geschichtsblättern П, 1, S.58 u. 59. 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUR usw. 4l 


Siusili mit der sedes Cholmen dagegen wieder als erheblich grófer als 
den Gau Neletizi erwiesen hat. 

Es muß nun aber noch die Südgrenze der beiden Gaue 
Neletizi und Siusili gegen den Gau Skudizi (Chutizi) im Hoch- 
stift Merseburg bestimmt werden, von welcher Winter behauptet hat, 
sie kónne nicht genau bestimmt werden.! Dal) die Elster bis unter- 
halb Oberthau bei Schkeuditz nicht nur die Südgrenze des Gaues Neletizi 
war, sondern auch die Diózesen Magdeburg und Merseburg schied, ist 
erwiesen und allgemein zugestanden. Die weitere Scheidelinie bis zur 
Mulde aber ist ungewiß. Da jedoch feststeht, daß der Burgbezirk 
Schkeuditz, wie auch der Burgbezirk Püchen — wenn wir von dem 
Burgbezirke Cotuh (= Gottge) hier absehen wollen — ins Hochstift 
Merseburg gehórt haben, daf) ferner auch Róglitz (Rogalici) nórdlich von 
Oberthau in das Stift Merseburg gehörte, dagegen Behlitz bei Eilenburg 
und Eilenburg selbst ins Erzstift Magdeburg, so ergibt sich schon 
hieraus, daß die Grenzlinie beider Hochstifter und damit die des Gaues 
Skudizi annähernd der jetzigen Landesgrenze zwischen Preußen und 
Sachsen auf dieser Strecke entsprochen haben muß. Sie ging also, wie 
schon bemerkt, unterhalb Oberthau von der Mündung des Reidebaches 
in die Elster aus, Oberthau sowie Róglitz, Schkeuditz und alle zu diesem 
Burgbezirke gehórigen Orte dem Stifte Merseburg und damit dem Gaue 
Skudici zuweisend. Doch ist hier nochmals darauf hinzuweisen, daß 
es nach Ausweis der oben angezogenen Urkunde von etwa 1167 den 
Anschein hat, als ob Dóllnitz, Wesewitz und Lochau wegen ihrer kirch- 
lichen Verbindung mit Radewell ursprünglich zu dem Gaue Neletizi und 
damit in den Archidiakonat Halle gehört hätten. Als Zubehör von 
Schkeuditz erscheinen im Jahre 1267: Rogelitz, Dobertowe, Ribsin;? 
1270 5. 4. werden die „castra Zkudiz, allodium Hain, et villae 
Welderichesdorf, Nudungesdorf, Einuwiz et Breitenuelt, sitae in 
dicto districtu" ausdrücklich als feoda ab ecclesia Merseburgensi 
bezeichnet? Im Jahre 1271 21. 5.: Breitenfelt, Heyde, Quazniz, Hayn, 
Pelequiz, Einuwiz, Tesnuwiz, Beytiz, Welderichesdorf, Nudungestorf; 4 
ferner Rasnitz, Weßmar, Dewini, Tholenici und Wiederitz (Wederaz).§ 
Die meisten dieser Orte sind bereits erklirt; mehrere bedürfen aber 


! Winter in den Magdeburger Geschichtsblättern II, 1, S. 57. 

? Kehr а.а. О. 8. 265 u. 267. 

з Kehr а.а. О. S. 293. Vgl. übrigens betreffs dieser Zugehörigkeit meine Aus- 
führungen in den Mansfelder Blättern ІП, S. 90-99. Eisleben 1889. 

* Küstermann a.a. О. S. 103 u. 104 und Kehr S. 307 u. 308. 

5 Schmekel а. а. О. 5.88; Kehr a. a. О. S. 71 u. 357. 


42 Н. GRÓSSLER: 


noch eines Nachweises. Klar sind folgende: Róglitz, nórdlich von Ober- 
thau, Oberthau und Rübsen a. d. Elster, Breitenfeld, nordóstlich 
von Schkeuditz, Hohen-Heida, nordóstlich von Wabren, Quas- 
nitz, dstlich von Schkeuditz a. d. Elster. Hain ist nach meiner Ansicht 
Hayna, nordöstlich von Schkeuditz, kaum Hänichen, westlich von 
Quasnitz; Pelquitz ist unbekannt; Ennewitz liegt am Ursprunge des 
Strengebaches; wüst Tesenitz nahe nordwestlich vom Bornhöck und 
nördlich von Wesenitz; Beuditz, östlich von Groß-Kugel; ferner wüst 
Welsdorf (aus Welderichesdorf entstellt), südöstlich von Beuditz; Nu- 
dungesdorf ist unbekannt. Küstermann sagt, es sei Neudingsdorf. 
Aber wo lag dieses? Rasnitz und Weßmar liegen westlich von 
Schkeuditz a. d. Elster; die Winniger Mark (= Dewini) liegt nördlich 
von Wesenitz und südlich vom Bornhöck (Bordenhoge); Döllnitz, un- 
weit der Reidemündung an der Elster, Wiederitzsch, südöstlich von 
Breitenfeld. Demnach scheint der Burgwartbezirk Schkeuditz das 
Gelände nördlich der Elster von dem Reidebach an bis in die 
Gegend von Wiederitzsch und Hohen-Heida umfaßt zu haben. 
Nördlichste Orte scheinen Thesenitz, Heide, Beuditz, Ennewitz, Hayna, 
Breitenfeld, Wiederitzsch gewesen zu sein. 

Was nun den weiteren Verlauf der Grenze zwischen den beiden 
Hochstiftern Magdeburg und Merseburg betrifft, so hat bereits E. Jacobs! 
nachgewiesen, daß Machern (Macherin), Brandis (Brandiz) und Püchau 
(Bichin) in das Hochstift Merseburg gehörten, dagegen Delitzsch, 
Behlitz bei Eilenburg und Eilenburg selbst in die Diözese Magde- 
burg. Freilich liegen fast alle diese Orte ziemlich weit von der voraus- 
zusetzenden Grenze ab. Es lassen sich aber mehrere Orte nachweisen, 
die ihr beträchtlich näher liegen. So geht aus einer Urkunde des 
Papstes Innocenz ІП. vom 21.3. 1202? hervor, daß Wölpern, süd- 
westlich von Eilenburg (Welperede), Wöllmen noch weiter von da nach 
SW. zu (Wiltuwum) und Weltewitz (Wiltuiz und Weltewice), nord- 
westlich von Wöllmen, ebenfalls in die Magdeburger Diözese gehörten. 
Wenn ferner im Jahre 1238 Markgraf Heinrich von Meißen und Graf 
Dietrich von Brena dem Kloster Gerbstedt die Vogtei der Dörfer Lie- 
mena und Burghausen überlassen und dabei der Propst Poppo von 
Neuwerk bei Halle zusammen mit dem Propste Berthold von Lauter- 
berg (Sct. Petersberg) Zeugen sind,® so dürfte dieser Umstand dafür 


* Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg II, 2, 185 ff. 

? Eckstein, Chron. montis sereni p. 66. — v. Dreyhaupt, Saalkreis II, 
S. 872—874 und a.a. О. — Vgl. v. Mülverstedt, Regg. Archiep. Magd. II, p. 72. 

8 Krühne, Urkundenbuch der Mansfelder Kloster S. 18, 


DIE EINTEILUNG DES LANDES ZWISCHEN UNTERER SAALE UND MULDE IN GAUE Usw. 43 


sprechen, dafi die beiden Dórfer im Magdeburger Sprengel lagen, wofür 
ja ohnedies spricht, daß dicht neben Liehmena und dem wüst gewordenen 
Burghausen das ebenfalls wüst gewordene Rogaz in pago Susalin (wüste 
Mark Racks) liegt, von Kupsa westlich von Eilenburg (Gubici in 
pago Quesizi in burgwardio Ilburg) ganz abgesehen, neben welchem 
etwas nach Osten zu das schon genannte Behlitz liegt. 

Dagegen werden als Zubehör von Bansz (Panitzsch, östlich 
von Leipzig a. d. Parthe), welches Hoyer von Friedeburg an den Bischof 
Friedrich von Merseburg abgetreten hatte und überdies merseburgisches 
Lehn war, folgende inter Lypzik (Leipzig) und Nova curia (Naunhof) 
gelegene Orte genannt: Cwenuurten (Zweenfurt), Borsdorf (a. d. Parthe), 
Altena (Alten, westlich von Borsdorf), Wolueshain (südlich vom 
vorigen), Schonenuelt (Schönfeld, nordöstlich von Leipzig) und Volc- 
wartisdorf (Volkmarsdorf, óstlich von Leipzig).! Damit ist auch die 
Gegend an der unteren Parthe als zum Bistum Merseburg gehórig er- 
wiesen. 

Demnach muß die Grenze zwischen den Hochstiftern 
Magdeburg und Merseburg östlich von Schkeuditz so gelaufen sein, 
daß Breitenfeld, Wiederitzsch, Hohen-Heida, Taucha, Panitzsch (Bans), 
Brandis, Machern und Püchau merseburgisch, dagegen Kupsa, Behlitz, 
Liemena, Burghausen, Racks, Weltewitz, Wöllmen, Gotha (Chut civitas 
cum toto eius territorio siue burgwardio),? Wölpern und Eilenburg 
magdeburgisch waren. 

Unterhalb Püchau (oder Püchen) traf diese Grenzlinie die Mulde. 
Hier hatten die drei Diözesen Magdeburg, Merseburg und Meißen ihren 
Scheitelpunkt, so daß das rechte Muldenufer bis Püchau meißnisch, 


! Kehr, Merseburger Urkundenbuch 5. 200. — Küstermann (ebenda S. 201) 
erklärt Cwenuurten, völlig irregehend, für Zweinauudorf. 

? Kehr, Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg I, S. 32. Wenn Kaiser 
Heinrich П. in seiner Urkunde vom 24. Februar 1004 von Chut sagt, Чай es in 
provincia Scudici liege, so dürfte daraus hervorgehen, daß der Burgwartbezirk 
Chut (Gotha), dessen Burgstelle das östlich gelegene Groitsch a. d. Mulde gewesen 
sein wird, ursprünglich zum Gaue Skudici gehórt hat, aber vom Kaiser an 
Magdeburg überwiesen worden ist als Entschidigung für den bei der Wiederherstellung 
des Bistums Merseburg erlittenen Verlust (,ne per nos eadem sacri archiepiscopii 
sedes quasi imminuta damnum pati videretur^) und seitdem zum Gaue Quesizi 
bezw. Siusili gerechnet sein wird.  Jedesfalls gehórte seit 1004 die ganze Um- 
gebung von Gotha (Chut) zum Magdeburger Sprengel. Übrigens halte ich es für sehr 
wohl móglich, Чай der ganze pagus Chutici von diesem seit 1004 abgetrennten 
territorium Chut seinen Namen empfangen hat, daß aber nach der Abtrennung des 
Territoriums Chut, weil jetzt der Name Chutici seine Berechtigung verloren hatte, 
die Benennung nach der Burg Skudizi üblich geworden ist, 


44 T. JACOB! 


das linke oberhalb Püchau merseburgisch, unterhalb aber magdebur- 
gisch war. | 

Zum Schlusse bleibt noeh eins klarzustellen. Da im Jahre 1163 
der Erzbischof Wichmann das Zehntrecht, welches ihm in dem „pagus 
Lubaniz infra terminos Magdeburgenses*, also іп dem zwischen Bitter- 
feld und Eilenburg auf der linken Seite der Mulde gelegenen Lóbnitz- 
gaue zustand, an das Hochstift Meißen, welches im Lóbnitzgaue betrücht- 
lichen Giiterbesitz hatte, gegen Überlassung des Zehntens in Prettin 
abtrat, so kónnte es wegen des Ausdruckes infra terminos Magde- 
burgenses scheinen, als ober dieser Gau außerhalb des magdeburgischen 
Stiftsgebietes gelegen hätte; und so faßt in der Tat v. Mülverstedt 
die Stelle auf, da er infra durch außerhalb übersetzt. Jedoch daß diese 
Übersetzung, durch welehe er sich zu Winter in Widerspruch setzt, 
welcher infra mit „innerhalb“ übersetzt, nicht richtig ist, beweist schon 
der Umstand, daß Lubaniz einer der von dem Erzbischof Gero für 
Magdeburg zurückbehaltenen, ehemals merseburgischen Gaue war, von 
dessen spüterer Zurückgabe nicht das Geringste verlautet; ferner, daf) 
das Gebiet oberhalb des Lóbnitzgaues, also der Gau Quesizi, mit Eilen- 
burg später immer zum Erzstift Magdeburg gehört hat, und endlich, 
daB auch alles auf der rechten Seite der Mulde gegenüber liegende 
Land von Pouch und Düben bis nach Püchau hin magdeburgisches 
Stiftsland gewesen ізі, so daß also der Löbnitzgau von solchem rings 
umschlossen war. Doch schon die oben angezogene Stelle aus dem 
Kapitulare Karls des Großen vom Jahre 802 „infra suam parochiam: 
(= innerhalb seines Sprengels) beweist, daß „infra terminos Magde- 
burgenses^ nur übersetzt werden kann: ,innerhalb der Grenzen des 
Erzstifts Magdeburg“. 


Die geographisch bedingten wirtschaftlichen Grundlagen 
der Magdeburger Gegend. 


Von 
T. Jacob. 


Als die Grundfaktoren des wirtschaftlichen Lebens eines Volkes - 
dürfen der Grund und Boden, die wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen, 
sowie die staatlichen Gesetze und die öffentliche Verwaltung angesehen 
werden. Die letzteren Faktoren stehen außerhalb unserer Betrachtung; 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN USW. 45 


die beiden ersten werden, innerhalb der Grenzen des Themas, nach 
ihren gegenseitigen Beziehungen untersucht werden. 

Das wirtschaftliche Leben zeigt sich in erster Linie in dem Ver- 
halten des Menschen gegenüber dem von der Natur Dargebotenen. Aus 
ihrer Hand empfängt er Grund und Boden. Den großen gesetzlich 
wirkenden Naturkräften muß er sich beugen. Aber er ist befähigt und 
berufen, der Gesetzlichkeit nachzuspüren und ihren Wirkungen zu be- 
gegnen. Das Erdreich wird für ihn zum Lagerhaus, dessen Schätze zu 
heben er berufen ist. Die günstigen Eigenschaften von Grund und 
Boden kann er steigern, die ungünstigen mildern, die Vorteile der 
Lage und der Bewässerung ausnützen, den Nachteilen abhelfen. 

Durch die Niederlassung tritt der Mensch zu seiner Erdlokalität 
in ein besonders nahes Verhältnis. Im Bereich der Siedlungen muß 
man die Menschen aufsuchen, um zu erkennen, welche geographischen 
Verhältnisse für die Art ihres wirtschaftlichen Lebens bestimmend ge- 
wesen sind und die Intensität ihrer Betätigung begünstigt oder ge- 
hemmt haben. 

Die Betrachtung wird sich demnach in zwei Teile gliedern. 

Der erste soll eine Untersuchung der geographischen Verhält- 
nisse der Gegend von Magdeburg nach Entstehung, Orographie, Hydro- 
graphie und Klima, nach Bodenbeschaffenheit, Bebauung und Wegsam- 
keit umfassen und zeigen, wie sich das Territorium zur Besiedlung 
verhält, und welche Verhältnisse dem wirtschaftlichen Leben der Be- 
wohner als Grundlage dienen. 

Die Wirkung der geographischen Bedingungen aufs Wirtschafts- 
leben läßt sich durch eine Volksdichtekarte veranschaulichen. Eine 
solche wird den zweiten Teil der Arbeit bilden. Ihr sind Tabellen und 
ein erläuternder und zusammenfassender Text beigefügt. 

Mit dem Begriff „Gegend von Magdeburg“ verbinden sich ganz 
bestimmte Vorstellungen, nämlich 1. die der Elbniederung bei Magde- 
burg, 2. der Börde und 3. der Braunkohlen- und Salzindustriegebiete 
dieser Gegend. Es wird sich somit im wesentlichen um die Darstellung 
eines Gebietes westlich der Elbe handeln. 

Eine Gliederung des Gebiets ergibt sich ganz natürlich. Westlich 
und südlich von Magdeburg erstreckt sich die Börde, die im N. und 
NW. allmählich in eine waldreichere Region übergeht. Im 5. und SW. 
legt sich wie ein breites Band quer durch unser Gebiet die Region 
der Braunkohlen und des Salzes, ihrerseits im SW. begleitet von einem 
zweiten mit guten Bodenverhältnissen ausgestatteten Gelände. Die Elb- 
niederung kehrt dem Gebiete die konvexe Seite eines weiten Bogens 


46 T. JACOB: 


zu. Ап sie schlieBt sich nach О. zu ein im Gegensatz zur Bórde nur 
wenig fruchtbares Gebiet, das seinen geographischen Bedingungen nach 
nicht unter den Begriff ,Gegend von Magdeburg" gehórt. Es soll des- 
halb in der folgenden Betrachtung auch nur gestreift werden. 

In politischer Beziehung gehórt dem Gebiet der Kreis Wanzleben 
ganz und größere oder kleinere Teile der Kreise Wolmirstedt, Neu- 
haldensleben, Oschersleben, Aschersleben, Kalbe und Jerichow I an; 
außerdem liegt innerhalb der Grenzen des Kartenblattes eine Gemeinde 
des Kreises Jerichow und zwei Gemeinden des Kreises Gardelegen. 
Zwei kleine Gebietsteile braunschweigischen Landes finden sich am W.- 
Rande des Kartenblattes! und im S. ein Streifen Anhaltischen Gebiets.? 
Auch zwei westelbische und zwei ostelbische Enklaven von Anhalt 
liegen innerhalb der Grenzen. 


I. 


Die Gegend von Magdeburg ist ein Teil des Norddeutschen Flach- 
landes und teilt mit diesem die allgemeinen Züge der Entstehung und 
Oberflächengestaltung. 

Das Norddeutsche Tiefland umfaßt einen Teil des W. der großen 
europäischen Tieflandsregion. Unter seiner heutigen Oberfläche ruht 
diejenige, die in früheren geologischen Zeitaltern sein Antlitz bildete. 
Von dem ibm südlich vorgelagerten Horsten paläozoischer Auffaltung 
des sog. Variskischen Systems® trennte sich in der Tertiärzeit das nord- 
deutsche Gebiet durch mächtige Sprünge, die sich noch heute in der 
Oberflachengestalt andeuten. Die abgelöste Scholle nahm insofern noch 
weiter an der gewaltigen Störung teil, als sie besonders weitgehende 
Dislokationen durch Spaltenbildung erlitt. Zugleich erfolgten horizontale 
und vertikale Verschiebungen der einzelnen Schollenteile. Der Beweis für 
diese Annahme wird durch die Tatsache erbracht, daß, wo immer 
anstehendes Gestein im Flachlande hervortritt, sich eine große Ver- 
schiedenheit im Streichen und Einfallen der Schichten feststellen läßt. 
Erodierende und denudierende Kräfte haben das unruhige ehemalige 
Oberflüchenbild verschärft oder gemildert, weichere Schollenkanten ab- 
getragen und härtere schärfer hervortreten lassen. * 

! Nach Beitrüge zur Statistik des Herzogtums Braunschweig. Herausgegeben 
vom statistischen Bureau des herzoglichen Staatsministeriums 1895, Heft XII. 

2 Nach. Weyhe, Die Volksdichte im Herzogtum Anhalt, Mitteilungen des 
Vereins für Erdkunde. Halle 1889. 

* Brückner, Die feste Erdrinde und ihre Formen, S. 163. 


* Wahnschaffe, Die Ursachen der Oberflüchengestaltung des Norddeutschen 
Flachlandes, S. 15. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN GRUNDLAGEN USW. 


In der Oberfläche der Gegend 
von Magdeburg sind Spuren dieser 
Vorgänge bemerkbar. 

In gleicher Ausdehnungsrichtung 
mit dem Nordrande des Harzes zieht 
sich von Gommern (südöstlich von 
Magdeburg) über Magdeburg und wei- 
ter in nordwestlicher Richtung ein Zug 
paläozoischen Gesteins hin. Er ist zu 
betrachten als die schwache Aufbie- 
gung des Randes einer Scholle, deren 
fast parallel laufender Südrand den 
Abfall des Harzes begleitet. Im west- 
lichen Teile des nördlichen Bruchran- 
des, westlich und südwestlich von 
Neuhaldensleben, fehlen vulkanische 
Gesteine, Porphyre, nicht. Das flache 
Schollenbecken ist erfüllt von Sedi- 
menten der Zechstein-, der Trias-, 
Jura- und Kreidezeit, an die sich das 
Tertiär anschließt. 

Wie das Profil (Fig. 1) zeigt, er- 
fährt die Mulde eine Teilung durch 
mehrere Faltensüttel, zwischen denen 
die Sedimente vor Abrasion geschützt 
waren. Der bedeutsamste ist für uns 
der Staßfurter Rogensteinsattel. 

Orographisch treten die Sättel 
sehr wenig hervor. Aber man kann 
ihren Verlauf doch verfolgen. Außer- 
dem weist die linienhafte Anordnung 
einiger Steinbrüche auf sie als die- 


ам. Regen stets 


jenigen Stellen hin, an denen älteres 3 


Gestein zutage tritt.! Als Liegendes 


des Diluviums machen sich die unter 5--- 


einer dünneren Deckschicht ruhenden 
Gesteinsarten dadurch kenntlich, daf) 
sie einen verschieden guten Unter- 
grund für das Ackerland abgeben. 


! Vergl. Karte 1. 


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Querprofil durch das subhercynische Becken. 


(Nach Der Elbstrom, Kartenbeilagen.) 


Fig. 1. 


1 : 300000. 


48 i T. JACOB: 


Von der größten Wichtigkeit sind für unser Gebiet die Forma- 
tionen, welche die Bodenschätze des Salzes und der Kohle einschließen. 

Das Salz ist an kein bestimmtes geologisches Zeitalter gebunden 
und kann von den ältesten Formationen an auftreten, wenn die Be- 
dingungen zur Ablagerung vorhanden waren. In unserm Gebiet ruht es 
in der Zechsteinformation, die konkordant vom Buntsandstein über- 
lagert ist. Ез ist das Ergebnis einer nach Tausenden von Jahren 
zählenden Tätigkeit im Haushalt der Natur. Die von ihm bedeckte 
Mulde, deren Grenzen über unser Gebiet hinausreichen, bildete ehe- 
mals ein fast stindig durch eine Barre vom Hauptmeer abgeschlossenes 
Becken. Die schichtenweise Ablagerung des Salzes und der in seiner 
Begleitung auftretenden Stoffe erlaubt uns, den Bildungsvorgang denkend 
zu verfolgen und auf lange Perioden der ungestórten Verdunstung und 
darauf folgende Neuüberflutungen zu schließen. 

Im einzelnen weisen die Salzbergwerke in ihrem Aufbau große 
Verschiedenheiten, im allgemeinen aber Übereinstimmung auf. Ge- 
wöhnlich wird die unterste Lage von dem mehrere hundert Meter mäch- 
tigen „älteren“ Steinsalz mit Anhydrit- „Jahresringen“ gebildet und 
daher schlechthin als Anhydritregion bezeichnet. An die Stelle dieses 
wasserfreien Calciumsulfats tritt in den oberen Regionen eine Folge 
andrer Sulfate, die teils ursprüngliche Ablagerungen, teils wahrschein- 
lich Zersetzungen und Umbildungen älterer Salze sind. Im Laufe der 
Zeit ist der hohe Wert dieser zuerst als unrein entfernten „Abraum*- 
oder Kalisalze für Landwirtschaft und technische Verwertung erkannt 
worden. Über dem Salz hat sich eine durch die damaligen klimatischen 
Verhältnisse zu erklärende Staubschicht abgelagert, die als Salzton oder 
Salzmergel vorhanden ist, wo sie nicht durch tektonische Vorgänge 
zerrissen worden ist.! Darüber hat sich unter mannigfach verschiedenen 
Bedingungen ein sekundüres „jüngeres“ Steinsalz niedergeschlagen. 

Nach dem heutigen Stande der Bohrungen in unserm Gebiet er- 
reicht die horizontale Erstreckung der Salzlager fast 100 qkm.? 

Die Braunkohlen liegen im Tertiär und zwar im Unteroligocän 
eingebettet. Da die eocänen Ablagerungen in der Gegend von Magde- 
burg fehlen, so darf man für diese Zeit eine terrestre Epoche an- 
nehmen, während welcher die Braunkohlenflora sich entwickeln konnte. 
Sie wurde unter den Fluten der Oligocänzeit begraben. Bezeichnend 


! Lang, Kalisalzlager, S. 38. | 
2 Vergl. Karte 1 und Westphal, Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und 
Salinenwesen 1902. Bd. 50, S. 25. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 49 


ist für unser Braunkohlengebiet, im Gegensatz zu denjenigen der Lausitz 
und Bóhmens, das Fehlen des vulkanischen Gesteins. 

Ein Zusammenhang der bisher abgebauten Reviere wird für große 
Strecken angenommen, wenn er auch im einzelnen noch zu beweisen 
ist Neben einem Hauptzuge finden sich Mulden von geringer Aus- 
dehnung.! 

Die miocäne Flut berührte vielleicht eben den Saum unsers Ge- 
biets; Tiefbohrungen haben miocüne Ablagerungen in einigen unserm Ge- 
biet benachbarten Regionen getroffen. Die Bohrungen? haben außerdem 
einen Beweis dafür erbracht, daß die Oberkante des alten Gesteins in 
ihren Niveauverhültnissen im Antlitz des Flachlandes nur in den all- 
gemeinsten Zügen angedeutet wird, wie in den erwähnten großzügigen 
von SO. nach NW. streichenden Linien und einigen Rinnen, z. B. im 
Elblauf, daß aber im speziellen die Oberfläche in tertiärer und nach- 
tertiärer Zeit sich neu und eigenartig gestaltet hat. 

Dazu trugen besonders in diluvialer Zeit das Inlandeis und seine 
Wirkungen bei. 

Der Hauptstrom des Eises ging von Norwegen aus, schob sich im 
Gebiet des Ostseebeckens vor, nahm seitliche Zuflüsse von Eisströmen 
auf, teilte sich südlich der heutigen Insel Bornholm und strómte in das 
Norddeutsche Flachland.? Wenn an der Dreiteilung der Eisbedeckung 
festgehalten und dem ersten Vorstoß eine geringere Ausdehnung bei- 
gemessen wird als dem nach einer Periode des Eisrückgangs statt- 
findenden erneuten und mächtigeren zweiten Vordringen, so darf unser 
Gebiet im W. der Elbe nach seiner Oberfliche in weitgehender Be- 
deutung als Schópfung dieser zweiten Periode, der Periode des Unter- 
diluviums und der darauffolgenden Interglazial- und Abschmelzperiode, 
betrachtet werden.* Im O. der Elbe, námlich an der westlichsten Ab- 
dachung des Flämings, lassen sich dagegen Ablagerungen einer dritten 
Eisbedeckung annehmen. 

Über die Richtung der Eisbewegung sind Zeugen vorhanden in 
Schrammen auf anstehendem Gestein bei Magdeburg, Gommern, Hundis- 
burg (nordwestlich von Magdeburg) und (Grofi-)Wanzleben auf der 
Börde. Die Richtung darf als nordöstlich — südwestlich, und sehr 


! Vollert, Der Braunkohlenbergbau im Oberbergamtsbezirk Halle, 8. 48. 
? Wahnschaffe, Ursachen usw., S. 34 u. f. 
3 Desgl. Jahrbuch der Königl. Preuß. geologischen Landesanstalt 1598, S. 62. 
Desgl. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1883, S. 831. 
* Klockmann, Jahrbuch d. Königl. Preuß. geologischen Landesanstalt 1883, 
S. 238. 
Archiv f. Landes- а. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1905. 4 


50 T. JACOR: 


abweichende Schrammen dürfen als lokale Ablenkung bezeichnet 
werden. ! 

Hat innerhalb unserer Grenzen das Inlandeis auch seine orogra- 
phisch bedeutsamsten Formen, die Endmoränen, nicht hinterlassen, so 
sind doch die Wirkungen der akkumulierenden Tätigkeit des Eises 
selbst, desgleichen die Folgen der erosiven Tätigkeit der Schmelzwasser 
deutlich erkennbar. 

Die zunächst auf dem festen Gestein ruhende diluviale Schicht 
besteht aus (unteren) Geschiebemergel, dem als Grundmoräne trans- 
portierten Material. Wo immer das überschrittene Gestein zertriimmerbar 
war, ist die Moräne mit örtlichem Gestein gemischt und kann als Lokal- 
moräne bezeichnet werden. Die nordischen und lokalen Gesteine sind 
durch Geschiebelehm zu festen Konglomeraten verkittet oder in Granden 
eingebettet. Das herbeigeschaffte große Material ist für steinarme 
Gegenden wertvoll, muß aber aus dem Bett des Elbstroms als lästig 
entfernt werden. 

Die Zeit der Ablagerung erschließt sich aus der Fauna oder dem 
Vorhandensein des Elbsandes.? Nach seiner Beschaffenheit und dem 
Grade seiner Durchlässigkeit wirkt der Geschiebemergel auf die ihn 
überlagernde, durch die Schmelzwasser zu Löß umgebildete Schicht. 
Der Bördelöß dürfte somit nicht als äolische, sondern wie der Missisippi- 
168 als fluviatile Bildung anzusehen sein.’ 

Dem Löß verdankt die Börde ihre außerordentliche Fruchtbarkeit 
und damit die Grundlage ihres wirtschaftlichen Wohlstandes. Es lassen 
sich bei ihm zwei Hauptschichten unterscheiden, der untere „gelbe“ 
Löß und der obere „dunkle humóse*, der durchschnittlich 0,5 m mächtig 
ist. Die Humusanhäufung scheint auf die Umbildung einer Steppenflora 
zurückzuführen zu sein, die vielleicht während des langen Zeitraums 
der Interglazialzeit oder doch aber einer jungdiluvialen Periode sich 
hier ausbreitete.* Die Zusammensetzung des Löß bedingt lokal die 
Fruchtbarkeit des Ackers. 

In die Terraingestaltung bringen die Ablagerungen der Diluvial- 
zeit eine zweite charakteristische Linie, die nord-südliche, bezw. süd- 


! Wahnschaffe, Ursachen usw., 5. 92 u. f. 

? Desgl. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1883, S. 834. 

? Salisbury, Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1888, S. 272. 

* Ob das Urstromtal oberhalb Magdeburg eine nordwestliche Fortsetzung (Saale, 
Bode, Ocker, Weser) besessen, oder seine Wasser unterhalb Magdeburg durch das 
Ohretal der Weser zugeführt hat, ist noch immer eine umstrittene Frage. — Der Elb- 
strom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Nebenfliisse. Herausgegeben von der 
Königl. Elbstrombauverwaltung zu Magdeburg, П, S. 185. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICLEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 51 


west-nordóstliche. Orographisch treten die jüngeren Formen deutlicher 
hervor als die älteren. 

Mit dem Beginn des Eisrückzuges bildeten sich südlich des Eis- 
randes große Staubecken und im weiteren Verlauf breite Abflußrinnen 
des Schmelzwassers. Die südlichste und mächtigste, das Breslau- 
Magdeburger Haupttal, durchzieht mit ihrem westlichen Teile unser Ge- 
biet;! sie wird durch die breite Elbniederung bezeichnet. Пав Tal ist 
eine der obenerwühnten, alten tektonischen Rinnen. Nach Griinsand- 
ablagerungen bei Magdeburg zu schließen, hat der Elbstrom hier einen 
mitteloligocänen Vorgänger gehabt.? 

Die Schmelzwasser erodierten endlich östlich des Schollenrandes 
ein mehrere Kilometer breites Bett, trugen hier das lose Material weiter 
fort oder lagerten es um, bildeten tiefere Rinnen und füllten sie wieder 
aus, um abermals neue zu schaffen. Zwischen den verschiedenen FluB- 
wegen blieben alt- und jungdiluviale Inseln stehen. Diese Inseln und 
niedrige Dünenzüge aus Elbsand bilden die geringen Erhebungen der 
Elbniederung. Im wirtschaftlichen Leben heben sich die Gebiete der 
fruchtbaren Inseln und sandigen Landstriche scharf voneinander ab 
durch ihre sehr verschiedene Ertragsfähigkeit. Die Elbniederung liegt 
im Mittel 50 m über Meer, während die seitlichen Randlinien des 
diluvialen Tales, seine „Hochufer“, eine Höhe von 55—65 m erreichen. 

Der heutige Strom bezeichnet keineswegs die Mittellinie des alten 
Strombettes, sondern er nähert sich, sehr zum Vorteil der Siedlungen, 
streckenweise dem Hochufer, 2. B. zwischen Schönebeck und Magdeburg 
dem westlichen Hochufer. Nördlich von Magdeburg berührt er bei 
Hohenwarthe das östliche Hochufer. 

So lange der Strom sich selbst überlassen blieb, war sein Lauf 
ein häufig gespaltener und viel gewundener. Seit Jahrhunderten hat 
der Mensch an seiner Verbesserung gearbeitet, aber erst seit 1866 ver- 
schafft die planvoll durchgeführte Regulierungstätigkeit der Elbe als 
Verkehrsstraße Sicherheit und Zuverlässigkeit und schützt die anliegen- 
den Ländereien vor Verheerung. Der Stromlauf ist der Luftlinie durch 
Abschneidung großer Flußschlingen mehr und mehr angenähert worden. 

So ist 7. В. die Entfernung zwischen Magdeburg und Hohenwarthe 
seit 1740 von 23,7 km auf 12,4 km verkürzt worden. Die angestrebte 
Geradelegung des Laufes bedingt eine Vergrößerung des Gefälles, wo- 
durch wiederum für eine beschleunigte Wasserabführung gesorgt wird. 
Die schärfsten erhaltenen Krümmungen haben auf unserer Strecke einen 


! Der Elbstrom, I, S. 196. 


? Schreiber, Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 1889, 8. 604. 
4* 


52 T. JACOB: 


Krümmungsradius von 500—600 m.! Sie sind für die Schiffahrt kein 
Hindernis mehr. Die ehemaligen Flußläufe werden häufig noch be- 
zeichnet durch Schlenken, Kolke oder große Teiche, die gewöhnlich 
„Seen“ genannt werden. — Eine immer wasserführende Spaltung er- 
leidet die Elbe nur zweimal, bei Magdeburg selbst und oberhalb dieser 
Stadt zwischen Dornburg (Anhalt) und Salbke. 

Von schützenden Deichen werden die Uferlündereien fast auf der 
ganzen Strecke begleitet. Nur selten tritt das hochwasserfreie Hochufer 
nahe genug an den Strom heran, um den künstlichen Schutz entbehr- 
lich zu machen. Durch die Deiche ist das natürliche Uberschwem- 
mungsgebiet außerordentlich eingeschränkt worden. Es hat z. B. für 
die Strecke Saale- Ehlemündung eine mittlere Breite von 7,4 km, wührend 
die in die Deiche gefaßte Hochwasserbreite im Mittel nur 2 km be- 
trigt,? so daß der dauernden Ausnutzung hier eine bedeutende Fläche 
Landes gewonnen ist. 

Um für das Hochwasser größere Abflußmöglichkeit zu schaffen, 
ist der etwa 30 km lange Umflutkanal angelegt worden. Er stellt 
zwischen der Elbe oberhalb Magdeburg und der Elbe unterhalb dieser 
Stadt zur Hochwasserzeit eine Verbindung her, durch die der Strom 
auf der entsprechenden 36 km langen Strecke entlastet wird. In dem 
nórdlichen Teile umfassen die Deiche der Umflut den Unterlauf der von 
SO. dem Abhang des Flämings herkommenden Ehle, die unterhalb 
Biederitz ihren Lauf nach NNO. fortsetzt, während zur Hochwasserzeit 
die Fluten sich frei über die Elbniederung dem Strome zu ergießen. 

Die Ufer des Stromes selbst sind durch Bauten befestigt, um der 
ununterbrochenen Geschiebezufuhr durch Absturz Einhalt zu tun. 
Einer stórenden Verflachung wird durch Baggerung entgegen gearbeitet, 
Geröll und zahlreiche am Grunde eingebettete Baumstämme werden 
durch Hebung entfernt. In dem von festen Felsriffen durchquerten 
Flußbett in Magdeburg ist der feste Stein z. T. weggebrochen worden. — 
So sind die Anwohner des Flusses unermüdlich tätig, den Strom zu 
bändigen, die benachbarten Ländereien zu schützen und ihn selbst zu 
einer immer besseren Verkehrsstraße zu machen. 

Sein ehemaliges Überschwemmungsgebiet hat der Strom im Laufe 
der Zeit mit einer 1—2 m mächtigen Schlickdecke versehen. 

Der Elbschlick besitzt durch seinen Tongehalt und das Fehlen 
von Kalkbestandteilen große Vorzüge für die Verwendung in der Ziegel- 
fabrikation. 


! Der Elbstrom, Statistik, S. 40. 
? Der Elbstrom, I, 8. 251. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. ЭЗ 


Grand Sand Tonhaltige Teile 

Fundort über Staub | Feinsto 

Danm s he 122. Teilo 

2—1 | 1-0,5 Шеш Paua unter 

mm mm mm mm mm 0,01 mm 
isc i i 10,58 % 

Mie e| — жі. 16207, 929%, | Aus fam 
liner Chaussee 0,14%, | 1,20%, | 3,749, | 5,50%, ce 

7,149 


4,24%, |88,62%, | Aus Im 
Tiefe 


0,08*, | 0,36% |2,46% | 4,249, 


Zum Vergleich: 
Wechselschlick _ 
Kónigsdorf, Kl.- 
Werder 


92,989: 
23,96% |51,889, | — ! 


13,06", 9,84%, 


Die mit dem guten Elbschick ausgestatteten Distrikte sind regellos, 
oder scheinbar regellos in der Elbniederung verstreut. Auch an den 
Talrändern fehlen sie nicht. 

Westlich vom Elbtal erhebt sich die Bórde, die, ihre Randgebiete 
eingerechnet, sich zwischen der Elbe und Bode, dem Quellgebiet der 
Aller und der Ohre erstreckt. Feste Grenzen lassen sich für die Börde 
nicht aufstellen; allmählich geht sie in ihre Saumgebiete und nach S. 
in die Industrieregion der Bodesenke über. 

Es lassen sich in der Bórde, von der Elbe ausgehend, drei nach 
W. hin ansteigende Regionen unterscheiden, die durch die diluvialen 
Höhenränder getrennt sind.? Deutlich ausgeprägt ist besonders der öst- 
liche Rand. Die Ortschaften seines östlichen Vorlandes erreichen die 
Höhenlinie von 100 m nicht, westlich von ihm liegen sie ausnahmslos 
hóher. Auf der dritten Stufe wird namentlich nach SW. zu die Hóhe 
von 150 m überschritten. Die verstreut liegenden Einzelhóhen erreichen 
auf der ersten und zweiten Stufe nirgends eine Hóhe von 150 m; nur 
auf den die Aller rechts und links begleitenden Hóhenzügen wird die 
160 m- und 200 m-Isohypse erreicht und überschritten. Nach S. neigen 
sich die Allerhóhen zur Bodesenke. Jenseits derselben finden sich im 
Huy- und Hackelwald die grófiten Hóhen. 

Eine Höhenschichtenkarte mit 50 m Abständen würde sich in unserm 
Gebiet verhältnismäßig einfach gestalten. Die 50 m-Isohypse begleitet 
die Flüsse in flachen Kurven und buchtet, besonders nach den Zuflüssen 


! Wahnschaffe, Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen 1885, 
S. 93 und 96. 
* Vergl. Karte 1. 


54 T. JACOB: | 


hin, ins Land hinein aus. Während sie im Ohretal den Fluß fast die 
Mittellinie bezeichnen läßt, läuft sie im Gegensatz dazu am Elbstrom 
in ungleichmäßigen Abständen entlang. Oberhalb Wolmirstedt, das 
durch seine Lage die ehemalige Ohremündung bezeichnet, wendet sie 
sich in fast nord-südlicher Richtung auf Magdeburg zu und bildet da- 
durch eine natürliche Fortsetzung des nördlich von Wolmirstedt liegenden 
Talrandes. Von Magdeburg an bewahrt sie im großen und ganzen 
südöstliche Richtung und läuft z. T. so nahe am Stromufer entlang, daß 
sie die Buhnen berührt. Oberhalb Schönebeck gibt sie einem breiteren 
Tale Raum, das auch den vielgewundenen Saaleunterlauf einbegreift. 

Die 100 m-Isohypse folgt im S. der Ohre, wenn von der Aus- 
buchtung an der Bever abgesehen wird, der 50 m-Isohypse fast parallel 
und wendet sich in einem stumpfen Winkel nach S., indem sie zur 50 m- 
Isohypse etwa die Breite der Elbtalniederung als Entfernung innehält. 
Sie überschreitet den 52.9 nicht, sondern verläuft nach NW., ebenso 
wie eine sich südlich der Bode hinziehende Linie gleicher Höhe. Auf 
diese Weise wird die Bodesenke als unter 100 m liegend gekennzeichnet. 
Von der Umrandung aus greift die 100 m-Linie verschiedentlich an 
den in der diluvialen Decke erodierten Flußtälern aufwärts in das Innere 
der Börde ein und macht das Bild zu einem reicher gegliederten. 

Die 150 m-Isohypse wird in den Allerhöhen und im Huy- und 
Hackelwald überschritten. 

Die diluviale Hochfläche im Osten des Elbtales liegt unter 100 m 
und senkt sich allmählich zur 50 m-Isohypse, die den Ostrand des Elb- 
tales bezeichnet. 

Im Hinblick auf die für die Bodenform als charakteristisch be- 
zeichneten Linien, ordnet sich das Flußnetz westlich der Elbe zu einem 
ziemlich regelmäßigen Bilde. 

Auf der Börde deutet der Oberlauf der Flüsse, ebenso wie der 
nördliche Randfluß, die Ohre, und der Unterlauf des südlichen, der 
Bode, durch die nordwestlich -südöstliche Richtung auf die älteren 
geologischen Verhältnisse. Eine mittlere Linie bildet die Aller. Sie 
entspringt etwa 30 km westlich von Magdeburg in einer Höhe von 
rund 150 m und verfolgt fast geradlinig die angegebene Richtung bis 
zur preußischen Grenze Auch die ihr zufließenden „Gräben“ und die 
jenseits einer niedrigen Wasserscheide zur Оһге abfließenden Gewässer, 
Bever und Olve, weisen diese Richtung auf, ehe sie mit jäher Wendung 
eine fast entgegengesetzte einschlagen. Nach der Elbe zu wird die 
Allerlinie fortgeführt durch einen „Graben“ und nördlich von diesem 
durch die Sarre, deren Quelle von dem östlicheren Allergraben nur 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. DD 


durch eine geringe Wasserscheide getrennt ist. Weiterhin erscheint die 
Südostlinie im Oberlauf der Sülze, die bei der Südvorstadt von Magdeburg 
in die Elbe mündet, und durch die Quellbäche der nördlich von ihr 
der Elbe zugehenden Schrote und Gr. Sülze bezeichnet. Wo immer 
die Nebenflüsse dem Elblauf gegenüber die mehr senkrechte Richtung 
aufgeben und sich seiner Laufrichtung angleichen, fließen sie innerhalb 
der Stromniederung, z. B. die Gr. Sülze im Unterlauf, der „Graben“ 
nördlich der Saale, sowie die Taube oder der Landgraben südlich der 
Saale, ebenso der Unterlauf der ostelbischen Nebenflüsse Nuthe und Ehle. 
Der oberhalb Schönebeck mündende Graben ist gerade gelegt worden. 

Mit Ausnahme der Elbniederungsflüsse zeichnen sich alle durch 
ein gutes und regelmäßiges Gefälle aus. Daher sind sie von den An- 
wohnern reichlich in den Dienst des Mühlenbetriebes gestellt worden. 
Die Verwendung der Gewässer zum Transport von Abwässern aus 
Salinen, Schächten und Fabriken beeinträchtigt oder verbietet ihre weitere 
Ausnützung. Diese Nebenflüsse beeinflussen den Wasserstand der Elbe 
nicht. Die Ohre, die zeitweise größere Wassermengen abführt, erreicht 
den Strom erst an der Grenze. 

In hydrographischer Beziehung ist nur die Saale von Bedeutung 
für den Strom. Wenige Kilometer unterhalb des Eintritts in unser 
Gebiet nimmt sie die Bode auf. Die Bode wendet sich in der Oschers- 
lebener Senke (Bodesenke) in einem fast rechten Winkel nach SO., nach- 
dem sie die ihr in gleicher Richtung zufließenden Gräben, „Fauler Graben “ 
und „Schiffer-Graben“, aufgenommen hät. Ihr bisher gutes Gefälle ver- 
mindert sich innerhalb der Senke, ihr Lauf ist vielfach gespalten, und 
das die Gräben begleitende Bruchland setzt sich auch an ihren Ufern 
fort.! Nur kurz vor ihrer Mündung in die Saale gewinnt sie noch 
einmal ein festes Flußbett. Auf eine Strecke folgt sie der Saale ins 
Muschelkalkgebiet, dann überwindet der vereinigte Fluf links das Tertiür, 
das in Felsbarren den Fluß durchsetzt und gehört hierauf der Elb- 
niederung an, so daf), was von der Elbe als Tieflandsstrom gesagt worden 
ist, in kleinere Verhältnisse übertragen, auch auf die Saale Anwendung 
finden darf. 

An größeren stehenden Gewässern ist die Börde arm. Der gut 
durchlässige Boden bot keine sehr günstigen Bedingungen für ihre 
Bildung. Nur auf dem sich zur Bode senkenden Gelände befanden sich 
Seen, die aus wirtschaftlichen Gründen entwiissert worden sind, so der 


1 Der 1883 aufgestellte Regulierungsplan scheint jetzt seiner Verwirklichung 
entgegen gehen zu sollen. 


56 T. JACOB: 


See, der Seehausen den Namen gegeben hat, der ,Faule See“ östlich 
.von Wanzleben, und der Domerslebener und Remkerslebener See. Auch 
die Wiesen der Marbe sind entwüssert worden. 


Die kleinen Teiche nehmen an Zahl nach NW. zu; dort finden 
sich auch, von der Bever durchflossen, zwei größere Teiche. Im übrigen 
finden sich stehende Gewässer nur in den mit Tage- oder auch mit Grund- 
wasser gefüllten verlassenen Steinbrüchen und den Elbkolken. 


Wie in Beziehung auf die Bodengestaltung teilt unser Gebiet in 
klimatischer Hinsicht im allgemeinen die Eigenschaften des Norddeutschen 
Flachlandes. Innerhalb desselben steht es auf der Schwelle zwischen 
Ost- und Westdeutschland; auch als Teil des Elbgebiets nimmt es eine 
Mittelstellung ein. Nicht unmittelbar am Meere und somit nicht im 
Bezirk der größten Ausgeglichenheit der Temperaturverhültnisse, auch 
nicht in der Gebirgsregion und somit im Gebiet der größeren klimatischen 
Kontraste, ist das Klima ein günstiges, und die Gegensätze sind als sehr 
mäßige zu bezeichnen. Die nordsüdliche Ausdehnung ist zu gering 
und das Bodenrelief zu ruhig, um scharfe Kontraste hervorzurufen. Die 
Januar-Isotherme von 0? C. läuft in fast nordsüdlicher Richtung durch 
den W. unsers Gebiets, die Juli-Isotherme von 209 läßt es nördlich, 
die Jahresisotherme von 10? óstlich liegen. Die Monatsmittel stellen 
sich für Magdeburg wie folgt:! 


Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jahr Ampl. 
0,09 0,9" 82% 8,69 13,1? 17,59 18,8% 18? 14,8? 94° 3,09 0,7% 91° 18,8? 


Auch die Niederschlagsmengen zeigen mehr graduelle Abstufung 
als kontrastierende Verhältnisse. Da die Niederschläge von der Ab- 
kühlungsmóglichkeit der mit Wasserdampf gesättigten Luft abhängen und 
diese Bedingung auf dem Festlande meist an Gebirgen erfüllt wird, wenn 
die Luft zum Aufsteigen in kültere Regionen veranlaßt wird, so müßte 
eine Höhenschichtenkarte die Grundlage für eine Niederschlagskarte ab- 
geben können. Selbst in unserm nur mit sehr mäßigen Höhen aus- 
gestatteten Gebiet beweist sich das. 


Das Ohre-, Elb- und Bodetal haben den geringsten Niederschlag und 
liegen unterhalb der 500 mm-Isohyéte. Die regenbringenden West- 
winde, die ebenso häufig auftreten als alle andern Winde zusammen, 
beginnen damit, ihre Feuchtigkeit an den vorhandenen Höhen abzusetzen 
und bringen den an der Leeseite liegenden Gegenden nur geringere 
Regenmengen. 


! Der Elbstrom, Tabellenband, S. 43. 


DIE GEOGRAPIIISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 57 


Den wirtschaftlichen Verhältnissen kommt diese günstige Verteilung 
sehr zustatten. Die Niederschlagsmengen stehen fast in einem umge- 
kehrten Verhältnis zu dem Reichtum an Bewässerung durch Flüsse. 

Regen, Schnee und Frost sind von großem Einfluß auf den Stand 
der Schiffahrt auf Saale und Elbe und somit auf Wohl und Wehe der 
anliegenden Ländereien. Es darf als besonders günstig bezeichnet werden, 
daß weder die Hauptgewitterzeiten noch die Schneeschmelze für die ver- 
schiedenen Teile des Elbgebiets zu gleicher Zeit eintreten, und daß auch 
die Befreiung des Stromes vom Eise von S. nach N. streckenweise fort- 
schreitet.! 

Der gleichmäßigen und doch abwechselungsreichen Bodengestaltung 
und -Beschaffenheit und den günstigen hydrographischen und klimatischen 
Verhältnissen entspricht die bevorzugte Ausgestaltung unsers Gebiets in 
Beziehung auf die Pflanzendecke und Verteilung von Ackerland, Wiese 
und Wald im W. der Elbe. 

Der Ackerboden nimmt geradezu eine herrschende Stellung ein. 
Fast 5/, des gesamten Areals gehört ibm an, nirgends fehlt er auf weiteren 
Flächen ganz und erreicht in größerer Ausdehnung so hervorragende 
Güte, daß er die Grundlage des wirtschaftlichen Wohlstandes bildet. 

Für den ganzen Regierungsbezirk stellt sich der Anbau wie folgt; 
für unser Gebiet dürften sich die Zahlen zugunsten der Hackfrüchte 
verschieben.? 


Hauptnutzungsarten des Acker- u. Gartenlandes in Prozenten 
der Fläche von Acker- und Gartenland. 


Landesteil 


Brache u. 
Acker- 
weide 


Hack- 
früchte u. 
Gemüse 


Andre 
Getroide 
u. Hülsen- 
früchte 


Reg.-Bez. Magdeburg || 54,70 | 6,68 | 26,80 | 1,80 4,54 | 4,38 1,10 
Zum Vergleich: 
Reg.-Bez. Merseburg | 59,29 6,13 23,11 0,74 7,13 2,37 1,23 
Reg.-Bez. Liegnitz 60,47 4,82 18,98 0,87 10,50 2,80 1,56 
Verglichen mit dem Ackerlande sind die Anteile des Waldes (8 %) 
und der Wiesen (fast 8 °/,) geringe. Der Wald fehlt auf der Börde 
günzlich; er findet sich in zusammenhüngenden Forsten nur in der 
sandigeren NW.-Region. Hier zeugen einzelne Linden, Buchen und 
Eichen, die auf ein Alter von 6 —800 Jahr geschützt werden, von dem 
Heimatsrecht des Waldes.? 


! Der Elbstrom, I, Б. 43. 

? Ebenda S. 219. 

* Mertens, Bemerkenswerte Bäume im Holzkreise des Herzogtums Magde- 
burg. Mitt. d. V. f. Erdkunde. Halle 1904. 


Haus- п, 
Obstgärten 


Futter- 
pflanzen 


Handels- 
gewächse 


Hauptge- 
treidearten 


58 T. JACOB: 


Außerdem sind die Holzungen auf die Höhen des Huy- und Hackel- 
Waldes und des Hohen Holzes (im SW. der Allerquelle), sowie auf 
einzelne Distrikte der Elbniederung beschränkt. 

Ostlich der Elbe finden sich Waldbestünde in unserm Gebiet nur 
vereinzelt in der Elbniederung und weiterhin am Ostrande um Grabow. 

Wührend der Wald in der Elbniederung im Laufe der Jahre 
streckenweise den Bemühungen der Hochwasserregulierung zum Opfer 
gefallen ist, bahnt sich im allgemeinen seit etwa 20 Jahren eine Wald- 
zunahme an.! Die Verwendung der Braunkohle und ihrer Umformungen 
als Brennmaterial in Industrie und Haushalt zieht eine Verminderung 
des Holzverbrauchs nach sich, und die Anderungen in den Fütterungs- 
verhältnissen des Nutzviehs, sowie der Rückgang der Schafzucht erlauben, 
größere Weideflichen aufzuforsten. — Nur da, wo das Weideland nach 
Lage und Bodenbeschaffenheit sein absolutes Recht behauptet, bedingt 
es den größeren Betrieb der Schafzucht. 

Über das spezifische Odland fehlen die statistischen Nachrichten, 
doch kann es nach Abzug der von den Ortschaften bedeckten Flüchen 
nur in sehr geringer Ausdehnung vorhanden sein. | 

Das Fehlen bedeutender Kontraste in Bodengestalt und - Beschaffen- 
heit spiegelt sich fernerhin wieder in der im allgemeinen gleichmäßigen 
Verteilung der Siedlungen. Па es іп der Natur der Entwicklung des 
wirtschaftlichen Lebens liegt, daß sich die Menschen als Ackerbauer an 
feste Wohnsitze binden, so werden die Siedlungen in erster Linie nach 
Zahl und Ort auf die Güte des Ackers deuten. Selbst da, wo im 
weiteren Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung, Siedlungen aus rein 
industriellen Absichten angelegt werden, wird die Nähe fruchtbarer 
Gegenden und ihre leichte Erreichbarkeit auf Ortswahl und weitere 
Entwicklung von bedeutendem Einfluß sein. — Kein Teil unsers Ge- 
biets ist der Ansiedlung auf weitere Strecken feindlich. In der Elb- 
niederung sind siedlungsfeindliche Flächen andern von geschützter Lage, 
fruchtbaren Bóden und guten Tonlagern benachbart. In der Oschers- 
lebener Senke wird die Ungunst der Bodenverhältnisse 2. T. aufgewogen 
durch den Reichtum an Bodenschützen; auferdem trügt die Nahe der 
fruchtbaren Gegenden, die verhältnismäßige Schmalheit des Bruchlandes 
und seine gute Überbrückung am Halbierungspunkt der Lüngserstreckung 
vie] zum Ausgleich der ungünstigen Verhältnisse bei. 

Entfernen wir aus unserm Gebiet alle Linien und Zeichen mit 
Ausnahme der Signaturen für Dörfer, so erhalten wir ein Bild, das in 


! Der Elbstrom, I, 8. 122. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 59 


einen ziemlich gleichmäßig, wenn auch nicht sehr dicht besiedelten N. 
und einen dünner und ungleichmäßiger besiedelten S. durch den 52. Breiten- 
parallel zerlegt wird. Die dünner besiedelte Zone schiebt sich am Mittel- 
meridian nach N. vor. Liegen für die schwüchere Besiedlung an allen 
Stellen gleiche Gründe vor? — Wir wissen nach der bisherigen Unter- 
suchung, daß das nicht der Fall ist. Für die Gegend der Salz- und 
Braunkohlenindustrie würde sich das Bild durch Eintragung der Klein- 
siedlungen bedeutend veründern und dichter mit Zeichen bedecken. 
Diese Siedlungen würden die größere Unabhängigkeit von Grund und 
Boden beweisen. Nördlich und südlich der Salz- und Kohlenindustrie- 
gegend würden die Kleinsiedlungen die Zahl kaum merklich veründern. 
` Für die Börde erscheint die geringe Zahl der Ortschaften befremdlich. 
Die Gründe liegen in historischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. 
Zwischen den heutigen Ortschaften finden sich eine bedeutende Anzahl 
,Wüster^ Flecken, deren Bewohner im Laufe der Zeit veranlaßt wurden 
in die Städte und größeren Dorfschaften überzusiedeln. Für den Anteil 
unsers Gebiets am Kreise Wolmirstedt z. B. sind allein 40 solcher ver- 
lassener Siedlungen nachgewiesen.! 

Die dünne Besiedlung gerade des besten Teils der Bórde, süd- 
westlich von Magdeburg, erklärt sich außerdem durch die wirtschaftliche 
Sparsamkeit, die zur Veranlassung des engeren Zusammenschlusses in 
einer geringeren Anzahl von Niederlassungen wurde, um auf diese 
Weise eine Vermehrung des Ackerlandes zu erzielen. 

Das Fehlen hervortretender linienhafter Anordnung von Siedlungen 
erklárt sich aus der Terraingestaltung; aber auch die mehr reihenweise 
Lage der Niederlassungen auf der ersten Bördestufe läßt sich darauf zurück- 
führen. Ebenso darf die Form des Bodens als bestimmend angesehen 
werden für die Reihe der Siedlungen auf dem Hochufer nórdlich und 
südlich von Magdeburg (das selbst durch vier Niederlassungen bezeichnet 
ist: Altstadt, Neustadt, Sudenburg, Wilhelmstadt). Ein Vergleich mit 
der Karte zeigt ferner, daB Sülze und Bever die Niederlassungen an- 
gelockt haben. 

Im ostelbischen Gebiet sind die Siedlungen den weniger günstigen 
Bodenverhältnissen entsprechend nicht zahlreich und nicht volkreich. 

Die Bedeutung der Städte für das wirtschaftliche Leben wird durch 
ihre geographischen Verhältnisse mitbestimmt. Die Zahl der Vorzüge, 
die durch geologische, physikalische und topographische Karten veran- 
schaulicht werden, deutet in jedem Falle auf die Wichtigkeit der Stadt 


1 Danneil, Geschichte des Magdeburger Bauernstandes, S. 756. 


60 T. JACOB: 


und die Sphüre ihres Einflusses hin. Je mannigfacher die Vorteile sind, 
und je unumstrittener ihre Stellung innerhalb ihrer Umgebung, desto 
gesicherter ist ihr dauerndes Gedeihen. 

Auf der Bórde selbst, wo viele Dórfer ein fast stüdtisches Geprüge 
haben, fehlen die Stüdte, ohne daf) dies einen Mangel bedeutet. Die 
vorhandenen Stádte der Ackerbauregionen (Neuhaldensleben und Wolmir- 
stedt im N., Wanzleben und Seehausen im S. der Bórde, Kochstedt und 
Schwanebeck im S. der Bodesenke) sind Marktplütze für ihre engere 
Umgebung und zu solchen durch ihre Lage gut geeignet. Von allen 
Seiten her sind sie leicht zu erreichen und mit gróferen Orten durch 
Eisenbahnen verbunden. Von diesen Städten hat nur Neuhaldensleben 
eine nicht bodenstündige Industrie. 

Die guten Verkehrsbedingungen und die Bodenschätze begünstigen 
die Städte östlich der Oscherslebener Senke (Schönebeck, Barby, Kalbe, 
Staßfurt). Oschersleben selbst ist als Brückenstadt wichtig und als Ver- 
mittler zwischen der Börde und dem spezifisch subhercynischen Gelände. 
Schönebeck und Barby sind Stützpunkte für den Verkehr auf der Elbe 
und Berührungspunkte zwischen ihrem Hinterland und dem Verkehr 
auf der großen natürlichen Wasserader. 

Eine Sonderstellung nimmt Magdeburg ein. Die Lage am festen 
Ufer des schiffbaren Flusses, die Nachbarschaft der stromaufwärts ge- 
legenen, reichen Industriegegend, die Nähe der ohne ein trennendes 
Zwischengebiet vor seinen Toren anhebenden Börde, die ihm Nahrungs- 
mittel, und der Schlickregion, die ihm Baumaterial liefert, vereinigen 
sich zu Vorzügen, die Magdeburg als Brücken- und Randstadt, als In- 
dustrie- und Verkehrsort zur natürlichen Hauptstadt der Gegend erhebt. 

Die Entwicklung des Verkehrs lehnt sich an die geographischen 
Verhältnisse an. Die bedeutendste aller Verkehrsadern in unserm Ge- 
biet ist von jeher die Elbe gewesen. Schon den Römern war sie als 
Wasserweg bekannt und für das Mittelalter wird ihre hohe Wichtigkeit 
durch Urkunden bezeugt. Die Anlage der Ortschaften an der Alten Elbe 
und die unablässigen Bemühungen um die Verbesserung des Stromlaufs 
bekunden seine Bedeutung, die in früheren Jahrhunderten erhöht wurde 
durch die Schwierigkeit des Landverkehrs. Infolge seiner bevorzugten 
Lage nach Erstreckung und Begrenzung und der verhältnismäßig kurzen 
Zeit, während welcher die Schiffahrt eine Unterbrechung durch den 
Frost erfährt, ist der Strom zur Verkehrsstraße besonders geeignet. 

Die Errungenschaften der Strompflege haben ihm unter den natür- 
lichen großen Verkehrsadern Deutschlands eine herrschende Stellung 
verschafft. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 61 


Durch die Elbstädte, vornehmlich durch Magdeburg, nimmt unser 
Gebiet an diesem Vorzuge teil. . 

Am einfachsten und deutlichsten geht seine Wichtigkeit für unsre 
Gegend vielleicht aus einigen Zahlen hervor, die den Güterverkehr auf 
dem Magdeburger Hafen betreffen, und die statt andrer exakter Belege 
angeführt seien:! 


Kaufmannsgüter Nahrungsmittel Baumaterial 


Ausreladen | Eingelad. | Ausgeladon 
Angabe in t [ Ang. int | Angabe in t 


Ausgeladen |Einzeladen 


Eingeladen | Ausgeladen | Eingeladen 
Angabe in t [Angabe int 


Angabe in t | Angabe in t | Angabe in t 


a. zu | b. zu |а. кн b. zu Ja. zu 
Tal | Berg | Tal | Berg | Tal 


i 
1879 | 1190000 7 100 | 8000 9 000184 000 
18851251000) 19000, 6000 311000] 26 000 


i—-—— 
b. zu fa. zu bn a. zu E zu -— bezal 


b.zu | a. zu 
Berg | Tal | Berg | Tal Berg] Tal | Berg | Tal | Berg, 


a. zu | b. zu 
Tal | Berg 


195 ооо ES 60000 т ооо 
N 14 000 du i ыы ыы 

Die Saale, die schon im Mittelalter besonders in den Dienst des 
Holztransports für die benachbarten Salinen gestellt wurde, bildet eine 
natürliche Nebenader des Elbverkehrs, dessen Erscheinungen sich hier 
im kleinen wiederholen. 

Für den Schiffsverkehr kommt die Ohre nicht in Betracht. Auch 
für den Betrieb der Flóf?erei ist sie ungeeignet, so daß die an ihr ge- 
legenen Ortschaften von ihr als Wasserweg keinen Nutzen haben. Daf 
die breite, dem Elbtal angehörende Mündung von Elbkähnen zeitweilig 
als Nothafen benutzt wird, berührt das wirtschaftliche Leben der An- 
wohner nicht. 

Der Verlauf der großen Verkehrsstraßen zeigt, daß in unserm 
Gebiet die Terrainbeschaffenheit nicht weniger bestimmend gewirkt hab 
als dies in gebirgigen Ländern der Fall ist. — In zwei Regionen stellen 
sich der Anlage von Straßen bedeutende Schwierigkeiten entgegen, in 
der Elbniederung und der Bodesenke. Deshalb finden sich hier wenige 
Querwege, und die vorhandenen haben besondere Wichtigkeit. Der 
unfeste Grund und Boden und die Überschwemmungsgefahr sind die 
gemeinsamen Feinde in beiden Gebieten. Der Überwindung dieser un- 
günstigen Bedingungen verdanken die beiden Brückenstädte ihre Be- 
deutung, die bei Magdeburg, der Lage und weiteren Vorzüge der Stadt 
entsprechend, größer ist als bei Oschersleben. Nicht nur das Hervor- 
treten des festen Gesteins eignete Magdeburg für die Anlage der Brücke, 
sondern auch der Umstand, daß die ganze Breite des Stromes nicht auf 
einmal überwunden zu werden brauchte, daß aber anderseits der 
Zwischenraum zwischen den Elbarmen klein genug war, um die Brücken 


400 


| 
11000, 19090! 55000| 3000 
3000 | 15000/250000 13000 


1 Nach der Elbstrom, Statistikband, Zahlen stark abgerundet. 


69 T. JACOB: 


unter den Schutz einer einzigen Ortschaft zu bringen.! Den Vorzug einer 
Elbbrücke genoß jahrhundertelang stromauf- und abwärts keine andre 
Stadt. Hier überschritt, von О. her kommend, die alte Handelsstraße 
den Strom und führte auf der östlichen Bórdestufe über Staßfurt weiter 
nach S. Sie wird vielleicht heute bezeichnet durch die Chaussee Doden- 
dorf—Lóderburg —Staffurt, die sich auf dem leichtwelligen Terrain fast 
der Luftlinie zwischen Magdeburg und der alten Salzstadt anschließt. — 
Die andern Strafen schmiegen sich den geographischen Bedingungen 
ganz auffülig an. Die Hauptvermittler des Verkehrs, die Eisenbahn- 
linien, zeigen vornehmlich die charakteristische SO. — NW.- Richtung, 
wührend an der Elbe entlang durch die Bahnlinie der Rand des Hoch- 
ufers annühernd bezeichnet wird. Erst nach dem Jahre 1873 ist mit 
Mitteln der vorgeschrittenen Technik die Eisenbahn auch bei Barby 
über die Elbe geführt worden.? — In der Oscherslebener Senke führt 
die StraBe ап dem dem Bruche abgekehrten und schnell ansteigenden 
N.-Ufer entlang und entsendet nach Überwindung der Terrainschwierig- 
keit am Bodeknie die Halberstädter Straße im Tale aufwärts. 

Im übrigen läßt das dichte und geradlinige Maschennetz von 
Chausseen und Landwegen, wie es sich auf Karten kleineren und größeren 
Maßstabes darstellt, auf die gute Wegsanıkeit des Terrains schließen. 
Im einzelnen deuten auch hier die Straßen auf die Form des Geländes 
und die wirtschaftliche Bedeutung der verbundenen Orte. Nach der 
Liebenowschen Karte (1:300000) sind nur 7 %, aller Städte und Ort- 
schaften (Gemeinden) ohne Anschluß an Chausseen oder Eisenbahnen 
in unserm westelbischen Gebiet. 

Die Ergebnisse der Untersuchung der geographischen Bedingungen 
lassen sich in ihren Hauptergebnissen dahin zusammenfassen, daß unser 
Gebiet nach Bodengestaltung und Klima keine großen Kontraste auf- 
weist, daß aber nach Bodenbeschaffenheit und -Reichtum, nach Bewässe- 
rung und Verkehrslage sich zahlreiche Unterschiede geltend machen, 
so daß die natürliche Ausstattung der einzelnen Gebietsteile eine mannig- 
faltig verschiedene ist. 


II. 


Nachdem im vorhergehenden die geographischen Verhiltnisse zum 
Ausgangspunkt der Betrachtung gemacht worden sind, soll im folgenden 
das entgegengesetzte Verfahren eingeschlagen und von derjenigen Er- 


1 Hahn, Die Städte der Norddeutschen Tiefebene, S. 106. 
* Vergl. Vogels Karte der Verkehrsverhältnisse 1873, Pet. Mitt. 1873 Tafel 12. 
Desgl. Karte zum Reichskursbuch 1884. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 63 


scheinung ausgegangen werden, die sich als unmittelbarste Wirkung 
der geographischen Verhältnisse im wirtschaftlichen Leben ansehen läßt, 
von der Volksdichte. — Wo günstige Bedingungen für Leben und Er- 
werb vorhanden sind, wird im Lauf der Zeit ein dichteres Zusammen- 
wohnen der Menschen erfolgen als an den Orten, die mit weniger Vor- 
teilen ausgestattet sind. 

Natürliche Beschaffenheit des Landes und Volksdichte verhalten 
sich wie Ursache und Wirkung. Am übersichtlichsten wird die Volks- 
dichte veranschaulicht durch eine Karte, auf der die gleichstark be- 
völkerten Gebietsteile durch das gleiche Darstellungsmittel, in unserm 
Falle durch Farben, gekennzeichnet sind. Über die Gewinnung der 
Dichtezahlen sei hier bemerkt, daß die Bewohner der einzelnen Gebiets- 
teile über die Fläche ihres Gebiets verteilt gedacht werden, worauf die 
Dichtegrade der Bedeckung nach bestimmten Gesichtspunkten in Gruppen 
zusammengefaßt und durch verschiedene Farben und Farbennuancen 
versinnbildlicht werden. Eine zahlenmäßige Darstellung ist in Form von 
Tabellen beigeyeben. Die auf diese Weise als dünn, mäßig stark, 
stark und sehr stark bevölkert gekennzeichneten Gebietsteile heben sich 
im Bilde ebenso voneinander ab, wie es gewissermaßen in der Natur 
die verschiedenwertig ausgestatteten und ungleich dicht bewohnten 
Distrikte tun. Aus einem später anzuführenden Grunde sind die Städte 
von über 5000 Einwohner samt ihrem Areal vor der Berechnung aus- 
geschieden. 

Durch die Karte wird vor allem zweierlei erreicht. Die in Gruppen 
geordneten und durch wenige bestimmte Werte der Volksdichte charakte- 
risierten Gebiete werden lokalisiert. Sodann wird, da wir die Volksdichte 
als Wirkung setzen, durch ihre Kennzeichnung in bestimmten Gebiets- 
teilen das ganze Gebiet auch in geographischer Beziehung nach den 
Ursachen der Volksdichte in typische Regionen zusammengefaßt, die 
sich, analog den Bezeichnungen der Dichtegrade, als ungünstig, wenig 
günstig, mäßig günstig, günstig und sehr günstig ausgestattet charak- 
terisieren ließen. 

Damit ist viel gewonnen. 

Der organische Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen 
Leben und der Naturbedingtheit tritt in jedem Einzelfalle deutlich 
hervor. Angesichts des Kartenbildes drängt sich die Frage auf: Warum 
hat in den bestimmten Gebietsteilen das wirtschaftliche Leben sich so 
und nicht anders entwickelt? Nach den voraufgegangenen Ausfüh- 
rungen des ersten Teils gibt die Karte die Antwort auf die Frage. Der sie 
begleitende Text ist nur eine ihr untergeordnete Erläuterung. 


64 т. 2АСОВ: 


Zwei Farben bedecken das Kartenbild, gelb-braun und rot. 

Zwei Hauptwerte sollen demnach im vorliegenden Gebiet nach 
Bevólkerung und geographischen Bedingungen in erster Linie unter- 
schieden werden. Їп Beziehung auf die Bevólkerungszahl wird das 
unterscheidende Moment als das „Mittel“ bezeichnet, d. h. diejenige 
Dichte, die erreicht werden würde, wenn die Gesamtbevölkerung über 
das Gesamtgebiet verteilt werden würde. Das „Mittel“ beträgt rund 
100 auf den Quadratkilometer (107). Hier zeigt es sich, daß die Aus- 
scheidung der Städte, in denen auf verhältnismäßig kleiner Fläche eine 
grobe Menschenanhäufung stattfindet, notwendig war. Ihre Verrech- 
nung in die Gesamtzahlen würde ein „Mittel“ von rund 200 (203) pro 
qkm, also eine durchaus übertriebene Zahl ergeben. 

1—25. 

Unter den rund 230 berechneten Gemeinden sind nur fünf als dünn 
bevölkert zu bezeichnen. Sie finden sich in der Elbniederung, im Ве- 
reich der natürlichen Überschwemmungsgebiete von Elbe und Bode 
und im Waldgebiet des schon als unfruchtbar bezeichneten ostelbischen 
Geländes. Zwei von ihnen, Lödderitz, oberhalb der Saalemündung, und 
Grünewalde, gegenüber von Schónebeck, sind waldreiche Gelünde. Der 
Forst wirkt nicht bevólkerungsverdichtend. Griinewalde besitzt nur 
einen sehr kleinen Anteil an Ackerland, das allerdings durch Elb- 
sedimente vorzüglich gedüngt ist. Lödderitz leidet ап Wasserüberfluß. 
Zahlreiche Seen und Schlenken weisen auf alte Elbläufe hin. — Dem 
dritten dünnbevölkerten Gebiet, Günthersdorf, südöstlich von Oschers- 
leben, fehlt der Wald. Es liegt in der Bruchregion der Bodesenke. 
Ein Arm der Bode, der nördlich der Ortschaft fließt, führt bei Hoch- 
wasser bedeutende Wassermengen und überschwemmt das Gelände. 
Nur rund 1 qkm seiner Fläche (11,1) entfällt auf Wiesen- und Acker- 
land. Das Dorf umfaßt nur 18 Wohnhäuser; somit ist dem Ödland 
ein großer Gebietsanteil beizumessen. Vom Verkehr liegt es abseits; 
weder Eisenbahn noch Chaussee berühren es, so daß zu den Nach- 
teilen der Bodenbeschaffenheit auch diejenigen der Lage kommen. 
Es weist auch die geringste Volksdichte auf. — Besser ist die Lage 
von Lódderitz in der Nähe anhaltischer Kohlengebiete. Am vorteil- 
haftesten liegt Grünewalde; es ist auch am dichtesten bevölkert. 

25—50. 

Einen gleichfalls geringen Prozentsatz unsers Gebiets nehmen die 
nur mäßig bevölkerten Gemeindebezirke ein. In ihnen müssen, so 
dürfen wir schließen, die geographischen Bedingungen schon etwas 
günstiger sein als in den soeben erwähnten Distrikten. Würden wir 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 65 


nach den Ausführungen des ersten Teils sie gewissen Gebieten zu- 
weisen wollen, ohne die Karte zu Rate zu ziehen, so dürften für sie 
die weniger begünstigten Striche der Elbniederung und der Bodesenke, 
sowie die waldigen Gebiete im NO., N, NW. und an den südwest- 
lichen Hóhen in Betracht kommen. 

In Wirklichkeit gehóren von den 38 unter diese Dichtegruppe 
fallenden Gemeinden neun dem diluvialen Elbtale an, einige finden sich 
іш waldreicheren N. und NW., und mehr als die Hälfte entfallen auf 
das ostelbische Gebiet. Die Nachteile der Bodesenke, deren Ortschaften 
wir hier erwähnt zu finden erwarten, müssen also durch günstige Be- 
dingungen, die nicht mit der Bodenbeschaffenheit zusammenhängen, 
aufgehoben werden. 

In den Gebieten der Elbniederungsgemeinden tritt das Ackerland 
bereits mehr in den Vordergrund; doch ist es meist von sandiger Be- 
schaffenheit. Die am Umflutkanal gelegenen Ländereien leiden häufig 
unter dem Drängewasser, das, sobald das Wehr gezogen ist, sich außer- 
halb der Deiche bemerkbar macht. Wald findet sich im Elbtal in einer 
Ausdehnung von 9 qkm bei Glindenberg, südlich der Ohremündung, 
zum Teil im Hochwassergebiet gelegen, ferner in kleineren Flächen 
óstlich der Elbe bei Wahlitz und Walternienburg, dort am sandigen 
Talrande, hier am westlichsten Abhange des Flümings. 

Auch die an und südlich der Saale gelegenen Gemeinden КІ.-Бовеп- 
burg und Sachsendorf gehóren dem diluvialen Elbtal an. Am natür- 
lichen Überschwemmungsgebiet hat nur das erstere teil, dessen Lünde- 
reien an der Saalemündung nicht nur den Fluten der Saale, sondern 
auch dem Rückstau der Elbe ausgesetzt sind, wenn zur Hochwasserzeit 
die Fluten sich hier vereinigen. Das geschützte Ackerland ist sehr 
fruchtbar. — Anders bei Sachsendorf, wo sich an der Taube Sumpf- 
land auf Untergrund von schlechter Durchlüssigkeit zeigt. 

Wenn die im NW. der Börde liegende, mäßig bevölkerte Region 
als waldreich bezeichnet worden ist, so zeigt die Tabelle, daß dies 
immerhin nur im Vergleich zur Bórde geschehen darf. 

Fast die Hälfte des zur Verteilung kommenden Areals fällt dem 
Ackerlande zu, wenig mehr als ein Drittel dem Walde. Aber der Wald 
tritt hier zusammenhängend auf, am Schnittpunkt von 52° 15” Breite 
und 119 15° Länge eine Insel fruchtbaren Landes umschließend. Die 
Bodenverhältnisse deuten auf ihre Entstehung hin. Der fruchtbare Löß 
ist südostwärts transportiert worden und sandigerer Boden als Rück- 
stand verblieben. Wie die erwähnte fruchtbare Insel, so liegen auch 
die Siedlungen auf den inselartig aus dem Walde auftauchenden Acker- 

Archiv f. Landes- u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1906. 5 


66 T. JACOB: 


flàchen, die sich teilweise gut zur Tabakkultur eignen. Die an der 
Bever gelegenen Ortschaften verwerten die Wasserkraft des muntern 
Flüßchens im Mühlenbetrieb. Bei Emden durchfließt es den fischreichen 
Papenteich. Kaum ein Dorf dieser sandigeren Gegend entbehrt seines 
Dorfteiches. 

Entsprechend der geringen Volksdichte sind die Verkehrsstraßen 
wenig zahlreich. Die Wegsamkeit ist gut, aber ein Bedürfnis nach 
vielen Strafen nicht vorhanden. Die dem NO.-Rande fast parallel 
laufende Eisenbahn berührt keine der Ortschaften. 

50 — 75. 

Mit den Gemeinden der Dichteklasse III beginnen die spezifisch 
ackerbautreibenden Regionen. Mit ihnen wird, vom Elb- und Bodetal 
ausgehend, zuerst die Börde selbst erreicht; außerdem nehmen sie größere 
Flächen im S. der Bodesenke ein. 

Sie lassen sich, zu Reihen ergänzt gedacht, folgendermaßen ordnen: 
Sie umfassen zunächst Gebiete im Elbtal. Menz und Hohenwarthe im N. 
bilden jedesmal den Übergang zwischen einem südlicher gelegenen, 
weniger begünstigten und einem nórdlicheren fruchtbaren Gebiet. Die 
Anordnung spiegelt die abwechselungsvolle und doch regelmäßige Folge 
der Bóden des Elbtals gut wieder. Nur an wenigen Stellen dehnt sich 
der fruchtbare Boden auch über den Talrand nach O. hin aus. 

Hohenwarthe ist, wie der Name sagt, ausgezeichnet durch seine 
Lage. Seine Felder sind hochwasserfrei. Sie werden nie von dem 
fruchtbaren Elbschlamm erreicht und liefern nur sehr mäßige Erträge. 
Der Ort verdankt seine verhältnismäßig zahlreiche Bevölkerung der ge- 
schützten Lage, die ihm einen bevorzugten Platz am Elbufer ver- 
schafft hat, ein Umstand, der besonders in früherer Zeit schwer ins Ge- 
wicht fiel. 

Eine zweite Reihe beginnt im SO. unsers Gebiets und zieht sich 
mit Unterbrechungen zuerst auf dem Talrande hin, überschreitet die 
Saale, und wird jenseits derselben durch die Gebiete von Brumby und 
Tornitz und weiterhin durch zwei kleinere und zwei größere Gebiete 
bis Harbke an der W.-Grenze fortgesetzt. In den genannten Gemeinden 
wird auch Bergbau auf Braunkohlen getrieben, aber eine bedeutende 
Arbeiterzahl wird dadurch nicht angehäuft. 

Fast parallel mit dieser Reihe läuft in Bild und Natur eine 
dritte, südlich der Bodelinie. In den Ortschaften des Bodetals wird 
die Betriebskraft des Wassers durch Fabriken und Mühlenwerke aller 
Art reichlich ausgenützt. Durch die Mühlen und durch Brücken mit 
ungenügender Lichtweite erleidet das Flußwasser jedoch große Auf- 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 67 


stauung, so daß nach heftigen Regengüssen im Oberland der Flüsse 
die Uferlandschaften häufig unter Wasser gesetzt werden. Die Zufüh- 
rung der Abwässer aus Gruben, Hütten und Fabriken beeinträchtigt 
oder vernichtet in bedauerlicher Weise den Fischreichtum der Bode 
und ihrer Nebenflüsse. 

Auch die Ohre wird in den hierher gehörenden Gebieten durch 
gewerbliche Anlagen stark in Anspruch genommen. Die Hochwässer, 
denen im Oberlauf ein Teil des Allerwassers zugeführt wird, finden 
aber gute Abflußbedingungen vor. Der Boden des zur Hochwasser- 
zeit überschwemmten Landes steht dem der Elbniederung an Frucht- 
barkeit weit nach, da der Ohreschlamm in dieser Beziehung mit dem 
Elbschlamm nicht zu vergleichen ist. 

75— 100. 

Wie die Karte zeigt, schließen sich die Gebiete der vierten Dichte- 
klasse an diejenigen der vorigen Dichtestufe fast überall an. Sie unter- 
scheiden sich von ihnen der Lage nach dadurch, daß ihre Teilgebiete 
größere zusammenhängende Territorien im Inneren unsers Gebiets bilden. 
Ihre Ausbreitung und Anordnung zeigt, wie günstig die natürlichen 
Grundlagen des wirtschaftlichen Wohlstandes verteilt sind. Sie fehlen 
weder an der Ohre noch in der Elbniederung, weder in der Bodesenke 
noch südlich davon. Der Hauptanteil aber findet sich auf der Börde, 
wo er sich der Geländeform auffällig anschmiegt. 

Die Beurteilung des Bodenwertes und seiner Abstufung in wirt- 
schaftlicher Beziehung muß in Ermangelung andrer exakter Belege 
in den meisten Fällen noch durch die Zahlen geschehen, die nach einem 
für Preußen bestimmten Klassifikationstarif den Reinertrag der Grund- 
steuer pro Hektar angeben. Der Mindestsatz für Preußen ist für die 
Fläche von 1 Hektar = 1,20 bez. 2,40 ж Einen so niedrigen Ertrag 
weist keine der hier berechneten Gemeinden auf. 

Die leichtesten Böden der Elbniederung erreichen einen Grund- 
steuer-Reinertrag von 8—9 . pro Hektar. In den Gebieten, die 
eine Bevölkerung von 75—100 auf dem Quadratkilometer ernähren, 
beträgt der Grundsteuer-Reinertrag auf der Börde gewöhnlich 50—60 „Ж, 
übersteigt wohl auch diese Zahl. 

In der Elbniederung übertreffen häufig die Erträge des Wiesen- 
landes diejenigen des Ackers: 

Acker Wiesen 


Rotensee. . . . . 48 55 
Gerwisch . . . . 18 58 t Æ Grundsteuer- Reinertrag pro Hektar. 
Breitenhagen . . . 31 42 


5% 


68 T. JACOB: 


Für Niegripp mit Reinertrügen von nur 9 bezw. 12 Æ pro Hektar 
werden die Nachteile durch die Lage am Ihle-Kanal, im Gebiet guter 
Tonlager aufgehoben. 

Im übrigen liefern fast durchweg die Ácker hóhere Ertrüge als 
die Wiesen. Eine weitere Steigerung des wirtschaftlichen Lebens führt 
uns in die stark bevólkerten Gebietsteile. 

100—150 und 150 — 200. 

Innerhalb der hierher gehórenden Distrikte sind Bodenbeschaffen- 
heit, Terraingestaltung und Verkehrslage noch günstigere als in den 
vorigen, und sie nähern sich entweder den Industriegebieten oder fallen 
räumlich mit ihnen zusammen. 

Abgesehen von einigen vereinzelten Gemeinden erstrecken sie sich 
westlich und südwestlich von Magdeburg in der Richtung nach S. und 
erfüllen die ebeneren Gelände zwischen den Bórdestufen. Sie begleiten 
die Bode von Staßfurt an aufwärts und setzen sich jenseits Oschersleben 
in einem nördlichen und einem südlichen Flügel fort. 

In den an Weideland reichen Gemeinden, vornehmlich in den 
Ortschaften, deren ehemalige Seen trocken gelegt sind, oder die an den 
Wiesen der Bodesenke und den Weiden der Abhänge des Huy-Waldes 
teilhaben, wird noch Schafzucht getrieben.! 


Seehausen . . . . . . . . . . rund 2200 Schafe 
Remkersleben . . . . . . . . . „ 2300 , 
Domersleben . . . . . . . . . , 2200 , 
Neuwegersleben . . . . . . . . yg 3000 , 
Schwanebeck . . . . 2.0: 200 , 


Auf die Bevölkerungszahl hat diese Art der Landwirtschaft keinen 
erhóhenden Einfluß, da ein einziger Schäfer eine Herde von 2—300 Stück 
versorgen kann. Die Gründe für die zahlreiche Bevólkerung liegen 
hier zumeist in der guten Qualität des übrigen Bodens oder, wie bei 
Neu-Gatersleben, in der Nàhe der Industriebezirke. Е 

Die hohe Bevölkerung in den isolierten Distrikten der östlichen 
Elbniederung erklürt sich 2. T. durch die Ausnützung des tonreichen 
Elbschlicks, vor allem aber durch den regen Steinbruchbetrieb. 

Auf der Börde selbst bietet der postpliocäne Boden die besten 
Vorbedingungen für den Ackerbau, vornehmlich für den Anbau und 
die Veredelung der Zuckerrübe, deren Kultur zum Zweck der Zucker- 
fabrikation seit der Zeit der Kontinentalsperre einen Umschwung im 
wirtschaftlichen Leben hervorgebracht hat.? Der Boden ist fruchtbar 


! Viehstandslexikon 1892. 
? Wagner, Lehrbuch der Geographie, 8. 631. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 69 


und tiefgründig, und seine Ertragsfühigkeit läßt sich durch Zuführung 
von künstlichen Düngemitteln noch erhóhen. Diese werden besonders 
in den Kalisalzen in benachbarten Gebieten gewonnen und sind infolge 
ihrer leichten Erreichbarkeit ohne besonderen Kostenaufwand zu be- 
schaffen. Sie sind dem Boden zugeführt worden, seit sie überhaupt zu 
landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden, wodurch trotz der 
intensiven Ausnützung eine Erschöpfung des Kulturlandes verhütet 
worden ist. 

Die Terrainbeschaffenheit setzt der Anwendung von Maschinen an 
keinem Orte bedeutende Schwierigkeiten entgegen, so daß durch die 
Art der Ackerbestellung eine Ersparnis an Menschenkraft und Kapital 
ermöglicht wird. | 

Das gemäßigte Klima, das in der Abstufung der Niederschläge 
einen Ausgleich der sonstigen Bewässerung herbeiführt, ist wie der 
Boden für die Rübenkultur geradezu als „normal“ bezeichnet worden.! 
Die großen Feldmarken umfassen meist ausgedehnte Felder, die sich 
zum Großbetrieb der Landwirtschaft eignen, der alle Vorteile rationell 
ausnützt. 

Dieser Großbetrieb hat die starke Bevölkerung nicht hervorgerufen. 
Er wirkt eher im entgegengesetzten Sinne auf die Volkszahl. Die vor- 
nehmlich durch den Anbau von Hackfrüchten erforderliche Steigerung 
der Arbeitskraft wird auf großen Gütern zumeist durch die Verwendung 
von landwirtschaftlichen Wanderarbeitern, ,Sachsengüngern", gedeckt, 
deren Zahl in Preußen auf 2 — 300000 geschätzt wird.” Da die Volks- 
zählungen im Dezember stattfinden, bleibt aber die verstärkte Sommer- 
bevólkerung unberücksichtigt. Auch auf die Bewegung der Bevólkerung, 
die sich freilich noch aus andern Gründen in dem Zuge nach den Stüdten 
geltend macht, mag diese Art der landwirtschaftlichen Arbeitsleistung 
gewirkt haben. Ein Vergleich der statistischen Nachrichten der Jahre 
` 1871 und 1898 ergibt aus den angeführten Gründen für viele der jetzt 
stark bevölkerten Gebiete einen Rückgang in der Volkszahl, keinesfalls 
eine namhafte Steigerung. 


1871 1898 
Osterweddingen. . . . . . . . . 1415 1408 
K].-Wanzleben . . . . . . . . . 1903 1665 
Seehausen. . . 3080 3015 


Es liegt jedoch in der Natur der landwirtschaftlichen Betätigung, 
eine Reihe von Gewerben und Industriezweigen entstehen und Handel 
! Schoenberg, Handbuch der polit. Ókonomie, 8. 436. 


* Handbuch der Staatswissenschaften. Herausgegeben von J. Conrad, L. Elster, 
W. Lexis, E. Loening. 


70 Т. JACOB: 


und Verkehr sich entwickeln zu lassen. Die unsre Gegend charakteri- 
sierende Industrie schließt sich an die Kultur der Hackfrüchte, Zichorie 
und Rübe, vornehmlich der letzteren an. 

Da wo im stark bevölkerten Gebiet zur Gewinnung der Rohpro- 
dukte die industrielle Verarbeitung derselben tritt, ist auch trotz der 
oben konstatierten Tatsachen ein starker Bevólkerungszuwachs zu ver- 
zeichnen. 


1871 1898 
Barleben, Kreis Wolmirstedt . . . . 2751 3625 
Eilsleben, Kreis Neuhaldensleben . . 1363 2426 
Aderstedt, Kreis Oschersleben . . . . 694 1187 


Kleinere Fabriken rufen eine bedeutende Steigerung der Volkszahl 
kaum hervor, da die Fabriken im Sommer ruhen und im Winter der 
Arbeiterbedarf durch die ansässige ländliche Bevölkerung gedeckt wird, 
deren ehemalige Winterarbeit, das Dreschen, wiederum durch Maschinen 
besorgt wird. 

Die großartige Produktion der Rohstoffe und ihrer Verarbeitung 
erforderte die Ausgestaltung des Eisenbahnnetzes, und die Bodenformen 
wiesen den Linien den Weg. (Vgl. S. 18) Von der größten Wichtig- 
keit aber ist für die Zuckerindustrie die Lage der Bórde „ап einem 
schiffbaren Fluß, der die Verbindung mit einem großen Hafen" herstellt.! 

In Ermangelung andrer Belege sei die Bedeutung der Zucker- 
industrie für die Magdeburger Gegend illustriert durch die Zahlen für 
Ausfuhr des Zuckers aus dem Konsulatsbezirk Magdeburg.? 

Rohzucker Ж: Raffinierter Z. A: 


1896 . . . 18077116 2 56% 061 
1897 . . . 25097 859 1 383 048 
1898 . . . 19898982 138 363 
1809 . . . 10240734 91 279 
1900 . . . 18494353 264 200 
Der Wert der Ausfuhr von Kaffeesurrogaten für 1900 betrug 95000... 


Über 200. 

Die dichteste Bevölkerung findet sich in Gegenden, die sich nach 
zwei Richtungen charakterisieren lassen. Ев sind entweder die aus- 
gesprochenen Industriegegenden im S. und SW. der Bórde oder gleich- 
sam die Vorhöfe der durch Industrie und Handel ausgezeichneten Städte. 


! Bericht der Handelskammer zu Magdeburg 1899/1000. 

? Desgl. 1900/1901. 

? Auf dem Gebiet der Zuckerrübenindustrie vollziehen sich Veründerungen, 
deren Ziel es ist, die kleinen Fabriken verschwinden zu lassen und den Zusammen- 
schluß zu großen Unternehmungen zu vollziehen. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDERURGER GEGEND. 71 


Fast wie ein Kranz umgeben die Ortschaften größter Dichte Magdeburg 
und ziehen sich am Hochufer des Stromes bis Schönebeck hin. An 
der Schwelle der Großstadt finden sie für ihre landwirtschaftlichen Pro- 
dukte täglichen Absatz und gewähren vielen der städtischen Arbeiter 
billigere Wohnplitze. Seinen Vorhof hat das kleine aber industriell 
sehr lebhafte Neuhaldensleben in Althaldensleben und die Saalestadt 
Kalbe in ihrer südlichen Vorstadt. 

Alle diese Distrikte sind durch ihre Verkehrslage ausgezeichnet 
und alle nach Bodenbeschaffenheit und Bewässerung gut ausgestattet. 

Unter den Industriegebieten liefert Hötensleben, an der W.-Grenze, 
ein Beispiel für ein Braunkohlenrevier. Es ist freilich nicht die Heimat 
des Braunkohlenbaus in unserer Gegend, da die ersten Schürfungen im 
18. Jahrhundert, als der Holzmangel sich recht fühlbar machte, südlich 
von Magdeburg vorgenommen wurden. Zu einem wichtigen Faktor 
des wirtschaftlichen Lebens entwickelte sich die Braunkohlenindustrie 
erst, als nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts die mechanische Auf- 
bereitung der Braunkohle zu Heizsteinen und die chemische Verarbei- 
tung zur Paraffin- und Mineralölgewinnung nach mannigfachen Ver- 
suchen zu günstigen Erfolgen geführt hatte. Auch in den Braunkohlen- 
gebieten wirkt wieder die industrielle Verwertung des Rohmaterials 
volksverdichtend. Das zeigt sich bei Hötensleben, das mit der Ent- 
wicklung fortgeschritten ist. Verrechnet ist bei Hötensleben der preu- 
Bische Anteil von Offleben an der braunschweigischen Grenze, die 
durch das Dorf führt. Zwischen ihnen und dem nahen Völpke hat sich 
ein reges industrielles Leben entwickelt. In den beiden erstgenannten 
Orten finden sich Zuckerfabriken, eine Gipshütte, mehrere Ziegeleien, 
Tonróhren- und Schamottefabriken, in Hótensleben drei, in Offleben vier 
Kohlengruben, in deren Nähe sich besonders eine lebhafte Brikett- 
fabrikation entwickelt hat. 

Auch die Bodenverhältnisse sind gute. Der Acker mit 51 4, 
die Wiesen mit 54 .4 Grundsteuer- Reinertrag pro Hektar sichern dem 
wirtschaftlichen Leben eine gute Grundlage. 

Welche Steigerung das wirtschaftliche Leben aus dem Vorteil der 
Vereinigung verschiedener Industriezweige zieht, wenn die geographische 
Lage wie bei Hótensleben günstig ist, erhellt ein Vergleich mit dem 
nördlicher gelegenen Harbke. Acker und Wiesen (41 Æ und 51.4 
Grundsteuer- Reinertrag pro Hektar) sind fast mit denen von Hótensleben 
an Güte zu vergleichen; es förderte im Jahre 1900 fast soviel Kohlen 


! Vollert, S. 82. 


72 T. JACOB: 


(316433 t) als О ереп (365161 t) und mehr als Hótensleben (288037 t);! 
aber es ist zum Teil von Wald umgeben, ist nicht nach Magdeburg zu 
an die Eisenbahn angeschlossen und besitzt keine Zuckerrübenindustrie. 


1871 1898 
Hötensleben und Offleben . . . . . 2608 4590 
Harbke . . . . .. . « 1100 1477 


Die Braunkohlenreviere Westeregeln und Staßfurt-Löderburg ge- 
winnen durch das Zusammentreffen mit den Fundorten des Salzes eine 
erhóhte wirtschaftliche Bedeutung. 

Vornehmlich sind es die Kalisalze, deren Besitz einem nationalen 
Schatze zu vergleichen ist. Das silurische Kalisalz des Pandschab und 
das miociine der Karpathen, dessen Fórderung durch allerlei Schwierig- 
keiten fast unmóglich gemacht ist, sollen beide an Qualitát dem deutschen 
Zechsteinsalz weit nachstehen, so daf sein Wert voraussichtlich unge- 
schmälert bleibt. 

Die Kochsalzgewinnung fand anfünglich nur durch Salinenbetrieb 
statt. Schönebeck ist noch heute Deutschlands größte Saline. In Bad 
Elmen bei Groß-Salze, südwestlich von Schönebeck, wird die Salz- 
gewinnung auf dem etwa 2 km langen Gradierwerk betrieben. Die 
klimatischen Verhültnisse sind hinreichend günstig zur Konzentration 
der Sole als Vorbereitung für weitere Verarbeitung. 

Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts haben sich die Salzwerke 
an Zahl und Ausdehnung außerordentlich vergrößert. 

Daß die Umgebung der Stadt Schönebeck nicht der höchsten Dichte- 
stufe angehört, läßt sich aus der stark konzentrierenden Wirkung дег 
Stadt erklüren. 

Seit 1898 sind alle Salzfelder durch Bestätigungsurkunde unter 
dem Namen „Königliches Salzwerk von Staßfurt“ vereinigt. Sie umfassen 
rund 93 qkm an Steinsalz- und 31 qkm an Solfeldern. Produktion und 
Vertrieb sind zur Wahrung des wirtschaftlichen Wohlstandes durch ge- 
setzliche Vorschriften geregelt.? 

Die klimatischen und hydrographischen Verhültnisse sind auf An- 
lage und Entwicklung der Bergwerke von bedeutendem Einfluf.3 Die 
stark wasserführenden Gebirge jenseits der S.-Grenze unsers Gebiets 
erschweren die Anlage der Schächte, heftige Niederschläge bewirken 
in der Bodesenke ein Steigen des Grundwassers und Einsickern der 
Tagewasser, während Staßfurt Mangel an brauchbarem und reichlichem 

! Zeitschrift für Derg-, Hütten- und Salinenwesen 1902, Bd. 50, S. 115. 


’ Westphal, S. 25. 
* Desgl. S. 48. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 73 


Kesselwasser leidet.! Mit den eigentümlichen Grundwasserverhältnissen 
hängen die Gefahren zusammen, denen schon ganze Schächte in Staß- 
furt zum Opfer gefallen sind. 

Im Jahre 1851, dem Geburtsjahre der Steinsalzförderung in Preußen, 
führte dieses Land 25% seines Salzbedarfs ein, d. h. 21/, Mill. kg.? 
Im Betriebsjahr 1901 wurden im Regierungsbezirk Magdeburg gefórdert:? 


t 4 Arbeiter 
Steinsalz. . . . . . . . 289 896 1182 280 70 
Kainit und andere Salze . . 1850610 21 752 560 5360 


Die Darstellung der einzelnen im Kalisalz enthaltenen Stoffe und 
die weitere technische Verwertung haben zahlreiche industrielle Unter- 
nehmungen ins Leben gerufen, so daß auch: hier wieder die Verarbei- 
tung der Rohprodukte die Steigerung der Volkszahl zur Folge hat. 

Für die Ausfuhr der in Salz- und Braunkohlenindustrie gewonnenen 
Massen sind die Wasserwege der Saale und Elbe unschätzbar, wie sie 
auch anderseits von hoher Bedeutung sind für die Einfuhr des Chili- 
salpeters, der in Fabriken Verwendung findet zur Herstellung von 
Kalisalpeter und Salpetersáure, und der in Verbindung mit Abraum- 
salzen einen vorzüglichen Mischdünger (in Amerika complete fertilizer) 
ergibt.4 

Uberschauen wir nach diesen Einzelbetrachtungen das Kartenbild 
noch einmal, und fassen wir das Charakteristische ins Auge, so kónnen 
wir sagen, daß die Elbniederung ein unruhiges Gepräge trägt, und daß 
auch im S. des Gebiets weniger ausgeglichene geographische Bedingungen 
zugrunde liegen müssen. Nördlich der Bode und im W. von Magde- 
burg ist das Bild ein ruhigeres. Von der Waldregion im NW. her zeigt 
sich ein allmähliches Anwachsen der Bevölkerung, bis diese bei Magde- 
burg und im südlichen Industriegebiet ihre hóchste Verdichtung erführt. 
Auffallend ist der Gegensatz zwischen dem ost- und westelbischen 
Gelände. Deutlich spiegelt sich in diesem Bilde die Abhängigkeit von 
den geographischen Bedingungen wieder. 

Bisher haben wir bei der Betrachtung den Standpunkt innerhalb 
der Grenzen unsers Gebiets genommen. Dieses ist am Anfang der 
Untersuchung als Teil des Norddeutschen Flachlandes bezeichnet worden. 
Fassen wir es auch in wirtschaftlicher Beziehung in diesem Verhältnis | 
ins Auge, so stellt es sich als Teilgebiet von großer Wichtigkeit dar. 


! Westphal S. 56. 

* Krause, Die Industrie von Staßfurt und Leopoldshall, S. 45. 

5 Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1902, Bd. 50, S. 6. 
* Westphal, S. 67. 


44 E. JACOB: 


Seine Landwirtschaft und sein Bergbau machen ihren Einfluf weit über 
die eigenen Grenzen und die Kreise des Vaterlandes und des heimatlichen 
Erdteils hinaus geltend. Die günstige Verkehrslage erleichtert die Aus- 
fuhr der gewonnenen Produkte und die Einfuhr von Rohstoffen, die 
in den vom Verkehr begünstigten Orten weitere Verarbeitung finden. 

Berührt vom Mittelmeridian von Deutschland und nur wenig nórdlich 
seines Mittelparallels, ist seine Lage für Deutschland als fast zentral zu 
bezeichnen. Es liegt vor der Schwelle des Mittelgebirges, und seine 
Hauptstadt reiht es ein in die stüdtereiche Zone, die sich vom rheini- 
schen Schiefergebirge aus quer durch Norddeutschland zieht. Die poli- 
tische Bedeutung der Stadt hat im Laufe der Zeit Schwankungen er- 
litten. Daß sie für die Lösung der Aufgaben im Kulturleben ausersehen 
war, liegt in erster Linie an ihrer geographischen Bervorzugung. Wenn 
sie auch an politischer Bedeutung eingebüßt hat, so ist ihre Wichtig- 
keit für Handel und Verkehr gewachsen in dem Mafe, in dem das 
wirtschaftliche Leben durch die Ausnützung der verschiedenen geogra- 
phischen Bedingungen bereichert worden ist. 


Tabellen. ! 


Kreis Jerichow. 
1 | I | 1 | Reesea. . . . . . | 133| 58| 2,9 | 21 | 422]| 32 


Kreis Jerichow I. 


2| I 1 | Detershagen . . . . | 16,5 2 0,5 | 12,8 199 12 
3 2 | Grabow. . . . . .| 53,7| 18,7 | 17 | 27.3 | 1081 | 20 
4 3 | Grünewalde . . . . | 33,2 1,6 | 9,2 | 20,7 492 | 15 
5 | II 4 | Büden 9,1 7,6 | 0,6 0,1 419 | 46 
6 5 | Dalchau PET 16,9 | 144| 05 | — 519 | 30 
1 6 | Dannigkow . . .. 11 85 | 08 1 374 | 34 
8 7 | Flótz ; 5,1 4 0,8 0,1 145 | 28 
9 8 | Gehrden 6,9 6,4 0,2 — 300 | 43 
10 9 | Kämeritz 6.8 5,6 | 0,7 +? 181 27 
11 10 | Karieth . 12,4 9,6 | 0,7 1.4 532 | 42 
12 11 | Korbelitz 17.9 | 14 0.6 2,9 734 | 41 
13 12 | Ladeburg . 147| 115) 14 | — 331 | 36 
14 13 | Leitzkau 382 | 26,4 | 1,9 78 | 1746 | 45 
15 14 | Lostau . 13,9 6 1,8 1,2 549 | 39 


ә 
= 


1 Die Angaben der Gesamtfläche und Bewohnerzahl sind dem Gemeindelexikon 
von 1895, die Zahlen für Acker, Wiesen und Holzungen demjenigen von 1885 ent- 
nommen. Infolge der Abrundung und der Einrechnung der als ,Gutsbezirke* auf- 
geführten Kleinsiedlungen weichen die Zahlen z. T. von den Angaben der Statistik ab: 

? + = weniger als 0,1 qkm. 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 75 


Gemeinde 


16 | II | 15 | Lübs CHEM u. Klein- ) 9.8 1,8 1 257 | 37 
17 16 | Lühe . . 7 1! 0,7 0,7 320 | 45 
18 17 | Móckern 43,4 | 23,4 | 3,9 | 132 | 2153 | 49 
19 18 | Randau . 9,7 48 | 4,3 0.5 479 | 49 
20 19 | Schermen . 16.2 9,1 1,2 1,3 653 | 40 
21 20 | Stegelitz 20,7 | 18,3 1,9 4,5 733 | 25 
22 21 | Tryppehna 10,7 8 0,2 1,2 286 | 26 
23 22 | Vehlitz 13,1 | 10,6 | 17 — 543 | 41 
24 23 | Wahlitz 7,9 3,8 | 0,6 2,2 352 | 48 
25 24 | Wallwiz . . . 5,7 4,7 | 0,8 — 218 | 36 
26 25 | Walternienburg . 18,7 7,4 | 3,7 3,7 907 | 48 
27 26 | Wórmliz . . . 16,4 9,1 | 0,7 5,6 465 | 28 
28 27 | Zeddenick . 9,9 86 | 07 — 325 | 32 
29 28 | Ziepel 6,7 6,1| 0,2 — 305 | 45 
30 | III | 29 | Gübs . . 10,4 7,2 | 0,7 — 531 | 51 
31 30 | Hohenwarthe . 10,2 3,8 | 1,2 0,9 602 | 59 
32 31 | Kalenberge 3,2 2,4 | 0,2 + 171 | 53 
33 32 | Menz 11,7 92 | 1,4 0,4 679 | 58 
34 33 | Pródel . 48 3 0,6 0,1 318 | 66 
35 34 | Schartau . . 129 | 83] 08 0,6 695 | 53 
36 35 | Woltersdorf . 8,8 7,4 | 0,6 0,1 448 | 50 
37 | IV | 36 | Gerwisch 7,1 28| 08 | + 663 | 93 
38 37 | Niegripp 11,1 46 | 1,7 1,9 | 1045 | 94 
39 38 | Pechau . 7 38]| 17 1 556 | 79 
40 | V | 39 | Biederitz 14,9 7 1,2 3,1 | 1762 | 118 
41 40 | Elbenau 3,8 22| 1,2 + 485 | 128 
42 41 | Prester . 7,6 4,6 | 0,7 + 781 | 103 
43 | VI , 42 | Plotzky. 7 3,9 | 1,1 1,33 | 1226 | 175 
44 43 | Ranies . 2,7 17| 06 + 454 | 168 
45 | VII| 44 | Krakau . 7.1 5 0,5 — | 3235 | 456 
46 45 | Pretzien 2,4 1,3 | 0,4 + 795 | 331 
Kreis Kalbe. 

47 || I 1 | Lödderitz!. . . . . | 424 43] 3 28,8 466 | 11 
48 | II | 2 | Klein-Rosenburg . . | 13,3 9,7 | 16 0,3 571 | 43 
49 3 | Sachsendorf . . . . 9,5 5,6 | 33 — 346 | 36 
50 | IH] 4| Brumby . . . . .| 15 141 | + + | 1108; 74 
51 9 | Dornbeck . н 7,0 5,3 1,9 — 462 | 60 
52 6 | Athensleben? . 9,4 5,6 | 28 0,3 512 | 54 
53 7 | Schwarz 8,3 7,5 | 01 + 465 | 56 
54 8 | Tornitz . 7,7 6 0,3 0,2 555 | 72 
55 9 | Zens. . 5,1 48; — — 327 | 64 
56 10 | Zuchau . 8,1 6,9 | 0,7 — 503 | 62 

т | IV | 11 | Breitenhagen . 10,5 46 | 21 2 871 | 83 
58 12 | Felgeleben. 8,7 7,2 | 0,6 + 861 | 99 
59 13 | Glinde . 4,6 2,7 | 0,4 0,4 404 | 88 
60 14 | Lóbnitz 4,5 39 | 03 + 348 | 77 


1 Nur zur Hälfte auf dem Kartenblatt. 
* Zu Löderburg gehörend, aber seiner Lage wegen für sich berechnet. 


T. JACOB: 


00-2 ONLwWND о оо 


-1-1-1 -1-1-1-1-1 -1-3 


.- 


ae 


со Qo 
mt C 


| Be- 


т. | Kl. | Zahl Gemeinde | Flüche | Acker W iesen | Holzung po Dichte 
| | | zahl | 

IV | 15 | Pömmelte. . . . . 5,9 12 | 0,7 =- 702 79 

16 | Werkleitz . . . . . 49 | 42 0,2 0,2 415 85 

У |17 | Biere . 25,2 | 23,7 — |2729 | 108 

| 18 | Bisdorf . 5.9 5,5 -.- — 668 | 113 

19 | Eikendorf . ТЕГІ. 20 -- -- 1521 | 130 

20 | Fórderstedt 21,2 | 19,5 | 0,4 + | 3066 | 145 

21 | Glóthe . 78| 7 01]| + | 1135 | 146 

22 | Gnadau. A" $9 | 32 0.3 -= 546 | 140 

23 | Groß - Rosenburg 13,6 | 9,9 1,8 + | 2024 | 148 

24 | Hohendorf . 13,5 | 11,9 04 | 05 | 1437 | 106 

25 | Trabitz . 29| 19| + | + 330 | 143 

| VI | 26 | Atzendorf . 21,1 | 199 | + | — | 8851 | 169 

| 27 | Вогпе 94| 89| + | — |1553| 165 

28 | Eggersdorf 5,4 49| — | — | 1002, 186 

| 29 | Üllnitz . 97і 31| + | — | 570| 184 

Б 30 | Wespen 2,7 2,4 -- -- 457 | 169 

| VII | Frohse . . 7,7 | 58| 05 | + |1900| 247 

32 Bernburg (V orst. Kalbe) 6.1 5,2 | 0,2 0,1 | 3006 | 493 

33 | Lóderburg . .. | 112) 78| 25 | 01 | 4266 | 381 

Kreis Wanzleben. 

HI| 1 | Alt-Brandsleben . . | 11,2 7,3 | 0,1 3,3 579 51 

2|АтраҺ..... | 116| 10 08 | + 783 | 68 

3 | Bottmersdorf. . . . 8,7 7,9! 03 — 631 73 

4 | Eggenstedt . . . . | 105 9 0,4 0,1 “07 61 

5 | Remkersleben . . . | 20,3 | 172 | 1 0,6 |1259 62 

6 | Schermcke . . . . | 16,7 6,9 | 0,2 41 | 1196 72 

7,Stemmern. . . . . 8 751 — — 466 58 

IV| 8 | Altenweddingen . . . | 26 244 | — + 2503 97 

9 | Dodendorf. . . . . | 69 6,3 | 0,1 — 656 | 95 

10 | GroB-Germersleben . | 13,8 | 10,6 | 18 | 01 |1190| 86 

11 | Hakeborn . . 5411 10,7| — 5,3 | 1350 (9 

19 | Klein-Germersleben . 5,9 5 0,6 + 543 92 

13 | Klein- Rodensleben. . 8,5 7,6 | 02 —- 708 | 83 

14 | Schleibniz . . . . 6,9 66| — — 618 90 

15 | Tarthun . . . . . 7,8 53| 1,8 0,2 647 83 

16 | Welsleben. . . . . | 217 | 20,5 — 1981 91 

V | 1? | Hadmersleben 2 А 9,4 7 1,4 — 1184 | 122 

18 | Bahrendorf . . . | 1,7| 11 0,2 ++ 1201 | 102 

19 | Beyendorf. .... 4,4 4 + -- 444 | 101 

20 | Domersleben . . . . | 15,6 | 14,2 | 0,6 — 1779 | 114 

21 | Etgersleben . . . | 133 | 107 | 1,7 + 1382 | 104 

22 | Hadmersleben (Dorf) . | 146] 114 | 22 — 1620 | 111 

23 | Hohendodeleben . . . 14,8 | 14 — — 1953 | 132 

24 | Klein- Oschersleben . | 12,0 | 104 1,5 0,3 | 1377 | 109 

25 | Langenweddingen . . | 21,1 | 197 | + — 2913 | 138 

26 | Osterweddingen . . . | 13,6 | 12,7 | 0,2 — 1408 | 103 

27 | Schwaneberg . . . . 9,6 85 | + — 1198 | 132 

28 | Sülldorf . 2 7,2 6,3 | 0,2 + 868 | 121 

20 | Wanzleben (Stadt) . ‚ | 38,3 | 344 | 0,5 0,1 | 4362 | 113 

УІ | 30 | Seehausen... . . | 179 | 152 08 | — |3016 | 168 

31 | Klein- Wanzleben . . 8,6 :8| 0,2 | — 1665 | 194 


DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN DER MAGDEBURGER GEGEND. 77 


I ue Nac eat 


| Be- 
| Kl. жм | Gemeinde Fläche | Acker wohner-| Dichte 


(271 


| 
| 


Wiesen | Holzung | 


zahl | 


| 


111 | УІ | 32 | Sohlen . . . . . .| 37| 36| + — | 670 | 181 
112 | 33 | Unseburg . . . . .| 168| 133 | 2 0,3 | 2641 | 157 
113| 34 | Wolmirsleben . . . | 122| 9 | 22 | — [2335 | 191 
114 | VII | 35 Benneckenbeck . . . 4,5 4,1 0,1 + 239 
115 | 36 | Bleckendorf 64265! 07 -- 1709 | 225 
itel 37.1 Lemsdort....< «6 «| 98 2,5 — E 642 | 229 
117 BB 1 BRIDES. 2.0 oos 12,9 ^4 | 18 24 | 2661 | 206 
118 | 39 | Westeregeln . . . . 13,1 | 10,8 1,4 -- 3098 | 236 
ant АО Leod . з» > 701 7 -|- — | 2498 | 328 

0 41 | Fermersleben. . , . 5,4 1,1 0,3 0.4 ры 642 
2 41 | Grof-Ottersleben . . | 166 | 154 | + — | 6788 | 409 
122 | 43 | Klein-Ottersleben . . 48 | 4,4 | 0,1 -- 1778 370 
123| |44 | Westerhüsen . . . . | 08| 72| 05 | — | 2990 | 332 


Kreis W olmirstedt. 


124| II | 1 | Glindenberg 19,5 46 | 9,1 3 616 35 
125 2 Honain 12,6 7,1 | 0,5 3,2 455 36 
126 3 | Lindhorst . 9,5 53] 1 2,5 382 40 
127 | Ш | 4 | Farsleben . 11,5 84 | 0,6 1,6 658 57 
128 5 | Jersloben . 6,6 51| — 1,1 440 67 
129 6 | Meseberg . 2,4 5 + 2 550 74 
130] IV | 7 | Dreileben . 15,5 14 — 05 | 1211 78 
131 8 | Gersdorf 3,3 3 — + 267 81 
132 9 | Gutenswegen . 116 | 108 | — + | 1091 95 
133 10 | Hermsdorf. . . 7,5 7 — — 726 97 
134 11 | Hohenwarsleben . 8,1 7,5 | — + 771 95 
135 12 | Klein- Ammensleben 6,2 57| — + 556 90 
136 13 | Rotensee . 11,2 7,6 | 0,6 1,8 | 1021 91 
137 14 | Samswegen 12,9 8,1 | 0,5 1,7 | 1179 91 
138 15 | Wellen . 10,4 93 | — 0,5 874 84 
139 16 | Zielitz . 5,4 3,3 | 1 0,7 411 76 
140| V | 17 | Barleben : 26,5 | 202 | + 4,3 | 3625 | 137 
141 18 | Dalenwarsleben . 98] 9 + + | 1416 | 144 
142 19 | Drackenstedt . 7,2 6,5 | — 0,3 864 | 120 
143 20 | Druxberge. 7,4 67| — 0,2 876 | 118 
144 21 | Elbei . . . 6,4 5,3 | — 0,5 702 | 110 
145 22 | Groß- Ammensleben 14,7 | 12,06 | — 1,1 | 1851 | 126 
146 23 | GroB- Rodensleben . 14,1 | 13 — 0,2 | 1519 | 108 
147 24 | Hemsdorf * . . . 2,2 2 — -+ 264 | 120 
148 25 | Mammendorf . 3,4 31| — + 367 | 108 
149 26 | Meitzendorf 7,2 6,7 | — — 947 | 132 
150 27 | Ochtmersleben 9,5 87 | — 0,1 | 1151 | 111 
151 28 | Schnarsleben . 9,2 83 | + 0,2 | 1189 | 129 
152 VI | 29 | Eichenbarleben . 8,1 74 | 0,4 + | 1273 | 157 
153 30 | Irxleben . қ 7,1 6,51 + — | 1231 | 173 
154 31 | Nieder- Dodeleben . 124 | 11,3 | 02 — |2218 | 179 
155 | VII | 32 | Ebendorf . . . . 5,1 47) — 1031 | 202 
156 33 | Olvenstedt. А 13,9 | 132 | + — | 3904 | 281 
157 34 | Wolmirstedt . 18,5 | 152 | 1,6 0,1 | 4354 | 235 


78 T. JACOB: DIE GEOGRAPHISCH BEDINGTEN WIRTSCHAFTLICHEN GRUNDLAGEN USW. 


. || Kl. | Zahl 5655 Acker | Wiesen | Holzung wohner- i 
zahl 


158 | II 1 | Altenhausen . . . . | 162 fe 1,3 5,3 663 41 
159 2|Emden. . . . . .| 26,2 72| 08 7,2 687 26 
160 3 | Erxleben 2. | 44,6 | 25,8 | 28 | 13,8 | 1998 45 
161 4 | Hörsingen . 18,9 56| 11 | 11,1 769 41 
162 5 | Kl.-(Gr.)- Bartensleben 18,6 | 10,5 1,2 5,8 605 33 
163 6 | Süpplingen . . . 18,2 9,7 | 1,4 5,9 793 44 
164| III | 7 | Donstedt ма a 5 6,4 3,9 | 0,4 1,7 381 60 
165 8 | Hakenstedt . . . . | 127 | 11,1 | 0,8 0,2 808 11 
166 9|Harbke. . . . . | 204 84. 06 | 102 | 1477 72 
167 10 | Klein- Santersleben Cu 5,7 | 54] 02 — 428 75 
168 11 | Marienborn f 7,4 5,5 | 05 1 520 70 
169 12 | Morsleben . or 6,2 3,6 | 0,6 1,3 408 66 
170 13 | Neuenhofe . "e 4,2 7.6 | 0,5 2,7 691 61 
171 14 | Siegersleben . 450% 7,3 6,4 | 0,3 — 497 68 
172| IV | 15 | Alleringersleben . . . 5,6 46 | 0,4 — 535 96 
173 16 | Badeleben . . . | 11,2 | 10,3 | 03 — 928 83 
174 17 | Belsdorf "A шы % 5,2 43 | 0,3 -- 452 87 
175 18 | Bornstedt . i 2% 7,1 6,5 | 2,2 — 703 99 
176 19 | Kroppendorf . . А 3,5 3.2 | 01 — 952 99 
177 20 | Groß- Rottmersleben . | 112 | 102 | 03 — 952 85 
178 21 | Groß-Lautersleben . . 7,1 6,5 | 0,1 — 683 96 
179 22 | Hillersleben А 6,8 5,2 | 0,8 -- 570 84 
180 23 | Hundisburg . . . . | 16,9| 13,1 | 0,6 1,7 | 1376 81 
181 24 | Nord-Germersleben . | 17,6 | 15,9 | 0,8 — | 1675 95 
182 25 | Ostingersleben "n 7,4 6,3 | 05 — 567 77 
183 26 | Sommerschenburg . . | 10,9 81| 1,6 — 965 89 
184 27 | Uhrsleben . ecd 8 6,8 | 07 — 662 83 
185 28 | Wedringen Са” 7,8 6,4 | 0,9 — 151 96 
186 29 | Wefensleben . . . . 7,1 5,8 | 0,4 0,3 691 97 
187 30 | Wormsdorf . . . | 10,6 87| 1,1 — 981 87 
188 | V | 31 | Ackendorf. . . . . 5,1 46 | 0,2 — 674 | 132 
189 32 | Alvensleben . . . . | 174 | 10,3 | 1,6 3,6 | 1022 | 103 
190 33 | Ansleben па е 8,2 7,0 | + — | 1002 | 122 
191 34 | Behndorf . . . . . 3.6 2,8 | 05 + 369 | 103 
192 35 | Bregenstedt . . . . 6,5 5,4 | 0,7 — 770 | 118 
193 36 | Eimersleben kou. 7,2 61| 06 | + 750 | 104 
194 37 | Ivenrode Sr i 5,5 4 1 -- 654 | 119 
195 38 | Ovelgünne. . . . . 6.2 4,3 | 0,7 + 763 | 123 
196 39 | Schwanefeld . -- 3,3 2,4 | 04 — 385 | 117 
197 40 | Sommersdorf . e 8 6,3 | 0,9 — 833 | 104 
198 41 | Ummendorf ‚| 15,4|] 111] 23 + | 1561 | 101 
199 42 | Vahldorf 5 3,7 | 0,8 — 641 | 128 
200 43 | Völpke . 6,6 5,1 | 03 — 976 | 148 
201 44 | Warsleben. 14,9 | 14 2,1 + | 1576 | 106 
202 | VI | 45 | Barneberg . 9.2 85| 0,1 — | 1437 | 156 
203 46 | Eilsleben 138 | 11,7 | 1,1 — | 2496 | 176 
204 47 | Hotensleben 23,1 | 20,2 | 1 0.2 | 4590 | 199 
205 48 | Schakensleben 6 5.4 | 0,2 1112 | 185 
206 49 | Wulfersdorf 0,6 0,3 | 02 — 90 | 150 
207 | VII | 50 | Althaldensleben . 17,3 | 114 | 0,9 3,5 | 4361 | 252 


W. ULE: ETWAS VON DER BAHN OBERROBLINGEN -QUERFURT. 79 


Nr. Gemeinde Acker | Wiesen | Holzung | wohner-| Dichte 
zahl 


Kreis Oschersleben. 


208| I 1 | Ginthersdorf. . . . 11,1 0,9 — 95 9 
20911 | 2 | Hordorf . . . . .| 14,2 | 105 | 2,6 — 765 54 
210] IV | 3 | Gunsleben. . . . . 8,5 5,6 | 22 — 788 93 
211 4 | Krottdorf . . . . . | 104 82]| 1,1 -- 777 75 
212 5 | Nienhagen. . . . . 6,5 5,8 | 05 — 628 97 
213 6 | Róderhof 3 5,3 4,5 | — 0,3 476 90 
214 (7 | Schlanstedt 21,7 | 17,9 | 3,1 — | 2072 95 
215| V | 8 | Schwanebeck . 25,3 | 235 | + + | 3369 | 133 
216 9 | Beckendorf 1 5,4 4,7 0,2 + 761 | 141 
217 10 | Eilenstedt . . . . . 19.6 | 17,9 | 02 0,3 | 2226 | 114 
218 11 | Hamersleben . . . . | 156 | 133 | 1,2 + | 2466 | 152 
219 12 | Hornhausen . . . . | 26,7 | 18,3 | 3,9 3,3 | 3848 | 144 
220 13 | Neuwegersleben . . . 6.3 4 1 0,1 923 | 147 
221 14 | Wulferstedt . . . . 16,1 | 11,3 | 3,6 — 1701 | 105 
9921 ҮІ | 15 | Ottleben . . . . . | 102 9,2 | 0,2 + |1538 | 151 
Kreis Aschersleben. 
223 || IT| 1 | Schadeleben . . . . | 16 13,3 | 1,8 + 988 | 62 
224 2 | Winningen . . . | 137 | 128 | 0,3 — 971 71 
2251 V 3 | Kochstedt . . . . .| 18,1] 165 | + 0,1 | 2000 | 110 
226 4|Bórnecke . . . . .| 21,8| 19 1,2 — | 3161 | 145 
227 5 | Schneidlingen. . . . | 16,8 | 14,8 | 0,9 1758 | 105 
Kreis Gardelegen. 
228 | IV | 1 | Eschenrode . . . . 4,1 3,3 | 04 — 347 | 84 
229 | V 2 | Walbeck 10,5 81 | 1,2 0,3 | 1220 | 116 


Etwas von der Bahn Oberróblingen-Querfurt. 


Von 
Prof. Dr. W. Ule 


in Halle. 


Von der Station Oberróblingen am See der Linie Halle — Sanger- 
hausen zweigt eine Bahn ab, die das kleine Ackerbaustüdtchen Querfurt 
mit dem großen mitteldeutschen Eisenbahnverkehr verknüpft. Heute 
ist die Bahn bis nach Vitzenburg durchgeführt und ermöglicht daher 
wieder den Verkehr über die Querfurter Platte, wie er einst zur Zeit 
der Landstraßen bestanden hat. Querfurt war damals ein nicht unbe- 
deutender Verkehrsort, der noch in den Kriegen gegen Napoleon von 


80 W. ULE: ETWAS VON DER BAHN OBERROBLINGEN - QUERFURT. 


den grofen Heereszügen berührt wurde. Durch die Eisenbahn Halle— 
Nordhausen — Kassel ist der Stadt dieser Verkehr fast ganz entzogen 
worden und sie selbst infolgedessen in der Entwicklung stehen geblieben. 
Die Erkenntnis, daf ein AnschluB an den mitteldeutschen Verkehr für 
ihr Gedeihen notwendig sei, führte dann zum Bau der Bahn Ober- 
róblingen — Querfurt, die nach Schlüter als Stichbahn uns überzeugend 
die Macht des allgemeinen Verkehrs veranschaulicht. Aber die Bahn 
ist doch nur eine Sekundarbahn, als solche repräsentiert sie sich durch 
die Kleinheit der Züge, durch die geringe Zahl der Fahrgäste und 
durch die Einfachheit ihrer einzelnen Stationsgebäude, die sämtlich nur 
zu kleineren Ortschaften gehóren. 

Die geringe Bedeutung der Stationen ist auch den Bewohnern 
jener Ortschaften vollkommen zum Bewußtsein gekommen und hat sogar 
in poetischer Form Ausdruck gefunden, wie das nachstehende Gedicht 
lehrt. Wir glaubten es weiteren Kreisen bekannt geben zu sollen, weil 
es geradezu ein Beitrag zur Landeskunde jener Gegend ist. Ein uns 
unbekannter Dichter — angeblich soll es ein Schaffner der Bahn sein, 
der sich so die Zeit während der langsamen Fahrt vertreiben wollte — 
charakterisiert also die Bahn mit folgenden Worten: 


Preisend mit viel schónen Reden Seid Ihr oben? fragt Obhausen, 
Ihre Leistungsfühigkeit, Keuchend nur erreicht Ihr mich; 
Sagten einst sich die Stationen Grund und Boden kosten Gelder, 
Manches Wort zum Zeitvertreib. Doch die Opfer lohnen sich. 

Herrlich, sprach der Bahnhof Stedten, Rübenücker, Saatenfelder, 

Ist der Kohle Massenfracht. Tont’s von Querfurt bald zurück, 
Schwarze Diamanten steigen Schaffen des Verkehres Menge, 
Wohl aus manchem Förderschacht. Bringen Reichtum, Wohlstand, Glück. 

Schaut mein Gleis im grünen Walde, Was sind alle Eure Schitze? 
Sagt der Bahuhof Esperstedt, Schraplau in der Runde spricht, 
Wo nur Sümpfe noch vor Jahren, Ohne Kalktransport verrosten 
Ihr jetzt Zufuhrstraßen seht. Schienen selbst im Sonnenlicht; 

Doch auch ich bin schón gelegen, Wie die Liebe Herzen kittet 
Sprach der Bahnhof Kukenburg, Aneinander lange Zeit, 

Gibt’s auch hier nichts mitzunehmen, So verbindet Kalk die Masse 


Kommt doch Mancher hier mal durch. Bis in alle Ewigkeit. 


Н. TOEPFER: PHÄNOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN IN THÜRINGEN. 81 


Phänologische Beobachtungen in Thüringen. 
1904. (24. Jahr.) 


Von 


Schulrat Dr. H. Toepfer, 
Realschuldirektor а. D. in Sondershausen, 


Wie in früheren Jahren wurde beobachtet in 


Sondershausen (519 22” N. B., 10? 59” O. v. Gr., 200 m Н.) von 
den Herren Lutze und Dóring und Dir. Toepfer. 

Groß-Furra (6 km nordwestl. v. Sondershausen, Höhe etwa 250 m) 
von Herrn Kantor Sterzing. 


Leutenberg (50° 34’ N. B., 11° 28’ 0. v. Gr, 302m Н.) von 
Herrn Lehrer Wiefel. 


Blankenburg i. Th. (50° 41’ N. B, 11? 16’ О. v. Gr, 222m Н.) 
von Herrn Dr. Kersten. 


Die in der zweiten Spalte stehenden rómischen Ziffern bedeuten: 
I. Erste Blüte offen, II. Allgemeine Blüte, ІП. Erste Früchte reif, 
IV. Erste Blattoberfläche sichtbar, V. Allgemeine Laubverfärbung. 


Aesculus hippo- I. 5. 5. 12. 5. 6. 5. 9. 5. 
castanum L. II. 15. 5. 22. 5. 10. 5. 18. 5. 
III. 24. 9. 24. 9. 25. 9. 20. 9. 

IV. 13. 4. 18. 4. 19. 4. 16. 4. 
V. 2. 10. 8. 10. 21. 9. 5. 10. 

Berberis vulgaris L. I. 13. 5 — 6. 5. 15. 5. 
П. 19. 5 — 12. 5. 22. D. 

III. 24. 8 -- 17. 8. — 

IV. 19. 4 — 20. 4. 6. 4. 
V. — — 2. 9. 22. 10. 

Betula alba L. I. 17. 4. 20. 4. 4. 4. 17. 4. 
П. 19. 4. 25. 4. 19. 4. 26. 4. 

ПІ. -- -- 14. 9. -- 

IV. 16. 4. 17. 4. 18. 4. 15. 4. 

V. — 6. 10. 26. 9. 15. 9. 


Archiv f. Landes - u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1906. 6 


Cornus таз L. 


Cornus sanguinea L. 


Corylus avellana L. 
Crataegus oxyacan- 


tha L. 
Cydonia vulgaris 
Persoon 
Cytisus laburnum 
Fagus silvatica L. 
Ligustrum vulgare 
L. 


Lonicera tartarica 
L. 


Prunus avium L. 


1 25. б. Buchenwald 


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PHANOLOGISCHE BEOBAOHTUNGEN IN THÜRINGEN. 83 


Prunus cerasus L. I. -- 30. 4. 25. 4. — 
II 25. 4. 6. 5. l. 5. — 
III 19. 6. 30. 7. 10. 7. -- 
ІУ 19. 4. 25. 4. — 
V — 3. 10. 18. 10. — 
Prunus domestica L. I 25. 4. 26. 4. 25. 4. 20. 4. 
II 4. 5. 2. 5. ]. 5. 98. 4. 
III — — 9. 9. 2. 9. 
IV 25. 4 20. 4. 22. 4. 17. 4. 
V — 16. 10. 25. 10. 7. 10. 
Prunus padus L. I 23. 4. — 24. 4. 19. 4. 
II 1. 5. = 28. 4. 27. 4. 
III -- -- 8. 7. -- 
ІҮ 14, 4 — 22. 4. 3. 4. 
V — 20. 10. 30. 9. 
Prunus spinosa L. I 18. 4. 22. 4 22. 4. 15. 4 
II 24. 4. 30. 4 2b. 4. 21. 4 
III — — 31. 8. 25. 9 
IV — 22. 4 3. 5. — 
V — — 19. 9. 15. 10. 
Pirus communis L. I 93. 4. 30. 4 24. 4. 93. 4. 
п l. 5. 0. 5 28. 4. 30. 4. 
ІШ -- 25. 7. 28. 7. 
ІҮ -- 20. 4 19. 4. 18. 4. 
Ns 10. 10. 5. 10. 
Pirus malus L. I. 23. 4. 5. 5 28. 4. 26. 4. 
II. 3. 5. 14. 5 5. 5. 2. 5. 
III — — 25. 8. 5. 8. 
IV 16. 4. 18. 4. 30. 4. 15. 4. 
V — — 12. 10. 8. 10. 
Quercus peduncula- I — 8. 5. 14. 5. 25. 4. 
ta Ehrh. II 15. 5 12. 5. 19. 5. 1.:5; 
III — — 20. 9. 18. 9. 
IV 2. 5 3. 5. 21. 5. 22. 4. 
V 12. 10. 20. 10. 6. 10. 
Ribes grossularia L. I 8. 4 12. 4 13. 4. 14. 4. 
II 91. 4 22. 4 19. 4. 20. 4. 
ПІ — 20. 7 4. 7. 3. 7. 
ІҮ 31. 3 20. 3 8. 4. 15. 3. 
ү — — 14. 10. 23. 10. 
Ribes rubrum L. I 18. 4 14. 4. 15. 4. 15. 4. 
II 23. 4 24. 4. 18. 4. * 22. 4. 
III — 10. 7. 30. 6. 20. 6. 
IV — 26. 3. 8. 4. 10. 4. 
у — — . 17. 10. 14. 10. 
Ribes aureum L. I 20. 4 — 25. 4. 17. 4. 
II 29. 4 -— 29. 4. 23. 4. 
ПІ — — 24. 7. — 
IV 16. 4 — 20. 4. 97.3 
V — — 14. 10. 1. 10 


6* 


Robinia pseudacacia 
L. 


Sambucus nigra L. 


Sorbus aucuparia L. 


Syringa vulgaris L. 


Tilia grandifolia 
Ehrh. 


Tilia parvifolia 
Ehrh. 


Vitis vinifera L. 


Atropa belladonna 
L. 


Anemone nemorosa 
L. 5 


Chrysanthemum 
leucanthemum L. 


Convallaria majalis 
L. 


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PHÁNOLOGISCHE BEOBACHTUNGEN ІМ THÜRINGEN. 85 


Hepatica triloba I. 1. 4 22. 3 5.4 17. 3 
Chaix. II. 9. 4 12. 4 9. 4 20. 3 
III. — — 3. 7 — 
Lilium candidum L. I. — 8. 7 1. 7 28. 6 
II. 1.7 14. 7 10. 7 5. 7 
ІП. = — — 
Narcissus poéticus I. 13. 5. 2.5 30. 4 30. 4 
L. II. 23. 5. 12. 5 3. 5 10. 
ІП. -— — — — 
Primula officinalis I. — 11. 4. 12. 4 1 
Jacqu. II. 20. 4 25. 4. 24. 4 19. 4 
III. — — 25. 5 = 
Secale cereale L. I. 30. 5 8. 6 29. 5 25. 5 
II. 6. 6 12. 6 — 6. 6 
III. 15. 7 24. 7 24. 7 30. 8 
Salvia officinalis L. I. 5.6 -- 
П. 12. 6 — — — 
UI. — = 
Salvia pratensis L. I. 29. 5. 25. 5. 4, 6. 17. 5 
II. 7. 6. 2. 6. 13. 6. 25. 5 
III. -- — 18. 7. — 


Literatur-Bericht. 


I. Bodenbau. 


1. Henkel, L. Studien im süddeutschen Muschelkalk. (Zeitschr. d. Deutschen 
Geologischen Gesellschaft. Bd. 56, 1904, S. 218—220.) 


Es sei hier kurz darauf hingewiesen, daf S. 224—226 der vorliegenden Arbeit 
unter Beigabe instruktiver Profilskizzen gezeigt wird, welche Verschiedenheiten der 
Landschaftsformen die verschiedene petrographische Ausbildung der einzelnen Glieder 
der Muschelkalkformation in verschiedenen Teilen Mittel- und Süddeutschlauds bedingt. 

Wüst. 


2. Menzel, H. Über das Vorkommen von Cyclostoma elegans Müller in 
Deutschland seit der Diluvialzeit. Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geol. Landesanstalt 
u. Bergakademie f. 1903, Bd. 24, Heft 3, Berlin 1904, S. 381—390.) 


Unser Gebiet betrifft die Angabe, daß in den pleistozänen Kalktuffen an der 
Steinmühle bei Veltheim, am Nordrande des Großen Fallsteines Scolopendrium sp., Helix 
(Tachea) Tonnensis Sdbg. und Cyclostoma elegans Müll. nachgewiesen worden sind. 

Wüst. 


3. Kalser, E. und Naumann, E. Zur Kenntnis der Trias und des Diluviums 
im nordwestlichen Thüringen. Bericht über die wissenschaftlichen Ergeb- 
nisse der Aufnahmen auf den Blattern Langula und Langensalza in den Jahren 
1901 und 1902. (Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geol. Landesanst. а. Bergakad. f. 1902, 
Bd. XXIII, Heft 4, S. 641—659, Berlin 1905.) 


Die vorliegende Arbeit enthält wertvolle Beiträge zur Kenntnis der Trias und 
besonders des Diluviums des nordwestlichen Thüringens. Vom geographischen Stand- 
punkte aus betrachtet bieten die — nicht in Kürze referierbaren — Beitrige zur 
Kenntnis der recht verwickelten und noch wenig geklürten Flußnetzentwicklung des 
untersuchten Gebietes und einige Mitteilungen über fossilführende Diluvial- Ablagerungen 
besonderes Interesse dar. Die fossilführenden Diluvial- Ablagerungen werden als 
Interglazial (1I. Interglazial im Sinne der von mir angewandten Gliederung, Ref.) an- 
gesehen. Es handelt sich um Kalktuffe besonders vom Sülzenberge bei Langensalza 
mit Belgrandia marginata Mich. sp. und anderen für die sog. älteren thüringischen 
Kalktuffe bezeichnenden Konchylien, daneben aber auch zwei aus diesen nicht be- 
kannten Konchylien (Planorbis corneus Lin. und Valvata macrostoma Steenb.) und 


LITERATUR - BERICHT. 87 


um Unstrutkiese besonders von Höngeda und Seebach mit Corbicula fluminalis Müll. 

sp. und zahlreichen anderen, z. T. in Thüringen noch nicht in Ablagerungen mit 

Corbicula fluminalis Müll sp. auf zweifellos primärer Lagerstätte gefundenen Konchylien. 
Wüst, 


4. Linstow, 0. v. Neuere Beobachtungen aus dem Fläming und seinem 
südwestlich gelegenen Vorlande. (Zeitschr. d. Deutsch. geolog. Ges., 56. Bd., 
1904, S. 99 —121.) 

Die vorliegende Arbeit liefert Beiträge zur Kenntnis des Diluviums des im 

Titel bezeichneten Gebietes. Hervorzuheben ist, daß Verf. eine weite Verbreitung 

des sog. oberen Geschiebemergels vom Flüming an bis weit über die Elbe nach Süden 

hin aufzeigt. Wüst. 


5. Schütze, E. Die geologische und mineralogische Literatur des nörd- 
lichen Harzvorlandes. II. Abteilung: Nachträge zu 1900 und 1901 und die 
Literatur von 1902 und 1903. Magdeburg 1904. 99 S. 89. (Jahresbericht des Natur- 
wissenschaftlichen Vereins in Magdeburg für 1902—1904.) 

Die erste Abteilung des vorliegenden sehr verdienstlichen Literatur- Berichtes 
hat Ref. in diesem Lit.-Ber. für 1904, S. 98 (Nr. 1) bereits besprochen. Die zweite 
Abteilung hat insofern eine willkommene Erweiterung erfahren, als sio die urgeschicht- 
liche Literatur, besonders soweit sie die Steinzeit betrifft, mit behandelt und den 
ganzen Harz in das Referiergebict mit einbeziebt. Die Literatur über den Harz und 
die urgeschichtliche Literatur sind bereits in den ,Nachtrigen zu 1900 und 1901* 
mit behandelt. Wüst. 


II. Gewässer. 


6. Müller, Alb. Die hydrographische Entwicklung der Fuhneniederung. 
Siehe oben S. 1—16. 


III. Klima. 


7. Munzer, L. Gewitter am 27. Mai 1904 in Thüringen. (Das Wetter 1904. 
S. 139—140.) 
Ein kurzer Bericht über Beobachtungen von Blitz und Donner bei einem sehr 
heftigen Gewitter am 27. Mai 1904 von dem Turm auf dem Schneekopf aus. 


IV. Pflanzenwelt. 


8. беп ег, А. Die Horizontalvorbreitung der Kiefer (Pinus silvestris 
L). Auf Grund amtlichen Erhebungsmateriales sowie ergünzender statistischer 
und forstgeschichtlicher Studien. 172 S., 1 K. u. mehrere Tab. Neudamm, J. Neu- 
mann. 1904. 

Die Westgrenze der Horizontalverbreitung der Kiefer verläuft mitten durch die 
Provinz Sachsen. Das Hauptgebiet der Kiefer als Waldbaum in Deutschland liegt 
östlich der Elbe. Die Grenze zieht von Wismar nach Hagenow an der Elbe, läuft 
dann an dieser entlang bis zur Saalemündung. Die Saale überschreitet sie bei Rudol- 


88 LITERATUR - BERICHT. 


stadt, greift in zwei zungenformigen Buchten im Thüringer Wald nach Westen und 
erreicht endlich zwischen Coburg und Sonneberg in nordsüdlicher Richtung das bay- 
rische Gebiet. Diese Linie fällt annähernd mit der alten Sorbengrenze zur Zeit 
Karls des Großen zusammen. Der Verfasser teilt aber nicht die früher von Krause 
ausgesprochene Ansicht, Чай das Zusammenfallen beider Grenzen etwas mit der ver- 
schiedenartigen Waldwirtschaft der Germanen und Slawen zu tun habe. Die Ver- 
breitung der Kiefer zeigt nach seinen weiteren Ausführungen eine deutliche Abhängig- 
keit vom Boden, namentlich von dem Vorhandensein kieselreicher Gesteine; denn sie 
ist eine kieselholde Pflanze. Ihre heutige Verbreitung ist daher nicht klimatisch 
bedingt. In dem Westen Deutschlands ist sie nur in dem Kampfe mit andern Báumen, 
namentlich der Buche, unterlegen. Wo westlich der Elbe kieselreiche Gesteine auf- 
treten, begegnen wir auch oft der Kiefer. Nur an der Nordsee vermag sie wegen der 
heftigen Stürme nicht aufzukommen. (S. a. Lit.- Bericht in Petermanns Mitteilungen, 
1905, Nr. 126.) Ule. 


9. Berichte über die Hauptversammlungen des thüringischen botani- 
schen Vereins: Frühjahrsversammlung 1903 in Weißenfels, Herbst- 
versammlung 1903 in Weimar. (Mitt. d. thüring. botan. Vereins, Neue Folge, 
Heft XVIII, 1903, S. 26—47.) 


Vgl. diesen Lit.-Ber. für 1901, Nr. 23, für 1902, Nr. 27 und für 1903, Nr. 20. — 
Gegend von GroBheringen: XVIII, 27. — Gegend von Erfurt: XVIII, 37, 41, 42. — 
Gegend von Heldrungen und Artern: XVIII, 29, 41, 42. — Gegend von Nebra: 
XVIII, 42. — Gegend von Weißenfels: XVIII, 30. — Gegend von Sangerhausen: 
XVIII, 29. — Huy: XVIII, 28 (Melica picta C. Koch von W. Becker gefunden). — 
Gegend von Magdeburg: XVIII, 29, 35. Wüst. 


10. Reinecke, H. Weitere Beiträge zur Flora von Erfurt. (Mitt. d. thüring. 
botanischen Vereins, Neue Folge, Heft XVIII, 1903, S. 71—74.) 


Eine stattliche Anzahl neuer Fundortsangaben. Wüst. 


11. Toepfer, 0. Phänologische Beobachtungen in Thüringen. Siehe oben 
S. 81 — 85. 


12. Maak, J. Seltene Farne des Harzes (Blätter für Handel, Gewerbe und 
soziales Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung. 1904, Nr. 5, S. 37 ff.) 

Verf. teilt seine Beobachtungen über das Vorkommen der seltenen Farne des 
Harzes mit, die, wie Aspidium montanum Ascherson, Asplenium germ., Woodsia 
hyprboraea, den Kontaktzonen folgen, während die gewöhnlichen Farne auf allen 
geognostischen Unterlagen gedeihen. Er wünscht zu systematischer Nachprüfung 
anzuregen. Маер. 


13. Laeseeke, Е. Einige Fundorte von Laubmoosen im Harzgebiete. 
(Deutsche Botanische Monatsschrift, XXI. Jahrg., 1903, S. 174—175.) 
Ohne Bedeutung. Wüst. 


14. Zschacke, W. Weitere neue Moosfunde aus Anhalt. (Deutsche Bota- 
nische Monatsschrift, XXII. Jahrg., 1904, S. 3—6.) 


Eine stattliche Anzahl neuer Fundortsangaben, meist für Arten, welche für 
das Gebiet neu sind. Wüst. 


LITERATUR - BERICHT. 89 


V. Tierwelt. 


15. GoldfuB, Otto. Nachtrag zur Binnenmolluskon-Fauna Mitteldeutsch- 
lands, mit besonderer Berücksichtigung der Thüringer Lande, der 
Provinz Sachsen, des Harzes, Braunschweigs und der angrenzenden 
Landesteile. (Zeitschr. f. Naturwiss. 77. Bd. 1904, S. 231 — 309. — Auch separ. 
Stuttgart, Schweizerbartsche Buchhandlung (E. Nägele) 1905. 8. 808.) 


Das im Jahre 1900 erschienene vortreffliche Werk, zu welchem nunmehr ein 
Nachtrag vorliegt, ist in dieser Zeitschrift (Jhrg. 1891, S. 94 — 96) einer Besprechung 
unterzogen worden, die mit folgenden Worten schlieft: ,Ref. sieht aber eine nicht 
geringe Bedeutung des vorliegenden Buches gerade darin, daB aus demselben klar 
hervorgeht, wo die Hauptlücken der Kenntnis der Verbreitung der Molluskenformen 
in unserem Gebiete liegen. Das Buch wird gewiB dazu anregen, diese Lücken aus- 
zufülen und denen, welche sich dieser dankbaren Aufgabe unterziehen werden, ein 
unentbehrlicher Führer und Ratgeber sein.^ Es ist mit besonderer Freude zu be- 
grüßen, daB es dem Verfasser selbst vergönnt war, seinem mühsamen Werke einen 
ersten stattlichen Nachtrag hinzufügen zu kónnen, der durch eigene fortgesetzte Be- 
obachtungen sowohl wie durch die Mitteilungen anderer Sammler des Gebietes not- 
wendig geworden war. Durch letztere sind namentlich zahlreiche Fundorte aus der 
Umgebung von Erfurt und Jena hinzugekommen, wührend der Verf. die von ihm 
durchforschten Ausláufer des Frankenwaldes, welche sich unmittelbar an die Thüringer 
Lande anschließen, besonders das Höllental (Selbitztal), in das bearbeitete Gebiet mit 
hineingezogen hat. Im übrigen schließt sich der Nachtrag eng an das Hauptwerk 
an, во daß sich die den einzelnen Arten und Varietäten vorgesetzten Nummern beider 
Arbeiten entsprechen. Für das Gebiet neue Arten sind nur zwei hinzugekommen, 
nümlich Physa acuta Drp. von Gotha und Jena und Paludinella compressa Frfld. aus 
der Rhön in der Nähe der Meiningischen Grenze. Die Zahl neuer Varietäten und 
Formen dagegen beträgt 28. Davon beziehen sich 12 auf Albinos, nämlich von 
Sphyradium edentulum Пгр., Clausilia cana Held., Clausilia pumila Zglr. nebst var. 
sejuncta A. Schm., Succinea elegans Risso, Succinea fagotiana Bgt., Limnaea stagnalis 
L. nebst mehreren Varietüten, Planorbis umbilicatus Müll. und Planorbis Jeucostoma 
Mill. Die übrigen Varietiiten sind die folgenden: Helix ericetorum Müll. var. devians 
Wstld., Clausilia laminata Mtg. var. minor, Clausilia pumila Zglr. var. sejuncta A. 
Schm. forma maior A. Schm., Azeca tridens Pult. var. nouletiana Dup., Carychium 
minimum Müll. var. elongata Villa, var. ventricosior Beck. und var. minutissima Fér., 
Limnaea stagnalis L. var. subulata Wstld., var. torsa Wstld., Limnae ampla Hartm. 
var. monnardi Hartm.. Physa fontinalis L. var. pisana Issel, Unio tumidus Retz. var. 
mülleri Rssm.. Calyculina ryckholti Norm. var. angulata Cless. und endlich Pisidium 
fontinale C. Pfr. var. curta Cless. 

Im ganzen finden 155 Arten Erwähnung und für diese wird eine mehr oder 
weniger große Zahl neuer Fundorte bekannt gegeben, nur in einem Falle wird im 
Gegensatze dazu ein früher angeführter Fundort als irrtümlich bezeichnet, nämlich 
Reinhardsbrunn und Friedrichroda für Helix bidens.  Planorbis stelmachoetius Bgt., 
welche in unserem Gebiete bisher nur aus dem Harze bekannt war, ist auch in 
Thüringen (bei Schnepfenthal) aufgefunden. Die Gesamtzahl der in Mittel - Deutsch- 
land bisher beobachteten Binnen- Mollusken belüuft sich auf 200 Arten und 239 Varie- 
täten und Formen. Aber auch sonst finden sich in dieser Arbeit eine Reihe inter- 
essanter Bemerkungen. So über das eigentümliche Schwinden und Aussterben von 


90 LITERATUR - BERICHT. 


Buliminus detritus Müll. ап manchen Lokalitäten, sowie über Versuche, diese Art 
пеп anzusiedeln; über die Verschleppung von Clausilia plicata Drp. aus Schlesien 
nach Halle, über die Verbreitung der Helix obvia Hartın. durch Samen von Espar- 
sette und Luzerne im Verein mit dem vermehrten Anbau dieser Futtergewüchse. 
Das Auftreten von Cyclostoma elegans Müll. im Vereinsgebiete läßt die bisherige 
Annahme, daß die Verbreitung dieser Art auf Verschleppung durch die Weinrebe 
beruhe, zweifelhaft erscheinen. Über die Perlmuschel erfahren wir, daß sie in den 
Meiningschen Gewássern nicht künstlich angesiedelt, sondern heimisch ist. Auch die 
Mitteilungen über das práhistorische Auftreten von Unio auricularius Spglr. haben ein 
allgemeineres Interesse. Der Conchyliolog findet bei mehreren Arten die genaueren 
Angaben von Unterscheidungsmerkmalen: so bei Clausilia pumila Zglr. var. sejuncta 
А. Schm., bei Carychium minimum Müll. und den zugehörigen Varietäten, bei Limnaea 
stagnalis L. und palustris Müll. Für das schon früher hervorgehobene gelegent- 
liche Vorkommen der Limnaea truncatula Müll. in weiter Entfernung vom Wasser wird 
ein neues Beispiel angeführt. Endlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch der 
Sammler gelegentlich Winke erhilt, wie er gewisse kleine Conchylien leicht auffinden 
kann (Acanthinula aculeata Müll., Clausilia filograna Zglr., Sphyradium edentulum Drp., 
mehrere Vertigo - Arten). 

An den eigentlichen systematischen Teil schließt unser Verfasser auch einige 
Nachträge über biologische Verhältnisse an: Einfluß der Witterungsverhiltnisse auf 
das Leben der Mollusken, Veränderungen durch abweichende Lebensbedingungen, 
Feinde der Mollusken, Mimicry nach Lungenschnecken. 

Auch die bloße Erwähnung dieser Kapitel zeugt davon, mit welcher Vielseitig- 
keit und Gewissenhaftigkeit О. GoldfuB zu beobachten versteht, und eben darum 
ist auch dieser Nachtrag eine wichtige und dankenswerte Bereicherung unserer Kennt- 
nisse auf diesem Gebiete. Wenn damit von neuem zu weiteren Nachforschungen über 
die Verbreitung der Mollusken in Mittel- Deutschland angeregt wird, was zuversichtlich 
zu erwarten steht, so ist der Wunsch des Verfassers erreicht, damit aber auch sein 
eigenes Verdienst gesichert. Taschenberg. 


16. Brandes, G. Über ein Vorkommen von Hirudo medicinalis in Thü- 
ringen. In: Zeitschrift f. Naturwiss. 76. Bd. (8. F. 14. Bd.) 1903, 8. 143—144. 


Es konnte das Vorkommen des früher in Deutschland viel weiter verbreiteten, 
allmáhlich immer mehr aussterbenden Medizinischen Blutegels in dem sog. Hautsee 
bei Marksuhl (zwischen Eisenach und Salzungen) konstatiert werden. Taschenberg. 


17. Lindner, Fr. Grundstein zur Ornis des Fallsteingebietes. (Mit einer 
Kartenskizze.) In: Ornithol. Monatsschrift 26. Bd., Jhrg. 1901, S. 33—56; 81—96; 
117 —132; 153—167. — Erster Nachtrag, ebd. S. 301—304; 326 — 328; 350—357. — 
Zweiter Nachtrag, umfassend die Zeit vom 1. Juni 1901 bis zum 18. August 1904, 
ebd. 5. 376-395; 422—439. 


Das vom ornithologischen Standpuukte aus behandelte Gebiet ist benannt nach 
dem nördlich vom Ilsetale bei Osterwieck gelegenen Fallstein, einen zum größten 
Teile (meist mit Buchen und anderen Laubhölzern, nur mit ganz wenig Nadelholz) 
bewaldeten Kalk- und Sandsteingebirgszuge, der durch den tiefen Eiuschnitt des Aue- 
tals im Osten vom Huy abgetrennt ist. Dies Gebiet ist vom Verf. so abgegrenzt, 
daß von diesem Höhenzuge aus die weiteste Grenzentfernung nicht über 12 km be- 
trägt und zwar im Norden durch die von Börssum dem (jetzt entwässerten) „großen 


LITERATUR - BERICHT. 91 


Bruch“ folgende Linie bis hinter Mattierzoll, im Osten durch die Linie Mattierzoll - 
Rohrsheim - Dardesheim - Zilly - Schmatzfeld, im Süden durch die Linie Schmatz- 
feld - Veckenstedt - Stapelburg - Vienenburg und im Westen durch die  Vorbin- 
dungslinie von Vienenburg nach Bórssum entlang der Oker. Es handelt sich also 
um ein engbegrenztes Gebiet und dieses hat der Verf. während acht Jahren durch- 
forscht. Nur von wenigen einschlügigen literarischen Arbeiten unterstützt, hat er 
nur Sichere Daten gesammelt und so einen wertvollen Deitrag zur Kenntnis jener 
Lokalfauna geliefert, der keinesfalls blof eine Aufzühlung der beobachteten Arten ent- 
halt, sondern gleichzeitig einer Menge interessanter biologischer Verhültnisse Rech- 
nung trügt. 

Das Resultat ist in betreff der in Frage kommenden Arten folgendes: Von 
213, resp. wenn 5 Unterarten besonders gezáhlt werden, 218 Arten (einschlieBlich 
5 besonders benannten Abarten) sind 121 als Brutvógel vertreten, etwa 50 sind 
regelmäßige Durchzügler, ca. 38 seltenere Durchzügler und 9 Irrgáste. Die letzteren 
sind Schlangenadler, Alpenlerche, Birkhuhn, Steppenhuhn, Purpurreiher, Brautente 
(wahrscheinlich einen zoologischen Garten entflohen), Kleiner Säger, Hornsteißfuß und 
Zwergmóve. Um zur Vergleichung einen Maßstab zu geben, wird hinzugefügt, daß 
für die Grafschaft Wernigerode 188, für das ganze Gebiet des Herzogtums Braun- 
schwoig (einschlieBlich der unweit Hamburg gelegenen Exklave Thedinghausen) und 
die Grenzgebiete 257 Arten konstatiert sind. 

In der genannten Artenzahl aus dem Fallsteingebiete sind einbegriffen 9 nicht 
ganz sicher beobachtete, nümlich der schwarzkehlige Wiesenschmátzer (Pratincola 
rubicola L.), der FluBregenpfeifer (Aegialites minor Meyer & Wolf) der Zwergatrand- 
läufer (Tringa minuta Leisl.), Ringelgans (Bernicla torquata Bechst.), Blessengans 
(Anser albifrons Bechst.), Bergente (Fuligula marila L.), Nordseetaucher (Colymbus 
septentrionalis L.), Hornsteißfuß (Podiceps arcticus Boio), Zwergseeschwalbe (Sterna 
minuta L.). 

Der systematischen Anordnung und Nomenklatur liegt das „Verzeichnis der 
Vögel Deutschlands“ von С. F. v. Homeyer zugrunde. Der gesamte Stoff zerfällt in 
zwei Teile, deren erster das systematische Verzeichnis der Vógel des Fallsteingebietes 
enthält — die biologischen Bemerkungen sind jeder Art direkt angeschlossen —, 
während in einem (viel kürzeren) zweiten Teile behandelt werden: Zusammenfasseude 
Darstellung 1. der Bestands- und Verbreitungsfluktuationen und 2. der Zugverhältnisse 
der Vögel des Fallsteingebietes. Darin werden auch von 26 Arten von Zugvogeln die 
Ankunftstermine in Form von Tabellen angegeben. — Bereits in demselben Jahre, 
wo diese Arbeit veróffentlicht worden ist, wurde ein erster Nachtrag hinzugefügt, in 
dem zwei bisher nicht beobachtete Arten bekannt gegeben werden konnten: nämlich 
Austernfischer (Haematopus ostralegus L.) und rotsterniges Blaukehlchen (Cyanecula 
suecica L.), deren erste als Irrgast, deren andere als sehr seltener Durchzügler an- 
zusehen ist. Dieser Mitteilung folgen im ersten Nachtrag noch ein Kapitel ,,Phiino- 
logisches“ und ein weiteres „Nachträgliches zu einzelnen Arten*. Erst nach drei 
Jahren war Verf. in der Lage, das Resultat seiner unermüdlich fortgesetzten 
Nachforschungen der Öffentlichkeit übergeben zu können und zwar in Form eines 
zweiten Nachtrags. Darin werden 7 resp. 8 neue Arten für das Gebiet regi- 
striert: Kiefernkreuzschnabel (Loxia pityopsittacus Bechst., Temmincks Strandläufer 
(Tringa temmincki Leisl.), Schneespornammer (Passerina nivalis L.), nordische gelbe 
Bachstelze (Budytes flavus borealis Sunder.), Großer Halsbandregenpfeifer (Charadrius 
hiaticula L.), Bienenfresser (Merops apiaster L.), Brandente (Tadorna tadorna L.) 


92 LITERATUR - BERICHT. 


und (mit einem Fragezeichen versehen), Säbelschnabel (Recurvirostra avocetta L.). 
Ferner sind zwei bisher als zweifelhaft im Gebiete bezeichnete Arten sicher gestellt; 
nämlich Flußregenpfeifer und schwarzkehliger Wiesenschmátzer (s. oben). Auch іп 
diesem zweiten Nachtrage wird Phänologisches und Bemerkenswertes über oinzelne 
Arten mitgeteilt und zwar letzteres von 111 solchen. Den Schluß bildet ein „alphabe- 
tisches Verzeichnis der bis August 1904 für das Fallsteingebiet nachgewiesenen Vogel- 
arten mit kurzer Charakteristik ihres Vorkommens“. Dasselbe umfaßt 227 Nummern. 
In diesem zweiten Nachtrage ist die Reichenowsche Nomenklatur angewandt. 

Die Bedeutung gewissenhafter Beobachtungen auf dem Gebiete der Lokal- 
faunen für die geographische Verbreitung der Arten überhaupt ist anerkannt genug, 
um das Verdienst, welches sich Lindner mit seiner „Ornis des Fallsteingebietes^ er- 
worben hat, im rechten Lichte erscheinen zu lassen. Es würe nur dankbar zu be- 
grüßen, wenn in gleich sorgfältiger und zuverlässiger Weise auch andere Teile unserer 
engeren Heimat in Angriff genommen würden. Der Lindnerschen Arbeit wünschen 
wir auch ferner Nachtrüge und dürfen sie zweifellos von dem Eifer des Verfassers 
in Bälde erwarten. Taschenberg. 


VI. Volkskunde. 


18. Die Wanderungsverluste der sächsischen Bevölkerung. (Blätter f. Handel, 
Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung, 1904, Nr. 25, 8. 199f.) 


Der Aufsatz macht darauf aufmerksam, daß die Provinz Sachsen weit mehr 
Landeskinder abgegeben als von anderen deutschen Staaten und preußischen Provinzen 
zurückerhalten hat. Nach der letzten Volkszählung beträgt das Mehr der abgegebenen 
Bevölkerung 266448 Personen. Wenn die Provinz trotzdem eine Bevölkerungszunahme 
aufweise, sei die starke Abgabe von Arbeitskräften doch bedenklich; die Sachsen- 
gängerei sei auf die Dauer kein genügendes Aushilfsmittel. MaenB. 


19. Arndt, 6.  Hochzeitsordnungen und Hochzeitssitten im Bistum- 
Fürstentum Halberstadt vom Mittelalter bis zur Neuzeit. (Blatter für 
Handel, Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung, 1904, Nr. 42—48, 
S. 329, 340, 345, 355, 364, 370, 380). 

In vier Abschnitten, die das 12. und 13. Jahrhundert, die Zeit 1370 — 1600, 
das 17. und 18., und endlich das 19. Jahrhundert behandeln, stellt Verfasser die 
Hochzeitsordnungen und -sitten im Bistum Halberstadt dar. Er stützt sich dabei 
für den ersten Abschnitt auf Schafer („Wie man früher heiratete“), Wein- 
hold (,Die deutschen Frauen im Mittelalter^) und Freybe (,Züge deutscher Sitte 
und Gesinnung“), für die folgenden Abschnitte auf das älteste Halberstüdter Stadt- 
recht aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, eine Ortschaft der „Wertschaften“ von 
1528, die Polizeiordnung des Bischofs Heiurich Julius von 1600, die Kirchenordnung 
für Magdeburg und Halberstadt von 1632, einen Ehekontrakt von 1617, verschiedene 
Konstitutionen der Regierung aus dem 17. und 18. Jahrhundert und einen Bericht 
von 1819. MaenB. 


20. Arbeitsort und Wohnort der Bevölkerung in Magdeburg. (Blätter für 
Handel, Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung, 1904, Nr. 35, 5.2734) 
Auf Grund einer Abhandlung des Mitglieds des Königl. statistischen Bureaus 

Dr. M. Broesike wird das Verhältnis von Arbeitsort und Wohnort in Magdeburg 


LITERATUR - BERICHT. 93 


dargelegt. Danach wohnten 7311 in Magdeburg arbeitende Personen 1—30 km, einige 
wenige in noch weiter entfernten Orten, dagegen arbeiteten 612 in Magdeburg wohnende 
Personen auswürts. Ев wird angegeben, wie viele jedesmal auf die verschiedenen 
Berufe entfallen, und wie stark Selbständige, Angestellte, Gesellen beteiligt sind. 

| Maenß. 


VII. Zusammenfassende Landeskunde, Ortskunde, Geschicht- 
liches, Touristisches. 


1. Allgemeines. 


21. Hertel, G. Landeskunde der Provinz Sachsen und des Herzogtums 
Anhalt. 3. Aufl. von Dr. A. Mertens. Mit 25 Abbild. [Heimatkunden zu der 
Schulgeographie von E. von Seydlitz.] Ferd. Hirt, Breslau, 1905. 


Die Neubearbeitung dieser Landeskunde, die nach dem Tode des Verfassers 
von A. Mertens übernommen wurde, bringt uns in vieler Hinsicht fast ein neues 
Werk. Es ist in ihr vor allem dem Geiste moderner Erdkunde dadurch mehr Rech- 
pung getragen, daß die Provinz möglichst in natürliche Landschaftsgebiete zerlegt 
wurde. So wird im einzelnen nach einer kurzen Darstellung der Lage und der Grenzen 
behandelt: das Land rechts von der Elbe, die Altmark, das Harzvorland, der Harz, 
Mansfeld und die Thüriuger Grenzplatte, Thüringen, die Halle-Leipziger Tieflands- 
bucht. Erst im Anschluß an diese Landschaftskunde kommen allgemeine Betrach- 
tungen über die Geschichte, die Abstammung uud Religion der Bewohner, über die 
Größenverhältnisse und die staatlichen Einrichtungen. Іп  methodischer Hinsicht 
hütten wir bei der Behandlung der einzelnen Landschaftsgebiete eine noch mehr geo- 
graphische Bearbeitung des Stoffes gewünscht. Es sollte auch bei der Darstellung so 
kleiner Gebiete danach gestrebt werden, überall den ursáchlichen Zusammenhang 
zwischen den Einzelerscheinungen hervorzuheben. Die etwas trockene Aufzählung 
der einzelnen Orte konnte durch stärkere Betonung ihrer geographischen Bedingtheit 
weit schmackhafter gemacht werden. Auch in den Bildern sollte das Geographische 
mehr zur Anschauung kommen, statt Städte und Häuser mehr Landschaften! Bei 
der Darstellung des Aufbaues des Landes ist der Verfasser mit Recht auch auf die 
geologischen Verhältnisse eingegangen, hat aber zuweilen in dem Streben nach Kürze 
doch Angaben gemacht, die zu Mißverständnissen führen können. Der Satz auf S. 15 
„In frühester Zeit hat er (der Harz) sich nach Norden und nach Süden viel weiter 
erstreckt“ würde besser gestrichen werden, ebenso der Satz auf S. 16 „als bei den 
erwähnten Einbrüchen sich Spalten im Horste gebildet hatten“. Beide Sätze sind in 
der gegebenen Form nicht richtig. Doch wir wollen nicht weiter in Einzelheiten uns 
verlieren; im allgemeinen begrüßen wir freudig diese Landeskunde unserer Provinz, 
die auch denen, die außerhalb der Schule stehen, empfohlen werden kann. Ule. 


22. Heine, H. und Thierack. H. Heimatkunde der Stadt Nordhausen und 
des Kreises „Grafschaft Hohenstein“ nebst Landeskunde der Pro- 
vinz Sachsen. Mit sechs lithographischen Tafeln. Nordhausen, Verlag von 
C. Haackes Buchhandlung (Fr. Krause) 1904, kl. 8°, 76 S. 

Für die Schulen der Stadt Nordhausen bestimmt, führt dieser Leitfaden metho- 
disch ein ins Verständnis der unentbehrlichsten geographischen Grundbegriffe auf dem 


94 LITERATUR - BERICHT. 


allein zweckmäßigen Wege der Anschauung, ausgehend vom Schulhaus, fortschreitend 
zur Stadt Nordhausen, dann zu deren Umgebung. 

Damit ist schon zum Zweck geworden, was vorher Mittel war, diesen zu er- 
reichen. Der Schüler lernt seine Heimat kennen, soweit seine Wandererfahrung 
reicht, dann auch die Gesamtheit seiner heimatlichen Provinz in geschickt gewühlten 
Einzelschilderungen der Landschaften und schließlicher Zusammenfassung des Ganzen. 
Neben der Landesnatur wird auch Siedelungs- und Wirtschaftskunde sowie das 
Wissenswerteste aus der Verwaltungseinrichtung berücksichtigt. Nur selten begegnen 
unbedeutende Irrtümer. So ist (S. 22) nicht aus chupisi (Zelt) durch volkstümliche 
Anähnlichung der Wortstamm Haus in den Namen Kiffhäuser eingeschwürzt worden, 
(weil isi oder hisi ühnlich wie Haus geklungen hitte!), sondern aus Kufese, der 
ültesten Namensform erst des Berges, dann der Burg, weil der Thüringer nachmals 
darin sein „es“ witterte, d. h. seine Kürzungsform für Haus in Zusammensetzungen 
(2. B. noch heute Backes oder Backs für Backhaus). Unstrut (S. 50) bedeutet ur- 
sprünglich großes Gestrüpp, Dikicht; strut heißt noch jetzt am Thüringerwald Sumpf- 
dickicht, nicht Fluß, und ein Wort „un = fließen“ hat ев nie gegeben. Die anmutige 
Restauration Romkerhalle am künstlichen Wasserfall des Romkerbachs im Harz soll 
man nicht durch die üblich gewordene Mißform Romkerhall oder gar ,, Rhomkerhall “ 
(S. 34) in den Geruch eines altkeltischen Salzwerks bringen. Kirchhoff. 


2. Thüringen. 


23. Neue Reiseführer von Justus Perthes: Friedrichroda und Umgebungen. 
Mit einem Stadtplan, drei Karten und einer Rundschaukarte vom Inselsberg. 2. Aufl. 
— Tabarz und Umgebungen. Mit einem Ortsplan, drei Karten und einer Rund- 
schaukarte vom Inselsberg. 
— Oberhof und Umgebungen. Mit einem Ortsplan, zwei Wegekarten, einer Eisen- 
bahnkarte und zahlreichen Textkürtchen und Rundschaubildern. Gotha, Justus 
Perthes, 1904. 


Durch Herausgabe der neuen Reiseführer hat sich der bekannte Gothaer Verlag 
ein besonderes Verdienst erworben. Neben den großen Reiseführern fehlten uns bisher 
vielfach Führer für einen enger begrenzten Raum, in denen auch die Einzelheiten 
einer Landschaft Berücksichtigung finden konnten. Um ein Land recht genau kennen 
zu lernen, ist es immer ratsam sich ein sogenanntes Standquartier auszuwühlen und 
von dort aus die Umgebung nach allen Richtungen zu durchwandern. Für solche 
Zwecke sind die neuen Reisefübrer vortrefflich geeignet. Sie geben im Text ausführ- 
lich Auskunft über die einzelnen Touren und gestatten auch durch die beigefügten 
Karten diese genau zu verfolgen. Natürlich werden auch über Hotels, Fahrgelegen- 
heiten usw. Mitteilungen gemacht. Sind die kleinen Führer auch in erster Linie für 
Touristen und Sommerfrischler bestimmt, so kónnen sie auch dem wissenschaftlichen 
Reisenden empfohlen werden, schon der zuverlüssigen Karten wegen. Sehr anschau- 
lich und lehrreich ist die Rundschaukarte vom Inselsberg, die dem Führer für Friedrich- 
roda und Tabarz beigefügt ist, auf der inmitten des Panoramas das Land, das man 
überschaut, kartographisch mit dem Inselsberg als Zentrum dargestellt ist. Im Text 
kónnten vielleicht noch mehr allgemein belehrende Bemerkungen über die Natur und 
die Bewohner des Landes aufrenommen werden, wie das in dem Führer für Oberhof 
Schon geschehen ist, der uns überhaupt am besten gefallen hat. Ihm sind auch am 
meisten kleinere Textkürtchen und sehr anschauliche Rundschaubilder beigegeben. 

Ule. 


LITERATUR - BERICHT. 95 


24. GrüBler, H. Die Einteilung des Landos zwischen unterer Saale und 
Mulde in Gaue und Archidiakonate, Siehe oben 8. 17—44. 


25. Naumann, L. Skizzen und Bilder zu einer Heimatskunde des Kreises 
Eckartsberga. 5. Heft. Verlag des Eckartshauses, Eckartsberga, 1904. 


Der Verfasser setzt in diesem 5. Hefte seiner Skizzen und Bilder zu einer 
Heimatskunde des Kreises Eckartsberga seine geschichtlichen Darstellungen fort und 
zwar behandelt er in ihm die Geschichte „Aus der Zeit des großen Krieges“. Voraus- 
Schickt er eine allgemeine Schilderung von Eckartsberga im dreifligjáhrigen Kriege 
und geht dann auf verschiedene Einzelerscheinungen ein, unter denen die Wirkung 
des Krieges auf den Wert des Grundbesitzes und auf die Zahl der Bevólkerung der 
Ortschaften auch für weitere Kreise ein groBes Interesse bietet. Dasselbe gilt von 
der Untersuchung über den Wiederaufbau der zerstörten Dörfer, die in gewissem 
Sinne zugleich einen Beitrag zur Siedlungskunde bringt. Ule. 


26. Neujahrsblátter der Bibliothek und des Archivs der Stadt Leipzig. 
I, Gustav Wustmann: Geschichte der heimlichen Calvinisten (Krypto- 
calvinisten) in Leipzig, 1574 bis 1593. 

— Ders.: Hieronymus Lotter der Jüngere und die Fürstenbildnisse 
im Leipziger Rathause. Mit 5 Abbildungen. Leipzig, C. L. Hirschfeld. 
1905. | 
Die vorliegenden „Neujahrsblätter“ — nach Vorbildern іп der Schweiz so be- 
nannt — sollen Beiträge zur Geschichte der Stadt Leipzig bringen. Es ist zu erwarten, 
Чай sie damit auch die landeskundliche Forschung unseres Arbeitsgebietes fórdern 
werden, da Leipzig geographisch doch aufs engste in Zusammenhang steht mit dem 
östlichen Teile Thüringens, in dem auch Halle gelegen ist. Halle und Leipzig sind 
zwei Stiidte, die aus den gleichen geographischen Verhültnissen heraus sich entwickelt 
haben. Darstellungen aus der Geschichte Leipzigs werden daher auch die Geschichte 
der benachbarten Saalestadt oft berühren müssen. Die Aufsütze im vorliegenden 
Heft enthalten allerdings lediglich Vorgänge aus der Leipziger Geschichte. Ule. 


27. Sonnenberg, В. Kloster RoBleben. (Blatter für Handel, Gewerbe und soz. 
Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung, 1904, Nr. 26, S. 203 ff.) 


Nicht lange vor 1142 gegründet. kam das Kloster (ursprünglich mit Augustiner 
Chorherren besetzt, dann ein Zisterzienser Nonnenkloster) unter die Schirmvogtei der 
Familie v. Witzleben. 1554 wurde in seinen Räumen eine Lehr- und Erziehungs- 
anstalt errichtet. Während des dreißigjährigen Krieges verödete die Schule. 1675 
wurde sie wieder eröffnet, aber schon 1686 zerstörte ein Brand sämtliche Gebäude 
mit der Kirche. Erst nach 5djiihriger Pause wurde mit dem Schulbetriebe aufs neue 
begonnen. Маер f. 


28. Ule, W. Etwas von der Bahn Oberröblingen— Querfurt. Siehe oben 
S. 79 — 80. 


3. Harz (mit Mansfeld). 
29. Schmidt, G. Der älteste Führer durch den Harz. (Blätter für Handel, 
Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung, 1904, Nr. 33. 34, S. 257f., 
266 ff.) 


96 LITERATUR - BERICHT. 


Der älteste Harzführer ist „Gottschalcks Taschenbuch für Reisende durch den 
Harz“, 1806 in Magdeburg bei Keil erschienen; VIII und 486 S. Darin sind zunächst 
eine große Anzahl von Wegen durch den Harz nach Ausgangs- und Endpunkten zu- 
sammengestellt; dann werden die einzelnen Orte mit Umgebung in alphabetischer 
Reihenfolge besprochen. Das Bemerkenswerteste über einige der bekanntesten Orte 
wird in dem vorliegenden Aufsatze wiedergegeben, und zeigt, wie unwirtlich der 
Harz noch vor 100 Jahren gewesen ist. MaenB. 


30. Jacobs, E. Zur Geschichte von Thale. Harzzeitschrift 1904, S. 115 ff. 


Der Ort hieB anfangs Winithohns und als Wimthahusen wird es lange in den 
Urkunden geführt. Aber bereits im 13. Jahrhundert war unter dem hohen Granit- 
felsen der Roßtrappe ein Ort, das Dorf in dem Tale, entstanden. Wenthausen - Thale 
gehórt zum Archidiakonate Quedlinburg und zur Grafschaft Regenstein. Vom 14. Jahr- 
hundert an beginnt der neue Name den älteren zu verdrängen. Auch ein Kloster, 
ein Schloß und einige Mühlen waren darin. Die Wilteburg auf der RoBtrappe aber 
war eine alte Kultstaétte. Ein Weinberg und ein Hopfenberg werden erwähnt; 
ersterer ist aber bereits 1530 wieder wüst, wahrend in andern Orten des Harzvorlandes 
der Weinbau in dieser Zeit noch fortbestand. Straßburger. 


31. Jacobs, E. Die Landwehr vom Brocken bis Heiningen. 1401. Harzzeit 
schrift 1904. 8. 108 ff. 


Diese Landwehr, wie es deren viele in jener fehdereichen Zeit gab, zieht vom 
Brocken längs der Ecker und Oker bis dahin, wo die letztere die am weitesten nach 
Norden vorgeschobenen mäßigen Erhebungen des Harzes verläßt. Sie war durch 
Natur und Kunst stark bewehrt, und an ihr lagen die Stapelburg, die Harlingsburg, 
die Burg Wiedeloch, die Vienenburg, die Burg Schladen, Barta, Harzburg, Hornburg 
und die Ahlsburg mit dem Elendshofe. Bei dieser Gelegenheit, also um 1400, wird 
der Brocken zum erstenmal in einer gleichzeitigen urschriftlich erhaltenen Quelle 
genannt. Straßburger. 


32. Jacobs, E. Stolberg-Wernigerödisches aus dem Vatikan. Harzzeit- 
schrift 1894. 8. 95#. 


Daraus ergeben sich einige Bemerkungen über die Umgegend von Wernigerode 
und über das Dorf Orlishausen in Sachsen-Weimar. Das heutige Christianental bei 
Wernigerode hieß früher das große Dillental, das kleine Dillental lag im heute so- 
genannten Gebrannten Eichentale. Der jetzige Ziegelberg trug den Namen Dornwasen- 
holz nach der in Wernigerode ansässigen Familie Dornwase, uud unter dem Tünneken- 
berge lag einst das Dorf Rimbeke. Das Dorf Orlishausen aber bei Frohndorf im Amte 
Groß- Rudestädt ist eine alte thüringische Siedelung. Die ältere von seinen beiden 
Kirchen, die ursprünglich dem Bonifatius geweiht war, deutet auf die Missionszeit 
des 8. Jahrhunderts, in dem der Ort auch zuerst bekundet wird. Straßburger. 


33. Siebert. Altes und Neues über Burg Anhalt. Harzzeitschrift 1904. S. 165 ff. 


Die Burg Anhalt lag auf dem großen Hausberge. Der Berg soll seinen Namen 
davon haben, daß ein Haus. eine Burg, hier erbaut sei. 600 Meter weit davon auf 
dem Wilhelmshofer Plateau lag das Dorf Anhalt, dessen Kirche in ihren ULerresten 
vom Baurat Brinckmaun bloügelegt ist. Die Mühle, die jetzt noch den Namen Selke- 


LITERATUR - BERICHT. 97 


mühle oder Leimufermühle trägt, weist er schon für das 14. Jahrhundert als bestehend 
nach, weiß auch von einer Hütte zu berichten, deren Überreste er am Fuße des 
Berges noch gefunden haben will. Den Namen Leimufermühle bringt er mit Lehm 
zusammen, der in der Nähe gewonnen wurde. Die Burg verfiel im 15. und 16. Jahr- 
hundert. Strabburger. 


34. Simon, К. Das Kaiserhaus in Goslar. Harzzeitschrift 1904. S. 183 ff. 


Heinrich I. legte 022 in Goslar ein Dorf an, Heinrich Il. scheint schon eine 
Pfalz dort besesson zu haben, aber von Heinrich III. wird bezeugt, dali er sich um 
1046 eine Pfalz hier errichtet hat, ja daB er überhaupt erst Goslar im eigentlichen 
Sinne gestiftet hat. Straliburger. 


35. Hildebrand. Das Kloster Huysburg in den letzten 50 Jahren seines 
Bestehens. Harzzeitschrift 1904. 


Der Huywald betrug im Jahre 1804 6656 Morgen (S. 17 Anm.) und der Forst 
über Darlingerode heißt noch beute der Huysburger Hai (S. 17), weil er einst zum 
Kloster gleichen Namens gehörte. Straßburger. 


30. Sehotte, Н. Die Rammelsburger Wüstungen. Harzzeitschrift 1004. S. 1941. 


Das Rammelsburger Amt umfaßte über 10000 Hektar, darunter über 5800 Hektar 
Wald. Auf die alten Siedlungen hier rechnet Schotte nicht mehr als je 10 — 12 Hufen, 
abgesehen von der gemeinen Mark an Wald und Weide. Das Dorf Ritzgerole, meint 
er, ist dem ursprünglichen Zustande der Siedlung noch am nächsten geblieben. 
Straßburger. 


37. GróBler. Überblick über die Geschichte der Stadt Hettstedt. Harz- 
zeitschrift 1904. S. 152 — 165. 

In einem ursprünglich recht anmutigen, aber engen Tale entstand in den ersten 
Jahrhunderten nach Chr. ein Einzelhof Heiczstete, die Wohnung eines gewissen 
Heico. Daraus erwuchs allmählich ein Dorf, das 1223 noch als solches bezeichnet 
wird. Es lag im Schwabengauc, gehörte zur Freiherrschaft Arnstein und zum Archi- 
diakonate Aschersleben. Dicht dabei lag ein anderer Ort Wesenstedt, der lange Zeit 
bedeutender war. Etwa 1199 soll dann iu der Nähe von Hettstedt von zwei sagen- 
haften Bergleuten Nappian und Neucke Kupferschiefer gefunden sein. Darauf deutet 
auch der Kupferberg bei Hettstedt hin, der Anfang des 13. Jahrhunderts bereits als 
solcher genannt wird. Rasch zunehmender Verkehr ließ die Ansiedlung wachsen, 
auch eine Münze ward errichtet und zum Schutze des Bergbaus am obern Ende des 
Orts ein Schloß angelegt. Um 1300 etwa ist Hettstedt Stadt geworden, aber erst 
1430 ist es zuerst mit steinernen Mauern umgeben worden. Es war nun ein gemein- 
samer Besitz der Mansfelder Grafen, bis es an Sachsen und später an Preußen kam. 

Ы Straßburger. 
4. Tiefland. 
38. Jacob, T. Die geographisch bedingten wirtschaftlichen Grundlagen 
der Magdeburger Gegend. Siche oben S. 44 — 79. 


39. Lorenz, G. Die Kartograpbie des Erzstifts und Horzogtums Magde- 
burg. Il. und Ш. Teil (Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. 
39. Jahrg. 1904. 8. 84— 125.) 


Archiv f. Landes- u. Volksk. d. Prov. Sachsen. 1905. 7 


98 LITERATUR - BERICHT. 


Der Besprechung der Karten vom ganzen Lande im 35. Jahrgang der Magdeb. 
Geschichtsblütter folgt hier die der Karten von Teilen des Erzstifts und der 
Stadtpline von Magdeburg. Die ersteren sind (1—4) Skizzen der Ohre- 
Gegenden, 8. Walthers Singularia Magdeburgica beigegeben; (5) ein Plan des Fiener 
Bruches von 1780 іп der Kgl. Bibliothek zu Berlin; (6 — 7) Karten der Umgegend 
von Neuhaldensleben in Behrends Neuhaldensleber Kreischronik und (8—9) der 
Stadtkreis Magdeburg von Wolff-Platt und Plan der Stadt Magdeburg und deren 
nüchster Umgebung von Platt. Von ihnen sind 1 bis 5 sehr wertvoll. — Die Stadt- 
pläne von Magdeburg gehen auf 15 Originale zurück, von denen 7 in der Magdeburger 
Stadtbibliothek, 13 in der Königl. Bibliothek zu Berlin vorhanden sind. Verf. zählt 
sie und 7 Nachdrucke und Nachbildungen auf und führt den Inhalt der Karten und 
Pläne an, gibt auch bezüglich der Stadtpläne einige Zusammenstellungen über Ände- 
rungen der Straßennamen und über Änderungen in den benannten Gebäuden der Pläne 
von 1829—50. Маер В. 


40. Liebe, 6. Die Besiedelung von Magdeburgerforth. (Geschichtsblätter 
für Stadt und Land Magdeburg. 39. Jahrgang 1904. S. 71—83.) 


Magdeburgerforth, im 16. Jahrhundert ,Magdeburgische Pfordt^ genannt, liegt 
an der Stelle, wo die sumpfige Niederung des Gloiner Васһев durch Sandhügel so- 
weit eingeengt ist, daB sich der HeerstraBe von Magdeburg nach Ziesar eine Furt 
darbot. Zuerst genannt wird der Ort mit einem neu angelegten Teich 1555. Im 
Jahre 1576 wird der Teich wieder erwähnt und werden drei Kossáten, später ein 
Müller und 4 Kossäten genannt. Während des dreißigjährigen Krieges scheint die 
Ansiedlung zugrunde gegangen zu Sein; nachher entstand sie allmählich wieder, 
machte aber erst unter der Regierung Friedrich des Grolien rechte Fortschritte. In 
die Verhältnisse des Ortes in dieser und der nächstfolgenden Zeit führt der Aufsatz 
näher ein. Maenß. 


41. Peters, 0. Der „Stern® und seine Geschichte. (Geschichtsblätter für 
Stadt und Land Magdeburg. 39. Jahrg. 1904. S. 238 — 256.) 


Der „Stern“, anfänglich Fort Bergen benannt, war unter den Befestigungs- 
werken Magdeburgs am weitesten nach Süden vorgeschoben und beherrschte zugleich 
die Elbe. 1721 wurde sein Bau begonnen und noch 1869 — 1872 wurde es umge- 
baut und erweitert. Jetzt ist die Stadt Magdeburg infolge Vertrages mit dem Militär- 
fiskus in seinen Besitz getreten, sein gewaltiges Mauerwerk ist gesprengt und auf dem 
Sterngelànde wird sich künftig ein neuer Stadtteil erheben. "Verf. macht unter Bei- 
fügung von Skizzen Mitteilungen über den Bau und seine Geschichte und beschiiftigt sich 
insbesondere mit der Trenckschen Kasematte, dem Gefiingnis Friedrichs von der Trenck 
1754 — 1763. Maenß. 


42. Hecht, Richard. Vorgeschichtliche Stätten in den Marienborner Wal- 
dungen. (Blätter für Handel, Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeburger 
Zeitung. 1904, Nr. 50, S. 398f.) 


In den Marienborner Waldungen an der Eisenbahnstrecke Magdoburg - Halen- 
stedt sind 1758 die ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen gemacht worden. Aber 
erst seit 1890 sind die Gräber wieder beachtet und hauptsächlich von Maal- Alten- 
hausen und Blasius- Braunschweig untersucht worden. Es finden sich noch 4 mega- 
lithische Grabdenkmáler der jüngeren Steinzeit leidlich erhalten, sodaun eine große 


LITERATUR - BERICHT. 99 


Zahl (ungefáhr 120) Kegelgrüber der Bronzezeit, davon 49 allein im Tatergrunde oder 
der „Allee“ östlich des Weges Marienborn — Harbke, und endlich das fesselndste vor- 
geschichtliche Denkmal, „der Opferaltar von Marienborn*. Es ist eine Gruppe von 
3 riesigen Steinen aus Braunkohlenquarzit 3, 2'/, und 2 m lang. Ob die Steingruppe 
wirklich zu Opferzwecken gedient hat, darüber gehen die Meinungen allerdings noch 
auscinander. Маер. 


43. Zahn, W. Geschichte der Stadt Seehausen in der Altmark. (Blatter für 
Handel, Gewerbe und soz. Leben; Deibl. der Magdeb. Zeitung. 1904, Nr. 45, 49, 
S. 381 ff., 386 ff.) 

Seehausen liegt am Geestrande der Wische und am Flusse Aland, wo dieser 
wahrscheinlich ehemals eine seeartige Erweiterung hatte. Zuerst vorhanden war eine 
landesherrliche Burg, die wohl in die Zeit Heinrichs I. zuriickweist. Die in ihrer Nähe 
entstandene Ansiedlung entwickelte sich zwischen 1151 und 1174 zu einer Stadt, 
und zwar durch niederländische Kolonisten. Diese alte Stadt lag südlich der jetzigen; 
die Neustadt wurde 1180 von Kolonisten sächsischen Stammes gegründet. Gegen 
Ende des 13. Jahrhunderts ist die Altstadt eingegangen und sind die Bewohner der- 
selben in die Neustadt übergegangen. Für diese Annahmen sprechen die eigentüm- 
lichen Verhältnisse der Gerichtsbarkeit. Die Stadt kam zu Wohlstand, namentlich 
durch schwunghaft betriebenen Getreidehandel. Das Getreide wurde meist auf der 
Elbe, deren Hauptstrom näher als heute bei der Stadt vorbeizog, nach Hamburg ver- 
schifft. Im dreißigjährigen Kriege hatte sie schwer zu leiden, bei ihrer niedrigen 
Lage auch durch Überschwemmungen, besonders im 15. und 16. Jahrhundert. Den 
Schluß machen Nachrichten über die Kirchen, das Dominikanerkloster, die geistlichen 
Brüderschaften, dio Hospitüler und die Schulen. Maeng. 


44. Schmidt, W. Der Trüben und seine Umgebung. (Geschichtsblätter für 
Stadt und Land Magdeburg. 39. Jahrg. 1904, S. 56—70.) 


Verf. beschreibt die Gegend des Trüben — der alte Bruch erstreckte sich von 
Fischbeck bei Jerichow bis an den Klietzer See —, spricht von den alten Elbläufen 
in diesem Gebiete, von der 1781 beginnenden Urbarmachung des Trüben uud gibt 
geschichtliche Nachrichten über Jerichow und die übrigen Orte der Umgebung des 
ehemaligen Bruches. М аероб. 


45. Dietrich, M. Das ehemalige Kloster Gottesgnadon. (Blätter für Handel, 

Gewerbe und soz. Leben; Beibl. zur Magdeb. Zeitung. 1904, Nr. 24, S. 190ff.) 

Der Aufsatz bringt geschichtliche Nachrichten über das ehemalige, 1131 ge- 
gründete Kloster, die Jetzire Domäne Gottesgnaden bei Calbe а. S. Maeng. 


46. Zahn, W. Der Drómling. Ein Beitrag zur Landeskunde und Geschichte der 
Altmark. Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Drómlings- 
Korporation. Öbisfelde 1905, Selbstverlag der Drömlings- Korporation. In Kom- 
mission: Weyhe, Salzwedel. 4°. 171 5. 


Der um die altmärkische Geschichtsforschung hochverdiente Verf. behandelt in 
dieser Schrift den Drömling vor der Entwässerung, die Entwässerung selbst und die 
Geschichte der Drömlings- Korporation. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem 
Namen „Drömling“ und gibt der Erklärung von Langer (im Programm von Zeitz 

7* 


100 LITERATUR - BERICHT. 


1898) wohl mit Recht den Vorzug, wonach das Wort tremen (niederdeutsch dremen), 
schwanken, zugrunde liegt, und also ein schwankender, schwebender Boden be- 
zeichnet ist. Dann bringt er alle älteren Nachrichten über den Drömling und besonders 
die Beschreibungen desselben von Sam. Walther in den Sing. Magdeburgica (1737) 
und vom Obergrabeninspektor Riedel (niedergeschrieben 1811). Nach den Akten wird 
im zweiten Teile die Geschichte der Entwässerung und im dritten, der die größere 
Hälfte des Ganzen ausmacht, dio Geschichte der Drómlings- Korporation aufs ein- 
gehendste erzählt. Dabei kommen nicht nur die ursprüngliche und spätere Verfassung 
der Korporation mit den vorgekommoenen Streitigkeiten, sondern auch alle Verhältnisse 
des Drómlings vom Moorbrennen und dem Fischfang in den Graben bis zur Damm- 
kultur zur Besprechung. | : MaenB. 


47. Günther, A. und Schneider, 0. Heimat- und Landeskunde von Anhalt. 
Heimatkundliches Lesebuch für die Schulen des Herzogtums. 4. Aufl. Mit einer 
Karte des Herzogtums Anhalt. Köthen, О. Schulze, 1904. 


Das Buch ist durchaus den Bedürfnissen der Schule angepaßt und beginnt mit 
der Darstellung der Heimat, die nach den Kreisen des Herzogtums Anhalt gegliedert 
ist. Im Mittelpunkt jedes einzelnen Abschnittes steht die Kreishauptstadt. Neben 
der Landschaftsschilderung wird uns auch aus Sage und Geschichte allerhand erzählt 
und über die wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse ausführlich berichtet. 
Dieser Teil des Buches bietet auch für weitere Kreise viel Interessantes. Dagegen 
dient der letzte Teil, der das Land Anhalt zum Gegenstand hat, in erster Linie dem 
Unterricht in der Schule. In diesem muß der Abschnitt „Die Bodenbeschaffenheit 
und die Naturerzeugnisse* bei der nächsten Auflage einer gründlichen Umarbeitung 
und Verbesserung unterzogen werden. Das Rotliegende besteht nicht aus Zechstein, 
sondern wird überlagert von den Schichten der Zechsteinformation. Die Salzlager 
Auhalts gehören meist der Zechsteinformation, nicht dem Buutsandstein an. Ule. 


48. Schmidt, E. 0. Kursüchsische Streifzüge. 2. Band: Wanderungen in der 
Niederlausitz. Mit einem Titelbild und 21 Federzeichnungen von M. Niither. 
Leipzig, Fr. W. Grunow, 1904. 


Die gute Aufnahme, die der 1. Band der Kursüchsischen Streifzüge gefunden 
hat (s. Lit.- Bericht 1902, Nr. 75 S. 130), ermutigte den Verfasser zur Fortsetzung 
seines Werkes. Wieder gibt er eine sehr anmutende Schilderung von Land und Volk, 
aber das Gebiet, durch das er uns in diesem 2. Bande führt, liegt bereits außerhalb 
der Provinz Sachsen. Immerhin erachteten wir es für angebracht, das Buch in 
unseren Literatur- Bericht aufzunehmen, weil es unmittelbar angrenzende Landesteile 
behandelt, die überdies jahrhundertelang im Besitz der Wettiner gewesen sind, wo- 
durch sie unser besonderes Interesse verdienen. Es ist die Niederlausitz, durch die 
wir unter Führung des Verfassers wandern. Senftenberg und Altdobern, den Spree- 
wald, das Gebiet von der Spree bis zur Oder, Neuzelle und Umgebung, die Gegend 
vom Schwielochsee bis zur Schwarzen Elster, die Schlösser der Grafen Brühl und 
endlich Dobrilugk lernen wir kennen. Ule. 


LISTE DER BEARBEITER DES LITERATUR - BERICHTS. 101 


Inhalts-Verzeichnis zum Literatur- Bericht. 


Seite бейе 
I. Bodenbau. . . . . . . . 86 VII. Zusammenfassende Landes- 
IL Gewüsser. . . . . . . . 87 kunde, Ortskunde, Geschichtliches, 
ПІ. Klima. . . . . . . . . 87 ide кошын Ds 
2 . Allgemeines . . . . . . 
IV. Pflanzenwelt. . . . . . . 87 ТЕН ИКЕ” 
V. Tierwelt |... .. . 89 3. Harz (mit Mansfeld) . . . 95 
Vl. Volkskunde . . . . . . . 92 4. Tiefland . . . . . . . 97 


Liste der Bearbeiter des Literatur-Berichts. 


Geh. Regierungsrat Professor Dr. A. Kirchhoff (Mockau b. Leipzig). 
Professor J. Maenß (Magdeburg). 

Professor Dr. E. Straßburger (Aschersleben). 

Professor Dr. O. Taschenberg (Halle). 

Privatdozent Professor Dr. W. Ule (Halle). 

Privatdozent Dr. E. Wüst (Halle). 


Buchdruckerei des Waisenhauses in Halle a. S. 


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