Skip to main content

Full text of "Archiv für Reformationsgeschichte 17.1920-18.1921"

See other formats


Google 


Über dieses Buch 


Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 


Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun Öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 


Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 


Nutzungsrichtlinien 


Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 


Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 


+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 


+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 


+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 


+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 


Über Google Buchsuche 


Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen. 


Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|ht tp: //books.google.comldurchsuchen. 


Library 
of tbe 
University of Wisconsin 


ET rn -| 


e 


ARCH 


RERORMATIONSERSCHICHTE. 


TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN. 


—  —À 


Im Auftrag 
des Vereins für Reformationsgeschichte 


herausgegeben von 


D. Walter Friedensburg. 


XVII. Jahrgang. 1920. 


— oO —- . 


Leipzig 
Verlag von M. Heinsius Nachfolger 
1920. 


17-18 Inhaltsübersicht. 


G. Kawerau, Oberkonsistorialrat D. Dr., Berlin, Aus dem 
Wittenberger Universitütsleben . 1 

A. Wahl, Professor Dr., Tübingen, Beitrüge zur Kritik der 
Überlieferung von Luthers ee der 
Frühzeit . 

R. Stölzle, Geh. Hofrat, Universitätsprofessor Dr. in Würz- 
burg, Ein unbekanntes deutsches Lied des Panl 
Schede Melissus : 

Th. Wotschke, Dr., Lic. theol. Pastor in Prata (Bez. 
Halle), Johanz Laski und der Abenteurer Heraklid 
Basilikus ; 5. o3 x 0: une 0 wow ee 

E. Hirsch, Lic. theol, Privatdozent, Bonn, Melanchthon 
und das Interim 

G. Bossert, D., Pfarrer a. D. in Stuttgart, Drei Briefe 
Melanchthons 

G. Stuhlfauth, Professor Dr. in Berlin, Zum Passional 
Christi und Antichristi . 

Joh. Haußleiter, D., Geh. Konsistorialrat, Universitäts- 
professor in Greifswald, Ein Stück der Genesis- 
vorlesung Luthers in einer Greifswalder Handschrift 

G. Buchwald, D., Superintendent in Rochlitz, Bugenhagens 

. Katechismuspredigten . . 

K. Schornbaum, D. Dr., Pfarrer in n Alfeld bei Horabmek: 
Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die 
Einigungsbestrebungen der protestantischen Stände 
1556—1559 . . . . . . . . 105—131; 

Clemen, Professor D. Dr. in ZEE Georg Witzel 
und Justus Jonas. 


. Buchwald, Georg Helts Wittenberger Predigttagebuch 
183—208; 


G.Loesche, Hofrat, Professor D. Dr. in Künigssee, Die 
reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Inner- 
österreichs I. III. . . . 209—230; 

G. Bossert, D. Pfarrer a. D. in Stuttgart, Ein Brief. 
fragment von Julius Plug . . 

E. Kroker, Professor D. Dr., Stadtbibliothekar in TM 
Luthers Arbeitsstube 

Mitteilungen: G. Bossert, Küngold Bodenstein S. 158. 
— Aus Zeitschriften S. 153—160; 816—820, — Neu- 
erscheinungen S. 74—80; 286—240. 


£ 


Q 


161—182 


132—152 


241—276 


277—300 


231—235 


301—315 


Aus dem Wittenberger Universitätsleben. 
Von G. Kawerau (7). 


Die Lutherhalle in Wittenberg hat kürzlich eine Hand- 
schrift erworben (Papierhandschrift 4°, Titelblatt und 112 
jetzt bezifferte Blätter), der auf dem Vorsatzblatte der alte 
Titel aufgeklebt ist: Epistolae quaedam D. M. Lutheri, item 
Phil. Mel. et aliorum virorum. Petrus Pontanus. 1544. Diese 
Zahl kann sich nur auf die Zeit beziehen, zu der der Sammler 
mit seinen Abschriften begann, denn im weiteren Verlauf 
begegnet man auch Stücken mit der Jahreszahl 1545, späteren 
aber nicht. Die Persönlichkeit des Petrus Pontanus fest- 
zustellen, ist mir bisher nicht gelungen, denn der Name ist 
weder im Wittenberger Album, noch im Verzeichnis der 
Baccalaurei und Magistri noch im Ordinanden-Verzeichnis 
zu entdecken; wie mir H. D. Kroker mitteilt, auch nicht in 
der Leipziger Matrikel. Es läßt sich nur annehmen, daß er 
Beziehungen zu Dugenhagen hatte, vielleicht bei diesem 
wohnte, da ihm mehrere sonst unbekannte Briefe au diesen 
zur Verfügung standen. | 


Die Handschrift, wohl längst aus altem Einband 
gelöst und seitdem uuge'"v „ hat dureh die mangelhafte 


Art der Aufbewahrung . 3 uen Rändern gelitten, auch Blätter 
am Anfang und Schluß eingebüßt: jetzt beginnt sie mitten 
in einer Abschrift von Bestimmungen für die Studenten 
(undatiert) und bricht ab im Briefe eines Lehrers in Branden- 
burg?) an seinen väterlichen Freund in Wittenberg, den er 


3) Unzweifelhaft Mag. Joh, Lübbicke, der Sohn einer Schwester 
Bugenhagens; vgl. Vogt, Bugenhagens Briefwechsel S.315; Joh, Lubke 
aus Greifenberg i. P. 14. Okt. 1533 inskrib., Mag. 31. Jan. 1544. Ein 
zweiter Brief von ihm au Bugenharen vom 15. April 1514 in unserer 
Handschrift S. 107ff. — Bei der Ermittlung und Feststellung der 
Personalien verdanke ich wertvolle Hilfe Herrn Professor Flemming 
in Pforta. 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVII, 1. 4 


2 2 


nieht nur als praeceptor, sondern auch als avuncule perpetua 
pietate et fide eolendissime anredet (Bugenhagen). Der ver- 
lorene Schluß läßt Briefschreiber und Datum im Ungewissen. 

Doch nicht den Briefen dieser Sammlung gilt dieser 
Aufsatz — die Briefe von und an Luther sind sämtlich 
bekannt —, sondern einem andern Bestandteil, den der 
Titel nicht vermuten läßt. Der Sammler hat sieh nämlich 
aus den Jahren 1543 und 1544, vereinzelt auch aus 1537 
und 1545!) eine größere Anzahl von Anschlägen am 
schwarzen Brett der Universität abgeschrieben, durch die 
die bekannte Sammlung der Seripta publiee proposita eine 


interessante Ergünzung erfährt — soviel ich sche, stehen 
die meisten der hier aufbewahrten Stücke nicht in der ge- 
druckten Sammlung?) — nur Nr. 29—32. Ich gebe kurze 


Inhaltsangaben. 

1. Bl. 74: s. d. Melanchthon kündigt Bugenhagens Vor- 
lesung über Augustinus de spiritu et litera an, 6 Uhr morgens, 
um nicht mit der Vorlesung über Physik zu kollidieren, jeden 
Donnerstag und Freitag; Augustins Schrift ist erhältlich bei 
dem typographus Josippus (Josef Klug) 3). 

2. Bl. 79: s. d. Der Rektor klagt über einen seditiosus 
nebulo, der sich in die Sache eines Gefangenen (Studenten) 
eingemischt hat. Der Kurfürst hat diesen dem Universitiits- 
gericht gnädig überwiesen. Warnung der Studenten vor 
tumultus, nocturnae vociferationes, larvatorum) discursiones. 
Mahnung zur Nüchternheit. 

3. Bl. 80: 3. März 15455. Rektor (G. Major): es sollen 
keine errones an der Universität sein, die sich nicht inskribieren 


1) Der Bl. 45 mitten unter den Briefen befindliche Anschlag des 
Rektors (Blickhard Sindringer) vom 11. Oktober 1537 in Sachen Paul 
Heintz ist bereits von Buchwald, Zur Wittenb. Stadt- u. Universitäts- 
gesch. 1893 S. 139 f. aus Rörers llinterlassenschaft abgedruckt. Über 
den von 1515 s. Nr. 3, 

2) Von dieser legt mir die Ausgabe Seripta publice proposita 
.. . ab anno 1540 usque ad annum 1553. Witteb. 1553 (in meinem 
Besitz) vor. (Erman-lHorn, Bibl. d. d. Univ. II Nr. 19307.) 

3) Steht gedruckt Seripta publ. prop. 1553 Bl. R 2b unter den 
Schriften von 1545; Corp. Ref. V, 810 vgl. 805. 

*) Handschrift: lauatorum. 

5) Gedruckt Scripta publ. prop. 1553 Bl. 05; Corp. Ref. V, 685. 


3 3 


lassen, niemand darf bei sich einen hospitem ignotum auf- 
nehmen, kein Stndent darf eine bombarda haben, sonst wird 
er relegiert. Die öffentliche Ruhe ist zu schützen. Geschrei 
in der Kirche wird ernst bestraft werden. (Nemo avellat 
sub poena periurii.)!) 

4. Bl. 78: s. d. Paul Eber: wird vom nächsten Gregors- 
tage an (17. März) zweimal wöchentlich den liber de anima 
vortragen, und zweimal wöchentlich die physica. 

5. Bl.82b: s.a. 26. April. Rektor: Klage über Studenten, 
die sieh nicht inskribieren lassen: diese sollen die Stadt ver- 
lassen oder den Gesetzen gehorchen. Ankündigung der 
Rektorwahl am 1. Mai. 

6. Bl. 86: s. d. Rektor über einen nächtlichen Skandal: 
die Türen am Schloß und Bürgerhäuser sind durch Stein- 
würfe angegriffen, mit wildem Geschrei ist die Nachtruhe 
gestört. Mahnung der Studenten zu gesittetem Verhalten 
und daB sie sich in die Verhaftung soleher Tumultuanten 
nieht einmischen. 

7. Hl. 87: s. d. Rektor fordert zur Teilnahme am Be- 
grübnis des Studenten Kaspar Lochten aus Braunschweig?) 
auf. Die Feier beginnt vor dem Hause des Andreas chyrurgus?) 
neben dem Sehlosse. 

8. Bl. 87b: s. d. Mag. Carolus Figulus wird die ersten 
4 Wochentage Isokrates erklären, die beiden letzten Hesiods 
%, xal Tuégau, 1 Uhr nachm. Wohnt in aedibus M. Joh. 
Iscobii (?). 

9. Bl. 88: 3. Juni 1543. Der Dekan der medizinischen 
Fakultit ladet zur Doktorpromotion des Mag. Joh. Breth- 
schneider“) (Placotomus) ein. 

10. Bl. 85b: s. d. Veit Winsheym°) kündigt seine Vor- 
lesung über das 18. Buch der Ilias (clipeus Achillis) an. 


!) Diese Warnuug felilt im Druck. 

?) Casparus Locht Brunsvicensis, imm. 10. März 1543. 

) Engelhard, Euders 12, 145; 13, 313. N. Müller, P. Besken- 
dorf (in Aus Deutschlands Vergangenheit) 89. 

) Vgl. Corp. Ref. X, 342; Enders 15, 194. Bakk. u. Mag. III, 13. 

5) Veit Ortel von Windsheim, in Wittenberg inskr. S,-S. 1523, 
Doktor der Medizin und Professor der griechischen Sprache; Mag. 1528, 
S.-S. 1510 Rektor. 


1* 


4 | 4 

11. Bl. 89: s. a. [1543] 14. Juni. Der Rektor macht den 
Tod des Studenten Alexius Hecker!) bekannt, der verun- 
glückt sei ex ictu bombardae, quam forte ineautius traetarat. 
Versammlung vor dem Hause des chirurgus Michael am Markte 

19. Bl. 89b: s. d. Der Rektor zeigt den Tod des Licen- 
tiaten der Medizin Jakob Bremser?) an, der seit 4 Jahren 
durch schwere Krankheit verhindert gewesen ist, sein Amt 
zu versehen. Doktoren, Magister und Studenten werden zur 
Teilnahme am Begräbnis aufgefordert. 

13. Bl. 90: s. d. Johannes Lemiger aus Innsbruck (Oeni- 
pontanus) zeigt den Studenten an, dab er heute mit Vor- 
lesungen über die Anfangsgründe der Musik, verbunden mit 
exercitia utilia et crebra, beginnen werde. Er wohnt bei 
dem Schuster Peter Schliebner penes collegium in postrema 
habitatione. 

14. Bl. 90b: s. d. Der Rektor teilt den Tod des adligen 
Studenten Johannes Tsehernin a Saborsi mit und ladet zur 
Teilnahme am Begräbnis ein vom Hause des Dr. Benedikt 
Pauli aus (ad muros et aggerem non proeul a superiore 
porta oppidi. Im Album fehlt der Name. 

15. Bl. 91b: s. d. Der Dekan der Juristenfakultät ladet 
Magister und Studenten zur Verleihung des juristischen 
Doktors an Ulrieh Mordeysen?) ein. 

16. Dl. 92b: s. d. Rektor ladet zur Teilnahme an der 
Leichenfeier der nobilis ae plena pietatis foemina Elisabeth 
Rabiel*), Sehwester des praefeetus in arce, ein, alle Doktoren, 
Magister und Seholastiei mögen sich beteiligen. 


1) Doch wohl der am 17. November 1541 inskribierte Alexius 
Hecker Schleusingen. (Alb. I 195), obgleich er hier Rheinhistensus oder 
Rhemh. genannt wird. 

2) Jakobus Premsel aus Torgau, inskribiert 1507; bacc, 11. Oktober 
1508, 10. Februar 1512 mag.; receptus in fac. artist. 18, Februar 1516; 
1522 art, Decanus (Jacobus Postomius Torgavus) Rektor WS 1529/30 
(Jacobus Postomius Torgavus, art. Mag. et medicinorum Licent.). 
Enders I 313, 437 (de Wette-Seid. VI 13). Vgl. über Premsel auch 
W. Friedensburg, Gesch. d, Universitát Wittenberg (Halle 1917) S. 109, 
128, 161, 175. 

) Im W.-S, 1535/36 inskr., Lypsensis; als J. U. Doctor S.-S. 1545 
Rektor; Friedensburg a. a. O. S. 207. 

) Aus adligem Geschlecht, vgl. Alb. Wit. im Register (S. 375f.). 


5 5 


17. Bl.92b: 23. Juli 1543. Die Universität zitiert finaliter 
ac peremptorie die Studenten Theodoricus de Lesbach ), 
Georghenningk de Schalei?), Michael Hoffmann ê), Wolfgang 
Kunholt*, Martin Pottinger, Georg Egelsberger als beteiligt 
bei dem Tumult, der in den Pfingsttagen unter Studenten 
und Fisehern in suburbio entstanden ist; darauf sind in arce 
und an Bürgerhäusern Fenster eingeworfen; den Kellner 
(institor) der Schenke haben sie in den Fluß geworfen, 
Trinkgefäße zertrümmert. Die Zitierten haben sich als Teil- 
nehmer an dem Unfug verdächtig gemacht, da sie sich 
schleunigst aus W. entfernt haben. Daher werden sie zum 
ersten-, zweiten- und drittenmal zitiert, jede Zitation mit 
14tägiger Dauer, so dab. sie spätestens am 10. September 
12 Uhr im Juristen-Kolleg erscheinen und sich rechtfertigen 
sollen, andernfalls schuldig erklürt werden und gegen sie 
weiter prozediert werden wird. (Nemo citacionem hane 
deponat seu auferat sub Relegationis poena!) 

18. Bl. 94: s. d. Der Dekan der facultas artium) fordert 
die, welche den Magistergrad erwerben wollen, auf, innerhalb 
8 Tagen sieh bei ihm anzumelden. 

19. Bl. 94: s. d. Der Buchdrueker Georg Rhau kündigt 
in lateinischem Anschlag das Erscheinen des Buches Re- 
sponsoria an?) (novi authoris atque quantum ego scio in 
nostris partibus hactenus incogniti), wichtig für die guber- 
natores scholarum, um regulares cantiones zu haben, die sie 
mit den Knaben einüben können. 

20. Bl. 94b. s.d. Stanislaus Littuanus?) erbietet sich, 

) Nicht im Album. 

7) Nicht im Album. Ein Georg Henigken wurde schon am 
18. August 1531 inskribiert, aber wohl kaum mit dem hier genannten 
identisch. 

3) 8.-8. 1541: M. H. aus Annaberg. 

*) Dieser und die folgenden nicht im Album zu finden, . 

5) Wenn chronologische Folge unter den Anschlägen besteht, 
dann Andreas Aurifaber. Nächste Magister-Promotion 11. Sept. 1543. 

©) Wie Georg Busch, Rhau's Setzer, am 14. Februar 1544 schreibt, 
waren die Responsoria in der Druckerei vergriffen, nur noch bei den 
Buchführern für 18 Gr. zu haben. Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchh. 
XVI, 226. 


) 22. März 1542 inskribiert Album 194. Es ist Stanislaus 
Rapagebanus; 1544 Lic. und Dr. theol., dann Professor der Theologie 


6 6 


Studenten hebräischen Unterricht zu erteilen, die Sprache 
gei viel leichter als das Griechische und lasse sich in wenigen 
Monaten erlernen; er werde die Grammatik des Seb. Münster, 
quae Cosmatum opus inseribitur und ad captum discentium 
geschrieben sei, zugrunde legen. Anmeldung in der Wohnung 
„der Gunglin*!) in der neuen Gasse. 


21. Bl.95b: s. d. Der Dekan der Artisten-Fakultät. 
Nachdem die Bewerber um den Magistergrad im nicht 
öffentlichen Fakultüts-Examen auf ibre Kenntnisse geprüft 
seien, soll heute um 12 Uhr noch ein publicam examen 
stattfinden, bei dem alle docti viri, besonders die Doctores, 
Licentiati und Magistri sich überzeugen können de ingeniis, 
eruditione et moribus candidatorum. 


29. Bl. 95b: 8. September [1543]. Der Dekan (A. Auri- 
faber) ladet zu der am nächsten Dinstag [11. September] 
stattfindenden Verleihung des Magistergrades an 29 Be- 
werber ein?) | 


23. Bl. 96: 7. Oktober 1543. Der Dekan der theologischen 
Fakultät (Luther) ladet zur Doktor-Promotion des Erasmus 
Alberus auf den Tag Burcardi (11. Oktober) ein?) Sein 
Anschlag *) lautet: 


Admirandum est opus Dei creatio rerum, sed multo 
maius est, quod postea se homini certis testimoniis patefecit, 
addidit doetrinam et promissiones suas, ministerium suum 
voce instituit, propagandi illa oraeula ad omnem posteritatem, 
ut at societatem aeternorum bonorum homines vocet. Si 
cogitaremus Deum non frustra ex illa areana sede sua 
prodiisse, sed testatum esse, se vere adfici cura generis 
humani, ministerium Euangelii magis veneraremur. Sed coeca 
natura hominum non aspieit opera Dei nee voluntatem eius 
eousiderat. Necesse est tamen, Ecclesiam aliquam Dei esse, 


in Kónigsberg; Freytag, Preußen anf der Universität Wittenberg S. 98; 
Tschackert, Urkundenk. z. Ref.-G. Preußens I 259ff. u. ö. 

1) Wohl die Witwe von Joh. Gunkelin, Enders I 313; Arch. f. 
Ref.-G. 12, 19, 20; Friedensburg S. 65 usw. (S. Register.) 

2) Vgl. Bakk. u. Mag. III 15, wo die 29 vom 11. September 1513 
verzeichnet sind. 

3) Lib. Decan. S. 83. Enders 15, 240%, 

*) Wohl von Melanchthon verfaßt. 


2 


7 7 
in qua accensa est aliqua harum maximarum rerum noticia, 
Hie coetus veneratur ministerium et pia studia. Renunciabimus 
autem proxima die Burcardi venerabilem virum Erasmum 
Alberum Theologiae doctorem, ut testimonio nostro ministerium 
eius suis Ecclesiis commendetur. Quare petimus, ut pii qui 
amant ministerium Euangelii, intersint illi renuneiationi et 
non solum sint oeiosi spectatores pompae. sed nobiscum 
ardenti pectore Deum orent, ut conservet Euangelii lucem 
in terris et extrudat in suam messem idoneos ministros, qui 
sunt, ut Paulus inquit, Lucernae in mundo, sermonem vitae 
retinentes. Huius tanti muneris cura vere adíiei omnes 
homines oportebat, Datae die 7. Octobris Anno 1543. 


24. Bl. 96b: s. d. Johannes Saxo!) teilt mit, er habe 
eigentlieh Horaz' ars poetiea interpretieren wollen, aber da 
eben ein Kommentar dazu erschienen sei, gebe er seine 
Absicht auf und wähle Melanchthons Epitome philosophiae 
moralis?), über die er Mittwoch, Sonnabend und Sonntag um 
4 Uhr lesen werde, Aus dieser Schrift könnten die Studenten 
in kurzer Fassung die Ethik des Plato, Aristoteles und 
Cicero kennen lernen. 

25. Bl.97b: s. d. PetrusIlolsatiensis?) kündigt auf Wunsch 
eine zweistündige Vorlesung über Melanchthons Dialektik aut), 
ebenso zweistündig Rhetorik?) und zweistündig über Ciceros 
epp. familiares. 

26. Bl. 98: s. d. Der Rektor (Major) ladet zum Begräbnis 
von Joh. Prüfer aus Freistadt“) ein, Wohnung am Elsterthor 
in der Straße an der Mauer. Prüfer hatte eine Zeitlang an 
Schulen gearbeitet, bereitete sich jetzt aufs Predigtamt vor. 
In diesem Jahr der dritte Schlesier, den die Universität ver- 


) Vgl. Enders XIV, 29; im W.-S. 1525/26 inskribiert; 1531 
31. Januar Magister, am 6. April 1530 in senatum artist. receptus; 
1533 und 1539 Dekan. Mehrere Jahre Hansgenosse Luthers. Vgl. 
Kroker, Katharina v. Bora S. 189; Friedensburg S. 220. 222. 

*) Seit 1538 mehrfach überarbeitet, abgedr. Corp. Ref. XVI 21f. 

*) Petrus Generanus aus Gjenner, Magister 5, Februar 1510; 
Vogt, Bugenh. Briefe 233, Haußleiter, Mel. Compendium S. 55; Enders 
14, 180, 

*) Vgl. Corp. Ref. XIII, 507. 

5) Corp. Rer. XIIT, 413. 

e) Inskribiert S.-S. 1536, Alb. I, 160. 


8 | 8 
liert: Johann Tsehernin (vgl. oben Nr. 14), Sumanus!) und 
Prüfer. 

27. Bl. 98 b: s.d. Der Rektor schärft allen, qui in Collegiis 
habitant, folgende 6 Artikel ein: 1. die Miete rechtzeitig zu 
bezahlen, spätestens vor dem nächsten Sonntag ihre Schuld 
zu entrichten; 2. ignorante locatore ihre Stube nicht an 
andere zu geben; 3. nicht vor Tilgung ihrer Schuld die 
Stadt zu verlassen; 4. mit Licht und Feuer vorsichtig um- 
zugehen; 5. nicht sordes ante cubicula in ipsis contignationibus 
fortzuwerfen, da Stroh und Reisig leicht Feuer fangen; 
6. Vorübergehende nieht dureh Ausgießen von Urin zu be- 
schmutzen, sondern ante effusionem cireumspiciant, ne quem 
conspergant (also das Ausschütten selbst ist nicht verboten!). 
Melanchthon hat hinzugefügt: In digestis gravis poena con- 
stituta est in eos, qui avellunt decreta ex praetoris tabula; 
de hae lege studiosos admonemus ac prohibemus avelli hoc 
edictum, quia notum fieri omnibus interest Reipubl. 

28. Bl. 100: s. d. Der Rektor macht den Termin der 
neuen Rektorwahl bekannt und ladet dazu ein. 

29. Bl. 100b: 11. November [1543]. Der Rektor (Meleh. 
Fendius)ladet zum Begräbnis des Professors Matth. Aurogallus?) 
ein. (Von Melanchthons Hand geschrieben.) 

30. Bl, 101: s. d. Melanehthon kündigt seine Vorlesung 
‚über das 5. Buch Ethicorum Aristotelis de justitia an)). 

31. Bl.101b: Coena Domini [10. April] 1544. Der 
Rektor (Melehior Fendius) ladet zum Begrübnis des Magister 
Martinus Hegius aus Esens ein)). 

32. Bl. 102b: 26. Juli 1544. Der Rektor (Johannes 
Saxo) Über die Stipendienordnung des Kurfürsten“). 

Die folgenden Blätter enthalten wieder Briefabschriften. 


1) Casparus Sumanus Silesius, Magister 8. August 1542; im 
Album nicht zu finden. 

2) Handschrift Aurigallus. Dieser Anschlag ist gedruckt in 
Scripta publ. propos. 1553 Bl. J 6. Vgl. Enders XV, 274. 

) Gedruckt in Scripta publ. prop. 1553 Bl. J 6 b. Corp. Ref. V, 228. 

4) Gedruckt in Seripta publ. prop. Bl. K 5. Erst am 10. Januar 
1543 war Hegius in senatum artist. aufgenommen worden. Wohl der 
Martinus Esensis, der im S.-S. 1531 in Wittenberg inskribiert wurde, 
Album I 143, Haußleiter, Mel. Kompendium S, 49, 

5) Gedruckt in Scripta publ. prop. Bl. L8 b. Vgl. Friedensburg S. 239 ff. 


9 9 


Die verschiedenartigen Anschläge, die wir hier gesammelt 
finden, enthalten Beiträge zur Sittengeschichte der Witten- 
berger Studenten, Einblicke in die Vorlesungstätigkeit der 
Dozenten, aber auch solcher, die nicht zum Lehrkörper ge- 
hörten. Interessant ist, daB ein Dozent auch den Sonntag- 
nachmittag zu seiner Vorlesung verwendet. Daß auch Buch- 
händler ihre Erzeugnisse den Studenten anzeigten und emp- 
fahlen, erfahren wir aus Nr. 19. Häufig ist die Aufforderung 
zur Teilnahme an Begräbnissen von Dozenten und Studenten, 
doch finden wir auch hier, wie gelegentlich in den Scripta 
publ. proposita, die Einladung zum Begräbnis einer Dame 
aus den oberen Ständer, der die Universität die letzte Ehre 
gibt. Die Artikel bezüglieh der Studentenwohnungen geben 
ein trübes Bild von deren Reinlichkeit und der Reinlichkeit 


der Straßen. Zwischen Studenten und Fischern besteht 


Feindschaft, die zu Tätlichkeiten ausartet. Die Nachtruhe 
friedlicher Bürger sieht sich durch wüsten Lärm und Ver- 
gnügen am Fenstereinwerfen bedroht, selbst das Schloß ist 
vor Angriffen nicht sicher. Doch wird man nicht daraus 
schließen dürfen, daß es in Wittenberg schlimmer aussah 
als in andern Universitätsstädten. Auffallend ist das Fehlen 
zahlreicher Namen von den Studenten im Album der Uni- 
versität. 


Da der Anfang der Handschrift verloren ist, 80 ist 
von den dort enthaltenen Gesetzen für die Studierenden 
nur der letzte Abschnitt, die Leges sumptuariae, vollständig 
erhalten. Von dem Vorangehenden enthält das jetzige Bl. 1 
nur noeh wenige Zeilen. Ich bringe daher nur den voll- 
ständig erhaltenen Abschnitt zum Abdruck. 


Bl. 1. Leges sumptuariae. 


1. Praeceptores qui sub private cura habent discipulos 
et labores sumunt legendi et iuterpretandi, repetendi et emen- 
dandi seripta, mores denique et studia gubernandi, pro mercede 
non amplius 8 flo.: in annum accipiant. 

2. Pro institutione et victu et habitatione non aecipiant 
summam maiorem triginta florenorum in annuum tempus. 

3. Doetores Juris suos discipulos in annum non doceant 
amplius quam 12 florenis. 


10 10 


4. Detur aliquibus ex Magistratu urbis et Academico 
negocium inspiciendi habitationes, aestimandi eonstituendique 
certum annuae pensionis preeium, quantum aedes. singulae 
locari debeant, nee carius Cives locent, quam Inspectores 
definierunt. Si aliquid aceipiant ultra definitum, duplo reddatur. 

5. Profusio in supervacaneis et immodieis sumptibus 
eohereeatur, posthabeantur luxuriosae et sumptuosae com- 
potationes, quae die natuli celebrari consueverunt. 

6. Seholastiei bono modo se vestiant, veste utantur 
modesta oblonga, qua indeeoras aspeetu partes tegant, non 
insolenter diseissa, non varie pietas, non praetexta purpurae. 
Tibialibus utantur integris, nee foemoralia seriea aut ex alio 
panno ex tibialibus deseissis promineant, 

7. Interdieetur vestiariis, ne huiusmodi insolentes @uouoo- 
tarag vestes faciant. Si quid habent eius generis vestimenta 
ad Penthec. usque utantur, post id tempus deponant, 

8. Si qui venerint peregrino more insolentius vestiti 
quam decet Seholasticum ordinem, [Bl. 2] consilio et mandato 
Reetoris mutabuntur aut vendentur!) aut reponentur vestes 
et decenter?) se comparabunt. 

9. Usus serieae, purpurae, Damascenae et id genus 
vestes interdictum esto. 

10. Nobilitati serieae vestis usus erit concessus. 

11. Aureas cathenas ac monialia?) [ergänze gestare] 
prohibitum volumus. 

12. Adolescentes non tractent ipsi pecuniam, sed prae- 
eeptores in sua habeant eustodia, illique suppeditent et dis- 
pensent, ubi res poscit. 

13. Convivia et compotationes ultra horam 9 non extra- 
hantur neque ferant hospites longius in noctem extendi. 

Adolescentes aes alienum clam praeceptoribus et paren- 
tibus ne eontrahant. Neque cives sui commodi et lucri eausa 
in immoderatos sumptus aut ad luxum pecuniam concedant nee 
apud se nomina fieri*) grande aes alienum eonflatum patiantur. 
Si fecerint, de sulutione in dubium venerit et periclitentur. 


1) Handschrift venditi, 

2) Handschrift Decentes. 

$) monilia, Halsketten? 

5) nomen facere, einen Schuldposten eintragen. 


——— —— — —— —— —— — — — 


Beiträge zur Kritik der Uberlieferung von 
Luthers Tischgesprächen der Frühzeit. 
Von Adalbert Wahl. 


In den Tischgesprächen liegt ein höchst eigenartiges 
Material für die Geschichte von Luthers Leben und Gedanken 
vor. Seiner ganzen Art nach steht es zwar an historischem 
Wert in mancher Hinsicht etwa hinter Briefen zurück, hat 
aber vor einer Quellengattung wie Denkwürdizkeiten, mit 
denen es übrigens mancherlei Nachteile gemeinsam hat, doch 
auch vieles voraus; es fehlt ihm vollständig das absichtlich 
oder unabsichtlich Zurechtgemachte, das vielfach bewußt 
oder unbewubt Apologetische, das der Memoirenliteratur an- 
haftet. In einem aber stehen die Tischgespräche leider weit 
hinter den meisten Denkwürdigkelten zurück: in der Art der‘ 
Überlieferung. 

Erst das Erscheinen der herrlichen vier Tischreden- 
bände der Weimarer Lutherausgabe hat eine kritische Durch- 
arbeitung dieses Quellenstoffes und seine bequemere Be- 
nutzung ermöglicht. Emsiger als vorher hat sich die For- 
schung jetzt der Frage nach den einzelnen Nachsehreibern 
und dem Datum ihrer Nachschriſten zugewandt. Die Heran- 
ziehung der Tischreden, die etwas in Mibkredit geraten 
waren!), hat einen bedeutenden Aufschwung genommen. 
Aber, ist sie immer ganz einwandfrei? Die Mehrzahl der 
Forscher nimmt die „Worte Luihers“, wie sie nunmehr in 
gereinigter Überlieferung vorliegen, vertrauensvoll in den 
Text oder die Anmerkungen ihrer Werke auf, häufig hinter 
den Nummern der Tischreden in Klammern den Namen des 
Naehsehreibers hinzufügend. Kritik setzt doch nur da 


1) v. Schubert, Luthers Frühentwicklung (Schr. d. Vereins für 
Reform.-Gesch. 121) S. 4. 


12 19 


ein 1), wo etwas nicht stimmt, d. h. wo eine Tischrede mit 
einer anderen Quelle in Widerspruch gerät. Aber sind wir 
in Wirklichkeit schon so weit? Müssen nicht noch Vor- 
arbeiten anderer Art verrichtet werden, als sie in der muster- 
haften Weimarer Ausgabe vorliegen, oder durch die oben 
angedeutete gelegentliche Kritik geleistet worden sind? Es 
genügt nicht, zu wissen, daß z. B. Veit Dietrich eine Tisch- 
rede an einem bestimmter, etwa dem erzählten Ereignis 
nahen Datum aufgezeichnet hat, um ihr ohne weiteres zu 
folgen. Wir müßten vorher unter anderem durch mühsame 
Untersuchungen festgestellt haben, ob Veit Dietrich ein guter, 
ein auch nur einigermaßen verläßlicher Führer ist oder nicht. 
Die Untersuchung dieser Frage kann nun aber nicht in erster 
Linie durch einen Vergleich mit anderen Quellen geführt 
werden: wir könnten dabei nicht zu einem positiven Resul- 
tat gelangen, denn das Vergleichsmaterial ist zu wenig un- 
fangreich; aber auch nicht zu einem negativen, indem gezeigt 
würde, daß soundso viele Tischreden in Dietrichs Über- 
lieferung nicht mit den Tatsachen übereinstimmten; denn der 
Irrtum könnte bei Luther selbst liegen?) und Veit Dietrich 
trotz allem ein tadelloser Nachschreiber sein. Vielmehr muß 
zunächst auf anderem Wege vorgegangen werden. Auf den 
folgenden Seiten soll die Frage der objektiven Richtigkeit 
oder Unrichtigkeit des Mitgeteilten ganz beiseite gelassen 
werden und nur der Versuch gemacht werden, aus inneren 
Gründen den Wert der Leistung einiger Nachschreiber fest- 
zustellen. Dazu bietet sich in den echten oder wie Kroker 
sie nennt, den „ursprünglichen“ Parallelen ), d. h. denjenigen 


1) Z. B. in Scheels Luther an zablreichen Stellen; an andern, 
nicht minder zahlreichen, zieht auch er Tischreden ohne weiteres heran. 

) Der Beweis, daß Luther selbst diese und jene falsche Nach- 
richt ,,gar nicht erzählt haben könne“, ist, wenn überhaupt, doch nur 
in ganz vereinzelten Ausnahmefällen zu erbringen. 

3) Neben ursprünglichen finden sich „abgeleitete“ Parallelen — ein 
Tischgenosse oder mehrere haben von einem anderen abgeschrieben — 
und „scheinbare“ Parallelen — Luther hat denselben Gegenstand in 
verschiedenen Tischreden in ähnlicher Weise behandelt (vgl. 
Kroker, Weimarer Ausgabe, Tischreden 1 S. XV.) 

Der von Kroker als möglich angenommene Fall der Kombinierung 
eigener Notizen oder Erinnerungsstücke durch einzelne Tischgenossen 


s — — 
s. 


— ————— — — — — E — — — 


. 


13 13 


Parallelen, die auf gleichzeitiger Nachschrift desselben Ge- 
sprächs durch verschiedene Nachschreiber beruhen, ein einzig- 
artiges Material. Nur ein Anfang soll hier gemacht werden; 
es sollen nur Nachschreiber aus der Frühzeit der Tischreden 
(1531—1533) betrachtet werden und zwar Veit Dietrich, 
Schlaginhauffen, Rabe!) und die Nachschreiber der 
Sammlung, welche die Weimarer Ausgabe als die „Dietrichs 
und Medlers“ bezeichnet. Hierbei ist es auf die Gewinnung 
eines Werturteils über Veit Dietrich und Rabe in erster 
Linie abgesehen, während die anderen Nachschreiber im 
wesentlichen nur zu Vergleichszwecken herangezogen werden. 

Es wäre dabei selbstverständlich das erfreulichste Re- 
sultat, wenn nachgewiesen werden könnte, daß der eine 
oder der andere Nachschreiber häufig Luthers Tischgespräche 
im vollen Wortlaut überlieferte. Aber leider, um es gleich 
hier zu sagen, dürfte dieser Nachweis immer nur schwer 
gelingen und sich ergeben, daß wir nur verhältnismäßig selten 
uns darauf verlassen können, ipsissima verba vor uns zu 
haben. Im ailgemeinen miissen wir schon sehr zufrieden 
sein, wenn uns mit Sicherheit gute Auszüge überliefert sind, 
die dann freilich häufig einzelne Worte und Satzteile Lutbers 
enthalten. ; 

Die Fehlerquellen unserer Überlieferung sind verschiedener 
Art: sie können in der Schwierigkeit des Nachschreibens 


mit den Nachschriften anderer, wobei sich also „halbechte“ Parallelen 


ergeben würden, '^ zum mindésten äußerst selten sein: hatte ein 
Naehsehreiber * — .schrede selbst gehört, so hat er sie auch 
ausachlieBl: © aur Grund eigener Notizen oder Erinnerung aur- 
gezeichuet. 


1) Rabe ist tatsächlich selbst Nachschreiber (vgl. unten III). 
Über die Nachsehreiber unterrichten jetzt weitaus am besten die Ein- 
leitungen in der Weimarer Ausgabe aus der Feder Krokers, von 
dessen gesundem Urteil und ungeheurer Sachkenntnis man nur mit 
besonders guten Gründen abweichen sollte. Immerhin dürfte A. Frei- 
tag in den Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation 
(Weimar 1917) S. 182 fl. nachgewiesen baben, daß G. Rörer zu der 
Sammlung, die Kroker als die „Dietrichs und Medlers“ bezeichnet, 
in sehr naher Beziehung gestanden hat und daß er unter die wich- 
tigsten Nachschreiber einzureihen ist. (Den Beweis, daß Rörer die 
Tischrede Nr, 157 Veit Dietrich nachgeschrieben, hat Freitag da- 
gegen nicht erbracht, wie hier nicht nüher ausgeführt werden soll). 


14 14 


liegen oder in dem Versagen des Gedüehtnisses!), auf das 
gewiß jeder Tischgenosse Luthers sich in vielen Fällen ver- 
lassen hat. Sie können aber zweitens in der Vorsicht oder 
Diskretion der Nachschreiber ihren Ursprung haben — so 
wenn etwa Rörer die unangenehme Eigenschaft hat, möglichst 
alle Eigennamen auszumerzen und durch das harmlose quidam 
zu ersetzen. Aber auch Schlaginhauffen hat zweifellos aus 
Vorsicht Änderungen vorgenommen, um Luther oder sich 
selbst nicht zu kompromittieren?) oder um nicht Ärgernis 
zu erregen (vgl. unten), während Rabe nicht von Aus- 
lassungen und Änderungen in einer bestimmten Tendenz 
freigesprochen werden kann. In dieser Hinsicht ist, wie 
gleich bier gesagt werden mag, von den auf diesen Blättern 
behandelten Tischgenossen Veit Dietrich der beste, der „junge 
Geselle“, der zum Glück für den Historiker mit jugendlicher 
Rüeksiehtslosigkeit nachschreibt. Eine dritte Fehlerquelle 
liegt in der absichtlichen Zurechtmachung der Worte Luthers 
unter verschiedenen Gesichtspunkten: z. Be dem der Be- 
seitigung von Schwierigkeiten des Verständnisses oder der 
Auslegung, vor allem aber unter dem „erbaulichen“ Gesichts- 


punkte. Aus diesen Quellen entspringen wahre Verheerungen . 


in Aurifabers Veröffentlichung, aber zweifellos auch schon 
manche schwerwiegende Textänderung in Cordatus’ Sammlung. 

Die Beurteilung der Nachschreiber nach „inneren“ 
Kriterien ist schwierig, aber man wird, vor allem durch den 
Vergleich der echten Parallelen, doch, bei aller Vorsicht, 
sehr häufig zu dem sicheren Resultat gelangen, daß dies 


) Auch bei dem sicher weit besseren Gedächtnis jener Generation, 
als das ist, über das unser Geschlecht verfügt, war ein derartiges 
Versagen selbstrerständlich häufig. 

*) gewiß haben die Tischgenossen ursprünglich nicht mit der 
Ab. ^ der Veröffentlichung nachgeschrieben, wie Kroker mit Recht 
g. uüber der harten Kritik bemerkt, die W. Meyer an Lauterbach 
übt (Tischreden, Weimarer Ausgabe 3 S. XIX. W. Meyers, im 
übrigen höchst wertvolle Arbeit: „Über Lauterbachs und Aurifabers 
Sammlungen der Tischreden Luthers.“ Abh. der Kgl. Ges. der Wissen- 
schaften zu Göttingen. Hist. Phil. Kl. N. F. 1, 2, Berlin 1896). Allein, 
handschriftlich wurden die Nachschriften der Tischreden notorisch 
vielfach weitergegeben und da war denn ein Mißbrauch sicher nicht 
ausgeschlossen. 


— . — — — cwm 


15 15 


oder jenes von dem, was uns überliefert ist, nicht so von 
Luther gesagt worden ist und gar nicht gesagt worden sein 
kann. Einem Denker wie Luther, der in der strengen Schule 
mittelalterlicher Logik aufgewachsen war, wird man auch 
im Gespräch keine groben Denkverstöße zumuten dürfen, 
wie er sie nach mancher uns überlieferten Tischrede be- 
gangen haben müßte. Freilich ist bei der Anwendung dieses 
Maßstabes Vorsicht geboten; es ist nicht schwer nachzuweisen, 
daß Luther sich häufig durch irgendeinen der ihm so über- 
reich zufließenden Gedanken oder etwa durch einen Vergleich 
zu Nebenbemerkungen verleiten läßt, daß er eine neue Reihe 
von Gedanken oft recht lose an die vorhergehende anknüpft!). 
Der kritische Betrachter muß also immer auf der Hut sein 
daß allzu scharf nicht schartig mache, 


I. 

Zuerst sollen Parallelen verglichen werden, die die Nach- 
schriften Veit Dietrichs und Schlaginhauffens bieten, und zwar 
sind naturgemäß nur solche Fälle zum Vergleich ausgewählt, 
in denen auf Grund sorgfältiger Prüfung, die aber hier im 
einzelnen nicht wiedergegeben werden kann, mit Sicherheit 
das Vorliegen echter Parallelen angenommen werden darf. 
Daß hierbei größte Vorsicht geboten ist, zeigt, wie Kroker 
mit Recht betont, das Beispiel 49 Veit Dietrich — 1965 
Cordatus. Hier ist bestimmt überliefert, daß Cordatus von 
Veit Dietrich abgeschrieben hat; es liegt also eine abgeleitete 
Parallele vor und trotzdem weicht Cordatus erheblich von 
Veit Dietrich ab. (Zweifellos hat er absichtlich geändert, um 
den Anschein zu erwecken, daß er eine eigene ursprüngliche 
Nachschrift überliefere.) Ausgeschaltet wurden aus dem Ver- 
gleichsmaterial von den Parallelen zwischen Veit Dietrich 
und Schlaginhauffen z. B. die Nummern 199 — 204 Veit Dietrich 
mit den entsprechenden Nummern Schlaginhauffens. Ihre 
Vergleichung erweckt nämlich den Verdacht, daß der eine 
von dem andern abhängig sei 1. weil es sich um eine ganze 
Serie von Parallelen handelt, 2. wegen des auffallend stark 
übereinstimmenden Wortlauts. — Es ist schließlich noch 
voraus zu Schicken, dab manche Schwächen der Schlagin— 


— 


1) J. B. Nr. 271 Veit Dietrich. 


16 16 


hautfenschen Tischreden auf Fehler der Abschreiber zurück- 
zuführen sein können!). 


247. V. D. Ego si vellem, possem in tribus sermonibus 
totam civitatem hane reducere in pristinum errorem (de 
Philippo et aliquot vestrum non dico, sed paucissimos ex- 
cipio) et vellem id facere hac ratione: Non vellem damnare 
ea, quae haetenus, sed probare et tantum addere hane par- 
ticulam: Aber; es ist wohl recht, aber wir mussen hoher 
kummen. Hic vellem urgere opera charitatis ete. so fiele 
man als bald auch víff die hypocrisin. — Cum dicerem im- 
possibilem esse hane eversionem verae doctrinae, aiebat: Si 
Satan mihi eam saepius eripere potest, sine dubio ego quoque 
aliis eam possem eripere. Warumb konnen sie es so bald et 
praesumunt de scientia? Vellem facere sicut ille gladiator, 
qui eum diceret antagonistae discipulo: Solus ego non pugnabo 
eontra vos duos, et ille respiceret, quis alter esset, abripitur 
ei cervix a magistro eum hae voce: das hett ich dieh noch 
nit gelernet. 

1430. Schl. De gladiatore. Ego adhuc aliquid scio, 
quod discipuli mei non sciunt, wie Campanus et ceteri arbi- 
trantur se scire. Et facio, wie der fecht meister that, den 
sein eigner discipel wolt zu todt schlagen; do er sach, das 
es im galt, spricht er: Sich, ich hab gemeint, ich soll mit 
einem fechten; so sein euer zwen? Do sach sich der diseipel 
vmb, dieweil sehmeist er dar vnd schlecht im den kopf abe. 

Hier ist Veit Dietrich nieht nur reichhaltiger, sondern 
auch interessanter und besser. Es ist anzunehmen, daß 
Schlaginhauffen absichtlich einiges weggelassen hat, um 
Argernis zu vermeiden; denn von dem Tischgespräch wie 
Veit Dietrich es überliefert, konnte zweierlei in schwachen 
Gemütern Zweifel erregen, nämlich der ganze erste Teil und 
die Mitteilung, daß der „Teufel Luther seine Lehre oft ent- 
reien könne“. 

259. V. D. Laureneius Valla ist der best Walh, deu 
ich mein Lebtag geschn oder erfaren hab. De libero arbitrio 
bene disputat. Quaesivit simplicitatem in pietate et in literis 
simul. Erasmus eam tantum in literis quaerit, pietatem ridet. 

1470. Schl. Laurentius Valla. Laurentius Ualla ist ein 
fromer man gewesen, purus, simplex, dexter, candidus. Plus 
fructus fecit, quam omnes Itali unquam fecerunt. Ille vir 
omnibus modis voluit consulere iuventuti Italicae et cogitavit 
propagare literas. De libero arbitrio bene disputavit. Is 
coniunxit pietatem cum literis. 


1) Vgl. hierzu Kroker: Archiv f. Ref.Gesch.7 S. 75 ff. 


VC 


17 17 


Veit Dietrich hat die bessere Version. Zunächst ist 
das Wortspiel am Anfang unzweifelhaft echt. Dann spricht 
für Veit Dietrich im dritten Satz, im Vergleich zum Schluß- 
satz Schlaginhauffens die Tatsache, daß die Wendung quaesivit 
simplicitatem usw. offenbar Schwierigkeiten bot. Aurifaber 
hat wohl deswegen diesen Satz ganz entgegen seiner sonstigen 
Gewohnheit nicht übersetzt, sondern auf Lateinisch Überliefert. 
Die schwierigere Lesart ist sicher auch hier die bessere. 
Die Schlaginhauffensche Überlieferung macht überdies einen 
zurechtgemachten, geglätteten Eindruck und ist .mehr im 
Schriftstil, als im Redestil, abgefaßt. 

261. V. D. Mit den keglen schiben est planissima figura 
magistratus, Da nimpt keiner fur ein wurff drey kegel, so 
gewiß hat mans, vnd feylt dennoch, das er keinen trifft, 
praesertim wenn es junge regenten sind (sicut dicebat meus 
prior Erdfurdiae de monachis iuvenibus) die treffen alle wurff 
XII Kegel, vnd stehn yhr nur IX auff dem platz. 

1494. Schl. Ludus kugelspil. Das bob kugl spil ist ludus 
magistratus; den gleich wie einer meinet, der schiebet, er 
wol uil Kugel treffen, also meinet magistratus sein sach 
hinauszufuren. , Jener felet aber des gantzen platz. Sie gets 
magistratui zu zeitten als fels. Sic Erfordie fratres conquesti 
sunt de priore et procuratore; dixit procurator: o wehe, ja 
die jungen fratres schieDen zwelf kegel, vnd stehn doch nur 
nein aufm plan. | 

Veit Diefrieh ist besser. Erstens läßt Schlaginhauffen 
den Hinweis auf die ,jungen Regenten* weg (sicher aus 
Vorsicht) während doch die Jugend der Regenten die not- 
wendige Uberleitung zu dem folgenden (junge Mónche) bildet. 
Zweitens ist die Motivierung des Ausspruchs des Priors bei 
Schlaginhauffen schlecht: Die Worte des Priors wenden sich 
nicht gegen Beschwerden der jungen Mönche, sondern gegen 
ihren mönchischen Uebereifer. 

262. V. D. Eiymologiae. Annibal vir gratiae: Hanno 
idem, quod Joannes. Asdrubal plane est Alexander, Bal 
enim vir est et Esras adiutorium. Bocchus flebilis, maestus. 
Jugurtha peregrinus vel senator, qui congregat populum, a 
eongregando, nam terminatio ? tam est familiaris Hebreis 
quam Latinis — us. Dido vel mume vel amabilis, erotium. 
Amilcar, hine Melchior, rex serenus, òx lumen. Balthassar 
puto esse Assyriorum deum, sic enim est in Daniele: Jussit 
eum vocare nomine Dei sui, uf sit Bal Assur, Gaspar vel 
Jaspar thesaurarius, quaestor, cantzelschreyber. 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 1. 2 


18 18 


1496. Sehl. Annibal Hebraice vocatur vir gratiae. Dido 
amabilis, holtselig. Amilcar, Melchior, rex serenus, lucis. 
Gaspar ein sehreiber, rendmaister. 

Veit Dietrieb ist weit reiehhaltiger. Die Parallele ist 
deswegen besonders interessant, weil sie zeigt, wie Schlagin- 
hauffen nicht „mitgekommen“ ist. In dem Vorhandenen 
stimmen beide, dem Sinn nach überein, doch auch hier 
nicht dem Wortlaut nach. Veit Dietrich dürfte den Worten 
Luthers am nächsten stehen (,erotium* war kaum zu er- 
finden). 

271. V. D. ... Ich halte es, es sey Paulo nit ser wol 
gewest, cum fuit in illa 'exordoet quod dicit non posse dici 
linguis. Verum est. Solch große affectus lassen sich nit reden. 
Kan ieh doch nit sagen, wie mir ist, vnd ist vil ein geringer 
ding. Quare etiamsi voluisset dicere, tamen non potuisset. 

1536. Schl. Affectus erga Christum. Es vermag vnd kan 
keiner den affectum aus reden, den einer hatt gegen Christo, 
wen er von im reden will was oder wer er sey. Dixit 
Doctor: Ich khan meine affectus nicht ausreden; wie wolt 
ieh den die hohen von Christo ausreden? 


Das bei Veit Dietrich vorausgehende, 'an das unsere 
Stelle fraglos anknüpft (Lehren des Paulus), beweist, daB seine 
Überlieferung-besser ist. Man hat den Eindruck, daß Schlagin- 
hauffen auf Grund eines Stichworts, das er sich notiert hat, 
die Tischrede falseh oder schief rekonstruiert hat. 


272. V. D. Christus ist in hae carne vnbegreifflich, quia 
er lohnet seinen besten ministris so, das ich sagen mus, ich 
ways sthir nit, woran ich bin, ob ich recht predig oder 
nit. Das ist S. Paulus marter auch gewesen, die er (hallt 
ich) nit vilen gesagt hatt oder hatt konnen sagen, denn wer 
kan denken, was das heist, das er sagt: Quotidie morior. 
Christus hatts auch gehabt, die tentatio. — Haec dicebat 
18. May in prandio, cum mane 16. eiusdem mensis Torgae 
ex tentatione Satanae spirituali decubuisset. Potest autem 
ex his sermonibus colligi, qualis fuerit tentatio. 


1534/5. Schl. Deus incomprehensibilis. Christus ist vn- 
zuuerstehn, quia est Deus. Er ist vnausgelernt vnd vnbe- 
greillieh, weil wir hie leben. 


Servire Deo. Wer vnserm Herr Gott dienen will, der 
schickh sich dahin: Er muß puff leiden; dann also lonet er 
einem, das einer gedenckht: Ich wais nicht, wahran ich bin 
mit Gott, ob ich auch recht daran thu oder nicht. Hoc 
Christo contigit. 


19 19 


Veit Dietrich ist wesentlich inhaltreicher und interessanter. 
Schlaginhauffen hat wieder Ärgernis vermeiden wollen, indem 
er Luthers Zweifel, ob er recht predige, wegläßt oder viel- 
mehr nur eine dunkle Andeutung davon beibehält. 


283. Veit Dietrich. Hebrei putant Melchisedee fuisse 
Sem, vixit enim usque ad natum Isaac, sicut patet ex 
13. Genesis. i 

1660. Schl. Sem et Isaac. Sem vidit Isaac. Vixit 500 
annos. Er wirt haben mussen vil vbels sehn von Kham, 
seinem Bruder, vnd andern bosen buben. 


Veit Dietrich hat wieder den interessanteren Gedanken 
Sem-Melehisedek, dagegen fehlt bei ihm der Schlußsatz 
Schlaginhauffens, von dem wir keinen Grund haben anzu- 
nehmen, daß Luther ihn nicht gesprochen. 

315. V. D. In administratione oeconomiae ef politiae 
mus lex seyn, das man es nit haben will, ut aliquid peccetur. 
Econtra wenn es geschehen, sol remissio peccatorum dazu 
kommen, sonst so verderbt mans. Maritum oportet multa 
dissimulare in uxore et liberis, et tamen non obmittere debet 
legem. So ists in allen stenden. Remissio peccatorum est 
in omnibus creaturis. Die beume wachsen nit all gerad, 
die wasser flieBen nit alle gerad, so ists terra nit allenthalb 
gleich etc. Vera igitur est sententia: Qui nescit dissimulare, 
nescit imperare. Haec est "srıeıxeia. Man mus vertragen 
vnd dennoch nit all ding lassen hingehn. Es heißt: Neo 
omnia, nec nihil. 

1845. Schl. Remissio peccatorum in omnibus statibus. Deus 
in omnibus officiis, statibus commisit remissionem peccatorum. 
In oeconomia muß remissio peccatorum sein, den wan etwas 
geschicht, oportet patrem connivere. Es geht nicht alles 
schlecht zu. Die wasser fließen krumb, die baum wachsen 
ein theil kramb. Nec omnia, nec nihil muß einer haben, 
horen sehen in oeconomia. 

Der viel reichhaltigere Veit Dietrich steht Luthers eigenen 
Worten näher. Der erste Satz Schlaginhauffens dürfte viel- 
leicht sogar eine vou ihm selbst (nicht Luther) stammende 
einleitende Bemerkung sein, wie sich solche mehrfach bei 
ihm finden. Der zweite Satz ist ein allzu knappes Exzerpt. 
So kann Luther nicht gesprochen haben. (Im Schlußsatz muß 
das sinnwidrige haben wegfallen.) 

Diese Beispiele, nach denen Veit Dietrich eine nach- 


weislich bessere Überlieferung bietet, als Schlaginhauffen, 
2* 


20 20 


ließen sich leicht vermehren!) Die Frage ist, ob nunmehr 
Veit Dietrich als so vorzüglicher Nachschreiber gelten darf, 
daß wir allen seinen Wiedergaben von Luthers Worten, 
also auch den sehr zahlreichen, zu denen sich Parallelen 
nicht finden, ohne weiteres unbedingtes Vertrauen entgegen- 
bringen, das heißt, daß wir in ihnen entweder wörtliche 
Nachschriften oder wenigstens durchaus zuverlässige und 
ausreichende Auszüge sehen dürfen. Leider ist diese Frage 
zu verneinen. So einfach liegen die Dinge nicht. Es finden 
sich auch Fälle, in denen Schlaginhauffen gegenüber Veit 
Dietrich die bessere Überlieferung hat. 

79. V. D. Lernet, yhr habt lang gnug dran zu studirn, 
das vnser herrgott fromm sey, ob er sich wol stellet, als 


zurne er ein weyl  — Dicebat ad eum, cni uxor perierat 
in partu una eum filio. Ad. M. Ambrosium. 

1361. Schl. Misericordia Dei maior est quam nostra ca- 
lamitas. Scito misericordiam Dei maiorem esse quam nostra 
calamitas. (Es folgt ein sehr langes Gespräch.) 


Schlaginhauffen ist sehr viel reichhaltiger, Veit Dietrich 
hat das Gespräch völlig unzureichend nachgeschrieben. Immer- 
hin dürfte der eine Satz, den er überliefert, als 
charakteristischer und stärker, also wahrscheinlich 
echter gelten, als Schlaginhauffens scito-calamitas. 


220. V. D. Sehwermerii omnes sunt confidentes contra 
mortuas imagines, contra vivas sunt muti. 


1) Ähnlich liegen die Dinge z. B. auch in folgenden Fällen: 
221. Veit Dietrich — 1412. Schl. 

Bei Veit Dietrich viel lebhafter eingeführt. Der einleitende Satz 
bei Schlaginhauffen schief. Der letzte Satz bei Veit Dietrich allerdings 
offenbar ein Bruchstück aus dem weiteren Verlauf des Gesprüchs. 
(Zwischenglieder fehlen.) 

258. V. D. — 1469. Schl. 

Schlaginhauffen hat, offenbar aus Vorsicht, den von Veit Dietrich 
überlieferten Satz weggelassen, wonach die damalige Theologie sogar 
„bis zum Urteil über die Apostel und Propheten fortgeschritten sei". 

265. V. D. — 1504, Schl. 

Letzterer bringt einen viel zu knappen Auszug. 

273. V. D. — 1537. Schl. 

Veit Dietrich nicht nur weit reichhaltiger, sondern auch besser, 
Schlaginhauffen läßt vor allem die Abwehr der Angrite auf Luthers 
liechtfertigungslehre weg. 


21 21 


1411. Schl. Schwermer. Schwermeri, do sie mit den 
toden, steiner bildern vmbgiengen vnd zuschlugens, da ge- 
wunnen sie; aber da die lebendigen bilder komen, Helvetii 
scilicet, do worden sie all geschlagen. Talis quoque erat 
Muntzerus. 


Der ganz anders als bei Veit Dietrich gewendete Ge- 
danke Sehlaginhauffens dürfte unbedingt als besser gelten. 
(Cordatus steht, wie in der Regel, Schlaginhauffen ganz nahe, 
Veit Dietrich fern. Besonders ist das contra vivas sunt 
mutt bei Veit Dietrich ganz schwach und entspricht ja 
durchaus nicht der Wahrheit. 


222. V. D. Ego non sum in ea sententia ut penitus 
damnandos eos censeam, qui se ipsos occidunt; ratio est, 
quia sie thun es nit gern, sed superantur Diaboli potentia, 
wie einer yn eim walt von einem latrone ermordet wurdt. 
Non tamen hoc vulgo docendum est, ne Satanae occasio prae- 
beatur caedium faciendarum, et probo, das man die ceremonias 
politicas so steiff hellt, das man sie durch die schwell zeucht etc. 
Non sunt sui arbitrii neque iuris, sed vnser Herr Got richtet 
sie dahin, wie er einen durch einen latronem hinweg richtet. 
Magistratus sol gleieh wol streng damit sein, quanquam anima 
non sit simplieiter damnata. Fiunt autem huiusmodi exempla, 
das vns vnser Herrgott damit weysen wil, das der Teuffel 
ein herr sey, item, das man vleißig sol betten. Nisi enim 
haec exempla fierent, non timeremus Deum; ergo mus er 
vns so lernen. | 

1413. Schl. Qui se ipsos suspendunt et occidunt. Ipsi 
praedominantur ita a Sathana, scilicet expedit, das Sathan 
herr sei Tales homines ita occiduntur a Sathana sicut 
per latrones. Isti homines non sunt sui iuris. Non damno 
eos neque possum, sed hoe non est dicendum vulgo, sed ad 
confessionem pertinet. Wen solche exempel nicht geschehen, 
quod se occidunt, so furchteten wir vnsern Herr Gott nicht. 
Drumb mussen wir in furcht stehen, Gott bitten; auch 
muß man hart mit solchen gehenckthen vmbgehen, sie uer- 
brennen etc., ut mundus terreatur, non quod sunt damnati. 


Zweifellos ursprüngliche Parallele (verschiedenes Bei- 
spiel für die Behandlung der Leiche des Selbstmörders). 
Die übrigens allzu knappe Nachschrift Schlaginhauffens kann 
schon deswegen als besser gelten, weil Veit Dietrich eine 
sicher nieht auf Luther zurückgehende Reduplikation hat, 
wobei allerdings einmal der Teufel, das andere Mal Gott 
die Selbstmürder „wie durch einen Räuber tötet“. Gut ist 


22 22 


sicher auch das, zunächst Bedenken erregende sed ad con- 
fessionem pertinet, das bei Veit Dietrich fehlt, eben weil 
es Schwierigkeiten bietet. (Besonders interessant ist hier Cor- 
datus, der die falsche Lesart „gedancken“ ausbaut.) 

Im ganzen wiegen aber die Fälle, in denen Veit Dietrichs 
Überlieferung gegenüber der Schlaginhauffens entschieden 
besser ist, weit vor. | 

Größtes Interesse beansprucht schließlich eine Gruppe 
von Parallelen, bei denen man zu einem derartig glatten 
Resultat nicht gelangt, bei denen vielmehr die Sache so liegt, 
daß Veit Dietrich und Schlaginhauffen einen Teil (z. B. den 
ersten Satz) einer Tischrede in -— manchmal wörtlicher — 
Übereinstimmung bringen, um dannnichtnureinen andern Wort- 
laut, sondern andere Gedanken zu geben. Beide haben also 
im weiteren Verlauf ihrer Niederschrift verschiedene Teile 
von Luthers Bemerkungen festgehalten. In diesen Fällen, und 
wohl nurin diesen, haben wir überdies eine so zu sagen ab- 
solute Sicherheit, Luthers eigenste Wortezuhören, wenn nämlich 
in den übereinstimmenden Sätzen der Wortlaut identisch ist ). 


295. V. D. Sodoma fuit paradisus Dei, ubicunque autem 
sunt homines, qui sine sudore edunt panem, ibi sic pereunt. 
Nune fotus mundus vult esse Sodoma et Gomorrha. 


1768. Schl. Sodoma paradisus. Sodoma fuit paradisus 
voluptatis; da must es vbel zugehen. Aber wo man sich 
mit schwais nehret, da braucht mans ein wenig besser. 


Wörtlich gemeinsamer erster Satz: S. f. p. Dann werden 
verschiedene Gedanken wiedergegeben. Man ist versucht, 
die beiden Versionen zu kombinieren, da man dadurch einen 
vollständig logischen Sinn erhält, indem man nämlich nach 
Veit Dietrichs pereunt den Schlaginhauffenschen Satz, „Aber- 
besser" einschiebt. 


321/2. V. D. megt &ÓsÀqov vov Kagolov e eum 
nihil boni, nihil veri, nihil entis esse. 

Zinglius fuit quidem ens, sed nee verum nee bonum, 
so ists auch als hinweg. 


1633. Schl. Ferdinandus nihil boni, nihil veri, nihil 
entis, Er ist nichts mher, denn das er schilt vnd helm furet 


1) In Fällen wörtlicher Übereinstimmung ganzer größerer Tisch- 
reden erhebt sich immer der Verdacht, daß ein Nachschreiber von 
dem andern abgeschrieben habe. 


23 23 


vnd muntz schlecht. Man leßt in wol konig bleiben, aber 
mortuo fratre Carolo wird er nichts sein werden. 

Aus zweier Zeugen Mund steht fest, daß Luther wört- 
lich Ferdinand nihil boni, nihil veri, nihil entis genannt hat. 
Von dem was Luther weiterhin sprach, überliefern die beiden 
Nachschreiber auch gedanklich durchaus Verschiedenes. 
Schlaginhauffen läßt ihn weiteres über Ferdinand sagen, 
Veit Dietrich übergeht das, um eine anknüpfende Bemerkung 
über Zwingli zu geben, die ihrerseits bei Schlaginhauffen 
fehlt. Beides ist in hohem Grade interessant und sicher 
dem Sinn nach getreu, aber es fehlt die Sicherheit, daß wir 
Luthers eigenste Worte vor uns haben. 

232. V. D. Cerberum putat esse ex patrum memoria 
fabulam, eonvenit enim nomen cum illo Judaieo Sehorabar. 
Est figura Satanae, qui habet tria ora, est trifaux, nempe 
legem, peccatum et mortem, Eum in lucem produeit Hercu- 
les, id est minister verbi etc. 

Phaetontem et Icarum puto in fabulis esse, quales sunt 
Zinglius et Oecolampadius, die die schrifft meystern wollen, 
wie es yhn eben ist. 

1414. Schl. Sanherib quid? Senacharib heist ein strauch 
dieb, ist ein hartz reitter. Cerberus Graece, Hebraice schor- 
phor heist der hellisch hundt: trifaux; die drei meuler sindt 
peccatum, lex, mors. Behemoth ist der groB ochß, ut fabu- 
lantur Hebraei, der auf ein nacht alles graß auf erden auff 
frist. Zu morgest wechst alles wider im thau. 


Von einer größeren mythologischen und etymologischen 
Rede haben beide Nachschreiber den einen Satz über Cerberus 
überliefert, der sie offenbar wegen der symbolischen Deutung 
der drei Mäuler besonders interessiert hat. Hierbei ist Veit 
Dietrich reichhaltiger und besser; „est figura Satanae“ ist 
ein logisch notwendiges Gedankenglied. Sonst haben sie 
verschiedene Teile von Luthers Rede aufgezeichnet. (Cor- 
datus seinerseits hat wieder einen andern, weder bei Veit 
Dietrich noch bei Schlaginhauffen überlieferten Satz — über 
den Leviathan.) 

370. V. D. Quod verisimile sit manna in deserto fuisse 
hoc, quod nos vocamus himmelthaw vel schwaden. Dicit textus 
elare, quod ad varios usus valuerit sicut farina, item quod 
habuerit saporem similae et mellis; porro man tum primum 
non est creatum, cum Judeis de coele datum est, et puto 
eis fuisse notum cibum. Sed hoc novum fuit, quod in deserto 


24 24 


loco inventum est. Sic dedit aquam in deserto, non quod 
antea non vidissent aquam, sed quod in eo loco non vidissent; 
sic dedit coturniees. Aqua ex petra non est miraculum apud 
nos, sed in eo loco fuit miraculum. Quod autem nullum 
alium cibum dederit eis praeter man, est ratio: hett cr yhn 
gutlich gethan, weren sie ymmer drin bliben. 

1396. Schl. De manna. Ego persuasus firmissime credo, 
quod schwaden sit himelprot. So eckel ists, wenn man mit 
dem finger dran nascht, so ists verdorben, gloria nobilitatis, 
vnd muß ein rein dopflein haben, darin man es koch. 
Sehwaden colligit man mane cadente rore in ein siebe. Non 
erescit, sed de rore coeli venit; est roscidus panis, ut dicit 
in hymno Prudentius. Quando venit sol, liquescit. Et omnes 
medici appellant manna. Es wechst auf keim zweig et 
herba, sed felt im tau. Man bechts, kochts, wie man will, 
ut dicitur in textu. Non nascitur neque seminatur neque 
crescit, sed venit de rore coeli. Man schuttelt die reis, so 
felts ab. 

Man, id est, paratum. Sich, bistu da? Find ich dich 
hie? Gleich wie der Coriander vnd weis wie der thau. 
Manna ist Manna, krambat uogel sind krambat uogel, aqua 
est aqua. Sed wie kommen sie hieher? Sed vult creare in 
loco, ubi non sunt, ut aqua est aqua, sed ex petra fluit. 
Mane iacebat ut ros et meridie incipiebat liquefieri, dieit 
Moses, impatiens tactus, non manet sincerum, wenn die magt 
etc. Verbum Dei will khein znsaz leiden. 


Von dem ersten, dem Sinn nach gemeinsamen Satz aus- 
gehend bringen beide Nachschreiber vorwiegend verschiedene 
Gedanken Luthers. Beide treffen sich dann wieder in der 
Erklärung, worin das Wunder besteht; hierbei ist der sonst 
wesentlich reichhaltigere Schlaginhauffen beinahe unverständ- 
lich kurz. 

Diese Vergleichungen führen weiter auch in bezug auf 
die Beurteilung derjenigen Tischreden, welche nur einmal 
überliefert sind, also die große Masse. Sicherheit, daß sie 
uns vollständig oder auch nur in völlig zuverlässiger Form 
vorliegen, haben wir bei ihnen nicht. Bei ihnen wird vor 
der Benutzung die „innere Kritik“ rege sein müssen, die 
vor allem immer nach der Geschlossenheit des Gedanken- 
ganges zu fragen haben wird. Immerhin haben die Ver- 
gleichungen gezeigt, daß von den zwei bisher behandelten 
Nachschreibern der Sinn von Luthers Worten im großen 
und ganzen meist — nicht immer — richtig und leidlich 


25 25 


vollständig — bei Schlaginhauffen allerdings öfters allzu 
knapp — wiedergegeben wird. Von diesen beiden Nach- 
schreibern hat sieh Veit Dietrich als der in der Regel, frei- 
lich nicht ausnahmslos, bessere erwiesen. Besonders fällt 
dabei ins Gewicht, daß er nicht aus Vorsicht ändert oder 
wegläßt. Demnach dürfte man in folgendem Falle, in dem 
bei einer trotz gewisser Bedenken offenbar echten Parallele 
Veit Dietrich und Schlaginhauffen ganz Verschiedenes be- 
richten, ohne daß man aus inneren Gründen sich für den 
einen oder anderen unbedingt!) entscheiden könnte, die Veit 
Dietrichsche Überlieferung vorziehen. 

223. V. D. Quidam senex ex Meinigen habuit Erd- 
furdiae filium familiarem Luthero; is aliquando ad Lutherum 
dixit, eum audiret eum conqueri de adversa valetudine: 
Lieber Bacalarie, last Euch nit leyde sein; yhr werdt noch 
em groDer man werden. — Lutherus dicebat: da hab ich 
auch einen propheten gehoret. 

1368. Schl. Ein alter man zu Erfurt hatt zu mir ge- 
sagt, weil ich noch ein student war: Es muß ein enderung 
werden, vnd die ist groß; es kan also nit bestehen. Ich 
mein, es sei geschehen! 

Vielleicht hat Schlaginhauffen geändert, um Luther nicht 
in den Verdacht der „Unbescheidenheit“ geraten zu lassen. 


II. 


Im folgenden soll Veit Diefrich mit den Nachschreibern 
der Sammlung verglichen werden, die in der Weimarer 
Ausgabe als die „Dietrichs und Medlers“ bezeichnet wird“). 


373. V. D. Ego quaerebam ex Doctore Luthero: Quod 
Paulus facit universalem ex partieulari: Abraham est iusti- 
ficatus fide, ergo nos quoque iustificamur fide? Ibi respon- 
debat: Primo illud non est scriptum propter Abrahamum, 
sicut Paulus argumentatur. Hine fit, quod omnes prophetae 
ex particularibus sententiis faciant universales: Qui fecit viam 
in mari ete. Similia. Nam omnes historiae et exempla om- 
nia sunt universalia. Ratio est, quia unus est Deus et una 
fides, vocationes autem differunt. Sic Abraham habet aliam 
vocationem quam Dauid, et tamen habent eandem fidem. 
Ideo autem una est fides, quia est unus Deus. 


t) Doch spricht für Veit Dietrich die verwickeltere Einführung. 
*) Abgekürzt: D. M. 


26 . 26 


750. D. M. Quaesitus Doctor, qui fiat, quod Paulus ex 
partieulari Abrahae exemplo uuiversalem iustificationis doc- 
trinam faciat, cum tamen dialectice ex particulari non se- 
quatur conclusio universalis, respondit Doctor omnes prophe- 
ias ex individuis facere generalia, siquidem omnes historiae 
fidei sint exempla generalia. 


Veit Dietrich ist viel reichhaltiger als Dietrich-Medler, 
steht also, da eigene Erfindung ausgeschlossen ist, insofern 
Luthers Worten erheblich näher. Dietrich-Medler bietet nur 
einen Auszug aus der Antwort, die Luther auf Veit Dietrichs 
Frage gab; dieser Auszug ist allerdings sehr gut, logisch 
scharf und geschlossen. Wenn Veit Dietrich dagegen, wie 
gesagt, mehr bietet, so ist auch seine Wiedergabe doch 
offenbar noch durchaus lückenhaft und übrigens auch nicht 
ganz klar. 


415. V. D. Fide Christi uteunque puto servatum Hie- 
ronymum, sed den schaden, den er per suam doctrinam thun 
hat, den vergeb yhm Got. Ich weys wohl, das er mir seer 
geschadt hat. Ipse vituperat mulieres et loquitur de mulieri- 
bus absentibus. Darumb wolt ich yhm gonnen, das er ein 
weyb het gehabt; sol vil ding anders geschrieben haben. 
Est miraeulum, das in souil buchern kein vers de Christo 
steht, et tamen reprehendit idem in Sexto. Ergo nullum 
doctorem scio, quem aeque oderim, eum tamen ardentissime 
eum amaverim et legerim. In Aesopo eerte plus est erudi- 
tionis quam in toto Hieronymo. Si tamen urgeret opera 
fidei et fruetus euangelii; tantum dicit de ieiuniis ete. Stau- 
pieius meus aliquando dicebg$: Ich wolt gern wissen, wie der 
man wer selig worden. Et antecessor eius Doctor Proles dixit: 
Ich wolt S. Hieronymum nit gern zum prior haben gehabt. 

824. D. M. Hieronymus non debet numerari inter doc- 
tores ecclesiae, quia fuit haereticus. Credo tamen ipsum 
fide Christi salvatum esse. Nihil loquitur de Christo, nisi 
quod saltem nomen Christi in ore habuit. Nullum seio inter 
scriptores, quem aeque odi ut Hieronymum. Tantum de 
ieiuniis, eibis, virginitate 'scribit. Si urgeret tamen opera 
fidei, satis esset, sed neque de fide neque spe neque charitate 
neque operibus fidei loquitur. Doctor Staupitius de eo sole- 
bat dicere in hunc modum: ich wolt gern wissen, wie 
Hieronymus were selig worden. Et eius antecessor Proles: 
Ich hette traun Hieronymus nicht mugen haben zu eim prior; 
er ist wol so wunderlich gewest. 


Veit Dietrich ist entschieden besser und reicher. Den 
Passus über den Schaden, den Hieronymus Luther getan, 


27 27 


hat Dietrich-Medler wohl absichtlich weggelassen, ebenso die 
Ausführung über die Frauen. Den einleitenden Satz, wonach 
Hieronymus ein Ketzer war, könnte Dietrieh-Medler von sich 
aus hinzugefügt haben. 


504. V. D. Autoritas Christi docentis non fuit tanta, 
quanta hodie nostra est. Sicut ipse dicit: Maiora his facie- 
tis. Ipse est granum synapis, nos autem sumus frondes. 
Dieit igitur: Me non voluerunt ferre in uno angulo docentem, 
vos autem cogentur ferre in toto mundo, Praedicare Christum 
est offendere carnem; praedicare carnem est offendere Christum. 

687. D. M. Tempore apostolorum et nostro efficacius 
praedieatum et fusius sparsum est euangelium quam tempore 
Christi. Ideo dicit: Vos maiora facietis. Ego sum solum 
granum sinapis, vos eritis eius palmites et rami, in quibus 
aves nidulabuntur. Ego in angulo praedieavi, vos in tectis 
et plateis et per totum orbem terrarum praedicabitis et 
crescetis. 

Veit Dietrich ist bei größerer Knappheit der Fassung 
inhaltreicher, Die von ihm überlieferten Gedanken stehen 
Luther sicher näher, als die, welche Dietrich-Medler bietet. 
Der erste Satz ist bei Veit Dietrich echter als bei Dietrich- 
Medler; letzterer mag ihn aus Vorsicht verändert haben. Zu 
erfinden war der Satz Veit Dietrichs nicht. Veit Dietrich: 
„Me- mundo“ ist kräftiger, also sicher lutherischer als 
Dietrich-Medlers „ego - erescetis“. Der letzte Satz Veit 
Dietrichs allerdings ist dem bisherigen Gedankengang nur 
lose angeknüpft. Er mag im weiteren Verlauf der Unter- 
haltung ausgesprochen worden sein. 

510. V. D. Homo, qui est sine fide, non potest cogi- 
tare nisi praesentia; post cum aliquid praeter spem accidit, 
dicunt: Non putaram. Darumb mach man die welt, wie man 
wil, so sagt si: Non putaram. Quia mundus est ille epulo 
apud Lucam, sed christianus est Lasarus. Et tamen haben 
wir ein forteyl fur der welt, quia das ampt ist vnser; wenn 
si denn nit recht wollen, tune dicimus: So laß es, sed nomen, 
saeramentum, baptismum non habebis. Hae ratione ist der 
papa auch autf den bann kommen. Den forteyl haben wir 
vor der welt vnd dem adel; zornen sie drumb, so mus 
man es wagen. Es sol heyßen fraternitas. Nos habemus 
ilum, qui dicitur Schef lemini, ipsi autem habent opes et 
potentiam. 

808. D. M. Mundus habet opinionem, quae est rerum 
praesentium, et quidquid inde evenit, dicit: Non putaram. 


28 28 


Fides autem est rerum futurarum et absentium. Ideo chri- 
stianus non dicit: Non putaram. Quidquid est in mundo, est 
epulo ille, der gonnet dem Lazaro die Brocken nicht. Lazarus 
est Christus. 


Dietrich-Medler hat nur den ersten Teil von Veit Dietrich 
(der zweite klingt in 807 an). Der Relativsatz „der gönnet 
usw.“, ist verdächtig, da er den Gedankengang völlig unter- 
bricht, auch im Evangelium keine Stütze hat. Der zweite 
Teil Veit Dietrichs ist besonders interessant, schon durch 
den sehr treffenden (Dietrich-Medler nicht sympathischen ®) 
Hinweis auf die püpstliche Bannpraxis. Die Frage ist, ob 
die Überleitung von dem ersten Gedanken zum zweiten bei 
Veit Dietrich echt sein kann. Diese Frage ist n. m. A. un- 
bedingt zu bejahen; zwar hat der Vergleich mit dem reichen 
Mann und armen Lazarus des Evangeliums für den zweiten 
Teil eine andere Bedeutung als für den ersten (beim ersten 
ist das tertium comparationis die Sorglosigkeit des reichen 
Mannes, beim zweiten sein äußerer Reichtum und seine Armut 
an inneren Gütern), aber Luther ließ sich eben hier im Ge- 
sprüch durch das, was er gesagt hatte, zwanglos weiter- 
führen. 

518. V. D. — 701/2. D. M. 

Dietrich-Medler bietet nur ein paar Bruchstüeke der 
sehr langen und für Luthers Biographie besonders wichtigen 
Rede). 

Entschieden besser als Veit Dietrich ist dagegen Dietrich- 
Medler in folgendem Falle. 


1) Rörer und die von ihm abhängigen Handschriften lassen ihn 
auch bei der Abschrift aus Veit Dietrich aus! 

2) Hier ein Beispiel, wie mitunter der Text von Tischreden ver- 
derbt werden konnte: an einer Stelle, an der er ein durchaus in den 
Zusammenhang gehörendes Wort eines Kardinals zitiert, hat V. D. 
den Ausspruch eines andern Kardinals am Rande notiert. Dieser 
letztere Ausspruch — es ist der bekannte „mögen die Bestien (d. h. 
die Hussiten) essen usw.“ — stört den Gedankengang der Tischrede 
empfindlich. Luther hat ihn sicher bei anderer Gelegenheit erzählt 
und V. D. ihn nur hier am Rande notiert, um ihn gelegentlich ander- 
wärts zu verwenden. Rörer und nach ihm Obenander und Bavarus 
aber haben ihn trotz aller Sinn widrigkeit in den Text auf- 
genommen; Aurifaber schon hat übrigens diesen Fehler wieder gut 
gemacht. 


29 | 29 


394. V. D. Anima est in qualibet parte corporis tota. 
Ex hoe fundamento baptisant nondum plene editum foetum. 
Augustinus late hoc tractat. Sie si digitum pungo, totum 
corpus sentit, ergo etiam eum baptiso digitum, baptiso totum 
corpus. Ego non volo baptisari. De elemento autem non 
euro, was man habe. Placet quidem verba diei. Man lasse 
die kinder vnserm Herrn Gott befolhen sein. Die selbe tauff 
geht mich nit an. Porro verbum est praecipua pars baptismi. 
Si non adsit aqua in necessitate, es sey wasser oder bir, 
so ligt nit dran. 

1030. D. M. An puer manu, pede, capite aut alia 
eorporis parte saltem natus debeat in illa parte baptisari? 
Respondit: Non, quia oporteat integre nasci hominem, ante- 
quam aqua et spiritu renascatur. Quod autem sic a nonnullis 
baptisetur, error ille ortus est ex Aristotele, qui dixit animam 
esse in qualibet parte corporis totam. 

Secundo rogatus, utrum infans ab obstetrice baptisatus 
domi debeat denuo baptisari in templo a sacerdote? re- 
spondit: Non. 

Tertio: Si autem desit aqua pura seu munda aut omnino 
nulla haberi possit et vinum aut cerevisia adsit, num ex 
alterutro istorum possit baptisari? — Hie diu deliberans 
tandem dixit: Hoc ipsum iudicio Dei relinquendum esse, sed 
tamen quidquid ad balneum aecommodum est, pro baptismate 
etiam adhiberi possit. 


Die Parallele zeigt, daß Veit Dietrich einmal auch völlig 
versagen kann, nämlich im ‚zweiten Teil seiner Niederschrift, 
während er allerdings im ersten Luthers Worten näher stehen 
dürfte als Dietrich-Medler!) Er läßt die Frage nach der 
Gultigkeit der Taufe durch die Hebammen völlig weg. Ganz 
dunkel sind an der Stelle, wo sie stehen, die Worte: „die- 
selbe Tauff geht mich nit an“. Sollte hier ein verirrtes 
Bruchstück von (auch bei Dietrich-Medler nicht überlieferten) 
Bemerkungen Luthers über den baptismus conditionalis vor- 
liegen? (vgl. Enders IX S. 11ff.; auch Cordatus gibt hier keinen 
Fingerzeig; bei ihm T. R. 2, S. 630 Z. 1 lies natürlich aqua 
Statt aliqua). B 

Eigenartig liegt der Fall bei dem Vergleich zwischen 
412. V. D. und 1044. D. M. — einem der Beispiele, die zeigen, 


1) Es ist unverkennbar und ja auch im hóchsten Grade natür- 
lich, daß nicht nur V. D., sondern auch andere Tischgenossen, vielleicht 
sogar alle, in den ersten Teilen ihrer echten Nachschriften häufig 
besser sind, als in den spüteren, 


30 3U 


daB für manche wichtigste Fragen die Tischreden von ge- 
radezu entscheidender Bedeutung sein können. 
412. V. D. 
officiosum - debet 
Mendacium triplex iocosum - potest | feri. 
perniciosum - nee debet nec potest 


1044. D. M. Quadruplex est mendacium. Primum 
iocosum, èin guter, lecherlicher bosse, quo oblectantur homines 
vel maesti gaudio afficiuntur. Secundum officiosum, quod 
proximo commodat, ein gute, nützliche lugen, et ex chari- 
tate fluit, ut proximus eo servetur. Qualis fuit Abrahae, 
cum diceret Sarai uxorem esse suam sororem; Michal Dau- 
idem liberavit, et quale est Elizei 4. Regum 6.: Non est via 
haec neque civitas. Tertium perniciosum, nach weltlichem 
lauff liegen, id est, triegen, schaden thun. Quartum impium, 
quo Deus blasphematur. Duo priora sunt laudata, quia non 
obsunt; posteriora duo non sunt ferenda, quia et homines et 
Deum laedunt. Est et aliud mendacii genus, necessarium 
videlicet, quanquam non multum a secundo, id est, officioso 
differat; et boc fieri sine peccato potest, si non accesserit 
iuramentum: warlich, trawen, bey Gott ete. 

Es ist mehr als fraglich, ob hier eine echte Parallele 
vorliegt, und nicht vielmehr eine scheinbare. Man kann 
annehmen, daß Luther die Lehre von der Lüge, die ibn so 
viel beschäftigte, nach dem Dezember 1532 (Zeit der Nieder- 
schrift Veit Dietrichs). fortgebildet hat und daß eben Dietrich- 
Medler das Resultat seines weiteren Nachdenkens darüber 
‚bietet. Daß 1044 Dietrich-Medler eine „Erklärung“ von 412 
(Veit Dietrich) darstelle, wie Grisar’) und nach ihm 
W. Köhler?) annehmen — diese Auffassung ist weit abzu- 
weisen, da in den beiden Überlieferungen ganz Verschiedenes 
steht. (Auch abgesehen davon, daß die drei Arten der Lüge, 
die Veit Dietrich hat, in anderer Reihenfolge aufgeführt 
werden, als die drei ersten der fünf, von denen Dietrich- 
Medler berichtet.) Wollte man daran festhalten, daß eine 
echte Parallele vorliege, so könnte man sich nur durch die 
Annahme helfen, Veit Dietrich habe eine derartige Klassi- 
fikation der Lüge von Luther schon öfters gehört, deswegen 
bei Tisch nicht nachgeschrieben, sondern nach dem Gedächtnis, 


1) Historisches Jahrbuch 34, S. 236. 
*) Zeitschrift f. K. G. 35, S. 277. 


31 | 31 


aber nachdem er bei Tisch nicht gut aufgepaßt und so nicht 
bemerkt, daß Luther dieses Mal etwas anderes sagte. Wahr- 
scheinlich ist das alles nicht. 

Auf alle Fälle bleiben sowohl Veit Dietrich wie Dietrich- 
Medler wertvolle Quellen. Es ist nicht abzusehen, wie die 
Nachschreiber eine so kühne Äußerung wie „debet fieri“ 
oder die Weiterbildung bei Dietrich-Medler erfunden haben 
sollten. Die letztere erhält überdies eine Stütze an Cordatus, 
also einem zweiten Zeugen, der eine zweifellos ursprüngliche 
Parallele bietet. Nach den beiden Tischreden wäre es an der 
Zeit, den Begriff mendacium officiosum bei Luther trotz aller, 
auch sprachlicher Bedenken“ als ,Pflichtlüge* aufzufassen 
(debet fieri, ef. offieium caritatis, die Notlüge davon ge- 
trennt!). Damit verschwindet natürlich jede „Laxheit“ aus 
Luthers Lehre von dieser Lüge. Luther zeigt einfach, daß 
er auch auf diesem Gebiet tiefer gedacht und ehrlicher ge- 
sproehen hat, als andere vor ihm und nach ihm: es liegt 
auf der Hand, daß Lüge Pflicht sein kann, nämlich wo das 
Nichtlügen in höherem Grade unsittlich wäre, als das Lügen, 
z. B. häufig in der Tätigkeit des Staatsmannes, im Kriege, 
aber gelegentlich auch in andern Lagen. Es kommt eben 
vor, daß der Mensch sich Situationen gegenüber befindet, 
in denen sich nur zwei Möglichkeiten des Handelns bieten, 
die beide für sich betrachtet als unsittlich erscheinen. Daß 
diese Erkenntnis für alle, die nicht über ein lutherisch ge- 
schärltes Gewissen verfügen, sehr gefährlich ist, liegt auf 
der Hand. Deswegen wird Luther die stärkste Formulierung 
seiner Erkenntnis (debet fieri) nur im kleinen Kreise seiner 
Tischgenossen gebraucht haben?) 

Genau wie der Vergleich Veit Dietrichs mit Schlagin- 
bauffen ergibt auch der mit Dietrich-Medler eine ganze An- 
zahl von Beispielen, bei denen beide Nachschreiber den einen 


1) Die Erklärung mendacium officiosum als „officium caritatis“ 
dürfte doch mehr sein als ein , Wortspiel^, wie Kóhler, Luther u. die 
Lüge (Schriften d. Ver. f. Ref.-Gesch. 109/110) S. 163 sie nennt. 

*) Zum Ganzen vgl. Köhlers oben S. 30 Anm. 2 u. S. 81 Anm. 1 
zitierte Schriften; Grisar a. a. O. ferner dess. Luther 3 S. 1016 fl.; 
A. V. Müller, Luthers theolog. Quellen, 1912, S. 226 ff.; Sodeur, 
Luther und die Lüge, Leipzig» 1904. 


32 32 


oder andern Satz gemeinsam tüberliefern, um dann ganz ver- 
schiedenes, nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Ge- 
danken nach zu berichten. 

443. V. D. Cum aliquando biberet optimum vinum, 
dicebat: Wir glauben nit, das vns vnser Herr Got mehr geben 
wer denn den bauren, quihus dat tam bonum vinum, fruges, 
ova, gallinas ete. immo omnes creaturas. Unum autem non 
dat, nempe se ipsum. Possumus autem inde colligere, quid 
nobis sit daturus, siquidem improbis et blasphematoribus 
suis tanta dona tribuit. 


825. D. M. Deus omnes creaturas rusticis donat atque 
adeo etiam custodiam Angelorum, saltem se ipsum non, ideo 
frustra laboratur rusticis in scribendis libris, hos enim non 
legunt. 


Von demselben Gedanken ausgehend, der bei Veit Dietrich 
lebhafter eingeführt und breiter wiedergegeben wird, bieten 
die beiden Nachschreiber verschiedene Fortsetzungen. Man 
könnte versucht sein, wie oben S. 22, beide Nachschriften zu 
kombinieren, indem man den letzten Satz Veit Dietrichs hinter 
den letzten Dietrich-Medlers setzt, als Abschluß des ganzen 
Gesprächs. 

444. V. D. — 694/7. D. M. | 

Hier sind einige Gedanken gemeinsam (Judith ein Ge- 
dicht, Tobias ein guter Familienvater usw.) Im übrigen 
haben Veit Dietrich und Dietrich-Medler verschiedenes auf- 
gezeichnet. Bei letzterem fehlt z. B. die Bemerkung über 
Hiob, bei Veit Dietrich die Heranziehung des Beispiels Homers, 
die Sätze über Baruch (696) usw. Ähnlich steht die Sache 
bei dem Vergleich von 446. V. D. mit 817—823. D. M. 
Mehrere Sätze (z. B. die zwei Hexameter) sind beiden Über- 
lieferungen gemeinsam. Die Mehrzahl aber ist nur von einem 
der beiden Nachschreiber überliefert. Die besonders inter- 
essanten Sätze Veit Dietrichs, wonach Luther den Erasmus, 
nach Überwindung schwerer Bedenken, mit der Feder zu 
töten beschlossen, wie er auch den Müntzer getötet habe, 
hat Dietrich-Medler gewiß absichtlich weggelassen (822 hat 
davon doch nur eine zarte Andeutung). Auch hier schreibt 
Veit Dietrich „rücksichtsloser“, also besser nach. Eine schein- 
bare Unstimmigkeit liegt im folgenden vor: Nach Veit Dietrich 
hat Luther ihm den Haß gegen Erasmus feierlich anbefohlen 


33 33 


(doch sagt Luther „vobis“, nicht, tibi“), nach Dietrich-Medler 
dagegen dem Jonas und Bucer: Luther wird in Gegenwart 
von allen dreien gesprochen haben! Oder sollte Veit Dietrich 
eine Aufzeichnung des Jonas abgeschrieben haben? 


III. 


Vor dem Vergleich von Rabe mit Schlaginhauffen ist 
zunächst eine Vorfrage zu beantworten: liegen wirklich ur- 
sprüngliche Parallelen vor? Koffmane!) hat angenommen, 
daB Sehlaginhauffen von Rabe abhängig sei. Kroker hat 
sich mit zunächst vorsichtiger Kritik gegen ihn gewandt 
(Arch. f. Ref.-Gesch. 7 S. 88) und die Möglichkeit angedeutet, 
daß umgekehrt Rabe von Schlaginhauffen abgeschrieben habe, 
um sich dann in der Weimarer Ausgabe (2 S. XIX) ent- 
schieden für das Vorliegen einer selbständigen Überlieferung 
bei beiden auszusprechen. N. m. A. ist im ganzen zweifellos 
dieser letzteren Ansicht Krokers zuzustimmen, freilich viel- 
leicht nicht für alle Nachschriften Rabes, die Parallelen zu 
Schlaginhauffen bieten. In einigen Fällen dürfte Krokers 
frühere Vermutung (Abhängigkeit Rabes von Schlaginhauffen) 
zutreffen: eine Anzahl nicht allzu kurzer Stücke?) zeigt eine - 
immerhin auffallende wörtliche Übereinstimmung (die kleineren 
Abweichungen können in der Überlieferung liegen), so z. B. 
1905. R. — 1700. Schl. („eer“ hinter ehr bei Rabe ein be- 
kanntes Schreiberversehen). Hier wäre natürlich gegenseitige 
Abhängigkeit möglich, dagegen liegt wahrscheinlich Ab- 
hängigkeit Rabes von Schlaginhauffen in folgendem Falle vor: 

1914. R. Adam non fortior fuit peccando quam Christus 
satisfaciendo. 

1832. Schl. Collatio Adami et Christi. Adam fortior 
fuit peccando quam Christus satisfaciendo. Ista quaestio 
aut omnino negetur aut per instantiam solvatur, quia non 


potest solvi per interemptionem. Sic solvo: Das Gott so 
zornig soll sein, ut non velit plures salvare quam damnare, 


1) Die handschriftliche Überlieferung von Werken D. Martin Luthers 
{Liegnitz 1907) I, 8. XX. | 
*) Bei ganz kurzen Stücken, wie z. B. 1917. R. — 1882 Schl. 
(vier Wörter) erweckt natürlich die wörtliche Übereinstimmnu; *, ..n 
Verdacht. 
Archiv für Beformationsgeschichte. XVII. I. 3 


34 34 


non est verum, quia misit Filium suum Christum. Ja, dieis, 
plures sunt impii quam pii. Hie suspendemus organa nostra; 
weiter lab vns nitt disputirn, sondern Gott beuehlen. 

Rabe gibt in aller Kürze das Resultat der längeren Er- 
ürterungen Luthers, die Sehlaginhauffen überliefert, wonach 
der umgekehrte Satz (Adam fortior fuit peccando quam 
Christus satisfaciendo) falsch ist. Dabei ist es sehr wahr- 
scheinlich, daß er das auf Grund einer schriftlichen Vorlage 
getan hat, nicht der Tischrede. 

Fast sicher aber hat Rabe in folgendem Falle von 
Schlaginhauffen abgeschrieben. In 1920. R. finden wir, 
wie in 1845. Schl. „haben, horen, sehen“ (vgl. oben S. 19). 
Rabe hat höchstwahrscheinlich das falsche haben von Schlagin- 
hauffen übernommen. Schlaginhauffen kann nicht von Rabe 
abhängen, da er hier viel mehr bietet als’ letzterer. 

Immerhin fehlt der bündige Beweis dafür, daß Rabe 
also in einigen Fällen von Schlaginhauffen abhängig ist. 
Dagegen läßt sich mit vollkommener Sicherheit nachweisen, 
daß echte Parallelen vorliegen z. B. in folgendem Falle. 

1912. R. Von herezen bitten vnd armer.leut klagen richten 
ein geschrey an, daß es alle Enngel muessen horen im himel. 
Winseln, zittern, leben in Gottes beuehl vnd in der noth ist 
ein gewiß zeichen einner krannckheitt. Vnser lieber Gott 
mues große ohren vnd ein scharpffs gehore haben. 

1812. Schl. Gemitus piorum. Gemitus et suspiria cordis 
richten ein geschrai ahn, das es alle Engel mussen horen 
im himel. Also zage Mose auch, da er ans rote meer kam, 
schrei er mit zittern, winslen und bidenen, o Herr, Herr was 
sol ich nun thun? wo nun aus? wie kom ich darzu? Ich 
werde alles des volckh schuldig werden, das hie ist. Et 
Deus respondit: Quid elamas? Als wolt er sagen: Wie uil 
geschrei machstu ete. Sed nos legimus, äc si esset mortua 
litera. Vnser Herr Gott ist großer denn die welt; noch sagt 
er zu Mosen: Quid clamas? Er hatt mussen große gemitus 
haben, das er im die ohren also gefüllt hatt. Es ist ja 
wider alle vernunft zugangen, das sie durchs rotte mehr sein 
zogen, den es ist sinus Arabicus vnd wol so breit als gen 
Koburg, XXX milia, aufs wenigest gen Magdeburg; sie haben 
auch drinnen mussen futtern vnd essen, denn sechs mal 
hundert tausend man an weib vnd kind, wenn sie gleich 
zu 50 braitt sein gangen, noch hats mussen weil haben. 


Den ersten Satz hat Habe offenbar, ebenso wie Schlagin- 
hauffen, mitgeschrieben (mit einer charakteristischen Ande- 


35 | 35 
rung s. u.). Dann hatte er „winseln und zittern“ notiert 
oder im Gedächtnis behalten, um zu Hause etwas dazu 
zu phantasieren, was Luther gar nicht gesagt hat; ganz 
ebenso ist er auch weiter unten mit dem Bruchstück „große 
Ohren“ verfahren, das entstanden ist aus „große gemitus", 
„das er ihm die Ohren also gefüllt hat“ („große Ohren“ 
kommt aber auch bei der Parallele Cordatus 2658a vor). 

Hier haben wir schon einen Fingerzeig für daß Maß 
der Zuverlässigkeit Rabes. 

1915/16. R. Man soll, vnsern Herrgott nichtt fragen: 
Quare hoe facis: Wir sollen thun, was vns beuohllen wirdt, 
vnd darnach nicht fragen: Quare? 


Gott hette dj wellt wol muegen vngeschaffen lasen, 
sed ereavit, ut ostenderet gloriam et potentiam suam. 


1833. Sehl. Creatio mundi. Gott hett woll die welt 
mugen ungeschafen lassen, sed creavit, ut ostenderet gloriam 
et potentiam suam. Man soll vnsern Gott nitt fragen: Quare 
hoc facis? 


Rabe hat die beiden Sätze, die Luther gesprochen, 
einzeln notiert und sinnwidrig umgestellt. Den zweiten Satz 
von 1915 mag er selbstündig hinzugefügt haben.  Ab- 
hüngigkeit des einen Nachschreibers vom andern erscheint 
ausgeschlossen. 

Ganz zweifellos echte Parallelen liegen z. B. ferner vor 
bei 1924. R. — 1861. Schl. (einiges gemeinsam, sonst ver- 
schiedene Gedanken) und bei 1928. R. — 1747. Schl. Daß 
Schlaginhauffen hier selbständig nachgeschrieben, erzählt er 
selbst mit allen Einzelheiten; daß Rabe nicht von ihm ab- 
hängig ist, ergibt sich daraus, daß er eine andere Wendung 
des Gedankens bringt. 

Über den vergleichsweisen Wert beider Nachschreiber 
ist das Urteil im Grunde schon durch die Beobachtungen 
über 1912. R. gesprochen. Allein es bleibt dennoch in- 
teressant festzustellen, daß Rabe in einer bestimmten Richtung 
Änderungen an Luthers Worten vornimmt. Kroker hat 
(T. R. 2 S. XIX und S. 257 Anm. 18) hervorgehoben, daß 
Rabe mit Vorliebe diejenigen Äußerungen Luthers aufge- 
zeichnet hat, die gegen den Adel — gemeint ist der niedere 
Adel, „Junker Scharrhans“ — gerichtet- waren. Allein man 
muß weiter gehen: Rabe hat nachweislich in diesem Sinn 

EN 
e 


36 36 


Worte Luthers geändert oder ergänzt). Zunächst läßt sich 
die Beobachtung allgemeiner fassen: Er schreibt, wenn man 
so will, mit „sozialer“ Tendenz nach. 

Wenn er in 1912 zunächst denselben Satz überliefert, 
wie Schlaginhauffen 1812, so fügt er doch eine charakteristische 
Wendung ein: „armer Leut“ klagen. Die Worte passen 
durchaus nicht in den Zusammenhang, wie ihn Schlaginhauffen 
uns überliefert, und Luther hat sie ganz sicher nicht gesprochen. 

In den folgenden Beispielen ist nicht immer die voll- 
ständige Sicherheit vorhanden, daß echte Parallelen vorliegen. 
Der Nachweis der Tendenz bleibt aber auf alle Fälle inter- 
essant. 

Sicher beweisen läßt es sich in folgenden Fällen, daß 
Rabe in der adelsfeindlichen Richtung Einschiebungen macht. 

1904. R. Die pfaffen wissen, das ir Herr Christus sey 
ein priester gewesen, vnd wo das die vom adell nit gleuben 
so seind sy deb Teuffels. 

Cain war ein boswicht; er hatt es aber nicht sein wollen, 
vnd do er dj promission erlanget: Quieunque occiderit Cain, 
septuplum punietur, die hatt in harrtneckiger gemacht. Er 
wird aber ein frumer scheinnender werckheilige gewesen 
sein vnd wollen ja nicht impius sein; wie vnser adell. 

1690. Schl. Cain ein boswicht. Der Cain war ein bos- 
wicht, er hetts aber nitt sein wollen, den do er hatt gehort: 
Quieunque occiderit Cain, septuplum punietur, illa promissio 
hatt in nur hert neckiger gemacht, vnd wirt also ein feiner 
scheinender werkheilig gewesen sein vnd ja nicht wollen 
impius sein. 

Rabe hat die durchaus nachhinkenden Worte: „wie vnser 
Adell“ (die übrigens auch bei Cordatus fehlen) frei hinzu- 
gedichtet: Luther hätte einen so sinnlosen Vergleich niemals 
angestellt; dem Adel war wohl jede schlechte Eigenschaft 
eher nachzusagen, als Scheinheiligkeit. 


1910. R. Summa medicina summa infirmitas, summus 
theologus esí summus peccator. 


!) Bekanntlich hat Luther hüufig sehr scharf auch tiber den 
niederen Adel geurteilt (um ein Beispiel zu nennen: T. R. 3535), 
ebenso wie über alle andern Stände. Er hat aber nicht,» wie Babe 
das glauben macht, sich vorwiegend gegen den Adel gewandt und 
vor allem nicht diese Urteile gegen den Adel, ohne jede Rücksicht 
auf den gedanklichen Zusammenhang, immer wieder erneuert. 


37 37 


Ein edelmann lest sich duncken, er verstehe das euan- 
gelium besser denn Sanct Paulus. 

1779. Sehl. Summa medicina est summa infirmitas, 
summum ius summa iniuria, summus theologus est summus 
peccator. — Haec dixit ad me, quando dixi me vivere se- 
eundum regulam Philippi. 


Rabe (der summum ius summa iniuria wegläßt), hat 
Luthers Worte vollkommen falsch verstanden: er meint, mit 
summus theologus sei ein sozial hochgestellter Theolog ge- 
meint. Daraufhin erfindet er seinen zweiten Satz sinnwidrig 
hinzu — wieder in adelsfeindlicher Richtung. 


1937. R. Juncker scharrhans wurde nicht so stoltziren, 
si non audissent magistratum esse a Deo, et a nobis didi- 
cerunt, et tamen nos persequuntur. Nun, werden sie vns 
verderben, so sollen sie nicht lannge bleiben. 

1856. Schl. Hertzog Georg, alii principes vnd Junckherr 
Scharhans wurden nicht so stoltz sein, si non didicissent ex 
euangelio magistratus officium esse ordinationem Dei ete. 
Et tamen persequuntur illud. Nu, werden sie es vertreiben, 
so sollen sie nicht lang bleiben, das wil ich inen ein eid 
schweren. 

Hier läßt Rabe den Herzog Georg und die alii principes 
weg, weil er sich ausschließlich für Junker Scharrhans 


interessiert. 

In folgenden beiden Fällen läßt es sich nicht beweisen 
daß Rabe die Bemerkung über den Adel von sich aus ein- 
schiebt, aber es ist nach den obigen drei Beispielen doch 
sehr wahrscheinlich. 

1907/8. R. Dei sedes est eor contritum et humiliatum; 
da will er wonen. Vnser Herrgott kann keinnen stolez leideu 
vnd mues vbell straffen. 

Ferdinandus mus her hallten, Denmarckt ist gestrafit, 
der Frennckisch adell ist auch gestrafft, Frannckreich ist ge- 
straft, Venedig ist gestraft. So ich vnsern vnd den Meis- 
nischen adel auch gestraft sehe, so will es vbell zu gehen, 
denn sie wissen alles; es kann nicht außen bleyben. 

1771. Schl. Vnser Herr Gott ist ein solcher man, der 
kein vbel vngestraít lest. Ferdinandus muß herhalten, Den- 
marckh ist gestraft, ist gestraft, ut non supersit heres, Franck- 
reich ist gestraft, Venedig ist gestraft. 

(Cordatus steht Sehlaginhauffen nahe.) 


1922/3. R. Mundus eum principibus ef nobilibus putat 
se reguare, sed non regnat. Doctores theologiae non putant 


38 38 


se regnare, sed regnant. Unam conscientiam erigere plus 
est quam centum regna habere, 

Nobiles, die junckern, gleuben nicht, das sie die pfaffen 
erballten. Wie die Juden meinten: Wann Christus bliebe, 
so wurden die Romer kummen. Do aber Christus von ihnen 
kam, da kamen die Romer. So wird es vnsern scharr 
hannsen auch gehen; wann dj pfaffen von inen komen, so 
werden sie vber vnd vber gehen. 

1855. Ror. Bos. Unam conscientiam  desperabundam 
erigere est plus quam multa regna habere. Mundus vocat 
iam nos eversores doctrinae, turbatores pacis. Certe erit 
sibi ipsi propheta, etsi magno dolore videamus. Sic de 
Christo Judaei: Si dimittemus hune, venient Romani et tollent 
etc. Da sie aber Christum tod schlugen, da kamen sie 
nieht? Ja, ich mein, sie kamen vnd machten ein garaus mit 
inen. Sie contemptores et inimici verbi erunt turbatores 
paeis et eversores Germaniae, quando sublati fuerimus. Ipsi 
sie volunt babere ete. 

Luther dürfte auch in diesem Zusammenhang viel eher 
von den Feinden des Wortes gesprochen haben, als von den 
Scharrhausen! . 

Aus dem Vergleich von 1930. R. mit 1810 Schl. ergibt 
es sich, daß auch abgesehen von der oben behandelten 
Tendenz Rabe mehrfach eine minder gute Nachschrift gibt 
als Schlaginhauffen. 

1930. R. Gott achtet die konige vnd fursten wie die 
kinder das kartenspil. Es ist balt vmb ein menschen gescheen. 

1810. Schl. Gott acht die konige, wie ein kartenspiel 
die kinder achten. Weil sie spielen, haben sie sie in iren 
benden, darnach werffens in ein winekel, vnter die banck 
oder ins kerich. Also tut Gott auch mit den potentaten. 
Weil sie im regiment sind, helt er sie fur gut, aber so bald 


sie es vbermachen, deponit de sede vnd leßt si da ligen ut 
regem Daniae etc. 


Der zweite Satz bei Rabe ist ganz matt und wohl 
sicher von ihm dem ersten, wirklich nachgeschriebenen, frei 
hinzugefügt. 

Das Gesamturteil über Rabes Tischreden dürfte nach 
alledem nicht günstig ausfallen. Der ausgeprägt eigenartige 
Stil der von Rabe überlieferten Tischreden ist Rabes Stil, 
nicht der Luthers, Ihm gegenüber ist noch weit größere 
Vorsicht geboten, als bei den anderen hier behandelten Nach- 
schreibern. Immerhin kann trotzdem auf den einen oder 


39 39 


andern Fall hingewiesen werden, bei dem seine Überlieferung 
der Schlaginhauffens vorzuziehen sein dürfte. 

1931. R. Dux Joannes Fridericus est dux mirabiliter 
iracundus et tamen ita moderatur iram suam, das mich es 
verwundert. Ich wollte gern, das er lennger studirt hette 
oder vnter einnem scharpffen zuchtmeister gewest were. leh 
fürchte seines sinnes meer dann seines glucks. 

1556. Schl. Dusz Fridericus sapiens est. Dux Joannes 
Friderieus est dux mirabiliter iraeundus et tamen ita mode- 
ratur iram suam, quod mirum est. Et est salus Germaniae, 
est sapiens et prudens princeps. Er hatt sein funf sinn; 
Gott erhaltt in vns lange zeit, amen. 

Das, was Schlaginhauffen bietet, macht einen durchaus 
zugunsten Johann Friedrichs zurechtgemachten Eindruck. 
Est salus Germaniae konnte vor dem Regierungsantritt schwer- 
lich gesagt werden. Allerdings kann ursprünglich spes da- 
gestanden haben. Es ist kein guter Grund dafür anzuführen, 
daß Luther nicht kritische Bemerkungen gemacht haben 
sollte, ähnlich wie Rabe sie überliefert (vgl. Rabe 1933). 
Schlaginhauffen hat sie wohl aus Vorsicht weggelassen (doch 
vgl. allerdings Schlaginhauffen 1564, wo er sehr kritische 
Bemerkungen Luthers über Johann Friedrich aus dieser Zeit 
mitteilt). 

1931. R..Herezog Friederich sas vnd lies im rathen, 
thett die augen zu vnd signirt dj rethe, nach einander; zu 
leezt sagtt er: der rath kann nicht besteen, der kein guete 
vrsach hatt, oder daraus kein guet ende volget. Grund vnd 
ennde gehort sich im rath wol zu bedenncken. 

1738. Schl. Duces Saxoniae. In disem fursten (Kurfürst 
Johann) ist summa elementia gewesen, in Friderico summa 
prudentia; wenn die zwen fursten ein person weren gewesen, 
so wer es monstrum. Hertzog Friderich saß, lies im ratten, 
thet die augen zu vnd signirt die rede an nach einander, 
vnd zu letzt sagt er vnd sprach: Also khan diser rat nitt 
bestehen: das vnd das kompt draus. 

Schlaginhauffen bietet im ganzen sehr viel mehr von 
den Worten, die Luther aus Anlaß des Todes des Kurfürsten 
Johann gesprochen, Rabe hat nur die Darstellung des Ver- 
haltens und der Worte Friedrichs des Weisen beim Vortrag 
seiner Räte. Hierbei ist er aber ausführlicher und besser. 

Das Ergebnis der obigen Untersuchungen kann in fol- 
gende Sätze zusammengefaßt werden: Veit Dietrich schreibt 


4) 40 


von den hier behandelten Tischgenossen im allgemeinen am 
besten nach. 

Rabe ist mit besonderer Vorsicht zu benutzen. 

Wir können uns nur sehr selten darauf verlassen, in 
unseren Überlieferungen Luthers eigene Worte vor uns zu 
haben. Aber sehr vielfach bieten die Tischgenossen auch 
dem Sinn nach nur Bruchstücke von dem, was er gesagt hat. 

Trotzdem bleiben die Tischreden eine überaus wertvolle 
Quelle. Nur muß vorsichtig aus ihr geschöpft werden. Die 
innere Kritik, die vor allem nach der gedanklichen Ge- 
schlossenheit des Überlieferten frägt, muß immer wach bleiben. 


kin unbekanntes deutsches Lied 
des Paul Schede Melissus. 


Von Dr. Remigius Stölzle. 


Max Herman Jellinek schreibt in seinem Buch: ,Die 
Psalmenübersetzung des Paul Schede Melissus“ ), von ori- 
ginellen deutschen Dichtungen des Melissus sei wenig auf 
uns gekommen. Er verweist auf die fünf von Zinkgref 
in seiner Sammlung abgedruckten Gedichte?) des Melissus 
und hält noch an zwei weiteren Gedichten wenigstens einen 
Anteil des P. Melissus für wahrscheinlich. Ich glaube ein 
unzweifelhaft echtes, und soviel ich sehe, unbekanntes 
deutsches religiöses Lied des P. Melissus mitteilen zu 
können, auf das ich bei Gelegenheit meiner Forschungen 
zur Pädagogik im 16. Jahrhundert stieß. In einem Sammel- 
band der Stadtbibliothek zu Danzig, der ich für freundliche 
Übersendung des Buches hierher verbindlichen Dank aus- 
spreche, findet sich eine Schrift: „Symbolum Jacobi Monawi*). 
Ipse faciet Variis Variorum Auctorum Carminibus expressum 
et decoratum. Cum nonnullis appendicibus. Gorlicii. Jo- 
hannes Rhamba excudebat. MDXCV‘. Der „Appendix 
ad tres de symbolo carminum libellos“ hat auf Seite 251 
die Anmerkung: ,Libuit at calcem duas cantilenas ab optimis. 


1) Herausgegeben v. Max Herman Jellinek. Halle a. S., Max Nie- 
meyer 1896 (Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. u. 17. Jahrh. 
Nr. 144—148) S. VIII—X, 

*) Auserlesene Gedichte deutscher Poeten gesammelt von Julius 
Wilhelm Zinkgref 1624 Halle a. S, 1879 (Neudrucke usw. Nr. 15) 
S. 4—5; 5—7; 7—8; 11—13; 13—14. 

3) Monavius, Jakob (1546—1603), Rat in Liegnitz und Brieg, 
bereiste Italien, Frankreich und Holland und starb za Breslau. 

1) Signatur Cf 841, — 


42 42 


Poetis et Musicis factas de sententia germanica frequenter 
et libenter usurpata“ und läßt nun folgen: 

1. Ein Lied von Paul Melissas mit Noten !). 

2. Auf Seite 255 —256: „Cantilena altera,^ Im Thon: 
„Ich hab mein Sach zu Gott gestelt^ ete. Oder „Kompt her 
zu mir spricht Gottes Sohn ete.^ 6 Strophen über das Thema: 
„Ach Gott schick alles zum besten.“ Strophe 1 beginnt mit 
Ach, Strophe 2 mit Gott, Strophe 3 mit Schick, Strophe 4 
mit Alles, Strophe 5 mit Zum, Strophe 6 mit Besten, 
also eine Art Akrostichon. Das Lied trägt S. 256 die Unter- 
schrift: Nathan Chytraeus in gratiam amieissimi sui fac. 1588. 
Es ist also offenbar für die von Jakob Monaw veranstaltete 
Sammlung gedichtet. Wackernagel: „Das deutsche Kirchen- 
lied bis zum Anfang des 17. Jahrh. (1864—1871)* A. F. W. 
Fischer: „Kirchenliederlexikon“ (Goth: 1878), Eduard Emil 
Koch: „Geschichte des Kirehenlieds und Kirchengesangs 
der christlichen insbesondere der evangelischen Kirche“ 
(Bd. II, 297 —298. 3. Aufl. 1866 — 1877) erwähnen das Lied 
nicht. Ob es unbekannt ist, habe ich nieht weiter untersucht. 
Ich setze die erste Strophe des Liedes von Nathau Chytraeus her: 

„Ach herr ich seufftze allein zu dir | 
Denn du allein kanst helfen mir 

Aus all meinem Eleude: 

Und hast mir auch geholffen zwar _ 
Sehr offt aus Leibs und Seeln gfahr 
Wilst helffen auch zu ende.“ 

3. Ein Lied mit Musiknoten S. 257—263 von Sebastianus 
Ambrosius, Diener des göttlichen Worts in der Stadt Keyb- 
marck im Zips mit der Aufschrift: „Ein Gebet zu Gott dem 
Herren | umb Vergebung der Sünden | und schenkung des 
heyligen Geistes, durch welches Regierung diD gegenwertige 
Leben im rechten Glauben und desselben warhafftigen Früchten 
eines Gottseligen Wandels vollführet | und endtlich mit einem 
seligen Stündtlein möge beschlossen werden. Gerichtet auf 
den wunderschönen Spruch des 37. Psalms: Devolve super 
Jehovam viam tuam, et confide in eo, et Ipse Faciet.^ Das 
Lied hat 12 Strophen, die Anfangsbuchstaben jeder Strophe 


1) Melissus ist außerdem mit mehreren lateinischen Ge- 
dichten an dem Symbolum beteiligt. S. 16. 288. 308. 369. 


43 43 


ergeben das Akrostichon Jacobus Monaw. Die erste und 
letzte Strophe schließen mit den Worten: „Du wirst es alls 
wol machen.“ Die erste Strophe lautet: | 


„In aller meiner Angst und Noth 
Ich meine Seel erhebe | 

Allein zu dir mein Herr und Gott | 
Dir ich mich ganz ergebe | 

Nach deiner Trew | 

Steh du mir bey | 

Dir bfehl ich all mein sachen | 
Auff dich hertzlich | 

Verlaß ich mich | 

Du wirst es alls wol machen.“ 


Uber den Autor des Liedes enthalten die oben genannten 
Werke von Wackernagel, Fischer und Koch keine Angaben. 

Nun zum Liede des Paul Schede Melissus. Ich 
finde es in keinem der genannten Werke verzeichnet, weder 
bei Jellinek noch bei Zinkgref; auch die Werke von 
Wackernagel, Fischer u. Koch kennen es nicht. Auch 
Zahn, Evangelischer Liederschatz, kennt das Gedicht nicht, 
wie Herr Prof. Friedländer mir mitteilt. Ich teile das Lied . 
samt der Melodie mit. Es lautet a. a. O. S. 251—254: 


„Ach Gott Schick Alles zum besten“). 


l. 
„Ach leyder, was unglück 
Was grawsam gefar 
Ist uns allzeit entgegen? 
Stets wird nan gewar 
Verschrenckter List und Tück 
Di sich mit Trüg erregen. 
Allerley müngel und bresten 
Man sicht und spürt | 
Manch Zwangsal uns berürt | 
Ach Gott schikk Alles zum besten. 


2. 
Gott| der du weyß und klug 
Schawst init Augen klar 
All ding wie schlimm es geet | 
Wie kanst jmmerdar 
Gedulden solch unfug 
Di so vielfalt entsteet? 


1) Dieser Vers kehrt als Refrain am Schluß jeder Strophe wieder. 


44 


Dern di mit Trang uns belesten 
Seint zwar on zal| 

Der groest tail tut beifal. 

Ach Gott schikk alles zum besten. 


8. 


Schikk uns Trost| Mut und Herz | 
Uff daß angetast 
Vom Feind wir nicht erligen: 
Sondern aim Palm-ast 
Gleich | der getrückt abwerts | 
Uns auffwürts gegenbigen. 

Da dein Volk Israel presten 

Vil tausend Mann 

Es dannoch Sieg gewan 

Ach Gott schikk alles zum besten. 


4. 


Alles ist unterton 
Herr deiner Volmacht 
Du stürtzen kanst Tyrannen 
Samt yrm stolz und pracht, 
Ob si schon wern hoecher schon 
Als stark Alpische Tannen 
Kanstu sie wol bald abquesten. 
Das dein gewalt 
Di Oberhand behalt. 
Ach Gott schikk alles zum besten. 


5. 


Zum ergsten kert die Welt 

Was du gut mainest | 

Tut es zu boden stauchen. 

Drum auch must ainest | 

Wis deim urteil gefelt 

Di scherfste Rute brauchen. 
Unfrid | Teurung und Sterbpesten 
Lest gen im schwang | 
Frommen ist angst und bang; 
Ach Gott schikk alles zam besten. 


8. 


besten Rat mit gedult 
Finden wir bei dir 

Zu seiner Zeit bequemlich | 
Nach unser hertzgir 
Woellest aus gnat und hult 
Tun was uns ist annemlich. 


44 


45 45 


Auch uns rings umher befesten 

Mit Engelschutz : 
Feinden zu wern yrn trutz | 

Ach Gott schikk alles zum besten.“ 


E.—1——1—1—I.- I > 
1 2 3 


Autore Paulo Melisso, 1578. 
24. Aug. Patavij. 


Paul Melissus verließ bekanntlich 1577 die Pfalz und 
ging nach Italien und wurde 1579 in Padua Comes Palatinus, 
Eques auratus und Civis Romanus, wie ich Jellinek a. a. O. S. II 
entnehme. Unser Lied stammt aus der Zeit seines Aufent- 
halts in Padua. 

Das ernste Lied, das auch auf unsere Lage im Weltkriég 
gedichtet sein könnte, hat als Kehrreim: „Ach Gott schick 
alles zum besten.^ Gleichzeitig verbindet es die sechs 
Strophen dureh eine Art Akrostichon, indem die erste Strophe 
mit Ach, die zweite mit Gott, die dritte mit Schick, die 
vierte mit Alles, die fünfte mit Zum, die sechste mit Besten 
beginnt. Diese Anfangsworte der sechs Strophen ergeben 
den Vers, der auch als Kehrreim dient: „Ach Gott schick 
alles zum besten.“ Über die Melodie des Gedichtes gehen 
die Ansichten der Fachleute auseinander. Herr Geheimrat 
Dr. Max Friedländer, Professor der Musikwissenschaft an 
der Universität in Berlin, hatte die Freundlichkeit, mir da- 
rüber folgendes Urteil zur Verfügung zu stellen: 

„Ich halte die Melodie für sehr unbedeutend; sie erinnert in 
manchen Takten stark an das hölzerne, lederne Meistersingerlied 
„ach hülf mir Leyd", das 180 Jahre hindurch `“ Deutschland ver- 


breitet und sehr beliebt war (Neudruck u. &. 1. visıencrong Werk: 
Deutsches Leben im Volkslied um 1530 v. 147).“ 


46 | 46 


Anders urteilt der bekannte Komponist, Herr Simon 
Breu, Professor am Konservatorium der Musik in Würzburg. 
Er schreibt: 

„Die Weise von Melissus ist unserem modernen melodischen 
und tonalen Empfinden zwar fremd, aber wenn man den Text mit 
der Melodie vergleichend in Verbindung bringt, so findet man, daß 
letztere die ernste Stimmung des Gedichtes treffend wiedergibt“. 

Herr Dr. Johannes Wolf, Professor der Musikwissen- 
schaft an der Universität Berlin, hatte auf Ersuchen die 
Güte, folgendes Urteil über die Melodie zu fällen: 

„Die Melodie ist großzügig, rhythmisch reich und ausdrucksvoll. 
Das Notenbild läßt eine Mischung von zwei- und dreiteiligem Rhythmus 
erkennen. Die Weise enthüllt erst ihre ganze Schönheit nach der Hin- 
zufügung jener chromatischen Veränderungen, die jeder gebildete 
Musiker der Zeit ohne weiteres hinzufügte.“ (semitonia subintellecta.) 


Dazu fügte Herr Prof. Dr. Johannes Wolf die Über- 
tragung in moderne Notation. Diese lautet: 


WWS 


Ach ley- der, was un- glück, Was graw sam gfar Ist 


P ^ 4 ^^ 


— — 


uns all- zeit ent- ge- gen! Stets wird mau ge- war Ver- 


schrenck-ter List und Tück, Die sich mit Trüg er - re-gen. 


2 8 EN 2 


Al- ler- lei män-gel und bre-sten Man sicht und spürt. Manch 


Zwang- sal uns be-rührt, Ach Gott! schick al- les zum be- sten. 


1) b in der Vorlage offenbarer Druck- oder Schreibfehler. (An- 
merkung des Herrn Prof. Wolf.) 


e 


Johann Laski und der Abenteurer 
Heraklid Basilikus. 


Von Th. Wotschke. 


Nach einem vierzehntügigen Aufenthalte in Warschau, 
wo Vergerio am 21. Januar 1557 kurz nach Schluß des 
Reichstages und nach der Abreise des Königs nach Wilna 
eingetroffen war und inmitten der noch versammelten Land- 
boten in seinem bekannten Eifer für die Reformation gewirkt 
hatte, war er nach Krakau aufgebrochen. Bis zum 23. Fe- 
bruar weilte er in der polnischen Königsstadt, um dann nach 
Posen sich zu wenden. In dem Hause des bekannten Johann 
Boner, dem er soeben die Lowitscher „Formula fidei* mit 
der ihr gegenübergestellten Württembergischen Konfession 
gewidmet hatte, mag er abgestiegen und mit seines Gast- 
freundes Onkel Johann Laski zusammengetroffen sein. Hier 
predigte ja dieser, soweit es seine schwache, durch die an- 
strengende Heimatfahrt im Spätherbst des vergangenen Jahres 
noch mehr geschwächte Gesundheit und dazu seine Arbeit 
an der polnischen Bibelübersetzung des Orsatius gestattete, 
In seinen Gesprüchen mit Laski wird der ehemalige Bischof 
von Capodistria auch jenes griechischen Ritters und Aben- 
teurers Jakob Heraklid Basilikus!) gedacht haben, den er 
Ende Juni 1556 in Melanchthons Hause getroffen, der in 
diesem Monat durch die Dichterkrönung zweier jungen Neu- 
lateiner sich einen Namen an der Leukorea gemacht?), der. 
ihn vielleicht auf seiner Reise von Wittenberg nach Mecklen- 


1) Über ihn vgl. Wotschke, Kirchengeschichtliches vom rumä- 
nischen Kriegsschauplatze. Theolog. Literaturbericht 1917, S. 29—84. 

*) Vgl. Wotschke a. a. O. S. 29. Das griechische Zeugnis, das 
Melanchthon im Namen des Heraklid dem jungen Dichter Zacharias 
Prütorius ausstellte, findet sich Corp. Ref. VIII S. 837 Nr. 6006, 


48 48 


burg begleitet hatte, und der ihm dann im folgenden November 
nach seiner Rückkehr aus Wilna in Königsberg wiederbegegnet 
war. Wußte er doch, daß dieser Abenteurer soeben auf die 
Kunde von dem Aufbruche des Königs von Warschau nach 
Wilna nach Lithauens Hauptstadt geeilt war, am 23. Januar 
sich vom Herzoge Albrecht an den polnischen Herrscher hatte 
empfehlen lassen. Laski, der selbst zur Reise an den könig- 
lichen Hof sich anschickte, mußte ihn dort treffen, kannte 
ihn gewiß auch schon, zum mindesten aus den Berichten 
anderer, etwa des Grafen Volrad von Mansfeld, unter dem 
der griechische Ritter gedient hatte. 

In der Tat sehen wir den polnischen Reformator, der 
am 17. März in Wilna eintraf') und hier einen Monat beim 
Fürsten Nikolaus Radziwill ehrenvolle Gastfreundschaft ge- 
noD, bald in enger Verbindung mit Heraklid. Das Bekenntnis 
zur Reformation, die gemeinsame Verehrung des Herzogs AI- 
brecht, die gemeinsame Wertschätzung Melanchthons führte 
sie und etliche andere wie Johann Trzecieski, den namhaften 
Humanisten, Stanislaus Kossucki?) den königlichen Biblio- 
thekar und Übersetzer der Erziehungslehre des Marburger 
Lorichius, Johann Maczinski®), den Radziwillschen Geheim- 
Sekretür, zusammen. Ein junger Wilnaer Theologe Cyprian, 
der in Heraklids Dienste trat, auf seine Fürsprache vom 
Könige damals den Adelsbrief erhielt, sich seitdem nach 
seinem Gönner Heraklid Basilikus’r ınnte, empfing aus Laskis 
oder seines Begleiters Utenhove Hand den ersten Teil der 
bekannten Geschichte der Londcr. r Fremdengemeinde, die 
Utenhove im nächsten Jahre na-:. der Schweiz schickte, wo 
sie Oporin in Basel endlich März 1560 druekte*) Er hat 
sie später ins Polnische übersetzt und seinem Märtyrerbuche 


1) Über Laskis Reise von Krakau nach Wilna vgl. Kunheims 
Briefe vom 26. Februar und 21. März 1557 an Herzog Albrecht bei 
Wotschke, Abraham Culvensis. Altpr. Monatsschrift XLII, S. 205f. 

*) Vgl. Wotschke, Erasmus Glitzner. Jahrbuch d. Vereins f. 
Kirchengesch. Posens 1918, S. 6. 

3) Vgl. Wotschke, Vergerios zweite Reise nach Preußen und 
Polen. Altpr. Monatsschrift 1911, S. 252 f. 

*) Calvin lehnte es ab, die Vorrede zu schreiben, der Genfer 
Drucker Crispin, das Buch zu veröffentlichen, Kalisch, den 26. März 1558 
‚schrieb darauf Laski die Vorrede. 


49 49 


beigegeben). Da Cyprian musikalisch interessiert war!), 
mag er auch den königlichen Kapellmeister Bakfark aus 
Ungarn, der gleichfalls Beziebungen zu Herzog Albrecht hatte, 
und seinen Schwager Lorenz Kryszkowski, «den späteren 
Unitarier?), in den Kreis um Laski und Heraklid gezogen 
biben. Auch Erhard von Kunheim, der Bruder jenes Georg 
Kunheim, der Luthers Tochter Margarete heimgeführt hat, 
Hofmeister der Königin, von Herzog Albrecht beauftragt, 
Heraklids Anliegen beim Kónige zu unterstützen, mag ihm 
nicht ferngestanden haben. Interessant ist das Schreiben, 
das der griechische Abenteurer dem Herzoge sandte*): ' 


) Vgl. Wotschke, Geschichte der Reformation in Polen. S. 261. 

2) Vgl. sein Schreiben an Herzog Albrecht, da er ihm eine musi- 
kalische Komposition schickte: „Ab infantia usque mea semper mihi 
hoc erat curae, ut in summorum virorum, eorum potissimum, quos 
homines suspiciunt omnes, gratiam devenire possim hoc ipsum collo- 
cans magnae felicitatis loco, si iu principum clientela vivens eorum 
patrocinio et gratia non contemnenda gauderem. Et cum audirem 
Ill. Cels»is V. heroicas virtutes et opera magnifica, quorum fama totum 
ferme penetravit orbem, optavi, ut saltem liceret manum Ill. Celsnis V. 
cum humillima servitiorum meorum commendatione exosculari, Illa 
etiam Ill. Celsris V. vere christiano principe digna pietate atque adeo 
erga omnes studiosos gratia singulari fretus induxi in animum III. 
Celsni V., domino meo clementissimo, aliquid laboris mei dedicare, nt 
eo ipso gratiam Ill. Celsn!s V, mihi conciliare et in numerum clien- 
tum Ill. Celgnis V. pervenire possim. Etsi autem huius rei mihi conscius 
sim, hoc munusculum meum tanto principe minus dignum esse, credo 
enim Ill. Celsnem V, longe meliora ab excellentissimis nostrae aetatis 
musieis habere, nihilominus tamen gratiae Ill. Celsnis V. fidens spero 
Ill. Celgnem V, tam benignis auribus velle audire corvi strepitum atque 
cygni dulcissimum cantum, quandoquidem cygno canente liberum est 
corvo crocitare. Quapropter obnixe peto, illustrissime princeps, ut hoc 
parvum munusculum a me oblatum placido vultu excipere meque in 
eua gratia atque patrocinio clementer conservare dignetur. Dominus 
deus Ill. Celgnem V. diu nobis servet incolumem ad reipublicae christianae 
utilitatem et ecclesiae suae consolationem. Dat. Vilnae 29. Novembris 
anno salutis 1560, III. Celsris V. humillimus servitor Cyprianus Hera- 
clides Basilicus, 

5) Über Bakfark und Kryszkowski vgl. Wotschke, Vergerios 
zweite Reise nach Preußen und Litauen. Altpr. Monatsschrift 1911, 
g. 266 ff. 

*) Das Schreiben ist wie sämtliche andere Urkunden dem Staats- 
archiv in Königsberg entnommen. 

Archiv für Reformatiousgeschichte, XVII. 1. 4 


50 50 


Illustrissime princeps, domine clementissime. Quod su- 
perioribus diebus V. C. nullas scripserim literas, causae, quod 
nullum adhue a regia maiestate acceperim responsum, ascri- 
bere velitis, non meae negligentiae. Nolui itaque intermittere, 
quin oblata occasione V. C. de statu omnium rerum mearum, 
quarum V. C. solum fuisse promotorem scio, certiorem red- 
derem, imprimis vero pro omnibus beneficiis a V. C. mihi 
exhibitis similiter pro honesta commendatione gratias quam 
maximas habeo, et si non satisfacere possum, ad minimum 
pro beneficiis cognoscere possum ac potero. Regiae maiestati 
servitiis sum obstrietus et devinetus, imprimis vero dona- 
vit me 300 taleris, equum quoque pro mea persona polli- 
citus est. Insuper promisit se cum Turca de restitutione 
meae patriae aeturum, quo mea duleissima patria potiri pos- 
sim, et propter hane solam eausam se missurum proprium 
legatum ad Tuream. Praeterea offendi hie legatum patri- 
arehae Constantinopolitani, euius frater est episcopus Sami 
et agnatus Pari, cui totum negotium commisi. Non dubito 
. favente divina clementia me patriam iterum habiturum et 
recepturum, Huius tantae spei et solatii principalem causam 
fuisse V. C. agnosco. Ab illustrissimo principe palatino Vil- 
nensi multis beneficiis sum affectus ac in dies afficior, qui 
imprimis ex singulari sua pietate et impulsione marischalchi 
reginae, ad quem V. C. scripsit meo nomine, mea negotia 
apud s. r. maiestatem tractavit. Rogo itaque V. C. etiam atque 
etiam, me apud ill. prineipem palatinum Vilnensem literis 
data occasione aliqua commendare meque in numero vestro- 
rum ministrorum ae intimorum retinere dignetur, ut sua 
celsitudo videat V. C. esse adhuc memorem sui servi. 

Fuit et hie, illustrissime princeps, domine clementissime, 
diebus superioribus dominus a Lasco, homo multae et ad- 
mirandae eruditionis, virtutis ac pietatis, qui ubique pietatem 
et alias virtutes V. C. occasione aliqua oblata praedicabat, 
imo etiam gloriabatur de multis et ınagnis donis a V. C. sibi 
exhibitis. Cum tam bene affectum illum erga V. C. viderem, 
interrogavi, utrum nobiscum sentiret de iustificatione. Ille 
publice multis praesentibus et audientibus, qui nos haereseos 
damnant, dixit se nos omnes et Osiandrum habere pro 
fratribus in Christo neque illum suo suffragio ab ecclesia 
expellere, imo omnes dicebat, qui vos et Osiandrum hereseos 
damnant, pessime facere et horribiliter peccare. „Quicquid 
enim“, inquit, „Osiander scripsit, eius habuit legitimam cau- 
sam, et qui seribunt contra ilum et tanquam haereticum 
damnant, male faciunt.“ „Sed hoc“, inquit, ,possunt dicere 
et scribere in usurpatione vocabulorum fuisse errorem, sed 
non haeresim". Quod mihi valde placuit itaque haec V.C. 
scribere volui. Utinam atque utinam aliquando daretur 


51 | 51 


occasio, ut a V. C. vocaretur, ut sua authoritate et doc- 
trina illos nostros adversarios confunderet. Quantum de 
sacramento attinet, dixit mihi et omnino voluit, ut etiam 
V. C. scriberem se libenter velle convenire eum omnibus ef 
rem in terminos tales constituere, ut omnes conveniamus, ne, 
inquit, sit divisio inter evangelicos in gaudium et exultationem 
papistarum et scandalum priorum. Non laudavit Philippum 
Melanethonem, quod ita in prima epistola Pauli invehatur 
in Osiandrum. Vilnae 23. die Aprilis. V*** Celsvis dedi- 
tissimus servus Basilicus despotas. 

Als Heraklid diesen Brief schrieb, war Laski bereits 
aufgebrochen, um ttber Großpolen nach Krakau zurück- 
zukehren. Hierher lenkte auch Heraklid nach kurzer Teil- 
nahme an dem kampf- und ruhmlosen Kriegszuge gegen den 
Ordensmeister Fürstenberg seine Schritte. Sigismund August 
hatte ihm Empfehlungsbriefe an den Sultan mitgegeben, der 
Abenteurer scheint anfänglich also nach Konstantinopel sich 
haben wenden zu wollen, aber Laski und seine Freunde 
Stanislaus Lasocki und Hieronymus Philippowski, die Führer 
des unternebmungslustigen kleinpolnischen evangelischen 
Adels, hielten ihn fest. Er hatte zur reformierten Abend- 
mahlslehre sich bekannt und seine Verwandtschaft mit dem 
Hospodar der Moldau Alexander „entdeckt“, der mit ihm am 
Feldzug gegen Livland teilgenommen. Konnte er nicht viel- 
leicht an Alexanders Stelle zum Herrn der Moldau sich auf- 
schwingen und dieses Land der Reformation erschließen? 
Mit Herzog Albrecht blieb er im Briefwechsel, sandte ihm 
auch sein Buch über kriegstechnische Fragen, das er im 
Anschluß an die Livlandfahrt, vielleicht unter Benutzung 
des Kriegsbuches des Hieronymus Laski, geschrieben und 
das Trzecieski mit Versen begrüßt hatte. Als der Hohen- 
zoler ihm am 28. Oktober 1557 dankte?), ihm sein Bild 


) 1554 lief das Gerücht um, Herzog Albrecht würde Laski zum 
Bischof berufen. Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Laski. 
Altpr. Monatsschrift S. 45, 459. 

5) „Serenissime domine. Binas literas a Dominatione Tua supe- 
rioribus his diebus accepimus, alterae Horatium Curionem commen- 
dabant, alterae vero de disciplina militari librum sibi habebant con- 
iunctum, Utraeque non dubias Domnis T. erga nos veri amoris conti- 
nebant significationes, propter quas nobis etiam erant gratiores. 
Horatium autem, tum ut Dom»is T. consiliis, qnae amplectebamur, 


4* 


52 | 52 


und eine Geldunterstützung schickte, gab er dem Boten ein 
Schreiben an Laski mit. Er war über dessen Aufenthalt 


fieret satis, tum quia ex minerva eius elucebat coniuncta cum prudentia 
bonitas et pietas, nobis adscivimus. Reditum in sua Domni T. non 
invidemus praecamurque deum Dom»is T. coepta consiliaque feliciter 
promoveat provehatque. Sed mólestius id ferimus, quod multa adhuc 
reliqua habeamus, de quibus cum Domne T. conferre eupiebamus, et 
id quidem non tam eo quod militiae terrenae aucupemur gloriolam 
affectemusque, ut qui ad coelestem potius aspiremus, quam quod ei 
studio a pueritia dediti nobis ipsis nunquam faciamus satis, Et quod 
. cupiamus commentationes nostras prodesse posteris aut certe nostris 
testatum faciamus, nos de disciplina militari veteri undique premen- 
tibus nunc hostibus non abiecisse curam studiumque, remittimus librum, 
ut, quae desideramus, suppleantur aciebusque numeri sui addantur, de 
quibus coram Horatius noster, Effigiem nostram, quam Domtio T. petiit, 
mittimus et viaticum, tenuius id quidem et opinione sua et nostra 
voluntate, sed quid faciamus? Tantum non exhausti et quantos hoc 
tempore fecerimus sumptus, Domtio T. facile aestimare potest. Hoc 
solo Dom»i T. satisfaciemus, quod vestri memoriam nunquam sumus , 
desopituri. Contra postulamus de suis rebus et Turcicis frequentes ad 
nos mittat literas, Valeat Domtio T. quam felicius. Konispergae 
28. Octobris a 1557." 


Heraklid antwortete: „Ill. Celsnis V, literas accepi cum effigie ac 
viatico, pro quibus infinitas gratias ago. Mihi enim ista a Celane V. 
gratissima sunt sciens animi sui erga me propensionem, et cum mihi 
nunc alius modus non sit gratiarum agendarum, humanitatem, benevo- 
lentiam, liberalitatem suam ac infinita in me beneficia praedicare vhique 
non cessabo. Quod d. Horatium iu suum servitium acceperit. n 
mediocriter gaudeo non solum illius causa, quod tanti principis servi- 
tium assecutus sit, sed etiam Ill. Celsnis V., quod sciam illam: habi- 
turam servum industrium, fidelem atque diligentem et, quo magis eo 
utetur, sibi gratiorem. Si mihi experientia notus non fuisset nec 
existimassem eum idoneum futurum, profecto nunquam nec ipsum nec 
alium quemvis commendassem. Quare rogo Celsnem V. III., gratiosam 
illi se praebeat et non facile malevoli cuiusque voluntati credat. Is 
quoniam servos suos ae supellectilem hic non invenit, cogitur Schluzcii 
usque proficisci ad ducem Sclucensem. Ibi quamprimum fieri potuerit, 
se expediet ac ad Ill. Celg"em V, se conferet. Ego iam in ipso discessu 
sum sperans me brevi et patria et patrimonio potiturum, de quo gaudeo, 
quoniam erit mihi maior occasio demonstrandi benefactoribus ac pa- 
tronibus ( meis animi gratitudinem. Librum corrigam ac per d. Hora- 
tium mittam. Deus Ill. Celsnem V. cum ill. coniuge et filio ill. in per- 
petuum incolumem servet, V. Celsnis humilis servitor BDaoskıxös 
Lennòrye. 


53 | 53 


im unklaren!), schrieb deshalb auch am 30. Oktober an 
dessen Neffen Nikolaus Laski, scheint ihn aber in Heraklids 
Nähe vermutet zu haben. 

Laski arbeitete damals an einer Verschmelzung aller 
Evangelischen Polens zu einer einigen polnischen National- 
kirche. Für diesen kirchenpolitischen Plan gewann er 
Heraklid. Da er nur hoffen konnte unter Zustimmung und 
mit Einwilligung des Herzogs Albrecht seinen Plan zu ver- 
wirklichen, bestimmte er Heraklid, seinen Einfluß auf ihn in 
dieser Richtung geltend zu machen. Er veranlaßte ihn, 
Utenhoves Agende dem Herzog zu schicken, diesen und ihn 
selbst in zwei Schreiben dem Herzog zu empfehlen, als er 
im Verfolg seiner Absichten sich Neujahr 1558 zur Reise 
nach Königsberg entschloß). 


lllustrissime princeps... Saepe meis literis solitus sum 
multos commendare V. Cels, quod non impudentiae, sed 
hono animo adscribere dignetur, etiam atque etiam rogo. 
Scio enim et ipse V. Celsvis pietatem expertus sum, de qua 
minime abutens sed utens soleo bonos et honestos, qui 
propter religionem patiuntur persecutionem, commendare. 
Num eos ita gratos V. Cels"! esse scio, ut per beneficentiam 
vestram re ipsa experiantur. Superioribus diebus eum d. 
Curione ad V. Cels"*" miseram una eum meo ministro quan- 
dam formam precum ecclesiasticarum a praesentium latore 
loanne Utenhovio descriptam una eum testimonio per rev. 
d. loannem Alaseho dato sui exilii. Cum iam ipsemet d. 
Utemhovius una cum rev. in Christo patre et propheta dei 
d. Alasco in aulam V. Celsnis suum iter statuit, volui eum 
paucis V. Cels! commendare, quamvis ca est pietate et vir- 
tute praeditus, ut nullius indigeat commendatione. Quando- 
quidem, ill. princeps, dietus d. Utenhovius ex equestris ordinis 
familia prognatus, singulari prudentia, eruditione, pietate et 
virtute praeditus est, adeo ut rev. d. Alaseo, ne meum tan- 
tum iudicium adferam, non solum eum magnifaciat, verum 
etiam, ut ab ipsomet rev. d. Alasco audivi, admiretur, cum 


t) Vgl. Wotschke, Herzog Albrechts Brief an Laski.  Altpr. 
Monatsschrift 45, S. 460. 

2) Konin, den 23. März 1558 bittet Laski auch Melanchthon, für 
ihn an den Herzog zu schreiben. Daß er in diesem Briefe seines neuen 
Freundes, der vor zwei Jahren Melanchthons Wohlwollen erfahren, 
nicht gedenkt, kann nicht weiter auffallen. Er wird seit seiner Ab- 
reise aus Krakau ohne Nachrichten von ihm gewesen sein. 


54 54 


vero propter veram, sanctam et catholicam religionem exi- 
lium!) eum maxima rerum penuria patiatur, rogo V. Cels»em 
obnixe et ut unus ex fidelissimis V. Celsuis servis peto et 
obsecro, si propter illum meum animum erga V. Cels"*" fide- 
lem aliquem V. Cels"* habeam favorem, ut istum nobilem 
eommendatum habere dignetur iuvetque et suam humanitatem 
et liberalitatem, quam solita est omnibus extraneis ostendere, 
exhibeat, Nam praeterquam est deo gratum tantum virum 
nobilem propter Christum dominum exulem iuvare, tanta est 
virtus in homine, quod ubilibet terrarum doctissimis viris 
reformatoribusque passim ecelesiis, ubi faliniater (!) est notus, 
V. Cels”!s pietatem, liberalitatem patefaciet et praedicabit. 
Ideo iterum atque iterum obnixe rogo, ut re ipsa illam, 
quam ego pietatem, liberalitatem praedicavi et praedico de 
V. Cels"*, experiatur singularique amore ac favore suo prose- 
quatur. Quantum rev. d. Alasci autoritas adversus maledieos 
iuvabit, melius, quam ego scribere possum, intelliget. Quanta 
bona praedicat et omnibus de V. Celsne sua rev. dominatio 
dicit, seribere non possum, nam ubique, et ipse propriis auribus 
audivi, non solum humanitatem, pietatem, liberalitatem, 
sincerum erga Christum affectum V. Cels"i* dicit et praedicat, 
verum etiam cum maximo affectu animoque benevolo contra 
omnes maledicos, qui vel ex invidia vel insania aliquid egur- 
gitant, se opponit defenditque. Quod certe signum est 
maximae amicitiae et res non levis momenti, tantus vir tantae 
autoritatis se malevolis, qua tamen digna est V. Cels@°, oppo- 
nere, pluraque ego audivi et interfui. "Vestrae Cels"! sceri- 
berem, nisi scirem V. Cels?! iam ante multos annos suam rev. 
dominationem notissimam esse. Quod residuum est, rogo 
deum, patrem domini nostri Jesu Christi, ut V. Celsnem Nesterios 
annos servet incolumem, ut pii habeant aliquod refugium. 
Datae Cracoviae, die 2. Januarii 1558. V. III. Cels”! fidelissi- 
mus servitor Basilieus despotas Sami. 

Etsi non sum bonus scriba, tamen manu propria V. Cels"! 
IIl., ut cognoscat, quo affectu commendem istum pium nobi- 
lem, scripsi. 

Obwohl Heraklid schon in diesem Briefe Laski aufs 
wärmste dem Herzog empfohlen hatte, richtete er am folgen- 
den Tage für ihn an den Fürsten noch folgende Zeilen: 


„Illustrissime princeps et domine domine clementissime. Post 
debitam meorum servitiorum oblationem Cels"** V, certiorem 
facere volui rev. in Christo patrem et prophetam dei, d. 
Johannem Alascum visitandi gratia V. Celsnem accedere. Quo- 


1) Sommer 1559 kehrte Utenhove nach England zurück. Am 
. Juni dieses Jahres weilte er schon in Frankfurt a. M. 


55 55 


niam vero, illustrissime princeps, hic dietus d. Alascus, ultra 
quam quod est vir admiranda pietate, prudentia, eruditione 
et singulari virtute praeditus, tum et V. Cels" fidelissimus et 
integerrimus servitor et amicus, imo talis ut V** Cels? vestri 
honoris et famae per totam Poloniam, Lithuaniam, taceo 
Prussiam et Germaniam, vix habeat studiosiorem, cuius 
rei ego ipsemet aliquando sum testis, nam saepissime Vilnae 
et in Polonia interfui, ubi Ve Celsnis aliquando aut per me 
aut alium quendam V° Celsnis fidelem mentio est faeta, tum 
si quidam malevoli suum venenum evomere sunt conati, tum 
sua rev. dominatio non solum rationibus seripturarum, sed 
etiam obiurgando pro suo solerti ingeuio eos confundebat; 
multa alia ego observavi, quae me de singulari affectu erga 
Vram Cels”em deditissimum certificarunt, ideo V**" Celsnem ro- 
gare volui, ut dictum dominum reverendissimum singulari 
humanitate, liberalitate et amore prosequi dignetur. Nam 
quantum sua autoritate non solum verbis sed et scriptis suis 
poterit obesse ealumniatoribus, V'* Cels? cogitet. Quapropter 
supplex rogo V Cels"*», illum tali bonore, quo nunquam prin- 
eipem vel comitem aut palatinum aliquem prosecuta est, 
prosequi dignetur et ita liberaliter dimittere, ut unquam 
aliquis a V Cels"* est dimissus, et, si fieri posset, annuo 
stipendio sibi dedicare, quod et Vine III. Cels"'* filio et utile 
et honorificum fore non diffido. Si Vre Cels? meis his preci- 
bus et consilio locum dederit, non poenitebit et aliquando 
pro eo mihi gratias aget. Cum sua rev. dominatione veniet 
quidam nobilis, d. Utenhovius, singularis virtutis et pietatis 
homo, magnae autoritatis apud rev. suam dominationem et 
omnes nostras ecclesias, qui quoque propter evangelium et 
confessionem exilium patitur, de cuius statu latius Ve Cels"! 
scribam. Rogo obnixe, Vra Cels?» velit esse clemens. Deus 
opt. max. Vn Celsnem Nestoreos in annos servet incolumem. 
Datae Cracoviae 3. Januarii 1558. V*** III. Cels"* servitor 
fidelis Basilieus, Despotas Sami manu propria. 


Laski hat Heraklid nicht wiedergesehen, Als er von 
seiner Reise nach Großpolen und Preußen zurückkehrte, war 
der Abenteurer nach der Moldau zu seinem angeblichen 
Verwandten, dem Hospodar Alexander, gegangen!) und als 


1) Jassi, den 25. Mai 1558 bittet Heraklid den Herzog um Waffen: 
„Confugio ad Vram Celgnem, ut nobis auxilio esse dignetur subministrans 
arma aliqua ad includendum sicuti loricas vel squameas vel alterius 
generis et aliquot pixides seu sclopetas cum binis levissimis et cam- 
pestribus tormentis bellicis ex minimis, qua apud Vram Celsnom reperi- 
untur. Res enim nostrae in huiusmodi sunt statu constitutae, ut non 
absque aliquo motu bellico in patriam reverti sperem... Quidquid ad 


56 | 56 


er hier seines Lebens nicht mehr sicher war, zum Woiwoden 
von Reußen, Prokopius Sieniawski’), und schließlich zum 
Neffen des Reformators, Albrecht Laski, dem. Sohne des 
Diplomaten Hieronymus Laski, dem berüchtigten Kondottieri, 
nach Kesmark in Ungarn. Am 8. Januar 1560 starb Johann 
Laski. Heraklid aber sammelte mit Lasockis, Philippowskis 
und Albrecht Laskis Hilfe Ende 1560 Truppen, fiel in die 
Moldau ein, schlug den Hospodar Alexander am 18. Nov. 1561 
bei Werbia aufs Haupt und machte sich zum Fürsten der 
Walachen?). Jetzt zeigte sieh, welchen Eifer für die Re- 
formation Laski und seine Freunde in dem Herzen des grie- 
chischen Ritters geweckt hatten. Ungeachtet aller entgegen- 
stehenden Schwierigkeiten suchte er sie in dem eroberten 
Lande einzuführen. In diesem Bestreben lieb er aueh nicht 
nach, als er mit Albreeht Laski zerfallen war und ihm das 
pfandweise überwiesene Chotin wieder abgenommen hatte“). 


me mittere Vrae Celsni visum fuerit, vel per potvodas vel per navim 
usque ad Sandomiriam et exinde huc dirigantur in Moldaviam penes 
ill. d. Alexandrum, Moldaviae et Valachiae waiwodam.“ 

) Vgl. Wotschke, St. Lutomirski, Archiv f. Reformationsgesch. 
III, 168. 

3) Zur Ergänzung der Nachrichten, die jeh hierüber im Theo- 
logischen Literaturbericht „egeben habe, verweise ich auf das Schreiben, 
das Gabriel Tarlo Wilna, den 6. Januar 1562 dem Herzog Albrecht 
sandte: „Daß der Despota den Woywoden aus der Wallachey Alexan- 
drum vertrieben und das Landt mit List erobert und eingenuhmen, 
werden E. F. D. zweiflelson dauon lengst bereidt I&untschalTt einpfan zen 
baben. Und hatt derohalben gemelter Woywoda itzt sein Bottschaft 
zu Lomsde, so woll auch der junge Wayda aus Siebenbürgen, boi 
welchem er sich. wie man sagt, aufhalten solle. Was aber jre Ge- 
werbe, kann man noch alhier nitt wissen, weil sie die Zeitt dieselben 
bey der kön. Majt noch nitt abgeleget, die Zeitt aber wird es geben. 
In Gemein will man es dafür achten. es werde der Despota schwer- 
lich das Regiment lang fürenn, dan sich der türkisch Kayser des ver- 
‚ triebeuen Waywoden ernstiichen annehmen vnd gentzlichen des Für- 
habeus sein solle, inen widerumb zu restituirenn.“ Der Beglaubigungs- 
brief, den Heraklids Kämmerer und Gesandter Leneze dein polnischen 
Könige überreichte, vom 12. Dezember 1561 datiert, wie auch seine 
Instruktion befinden sich im Königsberger Staatsarchiv. 

3) Achill Scipio schreibt Lemberg, den 24. Januar 1563 dem 
Herzog Albrecht: „Wie ich mith schwerer Krangheith in der Reyschen 

Lembergk mein Krangheith gelegen, hath der walachische Woywoda 


57 57 


Den kleinpolnischen Geistlichen Johann Lusenski, der in 
Zürich und Genf wohlbekannt war, berief er zum evan- 
gelischen Bischof des Landes, den Ratschlägen des Laskischen 
Sehwiegersohnes Stanislaus Lutomirski lieh er willig Ohr, 
den bekannten Lismanino suehte er als Theologen zu ge- 
winnen. Sein früher Sturz!) und Tod?) November 1563 aber 


ala der Dysspodt das Schloß Chodtin dem Lasko mith Gwalt als mith 
funfftan:end Man abwredrungen und eingenomen, welch Slog der wa- 
lachische Woywoda dem Lasko zu einem I'fandschillingk vor seinen 
darhgesezten Unkosten eingegeben, welchs achte ungeierlich vor Agnetis 
gescheen, und das feste Hauß so in der Walachay leith zwo Meylen 
von Kamenczen am Nester gelesen. Waß nhue ferner daraus er- 
folgen wiell, wirth die Czeitk geben. Omne regnum in se divisum 
dissolabitur.“ Über Achill Scipio Sehelleuschmidt, der eine Chronik 
des deutschen Ritterordens verfaßt hat. vol. Wotschke, IIerzog Albrecht 
uud die preußischen Chroniken. Altpr. Monatsschrift 49, S. 528, 

D Wie Achill Seipio unter dem 14. Oktober 1562 aus Wilna te- 
richtet, hatte Heraklid, um seine Stellung zu festigen, um die Hand 
der Tochter des Fürsten Konstantin von Ostrog geworben. „Den 
sy benden September ist die walachische Podschaft nach Kyow an- 
komen und ... bey meinem gnedigen Fürsten Konstantino, Herzog zu 
Ostrow, umb seine geliebte Tochter mith Namen Elisabeth ansprechen 
lassen, das Sein Furstliche Grad. gemelten Welachen (als Dyschpoth) 
nach christlicher Ordnung vertrauen. und geben woldt* Da die be- 
gehrte Braut aber erst sieben Jahre alt war, lehnte Fürst Konstantin 
die Werbung ab. Heraklid hat dann die Tochter des evangelischen 
Woiwoden von Krakau Martin Zborowski. Christine, heimgeführt. 
1564 warb um die junge Witwe der Ilanptmann von Samogitien Johann 
Chodkiewieez. Dieser hatte 1550 in Leipzig studiert, war anfänglich 
evangelisch, wurde aber durch Hosius (vel. sein Schreiben vom 30. Ok- 
tober 1567, Hosii opera IT, 23) für den Katholizismus gewonnen und 
mit ihm der Melanehthonschüler Georg Weigel ans Nürnberg, der 
seine Königsberger Stellung aufgegeben hatte und in des Chodkiewitz 
Diensten getreten war 

2, A!l. Heraklid von den aufständischen Walachen unter Stephan 
Tomza in Suczawa belagert wurde, eilte der Kosackenführer. und 
Abenteurer Demetrins Wisniowlecki herbei, um ihn zu entsetzen. Er 
hatte aber kein Glück. Erhard von Kunheim beriehtet Radom, den 
21. September 1565 dem Herzog Albrecht: „Von Zeittungen ist sider 
meinem nechsten Schreiben allier bey mir nichts sunderlichs für- 
gefallen, allein das viel unbestündige hedenn gehenn, wie es jetzt juu 
der Wallachey so wüst und seltzam zugene. Das letzte Geschrey aber 
ist das, das man sagt, der Wischnewetzky sey gewislichen gefangen 
vonn dem Thomze, welehenn die Wallachen für ein nenen Woywodenn 
aufgeworffenn. Wo aber gemelter Wieschnewetzky hinkhowmenn. kann. 


58 58 


machte seinen verheißungsvollen reformatorischen Bemühungen 
und den hohen Hoffnungen, die man in Königsberg und 
Wittenberg, in Zürich und Genf für sein Werk hegte, — im 
Theologischen Literaturbericht 1917 habe ich sie geschildert, 
— ein jähes Ende. 

Von den Wittenbergern war, wie schon erwähnt, Me- 
lanchthon dem fahrenden Ritter Heraklid befreundet. Gern 
batte er sich mit diesem in seinem geliebten Griechisch 
unterhalten. Noch näher stand ihm aber Justus Jonas der 
Jüngere, seit 1561 Lehrer des Kirchenrechts an der Leucorea, 
der Sohn des bekannten Theologen, des besten Freundes 
unseres Luther. Wittenberg, den 2. November 1562 schreibt 
er dem Herzog Albrecht nach Königsberg'): „Ich kann 


man noch nit wissen. Seine zwen Brüder sollenn jnn der Schlacht 
blieben sein, den übrigen Polen, so auff seiner Seitten gewesenn, sollen 
die Wallachen Nasen und Ohren abgeschnitten uud sie wieder also 
jan Polen geschickt haben zum Zaichen, würdenn hinfurt mehr die 
Polen wider die Wallachen etwas feindlichs fürnehmen, sollten sie 
gleichfalls wie diese wiederumb zu den Ihrigen abgetertigt werden. 
Der Despot aber soll vonn dem neuen Weywoden, welcher doch khein 
‚Geschütz haben soll, zu Satzow hart belagert sein. Dig schreib ich, 
wie man itzt albier dauon redet. Was aber die Zeit hernach gibt, 
soll E. F. D. gleichfalls unverhalten bleibenn.“ An Tomza nahm Rache 
der Woiwode von Podolien Georg Jazlowiecki, 1561 Gesandter in 
Konstantinopel, der Schutzherr des Evangeliums in Jazlowiec südlich 
von Buczacz, dessen Sóhne Andreas, Petrus und Jakobus 1568 die 
Frankfurter Hochschule bezogen, Petrus 1563 schon die Leipziger, am 
1. Oktober 1583 auch noch die Altdorfer, nach dem Tode des Vaters 
(T 1575) freilich am 27. September 1585 auch die Ingolstadter, Der 
Züricher Simler hat 1568 Georg Jazlowiecki neben anderen polnischen 
Großen sein Buch „De aeterno dei filio Jesu Christo“ gewidmet. 


1) Unter dem 18. März 1563 empfahl darauf der Herzog unsern 
Jonas dem Fürsten Heraklid: „Cum honestus ac eruditus vir doctor 
Justus Jonas in quibusdam negotiis in Valachiam Moldaviamque pro- 
fecturus obnixe nos rogaret, ut se commendatione nostra, quam pro 
amicitia nostra multum sibi profuturam esse confideret, ad Illtem Vram, 
quae eum in longinguis ac peregrinis istis regionibus gratia et favore 
complecteretur, prosequeremur, tanto facilius id a nobis obtinuit, quod 
nobis exponeret Illi Vrae in Galliis, cum ibi cum comite Mansfeldensi 
esset, notum fuisse eidemque, cum fortunam adversam haberet, obse- 
quia sua animo prompto praestitisse. Illtem itaque Vram amice ro- 
gamus, ut hunc doctorem Justum benevolentia prosequi dignetur." 
In den Tagen, da Jonas diesen Empfehlungsbrief an Heraklid in 


59 | 59 


E. F. D. nicht bergen, daB mein gnediger her graff Volrath 
von Mansfelt mich in die Walachey an den herren Despot 
abzufertigen willens, mir auch zu solcher reise albereit pferde 
vnd wagen zugestellt. Bin theglich der volkomlichen ab- 
fertigung gewertig. Dieweil aber den herren bisweilen 
allerley binderung vorfallen, so stehe ich soleher reise halben 
noeh in Zweifel. Wo sie fort gehet, so will ieh meinen 
weg stracks aufs landt zu Preußen zunehmen vnd von dannen 
vormittels göttlicher hilffe vnd E. F. G. gnedigster furderung 
durch land zu Polen in die gedachten lande zihen. Hoffe, 
es solle mir aus soleher reise grosse wohlfahrt entstehen. 
Dann ich hochgedachten hern Despot auch eine Zeit, als er 
in Frankreich zu vufahl kommen, das leben geredt vnd von 
dannen in Deutschlandt geholffen, do ihme dann wohlge- 
daehter mein gnediger graf Volradt viel ehre vnd freundt- 
schaft bewiesen, des er sonder Zweiffel eingedenk vnd mich 
geniessen lassen wird. Do sichs aber zutrüge, das mich 
wohlgedachte graffen nicht schickten vnd E. F. D. achteten 
es dafür, das ich solche reise ohne sonderlich große euDerste 
gefahr thun könnte, so were mein vnterthenigste bitt, E. F. G. 
wollen mir die gnade erzeigen vnd mich von jhrentwegen 
an gedachten hern Despoten abfertigen !). Was nuh E. F. D. 


Wittenberg ausgehündigt erhielt, beschwerte sich über den Fürsten 
bitter Albrecht Laski bei dem preußischen Gesandten Christoph Jonas 
auf dem Petrikauer Reichstage. Petrikau, den 8. April schrieb er auch 
dem Herzoge Albrecht kurz: ,Putavi non esse intermittendum, quin 
Ill. Dom»! V. quid inter d. despotam, palatinatus Moldavici principem, 
et me agatur, planum facerem, praesertim cum cacterjs christianis 
principibus, quibus ab illo iniuriis affectus sim, indicaverim. Sed quia 
in praesentia literas meas seriis et gravibus Ill. Domnis V, negociis 
nolebam esse impedimento, nec fuit admodum ea mihi valetudo, ut 
id praestare possem, d. Christophoro Jonae, Ill. Dom"is V, consiliario, 
abunde enarrata commisi, ut Ill. Domni V. meo nomine referret." 

ı) Vom 12. Dezember 1562 ist die Antwort des Herzogs datiert. 
„Was die reyse jnn die Wallachey betrifft, heren wir gerne, daß euch 
graff Volradt von Mansfeldt derer ort abzufertigen willens. Dieweyll 
jbr aber doch noch in zweiffel stehet, ob solche reyse jren fortgang 
gewinne oder nicht vndt vff den fall, das gedachter graffe anders 
sinnes würde, bittet, wir euch die gnade erzeygen vndt vor vns hinein 
schicken wollten, seint wir jn gnaden zufrieden, wo gemelter graffe 
euch nicht schickte, das jhr euch nichts weniger zu vns hereyn be- 
gebet, so wollen wir euch jn vnserm namen, dieweyll jhr dadurch 
auch vermeint euren nutz zu schaffen, den wir jnn gnaden gerne 
ferdern, dahin zum Despota abfertigen, vndt kann solche reyse ohne 
gefhar vollendet werden. Der graff schicke euch nhun oder nicht, 
ao wollet es also machen, daß jhr von gedachtem grauen werbung 


60 oU 


disfals jn gnaden vor guth ansehn, bit ich vnterthenigst, 
E. F. D. wolten mir bey diesem bothen zuschreiben lassen, 
disse dinge aber jn geheim zu balten gnedigst befehlen. 
Schicket mich der graf, wie ich hoffe, so “will ich, ob gott 
will, jnn kurz selbst bei E. F. D. sein.“ 

Zwei Monate später, am 10. Januar 1563, lübt sich 
Justus Jonas dem Herzog gegenüber vernehmen: „Die reise 
jn die Wallachey zu dem herrn Despot geht für sich. Nach- 
dem sichs aber vieleicht noch ein wochen oder etlich ver- 
ziehen - möchte, als bitt ich EK. F. D. aufs vnterthenigst, sie 
wollen mir aulls erst, als es immer möglich sein kann, jn 
gnaden vermelden, ob jeh auch bequemlich vnd sicher von 
Konisperg aus der orthe kommen möchte. Denn etliche 
meinen, es sey durch Siebenbürgen vnd auf die Schlesien 
der negste und beste weg. Etliche meinen aber, der weg 
durch land zu Polen sev der sicherste“). Ich bitt auis de- 
mütigst vnd jn vnterthenigkeit, E. F. D. wollen mir disfalls 
jr gnedigst bedenken vermelden lassen?)* Noch im fol- 
ahn vns auch haben möget oder euch dermaßen stellen, als ob jhr 
ettwas von ihme oder andern ahn vns zu bringen hettet, Jhe che 
jhr euch nhun hereyn begebet, jhe besser solches ist, Wollet euch 
derhalben selbst nieht säumen.“ 


1) Unter dem 7. Febrnar 1563 autwortete der Herzog: „So viel 
eure walluchische reise belanget, könnet jr dieselbige vnsers erachtens 
am fügliehsten vnd sichersten durch Preussen thuu vnd vortstellen, 
darzu wir euch dann zu enr ankunfft ferire anleytung geben wollen, 
. . . Was aber ener bitten der bewußten summa halben, damit jr vns 
verhafft, belanget. das wir vff den fall, jr auff der value hischen reise 
bleiben vnd mit tode abgehen soltet, eurem weibe alsdann die helffte 
derselbigen erlassen wollten, wollen wir zu gott hoffen, der werde 
auf dieser reisen, wie zuuoru auff anderen mehr geschehen, mit seinen 
heiligen engeln bei euch sein.“ 

) Am 19. März 1565 ließ ihm Herzog Albrecht in Beantwortung 
von drei weiteren riefen sehreiben: „Wir hätten rerne geschen, daß 


solche reyse lengst jreu vortgang 1 well es aber nicht ge-. 


schehen können, stellen wir solches nunmehr auch an seinen orth. 
Wir weren aber noch woll wie zuuorn genesi, euch vor vnsere per- 
son an denselbiren orth zu schicken, so i es aber an dem, das der 
herr despot neulieber zeitt seine bottechaft bei vns gehapt, mit welcher 
wir unumehr vnsere sachen, so wir bei s. |, auszurichten, vortgestellet, 
daß wir dismal nichts bei s. I. zu thun haben und euch also jtziger 
zeitt der mühe vberheben vnd die vnkosteu sparen können. Bedanken 
vns aber cures vnterthenigen geneigten guiten willens vnd schicken 
euch gleichwol vif den fall, das euch der von Mansfelt noch schicken 
wirde, eurem bitten nach die vorschrifften an gedachten herrn Despoten. 


— 


61 61 


senden Mai trug sich Jonas mit Reiseplänen. Am 9. dieses 
Monats schreibt er dem Herzog aus Leipzig: „Mein gnediger 
graf Volrath hat mich anher gen Leipzig beschieden in 
meinung, mich in kurz in die Walaehey abzufertigen. Hoffe 
bei seinen gnaden zu erhalten, daB ieh meinen weg auf 
E F.D. lande zu nehmen möge, als will ich etliche gelegen- 
heit vermelden, darob sie sich verwundern werden.* Eine 


langwierige sehmerzliehe Krankheit, verbunden mit Kopf- 
gicht, zwang Jonas, seine Reise weiter hinauszuschieben. 
Dann liefen Nachrichten von Heraklids böser Lage, schließ- 
lich von seinem Tode ein und machten sie unnötig. 


Nachtrag. Einen Brief des Heraklid an Melanchthon 
vom 23. November 1556 aus Brüssel bietet Crusius, Turco- 
gräcia. 

Anscheinend noch bevor Heraklid zu Albrecht Laski 
kam, sandte dieser unter dem 13. November 1559 seinen 
Sekretär Erasmus Krossenski zur Ordination nach Witten- 
berg. Einen Brief an Melanchthon gab er ihm mit. Archiv VI, 
S. 354. Als letzter des Jahres 1559 erhielt Krossenski die 
Amtsweihe in der Elbstadt. Buchwald, Wittenberger Ordi- 
niertenbuch 1 Nr. 1943, Für „vociert ad d. albertum anas- 
eum in Kesmarch“ ist hier natürlich ad d. Albertum Alaseum 
zu lesen. Das Ordinationszeugnis Corp. Reform. IX Nr. 6890. 
Jener Johann Sommer, der im September 1562 zu Lublin 
in Heraklids Dienste getreten war, an der Besitznahme 
Chotins im Januar 1563 teilgenommen hatte, dann der Bi- 
bliothekar Heraklids, auch Lehrer an der von ihm gegrün- 
deten evangelischen Lateiuschule wurde und glücklicher als 
der evangelische Bischof der Moldau, Johann Lusenski, Cal- 
vins „gelieber Brude1*, der bei dem Aufstande der Walachen 
vergiftet, dessen Frau gehenkt wurde, sein Leben zu retteu 
wußte, ist nicht ein Sohn des Käsmarker Pfarrers Johann 
Sommer, der am 22. Februar 1548 in Wittenberg von Bugen- 
hagen die Ordination empfangen hat. Er stammte aus Pirna 
und hat sich noch Frühjahr 1562 in Frankfurt einschreiben 
lassen. Es ist der bekannte Antitrinitarier, der Clausenburger 
Rektor. Wir verdanken ibm eine Lebensbeschreibung Heraklids. 
Vgl. Legrand, Deux vies de Jacques Basilicos. Paris 1889. - 


— — — — — ———— 


Melanchthon und das Interim. 


Von Emanuel Hirsch. 


Die Bonner Universitätsbibliothek besitzt (Sign.: G1 248) 
einen Sammelband, der 26 Druckschriften wider das Interim 
aus den Jahren 1548—1552 bietet. Vorn und hinten ein- 
gefügtes freies Papier enthält z. T. handschriftliche Einträge. 
Die Sammlung hat ihre Geschichte. Nicht völlig weg- 
geschnittene Reste einer früheren (ersten) Zählung — in 
der unteren rechten Ecke der Titelblätter — beweisen, daß 
sie einst weniger umfangreich war. Nach der Neubindung, 
in ihrem jetzigen Umfang, ist sie — auf der Mitte des 
unteren Rands der Titelblätter — mit neuen Stücknummern 
versehen (zweite Zählung), auch vollständig durchfoliiert 
worden, wobei die freien resp. beschriebenen Blätter am An- 
fang und Schluß — hier mit Ausnahme des ersten, das die 
Zahl 574 trägt — unberücksichtigt geblieben sind. Der 
moderne Bibliothekar hat mit Bleistift eine dritte Zählung 
der Stücke hergestellt, welche die zwei Einträge am Anfang 
einbezieht, also durchgehend die Nummern um 2 gegen die 
zweite Zählung erhöht. Auf dem Titel des nach zweiter 
Zählung ersten Stücks!) findet sich die Bemerkung: Ex 
Bibliotheca D. Val. Ernesti Löscher Super Intend. Dresdensis 
sibi | comparavit Pet. Middeldorff. die 1 Junij 1750. 


Als 12. Stück zweiter, 10. erster Zählung findet sich: 
» Bedenekc'; auffs | INTERIM | Der Theologen zu | Wittenberg. | 
1548.", eine Schrift von vier Bogen, die Hinweise auf Druck- 


7) Nr. 3—7 der zweiten Zählung sind als Nr. 2—6 der ersten 
deutlich zu erkennen. In der ursprünglichen Sammlung hat also von 
Nr. 1 und 2 der zweiten Zählung sicher eins gefehlt. Es liegt nahe, 
sich Nr. l ala dem Ganzen vorgesetzt zu denken. 


63 ͥ 63 


ort oder genauere Druckzeit nicht enthält (das Datum am 
Schluß — D3a: Finis Junij 16 —- meint die Abfassungs- 
zeit, nicht die Beendung des Drucks). Wir haben in ihr 
das C. R. VI 924 ff. wiederholte Gutachten vor uns, und zwar 
den dort als archetypi editio secunda bezeichneten Druck. 
Genauer Typenvergleich hat mir ergeben, daß er aus der 
gleichen Offizin stammt wie Nr. 11 (zweiter Zählung')) der 
Sammlung, und in Nr. 11 nennt sich als Drucker M. Lotther 
in Magdeburg. Das stimmt zu dem bisher schon Bekannten, 
daß die archetypi editio princeps in Mageburg hergestellt ist. 

Das in unsre Sammlung geratene Stück des Witten- 
berger Bedenkens hat nun den Vorzug, daß Melanchthon 
selbst es in Händen gehabt und zu einer bis- 
her noch nicht veröffentlichten handschrift- 
lichen Eintragung wider das Interim benutzt 
hat, wozu die drei leeren Seiten am Schluß [D3b und D 4] 
Raum reichlich boten. Ich gebe diese Eintragung im folgenden 
möglichst treu, allein unter Auflösung der Abkürzungen, 
wieder und beginne dabei mit D 4b. 

Oben auf dieser Seite steht, etwas mehr dem Heftrand 
zu, zwei Zeilen beanspruchend, die Überschrift: 


Responsio | ad Interim 


Darunter ist ein Raum von etwa zwei Zeilen leer. Die tbrig- - 
bleibenden drei Viertel der Seite zerlegen sieh für das Auge 
in zwei etwa gleich große Hälften. Die obere enthält eine 
Zeichnung mit Inschrift und seitlicher Beischrift, die untere 
ein griechisches Doppeldistichon, dessen letzte Halbzeile jetzt 
vom Buchbinder weggeschnitten ist. 

Die Zeichnung stellt in ihrem linken größeren Teile 
einen mit wenig Strichen roh skizzierten Sarkophag dar, 
in dessen unteren Teil hineingeschrieben ist: 


Tumulus Lutheri 


Neben dem Sarkophag rechts sitzt eine nach Kindermanier 
gezeichnete weibliche Gestalt mit klagend hoch- 


1) Die Nummern erster Zählung sind bei Nr. 8—11 zweiter Zählung 
vollständig weggeschnitten, und eins der vier Stücke ist erst nach der 
ersten Zählung hinzugekommen (7 = 6; 129 = 10). 


64 61 


gehobenen Armen. Stuhl und unterer Teil der Gestalt sind 
nur eben angedeutet. Schon über der Gestalt beginnend 
und dann sich fortsetzend in dem schmalen Raum zwischen 
ihr und dem Heftrande die Beischrift: 


veritas 


adsidens ; et | con | que | rens 
Also die Wahrheit sitzt klagend an Luthers Grab. 


Was klagt sie? Das sagt das unter der Zeichnung 
stehende Doppeldistichon. Es ist weitlüuftig ge- 
schrieben, so daß jede Verszeile auf zwei Schreibzeilen 
(einmal sogar wegen einer Durehstreichung auf drei) sich 
verteilt. Doch heben sieh die Versanfünge, auch die der 
gegen die Hexameter um 2—3 Buchstaben eingerückten 
Pentameter, deutlich ab von den übrigen Zeilenanfängen. 
Folgendes der Wortlaut: 


&' sy & Tlauwy zog!) vr ) tõde | xa9nuat 
AovIrgov Tuußp xeıgaudva zÀo|xdpuovg 

Yvuov äyeı ueyakw BeBoAnuéva, | oüvexa srokkoiz 
å Ödolöpewv náta xgeivrov | [Euoö e ./ 


Zu der Ergänzung am Schluß bemerke ich: 1. Was von den 
vermuteten Worten in Melanchthons Handschrift über den 
oberen Rand der Schreiblinie hervorragen muDte — Spiritus, 
Akzente, die Spitze des v —, ist beim Wegschneiden er- 
halten geblieben und hat genau die erforderlichen Abstände. 
Etwa so: 


2. Die gleich zu erwähnende lateinische Übersetzung sichert 
die Worte vollständig. 


Soviel auf B4b. B4a ist leer. B3b enthält, gerade 
unter dem Text der Verse, so daß ungefähr Zeile auf Zeile 
zu liegen kommt, eine in Verszeilen abgesetzte prosaische 
lateinische Übersetzung: 


) Für or ist natürlich ein Stigma geschrieben. 


2) Zwischen aged und Töde steht noch, wieder ausgestrichen: 
tõðE x... wobei das w aus n verbessert und deshalb undeutlich ge- 
worden war. : 


65 | " 65 


[Ha ego?) misera apud hunc sedeo 
Lutheri tumulum, lacerata capil|los 

In animo dolore magno sauciata, quia | multis 
Dolosa deceptio pluris fit quam ego. 


Zu dem Eintrag dieser Seite hat eine spütere Hand be- 
merkt: Manus Melanchth. 


Wie ist das Ganze zu beurteilen? Meines Erachtens 
unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß Melanch- 
thon hier für den — älteren — Knaben einer 
verwandten oder befreundeten Familie eine 
Unterhaltung gefertigt hat, die unter dem 
Anreiz des Spiels Gemüt und Verstand bilden 
und in der griechischen Sprache üben sollte. 
Allein danach, wer der so bedachte Knabe gewesen seiu 
mag, kann man noch fragen. Da hilft vielleicht ein wenig 
weiter die Notiz, die eine alte, aber unbcholfene Hand auf 
das Titelblatt der Schrift gesetzt hat: 


Philippus Melanehthon d d|?) Marco?) pridie Margarethae 1548. 


Also, am 12. Juli 1548, als er eben vom Meifener Tage 
nach Wittenberg zurückgekehrt war, hat Melanehthon für 
einen Marcus sich die Mühe gemacht. Leider ist es mir 
nun. nicht gelungen, die Hand, die dies schrieb, und dem 
Vater des Knaben gehören muß, durch Benutzung der mir 
zugänglichen Hilfsmittel zu benennen, noch auch unter den 
Söhnen bekannterer Wittenberger einen Marcus aufzufinden. 
So hat mir die Notiz nicht viel Frucht getragen. 


Die Einfalt dieser kindlichen Zeichnerei und Vers- 
schmiederei läßt uns doch einen recht belehrenden Blick 
tun in Melanchthons eigentliche Gesinnung gegenüber dem 
Interim. Seine öffentliche Stellungnahme, die teils in un- 
glücklicher diplomatischer Berechnung, teils in einem Mangel 
an Glauben und persönlichem Mut ihre Wurzel hat, ist für 
ihn selbst etwas gewesen, was ihm gegen Gefühl und Ge- 


1) Über Illa ego steht noch, wieder durchgestrichen: Hec eg... 

*) Ein Teil des zweiteu d und was etwa noch hinter ihm ge- 
standen bätte, ist weggeschnitten vom Buchbinder. 

*) Die drei mittleren Buchstaben sind nicht eben sehr leslich. 


-~ 


Archiv für Reformution»geschichte. XVII. I. T 


66 66 


wissen ging, und Luthers Grab erschien, so zweideutig er 
an Carlowitz sich über Luther äußerte, seinem Herzen als 
letzte Zuflucht der verzweifelnden Wahrheit. 

Noch etwas andres lernen wir aus der Eintragung. 
Gewöhnlich pflegt man die erste Ausgabe des Wittenberger 
Bedenkens, die taktlos Melanchthons Namen auf ihrem Titel- 
blatte trug, auf Mitte Juli 1548 zu setzen (C. R. VI 924). 
Das ist zu spät. Denn selbst die zweite Ausgabe ist schon 
am 12. Juli 1548 zu Wittenberg und in Melanchthons Händen 
gewesen. | 


Drei Briefe Melanchthons. 


Von Gd. Bossert. \ 


1. Melanchthon an Erzbischof Albrecht von Mainz 
1530 Juni 3. 


Fol. 272a.] S. D. Illustrissime princeps et reuerendissime domine 
episcope, animaduerti ex mullis signis vestram celsitudinem maxime 
affici calamitate ecclesie et periculo non solum tocius Germanie, sed 
omnino tocius Europe. Ideo sine longiore prefacione miserrimas curas 
meas ac solicitudines in sinum vestrum tanquam optimi principis de- 
ponam. Si videor esse impudens, ignoscat celsitudo vestra magnitudini 
harum curarum, quarum fateor me remedia querere. Hec nusquam 
rectius queri possunt, quam apud bonos principes et episcopos. Spiritus 
sanctus appellat vos deos. Ego dixi: dii estis, certe hanc ob causam, 
vt res diuinas, religionem et publicam disciplinam ac tranquillitatem 
conseruetis. Placet et clemencia deo inter virtutes precipue. Quare 
oro propter deum, vt clementer has meas querelas accipiatis. Et alio 
loco inquit spiritus sanctus psalmo 67: Cum distribuit deus in ea, hoc 
est, ecclesia reges, illustrantur obscura!), hoc est, cum contingunt boni 
episcopi, — Nam de talibus regibus loquitur — redditur pax et tran- 
quillitas ecclesiis et exhilarantur omnia, que antea propter mesticiam 
erant atra et tenebrosa. Itaque peto, ut celsitudo vestra, que et 
sapientia et autoritate et mansuedudine prestat aliis episcopis, det ope- 
ram, ne res deducatur ad arma. Nos pacem petimus anxiis votis et 
a deo et a vobis, Qlia ratione autem et quibus modis constitui pax 
possit, non est meum prescribere vestre celsitudini. Ego tamen hoo 
indicabo. Nos autores sumus, vt iurisdictionem ecclesiasticam et obe- 
dienciam ecclesiarum retineatis ac, sicubi videtur adempta, recipiatis, 
si concesseritis nostris pauca quedam, videlicet vtramque speciem, 
coniugium sacerdotum et missas parochiales, quales nunc habemus. 
De aliis rebus non magnopere videntur litigaturi nostri, Fortasse sola 
missa habet questionem, verum hie non institui disputationem. Facile 
enim?) intelligi missas alibi non posse mutari. Sed quid opus est, cum 
de ceremoniis misse et de eucharistia vobiscum [Fol. 272b] sentiamus 
eciam, si numerus missarum dissimilis erit, propterea nos condemnare, 
propterea totam Germaniam horribili bello funditus perdere? Errant, 
qui putant sic consultum fore ecclesiis. Ego bellum metuo non solum 
propter corporalia mala, sed multo magis, quiz maior dissipatio ec- 
clesiarum impendet. Multi noua dogmata parturiunt. Argentinenses 
aliquocies significauerunt, se de diuinitate filii impie et contra catholi- 
cam ecclesiam sentire. He pestes adhuc latent erupture, si quod bellum 
orietur. Tunc enim plurimum possunt, qui sunt audacissimi, et inuenient 
fortasse ducem curioso ingenio preditum et audacem. Hoc sì accideret, 
religio tota funditus periret. Scio, qualia consilia nonnülli habeant. 
Scio, quibus artibus conentur sibi Antiochum aliquem adiungere . . .?) 


1) Ps, 67,15 Vulgata: Dum discernit caelestis reges, super eam, 
nive dealbabuntur in Selman. 

2) Es fehlt est. 

) Die Vorlage hat Eluctu, das keinen Sinn gibt. Sollte Melanch- 
thon geschrieben haben: electum, d. h. mit Abkürzung electu? Es würde 
wohl passen, 


5* 


68 68 


Quare vos oro propter Christum, ne quid inclementer, de nobis 
statuntis. Proderit non solum ad pacem corporalem sed etiam ad 
pacem ecclesie, si vobis coniunoti fuerimus, si obedienciam legitimam 
vobis reddiderimus, qua recuperata, cum de doctrina non dissenciemus, 
nulla debebit videri discordia eciam, si ceremonie alicubi dissimiles 
sint. Quando enim fuerunt similes? Neque he pertinent ad vnitatem 
ecclesie, sicut scit celsitudo vestra, quam ego nihil dubito satis magnam 
cognitiorem doctrine christiane habere. Ego scio Lutherum maxime 
cupidum esse pacis, et declarauit sepe iam, cum vnus ipse aut certe 
primus a belli consiliis homines importunos retraxit. Heo scripsi sim- 
plici animo breuius, quam tanta res postulet. Sed volui tantum rogare 
celsitudinem vestram de sarcienda concordia, non volui docere prin- 
cipem excellenti ingenio et singulari sapientia preditum. 1530 feria 
6 post Exaudi, quae est 3 Junii. 
Brentiana IIT, 272a. Ratsarchiv in Schwübisch-Hall. 


Die Unterschrift Melanchthons fehlt, ebenso die Adresse. Nur 
in der linken Ecke Fol. 272a oben steht: P. Melanch. Ad Archie- 
p(iscopu)m Magunti(nense)m, während Fol. 271b zu lesen ist: Sendt- 
brieff Herrn Philippi Melanchthons Ahn Erzbischoffen zu Maintz, dar 
Inn er Pitt, Ihre Churfr. G. wöllen sich wider die Enangelischen, so 
anderst nichts dann den lieben Frieden begeren, mit vngnaden gegen 
Ihnen waß furzunehmen nit bewegen lassen. Pie Abschrift, die wohl 
dem Ende des sechzehnten Jahrhundert angehört, wie der unsicher 
werdende Gebrauch von v und u beweist, stammt von einem sprachlich 
nicht geuügend gerüsteten Schreiber. Der Fundort Schwäb. Hall Bren- 
tiana macht wahrscheinlich, daß dem Schreiber eine Abschrift des 
Briefes von Brenz’ Hand vorlag, der sie wohl aus Augsburg mit- 
gebracht hatte. An der Echtheit des Schreibens kann kaum gezweifelt 
werden, denn die hier ausgesprochenen Gedanken über die Einigung 
der Protestanten mit den Katholiken finden sich in Melanchthons Brief 
vom 7. Juli 1530 an den Sekretär des Kardinals Campegius CR2, 172 ft. 
Nr. 763 wieder. Es überrascht nur, daß er sie schon am 3. Juni dem 
Kardinal Albrecht gegenüber ausgesprochen hat. Wir verstehen auch, 
daß es dem Charakter Melanchthons entsprach, daß ihm die Erhaltung 
des Friedens und Störung der öffentlichen Wohlfahrt durch einen 
Religiunskrieg über alles ging und er zur Erreichung des Friedens 
zu den bedeutendsten Opfern auf religiösem Gebiet bereit war. Aber 
der ängstliche Mann fürchtet von einem Krieg nicht nur Folgen für 
Deutschland, sondern sah einen Weltbrand für ganz Europa kommen. 
Auffallend ist, daß er nur Zugeständnisse fordert für dns Abendmahl 
unter beiderlei Gestalt, die Ehe der Priester, wozu er am 7. Juli noch 
die der Mönche fügt, und die evangelische Messe nach Luthers Ord- 
nung. Von dem Recht der evangelischen Predigt und evangelischem 
Jugendunterricht schweigt er gauz. Die Verschiedenheit der Zere- 
monien, auf deren Einheitlichkeit die römische Kirche bei aller Un- 
wöglichkeit, sie bis aufs letzte Tipfelchen durchzuführen, immer streng 
dringt, nimmt er dem Erzbischof gegenüber gar zu leicht und vergißt 
ganz, welche Gefahr eine Uuterordnung unter die Bischöfe, die doch 
durchaus katholisch gesinnt waren, für den Protestantismus bedeutete. 
Denn diese konnten amtshalber und überzeugungsgemäß nicht anders, 
als alle protestantischen Lebensäußerungen unterdrücken. Noch un- 
begreiflicher ist die Hoffnung auf Gewinn für Zucht und Ordnung 
durch Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion. Fr muste doch 
wissen, wie tief unter der Gleichgültigkeit und dem Mangel an sitt- 
lichem Ernst, der auch schwere sittliche Vergehen zum Arger der 
Laien nur „mit dem gelinden Fuchsschwanz“ zu strafen pflegte, die 
öffentliche Sittlichkeit gelitten hatte. Man darf ja nur au die beweg- 
liehen Klagen der Chronik von Zimmern oder den Bericht des baye- 


69 69 


rischen Rentamts von Burghausen denken!) so daß selbst gut katho- 
lische Herren sich genötigt sahen, ohne nach dem Bischof zu fragen, 
gegen Priester vorzugehen. Schien es doch, als könnte man um Geld 
leicht Nachlaß aller Strafen für Vergehen jeglicher Art erlangen. War 
selbst für Mord und Totschlag unschwer mit einigem Opfer an Geld 
und Verrichtung von gottesdienstlichen Zeremonien eine volle Sühne 
zu erlanzen. i 

Schmerzlich berührt es, wie Melanchthon den Teufel an die Wand 
malt, indem er die Straßburger in den Verdacht der sch wersten Ketzerei, 
der Leugnang der Gottessohnschaft Christi bringt und in einer dem 
Kardinal Albrecht sehr leicht verständlichen Weise den Landgrafen 
Philipp von Hessen, ohne ihn mit Namen zu nennen, als Führer in 
einem Religionskrieg (ducem curioso ingenio preditum et audacem), ja 
ala Antiochus, der einst im Religionskrieg die Juden zum Heidentum 
zwingen wollte, zeichnet. Unbegreiflich ist, wie Melanchthon dem 
Kardinal sagen konnte, Luther sei ebenso, wie er selbst, bereit zum 
Frieden mit der katholischen Kirche, als ob Luther all die Zugeständ- 
nisse Melanchthons je billigen würde, wenn er auch, was Melanchthon 
mit Recht sagen konnte, sehr gegen einen bewaffneten Widerstand von 
Seiten des Schmalkaldischen Bundes gegen den Kaiser Einsprache tat, 
bis er ihn unter dem Einfluf von Politikern und Juristen unter anderem 
Gesichtspunkt als dem religiösen würdigen lernte. 

Das Schmerzlichste aber ist die starke Schmeichelei, mit der 
Melanchthon an einen so wenig charaktervollen, ernsten und tiefer 
denkenden Kirchenfürsten die größten Lobsprüche verschwendete und 
ihn als principem excellenti ingenio et singulari sapientia preditum 
rühmte, ja von ihm behauptete, er übertreffe die andern Bischöfe an 
Weisheit, Ansehen und Milde, und dann auch auf alle Bischófe die 
Psalmworte Ps. 67, 5 und 82,6 anwendete, über die doch selbst Janssen 
nicht günstig urteilt. Man sieht, wie notwendig die ermutigenden 
Briefe Luthers aus Koburg waren, wie notwendig der weiche Pfälzer 
einen starken Halt an dem unbeugsamen Sachsen brauchte, und wie 
unberechtigt seine Klage über den überwältigenden Einfluß Luthers 
gegenüber Chr, v. Carlowitz (CR 6, 879 fl.) in schwacher Stunde war 


2. Melanchthon an D. Morschein. 28. August o. J. 
Ex autographo ). 


Melanchthon klagt über die Uneinigkeit in der Kirche gegenüber seinem 
Eintrachtsstreben und empfiehlt seinen Schwiegersohn Peucer. 


Clarils(imo) viro eruditione et virtute praestanti D. Morfheimio 
amico suo carilsimo in inclyta academia Edelbergensi. 

S. D. Carils(ime) Mercuri), Sunt in genere humano multae 
triftilsimae dilacerationes, et quae caulsae fint, doctrina ecclesiae osten- 


1) Sugenheim, Bayerns Kirchen- und Volkszustinde im sech- 
zehnten Jahrhundert, S. 542 ff. 

*) Die Abschrift ist mit sehr starken Abkürzungen geschrieben. 
Doch ist der ganze Wortlaut sicher mit Ausnahme von perdiu, von 
dem nur p mit Abkürzungsstrich unten gebogen, d und u und drüber 
Abkürzungsstrich sicher sind. 

3) Johann Mercurius von Morsheim, in Heidelberg inskribiert 
22. Nov. 1535, Baccalaureus 17. Juli 1539, Magister 16. Juli 1547, 
alumnus iuris 15. Jan. 1550, dann Professor der Mathematik. Töpke, 
Matrikel der Universität Heidelberg 1,561; 2,458, 492. 


70 70 


dit, Sed nos, qui cives verae ecclesiae sumus, unum in deo fimus et, 
q(uantu)m possumus, coniunctionem tueamur, Quare te a me diligi 
non dubites. Volo a te et hunc generum meum Cafparum Peucerum !) 
familiariter complecti, cnius virtus digna est tuo et aliorum favore, 
Salutem meo nomine reverenter dicas Henrico?) concionatori et aliis 
amicis et petes ab eis, ut hunc meum generum ipsi quoque complec- 
tantur. Spero eius sermones vobis non ingratos fore. Et fcis eius la- 
bores perdiu (?) discentium studiis et eum ornare eruditionem integritate 
morum et abhorrere ab his, qui odia et difsidia accendunt. Si istic 
est Hupertus secretarius ?), reverenter ei meis verbis falu(tem)*) dicito 
et Casparum ei commendato. Bene et feliciter v(aMe*) et rescribe. 
Die 28, Augusti Philippus Melanthon. 


Verschiedene Wirtembergika 1496 —1595. Mh 761 Fol. 85f. Uni- 
versitütsbibliothek Tübingen. Geschenk aus dem Nachlaß Uhlands 1871. 


3. Melanehthon empfiehlt einen jungen Johannes 
von Morscheim an Rektor und Professoren. (O. T. u. J.) 


S. D. Magnifice d. rector, clariss(imi) viri, eximii d. doctores et 
praeceptores, Vetus et nobilis familia est Morschemiorum *) in ditione 
principis Palatini. Ex ea familia natus est hic Johannes’), novi patrem et 
avum, magistrum curiae Palatinae, praestantem virum et imperatori 
Maximiliano carum, erat belli tempore, quod tunc cum Palatino Phi- 
lippo gerebatur. Et in hoc juvene gentilicium t(antu)m eloquentiae 
manet. Fortuna cetera eripuit. Rogo, ut eum iuvetis stipendio ex 
legato clarifs(imi) viri d. doc(toris) Henningi?). Philippus Melanthon. 


Am Rand: Mihi placet, ut huic adolescenti conferatur stipendium. Rector. 


Abschrift mit einigen Abkürzungen und der Überschrift: Philippi 
Melanthonis Epla, defcripta a me ex Autographo, etfi sine infcriptione. 


Verschiedene Wirtembergika 1496—1595. 49. Mh 761 Fol.85. 
Universitütsbibliothek Tübingen. Geschenk aus der Bibliothek Ludwig 
Uhlands 1871. 


!) Peucer hatte seinen Schwiegervater Melanchthon nach Worms 
begleitet, wo er am 28. August ankam. Von dort schickte er Peucer 
sogleich nach Heidelberg. 

2) Heinrich Stoll, seit 1526 Pfarrer in Heidelberg, später auch 
Professor Theol., gestorben 28. September 1557. Vierordt, Geschichte 
der Reformation in Baden S. 450, 

) Hubert Leodius, Verfasser der Annales de vita et rebus gestis 
Friderici II electoris Palatini. libri XIV. Francofurti 1624. 

*) Morscheim, Bz.-Amt Kirchheimbolanden in der Pfalz. 

5) Johannes kommt nicht in der Wittenberger Matrikel. Sein 
Vater war wohl der in Nr. 1 genannte Joh. Merkur Morscheim, der 
Großvater ist wohl der 1473 Juni 4 in Heidelberg als Basler Bacca- 
laureus inskribierte Joh. v. Morsheim. Töpke, Heidelb. Matr. 1, 310. 

6) Wohl der Minorit Ludwig Henning, Professor der Theologie. 


*) Das Papier ist zerrissen. 


Zum Passional Christi und Antichristi. 
Von 6. Stuhlfauth. 


1. Es fällt auf, daB in sämtlichen — im ganzen drel- 
zehn — Darstellungen des Papstes in dem Passional Christi 
und Antichristi, von dem G. Kawerau bekanntlich eine 
Faksimile-Ausgabe veröffentlicht hat!) und das Luther so 
wohl gefiel und von ihm die Zensur eines bonus pro laicis 
liber erhielt? der Papst durchweg als bejahrter Mann 
mit feistem glattrasiertem Gesicht erscheint — mit einer ein- 
zigen Ausnahme. Sie findet sich auf dem Papstbilde des 
achten Bilderpaares, gegenüber der Darstellung der Geburt 
Christi im Stalle. Der Papst, durch die dreifache Krone auf 
dem Kopfe gekennzeichnet, steht hier vor uns als Feldherr, 
mit Brustpanzer, Arm- und Beinschienen und Panzerschurz 
bekleidet, inmitten seiner, teilweise berittenen, Generale und 
Führer, die sich aufmerksam alle ihm zuwenden und seine 
Weisungen empfangen. Links hinter ihm ist eine Feld- 
kanone aufgefahren; ein starkes Loch oben in der Mauer 
unterhalb der Kirche der anscheinend belagerten und zu 
bezwingenden Stadt zeugt bereits von ihrer Arbeit. 

Daß der Papst in dieser Situation und nur in dieser 
als bärtiger gegeben ist, muß aus bestimmter Absicht und 
Anspielung des Künstlers, Cranachs, erklärt werden. Von 


1) Passional Christi und Antichristi, Lucas Cranachs Holzschnitte 
mit dem Texte von Melanchthon. Nachbildung einer in der Einleitung 
sub Al bezeichneten Originalausgabe. Mit einer Einleitung von Prof. 
D. G. Kawerau. (Deutsche Drucke älterer Zeit in Nachbildungen 
hrsg. von Wilh. Scherer. III.) Berlin, Grote, 1885. Wiederholt (mit 
verbesserter Einleitung) in der Weimarer Lutherausgabe Bd. 9, 1893, 
8. 677 fl. | 

*) Briefäußerungen an Spalatin und Melanchthon, vgl. Kawerau 
a, a. O. S. XVII und XIX. 


12 | 12 


irgendwie genauerer Porträtähnlichkeit kann zwar nicht die 
Rede sein, hier so wenig wie bei den anderen Papstdar- 
stellungen des Passionals. Immerhin, deutet schon die stete 
Wiederkehr des feisten Papstgesichtes darauf, daß diesem 
ein bestimmtes Papstgesicht, nämlich das des lebenden Papstes, 
Leos X., zugrunde liege, so wird unsere Vermutung be- 
kräftigt eben dadurch, daß in der einzigen Komposition, die 
den Papst als Feldherrn vergegenwärtigt, jener feiste bart- 
lose Typus ersetzt ist durch den des wohl auch schon be- 
jahrten, aber wesentlich magereren bärtigen Papstes. 

Nun weiß aber die Geschichte nur von einem Papste, 
auf den sowohl die Bärtigkeit wie die reichlichste Betätigung 
in der Kriegführung paßt: Julius II. (1503 —1513). Und ich 
glaube in der Tat, daß er, der „in Laufgräben belagerter 
Städte sich mehr heimisch fühlte als an den Altären des 
Herrn“ und fast unablässig auf Kriegszügen sich befand, daß 
er und gerade er von Lucas Cranach mit unserer Darstellung 
im Passional gemeint ist. 

2. Im Christusbild des sechsten Bilderpaares hat das 
Passional von der mit der lateinischen (Antithesis figurata 
vitae | Christi et Anthichristi [sic!]| ete.) einsetzenden zweiten 
Ausgabe an eine Veründerung, man darf sagen Verbesserung, 
erfahren, sofern der Holzstock mit dem wandernden Christus 
dureh die Darstellung des auf dem Wege naeh Golgatha 
unter der Kreuzeslast zusammenbrechenden Christus ersetzt 
wurde. Diese Neuerung kann man sowohl unter dem künst- 
lerischen Gesichtspunkte wie von der inhaltlichen Seite nur 
eine sehr glückliche nennen. Denn erstens tritt an die 
Stelle einer recht leeren und ohne den untergesetzten Text 
kaum verständlichen Komposition eine auf den ersten Blick 
klare, überdies ungemein lebendige Darstellung ein, die zu 
den bestgezeichneten Kompositionen des ganzen Werkes ge- 
hört, und zweitens tritt nun der Gegensatz gegenüber dem 
eutsprechenden Antichristusbilde, d. i. dem von vier Mann in 
der Sänfte sich tragen und von einem Kanonisten sich be- 
gleiten lassenden feisten Papste ganz anders durchschlagend 
und kraß hervor wie mit dem ersten Bilde. So bedeutet 
der Ersatz des letzteren durch das neue Bild tatsächlich einen 
. Gewinn und einen wirklichen Fortschritt im Sinne des Ur- 


73 i 73 


teils und des Zieles, das Luther dem Werke mit auf den 
Weg gegeben hatte, nämlich daß es sei „bonus pro laicis 
liber“. 

Professor Kawerau möchte in den Vorbemerkungen, 
die er dem Abdruck der Textunterschriften und der Wieder 
gabe der Bilder im 9. Bande der Weimarer Lutherausgabe 
vorausgeschickt hat, die Ersetzung des ersten durch den 
zweiten Holzstock, d. h. des sich müde wandernden Christus 
durch den unter dem Kreuze zusammengebrochenen Christus 
auf einen Zufall zurückführen. „Vermutlich“, schreibt er 
(S. 690f.), „war das Bild des wandernden und ermüdenden 
Christus beschädigt und mußte daher durch ein anderes er- 
setzt werden.“ Diese Erklärung ist möglich. Sie scheint 
mir aber nicht die allein mögliche und vor allem nicht die 
wahrscheinlichere. Ich möchte vielmehr annehmen, daß man 
aus äußeren wie aus inneren Gründen glaubte das ursprüng- 
liche Bild durch das neue ersetzen zu sollen und also ab- 
sichtlich jenes durch dieses ersetzt hat. Wäre es doch, falls 
picht sowohl künstlerische als auch gegenständliche Gründe 
gegen die erste Komposition gesprochen hätten, das ein- 
fachste und natürlichste gewesen, den etwa beschädigten oder 
zerbrochenen Holzstock in derselben Form wieder zu schneiden. 
Allein die Tatsache, daß die vermutete Beschädigung zufällig 
gerade den nichtssagendsten unter den Christus-Holzschnitten 
heimsuchte und ausschied, spricht durchaus dafür, daß Meister 
Cranachs neue Zeichnung nicht durch einen Zufall, sondern 
durch die Sache selbst veranlaßt ist. 


Mitteilungen. 


Neuerscheinungen. 


Als willkommenen Nachtrag zur Literatur des Jubiläumsjahres 
1917 begrüßen wir P. Wernle, Der evangelische Glaube 
nach den Hauptschriften der Reformatoren. So 
unleugbar es ist, daß wir die Begründer des evangelischen Glaubens 
am besten und unmittelbarsten aus ihren Schriften kennen lernen, 80 
ist doch für die sachliche Auslegung auch nur der Hauptschriften 
eines Luther, Zwingli und Calvin bisher recht wenig getan, so daß 
für Theologen wie für Laien der Zugang zu ihnen immer noch 
schwierig und nichts weniger als bequem ist. Wernle kommt daher 
einem unbestreitbaren Bedürfnis entgegen, wenn er in drei kurz nach- 
einander herausgegebenen Bünden, deren jeder einem der, drei Ge- 
nannten gewidmet ist, fortlaufende Kommentare zu ihren wichtigsten 
Schriften gibt, die in trefflicher Weise in das Verstündnis einführen 
und, ohne Neues bieten zu wollen, doch auch von dem Fachmann nicht 
unbeachtet gelassen werden dürfen. Eine knappe Einführung über 
den allgemeinen Charakter der einzelnen Schrift geht voran, worauf 
in längerer oder kürzerer Ausführung die Hauptgedanken, so wie sie 
der betreffende Verfasser nacheinander entwickelt, erläutert, die Zu- 
sammenhänge klargestellt, Parallelstellen beigebracht werden und die 
Bedeutung des einzelnen für das Ganze umrissen wird. Von Luther 
(Bd. 1) werden dergestalt abgehandelt: Die 95 Thesen, Die babylon, 
Gefangenschaft, Der Sermon von den guten Werken, Von der Freiheit 
eines Christenmenschen, Das N.T. und der Römerbrief, Von weltlicher 
Obrigkeit, de servo arbitrio, Die Katechismen und Die Bekenntnis- 
schriften. Von Zwingli (Bd. 2): Auslegung und Gründe der 
Schlußreden, Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit, Der Hirt, 
Eine kurze christliche Einleitung (1523), Der Kommentar von der 
wahren und falschen Religion, Die Predigt von der göttlichen Vor- 
sehung, und die Bekenntnisse von 1528, 1530, 1531. Von Calvin 
(Bd. 3) wird ausschließlich die Institutio religionis christanae (unter 
Berücksichtigung ihrer verschiedenen Fassungen) ausgelegt. Tübingen, 
Mohr, 3 Bde, 1918—1919 (VII, 821 S.; XIV, 862 S.; XI, 412 S. 
M.8.—, 10.—, 12.—. ; 

Auf Wernles Anregung geht auch zurück: Huldrych 
Zwinglis Briefe, übersetzt von O. Farner. Erster Bd. 
1512—1523, Zürich, Rascher & Co. 1918, XI, 255 S., geb. M. 9.—. 
Die Absicht besteht, sümtliche Briefe Zwinglis, auch die deutschen, 
im Anschluß an die Ausgabe im Corpus Reformatorum unverkürzt in 


15 i 75 


der heutigen Schriftsprache wiederzugeben; der vorliegende Band 
bietet 76 Briefe, etwa ein Viertel. Die Übersetzung liest sich gut; 
nach angestellten Stichproben gibt sie, ohne sich sklavisch an den 
Wortlaut der Vorlage zu binden, nur um so sorgfältiger ihren Sinn 
wieder. Jedem Briefe ist ein knapper Vermerk vorangesetzt, der das 
zum äußeren Verständnis Erforderliche beibringt. 

In seiner Schrift, Latherund Tauleraufihrentheo- 
logischen Zusammenhang neu untersucht (Bern, 
F. Wyss 1918, 168 S, Fr. 6.—) verfolgt A. V. Müller den schon 
früher von ihm ausgesprochenen Gedanken, da8 Luther durch die 
wesentlich von Augustin beherrschte Frühscholastik auf den Augusti- 
nismus gekommen sei, weiter, indem er den Einfluß Taulers, der als 
Träger des Augustinismus Luthers Bekanntschaft mit diesem ver- 
mittelt habe, auf Luther im einzelnen nach bestimmten theologischen 
Gesichtspunkten untersucht. Er findet erhebliche Ähnlichkeit der 
Auffassung bei beiden Männern und schließt daraus, daß Luther die 
bezüglichen Gedanken Tauler entlehnt haben müsse. Anch wenn das 
nun nicht in allen Fällen schlüssig nachgewiesen werden kann, so 
hat die Untersuchung doch das Verdienst, auf diese Zusammenhänge 
erneut nachdrücklich hingewiesen zu haben. Übrigens bildet vor- 
liegende Schrift den Vorläufer einer größeren Arbeit des Verfassers 
über „Der Augustinismus des Mittelalters und Luthers“, in der er das 
Fortbestehen des Augustinismus bis zum Konzil zu Trient nachzuweisen 
und des näheren zu zeigen beabsichtigt, welche Grundlehren jenes 
Systems Luther ihm entnommen und wann und wie er mit ihm be- 
kannt geworden ist. 

Die von P. Merker besorgte, durch den Krieg verzögerte Neu- 
ausgabe von „Thomas Murner, Von dem großen Luthe- 
rischen Narren“ erhält ihren besonderen Wert ebenso durch 
die ausgezeichnete Wiedergabe der Holzschnitte der Erstdrucke wie 
durch die Zutaten des Herausgebers: die Einleitung (84 S.), die aus- 
führlich von den geschichtlichen Grundlagen, der Druckgeschichte und 
der Wirkung der Satire handelt und die leitenden Gesichtspunkte von 
Inhalt und Form feststellt, und die an den Schluß (S. 287—427) ge- 
setzten sorgfältigen sprachlichen und sachlichen Erläuterungen zum 
Text. Fast möchte man wünschen, daß eine so bedeutende und tief- 
greifende Arbeit an einen erquicklicheren Gegenstand gewandt worden 
würe als es die unflátige Satire des Franziskaners ist, — Der Band 
war, obwohl als Bd. 9 bezeichnet, bestimmt, die kritische Ausgabe 
von Murners deutschen Schriften zu eröffnen, die die Gesellschaft für 
Elsássische Literatur als Teil der „Kritischen Gesamtausgaben Elsäss. 
Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit* plante. Wie 
sich seit Ausgabe des Bandes die politischen Verhältnisse gewandel 
haben, ınüssen wir wohl leider zweifeln, ob eine Fortsetzung erfolgen 
wird. ‘Straßburg, Trübner 1918, XI, 427 S. 4?. 

Den ,Kommunismus im Reformationszeitalter, 
Humanisten, Reformatoren, Wiedertäufer“ schildert 


76 76 


in kurzer Übersicht Herb Schönebaum (Bonn und Leipzig, 
K. Schröder 1919, 43 S). Nach einem einleitenden Blick auf den 
Kommunismus in der Antike, in der Heil. Schrift und im Mittelalter 
betrachtet der Verfasser die gemäßigt liberale Richtung des theore- 
tischen Kommunismus der Humanisten, wobei auf die Utopie des 
Th. Morus näher eingegangen wird, die den Kommunismus bekämpfende 
religiös-reformatorische Richtung der Kirchenreformatoren und — am 
eingehendsten — die radikal-revolutionüre Richtung des praktischen 
Kommunismus in Stadt und Land. Hier bespricht der Verfasser die 
Stellung Seb. Francks und Schwenkfelds, die Wittenberger Bewegung, 
Thomas Münzer und die Bauernbewegung, die Züricher Bewegung 
unter Konrad Grebel, endlich das Tüufertum. Die Schrift läuft aus 
in eine Darstellung der täuferischen Bewegung in Münster; sie ver- 
folgt die Entstehung dieser aus verschiedenen Wurzeln, untersucht 
den Grad, bis zu dem der Kommunismus in Münster während der 
Herrschaft der Wiedertäufer zu wirklicher Durchführung gelangt ist 
und zeigt, weshalb der Versuch, die Utopie des Kommunismus in die 
Tat umzusetzen, scheitern mußte. Daß der Verfasser die Tiefe der 
Probleme, mit denen er sich befaßt, nicht annähernd erschöpfen konnte, 
gibt schon der geringe Umfang der Schrift die Hand; auch wird man 
sich seine Auffassung kanm in allen Punkten zu eigen machen können. 
Davon abgesehen ist sein Versuch, den kommunistischen Regungen 
der Gegenwart den Spiegel der Vergangenheit vorzuhalten, sehr zu 
begrüßen. 

Unvergleichlich tiefer greifend als Schönebaum, in ebenso ge- 
lehrter wie geistvoller Weise untersucht H. v. Schubert die 
Quellen des Kommunismus der münsterischen 
Wiedertäufer. Ausgehend von Rothmann, in dessen Schriften 
vom Herbst 1533 die Lehre von der Gütergemeinschaft zuerst in 
Münster erscheint, verfolgt er R.s Beweisgründe über Seb. Franck, 
Pseudoisidor, die pseudoclementinischen Rekognitionen bis auf den 
wahrscheinlich um 230 in Rom entstandenen „Clemensroman“ zurück. 
Es handelt sich um den Niederschlag allgemeiner, ursprünglich philo- 
sophischer, nämlich pythagoräisch-platonisch-stoischer Auffassungen, 
die dann in dem Idealbild eines Gemeinschaftslebens in der ältesten 
christlichen Zeit von der Kirche rezipiert werden, jedoch so, daß 
daraus nicht sowohl das natürliche und göttliche Recht der Güter- 
gemeinschaft, der Gemeinbesitz an allem, als vielmehr nur das Gesamt- 
eigentum aller an einigem entnommen werden soll In Münster 
kommt dazu dann durch die Melchioriten die Apokalyptik, und die 
Männer aus der niederländischen Brüdergemeinde, die Jan von Matys 
und Johann von Leyden, bringen den schwärmerischen Glauben an 
die Möglichkeit, ja Notwendigkeit der Verwirklichung des Ideals, der 
Aufrichtung des Gottesreichs in nächster Zukupft und zwar mittels 
Gewalt, mit. Gänzlich verfehlt erweist sich nach den Ergeb- 
nissen der Forschung von Schuberts die Auffassung Kautskys 
(„Vorläufer des neueren Sozialismus“), als ob die „ursprünlich rein 


77 77 


ökonomische“ Bewegung sich nur allmählich religiöser Argumente be- 
dient und nur scheinbar eine rein religiöse Bewegung geworden sei, 
ja daß die Grundlagen der ganzen täuferischen Bewegung die Güter- 
gemeinschaft gewesen sei. SBB. der Heidelb, Akad. d. Wiss. Philos.“ 
histor. Klasse 1919 Abh. 11, 58 S. (Heidelberg, Winter 1919). 

In den neueren Bänden von „Voigtländers Quellen- 
büchern“ ist das Reformations jahrhundert mehrfach vertreten. In 
Bd. 68 legt O. Clemen die bisher nur einmal, nämlich 1715 von 
E. S, Cypriau nach der Hs. des Verfassers herausgegebene Refor- 
mationsgeschichte des Gothaer Superindendenten Friedrich 
Mykonius (Mekum) nach Vergleichuug der Hs. in maßvoll moderni- 
siertem Text mit erläuternden Anm. vor (100 S. M. 0,80); weiter gibt 
in Bd. 66 K. Schottenloher die Historia der Herreu 
Georg und Kaspar von Frundsberg von Ad. Rei&ner 
nach der 2. Auflage von 1572, ebenfalls mit Anmerkungen, heraus, 
Die allgemein zeitgeschichtlichen Abschnitte der Vorlage, in denen 
Reißner die gleichzeitigen Berichte der Italiener auszieht oder nach- 
schreibt, sind mit Recht fortgelasseu oder durch kurze Inhaltsangaben 
ersetzt worden (154 S., M. 1,20). Endlich erhalten wir in Bd. 59 
Felix Platters Tagebuchblätter aus dem Jugendleben 
eines deutschen Arztes des 16. Jahrh., besorgt von H. Kohl nach 
der Ausgabe von H. Boos (Leipzig, Hirzel 1878), jedoch ans der ale- 
mannischen Mundart der Urschrift zum erstenmal ins Neuhochdeutsche 
übertragen (195 S., M. 1,50). — Dazu kommen zwei Zusammenstellungen 
von Quellenzeugnissen, nämlich „Luther und der Wormser 
Reichstag von 1521", von Joh, Kuhn, eine wohlerwogene 
Auswahl von 26 Stücken (die deutschen im unverüuderten Originaltext), 
jedes mit kurzer Einleitung versehen, die es in den Zusammenhang 
der Ereignisse einordnet (Bd.73, 121 S., M.1,—) und „Derdeutsche 
Bauernkrieg“, Bd.1Vorspiele, BauernkrieginSchwaben, 
ausgewählt von H. B ar ge, chronikalisches und urkundliches Material, 
bei dessen Auswahl besonders darauf gesehen wurde, daß die Viel- 
gestaltigkeit der Beweggründe der Erhebung zur Erscheinung komme. 
(Heft 71, 116 S., M. 1,20). — Die gefälligen Hefte verdienen weiteste 
Verbreitung. | 

Friedrich Benary, Zur Geschichte der Stadt 
und der Universität ErfurtamAusgang des Mittcl- 
alters, herausg. von A. Overmann ans dem Nachlaß des schon 
1914 vor dem Feinde gefallenen Verfassers, besteht aus deu drei ge- 
trennten Aufsätzen: 1. Über die Erfurter Revolution von 1509 und 
ihren Einfluß auf die Erfurter Geschichtsschreibung; 2. Die Vorge- 
schichte der Erfurter Revolution von 1509; 3. Via antiqua und 
via moderna auf den deutschen Hochschulen des Mittelalters niit 
besonderer Berücksichtigung der Universität Erfurt (Gotha, Fr. A. 
Perthes 1919. VIII, 284 u. 72 S., M. 15.—), Der erste Aufsatz und 
ein Teil des zweiten sind in den „Mitteil. des Vereins f. die Gesch. von 
Erfurt" schon früher zum Abdruck gekommen; neu ist dagegen der 


78 78 


umfangreiche und gehaltvolle zweite Teil der zweiten Abhandlung, der 
im Hinblick auf die Revolution von 1509 die Finanzverhältnisse und 
die Verwaltung der Stadt darstellt, und die ganze dritte Abhandlung. 
In dieser setzt sich der Verfasser zunächst (zuweilen wohl mit über- 
triebener Schärfe) mit der bisherigen Literatur zur Geschichte der Uni- 
versitát Erfurt auseinander, um dann in scharfsinniger Untersuchung 
die Begriffe Via antiqua und via moderna in ihrem Verhältnis zu Rea- 
lismus und Nominalismus, Thomismus, Skotismus und Okkamismus, 
Scholastik und Humanismus klarer herauszuarbeiten und auf diesem 
Wege eine bessere Erkenntnis der Grundlagen des Universitäts- 
unterrichts am Ausgang des Mittelalters zu gewinnen. Die Schrift 
läßt auch einige bemerkenswerte Streiflichter auf Luthers Frühent- 
wicklung fallen. | 

F. Pijper, Middeleeuwsch Christendom. De Heiligen-Vereering. 
's Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1911. VI, 315 8. 

J. Lindeboom, Het Bijbelsch Humanisme in Nederland. 
Leiden, A. H. Adriani, 1913. VI, 280 S. 

J. W. Pont, Geschiedenis van het Lutheranisme in de' Neder- 
landen tot 1618, Bekroond door Teyler’s Godgeleerd Genootschap. 
Haarlem, De Erven F. Bohn, 1911. XVI, 632 S. 

Die Besprechung dieser drei ausgezeichneten hollündischen Werke 
hat sich leider durch verschiedene Umstände, zuletzt durch den Krieg, 
sehr verzögert. Wir möchten aber doch noch kurz und nachdrücklich 
auf sie hinweisen. 

Das Buch von Pijper fällt freilich aus dem Rahmen unseres 
Archivs heraus. Erst am Schluß, wo der von Friedrich dem Weisen 
für die Wittenberger Schloßkirche zusammengetragene Reliquienschatz 
erwähnt wird, nähern wir uns der Reformationsgeschichte. P. handelt 
vom Alter und Ursprung der Heiligenverehrung, von den Heiligenleben, 
besonders der Legenda Aurea, von der modernen Kritik der Hagio- 
graphie, von den Funktionen und Lebensüuferungen und den vorbild- 
lichen Tugenden der Heiligen, ihrer Wundermacht, dem göttlichen 
Schntz, unter dem sie stehen, und der Bestrafung ihrer Widersacher, 
zuletzt von der Bilder- und Reliquienverehrung. 

Lindeboom hat der auf die fratres de vita communi und die 
Windesheimer Kongregation zurückgehenden, von Wessel und Eras- 
mus inaugurierten Richtung der Frömmigkeit und der Studien eine 
zusammenfassende Untersuchung gewidmet. Gegen 30 Humanisten 
führt er uns vor nach Schicksal, Lebensauffassung und Betätigung, 
immer auf die Quellen, d. h. in den meisten Fällen auf ibre Schriften, 
zurückgreifend. Vollständigkeit hat er dabei nicht angestrebt, viel- 
mehr sein Augenmerk darauf gerichtet, typische Vertreter auszusuchen, 
Der Kreis ist ziemlich weit gedehut; auch Münster uud Köln sind 
einbezogen. Eine erste Gruppe umfaßt die vorreformatorischen Theo- 
logen, Pädagogen, Philologen und Dichter: nächst Wessel Rudolf 
Agricola, der vergessene Antonius Liber von Soest, Alex, Hegius, Joh- 
Murmellius, Ortuin Gratius. In einer zweiten Gruppe sind diejenigen 


79 19 


Humanisten vereinigt, die zur Reformation in Beziehung getreten 
sind: Erasmus, Cornelius Aurelius, dessen Bluts- and Geistesverwandter 
Willem Hermansz, Hermann Busch, Gerh. Listrius, Wilh. Gnapheus, 
Willem Frederiks, Hauptpastor von St. Martin in Groningen, Gerh. 
Geldenhauer, Joh. Sturm. Die dritte Gruppe enthält diejenigen, die 
die katholische Kirche in ihren Dienst zog: Cornelius Grapheus, Jakob 
Latomus, Alardus von Amsterdam, Martin Dorpius, Konrad Goclenius, 
Vives usw. Streckenweise ist ja das Buch überholt, aber was z. B. 
gleich Wessel betrifft, so hat dessen neuester Biograph van Rhijn 
(Wessel Gansfort, 's Gravenhage 1917, S. 245) sich die Eingliederung 
und Beurteilung, die Lindeboom jenem hat angedeihen lassen, im 
wesentlichen angeeignet. 

Pont, der unermüdlich fleißige Herausgeber des ,Jaarboek der 
Vereeniging voor Nederlandsch-Luthersche Kerkgeschiedenis* war wie 
kein zweiter berufen, die von Teyler's Goodgeleerd Genootschap ge- 
stellte Preisaufgabe zu lösen. Sein Hauptergebnis ist, daß das Luther- 
tum, wenigstens das konfessionelle, das genuine, in den Niederlanden 
eine recht bescheidene Rolle gespielt hat, daß es als aus Deutschland 
importiert durchaus deutsche Farbe trügt. Eine bedeutendere Gemeinde 
bildete sich nur in Antwerpen und zwar aus deutschen Kaufleuten, die 
sich hier aus geschäftlichen Gründen niedergelassen hatten. Beim 
Kommen Herzog Albas 1577 flohen sie zum Teil nach Köln, Aachen 
und andere deutsche Städte, wo sie das luthersche Gemeindeideal in 
Form von Hauskirchen zu verwirklichen suchten; die Zurückgebliebenen 
fügten sich; Märtyrer haben sie nicht gestellt. Als die Verfolgung 
nachließ, kehrten die Flüchtlinge zurück; mit den Zurückgebliebenen 
gerieten sie, da sie ihre Hauskirchenverfassung beibehielten, in Konflikt. 
Als 1585 Antwerpen durch Alexander von Parna eingenommen wurde, 
flohen die Lutheraner nach Amsterdam, Middelburg usw. und ver- 
pflanzten dorthin ihre Hauskirchen. Besonders in Amsterdam schlossen 
sich ihnen Deutsche aus Hamburg und den Ostseestüdten an. Doch 
hielten sie die Verbindung mit der alten Antwerpener Gemeinde fest. 
Aus dem niederlündischen Volk heraus entstand keine einzige genuin- 
lutherische Gemeinde. Von diesem konfessionellen Luthertum scheidet 
Pont scharf „de schijnbaar-Lutherschgezinde stroming“ derer, die 
sich Anhánger der Augsburger Konfession nannten. Solche Gemeinden 
eracheinen in Amsterdam, Deventer, Leiden, Kuilenburg. Nach 1571 
geben sie ibre Sonderstellung und -benennung auf und vermischen sich 
mit den Reformierten. Aber in den Remonstranten leben sie wieder 
auf und fort. So stellt sich ein ziemlich geringer Einfluß Luthers 
und der deutschen Reformation auf die Niederlande heraus. Man re- 
spektierte Luthers Autorität, ließ sich durch sein Vorgehen ayf der 
Bahn Los von Rom! vorwärtsweisen, aber übernahm nicht seine Theo- 
logie. Nach 1567 vollends übte das deutsche Luthertum so gut wie 
gar keinen EimJuß auf die Niederlande; für die dogmatischen Strei- 
tereien hatte man dort, wo alles von der Sehnsucht nach politischer 
Freiheit erfüllt war, kein Interesse. O. Clemen. 


80 80 


Die gut ausgestattete Schrift von Johann J. Wyß, 
Vittoria Colonna, Leben, Wirken, Werke (Frauenfeld, 
Huber & Co. 1916. 275 S. M.12.—) ist in erster Linie als Beitrag 
zur Geschichte der reformatorischen Ansätze und Strömungen zu 
werten, die seit dem 4. Jahrzehnt des 16. Jahrh. in Italien auftraten. 
Vittorias Bedeutung sieht Verfasser besonders darin, daß sie in ihren 
religiösen Sonetten die Gefühle und Gedanken, die die römische Ge- 
sellschaft jener Tage bewegten, zu bestimmtem Ausdruck gebracht 
und in ein künstlerisches Gewand gekleidet habe. Für Vittorias 
innere Entwicklung selbst sei Juan de Valdés bestimmend gewesen, 
der in ihr eine völlige Umkehr nach der Seite der Religion hin be- 
wirkt habe. Michelangelo andererseits habe die Innigkeit der Be- 
ziehungen zwischen sich und der Marchesa sehr aufgebauscht; er habe 
sie im Grunde nicht verstanden und sie habe sich, nachdem ihr Be- 
mühen, seine Kunst in den Dienst der Religion zu stellen, erfolglos 
geblieben war, in der späteren Zeit ihres Lebens von ihm zurück- 
gezogen. 

O. Brauns berger S. J., Petrus Canisius. Verfasser, 
der sich der Herausgabe des Briefwechsels des sogenannten ersten 
deutschen Jesuiten, nämlich des Niederländers Peter de Hondt (Caui- 
sius) zur wissenschaftlichen Lebensaufgabe gemacht hat, will, che 
noch der Briefwechsel abgeschlossen ist, im vorliegenden Buche die 
Hauptergebnisse seiner Canisiusforschung zusammenfassen. Das Buch 
ist für weitere Kreise bestimmt und sieht daher von Quellennachweisen 
ab. Überhaupt beschränkt sich Braunsberger auf die Darstellung des 
äußeren Verlaufs der Dinge (wobei manches über die Anfänge des 
Jesuitismus in Deutschland mitgeteilt wird); er unterläßt es, den 
größeren geschichtlichen Hintergrund, auf dem betrachtet das Wirken 
des Canisius doch überhaupt erst Bedeutung und Zusammenhang ge- 
winnen kann, zu zeichnen. Ebenso wenig bemüht sich Braunsberger 
um kritische Sichtung und Durchdringung seines Stoffes, sondern seine 
Darstellung läuft auf eine einseitige Verherrlichung des Canisius, seiner 
Gesinnungsgenossen und seiner katholischen Umwelt hinaus. Freiburg, 
Herder 1917. XI, 333 S. M. 4.—. 


Der von der Herderschen Verlagshandlung in Freiburg i. Rr. 
herausgegebene ,Auswahlkatalog 1919“ gibt eine Übersicht über die 
Verlagswerke der Handlung, nach Wissensgebieten angeordnet, mit 
Sach- und Verfasserregistern versehen und mit 14 Bildnissen hervor- 
ragender katholischer Schriftsteller geschmückt, Vorauf geht eine kurze 
Einführung „zur Geschichte des Hauses Herder“. Als Übersicht über 
die bezügliche katholische Literatur der letzten Jahrzehute ist die Ver- 
öffentlichung des hervorragendsten katholisch-wissenschaftlichen Ver- 
lags in Deutschland sehr willkommen. XII, 867 Sp. M. 2.50. 


Druck von C Schu'ze 4 Co. (J. m. b. H., Gr&fenhaiuichen 


Ein Stück der Genesisvorlesung Luthers 
in einer Greifswalder Handschrift. 
Von Johannes Haußleiter. 


Die Handschrift der Greifswalder Universitätsbibliothek, 
Ms. Theol. Q 35, hat um der Abschriften von Luther- und 
Melanehthon-Briefen willen, die sich in ihr befinden, schon 
mehrfach die Forschung beschäftigt (vgl. E. L. Enders, 
Luthers Briefwechsel, V 96 Nr. 866; VII 232 Nr. 1602; 
XIII 50 Nr. 2851, 310 Nr. 2982; XIV 317 Nr. 3175 usw.). Sie ist 
besonders wertvoll dureh einen Absehnitt aus der Genesis- 
vorlesung Luthers, in dem eine andere Niederschrift zum 
Worte kommt als die für die Druckausgabe der Vorlesung 
benützten Handschriften. Ich habe den Abschnitt im Theo- 
logischen Literaturblatt 1918 Nr. 7 Sp. 107 —109 vorläufig 
mitgeteilt; eine vollständigere Besprechung, bei der der Text 
der Druckausgabe zur Vergleichung hinzugefügt wird, soll 
an diesem Orte erfolgen. 


I. 

Das Stück der Handschrift, das uns hier beschäftigt, 
befindet sich in ihrem ersten Teil, der aus 58 Blättern (mit 
neuer Zählung) besteht; dahinter folgen 20 leere Blätter. 
Der Schreiber hat zunächst eine Vorlage abgeschrieben, die 
aus 21 Stücken bestand; das erste Stück Bl. la ist mit a, 
das zweite Bl. 2a mit b usw. das zwanzigste Bl. 32b mit 
u und das letzte Bl. 34b mit x bezeichnet. Keines der 
Stücke geht zeitlich über das Jahr 1543 hinaus; das späteste 
Stück ist die Abschrift einer Quaestio bei der Wittenberger 
Promotion des Johann Marbach aus Lindau zum Doctor der 
Theologie am 20. Febr. 1543 (Bl. 13a—14b = Corp. Ref. 
X 739—741). Die Abschrift muß also nach dem Febr. 1543 


Archiv für Retormationsgeschichte. XVIL 2. 6 


82 > 


gefertigt sein; andrerseits fällt sie vor den 18. Febr. 1546, 
Denn das Bl. 1a, das eine Reihe von Daten aus dem Leben 
Luthers aufzählt (1484 natus est Lutherus, 1508 venit pri- 
mum Wittenbergam usw.), schließt mit einer Angabe Über 
das Jahr 1539 ab, und erst eine spätere Hand hat unten die 
Zeilen hinzugefügt: Anno 1546 circiter Bachanalia mortuus 
est D. Martinus Lutherus Islebiae, sepultus Wittenbergae. 
Die 21 Stüeke der Sammlung, meist Briefe und Gutachten, 
rühren von verschiedenen Verfassern her (Erasmus, Bucer, 
Caspar Crueiger, Joh. Brentius, Amsdorf, Jonas); der Zahl 
nach überwiegen die Briefe Luthers und Melanchthons. Viel- 
fach handelt es sich um schwierige Ehefälle und ihre Ent- 
scheidung. Die Sammlung schließt Bl. 34b — 35b mit dem 
Brief Luthers an Dechant und Domherrn in Zeitz vom 
4. Mai 1540 über den Ehefall des Baders Pancratii Fischers 
(Enders XIII 50 Nr. 2851); angefügt ist ein Brief des Kur- 
fürsten Johann Friedrich und seines Bruders Johannes Ernst 
an die gleichen Adressaten vom 8. Juni 1540 (Bl. 35b— 37 a); 
Enders hat ein Stück dieses Briefes abgedruckt (S. 51f.). 

Nunmehr beginnt eine neue Schicht. Die Stücke werden 
nicht mehr fortlaufend gezählt, sondern reihen sich obne 
Zählung einzeln aneinander. Man hat den Eindruck, daß. 
der Schreiber die Sammlung, die er bisher abgeschrieben 
hat, nun seinerseits fortzusetzen und mit neuen Stücken zu 
vermehren unternimmt. Und zwar beginnt er mit zwei Er- 
zählungen aus den Vorlesungen Melanchthons und Luthers 
vom 17. und 16. Okt. 1543. Die Erzählungen sind nicht 
unmittelbar in der Vorlesung nachgeschrieben; sonst müßte 
die zweite voranstehen. Es sind also Abschriften, die der 
Schreiber bucht; ob er die Stücke von andern bekommen 
oder selber mit angehört hat, steht dahin. Jedenfalls sind 
sie ganz neuen Ursprungs; es mögen wenige Tage zwischen 
dem mündlichen Vortrag und dieser Niederschrift in der 
Mitte gelegen haben. 

Melanchthon las im Jahre 1543 über die drei ersten. 
Bücher der Ethik des Aristoteles. In einem nicht datierten. 
Anschlag, der in der Sammlung der Seripta publice propo- 
sita (1553 Bl. J6—1660 Bl. L— Corp. Ref. V 228) in der 
Mitte zwischen einem Anschlag vom Martinstag — 11. Nov. 


3 83 


und einem solchen vom 3. Dez. 1543 steht, kündigt Melanch- 
thon an, daß er, nachdem er bisher die drei ersten Bücher 
erläutert habe, sich nunmehr mit Übergehung des vierten 
zu dem besonders wichtigen fünften Buch wenden werde. 
Damit wird bestätigt, daß die Vorlesung Mitte Oktober noch 
in den Ausgängen des dritten Buches stand. Der Eintrag 
in der Handschrift lautet: 


(Bl. 37a) „Historia de poena adulteri euiusdam narrata 
a p: Mel. in lectione Ethices Anno domini 1543, 17. Octobris. 

Ad locum Aristotelis pagina 45: üra» sreıvwat, xaigovrag 
1Gig T Bowudrwr ócuaic!). 

Quidam nobilis non proeul a mea?) patria Bretta ex 
illustri familia eyner von Goche, ex qua familia sunt et 
hodie multi honesti viri, captivum habuit adulterum, et ipsum 
nobilem, (Bl. 37b) quem inelusum carceri miserabili eum 
affecit morte. "Quotidie ei demisit in carcerem assas carnes 
bellissime instructas, sed ita, ut tantum earum odore frui 
posset, et eo diutius sustentaretur, et tandem tamen fame 
moreretur, sieut faetum est. Nam undecimo?) captivitatis 
mortuus est, cum quidem humeros et quiequid ore attingere 
poterat sibi arrosisset. Haee est horribilis poena et ostendit 
iram dei adversus libidines, quod non permittit illas impu- 
nitas. Darumb wens die leges nicht straffen, so kummt zu 
zeiten solch ein heroicum faetum, das es straffet.“ 


Melanehthon scheint diesen Vorfal! ófters in seinen Vor- 
lesungen erwähnt zu haben. Eine kürzere Fassung, die sich 
inhaltlich nur dadurch unterscheidet, daß der Hungertod 
schon am neunten Tag erfolgt, hat Johannes Manlius im 
tom. II seiner Locorum communium collectanea (Basel bei 
Oporinus 1563) unter den Erzählungen Melanchthons zum 
sechsten Gebot aufbewahrt (p. 190). Sie lautet hier: 

„Memini nobilem quendam cepisse moechum et fame 
necasse: sed ita, ut quotidie mitteret assaturam optimam, 


«quo odore augeret dolorem famis. Ille vero captivus arrosit 
utrosque humeros, et vixit usque ad nonum diem.“ 


) Aristotelis Ethica Nicomachea III 10 8 6: ĝo: ò à» rie xa 
toi; dio. Ótav zttivÓOOt, xalpovras rate T Bowudrwr donals, To 
de toroútois xalpeıv áxoldotov' tTOoíto yap é7uDvurbuara Tatra (ed. 
Bywater, Oxonii 1890, S. 61). 

2) In der Handschrift steht me, 

) Auf undecimo folgt in der Handschrift ein durchstrichenes post. 
"Zu ergänzen ist die. 

Gt 


84 | | 4 


In der Greifswalder Handschrift folgt nun unmittelbar 
darauf Bl. 37b —39b der Bericht über den ungewöhnlich selt- 
samen und verworrenen Ehefall, den Luther am 16. Okt. 1543 
in Anlehnung an Genes. 36, 20—30 aus seelsorgerlichem 
Interesse vorgetragen hat, um den künftigen Pastoren ein- 
zuschärfen, daß mit erschrockenen Gewissen vorsichtig zu 
verfahren sei, und daß keinem reuigen Stinder, er falle so 
tief, als er immer wolle, die Pforte der Absolution verschlossen 
werden dürfe. Den Anknüpfungspunkt bildet die Zurück- 
weisung jüdischer Vorwürfe gegen Ana, den Vater der Oholi- 
bama, einer der Frauen Esaus, quod incoestarit suam nurum. 

Die folgenden Stücke der Greifswalder Handschrift zeigen 
inhaltlich und zeitlich eine bunte Reihe. Zunächst schließt 
sich Bl. 39b—41a die Praefatio an, die Caspar Cruciger 
der Jüngere bei einer Artisten-Disputation am 17. Juni 1542 
vorgetragen hatte. Der Text deckt sich fast wörtlich mit 
der Recension, die ich im, Melanchthon-Kompendium"* (Greifs- 
wald 1902, S. 159f) aus dem Sammelheft der Gothaer 
Bibliothek Ch. B. Nr. 25 veröffentlicht habe. Das nächste 
Stück Bl. 41a—43a fällt wieder in den Oktober 1543; es 
ist die Antwort Luthers und seiner Kollegen Bugenhagen 
und Melanchthon vom 7. Okt. 1543 auf die Einladung der 
Leipziger Theologen, der Doctor-Promotion Bernhard Zieglers 
beizuwohnen (vgl Enders XV 238—240 Nr. 3322). Das 
letzte Stück der ganzen Reihe, Bl. 56a— 58b, ist ain Rande 
als Matrimoniale bezeichnet; es enthält einen (ungedruckten) 
Brief Melanchthons vom 30. Okt. 1543; Melanehthon beant- 
wortet „Domino Joanni Caloandro, docenti evangelium iv 
ecclesia Brunswicensi in zragouxía, cui titulus est ad Angelos“ 
zwei Fragen tiber die Behandlung von ehelichen Verbindungen 
„tertii gradus tum consanguinitatis tum adfinitatis“. 

Die mittleren Teile des Greifswalder Sammelbandes 
sind von einer zweiten, späteren Hand geschrieben. Aber 
in der letzten Lage, die aus 34 Blättern besteht, kehrt die 
erste Hand und auch das Jahr 1543 wieder: Bl. 1—29 
„In (par)tem primam lib: 4" Avicennae de febribus pestilen- 
tialibus Doctor Augustinus Schurff de S. Gallo ordinarius 
Medicinae in schola Vitebergensi. A^ 1543.“ Nach 3 leereu 
Blüttern folgt auf Bl. 33b und 34a ein Verzeichnis der Ver- 


5 85 


pfändungen, die „Rudolphus Episcopus Herbipolensis eingelöst“ 
hat. Der haushälterische Bischof Rudolph II von Scherenberg 
(1465 —1495) hat zur Ablegung der Schulden des Stiftes 
Würzburg mehr denn 500000 Gulden bezahlt. Ein noch 
vollständigeres Verzeichnis findet sich bei Joh. Peter Ludewig, 
Geschichtschreiber von dem Bischoftum Würzburg Frank- 
furt 1713) S. 865. Das Verzeichnis setzt Interesse für die 
einzelnen Ortschaften des Würzburger Bistums voraus. Viel- 
leicht stammte der Schreiber der Handschrift von dort her. 


II. 


Greifswalder Handschrift 

(Bl. 37b) Casus quidam re- 
citatus in lectione Genesis u 
Domino Doctore Martino Lu- 
tero. Anno 1543, 16. Octobris. 


Vere dicitar: De occultis 
non iudicat Ecclesia, sed ta- 
men pastorem instructum esse 
oportet, ut, si quando tale 
aliquid accidit et ad illum 
dela — (Bl. 38a) tum fuerit, 
prudenter agat et conscientiis 
perielitantibus opem ferat. 


Weimarer Ausgabe Band 44 

Vorlesungen über 1. Mos. 
Kap. 36, 20—30. Seite 221 
Z. 11— 14: 


Aliud enim est publicum 
testimonium historiae, euius- 
modi nullum extat de Ana, 
quod incoestarit suam nurum. 
Aliud est occulte factum, quod 
non debet proferri in lucem. 
Sicut dicitur: De occultis non 
iudicat Ecclesia): sed mane- 
ant illa inter secreta con- 
fessionis. 


Am Schluß S. 2232.4 — 13: 


Legem enim dominari opor- 
tet in publieo foro, non in 
conscientia. Et porta abso- 
lutionis, ut sic dicam, nunquam 
elausa esse debet peccatori- 
bus. Er falle so tieff, als er 
jmmer wólle. Et ego hane 
historiam recitavi propter 
Theologos iuniores, qui aut 
iam funguntur aut aliquando 
funeturi sunt ministerio verbi, 
ut caute agant cum pertur- 
batis conseientiis, nec?) con- 


1) Sprichwort, s. Wander, Kirche 27. 
2) In der Erlanger Ausgabe Lutheri exegetica opera latina tom. IX 


(1841) p. 25: ne. 


86 


Greifswalder Handschrift 


Igitur vobis narrabo histo- 
riam quandam, quae Erfor- 
diae accidit, eum ibi adhue 
essem. 


Mulier quaedam fuit dives 
et honesto loco. . Filium ea 
habuit iuvenem. Is in aedibus 
maternis puellam quandam 
honestam amare (coepit) !), ac 
de stupro appellabat. Illa, 
ut erat honesta, recusabat. 


Cum vero iuvenis ille petendi- 


finem non faceret ac saepius 
molestus esset puellae, illa 
rem defert ad dominam. Mater 
respondit puellae, ut, eum 
iterum peteret filius ab ea 
coneubitum, assentiretur pe- 
titioni ae polliceretur se in 
obseuro quodam certo tem- 


Weimarer Ausgabe Band 44 
fitentibus peccata laqueum 
iniielant, neve adflietionem 
adtlietis addant. Judicia in 
causis occultis sunt ditfieilia, 
ideo requiruntur pastores 
eruditi et prudentes, qui non 
onerent aut involvant, sed 
liberent, erigant et sanent 
conscientias, quas Diabolus 
dementavit et laqueis suis 
irretivit. 

S. 221 Z. 38— S. 222 2.3: 

Praesertim vero iu singu- 
laribus et inusitatis casibus, 
quales interdum solent acei- 
dere, Diabolo impellente hu- 
manam naturam et deformante 
tetris lapsibus. Qualis olim 
Erphordiae contigit, cum ibi 
confessor essem, quem audi- 
vit quidam ex collegis meis 
in privata confessione. Reci- 
tabo autem propter eos, qui 
aliquando futuri sunt Pastores 
et Doctores Eeclesiae. 

S. 222 Z. 4— 8. 223 Z. 4: 

Erphordiae puella quaedam 
ex honesta familia et pudiea 
euidam servivit diviti mulieri 
viduae, Eius filius adolescens, 
captus forma et amore puellae, 
sollieitavit eam ad concubi- 
tum. Indignum facinus aver- 
sans puella (uthonestam docet) 
aliquoties a se repulit ado- 
lescentem furiosum. Denique 
eum quotidie magis magisque 
instaret, et in suo illicito in- 
stituto perseveraret, puella 
rei indignitate impulsa, ut 
famae consuleret, suamque 
pudieitiam a summa infamia 


1) coepit fehlt in der Handschrift. 


Greifswalder Handschrift 
pore expectaturam eius ad- 
ventum. Interim cum puella 
ita agit mater, ut indicato 
tempore ipsa in proposito loco 
filium expectet et virgis eum 
et dignis modis excipiat. 
Quid fit? Adolescens petit. 
ut sibi (Bl. 38b) morem pu- 
ella gerat; illa assentitur et 
locum destinat, ut convenire 
velint. Mater, ut erat actum, 
se in puellae leetum collocat, 
et iraeunda et aestuans fili- 
um eum virgis expeotat. Ve- 
nit ad leetum filius, diabolo 
cooperante fit, ut mater om- 
nis obliviseatur doloris ex 
ira concepti!) et omnis sae- 
vitiae. Uritur, filium admittit. 
llle putans puellam se habere 
satis diu matrem tractat. Tan- 
dem prae gaudio exultaus 
abit. 

Mater ex illo concubitu 
gravida facta peperit filiam, 
eamque clam educandam tra- 
dit mulieri cuidam, tandem 
adultam ad se recipit, filiam 
autem illius esse nemo norat. 
Hane igitar etiam iuvenis iam 
maturior factus amare coepit, 
dat fidem se illam ducturum 
coniugem. Et quia eo tem- 
pore tanta erat legum ponti- 
fiealium autoritas, ut et spon- 
salia sine autoritate parentum 
faeta (Bl. 39a) rata haberen- 
tur, nolente, invita et multum 
reclamante matre illam uxo- 
rem ducit. Ibi iam epitasis 
borum malorum accenditur. 
Mater cum se sciret occasio- 


87 


Weimarer Ausgabe Band 44 
vindicaret, matri rem ordine 
narrat, monetque, ut filio, sibi 
insidias struenti, frenum iuii- 
eiat. Mater, re deliberata, 
init rationem cum puella 
iubetque in filii amorem con- 
sentire, et certam horam, qua 
convenire et rem perficere 
tutissimum videretur, consti- 
tuere. Se enim eo ipso tem- 
pore constituto eius oecapu- 
furam leetum et hae occasione 
filium tam indigna conantem 
repressuram. Consilium probat 
puella, init paetum. Filius 
hora noctis praetinita adest 
petens ex pacto concubitum 
puellae. Mater quae antea 
filii furores hae arte cohibere 
ae frenare constituerat, vieta 
libidine et instinetu Diaboli 
filio prostituit eorpus. Nasei- 
tur ex indigno et ineoesto ?) 
concubitu foemella quam 
expositam et ab aliis educa- 
tam mater tandem ad se 
recepit, mota adfectu materno. 

Idem filius harum rerum 
omnium ignarus et hanc amare 
incipit, sibique uxorem dari 
postulat. Mater in summis 
angustiis constituta dehortatur 
filium et reluctatur quantum 
potest eupiditati illieitae. llle, 
invita et repugnante matre, 
dat fidem puellae ducitque 
eam in uxorem (Nam eo tem- 
pore usitata et rata erant 
elandestina sponsalia) Post 
nuptias mater dubia et de- 
sperabunda sibi ipsi vult ad- 
ferre manus violentas, angitur 


!) In der Handschrift stehen die Worte: doloribus ex ira conceptis. 
2) Die Drucke bieten irrtümlich das Subst. incoestu statt des 


Adj. incoesto. 


88 


Greifswalder Handschrift 
nem his moestis nuptiis prae- 
buisse, de suspendio cogitat. 
Priusquam tamen in se peccet, 
confessorem adit, rem omnem 
ordine indicat, petit, num 
quod remedium tantorum 
malorum sit. Confessor ani- 
mi dubius negat se eam ab- 
solvere posse, sed ita conso- 
latur: iubet bono animo esse, 
quamvis se graviter deliquisse 
gciat, tamen multa talia acci- 
dere, quae ab hominibus dis- 
eerni nequeanf, et ea divinae 
bonitati remittenda esse. Sie 
ille-sed male-consuluit, nam 
hoc est conscientiam incertam 
relinquere, et si ita mansisset 
ineonsolata mulier, diabolus 
eam in quodvis malum prae- 
eipitasset. Res defertur ad 
universum collegium Theo- 
logorum (Bl. 39b) Erphurdiae. 
Quaeritur, an filius ex se na- 
tam illam filiam sciat. Re- 
spondet mater: nequaquam. 
Et postea!): quomodo inter 
illos eonveniat. Cum et hic 
‚bene‘ respondisset ‚ac mul- 
tum se mutuo amare', defi- 
nierunt ?, ut cohabitarent am- 
bo et faetum nemini indica- 
rent. Matrem quoque, quae 
poenitebat, absolverunt. 


) Zu ergänzen ist: quaeritur. 


8 


Weimarer Ausgabe Band 44 


enim de incoestu, qui fieret 
inter coniuges singulis nocti- 
bus, nee poterat coniugium 
dirimere. Cum autem sola 
eonseia esset, nec sola posset 
sustinere amplius dolorem et 
angustiam animi, accedit con- 
fessorem, negocium exponit et 
petit ab eo consilium et con- 
solationem. Ille incertus et 
attonitus atrocitate rei non 
habet, quod consulat. Itaque 
Jureconsultis idem casus 
offertur, hi quoque de iure 
ambigunt, ut in casu inusi- 
tato, et censent gommittendum 
esse divinae bonitati, Verum 
id non satis erat, necdum 
liberata erat conseientia a 
dubitatione et desperatione. 
Tandem ad Theologorum 
collegium defertur res, hi 
optimam sententiam tulerunt. 
Primo quaerebant, an sciret 
filius, coniugem suam esse 
matris filiam, conceptam ex 
suo sanguine. Mater negavit 
eum id scire. Solus Deus 
inquit et ego conscia sum: 
nee puella uxor filii novit se 
mariti esse sororem. Deinde 
interrogabant, an esset") bo- 
num coniugium et quomodo 
inter eos conveniret, Optime, 
inquit. Deoreverunt ergo ad- 
flietae conscientiae matris ab- 
solutione consulendum esse. 
Filio autem matrimonium iam 
diu sponsalibus ac solennita- 
tibus nuptiarum copulaque 
carnali confirmatum, conce- 
dendum. Matrem enim esse 


2) In der Handschrift steht Diffinierunt, 
) In der Weimarer Ausgabe S. 222 Z. 39 steht irrtümlich essent. 


9 89 


Greifswalder Handschrift Weimarer Ausgabe Band 44 
unicam personam, quae non 
posset probare rem, et secu- 
tura ingentia mala, distrac- 
tionem coniugum. 

Et bene pronuneiatum est. Haee sententia et decisio 
Theologorum, inter quos 
occulte res transacta fuit, 
valde laudanda est. Legem 
enim usw. (siehe oben S. 85). 


III. 


Der Vergleich der Darstellung in der Greifswalder Hand- 
schriſt mit der Bearbeitung im Druck fällt sehr zu ihren 
Gunsten aus. Der Fluß der lebendigen Rede tritt in ihr 
viel deutlicher zu Tage. Das zeigt schon der Anfang. Luther 
schickt eine kurze Begründung voraus, warum er den selt- 
samen Ehefall mitteilt; in dem Druck ist sie zu einer ein- 
gehenden Erörterung des Zweckes erweitert, die der Er- 
zählung am Schluß angefügt ist. Auf dem Höhepunkt der 
Erzählung ist der im Druck unterdrückte Ausdruck: Ibi 
iam epitasis horum malorum accenditur gewiß von Luther 
gebraucht worden; nach Donatus wurde mit „Anspannung“ 
der Teil der Komödie bezeichnet, der der Katastrophe vor- 
angeht. Es findet sich eine Reihe von Belegstellen in Luthers 
Schriften: vgl. z. B. Weimarer Ausgabe 2, 577, 14 und 5, 576, 30; 
dann in den Briefen von der Koburg bei Enders VIII 94, 7; 
102, 6; 139, 19 (causam ad epitasin pervenisse); Deutsche 
Bibel 3, 220 zu Genes.44, 5. Auch das Urteil über den 
unzureiehenden Zuspruch des Beichtvaters ist sicher ur- 
sprünglich; Luther erzählt ja den ganzen Fall, um Anweisung 
zu rechtem Beichtverfahren zu geben. Der Druck bietet. 
nur den Satz: Ille incertus et attonitus atrocitate rei non 
tabet, quod consulat. Das Urteil: committendum esse divinae 
bonitati spricht hier nicht der Beichtvater, sondern das Forum 
der Iureconsulti, vor das der Fall zuerst gebracht wird, 
bevor dann das Collegium der Theologen das letzte Wort 
spricht,” Dieser Instanzengang bei einem Beichtgeheimnis 
ist nicht sehr wahrscheinlich. Melanchthons nachher zu er-- 
wähnender kurzer Bericht weiß nichts von einem Spruch. 


90 10 


der Rechtsgelehrten; dagegen bestätigt er die Fassung des 
Schlußergebnisses als echtes Lutherwort (vgl. Bd. 44, 223 
Z. 5 f.: ‚Porta absolutionis, ut sie dicam, nunquam clausa 
esse debet peccatoribus‘ mit Corp. Ref. XX 590 und V 393: 
Probavit sententiam theologorum Lutherus. Porta enim gratiae 
et absolutionis nunquam peccatoribus clausa esse debet). 

Ohne die von Melanehthon in seiner Vorrede zum 
dritten Teil der Genesis vorlesung stark betonte optima 
fides der Herausgeber (Bd. 44, XXV. Z. 11) irgendwie an- 
zuzweifeln, wird man nach diesem ersten möglich gewordenen 
Beispiel vergleichender Kritik doch den Wunsch nicht unter- 
drücken können, es möchten noch andere Nachschriften der 
Genesisvorlesung zu Tage treten, die eine Vergleichung 
größerer Abschritte ermöglichen. Die für den Druck benutzten 
Niederschriften der Vorlesung gehen auf Veit Dietrich, 
Cruciger, Georg Rörer, Hieronymus Besold und Johann Stols 
zurück (vgl. Bd. 42, IX). Wir werden zufrieden sein müssen, 
wenn sich der Inhalt der Druckausgabe im großen und 
ganzen als zuverlässig ausweist; aber den Wortlaut der 
Bearbeitung werden wir in keiner Weise pressen dürfen. 

Wie oft Luther auf den Erfurter Fall zu sprechen ge- 
kommen ist, kann man jetzt aus den Tischredenbäuden der 
Weimarer Ausgabe ersehen; vgl. außer der Hauptstelle in 
Bd. III 501 Nr. 3665 A und B noch Bd. I 82 Nr. 183 
(Febr. bis März 1532) und Bd. IV 252 Nr. 4354. Weiter 
zu vergleichen ist Gg. Loesche, Analecta Lutherana et Melan- 
thoniana (Gotha 1892), S. 200 Nr. 308 und besonders die 
ausführliche Darstellung auf S. 397 —400 Nr. 629. Melanchthon 
erzühlte den Fall nicht nur gelegentlich in der Vorlesung 
(Corp. Ref. XX 589f.) sondern auch in einem Briefe an 
M. Andreas Diepolt in Eisleben vom 14. Mai 1544 (Corp. 
Ref. V, 392—394; Enders, Luthers Briefwechsel, XV, 353). 
Dieser aueh von Johannes Maulius (Locorum communium 
eolleetanea, Basileae 1563, tom. I p. 107—111) wiederge- 
gebene Brief hängt von der Genesisvorlesung ab, eben- 
so der Auszug bei Andreas Hondorff, promtuarium exem- 
plorum, ed. II, Francof. ad M. 1586, p. 486. In Haus 
Wilhelm Kirehhof's ,Wendunmut* hat die Erzählung ihren 
Übergang iu die deutsche Literatur vollzogen (1562; vgl. 


ll 91 


Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart Bd. 95 
Nr. 329). Der Herausgeber, Hermann Oesterley, hat auf die 
Zusammenhänge mit einem in der Weltliteratur viel behandelten 
Stoff hingewiesen (Bd. 99 S. 57); besonders die durch das 
Gedicht Hartmanns von Aue bekannte Legende „vom heiligen 
Gregor auf dem Steine“ regt zu Vergleichen an. In dem 
gut orientierenden Aufsatz von Adolf Seelisch, die Gregorius- 
legende (Zeitschrift für deutsche Philologie, 19. Bd., 1887, 
S. 385 421) ist auch der von Luther erzählte Erfurter Fall 
erwähnt (S. 393 Anm. 4). Was die Gregoriuslegende von 
der antiken Oedipussage unterscheidet, der Hinweis auf die 
unergründliche Barmherzigkeit Gottes, die dem Reuigen Ver- 
gebung schenkt, das wird in der Erzählung Luthers mit þe- 
sonderem Nachdruck hervorgehoben. 


Bugenhagens Katechismuspredigten vom 
Jahre 1534. 


Ein Beitrag zur Geschichte der Katechismuspredigt 
in Wittenberg. 


Von Georg Buchwald. 


Als Luther am 29. November 1528 die dritte Reihe 
seiner Katechismuspredigten anktindigte, sagte er: Cousueti 
sumus hactenus et ordinavimus quater quolibets anno thiro- 
einium et fundamenta Christianae cognicionis et vitae docere, 
quolibet quartali duas hebdomadas, in una hebdomade 4 dies 
hora 2. pomeridiana praedicari!) Diese vier Predigtreihen 
waren, wie die Wittenberger Kirehenordnung von 1533 fest- 
legt, zu halten ,in den ersten zweien wochen des advents, 
in denen ersten zweien wochen quadragesime, in der creuz- 
und nachvolgenden wochen“ und „in den negsten zweien 
wochen naeh der ernte, ehe man den hopfen abnimbt, als 
am sontag vor Bartholomei mit den zwo volgenden wochen“ ). 
Die erste Predigtreihe des Jahres 1529 mußte Luther in- 
folge körperlicher Schwäche den Diakonen überlassen. Er 
zeigte selbst am Schlusse seiner Invokavitpredigt am 
14. Februar 1529 der Gemeinde an: Praedicabitur xarexıouog 
more solito sequentibus diebus, quod si ego facere non po- 
lero valetudinis causa, facient diaconi?) Diese von Fröschel, 
Rörer und Mantel gehaltenen Predigten hat uns Anton Lauter- 


) Weim. Ausg. 27, 444, 
2) Sehling, Kirchenordnungen J, 701. 
*) Weim. Ausg, 29, 52, 10f. 


13 | 93 


bach!) in dem Nürnberger Cod. Solg. 13 überliefert?). Von 
weiteren Katechismuspredigten in Wittenberg kannten wir 
aus den nächsten Jahren bisher nur die, die Bugenhagen 
im Jahre 1532 gehalten hat’). 

Eine weitere Reihe Bugenhagenscher Kaleem: 
digten hat Georg Helt in einem ftr die Geschichte der 
Predigt in Wittenberg außerordentlich wertvollen Bande ver- 
zeichnet. Dieser, der Fürst Georg-Bibliothek in Dessau ge- 
hörende, einer Signatur entbehrende Band bildet eine Art 
Predigttagebuch, das Helt mit peinlicher Gewissenhaftigkeit 
geführt hat. Es soll an anderer Stelle ausführlich geschildert 
werden. Wir beschäftigen uns hier nur mit Bugenhagens 
Katechismuspredigten. . 

Dieselben bilden die zweite Predigtreihe des Jahres 1534, 
also die ,in der ereuz- und nachvolgenden wochen*. Sie 
sind gehalten — nachmittags 2 Uhr*) — am Montag, Diens-. 
tag, Mittwoch, Freitag nach Vocem Jocunditatis und am Mon- 
tag, Dienstag, Donnerstag und Freitag nach Exaudi, also 
am 1l, 12, 13., 15., 18., 19., 21. und 22. Mai. Die Kirchen- 
ordnung von 1533 bestimmt: ,Konnen in solehen wochen 
des catechismi die beiden gewonlichen predigten des mitt- 
wochs und sonnabents durch den pfarrer oder .caplan ge- 
schehen, guet, wo nicht, so mögen sie alsdan nach bleiben, 
bis des catechismi wochen aus sind?) Bugenhagen predigte 
damals Mittwochs (im Sommer früh 7, im Winter frtih 8 Uhr) 
über das Matthüusevangelium, Sonnabends (in der Regel 
nachmittags 2 Uhr) über die Psalmen®). Bugenhagen setzte 
die Matthäuspredigt am Mittwoch, den 13., aber nicht die 
Psalmenpredigt am Sonnabend, den 16. Mai aus. Am Mitt- 
woch, den 20. Mai, hielt er aber die Matthäuspredigt und 
am Sonnabend, den 23. Mai, auch die Psalmenpredigt. 


1) Beitr. zur sächs. Kirchengesch. 29, 283 ff. 
; *) Beiträge zur Reformationsgeschichte eat zu Köstlins 
70. Geburtstag) Gotha. 1896 S. 49ff. 

9) Bugenhagens Katechismuspredigten gehalten 1525 und 1538. 
Herausgeg. von Buchwald und Albrecht. Leipzig, 1909 S. 16ff. 81 ff. 

*) Vgl. oben. 

) Sehling a. a. O. 

*) Das erfahren wir aus Helts Predigttagebuch. 


94 14 


In dieser Predigtreihe behandelt Bugenhagen nicht die 
einzelnen Hauptstüeke in ihrer Aufeinanderfolge. Es lag 
ihm vor allem daran, ausführlich über das Vaterunser zu 
predigen. Am vorhergehenden Sonntag hatte er de precando 
. et orando deo gesprochen und besonders darauf hingewiesen, 
quod habeamus praeceptum dei ad orandum, unde, si nostram 
fidem infirmam experiamur, tamen deberemus praestare deo 
hane obedientiam et reverentiam, orantes deum propter eius 
praeceptum. Die drohenden politischen Verhältnisse erschienen 
ihm als dringende Mahnung zum Gebet pro familia, pro 
pace privata et publica: eum iam Hessorum princeps stipatus 
magno exercitu proficiscitur ad terram Wirtenbergensem, ex 
quo multa mala citari possunt’). So rechtfertigt Bugenhagen 
am Anfange seiner ersten Predigt, daß er die übrigen Stücke 
des Katechismus beiseite läßt: ut orationem dominicam eo 
plenius diseatis. Die zehn Gebote „läuft er“ nieht weniger 
als viermal in den Vaterunserpredigten durch?, da er sie 
wie schon im Jahre 1525 und 1532 in Verbindung mit dem 
Vaterunser setzt?) In der achten Predigt werden ganz kurz 
das Symbolum und die Sakramente behandelt. 

Deutlich zeigt sich in den vorliegenden Predigten der 
Anschluß an Luthers kleinen Katechismus, der bald, auch 
in den Wittenberger Predigten, verlassen worden ist*). Die 
besonders hervortretenden Stellen sind im Drucke gesperrt 
wiedergegeben. Die Eigentümlichkeit, daß Bugenhagen beim 
ersten Gebot die Vorrede Ego sum dominus deus tuus an- 
führt, findet sich auch in diesen Katechismuspredigten 5). 

An der nächsten Predigtreihe über den Katechismus 
im August 1534 scheint Bugenhagen sich nicht beteiligt zu 
haben. Helt hat uns nichts Näheres Über dieselben über- 
liefert). | 


1) Vgl. Melanchthon an Spalatin in jenen Tagen: Magna et peri- 
culosa res universo orbi terrarum ac praecipue nobis ab illo mota est 
(C. R. 2, 728). Vgl. Köstlin-Kawerau, Luther 2, 989, 

2) 1., 2, 5., und 7. Predigt. 

*) Vgl. Bugeulinsons Katechismuspredigten usw. 8. 72, 7; 92, 11. 

1) a. a. O. S. 21f. 

5) Vgl. Bugenhagens Katechismuspredigten usw. S. 19. 

*) Vgl. BL 211a. 


15 95. 


l. 
Montag, 11. Mai. 
[162a! Die lunac post dominivam Vocem jocunditatis post 22" 
cepit praedicare catechismi partem, scilicet paternoster d. 
Pomeranus. 


Praetermissis aliis partibus eatechismi, ut orationem do- 
minicam eo plenius diseatis, ubi breviter inicio repetivit, 
quae dixerat in concione praecedenti in verba Joannis ‘Amen, 
amen dico vobis: si quid petieritis’ c. quae erant ex euangelio 
in dominica Joeunditatis lecta et recitata, ut patet ante duo 
folia!) Dietum autem, quid orandum sit, seilicet quod pater 
sit orandus, non saneti, et in nomine filii. Nemo autem po- 
test petere in nomine filii nisi per spiritum sanctum. Ceterum 
possit quis esse solicitus, quibus verbis esset deus pater 
orandus, et Ro. 8 dieitur: ‘nescimus, quomodo orare debe- 
amns’ ꝛc. et potissimum in necessitatibus magnis ita turbamur, 
ut non queamus orare aut sentire fidem nostram. Unde et 
Christus rogatus a discipulis de forma orandi praescribit 
nobis verba, quibus oremus patrem. Ubi sciendum, quod 
si oppressi tentationibus non possimus orare, oportet saltem 
ut pueri non intelligentes verba oremus ıc. primo precis 
proemium dicendo ‘vater unfer eontra consuetum modum 
loquendi nostri vernaeuli, Dicimus enim in vernacula ‘unfer 
vater’, sieut et postea ‘unfer teglich prot! ꝛc. sed ille, unde 
ila orandi vernacula ratio promanavit, proposuit ‘pater et 
postposuit ‘unfer, ut venerationi maiori haberetis nomen 
patris et ut nobis animus exeitaretur ad honorandum patrem 
ilum celestem ic. Tria ergo in illis tribus verbis propo- 
nuntur. Primo deeitur ‘pater: ibi est discretio eorum, qui 
sunt sub lege constituti. Deus est iudex, quia non implent 
illi [162b] legem, quia ergo eis iudex terribilis. Illis autem, 
qui sunt sub gratia et reconeiliati sunt eum patre, est pater. 
Est autem pater per Jesum Christum. Ibi eciam compre- 
henditur primum praeceptum decalogi de non habendis alienis 
diis. Qui agnoscit deum patrem, is non colit deos alienos 
et sie observat primum praeceptum. In nomine autem patris 
magna nobis fiducia aecedendi ad deum commendatur, sieut 
et filii nostri cum fiducia accedunt suos patres. Si est pater 
noster, ergo sumus filii eius. In ‘unfer significatur eommunio 
sanctorum, sanctorum, inquam, per spiritum sanctum et per 
sanguinem Christi Jesu, de quo in ps. ‘qui videbunt te, time- 


8 Joh. 16,23. 15 Rö. 8, 26. 18 Luk. 11, 1ff. 
41 Ps. 119, 74. 
1) Bl. 160b, 161a. 


40: 


45 


650 


55 


60 


10 


16 


20 


96 16 


bunt me’ x. et ad Ephe. 4. Sequitur ex praedictis, quod 
sumus inter nos fratres et sorores. Ergo hic commendatur 
nobis charitas alenda mutua, ut alter in alterum sit bene- 
ficus, alter alterum non ledat. Hue ergo pertinet 2* tabula 
Moisi, quam breviter hic percurrit. Videant ergo, quo nomine 
eenseantur, qui ledunt proximos detrahendo, decipiendo, con- 
temnendo x. ‘In celi? x. qui es pater celestis, eternus, in- 
visibilis, quem non conspicere nobis licet, adsis hie nobis. 
Unde et ad Coloss. 3. taque ‘si resurrexistis una cum 
Christo, superna quaerite’ ıc. agnoscentes itaque patrem ce- 
lestem eciam custodiunt, quae deus pater constituit, ordinavit 
et docuit per filium suum, ut est eius verbum et sacramenta, 
non audit sacramentarios ꝛc. L. d. s.) de prima concione in 
oracionem dominieam. 

13 utpatet in concione proxima Pomerani v. 15 Corin, nemo 
potest dicere Christus Jesus nisi per spiritum sanctum r. 55 culus 
nomine oramus, licet nomen Jesu Christi non exprimatur, tamen 
subinditur v. 41 persecutores euangelii non pertinent ad communionem 
illam ꝛc. secus de illis, qui peccant simpliciter r. 53 unten am 
Seitenrande steht Christianus non terminatur secundum illud, a 


quo est Christianus :¢. Mundus illudit Christianos gloriantes de patre 
celesti. 


2. 
Dienstag, 12. Mai. 


[163a| Summa concionis 2° in oracionem dominicam ex ore 
d. Pomerani. 

Inicio repetivit dicta iu priore sermone, quomodo deus 
pater noster sit piorum per Jesum Christum i. e. non meritis 
ullis, sed per gratiam, qua differunt pii a cateris hominibus 
totius mundi. Qui autem agnoscunt deum patrem, observant 
primum praeceptum deealogi, fidunt in eum, diligunt eum :e. 
et item 2"" praeceptum, ne nomen dei in vanum sumant, 
sicut et carnales filii non eque ferunt nomen parentum tra- 
duci ef obseurari, immo sepe fiunt ea causa homicidia. Et 
iam sequitur impletio 3% praecepti, quod scilicet verbum 
eius libenter audiatur ıc. quod fieri debet in sabbatisando. 
Et sicut pater carnalis non reiicit filios suos morbidos et 
egrotantes, sed illi magis eurantur a patre et matre, item 
celestis pater in nos peccatores affectus est, utpatet per patrem, 
qui filium prodigum amanter recepit in Luca ıc. sumus itaque 
celestes filii, cam habeamus patrem in celis et sic sumus in 
regno celorum ef in spirituali regno, quibus omnia, quibus 


42 Eph. 4, 4. 50 Kol. 3, 1. 56 1. Kor, 12, 3. 
fS Luk. 15, 32. 
) d. i. Laus deo semper. 


17 97 


utimur in hoe mundo, sunt spiritualia. De hoc vide anno- 
tationes Pomerani in c. 10. primae ad Corinthios. Sed quo- 
modo infantes hune patrem celestem, cum neque terrenum 
patrem agnoscant multo tempore ıc. die, quod sicut filii car- 
nales nascuntur et fiunt nativitate et generatione, sic et 
generatione spirituali per verbum efficiuntur filii patris ce- 
lestis. Item cum promissiones, ut scribitur in scriptura 
sancta ꝛc. ad filios pertineant, ergo et patres, sed haee non 
sunt huius instituti, in quibus verbis significatur communio 
sanetorum et sic ecclesia, ubi sumus unum corpus, cuius 
caput Christus, ergo sumus mutuo fratres, per quod et cha- 
ritas commendata, et sie 2*tabula Moysi :¢. quam iterum 
breviter percurrit. 

. Sequitur 'sanctificetur nomen tuum’. Nomen significat hie 
gotes ehr und preiffe, ut item apud nos dicitur: est magni 
nominis, [163b] quod nomen, cet apud deum et in se sit 
sanctum, tamen oramus, ut apud nos quoque sanctificetur, Oramus 
ergo in hae petitione, ut verbum et euangelium pure prae- 
dicetur e& quod dei misericordia divulgetur. In summa ora- 
cionis sic oramus, quod diceremus: o pater, fae et dignare, 
ut euangelium Jesu Christi divulgetur, ut praedicetur et 
retineatur apud illos, qui susceperunt, et qui non habent, 
iam suscipiant illud praedicatum et ut impiae doctrinae et 
abominandae doctrinae ut papistarum et sacramentariorum 
et aliorum obliterentur, ut tuum verbum pure et &yncere prae- 
dicetur w. L. d. 8. 

17 carnalis] celestis. 34 ut in ps. adiuva nos propter nomen 
tuum x. r unten am Rande steht nomine dei utimur aliquando ex 
adiumento ... sed hie. . c. Ephe. 1 convivificati sumus cum Christo r. 
36 Oben am Rande steht Nomen dei inhonoratur mala doctrina et 
mala vita sic eciam ... sanctificatur honesta vita et bona doctrina x. 
nomen dei propter nos blasphematur ꝛc. 45 Hiere. 18, 1. 28. 1. 18.1. 


quomodo oravit, cum esset in Babylone aliis relictis Hierosolimis :c. 
obscure dixit r, 


3. 
Mittwoch, 13. Mai. 
3° concio in catechismum 
in vigilia ascensionis dominicae, perrexit autem in catechismo. 
Ubi inicio repetivit dicta in prioribus concionibus. Au- 
distis, inquit, quid sit orare, ut ‘sanctificetur nomen dev, nempe 
ut euangelium et verbum dei pure et sincere praedicetur, ex quo 


discitur voluntas patris in nos ex filio suo nobis dato et pro 
nobis mortuo 1c. Nune sequitur 'adreniat regnum tuum’, ubi 


47 Ps. 79, 9. 49 Eph. 2, 3. 52 Jer. 18, 1ff. 28. Uff. 
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 2. 7 


26 


85 


10 


15 


25 


80 


86 


40 


98 18 


oratur, ut nos, qui verbum et euangelium dei audimus, et 
credamus et per fidem suseipiamus per spiritum. sanctum, ut 
sic Christus in nobis regnet, de quo regno Christi in Daniele. 
Quae petitio quia valde necessaria, ut quam diabolus, mundus 
et principes et tyranni oppugnant, petimus itaque, ut credamus 
et boni efficiamur. Sequitur ‘fiat voluntas tua’ 1v, quae petitio 
eciam est pernecessaria, po mir nuhr gotté wortes haben ıc. 
fo felt uns noch vil an der lehr und leben, wir [Bl. 164 a 
brechlich an leben ic. Hine rogemus, ut sicut voluntas dei 
patris fit in celo, in angelis scilicet ut in ps. praeceptum' et 
in celestibus corporibus, sol, luna et stellae et reliqua cor- 
pora peragunt suum cursum, sic et nos faciamus orationem. 
Potissimum autem voluntatis divinae est, ut credamus in 
eum, quem misií dominus pater ut in Joanne, deinde ut 
vivamus secundum praecepta dei, unde discitur voluntas dei, 
ut per contrarium oremus, ne fiat voluntas retrorsum sacra- 
mentariorum, hereticorum :v. Ordines monastici non per- 
tinent ad voluntatem dei, quia non habent verbum dei pro 
se x. L.d.s. Oramus ergo, ne voluntas nostra, non diaboli 
et mundi, sed dei voluntas fiat. Dabitatum est aliquando: 
quid si deus nos velit habere pro damnatis, an eciam eam 
volantatem oremus fieri? Dic, quod illa quaestio non habet 
hie locum. Immo non est digna hac locutione, nam hic 
deprecamur patrem nostrum, ergo petimus, ut eius paterna 
et gratiosa vel benigna voluntas fiat. Patris enim est defen- 
dere, servare sugs liberos ıc, Iterum l. d. s. 

9 et ut fides augescat, ut illi, qui non habent, eciam acqui- 
rant x. r. 15 per contrarium oremus, ut regnum diaboli et antichristi 
aboleatur r. 19 ps. vide si est iniquitas in me :. Item proba cor 
meum r. 23 voluntas dei ut verbum eius praedicetur ıc. r. 28 im- 
peditus ante concionem fuit per interpellationem "uxoris a magistri 


Beher conventoris in Worliczio :. quae in vigilia ascensionis hic 
uit mecum propter emendum pannum «x. r, 


4. 
Freitag, 15. Mai. 
[166a] 4. concio in catechismum. 
Summa concionis in calechismum domini Fomerani. 
Repetendo praedicationem dixit prima petitione orari a 
deo, ut recte doceatur de deo, ut euangelium praedicetur. 


Nomen enim dei, quod de eo dicitur et praedicatur, sicut 
homines habent nomen suum, uf conscientiae recte instruantur 


12 Dan. 7, 27. 19 Ps. 148, 6. 23 Joh. 17, 21. 
38 Ps. 189, 24. 39 Ps. 189, 23. 


19 | 99 


et ut impiae doctrinae aboleantur. Nec enim est alia via 
perveniendi ad iusticiam, das wir from werden, quam verbum 
dei. Hine Adae, Abrahae et ceteris patribus promissiones 
datae, quibus iustificati et salvati, sed ratio nostra vult suum 
verbum magnum fieri, sed deus hoc non vult, quare deus 
misit prophetas, ut verbum suum praedicarent, deinde et per 
filiam suum locutus est nobis x. ad Hebre. Per illud ver- 
bum sanctificatur nomen dei. Si filii carnales non possunt 
ferre nomen patrum suorum conspergi macula, multo magis 
patrem nostrum celestem :c. Per verbum dei docamur, quid 
de deo sentiendum sit :c. 

Sequitur: ‘adveniat regnum tuum’, quo rogamus, ut illud 
verbum habentes [166b] fide suscipiamus, per quam deus in 
nobis regnat, sine qua fide regnum dei non constitit, ubi 
oramus eciam, uf regnum satanae et potestates et magistratus 
verbo dei adversantes aboleantur, quo regno eredimus Jesum 
Christum esse salutem nostram et illum, per quem remissionem 
peccatorum ic. 

Sequitur: ‘fat voluntas tua' ıc. quo rogamus, ut vivamus 
secundum verbum eius. Das haubtſtuͤck ift, ut credamus in 
eum, quem misit pater, ut in Joanne, tune alia sequentur. 
Voluntas autem dei exprimitur per eius verbum. Voluntas dei, 
ut sanctificetur nomen eius ꝛc. et cetera quae in oratione 
dominica petuntur, et oramus per contrarium, ne diaboli et 
aliorum contra verbum dei voluntas fiat. 

Sequitur 4'* petitio, qua non rogatur pro pane celesti, 
ut quidam, nee pro eorpore Christi in sacramento 1c. sed pro 
omnibus neeessariis huius vitae, ut cibus, potus, victus, paz, 
bona et idonea temperies celi pro frugibus x. Hic paucis in- 
vehebatur in avaritiam et incredulitatem nostram, propter 
quam non credimus deo ventrem, de quo in ps. exempla 
multa, ps. inclina cor meum in verbum fuum, non in avari- 
eiam. Dixit autem nostrum panem prohiberi, ne alienum 
panem ut furto et rapinis partum edamus 2c. deinde eciam 
proprietas rerum admittitur, ut docet praeceptum de non 
furando et non concupiscendo ꝛc. L. d. s. 


5 Die sabbatino et dominica sequenti non praedicatum est in 
catechismo r. 15/f. gloriati sunt alii se fuisse ad sanctum Jacobum vel 
Romae, multo magis gloriemur nos in sacra concione fuisse, de quo 
refert digressionem de illis peregrinationibus et nobis non dispensa- 
bilibus :c, ut in decretalibus legi r. 34 Hactenus de regno dei petitiones 
fuerunt r. 42 non prohibetur hic provisio pro futuro, ut monachi 
somniarunt, de quo ego legi in B Tho 2 2e?) r, 


15 Hebr. 1, 2. 


!) Thomas, summa I sec. part. q. 2. art. 1. 
7* 


16 


20 


40 


50 


100 20 


oO. 
Montaz, 18. Mai. 


[169a] Summa concionis er ore d. d. Pomerani die lunae 
post. dominicam E.xaudi. 


5 Primo repetivit dicta in prioribus concionibus catechismi 
et sic hactenus bona spiritualia et temporalia petivimus a 
deo. Nune petimus pro evitandis malis. Maximum autem 
malum est peccatum vel peccata nostra, quae dieuntur de- 
bita nostra, unfer ſchulde. llla debita nostra et peccata, co- 

10 gnoscuntur ex lege, hoc est: ex decalogo. Per legem enim 
cognitio peccati. Ubi percurrit totum decalogum. Non credi- 
mus, diligimus deum, non timemus eum ıc. Deinde debita 
nostra ex oratione dominica discimus: non enim sanctificamus 
nomen dei, peccamus contra regnum dei :c. dimittuntur autem 

15 debita nostra sola dei misericordia per Jesum Christum. 
Ps. apud te est propiciatio’ ıc. et sic apud eum est abrogatio 
legis, eui dimittuntur debita. Non enim potest eum condem- 
nare. Et hie est ille artieulus fidei: eredo remissionem pec- 
eatorum, et eredendo in Christum Jesum. Hieremiae: 'pec- 

20 catorum eorum [169b] amplius non recordabor. Ergo sequitur. 
quod non est satisfactio ulla nec illa opera satisfactionis, 
propter quae dimittuntur peccata nee propter contritionem 
nostram, ut finxerunt, et sic omnia illa, quibus sub papatu 
remissionem volebant consequi, ruunt. Sed quid sequitur? 

35 ‘sicut et nos dimittimus debitoribus nostri. Si deus magna 
peccata nobis dimittit, quae contra ipsum fecimus, quia maior 
est maiestas divina quam nostra persona, in quam peccat 
proximus, multo magis, quae contra nos commissa sunt, 
dimittere debemus, uf sunt peccata contra 2*" tabulam. Et 

so Si non possumus hoc facere, oremus saltem gratiam illam a 
deo, ut possimus dimittere proximo nostro :x. L. d. s. 


20 unten am Rande steht Adveniat regnum tuum, rogamus, 
ut si verbum non praedicatur, ut adsit, fide suscipiamus x. 


6. 
Dienstag, 19. Mai. 


Sexta concio d. Pomerani in catechismum die Martis. 


Facta repetitione dictorum, quod videlicet in tribus 
s primis petitionibus oraretur fur gotes ehr, regno et impletione 
voluntatis eius et in 4'* petitione pro rebüs huius vitae ne- 


16 Pas. 130, 4. 19 Jer. 31, 34. 


2] 101 
cessarlis, pro pane, cibo, potu, pro puce, pro bonu politia ꝛc. 
ubi sciamus, quam impotentes simus et miseri, quod omnia 
illa temporalia non possumus nostra industria procurare nobis 
sine gratia dei, eum neque granulum parvum siliginis pos- 
simus producere, nedum panem. Omnia ergo haec ex liberali 
manu patris nostri percipimus, multo minus eterna et spiri- 
tualia bona ex nobis habemus. Nos ergo utentes illis bonis 
vognoscamus habere patrem clementem per Jesum Christum, 
a quo illa dona suscipimus. Pro hoc vide tu annotationes 
Pomerani in 10. ad Corin. prioris epistolae. Non petitur hic 
pro eucharistia seu pro verbo dei. Nam haec in prioribus 
petitionibus petita sunt. Nam petendo [170a] pro verbo dei 
iam pro sacramento eius, quo conficitur, oratur ıc. Hie di- 
gressus est dicendo de mammona et eius servitute, quae esset 
idoiolatria ic. 

Sequitur: ‘dimitte nobis debita nostra! 1. quod consequimur 
tantum gratia per Jesum Christum sine meritis. Propter hoe 
Christus natus, passus et mortuus est, ut ipse testatur. Hic 
ruunt omnes cultus papistiei et alia excogitata pro remis- 
sione peccatorum. Non enim dicitur hie de satisfactionibus 
pro peccatis, sed de dimissione et remissione peccatorum, de 
qua et in symbolo. Sequitur: ‘sicut et nos dimittimus debi- 
toribus nostris. Ibi commendatur charitas nobis, qua nos 
dimittimus proximis nostris, quae necessario consequitur 
fidem, quae ubi est, non est odium, invidia, rancor, et se- 
quitur, ut dimittamus proximo nostro. Sed in regno diaboli 
sunt ira, odium, invidia ıc. non in regno Christi. Et haec 
partieula non est conditio legis, sed probatio fidei nostrae et 
cyn pruffeíteín. Quod nos habere charitatem et fidem in 
regno Christo, utcumque deficiamus in illis et illum defectum 
conqueramur deo, et sic dimittere oportet nos proximo 
nostro, et si non plene, rogemus a deo, ut det gratiam, qua 
possimus. 


Sequitur: ‘ne nos inducas in tentationem". Cum prae- 
dieta assint, utcumque tamen sumus circumdati mundo, diabolo, 
carne nostra, quibus sollieitamur, ut a deo et verbo deficiamus, 
et sie est tentatio necessaria, quod fit per falsam doctrinam. 
Hogamus ergo, uf deus velit nos conservare in fide, sana 


doctrina ef aliis, quia ex nobis non possumus perseverare, 


quod valde necesse orare, quia Christus dixit omnes electos 
decipiendos, licet liberantur ex errore. Sed si contingat mos 
«educi et in errores, scandala, peccata, adversitates venire, 
petimus, ut liberemur x. Hinc sequitur ultima petitio: ‘sed 
ibera nos a malo! sive cognito sive non cognito. ‘Amen’ i. e. 
fiet vel verum est, quod dicimus vera fide, in qua fide primo 
cepimus orare dicentes pater noster ex fide. L. d. s. 


— 


5 


40 


102 99 


9 pro hoc multa Lutherus in ps. 15 graduum!) r. 13 Sic non 

Turcae neque infideles, quia non habent talem patrem deum, sed 

66 iudicem, quia condemnat eos ut transgressores legis, nobis autem filiis 

non imputatur peccatum r. 34 non pertinent ad regnum Christi, qui 

nolunt dimittere :. r. 38 si] sic. 44 ut sacramentarii, rotenses et si 

de fide trinitatis tentamur :c. vel aliis articulis r. 52 unten am 
Rande steht non dubitantes, quod exaudiamur. 


7. 
Donnerstag, 21. Mai. 


[171a] Summa concionis er ore d. Fomerani die Jovis in 
catechismum, ubi maximum tempus consumpsit in repetendo 
6 orationis dominicae. 


In prima petitione orationis dominicae oramus, das (eon 
ehr gefordert und geſchee, licet apud eum eius honos semper 
servetur incolumis, non tamen apud nos. Hine oratur, ut 
sanctificetur nomen eius, ut recte praedicetur de eo ıc. quod 

10 fit per eius verbum. In 2? petitione ut non verbum, dum 
praedicatur, frustra praedicetur, sed ut per spiritum sanctum 
suscipiatur et credatur. Deinde oratur: fiat voluntas tua’ ic. 
[171b] Nam licet verbum audiamus ef praesto sit et ei 
credamus et sana doctrina tradatur, ßo wil es doch nicht mit 

15 dem leben hynnach volgen, ut obsistentibus hostibus nostris, 
carne, mundo, diabolo, Oramus autem, uf eius gratiosa et 
paterna voluntas fiat. Postea petimus, ut panem nostrum 
cotidianum tribuat, ubi necessaria vitae petimus contra avari- 
tiam, quae inexplebilis est ıc. si non superflua contingent, 

ə tamen sufficienter deus tribuit, quibus eum deo et honore 
possumus uti cum bona conscientia uf ps. x. 


Hactenus petivimus spiritualia et temporalia, nunc de- 
preeamur mala, ne aecedant. Primo oramus, ut dimittat 
debita nostra i.e. peccata, quod est maximum ' malum ıc. 

25 Sequitur: ne nos inducas in tentationem, ubi oramus, ut 
deus nos conservet in suo verbo ıc. sed quis non labitur? 
Hine ultima oratio: ‘sed libera nos a malo’ i. e. peccato, impia 
doctrina ıc. ‘Amen’ i. e. fiet vel verus [I] est 1c. et sie in illa 
oratione omnes petitiones necessariae comprehenduntur sive 

so in ps. sive alibi continentur tua, si dicimus ad deum: a 
her gott, es ſeyn vil ſchwirmer, rotenses, hulff uns, a her, 


1) Op. ex, 15, 48 ff. (über die Stufenpsalmen hatte Luther 1531 
bis 1533 gelesen). 


23 103 


es gette ubel zu, hilff ung, ſihe dreyn :. sic si non oramus 
integrum, potes saltem unam, saltem unam partem oremus. 
Et tantum de oratione dominica. 


Deinde breviter pereurrit 10 praecepta. Primo praecepto, 
ubi dieitur: ego sum dominus deus tuus :c. non habebis deos 
alienos, ubi non ulla opera, sed fides exigitur et in illo 
praecepto et in prima tabula solum deus est dominus noster 
et nullus homo [172a] sed in 2* tabula sunt domini sub illo 
tamen domino sicut et magistri. Non habeas deos alienos, 
quibus fidas ut monachi, qui confisi operibus suis ıc. 2? prae- 
cepto prohibentur falsae doctrinae i. e. dogmata docentur et 
suscipiuntur sub nomine dei, sic nec falso iuremus. Docemur 
ergo nomine dei bene uti, scilicet invocare 1. ut verbum dei 
pure doceatur ıc. ldem in pater noster, scilicet sanctificetur 
nomen tuum :. 3° praecepto, ut cum convenerimus, verbum 
dei audiamus, praedicemus et legamus, gratias deo agamus 
et audita nostris domi recitemus ıc. In 2* tabula commen- 
datur nobis charitas. In primo autem praecepto 2. tabulae 
eomprehenditur omnis superioritas et maicritas, ut obediant 
inferiores illis superioribus ıc. Reliqua brevissime percurrit 
cum symbolo, quia hora praeterierat. L. d. s. 


9 Adveniat regnum tuum x. r. 17 De hoc vide tu Cyprianum ) r. 
39 Oben am Seitenrande steht Dixit in sermone filios inobedientes 
sepe punitos, ut multa exempla testantur x. 41 ff. De hoc vide Powe- 
ranum in concionibus in Matthei ca. 23?) r, 51 Pr[aeceptum] ne con- 
cupisces r. Nihil ignotum vel insigne adiecit :ıc. r. 


1) De oratione dominica. 

3) Helt hat im Auge Bl.119a: Hunc textum (Matth. 23, 1ff.) 
torserunt pro se papistae in sensu alieno, quasi Christus exegisset a 
nobis, ut omnia, quae ipsi praeceperint, nos facere cogeremur, et sic 
eorum traditiones, quae in decretis et decretalibus continerentur, ser- 
vare teneamur, sed mirum est nos ita excecatos fuisse, cum sedere 
super cathedram Moysi sit ea docere, quae Christus docuit ex dei 
iussu ut 10 praecepta et cetera, sicut hic suggestus, quando docetur 
in eo euangelium Christi, dicitur Christi cathedra, sed quando mo- 
nachus in ea praedicaret contra euangelium, tune esset antichristi 
cathedra, non Christi. — Bl. 122b zu Matth. 23, 8: Sic consuetudo est 
in tota ecelesia, ut patribus et sic singulis sua nomina tribuamus x, 
in officiis publicis constitutis. Non est ergo illa senteutia, quam 
pbanatici spiritus hinc colligunt volentes abolere magistratus, ut 
Munczerus et Nicolaus Storche, licet ipsi revera volebant sibi 
arrogare nomen patris et superioris, quia volebant esse superiores suis 
rusticis et duces corum x. Sic cuiusdam civitatis magnae senatores 
per eiusmodi spiritus seducti scripserunt hinc difer (tatte N. vorweſer 
nolentes scribere se buͤrgermeiſter, cum in re idem ait r. 


m 


0 


a 


0 


8. 
Freitag, 22. Mai!). 
Octava. concio ec ore d, Pomerani in catechisnuun. 


In eatechismi parte et in 10 praeceptis discimus, quod 

s sumus natura mali, in altera parte docemur, unde illa pe- 
tamus, ut consequamur, nempe in oratione dominica et in 
confessione fidei nostrae vel symbolo, quae breviter et sum- 
matim repetivit. Deinde in eadem hora de sacramento bap- 
tismi et altaris tractavit. Sacramentum est enim gnaden- 
10 zeichen uns von gotte bephollen, unde cognoscimus nos deum 
habere propicium per Christum Jesum, quod ostendit per 
verba baptismi et cenae domini, de baptismo ex Tito et ad 
Ephe. Debent autem celebrari sacramenta secundum Christi 
institutionem. In nomine’ vel in nomen patris ꝛc. utpatet ex 
16 greco i. e. ut ineorporaremur deo patri x. Errant anabap- 
tistae, Pueri christiani enim pertinent ad semen Abrahae, 
ut et Joannis 8. Hine facit ‘in semine tuo' ıc. Item acto- 
rum 2. salus ipsis et filiis eorum promissa ꝛc. ltem si circum- 
eisio pueris, ergo et baptismus. ltem 'sinite parvulos venire 
20 ad me. Christus ergo habet eos pro fidelibus ic. L. d. s. 


4 Hac septimana fuit hic d. magister Hausmannus, venit huc 
die lunae post exaudi et abiit in vigilia pentecostes hora 2a deductus 
a multis bonis viris ?). 8 Ergo rasura illa et unctio non sunt sacra- 
menta ut nos loquimur de sacramento r. 20 Unten am Seiten- 

„ rande steht Ego quaesitus a quodam respondi, quod anabaptistae 
faciunt in vanum baptisma parvulorum. Item non habent verbum 
neque exemplum x. 


12 Tit. 3, 5; Eph. 5, 26. 13 Matth, 28, 19. 
17 Joh. 8, 33; I. Mos, 22, 18; Apg. 2, 39. 19 Me. 10, 14. 


) Das Datum ergibt sich sowohl aus der Stellung der Predigt 
zwischen Donnerstag, 21. und Sonnabend, 23. Mai, als auch daraus, 
daß Bugenhagen am Sonnabend über den 25. Psalm predigte. 

3) Hausmann nahm also Luthers Brief an Fürst Joachim von 
Anhalt (De Wette 4, 536f.) mit. 


Markgraf Georg Friedrich von Branden- 
burg und die Einigungsbestrebungen 
der protestantischen Stände 1556—1559. 


Von K. Sehornbaum. 


I. 


Anı 20. Juli 1556 übernahm Markgraf Georg Friedrich 
die Regierung seines angestammten Landes). Alsbald suchte 
der eifrigste Förderer der Einigungsbestrebungen unter den 
evangelischen Fürsten, Herzog Christoph von Württemberg, 
Fühlung mit ihm, seinem Schwager, zu gewinnen. Bereits 
Ende Juli mußte in seinem Auftrag sein Marschall Wilhelm 
von Massenbach beim Kurfürsten von der Pfalz, Ottheinrich, 
die Anregung geben, wegen Vergleichung in der Religions- 
sache eine Zusammenkunft der evangelischen Stände anzu- 
regen; falls Sachsen nicht wolle, sollen doch Herzog Wolfgang, 
Simmern, Baden, Hessen, Georg Friedrich zusammengerufen 
werden?) Als seine Gesandten Severin von Massenbach 
und Lic. Balth. Eislinger am 5. September berichteten, wie 
wenig andere Fürsten wie Brandenburg und Sachsen auf die 
Pläne von Pfalz und Württemberg vor allem in bezug auf 
Aufhebung des geistlichen Vorbehaltes eingehen wollten, 
tadelte er besonders, daß die „andern Gutherzigen“ wie 
Georg Friedrich nicht zu den Verhandlungen beigezogen 
worden waren“). Am markgräflichen Hofe in Ansbach standen 
allerdings andere Punkte im Vordergrund des Interesses.. 
Es handelte sich um die Erhaltung bzw. Wiedergewinnung 


) Leop. Bachmann, Kitzinger Chronik des Friedrich Bernbeck. 
1899, Kitzingen S, 192. 

2) V. Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtem- 
berg. Stuttgart 1907. IV, S. 123. 

*) ibidem S. 156 Anm. 


106 26 


der von den Fränkischen Einigungsverwandten besetzten 
Kulmbachischen Lande. Die Verhandlungen über den Besitz 
-der einst von Markgraf Georg erworbenen schlesischen Fürsten- 
tümer waren ebenso trotz aller Bemühungen noch nie zu 
einem befriedigenden Abschluß zu bringen gewesen!). Aber 
‚dafür, daß man den religiösen Fragen nicht gleichgültig 
gegenüberstand, sorgte schon der Einfluß der gut evangelisch 
gesinnten Fürstin-Mutter Emilie, 

Bereits am 15. Mai 1556 hatte Herzog Johann Friedrich 
der Mittlere auch die markgräfliche Regierung ersucht, recht- 
zeitig den Regensburger Reichstag zu besuchen. In Ansbach 
konnte man darauf hinweisen, daß bereits die branden- 
burgischen Räte daselbst angekommen seien; sie wurden 
‚aber angewiesen, sofort zu berichten, falls andere evangelische 
Stände Theologen absenden würden. M. Georg Karg in Ans- 
bach und Anton Colander, Pfarrer zu Schwabach, erhielten 
die Weisung, sich zur unverzüglichen Abreise bereit zu halten“). 
Die Eröffnung des Reichstages verzögerte sich aber immer 
mehr; die brandenburgischen Räte kehrten anscheinend teil- 
weise heim; erst im Spätherbst®) erschien neben Heinrich 


ı) Dr. Jegel, Die schlesischen Besitzungen der fränkischen 
Hohenzollern. Troppau 1916. (Zeitschrift für Geschichte und Kultur- 
‚geschichte Österreichisch-Schlesiens.) 

) cf. G. Wolf, Zur Geschichte der deutschen Protestanten 1555 bis 
1559. Berlin 1888. S. 14. 217. Ernst IV, S. 80 Anm. Pfarramt St. Jo- 
hannis in Ansbach: Aktenstücke aus der Reformationszeit 1529—1642. 
Produkt Nr. 18 (d. d. 23. VI. 1556). 15, VI. 1556 teilen Massenbach, 
Krauß und Eißlinger dem Herzog Christoph mit, daß von Ständen der 
A. K. nur die Herzöge von Sachsen, Wolfgang, Georg Friedrich u. 
Philipp v. Hessen vertreten seien; diese alle hütten eine Beratung 
über die Religion für verfrüht gehalten, weil noch so wenige ev. 
Stände angekommen wären, Ernst S. 95, Anm. 4. Am 22. VI. 1556 
schicken die Statthalter Hans Wilhelm von Knöringen, Christoph 
Tettelbach, Junius das Schreiben Johann Friedrichs von Weimar an 
Werner Eisen und Heinrich von Muslohe nach Regensburg mit der 
Weisung, bei Ankunft anderer ev. Stünde nach deren Abfertigung 
sich zu erkundigen, vor allem sofort mitzuteilen, ob sie ihre Theologen 
mitgebracht hätten. Nürnberger Kreisarchiv. Ansb. Rel. Acta Tom. 
Suppl. Ib Fol. 211. 

3) 26. Sept. 1556 berichten die Württembergischen Gesandten, 
daß „Meßler“, der brandenburgische Gesandte, der Zusammenkunft der 
Evangelischen vom 24. 9. nicht beigewohnt habe trotz seiner Kenntnis 


27 107 


von Muslohe, Amtmann von Schwabach, Dr. Werner Eisen als 
Vertreter des jungen Markgrafen wieder auf demselben. 
Sie blieben nicht unbeachtet. Als es sich darum handelte, 
den Religionsausschuß zu bilden, gab es auf Seite der Evan- 
gelischen arge Differenzen; dagegen scheint man Über die 
Berufung Werner Eisens in denselben gleich einig gewesen 
zu sein?) Neben den kurfürstlich brandenburgischen, pfäl- 
zischen und sächsischen Räten trat er naturgemäß zurück; 
doch unterstützte er entschieden deren Forderung die Religions- 
vergleiehung durch ein Kolloquium anbahnen zu lassen; kurz 
und bündig verwarf er das katholischerseits vorgeschlagene 
Generalkonzil: Papa est, ad quem ommia et a quo nihil; 
ideo non debet habere indictionem?). So erscheint denn 
aueh unter den für das Wormser Gesprüch benannten evan- 
gelischen Colloquenten: Mag. Georg Cargius Superintendens 
Onolzbachensis®), Den Nebenabschied der evangelischen 
Stände vom 16. März 1557 unterschrieben natürlich auch 
die brandenburgischen Räte‘). 

Trotzdem seine Bemühungen auf dem Reichstag wenig Er- 
folg gehabt hatten, erneuerte Herzog Christoph bald wieder seine 
Versuche, eine Einigung der protestantischen Stände herbeizu- 
führen; er wußte ja nur zu gut, daß sonst das Wormser Gespräch 
nicht nur resultatlos, sondern zum Schaden für die Evangelischen 


derselben, weil er erst die Ankunft neuer Räte erwarten müsse; am 
1. Oktober, daß er die Reichsräte nicht besuche. Ernst S. 173. 
178. cf, 174. 

1) Wolf S. 43. (Brandenburg Baireuth!); doch siehe Anm. 3. 
Ernst S. 220, H. Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus ` 
in den Jahren 1555—1581, I. Marburg 1852, S. 136. Kreisarchiv 
Bamberg: Bayr. Reichstagsakta 36 S. 50. 

2) F. B. von Bucholtz, Geschichte der Regierung Ferdinand 
des Ersten, Wien 1836, VII, 361. 363. cf. Ernst S. 226, (die fürstl. 
brand. Räte hatten Befehl) S. 230 f. 

3) 4. Bedenken der Stände. d. d. 10. III. 1557. Bayr. Reichs- 
tagsakta 37, 91. Wolf S. 56. | 

) Nürnberger Kreisarchiv: Ansbacher Religionsakta 26, 161; 
gedruckt Chr. Fr. Sattler, Geschichte des Herzogtums Würtenberg 
unter der Regierung der Herzogen. Tübingen 1771. IV. Beylagen 
S. 101 ff. Nr. 37. cf. Ernst S. 283, Heppe I, 140 f. Wolf S. 67f. 
Chr. A. Salig, Vollständige Historie der Augsburgischen Confession. 
Hale. 1735, III. 77 f. 


— 


198 | 28 


ausgehen würde. Zwar verhielt sich August von Sachsen 
ablebnend; Kurfürst Ottheinrich ging dafür um so eifriger 
auf seine Pläne, gelegentlich des auf den 13. Juni 1557 
zur Schlichtung der Katzenellbogenschen Streitsache zwischen 


' Hessen und Nassau angesetzten Tages eine Versammlung 


der evangelischen Stände zu veranstalten, ein!). Die Ein- 
ladung des Markgrafen Georg Friedrich übernahm er selbst. 
Dem markgräflichen Hofe mußte Kenntnis von den Bemühungen 
des Landsberger Bundes, auch ihn neben den fränkischen 
Einigungsverwandten zum Beitritt zu bewegen, geworden 
sein; die dadurch entstandene Verstimmung suchte er zu 
beheben?) Das Erscheinen des jungen Markgrafen und seiner 
Theologen wünschte er um so mehr, weil er wußte, daß der 
bedeutendste unter ihnen, Georg Karg, nach seiner ganzen 
Entwicklung nicht nur ein Gegner der unversöhnlichen Jenenser 
war, sondern auch seinen Bestrebungen auf Herbeiführung einer 
einhelligen Kirchenordnung und Kirchenzucht geneigt gegen- 
überstehen würde. Am 13. Mai 1557 ersuchte er ihn mit 
„schiedlichen“ Theologen persönlich am 18. Juni in Frank- 
furt zu erscheinen. „Wenn die Theologen auf dem Wormser 
Gespräch nicht zusammenstimmen würden, würde es den 
Katholiken ein großes Frohlocken bereiten. Deshalb habe 
ihm und Ottheinrich für gut gedeucht, vor dem Kolloquium 
mit andern Ständen im Oberland zusammenzukommen, um 
sich über eine einhellige Instruktion für die Theologen und 
Räte zu vergleichen; dabei solle auch davon beratschlagt 
werden, wie eine einhellige christliche Vergleichung in der 
Lehre und anderm unter den Theologen getroffen, auch die 
Spaltungen abgestellt werden möchten®).“ Georg Friedrich 
war eben wegen der Belehnung mit Jägerndorf in Prag ge- 
wesen und krank zurückgekehrt*); er ordnete deshalb am 


!) Ernst S. XL. f. 

2) W. Götz, Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahr- 
hunderts. München 1898. V, 70 Anm. 1. 

) Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 131, gedruckt Ernst IV Nr. 269 
S. 329. ef. B. Kugler, Christoph Herzog zu Wirtemberg. Stuttgart 1872. 
II, 49. Anm. 81. Ernst IV, 325. 

*) G. Fr. an Herzog Christoph von Württemberg d. d. Ansbach 
18. V. 1557, A. R. A. 26 Fol. 133. cf. Ernst IV S. 330 A. 1. 


29 1609 


12. Juni 1557 Georg Karg, den Amtmann von Schwabach 
Heinrich von Muslohe und Dr. jur. Werner Eisen nach Frank- 
furt ab; sie bekamen die Weisung, mitzuhelfen, daß auf dem 
Kolloquium aller Zwiespalt abgestellt würde. Am 17. Juni 
kamen sie daselbst an?). Die Akten des Tages sind zwar bis- 
her nur höchst unvollständig bekannt geworden; die branden- 
burgischen Religionsakten enthalten nichts als die auch sonst 
bekannten offiziellen Aktenstücke?); aber auch hier scheinen 
die markgräflicben Abgeordneten mehrfach bestimmend in 
die Verhandlungen eingegriffen zu haben. Als die Zwei- 
brückenschen Gesandten wünschten, daB die Vorschläge von 
Pfalz und Württemberg behufs Information der Gesandten 
und weiterem Verbandeln in den Religionssachen‘) einem 
gemeinsamen Ausschuß von welflichen Räten und Theologen 
übergeben werden sollten (22. Juni 1557), setzten die Branden- 
burger es durch, daß zuerst eine Beratung sämtlicher Theologen 
darüber erfolgen sollte. In dem Ausschuß der Fürsten, 
Grafen und Städte, der darnach dartiber zu befinden hatte, 
waren sie ebenfalls vertreten"). In einem Nebenmemorial 
(30. Juni) nahm man weitere Beratungen der oberlündischen 
Stände in Religionssachen in Aussicht; Georg Friedrich wurde 


!) Berufung des Amtmanns von Schwabach d. d. 9. VI. 1557 
Ansbach. A. R. A. 26, 135. Kredenz für die Abgesandten d. d. 
12. VI. 1557, ibidem Fol. 187, 

) Ernst IV S, 860 Anm. | 

: 3) Außer den noch zu erwühnenden enthält der Band 26 der 
Ansbacher Religionsakten: Stadt Magdeburg an die Stünde zu Frank- 
furt. d. d. Do. n. Trin. (17. VI) 1557 Fol. 167, Antwort derselben: 
d. d. 1. VII. 1557 Fol, 171. cf. Salig III, 260, 278 f. Bittschrift 
an den Erzbischof von Salzburg wegen der verjagten Salzburger 
1. VII. 57 Fol. 175 ff., gedr. Bucholtz, Urkundenband S. 563. Bittschrift 
an den Bischof zu Lüttich wegen eines wegen des Evangeliums ge- 
fangenen Untertanen 1. VII. 1557 Fol. 179 ff. cf. Ernst IV S, 365, 
Der Abschied: d. d. 30. VI. 1557 Fol. 181 ff., gedr. Sattler IV, Bei- 
lagen Nr. 40 S. 109 ff. 

*) Die Proposition von Pfalz und Hessen: d. d. 19. VI. 1557. 
A. R. A, 26, 189, gedr. Sattler l. c. IV. Beilagen Nr. 39 S. 107 f, 
Bedenken und Verzeichnis zu einer Vorbereitung des künftigen Kollo- 
quiums gestellt (die endgültige Redaktion) A. R. A. 26, 151. gedr. 
Sattler IV. Beilagen S. 119—923. 

5) Ernst IV S. 360, 361. 


110 30 


dazu ausersehen, die evangelischen Stände im fränkischen 
Kreise dann zu berufen!) In Karg hatte sich Christoph 
gewiD nieht getüuscht; sein Name befindet sich unter den 
beiden Gutachten der evangelischen Theologen auf die 
württembergisch-pfälzischen Vorschläge“); allem Anschein nach 
hatte er sich bemüht, die Einigkeit aufrecht zu erhalten. 
Gemäß den Regensburger und Frankfurter Abmachungen 
kamen die Abgesandten der Ansbacher Dr. Werner Eisen 
und Mag. Georg Karg am 1. August nach Worms; sie trafen 
daselbst von andern evangelischen Gesandten nur den Württem- 
berger Lie. Balth. Eißlinger und pfälzische Räte’. Die 
übrigen ließen sich Zeit. Am 15. August trafen die Weimarer: 
Monner, Sehnepf, Strigel und Stöhsel ein“). Wie mit den 
kurpfälzischen, württenbergischen und Straßburger Theologen 
traten *sie auch mit Karg ins Benehmen, ob er sich ev. 
auch für eine namentliche Verurteilung aller vermeintlichen 
Irrlehren in der evangelischen Kirche gewinnen ließe. Aber 
auch er war der Ansicht: „als sollte man die Artikel, so 
unter uns streitig, verbleiben und anstehen lassen bis auf 
einen Synodum, da alle Stände der augsburgischen Konfession 
zusammenkommen würden und dieselben Irrungen kognos- 
zieren und judizieren, aber nichts desto weniger jetzt allhie 
wider die Papisten für einen Mann dieweil stehen und mit 
ihnen zum Kolloquio greifen?)“. Wenn die Weimarer am 


1) d. d. 30. VI. 1557. A. R. A. 26, 157 ff., gedr. Ernst IV 
S. 371 ff;. cf. XLII. 

2) a) Artikel auf die vier Punkte. Ansb. Rel. Akta 26, 143 fl., 
gedr. Ernst IV S. 866 ff. b) de materia et forma colloquii. Ansb. 
Rel. Akta 26 Fol. 147 ff. cf. Salig III, 269 f. Heppe I, 149 f. 

*) Berichte Dr. Werner Eisens vom 3. VIII. 1557 u. 10. IX. 1557. 
Ansb. Rel. Akta 26, 193. 196, gedruckt Beilage I u. II. Blätter für 
württembergische Kirchengeschichte, 1900, IV, 87. Heppe I, 160. 
Wolf S. 84. 836. Ph. Küch, Politisches Archiv des Landgrafen 
Philipp des Großmütigen von Hessen. Leipzig 1904, I S. 824. 

4) Bericht der Weimarer an Johann Friedrich d. d. Worms 
16. VIII. 1557, Wolf S. 320, 84. 

9) Bericht der Weimarer an Joh. Friedrich d. d. Worms 23. VIII. 1557. 
Wolf S. 827. cf. Bericht derselben vom 21. VIII. 1557 bei C. G. Bret- 
schneider, Corpus Reformatorum IX, Nr. 6316 Sp.ı236 (Halle 1842) 
[cf. Salig III, 297] u. B. F. Hummel, Neue Bibliothek von seltenen 
und sehr seltenen Büchern II, 115, Nürnberg 1777, sowie Bericht 


31 111 


21. August an ihren Herzog Johann Friedrich berichten: 
„So sind auch wohl andere mehr unter dem Haufen der 
geordneten Personen, die Zwinglium auch im Busen stecken 
haben“ möchte man fast meinen, daß sie auch auf ihn zielen 
wollten; sollte doch eben in jenen Tagen seine Kontroverse: 
mit dem Stiftsprediger Petrus Ketzmann über das Abend- 
mahl entschieden werden!) Um so enger wurden die Be- 
ziehungen der brandenburgischen Abgeordneten zu den übrigen 
evangelischen Ständen, besonders nach dem Eintreffen Melanch-- 
thons, bei dessen Einholung und ehrfurchtsvollen Begrüßung 
auch sie sicherlich nicht fehlten?). Am 1. September 1557 
berichtet Eber dem Major von den unaufhörlichen Bemühungen: 
der Weimarer, besonders des Dr. Basilius Monner, die evan-- 
gelischen Theologen zu bewegen, Melanchthon zu einer 
namentlichen Verdammung des Adiaphorismus, Majorismus,. 
Osiandrismus und Zwinglianismus zu veranlassen?) Sed dei 
beneficio, fährt er fort, invenimus Wirtembergenses, Palatinenses,. 
HassiacoB, Marchicos, Argentinenses ita animatos, ut palam 
dicant, sibi a suis injunetum esse, ne a nobis sejungant 
sine necessariis causis, et nullo modo sibi probari illud intem- 
pestivum studium impediendi publicam collocutionem propter 
quam praecipue accersiti sunt). Und Peucer: Inter reliquos. 
des Monner an Joh. Friedrich am gleichen Tage bei Wolf S, 326 
u. den Brief Peucers an Milichius vom 1. IX, 1557. Corp. Ref. IX. 
Nr. 6326 Sp. 252; an Winshemius Nr. 6327 8. 253. 

1) Corpus Ref. IX Sp. 237, — Salig III, 298. 

2) Monner an Flacius 31. VIII. 1557: „Quotquot sunt hic theologi: 
nostrarum partium, eum honorifice exceperunt, reverenter et quasi: 
numen adorant, Nudiustertius a concione cum egressi eramus, omnes 
eum salutabant ut praeceptorem.“ Corpus Ref, IX Nr. 6321 Sp. 246.. 
Salig III, 208. Melanchthon kam am 28. VIII. nach Worms, s. 
C. E. Förstemann, liber decanorum facultatis Theologiae Academiae 
Vitebergensis Lipsiae 1838, Fol. 43. Corpus Ref. IX Sp. 251, 256.. 
Wolf S. 87, — Salig III, 298. Anm. 

) cf. Bericht des Monner an Job. Friedrich d. d. 28. VIII. 1557. 
W olf 8. 238. Bericht Peucers an Winshemius 1. IX. 1557. Corpus Ref. 
IX Nr. 6327 Sp. 253. Auch Karg wird Monner seine Schrift betr. die 
adiaphoristischen Irrtümer heimlich zugesteckt haben. S. den Brief 
Johann Aurifabers vom 13. IX. 1557. Corpus. Ref, IX Sp. 271. 

) Eber an Major. Corpus Ref. IX, Nr. 6324, Sp. 24^. 
B. F. Hummel, epistolarum Historico—ecelesiasticorum Saeculo XVI 
a celeberrimis viris scriptorum semicenturia Halae 1778, S. 24. «f. 


112 32 


omnes consensus est, qui se a Philippo non discessuros 
professi sunt non obscure. 

Dies kam auch in dem regen Verkehr der Abgesandten 
untereinander zum Ausdruck. Am 15. August hielt Eißlinger 
mit Dr. Basilius Monner, Walter Senft und einem branden- 
burgischen Gesandten einen Untertrunk; um die gleiche Zeit 
machte er mit Brenz, Andreä, Werner Eisen und Karg einen 
Ausflug nach Bobenheim; an dem großen Bankett am 17. Ok- 
tober nahmen natürlich letztere auch teil. An den Kosten 
des Aufenthalts etlicher „vertriebener Genfer“, worunterniemand 
anders als Farel, Budäus, Carmel, Beza verstanden werden 
können, beteiligten sie sich ebenfalls, wie sie auch 1 fl. 15 xr 
zahlten, um einem armen Jüngling mit Rock, Wams, Hosen 
versehen zu können. Die Vermutung Bosserts hat viel für 
sich, daß sie mit den Württembergern, Pommern, Hessen in 
einem Gasthof wohnten ?). | 

In Regensburg hatte man beschlossen, daB Brandenburg- 
Ansbach zum Wormser Gespräch den Kolloquenten, Kur- 
brandenburg den Auditor stellen sollte; offenbar verfügte dieses 
über keinen bedeutenderen Theologen; aber es kam auch diesem 
Ansinnen nicht nach; im Laufe des Gesprächs lief ein Ent- 
schuldigungsschreiben ein. Deshalb ersuchten die evangelischen 
Assessoren und Auditoren Dr. Werner Eisen, die Lücke aus- 
zufülen, wenn er auch nur zu den in Regensburg und 
Frankfurt ins Auge gefaßten Vorverhandlungen Vollmacht 
hatte). Sie sollten sich in ihm nicht getäuscht haben. Die 
Auditoren oder „politischen Räte“ hatten weniger Gelegenheit 
zum Hervortreten; die eigentliche Führung lag iu der Hand 
der Assessoren. Aber soviel läßt sich bei dem höchst ltieken- 
haften Material über die ganze Tagung doch sagen, Werner 


Monner an Flacius 31. VIII. 1557. Corpus Ref, IX Nr. 6821 Sp. 245. 
Melanehthon an Joach. Camerarius 1. IX. 1557 ibidem Nr. 6322. 
Sp. 247; an P. Vincentius 1. IX. 1557 Nr. 6323 Sp. 248. Peucer an 
Vincentius 1. IX. 1557 Nr. 6325 Sp. 251. 

1) Peucer an Vincentius 1. IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6325 
.Sp. 251; cf. Peucer an Milichius Nr. 6326 Sp. 251. 

2) Blätter für Württembergische Kirchengeschichte IV, 
49, 43, 45, 46, 47, 53. 

3) Bericht des Werner Eisen d. d. Fr. n. Nat. Mariae 1557. 
A R. A. 26. 196. Salig III, 339. | 


33 113 


Eisen hielt treu zur Majorität der evangelischen Stände, mochte 
es gelten den Herzoglich Sächsischen Abgesandten!) oder 
Katholiken?) entgegenzutreten. Es sind nicht nur Worte, 
wenn Melanchthon am 12. Mai 1558 an ihn schreibt: „Fuit 


) Verhandlung mit den Weimarern am 5. IX., s. Bericht von 
Monner, Schnepf, Strigel, Stößel an Johann Friedrich d. d. 6. IX. 1557. 
Wolf S. 330 f. (Politische Räte S. 331, 333, 334.) Bericht von Aurifaber 
4. d. 18, IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6341 Sp. 269 ff. (politische 
Räte, 270); cf. Sp. 274. Bericht von Melanchthon an Kurfürst August 
d. d. 2. X. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6364 Sp. 320; an Philipp 
von Hessen d, d. 4. X. 1557. Corpus Ref. IX, Sp. 6367 Sp. 325; 
cf. Sp. 453. Melanchthon an Joachim von Anhalt 6, IX. 57: „Legati 
principum omnes consentientes mea responsione contenti, hortati sunt 
accusatores, ut privatas contentiones ommitterent et ad delibera- 
tionem communem de refutandis adversariis procederent.^ Corpus 
Ref. IX Nr. 6338 Sp. 260. Sp. 268: ,Obstant etiam politici, qui magis 
de retinenda auctoritate et antecellentia quam de asserenda puritate 
doctrinae dimicant.^ Sp. 269: „legati omnes censuerunt nunc differen- 
das esse eas condemnationes.“ Zum 5, IX. s. vor allem Wolf 
S. 89, 90. Verhandlungen am 11. Sept: Bericht des Viktorin Strigel 
an J. Friedrich d. d. 14. IX. 1557. Wolf S. 848 (pol. Rüte, 3413). 
Bericht des Sarcerius s. B. Fr. Hummel, epist. hist, eccles, Saeculo XVI 
scriptorum semicenturia. Halae 1778. S. 42; cf. Wolf S. 92. Ver- 
handlungen über die Übergabe einer Protestation s. Bericht von 
Schnepf, Strigel u. Stößel an J. Friedrich vom 25. IX. 1557. Wolf 
S. 352 f. (Auditorn besonders erwähnt.) of. Ernst S. 422, 449. Wolf 
S. 95. Verhandlung vom 22. IX. 1557: 8. Wolf 358. (Auditorn 358f.) 
s. Bucholtz S. 890; Wolf 96. Corpus Ref. IX, 402. Verhand- 
lungen der ev. Assessoren, Auditoren, Theologen 23., 24. IX.: Wolf 
S. 355, 98. 

7) Antwort des Julius von Pflug den Assessoren und Auditoren 
gegeben wegen der Weimarer A. R. A. 26, 237 gedruckt Fr. Forner, 
historia hactenus sepulta Colloquii Wormatiensis. Ingolstadt 1624, 
S. 66. Copia D. Chr. G. Neudecker, Neue Beiträge zur Geschichte 
der Reformation, Leipzig 1811, I S. 141. Beilage 1; cf. Wolf S. 99; 
Heppe I, 203; Bucholtz S. 390. Gemeinsames Auftreten in der 
7. Sitzung s. Heppe I, 207 Beilage S. 32. Bittschrift der ev. Au- 
ditoren und Adjunkten um Fortsetzung des Gesprächs. Brand. Reichs- 
tagsakta Nr. 39, Ansb. Rel. Akta 26 Fol. 273 f. (unterschrieben von 
W. Eisen d. d. 25. XI. 1557) gedr. Forner S. 141. Copia T. cf. 
Salig III, 8831; Heppe I, 220; Neudecker S. 155. Protestation 
der Auditoren gegen die Auflösung des Gesprüches d. d. 30. XI. 1557. 
Brand. Reichstagsakta 89, A. R. A. 26, 275, gedr. Forner Beilage Z 
5.153. Heppe I, Beilagen Nr. 16 S. 46 ff. (unterschrieben von Eisen); 
cf. Heppe I, 222; Salig III, 332. 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 2. 8 


114 34 


mihi pergrata tua consuetudo in urbe Vangionum. Nam et 
consilio et animi candore et vero dolorum societate nobis 
molestias leniebas. Quare amicitiam inter nos perpetuam 
esse volo, qua etiam in coelesti fruemur“ ). Man kann aus 
diesen Worten doch entnehmen, daß beide Männer in Worms 
einander näher gekommen sind. Nach der Suspension des 
Gesprächs wollte Eisen über Heidelberg nach Hause reiten. 
Hier lud ihn der Marschall und zweibrückische Hofmeister 
an den Hof; Melanchthon teilte ihm mit, daß das Gespräch 
nieht mehr lange dauern würde, und bewog ihn, mit ihm 
wieder nach Worms zu ziehen?). 

Werner Eisen berichtete wenig über die Verhandlungen 
nach Ansbach; er hielt sich an den am Beginn des Gesprächs 
abgelegten Eid. In einem Brief vom 10. September 1557 
drückte er sein Erstaunen aus, daß er bei seinem Eintreffen 
so wenig evangelische Stände angetroffen hätte, obwohl man 
doch vor dem Kolloquium bätte einig werden sollen; nur 
kurz erwähnt er, daß alle Theologen im Beisein der Assessoren 
und Auditoren in einem Privatkonvent sich zur Augsburgischen 
Konfession, Apologie und Schmalkaldischen Artikeln bekannt 
und alles, was denselbigen zuwider wäre, verworfen hätten“). 
Etwas mehr macht er seinem Herzen in einem weiteren 
Briefe vom 25. Oktober aus Heidelberg Luft. Zu Anfang 
des Kolloquiums sei es zu halsstarrigen theologischen Kämpfen 
gekommen; die kursächsischen, brandenburgischen, pfälzischen 
und württembergischen Theologen hätten aus viel christlichen; 
erheblichen und billigen Ursachen die namentliche Ver- 
dammung, wie sie die Weimarer wünschten, nicht bewilligen 
können, weil sie die von diesen verurteilte Lehre gar nicht 
kennen. Trotz aller Bemühungen der Assessoren und Auditoren 
haben sie sich von ihrem unzeitigen, mutwilligen Vornehmen 
nieht abbringen lassen; sie wollten allein heilig sein und 
nicht sündigen. Als sie ihren Privataffekt publice und praesentes 
nicht haben vollbringen können, hätten sie dem Präsidenten 
einen Brief übergeben mit der Bitte, ihn erst nach ihrer 


!) Corpus Ref, IX Nr. 6525, Sp. 547. 

2) Bericht Werner Eisens d. d. Heidelberg 25. X. 1557. A. R. A. 
26, 208, gedruckt als Beilage III. 

) d. d. Fr. n. Nat. Mariae 1557. A. R. A, 26, 196. 


35 115 


Abreise zu veröffentlichen. Als die Katholiken als der 
Jenensium procuratores und patroni ihn den Notaren über- 
gaben, seien sie hinausgegangen, weil die ganze Sache nicht 
zum Kolloquium gehöre. Als diese nun das Kolloquium 
abktindigten, habe man deutsch mit ihnen geredet; all ihr 
Beginnen sei darauf gerichtet, das Licht zu scheuen. Philipp 
Melanchthon erklärte: „si vultis habere condemnationes nunc a 
vobis incipere volumus et condemnamus vestram diabolicam et 
idolatricam doctrinam, sed saltem fugitis lucem et miras nobis 
a principio struxistis insidias et insuper quoque falsa erimina 
affingitis^ ). : 

Wer aber hatte wohl den meisten Einfluß auf ihn? 
GewiD, sein Begleiter M. Georg Karg. Der war wohl ein 
selbständiger Kopf und mochte manche theologische Meinung 
der anderen nieht teilen; aber er erkannte das Gebot der 
Stunde und hielt unverrückt zusammen mit den andern 
Theologen. In den langen Versammlungen mit den Weimarern 
war er immer auf der Seite der Wittenberger zu finden?); 


1) d, d. Heidelberg 25. X. 1557. A. R. A. 26, 203. 

3) Verhandlung am 5. IX, 1557 s. Bericht der Weimarer an 
Joh. Friedrich vom 6. IX. 1557. Wolf S. 330 ff. (Theologen S. 831, 
332 f., 334); cf. den Bericht derselben vom 8. IX: Inter Theologos 
neminem babemus nostrae sententiae suffragatorem . . . Corpus 
Ref. IX Sp. 263 Nr, 6336 und In genere sentiebant omnes alii 
condemnandos errores, Corpus Ref. IX Sp. 264 Nr. 6337; Bericht 
Aurifabers vom 13. IX. 1557 Nr. 6341 Sp. 270; Corpus Ref. IX 
Sp. 274, 323, 807 (Bericht Aurifabers) Wolf S. 89f. 

Verhandlung am 9. 1X. 1557, s. Bericht Strigels an J. Friedrich 
d. d. 14. IX. 1557; Wolf S. 838 f. (Theologen S. 339, 311), 92. 

Verhandlung vom 11. IX. 1557 s. Wolf S. 343 ff., 92. 16. IX. 1557, 
Wolf S. 76 oben. 

Verhandlung vom 21., 22. IX. 1557 s. Bericht der Weimarer 
an J. Friedrich d, d. 25. IX. 1557. Wolf S. 352 ff. (Theologen 353); 
cf. 858: Sane Philippus Melanchthon cupidus congressus, quique nihil 
impedimenti aut morae inferri vellet susceptis actionibus, non repug- 
naverat contra postulata damnationum atque has adeo coeperat agitare. 
Sed sociis atque collegis magnopere reclamantibus ab hoc consilo 
destitit. Jo. Camerarii de vita Philippi Melanehthonis narratio ed 
G. Th. Strobel, Halae 1777, S. 847. Artikel der Kollokutoren bei 
Heppe I Beilage X, S. 27; cf. Hummel S. 42f. Wolf S. 96. Cor- 
pus Ref. IX, Sp. 313. Salig III, 313. 

Verhandlungen am 23., 24. IX. 1557. Wolf S. 355. Salig IIT, 314. 

gF 


116 | 36 


ebenso stellte er seinen Mann, als die Bemühungen der Katho- 
liken, das Gespräch zu hintertreiben, immer offensichtlicher 
wurden!); unter den von den evangelischen Theologen in 
dieser Zeit verabfaßten Protestationen?) findet sich sein 
Name ebenso wie in derDruckschrift, wodurch dieevangelischen- 
Theologen auch der Öffentlichkeit gegenuber sich tiber den 
schlimmen Ausgang des Wormser Gespräches rechtfertigten 
und zugleich ihre Einigkeit beweisen wollten®). Karg erfreute 


1) Bittschrift sämtlicher ev. Theologen um Fortsetzung des Ge- 
sprächs vom 28. IX. 1557. Heppe I, 200. — Sitzung vom 6. X, 1557. 
Heppe I, 207. Beilagen S. 32 — Beratung vom 18. X. Heppe I, 210. 
Bucholtz 891; Neudecker S. 146; Salig III, 825. 

2) Protestation vom 21. X. 1557. Brand. Reichstagsakta 39. 
bei Forner S. 108, Copia N. Corpus Ref. IX Sp. 349 ff. Nr. 6384. 
Joach. Camerarii de vita Philippi Melanchthonis narratio ed. G. Th. 
Strobel, Halle 1777, S. 470; cf. Wolf S. 106; Salig III, 326; vom 
1. XII. 1557, A. R A. 26, 277 f. Überschrift: „Consensus“. Bayr. 
Reichstagsakta 89. Forner S. 151, Copia Y. Corpus Ref. IX. 
Nr. 6414 A p. 386. G. Th. Strobel S, 472; eine andre Form Corpus 
Ref. IX Nr. 6114 B Sp. 888. Heppe I, Beilagen S. 43, Nr. XV. 
Strobel S. 470. Salig III, 332 f., cf. Bucholtz S. 395. Ernst 
S. 464. Wolf 387, 

5) Von den Drucken verzeichnet die Strobelsche Bibliothek: 
Seriptum |; Collocuto- | rum Augustanae Con- || fessionis, qui in urbe Van- 
gionum || fuerunt, donec adversarii colloquium || abruperunt, Anno || 1557. |, 
Norimbergae, || Apad Joannem Montanum, et | Ulricum Neuberum. 
49, 8 8., letztes Blatt weiß, Stadtb. Nürnbg. Bibl. Strob. 1890, Scrip- 
tum || Collocutorum Au-||gustanae Confessio- || nis, qui in urbe Vangio- 
num fuer- unt, donec adversarii colloquiü | abruperunt, An- | no 1557. 
Francofurti Apud || Petrum Bru-||bachium. 4°, 8 S. Die zwei letzten 
weiß. Stadtbibl. Nürnberg. Bibl. Strobel 1408. Abſchied || Der ge: 
fanbten Aug: ||fpursifchen Confeſſion] jum | Gol:]|loquto inn Wormbs 
welche fo || lang alba verharret | biß bie || Widerfacher nicht haben || wenter 
darinn Pro: ||cediren möllen. ||| Anno || MDLVII. || 4°, 8 S. Die letzte 
weiß; ibidem 1409, ist die bei Forner S. 151. Corpus Ref. IX 6414 A 
n. Melchior Goldast, Politische Reichshündel. Frankfurt a. M. 1614. 
S. 743 gedruckte Erklärung. cf. J. Hartmann u. K. Jäger, Johann 
zrenz II. Hamburg 1842, S. 535. Th. Pressel, anecdota Brentiana, 
Tübingen 1868, S. 443. Corpus Ref. IX, 456, 396, 423, 432. 9 
Nr. 6417, 6418, 6434, 6437, 6154, 6168. Die Schrift der Evangelischen 
greift Staphylus in zwei Flugschriften an, wobei er sie vollständig ab- 
druckt: Scriptum colloquutorum augustanae confessionis, qui in urbe 
vangionum fuerunt, donec adversarii colloquium diruperunt, Anno MDLVII 
cum oppositis annotationibus, quae causam alterius partis declarant. 


37 117 


sich einer besonderen Wertschätzung unter den übrigen 
evangelischen Theologen; von allen evangelischen Kollokutoreu 
kam neben Melanchthon eigentlich nur er zu Wort; ihm Über- 
trug dieser den Vortrag von verschiedenen Gegenerklärungen 
in der 4. und 5. Sitzung). Er hatte gerade am Beginn des 
Gesprächs Gelegenheit gehabt, Karg näher kennen zu lernen. 
Nicht ohne Absicht hatte man die Entscheidung der zwischen 
ibm und dem Stiftsprediger Peter Ketzmann obwaltenden 
Streitfrage: „ob der Leib Christi in den Bauch gehe“ bis 
zu einer persönlichen Aussprache mit ihm verschoben. Ge- 
rade aber diese Unterredung scheint Melanchthon auf ihn 
besonders aufmerksam gemacht zu haben?) An ibn wandte 


ut ex hac collatione veritas intelligatur et ab aequis lectoribus judice- 
tur (MDLVIIT). (Hier auch die Unterschriften der prot. Theologen, 
darunter Karg) u. Historia et apologia utriusque partis eatholicae et 
confeßionariae de dissolutione colloquii nuper Wormatiae instituti ad 
omnes catholicae fidei protectores. Nissae 1558, abgedruckt in 
Fr. Staphyli, in causa religiones sparsim editi libri in unum volumen 
digesti Ingolstadt 1618, S. 182 ff. u. 198ff. Dr. Johann a Via 
schreibt darauf in seiner Schrift: Wathafte und Be: || ftendige Antwort 
auff den unge: gruͤndten Abſchied der Gonfeffioniften | dDarinne angezeigt 
wirt das nit bie Ca- tholiſchen beflagten | fondern die Gon: || feffioniften 
Ankleger ſelbſt urfach find || an zertrennung diſes zú Wormbs || Anno 1557. 
gehaltenes || Colloquii Aiijb: „Und soll mir nit unbillich argwönig sein 
das unbewert schreiben, deren etliche selbst hieran schuldig seind als 
Philippus, Brentius, Marbachius, Pistorius, Kargius und Rungius: et- 
liche aber gar nicht wissen, was sie zeugen als Aulberus und Dillerius, 
dann je keyner nie in das colloquium komen ist. (Bibl. Strobel 1415.) 

1) 15. IX. 1557, s. G. Forner S. 81. Heppe I, 183. Buch- 
oltz 373. O. Braunsberger, Petri Canisii epistulae et acta. Frei- 
burg 1898, II, S. 795; Brand. Reichstagsakta 39; 16. IX. 1557, 
Brauns berger 796. Forner S. 43, Heppe I, S. 188. Bucholtz 
S. 375. Salig III. 306, 809, Band. Reichstagsakta. 39. 

2) Gorg Friedrich an die Universität in Wittenberg, d. d. 
10. VI. 1557. A. R. A. 98. Fasc. I. Pr. 1. Urteil der Theologen 
Melanchthon, Brenz, Andreä, Marbach, Pistorius, Andreä, Rungius, 
Diller, d. d. Worms 14. IX. 1557. Pr. 10!/, Beilage (geschrieben von 
Eber) gedruckt Corpus Ref. IX Sp. 277 Nr. 6844 B. Schreiben 
der Theologen an Markgraf Georg Friedrich d. d. 14. IX. 1557, 
ibidem Pr. 10, gedr. ibidem Sp. 275 Nr. 6343 (geschrieben von Eber). 
Spezialbedenken von Melanchthon und Brenz s. e. d. Corpus Ref. IX. 
Sp. 276 f. Nr. 6344 A; cf. Melanchthon an Kurfürst August d. d. 
19. X. 1557. Corpus Ref. IX Sp. 344 Nr. 6380 u. Nr. 6408 Sp. 378. 
Gg. Wilke, Georg Karg sein Katechismus und doppelter Lehrstreit. 


118 38 


er sich, als es galt, am 26. September 1557 den 15. p. Trin. 
für den Wormser Pfarrer M. Nic. Pulz zu predigen; er hatte 
bei Brenz u. a. umsonst darum gebeten; sie waren erztirnt, 
daß die Weimarer zuerst die Kanzel in Beschlag genommen 
hatten!). Der aus der Markgrafschaft stammende Paul Eber, 
der als Notar in Worms weilte, wird wohl auch sein Teil 
dazu beigetragen haben, die beiden einander näher zu 
bringen“). Während des Wormser Gesprächs gab es noch 
manche andere Angelegenheiten für die Theologen; auch da 
findet er sich immer an ihrer Seite. Die Erklärung gegen 
Schwenkfeld®) und die Wiedertüufer*) hat er ebenso unter- 


Scheinfeld 1904, S, 56 ff. Salig III, 303. 1. XI. 1559 schreibt Melanch- 
thon an Kurfürst Friedrich: Cum Wormaciae essemus ante biennium, 
quaestio ad nos mittebatur ex aula quadem: An corpus Christi 
descendat in ventrem? Talibus prodigiosis quaestionibus rejectis utilius 
est retineri formam verborum Pauli et de fructu recte doceri homines. 
Corpus Ref. IX Sp. 962; cf. 31. VII. 1559 an Joh. Morenberg: 
Zu Worms vor zwei Jahren ward uns eine Frage gesandt von den Vätern 
zu Ansbach: ob der Leib Christi auch in den Bauch gehe? Dagegen 
wir ein ernstlich decretum gemacht. Corpus Ref. IX Sp. 849 Nr. 6791. 
C. Mönckeberg, J. Westphal u. J. Calvin. Hamburg 1865, S. 107. 
J. Hartmann u. Karl Jüger, Johann Brenz. Hamburg 1812, II, 371. 
` Rud. Hospinianus, Historiae sacramentariae pars altera. Tiguri 1602, 
Fol. 252, Die Akten im Band 28 der Ansb, Rel. Akten sind wohl 
die ,interessanten Akten über Abendmahlsstreitigkeiten im Ansbach- 
ischen^, auf die in der ,Historischen Zeitschrift XIX" (1868 München) 
S. 308, von ,K" verwiesen wurde. 

1) d. d. 25. IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6385 Sp. 355. 
Beiträge zur bayr. Kirchengesch, IX, 143; cf. Blätter für württemb. 
Kirchengeschichte IV, 47f. Corpus Ref. IX Sp. 272, 274. Salig III 
S. 340. 

*) Eber schreibt an den Markgrafen G.Fr.: er habe mit G. Karg 
alte gute Kundschaft, liebe und ehre ihn auch billig wegen seiner hohen 
Gaben und Tugenden. 24 XII. 1563. A. R. A. 28, 184. Wilke S. 27 
Beilage. 

3) Gedruckt d. d. 4. X, 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6368, 
Sp. 8283 ff. G. Chr. Neudecker, neue Beiträge I S, 141 Nr. 60; 
ef. Heppe I, 224. Salig III, 334. 

) Prozeß | wie es foll | gehalten werden mit ben | Widertaͤuffern |. 
Getruckt zu Wormbs durch] Paulum und Philippum Köpflein | Gebrüber. | 
Lie. W. Köhler, Bibliographia Brentiana. Berlin 1904, S. 154 
Nr. 338, Heppe I, 226. Salig III, 336f. Corpus Ref. IX, Sp. 521, 
Nr. 6501 (auf Veranlassung des Kurfürsten von der Pfalz). 


39 m 119 


schrieben wie die Bittschrift für die bedrüngten französischen 
Protestanten!) Nur auf die Vorschläge des Kurfürsten von 
der Pfalz und des Herzogs von Württemberg, schon jetzt 
Beschlüsse tiber eine Synode unter allen Evangelischen 


Ständen zu fassen, konnte er mit keiner definitiven Zusage 
antworten; er mußte erst Instruktion von Ansbach einholen“). 
Wenn Melanchthon eines in den schweren Tagen des Wormser 
Gesprächs tröstete, so war es die treue Ergebenheit seiner 
Kollegen. Nunc inter nostros collegas non solum dissensio 
nulla, sed etiam duleis consuetudo est konnte er am 16. Sep- 
tember 1557 an Camerarius schreiben’); das gilt aber auch 
in bezug auf Karg. Noch am 15. August 1558 bat er ihn 


) Schrift der französischen Gesandten an die ev. Theologen 
8. X. 1557, gedr. Rud. Hospinianus, Historiae sacramentariae pars altera. 
Tiguri 1602, Fol. 252. Corpus Ref. IX Nr. 6374 Sp. 332 f. Schrift der 
Theologen an Ottheinrich u. Wolfgang von der Pfalz, Christoph von 
Württemberg und Philipp von Hessen. Grundliche Warhafftige Historia 
von der Augsburgischen Confession, Leipzig 1584, Fol. 392. Grund- 

. liche Warhaftige Historia von der Augsburgischen Confession. Magde- 
burg 1584, p. 277b f. Corpus Ref. IX Nr. 6375 Sp. 334 u. 44, 662. 
Neudecker I, S. 148 Nr. 61; cf. Hummel S. 28 (Eber an Bugen- 
hagen 8. X, 1557). Ernst S. 434 A. 5. Corpus Ref. IX, Sp. 330, 
945. Sattler S. 120 S 70. C. Schmidt, Philipp Melanchthon 
S. 615 ff. Elberfeld 1861. Salig III, 320f. Joach. Camerarii de 
vita Philippi Melanchthonis narratio ed. G. Th. Strobel. Hallae 1777, 
S. 169. 

3) Beratung ain 1. XI. 1557 s. Joh. Pistorius und Fr. v. d. Tann an 
Philipp. Neudecker I, S. 148 Nr. 68. Kugler II, 63. Beratung 
am 9. XI. 1557 s. Fr. v. d. Tann an Philipp Ch. G. Neudecker, 
Urkunden aus der Reformationazeit. Kassel 1836, S. 808. Spätere 
Beratungen s. Fr. v. d. Tann u. Joh. Pistorius an Philipp 31. XI. 1557. 
Neudecker, neue Beiträge S. 151 ff. Nr. 64. Kugler II S. 78 f. 
Wolf S. 110 fl. Ernst S. 432 Anm. 4. 

. » Corpus Ref. IX Nr. 6846 Sp. 282; cf. am 30. IX. au 
P. Vincentius: Dei beneficio inter nostros collegas concordia erat. 
Sp. 805 Nr. 6857; am 15. XI. 1557 an Chr. Mordeisen: Inter collegas, 
«qui adsunt, si procedet doctrinae collatio, spero pium consensum fore. 
Corpus Ref. IX Sp. 874 Nr. 6401; am 1. II. 1558 an Paul von 
Eizen: gratam vobis fuisse editionem pagellae de consensu eorum, 
qui in urbe Vangionum nomina sua addideriat, gaudeo, quae quidem 

` bono consilio ab iis scripta et edita est, qui et sententiis et voluntatibus 
conjuncti sunt. Corpus Ref. IX Sp. 489 Nr. 6454. 


120 | 40 


um sein Urteil über die Streitschriften des Staphylus und 
Sehwenkfeld !). 

Bedeutungsvoll wurde die Wormser Tagung für Karg 
vor allem dadurch, daß sie ihm einen tiefen Einblick in die 
zwischen den Theologen herrschenden Meinungsverschieden- 
heiten gewährte). Auch ktünftighin wirkte er für Einig- 
keit unter ihnen; an dem Streit zwischen Philippisten und: 
Gnesiolutheranern hat er sich kaum beteiligt; aber ein ge- 
wisser resignierter Zng ist bei ihm unverkennbar; er glaubt 
nicht, daß es so leicht eine Einigkeit im evangelischen Lager 
geben würde. Gleich das nächste Jahr sollte das deutlich 
erkennen lassen. 

Der Ausgang des Wormser Gesprächs bedeutete eine 
Niederlage für den Protestantismus. Weithin war man des- 
wegen in evangelischen Kreisen von der Notwendigkeit über- 
zeugt, daß etwas unternommen werden müßte, um diesem, 
ungünstigen Eindruck zu begeguen. Die Gedanken Christophs 
von Württembergs fanden eine bessere Aufnahme als früher. 
Gelegentlich der Kaiserkrönung Ferdinand I. berieten sich 
August von Sachsen, Joachim lI. von Brandenburg und Ott- 
heinrich von der Pfalz mit ihm und Pfalzgraf Wolfgang zu 
Frankfurt. Sie erklärten, bei der augsburgischen Konfession 

1) Corpus Ref. IX Nr. 6575 Sp. 593. Responsio || Ad Crimi- 
nationes | Staphyli et Avii || edita || A Philippo Melan- || thone. || Wite- 
bergae || 1558. | Strobel. Mel. 1411 mit eigenhündiger Widmung Me- 
lanchthons: Clariss. viro Hieronymo Bomgartnero. Et ipsi (defensores 
Aug. Conf) inter se cum priore necessitudine confirmata, tum nova 
societate inita domum suam quisque reversi fuerunt. Camerarius 
. 353. 

) Karg nahm auch an dem Konvent teil, in dem Brenz den 
Ausführungen Melanchthons über Osiander nicht zustimmte. S. Corpus 
Ref. IX Nr. 6437 Sp. 432; cf. 411. Wolf S. 113 f. Chr. G. Neu- 
decker S, 152. A. Heidenhain, Die Unionspolitik Landgraf Philipps 
von Hessen 1557 — 1562. Halle 1890, S. 23. Ernst IV S. 456. In, 
der Instruktion f. Gg. Krackau heißt es: „Wir wollen aber nicht 
zweifeln, seine L. wurde das mit uns und andern Chur- und fursten 
einig sein, weil wir berichtet, daß seiner L. theologi die lateinische 
Artikel von Philippo Melanchthon jtzt auf gehaltenen Tage zu Worms 
gestalt, so mit diesem deutschen in der substanz ganz und gar uber- 
einstimmeten, zu unterschreiben und von S. L. wegen anzunemen kein 
bedenken gehabt." A. R. A. 26, Fol. 858. Die Artikel zu Worms. 
Corpus Ref, IX, 365 ff. Nr. 5399. Ernst 464. 


41 | 121 


und Apologie beständig bleiben zu wollen; in bezug auf 
die streitig gewordenen Punkte: Rechtfertigung, gute Werke, 
heiliges Abendmahl, Mitteldinge schlossen sie sich an eine 
von Melanchthon verfaßte gemäßigte Erklärung an; auch: 
einigten sie sich, Vorkehrungen gegen neue Streitigkeiten: 
zu treffen und nahmen die Unterzeichnung durch weitere 
evangelische Stände in Aussicht (18. März 1558) ). 

Kurfürst August übernahm es, Georg Friedrich zum Bei- 
tritt „zum Frankfurter Rezeß“ zu veranlassen?) Entweder 
bestand noch die alte Mißstimmung zwischen den Höfen zu 
Ansbach und Stuttgart, oder Sachsen wollte auf den jungen 
Markgrafen Einfluß gewinnen, um Christophs Plänen auch 
in Stiddeutschland ein Gegengewicht bieten zu können. 
Denn trotz der Frankfurter Abmachungen bestand zwischen. 
ihnen beiden immer ein mehr oder weniger offen zutage 
tretender Gegensatz. Offenbar aber wollte er abwarten, ob 
es diesmal gelingen würde, Johann Friedrich von Weimar 
zum Anschluß zu bewegen und verschob deshalb die Ver- 
handlungen mit seinem Neffen ). 

Johann Fr. zögerte aber nicht lange, die Bemühungen der 
Majorität der evangelischen Stände zu durchkreuzen; er 
faßte selbst die Berufung einer großen Anzahl evangelischer 
Stände nach Magdeburg auf den 16. Mai 1558 ins Auge, um eine 
neue Bekenntnisschrift auf Grund der Augsburger Konfession, 
der Apologie und der Schmalkaldischen Artikel nebst einer 
Konfutation der vorhandenen Sekten und Irrlehren zu ver- 
fassen. Auch Georg Friedrich wurde von ihm am 3. April 
1558 aufgefordert, seihe Theologen auf diesen Tag mitzu- 


) Frankfurter Rezeß. Ansb. Rel. Akta 26, 279 ff. u. 301 ff., 
gedr. z. B. Corpus Ref. IX Sp. 489 ff, 6483. Sattler, Beilagen 
S. 129 ff. Nr. 44; cf. auch die Ausführungen W. Maurenbrechers 
in Historische Zeitschrift. München u. Leipzig 1883. 50 S. 55f. 

1) Corpus Ref. IX Sp. 505 Nr. 6483. Heppe I, 276. 
Salig III, 868. 

*) In den Jahren 1557 u. 1558 finden sich nur wenige Spuren 
einer Korrespondenz zwischen Christoph von Württemberg und Georg 
Friedrich. 9. XII. 1557 ersucht letzterer um Rat, ob er die Türken- 
hilfe bezablen soll; Ernst IV Nr. 362 S. 455. 1. VIII. 1558 er- 
sucht er Christoph Babinger von Heinrich Widekind in dem Blasen 
der Posaune, Zwergpfeife und anderer Instrumente unterrichten zu. 


122 | 42 


nehmen!) In Ansbach war man in großer Verlegenheit, 
was man tun sollte. Anscheinend hatte man noch gar keine 
genaue Kunde von den Frankfurter Verhandlungen; der Mark- 
graf sowohl als seine Räte fühlten die Tragweite ihrer Ent- 
schlüsse; darum beschloß man nach längerem Zögern, die 
-Obervormünder August von Sachsen, Joachim von Branden- 
burg und Hans von Küstrin um ihren Rat zu ersuchen; man 
‘wies darauf hin, daß der Markgraf sich von den Vormtündern 
und andren Ständen der Augsburgischen Konfession nicht 
trennen wolle (30. April 1558)?. Dem Herzog gab man 
kurz Kenntnis, daß man in so wichtigen Sachen die Kuratoren 
unbedingt zu Hate ziehen müsse (29. 4. 1558). Und als 
dieser unterm 30. April 1558 zwar den Tag zu Magdeburg 
abkündigte, aber um das Gutachten der Ansbacher Theologen 
bat“), verwies man kurz darauf, daß die Obervormtünder 
noch keine Stellung zu ihrem Antrag genommen hätten. 
(6. Mai 15658)". Wenige Tage drauf traf Dr. Georg Krackau, 
den ja die Ansbacher schon von Worms her kannten, mit 
einer Werbung im Auftrage Kursachsens in Ansbach ein. 
Die Mitteilungen Kurfürst Joachim II. über die Bemühungen 
des Herzogs Friedrich einen Tag zu Magdeburg zustande 
zu bringen, über die Zusage, die u. a. auch sein Bruder Hans 
diesem schon gemacht hatte, erregten am sächsischen Hofe 
große Bestürzung. Da die Beziehungen zwischen letzterem 
und dem jungen Markgrafen sich immer enger gestalteten — 
noch im gleichen Jahre ward er sein Schwiegersohn — 
fürehtete man, er könnte diesen zu einem gleichen Vor- 
gehen veranlassen; deshalb beeilte nfan sich, die in Frank- 
furt übernommene Gewinnung desselben zur Unterschrift 
unter den Frankfurter Rezeß nunmehr zur Ausführung zu 


lassen, Nr. 447, 543. Ferner als Gerüchte auftauchten, Georg 
Friedrich wolle gegen Bayern ziehen. W. Götz, Briefe und Akten, 
S. 114 Nr. 81. Anm. 

) d. d. Weimar, Sonntags Palmarum 1558. A. R. A. 26, 3 25 fl.; 
ef. Wolf S. 181, 401. | 

3) d, d. Ansbach A. R. A. 26, 335. 

3) d, d. Ansbach 29. IV. 1558. A. R. A. 96, 329. 

) A. R. A. 26, 331; praesent 4. V. 1558. 

*) A. R. A. 26, 333. 6. V. 1558. Ansbach. 


43 123 


bringen?) Am 17. April erhielt Dr. Georg Krackau seine 
Kredenz zur Werbung in Ansbach?) Inzwischen war man 
allerdings in Ansbach zur Klarheit gekommen; man hatte 
Karg, der von Öttingen, wo er sich an den Beratungen über 
die Ordnung des evangelischen Kirchenwesens beteiligt hatte ), 
heimgekehrt war, um sein Gutdünken ersucht. Trotzdem er 
nan dem Lehrgehalt des Frankfurter Rezesses zustimmen 
zu Sollen glaubte, gab er sich doch nieht der Hoffnung hin, 
daß dadurch die Einigkeit unter den Evangelischen befördert 
würde; er befürchtete vielmehr — wie Melanchthon —, daß 
er nur der Anstoß zu neuer Trennung werden würde, und 
die Punkte zeigte er nun kurz auf, die am ersten dazu An- 
laß geben würden. So gewiß alle in der Ablehnung der 
Lehre Osianders tiber die Rechtfertigung einig wären, so un- 
eins wäre man über den Inhalt seiner Lehre, so uneins, 
ob man ihn verdammen oder die Sache in Güte beilegen 
sollte. Ebenso bestünden etliche auf der Forderung eines 
fórmlichen Widerrufs von Seite des Major; andere hielten 
dies für unnötig, da er ja immer seine Proposition genugend 
erklärt hätte. Im dritten Punkt seien etliche unnötige und tiber- 
flüssige Fragen und ungereimte Meinungen übergangen worden; 
aber gerade sie würden das stärkste Hindernis einer Ver- 
gleichung bilden. Da bezüglich der Adiaphora etliche auf 


1) August von Sachsen an Christoph und Ottheinrich d. d. 
21. IV. 1558, Ernst IV S. 507, 510 Nr. 410; s. Melanchthon an 
Mordeisen 20. IV. 1558: Credo per Marchionem electorem agendum 
esse cum marchione Johanne et cum Anspachensi aut etiam cum duci- 
bus Pomeraniae, ut pro communi salute cogitent, ne majores fiant 
distractiones. Corpus Ref. IX Sp. 527 Nr. 6507; an Hier. Baum- 
gartner 1. V. 1558: proficiscitur legatus ad marchionem vobis vicinum, 
propterea quod oí uedwvaroı oúvoðov nso Óoyuávo» àv vf napds- 
vónņ ovyxoatjoa: o7ztovüáGovos Sp. 538 Nr. 6514; an Karg 10. V. 1558: 
Spero Georgium Cracovium feliciter ad vos pervenisse et opto, ut Deus 
eum honestissimae conjugi suae et nobis omnibus incolumem restituat, 
quem quidem et literas tuas nobis adferre velim. Causam legationis 
deo commendo, quem oro, ut majores distractiones ecclesiarum nostrarum ` 
non sinat fieri, Sp. 515 Nr. 6523. 

*) Kredenz d. d. Dresden 17, IV. 58. A. R. A. 26, 351; cf. 
H. E. Bindseil, Philippi Melanchthonis epistolae, judicia, consilia. 
Halis Sax. 1874, S. 595. 

) Ernst IV, 500. Sattler IV, 123. 


124 44 


einem förmlichen Widerruf der Fürsten und Theologen 
beständen, könnte man nie auf Einigkeit hoffen; es würden 
auch die, welche ihre Unterschrift geben würden, sich nicht. 
von allen Zeremonien, die dem Worte Gottes und der Augs- 
burgischen Konfession ungemäß wären, trennen. Trotz dem 
allen riet er zur Unterschrift des Rezesses mit dem Erbieteu, 
auch in künftiger Zeit für die Einigkeit unter den Evangelischen 
sorgen zu wollen. Er verschloß sich nicht Ger Tatsache, 
daß nur ein besonderes Gespräch der rechte Platz zu einer 
Beratung der vier Punkte sei; aber er hoffte davon wohl 
ebensowenig einen Erfolg, wie von dem Rezeß selbst). 
Seinem Rate folgte man. Nachdem Georg Krackau am 
11. Mai seine Kredenz tibergeben?) und am 12. Mai seinen Auf- 
trag ausgerichtet?) hatte, wurde ihm gleich eröffnet, daB der 
Markgraf dem Ansinnen Sachsens willfahren, den Frankfurter 
RezeB unterschreiben und auch die Nachbarn dazu be- 
wegen werde). 

Nach wenig Tagen trafen auch die Antworten auf das 
Schreiben vom 30. April 1558 ein. August meinte, Georg 
Friedrich werde wohl die allein richtige Antwort, daß er 
sich von den andern Ständen nicht trennen werde, Johann 
Friedrich bei einer erneuten Anfrage zu geben wissen“); 
Joachim riet ihm, sich in keine unnötige Disputation einzu- 
lassen und jede weitere Zusammenkunft als unnötig zu be- 
zeichnen ?). Auch Johann von Küstrins Meinung ließ sich 
damit vereinigen, wenn er auch noch manches an dem 
vierten Punkte des Rezesses auszusetzen hatte“). Sofort setzte 
h original A. R. A. 26, 398 f.; cf. Beilage V. 

*) A. R. A. 26, 851. 

*) Instruktion A. R. A. 26, 853. Werbung 26, 359. 

*) A. R. A. 26, 361; cf. Wolf S. 450, | 

5) d. d, Dresden, 10. v. 1558, praes. 20. V. 1558. A. R. A. 26, 337. 

*) d. d. Köln an der Spree. Fr. n. Cantate 18. V. 1558. A. R. A. 26, 
310, pr. 6. VI. 1558. 

7) d. d. Warmborn. Di. n. Exaudi (24. V. 1558) A. R. A. 26, 
343, pr. 6. VI. 1558. Er sandte G. Friedrich die Frklärung, die er 
am 12. V. Joachim II. wegen des Frankfurter Rezesses gegeben hatte. 
d. d. Warmborn Do. n. Cantate 1558. A. R. A. 26, 345; abg. als 
Beilage VI. Nahm den Frankfurter Rezeß vielleicht erst 1559 zu 


Augsburg auf dem Reichstag an. Ernst IV, 656. Heppe I, 336. 
W olf S, 450. 


45 125 


sich nun Georg Friedrich mit einer Reihe von Ständen des 
fränkischen Kreises ins Benehmen ). Mit den meisten hatten 
schon Christoph von Württemberg oder Ottheinrich von der 
Pfalz Schriften deswegen gewechselt. Etliche, wie Ludwig 
Kasimir zu Hohenlohe’), Konrad von Kastell’), Ludwig von 
Wertheim 5, die Reichsstädte Rothenburg?) und Schweinfurt 9) 
beriefen sich auf ihre früheren Erklärungen; andere wie 
Weißenburg“) a. Nordgau und Windsheim?) übersandten Kopien 
der an Christoph ergangenen Antworten; die beiden Herren 
von Limpurg, Karl und Christoph, erklürten dagegen nur 
kurz noch einmal ihre Willensmeinung?) Alle aber ant- 
worteten zustimmend. Außerdem zeigte sich Friedrich von 
Schwarzenberg gerne bereit, dem Ansinnen Folge zu leisten 
(19. Juni 1558) 0. Dagegen erklärte Wilhelm von Henne- 
berg, er habe schon dureh seine Theologen eine Schrift be- 
raten lassen, in der Hoffnung, in Magdeburg zur Einigung 


1) d, d. Ansbach 7. VI. 1558. A. R. A. 26, 365. 

) d. d. Neuenstein Di. n. Corp. Christi (14. VI.) 1558, pr. 
16. VI, 1558. A. R. A. 26, 870. J. Chr. Wibel, Hohenlohische 
Kyrchen- und Reformationshistorie. Onolzbach 1752. I, 377 IV, 
Codex dipl. S. 107. Ernst IV, 514. 

*) d. d. Castell auf Sonntag den 12. VI. 1558, pr. 24. VI. 
A. R. A. 26, 871, s. Ernst IV, 514. 

*) d, d. Stolberg 18. VII. 1558, pr. 2. VIII. 1558. A. R. A. 26, 
373. Empfangsbestätigung der Befehlshaber zu Wertheim d. d. 
18. VI. 1558. A. R. A. 26, 408. 

5) d. d. Rothenburg 11. VI. 1558, pr. Do. 18. VI. 1558. A. R. A. 26, 
383, s. Ernst IV, 514. 

) d. d. Schweinfurt 18. VI. 1558, pr. 24. VI. 1558. A. R. A. 26, 
391, s. Ernst IV, 514. 

) Weißenburg an Georg Friedrich d. d. 17. VI. 1558, pr. 
18. VIII. 1558; an Christoph d. d. 17. VI. 1558, A. R. A. 26, 388 
u. 389, s. Ernst IV, 514, 522, 

5) An Georg Friedrich d. d. Windsheim 20, VI. 1558, A. R. A. 26, 
387, pr. 22. VI. 1558; an Christoph d. d. 15. VI. 1558. A. R. A. 26, 
385. Ernst IV, 514, 522. Empfangs bestätigung des Schreibens vom 
7. VI. 1558 durch Jacob Endfelder am 11. VI. 1558. A. R. A. 26, 404. 

) Christoph d. d. 23. VI. 1558. A. R. A. 26, 881 (pr. 24. VI.). 
Karl d. d. Speckfeld, 12. au 1558. A. R. A. 26, 879, pr. 24. VI. 1558. 
Ernst IV, 514. 

10) Empfangsbestütigung d. d. Schwarzenberg 12. VI. 1558. 


.A. R. A. 26, 375, pr. 24. VI. Definitive Antwort. A. R. A. 26, 377, 


pr. 26. VI. 1558. 


126 46 


zu kommen und damit die Fürsten zu Frankfurt zur Gentige 
beantworten zu können. Wenn auch dieser Tag nicht statt- 
finde, so glaube er doch, daß sich Johann Friedrich mit 
seinen Theologen einer einhelligen Resolution verglichen 
habe; diese wolle er sofort zusenden (16. Juni 1558)!) Et- 
liche, wie Poppo von Henneberg, Erbach, Rieneck und Eber- 
hard von Hohenlohe antworteten vorerst gar nicht. Eine 
Mahnung vom 18. Oktober 1558?) hatte nur bei Eberhard 
von Hohenlohe einen günstigen Erfolg 5); Erbach *) und Rieneck °) 
hüllten sich auch daraufhin in Stillschweigen; und Poppo von 
Henneberg verwies am 3. November 1558 auf die schon 
lángst erfolgte Antwort seines Vaters und sein eigens schon 
am 2. Juli abgesandtes aber anscheinend verloren gegangenes 
Schreiben, das trotz seiner Kürze genug sagte. Er habe den 
Abschied von Frankfurt erhalten; ebenso eine Sehrift Johann 
Friedrichs; bei der von seinem Vater gegebenen Antwort 
lasse er es bewenden?) Die bis zum 18. Oktober einge- 
laufenen, sämtlich zustimmenden Erklärungen hatte man 
inzwischen August von Sachsen übersendet“). Nur an Nürn- 
berg hatte man sich nicht gewandt; der Differenzen mit 
einem Hauptglied der fränkischen Einigungsverwandten waren 
noch zu viele. 


1) d. d. Masfeld. A. R. A. 26, 367, pr. 24. VI. 1558, s. Ernst IV, 514. 

*) d. d. Onolzbach 18. X, 1558. A. R. A. 26, 396. 

3) d. d. Waldenburg. Sa. n. Martini 12. XI. 1558. A. R. A. 26, 
398, Empfangsbestätigung auf So. n. Corp. Christi durch die hohen- 
lohische Kanzlei 11. VI. 1558. A. R. A. 26, 407 (Bote Kaspar Blum), 
8. Ernst IV, 514. 

) Empfangsbestütigung über das Schreiben vom 7. VI. durch 
den Boten Jakob Endfelder von Seite der Schreibstube zu Erbach auf 
Sonntag, den 19, VI. 1558. A. R. A. 26, 409; auf Mittwoch, den 
19. XI, 1558, Empfangsbestütigung der Schreiberei zu Fürstenau, 407; 
cf. Ernst IV, 657. 

5) Bestütigungen der Rieneckischen Schreiberei vom 17. VI. u. 
7. XI. über den Empfang des Schreibens durch Jacob Endfelder. 
A. R. A. 26, 408 u. 402. 

9) d. d. Ilmenau. Vis. Mariae (2. VII. 1558). A. R. A. 26, 401. 
d. d. Ilmenau Do. n. Omn. Sanct. (3. XI.) 1558. A. R. A. 26, 401, 399. 

) A. R. A. 20, 398. Empfangsbestätigung der kursächsischen 
Kanzlei. Dresden, 10. XI. 1558. A. R. A, 26, 395; s. zu den Beitritts- 
erklärungen Ch. G. Nendecker, Neue Beiträge S. 171 ff, 


Ro 07. 


47 | 127 


Die Bemühungen der markgräflichen Regierung hatten- 
wenig Wert. Vonallen bedeutenderen evangelischen Fürsten kam 
in den nächsten Zeiten nur August von Sachsen immer wieder 
auf den Frankfurter Rezeß zurück. Den Einigungsbestre- 
bungen auf evangelischen Seiten wollte er erst dann näher treten, 
wenn man ihn allseitig unterzeichnet hätte, wenn auch da- 
durch die weitgehenden Pläne Philipps von Hessen und 
Christophs von Württemberg zum Schutz des Protestantismus 
scheitern mußten. Die Besorgnis vor den Weimarer Vettern, 
als ob sie immer darauf sännen, ihm die Kur zu entreißen, 
die Abneigung Melanchthons gegen alle Synoden und Kon- 
vente, die Rücksicht auf das Kaiserhaus, mit dem man. 
möglichst in Frieden leben wollte, waren die Triebfedern. 
dieser Politik. Welche Haltung man dann nun in Ansbach: 
einschlagen würde, war ziemlich klar. Georg Friedrich: 
bedurfte der Unterstützung seiner sächsischen und branden- 
burgischen Verwandten in den Auseinandersetzungen mit 


den fränkischen Einigungsverwandten; die Gunst des Kaisers . 


wollte man auf keinen Fall verscherzen, nicht nur weil es 
zur traditionellen Politik der fränkischen Margrafen gehörte, 
sondern weil man auch in der Regelung der schlesischen 
und fränkischen!) Angelegenheiten auf dessen Entgegen- 
kommen immer angewiesen war. Und die Theologen dachten. 
äbnlich wie Melanchthon. Karg war sicher jedem Aufleben 
von tbeoL Streitigkeiten abgeneigt. Der melanchthonianische: 
Geist mit seiner Abneigung gegen alles Kondemnieren und 
Verketzern war weithin durehgedrungen. Staphylus, ein. 
scharfer Beobachter der zerrütteten Lage des Protestantismus 
schreibt 1561: „aber die Melanthonischen waichling herrschen 
unverborgens in Meißen, im größern thail des Frankenlandes 
und zu Nurnberg“?). Die Supplik der Flacianer um Abhaltung 
einer evangelischen Synode vom Jahre 1559 wurde von keinem 


1) Im Oktober 1558 gelang es Ferdinand, eine Versöhnung 
zwischen den Brandenburgern und den frünkischen Einzugsverwandten. 
anzubabnen. Historische Zeitschrift 50, S. 61. A. Beck, Johann 
Friedrich der Mittlere. Weimar 1858. I, 44. 

) Fr. Staphylus, Christlicher gegenbericht an den Gottseligen 
gemaynen Layen. 1561 ciiijb; Fr. Staphylus, in causa religionis- 
sparsim editi libri in unum volumen digesti. Ingolstadt 1618. S. 889.. 


128 48 


einzigen Geistlichen aus der Markgrafschaft unterschrieben !). 
Vor allem darf aber auch nicht der Einfluß unterschätzt 
werden, den Markgraf Johann von Küstrin immer mehr auf 
seinen Schwiegersohn gewann. 

Der Augsburger Reichstag 1559 sah die Protestauten 
im Unterschied vom Wormser Kolloquium einig; den kur- 
pfülzischen Gesandten gelang es sogar, die herzoglich säch- 
sischen Abgeordneten zum Zusammenhalten mit den andern 
Evangelischen zu bewegen. In den drei großen Angelegen- 
heiten: Beilegung des religiósen Zwiespaltes im Reiche, Auf- 
hebung des geistlichen Vorbehalts, Abstellung ihrer Gravamina 
gingen sie geschlossen vor; wohl gab es manchmal ver- 
schiedene Anschauungen, aber nach außen hin war es nicht 
bemerkbar. Wer war froher als der brandenburgische De- 
putierte, der bewührte Dr. Werner Eisen?); die Ansbacher 
Regierung hatte sich ja seit Jahren angelegen sein lassen, 
für die Einigkeit unter den Protestanten einzutreten. Nur 
wenig trat er infolgedessen hervor. Bei der ersten Versamm- 
lung der evangelischen Stände am 21. März 1559 beteiligte er 
sich nicht; offenbar war er wie Nürnberg bei der Einladung 
vergessen worden®). Dagegen ist uns noch sein Votum in 
-der großen Sitzung vom 25. April 1559 aufgezeichnet. Der 
'württembergische Kanzler Dr. Hi. Gerhard hat notiert: 
„Markgraf Georg Friedrich: Keine Vergleichung mehr zu 
‚suchen; Freistellung weiter zu treiben; Supplikationes und 
Gravamina in den Ausschuß“). Er vertrat also die Ansichten, 
die auch sonst allgemein unter den Evangelischen verbreitet 
waren, daß neue Versuche, den religiösen Zwiespalt im Reiche 
‚auszugleichen unnötig seien, daß aber andrerseits die Lebens- 
interessen des Protestantismus unbedingt die Aufhebung des 


1 W. Preger, Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit. Er- 
langen 1861 II, 87. Salig III, 568 f. Heppe I, 356f. A. Beck, 
.Johann Friedrich der Mittlere. Weimar 1858. J, 3585. 

2) Erwähnt in dem Schreiben der Nürnberger Deputierten vom 
30. V. u. 18. VI. 1559. Nürnb. Reichstagsakta 81. 


) A. Kluckhohn, Briefe Friedrich des Frommen. Braun- 
-chweig 1868, I, 40. Sebald Haller und Jörg Volkemar'an die Herrn 
‚Eltern zu Nürnberg, Nürnb, Reichstagsakta Nr. 31, d, d. 25. IIT. 1559. 


*) Ernst IV, 641. 


49 129 


reservatum ecclesiasticam erforderten. Am 31. Mai erschien 
der Markgraf persönlich in Augsburg, um sich vom Kaiser 
mit seinen Landen belehnen zu lassen ). Schon am 10. Juni 
reiste er wieder heim; so fand er wenig Gelegenheit hervor- 
zutreten*. Doch nahm er gleich am 2. Juni in der Her- 
berge des Herzog Christoph von Württemberg an einer Ver- 
sammlung der evangelischen Stände teil, was sofort die Nürn- 
berger Gesandten nach Hause berichteten®); und für den 
Herzog von Liegnitz, der sich geweigert hatte, bei der Fron- 
leichnamsprozession den Thronhimmel mit zu tragen, legte 
er mit Herzog Christoph und Johann Albrecht von Mecklen- 
burg beim Kaiser Ferdinand I. Fürbitte ein; er hatte wohl 
nicht die „ernstlichen Worte, daß sie nicht nur die ihrigen, 
sondern auch des Kaisers und anderer katholischen Stände Unter- 
tanen zum Abfall von ihrem Glauben verführten“, erwartet‘). 
Nach seiner Abreise führte Dr. Werner Eisen die Geschäfte 
in gewohnter Weise weiter“). Die Einigkeit unter den 
Evangelischen hielt an. Nur als Eberhard von der Tann 
in unkluger Weise gegen die Ernennung des Merseburger 
Bischofs Michael Helding zum Präsidenten des Reichskammer- 
gerichts®) mit den schärfsten Ausdrücken protestierte, konnten 
sich die Evangelischen nicht sogleich einigen. Während 
Kurpfalz ihm möglichst beispringen wollte, verlangte Kur- 
hessen, er solle sich demtütigen und bei den alten Ständen 
entschuldigen; während es aber doch noch eine Fürbitte zu- 
sagte, erklärte Kurbrandenburg, in dieser Sache gar nichts 


) Ernst IV, 662. K. H. Lang, Neuere Geschichte des Fürsten- 
tums Baireuth. Nürnberg 1811. III, 23. Corpus Ref. IX, 1012. 
Salig III, 418. Bericht des Sebald und Joachim Haller und Thomas 
Lóffelholz vom 1. VI. 1559. Nürnberger Reichstagsakta 31. 

2) Bericht von Joachim Haller und Thomas Löffelholz, 10. VI. 1559. 
Nürnberger Reichstagsakta 31. . l 

5) Nürnberger Reichstagsakta 32. (Die Verhandlungen bei 
Wolf 196, Ernst 659, Kluckhohn I, 94.) 

4) Ernst IV, 662, 665. Kugler II, 129. Heidenhain S. 104f. 

5) Erwähnt im Bericht der Nürnberger Gesandteu vom 13. VI. 1559. 
Nürnb. Reichstagsakta 31. 

) Der Katholik. 74. Jahrgang. Mainz 1894. (3. Folge X. Band 
8. 192 f) 

Archiv für Reformationsgeschichte, XVII. 2. 9 


130 90 


handeln zu können: die alten Stände seien seine guten 
Freunde; die Majoritit, darunter auch Dr. Werner Eisen 
und Berthold von Mandelsloe, der Vertreter Johanns von 
Küstrin, stimmten für Kursachsen. Erst als die herzoglich 
sächsischen Gesandten gegen dieses Imstichlassen protestierten, 
gelang es die evangelischen Stände wieder zu einigen). 

Diese Einigkeit der Protestanten war um so erfreulicher, 
als es genug Momente gab, die trennend hätten wirken 
können. Fanden doch auch während des Reichstages manche 
Verhandlungen über die Beilegung der religiösen Zwistig- 
keiten unter den Protestanten selbst statt August von 
Sachsen ließ wiederholt die Unterzeichnung und Publikation 
des Frankfurter Rezesses als der endgültigen Glaubensnorm 
der Evangelischen in Anregung bringen. Es erforderte alle 
Geschicklichkeit des pfälzischen Kurfürsten, um die Ver- 
schiebung dieser Sache bis zum Schlusse des Reichstages 
zu erreichen und damit die Einigkeit unter den Evangelischen 
zu bewahren. Gewiß wurden auch in ihren Kreisen diese 
Fragen lebhaft besprochen. Am 12. Juli wußten die Nürn- 
berger Gesandten nach Hause zu berichten, daß nach dem 
Reichstagschluß die sächsischen Wünsche ins Werk gesetzt 
werden sollten*). Herzog Christoph, der zweimal den Reichs- 
tag besuchte, erkannte bald, wes man sich von Ansbach in 
dieser Sache zu versehen hätte. Der Instruktion für Hans 
Ungnad, der bei Pfalz und Hessen nach dem Schluß des Reichs- 
tages auf die Notwendigkeit einer Zusammenkunft der evange- 
lischen Stände hinzuweisen hatte, fügte er bei dem Schlußsatz: 
„Nota! Dieweil die churfursten Pfalz und Sachsen von wegen 
der jungen Herrn von Saxsen, auch das Pfalz in die publi- 
cation und in truck ausgeen zu lassen, den Frankfortischen 
abschid nit bewilligen wellen, in was misverstand seind, 
das m. gn. herr zu Hessen sich bemubet hette, solches ab- 
zuwenden und beide churfursten in ein christenlich, aufrecht 
vertrauen zu bringen, wie dann pfalzgraf Wolfgang und 
Wurtemberg solches auch mit allen treuen allerseits helfen 
abzustellen und gutes vertrauen zu befordern sich gern be- 


1) Wolf S. 204, Nürnberger Reichstagsakta 82 (26. VI. 1559). 
2) Nürnberger Reichstagsakta 81. 


51 131 


muehen wollen“ eigenhändig bei: „nota dass Saxen und 
Brandenburg, Pommern, Meckelburg, Anhalt, Lunenburg, 
marggraf Hansen, marggraf Jorg Friderichen, Holstein auch 
zu der Zusammenkunft vermocht hetten*!) In Ansbach 
war man gewillt, die Fühlung mit August von Sachsen nicht 
zu verlieren. Beider Politik hatte zuviel Berührungspunkte, 
als daß sie nicht auch in der Religionssache zusammen- 
gehen sollten. 


!) Ernst IV, 698. 


97 


Georg Witzel und Justus Jonas. 
Von Otto Clemen. 


Martin Spahn hat seinem vortrefflichen Buche über 
Johannes Cochläus (Berlin 1898) ein „Verzeichnis der Schriften 
Cochläus’ von 1522 bis 1550“ angefügt. Die einzelnen Schriften 
und Ausgaben sind zwar nicht bibliographisch-genau an- 
geführt; daß das Verzeichnis aber vollständig ist, ergab sich 
mir bei einem Vergleiche der zahlreichen Cochläusdrucke, 
die die Zwickauer Ratsschulbibliothek (Zw. R. S. B.) besitzt; 
alle diese Drucke habe ich dort wiedergefunden!) Neben 
Cochläus steht, an Eifer und Fruchtbarkeit ihm fast gleich- 
kommend, Georg Witzel. „Die Schriften Georg Witzels bib- 
liographisch verarbeitet“ — so ist eine dankenswerte Arbeit 
von Gregor Richter (Fulda 1913) betitelt. Auch hier ergab 
der Vergleich der Zwickauer Witzeldrucke keinerlei Er- 
gänzung?). Die einzige kleine Berichtigung, die ich an den 
beiden Verzeichnissen vorzunehmen habe, besteht in der Ein- 
reihung eines Briefes des Cochläus an Witzel, datiert: 
Dresden 15. August 1534, der Justus Jonas in die Hände 
fiel und alsbald von diesem in Wittenberg herausgegeben 
wurde. Spahn hat den Druck nur einmal im Vorübergehen 
erwähnt (S. 183 Anm. 4), Richter ihn „als eine satirische Ver- 
öffentlichung“ — er scheint den Brief als fingiert anzusehen — 


!) Folgende Cochläusdrucke sind in Zwickau vorhanden: 2. 3. 16. 
28. 86b. 43. 48. 51. 57a. 58a. 59. 61a. 63. 65. 66. 70. 71. 72. 78. 74a 
u. b. 77 (2 Ex.). 82. 83. 84. 86a. 87 (2 Ex). 91 a. 96. 105. 106, 11% 
(2 Ex). 114, 115. 116. 119. 120. 121. 122. 123. 124 a. 127. 129 b. 132. 
185. 147. 148. 151. 159. 158. 155. 157. 159. 162. 163. 183. 189b. 
Köln 1568. 

3) Zwickau besitzt folgende Witzeldrucke: 1 (3 Ex.). 2, 1. 8, 4. 1 
(2 Ex). 5, 1. 6, 1. 7, 1. 11. 12, 1. 16, 5. 18. 19, 1. 23, 2. 24, 1 (2 Ex). 
25,2. 98. 30,1. 86,1. 38. 39, 3. 41 (2 Ex). 49, 1. 54,1. 58. 61,1. 
403. 125. 


53 133 


außerhalb des Verzeichnisses nachgetragen (S. 190 unten). 
Da er für die Biographie der beiden katholischen Polemiker 
recht ergiebig ist, habe ich ihn am Schlusse mit den nótigen 
Erläuterungen aus dem Wittenberger  Originaldrucke !) 
wiederholt, : 

Der Druck versetzt uns mitten hinein in den heftigen 
Streitschriftenwechsel, der zwischen Witzel und Jonas ent- 
brannt war. Wir machen aber am besten schon vorher ein- 
mal Station bei einem gleichfalls bisher wenig beachteten 
Briefe aus jener Fehdezeit, einem Briefe Witzels an Jonas, 
datiert: Erfurt, 25. Juni 1532, den jener unter der Über- 
sehrift Expostulatio de gravissima iniuria hostis Jonae mit 
zwei anderen Beschwerdeschriften im Oktober 1534 von 
Eisleben aus in Leipzig bei Nikolaus Wolrab®) in Druck 
gab?) Jonas kannte Witzel schon von dessen Erfurter 
Studentenzeit her, war ihm später, als Witzel evangelischer 
Pfarrer von Niemeek war*), als Visitator des Kreises Belzig 
entgegengetreten und hatte endlich in Erfurt in persönlicher 


) EPISTOLA | D. COCLEI AD GEORGIVM || Vuicelium ne 
tristetur, propter||abnegatum coniugium sa-||cerdotale, & hactenus || 
frustra expectatos | XXX. argente-||os Judae Is- || carioth. || Cum prae- 
fatione cuiusdam Lutherani || Vittembergae. || 1534 || 12 ff, 4°. 1b weiß. 


Zw. R. S. B. Lz Der Brief des Cochläus erschien dann auch, 


aber ohne das Vor- u. Nachwort, in deutscher Übersetzung: Ein Brieff 
Johan || Coclei, An Georgen Witzel, | Darjan er jn leret vnuerschempt 
sein || offentlich zu liegen, das ist, seinen || bekandten Ehestand zuuer- || 
leucken, Vnd vertróstet|| jn von Prebenden || vnd Judas- || pfennigen. || 
Wittemberg. | 1535. || 4 ff. 49. 1b u. 4b weiß. 4a: Gedrügt zu 


Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. | Zw. R. S. B. 1722, vgl. 


auch Bibliothek I. K. F. Knaake III (Auktionskatalog N. F. 6 von 
Oswald Weigel in Leipzig) Nr. 245. 

| 3) Vgl. über ihn Simon Widmann, Eine Mainzer Presse der Re- 
formationszeit im Dienste der katholischen Literatur, Paderborn 1889, 
S. 54 ff. 


9 Richter S. 20 Nr. 18. Zw. R. S. B. (defekt). Biblio- 


thek Knaake III Nr. 1106. — Die drei Schriftstücke wurden in der- 
selben Reihenfolge wieder abgedruckt im 4. Buche der 1587 gleichfalls bei 
Wolrab erschienenen Epistolae, quae inter aliquot centurias videbantur 
partim profuturae . . . (Richter S. 35 f. Nr. 37 S. 186). 

) CR. II 678. RE?, 21, 402. 


134 54 


Anwesenheit gegen Witzel agitiert, der im Herbst 1531 
Niemeck verlassen, sich, „von lutherischen Pfarren und Sekten 
gänzlich gewendet“, zunächst zwei Jahre in seiner Heimat 
Vacha an der Werra zugebracht hatte und sich nun in Er- 
furt um eine «hebräische Professur bewarb. Über diese 
fortgesetzten Feindseligkeiten beschwert sich nun Witzel in 
unserm Briefe in beweglicher Weise. Warum Jonas ihn, 
den Unschuldigen, unaufhörlich verfolge? Ob er glaube, 
am Ziele all seiner Wünsche zu sein, wenn er ihn (W.) dem 
Untergang preisgegeben hätte? Was habe er (W.) denn 
gegen Jonas und die Seinen verdrochen? Habe er sie auch 
nur mit einem Worte beleidigt? Er (W.) habe Jonas früher 
jahrelang verehrt wegen seiner Gelehrsamkeit, Lauterkeit, 
Hochherzigkeit und Freundlichkeit. Woher der jähe Wechsel? 
Weil er zum Katechismus zurückgekehrt sei? „Cur in me 
unum saevis, cum tot milia ubique sapere incipiant et Ecele- 
siam, quae ipsos sacro lavaero donavit regenuitque, tempestive 
repetant? Nec desunt ex his viri docti, e£ quos nemo queat 
sine pudore incessare. Attraxit me primum in partem vestram 
plausus ille orbis maximus, pellexit praeproperus erudi- 
torum assensus, incitavit novitas, ut plerique natura huius 
cupidine ducimur, perculit Ecclesiae foeda facies, potissimum 
invitavit spes magna omnia fore purius Christiana. Calcar 
ad id ingens erant Erasmi vigiliae, quas qui legerat, is non 
potuit non favere ceptis istis, quantumcunque reclamante 
una portione orbis.“ Während seiner pfarramtlichen Tätig- 
keit in Niemeck habe er unermüdlich und gewissenhaft seine 
Pflicht getan; das könnten ihm seine Pfarrkinder bezeugen 
und ebenso die Schriften, die er den Wittenberger Theologen 
zur Begutachtung zugesandt hätte — es waren zwei Auf- 
sätze, in denen er Reformen auf den verschiedensten Ge- 
bieten beantragt hatte; Melanchthon hatte ihm freundlich 
geantwortet, Jonas überhaupt nicht darauf reagiert. Jetzt 
sei er älter und besonnener und mit den alten Kirchen- 
vätern vertraut geworden, um- und zurückgekehrt, aber nicht 
plötzlich, sondern nach langer und reiflicher Überlegung. 
Damit habe er einfach von seiner Gewissensfreiheit Gebrauch 
gemacht, die er sich nicht verkümmern lasse. „Nam ut dii 
mei non estis, ita nec domini. Imperium vestrum posthac 
non agnosco, quale utinam vobis ipsis non arrogassetis ... 
Vobis me meamque salutem ad quinquennium credidi ut 


55 135 


magistris, non ut satrapis, nune re penitissime cognita re- 
trahor, ut aliis nempe certioribus, solidioribus et fidelioribus 
Magistris in posterum utar, qui magistri, licet non coram 
pareant, reliquerunt tamen nobis pietatis suae nobilia scripta. 
Proinde me satrapia vestra, rogo, ne prematis, quem disci- 
pulum habuistis, non habetis.“ Nun setzt er sich speziell 
mit Jonas auseinander. Dieser habe ihm seine Schrift über 
die guten Werke verübelt, wie ja überhaupt die Witten- 
berger Theologen gegnerische Meinungsäußerungen nicht 
ertragen könnten. „Ad vestras aeditiones totum orbem gaudio 
exilire cupitis, ad aliorum vero aeditiones non item. Vestra 
legi debent, lecta laudari, laudata vorari, defendi, asservari 
ceu e cería tripode. Si quae alius scribit, ea vultis tegi, 
vetatis distrahi, iubetis eiei ceu indigna luce. Et ubi vox 
illa, qua dicere solebatis aequum esse, ut cuiusvis sententia 
audiretur?* Er wisse, daß seine Schrift viele Fromme er- 
baut habe. Wenn sie den Wittenbergern nicht schmecke, 
sollten sie sie mit Gegenschriften, aber nicht mit Gewalt 
bekämpfen. Dann wirft er Jonas seine Erfurter Umtriebe 
vor: „Du wußtest recht wohl, daß ich im Goldenen Lamm 
wohnte. Warum hast du mich da nicht aufgesucht, wenn 
du etwas gegen mich hattest? Das Haus deines Wirts, des 
Predigers Johann Lang, ist dem unsern fast benachbart, und 
das des Johann v. Milwitz — eines Erfurter Patriziers!), 
bei dem Jonas oft zu Gaste gewesen sein muß — von diesem 
nur ein paar Schritt entfernt.“ Schmerzlich entrüstet ist 
Witzel daruber, daß Jonas ihn als Anhänger des Johann 
Campanus (der im Sommer 1529 einige Wochen in Niemeck 
mit ihm zusammengewesen war) und als Antitrinitarier ver- 
dächtigt hatte. „Exclamandi hie loeus est, sed prae doloris 
magnitudine non video, qua voce potissimum exclamem. 
Jona, heu nimium! Heu nimium, Jona! Quae tibi mens, 
quae frons, quae conscientia, Jona, Jona? Hoceine euange- 
lium?  Heecine charitas proximi? Estne illud exemplum 
prineipis euangelistae, quod videlicet eaeteri imitentur? Est 
haec progenies eius doctrinae, quae sola ex deo est, sola 
Christiana?“ Da hätte er ihn doch lieber gleich zum Mame- 


1) Vielleicht ist hier der bei Krause, Helius Eobanus Hessus, 
Gotha 1879, II 159 erwühnte Joh. v. Milwitz gemeint. Vgl. aber 
auch die Stammtafeln der Familie am Schlusse des 30, u. 31. Heftes 
der Mitteilungen des Vereins für die Geschichts- u. Altertumskunde 
von Erfurt. 


136 56 


lueken oder Mohammedaner oder Juden stempeln können! 


Mit allem Nachdruck betont Witzel seine Orthodoxie. ,Scis, 
seis, inquam, ex apologiis meis et ex confessione Beltziana 
mihi nihil rei esse cum Campano, quem ignotum hospitem 
quondam excepi, sed emoriar, si mihi vel unicum iota sua 


de fide aperuerit.“ (Im März 1530 war Witzel ins Schloß 
von Belzig ins Gefängnis abgeführt worden, doch stellte sich 
seine Unschuld bald heraus!) Ihr wollt mit dieser Ver- 
leumdung nur euern Haß an mir auslassen wegen meiner 
Rückkehr zum Katholizismus, den ihr Abfall nennt. „Hoc 


vel inde liquet, quod Luderus ipse, cui secundum hominem 
bene volo, discedentem me rogavit, ut suppetias ferrem contra 
sectas, maxime Campani. Et idem lectis excusatricibus 
literis meis ad ducem Saxoniae illustrissimum satisfactionem 
accepit, praesertim cum verbis quoque sacrilegum errorem 
eoram ipso a me detergerem.“ Ganz aus der Luft gegriffen 
und grundlos sei auch die Beschuldigung, daß er in Erfurt 


Irrlehre und Verwirrung verbreite. „Turbo ego civitatem, 
in qua neque 60ncionor neque profiteor, qui in nullius aedes 
penetro, sed vel in Agno aureo vel in bibliothecis mona- 
ehorum versor, nemini plane obstrepens?* Seitdem Jonas 


ihn hier so verleumdet habe, sei ihm die Stadt zur Hölle 
geworden. Alle belauschen ihn. Die von Jonas gegen ihn 
aufgehetzten Prüdikanten hätten ihn beim Rate verklagt 
und seine Ausweisung verlangt; dieser habe die Sache den 
Universitätstheologen zur Entscheidung überwiesen. Endlich 
erinnert er Jonas an seine Pflicht und Ehre als Prediger 
. des Evangeliums: er solle seinen Haß zurückdämmen und 
aufhören, ihn zu verleumden und zu verfolgen. „Nosti ex 
Daniele mutari tempora et regna; poterit fieri, ut fortunae 
quoque tuae vertantur. Eadem Lutero dieta velim, pro quo 
libens ad Deum oro. Opto vobis bonum et eausae felicem 
exitum. Amicus fuus proximus eerte et caro tua sum velis 
nolis. Vale in Christo servatore, qui tranquillet motus huius 
tempestatis!^ — | 

Wenn wir jetzt die Fortsetzung des Streites zwischen 
Witzel und Jonas in seinen Hauptstadien verfolgen wollen, 
so knüpfen wir am besten an die Stelle in dem eben ana- 
lysierten Briefe Witzels an, wo er die erste Ursache von 
Jonas Haß aufdeckt: ,Seriptam mihi lucubratiunculam de 


1) Vgl. RE? 21, 408. 


57 137 


bonis operibus evulgavit Joannes Crotus, theologiae doctor. 
Hine illae lacrimae!“ Es handelt sich um die Schrift: Pro 
defensione bonorum operum adversus novos evangelistas. 
auctore Agricola [Griechisch: Georg] Phago [aus Vacha], 
Lipsiae, Michael Blum, 1532!) Witzel sagt hier also, daB. 
Crotus Rubianus (der seit Frühjahr 1531 im Dienste des. 
Kardinalerzbischofs Albrecht von Mainz stand und eine: 
Domherrnpfründe in Halle innehatte)?), seine Schrift habe 
drucken und erscheinen lassen. Es ist uns auch noch sein 
Brief an Crotus erhalten, mit dem er diesem das Manuskript zu- 
gesandt hat mit der Bitte: „Si consultum videbitur, Lipsiae excu- - 
sum in publicum emittas, sed emendate?).^ Am 20. Mai 1532 
erhielt Witzel in Erfurt die ersten Druckexemplare aus 
Leipzig!). Jonas antwortete mit einer höhnischen Gegen- 
schrift: Contra tres pagellas Agri. Phagi Georgii Witzel,. 
quibus pene Lutheranismus prostratus et voratus esset, 
J. Jonae responsio, Witebergae, Georg Rhaw, 15329. Am- 
2b. Juni 1532, als Witzel die oben behandelte Epistola ex- 
postulatoria gegen Jonas sehrieb, kannte er diese Gegen-- 
schrift offenbar noch nicht. Auch Ende August war sie 
noch nicht erschienen“). Als Ende November Jonas dem 
Fürsten Georg von Anhalt ein Exemplar sandte), konnte: 


9 Richter S. 6 Nr. 2, 1. Zw. R. S. B. E, 

9) Enders, Luthers Briefwechsel 9, 112°; Walter Brecht, Die 
Verfasser der Epistolae obscurorum virorum, Straßburg 1904, S. 244 ff.. 

5) Epistolae, quae inter aliquot centurias videbantur partim pro- 
futurae . . . fol. S. 1b, zitiert bei Strobel, Beiträge zur Literatur, 
besonders des 16. Jahrhunderts I] 1 (Nürnberg und Altdorf 1786), 
S. 230. — Die Gegner dichteten dann Witzel an, er habe die Ver- 
antwortung für sein „unverschämtes Schandbüchlein^ auf Crotus ab- 
wülzen wollen und habe ,bey etlichen zu Vach mit auffgerichten fingern. 
einen eid gethan, das der obgemelte schmehe vnd schandwort etliche 
vnd ein grosser teil von einem groben hochgelerten [eben Crotus] an 
seinen wissen vnd willen jnn sein büchlein gesetzt sind worden, ehe- 
es denn jnn die Drückerey geschickt sey worden* (Gegenschrift des. 
Hersfelder Pfarrers Balthasar Raida, zitiert W. A. 88, 82°), 

) Enders 9, 207°. 

*) Richter 8. 9 A . Zw. R. S. B. LU 5 

*) Veit Dietrich an Justus Menius, Wittenberg, 31. Aug. 1532: 
„Jonas nescio cur aeditionem sui operis differat“ (Kolde, Analecta. 
Lutherana, Gotha 1883, S. 181). 

7 Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas 1, 187. 


138 58 


sie immer noch als Neuigkeit gelten. Damals weilte Witzel, 
der sich von Erfurt zunächst nach Frankfurt a. M. gewandt 
hatte, wieder in seiner hessischen Heimat Vacha). Hier 
beendete er bereits am 8. November 1532 eine Erwiderung, 
die hinter seinem Rücken, ohne daß er das Manuscript noch- 
mals hätte durchsehen und Korrektur lesen können, Anfang 
des nächsten Jahres im Druck erschien: Confutatio calum- 
niosissimae responsionis Justi Jonae, id est Jodoci Koch, 
una cum assertione bonorum operum per Georgium Vuice- 
lium, 1533, Lipsiae, Nikolaus Faber). Jonas’ Gegenschrift 
tat aber erst jetzt recht ihre Wirkung. Am 21. Dezember 1532 
klagt Witzel in einem Briefe, daß sie, in mehr als 1000 
Exemplaren verbreitet, in aller Ketzer Händen sei. „Veneunt 
passim in Hessia, in Thuringia et ipsum adeo Rhenum tra- 
narunt“ ). Nun aber trat in der Fehde eine mehrmonatliche 
Pause ein. Wohl im August 1533 folgte Witzel einem Rufe 
des im Gegensatz zu seinen Brüdern katholisch gebliebenen 
Grafen Hoyer von Mansfeld als Prediger an die Andreas- 
kirche in Eisleben“). Erst zur Ostermesse erschien wieder 
eine gegen ihn gerichtete — sehr ausführliche und sehr grobe 
— Streitschrift des Jonas: Wilch die rechte Kirche, und da- 
gegen wilch die falsche Kirch ist, christlich Antwort und 
tröstliche Unterricht wider das pharisäisch Gewäsch Georgii 
Witzels, Justus Jonas D., Wittenberg, Georg Rhaw, 1534?) 
Völlig diskreditieren sollte Witzel der Anhang, seine Lebens- 
geschichte bis zu seiner Übersiedelung nach Eisleben, in der 
er in der boshaftesten Weise nicht nur wieder zum Anhünger 
des Campanus und Antitrinitarier, sondern auch zum Zwing- 
lianer und Sakramentschwürmer und vor allem zum Genossen 


) Enders 9, 206*. 
9 Richter S. 9 Nr. 5,1. Zw. R. S. B. 5. Das Exemplar 


-der Fuldaer Landesbibliothek trägt den Vermerk von Witzels Hand: 
„Me nesciente excusus liber, non emendatus.“ 

*) Kawerau 1, 187. l. 

) Enders 9, .358*. 


5) Richter S. 16 Anm. 1. Zw. R. S. B. E s a= 2, Jonas an 


Fürst Georg von Anhalt 9. April 1534: „Contra Vitzelium, hominem lo- 
(uacem et phanaticum, ...proximis nundinis edam germanicum scrip- 
tum de vera et falsa ecclesia^ (Kawerau 1, 205). 


59 139 


des radikalen Jakob Strauß in Eisenach und Münzers und 
zum Bauernaufwiegler gestempelt wird. Die Überschrift 
lautet: „Görg Witzels historia, von glaubwirdigen mir new- 
lich jnn den worten wie volget zugeschrieben“ !). Der 
Eisenacher Superintendent Justus Menius 
hattediese „historia“ schon vor längerer Zeit 
verfaßt; die Wittenberger hatten ihn ver- 
gebens zur Fortsetzung angestachelt?°). Witzel 
erwiderte: „Von der christlichen Kirchen wider Jodocum 
Koch, der sich nennet Justum Jonam, durch Georgium Wice- 
lium, 1534, Leipzig, Nickel Schmidt“). Gleichzeitig aber 
führte Jonas kurz hintereinander zwei Schläge gegen ihn, 
auf die hin er nur ohnmächtig protestieren konnte. 

Der „Ludus Sylvani Hessi in defectionem Georgii Vuicelii 
ad Papistas'*) hat die Reformations- und Literaturhistoriker°) 
schon gelegentlich beschäftigt. Der Verfasser war bisher 
nicht zu ermitteln“). Es ist aber niemand anderes 


7) Abgedruckt bei Strobel a. a. O. S. 213—229. 


) Veit Dietrich an Justus Menius, Wittenberg, 31. Aug. 1532 
(Kolde, Analecta Lutherana S. 181): „...ita vicissim te quoque cupio 
pergere in libello contra Wizelium virum suscepto.“ Derselbe an den- 
selben, 23. Mürz 1583 (ebd. S. 185): ,Contra Wicelii errores nihil tuum 
vidi. Fortasse ad D. Philippum transmisisti,^ Melanchthon an Joh. 
Agricola, 22. Okt, 1583 (CR II 679): ,Duxi scribendum esse ad Justum 
Menium, ut mihi historiam tumultus Strutiani, quem audio magna ex 
parte ortam esse a Wicelio, totam perscribat." Derselbe an Friedrich 
Myconius 12. Mürz 1534 (CR II 709): ,Illud vero molestissimum est, 
quod Menius tantopere rogatus non misit mihi historiam Maustelae. 
Hanc velim te flagitare ab eo et mihi quam primum mittere.^ Sehr 
bald darauf wird Menius sein Manuskript, das er aber nicht weiter 
fortgesetzt hatte, Melanchthon geschickt haben, der es Jonas zum 
Abdruck überlieferte. 

3) Richter S. 16 Nr. 18. 


) Richter S. 20 Anm. 1. Zw. R. S. B. DEN Die Vorrede von 
Jonas ist abgedruckt bei Kawerau 1, 214ff. Nr. 258. 
5 Vgl. : zuletzt Brecht S. 246 Anm. 


©) Kawerau 1, 211* äußert sich noch: „Wer jener Sylvanus 
Hessus war, darüber fehlt, so viel wir wissen, jeder Aufschluß.“ 
2, XXXVIIIf. vermutet er dann, daß Justus Menius, derselbe, der die 
„Ad apologiam Joh, Croti Rubeani responsio! verfaßt hat (vgl. En- 
ders 9, 113°), der Autor sei. Er beruft sich dabei auf den oben vou 


140 60 


als Antonius Corvinus, seit 1529 Pfarrer in Witzen- 
hausen an der Werra’). Das beweist klipp und klar ein 
Brief Melanchthons an ihn, in dem es heißt: „Dialogum legi 
et placet. Sed Croto parcendum est. Etsi non tractatur 
aspere, tamen habeo causam, cur eum magis irritari nolim*?). 
Es gibt aus jener Zeit keinen anderen Dialogus, in dem 
Crotus „etsi non aspere“ mitgenommen wird?) Außerdem 
paßt das Pseudonym Sylvanus Hessus trefflich auf den da- 
maligen Aufenthalts- und Tätigkeitsort Corvins und ist dieser 
als Verfasser einer wenig späteren, stilistisch ganz ver- 
wandten Satire, des „Pasquilli de concilio Mantuano iudicium * 
festgestellt“). 

Das Drama beginnt mit einem Monologe Witzels, in 
dem er seinen Entschluß kundgibt, um zu Berühmtheit, zu 
Ehren und Reichtum zu gelangen, zum Katholizismus zurück- 
zutreten. Er schwankt, wem er sich anschließen solle. Jo- 
hann Fabri? Der ist, in Konstanz zu weit entfernt. Eck? 
Der werde ihn nicht neben sich aufkommen lassen. Bleibt 
Cochläus übrig. Dem will er sich anvertrauen, dem sich 
zu Füßen werfen. Seine Gattin, die herbeieilt, bereitet er 
darauf vor, daß er sie künftig nicht mehr als seine Ehefrau, 
sondern nur noch als seine Konkubine oder Köcbin oder 


uns herangezogenen Brief Veit Dietrichs an Menius vom 81. Aug. 1532. 
Den dort erwähnten libellus contra Wizelium virum haben wir aber 
ja bereits anderwärts untergebracht. 

1) Enders 10, 861. 

3) CR II 621. Vgl. schon W. A. 38, 494*. Der Brief ist un- 
datiert, gehört aber weder ins Jahr 1532, wohin ihn das CR versetzt, 
noch in die ersten Monate des Jahres 1535 (Enders 10, 87°), noch 
ins Jahr 1533 (Paul Tschackert, Briefwechsel des Antonius Corvinus, 
Hannover und Leipzig 1900, S. 7 Nr. 11), sondern in den Oktober 1534, 
in dem der Ludüs Sylvani Hessi erschienen ist. 

3) Geisenhof, Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische 
Kirchengeschichte 5 (1900), 18! bezieht unsre Stelle auf eine andere 
Schrift Corvins, die allerdings gleichfalls in Dialogform abgefaßt ist: 
Quatenus expediat aeditam recens Erasmi de sarcienda Beclesia ratio- 
nem sequi" (vgl. W. A. 38, 273 ER Aber in dieser wird Crotus über- 
haupt nicht erwähnt. 

*) Clemen, Beiträge zur ReformaNonsgeschichte 1, Berlin 1900, 24. 
Tschackert, Neue kirchliche Zeitschrift 3, 213 ff., und: Analecta Cor- 


viniana, Leipzig 1910, 8.26. Zw. R S. BW. 1 


61 141 


Magd ansehen dürfe. Vergebens erinnert sie ihn an ihre 
oft bewiesene Treue und Opferwilligkeit, an ihre Kinder — 
er spottet ihrer Beschwörungen und Wehklagen und redet 
sich mit Sprichwörtern, Zitaten und philosophischen Be- 
trachtungen in eine abgründige Verachtung des weiblichen 
Geschlechts und der Ehe hinein. Im Nu werden wir dann 
nach Leipzig versetzt. Witzel will sich bei dem Buchdrucker 
Nikolaus Faber nach seinen gelehrten Freunden erkundigen. 
Sogleich eröffnet er diesem, daß er „wieder vernünftig ge- 
worden sei“, und erlebt nun die Genugtuung, daß Faber ihn 
daraufhin als den gelehrtesten Mann unter der Sonne begrüßt. 
Witzel frohlockt: „O me foelicem! Vocor nunc doctissimus, 
eui antea nihil praeter haereseos nomen impingebatur. Quos 
isti titulos addent in Lutherum aliquando scribenti! O me 
foelicem! Bene babent principia.“ Faber weist ihn zuerst 
an Crotus, der gerade in Geschäften seines Erzbischofs in 
Leipzig weile. Crotus bereitet ihm aber einen sehr kühlen 
Empfang — als Jurist sei er an den theologischen Streitig- 
keiten wenig interessiert —, warnt ihn vor Überstürzung 
und erinnert ihn daran, daß die Überläufer bei allen Nationen 
übel beleumundet seien. Als dann Cochläus erscheint, bittet 
Witzel diesen sogleich, seine Beichte entgegenzunehmen und 
ihn zu absolvieren. Crotus geht unterdessen hinaus. Dieses 
Zwiegespräch zwischen Witzel und Cochläus ist für den 
Dunkelmännerbriefstiel, in dem die Satire z. T. verfaßt ist, 
so charakteristisch, daß ich es hier einfügen möchte: 


W.: Egregie domine doctor et spiritualis pater, rogo 
dignitatem vestram, quatenus velitis mihi audire confessionem 
eausa Dei. 


C.: Libenter. 


W.: Confiteor Deo omnipotenti et beatae Mariae virgini 
et omnibus sanctis et vobis, egregie domine doctor, quod 
ego miser peceator peccavi nimis in vita mea contra legem 
Dei mei, sanctissimi domini nostri Papae, cogitatione, locu- 
tione, opere etc.; praesertim confiteor, quod fui Lutheranus, 
quod fui cum rusticis, qui volebant omnes sacerdotes et 
monachos mortuos percutere [tot schlagen], quod praedicavi 
contra sanctissimum, quod non invocavi sanctos, quod non 
servavi missam et eanonem, quod non legi horas canonicas, 
quod non habui concubinam, sed uxorem, quod non benedixi 
cineres, palmás, sal, aquam, ignem, fladenses et schinckenses, 


142 62 


sicut solitum est fieri in vigilia paschae, quod etiam saepe 
dixi, quod vellem (cum supportatione) in ista omnia merdare. 
Ideo precor vos, quatenus velitis me absolvere et orare pro 
me misero peccatore, 

C.: Domine Baccalaurie, vos peccastis valde enormiter, 
et si mansissetis apud Lutheranos, finaliter tunc esset pecca- 
tum in spiritum sanctum. Quia humanum est errare, sed 
diabolicum perseverare, propterea, si non vultis plus facere, 
tunc volo vos absolvere et vobis more solito penitentiam 
iniungere. 

W.: Nunquam in aeternum volo plus facere. 

C.: Apostolica igitur potestate, quam mihi Sanctissimus 
in hac parte concessit, absolvo vos in nomine patris et filii 
et spiritus saneti. 

W.: Amen. 

C.: Tamen.in recompensationem peccatorum vestrorum 
et pro debita satisfactione debetis per integrum annum 
sextis feriis induere cilicium et ieiunare in pane ef aqua. 
Et quia vos mei adhuc non potestis celebrare, debetis om- 
nibus septimanis mittere vobis legere [lesen lassen] unam 
missam in honorem S. Bennonis!) quod velit vos praecon- 
servare in posterum ab omnibus erroribus. Etiam debetis 
singulis diebus per unum annum orare tria rosaria ef ora- 
tiones sanctae Brigittae?). Nune surgatis et oretis etiam 
pro me! 

Witzel fühlt sich kórperlich und geistig wunderbar er- 


frischt und dürstet danach, an den Lutheranern sein Mütchen 
zu kühlen. Crotus, der wieder eingetreten ist, fragt ihn, ob 
er nicht zuvor Kriegsherolde schicken, Verhandlungen an- 
knüpfen und denen, die vor den nächsten Iden des März 
das lutherische Lager verlassen wollen, Gnade anbieten wolle. 
Witzel antwortet hochmütig: „Eam clementiam tametsi haere- 
ticus homo non mereatur, tamen, ut aequitatis opinionem 
apud vulgum nobis conciliemus, fiet.“ Er bittet darauf Crotus, 
ihn seinem Mainzer Herrn empfehlen zu wollen. Crotus: 
„Fiet! (dazu für sich:) Quasi vero is in sua ditione huiusmodi 
morionum non plus satis habeat!“ Cochläus erklärt sich bereit, 
Witzel beim Papst, den Kardinälen und Prälaten einen guten 
Staud und einige fette Pfründen zu erwirken, eilt aber dann 
zum Essen. Crotus präzisiert beim Abschied nochmals seinen 


1) Am 31. Ma. 1523 heilig gesprochen, am 16. Mai 1524 in Meißen 
„erhoben“ (RE? 2, 602). 
9) Vgl. z. B. Enders 7, 272 76; W. A. 101, 3331, 


63 143 


neutralen Standpunkt: „Valebo, sed a Papismo perinde atque 
a Lutheranismo, id quod iurisperitum decet, alienus.“ 

Im Vergleiche mit dieser witzigen Satire wirkt die von 
Jonas als dem Herausgeber vorangestellte Vorrede saft- und 
kraftlos. In ermüdender Weitschweifigkeit wiederholt er hier 
gegen Witzel den alten Vorwurf, daß dieser keine andern 
Motive habe als Ehrgeiz, Privatneid und -haß; zuletzt be- 
schuldigt er ihn in pathetischen Ausdrücken unmenschlicher 
Grausamkeit gegen seine Familie: „Non Medea tam crudelis 


fuit, non Progne, non Atreus aut quisquam alius in tragoediis. 
Nam ii tantum vitam suis ademerunt, quod quidem crudelissi- 
mum est, sed illa nostra Medea nomen et famam uxoris et 
liberorum suorum obscurare conatur, deformat eos et detur- 
pat, quantum in ipso est. Quod est carissimum et quavis 
vita praestantius, hoc uxori et liberis detrahere non dubitat." 


Am 18. Oktober 1534 schrieb Witzel: „Futilissima bla- 
teramenta . .. Sylvani Hessi non legi, imo nee eminus 
vidi ... . Forte respondebo prologo Jonae, quem ludo illi 
praefixisse dieitur“!). Die Satire wird also kurz vorher er- 
Schienen sein. Sein Versprechen, sich besonders gegen die l 
Vorrede an Jonas zu wenden, hat Witzel wahr gemacht in 
der zweiten der unter dem Titel „De raptu epistolae privatae“ 
gedruckten drei Beschwerdeschriften. Wir merken’s ihm an, 
daß er tief erregt ist über die Satire und die ihm unterge- 
schobenen schlechten Motive. Nur scheinbar ist die Ruhe, 
mit der er feststellt, daß der hinter dem Pseudonym Deckung 
suchende Verfasser ein „vir malus“ gewesen ist und daß 
die Satire nach dem Geschmack des lutherischen Pöbels sei: 


„Gratificatus est delusor ei multitudini, quae nisi aleretur 
istiusmodi lenociniis, actutum recideret a schismate. Nam in 
eam assuejudinem abiit multitudo, ut aut crebris conviciis 
in eeclesiam, in synodos, in patres, in ceremonias sustinenda 
sit, aut confirmanda immanibus mendaeiis aut reficienda novis 
rumoribus aut delectanda scurrilibus facetiis aut demulcenda 
fastuosis gloriis. llluc libellos vanissimos desudant, nec alio 
spectant cunctae conciones adeo futiles, adeo eaedem semper, 
adeo sine potentiae nervis, adeo sine aedificationis fructu, 
adeo mobiles et sibi ipsis contrariae, adeo vacuae spiritu 
bono (sed contra in maledicendo aeres, in asseverando audaces 
et in refutando infirmae, quas quidem ipse audivi legique), 


1) Epistolae fol. R r iij, citiert bei Kawerau 1, 2143, 


144 64 


nt satis mirari nunquam possim, quo eas animo, qua patientia, 
quo pudore audire sustineant literati atque honesti eives . . .“ 


Kurz darauf!) lieb Jonas eine Veröffentlichung gegen 
Witzel vom Stapel, die diesen noeh härter treffen mußte. 
.Es war das der oben schon erwähnte Brief des Cochläus 
:an Witzel, Dresden, 15. August 1534, in dem jener diesem 
sein inniges Bedauern aussprach zu den jetzt über ihn aus- 
gebrochenen Verfolgungen, durch die er sich aber nicht ent- 
mutigen lassen sollte, ihm den Rat gab, sich in keine Dis- 
kussionen über seine Ehe einzulassen, diese vielmehr mög- 
lichst zu verheimlichen, und ihm endlich noch eine ganze 
Reihe weiterer vertraulicher Mitteilungen machte. Jonas 
schreibt in der Vorrede, daB ein Papist, zelotischer noch als 
-Cochläus selbst, ihm trotz seines Widerstrebens den Brief 
aufgedrängt habe, wahrscheinlich in der Absicht, ihn durch 
die in dem Cochläusbriefe begegnende Ankündigung von 
nicht weniger als vier gegen Melanchthon geplanten Bücher 
einzuschüchtern und von weiterer antikatholischer Schrift- 
.Stellerei abzuschrecken. Am Schlusse findet sich ein Nach- 
wort, ein fingierter Brief eben jenes Papisten an Witzel. 
. datiert: 1. Oktober 1534, in dem jener erzählt, wie der 
Cochläusbrief in seine Hände gekommen sei: Als er am 
.24. August in Leipzig mit Witzel zusammen gewesen sei — 
diese Zusammenkunft ist natürlich auch erdichtet, wohl zu 
. dem Zwecke, den in dem Ludus Sylvani Hessi angenommenen 
Besuch Witzels in Leipzig bei Nikolaus Faber, Crotus und 
'Cochlüus zu bestätigen — und tags darauf nach Eisleben 
zurückgefahren und in seiner Herberge abgestiegen sei, da 
habe sich plötzlich ein gewaltiger Sturmwind erhoben; ein 
Knabe habe ihm einen erbrochenen Brief gebracht, den er 


1) Schon am 28. Okt. 1534 weiß Cochläus von der Veröffentlichung 
seines Briefs durch die Gegner. Aus Dresden an Joh. Faber in Wien: 
„Nuper cum incidisset in manus eorum epistola mea, quam 15. Augusti 
ad Vicelium scripsi, miris conviciorum et calumniarum acerbitatibus 
me flagellant et contemptibilem facere satagunt“ (ZKG 18, 260 f.). 
Wenn daher Jonas am 20. Dez. 1534 an Fürst Georg von Anhalt 
schreibt: „Interim quamvis valetudinarius (quis enim aliter quam per 
febrim scriberet contra Coch. et Vitz.?) lusi illam praefationem epistolae 
Coclei, quam T. C. misi . , .* (Kawerau 1, 219f.), so ist das „interim“ 
mehrere Wochen zuirückzuverlegen. 


65 145 


wie einen Vogel aus einem vom Sturm aufgerissenen Fenster | 
habe flattern und dann zu Boden sinken sehen; er habe 
dann erforscht, daß der Brief aus Witzels Hause komme, 
die Unterschrift „Cochläus“ gelesen und schicke ihn nun 
zurück. Eine Abschrift habe er nur einem aus der Zahl 
der Lutheraner gegeben „idque eo consilio, ut videant 
minas terrificas Coclei Jonas et alii, deinde uf terrore etiam 
(si illi libeat) exanimetur Melanchthon, quem Cocleus Phi- : 
lippiearum tribus libris evertet totum". 

Gegen diese Veröffentlichung ist die erste der drei Be- 
schwerdeschriften gerichtet, die Witzel unter dem Gesamttitel 
„De raptu epistolae privatae“ hat erscheinen lassen. Witzel 
erzühlt hier, daB er den Brief eines Abends gleich nach 
Empfang auf dem Fensterbrette habe liegen lassen und dab 
er in der Dunkelheit durch den Ellenbogen eines Hinaus- 
sehauenden beiseite geschoben worden und ins Nachbar- 
grundstück gefallen sei. So sei er seinen Feinden zuge- 
kommen; einen geheimnisvollen Wind brauche man hier 
nicht erst noch herbeizurufen. Von Feinden und Laurern 
sei er ja in Eisleben umringt: ,Habito miser nescio inter 
hominesne an inter spelaea ferarum, et is est situs harum 
aedium, ut, quaquaversum prospiciam, metuenda sint multa, 
cavenda omnia. Captatur in nos, auscultant, observant, riman- 
tur nostra, idque tanta solicitudine, uf, si nobis imprudentibus 
nescio quid humanum excidat, eupide inhiantes glutiant. Si 
recluduntur fores, vicini inhiant, praetereuntes resistunt et 
in aedes intro defigunt curiosos oculos. Si aperiuntur fenestrae, 
vieint inhiascunt, dixeris esurienfes lupos apud Plautum. Si 
domo eximus, non dico in publieum, sed in ipsa septa vici- 


niae conspicua, protinus iaciuntur in nos oculi, reboat mur- 
mur ..." i 


Auffällig ist, daB Witzel nicht den Nachbar nennt, der 
den Brief erbeutet und naeh Wittenberg gesandt hat. Er 
kann aber dabei nur Johann Agricola im Auge haben. Witzel 
wohnte in Eisleben in dem alten Pfarrhofe von St. Andreas, 
der jetzigen Superintendentur, Apricolas Wohnung ,lag in 
gleicher Flucht mit der Superintendentur“ ). Für die Einge- 
weihten ist freilich das Agricolasche Haus zur Genüge ge- 
kennzeichnet, wenn von den häufig dort stattfindenden Zech- 


1) Mansfelder Blätter 19 (1905), 40, | 
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 9 10 


146 66 


gelagen die Rede ist. Apricola liebte ja die „Krappelkanne“ 
(Krappel ein altberühmtes Eislebener Bier) mehr, als ihm 
gut war!) Zum Überfluß haben wir nun aber auch noch 
einen Brief Luthers an Agricola vom 7. September 1534, 
aus dem folgt, daß dieser der angebliche papistische Brief- 
vermittler gewesen ist. Luther schreibt ihm: „Gratum nobis 
fecisti, mi Agricola, quod literas Cochlei miseris . . . Ede- 
mus eas cum scholiis, quia non furto ablatae, ... sed flante 
spiritu ad nos perlatae“ ). Ob Luther dann die Herausgabe 
ganz Jonas überlassen hat oder ob wenigstens die spöttischen 
Randbemerkungen zu dem lateinischen oder dem deutschen 
Texte oder zu beiden von ihm herrührten, steht dahin. Jeden- 
falls ist es gerechtfertigt, wenn wir nun noch den Cochläus- 
brief im lateinischen Originaltext und in der gleichzeitigen 
deutschen Übersetzung, beide Male mit den Marginalglossen, 


wiedergeben. 


[Fol. Biijb] 
Epistola D. Coclei ad 
Georgium Wicelium. 
S 


Eruditissime domine Wiceli, 
nunc recte cognosces proprio 
experimento (ni fallor) mili- 
tiam esse vitam hominis super 
terram*) et omnes, qui pie 
vivere volunt in Christo, per- 
secutionem pati **). 


Non possunt mentiri divina 
oracula ***), 

Videamus igitur, ne obli- 
viscamur illud salutare ver- 
bum domini: ,In patientia 
vesträ  possidebitis animas 
vestras ***) 


!) Mansfelder Blätter 10, 27. 


[Bl. Aij] 
Ein Brieff Doct. Johan 
Coclei an Georgen Witzel. 


Wolgelerter, lieber Witzel? 
Nu erst wirst du recht ver- 
stehen durch eigen erfarunge 
(wie ich achte), das des men- 
schen leben ein Ritterschafft 
ist auff erden, U. das alle, so 
Gottselig wollen leben jn» 
Christo, verfolgung leiden 
müssen. 

Die Göttlichen worte können 
nicht liegen. 

Darümb, lieber, las uns zu- 
sehen, das wir nicht vergessen 
das selige wort des Herren: 
„Inn ewer gedult werdet jr 
ewr Seelen besitzen.“ 


*) Vgl. Enders 10, 70; Kawerau, Joh. Agricola von Eisleben, 
Berlin 1881, S. 160; Felician Geß, Johannes Cochläus, der Gegner 


Luthera, Oppeln 1886, S. 42. 
*) Hiob 7, I. 
**^*) Luc. 91, 19. 


**) 9, Tim. 3, 12. 


***) Hebr, 6, 18. 


67 


Gravis!) tibi (non dubito) 
per Diaboli Satellites ingeri- 
tur tentatio de uxore tum 
latine tum teuthonice. 


Quid facias? Si defendis 
iustum esse coniugium, laeti- 
ficabis inimicos et contristabis 
Catholicos. Hoc enim quae- 
runt Satanae ministri. Si 
neges iustum esse coniugium, 
illos amplius irritabis et apud 
Catholieos per hoc parum 
proficies, cum videaris corde 
et facto comprobare. 


[Fol. B 4] 


Vide, obsecro, rem bene 
consideres et expendas. 


Ego, si res mea esset, ne- 
gocium istud de coniugio to- 
tum dissimularem?) in res- 
ponsis aut dicerem breviter: 
eum ad solidas scripturas et 
rationes meas respondere nihil 


1) (Gravis) Nota hic verbum 
S. Augustini: Iussisti, domine, et 
factum est ita, ut poena sui ip- 
sius sit omnis animus inordinatus, 
Hic vides, quam sint impii sibi 
ipeis furiae et Diaboli in conscien- 
cia sua, quam misere in seipsis 
turbentur et agitentur. Sic Veri- 
tatem impugnatam ipsimet in se- 
ipsis ulciscuntur tam praesente 
poena. 

5) (Dissimularem) Et sic nemo 
intelleget, quid vexet miserum 
Wicelium in conscientia. 


147 


Ich zweivel nicht, dir brin- 
gen schwere anfechtungen 
deiner priesterehe u. deins 
Eheweibes halben von die [!] 
diener des teuffels beide jnn 
Deudschen u. Lateinischen 
schrifften. 


Ja dencke aber hie: was 
solt du jmer thun?  Vortei- 
dingst du den Ehestand u. 
sagst, das die Priesterehe recht 
sey, 80 erfrewestu unser feinde 
u. betrübst die Catholicos, 
denn das suchen die diener 
des teuffels!). Wirdest du denn 
Sagen, die Priesterehe sey 
nicht recht, so wirst du jhenes 
teil mehr erreitzen u. bey den 
Catholicis des Bapst teil we- 
nig ausrichten, denn sie fassen 
doch gedancken, du habst ein 
anders im hertzen, u. dein that 
u. Priesterehe ist vor augen. 


O lieber Witzel, ich bit umb 
Gottes willen, sihe ja zu, das 
du dieser sache wol war- 
nemest u. die wol bedenckest! 


Wenn dieser Handel von 
dem Ehestand mein were, so 
wolt. ich jnn allen schrifften 
u.antworten den selbigen gantz 
stilschweigend ubergehen u. 
mich stellen, als dórffts keiner 
antwort, oder wolt kurtz da 
von reden also: weil die 
Luterischen auff mein ge- 
gründte schriffte u. ursachen 
nichts antworten. können, 


-werffen sie mir den schleyer 


für, davon jnn Artiekeln des 


1) Siehe, wie macht den Heuch- 
lern jr eigen gewissen so bange, 
wolten gern u. kónnen nicht die 
warheit verbergen. 


10* 


148 


possint, peplo!) me vexare 
satagunt*), de quo in arfi- 
culis fidei, pro quibus dimico, 
nihil prorsus habetur. 
Periculosa sunt haec tem- 
pora**), in quibus nobis maxi- 
me opus est patientia***). Sed 
noli dubitare: dabit Deus his 
quoque finem ). Diu?) quidem 
deserimur, pauci considerant 
labores nostros, et tanto me- 
lius considerabit ipse Domi- 
nus, si oculus noster fuerit 
simplex ff), ut esse debet. 


Certe, si qua fortuna me 
mitius respexerit, non obli- 
viscar Wicelij. Et spes est 
brevi futurum esse, ut tui 
meminisse efficaciter queam, 
non sane, quod ambiam ullam 
dignitatem, sed quod expec- 
tem fortunae largitatem. 


!) (Peplo) Vide consilium tali- 
bus amicis dignum. Scilicet veri- 
tatem tacere hoc est respondere 
haereticis. 

*) (Diu) Perdat Deus istos Mi- 
sergos [Werkhasser] Papistns, qui 
sic deserunt philergos et anthro- 
podoulos Nai Kor. 7, 28] suos nec 
ullum syllabum auri eis donant ex 
sua Cohala vel Adada Caioscha 
Nadada etc. 


68 


Glaubens (umb welche ich 
kempfte) nichts stehet!). 


Es sind ferliche zeiten u. 
bedürffen gedult, uns ist ge- 
dult hoch von nöten, aber 
habe ja kein zweivel, Gott 
wird des auch ein ende 
machen. Wir werden warlich 
bisanher u. lange verlassen, 
wenig leute bedencken unser 
arbeit, aber so viel mehr wird 
sie Gott ansehen, so unser 
auge (wie es sein sol) ein- 
feltig sein wird. 

Warlich, wird mich etwa 
das glück freundlich ansehen 
u. milde gegen mir sein, so 
wil ich Witzels nicht ver- 
gessen, U. ich stehe jnn hoff- 
nunge, es solle bald geschehen, 
das ich Witzels mit der that 
u. [Bl. Aiij] dem werck ge- 
dencken möge, nicht das ich 
prebenden odder prelaturn 
gros begere odder suche), son- 


!) Des Christlichen Ehestandes 
schleyer sind die Heuchler nicht 
werd. wie viel tausent hurn schleyer 
aber zu Würtzburg, Halberstadt. 
Mentz, Cöllen u. der gleichen Stiff- 
ten sein, da wil Doctor Cocleus 
ein eigen vesper von schreiben De 
Msi, Shine denn Hom ist eitel 
teutfel uber alle menschen unzucht. 

*) Da sihet man, das die fromen 
gesellen gern Prebenden hetten u. 
grosse zinse, es bleibe Gottes wort, 
warheit u. Gottes dienst, wo es 
wolle. O wie sinds buben, erger 
denn Curtisan odder der barfussen 
Münche! 


..) peplum = Unterrock. Vgl. in dem angehängten fingierten 
Drief eines Papisten an Witzel: ,Codeus noster permittit tum sibi ipsi, 
tum aliis sacerdotibus peplum, sine quo (facile ipsis episcopis faven- 


tibus) non est gaudium. 
**) Vgl. Eph. 5, 16. 
vr: Matth. 6, 92. 


*) Hebr. 10, 36. 


T) Verg. Aen. 1, 199. 


69 


Nemo enim seit, quanto sub 
pondere laborum et expen- 
sarum (uf omnia alia molesta 
dissimulem) gemam!) et an- 
belem in occulto. 


Redijt unus nunciorum me- 
orum ex Anglia omnino in- 
anis, quia non licuit ullas 
mearum ad magnates °) episto- 
larum reddere propter novum 
Regis coniugium. Alter inde 
in Seotiam navigaturus nihil 
literarum?) inde ad me de- 
dit*). An putas leve hoc esse 
curarum et impensarum onus? 


Nune erga Polonos a simili- 
bus insidijs praemonendos si- 
mile mihi curarum et impen- 
sarum onus incumbit. 

De convicijs adversariorum 
non oportef solicitos nos esse; 
apud Catholicos enim pro 
margaritis?) nobis sunt, ut 
non euremus, quid coeci et 


p, (Gemam) Isti sunt gemitus 
ineffabiles Roma. 8 [v. 26]. Et 
tamen neque spiritus auri nec Deus 
Mammon adiuvat istam infirmi- 
tätem, praesertim in Anglia. 

agnates) Nota, quod Coc- 
leus multas Epistolas ad magnates 
mittit frustra, quod est dolendum 
valde. 

5) (Nihil literarum) Das mocht 
ein stein erbarmen, Lapides cla- 
mabunt: O Veh! 

argaritis) Idest valent ad 
praebendas et dignitates prome- 
rendas, si papistae non essent 
Misergi. 


149 


dern ich warte des glücks, wie 
milde es gegen mir sein wil. 

Denn wiewol ich verbeisse 
u. mich stelle, als sey mir 
viel dinges nicht beschwerlich, 
glaubt doch niemands, wie 
grosse arbeit u. unkost mir 
obligt, darunter ich heimlich 
seufftze u. lechtze. 

Es ist einer meiner boten 
aus Engeland widderkomen, 
gar ledig, denn er hat meiner 
brieve keinen überantworten 
dórffen den Magnaten der 
newen ehe halben des kónigs. 
Der ander bote, welcher von 
dann yn Schottenland hat 
wolt schiffen, hat nichts zu 
mir geschrieben. Meinst du, 
das solehs alles ein geringe 
bürde sey, so viel sorge u. 
unkosst? 

Nu weiter, die Polen von 
gleicher list der Lutherischen 
zu verwarnen, trage ich gros 
Sorge u. unkost. 

Der scheldwort halben der 
widdersacher sollen wir uns 
nicht kümern, denn bey den 
Catholicis sind es uns perlen), 
das wir nicht dórffen darumb 
Sorgen, was die blinden u. 
tollen ketzer von uns urteilen 
odder schreiben. 


N) Solche perlen schencken teg- 
lich Doctor Cocleo viel Edelleut 
zu hofe, viel redliche Bürger auch 
zu Leiptzig, Freyberg u. Dresden, 


*) Vgl. Spahn, Cochläns S. 186f. 


150 


furiosi haeretici de nobis 
iudicent aut scribant. 

Librum tuum de Ecclesia !) 
eontra Jonam*) nondum per- 
legi totum, quia sex ultimos 
quaterniones semel tantum 
accepi et mox Principi tra- 
didi, qui altero die hinc abi- 
furus erat. 


Opus certe necessarium hoc 
tempore, quo tam superbe no- 
biscum contendunt de Eeclesia 
haeretici, qui eam nobis eri- 
pere conantur. Sic olim La- 
pithae (si non fallit memoria) 
sponsam Jasoni**). 


Ego quoque ea de re breve 
adieci libello meo capitulum. 
Vellem et tuum librum ali- 
quanto breviorem esse. Quid 
enim opus [Fol. C] est ad 
singulas calumnias respon- 
dere? 

Mallem te quoque certa 
pertraetare capita, in quibus 
multum momenti est. Nam 
et ipsi pauca ex nostris ex- 
cerpunt, in quibus putant iuste 
nos reprehendi posse. 


Lector enim fit fessus pro- 
lixis?) et multitudo librorum 


! (De Ecclesia) Da steckts! 
Haec est illa Helena. Hinc illae 
lachrymae! 

3) (Prolixis) Id eat, tam apertis 
mendacijs et continuis calumniis, 
quibus papyrum perdimus et lec- 
tori odium movemus contra nos 
ipsos. i 


*) S. oben S. 189. 


70 


Dein buch von der kirche 
wider Jonam hab ich nicht 
gantz gelesen, denn die letzten 
vj quatern hab ich nur ein 
mal entpfangen u. als bald 
meinem Fürsten gegeben, 
welcher den andern tag hin- 
weg zog. 

Es ist warlich ein nótig 
werck dieser zeit, da die 
ketzer so hoffertiglich mit uns 
zancken von der kirchen u. 
wollen sie uns nemen. also 
haben die Lapithe (wo ichs 
recht gemerckt) dem Jasoni 
die brawt sich unterstanden 
zu nemen. 

Ich habe von dem selbigen 
jon meinem büchelein auch 
ein kurtz Capitel gemacht u. 
wolt, das dein buch auch ein 
wenig kürtzer were. Denn 
was ists nof, auff alle jr un- 
recht schrifft antworten? 

Ich wolt lieber, das du et- 
liche stücke handeltest, daran 
viel gelegen. Denn sie nemen 
auch aus unsern schrifften et- 
liche stücke, do sie meinen, 
das wir billich mügen ange- 
strafft werden. 

Denn die leser werden mit 
lügen büchern müde, u. so 
gar lange schrifften machen 
ein verdrossenen leser. 


**) Hier hat das Gedächtnis dem Cochlüus doch einen Streich ge- 
spielt: der Centaur Eurytion oder Eurytus raubte dem Lapithenkönig 


Pirithous die Hippodameia! 


71 


fastidiosum iam reddit lecto- 
rem. 

Prodibunt in Philip. Me- 
lancht. libelli quatuor*), in 
quibus saevus ille gigantum 
fraterculus acriter impetitur. 


Non feret, consurget, credo, 
in me totis viribus, ut uno 
me conterat ictu. 


Sed si Deus et veritas pro 
nobis, quis contra nos **)? 


Ego certe sciens prudens- 
que contra veritatem nun- 
quam scribere intendo!), quan- 
tumvis me calumniatorem 
dicant Lutherani. 


Quaeruntur nunc in Dialogo 
Corvini***) me Sycophanticum, 
sedieiosum ac sanguinarium 
aedidisse librum pro defen- 
sione Ducis Georgij, ubi ta- 
men prineipis fama et inno- 
centia exigebat, ne facerem 
ad tam graves et seditiosas 
Lutheri calumnias, quas prior 
emiserat. 


ı) Nisi quod omissa veritate 
consulo, quod certa pertractemus, 
sive sint vera, sive falsa, modo 
contra Lutherum. 


151 


Ich werde vier bücher lassen 
ausgehen widder Philip. Me- 
lanchton, darjn der grausam 
Gygant wird hefftig ange- 
griffen, 

Er wirds nicht leiden wollen, 
sondern mit allen krefften 
sich widder mich setzen, das 
er mich mit einem schlage 
vertilge !). 

Aber wenn Gott u. die war- 
heit vor uns ist, wer wil 
widder uns sein? 

Warlich, ich gedencke nicht 
willig odder wissentlich widder 
die warheit zu schreiben, eb 
mich wol die Lutherischen. u. 
mein schriffte als unrecht 
hart schelden. 

Sie klagen jtzund im dia- 
logo Corvini, das [Bl. A 3] ich 
ein leichtfertig u. geschwinde 
buch gemacht habe, Hertzog 
Jórgen zu verteidigen, do doch 
die unschuld u. gut gerücht 
des Fürsten erfodert, das ich 
auff soleh auffrürisch u. be- 
schwerlich Luthers schrifft 
nicht schweigen solte, welche 
er der erst hat lassen aus- 
gehen. 


1) Förcht dich nicht, es hat 
nicht not. Was solt tantus vir 
solchen geuchen u. narren ant- 
worten? 


) Spahn S. 357 Nr. 104. Vorrede vom 8. August 1534. Melanch- 
thon an Spalatin s. d. (CRII 701): , Vidimus hic Cochlaei insulsissimas 


Philippicas et prolixe risimus.“ 


Der Brief ist also zu datieren: nach 


August 1534 (vgl. schon Theolog. Studien und Kritiken 1912, 554). 
**) Röm. 8, 31, 

***) Quatenus expediat (s. S. 140 A. 3) fol. B4a: „Vel nuper quam 
sycophanticus, quam seditiosus, quam sanguinarius libellus prodiit a 
Cocleo in Georgii Saxoniae ducis defensionem conscriptus!^ Vgl. über 
Cochlüus! „Hertzog Georgens zu Sachssen Ehrlich vnd grundtliche ent- 
Schuldigung,...^ Spahn S. 355 Nr. 86a. W. A. 38, 136f, 


— 


152 x 


Ita omnem eulpam in nos 
reiiciunt. 

Et in suo libello*) Eras- 
mus!) videtur nobis imputare 
nescio quas culpas huius in- 
cendii. 

Sed videamus nos, uf Deo 
eor ef intentionem nostram 
probemus, ef parum sit curae 
nobis, quomodo iudicet nos 
humana dies**). 


Bene vale, doctissime Wi- 
celi, confortare ad patientiam, 
memor illius: qui persevera- 
verit in finem ***), Ex Dresda 
XV. Aug. in festo Assump- 
tionis 1534. 

Tuus Joannes Cochleus. 


Eruditissimo viro domino 
Georgio Wicelio, Theologo 
eximio et acerrimo Ecclesiae 
propugnatori, amico plurimum 
reverendo. 


1) Etiam Erasmum devorat unus 
Cocleus post Lutherum et Phi- 
lippum devoratos. O Cyclopen 
tribus Polyphemis Saeviorem! 


72 

Also legen sie alle schuld 
auff uns. 

U. Erasmus jnn seinem buch 
legt auch etlich schuld auff 
uns (weis nicht wie), das wir 
das fewer auffgeblasen ). 

Aber las uns sehen, das 
unser hertz u. meinung vor 
Gott recht stehe, u. las uns 
wenig darnach fragen, was 
menschen von uns richten 
odder urteilen, 

Gehab dich wol, gelerter 
Witzel, u. stercke dich zu 
gedult! Dencke: Wer da be- 
harret bis an das Ende, wird 
selig werden. Geben aus 
Dresda, den xv. Aug. in festo 
Assumptionis 1534. 


1) Es ist doch gut, das du selbst 
hie bekennest, das du Erasmus 
auch vor narren helt, ich dacht, 
wir sehen es allein. 


*) De amabili ecelesiae concordia 1533. Vgl. W. A. 38, 273. 
**) 1. Kor. 4, 3. ***) Matth. 10, 22. z 


Nachträge: Zu S. 185. Herrn Gymnasialdirektor Dr. Joh. 
Biereye in Erfurt verdanke ich die Nachricht, daß das Haus zum 
güldenen Schaf, in dem Witzel wohnte, in der Augustinerstr. (Nr. 26, 
neben der Georgenbörse) lag und daß das Haus zum Steinbock, in 
dem nach dem Verrechtsbuch von 1580 Joh. Lang wohnte, nur durch 
den „Rosenbaum“ davon getrennt, um die Ecke herum in der Michaelisstr. 
(Nr. 29) sich befand, Vgl. den Plan Nr. 1 zu Biereye's Beschreibung 


in den Jahrbüchern der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften 


zu Erfurt N. F. 48 (1917). — Zu S.189. Eine deutsche Übersetsung 
des „Ludus Sylvani Hessi“ besorgte 1539 Erasmus Alberus. Vgl. Emil 


Körner, E. A., Leipzig 1910, S. 50f. Zw. R. S. B. 7^. 


— 


Mitteilungen. 


Küngold Bodenstein. Barge sagt in seinem Andreas 
Bodenstein von Karlstadt 2, 497: Bei der Taufe seines Sohnes Küngold 
stehen vornehme Basler Paten, und beruft sich dabei auf einen Ein- 
trag im Taufregister des Basler Kirchenarchivs. Ebenso behauptet 
er S, 518, Karlstadt habe vier Söhne Adam, Jakob, David und Kün- 
gold und ein Mädchen Gertrud hinterlassen. Nun aber weiß jeder, 
der mit Schweizer Urkunden zu tun hatte, daß Küngold ein weiblicher 
Name, nämlich so viel als Kunigunde, ist. Vgl. z. B. Egli, Akten- 
sammlung zur Geschichte der Züricher Reformation 594, 1581. Quellen 
zur Schweizer Ref.-Geschichte 8, 44, 326. In der Urkunde S. 517, wo 
die fünf Kinder mit Namen genannt sind, ist der Genitiv der Namen. 
der drei Söhne mit s gebildet, der der zwei Töchter mit en, Kungelten 
und Gertruden. Das Taufregister ist verloren, aber das Register dazu 
besagt, wie mir Herr Lic. E. Stähelin mitteilte: Carolstat: Andreas, 
Doctor vnd pastor Ecclesiae pet(rinae) fil.» Küngold An.o 1537 Junij 1. 
Es steht also deutlich filia da. Leider hat Kawerau in Enders, Luthers. 
Briefwechsel 15, 155 Barges Angabe übernommen. So wird der Irrtum 
noch weiter fortleben. G. Bossert. 


Aus Zeitschriften ). 


Allgemeines. Das dreifache Erbe der Reformation er- 
blickt H. Scholz in der Empfindung des Göttlichen und der Deutung 
des Glaubens, die sie uns überliefert hat, und der Fähigkeit, in der- 
Ehrfurcht?) zwar im Sinne des göttlichen Waltens, uns frei und souverän 
zu fühlen. Z. f. Philos. u. philos. Kritik Bd. 164, 2 S, 159 — 106. 

Von der Anekdote der Beraubung des Ablaßpredigers Tetzer 
durch einen Ritter, der sich vorher bei ihm Ablaß für eine beabsichtigte- 
Freveltat erkaufte, weist E. Kroker in NASG. 40 S. 154—161 nach,. 
daß diese Geschichte, ähnlich schon vor 1500 von irgendeinem Ablaß- 
prediger in Italien erzählt, in Deutschland durch Tetzels Auftreten zu 
neuem Leben erweckt und schließlich in Wittenberg mit Tetzel selbst 
in Verbindung und durch Melanchthon in die Fassung gebracht wird,. 
in der sie dauernd lebendig geblieben ist. 


1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um 
Zusendung einschlägiger Zeitschriftenaufsätze zur Anzeige an dieser 
Stelle. 

2) (Ehrfurcht) vor dem was über uns ist, und (zwar). 


154 T4 


N. Paulus, Zur Geschichte des Wormser Reichstages von 
1521 (H. Jb. 39 S. 269—276) bemüht sich mit allerlei Gründen, die 
einer unbefangenen Betrachtung kaum standhalten, die Gesetzlichkeit 
des Wormser Edikts nachzuweisen sowie Aleander von dem Bestreben, 
die Deutschen gegeneinander verhetzen zu wollen, reinzuwaschen, 

‘Unter dem Titel „Forschungen zur Vorgeschichte des Bauern- 
krieges verfolgt O. Schiff zunächst (1) die Fäden, die sich seit Án- 
fang des 15. Jahrhunderts von der Eidgenossenschaft nach den ober- 
deutschen Landschaften hinüberspannen (Appenzeller Freiheitskampf 
und folgende Bewegungen), behandelt dann (2) den angeblichen, durch 
einen Augsburger Prediger entzündeten Bauernaufstand von 1476, der 
sich als Erfindung eines augsburgischen Chronisten herausstellt, um 
sich endlich (3) mit der sog. Reformation Kaiser Friedrichs III. zu 
beschäftigen und gegen H. Werner, der die Schrift auf ritterliche 
Kreise zurückführt und in Hartmut von Cronberg den Verfasser ver- 
mutet, wahrscheinlich zu machen, daß die Reformation in Nürnberg 
entstanden sei; als den Verfasser denkt er an den berüchtigten Rüxner, 
den Verfasser des „Turnierbuchs“, was denn freilich nur den Wert 
-einer Vermutung hat. HVjSchr. 19, 1 und 2 S. 179—219, 

Aus der unljngst im Magdeburger Staatsarchiv zum Vorachein 
gekommenen Matricula ordinatorum des Hochstifts Merseburg ver- 
-óffentlicht P. Flemming die in den Jahren 1545—1548 in Merse- 
burg vorgenommenen Ordinationen von evangelischen Geistlichen 
mit wertvollen Erläuterungen, Personen- und Ortsverzeichnis. ZVKG. 
Prov. Sachsen 16, 1 S. 1—25. 


Persönliches. Zahlreiche Urteile hervorragender Eng- 
länder (und vergleichend auch Amerikaner über Luther vom 
16. Jahrhundert bis zur Gegenwart stellt zusammen und erörtert 
Preserved Smith in The Harvard Theol. Review vol. X, April 1917 
S. 129—158. U. a. zeigt sich, daB in den letzten Zeiten der Deutschen- 
haß das englische Urteil über Luther stark beeinflußt hat. Bezeichnend 
ist andererseits das Urteil des Englünders E. S. Buchanan-Oxford von 
1915, der das völlige Fehlen von Heuchelei, worin Luther unter den 
großen Kirchenmünnern wohl einzig dastehe, am höchsten stellt. 

In The Lutheran Quartaly (Gettysburg U. S.) April 1917 fórdert 
L. H. Humphrey, French Estimates of Luther, aus der fran- 
zösischen Literatur vom 16. Jahrhundet bis zur Gegenwart eine größere 
Anzahl von tadelnden und lobenden Urteilen über Luther und sein 
Werk von Theologen, Geschichtschreibern und Philosophen zutage. 
Er gedenkt dabei auch der verbreiteten Ansicht, daß der Geist Luthers 
für den Weltkrieg gleichsam verantwortlich sei. 


Im Anschluß an die v. Schubertsche Veröffentlichung der Vor- 
lesung Luthers über den Galaterbrief (s. ds. Zeitschr. XVI. S. 125f.) 
behandelt K. Holl in ZKG. 88 (= NF. I) 1 S. 23—40 den Streit 
zwischen Petrus und Paulus zu Antiochien (Gal. 2, 11ff.) in seiner 
Bedeutung für Luthers innere Entwicklung, indem er zeigt, wie sich 


75 155 


daran ebenso Luthers Anschauung von der Kirche mitbildete wie sein 
Verständnis der Geschichte und seine Auslegungskunst sich daran 
schulte. 

F. Pijper, Hoe Luther los wordt van de Roomsch katholieke 
kerk (Nederl. Arch. voor Kerkgesch. NS. 14 S. 97—125) verfolgt, be- 
sonders an der Hand der Schriften Luthers, den Verlauf der Lösung 
dieses von der katholischen Kirche von der Leipziger Dispulation bis 
zur Verbrennung der Bannbulle (1519/20). 

Fr. Meinecke, Luther über christliches Gemeinwesen und 
christlichen Staat, unterzieht die viel umstrittenen Stellen in den 
Schriften an den christlichen Adel deutscher Nation von 1520 und 
von weltlicher Obrigkeit 1528 einer erneutem Untersuchung, um zu 
zeigen, daß über den Beruf der weltlichen Obrigkeit bei Luther zwei 
verschiedene Gedankenreihen vorhanden seien, die zuweilen in seiner 
Ausdrucksweise so ineinanderlaufen, daß man nicht mit Sicherheit zu 
erkennen vermöge, welche von ihnen gemeint sei oder vorherrsche. 
Man kann daher Luthers Ansichten nicht restlos auf einen Nenner 
bringen. Dadurch daß man dies versucht hat, erklärt es sich, daß über 
die in Rede stehenden Fragen von den Forschern so abweichende Auf- 
fassungen vertreten worden sind wie einerseits von Scheel, Rieker, 
K. Müller und Troeltsch, andererseits von Holl und Brandenburg. 
Hist. Zeitschr. 121, 1 S. 1—22. 

Im Reformationsheft der Zeitschr. f. Philosophie und Philo- 
sophische Kritik (Bd. 164 Heft 2) äußert sich R. Seeberg „zur 
Religionsphilosophie Luthers“ (S. 72—115); ebendort erörtert Br. 
Bauch „unser philosophisches Interesse an Luther" (S. 128—148), 
wobei er zeigt, daß Luthers Geist und Tat wie in unserer ganzen 
neuen Geisteskultur, so besonders auch im Leben unserer Philosophie 
fortlebt; endlich behandelt A. W. Hunzinger Luther und die Mystik 
(S. 166—179); H. sieht in Luthers Berührung mit der Mystik ein Er- 
eignis von epochemachender Bedeutung für seine Entwicklung; durch 
die Mystik hat Luther den Augustinismus weitergebildet und zu einem 
unveräußerlichen Ferment der Reformation gemacht. 


G. Kawerau, Zu Luthers Briefwechsel, teilt einen noch un- 
gedruckten Brief A. Osianders an Luther über die Leviratsehe, nach 
Abschrift Bugenhagens auf der Staatsbibl. Berlin (von c. Januar 1536) 
mit, gibt einige Winke über die Entstehungsgeschichte von Luthers 
Schrift: von dem gefangenen Herzog zu Braunschweig, deren Ab- 
fassungszeit er zwischen dem 28. Nov. bis 5. Dez. 1545 begrenzt, und 
erörtert die Verlegung des Briefes an den Dresdener Rat für Joh. 
Crato (Enders-Kawerau 15 n. 3264), der von Luthers Hand das Jahres- 
datum 1541 trägt, in das Jahr 1543. ThStK. 91 (1918) S. 293—304, 

Von der Wiederauffindung des Originals des Briefes Luthers 
an die Stadt Regensburg vom 8. Mai 1525, in der er auf die Bitte, 
der Stadt einen gelehrten und sittigen Prediger des Evangelii zu 
verschaffen, antwortet (Enders 5 n. 922), in Gemeiners hsl. Nachlaß im 


* 


156 76 


Reichsarchiv zu München gibt Th. Trenkle in BBK. 25, 2 S. 78 zu- 
gleich mit Abdruck des Briefes Kunde. 

„Randglossen zu Luthertexten“, nämlich zur Dispulatio de 
viribus et voluntate hominis sine gratia 1516 und zur sog. Explicatio 
conclusionis sextae der Heidelberger Dispulation (W. A. 1, 365—374) 
bietet Em. Hirsch in ThStK. 91 (1918) S. 108—137. Die Glossen 
bringen ebensowohl Verbesserungen zu den überlieferten Texten wie 
bedeutsame sachliche Erläuterungen. 

Eine auf die neu zutage gekommenen Quellen gestützte Unter- 
suchung über Wert und Bedeutung der Bibel 1546 (L) führt O. Reichert 
zu dem Ergebnis, daß L., nicht 1545 (K) die authentische Luther- 
bibel letzter Hand ist und deshalb für die Textkritik der Lutherbibel 
bei Entscheidungen tiber Echtheitsfragen des Lutherbibeltextes fortan 
die letzte ausschlaggebende Stimme beanspruchen darf, während sie 
in der Praxis über kurz oder lang dazu nötigen wird, die Anschauung 
über den Grundtext der Lutherischen Übersetzung zu revidieren. 
ThStK. 91 (1918 S. 193—297. 

Die ,Biblia latina cum 'autographis Lutheri der Leipziger 
Stadtbibliothek Rep. II 146“ weist E. Thiele in ThStK. 91 (1918) 
S. 138—148 als aus Luthers Bücherei stammend nach. Doch finden 
sich im Innern keine Eintragungen von Luther. 


Aus dem Festheft, das 1917 die Zeitschr. f. d. ev. Religions- 
unterricht an höheren Lehranstalten zur Reformationsfeier veröffent- 
lichte (Jahrg. 29 Heft 1/2), sei im besonderen hingewiesen auf K. 
Knokes „einige sprachliche Bemerkungen zu Luthers kleinem 
Katechismus“ (8. 87—45; 88—98). Verfasser untersucht hier den 
Ursprung und die Tragweite der Bezeichnung Enchiridion (rührt nicht 
von L., sondern von dem Drucker Schirlentz her und bezeichnet an- 
fangs das ganze Agendbüchlein), ferner die Worte „einerlei Gestalt“ 
in L.’s Vorrede zum Katechismus, und entscheidet sich dafür, daß L. 
in seiner Erklärung zur fünften Bitte nicht „zwarten“, sondern „zwar 
den“ (d. i. zwar denen) geschrieben hat. — Auf L. beziehen sich ferner 
die Aufsätze von Alvermann, Luther und der deutsche Geist (S. 4 
bis 12) und H. Stier, L.'s Verdienst um die deutsche Einheit (S. 13—30). 


R. Sillib, Luthers Enchiridion Heidelberg 1560 (ZblBiblw. 
84 S. 473—279) weist in Fragmenten eines Enchiridion, die in einem 
Buchdrnck als Makulatur verklebt 1914 der Heidelberger Universitüts- 
bibliothek geschenkt wurden, einen kleinen lutherischen Katechismus 
nach und zwar den ültesten bekannten kurpfülzischen Katechismus, 
ein bibliographisches Unikum. 

Als Ergebnis einer eindringenden Untersuchung ,zur Geschichte 
der evangelischen Gesangbücher bis zu Luthers Tode“ scheidet 
K. Knoke die zu Luthers Lebzeiten erschienenen Sammlungen, die 
seine Lieder enthalten, in solche, die ihre Entstehung mehr oder 
minder allein buchhündlerischer Spekulation verdanken, und solche, 
die ihren Ausgang von einer Sammlung von Liedern nehmen, bei 


77 157 


deren Zusammenstellung für den Gebrauch im Gemeindegottesdienste, 
and zwar zunächst in Wittenberg, Luther selbst mittätig gewesen ist. 
Letztere haben durchweg den Titel „geistliche Lieder“, während jene 
sich vorwiegend als „Enchiridion“ bezeichnen. Zwischen beiden Reihen 
tauchen noch einige andere Liedersammlungen auf, die Verfasser einer 
besonderen Untersuchung an anderer Stelle zu unterziehen beabsichtigt. 
ThStK. 91 (1918) S. 228—976, 307—387. 

In Monatsschrift für Pastoraltheologie XIV S. 174—181, 218—226 
untersucht H. Gommel das Passionale Luthers von 1529 (heraus- 
gegeben von Cohrs in WA. X, 2 S. 45811) auf seine religions- 
pádagogische Bedeutung im Zusammenhang mit der Frage, welche 
Bedeutang Luther für den Unterricht in der biblischen Geschichte 
zukomme, Gommel sleht in dem Passionale ein wirklich reforma- 
torisches Werk von weittragender pädagogischer Bedeutung und be- 
dauert, daß Luther Zeit und Kraft gefehlt hat, seinen im Passionale 
niedergelegten Gedanken dieselbe Vollendung zu geben, wie seine 
sonstigen katechetischen Vorarbeiten im Katechismus von 1529 ge- 
funden haben, und daß Luthers Anregungen im Passionale auch her- 
nach keine kongeniale Fortbildung zuteil geworden ist. 

Joh. Luther, Studien zur Bibliographie des Reformations- 
jahrhunderts I (Zbl. Biblw. 84 S. 279—281) untersucht Luthers Kom- 
mentar zu den fünfzehn psalmi graduum in einem englischen Doppel- 
druck von 1577. 

Im Jahrb. f. Brandenb. KG. 14 S. 89—100 gibt G. Kawerau 
wertvolle Beitráge zur Lebensgeschichte des Alexander Alesius, 
der u. a. von 1540—1542 an der Frankfurter Universität lehrte, und 
veröffentlicht die „Apologie“, die A. zur Erklärung seines Fortgangs 
ans Frankfurt dort 1542 niederschrieb, aus einer Wernigeroder Hs. 


Als Heft 20 der Freiburger theol. Studien, herausgegeben von 
Hoberg und Pfeilschifter, ist erschienen Fr. J. Brand, Die Katechismen 
des Edmundus Augerius S. J. in historischer, dogmatisch-moralischer 
und kstechetischer Bearbeitung (186 S.); darin ein Rückblick auf die 
älteren Katechismen bis Mitte 16. Jahrhunderts. 


Unter der Aufschrift ,Bugenhagen und der Krieg" schildert 
Haß in Z. f. d. ev. Religionsunterr. usw. Jahrg. 29 Heft 1/2 S. 188—900 
Bugenhagens Verhalten bei der Belagerung von Wittenberg im 
Schmalkaldischen Kriege auf Grund seiner eigenen Schilderung (Wie 
es uns zu Wittenberg ... gegangen ist... warhaftige Historie). 


In seiner Untersuchung über die Frage, wie Calvin über Luther 
gedacht habe, kommt A. Eekhof zu dem Ergebnis, daß Calvin zwar 
für Luthers Mängel und die Unvollkommenheiten seines Werkes ein 
offenes Auge gehabt, auch von einer „Vergötterung“ Luthers nichts 
habe wissen wollen, wohl aber in ihm den von Gott berufenen Refor- 
mator erkannt und sein eigenes Werk als Fortsetzung des Beginnens 
jenes aufgefaßt habe. Nederl. Archief voor Kerkgesch. NS, 14 (1918) 
S. 273 — 296. 


158 78 


Aus einem ehemals Conrad Cordatus gehörigen Bande der 
Zwickauer Ratsschulbibliothek teilt O. Clemen eine kurze Disposition 
des Römerbriefes von Cordatus’ Hand mit. ZVKG. Prov. Sachsen 
16, 2 S. 117—119. 

In BBK. 26,1 S. 29— 38 zeigt O. Clemen (Melanchthon und 
Dürer), ‚daß Melanchthon sich bis in seine letzten Lebensjahre eine 
überraschende Fülle von Erinnerungen an sein persönliches Zusammen- 
sein mit Dürer (besonders im Mai 1526) bewahrt und nicht nur ein- 
zelne Bilder des Künstlers studiert, sondern sich in dessen ganze 
Kunst versenkt hat, was schwerlich geschehen würe, wenn Melanch- 
thon in Dürer nicht auch den Gesinnungs- und Konfessionsverwandten 
erblickt hütte. Gleichzeitig bezweifelt Clemen, daB sich auf dem von 
H. Preuß (Lutherisches in Dürers Kunst, in Festschrift für Hauck 1916) 
eingeschlagenen Wege, vornehmlich von dem Stimmungs- und Gedanken- 
gehalt der Bilder Dürers ausgehend, dessen religiós-konfessioneller 
Standpunkt mit einiger Sicherheit bestimmen lasse. 

Über eine Korrespondenz zwischen Fürst Georg von Anhalt und 
Bischof Mathias von Jagow von Brandenburg in Ordinationsfragen ans 
den Jahren 1589 und 1540 macht G. Kawerau in Jahrb. f. Brandenb. 
KG. 18 S. 56—62 nach Abschriften des Nachlasses Nik. Müllers (aus 
dem Zerbster Archiv) Mitteilung; dazu als Anlage ein Schreiben 
Georgs an Luther vom 22 April und ein Ordinationszeugnis der Witten- 
berger vom 27. April 1539. 

Einen Ausschnitt aus der Kirchenpolitik der deutschen evan- 
gelischen Fürsten in den Jahren 1561 und 1562 bietet K. Schorn- 
baum, ,Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die Tage 
von Nürnberg und Fulda" in BBK. 25, 3 S. 118—184, mit Abdruck 
einer ausführlichen Relation über die Fuldaer Tagfahrt (aus dem 
Nürnberger Kreisarchiv). 

In Zeitschr. f. bild. Kunst Jahrg. 54 (N. F. 30) S. 809—816 handelt 
M. Friedeberg über Crispin Hersanth, Hofmaler Herzog Albrechts 
von Preußen, und veröffentlicht von ihm ein ca. 1546— 49 entstandenes 
Gemälde in der Universitütsbibliothek zu Königsberg mit den Bild- 
nissen Luthers und Melanchthons und ein im eignen Besitz befindliches 
schöner Porträt des Melanchthonschülers, Historiographen und Astro- 
logen Joh. Carion, dessen Lebensnachrichten zusammengestellt werden. 


„Neues zu Alexis Krosners Lebensgeschichte“ bietet P. Vetter 
in NASG. 40 S. 161—170 insbesondere auf Grund von zwei Akten- 
stücken des Weimarer Gesamtarchivs vom Jahre 1535 über sein Lebens- 
ende, die auch über sgine Familien- und Vermögensverhältnisse Aus- 
kunít geben. Im weiteren erürtert Vetter nochmals Krosners kirchliche 
Haltung und sucht zu erklären, wie Kr. von Herzog Georg zum Hof- 
prediger angenommen werden und sich in dieser Stellung drei Jahre 
lang behaupten konnte. - 

Im Anschluß an drei nach einem Druck von 1544 (in Sammelbd. 
Zwickau) mitgeteilte Gebete, die nach seiner Vermutung von der 


79 15% 


Fürstin Margarete von Anbalt-Dessau herrühren, bespricht 0. 
Clemen erneut die kirchliche Stellung dieser Fürstin. Mitt. V. Anh. 
G. u. A. XIII, 2 S. 1—6. 

Den Einfluß des Aristotelismus auf die Theologie Melanch- 
thons und deren Entwicklung untersucht P, Petersen in Z. f. Philos. 
und philos. Kritik Bd, 161, 2 S. 149—158. 

Sieben Briefe des zum Freundeskreis Crato's von Crafftheim ge- 
hörenden Breslauer Patriziers Jakob Monau über geschichtliche und 
theologische Gegenstände an seinen Lehrer Beza und einen Brief 
Cratos an den nämlichen teilt Th. Wotschke aus dem Cod. Goth. 
A 405 in CorrBl. d. V. f. G. d. evangel. Kirche Schlesiens XVI, 2 
8. 814—848 mit. 

Zu dem Nachweis K. Schottenlohers, daß Th. Münzers Schrift 
„Außgetrückte emplössung“ usw. von 1524 nicht in Mühlhausen, sondern 
in Nürnberg gedruckt ist, gibt R. Jordan(+) in Thür. Sächs. Zeitschr. 
f. G. a. Kunst 9, 1 S. 53—57 aus dem Nürnberger Kreisarchiv einige 
Ergünzungen, die z. T. auch auf die uad der ,Scbutzrede* 
Münzers Bezug haben. 

Die „Freiburger Erinnerungen an Thomas Murner“ von P. A. 
Albert in Franziskan. Studien VI, 3 S. 225—247 suchen Murner von- 
verschiedenen Vorwürfen und Anklagen reinzuwaschen, die sich, von 
Protestanten wie auch von Katholiken erhoben, an dessen Verweilen 
in Freiburg knüpfen. 

In Schweizer theol. Zeitschrift 33 (1916) 8. 57—91 beini 
E. Staehelin „die Vätertibersetzungen Oekolampads“, wobei er be- 
sonderes Gepicht darauf legt, zu zeigen, wie diese Übersetzungs-- 
arbeiten, die Oekolampad als Humanist begann, ihm zur reformatorischen. 
Tat wurden. 

Einen Brief des Amtmanns (Stadthauptmanns) Georg von Ben- 
dorf in Leipzig an Herzog Albrecht von Preußen und dessen ab- 
lehnende Antwort inbetreff der Unterbringung des von Luther des 
Antinomismus verdüchtigten Jakob Schenk im Dienste des Herzogs 
veröffentlicht Th. Wotschke in Jahrb. f. Brandenb. KG. 11/12 S. 839- 
bis 842 aus dem Königsberger Staatsarchiv. 


A. Büchi veröffentlicht einen in der dritten Vereinsschrift der: 
Görresgesellschaft von 1914 als Vortrag ohne Belege abgedruckten,. 
wenig tiefgreifenden Aufsatz über „Kardinal Schiner und die Reform- 
bewegung“ in erweiterter Gestalt in ZSchweizer. KG. X, 1 S, 1—24. — 
Berichte über zwei von Schiner vorgenommene Visitationen in vor-- 
reformatorischer Zeit druckt derselbe ebenda Bd. XI, 1 S. 45—54 ab. 


Aus dem Dresdener Hauptstaatsarchiv teilt G. Loesche Primus. 
Trubers Kirchenordnung für die Stadt Kempten nebst zwei anderen 
Stücken aus der Zeit der Amtszeit Trubers in Kempten mit. BBK.. 
26,1 8. 17—25. & 


P. Castelberg, „Ludovieus Vives, ein Reformer des Armen- 
wesens im Ausgang des Mittelalters" (in Schweiz. theol. Z. 33 S, 4— 22, 


160 80 


110—122) zeigt besonders an der Hand der von C. Hedion ver- 
‚deutschten und eingeleiteten Schrift des V, „über das Almosengeben“, 
wie sich in Vives nicht nur die gesamte Opposition der beginnenden 
Neuzeit gegen die pädagogischen, sondern auch gegen die Mißbräuche 
im Armenwesen des späteren Mittelalters zusammenfaßt. 

In Schriften des Hennebergischen GV. Nr. 1] behandelt W.Stück 
auf Grund der sorgfültig herangezogenen Literatur den Grafen Wil- 
helm IV. von Henneberg (1485—1559). Er gibt eine Gesamtdarstellung 
der Politik Wilhelms, in der das kirchliche Moment, die Einführung 
der Reformation, eine Hauptrolle spielt. IX, 67 S. (1919). 

Zwei Briefe des Grafen Johann IV. von Henneberg, Abts (Ad- 
ministrators) zu Fulda vom Augsburger Reichstage 1530 an seinen 
Vater Graf Wilhelm IV., die für dessen Stellung zur Reformation 
sowie die Verwaltung der Abtei Fulda durch Johann beachtenswert sind, 
veröffentlicht W. Dersch aus dem Gemeinschaftl. Henneb. Archiv zu 
Meiningen in N. Beitr. z. G. d. Altert. hersg. von d. Henneb. Altertums- 
forsch. V. zu Meiningen 29 S. 72—77. 


Landschaftliches. In Bil. f. Württ. KG., N. F. 21. Jahrg. 
(1917) schildert Rentschler auf aktenmäßiger Grundlage die Refor- 
mation im Bezirk Nagold (162 S.). 

Aus den Religionsakten des bayerischen Reichsarchivs zu München 
veröffentlicht und erläutert E. Dorn in BBK. 25, 8 S. 107—117 ein 
Verwendungsschreiben des Markgrafen Georg Friedrich von Branden- 
"burg und eine Fürbitte der Stadt Kaufbeuren wider gegenreformatorische 
Maßnahmen der Regierung Herzog Albrechts V. von Bayern nebst 
zugehörigen Stücken (1571). 

Einige Briefe des Johann Brenz und Erhard Schnepf aus dem 
Jahre 1552, die sich auf den Versuch des Regensburger Rats be- 
ziehen, sie als Geistliche zu gewinnen, nebst einem Briefwechsel zwischen 
Nikolaus Gallus und Schnepf aus den Tagen des Wormser Kolloquiums 
von 1557 veröffentlicht Th. Trenkle in BBQ. 25, 4 S. 162—172 aus 
dem Regensburger Stadtarchiv. 

Aus den hsl. im Regensburger Stadtarchiv befindlichen Denk- 
würdigkeiten des Regensburger Stadthauptmanns Heinrich Schmidt 
-teilt H. Hainisch in BBK. 25, 1 S. 17—31 die kirchengeschichtlichen 
Stellen aus d. Jahren 1552—1597 mit, die besonders wegen der leiden- 
schaftlichen Hingabe des Verfassers, eines welterfahrenen Mannes, an 
den evangelischen Glauben bemerkenswert sind. 

K. Schottenloher, Handschriftenschätze zu Regensburg im 
Dienste der Zenturiatoren (Zbl. Biblw. 84 S. 65 — 82) untersucht 1. Kaspar 
Nidbrucks Bücherablage in Regensburg, 2. die Reichenbacher Hss. iu 
der Flaciusbibliothek. 


— U — — 


Drack von C Sohulze 4 Co., G. m. b. H., Gräfenbhalulohen. 


Markgraf Georg Friedrich von Branden- 
burg und die Einigungsbestrebungen der 
protestantischen Stände 1556—1559. II. 


Von K. Schornbaum. 


I. 


Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich. 
d. d. Worms, 3. August 1557. 


Durchleuchtiger hochgeborner furst! Eur F. G. seien 
mein ganz undertenige gehorsame willige dienst jederzeit 
zuvor. Gnediger herr. Eurn f. g. gib ich underteniger mai- 
nung zuerkennen, daß ich eur f. g. gegebnen bevel nach 
den penfall am kaiserlichen Cammergericht den halben tail 
Jacob Huckeln fiscal und den andern halben tail licentiat 
Reicharten, der in abwesen des Ottingischen Anwalts 
solehen ime zuzustellen uf sich genumen; wie dann Eur F. G. 
aus hiebeiligenden quittungen genediglich zuvernemen; welche 
funf mark, jedes fur zwen und sibenzig goldgulden und den 
goldgulden zu achtzehn batzen gerechnet an munz vierhundert 
zwen und dreiDigk gulden ton; doch haben sie den taler 
nicht hoher dann fur sibenzehn batzen nemen wollen. 

Zum andern, gnediger furst und herr, sovil das collo- 
quium belangt, gib ich eur f. g. underteniger mainung zu- 
erkennen, daß außerhalb Pfaltz!) und Wirttemberg?) 
(dessen theologi doch noch uf ankunft der sechsischen 
warten) noeh niemand, so zum Colloquio unsersteils ver- 
ordnet, einkommeu ist; es ist auch aus allerhand ursachen 
zuvermuten, daB sie noch alsbald nit ankommen werden. 

Zum Dritten haben wir dem furmann von Anhausen 
mit den furpferden widerum anbaim reiten laßen, auch bei 


1!) Dr. Friedrich von Thieve. Heppe I, 174 oder Dr. Walter 
Senft Blätter für Württemb. Kirchengesch. IV, 49. 
2) Lic, Balthaßar Eiülinger Blätter für Württemb. Kirchengesch. 
IV, 39. 
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 8. 11 


162 2 


Jorgen Drunklein des Herrn canzlers') zelter hinauf 
geschickt, welehs ich eur f. g. underteniger mainung nicht 
sollen verhalten und tue mich eur f. g. als meinem genedigen 
f. und herrn ganz undertenig bevelendt. Datum Wurmbs 
den 3. Augusti Anno 1557. 


E. F. G. vnderteniger 
Wernher Eysen D. scripsit. 


Adresse: dem durchleuchtigen hochgebornen fursten 
und herrn, herrn Georgen Friderichen Marggraven zu Branden- 
burg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden auch 
in Schlesien, zu Jegerndorf und ete. herzog, burggraf zu 
Nurnberg und furst zu Rugen meinem genedigen fursten 
und herren. 


Original in den Ansbacher Religionsakten im Kreisarchiv Nürn- 
berg 26, 192f. | 


II. 


Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich. 
Worms, 10. September 1557. 


Durchleuchtiger hochgeborner furst, gnediger herr. E. 
F. G. seien mein ganz undertenig gehorsam schuldig willig 
dienst jeder zeit zuvor. Genediger furst und herr. Eur f. 
g. gib ich underteniger maynung zuerkennen, daß, als wir 
den ersten Augusti alhie ankomen, verhoffend, der neben- 
abschied zu Regenspurg durch die gesandten dazumal 
abgered und die zu Frankfurt darauf ervolgte berat- 
schlagung und handlung sollt in beisein der sechsischen 
stend vor anfang des colloquii zu einer guten vorbereitung, 
damit desto eindrechtiger zu demselbigen man schreiten mocht, 
furgenomen worden sein. so sein doch die churfurstlichen 
sechsischen Gesanten allererst Sampstags naeh Bartholomei 
28. August]? desgleichen die Pommerischen Gesandten“) 


) Dr. Christoph Tetelbach. 

2) Graf Ludwig von Eberstein, Assessor; Heinrich von Einsiedel, 
Adjunkt; Dr. Gg. Cracovius; Melanchthon, Peucer, Eber. Vgl. Wolf 
S, 87. — Eber an Major. 1. September 1557. Corpus Ref. IX Sp. 249 
Nr. 6321. Peucer an Milichius d. d. 1. September 1557. Corpus Ref. 
IX, 251 Nr. 6326. Monner an Flacius 31. August 1557. Corpus Ref. IX 
Sp. 216 Nr. 6321. Salig III, 298. 

) M. Jac. Runge, Sup. zu Greifswald. S. Salig IIT, 292, Nach 
Heppe I, 180 kam der andere pommerische Gesandte Christian 
von Kußow erst Mitte September. 


8 163 


sampt andern mer allhie einkomen, also das man die hand- 
lung vermog des frankfurtischen abschieds von wegen ver- 
fliebung der zeit nicht mer furnemen konnen; jedoch haben 
sich alle theologen unsersteils in beisein unserer aßeßorn 
und auditorn in gehaltnem privatconvent einmutiglich zu der 
Augspurgischen Confeßion, derselben apologi und schmal- 
kaldisehen articuln bekent, dieselbigen aus h. gottlicher 
apostolischer und prophetiseher schrift zu defendiren, ver- 
werfen auch alles anders, so derselbigen zuwider ist!). 
Zum andern kann ich E. F. G. auch nicht verhalten, daß 
der reichsabschied dem chur- und furstlichen haus Branden- 
burg uferlegt ein politicum als auditoren zum colloquio zu 
geben. haben wir die marggrevischen gesandten zu Regens- 
burg uns verglichen, dieweil E. F. G. ein colloquenten geben, 
daß der eburfurst zu Brandenburg ein auditorem zum collo- 
quio verordnen soll. So haben doch sein churf. gu. noch 
niemand zu auditoren anhero geschickt, also daß von wegen 
des haus Brandenburgs solche person mangelt. Dieweil ich 
aber von E. F. G. wegen allein zu der nebenhandlung, so 
vor eingang des colloquii, den 1. Augusti, solt furgenommen 
und gehandlet worden sein, abgefertigt und aber dieselbig 
tractation aus obberurter ursach jetziger zeit eingestellt 
worden, hab ich den herren aßessoribus und andern personen 
zum colloquio verordnet in unserm privatconvent eur f. g. 
colloquenten?) presentirt und verner angezaiget, daß der 
Churfurst zu Brandenburg den abwesenden auditorem von 
wegen des haus Brandenburg geben soll, welcher verhoffent- 
lich noch werd ankomen. Darauf sie geantwort, daß der 
abschied lauter vermog, dass von wegen des haus Branden- 
burgs ein auditor soll gegeben werden. Dieweil aber sein 
churf. gnad noch niemands deshalber anhero geschickt, da- 
mit dem abschiede geburliche volziehung geschehe und der 
mangel des colloquii von wegen des haus Brandenburgs 
nicht erscheine, so muß solcher auditor durch andere marg- 
graven zu Brandenburg ersetzt werden, so lang bis sein 
churf. gn. hieher ordnen. Dieweil ich dann vor der hand 
und uf konftigen Sampstag [11. September] die proposition 
des colloquii bescheen werde, kann ich mich in kraft des 
reichsabschied und damit der mangel von wegen des haus 
Brandenburg nicht erscheine, solches nicht waigern. Die- 
weil ich dann gnediger furst und herr, soleh der stend 
embsig anhalten, erinnern und begeren nicht wol umgehen 
oder waigern, noch auch one eur f. g. vorgeenden bevel 


1) Sitzung vom 5. September 1557, s. Wolf S. 89. 
*) Georg Karg. 
11* 


164 4 


allerdings eingeen und bewilligen konnen, habe ich mich 
erboten, solehen auditorn von wegen des chur- und furst- 
lichen haus Brandenburgs solang zuvertreten, bis ich vernern 
bevel von E. F. G., wes ich mich hierin verhalten soll, be- 
komen mog, der undertenigen ungezweifelten hofnung, eur 
f.g. werde solches nicht zu ungnaden gereichen. Dieweil 
ich aber mit des herrn Pfarhers und Dechants handlung 
noch nicht abgefertigt und in hofnung stehe, der churfurst 
zu Braudenburg soll innerhalb 8 tagen hieher verordnen), 
will ich derselben zeit noch erwarten; im fall sein ch. f. g. 
inmittels nicht schicken werden und ich lenger verharren 
sollt, will ich den bei mir habenden einspennigen an eur 
f g. underteniglich anhaim abfertigen, dem herrn pfarrer 
mer zerung herab zuordnen mit underteniger bitt, mich als- 
dann gnediglich zuverstendigen, im fall der churfurst gar 
nicht schicken werd, wes ich mich alsdann verhalten sollt. 
Welches ich eur f.g. underthenigen schuldigen gehorsam 
nach zu berichten nicht underlaßen sollen und tue mich 
eur f. G. underteniglich bevelend. Datum Wurmbs Freitags 
nach Nativitatis Marie anno 1557. 


Euer furstlich Gnaden 
vnderteniger gehorsamer diener 
Wernher Eisen Dr. 


Adresse: dem durchleuchtigen usw. 
Original in den Ansbacher Religionsakten 26, Fol. 196 ff. 


III. 


Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich. 
Heidelberg, 25. Oktober 1557. 


Durchleuchtiger hochgeborner furst. Eur f. g. seien mein 
ganz untertenig schuldig gehorsom willig dienst jederzeit 
zuvor. Genediger furst und her, E. F. G. werden zweifelsone 
noch genedigs wissen tragen, aus was beweglichen und un- 
verwaigerlichen ursachen ich jezwerendem colloquio zu 
Wurmbs als auditor nicht mit geringen beschwerungen bis 
uf des churfurstlichen brandenburgischen auditors ankonft, 
damit dem reichsabschied entgegen und zuwider dem chur- 
und furstlichen Haus Brandenburg ainiche verhinderung hierin 
ufgelegt verden moge, uf begern der herrn assessorn unsers- 
teils beigewonet, verhoffent, mein genedigster her, der Chur- 


1) Schickte nur ein Entschuldigungsschreiben. Salig III, 339. 


5 165 


furst zu Brandenburg hette vermog dero zu Regenspurg 
sunder uns der rete bescheener und verglichener abrede irer 
churfurstlichen gnaden auditorn inmittels anhero verordnet; 
welche schickung aber bis anhero nicht allaiu des auditors, 
sunder auch irer churf. g. adjuncten als des Musculi zu Frank- 
furt verbliben und nicht hoffentlich, daß ir Churf. g. hierzu 
verner ordnen werden. 


Und wiewol, genediger furst und her, wir vermog des 
Regenspurgischen reichsabschieds an ayds statt angelobeu 
müßen, nichts, so im colloquio gehandlet werdet, jemand, 
wer auch der sei, weder schriftlich noch mundlich zu offen- 
baren, so kann ich doch Eur f. g. underteniger meinung nit 
bergen, daß gleich zu eingang, doch außerhalb des colloquii 
ein halssterriger theologischer kampf und Streit zwischen 
unsern theologis der augspurgischen confession entstanden, 
dergestalt, daß die fürstlichen sechsischen theologi als 
Schnepfius, Vietorinus, Stoßelius auch deren 
politieus doctor Basilius sampt Joachimo Mörlino 
und Sarcerio ernstlich uf etlicher personen und dero 
lehr verdammung und condemnation vor eingang des colloquii 
und zuvor und ehe man auf die articul kommen, gedrungen, 
dieselben auch publice in gegenwurtigkeit der papisten ton 
wollen, welches die andern theologi als cburfurstliche 
Sechsische, pfeltzische, Brandenburgische, 
Wirttenbergische, Pommerische, Heßische, 
Straßburgische aus vilen christlichen erheblichen und 
billichen, auch vernunftigen ursachen nicht ton wollen, fur- 
nemblich aber, dieweil inen solche lehr, die sie die Weyn- 
marischen theologi samt irem anhang verdammen wollten, 
nicht bekannt, auch hetten sie dero buecher nicht verlesen; 
so were man vermoge des reichsabschied nicht beysammen 
in solcher geringer anzal die leut, die nicht eitirt oder ver- 
hort weren, zuverdammen und solchs uf kunftigen sinodum 
verschoben. Hierauf haben unsers tails assessores und au- 
ditores mit den furstlichen sechsischen theologis und irem 
anhang zum vleißigsten underhandlung gepflogen, sie von irem 
unzeitigem mutwilligen vorhaben abzuwenden. Was dann 
in soleher vnderhandlung allenthalben furgelaufen und wie 
sich die Weynmarischen Theologi in solcher sach und privat- 
affect erzaigt, das haben Eur f. g. aus hiebey verwarter 
relation mit numero 1 signirt!) gnediglich abzunemen. Dann 


1) Relation, was mit den furstlichen sechsischen theologen, so 
mit den andern der Augsp. confeßionverwandten Theologen nicht ein- 
trechtiglich zum colloquio schreiten wollen, durch unserstails aßessorn 
uud auditorn gehandelt worden. Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 209 ff. 


166 6 


sie allain heiligen sein wollen, die niemals gesundiget. Die- 
weil dann sie die furstlichen sechsischen, wie Eur F. G. aus 
der relation der underhandlung genediglieh abzunemen, mit 
keinem billichen mittel zufriden, sondern straks dem reichs- 
abschied zuwider, zuvor und ehe man uf die articul komen, 
publicam condemnationem ton wollen, und aber baide chur- 
und furstliche aßessores Sachsen und Wirttemberg 
von iren genedigsten und genedigen herren ausdrückliche 
instructiones in kain condemnation zuwilligen noch der- 
selbigen beyzuwonen gehabt, ist also ein absonderung 
unserstails theologorum ervolget, das die Weynmarischen 
vermog der hern aßessorn instruction von wegen irer vor- 
habenden eondemnation abgesundert worden, welche alsbald 
an den herrn presidenten suplicirt und rat gesucht (doch alles 
extra colloquium) wie eur f. g. aus hiebeyligender schrift mit 
numero 2 signirt!) gnediglich zuersehen. Aus welcher supli- 
cation der kö. president etzliche artieul unsers tails aDessori- 
bus zuberatschlagen und seiner f. g. hieruf zu antwurten 
forgehalten, darauf die assessores dan sampt andern der 
augsp. confeßion stenden nach gehabtem bedacht dem k. 
presidenten beantwurt, wie eur f. g. in beiligender schrift 
mit numero 3 signirt?^ genediglich zusehen. Was dann uber 
solche der augsp. confeßionsverwanten stende antwort der 
kö. president sich verner in antwurt vernemen laßen, auch 
was uber das alles von uns um befurderung des colloquii 


(der sächsische Bericht) In den Akten liegt auch noch ein ver- 
vollstindigter vom 10. November 1557, unterschrieben von Ludwig 
von Eberstein, Balthasar von Gültlingen, Heinrich von Einsiedel, Georg 
Cracau, Philipp von Dinheim, Werner Eisen, Christian von Kussow, 
Friedrich von der Tann, Dan. Knebel, Joh. Krauß, Fol. 2531f. 


1) Protestatio exhibita assessoribus, auditoribus et theologis 
nostrae partis 21. Septembris anno 1557 Wormatiae. Ansbacher Reli- 
gionsakta 26, 2191f., gedruckt Forner S. 75 Copia H. Corpus Ref. IX, 
Sp. 284 ff. Nr. 6350. Heppe I Beilage VI S. 12 ff. Berufung Schnepfs, 
Mórlins, Striegels und Stóssels an den Prüsidenten des Gesprüchs (d. 
d. 23. September 1557). Ansbacher Religionsakta 26, 299a, gedruckt 
Forner S. 64, Copia A. Heppe I Beilage 7 S. 25. Bekenntnis und 
Protestation derselben. Ansbacher Religionsakta 26, 229b, gedruckt 
Forner S. 65, Copia B. Heppe I Beilage 8 S. 26. Zustimmung des 
Sarcerius. Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 230, gedruckt Forner 
S. 65, Copia C. Heppe I Beilage 9 S. 27. 

*) Verzeichnete Articul, welche uf der Weynmarischen gesanten 
an den herren praesidenten bescheen supplicirn durch den praesi- 
denten den herren aßesseribus zu beratschlagen furgehalten worden. 
Ansbacher Religionsakta 26, 231—236 s, unten. Bisher ganz unbekannt, 


T 167 


bei dem presidenten weiter angesucht worden, das haben 
eur f. g. aus beiverwarten copien mit numero 4!) und 5?) 
verzeichnet genediglich zuversehen. 

Als nun die Weinmarischen directe solchen iren 
privataffect publice und presentes in colloquio nicht volln- 


bringen mogen, haben sie haimlich ainen versigelten brieve - 


allain an die papisten lautend uherantwurt mit bitt, den- 
selbigen nach irem abraisen in consessu colloquii zuverlesen. 
Als nun die bapisten (als der Jenensium procuratores 
und patroni) solehen den notariis uberantwurt mit ver- 
schweigung der namen, woher oder von wem die brief 
kommen, daß sie also oblique ir vermainte condemnationes 
hinein bringen mochten, sind wir der augspurgischen Con- 
febion steed hinausgangen und dabei als bei einem actu, 80 
ins eolloquium nicht gehorig, nieht sein wollen und ein 
groDen kampf mit den bapisten darob gehabt, welche 
solchs Missiv (des inhalt uns nicht bewußt) ad acta collo- 
quii registriren wollen; aber solehs ist inen nicht gestattet 
worden?). 

Volgends haben sich die papisten understanden und 
solche absonderung unserer theologen als ein andern wege 
der verhinderung fur die hand genummen und dardurch das 
colloquium zu abrumpiren understanden, deshalben auch ein 
protestation im colloquio (dann wir solchen Keib und Streit 
fur kain actum des colloquii jemals erkant, auch dem presi- 
denten angezeigt, dass wir ire faule griff von in schreiben 
und sagen wollen) ubergeben, aus was vermainten nichtigen 
ursachen sie mit uns nach bescheener aussehlieBung zu 
colloquieren nicht schuldig, wie E. F. G. aus hiebei ligender 
schrift mit numero 69) signirt genediglieh zuvernemen. 


Uf welche protestation wir naeh lengs geantwortet und 
alle ursachen widerlegt und Teutsch mit den bapisten gered: 
wir seben wol, daß all ir intent dahin gerichtet sei, damit 
sie das licht scheuen und gern von dem colloquio weren, 
und soleniter wider sie protestirt, das ainieher mangel an 
unsern theologis nicht erscheinte, sundern erbieten sich zum 
colloquio zum hochsten. Was dann die condemnationes, da- 


1) Antwort des Präsidenten. Ansbacher Religionsakta 26, 237 
gedruckt Forner S. 66. Copia D. Chr. Gotthold Neudecker, 
Neue Beiträge zur Geschichte der Reformation. Leipzig 1811, I S. 141 
Beilage. Vgl. Heppe I, 203. 

*) Ansbacher Religionsakta 26 Fol, 239 s. unten. 

3) Verhandlungen vom 6. Oktober 1557; s. Heppe I S. 205f, 

) Protestatio Papistarum. Ansbacher Religionsakta 26, 250f. 
gedruckt Forner S. 96, Copia K. 


168 8 


rauf sie so heftig drungen, anlangen tet, wurden sie in. pro- 
greDu articulorum wol horen, das wir allain die augsp. 
Confeßion vertaidigten, verwurfen alles, so derselben zuwider, 
wie dan D. Philippus inen auch mit diesen worten antwurt 
gab: Si vultis habere condemnationes, tunc a vobis incipere 
volumus et condemnamus vestram diabolicam et. idolatricam 
doctrinam, sed saltem fugitis lucem et miras nobis a prin- 
cipio struxistis insidias et insuper quoque falsa crimina 
affingitis. Auf sollehen Streit der kó. president geantwurtet, 
daß er solchen streit vor der zeit an die kö. majestet ge- 
langen laßen; darauf im ir Mjt. widerum bevolen, gutliche 
handlung zwischen den parteien zu pflegen; wover sein f. g. 
sie nicht verainigen konnen, so sollte er solches alles an ir 
Mjt. widerum gelangen laen und dero resolution hieruber 
gewarten; inmittels den personen des colloquii injungiren, 
alda zuverharren und nicht zu verrucken. hieruber wir mit 
kurz replieirt, daß solch colloquium durch ein algemeinen 
reichsabschied decretirt, wie darin procedirt werden solt. 
und stund bei der k. Mjt. gar nicht, in abwesen der stend 
verner daruber was zu decretiren, konten auch in solche 
resolution on vorwiDen unserer gn. und gn. h. mit nichten 
willigen. Darauf ich mich alsbald anhaim zu reiten und 
relation aller handlung zutun erhoben. als ich gen haidel- 
berg kome und gen hof durch den Marsehalken!) und 
zwaibruekischen Hofmaister?) geladen wurd, find ich Phi- 
lippum Melanchthonem one alles geverd do. haben 
sie sovil mit mir gehandlet und vertrostung geton, es werde 
nicht lang mehr weren, daß ich wider mit Philippo gleich 
wol wider meinen willen gen Wurms gezogen bin. Dieweil 
dann der churfurst zu Braudenburg ein auditorem zu- 
geben sehuldig und eur f. g. dero colloquenten anhero ver- 
ordnet, bitt ich e. F. G. undertenig, mich von solchem col- 
loquio abzufordern. Im fall aber ich je solchem colloquio 
und streit (darum mich dann unsersteils aBessores ersucht) 
vollend auswarten solle, bitte ich E. F. G. ganz untertenig, 
mir genedigen bevel zukomen zulaßen, wes ich mich hierin 
berurts streits halber verhalten solle. Dann bei mir gar 
nicht verhoffentlich, das was fruchtbarlichs auf gegenwurtigem 
colloquio ausgericht werde, wie dann E. F. G. deßen ich 
vernern berieht der papisten unbillichen ungestumen und un- 
christlichen furgebens ton konte, wo es die sachen und 
personen gelegenhait leiden mochten. Welches alles ich 
E. F. G. underteniger mainung nicht sollen verhalten. tue 


1) Pleicker Landschad. 
*) Christoph Arnold. 


9 169 


mich auch hiemit E. F. G. zu gnaden bevelend. Datum 
Haidelberg, den 25. Octobris anno etc. 57. 


E. F. G. 
underteniger gehorsamer diener 
Wernher Eysen D. 


Adresse: Dem Durchleuchtigen hochgebornen fursten 
und herren, herren Georgen Friderichen usw. 


praesentatum 28. Octobris 1557. 


Cedula: Auch genediger furst und herr, haben wir 
nicht allain kain zerung mehr, sonder sind dem wirt uber 
hundert taler schuldig. derohalben mein undertenig bitt, uns 
bei eur f.g. einhennigen Hansen Brennern mehr geld 
zu abzalung der schulden und zu verner zerung gnediglich 
herab zu ordnen. datum ut in litteris. 


Ansbacher Religionsakta Tom. 26 Fol. 203 ff. und 252. 


1. Beilage zu III. 


Verhandlungen der Evangelischen mit dem Präsidenten 
am 24.(?) und 25. September 1557. 


Verzeichnete articul, welche uf der weinmarischen ge- 
santen an den herrn presidenten bescheen supplieirn durch 
den presidenten den herrn assessoribus zuberatschlagen fur- 
gehalten worden: 

Erstlich ob sein f. gn. sie die supplieanten auszuschließen 
oder ob solches die assessores als s. f. gn. allain zugegebene 
rate oder die auditores, welche nur testes praesentis actus, 
sie amoviren mogen; 

Zum andern, wan audienz gehalten werd, ob nit sein 
f. gn. den supplicanten auch ansagen laßen soll; 

zum dritten, da sie die suplicanten publieam audientiam 
begeren wurden ob in das abzuschlagen sein mocht; 

zum vierten, wan den suplicanten die confeßion ab- 
geschlagen wurde, mochten alsdan die alten religions- 
verwandten sagen, die supplicanten hetten ein billieh fur- 
bringen geton und die warhait bekennen wollen und were 
doch dem reichsabschied zuwider in solchs verboten worden, 
was sein f. gn. darauf den alten religionstenden zur antwurt 
geben mocht; 

zum funften mochten sich die aßessores hierin partei- 
lich machen; 

zum sechsten das auch die theologi hieruber gehort wurden. 


170 10 


und haben gleich alsbald dazumal sein f. g. bei dem ersten 
artikel, das ir f. g. die suplicanten nieht wol ausschließen 
konen, etliche ursachen furge wendet, nemlich, das sie nam- 
haftig von allen stenden der augspurgischen confeßion als 
eolloquenten und adjuneten den alten religionsverwandten 
verzeichnet angegeben auch alhie iren f. g. presentirt worden. 

und haben bei dem dritten articul und andern sein f. 
gn. auch die ursach furgewendet, dieweil in etlich mal schon 
angesagt, sie auch an aidsstatt angelobt. werden sein f. g. ir 
begeren in publicam audientiam nieht wol abschlagen konnen. 


Darauf haben die herren aßeBores den 25 septembris 
dem herrn presidenten uf obberurte articul nachfolgende ant- 
wurt geben: 

und erstlich sich ire gnaden und strengkeit des verzugs 
entschuldigen und verner anbringen laßen, das sie iren f. g. 
vorgehaltene artieul und consultation, so aus der Weyn- 
marischen und andern supplicationen hergefloßen, ganz wol- 
mainend verstanden und hetten ire gnaden und strenekait 
uf gebetene erlaubnus nicht underlaßen, solehes den andern 
potschaften und reten der augspurgischen confeDion anzu- 
bringen und sich mit inen hiruber notdurftiglich zuberat- 
schlagen; 

und geben ire gnaden und strengkait sampt andern der 
augspurgischen confeßion verwandten reten und potschaften 
seiner f. gn. auf den 1. articul diese antwurt: Nach dem die 
supplicanten bei seiner f. g. allain die untertenige ansuchung 
getan, ob wir der augspurgischen confeßions stende macht 
haben, sie von dem colloquio: abzuwechseln, haben sich sein 
f. gn. nicht zubeladen noch damit zubemuhen, obs ir f. g. fur 
ir person ausschließen moge. dann, dieweil ir f, g. die supli- 
eanten zum colloquio nicht geordnet oder gesetzt, so kon 
sie die auch nit entsetzen. 

es gebe auch der reiehsabschied jedem tail ausdruck- 
lich maß uf den fall ehaftiger furfallender verhinderung, wie 
die ersatzung geschehen solt, nemlich nach eins jeden teils 
gutbedunken und gutachten und hab also in ersetzung und 
abwechslung der colloquenten und adjuneten kain tail dem 
andern maß zu geben. und sonderlich dieweil es zu gut- 
beduncken baider tail stet, ist nicht vonnoten, das ain tail 
dem andern ursachen der abwechslung anzaige. 

zudem so were es je und allwegen in vorigen collo- 
quiis also gehalten worden, das jeder tail die abwechslung 
seines gefallens gethon. 

so hetten auch uber das die rete und potschaften der 
augspurgischen confeßion von,iren genedigsten und gnedigen 
herren sonderlich instructionen in privatas condemnationes 


11 171 


nicht zu willigen, welchen unsern instructionen auch dem 
reichsabschied zuwider die supplicanten etliche personen 
sampt iren leren on vorgeende citation, verhorung und er- 
kantnus publice zu eondemnirn vorhabens, defen wir dann 
inen aus angeregten ursaehen mit nichten gestatten noch 
darein willigen konnen. wir der augspurgischen eonfeßions- 
verwandte stende, rate und potschaften wolten uns aueh zu 
ir f. g. undertenig getrosten, die wurden uns dieser abwechs- 
lung halb kain maß noch zil geben, in maben dann auch 
unsere gnedige und genedige herren, so sie aigner person 
hie weren, inen kain maß geben laßen wurden. do aber 
ermelte supplieanten hierin von uns wider die billiehait be- 
schwert zu sein vermeinen, haben sie sich solches niergend 
anders dan bei unsern genedigsten und g. herrn zu beclagen, 
da sie notturftiglich beantwurt werden, aber bei der ersten 
frage sein f. gn. vermelden laßen, als sollten die aDessores 
allain seiner f. gn. zugegebne rat sein, das wißen ir gnaden 
. und strengkait iren f. gn. mit nichten einzureumen, dann der 
reichsabschied ein anders inhielt und auswise, nemlich das 
sie die aDessores copulative gleiehs gewalts mit ime dem 
herren presidenten weren und nichts weniger quö ad direc- 
tionem colloquii sollten geaehtet werden. 


aus welchem allem eur f.g. gnugsamlich gnedig zu- 
versten, das der augspurgischen eonfefions verwandte stende, 
rete und potschaften die supplicanten aus gegenwurtigem 
colloquio wolbefugter und gegrundter weys absondern mogen. 


es hinderten auch die von ir f. g. angezogene ursachen, 
al das sie sein f. g. verzeichnet ubergeben, inen ansag be- 
scheen aueh darauf alsbald an aidsstatt angelobt hetten, gar 
mit nichten, dann aus furfallenden verhinderungen jeder tail 
im anfang, mittel und ende des colloquii nach ausweisung 
des abschieds abwechslung ton moge. 


und ist auch die funfte frage der angezogenen partei- 
liehkeit hiebei mit grund bestendiger weys nach lengs ab- 
gelaint worden. 

uf die andern frage, ob inen den supplieanten anzusagen. 
und uf die dritt frage, wo sie um offentliche audientz bei 
iren f. g. anhalten wurden, ob in die abzuschlagen, ist ge- 
antwurt worden, dieweil wir sie nicht mer fur colloquenten 
und adjuncten und also fur personen des colloquii unsers 
tails erkennen und bei der ersten frag nottarftiglich aus. 
gefurt, das kain tail dem andern in abwechslung der person 
maß zu geben, so kann sein f. gn. inen nicht ansagen laben, 
aueh da sie sehon umb offentliche audienz anhalten wurden, 
und hett also sein f. g. mit inen nichts zu disputirn, sondern 
mochten aus erzelten ursachen inen solchs stracks abschlagen. 


172 12 


auf die vierd frage, was sein f. gn. den personen der 
alten religion hieruber, das die warheit zu bekennen ver- 
boten worden, antworten sollten, haben der augsburgischen 
eonfeßion stend ir f. g. dergestalt beantwurt, das die warheit 
zubekennen und zu confitirn in den supplicanten niemals 
gewaigert oder abgeschlagen worden. wie dann der augsp. 
eonfeDionsverwandten colloquenten und adjuncten zum collo- 
quio anhero verordnet vermittels gottlicher gnaden die lautern 
gottlichen warhait rein bekennen und nicht verschweigen 
wollen. und wollten aber die supplicanten allerlai beschwer- 
liche condemnationes im colloquio zuvor und ehe man zur 
tractation articulorum kommen furnemen, welches dem reichs- 
abschied ganz und gar entgegen und zuwider, welcher kein 
deeision vil weniger condemnation zuleßt, auch von kainer 
seeten sondern allain zwischen der augsburgischen confeßion 
und der alten religion den colloquenten zu colloquirn uf- 
erleget, konten also sein f. gn. mit grund den alten religions- 
verwandten stenden antwurten. 


uf die sechst frage die theologos auch hieruber zuhoren, 
ist s. f. g. daruber geantwurt worden, was der theologorum 
bedenken dieser verzaichnus und condemnation halben sei, 
das werden sein f. g. aus irer schriften in konftiger audienz 
genugsam anhoren und vernemen. 


dieweil dan die sachen also wie allenthalben vermelt 
geschaffen und vermog des reichsabschied alle unnotige, 
uberflußige gezenk sollen abgeschafft und abgeschnitten 
werden, und wir unserstails oftgemelte supplicanten nicht 
mehr fur colloquenten erkennten und damit das hochehrist- 
lich werk, darauf sovil augen sehen, von wegen vierer per- 
sonen (die sovil die eolloquenten anlangt schon aller ding 
ersatzt sein) nicht lenger aufgehalten und dem reichsabschied 
hierin geburliche vollziehung geschehe und das colloquium 
ins werk gericht werde, so ist an E. f. Gn. der augspurgischen 
confeBionstend underthenige bitte, inen furderliche audienz 
genediglich zuernennen und anzusetzen, damit sie geburlicher 
weys zu vernerer handlung schreiten mogen, dan sie ires 
tails, was zu schleuniger befurderung des colloquii immer 
dienstlich sein mag, an irem muglichen und hochsten vleis 
nichts erwinden zulaDen; so werden sich auch E, f. g. mit 
absehlegiger antwurt gegen den ansuchenden supplieanten 
zu verhalten wißen, nemlich das in E. F. G. macht nieht 
stehe, uns solcher abwechslung ordnung oder maß zu geben. 
da sie deDen ein beschwert, mochten sie sich deßen bei 
unsern gnedigsten und gnedigen herrn uber uns beclagen. 
Were nochmals unser hochste bitt, termin zuernennen und 
das colloguium ferner nicht aufzuhalten. 


13 173 


darauf sein f. gn. ein claines entwichen und nach clainem 
gehabten bedacht durch Doctor Selden antwurten laßen, 
ir f. g. hetten der augsp. confeßion stende antwurt genedig 
angehort, dieweil dieselbig uf vil puncten gestellet, wollt ir 
f. g. notturft erfordern, sich mit des andern tails der alten 
religion assessoren zu unterreden. es sehen auch ir f. gn. 
ganz ungern diesen streit und uneinigkait, dardurch die sach 
verzogen wurd. dann irer f. g. gelegenheit als wol der andern 
nicht were, in die leng alhie zuverharren. 

aber ains konten sie nicht unterlaßen zuvermelden, das 
nachdem im fortrage der parteilichkeit meldung gescheen, 
entschuldigen sie ire f. g. zum hochsten, das sie die herrn 
aDessores nicht anders dann die irem ampt treulich aus- 
warten, erkannt und habens nicht also gemeint, wie solchs 
etwa mocht eingenommen werden sein. ire f. g. haben sich 
auch ercleret, sie wollen eur gnaden und sírengkait kain 
maß geben, sich auch der sach anders nicht anzunemen, 
dann sich fur ir person zu exonerirn. darauf ir f. g. allain 
gefraget, ob auch die aDeDores sich in dieser sach fur part 
achten, beten derowegen ir f. g. sich hierin endschuldigt zu 
halten. das aber die aDessores oder andere sondere in- 
structiones zuverrichten hetten, darinnen wüßten sein f. g. 
niemand zuverdenken. Es wollten auch ir f.g. uns ver- 
treulich nicht verhalten, das die suplicanten ungestumb umb 
antwort anhielten und was sie teten, teten sie nicht fur sich 
selbs sondern aus bevel irer gn. fursten, herren und oberen. 
auch so wer ir gnediger furst und herr nicht weit von 
hinnen, darumb sie gern bald antwurt haben wollten. 

sie heiten auch letzlich vermeld, wo sie je nicht sollten 
zugelaßen werden, beten sie umb audienz, damit man sehen 
und spuren mocht, das sie die augspurgischen confeDion 
hielten und davon nicht gewichen weren. 


Ansbacher Religionsakta 26, 231—236. 


2. Beilage zu III. 


Antwort der Evangelischen Stünde an den Prüsidenten. 
28, September 1557. 


den 28. Septembris haben der augspurgischen confeßions- 
verwandte stend dem herrn presidenten mit unterteniger 
danksagung nachvolgends anbringen geton, das sie seiner f. 
gn.jungst gegebne antwort in beratschlagung gezogen und 
laBens also beiderselbigen wenden und bleiben. beten dero- 
wegen, Ir. f. g. wollt hierauf den colloquenten der augs- 
purgischen confeßion vermog des verzeichneten zettuls an- 


174 14 


sagen laßen und das gemein werk des christlichen colloquii 
verner oder lenger nicht verziehen noch ufhalten. 


darauf sein f. gn. geantwurt, das sie die supplicanten 
und sich seiner f. gn. gegebner antwurt gemeß gegen inen 
den theologen erzaigen wollten. Was iren f. g. ferner be- 
gegnet, wollten sie solehs der augspurgischen confeßions 
stenden widerumb furhalten laßen. 


Ansbacher Religionsakta 26, 239. 


N 


IV. 


Statthalter zu Ansbach an Werner Eisen. 
Ansbach, 29. Oktober 1557. 


Hochgelerter und erbar lieber Herr Doktor. Wir haben 
Eur jtzigs schreyben dem durchleuchtigen, hochgebornen fursten 
unserm gn. h. Marggraf Georg Friedrichen zu Brandenburg 
undertenig gethan und in demselben ausgefurtem bericht 
auch daneben ubersandten schriften, was in sachen das gein 
Wurmbs angestelte colloquium bisanhero fur handlung allent- 
halben forgeloffen bey briefzeigern empfangen und seins 
langen inhalt vernomen und die zwischen der Augspurgischen 
Confeßion verwandten Churfursten, Fursten und Stende zu 
berurtem colloquio verordneten botschaften rete und theo- 
logen entstandene zwispalt und sonderung, in warheit ganz 
ungerne gehört und wünschen, das Gott der almechtige die 
anschlage und furnemen, dadurch zuverhindern understanden 
werden will, damit die raine und wahre Lehre des heyligen 
evangelii nit weiter ausgebreitet werden soll, gnediglich 
brechen und zu nichte machen und die mittel in handel 
schicken, uf daß solch christlich werk nit zuruckgehe, sondern 
dardurch viel guts gestift und geschafft werde. Was aber 
eur entschuldigung belangt, daß ir euch bei dem colloquio 
dieweyl von unserm gnedigsten herrn, dem churfursten zu 
Brandenburg kain auditor verordnet worden, an desselben 
statt uf ander stende der Augsburgischen Confeßion ver- 
wandten botschaften und rete anhalten als auditor eingelassen, 
haben wir gleichwol solchen euren bericht und irer churf. 
gnaden halben furgefallenen mangel an hochgedachten unsern 
g. h. undertenig gelangen laßen!), darauf. ire f. g. neben 
unserm auch g. h. marggraf Johannsen zu Brandenburg hoch- 
gedachten churfursten in schriften ersucht, solchen auditorn 


1) Konzept der Religionsakta 26, 241 (cedula). 


= 


15 | 175 


irer churf. gn. tails nochmals zuverordnen. Ob solchs aber 
geschehen werde, kunnen wir nicht wißen. Doch hat sich 
hochgedachter unser gn. h. marggraf Georg Friedrich gegen 
uns in schriften dahin eröffnet, das ir von des Churf. Hauses 
Brandenburg wegen obberurtem «colloquio als ein auditor 
bis uf ankunft ains andern auditorn noch lenger beiwonen 
solle. Demselben wollet auch also nachkommen und euch 
in aller handlung solch colloquium betr. neben dem ehr- 
widrigen herrn Magistro Georgio Kargen, pfarrern und 
superintendenten allhie, nach der churf. sæchsischen, churf. 
Brandenburgischen und furstlichen Wirtembergischen, auch 
anderer fursten und -stende der Augspurgischen Confeßion 
verwanten verordneten auditorn und colloquenten nicht allain 
in jzigem eingefallenem zwiespalt, sondern auch in kunftigen 
tractationen in allwege richten und von denselben nielft 
sondern, und auch hernach, ob solch colloquium seinen vor- 
gang erreicht oder nieht, und was ferner fur handlung ge- 
pflogen wurdet, so viel sich laiden wyl, in schriften hieher 
zu wien machen. Daneben kunnen wir euch freundlicher 
maynung nit verhalten: nachdeme der landfriedbrecher Wolf 
Offner von Rotemburgk von ehe hochgedachts unsers gn. 
b. wegen verschiner zeit nidergeworfen und auch noch zu 
Schwebischen Hall in verhaft enthalten und von irer f. g. 
wegen wider denselben mit peinliehen rechten verfahren 
wurdet, daB uns dennach glaublich angelangt, wie sich des 
Offners und dan auch des Eustachius Goldleins 
geselschaft und verwandten mit straifen und durch andere 
practiken um eine gegenpfandung jemands, sonderlich so 
irer f. gn. zugehorig oder verwand emsig bearbaiten sollen, 
sonder zweifel in maynung und hoffnung, den verhaften 
Offner dergestalt ledig zumachen. Dieweil dann meniglich 
im ganzen Róm. Reich wol wißend, von welchen Chur- und 
fursten zu ehegemelten jzo zu Wurms werendem colloquio 
persouen verordnet, so haben wir euch dieser ding zur war- 
nung guter maynung zuberichten nit unterlafen wollen, da- 
mit, ob sich begeben sollte, daß ihr oder der herr pfarrer 
doniden hinweg und anhaims verraisen wurde, damit ir die 
sachen in desto besser achtung habet, und, damit ir nun 
unbeschwert desto eher wider anhero kommen muget, be- 
denket, wie auch am besten und sichersten sein, daß ir im 
hierauf ziehen den weg nicht eben der gemainen landstraßen 
nach, sondern etwo durch andere sichere gegenden und ort- 
richtet und furnemet auch im fall der not bei der nacht 
dureh-schlaifet. Und sonderlich auch allenthalben lebendig 
glait zuordnen laßen, so stark ir dessen forfallender gelegen- 
heit nach notturitig sein werdet und hierinnen keinen not- 
wendigen costen sparen. Welchs wir euch erhaischender 


176 16 


notturft nach im besten nit wollten unangezeigt laen und 
sind euch zu freundlichen willen und diensten geneigt. Datum 
Onolzbach den 29. Octobris Anno 1557. Statthalter. 


Schedula: Als auch von Euch begert wurdet, euch 
mehr zehrung hinach zuverordnen, so haben wir briefszaigern, 
Hansen Brennern ainspennigen, drithalbhundert gulden 
zu munz gerechnet alhie zustellen laßen. Die werdet ir von 
ime wissen zu empfahen. Actum ut in litteris. 


Konzept in den Ansbacher Religionsakten 26, 200 f, 


V 
e . 
Bedenken Kargs über den Frankfurter Abschied 1558. 


Durchleuchtiger hochgeborner gnediger furst und herr. 
Diese bekantnis der Chur- und fursten von vier artikeln 
unserer waren christlichen religion, so auch iu der Augs- 
purgischen ConfeDion begriffen und jtzt etlicher maßen strittig. 
nemlich von des sunders rechtfertigung vor Gott, von not- 
wendigkeit guter werk in den gerechtfertigten, von des herrn 
christi Abendmal unu von Mitteln Dingen oder mittelmeßigen 
cermonien in der kirchen, hab ich mit vleiß gelesen und 
sage nach meinem geringen verstand, das nichts unechts 
darinnen ist, sonder recht und wol damit explieirt und 
erclert, was die Augspurgisch confeßion setzt und lerit im 
4ten, 10, 15 und 20 ten articul. 


Das aber zwitracht unter den Theologen oder auch 
unter fursten und gewaltigen damit oder dadurch aufgehoben 
und einigkeit gemacht sei, ist soweit fel, das vil mer größere 
zwitracht derowegen zu besorgen. (Gott woll, das zu christ- 
licher vergleichung und einigkeit nur ein zugang und vor- 
bereitung sein moge.) Denn im artikel von der rechtfertigung. 
wie wol sie alle bekennen, das Osiander unrecht gelert und 
davon geredet habe, sind sie doch seiner meinung halben 
noch nicht gar eins und wollen etliche die Osiandrischeu 
zum Widerruf treiben, etliche aber wollens sonst in der gute 
hinlegen und vergeßen sein laDen. Und erhelt sich demnach 
der streit nicht dieses artikels halben an ime selbs, wie von 
der rechtfertigung soll gelert werden, sonder allein des 
osiander halben, wie er davon geleret habe, und ob er darum 
verdamt sey oder nicht. 


Im andern artikel von notwendigkeit guter werk in deu 
gerechtfertigten dringen etliche gleicher weise auf D. Georg 


17 177 


Major, das er widerrufen soll, welchs die andern unbillich 
achten, weil D. Major sein proposition je und alwegen wol 
erclert haben, die er doch auch nicht mehr zu brauchen sich 
gnugsam erpoten. 

bei dem dritten articul vom h. Abendmal unsers herru 
Jesu Christi sind noch etliche unnotige uberflußige fragn 
und ungereympte meinungen, so in diser bekantnis nicht 
angereget, deren vergleichung ich schwerlich hoffen kann. 


Im vierten von mittelmeDigen ceremonien fodern etliche 
auch ein offentlichen widerruf von denen, so zur Zeit des 
Interims etwas gewancket, der aber beede bei chur- und 
fursten und auch bei den theologen nicht zu erheben. Und 
ist zu besorgen, das nicht alle, so sich hiezu unterschrieben, 
diesem articul volge tun, sonder mer ceremonien dann dem 
wort gottes und der augspurgischen Confeßion gemeß halten. 

Darumb meines bedenkens der sicherste weg sein wird, 
das E. F. G. zu dieser confeßion und erelerung von Chur- 
und fursten gestelt, sich bekennen und unterschreiben mit 
dem erpieten, wie auch hiebey angehenckt, das, da in kunf- 
tiger Zeit obgemelter artikel halben durch andere disputa- 
tionen. erregt werden, wolten E. F. G. mit andern christlicher 
confeüion verwandten fursten und stenden gerne durch ge- 
burliche mittel und wege zur vergleichung und einigkeit 
helfen und dieselbigen sovil immer muglich und christlich 
befordern. 

Weitleuftiger von angezogenen vier strittigen artickeln 
. zu reden gehort in ein sonder gesprech und unterrede, dar- 
innen die mancherlei opinionen und meinungen der lerer 
mußen gehort und geurteilt, indes aber nicht desto weniger 
reine lere aus h. Schrift der Augs. confebion gemeß gefurt 
werden. d 

Soleh mein einfeltig bedenken E. F. G. in schriften fur- 
zubringen hab ich nieht unterlnDen sollen, untertenig bitten, 
E. F. G. wollens nicht anders denn in gnaden von mir auf- 
nemen und was sie in rat aus angeben des allmechtigen 
finden mögen, hierinnen tun und handlen. 


E. F. G. 
unterteniger und gehorsamer 
Georg Karg. 


Original in den Ansbacher Religionsakten 26, 323 f. 


Archiv für Reformationsgeschichte. XVII 3 12 


178 18 


VI. 


Johann von Küstrin an Kurfürst Joachim von Branden- 
burg. Warmbrunn bei Hirschberg, 12. Mai 1558. 


Hochgeborner furst, freundlicher lieber her Bruder und 
Gefatter. Unserm jungsten zuschreiben naeh, daß wir uns 
gegen E. L. auf die vier verfaßten Artikel zu Frang- 
fort am Main aufgericht freundlich ereleren wolten, wollen 
wir derselben dorauf nicht verhalten, daß wir bei uns noch- 
mals nit verstehen mugen, worzu wir den zugestelten und 
von uns erforderten revers von uns geben solten. Dann hette 
es mit solcher vorgleichung diese gestalt, daß euer allerseits 
Liebden sich deßen entlichen entschloßen, solche bekentnus 
als fur die ire alleine offentlich ausgehen zu laDen, domit 
also den andern die meuler gestupft, die uns mit allerlei 
trennung belegeten, so achteten wir auf solchen fall unnótig 
daß wir den revers, inmaBen er von uns gefordert, von uns 
geben sollten. Hette es aber die meinung, daß man unser 
bekentnus von uns auf folgende maß forderte, daB wir uns 
ereleren wolten, ob wir gesonnen, bei der Augspurgischen 
ConfeDion und derselben dorauf erfolgten Apologia zubeharren, 
und solehs neben andern offentlich bekennen und in aller 
unser namen ausgehen zu laßen entschloßen, so erkenneten 
wir uns solchs zu tun schuldig, weren es auch willig. und 
auf den fall, so achten wir abermals nicht notig, do solchen 
weg auf uns alle, die wir uns dazu bekenneten, solte ge- 
richtet werden und ausgehen, daß wir daruber weiter einigen 
revers von uns geben sollten. Hette es aber auch die mei- 
nung nicht, daß man gesonnen, solchs offentlich in drug aus- 
gehen zulaßen, um welcher ursachen willen dan solchen 
buch aufgericht td verglichen, so konnten wir abermals 
nicht achten, worzue solcher unser revers auf solchen fall 
ersprießlich sein mochte. denn soll es ein bekentnis heißen, 
so muß sie offenlich geschehen oder aber gar underlaßen 
werden. Eur L. wißen auch sonder zweifel, wiewol one 
einigen rum zureden, daß wir durch gnedigen und veter- 
lieben des alleweldigen willen und verleihung bei der ein- 
mal angenommenen und bekanten Augspurgischen ConfeDion, 
die aus den prophetischen und apostolischen schriften ge- 
nomen, auch den alten symbolis gemeß gestellt und uber- 
geben, unverrugt und unangesehen alles dreuen und mensch- 
licher furcht bis daher bestendiglich geblieben auch fortbaß 
dureh gotshilf zu beharren gedenken. Dermaßen seint weder 
wir noch auch unsere theologen des artikels von der justi- 
fieation noeh von den worten: gute werg seint nótig doch 
nicht zur seligkeit, item vom sacrament des leibs und bluts 


19 179 


christi nie streitig noch irrig gewesen. Dorumb wir sovil 
desto leichter, wann und so oft unser bekentnus von uns 
gefordert, dasselbige ungescheut tun und von uns geben 
konten. Weil wir dann E. allerseits Liebden vorfaßung der 
augspurgischen confeßion in obgemelten artikeln gleichformig 
befinden, so haben wir auch sovil desto minder ursach uns 
von E. Liebden und den andern in vorgeschriebenen puncten 
abzusundern. Was aber den vierten artikel die mitteldinge 
und ceremonien anlanget, weil dieselbigen einem jeden frei- 
gelaßen und dahin verglichen, daß man auch in zeit der 
verfolgung auch in solchen mitteldingen nicht weichen sollte, 
so haben wir fur unser person an solchen artikel auch 
keinen mangel, und vornemlich und dieweil die vorfolgung 
der kirchendiener, die sich nicht wolten ermahnen oder aber 
durch die schrift weisen laßen, nicht auf die mitteldinge, 
sondern auf die lehre gerichtet, und dahin solte zuverstehen 
sein gemeinet, mit solchem vorstande weren wir einig, achtens 
auch, daß er nötig und zu solchen wegen christlich und wol 
bedacht were. So weit nue E.L. der sachen halben auf 
vorgesetzte maßen, daß solch bekentnus auf die Augs- 
purgische Confeßion inmaßen die erelerung der vier artikel 
vorfaßt und itzo in unser aller namen offentlich ausgeen 
solte, wie dan die Augspurgische confeßion auch in aller 
erer namen, so sich zu jener £eit dazu bekent haben, 
übergeben und ausgangen, mit uns ainig und das in einer 
benannten zeit von E. L. uns solchs izo zugeschrieben werde, 
so wollen wir hiemit E. L. hinwiderumb und auf den fall 
freundlich und bruderlich zugeschrieben und bewilligt haben, 
daß wir solcher vergleichung mit E. L. und den andern chur- 
und fursten einig und uns dero gemeß vorhalten wollen. 
jedoch daB der vierte artikel, do er nicht genugsam auf 
solchen verstand ercleret were, nochmals dahin zu ercleren 
sein mochte. Und was nue dorauf E. L. Wille und gemuet 
sei, des bitten wir von E. L. bei zeigern richtige antwort. 
das wolten wir E. L. als unserm herrn und Brudern freund- 
lieber meinung nit verhalten, dero wir uns hiemit zu aller 
bruederlichen freundschaft und dienst tun bevelen. Datum 
Warmborn bei Hirschberg in Schlesien. Dornstags nach 
Cantate. Anno etc. 58 
von Gottsgnaden Johans marggraf zu 


Brandenburg. 


Cedula. 


Do es nu freundlicher lieber Herr Bruder und gefatter 
zu solchem weg geraichen solte, daß solchen bedenken in 
unser aller namen gestellet und also dasselbige werk mußte 


12* 


180 20 


im eingang und beschluß verandert werden, so haben wir 
gleich sere nicht vnderlaßen wollen, E. L. unser bedenken 
des vierten artikels halben von den adiaphoris, wie der zu- 
ercleren sein mochte, zuzuschicken, nicht der mainung, dab 
wir E. L. und den andern chur- und fursten, welche merers 
verstands sein dan wir, in deme ubergreifen wolten, sondern 
alleine zu unserer nottorft unsers gewißens, do wir dieses 
artikels mit E. L. und den andern einig sein sollten, anderer 
gestalt nicht willigen mochten. was nue E. L. bedenken in 
dem, das stellen wir zu derselben selbst gefallen. wir zweifeln 
aber mit nicbte, es werde E. L. und der andern verstand 
eben so wol zu solchem ziel gerichtet sein als der unser 
und sovil weniger wurde man auch bedenken haben mugen, 
diese zusetze und auslaßung etlicher wort zudulden, weil es 
doeh der substanz nichts nimt, sondern allein den effect 
erclert. 


Der vierd artikel von den adiaphoris oder 
mittelmeDigen ceremonien in kirchen. 


Von mittelmeDigen Ceremonien soll also geleret werden, 
daß dieselbigen mugen irer selbst halben one sunde ge- 
braucht und underlaDen werden, und, so die rechte christ- 
liche lehre des heiligen-evangelions reeht und reine gefur$ 
wird, mugen die bemelten ceremonien one schaden und 
nachtail gehalten werden. Do aber die rechte christliche 
leer des heiligen evangelions verunreinigt oder verfolget 
wurde, so seint nicht alleine die mittelmeDigen, sondern auch 
andere ceremonien schedlich und nachteilig, wie Paulus sagt: 
den unreinen ist alles unrein. Derhalben soll man dem 
widerteil zugefallen sich auserhalb irer bekerung und nach- 
gebung der reinen leer in heuptartikeln mit inen in mittel- 
dingen so wenig vergleichen, so wenig man solchs auch in 
verfolgung der leer ton soll. 

Dann obwol soleher artikel, in maDen er von E.L. 
allerseits gestelt, in seinen verstand nicht unrecht als nem- 
lich: ist die lere unrein, daß auch alle ceremonien an inen 
selbs nichts tuechten oder gulten, so konte doch das wider- 
teil daraus ursache haben und nemen, sovil heftiger in uns 
zu dringen, ire ceremonien an uns zunemen. dann were die 
lere bei uns reine, so mußen solche der papisten ceremonien 
bei uns auch reine sein, und wurden also die ceremonien 
bei uns auch reine sein, so hiebevor aus gutem bedenken 
abgeton widerum aufgerichtet, dadureh dem gegenteil die 
tuer geoffnet und ire halsstarrigkeit gesterkt. 

Wiewol wir nun wißen, daß dieser verstand bei aller- 
seits Eur L. nicht ist, oder sein kan dem widertail ausser 


21 181 


irer bekerung hinfort baz am wenigsten zu weichen, so 
mochten doch unsere widersacher sich des zu irem vorteil 
nutze machen, item den andern dadurch ursache gegeben 
werden, die sonst lust zum gezenk hetten, sich des sovil 
meher zugebrauchen und zu sagen, do unser einer, der die 
lere rein hette, auch die bepstliche ceremonien anneme und 
hielte, daß alle derselbigen lerern durch solche unsere ver- 
gleiehung verboten, solehs nicht zu strafen, und do sie es 
doruber teten, daf sie ins elend gingen und von niemands, 
so in solcher unser vergleichung weren, mußte hinfortbaß 
underhalten werden. 


Nun wiDen E. L. gleich sere, was fur ergernus und 
groDe uneinigkeit solche adiaphern bis doher in unsern 
kirchen eingefurt, wir wollen der verfolgung, die sie nicht 
wenig gesterkt und generet, alhier geschweigen, dadurch 
schulen und predigtstüle an vilen orten entbloßet und allerlei 
jammer doraus erfolget, des dan one not zuerzelen, weil das 
werk selbs solchs an vielen orten offenlich bezeuget; durch 
solchen anhang die dinge aber dahin ereleret, daß dem wider- 
teil so wol als denen, die do lust zu zanken hetten, dadurch 
die ursache benomen. 


Hierauf folget der ander punet dem anhengig: 


Und soll also rechter verstand von den ceremonien in 
der kirehen dem volk vleißig eingebildet werden auch dem- 
selbigen nach einitzlicher stand der Augspurgischen Confeßion 
verwant in seinen landen und kirchen die ceremonien also 
anstellen, domit sie dem wort gottes und also der Augs- 
purgisehen ConfeBion, so auf das wort gottes gegrundet, 
nieht zuwider sein, auch zu guter ordnung dienen. Und soll 
kein stand den andern der mittelceremonien halben, obschon 
dieselbigen allenthalben nit gleich seint, und was derwegen 
bishero in eines jeden landen dermaßen und in dem ver- 
stand, wie obgemelt, geordnet oder nachgeordnet werden 
mochte beschweren, anfechten, damniren oder in nachrede 
sezen oder den seinen zetun gestatten. Aus diesem punct 
seint nachfolgende wort ausgelaßen als nemlich (wie sonsten 
an seinem ort nottorftiglichen erclert). Welche wort diesen 
artikel fast vertunkeln. Dann solte er bleiben, so mußte 
der ort ausgedrugt werden, wo der were, darinnen solche 
ceremonien nottorftiglich ercleret. Dann sollte es auf die 
Augspurgische ConfeDion zuvorstehen sein, so were one nof, 
diese wort dazu zusetzen, weil der artikel an ime selbs 
außerhalb derer wort lauter auf die Augspurgische ConfeDion - 
zeiget. Wolte es aber auf eins jeden chur- und fursten 
ordnung gemeint sein, so were es abermals unsers erachtens 


182 22 


nicht nötig, dieweil einem jedem zugelaßen, wie er es izo 
hat oder inskunftig in seinen landen verordnen wurde, der 
Augspurgischen Confeßion gemeß aufzurichten. Und derent- 
halben, so hielten wir es dafur, daß die wort um merer 
erelerung willen wol auszulaBen oder aber dabei der ort in 
welehem man solche erelerung suchen und finden solte, 
ausgedrugt wurde. ltem daß die verfolgung der kirchen- 
diener auf die lere auch erclert und gerichtet. 


Actum ut supra. 


Kopie in den Ansbacher Religionsakten. Tom 26, 345 ff. 


Georg Helt’s 
Wittenberger Predigttagebuch. 


Von Georg Buchwald. 


Am 6. März 1545 verschied auf dem Schlosse zu Dessau 
in Gegenwart des Fürsten Georg von Anhalt dessen treuer 
Lehrer und vertrauter Freund, Magister Georg Helt’). In 
seinem Testament hatte der an seinem fürstlichen Schüler 
mit innigster Hingabe hängende Gelehrte seine reiche Biblio- 
thek jenem vermacht. Damit gingen auch Helts wertvolle 
Handschriftenbände in den Besitz des Fürsten über, und dem 
ist es gewiß zu danken, daß sie sicher verwahrt geblieben 
sind. Sie scheinen allerdings — vielleicht mit infolge der 
Schwierigkeit Helts Handschrift zu entziffern — bisher wenig 
durchforscht worden zu sein. Zuletzt hat sich der vor einigen 
Jahren der Wissenschaft entrissene, unendlich fleißige D. Niko- 
laus Müller mit ihnen beschäftigt. Die Aufzeichnungen, die 
er sich insbesondere tiber Nachschriften von Predigten Luthers 
aus Helts handschriftlicher Hinterlassenschaft gemacht hat, 
lenkten meine Aufmerksamkeit auf dieselben, da ich ver- 
muten mußte, dort mancherlei zu finden, was die Rörerschen 
Nachschriften der Predigten Luthers ergänzen würde. 

Meine Vermutung hat mich nicht getäuscht. Dank der 
großen Liebenswtürdigkeit des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Weyhe, 
der mir den zunächst in Betracht kommenden wichtigsten 
Band zur Durchsicht übersandte, konnte ich feststellen, daß 
Helts Aufzeichnungen für die Erforschung der Predigttätigkeit 
Luthers, ja der Predigttätigkeit in der Lutherstadt überhaupt, 
mancherlei neues, wertvolles Material enthalten. 


! Westphal, Zur Erinnerung an Fürst Georg den Gottseligen zu 
Anhalt. Leipzig 1907. S. 52. 


184 34 


Das gilt insbesondere von einem Bande, den man als 
ein Predigttagebuch Georg Helts bezeichnen könnte, Es ist 
ein 370 Blätter enthaltender, in Schweinslederschale gehefteter 
Quartband, ohne Signatur, mit der Versalinschrift Conciones 
ex ore D. Lutheri exceptae. Abgesehen von Notizen auf Bl. 2 
und Aufzeichnungen über eine Amosvorlesung?!) Bl. 31 bis 50 
stellt sich der Band als das Tagebuch dar, das Helt über 
den Besuch der Gottesdienste geführt hat, und zwar fast aus- 
schließlich in Wittenberg. Es umfaßt die Zeiten 25. Mai 1533 
bis 27. Juni 1535, 17. Dezember 1541 bis 19. März 1542. 
1. Juli 1543 bis 2. Februar 1545. Die letzte Wittenberger 
Aufzeichnung stammt vom 29. Oktober 1544. Helt begab 
sich dann nach Merseburg. Die weiteren, am 16. November 
beginnenden, im Dezember aussetzenden Notizen beziehen 
sich sämtlich auf Predigten Anton Musas?). 

Wir haben hier nicht wie bei Stephan Roth?) und Georg 
Rörer*) unmittelbare Nachschriften. Helt machte sich gewiß 
kurze Notizen, die er dann daheim schleunigst in sein Tage- 
buch eintrug. Als er zwischen dem 25. und 26. Juli 1534 
eine von Luther am 7. Juni 1534 in Dessau gehaltene Predigt 
verzeichnen wollte, vermochte er nur dürftige Notizen zu 
machen; literae exoluerunt obliteratae in tabella non poterant 
a me legi. 

Mit größtem Eifer besuchte Helt die Gottesdienste, und 
zwar nieht nur, wenn Luther predigte. Wir finden ihn früh 
und nachmittags in der Kirche. Predigt Luther in der 
Schloßkirche, so eilt er dorthin aus der Stadtkirche, in der 
er Bugenhagens Predigt angehört hat. Kommt er zu spät, 
so vermerkt er den Grund. Er versäumt auch nicht zu ver- 
zeichnen, wenn ein schlechter Platz das Zuhören erschwerte. 
Die Abwesenheit von Wittenberg infolge eines Rufes zu Fürst 


! Die mit B bezeichnete Bogenlage ist offenbar versehentlich 
hier eingeheftet. Die Vorlesung gehört ins Jahr 1535, da eine der- 
selben die Randbemerkung hat: aderat et Anthonius ex Anglia (vgl.. 
Köstlin-Kawerau 2, 866). 

7) Vgl. Westphal S. 45. 

) Poachs handschr. Sammlung ungedr. Predigten Luthers. 1884. 
S. XXXII. | 

9 Realenzykl. f. prot. Th. u. K.* 24, 426 ff. 


25 185 


Georg, sowie der Grund der Behinderung am Besuche des 
Gottesdienstes wird notiert. Sogar der Ausfall der Nach- 
mittagspredigt infolge des Wittenberger Schützenfestes!) wird 
verzeichnet. 

Man darf wohl annehmen, daß Helt seine Summas con- 
cionum für seinen fürstlichen Schüler bestimmt gehabt hat 
Das geht aus den zahlreichen Notizen hervor mit der An- 
rede Georgi, in denen der Angeredete noch auf das oder 
jenes verwiesen wird. Daß darunter Fürst Georg zu ver- 
Stehen ist, ergibt sich aus dem Hinweis auf die gemeinsam 
gehörten Predigten Luthers in Schmalkalden“) 


Helt hat aber nicht nur in diesem Band Predigtnach- 
schriften eingetragen. Es finden sich solche auch in den 
Bänden 6, 9, 9a und 10. Mehrfach verweist er selbst auf 
einen dieser Bände. Deshalb macht es sich nötig auch diese 
heranzuziehen. Von ihrem sonstigen Inhalt braucht hier 
nicht die Rede zu sein. Nur das sei bemerkt, daß sich in 
ihnen auch zahlreiche Sonntagslektionen Melanchthons finden. 
Soweit sie die Evangelien betreffen, dürfte wohl ein Zu- 
sammenhang zwischen diesen Aufzeichnungen und den Anno- 
tationes bestehen, die 1544 aus Nachschriften herausgegeben 
worden sind. Melanchthon, der den Druck nicht gern sah, 
begleitete ihn mit einer an Georg Helt gerichteten Widmung‘). 
Diese Sonntagslektionen, die keineswegs nur über die Evan- 
gelien, sondern auch tiber biblische Bücher (z. B. Genesis, 
Daniel), über den Katechismus, ja sogar de gradibus affini- 
tatis gehalten wurden, bedürfen eingehender Sonderunter- 
suchung. Hier sei nur erwähnt, daß Melanchthon bei diesen 
Sonn- und Feiertags früh 6 Uhr (vgl. 17. August 1533; 
7. April 1534), einmal, wenn die Angabe richtig ist, sogar 
früh 4 Uhr (1. Juni 1544) in seinem Hause gehaltenen Lek- 
tionen zunächst einen puer — einmal wird er mit Namen 
genannt — die betreffende Bibelstelle vorlesen. ließ, daß er 


1) Bl. 330 a. 

1) Bl. 246 b. 

5) Vgl. Westphal S, 35. 

*) C. R. XIV, 161; V, 560, 


186 26 


fleißig wiederholte, Fragen stellte, erklärte. und diktierte. 
Einmal hören wir (12. Oktober 1544), daß Cruciger für ihn 
die Lektion übernahm. Wiederholt bemerkt Helt, daß Me- 
lanchthon bereits vor dem Schlage die Lektion begonnen 
hatte — ein Zeichen für den Eifer, mit dem der praeceptor 
Germaniae sich auch dieser Tätigkeit widmete. Da der Be- 
such dieser Lektionen gewissermaßen — sicher für Helt — 
auch zur Wittenberger Sonntagsfeier gehört, sind dieselben 
mit in die folgende Übersicht aufgenommen. Sie sind außer- 
dem wichtig für die Feststellung der Anwesenheit Melanch- 
thons an den betreffenden Tagen in Wittenberg. Notizen, 
die den Ausfall der Lektion mit einer Reise Melanchthons 
begründen, sind beigegeben. 


Über Luthers Predigttütigkeit ergeben sich aus Helts 
Aufzeichnungen mancherlei neue wertvolle Aufschlüsse. Das 
Wichtigste ist das, was wir bezüglich der Predigten über 
Job. 15 und 16 erfahren. Bisher wurde — allerdings ohne 
einigermaßen genügende Begründung — angenommen, daß 
zwischen Ostern und Pfingsten 1537 Luther eine Reihe 
Predigten über Joh. 14 bis 16 gehalten habe!). Im Frühjahr 
1538 erschienen die über Joh. 14 und 15 im Jahre 1539 
die tiber Joh. 16 im Druck)), bearbeitet von Caspar Cruciger. 
Wir erfahren nun von Helt, daß Luther vom 28. September 
1533 bis Mitte oder Ende September 1534 in 26 Predigten 
Joh. 15,5 bis 16 Ende behandelt hat. Er hielt diese Pre- 
digten zumeist an den Sonntagen, an denen er vormittags 
im Hause gepredigt hatte, und zwar nachmittags zwei Uhr. 
Eine einzige Predigt (25. Oktober 1533) ist Sonnabends ge- 
halten. Luther trat an diesem Tage für den erkrankten 
Bugenhagen ein. Wenn wir nun annehmen dürfen, dab 
Kap. 14 und der Anfang von Kap. 15 in etwa 14 Predigten 
behandelt und daß diese 14 Predigten gleichfalls an den 
Nachmittagen der Sonntage gehalten worden sind, an denen 
Luther vormittags im Hause gepredigt hatte, so würde der 
Anfang dieser Predigten etwa in die Zeit kurz nach Ostern 
1533 zu setzen sein. 


1) Köstlin-Kawerau, Luther 2, 426. — Weim. Ausg. 45, XXXIX. 
23) Weim. Ausg. 45, XL; 46, VII. 


27 187 


Nach Helts Aufzeichnungen ergeben sich folgende be- 
stimmte Daten: 


o 
1538. 1534. 

1. 28. Sept. Joh. 15, 5 15. 1. März Joh. 16, 4—7 
2. 5. Okt. Joh. 15, 5 16. 15. „ Joh. 16, 8—11 
3. 12. „ Joh. 15, 6—9 17. 19. April Joh. 16, 12 

4. 19. „ Joh. 15, 10-14 18. 26. „ Job. 16, 8—11 
5. 25. „ Joh. 15, 15 19. 10. Mai Joh. 16, 13 

6. 26. „ Joh. 15, 16 20. 17. „ Joh. 16, 13ff. 
7. 2. Nov. Joh. 15, 17 21. 21. Juni Joh. 16, 16 fl. 
78. 9. „ Joh. 15, 18fl. 22. 28. „ Joh. 16, 20ff. 
9. 16. „ Joh. 15, 21ffl. 23. 12. Juli Joh. 16, 23 
10. 23. „ Joh. 15, 26 24. 16. Aug. Joh. 16, 23 

11. 30. „ Joh. 15, 26f. 25. 6. Sept. Joh. 16, 23 ff. 
12. 7. Dez. Joh. 16, 1 26. 7 „ Job. 16, 28 


13. 14. „ Joh. 16, 2 
14. 21. „ Joh. 16, 3 


Die vorletzte Predigt ist am 6. September 1534 gehalten. 
Die letzte Predigt ist undatiert. Da aber ihr Eingang keine 
repetitio der vorangehenden Predigt enthält, ist wohl an- 
zunehmen, daß sie am 13. oder 20. September gehalten 
worden ist. 

In einer Tischrede!) deutet Luther an, daß Cruciger bei 
der Herausgabe dieser Predigten sich nicht streng an die 
Nachschrift gehalten hat. Er sagt sogar: „Ich habs nicht 
gemacht, sondern Creutziger.“ „D. Caspar Creutziger hat 
sein grossen verstand und hohen fleyß dran beweyset“ ). 
Wenn nun auch Helt den Inhalt der Predigten nur sum- 
marisch wiedergibt, so läßt sich doch, insbesondere auch aus 
seiner Aufzeichnung über die letzte Predigt deutlich erkennen, 
wie frei und selbständig Cruciger bei seiner Arbeit verfahren 
ist. Andererseits spiegeln Helts Aufzeichnungen sehr oft das 
wirklich gesprochene deutsche Wort Luthers wieder, so daß 
wohl nichts anderes übrig bleibt, als diese Aufzeichnungen 
noch in extenso zum Abdruck zu bringen. 


1) Weim. Ausg. 45, XL. 
) A. a. O. 


188 28 


Außer jenen Predigten tiber das Johannesevangelium 
hat Helt noch eine lange Reihe vgn Predigten Luthers ver- 
zeichnet. Sie sind bis auf eine (7. Juni 1534 in Dessau) 
bereits sämtlich in der Weimarer Ausgabe abgedruckt. Aber 
durch Helt erfahren wir doch noch mancherlei Neues über 
diese Predigten, die wir übersichtlich im folgenden zusammen- 
stellen. 


W. A. 37, 183. 1. November 1533. Nachmittags 2 Uhr für 

den erkrankten Pfarrer Bugenhagen ge- 
halten. Luther trat, wie W. A. 37, XXVII 
richtig vermutet, in Bugenhagens Reihen- 
predigten über den Psalter ein. 

— 37,190. 8. November 1533. Wiederum für Bugen- 
hagen in derselben Reihe gehalten. Schluß: 
Sed non prosequar haec, ne nimium me 
defatigem, dixit d. Lutherus, et sie cessavit 
a praedicando. | 

— 37, 322. 25. Dezember 1533. 

— 37, 240. 26. - " 


Zwischen dem 28. Dezember!) 1533 und dem 5. Januar 
1534?) hat Luther nicht gepredigt. Wir erfahren von Helt, 
daß ein heftiger Katarrh, von dem wir bisher nichts wuDten, 
ihn am Predigen hinderte. 


W. A. 37, 258. 18. Januar 1534 nachmittags 3 bis 4 Uhr. 
— 37, 263. 25. „ 
— 37, 270. 1. Februar 
— 37, 278. 2. „ 
— 37,288. 8. „ " 
— 37,317. 8. März in arce praesente principe. 
— 37, 322. 22. post prandium. 
— 37,330. 25. „ sicher nachmittags. 
— 37, 338. 29. „ 
— 37, 347. 2. April 
— 237, 352. 3. „ 
— 37, 358. 5. „ 
— 37, 363. 6. 5„ 


3 3 3 3 
d d 3S 3 
3 3 


d s 


» 77 
mane hora octava. 
post prandium. 


» n 


3 3 & X 3 3 


77 » 


1) Vgl. Weim. Ausg. 37, 245. 
7) Vgl. Weim. Ausg. 37, 249. 


29 189 


. W. A. 37, 367. 7. April 1534 vesperi. 

— 37, 374. 8 „ „ in arce ante prandium. 

— 37, 381. 17. „ „ in arce praesente principe. 
Rörer gibt als Tag dieser 
Predigt den 16. April an 
Helt wird, da er den Wochen- 
tag angibt, das richtige 
Datum haben. 

— 37,387. 20. „ „ in arce praesentibus comi- 
tibus. 

— 37, 393. 14. Mai „ a prandio. 

— 37,399. 24. „ wa 

— 37,405. 25. „ * „ Am Schluß: Erat 
hie maximus estus in tem- 
plo, ergo non diu protraxit 
sermonem suum. 

— 37, 414. 31. „ „ à prandio. 

— 37, 419. 1. Juni „ in arce ante prandium. 


Neues erfahren wir über Luthers Reise nach Dessau im 
Juni und Juli 1534. Daß Luther. bestimmt am 7. Juni 
(1. Sonnt. n. Trin.) in Dessau gewesen ist, bestätigt die uns 
für diesen Tag von Helt bezeugte Predigt. Luther ist dann 
entweder am 7. Juni nachmittags oder am 8. Juni nach 
Wittenberg zurückgekehrt). Bisher mußten wir annehmen, 
daß der Dessauer Aufenthalt Luthers im Juli / August 1534 
sich begrenzte durch die Predigten, die derselbe am 12. Juli 
und am 9. August in Wittenberg gehalten hat. Wir er- 
fahren nun von Helt, daß Luther Mittwoch, den 15. Juli mit 
Helt, Bugenhagen und Cruciger nach Dessau reiste und dort 
bis zum folgenden Sonntag, 19. Juli, blieb. Sie verließen, 
naehdem Luther früh gepredigt hatte?), Dessau gegen drei 
Uhr und erreichten abends um die achte Stunde Wittenberg. 
Luther ist dann einige Tage später nochmals nach Dessau 
gereist’). 


1) Vgl. Weim, Ausg. 87, XXXIV. 
*) Vgl. Weim. Ausg. 87, 484 ff. 
- > Vgl. Weim. Ausg. 37, XXXVI. 


190 


W. A. 37, 506. 
37, 520. 


57, 564. 
37, 571. 
37, 577. 


37, 583. 
37, 605. 
37, 621. 


41, 33. 


41, 60. 


41, 338. 
41, 350. 
41, 355. 
41, 361. 
41, 368. 
49, 233. 
49, 308. 
49, 318. 
49, 353. 
49, 441. 
49, 449. 
49, 456. 
49, 464. 
49, 471. 
49, 479. 
49, 488. 
49, 492. 


90 


23. August 1534 in arce ante prandium. 


94. „ 


» 


27. Oktober , 


31. „ 
1. Novbr. 


8. , 
15. , 
25. Dezbr. 


31. Januar 1535 


» 

13. April 
l. Juni 
2. „ 
3. „ 
8. „ 
22. y 
24. 
29. „ 
2. Juli 


Kawerau, Luther 2, 412. 
Vgl. Westphal a. a. O. 


3) Margarethe. 


n 


» 


n 


» 


77 


n » 
25. Dezbr. 1541 
13. Januar 1544 


S d$ 33 33 3 3 


3 3 


in arce praesentibus duce 
electore et duce Henrico 
fratre germano ducis Ge- 
orgii. 

in arce. 


in arce praesente princi- 
pissa uxore de Braun- 
schweige!) ete. hora nona 
ante prandium. 


in arce. 

a prandio. 

in arce praesente uxore d. 
principis Joannis Anhal- 
tini 7). 


a prandio. 
» » 
» 77 
77 77 
» » 
n » 
n » 
77 77 
9 » 
77 n 
7 » 
” » 
» n 
» » 
79 77 
» » 


1) Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Calenberg. Vgl, Köstlin- 


31 E 191 


W. A. 49, 499. 6. Juli 1544 a prandio praesente d. 


principe Georgio Anhaltino. 
— 49, 511. 230. „ „ a prandio. 


— 49, 520. 27. „ „ 5„y. 
— 49, 525. 3. August „ „ s 
— 49, 534. 10. „ : > 
— 49,547. 7. Septbr. S s 
— 49, 554. l4. ,  , „ „ 
— 49,562. 91. , „ „ „ 
— 49, 570. 29. „ „ „ „ 
— 49, 620. 12. Oktober „ „ „ Am Schluß: Hic 


statim cessavit, forsitan 
propter vertiginem ). 


Am 8. August 1532 hat Luther in Niemegk eine Pre- 
digt über- die Taufe gehalten“). W. A. 36, X ist die Ver- 
mutung ausgesprochen worden, daß diese Predigt durch eine 
Taufe im Hause des Cordatus veranlaßt worden sei. Daß 
diese Vermutung richtig ist, bestätigt uns Helt, der auf die 
Predigt verweist“), quam doctor Martinus habuit aliquando 
in Nemeck in baptismo licentiati Cordati filii. 

Endlich sei noch auf eins hingewiesen. Viele der 
Nachmittagspredigten Luthers beginnen mit Hodie audivimus 
oder Hodie audistis. Man könnte geneigt sein anzunehmen, 
daß damit nur an das der kirchlichen Ordnung nach im 
Vormittagsgottesdienst behandelte Evangelium erinnert 
werden soll Es erscheint aber, nun wir an der Hand der 
Aufzeichnungen Helts in der Lage sind, den Hinweis Luthers 
auf die Frühpredigt (in der Regel Bugenhagens) mit dieser 
zu prüfen, als richtiger, darin eine Erinnerung an die ge- 
haltene Predigt zu erblicken. Das aber setzt voraus, dab 
Luther dem Vormittagsgottesdienst beiwohnte, auch wenn er 
selbst am Nachmittag zu predigen hatte. Das ergibt sich 


1) Helt erwähnt ausdrücklich, daß Bugenhagen am Vormittag 
über das euangelium de muliere peccatrice gepredigt habe. Dazu 
stimmt Weim. Ausg. 49, 520 n. 2. Diese Predigt ist also dem 27., 
nicht dem 22. Juli zuzuweisen. 

2) Vgl. Weim. Ausg. 49, XI. 

» Weim. Ausg. 36, 228 ff. 

4) Bl. 308a. , 


199 32 


mit Sicherheit aus der Predigt am 27. Juli 1544!) Hier 
bezieht sich Luther auf die Vormittagspredigt Bugenhagens 
Er hätte aber wohl kaum wissen können, daß dieser nicht- 
über das Sonntagsevangelium, sondern über das Evangelium 
des Tages Mariä Magdalenä gepredigt hatte, wenn er nicht 
selbst der Predigt beigewohnt hätte. Die Predigt am Trini- 
tatisfest (31. Mai) 1534?) beginnt: Hodie audistis, quod quo- 
tannis praedicandum de articulo, quem fatemur de Sancta 
Trinitate, ut illa doctrina conservetur ete. Tatsächlich hatte 
Bugenhagen in seiner Predigt vornehmlich die Bibelstellen 
alten und neuen Testaments behandelt, die als Beweisstellen 
für die Trinität dienen sollten ). 

Dankenswerte Erweiterung unserer Kenntnisse gibt uns 
Helt auch über die Predigttätigkeit Bugenhagens. Wie 
wundersam klingt es heute, was vor noch nicht 35 Jahren 
geschrieben wurde: „Es hat sich seltsam gefügt, daß wir 
nur wenige Predigten von dem Manne besitzen, der mit 
Luther die Kanzel der Wittenberger Pfarrkirche geteilt, mit 
ihm das Bedeutendste für die Kultus-Reform an der Ausgangs- 
stätte der Reformation geleistet hat“ ). Zahlreiche Predigten 
des Genannten sind inzwischen ans Licht gezogen und ver- 
öffentlicht worden?) Und hierzu kommen nun die Auf- 
zeichnungen Helts tiber spätere Predigten Bugenhagens. 

Abgesehen von zahlreichen Sonn- und Festtagspredigten 
bietet uns Helt viele der von Bugenhagen gehaltenen Reihen- 
predigten. Wir erfahren, daß er Mittwochspredigten über 
das Mattháusevangelium hielt. Das ist noch dieselbe Reihe h, 
die er vermutlich etwa nach Ostern 1530 begonnen hat) 


1) Weim. Ausg. 49, 520. 

2) Weim. Ausg. 37, 411. 

) Ebenso war Bugenhagen früh in der Kirche, wenn Luther 
predigte, vgl. Ungedruckte Predigten Bugenhagens usw. S. XIII. 

) Osterprogramm der Universität Halle-Wittenberg. 1885. S. 3. 

5) Bugenhagens Katechismuspredigten, gehalten 1525 und 1532. 
Zum erstenmal herausgegeben von Buchwald. Mit Einleitung von 
Albrecht. Leipzig 1909. — Ungedruckte Predigten Bugenhagens aus 
den Jahren 1524 bis 1529, Herausgegeben von Buchwald. Leipzig 1910. 

6) Über die vorhergehende Reihe von Wochenpredigten über das 
Matthüusevangelium vgl. Weim. Ausg. 28, I ff. 

) Weim. Ausg. 32, LXXV. i 


33 193 


und in die Luther während Bugenhagens Abwesenheit (Ende 
Oktober 1530 bis Ende April 1532) eingetreten ist!). Luther 
behandelte in dieser Zeit die Bergpredigt. Nach seiner 
Rückkehr übernahm Bugenbagen die einst von ihm begonnene 
Arbeit wieder. In Helts Aufzeichnungen begegnet uns die 
erste dieser Reihenpredigten unter dem 28. Mai 1533. Bugen- 
hagen begann an diesem Tage das 18. Kapitel. Er predigte 
über Matthäus im Sommer früh sieben, im Winter früh acht 
Uhr. Am 19. August 1534 stand er bei Kapitel 25, 3 Uff. 
Die bald darnach beginnende Katechismuspredigt, die den 
Sonnabend besetzt hielt, veranlaßte ihn, seine Wochenpredigt 
über den Psalter (siehe weiter unten) vom Sonnabend auf 
den Mittwoch zu legen (26. August, 2. September). Danu 
verhinderte ihn eine Augenkrankheit am Predigen. In der 
„weiten Hälfte des September brechen Helts Aufzeichnungen 
ab, um erst im Dezember 1541 wieder einzusetzen. Wir 
können also nicht feststellen, wann diese Wochenpredigten 
beendet worden sind. 

Zum Teil parallel mit jenen Mittwochspredigten liefeu 
Sonnabendpredigten, in der Regel nachmittags zwei Uhr über 
den Psalter, Am 19. Juli 1633 stand Bugenhagen bei Psalm 5, 
ain 5. September 1534 bei Psalm 36. Wir hórten bereits 
oben, daß zweimal Luther für ihn einsprang. 

Im Jahre 1543 hielt Bugenhagen Mittwochspredigten 
über das Johannesevangelium; am 4. Juli steht er im 5. Kapitel, 
die letzte von Helt verzeichnete Predigt, voin 29. Oktober 1544 
behandelt Joh. 10, 12. — Endlich finden wir auch einige Kate- 
chismuspredigten, nachmittags zwei Uhr gehalten. Im Jahre 
1534 Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag nach Vocem 
Joeunditatis und Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag nach 
Exaudi behandelt Bugenhagen das Vaterunser’). 

Bugenhagens Gepflogenheit, übermäßig lange zu predigen, 
finden wir auch durch Helt bestätigt). Es klingt doch wie 
eine leise Klage, wenn er uns berichtet*), daß Bugenhageu 
in seiner Osterpredigt den „größeren Teil einer Stunde* dazu 


1) A. a. O. 
2, Abgedruckt oben S. 92 ff. 
) Vgl. Ungedruckte Predigten Bugenhagens usw. S. XIV. 
) Bl. 115a. 
Archiv für Reformations geschichte. XVII. 3. 13 


194 34 


brauchte, valde prolixe die Ostergeschichte nach „allen 
 Evangelisten* zu erzáühlen. 

Helt gewährt uns auch einen Einblick in die Predigt- 
tätigkeit der Wittenberger Diakonen. Am fleißigsten predigt 
Sebastian Fróschel!. Von ihm besaßen wir bereits 
einige Predigten in der Nachschrift Anton Lauterbachs?). 
. Georg Rörer war uns bisher in erster Linie als Nach- 
schreiber der Predigten Luthers bekannt und geschätzt?). 
Hier finden wir eine reiche Zahl seiner Predigten“). Auch 
von der Predigttütigkeit Johann Mantels*) liegen uns 
einige Zeugnisse in Helts Aufzeichnungen vor. Er war wohl 
ein recht bescheidener Prediger. Die Nachmittagspredigt am 
4. Januar 1534 entnahm er Luthers Postile. Auch von 
Andreas Hügel) und Friedrich Backofen) finden 
wir hier einige Predigten. Zunächst fiel die Predigt in der 
Stadtkirche Bugenhagen und Lutber zu. Nur wenn diese 
behindert waren, sei es durch Krankheit oder Reisen, traten 
die Diakonen für sie ein. 

AuDer Caspar Cruciger, Justus Jonas und 
Georg Major begegnen uns noeh mehrere Prediger, die 
nur vorübergehend sich in Wittenberg aufhielten. So Theodor 
Fabricius?) und Aegidius Faber?) die wir dann 
beide in Dessau finden. Letzterer ging Anfang Oktober 1543 
nach Dessau!?^). Endlich Erasmus Alberus, der am 
12. August 1543 in Wittenberg gepredigt hat, knapp vierzebn 
Tage vor seiner Promotion zum Lizentiaten der Theologie 1). 


1) Beitr. f. sáchs. Kirchengesch. 14, 1ff. 

2) A. a. O. S. 114 ff. Vgl. Bd. 29, 233f. 

2) Realenc.? 24, 426 ff. 

) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts- 
geschichte. S. 44. 

5) Vgl. a. a. O. (Register). 

) Vgl. Enders, Briefwechsel 12, 40f. 

?) Vgl. a. a. O. S. 312. Buchwald, Zur Wittenberger usw. S. 164. 
Mitt; der deutschen Gesellschaft in Leipzig. IX. 1. S.77. 

8) Vgl. Enders 16, 29; Westphal a. a. O. S. 31. 

A. a. O. S. 30. 

10) Bl. 278 b. 

11) Vgl. Körner, Alberus. S. 74. 


€ 


54b [„ 19] 
[ » 20] 


55 b 
9a. 24 Aug. 17 


195 


Contiones anni 1533 exceptae aestate 
post Ascenstonis dominicae per Geor- 
gium Heltum, sed propter negocia et 
egritudinem meam aliquas non excepi eto. 
Cum venerit paracletus. Summa contionis 
ex d Pomerano post septiman boram. 
Summa concionis ex Po meran o feria 4a 
in c. 18. Matthei. In illo tempore acces- 
serunt discipuli dicentes quis maximus 
est in regno celorum etc.“) 

Summa concionis ex Pomerano ante 
prandium 2? penthecostes recitato euan- 
gelio Joannis 3? rediit ad euangelium 
recitatum in die pentecostes Jo. 14. Si 
quis diligit me, sed — — 

Summa eoneionis ex Pomeran o 4 feria. 
Si ita est causa hominis eum uxore 
Matthei 19. Impeditus fui hic propter res- 
ponsum dandum contra papistam, quominus 
signarem conciones per aliquot septimanas. 
Summa concionis Pomerani dominica 
2 post pentecosten. Homo faciens cenam 
est deus —- — 

Neglexi aliquas conciones propter malum 
pedem. | 

Summa concionis Pomerani ex euan- 
gelio Luce e. 5. de captura piscium. 
Concio Pomerani in ps. 5tem, 

Summa concionis ex Pomerano ex euan- 
gelio nisi abundaverit iustitia vestra ete. 
Summa concionis Pomerani in ps. 6tum 
die sabbati. 

Summa coneionis ex ore Pomerani 
in ps. 8°", 

Annotationes ex d. philip. Melanchthone in 
Danielem inchoatae mane hora sexta 17. Au- 
gustiquae erat dominica dies anno domini1533. 


1) Unten am Rande: fui occupatus scribendo contra fraterculum. 


Hinc non excepi omnes conciones per hanc estatem anni 1533 sed 
tamen interfui eis. Vermutlich handelte es sich um eine Widerlegung 
der Schrift des bis zum Sommer 1532 in Dessau als Prediger wirkenden 
Dominikaners Petrus Rauch „Antithesis der Lutherischen Bekenthniß“ 
(erschienen 1533). Vgl. Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampfe 


gegen Luther, 1903. 


S. 47. 
13* 


196 


1533 
9a. 4a [Aug. 24] 
9a. 5b [ , 31 
56a [ , 31] 
56b (Sept. 3] 
57a „ 6] 
Ha. 6b [| „ 7] 
57a [„ 7 
ga. 8b [ „ 14] 
57b („ 14 
57b [ , 17] 
9a. 10a | „ 21] 
58a 21 
58 b „ 24 
59b [„ 27 
60a | „ 28] 
60b | „ 28] 
9a. 11a 29 


7 


36 


Melanchthon (2. lectio in Danielem). 
Melanchthon (3. lectio in Danielem). 


Summa coneionis ex Pomerano) ante 
prandium in Euangelium ex Marei 7"? 
eapite de surdo et muto. 


Concio ex Pomerano 4 feria in c. 19. 
Matthei. Si vis ad vitam ingredi. 


Summa coneionis ex Po,merano sab- 
bato ex ps. 8. 


Melanchthon (4. lectio in Danielem). 


Dominica die ante prandium summa con- 
eionis ex Pomerano Luce 10. de legis- 
perito quaerente Jesum. 


Melanchthon (5. lectio in Danielem). 


Summa concionis ex Pomerano do- 
minica ante prandium. Dixit in euan- 
gelio Luce c. 17. de 10 leprosis. 


Sermonis summa ex Pomeran o 4. feria 

in e. 19. Matthei. Dixit de divitibus — .— 
Am Rande: Sermones multos non 

signavi impeditus labore quid scribendi 

contra quosdam etc. 

Melanchthon (6. lectio in Danielem). 


Summa coneionis ex ore Pomerani 
dominica die ante prandium in euan- 
gelium nemo potest duobus dominis ser- 
vire. 

Summa concionis ex ore d Pomerani 
4 feria hora 7* 24 septembris in c. 19. 
Matthei. | 


Summa coneionis ex d Pomerano die 
sabbatino in ps. 11. in domino confide ete. 


Summa concionis ex Pomerano do- 
minica in euangelium Luce de filio unieo 
viduae suscitato per Jesum. 

Summa concionis d D Lutheri a pran- 
dio eadem dominica die in baec verba 
Joannis. Ego sum vitis vos palmites eto. 
Melanchthon (7. lectio in Danielem). 


1) Genau notiert sind Melanchthons Lektionen am 17. August und 


am 29. September. 


Die vom 29. September ist die siebente. Mithin 


hat Melanchthon an einem der zwischenliegenden Sonntage ausgesetzt; 
an welchem, läßt sich nicht feststellen. 


1533 
61b Sept. 29 
62a „ 29 
62 b Okt. 1] 
63b („ 4] 


9a.19b | „ 5] 


64b [| „ 5] 
65a [ „ 6] 
65b [ „ 8] 
662 [ , 1l] 
9a.14a | „ 12] 
66b ( „ 12] 
66b | , 12] 
67b [„ 15] 
67b | , 18] 
68a „ 19 


9a. 16a | „ 19] 


197 
Summa  eoneionis ante prandium ex 
Pomerano in die S. Michaelis. 
Summa coneionis eodem die Michaelis a 
prandio ex ore d Pomerani in 0,12, 
Apoealypsis. 
Summa concionis 4 feria ex ore Pome- 
rani in e. 19. Matthei. Ascendens Jesus 
Hierosolyma ete. 


Summa coneionis ex d Pomeran o sab- 


' bathino die in ps. 12. Salvum me fac 


domine. 
Melanchthon (8. lectio in Danielem). 


Summa coneionis ex Pomerano do- 
minica die de hydropico Luce 14. 


Summa coneionis a prandio eadem do- 
minica ex d doctore Luthero in c. 15. 
Johannis. Qui manet in me et ego — — 
Summa concionis 4* feria ex Pomerano 
in e. 20 Matthei de duobus cecis. 


Sabbatino die sequenti non praedicavit 
dominus Pomeranus, sed magister 
Froschle traustulit autem euangelium 
quod est II] habente demonium ex Luca e. 11. 


Melanchthon (9. lectio in Danielem). 


Dominica die ubi recitatur euangelium 
ex c. 22. Matthei euius filius sit Christus 
Pomeranus non praedicavit, sed sa- 
cellanus Joannes. 


Eadem dominica summa ceoneionis ex 
d Luthero in e. 15. Joannis. 


S. e. feria 4 ex d. Joanne sacellano 
egrotante domino Pomeran o. 1. Cor. 1. 
gratias ago deo meo. 


S. e. die sabbatino ex eodem domino 
Joanne sacellano egrotante domino 
Pomerano. Primo recitavit verba ex 
Paulo 1. Corin, 1. expectantes revela- 
tionem. 


S.c.ex Pomerano dominica die post 
diem Luce. Primo recitato euangelio de 
bydropico c. 9. Matthei. 


Melanchthon (10. lectio in Danielem). 


198 


70b 


71a 


| 


[ 


9a. 17b | 


76a 


1533 
69b Okt. 19 S.c. eadem dominica post prandium ex 


» 


77 


22 


25 


26] 


26) 


26] 


2] 


5] 


38 


d doctore Luthero in c. 15. Joannis. 
S. c. ex ore domini magistri Georgii 
4 feria ubi repetivit euangelium ex c. 9. 
Matthei prioris dominicao quia dominus 
Pomeranus ipsum non ad plenum 
fractasset propter locum de novissimo 
iudicio. 

S. c. die sabbatino hora 2* ex ore domini 
doctoris Lutheri egrotante adhue do- 
mino Pomerano. Dictum est supra, 
quod Christus nos ad dilectionem mutuam 
multis cohortatus sit, ut alter in alter- 
um — — 


Melanchthon (11. lectio in Danielem). 


Dominica die egrotante d Pomerano 
concionatus est mane magister Frosch - 
lebinus — — ex euangelio Matthei 
e. 22. de similitudine regni celorum cum 
homine rege. 
S. c. a prandio ex ore domini d Lutheri 
eadem dominica die in c. 15. Joannis. 
Am Schluß: ego fui aliquantulum di- 
stractus in sermone nescio quare, deus 
misereatur mei. 
S. e. 4 feria ex ore domini magistri 
Froschlebius. — — euangelium ha- 
bitum dominica die ex c. 22. Matthei. 
S. c. die sabbatino hora 2* ex ore domini 
Martini egrotante adhue d Pomerano 
ex ps. 13 her wie lange wiltu meyn so 
gar vergessen. 


Melanchthon (12. lectio in Danielem). 


S. c. dominica die ante prandium ex ore 
domini magistri Georgii egrotante d. 
Pomerano. Hic regulus non multum dis- 
putavit — — 


S. c. dominica die ex ore domini doctoris 
Martini intra 2 et 3. Joannis 15. Haec 
mando vobis, uf diligatis invicem. 

S. c. 4 feria ex domino Joanne. Trac- 
tans verba epistolae ad Ephe. c. 6. de 
armatura nostra. l 


39 
1533 
76a Nov. 8 
9a. 22a | „ 9) 
71a M 9 
77b > 9 
78a » 1.2 
78a » 16 
9a.23b [ „ 16] 
78b [ „ 16] 
79b | „ 16] 
80a [„ 19] 
81a [ „ 22] 
9a. 25b „ 23] 
81b [ „ 23] 
82b [ „ 23] 


199 


S. c. ex dd Luthero die sabbatino qui 
erat octava Novembris in ps. 14. 

Am Schlusse: Sed non prosequar haec, 
ne nimium me defatigem, dixit d Lutherus 
et sie cessavit a praedicando, 


Melanchthon (13. lectio in Danielem). 


S. c. ex d. Pomerano dominica die 
quae erat 9. Novembris in euangelium 
Mathei c. 18 assimilatum regnum celi 
homini regi etc. 

S. e. eodem dominico die a prandio in 
tra 2 et 3 ex ore domini doctoris Mar- 
tini in c. 15. Joannis. 


S. c. feria 4. ex Pomerano. Breviter 
percurrit euangelium ex c. 21. Matthei, 
quia illud euangelium alio quoque tem- 
pore solet in ecclesia recitari, per totam 
autem sermonem urgebat haec verba. 
Hoc autem factum est, ut impleretur — — 


S. c. die sabbatino circiter horam 3 ex 
Pomerano. Repetivit primo versus ex 
ps. 14. quos ante octiduum tractaverat 
dominus doctor Lutherus. 


Melanchthon (14. lectio in Danielem). 


S. e. die dominica ex ore d. Pomerani 
mane post octavam. [Matth. 22, 15 ff] 


S. c. ex Luthero a prandio eadem 
dominica die ex c. 15. Joannis. 


S. c. ex ore d. Pomerani feria 4. post 
8vam horam in verba Matthei c. 21. 
relictis illis abiit foras etc. usque haec 
verba omnia quaecumque in oratione 
petiveritis — — 

S. c. sabbatino die a prandio ex ore d. 
Pomerani. Primo repetivit ps. dixit 
insipiens in corde suo etc. 


Melanchthon (15. lectio in Danielem). 


S. e. ex ore domini doctoris Pomerani 
dominiea die ante prandium in euan- 
gelium Matthei c.9. de puella suscitata eto. 


S.c. a prandio eadem dominica die ex 
d d Martino in c. 15. Joannis. Repe- 
tivit primo paucis dieta ante octiduum, 
quanto odio persequatur mundus Christum. 


200 


1533 
83a [Nov. 26] 
84b [ , 29] 
ga. 27b [„ 30) 
85b „ 30 
86a „ 30 
86a [Dez. 3] 
86b [ „ 6] 
ga. 29b | „ 7] 
87b » 7 
87b " 7 
88b | , 10] 
89a [ , 14] 


40 


S. c. ex ore d d Pomerani 4 feria 
ante prandium in haec verba Matthei 
c. 21. Et cum veniret in templum, ac- 
cesserunt ad eum usque ad haec verba. 
Homo quidam habebat duos filios eto. 


S. c. ex ore domini Pomerani die sab- 
batino in ps. domine, quis habitabit in 
tabernaculo tuo. 


Melanchthon (16. lectio in Danielem). 


S. c. dominica 1. adventus ex ore domini 
Joannis capellani, quia d. Pome- 
ranus rursum cepit egrotare. 


S. c. eadem dominica cirea 3 et 4 ex 
ore dd Lutheri in haec verba Joannis 
c. 15. Cum autem venerit paracletus 
Spiritus veritatis usque ad finem capitis. 


S. c. ex ore d. Pomerani quarta feria 
in c. 21. Matthei in haec verba. Homo 
quidam habebat duos filios usque ad 
haec verba aliam parabolam. 


S. c. die sabbatino ex ore Pomeranı 
in ps. 16. Bewar mich, her. 


Bl. 87a: Dixit de quodam Torgensi 
aurifabro qui errore anabaptistarum vor- 
reptus cepit insanire in Torgaw eto. 

Am Ende: fac ut tibi sermonem huius 
diei transcribi facias, quia non potui bene 
singula verba pereipere, habui enim in- 
iquum loeum standi. 


Melanchthon (17. lectio in Danielem). 


S. e. dominiea die ex Pomeran o vide- 
licet 2* adventus. 


S. c. a prandio eadem dominica die ex 
ore domini doctoris Lutheri in e 16. 
Joannis. Haec locutus sum vobis. 


S. c. ex d. Pomerano 4. feria in 
e. 21. Matthei homo erat paterfamilias 
qui plantavit — — usque ad finem ca- 
pitis. 

S. c. dominica die ante prandium ex ore 
magistri Georgii Pomerano visi- 
tante ecclesias in c. 11. Matthei de dis- 


. eipulis Joannis missis ad Christum. 


4l 


1533 | 
89b Dez. 14 S. e. dominica die a prandio ex ore 


90a 5 
91a " 
9a. 31b 5„ 
91b " 
92a » 
9a.32b 5„ 
93a 8 
93 b » 
95a 5 


21 


24 


25 


25 


25 


26 
26 


26 


27 


. 201 


D D Lutheri qui erat 14. Decembris 
in quo sermone repetivit tum praedicta 
in priore concione, quomodo scilicet der 
her Christus zuvor gesagt hatte, wie es 
yhn wurde gehn propter ipsum, das man 
sye wurde ihn pan thun — — 

Em Ende: Reliqui Witenbergam die 
Jovis post Luciae vocatus a domino meo 
praepotenti et redii tertia hora die do- 
minico sequenti ef statim ut descendi de 
eurrieulo intravi templum ad audiendam 
concionem etc. sed sermo inceptus erat. 
Summa illius concionis ex ore domini 
doctoris Martini est in caput 16. Jo- 
hannis, ubi repetivit praedicta in prae- 
cedenti sermone in haee verba haec 
praedixi vobis, ut non scandalizemini eto. 
S. e. ex ore d. Pomerani in sacra 
vigilia nativitatis Christi post prandium 
in euangelium Matthei c. 1. cum mater 
eius Maria desponsa esset Joseph etc. 


Alia lectio die natalis Christi in Danielem 
ez ore domini Philippi cum rediisset de visi- 
tatione!) in vigilia sancti natalis Christiani 
et primum iussit puerum legere m caput 
Lucae. 

S. c. ante prandium ipso die sancto na- 
talis Christiani ex ore Pomerani in 
c. 2. Lucae eriit edictum — — 

S. e. ex ore d d M post prandium in 
eodem die sancto. 

Melanchthon. 

S. c. ex ore d Pomerani ante pran- 
dium in die S. Stephani. Euangelium 
erat: et pastores loquebantur inter se 
transeamus iam Bethleem etc. " 


S. c. eodem die S. Stephani post prandium 
ex ore d Lutheri. 


S. e. in die Sancti Joannis quae inciderat 
in diem sabbati ex ore d. Pomerani 


Vgl. C. R. II, 691. 


202: 
1533 


9a.34b Dez. 28 
95b „ 28 


1534 
9a. 36a |Januar 1] 
uf 98b „ 1 


99a " 1 


42 


in qua primo recitabat euangelium Jo- 
annis eiusdem c. 1. In principio erat — — 


Am Ende: Die Saneti Johannis post 
prandium non est praedicatum, quia 
scholastici solent abequitare. 


Melanchthon?). 


S. e. ex ore d. Pomerani in die inno- 
centium recitato euangelio Ecce angelus 
domini apparuit — — 

Am Ende: in iis locis [Wegführung 
der Juden durch Nebukadnezar] potis- 
simum eonsumpsit concionem suam Pome- 
ranus. 


Summa concionis eodem die a prandio 
ex ore magistri Froschel. in verba 
euangelii erant pater et mater admirantes 
super iis etc. 


S. c. ex Pomerano invigilia circumcisionis 
domini i. e. feria quarta post prandium, 
nam ante prandium non solet praedicari 
in vigilia circumcisionis, ubi retraetavit 
ps. 16 quem antea inchoavit. 


Melanchthon. 


S. ce. ex ore d. Pomerani die circum- 
eisionis domini ante prandium. Primo 
recitavit euangelium Lucae 2, deinde 
locum adduxit ex genesi de circumcisione. 


S. c. eodem die a prandio ex ore d ma- 
gistri Georgii, quia d d. Lutherus 
laborabat catharro. In quo sermone 
paucis repetitis quae mane dicta essent 
de festo instituit sermonem de nomine 
Jesu. 


S. e. ex ore d. Pomerani sabbatino 
die post diem circumcisionis domini in 
ps. 17. Exaudi domine iustitiam. 
Melanchthon. 


S. c, ex ore d. Pomerani dominica 
proxima post diem eircumeisionis hoc est 
in octava innocentium. Euangelium erat 
Et erant pater eius et mater eius mi- 
rantes super his, quae dicebantur — — 


1) 9a. 84b die Johannis non praelegit dominus Philippus. 


= 


43 


1534 
101b Januar 4 


101b - 
9a.40b  , 
103a 

104a à 
104b " 
106a 5 
9a. 42a ] „ 
106 b 5 
107 b 


n 


11 


203 


~ 


S. c. ex domino Joanne eodem die 
vesperi, quia doctor Lutherus labora- 
bat ex catharro etc. versabatur in epistola 
ad gall. quae lecta est eodem die de 
lege pedagogo ad Christum et quomodo 
Christus nos redemit a lege, ut totum 
scribitur in postilla Lutheri, ex qua 
omnia desumpsit. 


S. e. ex ore domini d. Pomerani in 
vigilia trium regum post prandium in 
ps. 17. antea inchoatum. 

Melanchthon, 


S. c. ex ore d d Pomerani in die epi- 
phanias domini. Prius recitavit euan- 
gelium Matthei 2. de magis, deinde 
postillavit euangelium recitatum. 


S. e. ex ore magistri Froschleb a 
prandio eodem die saneto trium regum, 
quia hodierno die eciam Christus bapti- 
gatus est. 

Am Ende: His consumpsit concionem 
suam magister Froschlebius, quia 
doctor Martinus laborabat catharro 


S. e. ex ore d. doctoris Pomerani 
4. feria epiphanias dominieae in ca. 22. 
Matthei. Simile factum est regnum ce- 
lorum homini regi usque ad haec verba 
multi sunt vocati, pauci electi. 


C. s. ex ore Pomerani in ps. 18. die 
sabbatino hora 3. 


Melanchthon (Schluß der lectiones in Da- 
nielem ). 

S. e. dominiea post trium regum quae 
erat 11 Januarii ex ore domini Pome- 
rani in euangelium Luce 2. Cum esset 
factus annorum 12 ete. 


S. c. ex ore d. magistri Georgii eodem 
die a prandio, quia dominus d. Luthgrus 
laborabat catharro etc. in epistolam lectam 
eadem die dominica ad Ho. 12. obseero 
itaque vos, fratres ete. 


1) Die beiden hier auf den 11. und 18. Januar gelegten Lektionen , 
lassen sich nicht genau bestimmen. Sie gehüren auf die Sonntage vom 
11. Januar bis 1. Februar. 


44 


S. c. ex ore d. Pomerani feria 4** ante 
prandium in c. 22. Matthei tuno abeuntes 
eonsilium inierunt etc. 

S. c. die sabbatino ex ore Pomerani 
intra horam 3 et 4 in ps. 18. secundum 
numerum hebreorum. 


Melanchthon (in proverbia Salomonis’). 


18] S.c. ex ore Pomerani dominica die 


204 
1534 

107b Jan. 14 
108b „ 17 

9a. 43b ( „ 18] 
109a [ , 
109b „ 18 
110b „ 2l 
111a „ 24 
112a [ „ 25] 
113a „ 25 
113b „ 28 
11442 „31 
115a Febr. 1 
116b „ 1 

9a. 455 5„ 2 

® 

117b 2 


77 


ante prandium in euangelium nuptiae 
factae sunt — — 

S. e. ex ore domini doctoris Lutheri 
eadem dominica die a prandio inter 3 
et 4 horas. 

S. e. ex ore domini d. Pomerani 
feria 4'* ante prandium in c. 22. Matthei 
In illo die accesserunt ad eum sadducei ete 
S.e. die sabbatino ex ore Pomerani 
in ps. 18. 
S. e. ex ore domini d. Pomerani do- 
minica die in euangelium Matthei c. 8. 
de leproso curato — — 

S.c. ex ore d. d. Lutheri a prandio 
eadem dominica die. 

S. e. ex ore d. Pomerani 4. feria in 
c. 27. Matthei. Pharisei autem audientes, 
quia silentium — — 

S. c. ex d. Pomerano die sabbatiuo 
in ps. 18. ubi incepit a versu bey den 
heiligen bistu heylig ete. 

S. c. ex ore domini Pomerani dominica 
die ante prandium in c. 20. Matthei simile 
est regnum celorum patri familias, qui 
exiit — — l 

S. c. ex ore domini doctoris Lutheri 
eadem dominica die a prandio. 


Melanchthon (2. lectio in proverbiorum 
libellum). | 


S. c. ex ore domini Pomerani ante 
prandium in die purificationis Mariae etc. 
primo recitato Euangelio repetivit de 
gestis circa Christum — — 


1) 8. Anm. S, 203. 


45 
1534 
118a Febr. 2 
119a » 4 
119b á 7 
9a.46a| „ 6 
120b á 8 
121a - 8 
122a "EE 
123a „ 14 
9a. 48a [| „ 15] 
124a [„ 15] 
125b [ „ 15] 
125 b „ 18 
128 b 28 


205 


S. c. ex ore dd MLutheri eodem festo 
purificationis de baptismo. 

S. c. ex ore d. Pomerani feria 4 in 
e. 23. Matthei. Tune Jesus locutus est 
eum turbis etc. 


S. c. ex ore domini doctoris Pomerani 
die sabbatino in ps. 18. 


Melanchthon ). 


S. c. ex domino doctore Pomeran o dic 
dominiea in euangelium de seminante 
ea. 8 Luce. 


S. c. eadem dominica die ex ore domini 
d.Lutheri a prandio. 

S. e. ex ore domini doctoris Pomerani 
feria 4? in c. 23. Matthei in haec verba: 
vos nolite vocari rabi — — 

S. e. ex ore d d Pomerani die sab- 
batino in ps. Celi enarrant gloriam dei etc. 


Melanchthon ). Am Ende: Abfui hinc 
Dessaviae. 


S. e. ex ore domini doctoris Pomerani 
dominica die in euangelium Ecce as- 
cendimus Hierosolymam. 


S. c. eadem dominica post prandium ex 
d magistro Froschlebe in epistolam 
Pauli ad Corinth. ea. 13. de charitate. 


S. e. ex ore domini Pomerani die 
einerum feria quarta in haec verba Vae 
vobis scribae, pharisei — — 

Am Ende: Concessi hine Dessaviam 
voeatus sabbato post Estomihi et redii 
die Jovis post Matthiae Hine conciones 
aliquas neglexi tempore quo abfui Audivi 
seriam concionem Dessaviae ex 
Hausmanno dominica invocavit. 

S. e. ex ore domini d. Pomerani. 
Inicio repetivit dicta in enarratione psalmi 
Celi enarrant — — 


) Zwischen dem 8. Februar und 22. März schrieb Helt vier 
Lektionen Melanchthons nach, deren Tage sich nicht genau bestimmen 
lassen. Am 22. Februar war Helt nicht in Wittenberg. Die vier 
Lektionen verteilen sich also auf den 8., 15. Februar, 1., 8. und 15. März. 


1534 


1 


14 


15] 
15 


15 


18 


21 


22 


22 


206 

9a. 515 [März 1 
128 b » 
129a » 
130a " 
130a = 
9a. 53b | „ 
131a » 
131a » 
132a 5 
132a 5 
9a.55a y 
133a 5 


1) S. Anm. S. 205. 


46 


Melanchthon 1). Alia lectio quam incepit 


ante signum horae. 


S. c. ex ore d d Pomerani dominica 
Reminiseere in Euangelium de muliere 
Chananea Matthei 15. 

S. c. ex dd Luthero a prandio eadem 
die dominica. Hactenus audistis, quam 
magnifice debeatis sentire de baptismo 
nostro contra hostes baptismi etc. nunc 
revertamur ad euangelium Joannis — — 
Sequitur in textu expedit vobis, ut 
vadam ete. 

Dominico Oculi in arce praedicavit domi- 
nus doctor Lutherus praesente prin- 
cipe euangelium Luce 11 de demonio 
eiecto et die sequenti de tentationibus 
Christi ex Mattheo c. 3. quas non signare 
potui propter pressuram populi quas 
transeripsi ex Forsthemio. 

Am Rande: Abfuerunt hine per octi- 
duum visitatores. Hine non collegi con- 
ciones ex Pomerano quia Pomeranus 
rediit die Veneris post oculi eto. 

S. c. ex ore d Pomerani in ps. 20 die 
sabbati vel in vigilia letare. 


Melanchthon). 


S. c. ex ore domini Pomerani dominica 
letare recitato euangelio — — 

S. c. ex d d Luthero eadem die do- 
minica in caput 16. — — Nunc audiamus 
de3, quod iudicabit mundum de iudicio — — 
S.c. ex ore d d Pomerani 4. feria 
post letare. Ecce ego mitto ad vos 
prophetas et sapientes usque ad finem 
capitis 23. 

C. s. ex ore d Pomerani die sabbatino 
post letare in ps. 21. 


Melanchthon. 


S. c. ex d Pomerano dominica Judica ? 
in euangelium Joannis 8. 


2) Darüber: fac ut transcribas hunc sermonem, quia tarde veni. 


47 
1534 


133b März 22 


134b „ 24 


9a.56a „ 25 
135b „ 25 


1364 „ 25 


207 


S. e. ex ore d d Lutheri eadem do- 
minica post prandium. Omittamus nune 
per hos dies futuros traetationem Joannis, 
sed pro temporis exigentia de Christi 
passione concionabimur. 

S. c. ex ore d d Pomerani in vigilia 
annunciationis Mariae a prandio recitata 
epistola ex c. 7. Esaiae pete tibi signum 
a domino etc. 


Melanchthon. 


S. c. in die et festo annunciationis Mariae 
ex ore domini doctoris Jonae ubi reci- 
tato euangelio. 

S. e. eodem festo annunciationis Mariae 
ex oredd Lutheri de passione Christi. 


Darnaeh steht Bl. 136b am Rande: 
In vigilia Palmarum neglexi concionis 
partem primam propter nobilem Rho- 
derum?) erat autem sermo de convivio 
in quo accubuit Christus et Lazarus ubi 
docebat de officiis illis externis charitatis 
et familiaritatis quae praestanda aliis et 
illa placere deo. 

Dominica palmarum dominus d. Pome- 
ranus porrexit in recensenda passione 
Christi secundum ordinem historiae gestae. 
Brevis summa concionis ex ore d d 
Lutheri eodem die palmarum. 

S. e. 4. feria post palmarum ex ore do- 
mini Pomerani. Primo repetivit, quae 
dixerat praecedenti sermone, deinde re- 
censuit gesta die lunae, Martis et Mer- 
curii — — 

S. c. eadem 4. feria post palmarum repe- 
tivit inicio quae dixerat d d Lutherus 
in sua concione. 


Melanchthon. 


Summa concionis ex ore domini doctoris 
Lutheri in die coenae domini mane 
hora octava. 


1) Oswald Röder vgl. Clemen, Helt S. 15. 
2) Könnte auch auf den Palmsonntag, 29. März, zu legen sein. 


208 


141a 


9a. 61a 
142a 


143a 


143b 


144b 


9a. 63a 
145a 


9a. 64a 
146a 


1534 


April 


2 


48 


Am Rande: Hoc die eciam passio 
domini solet praedicari in arce et tune 
Hieronymus Weller praedicavit eam. 


S. e. in coena domini ex ore de Pome- 
rani a prandio. Incepit primo recitare 
euangelium ex Joanne 13 usque ad haec 
verba postquam autem lavit pedes 
eorum — — 


Melanchthon. Mane hora sezta. 


S. e. in bona 6. feria mane ex ore domini 
Pomerani  hHeeitavit passionem in- 
eipiendo ab iis quae Christus passus est 
in Caiphae domo. 

S. e. eadem sexta bona feria a prandio 
ex ore d d Lutheri. 


S. e. ex ore domini doctoris Pomerani 
in saneta vigilia paschatis. Recitato euan- 
gelio quod ineipit Convenerunt principes 
sacerdotum ct pharisei ad Pilatum — -— 
S. c. a prandio eadem sacra vigilia pas- 
eatis. Lecta epistola ad Cor. ca. 5. de 
fermento — — 


Melanchthon. 


S. e. ex ore d. Pomerani ipso die 
pasehatis ante prandium. Primo recitavit 
historiam de festo pro maiore parte horae 
valde prolixe ex omnibus euangelistis, 
ut videri licet in libello Pomerani. 
impresso de passione et resurrectione 
Christi etc. deinde dixit de usu resur- 
rectionis — — 

Summa brevis coneionis domini doctoris 
Lutheri a prandio eodem die festo. 


Melanchthon. 


S. c. ex d. Pomerano 2. pascae ante 
prandium primo reeitato euangelio Lucae. 


(Fortsetzung im nächsten Heft.) 


Die reformatorischen Kirchenordnungen 
Ober- und Innerösterreichs. 
Mitgeteilt, eingeleitet und erlüutert von Georg Loesche. 


Verzeichnis der Abkürzungen. 


GPrÓ, = Loesche, Geschichte des Protestantismus in Österreich. 1909. 

Fischer — Fischer, Kirchenlieder-Lexikon. 1878f. 

Herold — Herold, Alt-Nürnberg in seinen Gottesdiensten. 1890. 

Jahrbuch — Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Pro- 
testantismus in Österreich. Seit 1880, 

Julian — Julian, A dictionary of hymnology. 1892. 

Mützel = Mützell, Geistliche Lieder der ev. Kirche aus dem 
16. Jahrh. 1855. | 

Sehling = Sehling, Die ev. Kirchenordnungen d. XVI. Jahrh. 1902. 

Simrock — Simrock, Lauda Sion. 1868. 

RGG. = Die Religion in Geschichte und Gegenwart. 1909. 


Die erläuternden Anmerkungen sind auch auf Nichttheologen 
berechnet. 


Vor der Kenntnisnahme der bisher ungedruckten Un- 
kunden wird ein Überblick über die bereits veröffentlichten 
deutschen Kirchenordnungen Alt-Osterreiehs willkommen sein. 


Böhmen. 

Elbogen, 1522. Sommer, Das Königreich Böhmen, 
statistisch - topographisch 15 (1847), 1. 12. Loesche, 
Mathesius 1895 s. v. A. Horčička, das geistige Leben 
in Elbogen zur Zeit der Reformation, 1895. (Vgl. Jahrbuch 
17, 235.) Über dem reichen archivalischem Befund im Stadt- 
archiv zu Elbogen hat ein Unstern gewaltet; hoffentlich wird 
ihn Prof. Dr. J. Weiss daselbst nun auswerten. Abdruck 
von K. Reißenberger, Jahrbuch 2, 61—64, mit einigen 
sprachlichen Erklärungen. O.Clemen, Zeitschrift für Kirchen- 
geschichte 26, 82—94, bespricht sie, vergleicht sie mit den 

Archiv für Reformationsgeschichte, XVII 14 


210 50 


Reformen in Wittenberg, beleuchtet die dem Auftrage des 
Prager Domkapitels gemäß ergangene Entgegnung des Admini- 
strators Dr. Zack und die Rechtfertigung durch W. Rappolt. 
Sie enthält 17 Punkte: Der Messe soll die Predigt voran- 
gehen; Abschaffung der Prozession, des geweihten Wassers 
und Salzes; werktüglieh statt der Frühmesse Lesung des 
Evangeliums und dann gegebenenfalls Messe; Abendmahl 
unter einer Gestalt oder beiden; Ohrenbeichte steht frci; 
Sonntags soll der Prediger vorsprechen: Zehngebot, Glauben, 
Vaterunser, Ave Maria; Predigt des reinen Evangeliums; 
Abstellung des Begüngnisses der Toten und des Seelen- 
gedüchtnisses; Begleitung der Leiche; Freiheit des Kirchhofs; 
Taufe in deutscher Sprache; Vespern, Metten u. s. w. nach 
Belieben des Pfarrers; der Pfarrer empfängt den Zehnten, 
Opferpfennig und Mühlzins, soll einen Kaplan halten und 
dem Schulmeister den Tisch geben. 


Sct. Joachimsthal, 1551. Ausführlich behandelt und 
erläutert von Loesche, l. c. 1, 259—330; abgedruckt von 
demselben im Jahrbuch 15, 1— 14. 


Prag, 1611. Die deutsche Salvatorkirche richtete sich 
nach sächsischem Vorbilde. 

Vgl. über sie mein demnächst erscheinendes Werk: 
Die böhmischen Exulanten in Sachsen. 


Schlesien. 

. Jügerndorf, 1561. Eheordnung. G. Biermann, Geschichte 
des Protestantismus in Österreichisch-Schlesien, 1897 s. v. 
Sehling 3, 448. Abdruck: Notizenblatt der histor.-statistischen 
Sektion der K.-K. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur 
Beförderung des Ackerbaues u.s. w. 1871 7, 59—62. Jahr- 
buch 13, 11—16. Sehling 3, 450. (Vgl. dazu Jahrbuch 31, 
396.) 


Freudenthal und Goldstein, 1584, 1591, 1592. Bier- 
mann a. a. O. s. v., Sehling 3, 475. Abgedruckt: Schriften 
der histor.-stat. Sektion l. e. 9, 342—354. Sehling 3, 476. 


Teschen. G. A. Skalský, Jahrbuch 22, 1—17. 
Sehling 3, 458—463. Bei beiden Abdruck. 


51 l 211 


Mähren. 


Iglau, 1569, 1570, 1575, 1576, 1604. Wurzinger, 
Bilder aus Iglaus Vergangenheit, 1904. Derselbe, Chronik 
der Stadt Iglau, 1919. Trautenberger, die Kirchenord- 
nungen von Iglau im 16. Jahrh. Jahrbuch 2, 143—177. 
Vgl. ebd. 6, 141. 13, 55. 15, 178. 22, 187. 24, 283. 34, 
237. Die Abhandlungen von F. Schenner: Ztschr. d. deut- 
schen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens 
2, 1. 15, 222. 16, 84, 374. 17, 114. 

Abdruck der ersten vier bei Trautenberger, l. c.; 


Sternberg, 1614. Wolny, Kirchliche Topographie von 
Mähren 1855 f., 2,54. Trautenberger, die Münsterberger und 
das Evangelium in Sternberg. Jahrbuch 11, 79—112. 
Skalsky, Die Kirchenordnung von Sternberg. Jahrbuch 28, 
78—122, hier auch Abdruck. Sehling 3, 464. 


Niederösterreich. 


1571. GPrÖ. S.32f. Böhl, Beiträge zur Geschichte 
der Reformation in Österreich, 1902. Vgl. Jahrbuch 10, 48. 
24, 270. 26, 201. 29,178. Druck: Christliche Kirchen 
Agenda: Wie die von den zweyen Ständen der Herrn vnd 
Ritterschaft / im Ertzhertzogthumb Oesterreich vnter der 
Enns / gebraucht wird. s. l. [Stein] 1571. (4 Bl. CCXIIII 
gez. Bl. 3 Bl), 4° (Ex. in Berlin, Kgl*Bibl.; Wien, Bibl. d. 
Ev.-theol. Fakultät, während sie in tausenden gedruckt war). 
Prächtiger Druck! 

Die Vorrede nimmt Bezug auf die Augsb. Konfession 
v. 1530. Der Inhalt gliedert sich in 13 Abteilungen. 
I. Ordnung der Predigten. Grundlagen sind die h. 
Schrift und die Augsb. Konfession. Anweisung zum rechten 
Predigen. Zwei Predigten an den Sonn- und Feiertagen, 
zwei in der Woche, nämlich am Mittwoch und Freitag. 
Genaue Vorschriften für alle Predigtthemata; alle Sonntag- 
Nachmittag im Winter und Sommer ist stets der Katechis- 
mus za predigen; Mittwochs Erklärung der Sonntagsepistel, 
Freitags die eines Evangelisten oder eines Briefes Pauli. 
An dem alljährlichen Wahltage von Richtern und Rat Pre- 

14 * 


212 62 


digt vom Amt der Oberkeit. Von Ostern bis Michaelis 
wöchentlich ein Bettag für die Ernte; bei Teuerung, Pesti- 
lenz, Krieg Mittwochs und Freitags Bußpredigten. 


U. Von der Heiligen Tauffe. Zeremonien sind zu- 
lässig, auch Gevattern, am besten drei; Taufe am geeignetsten 
vor der ganzen Gemeinde; Exorzismus steht frei). Tauf- 
ansprache, Gebete. Ermahnung und Fragen an die Gefattern?). 
Taufformel. Gebet. Nottaufe. Nachträgliche Feier in der 
Kirche, wenn das Kind am Leben blieb. Sollten die Be- 
treffenden tiber die Nottaufe unbestimmte Antwort geben, 
so faufe man wie ungetaufte Kinder?) Über Taufe alter 
Personen, die bei Wiedertäufern erzogen sind, von Juden, 
gefangener Türken ), mit geschichtlicher Einleitung °). In die 
öffentliche Versammlung ist ein Bottich voll Wasser zu 
stellen, um und um mit schönen Tüchern und Teppichen 
umhängt; nachdem alle Dinge mit Predigten, Examen und 
Gebeten verrichtet sind, weist man den Täufling unter die 
Teppiche, wo er sich auszieht und ein langes weißes Hemd 
anzieht und in die Wanne gesetzt wird; dann werden die 
Teppiche aufgezogen und der Täufling wird dreimal mit 
dem Haupt ins Wasser getaucht; die Gevattern ziehen ihn 
jedesmal bei den Armen heraus; dann wird ihm das Wester- 
bemd angezogen, die Teppiche ziebt man zusammen, und 
der Täufling zieht sich an und begibt sich an seinen Platz. 
Form des catechisn#, das ist, des Unterrichts, Vermahnens 
und Befragens an den Catechumenum und seine Paten, mit 
Unterstützung von Chorgesang. 


III. Vom Catechismo. Über seine Wichtigkeit, auch 
in Schule und Haus; die Pastores sollen dabei lieblich, freund- 
gelig und holdselig mit den Kinderp fahren, damit sie nicht 
abgeschreckt werden. Folgt der kleine Katechismus mit 
Erklärungen, wesentlich nach Luther. 


1) Über diese Frage: RGG. 2, 790. 
*) Ebd. 4, 1256. 

3) Vgl. Sehling 1, 1, 268. 

€) Vgl. ebd. 2, 365. 

5) Vgl. dazu RGG. 5, 1086f. 


53 213 


IV. Von der Confirmation!) Dieser Abschnitt ist 
von einer für diese Handlung ungewöhnlichen Ausführlichkeit, 
reich mit Ansprachen, Gesängen und Gebeten ausgestattet. 


V. Von der Beicht vnnd Absolvtion. Die Einleitung 
streitet u. A. gegen die Novatianar?), die denen, so nach 
der Taufe sündigen, die Absolution versagen und gegen die 
„zu unseren zeiten vnbedächtig vnd leichtfertig wider diese 
priuatam Absolutionem disputieren: Ein Mensch könne die 
Sünde nicht vergeben'.“ 


VI. Von Christlicher Kirchenzucht / Vnd daß der 
Bann rechtmässig / vnd mit gebürlicher Bescheidenheit ge- 
braucht werde. 

Kein Pastor soll aus eigener AnmaDung die Leute 
öffentlich in den Bann tuen oder mit Namen von der Kanzel 
strafen, es sei denn, daß er nach vergeblicher Vermahnung 
solehes zuvor hat an die gelangen lassen, welehe von den 
zweien Stünden zu den Religionshandlungen deputiert sind 
und von ihnen Befehl empfangen. Die Öffentliche Publi- 
kation geschieht an einem Sonntag; nur die Teilnahme an 
der Predigt bleibt dem Betreffenden gewährt®). Die Depu- 
tierten haben auch über Wiederaufnahme zu entscheiden, 
die wieder, während der Reuige vor dem Altar steht, öffent- 
lich erfolgt, eingerahmt von Chorgesängen. Er kommuniziert 
als letzter, indem zwei Kirchenväter ihn aufheben und zum 
Sakrament führen. Solche Kirchenzucht ist Niemandem an 
seinen Ehren verweislich. Von weltlichen Strafen ist nicht 
die Rede. Solche Form der Buße wird auch u. a. mit 
Frauen vorgenommen, die ihre Kinder etwa im Bette er- 
liegen oder ersticken, wie leider oft geschieht. 


VII. Ordnung der h. Christlichen Meß; in den Zu- 
hörern bekannter Sprache, unter Zulassung lateinischer Ge- 
sänge an Orten, wo Lateinschulen sind. Zu Ende der Pre- 
digt soll der Pastor für die Stände und besonderlich, die- 
weil diese Länder mit den Türken grenzen, für den Kaiser 


1) Vgl. RGG. 8, 1642. Sehling 1, 1, 2. s. v. 
N RGG. 4, 843. 
*) Vgl. Sehling 1, 1, 206. 


214 54 


Glück und Sieg wider den Türken und alle Notdurft der 
Kirche das gemeine Gebet tuen. 


VIII. Von Festen vnd Feyertagen. Weihnachten an 
drei Tagen; Beschneidung; Epiphanias; LichtmeD; Empfäng- 
nis Christi; Tag Coenae Domini; Karfreitag; Ostern an drei 
Tagen; Himmelfahrt; Pfingsten; Trinitatis; Mariä Heim- 
suchung; Stephan.; Joh. Evang.; Bekehrung Pauli; Matthias; 
Philippi und Jakobi; Täufer; Peter-Paul; Jakobus; Bartholo- 
mäus; Matthäus; Michaelis; Simon Judä; Andreas. Die Ver- 
ächter von Predigt und Sakrament soll man strafen; die 
während des Gottesdienstes spazieren, etliche Tage in den 
Turm setzen!) Auch die Oberkeit soll den Feiertag hei- 
ligen. Marlae Magdalenae, Enthauptung Johannis, Marci, 
Lucae etc. Evangelien soll man am nächsten Sonntag oder 
zur Wochenpredigt lesen. 

IX. Ordnung der Lection / Gesängen vnd Kirchen- 
übungen / So täglich zur Metten / Vesper / Item vor und 
nach der Predigt / am Sonntag vnd sonst die gantze Wochen 
durch / gehalten sollen werden; dazu gehört auch das 
Athanasianum®). Verweisung auf das Gesangbuch. Auch 
wenn nur zwei oder drei Personen zu den Wochen-Gottes- 
diensten kommen, sollen die Pastoren sie nicht aus Faulheit 
unterlassen. 

X. Von Gemeinen Gebetten /.Versickeln / Collecten / 
vnnd Litanien. Ihre Wichtigkeit und rechte Verrichtung. 
Verzeiehnis und Mitteilung. 


XI. Vom heiligen Ehestande. (Wechsel der Ringe, 
„wo sie die haben*.) 


XII. Von besuchung der Krancken. 


XIII. Vom Begräbnus der Todten. Auf Begehren 
Leichenpredigt; Kreuz und Liechter nach Belieben, 

Beschluß. Unterscheidung von Gott geordneter und von 
Menschen dazu getaner Ceremonien; letztere wollen die zwei 
Stände keines Menschen Gewissen aufdringen noch damit 
den Feinden heucheln. Aber auch nicht hoffen, daß ver- 
ständige Prediger gute und nützliche Ordnung als Menschen- 


) Vgl. Sehling 1, 1, 228, 214. 
*) RGG. 1, 719. 


55 215 


satzung durch tolles Schreien bei dem Pöbel verhindern oder 
ja verächtlich zu machen, sich unterstehen werden. Gleich- 
förmigkeit würde zum Strick des Gewissens und Aufhebung 
christlicher Freiheit geraten; man bleibt bei dem Rat der 
Augsburgischen Konfession. 

Viele Stücke dieser Kirchenordnung wurden aufge- 
nommen in dem sehr viel kürzeren und bescheiden aus- 
gestatteten (360 Bl. kl. 8°) Werk von S. 177 an: Der 
Fürnembsten Heubtstück Christlicher Lehr Nutzliche und 
kurze Erklerung. Sampt einer Christlichen Kirehen Agenda. 
Rostock. Gedruckt durch Jacobum Lucium. Anno MDLXXVIII. 
(Exemplar in Rostock, Univ.-Bibliothek !).) 

Dabei ist Folgendes sehr merkwürdig: Die Vorrede 
von 1578 ist viel lünger als in dem Buch von 1571 und 
enthält mehrere Hinweise auf die löbl. Stände, die man im 
letzteren geradezu vermißt, und die nur auf N.-Österreich 
passen (s. 178 f.): „Dieweil K. Maj . . auf der löbl. Stände 
vielseitiges. Suchen . . Die reine Lehr . . den Ständen 
offentlieh in ihren Sehlóssern, Heusern und Gebieten pre- 
digen zu lassen .. vergönnet hat .. so ist diese Ordnung. 
wie dieselbe bisher viel Jahr in dieser Land Euangelischen 
Kirchen im brauch den meren teil gewest, schriftlich ver- 
fasset und ausgangen, damit christliche eintrechtigkeit und 
Gleichheit . . möge angerichtet werden.“ Das deutet aber 
auf N.-Öst.?), während die Jahreszahl auf Inner- Osterreich 
weist’). i 

1) Inhalt: Dem Christlichen Leser. Summa der Christlichen 
Lehre. 1. Wahre Erkenntnis und Anrufung Gottes. 2. Erschaffung 
aller Creaturen. 8. Gesetz Gottes. 4, Sünde wider Gottes Gesetz 
5. Verheißung und Vergebung der Sünden. | 

Menschwerdung etc. Rechtfertigung. Erneuerung des h. Geistes, 
Von der christlichen Kirche und h. Predigtamt. Sakramente. Buße. 
Trost. Ceremonien. Weltliche Obrigkeit und Ehestand. Vom freien 
Willen. Anferstehung. 

Von S. 177 an: Agenda, Vorrede. Ordnung der Predigten. 
Taufe. Katechismus. Konfirmation. Messe — Abendmahl. Von 
Fasten und Feiertagen. Von Gesängen. Litaneien und Kollekten. 
Beichte. Kirchenzucht. Ehestand. Kranke und Gefangene. Begräbnis. 
Bestellung des Predigtamtes, 

Y GPrÜ. S. 32 f. 

3) S. unt. 


216 56 


Oberósterreich. — 1. Steyr. 


Zur Literatur: Der Märkische Bote des ev. Gustav 
Adolf-Vereins. 28 (1878), 45—48, 54—57. Pritz, Ge- 
schichte von Steyr. 1837. A. Czerny, Die Anfänge der 
Reformation der Stadt Steyr 1520—27. 1894. F. Selle, 
Eine Bekenntnisschrift der Stadt Steyr vom Jahre 1597. 
Jahrbuch 25, 165 fl. A. Hackel, Zur Geschichte der luther. 
Stadtschulen in Steyr. 1903. (Fr. Selle, Eine österr. ev. 
Parochie. 1903). (L. Kathner, Kurzer Auszug aus der 
Geschichte Steyrs. 1905). 

K. Schiffmann, Die Annalen (1590—1622) des Wolf- 
gang Lindner. 1910. S. Jahrbuch 32. Nachtrag S. 9f. 
A. Rolleder, die Schulen der Stadt Steyr in der Reformations- 
zeit. Bearbeitet von E. Pillewitzer. 1918!) 

Die dureh Eisen- und Stahl-Gewerbe seit fast tausend 
Jahren berühmte Stadt beherbergte im 14. Jahrhundert viele 
Waldesier, daher auch ein Inquisitionsgericht. Die Refor- 
mation faßte hier festen Fuß. Das vor den Toren gelegene 
Benediktiner-Kloster Garsten wurde fast ein evangelisches 
Prediger-Seminar, von wo evangelische Geistliche ausgesendet 
wurden; um so tätiger waren dann dessen Äbte für die im 
Jahre 1598 einsetzende Gegenreformation. Unsere mund- 
artlich merkwürdige Kirchenordnung ist außerordentlich ein- 
gehend und sehr sozial gerichtet, aber auch voll Ergebenheit 
gegenüber dem Stadtrat. Sie verweist auf Luther, Veit Dietrich, 
Sachsen, Meißen und St. Joachimsthal. Eigenartig nimmt 
sich der katholische Kantor in Ischl aus, der die evangelischen 
Kinder nach Luthers Katechismus verhört, wie in der Auf- 
klärungszeit das sogar bei Geistlichen vorkam. 


1) Nicht unerwähnt sei der dreibändige ebenso hervorragende als 
gegen alles Evangelische sehr gehüssige, das Geschichtliche geflissent- 
lich verdrehende Roman der Freiin Erika von Handel-Mazzetti: 
Stephana Schwerdtner, 31. Aufl. 1918. VgL meine Besprechung: 
„Die Christliche Welt“ 1919 Nr. 17. 


57 217 


1. Von der christlichen Messe und anderen Kirchenbräuchen 1566. 
2. Von der Christen begrebnis, 1567. 

8. Instruktion für den Kantor und Organisten in Ischl 1597. 

4. Instruktion für das ev. Ministerium in Steyr 1613?). 


Wie es mit der christlichen messe oder ambt der heiligen 
communion, auch mit etlichen anderen gebreuchen in 
der Kirchen zu Steyr geordnet unnd gehalten 
werden solle. 


Vortrage 


an einen ersamen raht daselbs durch ihre ordenliche Kirchen- 
diener, beschehen den 6. novembris anno im 66 isten?). 


Wenn die communion des heyligen abentmals allein 
auff den sontagen und an anderen gewohnlichen feyrtagen 
und festen des jars uber offentlich in der Kirche gehalten 
wierdt, ists genug und ist unnott, dieselbige in der wochen 
auf den wercktagen (ausser der gefahr in den sterbensleuffen, 
wenn pestis regieret) anzustellen, und sol das volek zum 
offtermalen auf der cantzel vermanet werden, das sie durichs 
gantz iar offt und fleyssig zum heiligen sacrament ghen aus 
villen ursachen, die ein verstendiger lerer wol wiert wissen 
anzuzeigen, und das sie ir sacrament nemen nit sparen, nach 
alter büpstlicher gewonheitt, allein auf die marterwochen uud 
osterfest, da man mehr aus gewonheitt, dan auss rechter 
glaubiger andacht hinzughet. Dan uber das, das solicher 
zuelauff auff dieselbig zeitt den bäpstlichen falschen wohn 
mit sich fueret, als sei das sacrament nemen sunderlich auf 
dieselbig zeytt gebunden (wie im altem testament die niessung 
des jüdischen osterlambs, so doch Christus seines leibs und 
bluets abentmal offt im iar wil genossen haben, wie er spricht, 
so offt ir das thuett etc.), so ist auch nit müglich, allem 
volekh auf dieselbig zeytt auff einmal notturfftige ausrichtung 
zu thun mit beicht hören und berichtigung des ungesiekten 8) 
jungen und gemeinen volcks in der beicht, weliches doch 
hoch vone nötten thuett. 


) Stadtarchiv Steyr. Kasten II. Lade 29; aufgefunden von 
Pfarrer D. Dr. Selle (in Aussee). Vgl. Preuenhuber, Annales 
Styrenses 1740 S. 234f. Pritz a. a. O. S. 216. Nur die Zeichen- 
setzung wurde im Abdruck geregelt. 

) Sie wurde genehmigt. 

*) Ungeschickten; wohl nur Schreibfehler. 


218 58 


Derhalben, obgleich das volck mit dicken zulauffen sein 
alte gewonheit auf die fasten und osterliche zeitt halten 
wolte, sol man doch mer nit zulassen, dan man mit behörung 
undt examinirung eines yedlichen (nach gelegenheitt der 
personen insunderheit), sunderlieh aber des jungen und. ge- 
meinen voleks, weliches zu der zaitt am maysten komen, 
und mittheyllung der privatt-absolution, notturfftigklich unter- 
richten und abfertigen kan. Die andern solln auff volgende 
tegen, da man die communion helt, verschoben und wider 
zu komen beschieden werden. 

Worinen aber die einfeltigen beichtkhinder zu fragen 
und zu examiniren, auch zum heiligen sacrament nit zuzu- 
lassen sindt, sie haben den derselben gefragten artickln ires 
glaubens ainen zimliehen verstand, wöllen wir uns unter 
einander einer eintrechtigen und christlichen form, so dem 
catechismo gemess sey, vereingen und mit den albern!) und 
schwachen in der erst ein zeitlang gedult tragen, bis sie 
durichs wortt besser unterrichtet werden. 

Und aus disen bedencken, das das sacrament niemandt 
sol gereicht werden, der nit insunderheitt zuvor verhöret, 
besickt?) befunden und absolviret ist, (wie soliches die 
Augspurisch confession deutlich ornet*), im artickl von der 
beicht) solln alle leutt, so des volgenden tages communiciren 
wollen, am abent zuvor, nemlich am sambstag oder an den 
feyerabendt, wen man zur vesper leittet, zur beicht komen 
und sieh in der beicht aaf demutige bekentnus irer sindt, 
rechten glauben und guetten vorsatz mit gottes wortt un- 
terichten und mit der absolution trösten lassen. Den die 
privat peicht*) mit nichten aus der kirichen sol abgethan 
werden umb der tröstlichen absolution und nützlichen exa- 
minis willen, darin auch die seelsorger innen kónen werden, 
in welichen artickln die leutt unterrichts am maysten be- 
dürffen, das sie dieselbigen hernach in iren predigen mit 
grüDern vleiss treiben. 

Es were aüch seer nützlich, das zur vesper am sambs- 
tag und andern feyerabent, da die confitenten in der kirche 
zusamenkomen, kurtze vermanungen an sie gehalten wurden 
von der buess, von der beicht, von der absolution, von abent- 
mal des herren, vom gebet und dergleichen christlichen haubt- 
artickln, daraufs die beichtkinder seilige®) gedancken, herz- 


1) Einfältigen. 

) S. ob. 8. 217, 3. 

3) Ordnet. 

*) Vgl. Loesche, Mathesius 1, 272. E 
5) Selige. 


59 219 


liche andacht, ware rheie, lebendigen frost, guetten vorsatz 
uud brinstige lieb zur anrieffung und aller gottseiligkheitt 
schöpffen und auch andere leutte dardurich zu derselben 
stundt in die kürich zu ghen gereitztt wurden. 

Soliche vermanungen möchte ein fleissiger diener zu- 
samen klauben aus den schriefften Lutheri, und so ers aus- 
wendig nach seiner gab nit thun wolte oder khante, die- 
selbigen von wortt zu wortt aus dem Luthero dem gegen- 
wertigen volcklein vorlesen. Man kundt auch anstatt diser 
vereinungen unterweillen gebrauchen die sieben buesspsalmen') 
und auf einmal ein vers oder zwen den zuhörern kürtzlich 
erkleren. Den soliche vermanungen sollen uber ein halbe 
viertl oder aufs lengest ein viert! stundt nit weren und sollen 
nit auf der cantzel sunder vor dem mitl altar beschehen, 
auff das man nit gantze predigten darauss mache. 

An den heyligen abenden aber der grossen festen, ais 
weinnachten, beschneidung ?), offenbarung ?), aufopferung, emp- 
fenekhnus*) Christi, ostern, himelfartt, pfingsten, heylige drei- 
faltigkheitt, Johannis des teuffers®), haimsuchung Mariae “), 
Michaelis?) ete. möchte man auf ein halbe stundt zur vesper 
ein predig thun von der cantzel und ein lection erkleren, 
wie es im Wittenbergischen register?) bey dem neuen testa- 
ment ist geornet, auch die leute des nechsten suntags zuvor 
vernemen, das sie zu soleher predig in die kirichen khemen. 

Durich dise ornung, wen die leut auf den abent ire 
beicht thun, wiert man sie zue einer feinen christlichen ge- 
wonheitt bringen, das sie ire gebette zu gott und betrachtung 
seines göttlichen willens und wolthat desto besser haben 
werden und also des heiligen sacraments recht und seiligk- 
lieh brauchen. Den, wo man den abent zuvor nicht darzu- 
nimmt, ist der ernst des andern morgens auch nit sehr grob. 
Derwegen man auf den morgen one grosse nott und ursach 
niemand hören sol, der auf den abendt nit khomen ist. Denn 
auch die priester der zeitt zu morgen frue bedierffen zu irer 
meditation auf die predigten und verichtung anderer dienst 
in iren khirchenambt. 

. Auff den morgen were guett, das man alle feyrtegen 
frue ein predigt hielte, im summer umb 4 uhr, im winter 


1) 6. 52. 38. 51. 102. 130. 143. 

*) 1. Januar. 

*) Epiphanias. 6. Januar. 

*) 25. März. 

5) 24. Juni. 

*) 2, Juli. 

?) 29. September. 

5) Sehling 1, 164 (Visitatoren-Unterricht 1528). 


220 60 


umb 5 uhr fir das gemein handwerckes volckh und haus- 
gesindt, weliches sunst in der selbigen stundt eintweder 
schleffet oder spaciren ghet, und weren soliche predigten 
sunderlich von nötten für das gesindt, so zwischen dem ampt 
daheim bleiben miessen in den heusern, damit sie vormittag 
nit on gottes wortt blieben. Zu solicher predigt würden sich 
an zweifl auch die communicanten finden; man konte in 
diser stund die evangelia predigen umb des gesindes willen, 
das hernach nicht darzukommen kan, oder aber die episteln, 
und sol im summer balt nach 5, im windter umb 6 auf sein. 

Wen es nun ghet auf die 7. stund, sol der mesner zu 
khirichen leutten und dan den altar mit saubern leien!) und 
seidenen (wie sie one zweifl noeh vorhanden sein werden) 
altartichern fein zierlich bedecken. Und weyl das liecht 
in der schriefft vil schöner deuttung hat vom göttlichen trost, 
wortt und heyligen geyst, als da der prophet?) am 7. eap. 
spricht: so ich im finster sitze, so ist der herr mein liecht, 
das ist, wan ich in triebsal bin, so ist gott mein trost; ltem 
psal. 1199), dein wortt ist meines fusses leuchte und ein 
liecht auf meinem weg; desgleichen hatt der heylig geyst 
in feurigen flammen sich sehen lassen am Pfingstag, (daher 
der alte fein khirichengebrauch ist khomen, welichen auch 
D. Luther‘) in den sechsischen und meisnischen khirichen 
nie hätt abthun wóllen, auff dem altar unter der mess liechter 
zu halten) so mag man zwey grosse brennende wachsliechter 
auf messingen leuchtern aufgesteckt, wie vor alters breuchig, 
auf den altar setzen und bis zum endt der communion brenen 
lassen. 

Und wiewol der priesterlich ornat oder mesgewandt cin 
zeitlang in diser khiriche (doch mit kheinen gemainen orden- 
lieben consens oder abschaffung) ungebraucht blieben ist, so 
wöllen wir doch in disem stückh, was die khirichenkleider“) 
belanget, ghern aus lieb und von wegen gleichformigkheit 
mit den reien®) evangelischen khirichen, auch zu merer 
eusserlicher eher des hochwiertigen gottlichen ampts und 
zu verhüttung pösser nachredt disen khirchen, den gewon- 
lichen ornat fir dem altar wider anzichen, sintemal es auch 
an im selbs sich geziemen wil, das ein khirichen diener 


1) Leinen. 

3) Micha 7, 8. 

*) V. 105. 

*) Sehling 1, 14. 

) Caspari, Die geschichtliche Grundlage des gegenwärtigen 
evang. Gemeindelebens, 1894 S. 121. Sehling 1, 1 s. v. Chorrock. 
RGG. 1, 446. ~ 

*) Rein. 


61 221 


anders in der khürich stee und ghe, wen er gottes ambt 
verweset, denn er sunst auf der gassen oder in dem hauss 
ghet. Und S. Paulus selber sagt, cor. 14!), es soll alles in 
der khirichen eherlich und ordenlich zughen. Gleicher weiss 
haben die heiligen patriarchen ire besunderen priesterlichen 
kleider gehabt, wie gene. 27°) zu sehen, das wir der kleider 
Aaronis®) im levitischen priesterthumb geschweigen. 

Da man aber sorg hette, es wurden sich etliehe in der 
gemeinden ergern, da doch hieran sich zu ergern niemand 
ursach genug haben khan, khonte soliches durich einen 
guetten bericht auf der cantzel leicht vorkomen*) und ab- 
geleinet^) werden. Unverstendiger und leichtfertiger leut 
rede mus man herinen nit achten. 

Nach zuberaittung des altars, wen die schul in den 
chor getreten und hernach auch der priester fir den altar 
in seinen ornat, und mag eintweder der chor das ambt an- 
fangen mit dem introitu?) de dominica oder festo oder die 
orgl?) wie bisher gebrauchlich, oder aber der chor mag vor 
der orgl singen den deuschen?) lobsang Zachariae?) Gelobt 
sey der herr, der gott Israhel etc., oder einen andern 
geistlichen gesang, und dan nach der orgl den introit, darauf 
das kirie eleison!^) gloria in excelsis!) et in terra pax 
oder das teusch, allein got in der hóche sey ehre 1). 

Darnach lesse der priester fir dem altar ein collecta 
deusch, fein hell, deutlich und langsam, damit die gantz 
khiriehe soliche wortt hören und vernemen und im hertzen 
dieweil auch also gedenckhen und betten möge. Und zum 
selbigen fleissigen aufmercken und betrachtung im hertzen 
solln die prediger auch das volckh in iren predigten zu 
gelegner zeit vernemen. 


1) I, 14, 40, 

9) 28, 2. 

*) (Exodus 31, 10, 35, 19.) Levit. 8, 7f. 

*) zuvor gekommen. 

5) Abgelehnt, verhindert. 

6) Weim. A. 19, 208. Sehling 1,1 s. v. Gesang. Kümmerle, 
Encyklopüdie der ev. Kirchenmusik. 1 (1888), 683f, v. Liliencron, 
Liturgisch-musikalische Geschichte der ev. Gottesdienste von 1523— 1700. 
1893 S. 13. RGG. 8, 574. 

?) G. Rietschel, Die Aufgabe der Orgel bis ins 18. Jahrhundert. 
1893 8. 25. Sehling 1, 1 s. v. RGG. 4, 1010, 

8) So durchweg in der Handschrift, wohl Schreibfehler. 

) Luk. 1, 68. 

10) Sehling 1, 14. 

H) Luk. 2, 14. Kümmerle 1, 485. 

13) Mützell 1, 231. 


999 62 


Was aber fir colleeten solln gelessen werden, wiert den 
khirichen diener allerwege die zeit und gegenwertige nott 
erinnern. Dan auf ein igliches christliches fest im iar ist 
ein besundere collecten geornet!) So hat man auch allent- 
halben in den christlichen agenden unterschiedliche collecten 
fir geystliche oder leibleiche gaben zu bitten, als umb ver- 
gabung der sinden, umb den heiligen geist, umb sterckung 
im glauben und gehorsam, umb friede, schön wetter, regen, 
feichte auf dem lande, wider den tirkhen?) und andere 
feindt und verfoliger des wortts. Die wirt ein khirichen 
diener jeder zeit nach erforderung der not zu gebrauchen 
wissen. Itziger zeit?) sol die collecta wider den tirckhen 
gelessen werden. 

Weil die collecte fir dem altar gelessen wirt, sol der 
ander gesellpriester*) auf die cantzel ghen, und dan, wen 
der chor das Amen auf die collecta gesungen hatt, die 
epistl des selbigen sontags oder festes dem volckh laut und 
langsam firlessen. 

Darauff sing man im chor einen lateinischen sequeptz ?) 
oder andere geistliche gesang deusch, oder es kan unter- 
weillen der chor dem lateinnisch sequentz also singen, das 
alzeit ein lateinisch vers vom chor und ein gsetz*) eines 
deuschen geystlichen gesangs von der gemein umb einanderr 
gesungen werden, und khan dennoch der organist entzwischen 
schlagen“). Den man sol die gesang in bayderlay sprachen 
in der khürichen erhalten und uben, die lateinischen, weliche 
rain?) sindt und auss der heiligen schriefft genumen, umb 
der jugent willen in der schule, und die deuschen umb des 
gemeinen voleks willen. Doch weil dem grössern tail der 
khirichen allein die deusche sprach bekhand, were guett, 
das auch der merer tayl der gesangs, wen die gemain an 
feyrtagen beysamen ist, deusch verichtet wurde. Den vor 
der predig singet man itzundt zu wenig deusch, und sollen 
die khirichen diener das volekh ermanen, das sie die ver- 


1) Vgl. Schling 1, 1, 274f, 

N) Sehling 1, 1 s. v. Cosack, Zur Geschichte der ev.-asket. 
Literatur 1871. S. 163—242. 202. Loesche, Mathesius 1, 306, 

) 13. Kriegszug Suleimans nach Ungarn als Schutzherr Zapolyas. 
Suleiman 4. Sept, und Zriny 7. Sept. tot. 

4) = Hilfspriester. 

5 RGG. 5, 602. 

9) Strophe. 7 

7) Da der Orgelbau damals schon vervollkommnet war, ist schlagen 
nicht mehr wörtlich im Sinne des MA. zu verstehen. Kümmerle 
2, 582f. 608. 

5) D. h. nicht katholisch. 


63 223 


ordenten gesang lernen und mit gemainen khirichengesang 
unsern herrgott helffen loben. 

Wen gemaine fahr vorhanden ist, mit dem Tirckhen, 
sterbenslauffen, theuerzeit oder andern landplagen, mag man 
auf die epistl die deusch litaney!) singen. 

Darnach lese der priester, welicher- vor?) die epistl 
gelesen hatt, in gleicher gestalt das evangelium de dominica 
oder festo, widerumb auf der cantzel deusch gegen dem 
volek. Und so personen, so zur ehe greiffen wöllen, auf- 
zubietten sind, sol soliche aufbott stracks damals nach dem 
verlesenen evangelio beschehen, drei sontag nach einander, 
wie sichs gebiret und nit nur ein oder zweimal ete. Dann 
singe der priester für dem altar: Credo in unum deum?). 
Darauff der chor: patrem omnipotentem, nach gewonlichen 
notten, fein langsam. Darauf die gemein: Wier glauben.. 
deusch. Es khan auch der organist zwischen dem latei- 
nischen patrem und deuschen glauben schlagen. So es aber 
wil zu lang werden, mag das schlagen nach*) bleiben, die 
gesenge aber solln fir sich ghen. 

Darauf voliget die gewonliche predigt, ein stundt lang 
ungeferlich sambt dem gemainen gebette. Und damit das 
volek nit von stund an nach der predigt heuffig aus der 
khirich lauffe, wie es bisher in gewonheit gehabt, sol der 
prediger die leutt offt vermanen, bei der heiligen communion, - 
so nach der predigt gehalten wiert, zu bleiben und alda das 
grosse gnadenwerkh zu betrachten, das in der austeilung des 
leibs und bluds Christi gehandelt wiert, auff das durich 
soliche anschauung und betrachtung ein ider“) christ zum 
offtern gebrauche des heyligen sacramente gereitzt werde und 
grössere andacht fache )). 

Wen die predigt geendet, sol man ein deusch liedt im 
chor singen, damit die, so communiciren wöllen, unter solichen 
singen sich hinfir fir den altar versamlen mügen. Daselbs 
solln sie fein andechtig niderkhien, die manspersonen an 
einen und die junckfrauen und frauen an einen andern ortt, 
wie dan der chor zur solichen brauch gereinnef") und mit 
einen feien®) gelender unterschieden werden sol. Nach dem 


) RGG 3, 2173. 3) Vorher. 

*) Oder ,Patrem', also das nicäno — konstantinopolitan. Gikabeuse 
bekenntnis, aus dem Luthers: Wir glauben all'; Mützell 1, 18. Fischer 
2,999. Julian S. 1287. 

4, Fort. 

5) Jeder. 

*) Intransitiv: anfange. 

) Geraint, abgegrenzt. 

*) Feinen. 


234 64 


liedt mag der priester (weil es die khirich alhie also ge- 
wohnet) ein vermanung und unterricht von hochwierdigen 
sacrament dem volckh vorlesen, oder weliches wier fir be- 
quemer achten, dieweil es sich mit disen vermanungen eben 
lang verzeucht und one das die confitenten auf den abent 
vor der beicht soliche vermanungen hören soln. Wie oben 
angezeigt, möchten soliche vermanungen vor der commanion 
abgestelt werden, wie sie auch anderer ortten in den christ- 
lichen khirichen wenig im brauch sind, damit das volckh 
nit mit uberdrues werde aufgehalten. Derhalben mag der 
priester, wen das liedt vom chor ausgesungen, von stundt 
an anfangen zu singen das vater unser!) und darauf die 
wortt des testaments deusch nach feinen lieblichen noten, 
wie sie in den christlichen, agenden?) verzeichnet sind. 

Auf den hohen festen lass man das deusch liedt nach 
der predig aus und sing vor der communion die prefation ê) 
de festo, deusch oder lateinisch anzufangen mit disen wortten: 
dominus vobiscum oder der herr sei mit euch ete. Darauf 
sing’ der chor: sanctus, deusch*) oder lateinisch’), figurate), 
und khan der organist auch etwas khurtz darauff schlagen. 
Dan sing’ der priester allererst das vatter unser und die wort 
vom abentmal *). | 

Hierauff communicir man das volekh mit dem leib und 
blud christi im abentmal in baider gestalt, wie es unser herr 
Christus selber eingesetzt und geornet hat. Auf der ainen 
seitten reich der priester, so das ambt halt, den leib Christi, 
auf der andern seitten reiche der ander priester im chor- 
roekh das blud Christi aus dem kheliche. 

Und sollen die leutt fein zichtig und orndenlich mit 
hertzlicher andacht hinzughen, erstlich die manspersonen, 
darnach die junckfrauen, letzlich die frauen, und dan, wen 
sie gespeist sein, sich widerumb sittlich an ir voriges ortt 
stellen, niderkhnien und ir gebettlein heimlich zu gott sprechen. 


Es sol auch das weiber volekh an den tagen, wen sie 
zum sacrament gehn, des uberigen schmucks sich enthalten. 


1) Mützell 1, 19. Fischer 2, 292. Julian S. 1205. 

3) Sehling 1, 1, 14b. 

) Kümmerle a. a. O. 2, 718. Loesche, Mathesius 2, 302. 

*) Gott sei gelobet. Mützell 1, 24. Fischer 2,234. Julian S. 411. 

5) H.R. Köstlin, Geschichte des christl. Gottesdienstes. 1887. S. 175. 

) Figuralmusik oder Mensuralmusik, mehrstimmiger Satz. Küm- 
merle 1, 589. Wolfrum, Die Entstehung und erste Entwickelung des 
deutsch. ev. Kirchenliedes in musik. Beziehung. 1890. S.98. v. Lilien- 
cron a. a. O. S. 26, 87. 

7 Weim. A. 12, 212. Sebling 1, 1, 6. 15. 


65 225 


Die jungfrauen sollen ane!) khrentze?) oder mit bedeckhten 
heubtern*) sein. Das ınansvolckh sel leichtfertiger geberd« 
und klaydung sich euthalten, als die mäntl uber die achsel 
schlagen und dergleichen. Damit bey disem hochwierdigen 
werckh rechte gottsforicht, demuet und andacht an allen 
leutten gespiret werde. Weliche eltern ire khinder zum 
sacrament füren, sollen sie fein ziehtig vor inen lassen her- 
ghen und sie christliche anweissen. 


Es ist auch an andern christlichen ortten bei der aus- 
teilung des hern abentmal gebreuchlich, das zwo oder vier 
personen grine seidene tüchlein des priesters hende unter- 
halten und gebogen auf der comunicanten brust geschlagen, 
damit, wo sich unrath (welichen doch die diener mit höchster 
sorg verhietten sollen) zutruge, das eintweder das gesegnete 
brod entfille oder eiu tröpfflein aus dem kelich verschittet 
wurde, soliches in dem tichlein aufgefangen und die unehre 
des heiligen sacraments so vil möglich verhiettet werde“). 
Und zu solichen dienst pflegt man gottsforichtig namhafftige 
menner zu verordnen in eherlichen khleidungen, gemeinkliclı 
aus dem mitl des raths. Im Joachinstal thuett es alzeit der 
burgermayster und richter selbs°). Unter der Communion 
sol man singen: Jesus Christus unser hailland$). Item: 
gott sey gelobet?. Agnus dei?) Isaia dem propheten?). 
Ich danekh dem herren von gantzen hertzen ete. eines 
oder mer diser gesang, nach dem der communicanten vil 
oder wenig sein. Und zum beschluss: Christe, du lamb 
gottes 100. Man khan in denn geferlichen zeitten zwischen 
der communion auch die litanei singen, so man sie vor der 
predig nit gesungen hatt. Und soln die leut in der predig 
vermanet werden, das sie dabei bleiben und mit andechtigen 
singen aus glaubigen hertzen gemaine nott gott helffen fir- 
tragen. 


) Ohne. 

1) Kränze; vgl. Loesche, Mathesius 1, 277. 

3) Als nach paulinischer Vorschrift. I. Kor. 11, 5. 

*) Solcher Brauch reicht bis in die neuere Zeit; vgl. das Gemälde 
von H. Vogel, Museum Hannover. 

) Loesche, Mathesius 1, 277. 

© Von Luther. Mützell 1, 22. 

7) S. oben S. 224, 4. 

*) Julian S. 30. 

?) das geschach, das er im Geist den Herren sitzen sach. 
Jesaias 6, I. Sehling 1, 1, 16. 

10) Fischer 1, 71. 

Arehiv für Reformationsgesohichte XVII. 8. 15 


226 66 


Nach der communion lieset der priester die danckh- 
sagung fir dem altar, darauf der chor das Amen singet. Den 
wendet sich der priester umb und spricht den segen Mosi 
uber das volckh numeri 6: Der herr segne dich und behiett 
dich, und ghe darnach jederman in friede heim. 

Wen es nun alles zu khirichen aus ist, wer erst zeit, 
das die pfeiffer auff dem Turm ir hoffrecht maheten oder 
zu tisch bliessen, und sol nit vor oder unter der communion 
gestattet werden, wie bis anher. 

Diss ist die christlich weyss in dene evangelischen 
khirichen, die heilige communion im offentlichen ambt zu 
administrieren, wie wirs dan von nun an auch alhie in diser 
khirichen, weliche gott aus genaden mit seinen wortt hat 
haimgesucht, aufzurichten und bestendcklich zu halten ent- 
schlossen sein. Und bitten einen ersamen und weyssen rath 
zu Steyr, unsere christliche und gebietunde herren, sie wöllen 
soliche ordnung im namen Christi ihnen gunstcklich gefallen 
lassen und dieselbige wegen ires tragenden ampts, als ein 
christlicher magistratt durich publieirung fir irer gantzen 
gemain ratificiren und bestettigen lassen, mit iren christ- 
liehen schutz fest darob halten, auch mif eigenen exempl 
und vleissigen baisein all zayt ehren und schmukhen und 
dran sein, damit soliche christliche ordnung zum ehisten 
möcht fir die hand genumen undt in ganghafftiges werkh 
gesetzt werden, darbei wir dan das unser; sovil uns geburet 
und muglich, mit höchsten fleyss thun wöllen. Gott der ewige 
vatter im himel verleiche darzu seine gnad und segen, das 
es hie und an villen ortten, die villeicht unsern exempl 
voligen móchten, zu seines namens lob, eher und preyss ge- 
reiche und erhelt dise khiriche bei dem rainen wortt und 
christlichen Ceremonien wider alle, die es anfechten möchten. 
Hilff, herr Jesu Christe, das wir dein wortt bescheidenlich 
handin und treulich pflantzen mögen. Amen. 


Wie es nach mittag am feyertagen sol gehalten werden. 


Nachmittag an den feirtagen sol die predig bleiben, wie 
sie itzund gehalten wierdt, umb 12 hora; doch das man 
zwischen 11 und 12 leutte, damit die leut hinein khomen 
und etliche psalmen singen vor der predigt, die der cantor 
mit seinen schulern auf dem Chor anfachen und regiren sol, 
und sol in diser stundt zum meren tail vor der predigt das 
deusch te deum laudamus gesungen werden, herr gott dich 
loben wir!) etc. Umb 12 schleg sol der prediger auf der 


) Von Luther. Mützell 1, 39. 


67 | 297 


oantzel sein und uber 3 viertl stund nit predigen, damit es 
umb eins ghar aus sey, und wer guet, das zu diser stund 
durichs gantz iar nits anders den der Chatechismus geprediget 
wurde, weil dise predigt firnemlich fir das gemaine gesinde 
ist angestellet, so vormittag in die predigt nicht hat khumen 
mögen. Allein an den festen sol man die hisforia des fests 
handin und in der fasten die heilige passion, auf das das 
gesinde, so in der wochen nit in die khiriche mag khumen, 
auch etwas davon höre und lerne, und solln die hausvätter 
von den predigern vermanet werden, das sie ir gesind vleissig 
in dise predigten ghen lassen. Die suntags epistln möcht 
man in der wochen auf einen fag predigen, so sie am suntag 
frü nicht geprediget werden. 

Nach der predig, wen man erstlich einen khurtzen 
deuschen gesang gesungen hatt, sol der cantor die vesper!) 
anfangen mit psalmen und antiphen?) wie sichs gebiret. 
Darauff sol ein khnab dem volck fir dem mitlaltar ein lection 
vorlessen aus der bibel, wie es der mittag prediger ornet, 
die sich etlichermassen mit seine predig reime, als etwan 
ein historien, die er in seine predig hatt eingefiret und der- 
gleichen. Hierauf singe der cantor den hymnum) und 
magnifficat‘), jhe deusch ye lateinisch. Dan less der priester 
ein deusch collecten, und der chor beschliesse darauff mit 
dem benedieamus*) eto. 

Wen die vesper in der pharr aus ist, sol alsdan die 
khinderlehr im kloster khirichlein anghen, 'ungeferlich umb 
2 uhr und umb 3 aus sein. Darvon wils gott aufs nechst 
ein verzeihnus einem ersamen raht sol ubergeben werden, 
wen ein l. r.“) zuvor notturfftige bestallung mit der schulen 
hatt gethan, sunderlich mit der meidlschul, weliche in alweg 
zuvor muss ins werckli khumen. 


Am werckhtagen. 


In der wochen an den wercktagen, daran man pfleget 
zu predigen, sol man ein viertl vor 7 leutten und das volckh 
vermanen, das es zeitlich hinein khume, damit der prediger 
umb 7 schlege möge auf der cantzl sein. Da sol die predigt 
ein halbe stund oder aufs lengst drei viertl weren und nit 


!) RGG. 4, 717. 

3) Ebd. 8, 2330. Loesche, Mathesius 1, 808. 

3) sc. de tempore (vom Kirchenjahr); RGG. 1, 1350. 

) Mariens Lobgesang Luk.1,46—55. Kümmerle 2,768 Anm., 724 f. 
5) Loesche l. c. 1, 304, 3. 


$) Lóblicher Rat. 
15* 


228 68 


lenger, auf das es mit dem singen zu achten aus sey und 
ein yeder wideramb mög an sein arbait ghen. Den an 
werekhtagen sol man die leut nit mit langen predigten auf- 
ziehen), auf das sie alle tage desto lieber in die Khirichen 
ghen. Vor und nach der predigt sollen geistliche deusche 
lieder gesungen werden, die der cantor mit etlichen seiner 
khnaben sol anfahen. Wiewol an den werckhtagen bei den 
predigten billich sol der sehule versehonet werden, damit den 
khnaben an iren lectionen desto weniger hindernus geschehe, 
und sol soliche ambt des mesners sein, die deuschen lieder 
an den werckhtagen deme volekh vorzusingen, es sey dan, 
das man die litaney singen wil, wie dan itzt billich alle weg 
nach der predigt besthen sol; da soln ein, 2, 3 oder 4 khnaben 
darzu verornet werden. Und soliche khnaben, die der khirichen 
dienen, solln von der khirichen uud vermöglichen bürgern ir 
brodt oder etwas zu irer unterhaltung haben. Auf die litanei?) 
oder deuschen psalmen sol ein deusch collecten von dem 
priester gelessen werden fir dem mitl altar und darauf der 
segen. Dan ghe das volckh haim! 


Von metten*) und vespern*). 


Man sol auen durichs gantze iar alle tage zu gewön- 
licher zeitt metten und vesper singen, die metten im summer 
umb 5, im winter umb 6 uhr. Zum beschluss der metten 
sol die betglockhen geleuttet werden, weil die khnaben nach 
in der khirichen sind; da solln die khnaben in der khirichen 
auf die khnie niderfallen und mit andacht langsam singen: 
Erhalt uns herr bei deinen wort"), item: verleich uns frieden 
gnedigklich®). Die vesper alle zeit umb zwei nachmittag in 
solicher ordnung, wie mans in den christlichen agenden’) 
verzeichnet findet, dabei alweg ein capitl aus dem alten oder 
neuen testament ordenlich nach den büchern der bibel sol 
. glessen werden, non einen lateinisch, von dem andern deusch. 
Und zu dem deuschen sol man auch die summarien Veitt 
Dietrichs®) lesen. Darauf volget der hymnus?) und magni- 


1). Aufhalten. 

*) S. oben S. 228, 1. 

5$ RGG. 1, 1350. 

4) S. oben S. 227,1. 

5) Mützell 1, 34. 

5) Von Luther 1529, nach der Antiphone: Da pacem (2. Reg. 20,19). 
7) S. oben S. 224, 2. 

9) 1541 u. 1514, sind noch im 17. Jahrh. neu aufgelegt; RGG. 2, 78. 
*) sc. de tempore, s. S. 227,8. 


69 229 
ficat!), zulezt lese der priester ein lateinische collecten und 
der chor benedicamus domino). 

Zu diser metten und vesper werden ane zweifl etliche 
frame leuttlein hineinghen, wen man sie darzu vermanet, 
sunderliche umb der biblischen lection willen. Wen nur ein 
ersamer rath denen auf der schul erstlichen befelich thuett, 
das sie solich teglich singen nith verseumen. Und der 
pfarher sol herinen ein fleissig aufsehen haben. Es ist auch 
von nötten, das zu solichen werckh zwe bibeln grobes truckh 
lateiniseh und deusche in die khiriche gekhaufft oder ge 
geben werden. 

Es miste auch dem cantori auferlegt werden, das er die 
khirichen geseng, beide choral und figurat?)  unterweilen 
auch die deuschen gesenge, die dem khnaben unbekhand 
sindt, alle tag ein stundt mit den khnaben in der schul 
durich die gantze wochen ubersunge, als nemlich von 12 bis 
auf 1 uhr, damit sie an dem sontag iu der khirich drin ge- 
übet und dieselbigen fertig singen khonten. 

Und damit der pfarher oder prediger ein wissentschafft 
habe, was man in der khirichen singen werde, item ob die 
lateinischen gesenge rain sein, auch wie man die deuschen 
lieder fein ordlichen in alle sontage des iars und andere 
fest vor ünd nachmittag austheilen und singen solte, damit 
sie der gemaine bekhant und leuffig gemacht wurden, so sol 
der cantor alle weg, ehe ehr die gesenge anfahet in der 
schul zu ubersingen, sich zeitlich bey dem pfarherr oder 
prediger angeben, den text des chorals ubersehen lassen, und 
wess er sich hierinen verhalten sol, erkhundigen; desgleichen 
sol er thun- mit dem metten und vesper gesengen von wochen 
zu wochen, biss mans ein gantz iar uber versuchef und in 
ein gwisse ordnung gebracht hatt. 


Wolfgangus Prenner, pastor. 
Basilius Camerhofer. 
Johannes Schreyer. 
Johannes Mülwalder. 
Wolfgangus Agnellus. 
Anmerkungen zu den Unterschriften von Dr. Friedrich 
Koch-Gmunden, Vgl. Jahrbuch 24, 209. 


Wolfgang Brenner aus Plauen war Schulmeister zu Falken- 
stein, berufen unter Caspar Pflugk als Pfarrer nach Neudorf, ordiniert 
am 12. April 1542 in Wittenberg, erscheint 1567 in Steyr gelegentlich 
der Kirchen- und Schulordnung, als Stadtpfarrer daselbst am 19. August 
1576 gestorben. 


1) S. S. 997, 4. *) S. S. 297, 5. *) S. 8. 224, 6. 


230 70 


Basilius Kammerhof er (, Camerhover“ im Ordiniertenbuche) 
aus Aflenz in Steiermark gebürtig, wurde am 30. April 1559 in Witten- 
berg ordiniert für Freiberg in Meissen; er wurde 1566 öffentlich auf 
der Kanzel der Pfarrkirche in Steyr der Gemeinde vorgestellt und 
in sein Amt als Diakonus eingesetzt, Für seine dem Rat in Steyr 
gewidmete „Kinderbibel“ 1570 erhielt er 50 Dukaten. Streitigkeiten 
mit dem Schloßprediger des Burggrafen daselbst, dem 1567 aus Erfurt 
berufenen M. Amarus Gotter. Kammerhofer starb am 10. Mai 1572. 

M. Johannes Schreyer (,Schreier^ im Ordiniertenbuch) war 
ein Tischlerssohn aus Steyr. Hatte vier Jahre lang Andr. Cydonius, 
zwei Jahre lang M. Thom. Pegüus zu Lehrern, studierte vier Jahre 
lang in Wittenberg, wohin von Steyr Stipendien gestiftet worden waren, 
kehrte dann aus Geldmangel zurück, half ein Jahr lang dem Präzeptor 
M. Th. Pegáus, wurde Prediger im Spital und an der Stadtpfarrkirche, 
in Wittenberg am 25. Juli 1565 von Paul Eber ordiniert. Er starb 1583. 

Johannes Mülwalder. Seit 1559 Kaplan in Steyr; gestorben 
1598 (aus dem Kloster Garsten). 

An Brenners Statt wurde zum Stadtpfarrer gewählt: Wolfgang 
Lempel (so hat er selbst sich geschrieben) (Agnellus) Er war 
erst Conventual in Garsten, 1567 Kaplan an der Stadtpfarrkirche in 
Steyr und wurde 1576 Stadtpfarrer. 1599 (Jänner) mußten die Geist- 
lichen aus Steyr fort. Lempel ging nach Wittenberg. Er starb am 
28. März 1614 in Freiberg in Meissen. 


(Fortsetzung im nächsten Heft.) 


Ein Brieffragment von J ulius Pflug. 
Von 6. Bossert. 


Die große Sammlung der Landesbibliothek in Stuttgart 
von Geh. Rat Frommann aus dem 18. Jabrhundet enthält ein 
ansehnliches Stück eines Briefes von Julius Pflug, dem da- 
maligen Domdechanten in Zeitz, das mitten in einem Satz 
beginnt. Der ganze Drief bestand ursprünglich aus 2 Folio- 
bogen, von welchen das erste Blatt doppelseitig beschrieben 
war, während das letzte Blatt auf der Seite a leer war und 
auf der Seite b die Adresse enthielt. Dieser Bogen fehlt, 
so daB wir die'Adresse nicht kennen, an welche der Brief 
gerichtet ist. Dieselbe wird sich aber wohl feststellen lassen 
mit Hilfe der eingehenden Ausführungen Pflugs über Eugu- 
binus. Das ist kein anderer als Augustinus Steuchus, der 
sich nach seiner Vaterstadt Eugubium d. h. Gubbio in den 
Apenninen, Eugubinus nannte, der aber nie Bischof daselbst 
war, wie RE. 10, 8, 4 und im Register 22, 413 angenommen 
ist. Er war vielmehr Bischof in Chissamen auf der Insel 
Kreta, aber päpstlicher Bibliothekar in Rom!) Er war 
schon 1531 mit Erasmus in Briefwechsel getreten, als er 
noch Superior in Reggio war. Erasmus schrieb ibm über 
seine Adnotationes in Pentateuchum am 27. März 1531 und 
hielt ihm sein ungerechtes Urteil über Nikolaus von Lyra 
und Paulus von Middelburg, Bischof von Fossombrone, vor, 
der an Geistreichtum Reuchlin nicht nachstehe und ihm an 
mathematischen Kenntnissen überlegen sei (Op. Lugd. Bat. 
1706. 2 Tl. Briefe Nr. CXXV, S. 1375), worauf Steuchus am 
25. Juli antwortete (a. a. O. Nr. DXVIf. 1919—31). Leider 
steht mir seine Ausgabe des 18. und 138. Psalms Lugd. 15334 


1) Eubel in der Hierarchia catholica 8, 182 nennt ihn de Bononia. 


232 12 


welche er Julius Pflug widmete, nicht zur Verfügung. Wenn 
in Wetzer und Weltes Kirchenlexikon 11, 783 gesagt ist, an 
diese Schrift habe sich ein Briefwechsel zwischen Erasmus 
und Steuchus angeknüpft, so ist das nicht richtig, wie sich 
aus den Briefen von 1531 erkennen läßt. Aber so viel ist 
klar, daß der Inhalt des Brieffragments von Pflug auf die 
Verhandlungen von Erasmus und Steuchus Bezug nimmt. 
Es wird sich nur fragen, ob Pflug schon die Widmung des 
Steuchus kannte, diese also schon Anfang 1533 geschrieben 
worden®:ist. Das wird sich im Notfall mit Hilfe der zwei- 
bändigen Gesamtausgabe von Steuchus Werken Paris 1578 
eststellen lassen, die mir leider nicht erreichbar ist. Auch 
was Pflug über Wilhelm Bude (Budeus) schreibt, für den er 
warm spricht, dürfte dafür sprechen, daß der Brief an Erasmus 
gerichtet ist. Er fehlt aber in den Ausgaben der Briefe an 
Erasmus, auch in den neuesten von Fürstemann und Günther 
und Enthoven. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die erste : 
Hälfte des Briefes sich noch irgendwo findet, ohne daß der 
Schreiber des Briefes aus dem Manuskript erkennbar sein 
dürfte. Schön ist der warme vaterlündische Geist, der in 
dem Brief sich ausspricht, und die feine Art, wie Pflug 
Steuchus, wie das schwäbische Sprichwort sagt, die Laibe 
heimgibt und ihm vorhält, wie die Deutschen auch das Recht 
hätten, über andere Volkscharaktere zu klagen. Ebenso schön 
ist der versöhnliche Geist, der alles Herbe und Bittere ver- 
abscheut und ganz zu Pflugs bekannter Art stimmt. 

Eine Frage ist, wen Pflug mit denen meint, welche den 
innigen Zusammenhang von Beredsamkeit mit klarer Er- 
kenntnis der Dinge leugnen. Aber der rasche Übergang zu 
Steuchus und zu des Erasmus Brief an ihn läßt vermuten, 
daß er auch Steuchus neben andern damit meint, die er 
gewonnen und von ihrer Meinung abgebracht wissen wollte. 
Man müßte die Schrift des Steuchus De perenni philosophia, 
in welcher er nach dem Kirchenlexikon von Wetzer und 
Welte 11, 785ff. den Nachweis liefern wollte, daß sapientia 
und pietas in ihrem Ursprung eins seien und zu demselben 
Ziel führen, darauf ansehen, ob hier nieht der von Pflug 
genannte Gedanke von gegenseitiger Bedingtheit der Bered- 
samkeit und Erkenntnis der Dinge sich angedeutet findet, 


73 | 238 
wenn die Schrift auch vielleicht erst später erschienen sein 
sollte. 

Die Nachricht von dem Sehwarmgeist, der lehrte, die Ein- 
setzungsworte des Herrn seien bei der Weihe der Eucharistin 
nicht notwendig, und darüber ins Gefängnis geworfen wurde, 

^rdient weitere Nachforschung in der Geschichte des Bistums. 

Unklar bleibt, was mit camillam abiicere gemeint ist. 
Daß abiicere nicht zuläßt, camilla im klassischen Sinn als 
Dienerin beim Opfer, proministra sacrorum, zu fassen, dürfte 
unzweifelhaft sein. Vielmehr wird man camilla als vestis 
episcopalis zu betrachten haben, wenn auch diese Bedeutung 
bei Du Cange 2,51 nicht völlig sicher gestellt ist. Von 
wem die Zumutung, die Bischofskleidung abzutun, ausgeht, 
wird sich erst feststellen lassen, wenn auch der vorangehende 
Text gefunden ist. An wen die Zumutung gestellt wird, ist 
ebensowenig sicher, aber es ist möglich daß sie Pflug galt, 
der die Wahl zum Bischof ablehnen sollte. Das im Nach- 
stebenden gegebene Stück ermutigt zur Nachforschung nach 
cem fehlenden Stück. 


Jalius Pflug an N. N., wohl Erasmus, 1533 Mai 5. 


Camillam illam ad pedes tuos abijcere, sed illi potius 
placandi fuerunt, qui negant cum eloquentia cognitionem rerum 
conjungi posse, quasi uero inquinate loqui sit sapere. lam 
uero tuam ad Eugubinum epistolam iam dudum legi. In 
qua tu illum amanter sane et singulari eum grauitate mones. 
Qui vtinam obtemperasset tibi! Nam sie fere fit, ut quam 
quisquam uoluptatem male dicendo eapit, eam male audiendo 
amittat. Qua in re eueulus cum ipsa iustitiae aequabilitate 
bellissime dongruit. Quo magis miror, quid homini uenerit 
in mentem cunctam nationem nostram tanta contumelia af- 
ficere. Quod si te optima monentem audire noluisset, suam 
tum ipsius nationem), Si adhibuisset in consilium, virus 
illud in nos tam turpiter non euomuisset. Sunt certe in 
singulis nationibus, qui sub figura hominum immanitatem 
gerunt belluarum. Sunt item, qui cum ingenio, tum uero 
etiam uirtute excellunt. Hoc qui negat, nae is aut rudis est 
in eognitione rerum humanarum, aut plane imprudens. Qui 


1j Die ersten zwei Buchstaben siad verwischt, auch n ist in r 
korrigiert, so könnte renationem zu lesen sein, aber es paßt allein 
nationem. 


234 74 


igitur vniuersae alicui nationi in opprobrijs obijeit, quae sunt 
certorum ciuium labes, qua id tandem fronte faeit! Cur non 
potius laudat ob certorum eiuium virtutes! id quod cum of- 
fitio boni uiri multo est coniunctius. Nonne qui ita repre- 
hendit, idem sentit ), patriam quoque suam, eum in eodem uel 
simili sit crimine, premere et tacita quasi sententia sua 
damnare. Sed quid, si non fam vitia exprobrat, quam 
uirtutes in finitima uitia detorquet! vt cum omnium altitudo 
hominum nostrorum atque uirtus, quae in periculis contem- 
nendis lucere solet, feritati tribuitur. Quod si quis Germa- 
norum, quibus [ille]?) ingenia / BL 1340 / Eugubinus adimit, 
uellet in hoc genere ingeniosus esse, nonne, quae iu illo uel 
praestantissima sunt, ea ad spetiem turpem facile orationis 
ui conuertere posset! nulla enim uirtus est, cui non uitium 
aliquod sit finitimum. Quo facilius id, quod honestum est 
atque bonum, dicendo eo potest traduci, vt malum esse uide- 
atur. Recte igitur tu contra prudentiam Eugubini requiris. 
Cum praesertim multi sint nostrorum hominum, qui si com- 
moueant sese, sentiat ille Germanis neque ingenia neque 
facultatem orationis neque maximarum rerum scientiam deesse. 
Quoniamque res ipsa pro hominibus nostris loquitur, etiamsi 
nullum faciant uerbum, quam multa iam extant signa, caque 
illustria, non solum ingenii illorum, sed etiam eximiae doc- 
frinae. Adde, quod ipsum Eugubini institutum ei acerbitatem 
istam exprobrare uidetur. Quid enin ab offitio hominis 
Christiani*) Sacerdotis et Theologi alienius esse potest, quam 
in eo, quo se profitetur religionem defendere, tantum acerbi- 
tatis effundere, et contra quod lex mutui amoris sancit, multos 
bonos uiros de se nihil tale merentes tam insigni iniuria 
afficere? Sed de his Eugubinus ipse uiderit; ego, quod ad 
me attinet, mallem illum isto maledicendi genere supersedisse. 
faueo enim hominis honori. Quod si fecisset, maiorem pro- 
cul dubio fructum industriae suae coepisset, nec eam, ad 
quam se excitauit bene audiendi rationem, ipse in dubium 
uocasset, De Guilhelmo Budaeo quae scripsisti, ea me singu- 
lari affecerunt uoluptate. llle enim ita se gerit et ea nobis 
afferí, vt mihi uideatur natus esse ad lucem rectis studiis 
inferendam; laetor igitur uirum illum in eo etiamnune cursu 
esse, quem iam dudum / Bl 136 / magna sua cum gloria 
tenet. Hie si tantum apud suos authoritate ualet, quantum 
excellens eius doctrina et uirtus, quae uno omnium ore cele- 


1) Nach sentit folgen zwei Buchstaben am Schluß der Zeile, die 
nicht lesbar sind und von Pflug nicht deutlich geschrieben sind, weil 
er mit der folgenden Zeile sie nicht mehr bedurfte, 

) ille ist gestrichen. 

5) et ist gestrichen. 


75 | 235 


bratur, postulat, et gaudendum est certe omnibus bonis et 
praeclare cum Gallijs ipsis agitur. !) Haec fere ad epistolam 
fuam. lam uero, ne te fugiat, quo loci sint res nostrae, sic 
habeto, religionem aliquanto perturbatiorem esse, quam fuit 
antehae, et ortus est nuper, nescio quis, terrae filius, qui 
conatur nouum malum inuehere; negat enim necessaria esse 
ad eucharistiam uerba Christi, quibus ea consecretur. quin 
nee spetiem panis aut vini necessariam esse, sed satis esse, 
si motu interiori cordis eucharistia capiatur. Ita cum hic 
ad spiritalem manducationem referat omnia, id agit, uf possit 
saeramentum ipsum funditus tollere. Sed Deus tum pro sua 
misericordia nos respexit, euius diuino benefitio effectum est, 
vt authore in uincula coniecto haee haeresis oppressa sit 
antea, quam in vulgus proferretur. Noui praeterea, quod 
scribam, nihil sane est, et arbitror satis multa esse haec 
praesertim ad te uirum nunquam satis uacuum. Sed malui 
tum multus esse, quam non declarare ijs, quae scripsisti, 
ualde delectari, de quibus certe tecum quasi loquens quanta 
uoluptate perfusus sim, inde perspitias facile, quod finem 
dicendi aegre fecerim. Non igitur mihi uisus es garrire, 
qua ta uoce uteris, sed aptissime grauissimeque loqui et 
tanto me vehementius amare, quanto longiores fuerunt literae 
tuae. Quare iam me tibi benefitio obstrictum esse sentio, d)“) 
quam maxime, cumque nihil mihi esse possit antiquius, quam 
ut gratitudinem meam / Bl. 136b / erga te esse, quibuseunque 
possim rebus, testificer, magnum mihi beneficium dederis, si 
ostenderis, in qua re offitium meum tibi prestare uelis, Vale. 
Citij iij Non. Maij anno MDXXXiij. 
Julius Pflug. 


Frommann, Stamm, Wappen und Handschriften Buch 41, 184 
und 186, f. 185 ist eine Abschrift des 18. Jahrhunderts, die bis 
Blatt 136 negat enim necessaria geht, sie gibt im ganzen gute Lesungen, 
aber hat doch manche Fehler, z. B. den Namen Eugubinus, der erst 
bei der dritten Stelle ganz klar zu lesen ist, hat sie nicht verstanden. 


!) Hier hat Pflug zwei Wörtchen durch Feuchtigkeit getilgt, 
wahrscheinlich Hec fere. 

) Vor quam steht ein q mit senkrechter Klammer was sonst 
que bedeutet, aber hier nicht paßt. 


Mitteilungen. 


— 


Neuerscheinungen. 


Dem 2. Bande seiner „Kleinen historischen Schriften“ 
gibt M. Lenz den Untertitel „Von Luther zu Bismarck“. Die 
Auswahl ist unter dem leitenden Gedanken getroffen, die innere Ein- 
heit der Periode der deutschen Geschichte, die von Luther bis Bis- 
marck reicht und den Kampf um das evangelische Kaiserreich deutscher 
Nation zum Inhalt hat, festzuhalten. Von den sechzehn Aufsätzen 
gehören vier der Reformationsgeschichte an, darunter die Gelegenheits- 
schrift von 1917 „Luther und der deutsche Geist“ und die aus der 
Historischen Zeitschrift von 1883 unter verändertem Titel und Fort- 
lassung der reichhaltigen erläuternden und kritischen Anmerkungen 
wieder abgedruckte Abhandlung „Der Ausbruch des Schmalkaldischen 
Krieges“ (früher: der Donau-Feldzug der Schmalkaldener) München 
und Leipzig 1920, R. Oldenbourg. VII, 356 S. 24 M, geb. 28 M, und 
Zuschläge. | 

Die von dem Lyzealdirektor B. Schremmer in Berlin-Reinjcken- 
dorf zusammengestellten „Lebensbilder aus der Kirchen- 
geschichte“ verfolgen keine wissenschaftlichen Zwecke, sondern 
wollen dem Lehrer der Kirchengeschichte in den oberen Schulklassen 
Stoff zum Erzählen geben und ihn der „blutleeren Kompendienweisheit" 
entheben. Die einzelnen Abschnitte sind den einschlügigen darstellenden 
Werken und Monographien großenteils wörtlich entnommen; sie führen 
uns in etwa 100 Bildern, die meist je eine einzelne Parsönlichkeit in 
den Mittelpunkt stellen, von Papias von Hierapolis und Ignatius von 
Antiochien bis zu Alban Stolz, den Mormonen und F. von Bodel- 
schwingh. Das 16. Jahrhundert kommt in den wichtigsten Püpsten, 
den führenden Reformatoren, den Wiedertäufern, Carlo Borromeo und 
Loyol& zur Darstellung. Eine Literaturübersicht über allgemeine und 
monographische Darstellungen geht vorauf. Tübingen, Mohr. VIT, 
381 S. 15 M, geb. 18,76 M. 

„Luthers religionsgeschichtliche Bedeutung“ erkennt 
der aus einem Katholiken zum Protestanten gewordene Fr. Heiler 


~ jn seiner vielbemerkten, unverändert abgedruckten Münchener Probe- 


vorlesung darin, daß er gegenüber dem Synkretismus des katholischen 
Kirchensystems, in dem das primitive Kultwesen und die sublime 
Mystik die beiden wichtigsten und lebenskräftigsten Elemente bilden, 


TT 287 


den prophetisch-biblischen, israelitiach -urchristlichen Beligionstypus 
erneuert und das Evangelium, das im großen katholischen Dom nur 
einen Quaderstein bildet, zum Grund- und Eckstein gemacht hat. 
Keineswegs handelt es sich bei Luther, wie E. Troeltsch behauptet, 
um eine blode Umformung mittelalterlicher Probleme, sondern um eine 
auf ganz anderer Grundlage erfolgte Neuschópfung. Luther hat den 
alt- und nentestamentlichen Religionstypus, der innerhalb der semi- 
tischen Welt entstanden und durch Paulus und Johannes leise helleni- 
siert worden war, mit den unerschöpflichen Geistes- und Gemütskräften 
des Germanentums durchdrungen. Hier, in dieser Erneuerung der 
biblischen Religion und ihrer Verschmelzung mit dem germanischen 
Geist liegt Luthers religionsgeschichtliche Bedeutung.  ,Luther,^ so 
schließt der gedankentiefe Vortrag, „gehört zu den wenigen Größten 
der Religionsgeschichte, die unmittelbaren Gegenwartswert besitzen. 
Aus den unerschöpflichen Schätzen seines gewaltigen Schrifttums 
werden aber auch die künftigen Generationen religiöse Kraft und 
Freudigkeit gewinnen.“ München, E. Reinhardt 1918. 31 S. 1,50 M. 


Paul Kalkoff, Ulrich von Hutten und die Reformation. 
Eine kritische Geschichte seiner wichtigsten Lebenszeit und der Ent- 
scheidungsjahre der Reformation (1517—1523). 


Das Ergebnis dieser Studie, die Hutten auf Grund der gesamten 
literarischen, politischen und religiösen Verhältnisse, unter denen sein 
Lebensgang sich abgespielt hat, zu würdigen versucht, ist dem Ritter 
nicht günstig. Kalkoff zeigt, daß Huttens antirömische Polemik durch 
Standesinteressen beeinflußt ist und an der Oberfläche haftet, daß sein 
Refosmprogramm dürftig ist, daß er den politischen Vorgängen in dem 
Maße verständnislos gegenüber steht, daß er sich zeitweise sogar an den 
Umtrieben des kaiserlichen Kabinetts beteiligen konnte, die Luther vom 
Wege nach Worms abziehen und nach der Eberburg — und damit in 
sein Verderben — zu locken gedachten. Der von Hutten aber so un- 
gestüm gepredigte Pfaffenkrieg wäre nur geeignet gewesen, den Gang 
der reformatorischen Bewegung zu stören und zu beeintrüchtigen. 
Hutten kann demzufolge nicht mehr als eine der ausschlaggebenden 
Persönlichkeiten jener Zeit oder als Vorkämpfer protestantischer Geistes- - 
freiheit oder Herold des nationalen Gedankens gelten. Aber die 
Reformationsgeschichte verliert dadurch nicht an Schwung und Glanz. 
Nur um so großartiger steht Luther da: weder hat er sich die Waffen 
zu seiner wuchtigsten antirömischen Streitschrift aus dem Magariu 
Huttens geholt noch sich durch die ritterlichen Machenschaften auch 
nur um eine Linie breit von seiner Bahn abdrüngen lassen; sein an- 
geblicher revolutionärer Hadikalismus besteht nur in der Einbildung 
seiner Gegner. Auch Männern wie Erasmus, Herniann von dem Busche, 
Butzer, deren richtigen Einschätzung die herkömmliche Überschützung 
Huttens im Wege stand, gibt Kalkoffs an letzterem geübte Kritik 
vermehrte Bedeutung für die Anfangsjahre der Reformation. — Der 
Darstellung folgen die Exkurse „Martin Butzer als Verfasser des 


238 78 


Neu-Karthans“ und „Eberlin von Günzburg als Verfasser der beiden 
Huttenlieder“. Der umfangreiche, mit Kalkoffscher Gründlichkeit und 
Sachkenntnis abgefaßte Band bildet den 4. Teil der vom Verein f. RG. 
herausgegebenen „Quellen und Forschungen zur Reformationsgesch.“. 
Leipzig, Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger 1920. XIV, 601 S. 40 M, 


Eine zweite Abhandlung Kalkofís, „Erasmus, Luther und 
Friedrich der Weise“ (Schriften des Vereins f. RG. 132) bildet den 
Abschluß der Untersuchungen des Verfassers über die Stellung des 
großen Humanisten zur Reformation, unter deren Fórderern — wenigstens 
in den Anfangsjahren — Kalkoff jenem bekanntlich einen der vor- 
nehmsten Plütze einráumt. Das ihm vorschwebende Ziel erblickt 
Kalkoff darin, daß Erasmus die Summe seiner gelehrten Arbeit, die 
quellenmäßige Befestigung, Reinigung und Vertiefung der christlichen 
Religion, den widerstrebenden Mächten der Scholastik und der roma- 
nischen Hierarchie gegenüber zu breitester Wirkung zu führen suchte 
durch Verbindung mit dem kühnen und volkstümlichen Wirken Luthers, 
wobei er die aus der Eigenart seines Verbündeten sich ergebenden 
Gefahren durch kluge Beeinflussung der Machthaber mit Hilfe der 
öffentlichen Meinung aus dem Wege zu räumen suchte. Haupt- 
gegenstände der Untersuchung bilden die durch Johann Lang und eine 
kurfürstliche Gesandtschaft vermittelte Annäherung zwischen Erasmus 
und Luther angesichts der Leipziger Disputation, der Aufruf des 
Erasmus an die deutschen Humanisten für eine Entscheidung in 
Luthers Sache durch die Universitäten unter Niederschlagung des 
päpstlichen Urteils, endlich die erneute Verständigung zwischen Eras- 
mus und dem Kurfürsten Friedrich angesichts der Verdammungsbulle 
von 1520 zur Herbeiführung eines gelehrten Schiedsgerichts. Leipzig, 
Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger. XVIII, 113 S. 4 M. 


In seiner Studie , Wolter von Plettenberg und der Unter- 
gang des Deutschen Ordens in Preußen“ beleuchtet L. Ar- 
busow die Sachlage in den Ordenslanden nach der Umwandlung 
Preußens in ein weltliches Herzogtum und verfolgt die Bestrebungen 
des Meisters des Ordens in Livland, Plettenberg, auf der einen und 
: des Deutschmeisters (erst Kleen, dann Kronberg) auf der anderen 
Seite, die Nachfolge des Hochmeisters anzutreten. Indem dann Pletten- 
berg im Jahre 1528 seine Ansprüche denen des Deutschmeisters unter- 
orduete, wurde der weiteren Zersplitterung des schwer ringenden 
Ordens zwar ein Riegel vorgeschoben, der Orden selbst aber nicht 
ins Leben zurückgeführt. Für Livland mißt der Verfasser (ohne es 
näher darzulegen) der Politik Plettenbergs, „des größten Meisters, 
den Livland je gehabt hat“ (11535), das Verdienst zu, den Untergang 
des altliviándischen Ordensstaates so lange hinausgeschoben zu haben, 
bis sich die Grundlagen und zukünftigen Sicherungen seiner evan- 
gelischen Landeskirche und seiner deutschen Kultur ausbilden uud 
festigen konnten. Leipzig, Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger 1919. 
858. 3 M. (Schriften des Vereins f. RG. 181.) 


79 239 


Die Abhandlung von Wilh. Hotzelt über „Veit IT. von Würtz- 
burg, Fürstbischof von Bamberg 1561—1577“ (Stud. u. Darstell. 
a. d, Gebiet der Gesch. IX, 3/1. Freiburg, Herder, 1919. XVI, 238 8. 
7 M.) ist ein beachtenswerter Beitrag zur Gescb. der beginnenden 
Gegenreformation in Deutschland. Der genannte Bischof gehört nicht 
zu den hervorragenden Münnern seiner Zeit, er war weder sittenrein 
noch von Glaubenseifer beseelt, eine Durchschnittspersónlichkeit, die 
ihre Richtung von den Strómungen ihrer Zeit erhielt. Da ist es denn 
entscheidend, daß Veits Regierungsbeginn der Zeit angehört, in der 
das große Werk des Tridentinum zum Abschluß kam, und seine End- 
jahre mit den Anfängen des Pontifikats Gregors XIII. zusammenfielen, 
der als erster der Päpste durch Schaffung der deutschen Kongregation 
und andere Maßnahmen mit der Gegenreformation in Deutschland 
Ernst machte. Durch diese Ereignisse hat die bischöfliche Regierung 
Veita von Bamberg ihre bestimmenden Antriebe in kirchlicher Be- 
ziehung erhalten; sie hat dazu beigetragen, daß das Hochstift der 
katholischen Kirche erhalten blieb. Veits Hauptverdienst jedoch liegt 
auf dem Gebiet der Verwaltung: er hat in dem unter den Nach- 
wirkungen der Bauernunruhen und des Markgrafenkriegs zerrütteten 
Bistum die innere Ordnung hergestellt und die Finanzen in besseren 
Stand gebracht. Die fleißige Abhandlung beruht in der Hauptsache 
auf den Akten des Bamberger Kreisarchivs. 


Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittel- 
alters. Mit Benutzung des päpstlichen Geheimarchivs und vieler 
anderer Archive bearbeitet von Ludwig Freiherrn von Pastor. 
7. Bd.: Geschichte der Püpste im Zeitalter der katholischen Reformation 
und Restauration: Pius IV. (1559—1565) 1.—4. Aufl. XL, 706 S. 
Freiburg i. Br., Herder, 1920. 36 M., geb. 41 M. und Zuschläge. — 
Ursprünglich sollten die eng zusammenhüngenden Pontifikate Pius IV. 
und Pius V. in einem Bande zusammengefaßt werden, doch wuchs der 
Stoff so an, daß eine Teilung vorgenommen werden mußte, so daß der 
vorliegende 7, Band nur den Pontifikat Pius IV. umspannt, Ein licht- 
voller Überblick über die beiden Pontiflkate ist aber als Eiuleitung 
zu diesem Bande stehen geblieben, Der Pius V. behandelnde Band, 
sowie die Bünde über Gregor XIII., Sixtus V., Clemens VIII., Paul V. 
und Gregor XV. sollen rasch einander folgen, so daß mit einem baldigen 
Abschluß des gewaltigen Werks gerechnet werden darf. | 

Der Name Pius’ IV. ist verknüpft mit der Wiedereröffnung und 
Beendigung des Konzils von Trient und der Bestätigung und Durch- 
führung seiner Beschlüsse, der Neubearbeitung des Index, der Heraus- 
gabe des Römischen Katechismus, der Revision des Breviers und 
Missales, der Fortführung und Reform der Kurie, der Tribunale und 
Unterrichtsanstalten in Rom. Der Widerstand, den dieser Papst den 
Fortschritten des Protestantismus in Deutschland, Polen, Frankreich, 
England, Irland, Schottland, freieren Regungen in Italien und dem 
Staatskirchentum Philipps II. von Spanien entgegensetzte, wird gleich- 


240 80 


falle eingehend geschildert, Ebenso die Förderung, die der Papst 
Kunst und Wissenschaft angedeihen ließ, besonders seine mit einer 
wahren Leidenschaft betriebene Bautätigkeit. Mit welcher Gründlichkeit 
und Genauigkeit von Pastor auch Einzelheiten erforscht hat, zeigt 
z.B. in diesem Kapitel die Beschreibung der von Pius IV. erbauten 
Villa Pia im südlichen Teil des vatikanischen Gartens, deren schou 
von den Zeitgenossen selten gedacht worden ist. Die „weltlichen 
Neigungen“ des Papstes werden nicht verschwiegen. Daß gleichwohl 
unter ihm im wesentlichen die strengen Bahnen Pauls IV. eingehalten 
wurden, dafür gebührt das Hauptverdienst dem Neffen und Staats- 
sekretär Carlo Borromeo, der „bis zuletzt gleichsam der gute Genius 
des 4. Pius war.“ 

Die Vorzüge des Werks sind dieselben geblieben: umfassendste 
Quellen- und Literaturkenntnis (das Hauptquellenmaterial mußte für 
diesen Band' erst aus den Archiven herbeigeschafft werden), souverüne 
Stoffbeherrschung, Darstellungsgeschick. Daß auch die Schranken 
dieselben geblieben sind, zeigt z. B. das Unvermügen des Verfassers, 
einer Persönlichkeit wie Jobn Knox gerecht zu werden. 

O. Clemen. 


Druck von U Gehuise A Co., G. m. b. H., Griienbaltuichen, 


Georg Helt’s 


Wittenberger Predigttagebuch II.) 


1534 
146b April 6 


9a.6ia „ 7 
147b - 7 


148b » 7 


149a : 8 


150a „ 11 


9a. 65b | „ 12 


150b 12 


7 


151b „ 12 


1) S. S. 183ff. 


Von Georg Buchwald. 


S. c. in eodem festo die a prandio ex 
domino d. Luthero. 

In 3a paschatis Philippus non legit. 

S. e. pascae ex ore d. 'omerani ante- 
prandium. Recitato euangelio dixit per 
hoc euangelium omnem papatum everti. 
S. e. eodem die vesperi ex ore domini 
doctoris Lutheri. 

Am Rande: Hoc die fuit mecum minister 
domini praepoteutis Caspar, unde im- 
peditus non omnia accurate signavi Nec 
erat tempus. 

S. e. ex ore domini Lutheri 4. die 
pasehatos in aree ante prandium. 

S. e. die sabbatino post paschatis ubi 
tractavit euangelium Joannis 21. postea 
manifestavit se iterum Jesus — — 

Àm Rande: tarde propter Wilhelmum 
Hoffmannum de Hallis. : 
In epistolum Pauli ad Coloss. Num inter- 
mint Philippus lectionem | proverbiorum 
Salomonis, in qua lectione proverbiorum 
non porrexit. 

Summa concionis dominica quasi modo 
geniti ex ore d. Pomerani in euan- 
gelium Joannis c. 20. Thomas autem 
unus ex 12 ete. 

Summa brevis coneionis eadem dominiea 
ex ore domini magistri Georgii non 


Archiv für Reformationsgeschichte, XVII. 4. 16 


242 


1534 


152a April 


152h 


153 h 


9d. 68 u | J 


153b - 
154a m 
155a i 
155b 5 
156a " 
9a. 69a | „ 
156b = 


17 
18 


19 
19 


19 


20 


22 


26 
26 


2 


prucdieante domino doctore Luthero 
in haee verba epistolae Joannis c. 5. 
epistolae primae Omne quod natum 
est — —- 

S. e. die mercurii post quasimodogeniti 
ex ore Pomerani. -— Ibi Aber dv 
eylffe Jungeren gingen in Galileam auff 
eynen bergk dohin Jesus — — usque 
ad finem historiae, ubi potissimum trac- 
tavit hune loeum mibi est tradita omnis 
potestas — — 


N. e. ex ore domini doctoris Lutheri 
die veneris post quasi modo geniti in 
aree praesente principe electore. 

S. e. ex ore Pomerani die sabbato 
post quasi modo geniti primo recitato 
psalmo deus, deus meus, respice in me etc. 


Melanchthon. 


S. e. in dominica misericordia domini ex 
ore d. Pomerani in euangelium ego 
sum pastor bonus ete. 


N. e. eadem dominica post prandium ex 
oreddLutheriin baec verba Joannis 
ad haec multa habeo vobis dicere, sed 
uon potestis portare. — Im Texte die 
Bemerkung: ego enim fere medium con- 
cionis neglexi, quia clauso vaporario per 
venti impetum non patebat mihi ingressus 
ad induendam tunicam eto. 


S. e. ex ore d. Lutheri in arce prae- 
sentibus comitibus die lunae post miseri- 
eordias domini. 


S. e. ex ore domini Pomerani die 
Mercurii in caput 24. Matthei in quo 
eapite dixit praedicare Christum de ex- 
eidio Hieroso: — — 

S. e. ex ore domini Pomerani die sab- 
bati i. e. vigilia dominieae Jubilate. Se- 
quitur altera pars psalmi scilicet de regno 
ef resurrectione Christi — — 


Melanchthon. 


S. e. ex domino d. Pomerano dominica 
Jubilate. Primo recitavit euangelium — — 


157b April 


158 a 


1534 


158a Mai 


159b 


9a. 70a | 
160b 


161a 


162a 


163a 


163b 


164a 


9a. 71b 
164a 


* 


0 


29 


57 


26 


10) 


10 


11 


12 


13 


14 
14 


243 


5. c. cadem dominica Jubilate a prandio 
ex ore domini d M in haee verba Joannis, 
quod spiritus sanctus arguet mundum de 
peccato, iustitia et iudicio ete. 

Am Ende: Voeatus sum hine Dessaviam 
die lunae post Jubilate et illie mansi 
usque Cantate, ubi rursus hue veni, hine 
eoneiones saeras aliquot hie neglexi eadem 
septimana. 

S. e. in die Mercurii ex orePomerani post 
dominieam Cantate in caput 24. Matthei. 
S. e. die sabbatino post Cantate ex ore 
Pomerani ps. ex. 

Melanchthon. 

S. e. ex ore Po merani dominica vocem 
iocunditatis quae dicitur eciam ultimum 
pascha. Reeitato euangelio dixit de pre- 
cando et orando deo — -- 

S. c. eadem dominica a prandio ex ore 
dd Lutheri. Inicio sermonis repetivit 
paueis, quae antea pro eoneione dixerat 
in haee verba: adhuc multa habeo vobis 
dicere ete. usque hue: non enim loquetur 
a se ipso ete. 


Die lunae post dominicam voeem iocuu- 
ditatis post 2 cepit praedicare cate- 
chismi partem scilicet pater noster etc. 
Pomeranus praetermissis aliis partibus 
eateehismi — — 


S. C. 2% in oracionem dominicam ex ore 
d. Pomerani. 
3" concio in eateehismum. S. e. ex ore 
d d Pomerani in vigilia aseensionis 
dominicae perrexit autem in catechismo. 


Am Rande: impeditus ante concionem 
fui per interpellationem uxoris d. magistri 
Beher eonventoris in Worlitz ete, quae 
in vigilia ascensionis hie fuit mecum 
propter emendum pannum. 
Melanchthon. | 
S. e. ipso die dominicae asceusionis ante 
prandium ex ore d. Pomerani in eu- 
angelium novissime autem recumbentibus 
illis etc. 

16* 


X 


244 


165a 


166a [„ [15] 


167a 


9a. 73a 
167a 


168b 


169a 


169b 


170b 


171a 


172a 


172b 


9a. 75a 
172b 


173a 


Mai 


| 


1534 


” 


77 


» 


» 


14 


16 


17 
17 


17 


18 


19 


20 


21 


22] 


23 


24 
24 


24 


4 


S. c. in prandio eodem festo ascensionis 
Christi ex ore domini d M. 


4. concio in catechismum. S. c. in ca- 
techismum domini Pomerani. 


Am Rande: die sabbatino et dominica 
sequenti non est praedicatum in cate- 
chismum. 


S. e. ex ore d. Pomerani in sabbato 
ante d. exaudi in ps. 25. 


Melanchthon, 


S. c. in dominica Exaudi aute prandium 
ex ore d. Pomerani in euangelium 
Cum venerit paracletus eto. 

S. e. ex ore d d Butheri eadem do- 
miniea a prandio in caput 16 Joannis 
Concio quinta in eatechismum. S. c. ex 
ore d d Pomerani die lunae post 
dominieam exaudi. 


Sexta coneio d Pomerani in catechismum 
die martis. 


S. c. ex ore d d Pomerani die mer- 
carii ante prandium post dominicam 
exaudi in Matthei c. 24. 


7° concio in catechismum. S. c. ex ore 
d. Pomerani die Jovis in catechismum, 
ubi maximum tempus consumpsit repe- 
tendo orationem dominicam. 


Octava concio ex ore d. Pomerani 
in eatechismum, 
Àm Rande: Hac septimana fuit hic d 


magister Hausmannus, venit huc die 
lunae post exaudi et abiit in vigilia pen- 


tecostes hora de ductus a multis bonis 


viris. 

S. e. ex ore domini d Pomerani in 
vigilia pentecostes in ps. 25 ultimam 
partem wer ist der der den herren furcht. 
Melanchthon. 


S. e. ex d. d. Pomerano ante pran- 
dium in die pentecostes primo recitabat 
historiam de festo ex 2 capite actorum. 


S. e. eodem die ex ore d d M a prandio. 


5 

1534 
9a. 76a Mai 25 
174a „ 25 


174b „ 25 


175b „ 26 
176b . 27 
176b „ 30 


ga. 77 „ 31 
1774 31 


178 a „ 31 
179a Juni 1 


180a " 3 


181b „ 6 


245 


Melanchthon. 


S. e. ex ore d d Pomerani 22 pen- 
tecostes ante prandium recitato euangelio 
Joannis 3. 


8. e. ex d d Luthero eadem 24 pen- 
tecostes a prandio ubi tractavit verba 
b. Petri ex Joele in 2. ea. actorum Viri 
Judei — — 


Am Ende: Erat hie maximus estus in 
templo, ergo non diu protraxit sermonem 
suum. 


S. c. ex ore d. Pomerani 3 pente- 
eostes ante prandium in euangelium do- 
minieae Amen dico vobis ete. 


S. e. ex ore domini Pomerani +. feria 
post pentecosten in aliquot verba Matthei 
capitis 24. Tune siquis dixerit ete. 


S. e. ex ore d. Pomerani die sabba- 
tino post pentecosten in ps. 26. 


Melanchthon. 


5. €. ex ore d. Pomerani ante pran- 
dium in die trinitatis benedictae in secula 
seeulorum. Euangelium erat homo ex 
Phariseis Nicodemus nomine ete. 


S. C. eodem die trinitatis a prandio ex 
ore d d M. 


8. e. die lunae post trinitatis in aree 
ante prandium ex ore domini d M in ps. 
eredidi propter quod locutus sum. 

Ss. e. ex ore diPomerani 4 feria post 
trinitatis in ca. 24. Matthei. 


s. e. ex ore dd Pomerani die sabba- 
tieio quae erat 27!) Junii in ps. 27. 


Am Rande: Tune temporis iam fuit 


: Dessaviae d Lutherus etd Phi- 


lippus. Vocatus sum Dessaviam 
propter aegrotum principem Joachimum 
die 13 Junii et illie mansi usque 27 Junii. 
Hine neglexi sacras hie conciones sed 
conciones sacras audivi Dessaviae. 


1) Schreibfehler tür 6, 


246 


9a. 81b | Juni 21) Melanchthon. 


1534 
182h „ 21l 
182b „ 21 
183 a » 23 
9a. 83 0 - 24 
183bisa , 94 
183bisb „ 94 
184a „ 
9a. 86 % ¶ „ 28 
184 b 28 
185a . 28 
185b Juli 1 
9a. 566 5„ 2 
168 b 2 


S. c. ex ore domini Pomerani domi- 
nica 3* post pentecosten in Euangelium 
Lucae 15 Erant appropinquantes publi- 
cani et peccatores etc. 


summam coneionis eadem dominica 3. ex 
ore d d Lutheri non signavi, quia 
habui iniquum locum standi ete. sed 
tamen audivi summam  concionis in 
16. Joannis in verbum modieum et non 
videbitis me, ubi de tentationibus omnium 
statuum breviter dixit — — 
S. c. in vigilia 8. Joannis Captistae intra 
2 et 3 ex ore d. Pomerani. Primo 
recitavit euangelium ex c. 1 Lucae de 
eoneeptione Joannis -— — 
Melanchthon. 
S. e. in ipso die Joannis ante prandium 
ex ore d. Pomerani. Primo recitato 
euangelio — — 
S. c. ex ore d d Lutheri eodem die 
festo s. Joannis a prandio. 
S. e. ex ore d Pomerani die sabba- 
tino post Joannis Baptistae in ps. Afferte 
domino — -- 
Melanchthon. 
S. e. dominiea 4'^ post pentecosten ex 
ore d d Pomerani in Euangelium Estote 
misericordes — — 

Am Rande: veni recitato euangelio 
propter laborem alium in literis sacris. 


S. c. a prandio eadem dominiea ex ore 
domini d Lutheri in Joannis c 16 ubi 
dixit de impedientibus praedicationem 
verbi — — 

Am Rande: habui iniquum locum standi. 


S. C. feria 4. quae erat vigilia visitationis 
Mariae vesperi hora 3* ex ore domini 
d. Pomerani in ps. 30. 

Am Rande: festus dies est Witem- 
bergae hoc scilicet die visitationis Mariae. 
Melanchthon. 

S. e. ex ore dd Pomerani in die 
visitationis Mariae in euangelium Lueae 
1. Exurgens Maria etc. 


187b 


188h 


9a. SS b | 
189a 


190a 


190a 


193a 


194b 


195a 


1534 


Juli 


» 


» 


9. 


b d 


n 


» 


y. 


» 


2 


4 


11 


12 
12 


12 


15 


247 
5. €. brevis et compendiaria eodem die 
vesperi ex ore d d Lutheri. 
S. c. die sabbatino post visitationis Mariae 
ex ore d Pomerani in ps. 31. Herr 
auff dieh trau ieh ete. | 
Melanchthon. 
5. e. dominiea die post visitationis; Mariae 
in euangelium Cum turbae irruerent in 
eum — — 


S. e. eadem dominica a prandio ex ore 
d magistri Froschel in verba Petri c. 3 
primaeepistolae Omnessitis unanimes — — 


S. c. feria 4. post visitationis Mariae ex 
ore domini d Pomerani in c. 24. in 
Christi verba Quis putes est fidelis ser- 
vus — — 


Uuten am Seitenrande: neglexi forsitan 
duas conciones in Mattheum quia abfui 
hine Dessaviae per 14 dies egrotante 
domino prineipe Joachimo. 


S. e. ex ore d d Pomerani sabbatino 
die post octavam Petri et Pauli aposto- 
lorum in psalmum Beati quorum remissae 
sunt iniquitates etc. 


Melanchthon. 


S. e. dominica proxima post 8˙ Petri 
et Pauli ex ored Pomerani in Euan- 
gelium nisi abundaverit iustitia vestra etc. 


S. c. ex ored d Lutheri eadem do- 
minica post prandium in ec. 16. Joannis 
Amen amen quiequid petieritis patrem in 
nomine meo ete. ^ 


S. e. ex ore d Pomerani feria quarta 
in e. 25. Matthei de 10 virginibus. 


Oben steht: Abfui hine Dessaviai 
quo concessi eadem feria 4 et mansimus 
illie usque ad dominieam diem in qua circa 
horam 3*™ reliquimus Dessaviam et 
venimus cirea octavam Wittenbergam, 
fuimus autem simul d d M, Pome- 
ranus, Cruciger et ego, quare 
neglexi per illud spacium conciones 


248 
1534 


195a Juli 22 


155025 


196a [Juni 7] 


9«. 91a Juli 263) 


196a „ 26 


197a - 26 


197b Aug 1 


200 a 5 5 


201a " 8 
9a. 92b | „ 9| 
201b x 9 


nn 


8 


sacras Witeberg quas tamen audivi 
Dessaviae?) 

S. e. 4. feria ex ore concionis [so] in c. 
25. Mathei de 10 virginibus, in qua re- 
petitis dietis in priore goucione — — 
S. c. die sabbati hac in die S. Jacobi 
apostoli et vigilia Annae ex ore domini 
Pomerani in alteram partem psalmi 32. 
S. e. ex ore dd Lutheri in Dessau 
in Lucam de divite epulone — — 

Am Schluß: literae exoluerunt ob- 
literatae in tabella non poterant a me 
legi ete. 

Melanchthon. 


S. e. ex ore domini Pomerani dominica 
die post S. Jacobi in euangelium Attendite 
a falsis prophetis. 

5. e. eadem dominiea a prandio ex ore do- 
mini sacellani Joannis, nam dd Luth erus 
erat Dessaviae eum dominis Jona et 
Philippo, in epistolam ad Ro. c. 8. 
S. e. ex ore d. Pomerani +. feria in 
Matth. e. 25. de talentis etc. 

S. c. ex ore d. Pomerani die sabbatino 
quae erat dies ad vincula Petri in ps. 33. 


s. e. ex ore d. Pomerani dominica die 
in euangelium Lucae 16. Homo quidam 
erat dives — — 


S. e. eadem dominica die ex ore Frosch- 
lebii, Nim doctor Lutherus aberat 
Dessaviae, in 1. Corin. 10. caput 
Haee in figura faeta sunt. 

S. e. ex ore domini Pomerani 4. feria 
in c. 25. Matthei. 

J. c. die sabbati ex ore d d Pomerani. 
Melanchthon ). 


S. e. ex ore domini Pomerani parochi 
decima dominica post trinitatisin Lucae 19. 
de Christo flente super civitate Hieru- 
salem. 


1) X 216b. Magister Rorer dixit doctorem Martinum tres dies 
in hoc sermone de falsis prophetis huius euangelii consumpsisse Dee- 
saviae quos sermones et Crucigerus et magister Rorer exceperunt, sed 


nondum excusi sunt. 


(cf. W. A. 37, 486 ff.) 


!) Diese Lektion kónnte auch auf den 2. August fallen. 


209a 


202b 


203b 


9a. 94b 
203b 


204b 


205b 


206b 


9a. 95a 


207 b 


208a 


209 b 
o 


210a 


1534 


Aug. 9 S. e. eadem dominica a prandio ex ore 


12 


15 


10 


16 


16 


19 


23 
23 


23 


23 


24 


249 


magistri Georgii, quia doctor Lutherus 
non praedicabat, ex 12 capite primi Corin, 
in qua epistola apostolus obiurgat Co- 
rinthios, quod donis a deo datis non abu- 
tantur: 

S. c. ex ore d d Pomerani feria 4'* 
in eaput 25. Matthei. 

S. e. ex ore domini Po merani sabbatino 
die post prandium in ps. 34. 

Am Rande: non erat faeultas seribendi 
in libro propter loeum iniquum standi, 
tamen signavi, quae dixit. 

Melanchthon. 

S. e. ex ore d. Pomerani dominica 11 
post trinitatis in euangelium Lucae 18. 
de duobus hominibus aseendentibus — — 
Concio a prandio eadem dominica ex 
ore d. Lutheri in Joannis. Potissimum 
opus orare et praedieare. 

S. e. ex ore domini Pomerani 4. feria 
in e. 25 Matthei de hedis et ovibus 
secretis. 

Concio ex ore d d Pomerani die 
sabbatino post prandium in ps. 34. 


Melanchthon. 
S. e. ex ore d Pomerani dominica 12 
post trinitatis in euangelium Marci 7. de 
muto et surdo. | 
Am Ende: His consumpsit concionem, 
quia brevis erat propter concionem d 
Martini futuram in aree propter prin- 
eipes. 
S. e. d Lutheri in aree eadem dominiea 
ante prandium in idem euangelium 
Marci c. 7. 
S. eoneionis eadem dominica a prandio 
ex ore d magistri Frosehlebii in 
epistolam 2 ad Corinthi. e. 3. fiduciam 
autem talem habemus eto. 
S. e. ex ore d d Martini in ps. De 
profundis in aree praesentibus duce eleetore 
et duce Henrico fratre germano ducis 
Georgii ete. 
Am Rande: die lunae qua erat dic- 
Bartholomei. 


250 


211a 


2124 


9a, tiia | 
212h 


213b 


214a Sept. 


214b | 
9a. 97b | 


215b | 
217a | 


217b 


218a 


9a, 99a | 
218a 


218a 


1534 
Aug. 26 


se 


bd 


y 


3e 


7 


» 


» 


y. 


” 


» 


29 


30 
30 


12 


13) 
13 


13 


10 


5. €. 4. feria ex ore d Pomerani in 
ps. 35. non in Matheum, quia tune prae- 
dicabatur catechismus. 

Coneio in posteriorem partem prioris ps. 
die sabbati ex ore d Pomerani. 

Am Rande: eo die enim fuit principissa 
uxor principis Johannis cum d can- 
cellario ete. clanculum et nobilis Bucho 
eum aliis etc. 


Melanchthon. 

S. c. ex ore d Pomerani dominica 
post Bartholomei apostoli ete. euangelium 
Lueae 10 de dilectione dei et proximi 
C. s. ex ore d magistri Georgii a pran- 
dio eadem dominica [Róm. 4]. 

C. s. ex ore d Pomerani in ps. 36 
feria 4. durante concione catechismi. 


|Predigt über den 2. Teil des 36. Psalm.] 


Melanchthon. 


C. s. ex ore d Pomerani die dominica 
de decem leprosis mundatis a Christo 
Lucae 17. 


S. c. ex ore domini d M a prandio in 
haec verba Joanuis Amen amen dico 
vobis, si quid petieritis in nomine meo ete. 
S. e. 4 feria ex domino Joanne egro- 
tante Pomerano propter oculos. Antea 
monuit Galatas per persisticiam in liber- 
tate — — 


Die sabbato hora 3 coneionatus dominus 
Joannes laborante ex oculis domino 
Pomerano, ubi tractavit ex c. 5. ad 
gala. de operibus carnalibus et fructibus 
Spiritus — — 
Melanchthon. 
S. e. ex ore Froschle magistri don 
minica die egrotante Pomerano i- 
euangelium nemo potest duobus dominis 
servire — — 


o 


S. c. ex ore domini magistri Georgii 
eadem dominica a prandio in epistolam 
Pauli lectam in missa gal. 6. 


11 


1534 


218 b Sept. 


219a : 
224a |. 
9d. 101 a | » 
ya.120a „ 
Ya.l2la „ 

4 

” 
9u.102a „ 


9a. 104« | . 


94. 105b [Okt 


94d. 107 4 „ 

5. 377 [Okt. 

6. 379 m 
22a 5 


19 


23 


26 


27] 

29| 
4| 

11 


25] 


27 


31 


351 


S. c. 4 feria ex ore d magistri Frosch- 
lebii in Lucam de homine nobili pro- 
ficiscente in longinquam regionem d 
Pomerano nondum satis restituto etc. 
C. s. ex Froschlebio die sabbato in. 
partem prioris euangelii ex Luca de nobili : 
viro ete. Pomerano adhue male affecto — — 


Ohne Überschrift. Predigt Luthers tiber 
Joh. 16, 28ff. Vgl. W. A. 46. 98 fl. 


Melanchthon. 
? Bugenhagen. 


Post concionem praedictam de filio unico 
viduae resuscitato Pomeranus non prae- 
dicavit forsitan impeditus neque Luthe- 
rus eadem dominica die a prandio, sed 
dominus Joannes praedieavit eadem 
dominiea vesperi ex epistola lecta eadem 
dominica in missa, sed 4. feria prac- 
dicavit Froschle magister — — quas 
coneiones non excepi, sed exaudivi laus 
deo. sed die sabbatino rursus cepit prae- 
dicare in psalmo ‘noli emulari in mali- 
suantibus’ PS. 37. 


Melanchthon. 
Melanchthon. 
Melanchthon. 
Melanchthon. Accessit ad epistolam ad 
Timotheum primam — — et incepit illam 


epistolam 11. Octobris anno 1534. 


Conciones dominicales ex d d Pomerano 
ceptae conscribi dominica ubi euange- 
lium de regulo Joannis 4'° recitatur. 


Concio ex ore domini doctoris Lutheri in 
arce praesente quadam domina peregrina 
in vigilia Simonis et Judae anno 1534 
in ps. 145. 

Conciones exceptae ex ore d d Lutheri 
inceptae scribi in vigilia omnium sanct- 
orum anno 1534 per me Georgium 
Heltum Forchemium. 

Summa concionis ex ore domini Mar- 
tini Lutheri in vigilia omnium sanc- 
torum in euangelium Matthei c. 12. In 
eo tempore ibat Jesus — —. 


252 


1534 


23b Nov. 


6.381 | , 
6.384 | „ 
384 - 
9a, 1105 „ 
25Db5 
27 b - 
9a. 112b „ 
6. 384 , 
6. 387 t 
6.391 | , 
6. 393 » 


1 


1j 


l | 


15 


12 


Concionis summa ex d d Luthero in 
die omnium sanctorum in arce prae- 
rente principissa uxore de braun- 
schweige ete. 


Am Rande: hora nona ante prandium. 


8. c. ex d. Pomerano dominica die in 
Euangelium e. 18. Assimilatum est reg- 
num celorum homini regi — —. 


Dominus Pomeranus non praedieavit 
dominiea post omnium Sanctorum quoniam 
tum. 


/ 
visitabat eeelesias. Prima dominica post 
omnium sanctorum praedieavit dominus 
doctor Martinus. Require illas conciones 
in eoneionibus d. doetoris Martini ete. 


Melanchthon, Beginn der lectiones in (re- 
„u,. Am Rande: Abfiwt Philippus per 
14 dies hine legit. 


Summa coneionis dominica post omnium 
sanetorum ex oredd Lutheri domino 
Pomerano in visitatione ecclesiarum 
eonstituto etc. euangelium Matthei de 
reddendo Cesari quae sunt Cesari etc. 


eadem dominiea post prandium non prae- 
dieavit d Lutherus, sed magister 
Froschlebe in euangelium ad Phi- 
lippenses 3. estote mei imitatores etc. 


Melanchthon. Ubi $nquisivit primo ordinem 
huius epistolae ad Timotheum. 


5. e. dominica post S. Martini ex ore d. 
Pomerani ante prandium in c. 9. Matthei 
de filia mortua principis synagogae. 


Eadem dominica die ante prandium con- 
eionatus est in aree d. M. propter filiam 
Marehionis in euangelium idem domini- 
cale, sed ex Luca. 


Ohne Überschrift. Über Matth. 24, 151. 


S. e. in prima dominica adventus domini 
ex ore domini doctoris Jonae in euan- 
gelium Matthei 21. 


Am Hand: Abfuit Pomeranus in 
Pomerania. 


13 


1534 
6. 393 Dez.6.13.20 Ceteris diebus adventus dominicalibus 


6. 394 „ 24 
6.394 „ 25 
6,397 „ 25 
6. 399 „ 26 
1535 
ga. 123b Jan. 10 
9a. 12550 , 17 
9a. 127 bl „ 24 
6a s, 31 
7b „ 3l 
8a Febr 1 


9a.130b , 2 


8b 


In 


2] 


4e 


253 


praedicaverunt sacellani. 


In saneta vigilia praedicavit magister 
Froschle euangeliu mmatthei 2 de festo. 


S. c. ex ore d. Jonae festo die nativitatis 
Christi ante prandium Lucae secundo. 


S. c. eodem festo natali Christiani a pran- 
dio ex ore d d Lutheri. 


Coneiones in die Stephani quaere in con- 
cionibus exceptis ex sacellanis. 


Alia leclio dominiculis die post trium regum, 
quia dominus Philippus dominica die ante 
Thomae petivit mecum Dessaviam!), post 
quam dominicam die Jovis cepit. proficisci 
ad principem Hessorum et rediit in sabbato 
post trium regum. Incepit paulo ante horam 
lectionem, priusquam venirem. 


Melanchthon. 
Melanchthon ?). 


Summa concionis ex ore dd Lutheri 
praesente uxore d principis Joannis 
Anhaltini in arce dominica post con- 
versionis saneti Pauli. 


Summa coneionis eodem dominicae die 
ante prandium ex ore magistri Georgii 
in euangelium de seminante semen suum. 
Am Schlusse: Veni tarde in hane con- 
cionem propter concionem d d Lutheri 
habitam in arce. 


A prandio praedieavit d magister 
Froschle euangelium idem de semi- 
nante, ubi dicitur de quadruplicibus audi- 
toribus verbi dei etc. 


Summa coneionis ex ore d Crucigeri 
in vigilia purificationis in ea. 2. Matthei. 
Melanchthon. 


Predigt ohne Angabe des Tages und des 
Predigers. 


1) Vgl. Clemen, Helt S. 83; Enders 10, 81. 

*) Die Lektionen am 17, und 24. Januar verteilen sich auf die 
Sonntage bis zum 31, Januar. Es kann also auch dieser letztgenannte 
Tag in Betracht kommen. 


14 


2] Vesperi eodem die praedicavit Johannes 


1535 
9b Febr. 

10a 3 
10a x 6 
lla : 7 
11 b " 7 
9a. 1330 „ 14 
12a » 14 
— 14 
94. 1360 „ 21] 
12b x. 2i 
13a „ 24 
27 
9a. 1394 5 28 
6. 3999 „ 28 


j 


de euangelio. 
Summa concionis feria 4t* post purifica- 
tionis Mariae ex ore domini magistri 
Georgij epistola Pauli ad Corin. nbi 
commemorat sua pericula etc. 
Summa concionis ex d d Crucigero 
proximo sabbato die in euangelium Mat- 
thei c. 2. ubi agitur de interfectione in- 
fantium et fuga Christi in Aegiptum. 
Am Schlusse: Compatiamur cum illis, 
qui iam in Scotia et alibi patiuntur 
pro euangelio ete. 
Summa coneionis dominica esto mihi ex 
ore d Joannis saeellani luce c. 18. 


Summa concionis eadem dominica a pran- 
dio ex ore d magistri Georgii in epistolam 
Pauli ad Corin. Si linguis hominum io- 
querer. 


Melanchthon. — Estomihi non legit, quio d. 
Philippus abiit ad principe: Marchionrm. 
Dominica invocavit mane praedicabat d 
Jonas de tribus tentationibus Christi. 
quas applicavit postea ad ipsam ecelesiam 
— sed non seripsi, quia non habebam 
locum idoneum etc. Philippus ante 
annum fere eadem dixit in leetione do- 
minica, sed 

vesperi praedicavit Froschle ex epis- 
tola Pauli. 


Melanchthon. 


Mane ante prandium etc. Summa con- 
cionis ex magistro Froschlebio do- 
minica Reminiscere de muliere Chananea. 


Samma contionis 4 feria et die sabbatino 
post Reminiscere ex ore d Crucigeri 
in 2? eaput. 

Matthei. 


Melanchthon. 


Coneionem dominicam Oculi non excepi 
ex domino Jona, sed tamen interfui, 
et plerumque omnia ex postilla Lutheri 
seripsit. 


15 


6. 399 


9a. 144« | 
9a. 140 u 
9a. 145 C 
9«. 130% 
9a. 154 u 


1535 
Ha. 1410 [März 7 


77 


77 


” 


” 


9a.150b| „ 


13b April 


9a. 160b 
13b 


21b 


14a 


28a 
9a. 165« 


29b 


9a. 168 0 


9a. 1700 
9a. 1720 


77 
oder Mat 


” 


"^ 


9a.176a | , 


) Diese Predigt 


í 


18 
18 
25 
1 
6 
d 
16] 


255 


Melanchthon. 

C. s. in dominiea Letare ex ore domini 
doctoris Jonae. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon 

Die sabbatiuo post Pascha praedicavit 
magister Froschlebi a prandio ex 
epistola Petri e. 2 — deponentes omnem 
malitiam. 

Melanchthon. 


S. e. dominica quasimodogeniti ex ore 
domini Joannis, ubi dixit de duobus, 
primo de pace, quam Christus suis 
donat. — 2° de missione diseipulorum 
ad praedicationis officium. 

S. e. ipso die quasimodogeniti anno ete. 
35 a prandio ex ore magistri Georgil 
in euangelium Joannis 20. recitatum 
mane ete. 

S. e. feria 4% post quasimodogeniti ex 
ore domini Joannis in c. 5. epistolae 
Joannis omnis, qui credit Jesum esse 
Christum ete. 


Dominica secunda: Ego sum pastor 
bonus ete. Joan: 10, | 
Catechismus sequitur quem. cepit. Philippus 
dominica Jubilate. 

S. e. dominica die Jubilate a prandio ex 
ore d Lutheri in c. 2. Petri lectum 
in missa. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon. 

Melanchthon, 


ist von einer anderen Hand geschrieber. 


256 
1535 


16 


6. 401 Juni 24!) S. e. in S. die Joannis baptistae a prandio 


19a s 27 


6. 402 Juli 


9a.177a „ 2 
6. 403 " 9 


6 404 „ 2 
9a.179a [„ 4) 
6.407 „ 4 
6.408 „ 4 


9u.180b[ „ 11) 
1541 

X 52u [Dez. 11] 

226a |? 17 


X 4a 


226b „ 18 
227 a „ 24 


X 58a „ 25 


ex d. M. . 
S. e. ex ore domini doctoris Jonae 
dominica die post Joannis baptistae 
c. 6. Luce de captura piscium. 
S. e. ex ore d. d. Lutheri in vigilia 
visitationis Mariae. 
Melanchthon. 
S. e, ex ored d Lutheri in die visi- 
tationis Mariae. 
S. c. eadem festo a prandio ex ore d. d. M. 
Melanchthon. 
S. e. dominica mane ex ore d. d. Jonae. 
S. e. eadem dominica post prandium 
ex d. d. M. 
Melanchthon ?). 
Melanchthon. 
1541 Witenbergae (In natali Christiana) 
Summa concionis ex ore domini magistri 
euiusdam sabbatino die vesperi inter 
2 et 3m. Prior pars erat de coniugio 
quid esset coniugium et quomodo in- 
stitutum esset a deo. — — 
Melanchthon. 
Quarta dominica adventus ante prandium 
dominus Pomeranus. Recitato Eu- 
angelio docuit constantiam hominis in 
confessione Christi — — 
Dominica 4. adventus domini 1541 D. Pome- 
ranus commonitus est ut oraretur in suggestu 
pro imperatore in afflictione aliqua consti- 
tuto, qualis autem esset, dixit se nescire, 
Vespere praedicavit Froschlebius. 
S. c. in vigilia sancta ex ca. 1. Matthei 
cum mater eius praedicante magistro 
Andrea — — 
Melanchthon. 


1) Vorher war Helt (nach X. 33b. 37a) zweimal von Wittenberg 
abwesend, einmal etwa vierzehn Tage, das zweitemal sieben Wochen. 


Daher die Lücken. 


) Datum fraglich. 


17 


227 a 


228 4 
X 61b 
228 5 


X 64a 
299b 


X 67a 
231b 


232b 


234a 


234a 


236a 


X 69b 
336b 


938a 


| 


1541 
Dez. 25 


^ 


15 
15] 


22 


257 


S. e. die saneto ex ore d Pomerani. 
Primo recitavit Euangelium deinde de 
domino nostro Jesu — — — 


A prandio d d Martinus. 
Melanchthon. 


N. e. die Stephani ex ore doctoris Pome- 
rani Primo recitavit Euangelium ex 
ca. 2. Lucae Et pastores erant in regione 
eadem eto. 


Melanchthon, 


S. e. ex ore d. Pomerani die S. Joannis 
\ 


Melanchthon. 


S. e. di Pomerani die circumcisionis 
domini. Recitato Euangelio dixit paulum 
de nomine Jes 

Oben am Rande: Hactenus non potui 
audire conciones omnes, quia non erat 
locus aptus audiendi. 


S. o. ex ore d Pomerani Die epiphaniae 
domini. Primo recitato Euangelio dixit, 
quod male illi papistae vocarent illos 
magos reges — — 

Eodem die sancto vespera concionis 
summa ex ore magistri Andreae. Primo 
recitavit epistolam ex ca. 60. Esaiae — — 


S. e. ante prandium ex ore d Pomerani 
dominica post epiphanias domini. Primo 
recitato Euangelio ex Matthei ea. 3 de 
baptismo domini nostri — — 


S. e. a prandio eodem die ex magistro 
Backoffen qui iussus pergere de bap- 
tismo loqui rursus legit epistolam ex Tito 
eiusdem e. 3 at postquam apparuit bo- 
nitas etc. 


Melanchthon!) . 


S. c. ex ore d doctoris Pomerani do- 
minica die ubi recitatum est euangelium 
de nupciis in Cana Galilaeae. 

S. e. ex d d Pomerano in Euangelium 
Matthei ca. 8. de leproso et centurione, 
ubi primo recitato euangelio — — 


1) Anfaug Januar war M. in Leipzig CR IV, 752. 
Archiv für Reformationsgeschichte, XVII 4. 17 


258 


1542 


239a | Jan. 25j N. e. ex d Pomerano feria 4 in e. 9. 


X 72a | „ 
241b | „ 


243a | Fehr. 


X 740 Febr. 


243b b 
X 7Sa | 5 
244b | 
246a 
246b 
246b - 
* 
X O | , 
246 b 5 
X 83a » 
216b - 


29! 
29 


LÀ 


1| 


2 
2 


18 


Marei Respondit ei Joannes dicens prae- 
ceptor, vidimus quendam ete. usque ibi 
et abiiceretur in mare ete. 
Melanchthon. 


Ex ore d Pomerani concio dominica 
die. ubi recitato Euangelio de navi pe- 
rielitante in mari ex e. 8. Matthei — — 
In vigilia purifieationis praedicavit ma- 
gister Froschlebius ex propheta ^. 
Melanchthon. 


S. e. ex d Pomerano ipso die puri- 
ficationis. Primo recitato Euangelio de 
festo e. 2. Lucae — —. 

Melanchthon. 


S. e. ex ore d. Pomerani dominiea die 
de Euangelio ex Matt. 20. de operariis 
conductis in vineam — —. 

S. e. ex ore Pomerani 4. feria in Mar- 
eum Si manus tua ete. 

Oben am Rande: D doctor Pomeranus 
accersitus a rege Daniae abiit hine 4 feria 
post septuagesimam 1542. 


Dominica 6 a ante prandium coneionatus 
magister Froschlebius ex euangelio 
de seminante quod euangelium quoniam 
a domino nostro exponitur, non egit 
exponente et attente expendente, quod 
seilieet eeclesia et Christianus sit minima 
pars et eontemptissimus coetus — —. 
Melanchthon, 


Dominica Esthomihi Froschlebius 
recitato euangelio dixit de variis audito- 
ribus verbi dei sicut in priori Euangelio. 
Melanchthon. 
Dominica invocavit. Primo quod vita 
piorum esset perpetua pugna et militia 
in castris diaboli — —. 

Am Ende: Vide ta Georgi conci- 
ones Lutheri quas audivimus Schmal- 
kaldiae ex ore doctoris Martini. 


1) Jede nähere Angabe fehlt. Von der Predigt selbst ist nichts 


verzeichnet. 


‚1542 
X S März 5 Melanchthon. 
247b „ 5 Dominica Reminiscere ex ore magistri 


Froschlebii. Hecitato euangelio dixit 
de oratione vera: quantus thesaurus est 
et refugium omnium piorum — —. 


X 86b . 12 Melanchthon. 
247 b „ 12 Domini Oculi, Neglexi contionem propter 
seribendas literas. 
X 87b „ 19 Melanchthon. 


248a „ 19 Dominiea Laetare Magister Frosch- 
lebius reeitavit euangelium. l 


X 89b „ 235  Negleri lectionea relectas die annunciationis 
Mariae et 
„ 26 dominica Judica, quia Dessariam vocatis 
eram a P. Georgio Anhaltino. 

X 89b Apri 2 In ipso die dominico palinarum 1542 ex 
ore d Philip. 

X Jla „ „ Alia lectio er Philippo de passione domini 
dir Joris post palmarum. 

X 93a — 

X 940 Postea cepti sunt tumultus inter. principes 
Mauricium et electorem quare posteu coactus 
m Vvitebergam relinquere et venire ad 

. * Y d . Lj 

principem. Georgium. praepositum Anhalti- 
num ubi aliquanto tempore mansi, tandem 
redii Witebergenn die veneris post pente- 
costen 1543. [bi expectavi Philippum re- 
versum ex Bellico vel er inferiori (rer- 
mania. 

9. 236b Mai 28 Melanchthon. 

9. 228b Juni 11 Melanchthon. 

9. 229a . „ 24 Melanchthon. 


9. 232b „ 25 Melanchthon. 
1543 

250a Juli 1 Dominica 6. post trinitatis mane circa 
6 et 7 horas ex ore d Crueigeri 
concio ubi recitato Euangelio ex Matth. 5 

Nisi iusticia vestra etc. 
Unten am Rande: In die et vigilia 
S. Joannis omnes tres |darüber: 4.] con- 
ciones de S. Joanne erant ex Luca et 
ex Marco quas non significavi impeditus. 
17* 


Alia lecto die purasceues. 


"T 


- 


260 


1543 

251a 

9. 220b Jul 2 
251 b ” 2 
253a „ 2 
253b 8] 
254b | „ 8] 
255b „ 4 
256a | , 11] 
257a 15 


20 


Pomerzanus, ad cuius concionem sero 
veni, etiam addidit in sua coneione de 
nostra natura corrupta ex Paulo ad Ro. 
de qua Paulus conqueritur — —. 

Alia lectio dominicalis die visitationis Mariae 
ez d. Philippo, ubi porrexit de gradibus. 


Festo visitationis Mariae Ex ore magistri 
Georgii Maioris ubi recitato euan- 
gelio dixit repetendo ex concione habita 
in parochia praecedenti dominica — —. 


Deinde post 7 horam eadem dominica 
magister quidam Egidius Faber de 
Lignecia [am Rand: quem hominem 
conveni] veniens hue habuit in parochia 
concionem, quando d. Pomeranus can- 
tabat summam missam, ubi recitato euan- 
gelio de festo et etiam verbis inultis prae- 
cedentibus euangelium de festo accessit ad 
tractationem euangelii Exurgens Maria etc. 
Am Schluß: non potui satis percipere, 
quia non habui aptum locum standi. 


Mane hora 6. S. e. ex ore doctoris Cru- 
eigeri in euangelium Marci 8. 

Eodem die intra 7 et 8 Doetor Pome- 
ranus recitato Euangelio dixit de affectu 
impii mundi, qui verbum dei et quae offert 
deus beneficia salutis nostrae, negligat, ut 
patet in parabola de cena magna — —. 


S. e. ex ore d Pomerani 4 feria post 
dominicam 6 post trinitatis Multi sunt 
volentes etiam haberi Christiani — —. 

Àm Rande: Non dabatur ocium con- 

seribendi hane concionem propter Wor- 
lizcenses hie comparentes propter 
nupcias. 
S. c. feria 4. ex ore doctoris Pomerani, 
ubi repetivit dieta aliqua ante octiduum 
— — Rediit tandem ad textum Johannis 
pater meus usque hue operatur et ego 
operor eto. 

Am Schlusse: Vide tu Georgi Episto- 
lam Hieronymi de hae re ubi de felicitate 
Christiani aliquid pulchre dieit. 

S. c. ex ore d. Cruci ger i. in arce mane 
hora 6 recitato euangelio dixit — — 


21 
258a 


259a 


260a 


261b 


264b 


265b 


966b 


266b 


267 b 


1543 


Juli 


15 


22 


29 


29 


12 


12 


261 
Deinde sub horam septimam doctor 
Pomeranus recitato euangelio dixit — — 


Die Mercurii. S. e. ex ore d. Pomerani 
in Johannem — -— Nune pergit dicens 
Amen amen dico vobis qui verbum meum 
audit ete. — — 

Dominiea 9. post trinitatis hora 6. in arce. 
5. c. ex ore d. Crueigeri in ca. 7. Lucae 
de Maria Magdalena — — 


Eadem dominica sub horam 8. concio- 
natus est magister Egidius Faber 
in paroehia de eodem euangelio, ubi 
recitato Euangelio — — 

Abfui die mereurii avocatus hinc Des- 
saviam. 

Dominiea 10. post trinitatis d. Cruci- 
gerus recitato euangelio dixit — — 


Eadem dominiea doctor Pomeranus 
recitato euangelio dixit — — 


Samma duarum concionum habitarum ex 
d Pomerano duabus 4 feriis. Dixit 
in duabus eoncionibus d Pomeranus, 
quod tria in primis noscenda essent 
Christianis — — 

Coneio dominicae 11 post trinitatis 
Lucae 18, ex ore domini doetoris Cruci- 
geri — — 

S. C. ex Pomerano qui recitato euan- 
gelio dixit nos edoceri ex hoc euangelio, 
quomodo iusti et boni coram deo red- 
damur, nempe sola gratia et misericordia 
dei — — 


S. c. ex d Pomerano quaere huc feria 
4 quia complexus sum in una concione 
duas eius conciones habitas die mereurii 


12. dominica post trinitatis. S. c. mane 
intra horam 6 et 7 in aree ex ore 
d Crucigeri in euangelium Marci 
e. 7 ubi recitato euangelio dixit — -- 
Hora octava in parochia. Quidam ma- 
gister Alberus recitato euangelio 
Marci — — 

Am Rande: qui fuit in Branden- 
berg. 


262 22 


1543 
268b Unten am Rande: Desunt aliquae con- 
ciones, quia avocatus sum hine Des- 
saviam. 


X 95a Auy. 19 Dominica 15 post Trinitatis 1543 ex 
ore d magistri Philippi reversi ex Ubiis 
de inferioribus Germanis. 

X 96a . 26 Melanchthon. 


269a „ 26 8. c. ex ore d Pomerani 14 dominica 
post trinitatis. Recitato euangelio dixit — — 
269b „ 29 Die Mercurii d. Pomeranus perrexit 


in Joanne tractanda haee verba Amen 
Amen dico vobis, quod venit hora ete. 

Am Rande: Ante octiduum abfui hinc 
Dessaviae. 


X 9b |Sepl. 2| Melanchthon. 

970a " 2 Dominica 15 post trinitatis ex ore d 
Pomerani. Recitato Euangelio nemo 
potest duobus dominis servire ete. 


210b : 5 Die Mereurii ex ore Pomerani. Paucis 
repetivit Si ego testimonium perhiberem 
de me — — 

X 99b | „ 9| Melanchthon. 

271a : 9 Dominica 16 ex ore d Pomerani. 
Hecitato euangelio de filio viduae sus- 
citato — — 

272b Ex d Jonae concione in aree summaria. 

272h „ 12 Die Mercurii ex ore d Po merani. Reci- 
tato euangelio ex c 5 Joannis Seruta- 
mini scripturas etc. ; 


X Wla| „ 16| In euangelium Luce Id de curatione 
huydropii dictata a Philippo post reci- 
tatum euangelium per peerum. nobilem 
a Werder. 


373a „ 16 Ex ore Pomerani in euangelium 
Lueae 14. de hydropico curato. 
274b „ 19 Ex ore d Pomerani die Mercurii. Ego 


veni in nomine meo |!] etc. usque in 
finem capitis. 


X 104b | „ 23] Melanchthon. 


270a 


-0 

, 23 Dominica ex ore d Pomerani in Euan- 
gelium magister, quod est maximum 
mandatum ete. 


23 
| 1543 
274 Sept. 26 


X Wa „ 29 
976b , 29 


277a » 9 


X 110a | . 30 
277b » 30 


X 111b Ot. 7| 
278a 2 7 


X I/IHb|,„ 14 
279a „ 14 


279b „ 17 


X 715b „ 21 
280a » 21 


981b „ 24 


X IIa „ 28 


263 


Ex ore d Pomerani die Mereurii. 
Primo recitavit ca. 6. Joannis usque ad 
secessum Christi in montem. 
Melanchthon. " 

In die 8. Michaelis Ex ore domini ma- 
gistri Theodori Fabricii recitato 
euaugelio ete. e. 18. Matthei — — _ 
Eodem die vesperi concionatus Pome- 
ranus ultra 14 horam, quem propter 
lectionem Pauli neglexi, quia nescieram 
eum eoneionaturum. 

Dazu am Rande: Fae ut eam habeas 
concionem, magister Egidius parochus 
Dessavianus collegit. 

Melanchthon. 


Ex ore Pomerani in euangelium 
Matth. 9 de paralytico. 
Melanchthon. | 
Dominiea ex ore d Pomerani in euan- 
gelium e 22 Matthei de rege faciente 
nuptias. 
Am Rande: Tarde veni propter exer- 
cieium puerorum meorum. 
Ex ore d Pomerani in c 6 Joannis 
Hie est vere propheta ete. 4. feria. 
Am Rande: Ante octiduum neglexi 
sermonem propter abitionem magistri 
Egidii ad Dessaviam. 
M elanchthon. | 
Ex ore Pomerani in euangelium Jo- 
annis 4. de Regulo. 
Ex ore d Pomerani 4 feria in Jo- 
annis 6. Postero die turba quae stabat etc. 
Melanchthon. 
Ex ore domini d Pomerani dominica 
22. post trinitatis. 


Ex ore d Pomerani quarta feria in 
Joannis e. 6. Amen, Amen, quaeritis 
me etc. 


M elanchthon. 


283b Nov. 
X 120b | „ 
284b — „ 
| 285a » 
X 122b „ 
285 b a 
286 a » 
X 126a „ 
286b " 
287b Dez. 


=] 


11 
11 


14 


18 


21 


21 


25 
25 


24 


Ex ore d Pomerani in euangelium 
date Cesari, quae sunt Cesaris etc. 

Am Schlusse: Avocatus sum hine ad 
Warmdorff!) et abfui 8 dies. [Ebenso 
X 120a.) 


Ex ore d Pomerani feria 4 quae erat 
7 novembris in haec verba Joannis 
Operemini non cibum qui perit — 


M elanchthon. 


Ex ore doctoris Powerani dominica 
in Euangelium de excidiis Hiere: propter 
literas seribendas sero veni. — — 
Unten am Rande: Ut habeas hane 
concionem integram, quia non steti loco 
idoneo ad omnia audienda. ltem cou- 
cionem de angelis in die Michaelis. 


Quarta feria ex ore d Pomerani in 
e 6 Joannis Omne quod dat meus 
pater — — 


Melanchthon in euangelium | Joannis 
c. 6 de quinque milibus pastis etc. 
Dominica 26 post trinitatis d doctor 
Pomeranus perrexit tractare locum 
de novissimo die — — , 


Ex ore d Pom erani + feria in Jo- 
annis ca. 6. lectis ex euangelio paucis 
verbis ef repetitis dietis in priore con- 
eione dixit de ecelesia vera et falsa — — 


M elanchthon. 
Dominiea proxima ante adventum quia 
aliquot dominieae supererant solito more 
dominiearum post trinitatis perrexit do- 
minus d Pomeranus in loeo de no- 
vissimo iudicio, recitavit ergo textum de 
decem virginibus — -— 
Am Schluß: Adierunt me aliquot boni 
viri a quibus impeditus reliqua describere. 
Ex ore d Pomerani sexta feria. Reci- 
tato textu Ego sum panis vivus, qui de 
celo descendit, si quis ederit ex hoe 
pane — — 


) Vgl. Justus Jonas Briefwechsel 2,376. — Den Brief Luthers 
(Enders 15, 258f.) an Fürst Georg nahm Helt also mit. 


25 

1543 
X 129a Dez. 2 
288a 1 2 


X Ila „ 9 


288 b T 9 
. 289a x J2 


X 133b | „ 16 
259b > I9 


291b 


X 136b | „ 
X 138b | , 22] 
X 140b „ 26 
X 142b „ 27 
X la „ 30 
291b „ 30 


1544 


X 144b Jan. 1 
292a x 2 


293a " 6 


294a á 9 


Melanchthon. 

Dominica 1. adventus concionabatur ma- 
gister Theodorus Fabricius, qui 
recitato Euangelio — — 


Ex ore domini Philippi in 2. dominicam 
adventus domini, sed fuit brevis, quia 
ante annum lla latius tractavit. 

2 dominica adventus idem magister Fa- 
bricius recitato euangelio Lucae 21 — 
Quarta feria ex ore d Pomerani in 
Joannis 6. Durus est hie sermo etc. 


Melanchthon. 


Ex ore d. Pomerani feria 4 post 3 
dominicam adventus domini. Initio repe- 
tivit dieta ante octiduum eum exhorta- 
tione — —- 

Oben am Rande: Impeditus variis negociis, 
temporis brevitate et soribendis literis 
non potui describere canciones in festo 
natalis domini usque ad euangelium do- 
minieae post natalem domini, tamen eas 
audivi auribus meis. 


M elunchthon. 
M elauchthon. 
Melanchthon. 
Melanchthon. 
Melanchthon. 


Ohne Überschrift. Erant pater et mater 
eius admirantes etc. 


M slanchthon. 

Ex ore Pomerani die Mereurii post 
diem circumcisionis domini recitato euan- 
gelio ex capite 2 Matthei incipiendo ibi 
digressis antem illis — — 

Ex ore domini Pomerani in die epi- 
phanias domini  Recitato euangelio de 
magis — — 

S. c. ex d Pomerano 4 feria ubi reci- 
tato euangelio de domino nostro reperto 
in templo, quia proxima dominica er: 


266 


1544 


X II |Jan. 15] 


294b 


205b 


9964 


A 15 u 
296 b 


297 a 


297b 


298h 


X 1550 Febr. 


299a 


X 158b 


77 


» 


— 


13 


13 


3 


26 


tractaturus euangelium de baptismo 
Christi — — 

Am Rande: Extat sermo Lutheri 
de hoc euangelio editus ante postillam 
Lutheri quem habuit magister Deli- 
tianus felicis recordationis '). 
Melanchthon. 

Ex ore d Pomerani dominica post 
epiphanias domini Recitato euangelio de 
haptismo Christi — — — 

Am Schlusse: Tandem remisit nos 
ad concionem d Martini post prandium 
habendam. 

A prandio eadem dominica d Martinus 
Lutherus dixit de baptismo Christi. 
Ex ore d Pomerani 4. feria. Primo 
recitavit euangeliam Joannis ca. 7. quo- 
modo seit hie literas — — 
Melanchthon. 

Ex ore domini d Pomerani dominica. 
prima post octavam epiphaniae in euan- 
gelium nuptiae factae sunt — — 

A prandio praedicavit d Lutherus 

contra clandestina coniugia, quem audivi, 
sed non excepi contionem. 
Ex ore d Pomerani feria 4 post do- 
minicam primam post octavam epiphaniae 
in caput 7 Joannis. Veni aliquantulum 
tarde ad contionem. 


Melunchthon. 

Dominiea die. Ex ore Pomerani in 
Euangelium Matthei ca. 8. de leproso. 
Ex ore d Pomerani 4 feria Repetitis 
verbis Joannis ca. 7. ubi occasione horum 
verborum tempus meum nondum adest — — 


M elanchthon. 

In die purifieationis B. Virginis ex ore 
doctoris Pomerani Recitato Euangelio 
Lueae 2 — — 


Melanchthon. 


!) Vgl. Enders 13, 39. Hiernach ist Gore vor Januar 1544 bereits 


xestorben. 


* 


300a Febr. 


300b 


X 160a 
300b 


30la 
X 162b 
290b 


301b 


302a 


3020 


303b März 


304a 


X IIIa 


304b 


X 172b 
305a 


X 1736 
305b 


1544 


10 


ho 
~] 


267 


Dominica in euangelium Matthei 8. de 
Christo dormiente in navi — — 
Quarta feria d Pomeranus repetivit 
contextum euangelii et fere omnia quae 
dixerat — — 


Melanchthon. 


Dominica proxima in euangelium de con- 
ductis in vineam. 


Qüarta feria ex ore d Pomerani, 
Traetavit haee verba Joannis 7. Mea 
doctrina non est mea ete. 


Melanchthon. 


Ex ore domini doctoris Pomerani in 
c. 8. Lucae de seminante. 


Quarta feria post sexagesimam ex ore 
d Pomerani. Primo recitatis verbis 
ex e. 7. Euangelii usque ad haee verha 
nolite iudicare secundum faciem — — 


Dominica Esto mihi ex ore dd Pome- 
rani, Primo recitato euangelio — — 


Quarta feria ex ore Pomerani Reei- 
tato euangelio incipiendo ubi Dicebant 
ergo quidam ex Hierosolymis usque ad 
verba de turba autem multi erediderunt 
in eum ete. z 

Unten am Rande: Neglexi sermonem 
dominica Invocavit propter salutivum re- 
ceptum contra seabiem. 


Quarta feria post Invocavit etc. Recitato 
textu Joannis de turba multi erediderunt 
in eum — — 


Melanchthon. Davor: Neglexi aliquot 
lectiones vocatus hinc Dessaviam ete. 
Dominica Letare ex magistro Fabricio. 
Recitato euangelio dixit — — 
Melanchihon. 

Ex ore d Pomerani in die annuncia- 
tionis B. Mariae recitato euangelio — — 
Melanchthon. 


Ex ore domini Pomerani dominica 
Judica recitato euangelio dixit de pec- 
cato in spiritum sanctum — — 


268 
1544 

306a April 2 
X 174b „ 6 
X 177 „ 1 
307a „ 10 
307 b 

X 179a „ 11 
307b ; 12 
307b „ 12 
X 183b „ 13 
307b „ 13 
308a » 13 
308b 

X 184b 14 


28 


Ex ore domini Pomerani 4 feria post 
Judica, ubi cepit legere euangelium Jo- 
annis de passione Christi — — 

Oben am Rande: Ante octiduum propter 
evacuationem non interfui concioni. 


Melanchthon. 
Melanchthon. 


Ex ore d Pomerani die Jovis post 
palmarum recitato passionis parte ex 
libello usque ad caput Joannis 14. 


Deinde per dies post palmarum usque 
ad diem pascae praedicavit d doctor 
Pomeranus ex libello in |quo] conti- 
netur passio Christi collecta ab eo et 
plerumque praedicavit ante prandium et 
vesperi ex eodem libello adiectis brevibus 
scoliis, tamen bis praedicavit eisdem 
diebus. 
Melanchthon. 
Froschlein magister qui in sacra 
vigilia pascae tractavit primam partem 
psalmi Conserva. 
Magister auten Andreas praedicavit 
eadem vigilia de sepultura Christi, in qua 
vigilia d Pomeranus non praedicavit. 
Melanchthon. 
Die ipso sanctae pascae d Pome- 
ranus recitavit prolixam historiam de 
resurreetione domini — — 
Am Rande: magister Andreas, fere 
omnia dixit ex Brentio. 
A prandio praedicavit d Martinus. 
Am Rande: pro hoe facit concio quam 
doetor Martinus habuit aliquando in 
Nemech in baptismo licentiati Cordati 
filii, quam habet magister Schlahen- 
heuffen et dominus Georgius prae- 
positus Magdeburgensis princeps 
Georgius Anhaltinus. 
lieliquis diebus pascae usque ad quasi- 
modogeniti praedieaverunt d Pome- 
ranus, Crucigerus ante prandium 
et d Martinus bis a prandio. 


Melanchthon. 


29 
1544 

X 186b April 15 
X 188a „ 20 
309a „ 20 
309b „5 23 
X 190b „ 27 
309 b „ 27 
3100 


X 192 Juni 


310b  , 
311b „ 
X 192b , 
3122 „ 
312b „ 
X 194a „ 
319b „ 
314b o „ 


X 196a „ 


1 


M elanchthon. 
Melanchthon. 
Dominica quasimodogeniti recitato euan- 
gelio dixit iterum de iucunda resurrectione 
Christi — — 


Die Mercurii post quasimodogeniti in 
euangelium Joannis ego sum lux mundi ete. 


Melanchthon. 


Ex ore domini doctoris Pomerani 
misericordias domini in euangeliam ego 
sum pastor bonus. — 
Abfui a Witeberga 4 septimanas, itaque 
neglexi aliquas conciones. 
In die pentecostes cum abfuissem 4 sep- 
ina nas hinc apud principem Georgium 
Anhaltinum revers ts 4. feria post Exaudi 
audivi ex ore Philippi ante ianuam con- 
sistens quia non patebat mihi ingressus 
in eius vaporarium mane post 4. horam 
audivi ha^c sequentia ex ore domini 
Philipp: M elanchthonis. 

Am Rande: Veni aliquanto posi 
inceptionem lectionis. 


In die pentecostes ex ore magistri G e> 


orgii Maioris concio. Primo reci- 
tavit euangelium — — | 

A prandio eodem die pentecostes ex ore 
d Martini qui recitato 2. capite ac- 
forum — — 

Melanchthon (qui fecit adolescentem 
legere c. 2"" actorum). 

2a pentecostes ex ore d Pomerani, 
qui recitato euangelio dixit de festo 
pentecostes — — 

Ex ore Lutheri a prandio recitato 
contextu ex 2 capitulo actorum — — 
M elanchthon. 

Ex ore d Pomerani 3 pentecostes 
qui recitato euangelio ex Joannis 10. 
Amen amen ete. 

À prandio eodem die ex ored Martini 
qui recitavit ca. 3. actorum. 

M elanchthon. 


210 


315a 


315b 


316a 


X 197 b 
316 b 


X 198b 
317 b 


318 a 


319 a 


X 20la 
319 b 


330b 


1544 


Juni 


” 


79 


77 


8 


30 


In die S. trinitatis ex ore d Pomerani. 
Primo recitavit ex c. 15. cirea finem 


Joannis de spiritu sancto non ex c. 3. 


11 


29 


de Nicodemo. 
A prandio eodem die trinitatis ex ore 
d Martini. 
Quarta feria post trinitatis ex ore d 
Pomerani cepit tractare et repetere, 
quae dixit in caput 8. Joannis nempe 
haee verba si vos manseritis in sermone 
meo — — 


Melanchthon. 


Ex ore, d Pomerani in Euangelium 
de Lazaro et divite. 


Melanchthon. 


Quarta feria ex ore d Pomerani qui 


lectos|!] ex Joanne incipiendo vos ex patre 
diabolo estis usque hue propterea vos 
non auditis — — 


2. dominica post Trinitatis ex ore 
d Pomerani qui primo recitato euan- 
gelii textu — — 


Eadem dominica ex ore d Martini in 
epistolam Joannis 1 eiusdem 3. 


Melanchthon. 


In d. S. Joannis baptistae. Ex ore 
d. Pomerani qui recitato euangelio 
Lucae 1. dixit — — 


Eadem d. S. Joannis ex ored Lutheri. 
qui recitato contextu ex Luca, Mattheo 
et etiam quadam parte Marci .— — 


Quarta feria post Joannis ex ore domini 
doetoris Pomerani qui recitatis aliquibus 
verbis ex capite 8 Joannis de diabolo etc. 


Melanchthon. 


Ex ore d Pomerani in die Petri et 
Pauli quae erat dominica dies, qui reci- 
tato euangelio ex Luc. 15. de ove erra- 
bunda — — 


Eadem dominica ex ore d Martini in 
epistolam Petri. i 


Ju 


323b Juli 


324b 


325b 
X 204b 
326a 


326a 


X 209a 
327a | 


327b 


X 210b 
328b 


329b 


330a 


330b 


X 212b 


1544 


2 


7 


1) X 209b. 


2 


— 


13 


9| 


23 


271 


Die visitationis Mariae ex ore domini 
doctoris Crucigeri ubi recitato euan- 
gelio ex e. 1. Lucae — — 


Eodem festo ex ore d Pomerani qui 
recitato euangelio — — 

Ex ore d. Martini eodem festo die. 
Melanchthon. 


Euangelium Estote misericordes sicut et 
pater vester ete. audivi ex doctore Martino 
praesente d. principe Georgio Anhal- 
tino et non ex Pomerano. Item trac- 
tationem euangelio sequenti dominica 
ex Luca e. 5. faeta est, eum turba ir- 
rueret ete. auditam ex d. Jona signavi 
per errorem in libro ubi eontinentur 
lectiones dominicales Philippi). 


Am Rande: magister Rorer excepit 
cum d. Crucigero et aliis. 


Melanchthon. 


Quarta feria ex ore d Pomerani in 
caput 8. Joannis. 

Quarta feria post quintam dominicam 
post trinitatis ex ore d Pomerani, ubi 
iterum praedicta verba ex 8 e. Joannis 
traetavit. 


Melanchthon. 


Sexta dominica post trinitatis ex ore d 
Pomerani. Primo recitavit euangelium — 


Eadem dominica post prandium in 
epistolam ad Ro. e. 6. An ignoratis, 
quod quicunque baptizati sumus ete. ex 
ore d Martini. 


Oben am Rande: Ante octiduum non 
praedicatum fuit vesperi, quia sagittis 
certatum est pro deiicienda ave. 
Quarta feria ex ore d Pomerani in 
Joannem. Primo recitavit verba Joannis 
aliqua, non tamen usque ad finen 
eapitis 8. 


Melanchthon. 


272 
1544 
33la Juli 27 
331b „ 27 
332 a „ 30 


X 2130 Auy. 3 
332b „ 3 


X 216a „ 3 
333a 6 


10 

333b „ 10 
334d „ 10 
335a „ 13 
X 7906 „ 17 


336a „ 20 
X 2234 „ 24 
336b „ 24 


32 


Dominica 7 ex ore Pomerani ubi prae- 
termisso euangelio de 7 panibus etc. 
tractavit euangelium de muliere peceatrice. 


Eadem dominica a prandio ex ore d 
Martini. Primo recitavit epistolam ex 
apostoli 1 Timo. 1. 

Quarta feria ex ore Pomerani in verba 
Joannis 8. e. ego glorifico — — 

M elanchthon. 

Octava dominica post Trinitatis praedicavit 
hie d doetor Fabricius, cuius sermoni 
interfui, qui sermo signatus est per me 
forsitan, ubi sunt lectiones dominicales 
domini magistri Philippi), quia eo die 
fui impeditus per aliquos viros, qui me- 
cum prandebant etc. 

Ex ore d. d. Martini a prandio. 

Ex ore d Pomerani 4 feria post do- 
minicam 8 post trinitatis. Primo iterum 
legit verba euangelii Joannis ex ca. 
eiusdem 8. quae ante octiduum tracta- 
verat. | 


Melanchthon. 
Dominica 9 post trinitatis ex ore d. Pome- 
rani primo recitato euangelio — — 
A prandio ex d Luthero in e. 10. ad 
Corinth. epistolae 1. 
Quarta feria ex ore d. Pomerani in 
c. ultima verba Joannis: Abraham pater 
vester etc. 

Am Rande: Veni aliquando tardius, 


M elanchthon. 


Dominica 10. post trinitatis ex -ore 
d Pomerani primo recitato euangelio 
Lueae 19. 


Quarta feria ex ore d. Pomerani. 
Recitatis aliquot verbis ex ca 9. Joannis 
repetivit dicta ante octiduum — — 


M elanchthon. 


Ex ore Pomerani in c. 18. Lucae de 
phariseo et publicano ete. 


33 
1544 
337a Aug. 27 
X 225b „ 617 
338a » 31 


339 b Sept. 


X 228b „ 
340 a à 
341h 5 
342 4 z 

X 230a „ 
342 b s 
343b i 
343b = 

9a. 309a „ 

X 232a „ 
344a x 
345b T 
346a " 


3 


* 
uq N 


10 


14 


14 


14 


17 
17 


21 
21 


21 


24 


273 


Quarta feria ex ore d Pomerani in 
ca. 9. Joannis, ubi repetivit inicio ferme 
omnia, quae ante octiduum praedicavit 
et fere totam horam consumpsit repe- 
tendo — 

M elanchthon. 


Ex ore d. Pom erani 12. dominica post 
trinitatis recitato euangelio -— — 
Quarta feria ex ore d. Pomerani iu 
haee verba me oportet operari etc. 
Melanchthon. 

Concio ex ore d. Pomerani in euan- 
gelium Lucae 10. Beati oculi etc. 

Ex d.Luthero in epistolam ad gal. 
c. 3. 

Quarta feria ex ore d Pomerani in 
caput 9. Joannis, ubi inicio repetivit dicta 
ante oetiduum — — 

M elanchthon. 

Dominica 14. post trinitatis primo reci- 
tato euangelio — — 

Eadem dominica ex ore d. Pomerani!) 
in epistolam ad gal. c. 5. 

Am Ende: Hane concionem late habetis 
in libro concionum exceptarum me ab- 
sente et agente Mersburgii?), sunt 
ibi sincere, quare potui omnia describere 
quae audivi. 

Sermo feria 4'* Alibi descripsi. 
Ex ore domini d. Pomerani 4. feria. 

Am Rande: Sepe conciones hue perti- 
nentes alibi descripsi propter incogitatum 
et festinatum. 

Melanchthon. 

Sermo dominica 14 vel 15 ex ore 
d. Pomerani, ubi recitato Euangelio — — 
À prandio ex ore d Martini in epistola 
ad gala. c. 6. 

Quarta feria ex ore d. Pomerani. 
Collegit aliquot doctrinas ex hae historiu 
ceci nati, — — 


) Vou Luther, W. A. 49, 554 ff. N Vgl. Westphal, a. a. O. S. 16. 


Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 4. 18 


274 


346a 


347 u 


X 235b 
347a 
348a 


348a 


X 234b 
348b 


349a 


X 240a 


350a 


350b 


) Schreibfehler für 16. 


1544 
X 234b Sept. 28 


r 


97 


0 


28 


28 


12 


12 


34 


M cdanchthon. 

Dominica 17.') post trinitatis de viduae 
unieo filio. 

Eadem dominica quae erat vigilia 
Michaelis magister Andreas (quia 
d. Lutherus male habuit propter in- 
quietam noctem) primo recitavit historiam 
ex 4. regum 6. de Heliseo vidente igneos 
equos — — 

Am Ende: Ante annum in vigilia 
Michaelis coneionatus est d. Pome- 
ranus, sed neglexi eum sermonem. 
quia neseivi eum praedicaturum, sed eum 
sermonem habet ^ dominus magister 
Aegidius parochus Dessavianus. 


M elanchthon. 


Die Michaelis ex ore Pomerani primo 
recitato euangelio. 

À prandio eodem die Michaelis doctor 
Martinus tractavit epistolam ex c. 12. 
apocalypsis. 

Quarta feria post Michaelis ex ore d. 
Pomerani in Euangelium Joannis In 
iudicium veni in hune mundum etc. 


Melanchthon. 


Dominica post Michaelis in e. 14. Lucae 
d. Martino et Pomerano eonstitutis 
Torgae in dedieatione templi coneionatus 
est magister Froschle. 


Ex ore d. Pomerani feria 4. pos 
S. Francisci in caput 10. Joannis ubi 
recitato euaugelio dixit de praecipuis, 
quae in hoc capite continentur. 


Duabus dominicis diebus non legi d. 
Philip quia fuit Lipsiae tempore nun- 
dinarum et nuptiarum D. Mordeysen?). 
Dominiea 18 ex ore Crucigeri quia 


dominus Philippus erat tune Lipsiae 
in e. 22. Matthei de magno mandato. 


Eadem dominiea ex ore d. Pomerani. 
Primo recitato Euangelio — — 


3) Vgl. CR. V, 515. 


352 2 


353 a 


354 a 
354 a 
355b 
X 240a 
356a 


356b 


1544 
Okt. 12 
„ 15 
. 19 
19 
— 22 
26 
„ 286 
29 


20 


X 24da Nov. 2 


357b 


— 


275 


Eadem dominica a prandio ex domino 
doetore Luthero I. Corin. 1. 

Am Ende: hie statim cessavit forsitan 
propter vertiginem ete. 


Ex ore Pomerani feria 4. ubi plurimum 
temporis consumpsit in repetitione eon- 
cionis aute oetiduum -- — 

Am Ende: fuit hie vehementer inter- 
turbatus per d et Heetorem ete. mea 
maxima molestia, quia in meo vaporario 
expeetabant nuptialem pompam ete. 


Dominica 19. post trinitatis ex ore 
Pomeranidominiea 19. in e, 9. Matthei. 


Vesperi praedieavit magister Froschel, 
quia d. Lutherus vexabatur caleulo. 


Quarta feria ex ore d. Pomerani, 
ubi iterum recitato euanzelio ea. Joannis 
10. dixit — —- | 
Melanchthon j 
Dominica 20. post trinitatis in caput 
22. Matthei ex ore d. Pomerani. 
Quarta feria ex ore d. Pomerani in 
ea. 10. Joannis Ego sum pastor bonus ete. 


Dominica post Simonis el Judae d. 
magister. Philip tractavit c. 3. Malthe: 
de beatictwlinibus, sed ego abfui propler 
pwrgation.m. Doctor Pomeranus 
eadem «dominica die pracdiaril de peni- 
tculia et fiie et aliis et in postilla 
philippi continentur, sed non potui 
interesse propter purgationem. 


Anno domini 1545') Mersburgae. 
|Nov. 16] Coneio ex domino licentiato Musa in 


Euangelium Matthei 22. Tune abeuntes 
pharisei — — 

A prandio percurrit idem M usa 10 prae- 
cepta 

Concio ex ore d. Licentiati Musae in 
templo basilico Martipolensi 1544 
in Euangelium Matthei e. 9. de primate 
svuagogae — — 


1) Soll 1544 heißen. 


276 
1544 


36 


358b  [Nov. 23] A prandio idem in catechismo perrexit. 
358b [„ 25] Die Martis ex ore domini Musae. 


1545 
359a [Jan. 11] 


359b. „ 295 


360 a „ 25 
360b [„ 25] 
361a Februar 1 


361b 5 1 


362a e 2 


362b " 2 


Summa concionis in epistolam prioris 
dominieae quae seribitur Coloss. 1. 


Ex ore domini licentiati Musae Antonii 
in epistolam Pauli Ro. 12. Quemadmodum 
in uno eorpore — — 

In die conversionis Pauli qui erat dies 
dominica proxima post Agnetis ex ore 
domini licentiati Antonii Musae. 
Primo recitavit ex ca, 9. Aetorum — — 
Eodem die a prandio tractavit 2” prae- 
ceptum deealogi — — 

Ex domino licentiato Musa in epistolam 
Ro. 12. Ne sitis arrocantes ete. 

Ex ore L. Musae in c. 20. Matthei de 
operaris conductis in vineam ete. 

À prandio eodem die ex ore Antonii 
Musae. tractavit 10 praecepta et prae- 
cipue 2°= praeceptum tractavit — — 
Die purificationis ex Antonio Li.Musa 
recitato Euangelio Lueae 2. 

Eodem die a prandio hora 12. ibi per- 
eurri 10 praecepta et repetivit omnia, 
quae dixit cirea 2 praeceptum. 


Die reformatorischen Kirchenordnungen 
Ober- und Innerösterreichs. 


Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche. 


Fortsetzung?!) 


Von der christen begrebnus in der stadt Steyr ). 
Gestelt anno im 67'*" den 26. Maii. 


Es ist in diser khirche nicht zu loben, das nicht alle 
verstorbne christen ehrlicb mit gebürlichem conduct und 
christlichen gesengen zu grabe beleitet werden, sondern solchs 
nur dennen allain widerferet, die etwo an zeitlichen gtletern 
vermügiger sein, dann andere; die armen, so nicht sovil gelt 
auf das begrebnus zuwennden, müessen one alle christliche 
eeremonien und ehre dahin getragen werden, wie die heiden, 
oder als die, so in die christgläubigen gemaine nicht ge- 
hóreten ). 

Deßgleichen werden solcher christlicher solenniteten und 
grabgeprenngs auch die lieben jungen khinderlein beraubet, 
die doch dem Herrn Christo in der tauff zuegetragen und 
dureh sein Wort des ewigen himelreiehs vergwisset, auch 
sovil mit desto merer reverenz zur erden zu bestetten weren. 
Solches geschicht nicht allain den cörpern nnd leiben der 
verstorbnen ehristen, so im glauben eingeschlaffen und irer 
khünfftigen aufersteheung zur unehre, sondern es ist auch 
der hinderlassnen lebendigen gemein verheblich für der 
gannzen christenhait und ein zeichen, als wenn sie von der 
auferstheung der Todten wenig hielten, das sie so viler irer 
brüeder und schwester leibe, wenn sie verscheiden, so gar 


1) Siehe oben S. 209 fl. 

2) Stadtarchiv. Kasten II Lade 29. 26. Mai 1567. 

,Diese vollstándige Friedhofsordnung ist auch durch den in 
Punkt 6 ersichtlichen Nachweis wertvoll, daß der neue Friedhof auf 
Tabor seine Entstehnug den Evangelischen verdankt“ (Selle). Vgl. 
Seuling 1, 1, siehe oben Begräbnis. 

* Also viel sozialer als z. B. in Meissen 1533. Sehling J, 1, 195. 


218 : 38 


one alle ehre, christlich geseng und gepreng lassen in die 
erden legen. Oder man mueB daraus ahnemen ein sonder- 
liche unbarmherzigkait gegen den verstorbnen gliedern Christi, 
weil man allain darumb, das sies mit gelt nicht zu bezallen, 
inen solche christliche Dienst versaget. 


Derhalben auf das hierinen allen verstorbnen christen, 
so im waren bekhenntnus und berueffung unnsers einigen 
mitlers Christi Jhesu einschlaffen, möge gebürliche grabsehre 
widerfaren, auch niemandt über neue aufseze, die ein schein 
aignes genüesses hetten, billich zu elagen habe. ist hierinnen 
unser einfaltig bedenckhen (doch auf pessere verordnung 
eines ersamen wolweisen raths) also: 

Erstlich sol khain leich begraben werden. es werde den 
zuvor der pfarherr umb das begrebnus ersuechet und ime 
angezeiget, wasmassen abgeleibete person verschieden, und ob 
jemanndt aus den khirehendiennern dieselbe in der kranck- 
hait besuechet, auch ob sie das hochwirdig sacrament des 
leibs und pluets Christi in der khrannekhait oder khurz zu- 
vor emphaungen. Waserlay gestallt mans mit dem begrebnus 
begere zu halten, ob man darzue ain leichpredigt wil haben 
oder nicht. darnach sich der pfarherr zu richten. 


Unnd were guet, das der pfarherr ein sonderlich leich- 
buch hielte, darein er alle, so in diser khirche von frembden 
und einheimischen durchs gannze jar in gott verschaiden 
mit namen und zu weilen auch, wie einer gestorben (sonder- 
lich so sich etwo ein neuer casus mit einem begeben) ver- 
zeiehnete. Daraus man sich hernach allerlay zu ersehen 
und auch an fremde orth von wegen auslenndischer bey 
unns abgeleibter personen, da es not thet unnd begeret 
wurde, möchte gewisse khuudtsehafft gegeben werden. 


Zum andern sol man ordnungshalben für und für (außer 
der geschwinnden sterbensleuffen, da es nieht wol geschehen 
khan) ein gewiße stundt zum begrebnus halten, nachmittag 
umb zway uhr, und ob gleich der leichen mer sein denn 
eine, von diser stund an eine nach der aundern holen, wie 
es die notturfft und gelegenhait der leute erfordert. AuBer- 
halb dere leichen, die am sambstag gefallen, die sol man 
umb 12 hora tragen, damit man umb eines bey der vesper 
sein und beicht sizen möge. So aber die leiche in die pfar- 
khirche geleget wirdt und man begeret ein leichpredigt, mag 
dieselbig austat der vesper und der gewohnliehen beicht- 
vermanung gethan werden. Also auch an den sontügen oder 
andern feyrtagen, so leichen verhannden, die man desselben 
tags zu legen und darzue ein leichpredigt in der pfarr be- 
geret, sol die leiche umb 12 hora getragen, und anstatt der 
mittagspredigt die leiehpredigt gethan werden, damit khaines 


39 279 


dem anndern hinderlich sey. Wo aber khain predigt darff 
geschehen, dieselbe leiebe trage man gegen zwaien. wenn 
die mittags predigt aus ist. 

Zum driten. weil es in diser khirche von alters ge- 
breuehig, den verstorbnen ehristen, ehedann man sie zu grab 
treget, mit drey pulsen zuvor aufzuleiten, eintweder vormittag 
umb acht oder nachmittag umb aindlif!) uhr, mag solche ge- 
wonhait, damit ein offenlich zeichen ires ableibens gegeben 
und zugleich die lebendigen irer sterblichkheit und lezten 
stündleins sich dabev erinnern khönnen, geduldet werden. 
Doeh sol es einem veden frey gelassen sein, solch geleite zu 
prauehen oder nicht zu prauchen. Wil es aber ein ersamer 
rath abgestellet haben, sindt wir unserstheils auch nieht 
darwider. 

Wenn man aber die leichen zu grab tragen wil umb 
2 uhr, ist not, das man zuvor einen gutten langen pulß thue 
mit einer oder merer glockhen, (wie es einem ersamen rath 
gefellet zu ordnen). damit die, so zu grab gehn wöllen, ein 
zeichen haben, wenn sie sich zur leiehe versamblen sollen. 
Es sollen auch die schuler nach der leiche ehe nicht aus- 
gehn, bis soleher pulB angefanngen.  Unnd damit mans 
khennen móge, das soleh leuten eine leiche bedeutte, sol 
der mesner alle zeit zuvor, ehe er die leichglockhen anziehet. 
mit der khlienesten gloekhen dreimal klenngeln. 

Leget man die leiche auf den gottsackher beim brueder- 
hause, sol daselbs auch das zeichen mit der glockhen ge- 
geben werden. 

Das leuten aber, so man bisheer hat gepflegen zu thun, 
wenn man mit der leiche schon zum khirhofe khommen ist, 
ist gar übrig und unnot, dieweil es den lebendigen nichts 
mer, das nuz werr, bedeuten khan; khumbt auch heer aus 
einem lautern abgöttischen misprauch, das man vor zeiten 
die todten damit hat eingesegnet unnd darauf vigilien?) ge- 
sungen. 

Zum vierten sollen alle leichen der verstorbnen christen, 
reich und arm, jung und alt, herr und khnecht, taglohner 
und betler, auch der khleinen khinder (ausgenumen deren 
menschen, so ruchloß in offentlichen groben lastern oder in 
verachtung des worts und der heiligen sacramenten oder - 
aber im falschen glauben der verfürischen secten bis an ir 
ende in unbußfertigkheit beharret haben) ehrlich mit christ- 
licher procession und gesengen?) dadurch die menschen irer 
sterblikhait und des jungesten gerichts, auch der frölichen 


| ) = elt. 
*) RGG. 5, 1673. 
) Vgl. Loesche Mathesiua 1, 288. 


YRO 40 


auferstehung von den todten und des khünfftigen ewigen lebens 
erindert, zu erden bestättet werden, zu welchem christlichen 
leichganng khirche und sambt den schulern nach eines jeden 
begere und vermögen gefordert sollen werden. 

Auch sol man die leichen mit leinen ehrlichen tüchern 
bedekhen und solcher ehre auch die khleinen khindleiu 
nieht berauben, sintemal es gewiß, das daß grösste tail des 
himelreichs ir ist Math. 18, und sie am jüngesten tag in 
iren zarten, elarifieierten leiblein zue ewigen ehren und freiden 
werdeu auferstehn. Wo erbare leute auch iren abgeleibten 
khindern wollen leiehpredigten thun lassen, hat man in der 
schrifft vil schöner und nuzer text, die man darzue brauchen 
khan. ` 

Die khindlein, so one die heilige tauff verscheiden oder 
todt aus mutterleibe khomen, so solches nicht durch muet- 
willige verwarlosung oder verseumung der eltern zueganngen 
und die eltern bekhennen, das sie treulich für solche khind- 
lein, weil sie noch in mutterleibe lagen, damit sie die eusser- 
liche heilige tauff erreichen khunden, gebettet haben oder, 
wo solehs gott nach seinem verborgnen willen nicht zuegeben 
wurde, das er sie doch inwendig mit dem heiligen geist 
tauffen und zu seinen gnaden aufnemen wolle, mag man deu 
betrüebten eltern zu trost mit obbemelten ceremonien wol 
zur erden bestätten. 

Welche aber mutwillig durch ire eltern verwarloset oder 
an irer tauff verseumet sindt worden, denen sol man zum 
abseheu und schreckhen den anndern eltern solche christliche 
beleittung irer kbindlein nicht gestatten, sonndern man sol 
sie one ceremonien allain durch den todtengraber lassen 
hinaustragen. Doch mag man sie lassen auf den gemeinen 
khirchofe etwo in ein winckhelein begraben, dieweil man auch 
manchem alten menschen, der der heiligen tauff nicht fast“ 
gemef) bis an sein ende gelebet hat, den khirchoff vergonnet. 

So aber personnen sturben (unangesehen in was wierden 
sie auf diser welt gehalten sind worden), die in offenlichen 
sünden one buD bis an ir ende beharret, oder vor irem todt 
in vilen jaren das sacrament des heiligen abentmals nach 
Christi einsezung aueh zulezt in irer khrannkbait nieht ge- 
nossen oder auch unser waren reinen und christlichen religion 
nieht anhenngig gewesen unnd also im unglauben one be- 
kherung ir leben geendet, dern cörper und leibe sol man 
nicht zu den andern christen in den gemainen gottsackher 
begraben, vil weniger mit christlichen ceremonien beleitten. 
sondern mit unehre lassen dahin tragen und begraben an 
ein besonnder orth, das von der christen begrebnus abge- 


1) = sehr. 


4] 281 


sondert sey. andern zum abscheulichen exempl, damit sie 
für solchen sünden und verruchtem leben sich hütten und 
offenlich dadurch zu bezeugen, das, die one ware bu, bc- 
khentnus und anrueffung Christi sterben, am jungesten tag 
nicht zu ewigen ehren, sonndern zu l ewigen schanden werden 
auferstehn. 

Zum fünfften mag man die ceremonien und beleitung 
der leichen in nachvolgender underschiedlicher ordnung halten 
und derselben nach den khirch- unnd schuldienern ir verord- 
nete gebüre, so hieunden aus uberschlagung!) und etlicher- 
massen mit minderung der alten?), sovil die khirchdienner 
anlannget (doch einem ersamen rath hierinnen nichts vor- 
gegriffen, noch maf oder ordnung gegeben) verzeichnet ist, 
reichen. 

Wer mit allen glockhen lesset ausleuten, der sol zum 
leichganng auch das gannze ministerium oder priesterschafft 
und die gannze Schul fordern. 


So die leiche in die pfarrkhirche geleget wirdt, gebüret 


erstlich zur khirehe zu geben . . II fla) 
Wirdt sie aber ausser der kbirche in item khirehoffe 
pelga E O3 x dece" E wh ee E E ep dd 


0 Überschlag. 

2) sc, Gebühren. 

5 Der Gulden hatte damals ungefähr den Wert von 15 Reichs- 
mark im Frielen. Für die Preise ist es unabkömmlich, sich eine Vor- 
stellung von der damaligen Kaufkraft des Geldes in Oberösterreich 
zu machen. Im Puchheimer Urbarium von 1564, also aus der hier 
in Betracht kommenden Zeit, findet sich z. B.: 1 Henne 84; 40 Eier 
20 à; 2 junge Hühner 12 5; 120 Eier 18 18 5: 2 ,Hünndl" 16 0. Zu 
Fasching eine Heune 164. „Madtag“ (ein Tag Mähen) 104. 50 Eier 
20 4. 40 Eier 15 9. 100 Eier zu Ostern 1 $ 5 à. Martinigans 1ß. 
1 Semellaib Brot 18 25. Brot zu Weihnachten 85. Aus „K. Ober- 
leitner, Die Finanzlage Niederósterreichs im 16. Jahrhundert": 


‚ 1514 1506 1598 
1 Æ Rindfleisch 2 6 63 . . 83 
1 & Käse 3 5 3 Kr 
1 Gans 6 „ 12 -, 
1 Henne 4 „ 4 „ 
1 Haß Wein 4, 6 „ 
5 Eier 1 „ 3 5 
1 Laib Brot er 2 
1 & Butter 7 „ 10 


Löhne: Maurer, Siroliichne den Holzhädker: Weingartenknechte: 
stiegen von 14 4, 20 0 auf 6, 7, 9, 10 Kr.; Beginn des 17. Jahrhunderts 
12,713. 15, 17 und 33 Kreuzer. (Dr. Koch.) 


232 42 


Dem Dn man lege sie in oder ausser der 
khirehe. . =- 3845 — 0 

Dafür soll er schuldig sein ein . E thun 
oder dureh einen andern an seiner stat zu bestellen. 

Den beiden gselpristern?) jedem . 68 — à 

Dem schulmaister einen halben taller?). 

Dem mesner, so er zuvor mit allen did pd mal 


ausleiten muß . . — 3 
Lesset man aber nicht aubleuten und er ar = einen 
pulü zum begrebnus . s 256 — 3 
Dem cantori . . . .. ..4f — 3 


Den anndern EM oder collaboratorn, so mit- 
gehnn, was ein jeder seinem vermögen und ehren nach selbs 
guetwilligklich geben wil, doch das mans nicht gar unbe- 
gabet lasse. Deßgleichen ein almosen geltlein für die armen 
khinder und astanten*) auf der schul, welchs dem schul- 
maister sol uberanntwort werden, inen nach eines jeden 
vleiß und notdurfft auszuteillen, darunder man auch den 
armen bürgerskhindern, so aus der schule mit der leiche 
mitgehn, ire pfenniglein geben soll. Oder wer da wil, mag 
den sehülern das ire vor seiner thür. da die leiehe gezalet 
wird. lassen austeilen. 

Über das. weil es gewohnlich und christlich, das man 
bei vermügiger leute leichen ein stuckh tuch auf der bar 
treget, so man armen leuten zur khleidung austeilet und der 
schulmeister zu zeiten für etliche arme schüler bitten wurde, 
inen ein gannz oder halbs stuckh, oder aber etliche eln nach 
not und gelegenhait dere, so es dürffen“), widerfaren zu lassen, 
sol man hiermit die armen schüler auch nicht lassen ô). 


Wer die prediger so außer der ordenlichen pfardienner 
von einem ersamen rhat angenomen und gehalten werden, 
zu seiner leiche (wie sichs wol in veneralibus funeribus 
gebüren wil) fordern unnd inen was geben wil, sol einem 
jeden frey stehn. 


1) f ist Schilling, der 8. Teil eines Ptundes = 210 c (Pfennige), 
also 305 (Das gezählte Pfund z. B. Kraut hatte 240 Stücke. Ein 
Schilling Kraut = 30 Köpfe. Da der fl = 60 Kr = 240 3 hatte, 
wurde dies noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gern zum Kopf- 
rechnen verwendet.) 

2) Hilfsgeistlicher, Kaplan. 

3») — ungefähr 1 Gulden. 

4) Oder Diskantisten hießen die armen Schulknaben, die zum 
irchen- und Chordienst verwendet wurden. 

5) bedürfen. 

6) d. h. auslassen. 


43 283 


Begeret man aber von derselben einem in sonderhait 
die leichpredigt, sol dem, der es thut, ein dannekhbarliche 
verehrung ohne abbrueh des pfarherrs und gesellpriester 
gebüre gethan werden. 


So aber zur leiche das mitter!) geleite begeret wirdt, 
beide zum außBleiten und begrebnus, ist unot, das daselbs 
die gannze schule mitgehe, sonndern allein der cantor mit 
allen astannten, so sich auf der schule aufenthalten, sambt 
etlichen andern armer burgersleute khindern, die in die 
schul gehn, sollen naeh solchen leichen gehn und die ge- 
senge verrichten. 

Davon gebüret erstlieh dem pfarherr, so er khain leich- 


predigt thun darf?) . . . 9f — G. 
Begeret man aber ein leichpredigt . . 656 — N. 
Den Penn so man khein thut, 
jedem .. .18 — 5. 


Thuet man aber ein leichpredigt, jedem . 3 6 — N 


Unnd sollen der pfarherr sambt seinen gesellpriestern 
auch schuldig sein, mit der leiche zu gehn, man predige 
oder predige niebt, one, welcher predigen sol. mag daheim 
dieweil seiner meditation warten. 


Des mesners gebüre ist hie. . . . . 2 — , 
so er zuvor dreimal ausleitet. 

Lesset man aber nicht ausleuten und er thut nur einen 
pulb zum begrebnus mit der mittern gloekhen, n 5 ui im 


ordnen .. i — 8. 
Geschicht aber der pulb mit der grossen poa 
auch . 28 — 6. 


Also auch, wenn er zuvor ausgeleitet und hernach mit der 
großen glockhen den pulß thut, gibet man im billig 3 8 — ^5. 


Dem cantor mag gleichesfals geordnet werden 3 fj — à. 


Und was sonst ein jeder von guetem willen auf die 
sehul wil geben oder für seiner thür austailen lassen den 
armen schulern, so die leiche beleiten unnd singen heltfen. 


Unnd da nun hie etwas ain gelt auf die schul ge- 
schiekhet wurde für die armen schüler, sollen in derselben 
austaillung, wie obgemeldet, auch die armen bürgerskhinder- 
lein, so der cantor zu den leichgengen brauchet, begabet 
werden. 

Die übrigen und geringen leichen, so von armen un- 
vermügigen leuten nur mit dem khleinen geleit bestellet 
werden, sol der cantor allein mit den astanten holen. Be- 


— — 


1) mittlere. 
2) d. h braucht. 


254 44 


geret man aber, das die gesellpriester sollen mitgehnn, soi 
man einem jeden geselpriester geben . . kr. ) 
Wil man auch den pfarrer haben, gebe man im 6 kr. 
Doch stehet es den leuten frey, die priester zu fordern 
oder nicht zu fordern; da man nun ires beleitens nieht be- 
geret, darff? man inen auch nichts geben. 
Dem mesner gebe man für dib leiten, wie bisher, sein 


ordentliche gebür . . b Wh RE 
Doch so er nieht außleitet und er thut nur ein pulß zu 
grabe mit der mittern glockhen . . . xx. 
Wil man die groß glockhen haben, auch .. . 8kr. 


ohne das vorgehennde ausleitten. 

Wer aber zugleich das vorgehunde ausleiten und den 
pulb zu grab mit der großen glockhen haben wil. der 
gebe „ a I2 RE 

Dem 'eantor- von einem solchen funere 8 kr. 

Also das ein solch funus zum högsten in ehrlicher 
proceß mag ausgerichtet werden (außerhalb des todtengraber 
,, Dune 
zum wenigsten mit. . . . .. . . 12 kr. 


So nun jemand auch N 12 kr UT vermöchte dran- 
zuwendten, ist es christlich, das ein ersamer rath verordnung 
thue, damit solch geltlein halb oder gannz nach augen- 
scheinlicher not und gelegenheit der personen von dem 
almosen aus dem bruderhause für die armenleute dargeleget 
werde, damit sy von wegen armuets nicht dürffen der christ- 
lichen ehre zum begrebnus beraubet werden. 


Damit aber aber auch solche ausgabe dem bruederhause 
widerumben möge einkhomen, sol man by allen leichen, so 
beide in der pfarr uud im bruderhause begraben werden 
ısonuderlich da leichpredigten geschehen) in der khirche 
oder auf dem khirchoffe undter dem thor, da man die leiche 
hat hineingetragen, ein offen messingen beckhen sezen, auf 
ein dreufüssichten stul, darein die thrauersleute und andere 
christen, so mit zu grab gangen, am herausgehn ir almosen 
sollen legen, in das bruderhause zu samblen, darzue denu 
die prediger die leute zu zeiten in der-leichpredigt vermanen 
soln. Das wirdt one zweifel des jars sovil tragen, das man 
den gar armen leuten zu irem begrebuuß one schaden wird 
aus dem bruderhauß khonnen hilff und steuer thun. 

Also khónte es geschehen, das alle auch unnser armeste 
mitglider in Christo, wenn sie im herrn einschlaffen würden. 
mit christlichen ceremonien one jemandts große besehweruug 


1) Kreuzer. 
^) braucht, 


45 285 


zur erden bestättet, damit man sehe, das wir den todt der 
heiligen werde hielten und ein tröstliche hoffnung unser auf- 
erstehung undter unns erbielten. 

Was aber hierinnen von unns zu wenig bedacht, das 
auf bessere mit! khonnte geordnet werden, wollen von einem 
ersamen wohlweisen rhat, unsern günstigen herrnen wir unns 
gern weisen lassen. 

Unnd wiewol es bisher gebreuchig gewesen, das man 
alles gelt, so auf khirehe und schul von der leiche gebüret, 
in einer suma hat dem pfarherr überantwortet, so sehen wir 
doch für bequemer und richtiger an, das solche verordnete 
gebüre einem jeden, iusonderheit von denen selbs, so div 
leiche bestellen, mit guettem willen zuhauß geschiekht würde. 
Unnd im fal, da solehs an einem oder dem andern verblihe, 
das ein jeder das seine selbs einzumanen habe, die priester 
dureh den mesner, die schuldiener durch ire schulboten. 


Doeh so es jemaudt dem pfarherr alles miteinauder zu 
treuen hennden überanntworten wil und thut solches ohne 
abbruch, ist der pfarberr auch unbeschweret, solches an- 
zunemen unnd jedes an sein orth zu verschaffen. 


Da es auch sich zuetrüge, das etliche leute solche 
ordentliche praesenz für khirche und schule eintweder nicht 
volkhomen oder sich gannz und gar (wie unndter weilen 
auch von reichen leuten geschicht) dieselbe zu geben wegerten 
und hetten doch der khirche und schuldienst zum begrebnub 
der iren gebrauchet, ist an einen ersamen rath unnser bitlich 
ansinen, zu ordnen, so solches dem herrn burgermaister an- 
gezeiget wurde, die leute dahin zu halten, das einem jeden 
khireh- oder schuldiener das seinig mit dannekh und one 
abbruch werde zuegestellet. 


Die brennenden windliechter oder fackheln, so vermügige 
leute bey den leichen tragen lassen, fechten wir nicht an, 
wie etliche die liechter in der khirchen, so one superstition 
und aberglauben khonnten gebrennet werden, anfechten. 
Doch so man auf solche und dergleichen ceremonien, so 
zum pracht dienen, unkossten wennden und daneben deu 
khirch- und sehuldienern das irige abbrechen oder den 
armen schulern desto kherkhlicher geben wolte, were solches, 
als das wider die liebe strebet, nicht zu loben. Man solte 
es ehe an fackheln unnd glockhenleuten mangln lassen, 
ehe mans an ehrlicher begabung der lebendigen dienner 
in khirehe und schul, so das christliche conduct mit gesengen 
und predigten halten helffen, solte erwinden lassen. 


Damit auch die leute diser obgeschribnen bestallung, 
wenn sie das begrebnus suchen, darnach sie sich zu richten 


290 46 


ein gründliche wissenschafft mögen haben. sol inen der 
pfarherr auf ir begern solches zuvor deutlich anzeigen, wie 
es allenthalben mit dem vollen, mittern oder khleinem ge- 
leite, auch mit dem cantor ein ordnung habe, auf das sie, 
nach irem vermögen das begrebnuß wissen anzustellen. 


Das große geleite sol man allain zu den alten, wenn 
es die leute begern, zu den khindern aber das mitter oder 
khlein geleite brauchen, nachdem man viel oder wenig aufs 
' begrebnus wennden wil. 


So auch für gemaine leute, die kheiner sonnderlichen 
zeche oder hanndwerchszunfft verwohnet sindt, khein be- 
sonnder leichtuche, damit die leiehe khonten ehrlich be- 
deckht werden, verhannden were. möchte man eines aus 
dem bruderhause lassen machen und denen, so es begern. 
aufleichen umb einen benannten zinBphening. Nemblich, so 
es ein leiche were, unter vollem geleite getragen, die gebe 
davon 12 kr, undter dem mittern geleite 6 kr.. unnder dem 
khleinesten 3 kr. Wolte man dann noch eines darzue von 
sehlechtem tuech lassen machen für gar arme, das man 
umbsonst auslihe, were aueh wolgethan. 


Sovill den todtengraber antrifft, gebüret einem ersamen 
rath, auch einsehen zu haben, das er on seinem bestimbten 
lhon ime lasse bemücgen und die armen leute uicht seines 
gefallens uberseze, ime auch ernstlich bevehlen, das er die 
leichen wegen des über sich steigenden schödlichen todten- 
dampis tief genug in die erden lege. 

Zum sechsten unnd lezten, dieweil es aus heiliger, gött- 
licher schrifft beide aus dem alten und neuen testamennt'), 
clar zu ersehen. das gottes volekh jhe und alwege luftige 
orth zum begrebuus auDerhalb der stadt von der leute ge- 
tümel abgesondert gehabt, darin die verstorbnen christen, so 
am jüngesten tag von Christo auferweckhet und selig gemacht 
werden sollen, im fride und rhue schlaffen theten, unnd aber 
alhie, bei diser großen gemein ein solch ehrlich, still und 
geraumes begrebnus mangelt — (denn der enge khirchoffe 
bey der pfarr zu khleinen raum, auch nieht rhatsam, noch 
den einwohnern gesundt, sonnderlichen in sterbenszeiten 
meniklich dahin uber einen hauffen zu begraben, gleicher 
mangl auch am khirehofe beim bruederhause gespüret wird, 
annderer ungelegenhaiten zu geschweigen) — demnach an einen 
ersamen wolweisen raht als an unsere liebe obrigkait unser 
christliches erinnern und bitten, dieselben unsere günstige 
herrn wollen christliches gemtietbs dahin bedacht sein, das 


!) Vgl. RGG. 1, 1005 ff. 


47 287 


mit der zeit und in zueter befürdernus ein fein gelegen, 
still, geraumes und luftiges orth zum gemeinen christlichen 
gottsackher alhie erkhaufft, verordnet, mit mauren und thüren 
eingefanngen und zuegeriehtet werden möge, darin die ver- 
storbnen mitglieder Christi aus diser gemeine abgefordert, 
als in einem stilen schlafhause rhuen unnd bis auf ire frö- 
liche auferstheung verwaret mögen sein!). Der uncosten, 80 
darauf verlauffen wurde, khan in khurzer zeyt leicht und 
reichlich durch gutte und niemaundt beschwerliche mitl 
widerumb hereingebracht werden. Davon wir denn unnser 
einhellig bedennekhen, (wie wol dessen ein ersamer wolweiser 
rath von unns nieht bedarff,) so es von unns begeret wird, 
gern wollen anzaigen. 


Wolfgangus Prenner, Pfarrer m. p. 
Basilius Camerhofer m. p. 

M. Johannes Sehreier m. p. 
Johannes Mülwalder m. p. 
Wolfgangus Agnellus m. p.). 


LI 


Instruktion für den Kantor und Organisten Simon 
Landtsperger zu Ischl?) (1597). 


Zu vernemen, das die erwirdigen. edlen und besten, 
herr Wolfgangus Khlainsdrätl®), pharrer zu Ischl, herr Geörg 
Spiller zu Mitterperg, Röm. Khay. Mt. pfleger der herrsehafft 
Wildenstain, herr Isac Phändler, ir Kay. Mt. verweser zu 
Ischl, sambt und neben hernach benenten, ainer ersamen 


!) Siehe oben S. 249. 

7) Oberösterreich. Landesarchiv. Gemeindearchiv Pad Ischl Bd. 95. 
26. Jan. 1597. Ungewöhnlich ausführlich; vgl. Sehling I, 1 s. v. Der 
Kantor ist katholisch. 

) Wolfgang ,Clainstrádel* „Klainsdrädl“ wurde am 
3. April 1582 in Regensburg ordiniert und kam als Diakonus zu Pfarrer 
Martin Waldner nach Ischl. (Martin Waldner war ein Sohn des 
Pfarrers Wolfgang Waldner in Steyr, der spüter 1567 nach Regens- 
burg kam.) Klainsdrätl („Khleinsdrätl“; war ein Sohn des Wolf- 
gang ,Klainsdrütl^ (so hat der Vater seinen Namen geschrieben) 
Predigers an der Spitalkirche in Wels, der am 13. März 1582 an 
Sup. Rosinus in Regensburg schrieb und seinen Sohn zur Ordination 
eınpfahl. Dieser Sohn sei von vielen allein übrig geblieben. Er kam 
nach Regensburg in die Schule, später nach Amberg und dann 1 Jakr 
laug nach Straßburg. Vorgänger im Amte in Ischl war 1591 Prediger 
Sebastian Haisl. (Dr. Koch.) 


288 48 


pbarrmenig iner und aussers marckhts Ischl verorndten Aus- 
schtissen, ala den ernvesten, fürsichtig und weisen, auch er- 
bar und beschaidnen Hannsen Hueber, derzeit marceklrtrichter, 
Christoffen Ferher, Joachimen Schwärzl, Wolfen Reicher, all 
ratsburger und salzferttiger, Eliasen Seybalder, burger und 
zechmeister, Petern Stiedl, auch burger, Sebastian Khern, 
khueffenmaister, Hannsen Hueber beim khreuz, beede inwaner 
alla zu Ischl, Leonharden Stadler, mällner im Khaldten- 
paeh!), auch zechmaister, Hannsen Sulzpacher am Sulzpach, 
Hannsen Khradtwoll zu Hindterstain?), Geórgen Retupacher, 
Wolfen Haischperger und Abraham Reicher, all sechs under 
der herrschafft Wildenstain sesshafft, anstat und in namen 
obgedachter ganzen pharrmenig, mit dem ernwolgeachten 
und khunzterfahrnen Simon Landtsperger, organisten von 
Matigkhofen?), alss er zum cantor und organisten alhie auf- 
genommen worden, hernachvolgunde instruction und bestallung 
gemacht und beschlossen haben: 


Erstlichen; nachdem er, Landtsperger, sich so weit er- 
elert, das er der romanischen oder papistischen religion an- 
hengig und derhalben begert, ine in derselben frei und un- 
bedrüebt zu lassen, ist ime solches zu halten zuegesagt 
worden, doch dergstalt, das er sich entgegen alhie auch 
fridlich verhalten und mit zänckhischen, unnuzen und ver- 
weisslichen disputationen oder verächtlichen und schimpflichen 
reden wider die Augspurgerisehen confessionsverwonten zu 
ainieher ergernuss oder unglimpf ursach nit geben, sonder 
iederman bei seiner bekhandtnuss mit frid und rue unangetast 
verbleiben lassen soll, insonderhait aber soll er sich in den 
khirchen-cerenionien (weil er neben solchem seinem organisten- 
dienst auch aines cantors stel vertretten soll), auf die her- 
nachvolgunde weiss, wie es bei dem articl solchen seinen 
cantor-standt betreffend, mit mehrem aussgefüert wirdt, ver- 
halten. 


Zum andern hat mann sich auch mit ime, Landtsperger, 
dahin entlichen verglichen, das er dem schuelmaister in der 
schuel bey der iugent alle guete hilff und beistant erzaigen, 
die khnaben und Maidlein in iren lectionibus, wie sie der 
schuelmaister in der schuel fürgeben wirdet, mit allem fleiss 
und zu den gewissen ordinäri stunden und zeitten ordent- 
lichen verhörn, sie aber sonderliehen in dem Cathechismo 
Lutheri rain und lautter, wie er an ime selbs ist, one ai- 
nischen abgang und zuesaz, fleissig und dreulichen under- 


1) Kaltenbach. 
) Hinterstein. . 
3) Mattighofen (Braunau a. Inn). 


49 289 


waisen und lernen und also neben ime, sehuelmaister, der 
ugent stetigs beywonen, dieselb in gueter christlicher vorcht, 
zucht und ordnung erhalten und vortphlanzen helffen und 
nei derselben khain verwirrung noch ergernuss verursachen, 
noch sie auf andere mainungen, alss die so in der aposto- 
ischen christlichen und in heyliger schrifft wolgegründten 
iugspurgischen confession verfasst zu weisen understehn und 
auch sonst mit dem sehuelmaister jederzeit fridlieh und ainig 
sein und leben und in albeg!) verhuetten, das seines thailss 
kain irung oder zwispalt zwischen inen erwacsen müg, wie 
sich dann auch er, der schuelmaister, diss orts gegen ime 
unverweisslieh verhalten, auch ime, Landtsperger, bevor- 
stehen solle, zum faal ime dureh jemandt ainiche unbillichait 
zuegefüegt wirdt, sich dessen bei seiner ordenlichen obrig- 
khait zu beschwären. Darauf ime dann auch iederzeit aller 
billieher und gebürlicher sehuz gehalten und guete aus- 
richtung gethan werden solt. 


Dritten ist beredt worden, wann bissweilen frembte 
herrn hieher khämen und dieselben oder ander guete erliche 
leutt sein, des Landtspergers, mit seinem instrument begeren 
und ine* berueffen wurden, das ime auss der schuel abzu- 
tretten und sich zu denselben zu verfüegen, unverwört sein 
solle, iedoch, das er zu solchen fälln ime, schuelmaister, 
dasselbe zuvorhero anzaig, auf das er entzwischen die schuel 
in seinen abwesen zu bestellen wiss. 


Viertten soll er auch in der khirchen am chor, wann 
er die orgl nit sehlahen?) darft?), dem schuelmaister mit den 
khnaben die christlichen psalbın, wie es der schuelmaister 
iederzeit anordnen wirdt, unwaigerlieh singen beltfen, auch 
was er ime sonst in der schuel und khirchen für gesang in 
der musica exercirn zu helffen und auf der org! zu schlahen 
fürzaigen wirdet, demselben willig naehkhomen, und guete 
volg laisten, darzue auch in den conducten der verstorbnen 
iederzeit neben dem sehuelmaister und den schuelern, wie 
die vorigen cantores, mitgeen, die gewenlichen gsang auf 
der gassen und in der khirchen singen und verrichten helffen 
und sieh also weder den ceremonien, wie sie bei hiesiger 
khirehen gehalten werden, noch dem herrn pharrer oder 
seinen gselpriester*) widersezen, dieselben verachten oder 
verspotten, noch sonsten was fürnemben soll, daraus man 
ainische verschimpfung zu spürn und man sich wider ine 
) aliwez. 

2) F. ob. S. 2227) 
5) braucht. N 
S. ob. S. 2224), 


Archiv fur Reformations geschichte. XVII 4. 19 


290 30 


zu beschwärn ursach hab, welcbes ime fürnemblichen auch 
darumben nit gestatet werden khont, weil sich der gmaine 
man darüber ergern und zue ungedult bewegt werden mecht, 
daher er sich dann discret uud unverweislich in disem punct 
zu verhalten wird wissen. 

Fünfften haben sich er, Landtsperger, und der schuel- 
maister miteinander dahin guetwillig verglichen, das er, 
Landtsperger, ime, schuelmaister, seine recordationes auf den 
versprocheu hochzeiten und andern gasstreien bei erlichen 
leuten, auch sonst zu Martini, weinachten und der heiligen 
drei khünigen tag iederzeit, wie die vorgwesten cautores 
gethan, neben dem schuelmaister und den schuelkhnaben, 
so er hierzu gebraucht, verrichten helffen solle. Dagegen 
der schuelmaister ime, Landtsperger, versprochen hat, das 
er ime albeg den vierten pfening davon ervolgeu lassen 
welle, was aber albeg zu Khatarina!) anlangt. dasselb gehört 
dem eantor und schuelkhnaben allein zue. 

Seclisten, was bei der khirchen das leuten andrifft, ob- 
wol dasselb zuvor albeg ain cantor verricht, sohat sich doch 
der Landtsperger desselben verwaigert, wie er auch dessen 
ganz entlassen?) worden, iedoch aber, weil der schuelmaister 
zuvor ainem cantor wegen solches leutten alle iar 4 fl geben, 
soll er hinfüro solche 4 fl dem schlosser, alss der one das 
di khirehenuhr richten mues, iürlich raichen, das er darfür 
neben dem uhrrichten auch das leutten albeg verrichten thue. 

Sibenten, sovil aber insonderhait das in der khirchen 
neu zuegerichte werekh oder die orgl belangt, da soll er. 
Landtsperger, weil er auch insonderhait zum organisten auf- 
genomen worden, dieselb also fleissig bewaren, versehen 
und drauf achtung geben,. damit solche, wann es ime nach 
genuegsamer probation eingeantwort wirdet, nit beslich ver- 
derbt oder verwahrlost und manglhafft gemacht werde, und 
da er diss orts ainichen mangl spürn würdt, das er den- 
selben alspalt anzaig, damit zeitlichen auf die verbósserung 
gedacht und also mehrer schaden und unkhosten zeitlichen 
verhuet werden müg. 

Achten, dieweil dann mergededachter Landtsperger also 
zum cantor und zugleich auch zum organisten, solche bede 
stell nebeneinander in der schuel und zu khirchen vor- 
erzeltermassen mit dem schuelmaister zu verrichten aufge- 
nomen und bestelt worden, 80 ist ime dagegen zuegsagt und 
versprochen worden, das ime auf sein und der seinigen not- 
wendige underhaltung ierlichen durch ain pharrmenig inner 
und aussers marekhts zur bsöldung in barem geldt geraicht 


!) 25. Nor. 
*) enthoben. 


—1 291 


uud geben werden solle benendtlichen fünffzig gulden reiniseb, 
ieden per fünfzehen pazen oder sechzig kbreizer zu rechnen, 
darzue man ine auch mit ainer herberg, sovil und wie man 
glegenhait haben müge, versehen wölle, neben diser ver- 
tröstung, das mit! fürgwendt werden sollen, auf das man 
ine auch mit der notdurfft premvid!) versehen müge. 

Zum neundten und schlieslich ist beredt und gschlossen 
worden, da offtgedaehter Landtsperger sich in religionssachen 
wider vorangedeuten sehluss also widerwertig erzaigen und 
verhalten wurde, daran man sonders beschwürt were und 
solches nit gedulden mechte, so soll gegen ime, Landtsperger, 
dise instruction und bestallung, wann und zu welcher zeit 
solches durch ine beschähe, iren ausgang und endtschafft 
erraicht haben und mag also dann er, Landtsperger, anderer 
orten verrer?) seinen frumen suechen, wohin und wie ine 
verlusst®). 

Zu ürkhundt sein diser beschribnen instruction und 
bstalungen zwo gleiches inhalts aufgericht und iede durch 
vor wolgedachte herrn pfleger zu Wildenstain, berrn ver- 
Weser zu Ischl, dann herrn marekhtrichter und herrn Eliasen 
Seybalder als zechmaister alda zu Ischl mit iren aigenen 
hiefürgedruckhten pedschirn anstat und in namen ainer ganzen 
Pfarrmenig verferttigt worden, doch inen den herrn sament- 
lich und jedem besonder, iren erben und pedschirn genzlichen 
one schaden, wie auch vorofftermelter Landtsperger sein 
aigen pedschir hieneben gstelt hat, dereu beschreibungen 
aine bei der pfarrmenig zechladt verbliben und die ander 
der Landtsperger zuhanndten empfange. Beschehen den 
sechs und zwainzigisten Januari im ain tausent fünf hundert 
siben und neunzigisten iar. 


Als nach der ersten Gegenreformation wieder einige 
Jahre der Erleichterung kamen, war auch Steyr wieder 
rüstig am Werk. Die Instruktion für das evange- 
lische Ministerium daselbst vom 2. Januar 1613 erfreut 
sich zunächst an der Wiederaufrichtung des Exerzitiums auf 
Grund der Invariata, Apologia und Concordienformel. Im 
Einvernehmen mit den zwei oberen evangelischen Ständen 
und dem Ministerium zu Linz hat der Rat von Steyr vier 
Geistliche berufen, Primarius, Prediger und zwei Diakonen, 


— — 


) Brennholz. 
2) — ferner. 


) gelüstet. TT 


292 52 


die für die reine Lehre verantwortlich sind. Es bleibt bei 
der bisherigen Kirchenorduung. Bei Anderungswunschen 
haben die Geistlichen sie an die Kirchenberren, und diese an 
den Rat gelangen zu lassen. Mit Bezug auf das Über- 
einkommen vom 30. August 1608 sind alle persönlichen An- 
tastungen auf den Kanzelu zu unterlassen. Bei einem Zwie- 
spalt im Kollegium oder Ärgernis durch ein Mitglied soll der 
Primarius sieh dessen Beilegung befleißigen, gegebenenfalls 
wieder die Kirehherren bzw. den Rat hinzuziehen. Der 
Primarius Herr Johann Isinger. der mit der Schulinspektion 
neben den anderen Scholarchen betraut ist, darf bei der 
Musik auf dem Chor auf eigene Hand nichts willkürlich 
ändern. Sollte künftig in den Frühpredigten an hohen Festen 
nicht abgewechselt werden können, wie jetzt zwischen Ising 
und Bayr, so soll sie der Primarius allein verrichten. Pri- 
marius darf nieht ohne Erlaubnis der Kirehherrn und Rat, 
Prediger oder Diakonen dürfen nicht ohne Bewilligung von 
Primarius uud Kirehherrn oder Rates an fremde Orte reisen. 

Der Rat behält sieh vor. diese Instruktion zu ändern 
oder aufzubeben. Die Geistlichen haben sich schriftlich auf 
sie zu verpflichten; ihre Bestallung war jährlich. Es unter- 
schrieben: Joh. Isingius, M. Joh. Bayer, Tobias Schaidhauff, 
Georgius Thomas). 

2. 

Kaiser Maximilian II. wünschte iu seinem Eiuheitsstreben 
jene Kirchenordnung für Niederösterreich?) auch in Ober- 
österreich eingeführt zu sehen; aber die beiden evangelischen 
oberósterreiehisehen Stüude, denen jene allerdings sehr um- 
ständliche Agenda unnötige und nicht allenthalben einzu- 
fübrende Bräuche zu enthalten schien“), bestanden kurz- 
sichtig auf einer eigenen, statt sich mit einem Auszuge zu 
begnügen (um 1576). Linz ging mit den Ständen, während 
Steyr und besonders die andern Städte im „Landi“ bei ihren 
eigenen Ordnungen bleiben wollten. Die von den Ständen 
veranlaßte Agenda ist bisher im Verborgenen geblieben‘), 


) Siehe S. 299 Nachtrag. 

*) Im folgenden abgekürzt mit NO. 

) Raupach, Evangelisches Osterreich. 1, Fortsetzung 1736 S. 257. 
3. Fortsetzung 1740 S. 5639. Otto, Jahrbuch 10, 56. 

*) Verzeichnet unter den Handschriften der Hofbiblisthek 5, 441. 


53 : 2953 


befindet sich aber unter den Handschriften der Wiener 
Hofbibliothek !), unter dem Titel: Agenda der Christ. 
lichen Kirchen im Ertzherzogthumb Osterreich ob der Euns. 
1. Corinth. 14, |33. 40]. 1. Corinth. 11, [17]. Der Haupt- 
‚unterschied gegenüber der sehr viel reicheren NÖ. besteht 
in der Kürze, obschon zuweilen große und kleine Zusätze 
hervortreten; von den in NÖ. zur Auswahl gestellten Gebeten 
sind fast ausnahmslos nur die kürzesten übernommen. Es 
muğ hier genügen, auf die Eigentümlichkeiten hinzuweisen. 
Die Vorrede verbreitet sich über die Pflicht, sich zur Kirche 
zu halten, die drei Kennzeichen der reinen Lehre, des rechten 
Brauchs dcr Zeremonien, des Gehorsams gegen das Ministerium 
in göttlichen Geboten. Der siebenfache biblisch begründete 
Zweck der Kirchenordnung nimmt ihr nicht den Stempel als 
Mittelding, das die Gewissen nicht bindet. Trotz anderer 
Agenden empfahl es sich, um den vielen Unordnungen im 
Lande zu steuern, ein Kompendium zu verfassen, wofür den 
hochberühmten Landesständen gedankt wird. 


IJ. Ordnung der Predigten. Außer der Augustana 
und Corpus doctrinae Philippieum?) wird den jungen Predigern 
besonders Nicolaus Hemmingii*) empfohlen. Man befindet 
sich also im philippistischen Lager, während mau früher an 
der Invariata festhielt. Beim Gottesdienst wird wie von NÖ. 
ein Chor vorausgesetzt. In der Woche wird Mittwoch oder 
Erichtag*) mit Freitag festgelegt, an welchem letzteren Tage 
zu den Stücken in NO. ein kleiner Prophet oder Psalter hin- 
zugefügt wird. Die christlichen Schulen sollen mit Lehrern 
yon lutherischen Universitäten bestellt werden. Für die Auf- 
bringung der Kosten sind tüchtige Personen (Lichtmeister, 
Zechpröpste) zu wählen, die jährlich dem Pastor und der 
Obrigkeit Rechnung legen. Zum „Gotteskasten“ miissen 
Beiträge von Wohlhabenden und Testamente treten. 


—— — ——— 


) Cod, 8044. Fol. 32: 23: 2½ Cm. VI BN. u. 166 num. BIL 
ohne Jahr, Ort und Verfasser; bewertet mit 20000 Kronen. 

) 1560f. 

9) Niels Hemmingsen, 1513 — 1600, RGG. 2, 2099. 

) Erich d. H., König von Schweden 1150—1160, National heiliger. 
18. Mai. 


294 l 54 


Il. Von der Heiligen Tauffe. Der Vater soll 
ihr anwohnen. Bei unehelichen Kindern sind dic Eltern 
vor der Taufe zur Bestrafung anzuzeigeu. Bei der Nottaufe 
sind die Fragen an die Hebamme unmittelbar und ausführlicher. 
Bei der Taufe von alten Personen — merkwürdigerweise 
wird weder hier noch von NÖ. an Frauen gedacht — soll 
der Täufling zwecks der Untertauchungstaufe Wams und 
Hosen daheim lassen und dann Rock und Sehuhe ausziehen. 


III. Vom Catechismo. Auf dessen Einprägung bei 
Jungen und Alten, an Sonn- und Wochentagen, in der Kirche 
und daheim wird wieder hóchstes Gewicht gelegt. In den 
größeren Märkten soll außer Sonntags noch an einem Wochen- 
tage die Jugend aus allen Schulen und Häusern in die Kirche 
geführt und vor ihnen zwei Schüler oder Schülerinnen auf- 
gestellt werden, die aneinander Frage und Antwort aus dem 
Katechismus richten, darauf ist auch das andere Häuflein 
zu examinieren. Die rier besonderen Katechismuspredigten 
im Jahre sind bei Strafe zu besuchen. NÖ. Abschnitt IV 
von der Konfirmation fehlt. 


IV. Von der Beieht und Absolution. Anführung 
der verschiedenen Bezeichnungen für das Abendmahl bei 
Griechen, Lateinern und Deutschen. Gründe für dessen 
öfteren Gebrauch, und wie die Hindernisse zu bekämpfen 
seien? In der Beichte sind verborgene Sünden nicht zu 
extorquieren, ganz Unwissende vorläufig nicht zuzulassen; 
jeder ist einzeln zu absolvieren. 


V. Von dem Bann. Er muß ohne Ansehn der Person 
verhängt werden. Auch der in Todesgefahr wieder Auf- 
zunehmende möge wenigstens vor Nachbarn öffentlich Buße 
tuen. Der Bußfertige wird an drei Sonntagen in einem be- 
sonderen Stuhl der Gemeinde vorgestellt; am vierten muß er 
vom Frühamt bis zum Schluß der Predigt am Altare knieen. 
Die Absolution erfolgt mit Auflegen der Hünde seitens der 
Geistlichen; er empfängt das Abendmahl als erster, allein, 
kniet darauf, „bis alles zur Kirchen aus ist“. 


Vl. Ordnung der Administration des Hoch- 
würdigen Saeraments des leibs und bluts Jhesu 
Cliristi. Der Priester mag die gemeinsame Beichte knieeud 


55 395 


oder stehend sprechen. Die Psalmodie ist verschieden von 
NO. Wenn das Singen dem Kantoribus zuviel wird, mag 
der Organist inzwischen schlagen! 

VIL Von festen vnd Feiertagen / die man 
das Jar vber heiligen vnd halten soll, Von 
den in NÖ. vorgeschriebenen fehlt Stephanus und Johannes 
Gngelista, während Thomas hinzutritt. NÖ. IX fehlt. 


VIII. Von gemeinen gebeten und kollekten 
(41); sie sind zu lesen oder zu singen. 31 Seiten Noten, 
je eine Zeile mit Text; Fünf lateinische praefationes') nach 
der Predigt vor der Kommunion; zehn deutsche. 


IX. Vom heiligen Ehestand. Bei Unwissenheit 
der Brautleute im Katechismus werden sie zwar aufgeboten, 
aber nicht eher getraut, als bis sie mindestens die Gebote, 
Glauben und Vaterunser können. Sie sollen auch gefragt 
werden, ob sie ohne Zwang heiraten. Zu der geschlossenen 
Zeit gehören auch die Vorabende der hohen Feiertage. Bei 
der stillen Trauung wegen vorehelichen Verkehrs dürfen nur 
zwei Männer und Frauen die Begleitung bilden. Im ge- 
gebenen Falle ist ein Entlassungsschreiben des betreffenden 
Geistlichen nötig. Auf mehr Als 15 Seiten werden die Ehe- 
hindernisse behandelt, die sogar jährlich von der Kanzel 
verlesen werden sollen. In lächerlichen Folgerungen werden 
die albernsten Möglichkeiten von blutsverwandtschaftlichen 
Verbindungen verpönt; aber auch gar nicht wirklich ge- 
wordene Vereinigungen werden zu Hemmungen, so darf mit 
des Bräutigams Vater oder der Mutter Bräutigam keine 
Ehe geschlossen werden. 

X. Wie man die kraneken und gefangenen 
Leute berichten vnd trösten sol. Bei großer 
Sebwäche soll man den Kranken lieber wenig Brot und 
Wein geben, als es ganz entziehen. Die abstemii sollen 
wenigstens ein Tröpflein genießen; der Seelen Angst muß 
den Leibesekel aufheben. Irrgewordenen reicht man das 
Mahl nicht. | 

XL Vom Begrebnus der Todten. Gottlose sind 
ohne Begleitung und Bräuche abgesondert zu begraben. 


— 


) 8. vorn S. 224°). 


296 l 56 


All. Von hospitalen vnd Almosen für die Armen. 
Feblt in NÖ. Bei jeder Gemeinde und Pfarre soll ein Hospital 
sein; in größeren mindestens zwei, nämlich je für Kranke und 
Gebrechliche, mit Kastenmeistern. Von den Spitalstiftungen 
sollten auch arme Schüler ernährt werden. Sammlungen in 
den Kirchen. Wöchentliche Besuche seitens der Prediger, 

Beschluß. Die Agende ist nach dem Grundsatz de 
Athanasius!) zu behandeln: Utiles sunt ceremoniae, ,» 
eum cognitione veritatis et mediocritate. Bitte für den Kaiser 
und die Landesstände. Psalm 122. 


Nach dem Tod des Kaisers?) wagten es die Stände. 
mit einem kleinen Interim, Linz 5. September 1578. Ge- 
druckt bei K. Oberleitner, Die evangelischen Stände im Land 
ob der Enns. 1862 S. 80 — 91, das trotz der Kürze einige. 
genaue Einzelheiten bringt. 

Es nimmt auf die eben geschilderten gar keinen Be- 
zug, berührt aber gelegentlich die Vorbilder von Wien, 
Graz, Klagenfurt und Laibach; sie gilt zunächst für den 
Landhaussaal in Linz und ist wesentlich auf Pfarrer Georg 
Khuen?) zugeschnitten; sie nimmt entschieden Stellung gegen 
die Flazianer, zugunsten der conf. Aug. inv., Apologie uud 
Schmalkaldischen Artikel; für den betr. Revers sind deputiert: 
Khuen, M, Gallus Staininger‘), Prädikant zu Peuerbach. 


) Gest. 373. 

2) 12. Oktober 1576. 

) GPrO, S. 63. 

) M. Gallus Staininger, von Gundacker von Starhemberg 
1566 zum Prediger nach Peuerbach berufen. Er stammte aus Bayern. 
war verehelicht, hatte Kinder und hinterließ seiner Witwe und seinen 
Kindern ein Haus mit Gärtchen in Peuerbach. Wann er gestorben ist. 
ist nicht bekannt, jedenfalls lebte er 1593 nicht mehr. 

Am 5. September 1578 wurde er von den oberösterreichischen 
Ständen gleich M. Georg Khuen in Liuz, M. Joachim Ziller in Sterr, 
Vitus Mangk in Wels und Matthäus Hoffmann in Kirchdorf zur Exa- 
minierung der im Lande aufznnehmenden Prediger und Schulmeister 
bestimmt, 

Yon ihm sind: „Von der Erbsünde... wider die Flacianische 
Neuerung. Tübingen 1584. 4°“ 2 Leichenpredigten (I. u. 3.) beim 
Begräbnis des 9. September 1585 in Linz verstorbenen Gundacker von 


57 297 


M. J. Müller ), Prädikant der Stadt Steyer (s. u.), Veit 
Mannkh, Prädikant von Wels ?), Matth. Hofmandl. Pfarrer zu 
Kirchdorf’). 


Starhemberg. Tübingen 1586. 4%. Hochzeitspredigt: Górz Achaz 
Herr v. Starhemberg auf Peuerbach — Elisabeth von Schreffenberg, 
2. Juni 1586. Tübingen bei Alex. Hook, 1586. 4°,“ 

Im M.S. vorhanden 2 Bde. fol. Papier. 1585 (Nr. 14) (aus der 
Kreisbibliothek in Regensburg nach München geschafft vor ca. 30 Jahren, 
nach Bericht vor ca. 15 Jahren waren dort die Kisten mit M. S. gar 
nicht ausgepackt wurden). „Loci communes ex omnibns libris M, Luther 
collecti.^ Dr. Koch. Gmunden.) 

) Jahrbuch 24, 219, 

*, (Ebd. 24, 224). 

3) Matthäus Hofmandl war zuerst au verschiedenen Orten 
Schulmeister, zuletzt in Spital a. Pyhrn, wurde hierauf 1550 von Bischof 
Nausea in Wien ordiniert, kam als kathol. Pfarrer nach Windischgarsten 
und nach etlichen Jahren nach Freistadt in Oberösterreich. 1560 scheint 
er noch dort gewesen zu sein, mußte von dort fort, war eine Zeit lang 
ohne Stelle, wurde dann als Prüdikant nach Spital berufen. von wo er 
ea. 1562 als Pfarrer nach Kirchdorf kam. 

Sein Grabstein aus Boxrucker Marmor hat folgende Inschrift: 


HIC EGO MAT.EUS TVMVLI SORTITVS HONOREM 


Kirchdorffi inter oves post mea fata cubo 
Pastor vbi totos ter septem fervidus annos 
Proposui tenero pabula sana greyi. 

Tertia pars vitae mihi quae fuit, insuper annum 
Si totum, et quinas iunxeris hebdomadas. 

Hanc ego, quod par est, studui traducere caste 
Jura thorique vagis ignibus antetuli. 

Primus et alter amor mitri singula pignora lecti 
Ter quater at coniunx tertia sola dedit. 

Pars quorum superat vivit pars altera coelo 
Quae mecum fruitur jam sine fine Deo. 


~ 


(Zu deutsch für die Leser in Neukematen :) 


Hier zu Kirchdorf ruh ich, Mathäus, ein Ehrengrab ward mir 
Nach des Lebens Geschick bei den Schafen als Hirt. 

Dreimal sieben der Jahre hab ich voll Eifer der jungen 

Herde die nahrhafte Kost góttlichen Wortes gereicht. 

Diese Jahre umfaßten den dritten Teil meines Lebens, 

*o du noch eines daran reihst und fünf Wochen dazu. 
Wührend der Zeit hier geziemend beflissen in Züchten zu leben 
Zog ich den Ehestand vor zügellos brennender Gier. 

Je ein Liebespfand gab mir der Gattinnen erste und zweite, 


. 


7 


298 88 


Da der allergnädigste Kaiser die überreichte Kirchen- 
ordnung bisher nicht bewilligt, die zwei Stände mit denen 
unter der Enns über eine gemeinsame Agenda noch nicht 
verglichen, soll inzwischen Veit Dietrichs Agenda!) und 
Kirchenordnung gebraucht werden. 


Vier Jahrzehnte später, als schon die Totenvögel 
schwärmten, nahmen die Oberösterreicher eine neue Kirchen- 
ordnung an. Sie ist nun keineswegs, wie man gemeint hat)), 
die Drucklegung jener geschilderten um 1576, sondern eine 
allgemein?) für lutherische Gemeinden aufgestellte, mit Vor- 
reden der theologischen Fakultäten in Wittenberg und Tübingen 
ausgeetattet, in Tübingen verlegt, 1617. Man hat sie aber 
auch für Ober-Österreich gedacht und sie ist hier wirklich 
eingeführt worden‘): Christliche Kirehen- Agenda so bey 
öffentlichen Gottesdienst der Gemeinden Augsburgischer Con- 
feBion nützlich gebraucht werden kann. Gedruckt im Jar 
Christi MDCXVII. 4°. 340 num. Seiten. 8 S. Register, 9 S. 
Errata. Gedruckt zu Tübingen bey Dietrich Werlin. / Im 
Jahr Christi MDCXVII. Der Inhalt in 37 Abschnitten, sehr 
reich mit Bibelstellen am Rande belegt, ist bei Raupach 
3. Fortsetzuug S. 339 und Jahrbuch 10, 57 verzeichnet. Er 
ist sehr allgemein und kurz gehalten, mit wiederholtem Hin- 
weis auf andere Bücher und das eigene Urteil des Geist- 
lichen. Einen Abdruck besitzt die „Gesellschaft für die 


Aber die dritte allein hat mich mit zwölfen beschenkt, 
Deren ein Teil noch am Leben, der andere aber im Himmel, 
Wo er mit mir sich an Gott ewiglich droben ergötzt. — 


Dieser Grabstein diente mit seiner Rückseite als Gasthaustisch im 
Kirchdorf. Ein Antiquar kaufte ihn. Später kam er in den Besitz 
des Herzogs von Cumberland, der ihn der Gemeinde Gmunden schenkte 
und auf mein Ersuchen gern einwilligte, daß er der evang. Gemeinde 
Neukematen, in deren Sprengel Kirchdorf liegt, überlassen wurde. 
Dort ist der Stein in der offenen Turmhalle eingemauert worden. 
Nach der Grabinschrift starb Hofmandl, 64 Jahre 5 Wochen alt. Sein 
Todestag war der 5. November 1583. (Dr. Koch.) 

J) 1543; sie blieb zwei Jahrhunderte in Kraft RGG. 2, 73. 

*) Otto, Jahrbuch 10, 57. 

) Beim Kirchengebet ist ein Raum freigelassen zur näheren Be- 
zeichnung für die Obrigkeit. 

) Raupach, 3. Fortsetzung S. 339. 


59 299 


Geschichte des Protestantismus in Osterreich*!) mit einem 
nur geschriebenen Titelblatt, einen durch stürkere Beschnei- 
dung kleineren die Hof-Bibliothek in Wien?) in dem aber 
die Seiten 183—206 (Abschnitt XIX bis XXI) mit dem Ver- 
zeichnis der Perikopen ausgeschnitten sind. 

Die Taufordnung ist fast dieselbe wie die jener Hand- 
schrift; abweichend von ihr soll der Täufer die rechte Hand 
auf des Täuflings Haupt oder Herz legen; es fehlt die An- 
weisung für ihn, das Kind auf die Hand zu nehmen, ftür 
die Gevattern, es bei Händlein und Kopf zu halten. Sehr 
verschieden ist die Vorschrift für die Taufe Erwachsener; 
die peinliche Untertauchung ist verschwunden; die Taufe 
erlolgt am Taufstein, indem die Gevattern den Kopf halten. 
Beim Morgen- und Abendsegen fällt der Mahnruf auf, sich 
mit dem Kreuz zu bezeichnen. Familienglieder mögen zu- 
sammen beichten. In einigen Gebeten beim Abendmahl und 
Eheschließung und in allgemeinen Kollekten gibt es Über- 
einstimmung. Die Stticke vom Bann und vom Hospital und 
Almosen fehlen. 


Nachtrag zu 8. 292 von Dr. Koch. 


1. M. Joh. Isingius, 1608 vom Rat der Stadt Steyr aus 
Wittenberg verschrieben (Preuenhuber a. a. O. S. 336, Raupach, Pres- 
byterologie S, 73). Am 25. Dezember 1624 wurde ein Sohn von ihm, 
dem „gew. Stattbrediger zu Steior, ietzund aber Exnl Chrj* in Regens- 
bnrg getauft ,Johann Friedrich.“ Seine Ehegattin hieß Ursula. 

Am 28. Dez. 1624 wurde zu St. Peter in Regensburg ein vier- 
jähriger Sohn von ihm namens Friedrich begraben. 

Ein Johann Ising (wohl derselbe) war 1629—1687 Pfarrer in 
Fürth bei Nürnberg und starb daselbst. (Andr. Würfel, Diptycha 
ecclesiarum etc. II. S. 163.) 

Am 26. Okt. 1632 wurde bei St. Peter in Regensburg begraben 
der ehrnvest und wohlgelerte Herr Andreas Ising. Bürger uaw. Im 
Regensburger Bürgerbuche ist er am 1. August 1628 verzeichnet als 
gewesener collega scolae in Steyr. 

2. M. Johannes Bayer, Pfarrer zu Losdorf, schrieb ain 
30. August 1612 aus Linz an M. Joh. Caementarius, Pfarrer und Super- 
intendent in Regensburg, seinen Gevatter, daß die Herren von Steyr 
ihm „die ander Stell bei Ihrem Ministerio zu Steir nit allein angetragen, 
sondern auch durch Herrn Landtshaubtman ohn meinem gnädigen 
Herrn meiner person vergünstigung außgebracht.“ Im Advent hat er 
in Steyr aufzuziehen. 


1) Jahrbuch 10, 57, 134. 1) Signatur 21. R. 91. 


300 60 


Er kam an Stelle des Matthäus Schmoll, der mit Taing Mit- 
helligkeiten hatte und im März 1612 auf sein Verlangen entlassen wurd». 

M. Joh. Bayer war, bevor er nach Losdorf kam, Prediger im 
Landhause in Linz und auf dem Schlosse Losensteinleiten, „ein be- 
redter Mann und guter Prediger“. (Preuenhuber S. 350.) 

Bayer schrieb aus Linz am 18. April 1613 an Caementarius iu 
Regensburg und empfahl ihm einen M. Sebastian Knogler, dessen 
verstorbener Vater auch im Ministerium in Österreich gewesen sei. 
zur Ordination. Er habe bei ihm (Bayer) den Winter über locum 
subsistendi gehabt, auch 8—10 mal in Dorf bei Steyr, wohin er als 
Schloßprediger kommen solle, gepredigt. 

Wolf Sesmund Herr zu Losenstein schreibt aus Gschwendt am 
29. Okt. 1616, daß M. Joh. Bayer, Stadtprediger zu Steyr, beauftragt 
wurde, für die Pfarrstelle in Stein bei Steyr jemand vorzuschlagen. 
Es war nämlich ohngeführ drei Wochen vorher M. Henricus Raiger, 
Pfarrer daselbst, gestorben. Bayer schlug Johannes Hiller aus Hiuz- 
heim in der Pfalz vor. 

8. Tobias Schaidthauf war erst unter Nimrod Khölnpeckh 
Herrn zu Niderwalsee in Niederwallsee. Khölnpeckh schreibt am 
11. Juli 1609 nach Regensburg „daß der Magistrat in Steyr seinen 
(Khälnpeckschen) Diakon in Sindelburg als gewesenen Stipendiaten zu 
derselben Kirchen zum Ministerio berufen und abgelordert hat. Er 
ging 1624 als Exulant nach Regensburg, woselbst er starb und am 
7. Nov. 1634 zu St. Peter begraben wurde. Seine im 84. Lebensjahre 
stehende Witwe wurde am 12, März 1648 begraben. Eine Tochter 
von ihm, Maria Magdalena, heiratete in Regensburg am 8. Juni 1635 
den ehrbaren frommen und wohlgelehrten Herrn M. Joh. Christoph 
Zimmermann, Gymnasii poetici Conrector in Regensburg, einen Sohn 
des Joh. Zimmermann, gew. evang. Predigers zu Regenstauff in der 
fürstlichen Pfalz Neuburg. 

Ein Georg Schaidthauf, aus Eus gebürtig, wurde 1576 nach 
Steyr berufen. Er unterschrieb sich am 1. August 1581 zugleich mit 
„Wolgangus Lempel, pastor, M. Joachimus Mollerus, Georgius Schaidt- 
hanf, Andreus Remnan, Ministri Eclesiae Stirensjs in Austria Superiore" 
in einem Briefe an M. Barth. Rosinus, Suptdten, und an die Regen-- 
burger Geistlichen; in diesem Schreiben wurde um Ordination des 
Stephan T. Wenger gebeten, der als Lazarettgeistlicher nach Steyr 
kommen sollte. Dieser Wenger war ein Nachkomme des D. Laurentius 
J. Wenger, des seinerzeitigen Mitarbeiters und Amtsnacbfolgers Wolf- 
gang Waldners. 

4. Georg Thomas wurde 1609 als ordentlicher Prediger nach 
Steyr berufen, Ain 25. Jänner 1617 schrieb Sigmund Adam, Herr von 
der Traun, an den Superintendenten M. Caementarius in Regensburg. 
daß Georg Thomas als Hofprediger in Traun „kurtz verflosner Zeit 
Todes verblichen“ Wann Thomas nach Traun gekommen ist, ist nicht 
angegeben, (Fortsetzung folgt.) 


— ——— U ˖ — — 5 


Luthers Arbeitsstube. 
Von Ernst Kroker. 


Luther selbst erwähnt seine Arbeitsstube öfter ). 

Im November 1527, als die Pest auch ins Schwarze 
Kloster eingefallen war, schrieb Luther an Justus Jonas?) 
„Inclusi eam (Margarete von Mochau) hybernaculo nostro 
usitato, nos in anteriore magna aula versamur, Henschen 
in meo hypocausto, Augustini uxor in suo.* 

Im Frühjahr 1532, als die vom Kurfürsten angeordueten 
Wallarbeiten®) dem Schwarzen Kloster bedenklich nahe 
kamen, sprach Luther im Kreise seiner Tischgenossen ®): 
„Lebe ich noch ein jar, Bo mus mein armes stublin hinweg, 
daraus ich doch das bapstumb gesturmet habe. propter 
quam causam dignum esset perpetua memoria.“ 

Im Sommer 1542, als bei Tisch einmal von dem Frank- 
furter Juristen Christoph von der Straßen und seinem un- 
sittlichen Leben die Rede war, sagte Luther“): „Das hatt 
er mitt aus Italia bracht! Quamvis a puero fuit parentum 
contemptor; denn ich hab in ein mal dar oben?) in meinen. 


1) Auch Ratzeberger spricht von Luthers ,scehreibstublin*, Vgl. 
Chr. Gotth. Neudecker, Die handschriftliche Geschichte Ratzeberger's 
über Luther und seine Zeit (1850), 58 f. u. 62. An Ausstattungs- 
stücken nennt Luther einen Tisch, Bänke, Schemel, Fensterbretter 
(pulpita fenestrae) und Bücherbretter (asseres). E. L. Enders, Dr. 
Martin Luthers Briefwechsel 7, 120. 

2) Enders 6, 117, 

3) Weimarer Ausgabe von D. Martin’ Luthers Werken, Tisch- 
reden 2000 und 2466; Enders 9, 23f.: Archiv für Reiormationsge- 
schichte 6 (1908f.), 340 fl. 

*) Tischr. 2510. 

5, Tischr. 5470. 

5$) Zwei Parallelen und Aurifaber haben: droben. 


302 62 


etublein gehabt: Ibi pater non potuit enm persuadere. ut 
audiret praeceptorem, quem ipse vellet." 

Am 14. Februar 1546, als die Verhandlungen mit den 
Mansfeldern in Eisleben ihrem Abschluß endlich nahe waren, 
schrieb Luther an Melanehthon und bat ihn, das Ätzmittel, 
das er für sein Bein zu gebrauchen pflegte, und das er auf 
dieser Reise mitzunehmen vergessen hatte, ihm aus Witten- 
berg entgegenzusenden!): ,Ketha mea novit, quo loco in 
hypocausto meo positum est.“ 

Außerdem erwähnt Luther dreimal ein vaporarium in 
seinem Hause. Im Frühjahr 1537?) spricht er von einem 
Besucher, der ihn ante hoe vaporarium mit Tränen in den 
Augen beschworen habe, weiter gegen das Papsttum vor- 
zugehen. 

Im Sommer 1542?) erzählt er von einem, der ihm nach 
dem Leben gestellt habe: ,Ego duxi eum in meum vapo- 
rarium“, aber hier habe der Fremde so wunderliche Reden 
geführt, daß er schließlich seinen Diener Wolfgang Sieberger 
zu Hilfe gerufen habe. Und in einer dritten Tischrede, die 
uns ohne Datum in Lauterbachs Sammlung B. überliefert 
ist“), spricht er von der Wohnungsnot der Juden, die in 
engen Häusern beisammen steckten, „ut fere 50 personae 
iu tali vaporario cohabitarent^, oder wie Aurifaber frei 
übersetzt: „Ich wollte ihr fünfzig in diese Stube nehmen.“ 
Dieser Raum, den Luther dreimal vaporarium nennt, ist aber 
nicht derselbe Raum; den Luther zweimal sein hypocaustum 
und zweimal sein Stüblein nennt. Das vaporarium ist viel- 
mehr die gewöhnliche Wohnstube, die jetzt noch den Be- 
suchern im Schwarzen Kloster als Lutherstube gezeigt wird. 
Denn die Worte, die Luther im Frühjahr 1537 gesprochen 
hat: ante hoc vaporarium, beziehen sich offenbar auf den 
Raum, in dem Luther damals mit seinen Tischgenossen saß, 
und das war nicht sein Arbeitsstüblein, sondern die Wohn- 
stube. Ebenso ist das vaporarium, in das Luther den 
Freinden führt, die Wohnstube und nicht die Arbeitsstube 


) W. M. L. De Wette, Dr. Martin Luthers Briefe 5, 791. 
3) Tischr. 3593. 
*) Tischr, 5369. 
*) Tischr. 6196. 


63 303 


gewesen, denn die Arbeitsstube hat, wie wir nachweisen 
können, ganz abseits von den übrigen Wohnräumen gelegen, 
so daß es Luther da garnicht möglich gewesen wäre, bei 
den wunderlichen Reden des Fremden rasch seinen Diener 
Wolf  herbeizurufen. Und ebenso ist das vaporarium, 
in dem nach Luthers Meinung fünfzig Juden zusammen- 
gepfercht werden könnten, nicht das Arbeitsstüblein mit deu 
Schemeln, Truhen und Bücherbrettern, sondern die geräumige 
Wohnstube, in der Luther damals mit seinen Tischgenossen 
neben dem Kachelofen an dem großen Tisch gesessen hat). 
‘Übrigens geben uns diese drei Stellen, in denen das vapo- 
rarium erwähnt wird, wenig mehr als die Tatsache, daß die 
Wohnstube heizbar gewesen ist, und daß Luther seine Wohn- 
stube vaporarium zu nennen pflegt, während er seine Arbeits- 
stabe hypocaustum oder Stüblein nennt. Um so wichtiger 
sind die Stellen von 1527, 1532, 1542 und 1546 für die 
Lage von Luthers Arbeitsstube. 

In der Briefstelle von 1527 werden vier Räume im 
Schwarzen Kloster erwähnt, und drei davon werden durch 
die lateinische Bezeichnung hypocaustum oder hibernaculum 
als heizbare Räume bezeugt, aber auch der vierte Raum, 
anterior magna aula, muß heizbar gewesen sein, da Luther 
und ‚Käthe, die ihrer Niederkunft entgegensah, hier im 
November und Dezember wohnten; es wird der Raum ge- 
wesen sein, der in dem Grundriß des Lutherhauses?) mit 
den Buchstaben aa als Vorlesungssaal bezeichnet ist, denn in 
dessen nordwestlicher Ecke ist ein Feuerungsraum x ange- 
geben?) Wo das hypocaustum gelegen hat, in dem die 
Gattin des Mediziners Augustin Schurff untergebracht war, 
das ist nicht nachzuweisen. Die beiden anderen Räume aber — 
hibernaeulum nostrum usitatum, in dem Margarete von Lochau 
lag, und die Stube, die Luther meum hypocaustum nennt, 
und die er seinem Hänschen überlassen hat — sind in 


) Sehr ähnlich ist Tischr. 5896; auch da ist die Stube, „da wir 
ein Tisch einsetzen,* Luthers Wohnstube. 

) Hermann Stein, Geschichte des Lutherhauses (1883), 23; Georg 
Rietschel, Luther nnd sein Haus (1917), 12. Bei Albrecht Thoma, 
Katharina von Bora (1900), 289 ist der Raum mit A. bezeichnet. 

) Die große Aula, ab im Grundriß, ist nicht heizbar. 


304 64 


Luthers Briefe so deutlieh bezeichnet, daß es schwer zu ver- 
stehen ist, wie Hartmann Grisar!) zu der Annahme gekommen 
ist. das bypocaustum Hänschens sei „die mit dem Kachel- 
ofen versehene gewöhnliche Familienstube. die man nach der 
Überlieferung heute als Lutberstube bezeichnet.“ In der 
gewöhnlichen Familienstube?) lag doch nach Luthers klaren 
Worten (hybernaeulo nostro usitato) Margarete von Lochau, 
also kann das hypocaustum, in dem Häuschen lag, und das 
Luther ausdrücklich scin eigenes hypocaustum nennt, nicht 
die gewöhnliche Wohnstube sein; es ist vielmehr Luthers 
Arbeitsstube, derselbe Raum, den Luther 1522 ,mein armes 
stublin“ und 1542 „mein stublein*?) und 1546 wiederum 
hypocaustam meum nennt. 

Wo hat diese Arbeitsstube Luthers gelegen? 

Aus den Worten. die Luther im Frühjahr 1532 bei 
Tische gesprochen hat, geht hervor, daB Luthers armes 
Stüblein überhaupt nicht in dem eigentlichen Lutherhause 
gesucht werden darf. Die Wallarbeiten, von deren Fortgang 
Luther 1532 die Zerstörung seiner Arbeitsstube befürchtet, 
zwangen allerdings dazu, das Erdgeschoß des großen Hauses 
auf der Südseite zuzuschütten; 1541 spricht Luther selbst 
davon, dab das mit seiner Einwilligung geschehen seit). 
Im Erdgeschoß des Schwarzen Klosters kann aber Luthers 
Arbeitsstube nicht gelegen haben. denn da wäre sie ja mit 
den übrigen Räumen auf der Südseite des Klosters zuge- 
sehüttet worden, während sie doch noch 1546 von Luther 
als hypocaustum meum erwähnt wird. Auch wird uns dureh 
Valentin Ickelsamer 1525 bezeugt, Luther habe in einem 
hübschen Gemach „ober dem Wasser“ mit andern Gelehrten 
und vornehmen Herren fröhlich getrunken). Die Worte 


I) Luther 3, 985. 

2) Im (iruudriß des Lutherhauses mit dem Buchstaben v bezeichnet 

* Als Stüblein wird es von Luther auch noch erwähnt de 
Wette 2. 543 und 4, 490; Tischr. Bd. 1, 287 Z. 18 und Tischr. 1206; 
Weim. A. Bd. 51, 137 Z. Vif. 

) Enders 14, 129 Z. 5f. 

5) Valentin Ickelsamer, Clag etlicher brüder (Ilallische Neudrucke, 
118, Heft, 1893), 18. Von Luthers späterer Wohnstube kann Ickel- 
samer nicht sprechen, denn diese hat nicht den Blick auf den Strom, 
sondern nach Norden auf den Klosterhof. 


65 305 


„vber dem Wasser“ können nur bedeuten „tiber der Elbe“ 
oder „nach der Elbe zu.“ Im Erdgeschoß wäre aber der 
Blick auf den Strom schon durch den alten, niedrigeren Wall 
versperrt gewesen. Luthers Arbeitsstube muĝ demnach in 
einem oberen Geschoß gelegen haben. Das geht auch aus 
den Worten hervor, die Luther im Sommer 1542 gesprochen 
hat: „Droben in meinem Stüblein !).“ In dem ersten Ober- 
gescho des Lutherhauses kann Luthers Arbeitsstube aber 
nicht gelegen haben, denn dieses wurde erst 1541 durch 
die Wallarbeiten bedroht, obgleich der Kurfürst verboten 
hatte, Luther zu nahe oder zum Schaden zu bauen?), und 
da war Luther keineswegs gesonnen, sich die Übergriffe des 
Zeugmeisters gefallen zu lassen?) Das zweite Obergeschoß 
und das Dachgeschoß des Lutberhauses sind überhaupt nie- 
mals durch die Wallarbeiten bedroht gewesen; im zweiten 
Obergeschoß oder im Dachgeschoß kann Luthers Arbeits- 
stube also auch nicht gelegen haben. Kurz, in dem eigent- 
lichen Lutherhaus ist die Stube, deren Vernichtung durch 
die Wallarbeiten Luther 1532 befürchtet, nirgends unter- 
zubringen. 

Nun hat aber Luther in demselben Jahre 1532 bei 
Tisch einmal von seiner Erleuchtung über die iustitia Dei 
gesprochen, und mehrere Tischgenossen, die uns Luthers 
Worte überliefern, geben uns einen wichtigen Hinweis auf 
die Lage von Luthers Arbeitsstube und bezeugen uns, dab 
dieses Stüblein in der Tat nicht in dem eigentlichen Luther- 
hause gelegen hat, sondern in einem Turm. Es ist die be- 
kannte oder bertichtigte Tischrede, in der Luther nach der 
besten, auf Rörer zurückgehenden Niederschrift Schlagin- 
haufens gesagt haben soll*): „Diese Kunst hat mir der Geist 
Gottes auf dieser cloaca eingeben.“ Mit abweichendem Text 
steht diese Tischrede auch bei Cordatus, Khummer und 
Lauterbach?) Ich habe unsre Überlieferung über die 


) Auch Ratzeberger a. a. O. 58f. bezeugt, daß Luthers Schreib- 
stüblein oben gelegen hat. 
®) Enders 14, 129 Z. 4f. 
) Enders a. a. O. 
) Tischr. 1681 Anm. 1. 
5) Tischr. 3232. 
Archiv für Reformatlons geschichte. XVII. 4. 20 


306 66 


„Entdeckung auf dem Klosterturm“ an anderer Stelle!) aus- 
führlicher behandelt; ich glaube nachweisen zu können, wie 
Schlaginhaufen zu dem törichten Mißverständnis gekommen 
ist, Luther habe seine Erleuchtung auf dem Abort gehabt. 
Nicht auf den Abort führen uns Luthers Worte, sondern in 
seine Arbeitsstube, diese hat aber allerdings nach den über- 
einstimmenden Angaben der Tischgenossen in einem Turm 
gelegen, in dem früher, wie Cordatus erwähnt, auch der 
Abort der Augustiner gewesen ist. Schlaginhaufen selbst 
hat die Örtlichkeit des Turms nicht näher bezeichnet, aber 
Rörer?) ftthrt uns durch die Worte, die er über cloaca 
übergeschrieben hat: in horto, nach dem Klostergürtehen; 
Cordatus?) schreibt: Sed cum semel in hae turri (in qua 
secretus locus erat monachorum) specularer; ähnlich schreibt 
Khummer‘): Sed cum semel in hae turri speculabar, und 
wiederum ähnlich schreibt Lauterbach’): Sed Dei gratia cum 
semel in bae turri et hypocausto speculabar, und auch in 
den Schlußworten sprechen Cordatus, Kbummer und Lauter- 
bach nochmals tibereinstimmend von dem Turm, in dem 
Luther seine Erleuchtung gehabt hat. 

Drei Türme sind uns beim Schwarzen Kloster bekannt. 

Der erste Turm steht noch jetzt mitten an der Nord- 
seite des Lutherhauses. Es ist der Turm, in dem die 
Wendeltreppe zu den Wohnräumen des ersten Obergeschosses 
und den Kammern des zweiten Obergeschosses und des 
Dachgeschosses in die Höhe führt. Dieser Treppenturm 
kann Luthers Arbeitsstube nicht umsehlossen haben, schon 
deshalb nicht, weil er eben nur ein Treppenturm ist‘), und 
weil die ganze Nordseite des Klosters von den Wallarbeiten 
niemals berührt worden ist; auch geht der Blick aus den 
Turmfenstern nach Norden auf den Klosterhof, während 

1) Jahrbuch der Luther-Gesellschaft 1 (1919), Hem 

2) Tischr. 1681 Anm. 1. 

*) Tischr. 3239 a, 

*) Tischr. 3232 b. 

) Tischr. 3232 c, 

9) Nach neueren Feststellungen gehört dieser Turm auch garnicht 
zu den &lteren Bauteilen; er ist wohl erst nach Luthers Tod angebaut 


worden (1566). Vgl. Julius Jordan in der Zeitschrift Luther. Mit- 
teilungen der Luther-Gesellschaft, 1919, S. 44; Stein a. a. O. 86, 


67 307 


nach lekelsamers Zeugnis Luthers Gäste den Blick aus 
seinem Gemach auf die Elbe, also nach Süden hatten. 

Ein zweiter Turm wird 1526 bei den Wallarbeiten er- 
wühnt. Dieser „Thorm Neben dem schwartzen Kloster“, 
der um vier Ellen höher gemauert werden soll, und zu 
dessen Seiten zwei Streichwehren angelegt werden sollen, 
hat offenbar nicht zum Schwarzen Kloster gehört, sondern 
er ist ebenso wie der runde Turm gegenüber dem Barfüßer- 
kloster!) ein Bestandteil der Befestigungsanlagen der Stadt 
gewesen. Auch in diesem Turm kann Luthers Arbeitsstube 
nieht gelegen haben. 

Ein dritter turmähnlicher Bau ist auf alten Ansichten 
von Wittenberg an der Südwestecke des Schwarzen Klosters 
als Verbindungsbau zwischen dem eigentlichen Lutherhaus 
und dem westlich davon gelegenen Brauhaus zu sehen. 
Der viereckige Turın, der etwas nach Süden in das Kloster- 
gürtchen vorsprang, hat sicherlich zu den ältesten Anlagen 
des Klosters gehört, denn er hat ja, wie wir von Cordatus 
erfahren, den Abort der Mönche enthalten, und auch das 
Brauhaus isí von Anfang an mit dem Kloster, das die Brau- 
gerechtigkeit für zwölf Gebräude hatte?), verbunden gewesen. 
Diese aneinanderstoßenden Bauten des großen Haupthauses, 
des Gartenturms und des Brauhauses trennten im Norden 
den Klosterhof, in dem das alte, kleine Kirchlein und der 
Friedhof der Mönche lagen, von dem Klostergürtchen im 
Süden“). Unter dem Turm soll ein Durchgang aus dem 
Klosterhof ins Klostergärtchen geführt haben, und über 


) Archiv für Reformationsgeschichte 6 (1908f.), 342, 

) J. Chr. A. Grohmann, Annalen der Unniversität zu Witten- 
berg 1 (1801), 84f. 

3) Klosterhof und Klostergarten werden in der Schenkungsurkunde 
des Schwarzen Klosters (Enders 9, 149) erwähnt. Der Klosterhof, in 
dem ein Birnbaum stand, wird einmal auch hortus genannt (Tischr. 
2255 b), sonst richtiger curia (Tischr. 2255 a) oder area (Tischr. 5319 
und 5371). Der Klostergarten (hortus) war früher wohl von dem 
guten Gärtner Er Heinrich (de Wette 3, 164) versorgt worden; seit 
1526 nahm sich Luther selbst seiner an (Enders 5,360) Erst am 
19, April 1582 kaufte Luther Klaus Bildenhauers Garten (Enders 
15, 834 Anm. 4); wird vorher ein Garten erwähnt, so handelt es sich 
stets um das Klostergürtchen. 

90* 


308 68 


diesem Durchgang soll das erste Obergeschoß des Turms 
durch eine Tür mit dem Hauptgebäude verbunden gewesen 
sein!) Hier ist in dem Grundriß des Lutherhauses Luthers 
Arbeitsstube mit dem Buchstaben m eingezeichnet, 

Nun war zwar auch mitten auf der langen Südseite 
des Lutherhauses ein Vorbau, der auf dem Grundriß zwischen 
den Buchstaben q und ın eingezeichnet ist, aber dieser 
Vor- oder Anbau, der auch auf alten Stadtansichten von 
Wittenberg deutlich zu sehen ist, kann unmöglich als Turm 
bezeichnet werden, denn sein Dach reichte nur bis an das 
zweite Obergeschoß des Hauptgebäudes. Wahrscheinlich ent- 
hielt dieser Anbau das „Gemach,“ zu dessen Erbauung 
Luther 1519 die Genehmigung seines Landesherrn nachsucht. 

Im Frühjahr 1519 schreibt Luther im Namen seiner 
Klosterbrüder an Friedrich den Weisen?) Notdurft zwinge 
sie, ein Gemach „aus der Mauren auf den Graben“ zu 
bauen; auf ihre Bitte hätten ihnen die Herren des Rats zu 
Wittenberg keine Antwort gegeben, darum richtet Luther 
nun an den Kurfürsten die Bitte, ihnen diesen Notbau zu 
gestatten. Daß es sich in Luthers Brief um einen Abort 
handelt, daran ist wirklich nicht zu zweifeln) Wo wir in 
andern Städten bei Klöstern, die ebenfalls an der Stadtmauer 
gelegen sind, ein solches Gemach finden, das aus der Mauer 
auf den Graben hinausgebaut ist, da ist es nachweislich 
fast stets ein „heimlich“ Gemach, ein secretus locus, der 
Abort. Auch spricht Luther ausdrücklich von der Notdurft, 
die sie zu diesem Notbau zwinge. Für jedes andere Gemach 
wäre in dem Kloster selbst, das noch gar nicht völlig aus- 
gebaut war‘), Raum genug gewesen; nur die Anlage eines 
heimlichen Gemachs konnte es notwendig erscheinen lassen, 
aus den vier Mauern des Klosters hinaus auf den Graben 


3) H. Stein a. a. O. 24 und 26f, 

7) de Wette 1, 283. 

) H. Stein a. a. O. 19 Anm. 1. Das von Ickelsamer erwähnte 
hübsche Gemach kann nicht, wie Grisar a.a. O. 3, 985 vermutet, das 
Gemach über der Mauer sein. Der An- oder Vorbau, den wir auf den 
Stadtansichten sehen, war nicht hoch genug, um über den Wall hin- 
weg den Blick auf die Elbe zu gestatten. 

*) Enders 14, 215 Z. 27. 


69 309 


zu bauen. Man hat gemeint, dieser Bau, dem die Ge- 
nehmigung des Kurfürsten nicht versagt geblieben sein wird, 
möge auf der östlichen Schmalseite des Schwarzen Klosters 
gelegen haben, denn hier ging der Stadtgraben am nächsten 
ans Kloster heran, und hier sollen noch in neuerer Zeit 
jetzt abgebrocbene Kloaken gewesen sein!) Aber Wilhelm 
Dilieh, dessen eine Ansicht von Wittenberg den kleinen 
Vorbau in der Mitte der stidlichen Langseite des Klosters 
deutlich zeigt?, läßt auf einem zweiten Blatt?) eben so 
deutlich erkennen, daß auf der östlichen Schmalseite des 
Klosters kein solcher Vorbau gewesen ist. Wir dürfen des- 
halb den Vorbau auf der südlichen Langseite des Klosters 
für den Notbau halten, in den die Augustiner 1519 ihren 
Abort verlegten‘). | 

Vorher war der Abort der Mönche, wie Cordatus be- 
zeugt, in demselben Turm, in dem, wie Lauterbach bezeugt, 
auch ein hypocaustum war. Diese Angaben sind sicherlich 
wahr. Cordatus und Lauterbach haben viele Jahre lang 
als Luthers Tischgenossen im Schwarzen Kloster gewohnt 
und haben dessen Räumlichkeiten genau gekannt. Und 
beide haben an Luthers Tische nur für sich selbst nach- 
geschrieben; der Verdacht, sie könnten etwas erfunden haben, 
um durch ihre Niederschrift auf andere einzuwirken, ist ganz 
ausgeschlossen. Aus dem Wortlaut ihrer Niederschrift er- 
gibt sich ferner, daß zu der Zeit, da sie schrieben, der Ab- 
ort der Mönche nicht mehr in dem Turme war“), wohl aber 
das hypocaustum. Das gibt auch Grisar zu9), wenn auch 
Y Enders 2, 35 Anm. 2. 

?) Wilhelm Dilichs Federzeichnungen Kursüchsischer und Meig- 
nischer Ortschaften aus den Jahren 1626—1629. Herausgegeben von 
Paul Emil Richter und Christian Krollmann (1907) Blatt 4. 

3) Ebenda Blatt 36. 

*) Ein Abort kann trotzdem auch auf der östlichen Schmalseite 
gelegen haben, also an der Stelle, wo noch in neuerer Zeit Kloaken 
gefunden worden sind. Wie das große Haus zwei Treppenaufgünge 
hatte (im Grundriß s und ac), so kann es auch zwei Abortanlagen 
gehabt haben, Nicht nur Luther, auch die spütere Zeit hat an dem 
Hause viel bauen müssen. Vgl. E. Stein a. a. O. 36. 

5$) Der Abort war ja schon 1519 in den Anbau auf der Südseite 


des Klosters verlegt worden. 
© A. a. O. 3, 985. 


310 | 70 


mit der Einschränkung, dieses hypocaustum brauche nicht 
Luthers Arbeitsstube zu sein; es könne irgendein anderer 
heizbarer Raum in dem Turme gewesen sein. Aber der 
hier in Frage kommende Turm hat wirklich nicht für mehrere. 
heizbare Räume Platz gehabt. Das von Lauterbach erwähnte 
hypocaustum in dem Turme, in dem Luther nach langem 
Lesen, Forschen und Grübeln seine Erleuchtung über die 
iustitia Dei gehabt hat, ist sicherlich eben das hypocaustum, 
das Luther zweimal sein hypocaustum und öfter sein Stüblein 
nennt, seine Arbeitsstube. 


Und der Turm, in dem diese Arbeitsstube gelegen hat, 
kann nur der Turm an der Südwestecke des Schwarzen Klosters 
gewesen sein. Dahin führen uns auch Rörers Worte: in 
horto. Der Turm an der Südwestecke des Hauptgebäudes 
stand wirklich an und über dem Klostergärtchen. 

Da Luther, wie er 1532 sagt, aus seinem armer Stüb- 
lein das Papsttum gestürmt hat, so muD er diesen heizbaren 
Raum im Obergeschoß des Gartentums schon 1517 bewohnt 
haben. Das geht auch aus einer andern Tischrede hervor, 
die wahrscheinlich ins Jahr 1540 zu datieren ist!); Luther 
spricht da von Teufelsspuk und Teufelserscheinungen und 
erzählt: „Zeum dritten, kam ich ein mal aus der metten 
und kucket zu meiner zcellen aus in den garten, da sahe 
ich eine große schwartze sawe vmbher im garten lauffen, 
so doch an selben ort kein saw kommen kont, und balt 
verschwandt sie; das war auch der Teuffel.“ Luther hatte 
also schon als Mönch eine Zelle mit dem Blick auf den 
Klostergarten. Vielleicht hatte er schon damals das hypo- 
caustum in dem Gartenturm inne. Grisar meint zwar?) „In 
seiner Zelle hatte Luther keinen Ofen“, und weiter“): „Als 
Mönch bekam Luther doch wohl keine geheizte Zelle; er 
mußte mit dem gemeinsamen Würmeraum des Klosters vor- 
lieb nehmen. Er selbst spricht von seinem Frieren und 
sagt, er habe (als angehender Professor) zur Nachtzeit im 
(gewärmten) Refektorium an seiner Lektion geschrieben, als 


— - 


) Tischr. 5358 b. 
N A. a. O. 1, 324. 
5 A. a. O. 3,995, 


71 311 


er den Teufel jiu der Hüllen‘ dreimal rauschen hörte.“ Als 
Mönch durfte Luther keine besonderen Ansprüche erheben, 
darin hat Grisar recht, aber als Doktor der Theologie, Sub- 
prior und Distrikfsvikar der Augustiner hat Luther doch 
schon jahrelang vor 1517 seine eigene heizbare Stube im 
Kloster gehabt. Das bezeugt er uns selbst. Er sagt): 
„Doctor creatus mihi ipsi fui calefactor.“ Auf das Hefek- 
torium oder einen andern gemeinsamen Wärmeraum im 
Kloster können diese Worte nicht gedeutet werden, denn 
hätte Luther da eigenhändig geheizt, so hätte er nicht nur 
für sich, sondern auch für die andern geheizt; er sagt aber 
ausdrücklich: „mihi ipsi fui calefactor.“ Wahrscheinlich hat 
Staupitz Luther zu derselben Zeit, da er ihm einen Diener 
gab?, auch die heizbare Arbeitsstube angewiesen. Daß diese 
abseits von den übrigen Klosterräumen in dem Gartenturm 
lag, das hing jedenfalls auch damit zusammen, daß das 
große Hauptgebäude, obgleich es nur zu zwei Dritteilen 
ausgebaut war?) doch zahlreiche Insassen beherbergen 
mußte. Die Räume, die Luther und Käthe später bewohnten, 
wurden wohl von dem Prior in Anspruch genommen; die 
zweiundzwanzig Klosterbrüder, die 1516 im Schwarzen Kloster . 
lebten, mußten ihre Zellen haben, und außerdem mußten 
zwölf iuvenes und sechs oder sieben Laienbrüder unter- 
gebracht werden‘). So wurde Luther, als er ausnahmsweise 
eine eigene heizbare Arbeitsstube zugewiesen erhielt, in den 
Gartentarm verwiesen. Der Raum, den er hier erhielt, war 
wohl ein recht bescheidener Raum, denn er nennt ihn sein 
armes Stüblein, aber dieser Raum hatte den großen Vorzug 
der Abgelegenheit und Stille. Als das Schwarze Kloster 
später manchmal einem Krankenhaus und oft einem Gast- 
haus glich, da mochte Luther die stile Abgeschiedenheit 
seines Turmstübleins doppelt willkommen sein. 


1) Tischr. 5875. 

5 Tischr. 5375. Das geschah, cum legeret Doctor Psalterium, 
also 1513. .Vgl. Tischr. 4323 und Köstlin-Kawerau 1, 104. 

) Enders 14, 215 Z. 27f. 

) Enders 1,67 Z. 34 ff. Die zwölf iuvenes waren wohl die 
Brüder, die aus andern Klöstern zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung 
nach Wittenberg abgeordnet waren. 


312 72 


Wie die älteren Stadtansichten von Wittenberg er- 
kennen lassen!), sprang der Gartenturm zwischen dem Haupt- 
gebäude und dem Brauhaus etwas nach Süden vor, Er 
war deshalb den Wallarbeiten, die hier die große Bastion 
verstärken sollten, besonders hinderlich, so daß Luther 1532 
befürchten mußte, sein arm Stüblein werde auch noch fallen. 
Diese Gefahr wurde jedoch abgewendet, ja Luther konnte 
in den nächsten Jahren hier zwischen dem Gartenturm und 
dem Wall sogar noch ein neues Haus bauen. Luther selbst 
nennt es 1541 „das hindere newe haus“?) und 1542 „das 
newe haus“, und er berechnet die Ausgaben für den Bau 
auf 400 Gulden?) Der Bau fällt wohl in die Jahre 1535 
bis 1540. In diesen Jahren sind in den Wittenbergischen 
Kämmereirechnungen mehrfach größere Lieferungen von 
Kalk, Backsteinen und Dachziegeln für die Um- und Neu- 
bauten im Schwarzen Kloster gebucht“). Diese Baustoffe 
lieferte der Rat der Stadt um Gottes Willen. Das Bauholz 
aber mußte Luther kaufen; in seiner Hausrechnung vom 
Jahre 1542 steht die Ausgabe): 400 Gulden „Gedielet 
breter". Auf den Ansichten von Wittenberg ist auch das 
Neue Hans erkennbar. 

Dürfen wir den Stadtansichten bis in kleinere Einzel- 
heiten trauen, so müssen wir annehmen, daß Luthers Arbeits- 
stube nicht in dem ersten, sondern in dem zweiten Ober- 
geschoß des Gartenturms gelegen hat. Darauf deutet Übrigens 
schon jene Tischrede hin, in der Luther im Sommer 1542 
erzählt, er habe den jungen Christoph von der Straßen 
einmal droben in seinem Stüblein gehabt. Da Luther diese 
Worte in der Wohnstube, also in dem ersten Obergeschoß 
des Schwarzen Klosters gesprochen hat, so muß seine Arbeits- 
stube in einem noch höheren Geschoß gelegen haben. Und 
mit diesem schriftlichen Zeugnis stimmen die bildlichen 


) Vgl. auch den Grundriß der Stadt Wittenberg bei Otto Scheel, 
Martin Luther 2 (1917), 164, 

7) Enders 14, 180, 

*) Enders 15, 60 Z. 120. 

t) Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer 
Forschungen 3 (1887), 118 fl. 

5) Enders 16, 60 Z. 117. 


73 i 313 


Zeugnisse überein; auch aus ihnen geht hervor, daß der 
Gartenturm nur im zweiten Obergeschoß einen bewohnbaren 
Raum gehabt hat. Der Cranachsche Holzschnitt von Witten- 
berg mit der Taufe Christi und der Familie des Kurfürsten 
Johann Friedrich im Vordergrunde!) läßt leider die Einzel- 
heiten gerade an dieser Stelle nicht deutlich erkennen, aber 
der große Holzschnitt von 1611), das eine Dilichsche Blatt 
aus den Jahren 1626 bis 1629°) und eine in der Leipziger 
Stadtbibliothek befindliehe Federzeiehnung von Johann August 
Richter aus den Jahren 1720 bis 1730*) zeigen überein- 
stimmend auí der Südseite des Gartenturms im ersten Ober- 
geschoß nur eine Luke, im zweiten Obergeschoß aber zwei 
Fenster. Darüber erhebt sich noch das Dachgeschoß mit 
einem Fenster. 

Hier im Dachgeschoß war vielleicht Karlstadt unter- 
gebracht, als er im Sommer 1525 im Schwarzen Kloster 
eine Zufluehtsstütte fand, in der er von Luther wochenlang 
vor allen heimlich gehalten wurde. Nach Erasmus Alberus 
wußte nur Luthers treuer Diener Wolfgang Sieberger um 
Karlstadts Anwesenheit; er brachte ihm das Essen?) Daß 
auch Luthers junge Frau darum gewußt hat, das folgert 
Barge) wohl richtig daraus, daß Karlstadt in diesen 
Wochen Luther brieflich einen Gruß an Käthe aufträgt). 
Von Karlstadts Anwesenheit in seinem Hause hat Luther 
seinen Tischgenossen im Sommer 1531 ausführlicher er- 
zählt®); er spricht von Menschen, die im Glück übermütig, 
in der Not aber scheu und verzagt sind, und fährt fort: 


1) Abgebildet bei Friedrich von Bezold, Geschichte der deutschen 
Heformation (1890), 826, 

2) Abgebildet bei Paul Schreekenbach und Franz Neubert, Martin 
Luther (1916), Blatt 54. Eine Wiederholung des großen Blattes aus 
dem Jahre 1691 ist in der Leipziger Stadtbibliothek (H. Sax. Fol. 178). 

) A. a. O. Blatt 4. 

) H. Sax. Fol. 178. Vgl. Gustav Wustmann in der Leipziger 
Zeitung, Wissenschaftliche Beilage, 1909, Nr. 20 (15. Mai), 85f. 

) Enders 5, 240 Anm. 

© Hermann Barge, Andreas Bodenstein von Karlstadt 2 (1905) 366 
Anm, 105. 

) Enders 5, 239. 

) Tischr. 2064. Barge a. a. O. hat diese Stelle übersehen. 


314 l 74 


„Cuius timoris horrendum exemplum vidi in Carolostadio- 
Qui cum in aedibus meis tempore relegationis suae plures 
quam octo septimanas insciis omnibus hominibus habitaret?!) 
et veniente ad nos electore nostro per pontem Albis ipse 
fenestram adibat et me praesente spectabat versus pontem 
per fractum triangulum, qui erat intra vitra omnia integra, 
sed obiter abibat. Cui cum dixissem, cur abiret? respon- 
debat pallens et tremens: Ne a quoquam videretur.“ Der 
Besuch des Kurfürsten Hans, den Karlstadt aus seinem Ver- 
steck im Schwarzen Kloster durch eine zerbrochene Butzen- 
scheibe im Fenster über die Elbbrücke reiten sah, fällt auf 
den 14. Juli 15252), und am 17. September 1525 gab der 
Kurfürst in Torgau auf Luthers schriftliche Fürbitte vom 
12. September?) seine Einwilligung dazu, daß sich Karl- 
stadt in der Nähe von Wittenberg, jedoch nicht in Kemberg 
niederlassen dürfe‘); mindestens bis zum 18. September ist 
Karlstadt also bei Luther geblieben, und da er nach Luthers 
Erzählung mehr als acht Wochen, also vielleicht neun, 
höchstens zehn Wochen im Schwarzen Kloster verborgen 
gewesen ist, so wird er tiberhaupt erst kurz vor dem 14. Jali’) 
aus Frankfurt am Main bei Luther eingetroffen sein. Und 
in dem großen Schwarzen Kloster, in dem schon zahlreiche 
flüchtige Mönche und Nonnen Aufnahme gefunden hatten“) 
und viele Fremde ein- und ausgingen, konnte er wohl 
nirgends mit größerer Sicherheit vor allen Mitbewohnern und 
Besuchern verborgen gehalten werden als in dem Garten- 
turm über Luthers Arbeitsstube. 

Wann der Gartenturm abgebrochen worden ist, das 
vermag ich nicht nachzuweisen. Nach der Richterschen 
Zeichnung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat 
der Turm damals noch gestanden; Richters Ansichten säch- 


1) Cordatus fällt im folgenden aus der Konstruktion. 

2) C. A. H. Burkhardt, Ernestinische Landtagsakten (Thüringische 
Geschichtsquellen, 8. Bd., 1902), 172f. 

*) Enders 5, 240. 

*) Enders 5, 241ff. 

5) Jedenfalls nicht schon Ende Juni, wie Barge a. a. O. meint, 

*) de Wette 2, 582; Felician Geß, Akten und Briefe zur Kirchen- 
politik Herzog Georgs von Sachsen 2 (1917), 474. 


75 315 


sischer Städte sind sämtlich nach der Natur aufgenommen, 
ohne Anlehnung an ältere Zeichnungen. Vielleicht ist der 
Turm erst in der bösen Zeit des Siebenjährigen Krieges 
gefallen. Aber die Erinnerung daran, daß in diesem Turme 
Luthers Arbeitsstube gelegen hat, scheint in Wittenberg 
schon früh geschwunden zu sein. Aus dem Jahre 1671 
wird uns zwar berichtet, Luthers Arbeitsstube (musaeum) 
werde noch als Sehenswürdigkeit gezeigt!) doch das ist 
sicher ein Irrtum. Was den Fremden gezeigt wurde, das 
war die Wohnstube Luthers und Käthes. Sie wird auch 
später noch zuweilen irrtümlich als Luthers Studierstube 
bezeichnet. Wo Luthers Arbeitsstube wirklich gewesen war, 
das wußte man bald nicht mehr, denn diesen Raum hatten 
wohl nur Luthers nächste Angehörige und Freunde betreten, 
und mit ihrem Hinweggang schwand auch die Erinnerung. 


*) Johannes Kern, De Witteberga (1671). Blatt B,b. 


Mitteilungen. 


Aus Zeitschriften’). 


Allgemeines, Karl Bauermeister gibt im Histor. Jahrb. 
1918/19 S. 731—740 nach Würzburger Archivalien vorläufige Bei- 
träge zur Territorialpolitik des Erzbischofs von Mainz Berthold 
von Henneberg, über den er eine Monographie vorbereitet. 

K. Müller, Zur „Deutschen Theologie“, in SB. der preuß. 
Ak. d. W. Bd. 36 S. 631—658 weist darauf hin, daß von der viel ge- 
druckten und behandelten „Deutschen Theologie“ noch heute weder 
ein zuverlässiger Text bestehe noch ihr Verständnis gesichert sei. Er 
bemüht sich in scharfsinniger textkritischer Untersuchung, in Polemik 
besonders gegen Hermeling (Festschrift zu Th. Briegers 70. Geburts- 
tag, 1912) den ursprünglichen Text herzustellen. Zum Schluß zeigt 
er, daß die D. Th. mit der modernen pantheistischen Mystik nichts zu 
tan hat; sie stellt nicht den Gegensatz gegen die reformatorische 
Heilslehre dar, indem sie das religiöse Heil von der kirchlichen Ver- 
mittlung unabhängig macht, sondern hält an der kirchlichen Heils- 
vermittlung und Autorität und an der Bedeutung des geschichtlichen 
Lebens Jesu fest und verteidigt gegen die Mystik der Brüder des 
freien Geistes die kirchlichen und geschichtlichen Grundlagen aller 
Mystik. 

E. Reichel entwickelt in Theol. Arbb. aus d. Rhein. wissensch. 
Predigerverein NF. 18 S. 1—17 die Vorstellungen der Münsterschen 
Wiedertäufer zur Welt und ihren Mitmenschen, zum Staat und zur 
Gesellschaft, um zu zeigen, wie sich hier die ganze Entwicklung von 
der Unzufriedenheit mit sozialen Zuständen zum Abfall von der alten 
Kirche, bis hin zur Ausprägung eines religiösen Subjektivismus, inner- 
halb eines räumlich und zeitlich eng begrenzten Gebietes vollzieht. 

Die Bündnisbestrebungen der deutschen evangelischen 
Fürsten von 1566—1570 unter Betonung des maßgebenden Anteils, 
den Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach daran hatte, 
schildert auf Grund der Ansbachischen Religionsakten des Nürnb. 
Kr.-A. K.Schornbaum in ZKG. NF. I, 2 S. 262—282 mit Abdruck 
von 2 Denkschriften G. Kargs (erster Artikel). 


1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um 
Zusendung einschlägiger Zeitschriftenaufsätze zur Anzeige an dieser 
Stelle. 


77 317 


Fréd. Gardy, Les livres de Pierre Martyr Vermigli con- 
servés à la bibliothéque de Genève, schildert die Erwerbung dieser 
Bücher für die von Calvin 1559 begründete Bücherei nach V.'s Tode 
1565 und stellt nach dem Verzeichnis der letzteren von 1572 den 
Bestand her. Anz. f. Schweiz. G. Jahrg. 50 (NF. Bd. 17) S. 1—6. 


Luther. Ein zweites ,Lutherheft" geben die ThStKr. heraus 
(— Jahrg. 1919 Heft 3/4, 201—373). An die zwei gehaltvollen Ab- 
bandlungen von A.Hardeland, Luthers Erklärung des ersten Gebots 
im Lichte seiner Rechtfertigungslehre (S. 201—261) und Joh, Meyer, 
„In Gott“ und „an Gott glauben“ als Verdeutschung des credere in 
deum bei Luther (S. 262—978) schließt sich an O. Albrecht, Quellen- 
kritisches zu Aurifabers und Rórers Sammlungen der Buch- und Bibel- 
einzeichnungen Luthers (S. 279—306), weitere Ausführungen zu des 
Verf. Abhandlung in unserer Zeitschrift 1917 S. 161—186, Es folgen 
„Gedanken und Bemerkungen": Em. Hirsch, Luthers Eintritt ins 
Kloster (S. 307—314), setzt sich mit Scheel und Müller über dies 
Ereignis auseinander; A. Hardeland, Luthers Darstellung des Recht- 
fertigungsbewußtseins als eines Mittleren im Sinne des Aristoteles 
(S. 315—821); K. Franke, Luthers Fabel vom Löwen und Esel und 
ihre politische Bedeutung (S. 322—326), Veranschaulichung des Kampfs 
um die Oberherrschaft zwischen Kaiser (Lówe) und Papst (Esel); 
G. Kawerau (+), Eine Bannordnung von 1543 mit Luthers Appro- 
bation (S. 327—334), veröffentlicht eine solche bisher unbekannte von 
Mórlin aus Ms. Boruss. Fol. 21 der Berliner Staatsbibl. Daran schließen 
sich Rezensionen: O. Albrecht bringt wertvolle Berichtigungen und 
Ergänzungen zu den Berichten über Luthera Tod in Anschluß an 
Schubarts Sammlung (S. 835—353); P. Flemming äußert sich zu den 
„Lutherstudien“ der Mitarbeiter der Weimarer Lutherausgabe (S. 854 
bis 362) und F. Kattenbusch zu A. V. Müllers ,Luthers Werdegang 
bis zum Thurmerlebnis“ (S. 363 — 369; vgl. 372). Endlich bringt 
Loofs zwei Miszellen: Zur Frage nach dem Zeitpunkt des Durch- 
bruchs evangelischer Erkenntnis bei Luther (im Anschluß an eine 
Untersuchnng seiner Schülerin H. Thomas über die Psalmenvorlesung 
1518— 1515) und: Aus der Dresdener He. der ältesten Psalmen- 
vorlesung Luthers (S. 870—372). | 

Der erste Jahrgang des „Jahrbuchs der Luthergesellschaft“ 
zu Wittenberg (1919) ist erschienen. Es bringt 1. die in den Tagungen 
der Gesellschaft gehaltenen Ansprachen und Vorträge, nämlich B. 
Eucken, Weshalb bedürfen wir einer Luthergesellschaft? und: Luther 
und die geistige Erneuerung des deutschen Volkes; Joh. Luther, 
Die Bedeutung Luthers für seine und unsere Zeit, und A. E. Berger, 
Luther und der deutsche Staatsgedanke. 2. Aus Luthers Zeit — für 
unsere Zeit, nämlich: O. Clemen, Gedichte auf Luthers Tod; Jul. 
Boehmer, Luther im Vaterhaus, Vaterstadt und Vaterland und E. 
Kroker, Luthers Tischreden als geschichtliche Quelle. Dieser Beitrag 
fällt ein wenig aus dem Rahmen des übrigen heraus; wir würden ihn 


318 78 


lieber an anderer, streng wissenschaftlicher Stelle sehen. 3. Aus der 
Lutberhalle. Hier gibt J. Jordan Erläuterungen zu nen erworbenen 
oder sonst bemerkenswerten Stücken der Sammlungen. 157 S. 4°, 
. Die ,Lutheranalekten" H. Grisars im Histor. Jahrb. 39 
S. 487—5]5 betreffen Luthers Romfahrt (nähere Bestimmung des Rück- 
weges z. T. aus bisher unverwerteten Dokumenten), die vermeintliche 
Lutherbibel der Vaticana (die vielmehr eine vorlutherische deutsche 
Übersetzung ist), die Unterschrift unter dem Lutherbrief des Cad. 
Ottobon, 3029 (nicht plenus, auch nicht plures, sondern Johannes, 
gemeiut der kleine Hans Luther) und „Luther im Urteile von neu- 
gläubigen Gegnern“, als Ergänzung zu Kolde Anal. Luth. S. 202ff. 
Den 17, Jahrg. der ZVKGProv. Sachsen füllt ein ebenso fesselnder 
wie tief eindringender Vortrag Joh. Fickers über älteste Bildnisse 
Luthers (bis zum Wormser Reichstag), wobei die Verdienste L. Cranachs 
um die Festhaltung des Lutherbildes besonders deutlich hervortreten 
(50 S.) Beigegeben sind 16 Tafeln mit den behandelten Abbildungen. 
In Nkirchl. Zeitschr, Jahrg. XXX Heft 7 S. 862—867 und Heft 9 
3. 479—483 setzt O. Brenner seine Studien zu Luthers Bibel- 
übersetzung fort. Er behandelt Luthers Anteil an den Neudrucken 
und gibt Fingerzeige zur Methode der literarischen Stammbanm- 
forschung insbesondere bei Lutherdrucken. 


Auf eine in Kolocsa (Ungarn) befindliche Vulgata, die Rand- 
bemerkungen von Luthers Hand tragen sollte, aufmerksam gemacht, 
hat O. Clemen feststellen kónnen, daf die Bibel (eine Vulgata von 1519) 
keine Spuren von Luthers Hand trügt, aber einem Zeitgenossen und 
guten Freunde des Reformators, Johann von Riedesel (s. Enders 9, 223), 
gehört hat. Zum Schluß stellt Clemen die echten Lutherhss. zu- 
sammen, die nach Ungarn gelangt sind. Nkirchl. Zeitschr. Jahrg. XXX 
Heft 10 S. 533—536, 


In der Theologischen Festschrift für G. N. Bonwetsch (1918) 
S. 72—79 untersucht J. Meyer die ältesten niederdeutschen Drucke 
des kleinen Katechismus textgeschichtlich; seine Untersuchung 
zeigt, wie früh und stark Luthers Kl. K. auf niederdeutschem Sprach- 
gebiet wirksam geworden ist. 


Zwei der von Degering in ZKG. 37 S. 220—234 zum erstenmal 
abgedruckten, aber für Fälschungen erklärten Briefe Luthers nu 
M. Nicolaus Boie in Meldorf von 1523 und 1527 druckt C. Rolfs in 
Schriften des V. f. Schlesw.-Holstein. KG. 2. Reibe (Beitrr. u. Mitteil. 
Bd. 7 Heft 2) 1918 S. 129 ff. aufs neue ab, indem er mit sehr ge- 
wichtigen inneren Gründen für ihre Echtheit eintritt als bedeutsamen 
Dokk. der Schlesw. Holst. Reformationsgesch. Jedenfalls ist Luthers 
tatsächlicher Irrtum über Schwenkfeld in dem Briefe von 1527 kein 
unbedingter Beweis für die Fälschung; ähnliche Irrtümer Luthers 
zeigt Rolfs in unbeanstandeten Briefen jenes. 

O. Clemen, Eine Heliandhandschrift in Luthers Besitz, stellt 
die bezüglichen gleichzeitigen Nachrichten zusammen. Er hält nicht 


19 319 


für unmöglich, daß die Sprache des Heliand Luther verständlich 
gewesen sei: Zentralbl. f. Biblw. Jahrg. 36. 

In Nkirchl. Zeitschr. Jahrg. XXX Heft 2 S. 135—156 entwickelt 
N. Bonwetsch, wie sich Luthers Verständnis von Römer 7, 14 ff. 
(von dem Widerstreit im Menschen) zu dem in der Kirche des Alter- 
tums herrschenden verhält. 

St. Ehses, Luthers Appellation an ein allgemeines Konzil, 
sucht L. in dessen Kundgebungen zur Konzilsfrage mit sich selbst 
in Widerspruch zu setzen, indem er ihm vorschreiben will, wie er 
logischerweise hätte handeln müssen — als ob bei Luthers Weltkampf 
gegen den Romanismus die äußere Folgerichtigkeit die Hauptsache 
gewesen wäre! Histor. Jahrbuch 39 (1918/19) Heft 3/4 S. 740—748. 

In Jahrb. d. V. f. die Ev. KG. Westfalens XIX S. 1—48 geht 
H. Rothert an der Hand der Beziehungen, die Luther zu einer 
Anzahl geborener Westfalen und zu den wichtigsten westfälischen 
Städten unterhielt, den Einwirkungen jenes auf Westfalen nach. 

Als „neugefundene Reliquie aus dem Reformationsjahre 1520“ 
weist in der Schles. Zeitung vom 3. Oktober 1920 (Unterhaltungs- 
beilage) P, Kalkoíf auf das von ihm im Stuttgarter Staatsarchiv auf- 
gespürte, bisher ganz unbeachtet gebliebene, wohlerhaltene Original 
der Bannandrobungsbulle Exsurge domine hin. Es ist wohl 
zweifellos diejenige Ausfertigung, die Eck nach Deutschland mitnahm. 
Bisher war die berüchtigte Bulle uns nur in Abschriften bekannt. 


In einer „Miszelle“ „Erasmus und Hutten in ihrem Ver- 
bülnis zu Luther“ (in HZ. 122, 2 S. 260—267) betont P. Kalkoff 
aufs neue, wie in den Anfangsjahren der Reformation dieser nichts 
mehr geschadet als die ,rohen und rabiaten (so!) Ritter von der 
Ebernburg“, wogegen Erasmus den Reformator damals unterstützt, 
wie Luther überhaupt an Stelle der ,frivolen Literaten" (Hutten!) die 
bumanistisch gebildeten Theologen und die theologisch interessierten 
Humanisten zu Mitstreitern gewonnen habe. 


G. Bossert, Luthers Bedeutung für die Vólkerkunde, stellt 
aus den Tischreden Äußerungen L.s über Deutschland und dessen 
einzelne St&mme und Landschaften nebst den vergleichenden Urteilen 
des Reformators über die Eigenschaften der wichtigsten Nationen 
Europas zusammen; Staats-Anzeiger für Württemberg, Besondere Bei- 
lage 1920 Nr. 11 (31. Oktober) S. 241—250. 


In einem Aufsatz „Goethe und Luther“ untersucht P. Ben- 
rath ersteren in seiner Beeinflussung durch Luther und das Luthertum, 
um neben der Konvergenz der Lebensrichtungen der beiden Münner 
die Divergenz des Ganzen der Lebens- und Weltanschauung hervor- 
zuheben. Doch werden, von Goethe aus gesehen, die Unterschiede 
von einer hóheren Einheit zusammengehalten und zu einem Ganzen 
des Lebens verbunden, das jene nicht nur ertrügt, sondern geradezu 
zu fordern scheint, um sich durch sie hindurch zu gestalten und zu 
vollenden. Theol. Arbb. a. d. Rhein. Wiss, PredV., NF. 18 S. 76—96. 


230 80 


Persönliches. Den von K. Müller neuerdings gleichsam 
aus dem Dunkel der Vergessenheit hervorgezogenen Jakobus Acontius 
(geb. nach 1500, gest. um 1566), den seiner Zeit weit voraneilenden 
Apostel der Denkfreiheit und Duldung, behandelt unter besonderer 
Hervorhebung dieser Seite Ad. Matthaei in Xkirchl. Zeitschr, 
Jahrg. XXX Heft 6 S. 293—807. 

Hinweise und Erläuterungen zu Briefen Martin Baumgarts, 
Zwickauer Franziskaners, hernach Pfarrers zu Schlema bei Schneeberg, 
aus den Jahren 1522—1544 gibt G. Sommerfeldt in NSAG. 41 
S. 133—180. Die Briefe befinden sich teils auf der Landesbibl. zu 
Dresden, teils in der Zwickauer Ratsschulbibl. Ebendaselbst S. 276 
bis 296 folgen von dem Nämlichen „Nachträge zum Briefwechsel 
M. Baumgarts 1522—1544 und zu Peter Albinus". 

Die wechselvollen Schicksale des M, Georg besserer, ersten 
reformierten Inspektors im,Herzogt. Simmern (+ 1604), verfolgt A. 
Zillessen auf Grund einer Leichenpredigt und sonstigen Materials 
in Theol. Arbeiten aus d. Rhein. Wissensch. Predigerverein NF. 17 
S. 63—74. 

Über das von dem verstorbenen altkatholischen Hymnologen 
A. Thürling entdeckte Gesangbuch Ambrosius Blaurers, dem Mittel- 
gliede zwischen dem Gesangbuch von Johannes Zwick und den 
Schweizer Gesangbüchern der 2. Hülfte des 16. Jahrhunderts, handelt 
eingehend Fr. Spitta in ZKG. NF. I, 2 S. 288—261, Nach Sp. steht 
das Gesangbuch Bl.'s dem Luthers nicht unebenbürtig gegenüber und 
setzt den herkömmlichen Wendungen über die Gesanglosigkeit der 
reformierten Kirche einen schlagenden Tatbeweis entgegen. 

Aus der Sammlung von Briefen an Stephan Roth auf der 
Zwickauer Ratschulbibliothek teilt O. Clemen 14 Briefe des nach- 
maligen Propsts von Berlin Georg Buchholzer aus den Jahren 1526 
und 1527 mit. Sie behandeln teils Lebensverhältnisse Buchholzers, 
teils sind sie literarischen Inhalts. Jahrb. f. Brandenb. KG. 18 S. 1—19, 

Die Untersuchung von H. Ernst über „die Frömmigkeit des 
Erasmus“ hat das Ergebnis: Die Frömmigkeit des E. war Moralismus, 
genährt von der Hoffnung auf jenseitige Belohnung. Sie war nicht 
weltfreudig im modernen Sinn. Seine Ethik steht dem mittelalterlich- 
asketischen Ideal näher als die Luthers. Es liegt ein selbständiger 
Typus christlicher Frömmigkeit vor, mit der katholischen wie der 
evangelischen Frömmigkeit im Kampf; dort geht der Kampf zwischen 
selbständiger und kirchlich vermittelter Frömmigkeit, hier zwischen 
einer auf Selbsterlósung und eiüer auf Erlösung allein aus Gnaden 
beruhenden Frömmigkeit. Zu seiner Zeit erdrückt kam der Frömmigkeits- 
typus des E, später zu neuer Entfaltung, ja zur Herrschaft im Ratio- 
nalismus und auch heute strebt er modifiziert wieder an die Ober- 
fläche. ThStKr. 1919 (Jahrg. 92) S. 46—77. 


— — — — aum ——— ——— 


Druok vou C. Sohulse & Co., G. m. b. H., Gräfenhaiuichen 


Digitized by Google 


Digitized by Google 


MUT | 


NEFORMATIONSGESCHICHTE 


TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN. 


Im Auftrag 
des Vereins für Reformationsgeschichte 


heransgegeben von 


D. Walter Friedensburg. 


XVIII. Jahrgang. 1921. 


— PME - -——oQo- ES war, he 


Leipzig 
Verlag von M. Heinsius Nachfolger 
1921. 


Inhaltsübersicht. 


A. V. Müller, Rom, Der Augustiner-Observantismus und 
die Kritik und Psychologie Luthers . 

G. Loesche, Hofrat, Professor D. Dr. in Königssee, Die 
reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Inner- 
österreichs III. IV. . . . . . . . . 85—02; 

0. Clemen, Professor D. Dr. in Zwickau, Der Prozeß des 
Johannes Pollicarius "racer 

P. Kalkoff, Professor D. Dr. in Breslau, Kardinal 
Schiner, Ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser 
Reichstage 

Mitteilungen: Aus Zeitschriften S. 75—80. — Neu- 
erscheinungen S. 155—160. 

Von der preußischen Kommission zur Erforschung 
der Geschichte der Reformation und Gegenreformation 
S. 1*— 6*. 


Seite 


1—84 


121—154 


63—74 


81—120 


Der Augustiner-Observantismus und die 
Kritik und Psychologie Luthers. 


Von Alphons Victor Müller. 


Dem Observantenstreit im Augustinereremitenorden zur 
Zeit Luthers wird seit einigen Jahren von den Forschern 
eine gewisse Bedeutung beigelegt für die Beurteilung der 
Psychologie und des Charakters von Luther. Leider ist sich 
aber die Lutherforschung bis heute nicht klar genug geworden 
über Ziele und Eigentümlichkeiten dieser Obser- 
vauzbewegung, um gewisse Kritiken Luthers richtig verstehen 
zu können. Luther macht zwar abschätzige Bemerkungen 
über die übertriebene Bedeutung, die die Observanten gewissen 
Außerlichkeiten beilegen uud tadelt eine solche Richtung 
mit fast denselben Worten, die Tauler längst vor ihm gegen 
die Observanten seiner Zeit gebraucht hat, wie ich in meinem 
Luther und Tauler (Bern 1917, S. 130) gezeigt habe. Luther 
macht aber auch den Observanten seiner Zeit und seines Ordens 
den Vorwurf , Sehismatiker* zu sein, d. h. zu ver- 
suchen sich dem sehuldigen Ordeusgehorsam 
durch „Privilegien“ und ,FEremptionen^ zu entziehen. 
Bisher haben die Forscher gerade: dieser Eigentümlichkeit 
in der Augustinerobservauzbewegung fast keine Aufmerk- 
samkeit geschenkt und diese Vorwürfe Luthers kurz auf den 
Streit zwischen den’ „sieben Konventen“ und Staupitz 
bezogen, was erstens nicht zutrifft und zweitens 
Luther in den Verdacht briugen mußte weiter nichts als ein 
Parteigünger von Staupitz zu sein, der pre domo et Domino 
gesprochen habe. 

Die drei Hauptstellen gegen die Unbotmäßigkeit der 
Observanten lauten: Quaecumque ergo, quantaeumque, qua- 
liacumque quis fecerit opera, si oboedientiam alibi 

Archiv für Beformationsyeschichte. XVIII. I. 1 


2 | 2 


debitam relinquit, huie dicitur bie: Non intelligit 
opera Domini sed sentit opera sua inflata sensu carnis 
suae. Tales hodie esse timendum est omnes observantes 
et exemptos sive privilegiatos. Qui quid noceant Ecclesiae 
nondum apparuit, licet factum sit. Apparebit autem tempore 
suo. Quaerimus autem cur sie eximi (sic!) sibi et dispensari 
(sic!) in oboedientia velint? Dicunt propter vitam 
regularem. Sed praeest lux angeli Sathanae. Quia cum 
oboedientia sit simpliciter indispensabilis et non eximibilis, 
quam magnam quaeso causam esse necesse est ut dispensetur 
indispensabile? (WA. III, 155) . . . Sie etiam omnibus 
superbis contingit et perfinaeibus, superstitiosis et inoboedi- 
entibus atque ut timeo Observantibus nostris, qui 
sub specie regularis vitae inourruntinoboedientiam 
et rebellionem... (WA. IV, 83) Similiter et Super- 
stitiosi et Schismatici abiciunt per singularitatem suum 
praelatum in quo Christus eis praeficitur, quorum Aodie est 
major numerus . . . (WA, III 17.) 

Wie aus dem „hodie“ in der ersten und dritten Stelle 
zu ersehen ist und ebenso aus dem Indikativ-Praesens der 
Zeitform, schildert Luther Zustände, die, als er diese .Worte 
sprach, noch andauerten. Um diese Anspielungen Luthers 
besser zu begreifen, müssen wir in ganz kurzen Zügen Ent- 
stehung und Entwicklung des Observantismus im Augustiner- 
eremitenorden schildern. 

Als gegen Ende des vierzebnten Jahrhunderts der 
Augustinereremitenorden von der genauen Befolgung seiner 
Regel und seiner Konstitutionen abgewichen war, suchten 
die Ordeusgenerüle die Eiferer für eine genaue Befolgung 
der alten Vorschriften in einzelnen Konventen zu sammeln, 
und damit die Insassen dieser reformierten Klöster ganz un- 
behindert und unvermischt mit den nicht reformierten 
Elementen ihrem Ideale dienen könnten, entzogen die Ordens- 
generäle diese Klöster der Jurisdiktion der gewöhnlichen 
Provinzoberen und“ unterstellten sie direkt sich selbst oder, 
wenn sie zahlreich waren, einem Vikar, der nicht vom 
Provinzial sondern von ihnen direkt abhing. Auf diese Weise 
entstanden im Augustinerorden die „Kongregationen“ 
der „Observanten“, denen die „Provinzen“ der 


3 3 
„Konventualen“ gegenüberstanden. Um die Hälfte des 
XV. Jahrhunderts herum finden wir in Italien bereits mehrere 
dieser Kongregationen, nämlich diejenigen von Lecceto 
(Toscana), S. Giovanni in Carbonaria (Neapel), S. Maria del 
Popolo in Rom, später naeh dem Hauptkloster in Perugia 
benannt, Monte Ortona (Venezien), diejenige von Genua, 
und endlich die bedeutendste von allen, diejenige der 
Lombardei, die sich über einen großen Teil von Nord- 
und auch von Mittelitalien erstreckte. Bei Beginn des XVI. 
Jahrhunderts zählte sie weit über 1000 Mitglieder und hatte 
bei der hohen Geistlichkeit wie beim Adel einen derartigen 
Einfluß, daß sie, wie wir sehen werden, sogar den päpstlichen 
Befehlen trotzen konnte, bis sie zurückgenommen worden 
waren. Als einzige Auslandskongregation figuriert gegen 
Ende des XV. Jahrhunderts nur diejenige ,des Andreas 
Proles in Deutschland“, wie sie noch lange nach Proles' 
Tod auch in offiziellen Aktenstücken der Kurie genannt wurde. 

Um die Mitte des XV. Jahrhunderts war der Versuch 
gemacht worden die damals schon bestehenden italienischen 
Kongregrationen zu vereinigen unter einem gemeinsamen 
Generalvikar wie unter einem gemeinsamen Generalkapitel. 
Doch es fanden nur zwei Generalkapitel 1446 und 1449 
statt, dann ging diese Union wieder auseinander. Es wurde 
nun beschlossen, daß in Zukunft jede Kongregation unter 
einem eigenen Generalvikar selbstherrlich sein-sollte. Damit 
hatte die Entwicklung begonnen, die uns hier interessiert. 
Jede Kongregation suchte jetzt ein Orden im Orden 
zu werden und ließ sich durch Fürsprache seiner Gönner 
von der Kurie Privilegien auf Privilegien und 
Exemptionen auf Exemptionen erteilen. Ja, auf 
Grund kurialer Erlasse tauschten sogar die Kongregationen 
diese Privilegien unter sich aus, so daß bald die Autorität 
des Ordensgenerals „de facto“ fast ganz ausgeschaltet war. 
So sehen wir z. B. Eugen IV. der Kongregation von Iliceto 
(Leeceto bei Siena in Toscana) folgende Privilegien erteilen: 
Dem Generalvikar der Kongregation wird durchaus tiber 
alle Klöster und Brüder seiner Kongregation dieselbe 
Gewalt erteilt, die der General über Klöster und Brüder 


des ganzen Ordens hat. Damit war doch indirekt gesagt, 
1* 


4 4 


daß sich innerhalb der Kongregation die Gewalt des 
GeneralsunddesGeneralvikarsgleich waren, 
daß der General nicht mit seinen Befehlen denjenigen des 
Generalvikars zuwiderlaufen durfte. Ja, dem Generalvikar 
wurden sogar Befugnisse erteilt, die der General anscheinend 
nicht hatte, denn der Generalvikar konnte gemeinsam mit 
den Visitatoren von Statuten und Ordinationen dispensieren, 
selbst wenn sie kraftApostolischer Autorität 
bestätigt worden waren. Auch direkt wurde die 
Gewalt des Generals stark eingeschränkt. So wurde dem 
General die Befugnis entzogen, irgend jemand in die Kon- 
gregation zu versetzen oder irgend ein Mitglied der Kon- 
gregation nach auswärts zu versetzen. Selbst wenn 
Mitglieder der Kongregation sich außerhalb derselben 
vergangen hatten, durfte sie der General nicht strafen. 
Ohne schriftliche Erlaubnis des Generalvikars .durfte der 
General kein Mitglied der Kongregation zu irgend einem 
Amt in der Ordensleitung berufen. Ein Kongregationsmitglied, 
das sich ohne schriftliche Erlaubnis des Generalvikars durch 
den General aus der Kongregation herausnehmen ließ, ver- 
fiel der Exkommunikation! Auf Grund derselben Privilegien 
wurde die Autorität der Generalkapitel über die Kongrega- 
tion zum großen Teil abgelehnt. Als ferner der General 
Aegidius 1512 in Viterbo das Generalkapitel abhalten wollte, 
mußte er, der doch gerade zu dieser Kongregation von 
Iliceto gehörte, vom Generalvikar derselben die schrift- 
liehe Erlaubnis hierzu erbitten. Diese Privilegien 
durfte die Kongregation ohne Erlaubnis des Generals an 
andere Kongregationen mitteilen. So sehen wir denn auch 
1487, 1493, 1510 die Kongregation von lliceto mit den 
Lombarden Gemeinschaft eingehen. 1506 hatte lliceto 
gleich den Lombarden, die schon früher dieses Privileg besessen 
hatten, einen eigenen Generalprokurator an der Kurie 
ernannt, so daß der General über das Treiben an der Kurie 
dieser Kongregationen keine Kontrolle mehr hatte. (Ambr. 
Landucci: Sacra llicetana Silva . . . Siena 1653. S. 50 ff.) 

Bald erstreckte sich die Autorität des Ordensgenerals 
nur noch auf die Konventualen, die zwar die Mehrheit des 
Ordens ausmachten aber weit weniger angesehen 


5 5 


und einflußreich waren. Um die Observanten zu 
fördern, hatten die Päpste die Autorität des Generals durch 
ihre Privilegienkonzessinonen geschädigt. Später suchten sie 
diesen Irrtum dadurch wieder gut zu machen, daß sie unter 
großem Druck auf die Wähler eifrige Anhänger der Observanz 
za Ordensgenerälen zu machen suchten. So wurde unter 
Sixtus IV. den Generalswählern unter Strafe der Ex- 
kommunikation am 2. Mai 1482 befohlen, den 
bisherigen General im Amtzubestätigen und ja 
keinen neuen zn wählen, und damit der Erfolg um so sicherer 
eintrete, erhielt der General die Vollmacht nach Bedürfnis 
das Wählerkollegium zu seinen Gunsten zu „ergänzen“. 

Als so unter päpstlichem Druck 1497 in Rom ein 
'energischer General, Mariano von Genazzano gewählt wurde, 
der die Einheit des Ordens und seine Autoritát wieder herstellen 
wollte. da war die Kriegserklürung der Ordensleitung an 
die Observanten unausbleiblich. Die — im Juniheft der 
Analecta Augustiniana 1919 nun veröffentlichten — Akten 
dieses Generalkapitels sind eine Kampfansage an 
die Kongregationen und werden auf Jahrzehnte hinaus 
das Programm bilden, das die Generäle zu verwirklichen 
suchen werden. Diese hochwichtigen Akten zeigen uns 
diejenigen Privilegien, die am meisten bei der Ordensleitung 
anstießen und auf Grund derer die Kongregationen sich 
selbstherrlich gemacht hatten. 

Zuerst befiehlt das Kapitel, daß der General des 
Ordens, der gegenwärtige wie der zukünftige, volle Autorität 
haben muß gemäß der Verfassung des Ordens und gemäß 
der Profeßformel über alle Ordensbrüder wie über alle 
Klöster, mögen sie nun der Observanz oder den Konventualen 
angehören, und mögen die Observanten innerhalb oder 
außerhalb Italiens sein (sic)! . . . Damit wird ausdrücklich 
gefordert, daß der General nieht nur Jurisdiktion über den 
Generalvikar der Kongregationen hat, sondern auch und 
zwar unmittelbar über alle Brüder und Klóster, so 
daß er ihnen direkt, ohne sich an den Generalvikar zu . 
wenden, befehlen kann. Wir werden bald sehen wie Staupitz 
sich durch die Bulle des päpstlichen Legaten an dieser 
Forderung vorbeidrücken wollte. 


6 6 


Zweitens schärft das Generalkapitel die Vorschrift 
der Konstitutionen ein, wonach die Provinzangehörigen ihrem 
Provinzoberen immer nur zu gehorchen haben unter Wah- 
rung der Rechte des Generals und erklärt, daß 
wer dem General nicht gehoreht als ein Sohn der Verderbnis 
und als faules Glied am Ordenskörper auszustoßen ist, 
möge er nun Konventuale oder Observant sein, in 
Italien oder außerhalb! . . Diese Forderung geht gegen 
die Aufstellung der meisten Kongregationen wonach der 
Kongregationsvikar in seiner Kongregation dieselbe Gewalt 
hat wie der General im ganzen Orden, was alsdann wie 
aus diesem Kapitelbefehl hervorgeht so ausgelegt wurde, 
daß wenn der Generalvikar einen Befehl erteilt hatte, der 
General ihn nicht widerrufen konnte. 

Drittens betont das Kapitel, daB der General 
seine Autorität unmittelbar vom Papste erhält, während 
dagegen die Provinziale und Kongregationsvikare 
ihre Autorität dureh den General erhalten. . . . 
Das ist wiederum ein Protest gegen die Behauptung der 
Observanten, ihre Vikare amtierten „Auctoritate Apostolica“. 

Viertens gebraucht das Generalkapitel sehr scharfe 
Ausdrüeke gegen diejenigen, die neue Konstitutionen 
und ein neues Ordinarium einführen. Einige — so 
heißt es — sind durch Unwissenheit derartig verblendet 
oder mehr noch von Herrschsucht derartig entflammt, daß 
sie das hl. Kleid Augustins zu spalten und zu 
teilen suchen (Schismatiker!), dadurch daß sie sich 
nicht gescheut haben, sowohl im Ordinarium wie in den 
Konstitutionen Widerspruchvolles zusammenzuflicken. In 
geradezu unverschümter Weise (nefarium et impudentissimum) 
hätten sie ohne irgend eine Ordenserlaubnis die Konstitutionen 
geändert und zwar so geändert, daß sie sich der ei- 
gentlichen Ordenskonstitutionen nicht mehr 
bedienen. „Wir befehlen daher allen Provinzialen, allen 
Generalvikaren aller beliebigen Kongregationen, allen Lokal- 
prioren und einzelnen Brüdern, daß sie nater Strafe der 
Rebellion alle Konstitutionstexte, die nicht wörtlich vom alten 
Konstitutionstext abgeschrieben sind, sofort ins Feuer 
werfen, damit sie ewig untergehen“... Das 


7 | 7 


richtete sieb gegen alle Observanten! Diesem Befehl zum 
Trotz führte (siehe unten S. 9) Staupitz neue Konstitutionen 
und ein neues Ordinarium ein. 

Fünftens werden die von Sixtus IV den Observanten 
gestatteten Änderungen am Ordinarium „reverenter“ zurück- 
genommen. Das Ordinarium enthielt die Zeremonieen und 
den Cantus des Ordens. | : 

Sechstens wird befohlen, daB sich kein Kongrega- 
tionsvikar als Generalvikar titulieren darf. Sie sollen 
sich einfach unter Angabe ihrer Kongregation z. B. so nennen: 
Vikar der Kongregation von Lecceto, Vikar der Lombardi- 
dischen Kongregation usw. . . Die Observanten und 
namentlich die Lombarden nannten sogar ihre Kongregations- 
kapitel: Generalkapitel. 

Siebentens werden diese Kongregationsvikare ver- 
pflichtet, den Generalkapiteln des Ordens beizuwohnen . . . 
Wenn sie das aber getan hätten, würden sie damit die Ver- 
bindliehkeit der Bestimmungen, die auf diesen Versamm- 
lungen getroffen wurden, auch für ihre Kongregationen aner- 
kannt haben. Daher haben, wie aus den wenigen Akten, 
die erhalten sind, hervorgeht, die Kongregationsvikare um 
diese Zeit die Generalkapitel gemieden. 

Achtens wird, um die Autorität des Generals zu stär- 
ken befohlen, daß es dem General zusteht, den Präsidenten 
der Kongregationskapitel zu ernennen, wenn er nicht selbst 
präsidiert . .. Wir werden unten sehen, wie die Lombar- 
den auf Grund der Privilegiengemeinschaft mit Lecceto auch 
diese Forderung abgelehnt haben. 

Neuntens müssen die Kongregationskapitel dem Gene- 
ral zur Bestätigung eingeschickt werden .. Auch diese For- 
derung mußte später zum großen Teil fallen gelassen werden. 

Zehntens dürfen ohne Erlaubnis des Generals keine 
Veräußerungen von beweglichen und unbeweglichen Gütern 
vorgenommen werden. 

Elftens: Ohne Erlaubnis des Generals dürfen die 
Observanten keine Klöster der Konventualen sich angliedern, 
keinen Bruder aus einer Provinz in die Kongregation auf- 
nehmen und auch keinen Bruder aus der eigenen Kongre- 
gation ausstoßen. 


8 8 


Zwölftens wird endlich bestimmt, daß in Rom nur 
ein einziger allgemeiner Ordensprokurator die Geschäfte an 
der Kurie besorgen darf. Keine Kongregation darf 
sich einen eigenen Prokurator halten. Wer 
ohne Erlaubnis des allgemeinen Ordensprokurators etwas an 
der Kurie zu erreichen sucht, kann mit Kerkerstrafe bis zu 
einem Jahre bestraft werden. Die Observanten sollen in 
Rom in S. Maria del Popolo, die Konventualen in S. Ago- 
stino oder anderswo absteigen. Wir werden bald auf 
den diesbezüglichen Versuch von Staupitz einen anderen 
Procurator an der Kurie zu halten, zu reden kommen. 

Alle diese Aufstellungen des Generalkapitels von 1497 
bedeuteten nattirlich eine Stärkung der Ordenszentralgewalt, 
mußten aber bei den Kongregationen auf starken Widerstand 
stoßen. Unter dem 26. Mai bestätigte Alexander VI. den 
„gewählten“ Ordensgeneral Mariano von Genazzano und 
ordnete an, daß alle Kongregationen, auch 
diejenige des Andreas Proles, die genannten Vor- 
schriften des Kapitels zu befolgen hätten. Die Lombardische 
Kongregation nahm diesen Befehl nicht ohne weiteres hin. 
Ihr Generalvikar Lucchino von Bergamo schickte Bartholo- 
mäus von Palazzolo, den einflußreichen Beichtvater der 
Gebieterin von Mailand und anderer Fürstlichkeiten sowie 
Augustin von Bergamo nach Rom, damit sie durch die Für- 
sprache von Kardinälen und Fürsten das päpstliche Schreiben 
rückgüngig machen könnten. Die anderen Kongregationen 
werden nicht mtßig abseits gestanden haben, da es sich 
im Sinne der Observanten um Sein oder Nichtsein handelte. 
So konnte der Erfolg nicht ausbleiben. Durch ein neues 
Schreiben von 26. Januar 1498 nahm Alexander VI. sein 
erstes Schreiben zurück, da er keine Beunruhigung unter 
den Observanten hervorrufen wollte. 

Trotz dieser Niederlage betrachtete die Ordensleitung, 
wie aus den päpstlichen Akten der folgenden Jahre hervor- 
geht, die Forderungen des Kapitels von Rom als Programm 
und suchte nicht nur an ihrer Hand den verlorenen Boden wie- 
derzugewinnen, sondern auch jede weitere Absplitte- 
rung vonderZentralemitallerEnergiefernzu- 
halten. So entstand der Konflikt mit der deutschen Kongregation. 


9 9 


Im Jahre 1503 war Staupitz in der Leitung der „Kon- 
gregation des Andreas Proles“ dem Proles gefolgt und ent- 
wickelte sofort eine Tätigkeit, die vom General nicht gern 
gesehen sein konnie Während wir nämlich von seinem 
Vorgänger wissen (Comp. ex reg. Ms. lat Monac. Ang. 123. 
Kolde: Z. f. Kgsch. II. S.467ff.), dab er seine Wahl zum Vikar 1497 
dureh den General Mariano von Genazzano und 1500 durch 
dessen Nachfolger Gratianus Fulgineo bestätigen ließ, wissen 
wir von Staupitz nicht, daß er um die Bestätigung 
seiner Wahl nachgesucht hätte. Es ist auch nicht 
wahrscheinlich, daß er es getan hat, weil er ein Jahr später 
in seine Konstitutionen den Passus aufnehmen ließ (Kap. 32), 
daB der Vikar sofort nach seiner Proklama- 
mation ipso facto auctoritate Apostolica als 
bestütigt gilt. Auf Grund welcher Privilegienkommu- 
nikation die deutsche Observanz vom bisherigen Brauche 
abwich, ist noch nicht klargestellt. Dem General konnte 
das aber keine Freude machen. Alsdann gab Staupitz gegen 
Punkt vier und fünf des oben erwühnten Ordensprogrammes 
einen neuen Konstitutionstext und ein neues 
Ordinarium heraus. Wenn aueh der Text der neuen 
Konstitutionen sehr vorsichtig abgefaBt ist, so tritt er doch 
aus Äußeren und inneren Gründen der Autorität des Gene- 
rals zu nahe, wenn auch nur in indirekter Weise, so daß 
profane Augen kaum etwas merken werden. Aber bezuglich 
der Punkte eins, zwei und drei des sogenannten Ordens- 
programmes erfüllen die Staupitzkonstitutionen weder die 
Anordnungen des Generalkapitels von 1497 noch diejenigen, 
die Leo X, wie wir sehen werden, bald aufstellen wird. Er- 
sehen wir doch aus dem Schreiben des Nürnberger Magi- 
strats an Staupitz vom 19. September 1511, daß die deut- 
schen Observanten dem General nur gehorchen wollten, wenn 
er „ziemlichs“ gebiete und was der geistlichen 
ZuchtundObservanz „fürträglich“ sei. Sie wei- 
gern sich, dem General zu gehorchen, es sei denn, daß er 
gemäß den Privilegien unter Achtung der Ob- 
zervanz befehle 

Noch unangenehmer mußte es in Rom empfunden wer- 
den, daß Staupitz 1505 (nicht 1506) seinen Vertrauensmann 


10 10 


Besler nach Italien schickte, um über eine „Union“ 
mit der lombardischen Kongregation zu. verhandeln, die nach 
Besler nur den Zweck haben sollte, eine Privilegienkommu- 
nikation mit den Lombarden zu veranlassen und zu erreichen, 
daB der lombardische Prokurator in Rom die Geschüfte der 
deutschen Kongregation an der Kurie gleichfalls vertreten 
sollte. In Wirklichkeit war aber die Sache nicht so harm- 
los, wie sie Besler nachträglich schildern möchte, denn da 
die lombardische Kongregation dem b. Stuhl unmittelbar 
unterstellt war, bandelte es sich darum, die deutsche Kon- 
gregation gleichfalls vollständig und faktisch 
vom General unabhängig zu machen. Daß Stau- 
pitz gerade diese Unabhängigkeit durchsetzen wollte, geht 
aus dem bald zu zitierenden päpstlichen Schreiben mit Deut- 
lichkeit hervor. Die Lombarden nahmen in Vercelli im 
April 1505 den deutschen Vorschlag an. Schon am 
1 2. Maihatte die Ordensleitung in Rom, noch bevor der Papst 
diese Union gebilligt hatte, Wind von der Sache bekommen. 
Wie sehr man darüber aufgebracht war, geht aus der Notiz 
hervor (Generalregest: bei Böhmer S.51, Anm. 4), daß der inter- 
emistische Leiter des Ordens und spätere General Augustinus 
von Interamna (Terni) am 12. Mai, als er das Generalkapitel 
fur den ersten Sonntag im September nach Interamna(?) 
ausschrieb — es fand jedenfalls in Perugia statt — zugleich 
öffentlich der deutschen Kongregation das Erscheinen 
auf demselben verbot, offenbar weil man sie als 
„schismatisch* betrachtete. Erst am 21. Juni wurde das 
päpstliche Bestätigungsschreiben für die Union ausgestellt 
und am 15. März 1506 beauftragte Julius II. die Erzbischöfe 
von Mainz, Magdeburg und Salzburg mit der Exekution 
dieser Bulle (Milensius bei Böhmer: Luthers Romfahrt S. 20). 

Wie der Orden tiber diesen Schritt von Staupitz geur- 
teilt hat, ist auch aus verschiedenen anderen Zeugnissen zu 
ersehen. Die bis zum Jahre 1550 ergänzte Ordenschronik 
des Ordensgenerals Seripandus, die sich gewöhnlich als 
Anhängsel zu seinen Konstitutionen findet, schreibt zum Jahre 
1505: Hoc anno Congregatio Alemaniae, quae efiam Andreae 
Proles dieta est, occulte, inscioque Generali Bullam obtinuit 
qua immediate subesset Summo Pontifici, eoque colore 


11 11 


ab uniome ordinis separata est, quae quidem 
separatio pessimum in ecclessia fructum fecit, ut cirea annum 
Domini 1517 videbitur. Zu dem letzgenannten Jahre heißt 
es alsdann: Annus nostro ordini gravissimus ae pestilentissi- 
mus, quo Martini Lutheri haeresiarchae omnium qui fuere; 
quique futuri sunt scelestissimi infandum nomen ex Andreae 
Proles sive Alemaniae Congregatione audiri coeptum est, 
qua in re illa dumtaxat utimur consolatione, quod ea 
Congregatio longe priusquam hoc monstrum 
pareret ab Unione Ordinis subreptiis se Bullis 
segregaverat exemeraítque. 

Diese Behauptungen und Entschuldigungen des Seri- 
pandus sind etwas übertrieben und treffen auch das Ziel 
nicht, weil sich gerade Luther gegen dieses 
„Sehisma“ seiner Kongregation, längst bevor 
er sich von der Kirche trennte, ganz ent- 
schieden ausgesprochen hat 

Die „schismatischen“ Bestrebungen von Staupitz bleiben 
aber Tatsache. Das geht zuerst hervor aus den Absichten, 
die er bei der Union mit den Lombarden verfolgte, wie aus 
dem Breve Julius II. vom 26. März 1506 erhellt. Die 
Ordensleitung hatte sich nämlich nicht mit dem Verbot die 
deutschen Observanten zum Generalkapitel zuzulassen be- 
gnügt, sondern war auch beim Papst wegen dieses Privilegs 
vorstellig geworden. Aus der Antwort des Papstes, die 
nur zehn Tage später als die vorhin erwähnte Exekutions- 
bulle erfolgte, geht nun hervor, welchen Gebrauch Staupitz 
von dieser Privilegienkommunikation machte. Der Papst 
schreibt dem Ordensgeneral: Cum autem sicut Nobis nuper 
exponi fecisti Congregatio praedictaLombardiae 
Sedi Apostolicae immediate subsit et dicti 
Íoannes Vicarius Generalis et alii Provinciales Vicarii, Visi- 
tatores et Diffinitores dicti Ordinis qui literas praedictas 
absque licentia seu scientia Proteetoris aut 
Prioris seu Procuratoris Generalis dicti 
Ordinis impetrarunt, praetextu confirmationis, 
extensionis et concessionis huiusmodi se a Superioritate 
tua et pro tempore existentis Prioris Gene- 
ralis praefati Ordinis (exemptos?) et Sedi 


12 12 
praedictae immediate sesubiectos praeten- 
dant, quod si foret in grave dispendium dieti Ordinis tam 
de Observantia quam Conventualium Fratrum 
dieti Ordinis etiam in Alemania existentium 
cederet, cum ipsi se a dicto Priore Generali totius Ordinis 
exemptos et Sedi praedictae subiectos praetendentes, 
reliquos Fratres favore Principum saecularium, et 
alias multipliciter molestarent pro parte tua Nobis fuit 
humiliter supplieatum, ut in praemissis oportune providere 
paterna diligentia curaremus... Der Papst erklärt alsdann, 
daß die deutschen Observanten nicht „eximiert“ worden 
sind von der ,obedientia", „superioritas“ und 
„subiectio“ gegenüber dem General und seinen Nach- 
folgern (siehe oben Luthers Vorwurf S. 2). Man beachte, wie 
der Papst hier bezüglich dieser Unterordnung unter den 
General nicht nur vom Generalvikar spricht. Hoehn 
(S. 135.) glaubt, daß Sigfridus Calciator, der Provinzial der 
Provinz „Rhein und Schwaben“, der Ende 1505 oder An- 
fang 1506 nach Rom gegangen war, um die Interessen seiner 
Provinz gegen Staupitz und seine Leute zu verteidigen, ein 
Mitverdienst an der Erlangung dieses Breve gehabt hat. 
Der Hinweis im Text auf die Stänkereien der Obsvervanten 
gegen die Konventualen in Deutschland bestätigt diese Auf- 
fassung. Auch war Calciator der richtige Mann, um die 
Praktiken des Staupitz und seiner Observanten zu schildern, 
wie sie sich dureh Vermittlung des Adels in den Besitz der 
Klöster der Konventualen setzten. 

Hat Staupitz sich dieser päpstlichen Entscheidung ge- 
fügt? Es ist nicht wahrscheinlich, daß er seine vom Ehr- 
geiz eingegebenen Unabhängigkeitsbestrebungen aufgab, um 
so weniger als er die Lombarden auf seiner Seite hatte. 
die ihm gezeigt hatten, wie man päpstliche Entscheidungen 
rückgängig macht. Der offizielle Geschichtsschreiber der 
lombardischen Kongregation Calvi erzählt nämlich, daß die 
Verbindung (sic!) zwischen der deutschen und seiner Kongre- 
gation ungefähr sechs Jahre lang Wirkungen her- 
vorgebracht hat, also ungefähr bis 1510/11. Merken wir 
uns vorläufig dieses Datum, weil es ziemlich genau den 
Zeitpunkt angibt zu dem die deutsche Kongregation sich 


13 13 


wieder unter das „Joch“ des Generals begeben hat. Qui 
si trattò e conchiuse (Vercelli 1505) /wwone della Congre- 
gazione Sassonica d' Andrea Proles con la nostra di Lom- 
bardia benche solo per sei anni in circa se ne vedessero 
gl'effetti, stante la distanza, de' climi e diversità di 
genii. (Calvi: Memorie etc. Mailand 1669 S. 182.) 

Daß Staupitz bei seinen ehrgeizigen Plänen verharrte 
und auf Umwegen das wieder zu erreichen suchte, was der 
Papst zurückgenommen hatte, zeigt sein ganzes weiteres 
Verhalten. Kolde (S. 232) möchte, ohne eine Quelle zur 
Verfügung zu haben, annehmen, daß Staupitz 1507 nach 
Rom gekommen sei und der Wahl des Agidius von Viterbo 
auf dem Generalkapitel von Neapel am 23. Mai beigewohnt 
habe. Wie gesagt, beruft sich Kolde hierfür auf keine 
Quelle. Aber Besler, der Vertrauensmann und Vertreter 
von Staupitz in Rom, der damals in der Ewigen Stadt weilte 
und zwar bis zum Jahre 1509, schließt einen Besuch von 
Staupitz in Rom in diesem Jahre indirekt dadurch aus, dab 
er uns berichtet, Staupitz sei im Januar 1507 in Bologna, 
{wo gerade damals die Kurie war) gewesen und habe 
ihn dorthin kommen lassen um ihm Aufträge 
zugeben. Wäre Staupitz nach Neapel gegangen, hätte 
Besler, der sonst über jedes Zus:unmentreffen mit ihm getreu 
berichtet, dieser Begegnung Erwähnung getan, und Staupitz 
wäre nicht nach Neapel gegangen ohne auf der Hin- oder 
Rückreise Rom zu berühren. Auch hätte er in diesem Falle 
Besler nicht nach Bologna kommen zu lassen brauchen, 
und endlich pflegten die Kongregationsvi- 
kare geradeindiesenJahren diesen General- 
kapitelu nicht beizuwohneu. (Siehe oben S. 7) 
Staupitz hatte auch ein zu böses Gewissen, um sich bei der 
Ordensleitung blicken zu lassen; trug er sich doch mit 
Plänen, die ihre Billigung nicht finden konnten. Möglich 
wäre es schon gewesen, daB Staupitz, wenn er sich länger 
in Italien aufgehalten hätte, dem sogenannten General- 
kapitel der Lombarden beigewohnt hätte, aber so 
kurz nach der ,Union* konnte er unmöglich eine von der 
lombardischen verschiedene Marschroute einschlagen, und 
die führte nicht nach Neapel aufs Kapitel. 


14 14 


Hatte sich Staupitz bisher direkt an die Kurie und an 
die Observanten gewandt, um sich vom General unabhängig 
zu machen, so versuchte er jetzt sein Glück auf anderem 
Wege. Er unterhandelte mit dem im August 1507 nach 
Deutschland als Legaten geschickten Kardinal Carvajal und 
schlug ihm eine neue Union seiner Kongregation mit den 
Konventualen der Provinz Sachsen vor. Jedes 
Mittel war ihm recht, wenn es ihn zu seinem Ziel führte. 
Er versuchte nämlich durch die von ihm beeinflußte Unions- 
urkunde, wie wir sehen werden, sich seine Machtstellung 
neuerdings garantieren zu lassen, ahnte aber in seinem blin- 
den Ehrgeiz nicht, daß er gerade damit sowohl den General 
wie seine Observanten herausfordern mußte. 

Einige Historiker haben sich bemüht, auch bei dieser 
Gelegenheit den Reformeifer von Staupitz zu preisen. 
Man muß aber über Observanzfragan nicht gut unterrichtet 
sein, um in dem Staupitzschen Projekt keine Gefahr für 
die Observanz zu erblicken. Die Aggregation von 23 bez. 
25 neuen Konventen, d. h. die Vereinigung von fast eben- 
sovielen Nichtobservanten mit den Observanten entsprach 
nieht dem Prinzip, aus dem sich die Observanten in Kon- 
gregationen abgesondert hatten. Wenn man ferner ge- 
nau zusieht, waren in dem Unionsdokument vom 15. De- 
zember 1507 keine ernsten Garantien für das Weiterbe- 
stehen der intakten Observanz gegeben. Es wurde darin 
wohl angeordnet, daß keine plötzliche (sic!) Vermischung 
von Brüdern aus der Kongregation mit denen aus der Pro- 
vinz stattfinden sollte, aber damit war — abgesehen davon, 
daß „plötzlich“ hier ziemlichzusammenschrumpfen konnte — die 
Vermischung im Prinzip bereits zugegeben, 
und wurde zudem noch besonders dadurch nahe gerückt, daß in 
demselben Satze indirekt zugestanden wurde, daß in der 
Provinz Sachsen genügend reformierte Konvente existierten, 
mit denen natürlich eine Vermischung keine Gefahr für die 
Observanz verbunden sein konnte, wenigstens im Sinne des 
Hintermannes dieses Dokumentes. Ebenso gewollt zwei- 
deutig ist der Satz liber den Observantismus des Unions- 
leiter. Manche Forscher haben auf Grund einer flüchtigen 
Betraebtung des Textes geglaubt, daß dieser Leiter immer 


15 15 


der Kongregation zu entnehmen sei, ohne zu bedenken, 
daß die Sachsen doch niemals einer solchen Bedingung zu- 
gestimmt hätten! Das steht aber auch durchaus nicht im 
Text, der nur bestimmt, daß der Unionsleiter in der „re gu- 
lären Observanz genährt sein müsse“ und nicht in „irgend 
einer Weise die Observanz geringgeschätzt haben dürfe“. Die 
Observanz der Kongregation wird aber unmittelbar 
darauf die „privilegierte Observanz“ genannt, während 
es später auch von den Sachsen heißt, daß sie in Zu- 
kunft ungestört in der „regulären Observanz“ leben 
sollen. Am meisten mußten aber die Observanten sich da- 
durch abgestoßen fühlen, daß ihr Generalvikar ihnen durch 
das neue Unionsdekret eine neue Verfassung aufhalste, die 
ihm persönlich das Heft in die Hand gab. Da nämlich die 
Sachsen je zwei und die Observanten je zwei Diffini- 
toren bei der ständigen Regierung der Union stellen sollten, 
hätte der Unionsleiter dadurch, daß er von einer Gruppe 
zur anderen pendelte, stets die Entscheidung in 
seiner Hand gehabt, was Staupitz ja bezweckte. Daß 
sieh in der Kongregation ein Widerstand gegen dieses Pro- 
jekt regte, ist begreiflich. 

Noch mehr mußte sich die Ordensleitung in Rom gegen 
dieses Projekt auflehnen, und es ist geradezu unbegreiflich 
daß neuere Forscher sich zu der Behauptung versteigen 
konnten, Staupitz habe mit dem General die Einzelheiten 
dieser Union durchgesprochen! Das Dokument erwähnt 
nämlich nicht ein einziges Mal irgendwie die Zustimmung 
des Generals, die doch als diejenige eines Hauptbeteiligten 
notwendig gewesen wäre. Wie konnte man ohne diese Zu- 
stimmung eine dem General zweifellos unmittelbar 
unterstellte Provinz, wie die Saxonia, mit einer privilegierten 
Kongregation vereinigen, besonders wenn dadurch, wie wir: 
sehen werden, die Jurisdiktion des Generals empfindlich 
leiden mußte? Allerdings schreibt das Dokument mit 
nichtswürdiger Zweideutigkeit vor, daß sich der General- 
vikar unter keinem Vorwand der Obódienz des Generals 
entziehen, sondern ihn als Haupt des ganzen Ordens „ehren“ 
und „pflegen“, ibm die Kontributionen zahlen und ihm 
wenn er Erlaubtes (!) befehle ehrerbistigst gehorchen. 


16 16 


solle. Welch eine raffinierte Frechheit! Man beachte, daß 
hier an dieser Stelle und auch sonstwo nirgends im Doku- 
ment auch nur mit einem Wort die Rede ist von der Ge- 
horsamspflicht und Untergebenheit aller anderen 
Unionsmitglieder, sondern nur von derjenigen des 
Unionsleiters, während von den Unionsmitgliedern anderswo nur 
gefordert wird, daß sie „sub obedienta“ des Unions- 
leiters leben sollen. Damit wird indirekt die oben S. 5 
von der Ordensleitung verworfene These aufgestellt, wonach 
der General nicht unmittelbarer Oberer der einzelnen 
Brüder ist und ihnen daher nur durch die Vermitt- 
lung des Unionsleiters befehlen kann, und 
zwar auch dann nur, wenn er Erlaubtes be- 
fiehlt Welch eine Zweideutigkeit! Das kann nämlich 
heißen, dab der Unionleiter zu gehorchen gehalten ist, wenn 
der General nichts gegen die Gebote Gottes oder der Kirche 
befiehlt, aber es kann auch heißen, daß der Geueral nichts 
gegen die Observanz der Konstitutionen und Privilegien der 
Union befehlen darf, und jedenfalls bleibt dem subjektiven 
Gewissen des Unionleiters die Befolgung der Befehle über- 
lassen (siehe oben S. 6). 

Mißfallen mußte es ferner der Ordensleitung, daD ohne 
ihre Zustimmung die Bestütigung des Provinzials der Saxonia 
ihr durch dieses Dokument entzogen wurde, denn in Zukunft 
sollte der Provinzial dieser Provinz durch seine Wahl kraft 
apostolischer Autorität bestätigt sein und wohl 
auch sein Amt ausüben kraft derselben Autorität, da vom 
General überhaupt keine Rede ist. Mißfallen mußte es end- 
lich auch der Ordeusleitung, daB die Konstitutionen der 
Kongregation nun auch in der Provinz Saxonia ein- 
geführt werden sollten. Alle diese Anordnungen der Unions- 


urkunde verstoßen nämlich gegen die obenerwähnten Punkte 
1—4 des Ordensprogrammes! Bezeichnend ist es 


auch für Staupitz, daß er durch den päpstlichen Legaten in 
diesem Dokument seiner Kongregation alle durch Julius ll. 
verliehenen Privilegien der Lombarden (exemptioues, 
immunitates,libertates etc.) nochmals „bestätigen“ 
läbt, ohne jedoch des oben besprochenen Widerrufes Er- 
wähnung zu tun. Der Text des Dokumentes ist offenbar 


17 17 


von Staupitz oder von einem seiner Vertrauten stark beein- 
filat worden, wenn er nicht in den interessierten Partieen 
von ihnen direkt hergestellt worden ist. So klingt beson- 
ders der Satz über die Koustitutionen, dort wo er von der 
„sinceritas Regulae“ redet und sagt, daß man das alles 
bei Seite lassen solle, was der Orden mehr duldet als be- 
fiehlt (dimissis eis quae potius Ordo tolerando patitur 
quam fieri iubeat) stark an die Einleitung zu den 
Staupitzkonstitutionen an. Daß jedoch der für dieses Schrift- 
stück verantwortliche Legat ein Haar in dieser ihm von 
Staupitz eingebrockten Suppe gefunden hat und sich durch 
vier Worte davor bewahrt hat, sie ganz auslöffeln zu müssen, 
ist bisher nicht beachtet worden. Er vollzieht nämlich die 
Aggregation nur: sine praeiudicio dicti Genera- 
lis! Durch diese Klausel wird auch ein vorheriger Konsens 
des Generals, den gewisse Forscher angenommen haben, 
ausgeschlossen. 

Staupitz hat fast drei Jahre lang diese Urkunde, wenn 
man Hoehn (S. 141) glauben darf, nicht veröffentlicht. Er 
wollte offenbar den Boden für sie in der Kongregation, in 
Sachsen und eventuell auch in Rom beim General vorbe- 
reiten. Trotz seiner Nichtveröffentlichung konnte ein solches 
Dokument nicht geheim gebalten werden. Wie Böhmer 
unter Berufung auf die Nürnberger Ratserlasse (S. 55) mit- 
teilt, wußte man schon 1508 in Nürnberg, daß eine Ver- 
fassungsänderung in der Kongregation bevorstehe, und der 
Rat entzog darauf den Augustinern das Trinkwasser und 
gewührte es ibnen auf Widerruf nur unter der Bedingung 
wieder, daß sie sich mit der Erlaubnis des Staupitz in Rom 
um den Bestand der Freiheiten ihres Klosters bemühten, 
Wir wissen zwar nichts über einen etwaigen Widerstand 
der Sachsen, aber der sächsische Provinzial konnte einer 
solchen Union, die für ihn einer Amtsabtretung an Staupitz 
gleichkam, nicht zustimmen. Mit vollem Recht haben Kolde 
und Böhmer angenommen, daß der in der Urkunde erwähnte 
einmütige Konsens der Sachsen von Staupitz nur vor- 
gegeben worden ist, denn man kann nicht gut annehmen, 
daß eine ganze Provinz, von der vorher zugegeben wird. 
daB manche ihrer Konveute noch reformbedürftig seien 


Archiv für Heformationrgosehiehte XIII. 1 2 


18 18 


und zur Reform eventuell gezwungen werden könnten, ein- 
mütig den Wunsch nach einer solchen Union ausgesprochen 
habe, die im Grunde zur Abschaffung ihres Provinzialates 
und ibrer Selbständigkeit führen mußte. Es ist sogar sehr 
wahrscheinlich, daß der durch die Unionsurkunde bloßge- 
stellte Provinzial, dem die Sache nicht verborgen bleiben 
konnte, nach Rom berichtete, um sich zu rechtfertigen. Stau- 
pitzens Plan war wiederum vereitelt worden! 

Bevor wir nun die weitere Haltung von Staupitz schil- 
dern, müssen wir eine Untersuchung über gewisse Quellen 
anstellen, die die modernen Forscher bisher gutgläubig tiber- 
nommen und benutzt haben, ohne irgendwie ein Bedenken 
zu äußern. Ich meine damit die Regesten aus den 
Generalregistern des  Augustinerordens. Diese Regesten 
(siehe Böhmer S. 25 ff.) sind in zweifacher Form auf uns 
gekommen. Die einen sind Fragmente des „Manual- 
registers“ des Agidius von Viterbo aus den Jahren 1508 bis 
1509, 1512.— 1513 und befinden sich heute noch im General- 
archiv des Ordens, die anderen dagegen sind uns nur durcb 
zwei späte Abschriften, von denen die eine, verschiedene 
Jahre umfassend, in München liegt und die andere, die 
Jahre 1510—1513 betreffend, heute in Berlin auf der Staats- 
bibliothek sich befindet, tiberliefert worden. 

Über die Paläographie dieses vorgeblichen Manualregisters, 
die Hände oder die Hand, den Duetus und Charakter der 
einzelnen Eintragungen im Vergleich zu den vorhergehenden 
und folgenden, sagt uns sogar Böhmer weiter nichts, obschon 
dieses zur kritischen Würdigung dieser Quelle sehr not- 
wendig gewesen wäre. Wenn wir es nämlich mit Eintra- 
gungen zu tun hätten, die sofort, von Fall zu Fall, 
und an der Hand der Urdokumente, so lange diese 
noch nicht abgeschickt waren, sorgfältig ausgezogen und 
eingetragen worden wären, dann hätten wir eine 
Quelle ersten Ranges vor uns. Anders würde die 
Sache sich verhalten, wenn diese Eintragungen erst nach 
geraumer Zeit, auf Grund von flüchtigen Notizen 
und nicht auf Grund der bereits abgesandten Urdokumente, 
haufenweise, hintereinander eingetragen worden wären. 
Was ist nun in Wirklichkeit geschehen? Keinem Forscher 


19 19 


ist es bisher in den Sinn gekommen, dieser Frage nach- 
zugehen. 

Zuerst habe ich meine Bedenken bezüglich der Jahres- 
daten dieser Regesten. 

Unter dem 5. Juli 1508 (Bóhmer S. 27) wird dem 
Provinzial der Kölner Provinz aufgetragen, den Observanten, 
die den Kölner Konvent angenommen hatten, zu befehlen, unter 
Androhung der „excommunicatio latae sententiae", ihn innerhalb 
zebn Tagen zu verlassen. Nun ist aber das Schreiben des 
Kölner Rates an Staupitz, in dem dieser gebeten wird, den 
Kólner Konvent zu übernehmen und zu reformieren, voin 
37. Januar 1509 und nicht 1508, und wir wissen aus einer 
anderen Quelle, daß Staupitz den Konvent nach Pfingsten 
1509 persönlich übernommen hat (vgl. Kolde S. 236). Die 
von Kolde angerufenen Urkunden dürften über die Jahres- 
zahl keinen Zweifel lassen. Ferner: Die Regesten melden 
unter demselben Jahre 1508 (Böhmer S. 27) am 28. Oktober: 
Bruder Siegfried von Speier wird als Provinzial der Rhein- 
ischen Provinz bestätigt unter der Bedingung, daß er die 
Provinz reformiert und die Akten des (Provinzial)-Kapitels 
einschickt. Nun wissen wir aber dureh Höhn (Chrono- 
logia Provinciae Rheno Suevicae Würzburg 1774 S. 140.) 
daB Sigfridus Caleiator von Speyer auf dem Provinzial- 
Kapitel von Hagenau wiedergewühlt worden ist, das aber 
nicht 1508 sondern 1509 stattgefunden hat. Drittens: Zum 
25. Mai 1509 bemerkt unser Regest (Böhmer S. 29): Hor- 
tamur Fratres Congregationis Alemaniae ad pacem et chari- 
tatem mandamusque ut dum Vicarius et Romae 
nihil innovetur. Böhmer S. 29, Anm. 1 bemerkt dazu: Also 
beabsichtigte Staupitz wohl schon im Frübjabr 1509 nach 
Rom zu gehen. Wenn Staupitz erst nach Rom hätte reisen 
wollen, dann hätte es doch, streng genommen, heißen müssen: 
dum erit Romae. Dagegen verlangt der strenge Wortlaut 
dum est Romae, daß Staupitz bereits an diesem 25. Mai 
sich in Rom befand. Das war aber ganz genau 1510 der 
Fall. Er wurde nämlich 1510 Anfang Mai, wie wir unten 
sehen werden, erwartet und war am 26. Juni noch immer 
in der Nähe von Rom in Soriano bei Viterbo. Wäre Stau- 
pitz bei der Abfertigung dieses Schreibens in Deutschland 

2* 


30 20 


gewesen — und das war 1509 der Fall — dann wäre das 
Schriftstück auch an ihn als den Oberen gerichtet worden, 
wührend seine vollstándige AuBerachtlassung dafür spricht, 
dab er nicht dort war. Wenn ferner im Monat Mai 1509 
der Gerneral ein Schreiben dieser Art nach Deutschland zu 
befördern gehabt hätte, würde er sich der beiden Vertrauens- 
leute von Staupitz bedient haben, die aber bereits am 
5. Mai die ewige Stadt verlassen haben (siehe weiter unten 
S. 21). Auffällig ist es auch, daß der Befehl an Staupitz 
vom 30. Juli 1509, seine Leute aus den Provinzen zurück- 
zurufen, und der Befehl an die Provinziale vom Rhein und 
von Bayern, sie nicht aufzunehmen oder richtiger gesagt, 
nicht zurückzubehalten, von Calciator, wie Höhn S. 140 be- 
richtet, bereits durch Dekret 1508 ausgeführt worden war. 

Zweitens bestehen Bedenken bezüglich der sachlichen 
Genauigkeit bei den Eintragungen. So heißt es unter dem 
25. Juni 1509: Confirmamus (sic!) in Vicarium Congrega- 
tionis Alemaniae et Provincialem Rheni (sic!) Magi- 
stram Johannem Staupitz. Lassen wir vorläufig bei Seite, 
daß Staupitz, wie wir sehen werden, am 26. Juni, aber 
nicht 1509 sondern 1510 zum Generalvikar der Kongregation 
und Provinzial von Sachsen ,dezerniert" worden ist, und 
achten wir jetzt nur auf die Textungenanigkeiten. Wie 
konnte Staupitz 1509 vom General als Vikar seiner Kon- 
gregation „konfirmiert“ werden, da doch diese Vikare 
kraft Apostolischer Autorität durch die Proklamation ihrer 
Wahl konfirmiert waren, wie aus den Staupitzkonstitutionen 
klar hervorgeht. Noch weniger konnte Staupitz 1509 zum 
Provinzial von Rhein und Schwaben „konfirmiert“ 
werden, da er nachweislich niemals zu diesem Provinzialat 
gewählt oder auch nur ernannt worden ist, da Calciator von 
1503—1514 ununterbrochen Provinzial geblieben ist. (Höhn 
S. 137.) Unter dem 29. Januar 1513 wird dann Staupitz 
sogar als „Vikar“ von Rhein uud Schwaben be- 
zeichnet! Ebenso wird von Staupitz unter dem 14. Juni 
1510 behauptet: Magister Johannes Staupitz Vicarius 
iterum (sic!) creatur tam Congregationis tam Saxonum, 
wührend wir doch aus der erhaltenen Bestallungsurkunde 
wissen, dab er am 26. Juni nicht zum Vikar, sondern zum 


21 2 1 


zum Provinzial der Sachsen bestimmt worden ist uud 
zwar nicht „iterum“ sondern zum ersten Mal (siehe weiter 
unten 3. 23). Das möge genügen, um zu zeigen, daß bei 
den Eintragungen der Inhalt der Urkunden sehr flüchtig be- 
achtet worden ist. 

Welche Schritte Staupitz unternommen hat, nachdem 
sein Unionsplan sowohl durch den Widerstand eines Teiles 
der Observanz als auch durch denjenigen des Generals und 
der Sachsen ins Stocken gekommen war, entzieht sich eine 
Zeit lang unserer Nachforschung. Anfang 1510 trifft einer 
seiner Vertauensleute, der Münchener Prior Georg Mayr, in 
Rom ein. Über seine Mission schweigt sich Besler, der uns 
die Nachricht gibt, vollständig aus. Vielleicht sollte Mayr 
zuerst versuchen, die Lombarden, die ja die Interessen der 
deutschen Kongregation jetzt an der Kurie zu vertreten 
hatten, für Stauqitz' Plan zu gewinnen. Aller Voraussicht 
nach mußten jedoch die Lombarden gegen eine solche Ver- 
misehung von Observanten mit Konventualen eingenommen 
sein. Hat natürlich alsdann Mayr die Politik bereits einge- 
leitet, die wir Staupitz im nächsten Jahre treiben sehen? 
Hat Mayr versucht, wieder mit dem General 
anzubändeln? Wenn der General wirklich — was ich 
allerdings, wie gesagt, aus versehiedenen Gründen nicht an- 
nehmen kann — bereits im Mai 1509 mit dem Hinweis auf 
die Reise von Staupitz, die deutschen Observanten zum 
Frieden ermahnt hätte, dann würde ich mit Sicherheit an- 
nehmen, daß Mayr beim General einen Fühler ausgestreckt 
habe. So können wir nur mit Sicherheit feststellen, daß 
nicht nur Mayr, sondern auch Besler am 5. Mai 150% 
aus Rom abgereißt ist (Vita Bésleri a. a. O.) so daB die 
deutsche Kongregation keinen Vertreter mehr bei den 
Lombarden hatte. Bedeutete das schon den Bruch mit den 
Lombarden oder bereitete es ihn nur vor? Sicher wissen 
wir auch, daß Staupitz Anfang Mai 1510 in Rom eintraf. 
Das äußerst wichtige Regest über diese Ankunft ist aber 
bis jetzt, was eine darin erwähnte Einzelheit betrifff, von 
der Forschung nicht gebührend beachtet worden. Unter dem 
1. Mai 1510 heißt es in der Berliner Abschrift aus dem 
sogenannten Manualregister: Germanicae Congregationis Vica- 


a. 22 


rius Romam se confert Congregationis colla Reli- 
gionis jugo subiecturus. Sehr deutlich wird also 
mit diesen Worten gesagt, daß Staupitz seine Kongregation 
wieder, soweit es an ihm lag, der Ordenszentralleitang 
unterstellte. Das Schisma, von dem wir oben gesprochen 
haben, hätte damit aufhören sollen. Auf welche Privilegien 
und Exemptionen Staupitz verzichtet hat, wissen wir leider 
nicht genau, aber auf Grund des eingangs erwähnten Ordens- 
programmes und der weiter unten noch näher anzuführenden 
Dokumente können wir sie folgendermaßen charakterisieren; 
Anerkennung des Generals und seiner vollen Konstitutions- 
gewalt über den Vikar und die einzelnen Kongregationsmit- 
glieder wie sie oben S. 5 gefordert wurde, wie sie Leo X 
in dem weiter unten zu erwähnenden Schreiben fordern wird 
(siehe S. 31), und wie sie der General in den Regesten von 
den Renitenten fordern wird, nämlich vollen Gehorsam 
gegenüber dem Orden und seinem Leiter. Ferner: 
Anerkennung der Generalkapitel und Verpflichtung der 
Kongregation, sich darauf vertreten zu lassen und deren 
Befehlen nachzukommen, endlich Verzicht auf einen beson- 
deren Ordensprokurator in Rom. Wenigstens diese Zu- 
geständnisse wird Staupitz gemacht haben. 

Für die Ordenszentralleitung war das ein großer Erfolg 
und ihn muß man vor Augen haben, wenn man begreifen 
will, warum der General dafür im Rahmen seines Programmes 
Staupitz große Gegenzugeständnisse machte 
und sie mit seiner ganzen Autorität gegen die Observanten 
durchdrücken wollte. 

Warum Staupitz wieder unter das „Joch“ des Ordens- 
generals kroch, ist nicht schwer zu begreifen. Für nichts 
hat er dieses Opfer nicht gebracht. Durch die Memminger 
Unionsurkunde hatte Staupitz nicht nur den Widerstand eines 
Teiles der Observanz, der Sachsen und des Generals hervor- 
gerufen, sondern sich auch stark blamiert. Um sich zu 
retten, verschacherte er wieder die Unabhängigkeit seiner 
Kongregation an den General unter der Bedingung, daß der 
General ihn dazu mache wozu die Unionsbulle ihn vergeblich 
zu machen gesucht hatte, nämlich zum Provinzial ven 
Sachsen. 


23 23 


Das Bestallungsschreiben ist uns noch zum größten 
Teil erhalten. Es ist datiert aus Soriano bei Viterbo vom 
26. Juni 1510 (Höhn S. 154). Auf die einleitenden Freund- 
lichkeitsfloskeln ist kein großer Wert zu legen. Staupitz 
wird darin gerühmt, daß er um „Alles“ (Was?) zu ordnen 
und zu schlichten den unbequemen Weg nach Rom nicht ge- 
scheut habe und dort eine sehr große Bereitwilligkeit gezeigt 
habe, alles zu tun, was zum Frieden und zur Ruhe aller 
führen könne. Damit er diese Aufgabe um so leichter lösen 
könne, ernennt ihn der General zum Provinzial von Sachsen 
und zwar in folgender Form:. . . per has litteras 
nostras te Provincialem Saxoniae et Vicarium Con- 
gregationis Alemaniae decernimus, declarantes te potiri 
utraque auctoritate ae potestate sicut hactenus tam Pro- 
vineialis praedictae Provinciae quam Vicarius praedictae 
Congregationis potiti sant ..... mandantes omnibus tam 
Provinciae quam Congregationis eiusdem Patribus ac Fratribus 
sub poena rebellionis ac privationis activae et passivae vocis 
in perpetuum ut (cie) iis omnibus quae tibi ad pacem quietem 
salutem et religionis honorem pertinere videbuntur, fanquam 
personae nostrae oboediant . . . Man beachte, wie 
hier der General Staupitz nicht zum Vikar „ernennt“, 
sondern nur „bestimmt“, daß er Provinzial von Sachsen und 
Vikar sei. Durch diese juristische Feinheit maßt sich der 
General nicht das Recht an den Vikar ernennen zu können. 
Er bestimmt nur, daß Staupitz Provinzial und Vikar sein 
soll; woher er Vikar ist, bleibt dahingestellt. Man vergleiche 
mit dieser feinen juristischen Schattierung die klotzige Aus- 
drucksweise der Hegesten, die den General Staupitz bald 
zum Vikar „kreieren“ lassen, bald ihn als Vikar „be- 
stätigen“ lassen, beides Ausdrücke, die einer Heraus- 
forderung der Observanten gleichgekommen wären, weil 
sie direkt gegen Kap. 32 ihrer Konstitutionen 
verstoßen, wonach die Wahl des Generalvikars ihnen 
zusteht und keiner anderen Konfirmation bedarf. Man 
beachte ferner, daß Staupitz „durch dieses Schreiben“ 
zum Provinzial und Vikar bestimmt wird. Wenn er es 
vorher schon gewesen wäre, wtirde das hier in irgend einer 
Weise zum Ausdruck gekommen sein. Wir können daher 


24 24 


auch aus diesem Grunde die oben erwähnten Regesten fallen 
lassen. Wenn ferner Staupitz zu derselben Zeit auch noch 
Provinzial oder gar Vikar von Rhein und Schwaben 
gewesen wäre, dann hätte doch der General hier dieser 
Eigenschaft irgendwie gleichfalls Erwäbnung getan, weil sie 
sonst dadurch hätte verfallen können. Bezüglich der Voll- 
machten, die Staupitz durch die Bestallungsurkunde des 
Generals gewährt werden, kann ich nicht umbin der Meinung 
Ausdruck zu geben, daß eine gewollte Zweideutig- 
keit in ibrer Formulierung herrscht. Anscheinend werden 
nur die Vollmachten des Provinzials (in der Provinz?) und 
die Vollmachten des Vikars (in der Kongregation ?) und 
zwar immer nur die bisherigen Vollmaehten in der 
Person von Staupitz vereinigt ohne vermischt zu 
werden. So könnte man den betreffenden Passus der 
Urkunde auslegen, wenu der darauffolgende Satz 
nicht wäre, in dem Staupitz soweit Ruhe, Frieden, 
Heil und Ehre des Ordens in Frage kommen, die 
Vollmachten des Generals übertragen werden oder 
doch wenigstens sowohl von den Vikarianern wie von den 
Provinzlern verlangt wird, daß sie ihm wie dem General 
in Person gehorchen müssen: tamquam personae nostrae- 
Angesichts einer solchen Formel war nun doch der Verdacht 
am Platze, daß Staupitz auf Grund dieser Vollmacht Ver- 
Betzungen aus dem Vikariat in die Provinz und aus der 
Provinz ins Vikariat, hätte vornehmen können, was gegen 
die Privilegien der Observanten verstieß (siehe S. 4). Be- 
sonders mußte die vom General gebrauchte Formel bei den 
Observanten anstoßen, weil sie, wenn auch nur indirekt. 
aber dennoch ziemlich deutlich dartut, daß der General un- 
mittelbarer Oberer aller Brüder, der Provinzler wie 
der Vikarianer ist und daß die Provinzoberen, mögen 
sie nun Provinziale oder Kongregationsvikare 
sein, ihre Gewalt vom General und nicht 
direkt vom Papste haben. Welch eine Tragikomödie. 
daß derselbe Staupitz, der aus Ehrgeiz dieses Prinzip jahre- 
lang bekämpft hatte, nun wiederum aus Ehrgeiz sich zum 
Instrument des Generals hergibt, um es gerade dort durch- 
zuführen, wo er es bekämpft hatte! Noch in der Memminger 


25 95 
Unionsurkunde hatte Staupitz dieses Prinzip, wie wir S. 15/16 
gesehen haben, wegzudeuten gesucht! 

Dieses berüchtigte Dokument wird übrigens in der Be- 
stallungsurkunde des Generals mit keinem Wort erwähnt. 
Im Gegensatz zu ihm behält der General die fünf süd- 
deutschen Konvente, um die sich die Kongregation und dic 
rheinsehwübische Provinz stritten, und die das Memminger 
Instrument in die neue Organisation einbezogen hatte, vor- 
láufig sich selbst vor. 

Wann Staupitz Jtalien verlassen hat, entzieht sich unserer 
Kenntnis. Am 30. September muß er aber wieder in Deutsch- 
land gewesen sein, denn unter diesem Datum des Jahres 1510 
veröffentlichte er von Wittenberg aus (nach Höhn a. a. O. 
S. 141) die Unionsbulle von Memmingen und wie ich als 
selbstverständlich annehme, die Bestallungsurkunde des 
Generals. 

Zweek und Tragweite der Veröffentlichung des 
Memminger Dokumentes sind leider von den Forscher bis- 
her stark verkannt worden. Man hat die Sache so dar- 
stellen wollen, als hätte sich Staupitz damit auf das ganze 
Dokument berufen wollen, um eine Union mit den Sachsen 
nach dem Wortlaut dieser Memminger Ur- 
kunde herzustellen. Das ist aber schon aus Rechtsgründen 
ausgeschlossen gewesen! Wir haben oben gezeigt, dab eine 
solehe Union der Ordensleitung widerstreben mußte und 
daß diese Union in dem genannten Dokument nur vorge- 
nommen wurde unter Wahrung der Rechte des 
Generals. Wir haben ferner gezeigt, daß Staupitz 
aus der Hand der Ordensleitung eine ganz 
andere Art Union mit den Sachsen ange- 
nommen hat als sie die Memminger Urkunde vorsab. 
In ihren Hauptbestimmungen widersprechen sich nämlich 
die beiden Unionsprojekte. Durch die Annahme eines „wider- 
sprechenden“ Projektes verzichtete aber Staupitz gemäß den 
Bestimmungen über die Privilegien rechtlich auf den 
Unionsteil der Memminger Urkunde, so daß er sich nicht 
mehr darauf berufen konnte. 

Trotzdem war es angebracht, das Memminger Privileg 
zu veröffentlichen. Bei solchen Urkunden kann nämlich der 


26 26 


eine Teil ungültig werden unbeschadet der anderen Teile 
So war es auch hier der Fall. Durch den Verzicht auf 
den Unionsteil verlor der erste Teil der Urkunde, der eine 
neue Aufzählung und neue Bestätigung aller Privi- 
legien der Kongregation enthielt, keineswegs seine Gültigkeit. 
Staupitz konnte also sehr gut, wahrscheinlich gedrängt darch 
die Observanz, dieses Memminger Privileg zugleich mit der 
Bestallungsurkunde des Generals veröffentlichen, weil alsdann 
für keinen Rechtskenner eine Konfusion zu befürchten war. 
Nur würe es jetzt ein groDer Fehler, wenn man Luther und 
seine Freunde gegen Windmühlen,dasheißtgegen 
den UnionsteilderMemminger Urkunde statt 
zegendasBestallungssehreiben des Generals 
und die Preisgabe verschiedener Kongre- 
gationsprivilegien durch Staupitz kämpfen 
ließe. Die Opposition in Observantenkreisen gegen das 
Memminger Unionsprojekt hatte zwar bestanden, war aber 
nun, - nachdem dieses aufgegeben worden war und einem 
anderen Platz gemacht hatte, abgelöst worden durch die 
neue Opposition gegen das neue vom General gebilligte 
Projekt des Staupitz und den damit verbundenen Privilegien- 
verzicht. Daß es sich um dieses neue Projekt handelt, geht 
auch daraus hervor, daB, wie wir aus den Akten des Streites 
erkennen können, der General auf Seiten von 
Staupitz gegen die Renitenten stand. Für die 
Memminger Union hätte aber der General niemals eintreten 
kónnen, wie wir oben gezeigt haben. 

Sieben Konvente der Observanz, darunter auch der 
Erfurter und der Nürnberger erhoben sich gegen diese An- 
ordnung des Generals. Innerhalb von zehn Tagen nach 
Zustellung des Dokumentes mubten die Apellanten, da der 
„iudex a quo“, nämlich der General nicht zu erreichen war, 
ihre ,apellatio extra iudicialis“ öffentlich bekanntgeben oder 
die Reise nach Rom antreten. Martin Luther war einer der 
beiden Abgesandten. Bevor jedoch Luther die Romreise 
antrat, begab er sich nach Halle zusammen mit dem Magister 
Nathin, um vom dortigen Domprobst Adolf von Anhalt eine 
Empfehlung an den Erzbischof von Magdeburg zu 
erhalten. War doch der Magdeburger Erzbischof nicht nur 


27 27 


durch die Memminger Urkunde zum Exekutor aller ihrer 
einzelnen Teile, also auch der darin enthaltenen Bestätigung 
der Kongregationsprivilegien bestellt worden, sondern 
auch durch Papst Julius II. (siehe oben S. 10) zum 
Exekutor der Bulle, die der Kongregation die 
Privilegien der Lombarden gewährte, er- 
nannt worden. Die sieben Konvente sahen also offenbar 
in der Anordnung des Generals einen Eingriff in die Privi- 
legien ihrer Kongregation. Jedenfalls noch im Oktober 
wird Luther alsdann nach Rom aufgebrochen sein, wo die 
lombardische Kongregation ihm gegen Staupitz und den 
General beigestanden haben wird. Aus einem Regest des 
„Manualregisters“ vom 11. Januar 1511 wissen wir, daß 
diese Apellation „verboten“ wurde. Es heißt nämlich 
darin, daß: Appellare ex legibus Germani prohibentur. 
Böhmer (S. 57) hat das auf die Klausel „appellatione post- 
posita“ in der Memminger Urkunde beziehen wollen. Eine 
solche Klausel hätte aber erstens nicht jede, sondern 
höchstens eine „appellatio frivola“ unmöglich gemacht, und 
zweitens handelte es sich in unserem Falle nicht um eine 
Appellation gegen die Memminger Urkunde, sondern gegen 
die Generalsurkunde und den damit zusammen- 
hängenden Privilegienverzicht durch Staupitz. Aus welchem 
Grunde wurde aber die Appellation „verboten“? Welche 
„leges“ haben dabei die „Germani“ außer Acht gelassen? 
Da wenigstens für die „sieben Konvente" die Union mit 
den Lombarden noch andauerte, wird sich Luther nicht an 
den allgemeinen Ordensprokurator, sondern an den speziellen 
Prokurator der Lombarden gewandt haben, und der wird 
die Angelegenheit auf Grund ihrer gemeinsamen Privilegien 
zu denen auch (siehe Höhn S. 139) das direkte Rekurs- 
recht an den Papst gehürte, dem sie ja auch unmittelbar 
unterstanden, betrieben haben. Nach den allgemeinen 
Vorschriften hátten dagegen die Deutschen zuerst die Apell- 
ationserlaubnis beim „judex a quo“ d. h. beim General 
nachsuchen müssen und dann hätten sie an den ,judex ad 
quem" aber „gradatim“ ohne Überspringung einer Instanz 
herantreten müssen. In unserem Falle wäre das aber noch 
nieht der Papst gewesen sondern der Kardinalprotektor des 


28 ` EE 28 
Ordens! Sollte sich also, wie man mit ziemlicber Sicherheit 
annehmen kann, der lombardische Prokurator direkt auf 
Grund der Privilegien an den Papst gewandt haben, obschon 
Julius ll wie wir oben S. 12 gesehen haben erklärt hatte, 
daß die deutsche Kongregation dem General so untertan 
sein müsse als sei die Mitteilung der lombar- 
dischen Privilegien durch ihn niemals er- 
folgt, dann hätte der General Grund genug gehabt, Ein- 
spruch gegen die Apellation zn erheben. Daß es wirklich 
der General gewesen ist, der Einspruch gegen die 
Appellation erhoben hat, geht auch aus dem Umstand her- 
vor, daß der Nürnberger Magistrat, wie wir bald sehen 
werden, sich an den General wenden wird mit der Bitte, 
den Appellanten den Rechtsweg nicht zu ver- 
sperren. Nur drei Jahre später erleben wir einen ähn- - 
lichen Fall. Im Jahre 1514 befiehlt ein Kommissar des 
Generals dem Generalvikar der Kongregation von lliceto 
(Lecceto) das Kloster von Viterbo zu räumen. Der General- 
vikar erklärt diesen Befehl für null und nichtig und 
appelliert direkt an den Papst. Der Magistrat 
von Viterbo schreibt daraufhin einen sehr ernsten Brief an 
den Ordensgeneral Aegidius zu Gunsten dieser 
Appellation. (Landucci A. Sacra Ilicetana Silva, Siena 
1653. S. 61.) | 

Luther kehrte im Frühjahr 1511 nach Deutschland zu- 
rück. Sehr wahrscheinlich wird der General in seinen 
Gesprüchen mit ibm denselben Standpunkt vertreten haben, 
den er zu derselben Zeit als Luther noch in Rom war. 
nämlich Januar 151) (Berl. Regestabschrit.) nach Deutschland 
durch den Abgesandten des Staupitz übermitteln ließ, näm- 
lich, daß die deutsche Angelegenheit zwar in Liebe aber 
unter Achtung des vollen Gehorsams zu erledigen sei. Das 
nennt man suaviter in modo sed fortiter in re. Auf Luther 
muß das großen Eindruck gemacht haben. Er kehrte aus 
Rom als ein anderer zurtiek. | 

Es hatte sieh in ihm eine Ánderung insofern vollzogen, 
als er sieh von nun an, wie das auch bei einem Skrupulanten 
leicht begreiflich ist, auf die Seite der Autorität stellte, weil 
dadurch sein infolge des bitteren Streites geüngstigtes Gewissen 


29 29 


auch eine äußere Sicherheit einen äußeren Halt erhielt 
und da die oberste Autorität im Orden für 
Staupitz war, so entschied auch er sich für 
Staupitz. Die sieben Konvente, die ihn nach Rom geschickt 
hatten, verbarrten in ihrer Opposition und schickten bereits 
im April 1511 eine neue Gesandschaft nach Rom, wie aus 
einem Schreiben des Nürnberger Magistrates vom 2. April 
dieses Jahres hervorgeht. (Vgl. Böhmer S. 166.) Die nenen 
Abgesandten sollten sich zuerst an den General wenden 
und (wenn er es gestatte) mitihm die Angelegenheit 
diskutieren. Jedenfalls sollte der General 
den Apellanten nicht den Rechtsweg ver- 
sperren. Aus diesem Briefe ist ersichtlicb, woran die 
erste Gesandschaft mit ihrem Appell gescheitert ist, nämlich 
am Widerstand des Generals. Die zweite Gesandtschaft 
konnte keinen besseren Erfolg als die erste haben, weil der 
General, wie wir aus der Berliner Regestabschrift ersehen, 
bereits am 11. Januar, als Luther noch in Rom war, ent- 
schlossen war den „vollen Gehorsam“ (integra 
oboedientia) durchzusetzen. Er bestand auch noch im 
März auf diesem Standpunkt und wandte sich an den Kaiser, 
damit dieser die Renitenten dazu bringe, dem Orden und 
seinem Leiter zu gehorchen. Die zweite Gesandt- 
schaft hat also noch weniger erreichen können als die erste, 
weil es dem General darauf ankam, die Absplitterung 
vom Ordenszentrum energisch zu bekämpfen. 
Im Hochsommer 1511 fand in Jena eine neue Versammlung 
zwischen den streitenden Parteien statt, über deren Verlauf 
wir einigermaDen durch einen Brief des Nürnberger Magistrats 
vom 19. September unterrichtet sind. Die sieben Konvente 
behielten sich vor, die Vorschlüge von Jena ihren einzelnen 
Kommunitüten zu unterbreiten und innerhalb zweier Monate 
eine Antwort daranf zu geben. Die Vorschläge waren 
schriftlich gegeben worden, ihr Inhalt jedoch ist uns aus 
der Antwort des genannten Magistrats an Staupitz nur an- 
nähernd bekannt. Erstens will der Nürnberger Magistrat 
daß „in keinerlei Weise“ der Nürnberger Konvent 
einem Provinzial von Sachsen unterstellt werde. Danach 
müssen verschiedene Weisen einer Unterstellung 


30 30 


unter den Provinzial von Sachsen zur Sprache gekommen 
sein. Was die Nürnberger dann weiter vorbringen, geht 
gegen die vom General befohlene Union. So 
wird auf Grund der Privilegien gegen die Unterstellung von 
Observanten unter Obere, die der Observanz nicht an- 
gehören, protestiert, was nämlich geschehen wäre durch 
Versetzungen aus der Kongregation in die Provinz. (Siehe 
oben S. 24.) Zweitens protestieren die Nürnberger ebenso 
energisch gegen die Befehlsgewaltdes Generals 
(siehe oben S. 9). In Hom war man entschlossen nicht 
nachzugeben, und der General soll sogar am 1. Oktober 
Staupitz beauftragt haben, die Widerspenstigen zu 
exkommunizieren. (Vgl. Böhmer S. 166.) Nun scheint 
aber Staupitz nachgegeben zu haben. Der Vorschlag des 
Generals, durch ein Observantenkapitel die Frage 
lösen zu lassen, wurde angenommen unter der Bedin- 
gung, daß dieses Kapitel gemäß den Privi- 
legien derKongregation tagen würde, zu denen 
wahrscheinlich auch der Auspruch gehörte, daß dieses 
Kapitel vom General nicht gutgeheißen zu 
werden brauchte. Dieses Kapitel fand im Mai 1512 
in Köln statt, nachdem Staupitz durch Johann von Mecheln 
mit dem General über die Lösung unterhandelt hatte. Wir 
wissen nichts näheres tiber die Beschlüsse dieses Kapitels, 
aber angesichts der Folgen, die es gehabt hat, stehen folgende 
Punkte für uns fest: Staupitz muß auf alle seine Unions- 
projekte verzichtet haben, denn von ihnen ist nicht mehr 
die Rede. Er wurde daher zum Vikar wiedergewählt. Er 
muĝ aber auch die Zugeständnisse an den General teilweise 
zurückgenommen haben, wie wir aus einer bald zu zitierenden 
Auferung des Generals Gabriel Venetus sehen werden 
Meiner Ansicht nach gab Staupitz klein bei und kehrte 
zum „status quo ante“ zurück, d. h. zur Lage 
der Kongregation. wie er sie vor seinen 
Unionsprojekten vorgefunden hatte Wenn 
nämlich die Kongregation unter dem „Joch“ des Generals 
geblieben wäre, hätte Gabriel Venetus nicht am 25. August 
1518 an den Provinvial von Sachsen sehreiben künnen: 
Cum vero is de Congregatione illa sit, quae ab 


31 31 


oboedientia nostra se exemptam putat... 
Damals also behauptete die Kongregation noch vom General 
exempt zu sein!!! Staupitz wird 1512 vor dem Kölner Kapitel 
den General Überzeugt haben, daß sie beide nachgeben und 
sich mit der Hoffnung einer Besserung in der Zukunft 
begnügen mußten 

Was Luther nach seiner Rückkehr aus Rom im Früh- 
jahr 1511 während dieser Wirren gemacht hat, wissen wir 
leider nicht. Er wurde nach Wittenberg versetzt und 
seine Erfurter nahmen ihm noch im Herbst 1512, also noch 
mehr als ein Jahr später, seine Stellung im Observantenstreit 
so übel, daß sie ihm wie bekannt Schikanen bei seiner 
Doktorpromotion in Wittenberg za machen suchten und 
sich bei der Feier nicht vertreten ließen. Das dürfte auch 
ein Beweis dafür sein, daß sie über den Ausgang des Streites 
nicht ganz zufrieden gewesen sind. Luthers Stellung zu den 
Observanten hat seitdem keine Änderung mehr erfahren. 
Auf die kleinen Heiligen ist er niemals mehr gut zu sprechen 
gewesen. 

Gegenüber den anderen Kongregationen hatte die 
Ordensleitung keinen leichteren Stand. Beständig suchten 
jedoch die Generäle durch Inanspruchnahme der Hilfe des 
Papstes die Wiederspenstigen zu zähmen. So erwirkte 
Aegidius von Viterbo am 10. Juni 1513 ein Schreiben Leo X., 
in dem dieser dem General apostolische Vollmacht 
über den ganzen Orden und auch über die Kongre- 
gationen erteilt. Die Bestimmungen .des General- 
kapitels von Neapel, auf dem Agidius gewühlt wurde, sollen, 
wie auch seine eigenen Erlasse, im ganzen Orden 
befolgt werden, auch von der Kongregation des 
Andreas Proles, der Spanischen, derjenigen von Lecceto, 
derjenigen der Lombardei, von Monte Ortona, von Perugia 
Genua und Carbonaria. Der ganze Orden müsse ihm 
plene, simpliciter, in omnibus et per omnia 
untertan sein. Das ist nun doch ein anderer Gehorsam, 
als ihn das Memminger Instrument vorsah und eine offene 
und klare Verurteilung des „licita praecipienti". Ferner 
gewährte Leo X. unter dem 10. Juni 1515 dem General, 
daß alle „Impetrationes“ gegen die Rechte und Kon- 


32 32 


stitutionen des Ordens ohne Zustimmung des Generals null 
und nichtig seien. 

Trotzdem gaben die Kongregationen den Kampf nicht 
für verloren. Am 30. Januar 1551 suchte Julius III. wieder 
energisch einzugreifen und verordnete: Der Eremitenorden 
umfaßt Konventuale und Observanten, die alle dem 
General zum Gehorsam verpflichtet sind. Die Konstitutionen des 
Gesamtordens, die in Rom 1543 und in Recanati 1547 gut- 
geheißen wurden, sind allein und ausschließlich 
von allen im ganzen Orden als Konstitutionen zu be- 
betrachten. Die Beschlüsse der Observantenkapitel dürfen 
nicht als Konstitutionen bezeicbnet werden, sondern nur 
noch als Definitionen. Die Definitionen der Observanten, 
die Wahl ihrer Vikare, die Akten ihrer Kongregationskapitel 
haben nur insofern Gültigkeit, als sie vom General 
gutgeheißen sind. Diese Gutheißung muß innerhalb 
eines Monates nachgesucht werden und der General muß 
sie nach Eintreffen des Gesuches innerhalb von zehn Tagen 
erteilen oder verweigern. Im Weigerungsfalle hat er die 
Gründe anzugeben. Den Abgewiesenen steht das Rekurs- 
recht an den Papst oder an den Kardinalprotektor zu. So- 
lange der General einem Kongregationsvikar die Bestätigung 
nicht erteilt hat, kann der Vorgänger weiter amtieren. Unter 
Strafe des Bannes darf sich kein Kongregationsvikar kurz 
General nennen, sondern nur Vikar der Kongregation so 
und so. Keine Kongregation darf ihre Kapitel General- 
kapitel nennen. Die Pflicht, auf den Generalkapiteln zu 
erscheinen, gilt auch für die observanten Kongregationen ... 
Hierob erhoben die Lombarden — sie stehen immer an der 
Spitze der Unabhüngigkeitsbewegung — derartigen Wider- 
stand, daß bereits am 27. Februar desselben Jahres die 
Vertreter des Generals, der damals Seripandus war, eine 
Vergleichsurkunde unterzeichneten, in der sie den Lombarden 
eine Reihe Konzessionen machen mußten. 

Für die Charakteristik der Observantenbewegung im 
Augustiner-Orden, nämlich für ihre Exemptions- und Privi- 
legiensucht gegenüber dem General, genügen die vorge- 
brachten Dokumente und Taisachen. Es erübrigt uns nur 
noch an der Hand dieser Charakteristik den Charakter und 


33 | 33 


die Haltung Luthers in diesen Kämpfen näher zu würdigen. 
Über Staupitz wollen wir kein Wort weiter verlieren. Sein 
ehrgeiziger aber schwacher Charakter ist uns genügend 
durch seine Bestrebungen geschildert worden. Hätte er 
gegen Ende seines Lebens nicht einen Helfer und rück- 
sichtslosen Machtmenschen wie Kardinal Lang gefunden, er 
wäre niemals Benediktinerabt von S. Peter in Salzburg ge- 
worden. Es ist aber bezeichnend für Staupitz, daß er sich 
zu einer solchen „Wahl“ hergegeben hat! 

Anders liegt die Sache bei Lutber. Während Staupitz 
seinen Ehrgeiz zu befriedigen suchte, sehen wir Luther aus 
diesem Kampfe mit einer verstärkten Hochachtung vor der 
Autorität hervorgehen. Manche seiner Mitbrüder mögen bei 
diesem Streit ihre Achtung vor der geistlichen Obrigkeit 
verloren haben. Bei ihm jedoch ging sie erneut und gestärkt 
hervor, und das ist für mich der beste Beweis für die bona 
fides und die Ehrlichkeit, mit denen er diesen Kampf geführt 
hat. Wenn wir jetzt noch einmal uns die eingangs an- 
geführten Stellen Luthers tiber die Observanten ansehen, 
werden wir sie in einem ganz neuen Lichte betrachten 
können. Vergessen wir dabei nicht, daß sie gefallen sind, 
zwar zwei oder drei Jahre nach dem heftigen Streit, aber 
dennoch zu einer Zeit, als die Bestrebungen, gegen die sie 
sich richten und vor denen sie warnen sollen, in Deutsch- 
land noch existierten, wenn sie auch dort 
nicht vollzum Durchbruch kommen konnten, 
wie in Italien. Luther hätte pflichtwidrig gehandelt, 
wenn er seine Zuhörer nicht nachdrücklichst gewarnt hätte. 

In der ersten Stelle tadelt Luther die „Observanten“, 
„Exempten“ oder „Privilegierten“, die sich vom 
schuldigen Gehorsam „eximieren“ und „dis- 
pensieren lassen wollen unter dem trügerischen Vorgeben, 
dadurch das Ordensleben zu fördern. Luther findet, daß solche 
Bestrebungen der Kirche höchst schädlich sind, denn er ist der 
Meinung, daß man von diesem Gehorsam uberhaupt nieht 
dispensiert werden könne. An derzweiten Stelle 
spricht Luther direkt von „unseren“ Observanten, die 
unter dem Scheine des Ordenslebens in ihrem Hochmut, in 
ihrer Dickköpfigkeit und in ihrem Afterkult in Ungehorsam 

Archiv für RBeformationsgeschichte. XVIII, I. 3 


34 34 


und Rebellion verfallen. Auch der dritte Satz klagt tiber 
jene dem Afterkult ergebenen „Schismatiker“, die aus 
Absonderungsbestrebungen ihrem Prälaten den Gehorsam 
aufkündigen, deren Zahl heute groß ist. 

Alle drei Stellen Luthers, besonders aber die erste und 
die dritte, treten ein für den General und die Zen- 
tralordensleitung. Sie können nicht auf Staupitz be- 
zogen werden, weil die „sieben Konvente“ sich nicht von 
ihm ,eximieren* und von seinem Gehorsam „dis- 
pensieren* lassen wollten. Besonders der Ausdruck 
„Schismatiker“ zeigt, daß es sich um Bestrebungen 
gegen die Ordenseinheit, also gegen den 
General handelt, die Luther hier bekämpft. Staupitz 
und seine Bestrebungen, wie wir sie kennen gelernt haben, 
werden gerade durch diese Stellen verurteilt. Mit weit 
größerem Rechte hätte daher Cochlaeus sagen müssen, daß 
Luther zu seinem General statt zu „seinem Staupitz* 
abgefallen sei. Wer unseren Ausführungen gefolgt ist, kennt 
jetzt in- und außerhalb Italiens im Augustiner- 
orden die Exemptions- und Privilegiensucht sowie die Be- 
strebungen, sich vom General unabhängig zu machen. 

Luthers Stellung zur Observanz während der Zeit der 
Psalmenvorlesung läßt sich kurz so zeichnen, daß Luther 
für die „Reguläre Observanz* gegen die 
„Exempte und Privilegierte Observanz" war. 
Er war für eine genaue Befolgung der Regel und der Kon- 
stitutionen und gerade darum war er gegen die Absonderungs- 
bestrebungen gegenüber der Ordensleitung. Er will von einer 
Trennung von der Zentralleitung des Ordens aus Observanz- 
gründen nichts wissen und verurteilt entschieden solche Be- 
strebungen. Der Versuch gewisser Historiker, auf Grund des 
Observantenstreites Luther als einen lauen Befolger seiner 
Ordensgesetze und als einen balben Rebell zu schildern, um 
alsdann hieraus das Werden des „Haeresiarchen“ psycho- 
logisch zu erklären, wird durch das Studium der Quellen 
„ad absurdum“ geführt; denn aus ihnen geht hervor, daß 
der zukünftige „Rebell“ in diesem Streite ein entschie- 
dener Verfechter der Autorität des Generals 
und der ,Regulüren Observanz“ gewesen ist. 


Die reformatorischen Kirchenordnungen 
Ober- und Innerüsterreichs. 


Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche. 
Fortsetzung!) 


Inner-Üsterreich. 21. Februar 1578. 


E. A. Doleschall, Die Kirchenordnung Inneröster- 
reiebs im 16. Jahrhundert. Jahrbuch 5, 164—183. 

J. Loserth, Die steirische Religionspazifikation 
1572—78. 1896. 8. 65—77. Dazu: Derselbe, Die Refor- 
mation und Gegenreformation in den innerösterr. Ländern 
1898. S. 279 f. Ed. Böhl, S. 330 (s. ob. S. 211). 

Doleschall gibt einen Teil einer durch die Erzherzogin 
Maria Dorothea?) in das Archiv des Generalkonvents der 
evang. Kirehe A. C. in Ungarn nach Budapest gekommenen 
Handschrift, die einen Auszug aus steirischen Religions- 
schriften von 1578 enthält. Loserth druckt den Anfang der 
KO ab und gibt ihr den geschichtlichen Rahmen. 

Im Folgenden ist die ganze KO aus dem Original im 
Landesarchiv zu Graz Fasc. 519 zum erstenmal ganz ver- 
öffentlicht; Loserth benutzte den jüngeren Codex A 56b, der 
in der Rechtschreibung von jenem abweicht. 

Auf die Vorrede folgt der erste Teil über die Wahr- 
heitsnorm der christlichen Lehre mit Ablehnung von Flacius 
and einer eingehenden Darlegung der Lehre von der Erbstinde; 
darauf eine Erinnerung, daß man rechten Unterschied zwischen 
dem Notwendigen und dem nicht Notwendigen halten soll. Der 
zweite Teil handelt von den Agenden, der dritte vom Kirchen- 
ministerium und der Kirchenregierung. 


) Vgl. Jahrg. 17 S. 209 fl., 277 ff. 
1) Über sie Jahrbuch 25, 41f. 
3* 


36 36 


Die KO. ist durchaus keine ursprüngliche, bodenständige 
Schöpfung, sondern aus verschiedenen zusammengesetzt; sie 
bezieht sich auf Augsburg, Graz, Jena, Klagenfurt, Laibach, 
Marburg, Nürnberg, Pfalz, Steyr, Straßburg i. E., Thüringen, 
Wittenberg, Württemberg. 

Sie gibt sich in der damals beliebten Form!) eines 
„Berichtes“ von Vertretern des Kirchen- und Schulministeriums 
von Steiermark und Kärnten an die Verordneten Inner- 
österreichs. Er wurde genehmigt. Krain?) erklärte sich 
diesen Abmachungen auszuschließen. 


Vorredt, 


Nachdem der Augsburgischen confession verwandte herrn 
vnd landleüth der lande Steir, Khrain und Khernten sambt 
der fürstlichen grafschaft Görtz, so beneben anderen in dem 
ausschuß dieses 1578'*" iares zu Pruckh an der Muhr von 
dem durchletchthigisten hochgebornen fürsten und herrn, herrn 
Carolo erzherzogen zu Oesterreich etc., iren guedigisten herrn 
und Landsfürsten versamblet, nach verrichten anderen den 
gemainen nuz belangenden geschefften, auch der pacifikation 
halben, welcher sich J. F. Dt. hiebevor in der religion mit woler- 
melten stenden genedigist verglichen, wider aufs neue vom 
J. F. Dt. genedigist antwort und genugsame versicherung 
bekhommen, das sie nemblich mögen prediger und lehrer 
halten, so in darzu erlangten und bestellten khirchen und 
schuelen der Augsburgischen confession gemäß lehren und 
den wahren gottesdienst sambt allem, was zur aufbauung 
evangelischer kirchen notwendig und nutzlich ist, friedlich 
und ordentlich ohn jedmanns schaden verrichten, doch mit 
den condition, das sie nirgends kainer rotten, ketzerei oder 
secten, ermelter confession zu wider, noch einigen ergerlichen 
gezenk und spaltung, nach einiger solchen unruege raum 
geben, sondern ein guete ordnung, wolstehende und frid- 
liche gleichformigkheit in lehren und aller notwendigen ver- 
waltung des evangelischen predig- und lehrambts allenthalben 
anrichten und halten, so haben wolermelte herrn und land- 
leute uns, welcher namen zu end dieses schreibens unter- 
zeichnet, gnediglich auferlegt, daß wir dem vertrauen nach, 
so ire gnaden und herrn in uns gesetzt, die gleichformig- 


) Z. B. Luther, Erl. A. XXX, 778. Köstlin, M. Lather 1883? 
2,646. Anm. zu S. 150. Loesche, Mathesius 1, 264. 

3) Vgl. dazu: Erzherzog Karl zu Österreich an die Landstände 
von Krain; betr. Kirchenordnung in den windischen Landen. Kopie 28. 
Wien 6. Sept. 1564. Stadtarchiv Regensburg. Eccl. I. XXIII. 19. 


37 37 


khait, so wir aus irem bevelch im predig- und lehrampt 
hieher und auch hinfort und allezeit zu halten verpflichtet, 
beschreiben geben, und was zu soleher bestendigen gleich- 
formigkait und gueter ordnung in kirchen und schuelen vor 
dieser zeit Doctor Chyträus!) darzu in Steyr erfordert und 
andern geraten und wie noch rathsam und diesen landen 
bequem und dienstlich achteten, in ermelten schreiben ein- 
brüchten, das dann ihre gnaden mit guetem, zeitigem rath 
und nachdenkhen erwiegen und mit gemeiner verwilligung 
einer solchen kirchen- und sebuelordnung sich vergleichen 
und dieselbige in druckh verfertigen möchten, damit der 
unterthenigiste gehorsam, welchen sie allezeit beidt in andern 
und auch in dieser sachen der F. Df. als ihren genedigisten 
und von. gott selbs verordneten herrn und landsfürsten zu 
erzeigen sich bevlissen und hinfurt allezeit in rechter gottes- 
fureht bevlejssen wöllen, soviel desto mer erschine und 
J. F. Dt. so oft es von nötten, ihrer lehre, khirchen- und 
schuelwesens halben, gehorsambste antwort geben, auch so 
etwa unbilliche verleumbdung und unbegründet angeben, 
irer selbs oder der lehrer halben forbracht oder ausgebreitt 
wurden, sie sich dagegen desto leichter verantworten und 
gebürlieherweise schützen. desgleichen die noch anzunemen 
sein wolten, in schuel- und kirchenämptern desto besser 
verpflichten und auf sie alle und alle kirchen und schuelen, 
denen sie fürgestellt, desto vleiDiger aufsehen, und beyde, 
lehrer und zuhürer desto bequemer sich darnach richten 
khönten und also der lauf des hl. evangeli mit mehrer frucht 
befördert, auch weiter und auf die lieben nachkömbling 
gebracht und also auch in diesen lendern dem herrn Christo 
durch desselbigen gnadenreichen geist und segen, so er ver- 
heißen, und di werkh allen menschen und sonderlich dem 
lehr- und regierampt befollen, ein ewige kirch versamblet, 
gepflanzet und bì zu seiner herrlichen zukhunft erhalten 
werden möchte. Hierauf und diesem christlichen und wol- 
gemainten bewelch gehorsamblich nachzukhomen, haben wir, 
ermelte lerer, welcher namen unterzeichnet, sambt den zuge- 
ordneten herrn beysitzern uns nach anruffung gottes mit 
einem freundlichen und christlichen gespräch, darin wir 
auch ermeltes Chyträi und anderer bedenkhen gar wol er- 
wogen, vleßiig und in rechter forcht gottes unterredt und 
endlich befunden, das bisbeer ein gottselige ainigkait für- 
nemblich in lehr und dann auch in anderer der lehrampts 
verwaltung bei allen der Ausburgischen Confession zugethanen 
kirchen und schuelen in diesen ländern, so vil immer in 
dieser schwachhait und manicherlei beschwärlichait und 


1) RGG. 1, 1816, 


38 38 


gefahr, so diesen zarten kaum aufgehenden unsers herrn 
Christi würtsgärtlein zugestanden, möglich gewesen, gehalten 
ist, und sollen in Gott hochen Dankh allezeit dafür sagen, 
daß er sein werk in disen vom erzfeind der Christen hoch- 
bedrangten landen so wunderbarlich angefangen und geför- 
dert, da wol an etlichen orten im reich, ob man schon ge- 
lerte leut genueg und leichlich bekhommen und des obste- 
henden stadt zu ersetzen hat, kaum eine solche einigkheit 
zu erhalten gewesen. 

Damit aber auch, wolermelter vnsrer genedigen herrn 
bevälch nach, solche gleichformige lehre und ordnung bayde 
in kirchen und schuehlen mit der zeit schriftlich verfasset 
und durch den druckh zu vorgemeltem nutz außgebracht werden 
möchte, haben wir auß unserem und anderer guetbedunkhen, 
gleich als ein modelle solcher gemainen kirchen- und schuell- 
ordnung entworfen. Welches wir hiemit ihren gnaden und 
herren gehorsamblich und nach ihrem hochen christlichen 
bedenkhen zu erwegen, zu endern, zu vermehren oder zu 
khürzen oder gar einzustellen übergeben, der gewissen zu- 
versicht, daß ihre gnaden an unserem gehorsamb und treu- 
herziger wolmainung ein gnedigs gefallen haben und auch 
anders nicht von uns erfordern werden, denn was wir in 
warer furcht und liebe Gottes fürnemen oder verwilligen 
khönnen, wolleu uns hiemit in iren gnedigen schutz mit 
demuttiger erpietung alles christlichen gehorsambs befohlen 
haben. 

Ende der vorred. 


Kirchenordnung. 


Nachdem ein christliche wohlgestellte kirchenordnung 
fürnemblich in drey stugh verfasset kan werden, also das 
das erste die lehrpunkte, das ander die agenden, wie es 
gemainghlich genent wirdt, nemblich die form und weise, 
die sacrament zu raichen und desgleichen sachen in der 
kirchen zu verrichten, das dritte die bestallung des ministerii 
sampt aller zugehörenden billigs zucht und ordnung begreiffe, 
so thuen der lehre halben wir theologen und colloquenten 
diesen gehorsamen bericht, wie folget: 


Das erste thail der kirchenordnung. 


De norma veritatis, das ist von der regel oder richt- 
schnur, vom grunde und gewissen probierstain, alle lehre 
zu richten, die reine lehre zu erhalten und sich für falsche 
lehre zu hüetten notwendig. 

Die ware christliche lehre gesundt und ganz allent- 
halben unverfelschet zu erhalten und sich fur allen irthumben, 


39 39 


teuscherei und verfüerungen zu hüetten, ist fur allen dingen 
von nötten, das man die rechte, gewisse, genuegsame, un- 
widerlegliche normam veritatis, das ist, den grundt und 
regel der warheit, die gewise richtschnuer und unbetruglichen 
pruefstain woll lerne erkhennen und allezeit zur handt und 
in stettiger Uebung habe, damit und darnach man alle 
predig, glauben und lebre, baidt in schuelen und kirchen 
recht urteln und richten, die gesunde lehre behalten und 
die falsche verwerfen khönne, denn solches gott nicbt allein 
vou den predigern, sondern auch von der obrigkheit und 
regenten, ja von einem jegkhlichen menschen haben will, 
nach dem gebot Christi Matthäi VII: Hüetet euch fur den 
falschen propheten und l. Joh. IV: Glaubt nicht einem jegkh- 
lichen geist, sondern probiert die Geister, ob sie auß Gott 
seien!) vnd gotes. So wir oder ein engel vom Himel euch 
anders predigen wurden, dann wir euch schon gepredigt 
haben, der sei verfluecht.?) Demnach ist die einige gewise 
unuberwintliche norma veritatis und unbetruegliche richtschnur 
und prüfstein, unbeweglicher pfeiler und grundfest der war- 
heit das heilige Wort Gottes, nemblich die gewissen und 
mit göttlichen unwidersprechlichen zeugnissen  bestettigte 
schriffle der Propheten und Apostel, welehe in ein buech 
vom heilligen geiste durch ermelte Propheten und Apostel 
zusammengebracht und in zwey theill unterschieden, also 
das das erste so der Propheten schriffte begreifet, das Neue 
Testament und das gantze buch, so baide testament zusammen- 
fasset, mit dem griechischen namen, so bey jederman in 
gebrauch khommen ist, die Bibel genennt wierdt. 


Antithesis. 


Hiewider ist, das die Papisten die Menschensatzung, so 
sie der kirchen zueschreiben, ebenso hoch und höher wollen 
gehalten haben als gottes wortt und heissen die heilige 
schrifft ein ketzerbuch. 


Erinnerung der sprachen halben. 


Daß man nun dieser richtschnur desto besser gebrauchen 
müge, soll man verschaffen, das die hebraische und grie- 
ehische sprachen vleißig in den größeren schuelen gelehrt- 
und zum wenigsten den furnemen hirtten und lehrern, bei 
welchen man sich etwa raths und verstands erholet, wol 
bekhant seien: denn das alte testament ist anfengkhlich mit 
hebraischer und das neue mit griechischer sprache gepredigt 


1) 1. Joh. 4, 1. 
*) Galat. 1,8. 


40 40 


uud beschrieben. Darauf das heilige wort gottes den leutten, 
so nicht hebraisch und griechisch verstehen, muß treulich 
verdolmetschet werden, welches unmüglich, denen ermelte 
zwo sprachen nicht wol bekhant seint. 


Matthaeus hat sein evangelium auch erstlich mit hebra- 
ischer sprache geschrieben, wie dann aucb zu unseren zeiten 
dasselbig evangelium Munsterus!) hat ausgehen lassen; aber 
weill Munsterus selbs bekennet, er habs zurissen bey den 
juden funden und an vill orten erstatten?) müssen, so ist 
dem griechischen, welches mit genugsamen  zeugnissen 
befestiget, besser zu vertrauen. 


Erinnerung der Dolmetschung halben. 


Wiewoll alle Dolmetschung und der ursprunkhlichen 
sprache inn der rechten meinung zutreffen solte, jedoch mueß 
man der alten kirchen Dolmetschung, ob sie gleich nicht 
allenthalben mit den ursprunklichen texten stimmen, nicht 
verwerffen, sondern damit zufrieden sein, daß sie fast alles 
also verdolmetschet baben, daß es nicht ist wider die Artikel 
des glaubens, so auß den klaren und jedermann verstendlichen 
spruchen der Schrift gestellet sein. 


Darumb man die griechische und alte lateinische Dol- 
metschung, weil von den beiden uralten kirchen kein andere 
vorhanden, gern annemen, auch in offentlichen lectionen und 
von man lateinisch das Wort Gottes verlehren®) mus, furlesen 
und brauchen soll, damit die kirch etwa gewisses habe, 
doch das erlaubt sey aus den originalsprachen den rechten 
eigentlichen sinn, wo es not ist zu erklehren. 


Der neuen lateinischen Dolmetschung sonderlich dar 
berumpten als Erasmi*) des neuen testaments, Vatabli°) 
des alten, mag ein jekhlicher fur sich gebrauchen, das er 
durch vergleichung und zusammenhaltung der dolmetschung 
den sinn des göttlichen worts desto besser verstehen müge. 

1) Sebastian Münster, 1489—1552, Franziskaner, dann reformiert, 
seit 1529 das Hebrüische an der Universität Basel lehrend, Reuchlin 
fast ebenbürtig, ließ 1535 eine Ausgabe der hebräischen Bibel mit 
vollständiger Übersetzung erscheinen. RGG. 4, 562. 

?) ergänzen. 

3) erklären bei Loserth. 

4) 1616 Ausgabe des griechischen Urtextes, „trotz der Flüchtig- 
keit und unsoliden Grundlage seine größte Tat“, mit Annotationen und 
später angeschlossenen Paraphrasen. RGG. 2, 425. 

5) Franc. Vatablus (Watebled), aus der Pikardie, gest. 1547; 
1580 Prof. der hebr. Sprache am Collège de France. Biblia Vatabli. 
Paris 1645. RE“. 20, 431, | 


41 41 


Ion deutscher sprache ist khein besseren denn des D. 
Martini Lutheri, welche so eigentlich den sinn des gotlichen 
worts gibt, das man schier kheiner außlegung daruber bedarti 
und darumb in der Augspurgischen confession verwanten 
kirchen billieh khein andere inn deutscher sprache furgelesen 
und gebrauchet werden soll. 


Was aber in Windischer!) und andern frembden sprachen 
gedolmetschet, sagt man, das auß Luthers gedolmetschet 
worden, welchs auch das Rathsamste gewesen ist. Die 
gewiBe Versicherung, das ainer nicht durch mancherlay 
dolmetschung oder auch unbequehme anziehung des Original- 
textes irre gemacht werde, ist die analogia fidei, so auch 
corpus doctrinae auf Lateinisch genandt wird, das ist die 
Summa der Christlichen lehre, ordenlich auß den klaren 
und jederman verstendlichen sprachen zusammengefueget, wo 
derselbigen zuwider irgents etwaß verdolmetscht oder an- 
gezogen wurde, das webre zu verwerffen. 


Antithesis, das ist gegenlehr. 


Wieder obgemelte meinung ist, daß das Tridentinische 
concilium khein andere Dolmetschung als die alte lateinische ja 
auch den originaltext selbs nicht gelten lassen will*), dann 
wo er mit der alten lateinischen Dolmetschung zutrifft, und 
hierin suchen sie nichts andres denn etliche grobe irthumb 
als von heiligen anruffen*) und dergleichen zu beschutzen. 


Erinnerung von dem underscheidt der 
buecher, so in der Bibel begriffen. 


Man soll auch merkhenp, das die Bibel zwaierley bucher 
hat, etliche und die meisten, welche in allen stückhen und 
wortten ohn alles bedenkhen angenommen, ettlich aber, welche 
aus den gemelten sollen verlehret werden und in etlichen 
wenig worten einer solchen auflegung bedurffen, das die 
lehre so in vorigen gegeben ist, nicht verdunkhelt werde. 
Als dan sonderlich im Neuen Testament S. Jacobi brief ist, 
in welchem etliche wortte des Pauli lebr zum Römern wider- 
werttig lauten), vm diesen underschaidt der Bucher in 
heiliger schrifft werden nützlich gelesen die Vorreden Lutheri’), 


) Primus Trubers slovenische Übersetzung des N. T. 1. Teil war 
1557 erschienen, Th. Elze, Jahrbuch 14, 121; 16, 15f. 

?) Über deren Entwicklung RGG. 4, 2137 (5, 1031). 

3) Sessio 4. Pastor, Geschichte d. Püpste 5 (1909), 546. 

1) Über sie im Tridentinum sessio 25. 

) Über die ganze Frage: RGG. 3, 1022. 

*) Sie wurden später fortgelassen. 


42 42 


so er fur einen jekhlichen buch gethan und mit der alten 
lehrer zeugnus bewiesen hat. 


Antithesis, gegenlehre. 


Wiederobgemelte lehre ist des Tridentinischen coneiliiums 
meinung), das die buecher, welche bey den alten bedenkhens 
gewesen, nicht aus den ersten erkhleren lasset, sondern 
denselbigen in allem gleichwirdig gehalten will haben, damit 
sie anders nichts suchen, dann etlich grobe irthumb zu 
vertheidigen, das sie doch nicht hilffet. 


Von dem eorpore doctrinae, das ist, furbilde 
der rainen lehre. 


Weil oben gemelt ist, das ein corpus doctrinae gemacht 
sey, das ist, wie's Paulus Rom. VI?) deutschet?), ein furbildt 
der lehre, welehes die haubtstuekh der christlichen lehre 
auß hellen, unleugbaren zeugnussen der heiligen schrifft 
fein ordentlich zusammen verfasset furtregt, dadurch man 
sich durch hülffe gottes hueten khan, das unzeittige anziehung 
der schrifft und ungeschickhte dolmetschung einen nicht 
verfuehren, ists nun an dem, das solche furbilde der reinen 
lehre namhafftig gemacht werden: so haben wir nun von 
den alten gottseligen lehrern die drey symbola: Apostolicum‘), 
Nieenum5) und Athanasii, dazu auch nicht unbillig gesetzt 
wirdt der Hymnus Te Deum laudamus, welchen Ambrosius 
und Augustinus sollen gemacht haben’); in diesen symbolis 
wirdt die ewige gottliche maiestet in der allerheiligisten drey- 
einigkeit sampt den  wohltaten, so uns von ihr erzeigt 
werden, khürzlich bekent und gerühmet, darnach haben wir 
von unser kirehen den kleinen Catechismum Lutheri und zu 
desselbigen weiterer Erkhlerung seine zween großen?). Zwar 
für die einfeltigen ist khein besser buch geschrieben denn 
der kleine katechismus Lutheri, welchen man billich in allen 
kirchen behalten soll. Darauf soll billich gesetzt werden 


1) Sessio IV. 

?) V. 17. 

3) wohl statt: deutet, oder „Paulus Rom. VI“ ist als Zitatform 
gemeint, ,wie es die Stelle P. R. VI* usw. 

*) Näheres RGG. 1, 599. 

5) Ebd. 4, 767. 

©) Ebd. 1, 749. 

?) Vgl. Buchberger, Kirchl. Handlexikon 2, 2314. " 

) Über Luthers Katechismen: RGG. 8, 985. Luthers Werke, 
Weimar. Ausgabe 30a, 426—665. „seine zween großen“ ist eine selt- 
same Entgleisung. 


43 43 


die Augspurgische confession sampt derselbigen apologia!), 
welche also genanndt ist, weil sie von den stenden des 
Romischen Reichs, welche ihre kirchen hatten von dem 
bapstumb reformieren lassen, auf dem reichstag zu Augspurg 
anno 1530 kayser Carolo Quinto in beysein aller Stende 
des Reichs mündlich und schriftlich, deutsch und lateinisch, 
furbracht worden ist, welche symbolum und bekbantnus 
keine pforten der hellen?) umbstoBen khönnen und dergleichen 
nicht von der Apostelzeit an noch 80 volkhomen erfurkhommen, 
drumb man sich billich darauff beruetfet. Und haben diesen 
Lande Theologen solche exemplaria, wie sie zu Augsburg 
übergeben seint, darauf guet achtung zu geben ist, sintemall 
im nachtrug offtmals gefehlet wirdt. 

Weil aber der satan mit den sacramentierern wolt 
schaden thuen und furgeben, als lehreten dieselbigen der 
Augsburgischen Confession nicht zuwider. und gegen die 
Papisten etliehe artikhel mit ernst auf dem concilio zu 
Mantua?) sollten vertedigt werden, wurden die schmalkal- 
dischen artikhel*) anno 1537 gestellet, darauff man sich auch 
billig berueffet. Da nun Lutherus von dieser welt abgeschieden 
war, meinte der Teuffel, er wollte die Augsburgsche confession 
gar vertulgen, brachte das Interim?) herfur, machte viel 
Gezenkh und rotten, welche doch etlich nicht wolten den 
namen haben, daß sie der Augsburgschen confession entgegen 
wahren; darumb die Theologen und kirchen, denen die 
wahrheit mehr denn aller menschen gunst oder ungunst, ja 
mehr dann alles guet und ehre angelegen war, sich dawider 
satzten, und rathen die Theologen, daß man in diesen 
landen under die Schriften der richtschnur sunderlich das 
bucblein der Duringischen Theologen, auno 155990 auß- 
gangen, setze, weill darin die corruptelen, so ctliche listigk- 
lich eingefuert hatten, kürzlich und aus gewissem grunde 
der heiligen schrifft widerlegt werden, welches buchlein 
hierumb von den kirchen, so der Augsburgischen confession 
auffrichtig zugethan sein, hochgeruhmet und werdt gehalten 
wirdt. 

Das buch Philippi Melanchthonis loci communes’), das 
ist hauptstuckh der christlichen lehre genanndt, ist ein sehr 


) RGG. 1, 587. 

*j Ev. Matth. 16, 18. 

©) Am 2. Juni 1536 auf den 23. Mai 1537 einberufen; Köstlin 
1. c. 2, 870. 

*) RGG. 5, 339. 

) Ebd. 3, 573. 

©) Das Weimarer Konfutationsbuch, von Flacius und Genossen. 

?) Seit 1520/91, bzw. 1535; RGG. 4, 250f. 


44 44 


edler schatz und soll vleißig von denen, so die heilige 
schrift lernen und andern etwo erkhleren wollen, gelesen 
werden, aber weils zu funfmahlen ausgangen und in dem 
Artikhel von freien willen im letzten nachdrukh nicht on 
ursach angefochten worden, kans nicht ad normam veritatis 
gerechnet werden. Er ist uns ja ein lieber praeceptor und 
hat sich nach Luthero keiner so woll umb die Christenhait 
verdienet, aber doch muessen wir Christum höher halten 
und menschliche schwacheit auch an dem lieben preceptor 
seligen erkhennen, wie man alle patres nach der Norma 
veritatis urteilen muß. Und bricht Ihnen doch damit an 
Ihren ehren nichts ab. In der ersten edition des gemelten 
buchs Philippi ist vom selbigen artickbel nichts unsers 
wissens unrecht gelehret; darau möcht man auch die 
folgenden editiones corrigieren, denn so solche warnung 
stadt hat, ist es fürwar ein nutzlich und notwendig buch zu 
lesen dem, der ein gueter Theologus zu werden wünschet. 
Das ist also von der norma veritatis gesagt, und khan 
niemandt mit warheit sagen, das die evangelischen ein vil- 
feltige und weitleuffige normam veritatis haben. Denn wie 
vor zeiten die Ketzer Arius!) und andere machten, daß aus 
der schrift symbola wider sie, die warheit zu beschtüizen, 
gemacht worden, und doch Ihr einiger grundt die hl. schrifft 
blieben ist, also auch zu unsern zeiten haben die Papisten 
und secten ursach geben, das bekenntnuß und confutationes 
errorum gemacht sein, darin man auB der hl. schrifft alle 
irthumb widerlegt; und bleibt doch die hl. schrifft der einige 
Pfeiler und grundfest der warheit in der kirchen gottes 
und ist die einige norma veritatis. 


Antithesis, das ist gegenlehre. 


Au obgemelten buchern der Richtschnur lassen ung 
die Papisten nichts mehr dann die symbola und die bibel; 
sie lassen auch die Bibel nicht in anderer als nur in der 
alten Lateinischen Dolmetschung,?) auch in den Original- 
sprachen nicht anders, dann wofern sie sich mit ermelter 
Dolmetschung reimet, gelten; darzu lassen sie der schrifft 
khein andern verstandt denn der kirchen, welche sie an 
Römischen Bapst und Cardinal binden“), gefallen, als zum 
Exempel Matthai XVI*: Du bist Petrus vnd auf diesen 
fels wil ich meine kirehen bauen. Das legen sie allso auß, 


!) RGG. 1, 679. 

*) S. oben 8.41. RGG. 5, 1810. 
) Ebd. 1, 1170. 

*) V. 18. 


45 45 


das damit der Römische Bapst zum haupt der cristenheit 
soll bestelt sein!). Weill solche meinung dem Bapst und 
seinem anhang gefelí, muß Ihnen alle andern außlegung 
ein verdampte ketzerei sein, ob man schon auß gewissem 
grunde die Außlegung der falscheit uberzeuget und die 
rechte außlegung anzeiget, wöllen sie doch recht behalten, 
also gehen sie fast allenthalben mit der hl. gottlichen schrifft 
umb, daß sie entweder mueß unaußgelegt und unverstanden 
bleiben oder auff ire verkherte meinung gezwungen werden, 
welchs zwar nichts anders ist denn das liecht scheuhen, 
damit Ihre bösen werkh nicht offenbar werden. Summa 
sie geben nicht zue, das die hl. schrifft sey norma veritatis, 
darnach man alle lehre richten und allen streit, so sich über 
der religion erhebet, schlichten soll, sondern sprechen, die 
Bibel sey materia litis, ein Zankhbuch, sey dunkhel, hab 
zweifelrede, da es nur an einem gueten ausleger stehe. 
Dagegen geben sie khein ander normam veritatis, denn die 
kirche, welche sie an Rom binden, nennen dieselbige den 
Pfeiler und grundtfest der warheit und wenn man sólche 
Lhermeinung grundlich erwiget, fueren sie die leutt nirgent 
anders hin denn ad scrinium pectoris pontificii, zum schrein 
des Bapstischen herzens, darin alle rechte sollen verborgen 
ligen; was der redet, das muß vom Himmel geredt sein, 
was er mit seinen Cardinälen, Jesuitern, Mönchen und Pfaffen 
auf conciliis und sonst beschleust und recht oder unrecht 
heißet, das muß also sein und bleiben, doch auch nicht 
lenger dans Ihm gefellet. Heist das nicht ein greuliche 
Tyranney in der kirchen geübet under dem Prächtigen 
namen und schein der kirchen? Darumb, wer seelig werden 
will, muß sich vor dieser gottlosen rotten als von der 
grundtsuppen aller lügen, verfuerung und gottlichs namens 
lesterung absondern, wie Paulus II Timothei 11?) rathet, da 
er spricht: Discedat ab iniquitate omnis, qui nominat nomen 
Christi, es weiche von der ungerechtigkheit ein jegkhlicher, 
der den Namen Christi nennet, und Apocalypsis XVIII“): 
Exite de illa populus meus, ut ne participes sitis delictorum 
eius et de plagis eius non accipiatis usque ad coelum et 
recordatus est Deus iniquitatum eius. Gehet auß von Ihr 
mein Volekh, daß ir nicht teilhaftig werdet Ihrer sünden, 
auf daß ihr nicht empfahet etwas von ihren Plagen, denn 


1) Über die Ungeschichtlichkeit des Ausspruches RGG. 4, 1410, 
Neueste Auslegung von A. Harnack in den Abhandlungen der Preuß. 
Akademie der Wissenschaften 1919. 

s) V.19. Seltsam, den lateinischen Wortlaut zu benutzen, 

8 

) V.4. 


46 46 


Ihre sunde reichen biß an den himel und Gott gedenkht an 
Ihren freuel. 

Mit diesen wortten wirdt allen christen bey verlust 
ihrer seelen seligkheit gebotten, das sie sich von dem Anti- 
ehristischen Reich absondern; wer khan aber ein besser 
khennzaichen haben, daran der Antichristische greuel müge 
bekhannt werden, als diß ist, das er das wort Christi nicht 
gelten lest, sondern dasselbig und alles dem gutdunkhen 
seines gottlosen herzens unterwirfft und spricht: Wens 
gleich Christo so gefelt, so will ichs doch anders haben, 
wie im Tridentischen!) und Costnitzer concilio*) die wortt 
vom Nachtmall des herrn klar außweisen. So böse hats 
noch khein khetzer nie gemacht; denn die haben doch 
gemeinigkhlich als noch die schrifft für die normam veritatis 
gerühmet, ob sie Ihrer schon mißbraucht haben; aber der bapst 
will nieht allein die concilila sondern auch die heilige 
schrifft unter einer gewalt haben und heist bei Ihm kurzumb: 
Sie volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas?), welehs woll die 
ehristen in weltlichen sachen wie alle Truebsal und verfolgung 
geduldig leiden, aber in Religions- glaubens- und gewissens- 
sachen gantz und garnicht vertragen sollen, sie wollten dann 
nicht mehr Christen und gottes diener sein. 

Von den hauptstuekhen der Christlichen lehre kurze 
erinnerung. Nachdem wir nun unsere normam veritatis an- 
gezeigt, achten wirs nicht für notwendig oder rathsam, von 
allen artickheln der Christlichen lehre eine ausfuehrlich 
bekhantnuß alhie zu beschreiben und der kirchenordnung 
einverleiben, obschon solchs etliche hin und wider gethan 
haben. Sondern das achten wir genugsam und fürs aller- 
rathsambste, das bücher in Norma veritatis genandt zu- 
sammengefasset und Treulich nachgedruckth werden, darauff 
man sich jederzeit zu referieren habe und darumb auch bey 
einer jegklichen kirchen neben der Agenden ein besonders 
exemplar niderleg und dem predicanten als in einer Biblio- 
theken zu verwahren und bei der kirchen zu lassen als einem 
getreuen depositario gebueret beföhle; dieß ist vill rath- 
samer, das man also bey einerlay form und wortten der 
bekhentnus bleibe, denn das ein jegkhliche kirche Ihr eigen 
bekhentnus habe, wenn schon die meinung tibereintrifft, denn 
es ist baldt in solcher verentrung geschehen, das etwa ein 
dunkbele rede, ungewönlich wortt unbekhante form etwas 
verdacht macht oder in zweiffel setzt, darumb in den meisten 
sachsischen, preußischen und andern wollbestelten kirchen 


!) Communio sub una, sessio 21, doch vgl. sessio 22, RGG. B, 1056. 
) Sessio 18. RGG. 1. c. 
*) Juvenal, Satir. 6, 223. 


47 47 


nicht gestattet worden, neue confessiones zu schreiben, sondern 
nur die alte, nemblich die Augsburgische sambt den Schmal- 
khaldischen zu widerhollen, mit vermeldung und manhaffiger!) 
verdammung deren Ihrtumb und verfuerung, so unterdes 
der Teuffl erweckhet hat, die einfeltigen zu betrueben; so 
haben auch vor zeiten die vetter nicht neue symbola gemacht, 
sondern die alten immer widerbolet und die Irthumb da- 
wider entstanden verfluchet. 

Diesem exempel nach gebuerts sich auch in dieser 
Landtkirchen, die alte eonfession als normam veritatis zu be- 
halten und was teuscherey und Verfelschung daran und 
darwider der Satan versuecht hat, austruckhlich zu vermelden 
und die einfeltigen warnen, das sie das zill nicht verruckhen 
und durch verkherte rede die bekhantnus nicht verdunkhelen 
noch aufschrauben und in zweiffel setzen lassen. Diß ist 
auch gottes gebott als I. Joh. II?): Brüder, ich schreib euch 
nieht ein neue gebott, sondern das alte. 

Von den irthumben so der reinen Augsburgischen con- 
fession als veritatis normae zuwider sind und von corruptelen, 
damit der teuffel ermelte confession zu verfelschen unter- 
standen. Was dann nun belangt die Irthumb, so der Teufel 
der reinen Augsburgiscben confession zuwider erweckhet hat, als 
Serveti?)) Arianismum, Swenkfeldii*) enthusiasmum, Antino- 
morum") vaesaniam, der widerteuffer®) und sacramentierer’) 
lesterung, Osianders?) und Stankhers?) widerwertige verkherung 
des ampts und wolthat Christi und andere dergleichen 
Teuscherey und Teufelische verfuerung. ltem die coruptelen, 
das ist die verkherte vergifte reden, damit der Teufel die 
Augsburgische confession bat unterstanden zu verdunkheln 
und zu verfelschen, alsdann ist das leidige Interim!?) gewesen, 
welchs darnach bat die ergerlichen gezenkhe von gueten 
werkhen und mitteldingen, von freien willen, von der genade und 
rechtfertigung für Gott erweckhet und die einfeltigen irre 
gemacht und die kirche jemerlich zurissen und betruebet, 
da doch unterdeß der guetige heylandt Jesus Christi (sie!) 
durch dreue werkhzeuge gesteuert und das zurissen wider 


— — — —— — 


1) Loserth: nambhaftigen, wohl richtiger. 


? V. 7. 
) RGG. 6, 610. 
*) Ebd. 5, 510. 


5) Ebd. 1, 501. 
*) Ebd. 5, 2016. 
*) Ebd. 5, 217. 
*) Ebd. 4, 1069. 
*) Ebd, 5, 888. 
10) S. oben 8. 48, 5. 


48 48 


geheilet. Solche irthumb und verfelschung all miteinander 
werden kurz und gründlich widerleget in den Duringschen 
buch, dessen oben!) sub norma veritatis gedacht wirdt, 
darumb nicht von nöten ist, das hier ein besondere refutatio 
solcher irthumben ausfuerlich geschrieben werde, ist genueg, 
das wir, dieser Landschafften Theologen und kirchen, un 
erkhleren, das wir solcher irthumben unß nicht theilbafftig 
gemacht noch machen wöllen, sondern dieselbige verwerffen 
und verdammen mit der waren kirchen. So aber jemandt 
weiter davon lesen will, ist sehr nutzlich, das er die 
6 predige doctoris Jacobi Andreae?), so von solchen irthumben 
gepredigt und geschrieben, vleiDig lese, und in methodis 
Simonis Pauli?) werden aus gewissen grundt alle dermassen 
irthumb widerleget, da auch dieselbigen sampt ihrem ursprung 
entdeckht und offenbar bekhant gemacht werden. 

Doctor Jacobs predige sein auch darzue nutze, das 
man den irthumb erkbenne der Calvinisten, welche in 
Sachsen wolten einschleichen und gaben nicht zu Realem 
communicationem Idiomatum, damit sie der menscheit Christi 
die Maiestet, derer sie durch persönliche Vereinigung mit 
der gottlichen Natar teilhaftig werden, entziehen wollten, dar- 
gegen man sich auch für Sehwenkfelds*) alzu hoch fliegenden 
geist hüeten soll, welcher nach der Eutychianer°) irthumb, 
so auß beiden Naturen ein machten, die exequation beyder 
Naturen in Christo hat erstreiten wóllen. Wie aber vor 
zeiten die heilige christliche Kirche nicht allein die Nesto- 
rianer?) welche die Naturen christi als zwo Personen von 
einander zogen, sondern auch die Eutychianer, welche die- 
selbigen zwo Naturen also vermischten, das nur eine darauf 
wardt, verdammet, also geburet auch jetzt der waren 
kirchen gottes eben als woll der Schwenkhfeldischen exe- 
quation, als der Zwinglianer und Calvinisten spaltung und 
trennung der Naturen in Christo zu verwerfen und zu ver- 
dammen; denn wie die Zwinglianer Nestorium also die 
Schwenkhfeldianer weckhen und fueren Eutychem gleich als 
auß der hellen wider in die kirchen und schuelen, auf die 
Kanzel und Cathedram. Von diesem irthumb soll man mit 
vleif lesen der Wirtembergischen?) und Braunschweigischen?) 


1) S. oben S. 43, 6. 

*) RGG 1, 471. 

5) RE s. v. 

) RGG 5, 510. 

5 RGG 2. 699, 

© Ebd. 4, 730. 

7) 1551. RGG 5, 2131. 

°) corpus doctrinae Julium 1576. RGG 1, 1332, 


49 49 


offentlich außgangene bekhantnuß, item  Komnitii buch 
von beiden Naturen’) in Christo. Hie ist genug, das solche 
irthumb berueret und namhaftig gemacht werden, damit 
offentlich bekhant werde, das diser Lande evangelische 
kirchen der Augsburgischen confession inne behalten und 
solche irthumbe und verfelschung offentlich mit der waren 
kirchen gottes verwerffen und verdammen. 


Von Mathiae Flacii) und etlicher mehr 
irthumb von der erbstünde. 


M. Matthias Flacius Illyricuus, da er als ein hochgelerter 
scharfsinniger eyfriger man wider Victorini?) Synergiam ge- 
stritten, des gueten willens, daB er den erbschaden nicht 
verkhleinern, der genade gottes und verdienst Christi nichts 
entziehen, den knechtischen zum guet erstorbenen willen des 
menschens nicht als frey hat rühmen und sich dardurch 
sicher machen und aller hoffnung der seeligkheit berauben 
lassen wöllen, ist er zu weit auf die ander seiten hinauf 
gefallen und mit aller macht erstreiten wöllen, der mensch 
oder des menschen Natur und Substanz oder sein fehle und 
vernunft sei selbs die erbsünde, und weil er sonst vil guets 
geschrieben, auch in einer gueten sach wider Victorinum 
stundt, da er in diesen irthumb heraus fiel, kriegt er baldt 
ein großen anhang von trefflichen umb die kirch wol ver- 
dienten mennern, darüber im das Herz wuchs, das er sich 
nicht hat der treuherzigen warnung und vermanung, von Nicolao 
Gallo*) und anderen vielen geschehen, weißen lassen wollen, 
sondern hat gern jedermann in seinen irthumb gezogen, wie 
er dann mit wunderbarlichen listen viele zu sich gelockhet, 
verdechtig gemacht und wenn sie der sachen noch ungewiß, 
etwaß an Ihn besonders geschrieben oder sunst etwa von 
der sach in utramque partem disputieret hatten, wo er nur 
etwas, das ein schein eins beifals hatte, kont erwischen, 
bracht ers flugs durch den druckh unter die Leute, darumb 
viel gueter herziger Theologen als Simon Musaeus°), Jere- 
mias Homberger?) uud andere mehr ursach gehabt, offentlich 
von Ihrer Unschuld oder wie sie betrogen und verfüert, zu 
protestieren. Er aber ist in seinem irthumb, wie leider zu 


1) de duabus naturis in Christo 1570, RGG 1, 1662. 
2) RGG 2, 905. 
2) Strigel, RGG 5, 962. 
*) RGG 2, 1125. 
^) RGG 4, 577. 
6) 8. u. 
Arohiv für Reformatlonsgeschlehte. XVIII. I. 4 


50 | 50 


besorgen, gestorben; wiewoll Mathias Ritther!) an etliche 
geschrieben, er habe sich den abent zuvor etwas bessers 
vernemen lassen, das eins widerruefs zu hoffen gewesen, 
wo er nicht mit dem Todt tbereilet werden. 

Od aber nun woll viell hoch erlauchte menner als 
Johannes Wigandus?), Tilemannus  Hesshusius?, Jacobus 
Andreas“) (sic), diesen ‚Manicheischen®) irthumb gewaltig 
aus gewissem grundte der heiligen schrifft widerlegt haben, 
und man an derselbigen schrifften genug hat, jedoch weill 
etliche unruige wilde geister auch in disen Landen“) mit 
solcher seiten die einfeltigen irre gemacht und etliche ver- 
fueret, aufrichtig Lehrer verdechtig gemacht und in Gefahr 
leibs und lebens gebracht und zarten kirchen jemerlich 
betruebet, so sollen alhie die furnembsten gründe gesetzt 
werden, durch welche solche ketzerei auß der kirchen 
gottes verstoßen wirdt und damit niemandts sich bekhlagen 
künne, die sache sey ime zu hoch, er kóns nicht verstehn, 
so sollen die grunde nur in unserm hl. catechismo gezeiget 
werden. Den ersten findestu inn den zehen geboten, da 
gott spricht zum menschen: Du solst nicht andere gotter 
haben, nieht begeren. Ich bin ein eyferiger gott, der die 
sunde der Vatter heimsucht an den khindern. Hir hörestu 
ja von gott selbs den unterscheidt der stinde und des 
menschen, denn den menschen nennet er mit seinem Naturlichen 
leib und seele, da er spricht: Nicht andere gotter haben. 
nicht begeren, item die sunde der Väter an den khindern. 
Denn ob hie jemandt wolt furwenden, der herr redete 
nicht von der Erbsünde, sondern nur von den wurkhlichen, 
wird er nicht bestehen, denn wir wissen, das das gesetze 
aller meist die erbsunde strafet, die von den Vätern in die 
khinder fortgepflanzt wirdt sampt dem Todt und ver- 
damnis, wie Paulus bezeiget Röm. V^) und David Ps. 
518), 149), 5619) 

So uns dann unsere norma veritatis ganz bleiben soll. 
nemblich der liebe catechismus, muessen wir fürwar diesen 
Irthumb verwerfen und verdammen und die beschreibung 
der erbstinde also lassen wir sie in der Augspurgischen 
Konfession und Schmalkaldischen artikeln gesetzt ist. 


1) In Frankfurt; Ed. Böhl, l. c. S. 887. 
2) RGG 5, 2029. 

) Ebd. 8, 1. 

*) 8. ob. S. 48, 2. 

5) RGG 4, 121. 

*) Vgl. Ed. Böhl, I. c. 8. 96 f. 

7) V. 19. 9 V. 7. 

9) V. 8. ”) 68, 24. 


51 51 


Nun ist ie die erbsünde nicbt nur!) ein schult frembder 
sunden, sondern ist fürnemblich die böse art, neygung, be- 
gierde, sucht und lust zusündigen, weliche der her rueret 
und aufweckt, wie das wasser das feuer im kalck auf- 
wekhet, da er spricht, nicht begeren, welchs uns Paulus auch 
also ausleget Röm. 7. So spricht auch Christus Johan 16?): 
Der heilige geist wirdt die welt straffen umb die stinde, das 
sie nicht glauben an mich, da ia die welt heisset alle 
menschen und der angeborne unglaube die stinde. Solchs 
wirdt auch bestetiget au den wortten Christi Joh. 39): Also 
hat gott die welt geliebet, das ist alle menschen. Wer wolt. 
aber so verkheret sein, das er den 5 Psalmen*) entgegenspreche, 
gott wehre ein liebhaber der sunde und boßheit. Den an- 
dern grundt zeuget und das bekhantnus unsers christlichen 
glaubens Symbolum Apostolicum genandt; denn im ersten 
artickhel bekhennen wir, daß unB Gott geschaffen habe und 
den leib mit allen geliedern, die sehle mit all ihren nattr- 
lichen krefften, vernunft, sinnen, willen gemacht und gegeben 
habe, auch erhalte auß vätterlicher guete, dafur wir ihm 
danekhen und soleher gaben und gelieder zu seinem wol- 
gefelligen dienst gebrauchen. Nun ist aber offentwar, daß 
Gott die sünde nicht geschaffen oder gemacht und gegeben 
noch dagegen ein vatterliche liebe hat. Denn er hat sie ie 
verbotten Gen. 2°), zurnet druber Gen. 3, hat khein gefallen 
daran Ps. 5, und wie solt iemandt für die stinde als ein 
guet geschenckhe des schöpffers dankhen oder wie soll einer 
mit der sünde Gott dienen und gefallen khönnen? Weil 
. den Gott den menschen mit allen natürlichen beyd inner- 
lichen und eusserlichen Krefften geschaffen und aber die 
stinde nicht geschaffen hat, so mueD ie folgen, das der mensch 
oder sein natürlich vernunft nicht selb die sünde sey. 

Wir wissen auß dem 3. Capitel Geneseos, das die stinde 
durchs teuffels verfuerung ins menschen seele und substanz 
erweckht und angezündet ist. Solt nun die sunde nichts 
anders dann der mensch oder des menschen seel, vernunft 
und sinne selbert sein, so müßte der teuffel den menschen 
geschaffen und ihm die vernünftige seele und natürliche 
sinne gegeben haben; wehr aber das nicht ein schrecklich 
ding, das wir den teuffel für unsern schöpffer solten erkhennen 
und da wir zuvor gesagt, ich glaube, das mich gott geschaffen, 
solten wir nun sprechen, ich glaub, das mich der teuffel 
geschaffen, mir leib und seel, augen und ohren mit allen 


) o A 56 b, b hat statt nur: mehr. 
2) V. 3) V. 16. 

4) In € anderen Hdschrft: fünften Psalm; V. 5. 
) V 


4e 


! 


52 : 52 


geliedern, vernunfft und alle sinne gegeben hatt und noch 
erhelt!. Jesus, Jesus, Jesus! Der grausamen lesterung 
wolte das sein! Das durffen die ehlenden verblendeten laut 
sprechen, der teufel hab Adams und Euen substanz und 
naturlich wesen in ein ander wesen verwandelt, als wenn 
einer auf einem menschen einen affen machete, der darnach 
andere affen durch naturliche geburt zeugete. Pfui der 
schande! soll einer so grob anlauffen, Gott erkhent ie noch 
den Adam für sein geschöpff, da er in suechet und spricht: 
Adam, wo bistu? er findet ie auch denselbigen Adam, den 
er geschaffen hatte und zeucht ihn unter den buschen her- 
fur zu seinem richterstuell; so saget ie unser artickhel anstat 
eins ieglichen aueh sündhafftigen menschens: Ich glaub, 
das mich Gott geschaffen hat sampt allen oreaturen?), das 
isí£ wie er andere creaturen geschaffen hat, also auch mich 
und hat doch die sünde nicht geschaften, sondern die ist 
vom teufel und meineidigen willen der ersten menschen und 
ist darnach durch die zwei menschen khommen in die welt, 
das ist in alle andere menschen, so naturlieh von ihnen 
gezeuget werden, Röm. 5°) darauß offenbar, daß der teuffel 
weder dureh verwandelung der wesentlichen gestalt noch 
auf einige andere weise ein neue substanz im menschen 
gemacht hat, sondern hat ihn am geist gethötet, des waren 
göttlichen liechts und lebens beraubet und was an ihn über- 
blieben von Gott zu sich gewendet, ihm anhengig und dienst- 
bar gemacht mit Ketten der finsternus*), die niemandts dann 
Gott auflösen khan, an sich gebunden, das er sein mancipium 
und jumentum, leibeigen knecht und esell worden, zuthuen 
mit herzlicher lust nach all seinem (des teuffels) willen 
und gefallen. Solcher geistlicher todt sampt allem jamer, 
zeitlichen todt und hellischer ewiger verdamnis ist aus dem 
gerechten urt| Gottes erfolget tiber den meineydigen ab- 
gefallenen menschen, welchs Genes. 2 und Genes. 3 be- 
schrieben ist. 

Ob aber woll durch einen menschen in die andern die 
sünde fortgepflanzet wirdt, so ist doch derselbig mensch 
nicht der anderen menschen schöpffer, der sie mache. Es 
ist vil ein anders Vatter, dann sehüpffer. Adam hat Seth 
gezeuget, aber Gott hat den Seth geschaffen und gemacht 
auß Adams samen in muetter leibe. Also ists umb alle 
menschen. So hat demnach Seth allein von Adam die 
sünde, aber sein leib und seel hat er nicht allein von ihm, 


1) Worte aus Luthers Katechismus. 
*) Luthers Katechismus, 

3) V. 12. 

*) 2. Petr. 2, 4. 


53 53 


sonder von der schöpffung Gottes, ohn welche Adams same 
nicht wer zum persönlichen menschen worden. So soll 
einer doch schier greiffen, das ein großer undterscheidt 
zwischen des menschen substanz und der stünden ist. 

Es wehre ie erschröckhlich zugedencken, das Gott ein 
wesentliche gestalt, so des teuffels werkh solte sein, fort- 
pflanzete, noch viel erschröckhlicher, das man halten soll, 
er liese den teufel mit der fortpflanzung des menschen 
seines gefallens walten; wie wolte sich das mit Jobs be- 
khentnus am X capitel mit Dauides ps. 119 item 139 
reimen? In dem andern artickhel unsers christlichen glaubens 
bekhennen wir!) das Jesus Christus warer Gott vom vatter 
in ewigkheit geborn auch warer mensch von Maria der 
Jungfrauen geboren sey. Waß heist aber ein mensch? 
Aller ding wie Cain, Saul, Judas, Arins und wir alle, auß- 
genommen die stinde, denn Christus ist volkhommener mensch 
worden ohn stinde, Heb. 4°), Phil. 2 darauss unwiderleglich 
folget, das substantia hominis quantumvis corrupti non sit 
peccatum, das die substanz des menschen, ob er schon gar 
verderbet ist, nicht selbs die sünde sey. 

Es seint gar klare zeugnis vorhanden, das christus 
kein sunde gehabt noch gethan 2. Cor. 5°) Jes. 53*) Johan. 8°) 
und aber gleichwol warer mensch worden sey, und armen 
Bündern in allem gleich, ohn das er nicht sunder ist oder sunde in. 
sich hat. So khan ie warlich ein iegklicher hierauß schliessen, 
das sunde und mensche nicht ein Ding sey. Waß sich doch 
die®), welche sagen, der Sohn Gottes hab ein ander fleisch 
und bluet an sich genommen, das nemblich dem ersten 
fleisch, so Adam vor dem Fall gehabt, gleich sey; sagt doch 
der Heillig geist Heb. 2°): Er hab den samen Abrahams 
angenommen; ist dann Abraham nicht Adams bluet und 
fleich? Lutherus in Genes. 38°) sagt, auß Judae lenden 
sei khommen die natur, die christus hab an sich genommen: 
aber er habe sie von sünden gereiniget und die sünde nicht 
angenommen. Lieber, wer ist doch der gewest, den christus 
der sohn Gottes mit seinem bluet erlöst hat auß des teufels 
gewalt, auf das er sein (des herrn christi) eygen sey und 
unter ihm in seinem reich lebe und ibm diene in ewiger 
gerechtigkheit, unschuldt und seeligkheit, gleich wie er ist 
aufferstanden, lebt und regiert in ewigkheit, das ist gewis- 


— — 


1) in Luthers Katechismus, 


?) V. 15. » V. 21. 
*) V. 9. 5) V. 46. 
*) sc. merken müssen. 

) V. 16. 


) Weimar, Ausg. 43, 811. 


54 | mE 54 


lich war?!) Ist die sünde erlöst auß des teuffels gewalt, 
ist dann der teuffel nicht mehr derjenige, der zur stinden 
reitzet, ist die stinde des herren christi also eigen worden, 
das sie unter ihm lebe und ihm diene in ewiger gerechtig- 
kheit, unschult und seeligkheit, Jesus, was will darauB 
werden? Khan die stinde Gott dienen, under christi reich 
leben, unschuldig und seelig sein in ewigkbeit? Es soll 
sich doch einer entsetzen vor solcher blindheit, 2. Corinth. 4. 
Ich meine, der teuffel beweise sich als ein Gott diser welt, 
der die hertzen derer, so ihrem freien willen nachgehen, 
blenden khan. lch meine, Gott sey ein ernster richter über 
die, so halstarrig sein und sich nicht weisen lassen wollen. 
Jobannes 1 Epist. 1 sagt, das bluet Jesu christi seines 
sohnes macht uns rein von allen unsern sünden. Der engel 
Gabriel sagt Matth. 1:?) Er wirdt sein volekh seelig machen 
von ihren sünden. Lieber, waD. ist das gesagt? wirdt er 
den menschen ausfegen, das er nicht mehr mensche sey 
und menschliche substanz habe? Das sei ferne! Er will 
das silber reinigen Mal. 39), nicht gar zu nichte machen. 
Im 3. artickhel“) bekennen wir, der heillig geist hab uns 
durchs wortt erleuchtet, mit seinen gaben geheiliget und 
erhalten. Sollt er woll die stünde erleuchten, mit seinen 
gaben heiligen und erhalten? O heilliger geist, öffne doch 
die augen der verblendeten, die in solcher finsternis sitzen, 
handele nicht mit uns nach unserer undankbbarkeit verdienst, 
sondern nach deiner grossen barmherzigkheit, öffne uns die 
augen des herzens, das doch auch die verftiereten sehen, 
wie gar in grobe irthumb sie sich versenkhen. Der heillige 
geist samblet ihm ein kirche und gemeinschaft der heilligen, 
samblet er ihm dan ein hauffen sünde? seint vill sünde ein 
gemeinschaft der heilligen? bekhombt sünde vergebung der 
Bünde? wirdt stinde auferstehen vom todt und ewigs leben 
haben? wer hat gemeinet, das der teuffel auch hoche leutte 
also verblenden solte? darumb last uns in furcht und zittern 
für Gott wandelen, dann er ists, der in und wirckhen mues 
beyd das wollen und das volbringen°); ohn ihn khönnen 
wir nichts guets thun. Job sagt cap. 199): ich weiß, das 
mein erlöser lebet und er wirdt mich hernach auß der erden 
aufferweckhen, und werde darnach mit diser meiner haut 
umbgeben werden und werde in meinem fleische Gott sehen: 
denselbigen werde ich mir sehen und meine augen werden 


!) Aus Luthers Katechismus. 
) V. 21. ) V. 3. 

) Luthers Katechismus. 

5 Philipp. 2, 13. 

*) V. 25. 


55 ö 55 


in schauen und khein frembder. Wer disen spruch vleissig 

erwiget, der sollt in verstehen, das stinde vill einanders sey, 
denn des menschen substanz oder wesen, nemblieh leib und 
geel; denn der glaubig mensch, wie Job ist gewesen, wirdt 
ganz aufferstehen, ohn alle stinde.. Wie khann dann die 
sünde sein substanz sein? denn das einer sagen wolt, Gott 
würde dem menschen, den er will seelig machen, ein neuen 
leib und seel machen, das ist nichts, weil hie Job’) sagt, 
das er eben in dem fleische, so er jetzt hab, Gott sehen 
werde, und wir glauben ein aufferstehung des fleisches, das 
wir ietzunder am halse tragen. 

Den dritten grundt zeigt uns das heillig gebet Vatter 
unser. Seint sie stinde, die also Gott anreden, so mues gott 
ein vatter der. sünden sein. Wolte einer sagen, weil sie 
wider geboren seint, so seint sie nicht sünde, so weisen 
wir denselbigen leib und seele, welche sie vor der wider- 
geburt gehabt; und der da spricht, vatter unser, der spricht 
auch, vergib und unser schuldt und David ps. 51: tilg ab 
meine missethat. Er bitt aber ie nicht, das er ihm sein 
substanz vertilge, das er nicht mehr ein mensch sey. Also 
sagt er, erlóse ünß vom übel, das ist freilich auch von der 
erbstinde, welche das allergroste übell und alles andern 
übels ein ursprunckh und quel ist. Soll nun die sünde von 
und abgesondert und wir dieselbigen menschen ohn stinde 
werden und bleiben, so muß ie sünde nicht des menschen 
substanz sein. Solchs folget auch auß der absolution, Item 
auß der tauff und abentmall des herren; denn ie die sünde 
nieht loßgesprochen wirdt, sondern der mensch von den 
sünden. So wirdt ie die sünde nicht getauffet noch mit 
dem leib und bluet unsers herrn ebristi gespeiset, das sie 
khrefftig sey und ewig lebe, sondern der mensch waschet 
seine sünde ab durch die tauffe, und tröst sein gewissen 
mit vergebung der stünden, sterkht sich am inwendigen 
menschen mit des herren christi leib und bluet. Auß dem 
allen erscheint khlerer als der mittag, das die menschliche 
substanz nicht selbst sei die erbsünde. So unß dann nun 
unser Norma veritatis ganz bleiben soll, nemblich der liebe 
Catechismus, müssen wir fürwar diesen irthumb verwerffen 
und verdammen und die besehreibung der erbsünde also 
lassen, wie sie in der Augsburgischen Confession und 
Schmalkhaldischen artickheln gesetzt wird °). 


1) 19, 26, nach dem Grundtext vielmehr: „Und ledig meines 
Fleisches werde ich Gott schauen.“ 


*) Von hier an eine andere Hand. 
(Schluß folgt.) 


— 0. fi]-————- - — - 


Eine noch unveröffentlichte Vorarbeit 

Luthers zu seiner Schrift: „Dass diese 

Worte Christi ‚das ist mein Leib‘ noch 
fest stehn.“ 


Von d. Buchwald. 


Die Lutherhandschrift, von der im Folgenden die Rede 
sein soll, ist Eigentum der Stadt Baden-Baden, wo sie seit 
1895 in den Stadtgeschichtlichen Sammlungen aufbewahrt wird. 

Vorbesitzer war der am 13. Dez. 1893 zu Baden-Baden 
verstorbene Musikdirektor a. D. Franz Pechatscheck!) aus 
dessen Nachlaß die Handschrift im Jahre 1895 in den Besitz 
der Stadt gelangte. Die früheren Schicksale des Dokuments 
kennen wir leider nicht; es isí namentlich auch unbekannt, 
wann und auf welchem Wege es in den Besitz des Pechatscheck 
gekommen ist. 

Nach ihrer Uebergabe an die Stadtgeschichtliohen 
Sammlungen wurde die Lutherhandschrift der Autographen- 
sammlung einverleibt, deren Neuordnung Ende 1919 durch 
den Konservator Dr. O. Schmitz zur genaueren Prüfung des 
wertvollen Stückes Anlaf gab. 


Ende Januar 1525 erschien der zweite Teil der Schrift 
Luthers ,Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern 
und Sakrament“ ), in der er ausführlich Sinn und Bedeutung 
der Schriftstellen, die vom Abendmahl handeln, erläutert. 


) Franz Willibald Schmidt, gen. Pechatscheck, geb. in Wien am 
1. April 1820, hatte sich anfangs der 70 er Jahre in Baden-Baden 
niedergelassen, wo er bis zu seinem Tode als Tonkünstler tätig war. 
9) Weim, Ausg. 18, 44. 


57 57 


Dabei wird Luther der Wunsch gekommen sein, auch die 
Meinungen der Alten tiber das Abendmahl festzustellen. In 
demselben Briefe (vom 2. Februar 1525), in dem er Nikolaus 
Hausmann von der Vollendung seiner Streitschrift berichtet, 
schreibt er: Negotium dedimus aliquibus nostrum eruditis, 
ut non modo, quid Tertullianus, sed omnes veteres de 
Sacramento isto senserint, colligendi, ut obstruatur os 
loquentium iniqua!. Noch besonders aber wurde Luther 
veranlaßt, sich mit den Aussagen der Väter über das Abend- 
mahl zu beschäftigen, durch Ökolampads Mitte September 
1525 erschienene Schrift De genuina verborum domini Hoc 
est corpus meum iuxta vetustissimos authores expositione 
liber’). Ökolampad behandelt hier die Aussagen von 
Augustin, Cyprian, Ambrosius, Chrysostomus, Basilius, 
Tertullian, Origenes, Ignatius, Irenäus, Cyrill, Hilarius, 
Gratian, Hieronymus. | 

Darauf geht Luther in seiner im April 1527 im Druck 
vollendeten Streitschrift: Daß diese Worte Christi „Das ist 
mein Leib“ noch fest stehen?) ein. „Am letzten wollen wir 
auch der veter sprüch ein oder zween handeln, zu besehen, 
wie sie D. Ecolampad bhandelt*).* Er beschäftigt sich 
insbesondere mit Augustin, Tertullian, Irenäus, Hilarius 
und Cyprian. | 

In der hier zum ersten Male mitgeteilten Niederschrift 
Luthers haben wir dessen Vorarbeit für Weim. Ausg. 229, 21 
bis S. 237, 7 vor uns. Luther setzt sich mit Ökolampads 
Aussagen tiber Irenäus°) auseinander. 


. Die drei Stellen aus Irenäus sind folgende: 


1. Lib. IV. 29. 4. (Gr. IV. 32)? — suis discipulis dans 
consilium, primitias Deo offerre ex suis creaturis, non quasi 
indigenti, sed ut ipsi nec infructuosi, nec ingrati sint, eum 
qui ex creatura est panis, accepit, et gratias egit, dicens: 
Hoc est meum corpus. Et calieem similiter, qui est ex ea 


1) Enders 5, 115. 

) Vgl. Weim. Ausg. 19, 447. 

*) Weim. Ausg. 28, 38 ff. 

) A. a. O. S. 209, 28. 

) De gennina expositione Bl. Giij a ff. 

©) Zitiert nach der Ausgabe von Harvey (Cantabr. 1857). 


58 | Er 58 


creatura, quae est secundum nos, suum sanguinem confessus 
est, et novi Testamenti novam docuit oblationem, quam 
Ecclesia ab Apostolis accipiens, in univero mundo offert 
Deo ei qui alimenta nobis praestat primitias suorum munerum. 

. 2. Lib. IV. 31. 3. (Gr. IV. 34): Quomodo autem constabit 
eis, eum panem, in quo gratiae actae sint, corpus esse 
Domini sui, et calicem sanguinis eius, si non ipsum fabricatoris 
mundi Filium dicant id est, Verbum eius, per quod lignum 
fructificat, et effluunt fontes, et terra dat primum quidem 
foenum, post deinde spicam, deinde plenum triticum in spica? 
Quomodo autem rursus dicant carnem in corruptionem devenire 
et non percipere vitam, quae a corpore Domini et sanguine 
alitur? — Quemadmodum enim qui est a terra panis, 
pereipiens invocationem Dei, iam non communis panis est, 
sed Eucharistiá ex duabus rebus consistens, terrena et 
coelesti: sic et corpora nostra pereipientia Eucharistiam iam 
` non sunt corruptibilia, spem resurrectionis habentia. 

3. Lib. V. 2. 1 (Gr. V. 2: Et quoniam membra eius 
sumus, et per creaturam nutrimur; creaturam autem ipse 
nobis praestat, solem suum oriri faciens et pluens, quem 
admodum vult, eum ealicem, qui est creatura, suum sanguinem, 
qui effusus est, ex quo auget nostrum sauguinem; et eum 
panem, qui est a ereatura, suum corpus confirmavit, ex quo 
nostra auget corpora. Quando ergo et mixtus calix et factus 
panis pereipit Verbum Dei, et fit Eucharistia sanguinis et 
eorporis Christi, ex quibus augetur et consistit carnis nostrae 
substantia; quomodo carnem negant capacem esse donationis 
Dei, quae est vita aeterna, quae sanguine et corpore Christi 
nutritur e£ membrum eius est? 

Zum Teil hat Luther diese Vorarbeit wörtlich in seine 
Schrift übernommen. Nur den ersten Spruch hat er unver- 
wertet gelassen, da das, was er darüber sagt, sich vornehm- 
lich gegen die Papisten richtet. 

Noch sei bemerkt, daß das Papier, das Luther benutzt 
hat, 31,4 em lang und 21 em breit ist und als Wasser- 
zeichen die Sehlange hat. | 

Unsere Handschrift bietet eine Ergänzung zu der dankens- 
werten Zusammenstellung der Originalhandschriften Luthers 
in ,Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation 
veröffentlicht von den Mitarbeitern der Weimarer Luther- 
ausgabe. Weimar 1917“. S. 256 ff. 


59 99 


Drey spruche stehen ym Ireneo, welche vom Sacrament / 
lauten, .. . schlecht von sich macht bose gedancken / kriegen) 


Der Erst Lib 4 cap 32, laut also 


Vnser Herr (gab) da er seinen iungern radgab, das 
eie von seinen ereaturn / solten erstlinge Gott optfern (nicht 
als durfft ers sondern auff das/sie nicht vn- 
fruchtbar noch.vndanekbar weren) Nam er das 
brod / welchs eine creatur ist, vnd danck vnd sprach, 
das ist mein leib / Desselbigen gleichen den kelch, 
welcher auch ist eine creatur vnsers dinges [vnsers dinges 
über (fur vns) /bekandte er das sein blut sey/ 
vnd lerete [lerete über (hat)] damit eine [damit über eine] 
new opffer ym newen testa / ment (damit gelert), Welchs 
die Christenheit von den Aposteln angenomen / hat, vnd 
opfert ynn der gantzen welt, Gott, der vns neeret, die 
erstlin / ge yhrer gaben, 

Dieser spruch (get? laut auffs erst, als sey die messe 
ein papisten opffer [papisten ü ber opffer], (vnd) das lassen / 
wir gleuben wer do wil. Wir gleubens nicht, vnd halten. 
das Ireneus / meynung sey, das brod vnd wein (das Chr) 
welche Christus ynn sein /fleisch vnd blut segenet, werde 
Gott also geopffert Nicht das ers bedurff / odder wir damit 
vergebung der sunden erlangen solten, wie die Papisten / 
yhre messe opffern, denn Ireneus streit an dem selbigen ort 
hart, /das gott nichts gebiete odder fodder von vns, als 
bedurfte ers, sondern / vmb vnser willen, das wir sollen vns 
danckbar vnd fruchtbar beweisen / wie seine eigen [eigen am 
Rande zugefügt] wort auch ynn diesem spruch da stehen 
Nicht als/duríft ers, Sondern das sie nicht 
vndanekbar noch vn/fruchtbar seyen, weil 
denn seine eigen wort stehen, mussen / wir den spruch 
auch naeh den selbigen seinen worten vnd nicht nach / 
vnsern gedanckn richten, Das opffern bey yhm nichts anders 
sein / kan denn (lere) Gott dancken durch das sacrament 
brods vnd weins / welchs doch Christus leib vnd blut ist, 
Denn er spricht, man opffere / odder dancke damit dem 
Gott der vns neeret, das ist, brod vnd wein / ist vnser 
speise von gott geben drumb opffert man es ym sacrament / 
zu(m) daneken unserm Gott der vns neeret, Wenn die 
Papisten auff / die weise das opffer liessen bleiben, das es 
pur zu dancken, (vnd als ein) / geschehe, so hette es nicht 
hadder, Aber nu machen sie ein solch werck / draus damit 
sie gott versunen vnd den hymel verdienen” vnd andern / 
erwerben / 

Item zum andern laut er, als sey das sacrament eitel 
brod vnd wein / weil er spricht, Christus habe die Jungern 


60 60 


gelert von den creaturn / opffern vnd das brod vnd der 
kelch seyen Creaturn / Aber hie / ist aber mal seinen eigen 
worten zu folgen, da er spricht, das Christus / habe das 
brod, welehs eine Creatur ist (vnd) nach dem er gedanckt 
bat / dasselbige brod, seinen leib genennet, vnd den selbigen 
kelch sein blut / bekennet / Denn da stehen aber mal seine 
wort durr vnd klerlich / [Seite 2] Calicem similiter 
sanguinem suum confessus est, Et (Pane) Gratias egit / 
dicens, hoc est meum corpus, Denn wir leucken nicht, das 
brod vnd / wein ym sacrament [ym sacrament am Rand e 
zugefügt] Creatur sind, aber gleichwol der leib vnd blut 
Christi, wie Ireneus / hie auch sagt Diesen spruch wird 
niemand anders mugen deuten / vnd ist der schwermer- 
geister glosen nichts, Denn er ist zu klar, / 


Der ander spruch lib 4 cap. 34 


Wie wollen sie wissen, das, das brod, daruber man 
danck, yhres herrn leib sey / vnd der kelch sein blut wenn 
sie nicht bekennen (den son des schepffers) / das er sey 
der son des schepffers der wellt? Diser spruch ist seer / 
starck vnd fest, Das ym sacrament Christus leib vnd blut 
sey Denn / er spricht Wenn (sie) die ketzer [die ketzer am 
Rande für (sie)] Christum nicht lassen Gotts son (seyn) 
vnd vnsern / herrn sein, so kennen sie viel weniger gleuben, 
das (g) das brod vnd / kelch sein leib vnd blut sey, also sey 
solehs von Christo geordent / vnd von den ketzern gehalten 
vnd sie doch [sie über doch] Christum nicht lassen herrn 
noch / Gotts son sein / 

Item Gleich wie das brod [corr a us bros] von der erden, 
wenn es (empfehet b» vberkomt / das nennen (d) von Gott, 
so ists nicht mehr (ge) schlicht brod, sondern / sacrament 
(vnd be) welches [welches t ber (vnd be)] steht ynn zweyen 
dingen, einem yrdischen vnd einem / hymlisschen Also auch 
wenn vnser leibe das sacrament empfahen / sind sie (al) 
alsdenn nicht mehr verweselich weil sie die hoffnung / der 
aufferstehung haben, / Hie spricht er, wenn Got das yr/ 
dissche brod nennet odder namen gibt, ists nicht mehr schlecht 
brod,/ wo nennet ers aber? Da er spricht, Das ist mein 
leib, da nennet / ers seinen leib(t) / Item das Sacrament 
bestehet ynn zwey dingen / yrdisschem vnd hymlisschen, 
/ Oecolampadius (sp) deutet das also / Die zwey ding sind 
brod vnd wort, Aber man heisst nicht verbum / res Ireneus 
spricht aber, duabus rebus constat Eucharistia, Vnd / 
Eucharistia constans illis duabus rebus [constans bis rebus 
am Rande zugefügt] fit vocatione dei [dei oben nach 
vocatione] ./. verbo, vt verbum sit efficiens Eucha / ristiam 
constantem duabus rebus celesti & terrena. Der spruch/ 


61 61 


steht auch gewaltig Item (ym) am (am über (ym)] selbigen 
ort, spricht Irenęus / Wie sagen sie, das, das fleisch musse 
vergehen, vnd muge das leben / nicht bekomen, So es doch vom 
leibe vnd blut des HErn gespeyset wird. / Da sihestu das 
ym sacrament Christus leib vnd blut ist, weil vnser / fleisch 
vom leib vnd blut Christi geneert wird, Das isí noch mehr 
/ gesagt, denn das wir leiblich Christus leib vnd blut ym 
sacrament essen / vnd trincken Die ketzer hielten, das alleine 
die seele selig wurde / der leib müste vergehen, daraufft 
sagt Ireneus, wie solt der leib nicht/ auch selig werden, 
geneusst er doch hie auff erden einer ewigen lebendigen / 
speise, das ist des leibs vnd bluts Christi? / 


[Seite 3] Der dritte spruch Lib. 5. cap 5. 

Gleich wie er auch den kelch (welcher ein creatur ist,) 
(se) bekennet, das/sein leib ist, durch welchen er unser 
leibe (mehret) stercket [stercket über (mehret)], Wenn nu / 
der eingeschencke kelch, vnd das gemachte brod (das) gotts 
wort. [wort gotts| (s0) bekomet / so wirds das sacrament 
des leibs vnd blats Christi Durch welche / vnsers leibs natur 
(wechst) zu nympt vnd erhalten wird Wie thuren / sie denn 
leucken, das der leib nicht solte (der gottlichen gaben gotts) / 
febig sein der gaben Gotts, welche ist das ewige leben, so 
er doch vom/leibe vnd blut (das her) Christi gemeeret 
wird vnd sein gelied ist / 

Hie sagt er ia auch durre eraus, Das vnser leib ge- 
mestet wird, dureh / den leib vnd blut Christi, ym sacrament 
empfangen, Welehs doch gar/ein vngehorte rede ist Zu 
vnsern Zeiten, Ja auch Za Augustius Zeiten / welcher spricht, 
Es sey eine speyse nicht fur den bauch, sondern fur / die- 
seele, Aber Gott hatt wollen Ireneum vnd seins gleichen so / 
grob (wollen) dauon reden lassen, auff das die zakünfltig\ 
ketzer musten / greiffen, wie die veter habens gewis gehalten, 
Das Christus leib / vnd blut leiblich wurde genomen ym 
sacrament, Denn freylich / der leib vnd blut Christi nicht 
verdawet wird ym bauch noch / den leib mestet, Aber gleich 
wol spricht Ireneus, das das brod / welchs eine Creatur ist 
vnd durchs wort gotts Christus leib wird / vnser narung sey 
vnd [vnser narung sey vnd am Rande zugefügt] So [So 
über (So)] wird der leib damit gespeyset, nicht allein mit 
dem brod natur /lich, sondern auch mit dem leibe Christi 
geistlich, also, das (der) vnser/leib solle unsterblich sein 
vnd werden, vmb des vnsterblichen leibs / Christi willen, den 
er Zu sich nympt vnd sampt dem brod isset,/ Das ist 
Ireneus meynunge, das geben seine wort gewaltiglich / 

Hierumb konnen vnd sollen vns die wort [reneus nicht 
yrren, da er / den kelch vnd brod Creatur nennet, (Abe) 


62 62 


Denn er unterscheidet 7 brod vnd keleh, wenn sie on Gotts 


wort sind, vnd wenn Gotts wort dazu kompt, On Gotts wort 


(spricht er) (spricht er) am Rande zugefügt] ists schlecht 
brod, Aber durch gotts/ wort, wirds Christus leib, Er gibt 
Gotts wort die allmechtickeit / (wie billich) denn Gen primo 
(da) alle ding von yhn selbs nichts / waren, Als aber Gotts 
wort dazu kam vnd sprach, Es sey liecht ıc. / da war es 
so bald liecht, wie das wort laut, Also hie auch, ehe / denn 
Gotts wort (dazu k) da ist, so ists schlecht brod, Aber 
wenn /das wort (da) Gotts dazu kompt vnd spricht, das ist 
mein leib, so ists / also bald sein leib, denn solch wort ist 
nicht vnser wort, das wir /sprechen, sondern Gotts wort, 
vnd Gott sprichts durch vns, .Denn / wir habens nicht erdacht 
noch erfunden, sondern ist vns von yhm befolhen / 


Der Prozeß des Johannes Pollicarius. 
Von Otto Clemen. 


Zu den zahlreichen Korrespondenten des Zwickauer 
Hektors Christian Daum!) gehürt Jakob Thomasius, der Vater 
des Christian Th., 1650 Konrektor, 1670 Rektor der Nikolai- 
schule in Leipzig, daneben Universitátsprofessor?). 53 Original- 
briefe von ihm an Daum befinden sieh in des letzteren 
Briefsammlung auf der Zwickauer Ratsschulbibliothek; dazu 
kommen Daums Antworten in dessen Konzeptbüchern. Die 
in flüssigem und durchsichtigem, nur manchmal etwas künst- 
lichem Latein abgefaBten Briefe gewühren eine anziehende 
Lektüre, und es macht Spaß, zu verfolgen, wie die beiden 
Gelehrten sich mit grammatisch-lexikalischen und literar- 
historischen Fragen bombardieren und sich gegenseitig auf 
allerlei in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam machen, 
was den anderen interessieren könnte, — mitunter freilich 
scheinbar nur zu dem Zwecke, dem anderen mit den eigenen 
ausgebreiteten Kenntnissen zu imponieren. So weist z. B. 
Thomasius einmal. (10. Juni 1653) den Zwickauer Rektor auf 
einen „Johannes Pollicarius Cygneus^ hin, ,cuius extat 
historia de vita Lutheri", und fragt jenen, ob dieser Polli- 
carius — das ist ja die Latinisierung von „Daum“ — ein 
Verwandter von ihm wäre. Daum beeilt sich, zu antworten: 
(29. Juni 1653): ,Polliearius ille Cygneus, pastor Weißen- 
felsensis“, babe nicht nur eine vita Lutheri verfaßt, sondern 
habe sich auch in deutscher Sprache gegen den Naumburger 


1) Vgl. sein von R. Beck gezeichnetes Lebensbild in den Mit- 
teilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend, Heft 3, 
Zwickau 1891, S. 1ff. 

1) Vgl. Beck, M. Christian Daums Beziehungen zur Leipziger 
gelehrten Welt wührend der sechziger Jahre des 17. Jahrh., 9. Teil, 
Zwiekauer Gymnasialprogramm 1894, S. 1ff. 


64 64 


Bischof Julius von Pflug schriftstellerisch betätigt, er sei aber 
nur weitläufig mit ihm verwandt: ,fuit vel propatrui mei 
vel abpatrui filius“ ). 

Zu den beiden Briefstellen macht sich ein kleiner Kom- 
mentar nötig. Daß Pollicarius eine Lutherbiographie ver- 
faßt babe, ist ein Irrtum beider Gelehrten. P. hat nur unter 
dem Titel „Historia de vita et actis reverendissimi viri 
D. Mart. Lutheri^ Melanchthons bekannte Vorrede zu dem 
„Tom. Il omnium operum M. Lutheri“ herausgegeben und 
„Carmina quaedam de beneficiis, quae Deus per Lutherum 
orbi terrarum contulit. Item disticha aliquot de actis Lutheri“ 
beigeftigt. Das Werkchen erschien erstmalig 1548 bei Ger- 
vasius Stürmer in Erfurt?). Voraus geht eine Widmung an 
Fürst Georg von Anhalt vom 20. Okt. 1547. Das Auftreten 
des Pollicarius gegen Pflug, auf das Daum Bezug nimmt, 
fällt ins Jahr 1557. Zuerst erschien von ihm folgende 
Schrift: Antwort / Auff das vergiffte büch / des Bischoffs 
zů Naumburg, welchs erst / lich blind, hernachmals aber 
vnder seinem na-/ men, zü Erffurd im offentlichen truck 
ist auß / gangen, wider vnsere Lehr vnd / Kirchen. / Durch 
. / Johannem Pollicarium, Pre- / diger zů WeissenfelB. /... 
Getruckt zů Straßburg / durch Samuel Emmel. / M.D.LVII.*) / 
Von Pflugs Schrift, die Pollicarius auf den Plan rief, besitzt 
die Zwickauer Ratsschulbibliothek folgenden Druck: Christ- 
liche er- /innerung vn ermanung Herrn Julij, Bisch- / offen 
zur Naumburgk: / an sein Volck*). / Als dann in Mainz 
„unter dem Namen Martini Venatorii“ eine Verteidigung jenes 
Hirtenbriefs erschien, erließ Pollicarius folgende Entgegnung: 
Von der Kirchen / Wider die zwey Bücher, des Bischoffs / 
z;ür Naumburg, vn Martini Venatorij, zu / Mentz vnd Erffurd 
im Truck außgangen, / wider vnsere Lehr vnnd / Kirchen, ꝛc. / 
Andere Antwort. / Magistri Johannis Pollicarij, Predigers / 


1) Beck, Daums Beziehungen 3. 14. 

n Ex. Zw. RSB. 11, 9. 44. Vgl. Karl Hartfelder, Philipp 
Melanchthon als Praeceptor Germaniae, Berlin 1899, S. 604 Nr. 480; 
Christof Schubart, Die Berichte über Luthers Tod und Begrübnis, 
Weimar 1917, S. 92f, 132. 

*; Zw. RSB. 8. 6. 6,. 

) Zw. RSB. 9. 6. 5,. 


zů Weissenfelß, im Churfürstenthumb / Sachssen. /. . Gedruckt 
zů Straßburg, bey Samuel Emmel, im Jar / M. D. LVIIY. 7 
Zum Schluß Abdruck eines Abschnitts aus Luthers „Wider 
Hans Worst“ 1541, der 1543 fl. unter dem Titel „Von der 
alten, rechten Kirchen, was, wo u. wer sie sei a. warbei man 
sie erkennen soll“ u. „Von der neuen, falschen Kirchen.“ 
erschienen ist?). 

Unter den Druckschriften des Polliearius ist noch manches 
interessante Stück. Ein Zeugnis von ungewöhnlicher Ver- 
trautheit mit den altklassischen Autoren ist seine Ausgabe 
der Declamatio des Zacharias Lilius von Vicenza?) de fuga- 
citate, miseria ef inconstantia vitae et omnium rerum hu- 
manarum mit zwei Anhängen: Eiusdem generis aliquot 
sapientum apophthegmata et Errıypduuara Graeca una cum 
interpretatione Latina, erschienen 1553 bei Georg Hautzsch 
in Leipzig‘), Voraus geht ein Widmungsschreiben an den 
kursüchsischen Kanzler Hieronymus Kiesewetter vom 3. Juni 
1553. Pollicarius bittet darin den Kanzler, einstweilen mit 
dieser Schrift verlieb zu nehmen, bis er ein großes auf 
fünf Bände berechnetes Geschichtswerk, an dem er seit fünf 
Jahren arbeite, vollendet habe. Noch erstaunlicher ist der 
Sammelfleid und die Vertrautheit mit der Bibel und den 
Vätern, die Pollicarius in folgender 1560 gleichfalls bei 
Hantzsch erschienenen Schrift offenbart: ENCHIRI DION. / 
Von den vor- / nemesten Stücken vnd Ar- / tickeln Christ- 
licher Lahr, grund / vnd beweis, aus heiliger Schrifft, / 
vnd den alten bewerten Patri- / bus vnd Concilien, ... Der 
Verfasser hat sie dem Rate seiner Vaterstadt gewidmet; das 
sehr schön gebundene Dedikationsexemplar verwahrt die 
Ratsschulbibliothek ). Pollicarius hat auch ein Gesangbuchs- 
lied gedichtet: Ein naw andechtigs Lied vom ende der Welt 


1) Zw. RSB. 8. 6. 6,. 

2) Vgl. W. A. 51, 466, wo aber die Bezugnahme auf obige Ver- 
öffentlichung des Pollicarius fehlt. 

3) Vgl. über ihn Hurter, Nomenclator literarius theologiae 
catholicae t. II, Oeniponte 1906, col. l061sq. Hier wird von diesem 
Regularkanoniker nur angeführt: Breviarium orbis, Florenz 1493. 

*) Zw. RSB. 6. 10. 49, = 17. 9. 35,. 

5 1. 7. 1. 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII I. 5 


66 66 


vnd Jüngsten tage, Vnd wie die Gotlosen sollen doran ge- 
strafft werden,...in dem er tiber die sittlichen Schäden 
der Zeit klagt und immer wieder mit dem Refrain schlieBt: 
Wenn will ein end draus werden?!) Wir können uns jedoch 
hier nicht weiter mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit?) 
befassen — sein Erstlingswerk wird unten noch zu erwähnen 
sein —, sondern müssen zu der Korrespondenz Thomasius- 
Daum zurückkehren. 

Ogleich Daum für den Sohn seines Urgroßonkels kein 
sonderliches Interesse bekundet hatte, behielt Thomasius den 
Weißenfelser Pastor weiter im Auge und übersandte zunächst 
am 4. Oktober 1653 dem Zwickauer Freunde einiges Quellen- 
material über seinen Ahnen. Darunter befand sich eine 
Beichte, die Pollicarius am 26. Juli 1569 abgelegt hat und 
die uns unten noch beschäftigen wird. Am 17. Dez. 1653 
trug Thomasius dazu noch nach, daß diese confessio, die er 
aus einer Handschrift abgeschrieben hütte, im zweiten Teile 
der , Trostsprüche* des Nikolaus Selnecker gedruckt stände, 
„sed dempto Polliearii nomine". Die Abschrift und die 
übrigen Notizen von der Hand des Thomasius sind jetzt in 
der Daumschen Briefsammlung nicht zu finden, jedoch ist 
der Verlust nicht weiter schmerzlich, da außer dem Abdruck 


) Wackernagel, Bibliographie zur Geschichte des deutschen 
Kirchenliedes, Frankfurt a. M. 1855, Nr. 748. Das Lied des Pollicarius 
ist abgedruckt bei Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied 3, 
Leipzig 1870, Nr. 1257. 

*) Vgl. Rolermund, Fortsetzung und Ergänzungen zu Jöchers 
Allgemeinem Gelehrtenlexikon 10, Bremen 1819, Sp. 532 und Gödeke, 
Grundriß 2*, 190f. 98. — Der libellus egi owuooívnc a pastore 
Leucopetraeo scriptus, den Melanchthon am 6. April 1552 nach Nürn- 
berg schickt (CR 7,977), ist des Pollicarius. „Antwort auf das Buch 
Osiandri von der Rechtfertigung des Menschen", erschienen bei Veit 
Creutzer in Wittenberg (Bibliothek K. F. Knaake Abt. 8 — Oswald 
Weigel, Leipzig, Auktionskatalog N. F. 6 Nr. 858; W. Möller, Andreas 
Osiander, Elberfeld 1870, S. 491). — Über Übersetzungen Brenzscher 
Schriften von P. vgl. P. Flemming in der Zeitschrift des Vereins f. 
Kirchengesch. der Provinz Schsen 16, 11 Anm. Eine Schulpredigt des 
Joh. Mathesius („Von der schule Elise, des großen Propheten Gottes, II, 
Regum III... .“; Zw. RSB. 20. 7. 11) hat P. 1560 bei Georg Hantzsch in 
Weißenfels erscheinen lassen (Georg Loesche, Johannes Mathesius 2, 
Gotha 1895, S. 395 Nr. XIV 1). 


67 67 


bei Selnecker noch ein zweiter Abdruck der confessio vor- 
liegt und ein späteres Schreiben in der Daumschen Brief- 
sammlung für die übrigen verloren gegangenen Notizen reich- 
lich Ersatz bietet, Thomasius suchte nämlich auch noch 
spüter Daum bei dessen genealogischen Studien gefüllig zu 
sein und bat Christian Weise, den nachmaligen Zwickauer 
Rektor und bekannten Püdagogen und Dramatiker, als dieser 
Professor für Politik, Eloquenz und Poesie am Weißenfelser 
Gymnasium Augusteum geworden war!) nach dem einstigen 
dortigen Superintendenten archivalische Nachforschungen an- 
zustellen. Weise, der nicht wußte, daß Thomasius diese 
Anfrage Daum zuliebe an ihn gerichtet hatte, antwortete 
zunächst kurz, vertiefte sich aber dann in die Akten und 
teilte das wichtigste daraus Daum unterm 3. Aug. 1676 mit. 
Dieses Stück, die Hauptquelle für die interessanteste Episode 
aus dem Leben des Pollicarius, da er vielleicht gar nicht so 
schlimme sittlicheVerfehlangen mit unverhältnismäßigschwerer 
und langer Kerkerhaft büßen mußte, ist im Anhang abgedruckt. 
Ehe wir jedoch auf diese mit dem Jahre 1569 einsetzende 
Episode eingehen, müssen wir einfügen, was sich tiber die 
vorausgehenden Lebensschicksale des Pollicarius ermitteln läßt. 

Er wird 1524 geboren sein °). Im Winter 1542 wurde 
er in Leipzig, am 21. Jan. 1545 in Wittenberg immatrikuliert; 
am 1. Sept. 1545 wurde er hier magister artium. Zwischen 
seiner Leipziger und Wittenberger Studentenzeit war er an 
der Schule in Rochlitz tätig. Wir besitzen nämlich eine 
1544 bei Joh. Oporinus in Basel erschienene Schrift von ihm: 
De recta et ordinata vocum compositione libri IIL Joannis 
Polliearii Cygnaei opera in studiosorum gratiam collecti 
nuneque primum in lucem editi*). Das an den Zwickauer 
Bürgermeister Oswald Lasan gerichtete Widmungsschreiben 
ist datiert: Rochlieii ex schola nostra 1544 in ipsis feriis 
Johannis Baptistae, hoc est VIII idus Junij (24. Juni). Der 
Verfasser bezeichnet sieh darin als Schüler des Petrus Pla- 
teanus und des Joachim Camerarius; er wird also auf dem 


2) Vgl. über Weise ADB 41, 593 fl. 
2) In der bei Flemming a. a. O. zitierten Vorrede von 1584 
schreibt er: ,Meins Alters im 60.* l 


3) Zw. RSB. 4. 10. 18,. 
bs 


68 68 


Zwickauer Gymnasium, das unter dem Rektorate des Plateanus 
seine höchste Blüte erreichte !), für die Leipziger Universität 
vorgebildet worden sein. Gleich nach seiner Magisterpromotion 
richtete er an Antonius Musa, Superintendenten in Merseburg, 
ein Gesuch um Anstellung in dessen Ephorie; Musa gab das 
Gesuch unterm 20. Sept. 1545 an Fürst Georg von Anhalt, 
den neugeweihten Bischof, weiter °); am 20. Dez. wurde er 
von diesem für das Diakonat in Laucha (Ephorie Freiburg 
an der Unstrut) ordiniert®). Von hier siedelte er bald als 
Diakonus nach Weißenfels über. Schon am Schlusse des 
oben erwähnten Widmungsschreibens an Fürst Georg vom 
20. Okt. 1547 nennt er sich „apud Weisenfelsenses verbi 
Dei minister“. Desgleichen erscheint er in einer mir un- 
bekannt gebliebenen Druckschrift mit Vorrede vom 16. Jan. 1548 
(„Etzliche Bußpredigten Brentii verdeutschet“) als „Prediger 
zu Weißenfels“). Hiermit ist schwer zu vereinigen, daß er 
unterm 6. Mai 1548 eine Vorladung vor das Merseburger 
Konsistorium erhielt, „weil er das Pastorat von Querfurt 
aufgegeben habe und das Diakonat von Weißenfels, über 
das er vorher so oft wegen der vielen Arbeit und des ge- 
ringen Einkommens Klage geführt hatte, wiederzubekommen 
wünsche“. 5) | 

Auch tiber der weiteren geistlichen Laufbahn des Polli- 
carius liegt ein Schleier. Nach dem Weißenfelser Chronisten 
Heydenreich®) wurde er am 24. März 1561 vom Kurfürst 


) Herzog, Gesch. des Zwickauer Gymnasiums, Zwickau 1869, 
S.8.17.76f. E. Fabian, M. Petrus Plateauus, Zwickauer Gymnasial- 
programm 1878, S. 8ff, 

9) O. Clemen, Archiv für Reformationsgesch. 9, 49. Musa schreibt 
ausdrücklich: „Est doctas et bonus, sed in ministerio Euangelioo 
hactenus non est versatus, quare nihil gravaretur diaconi vices 
interim subire.^ Schon hieraus folgt, daB er nicht schon 1540 Pfarrer 
zu St. Afra in Meißen gewesen sein kann, wie Kreyßig, Album der 
evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen?*, Crim- 
mitschau 1898, 8. 3 meint. 

) Flemming a. a. O. S. 10, 

*) Flemming 8. 11 Anm. 

5) Ebd. 

*) G. H. Heydenreich, Kirchen- und Schulchronik der Stadt 
und Ephorie Weißenfels seit 1539, Weißenfels 1810, S. 167. 


69 69 


August zum Superintendenten von Weißenfels und Freiburg 
bestellt. Dem widerspricht, daß er sich schon im Titel der 
oben erwähnten, wohl im März 1552 erschienen „Antwort 
auf das Buch Osiandri^ Pfarrer und Superintendent zu 
Weißenfels nennt. Dagegen stimmt zu Heydenreichs Angabe 
ein Brief des Pollicarius vom 2. Juli 1555, adressiert: „Jacobo 
Wigando, Pastori ac Superintendenti Weißenfelsensi“, in dem 
er diesem einen Verwandten ftir das Pfarramt in Weischütz 
(Ephorie Freiburg) empfiehlt!) Auffällig ist nun aber wieder 
an dem Briefe, daB er datiert ist: ,Fryburgi ...* War 
Polliearius vertretungsweise oder sonst vorübergehend dort 
tätig? In Verüffentlichungen von 1554 (Historia von der 
Himmelfahrt unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, Vor- 
rede vom 19. Nov. 1553) 2), 1556 (Trostspiegel der armen 
Stinder, Vorrede vom 12. April 1556)*), den Streitschriften 
gegen Pflug von 1557 und der Ausgabe von Mathesius’ 
Sehulpredigt von 1560 (s. o. nennt er sich einfach, wie 
schon 1548, darum freilich vom Merseburger Konsistorium 
zur Rede gestellt, „Prediger zu Weißenfels“. 

Sicher war er Superintendent, als er wegen ärgerlichen 
Lebenswandels abgesetzt und am 23. Sept. 1568 auf das 
Weißenfelser Schloß abgeführt wurde. Wir folgen nun den 
Nachrichten, die wir Christian Weise verdanken. Als er 
sich weigerte, Ángaben über den Verkehr mit einer Dirne, 
die er aus Furcht vor der Tortur getan hatte, zu wieder- 
holen, befahl Kurfürst August unterm 4. Mai 1569 dem 
Hauptmann, ihn einmauern zu lassen, bis er verhungere. 
Weise meint, das Gebot sei nicht ernst gemeint“), sondern 
darauf berechnet gewesen, Pollicarius zu erschrecken und das 
Schuldbekenntnis, das man von ihm hören wollte, aus ihm 
herauszupressen; der Hauptmann habe die Nebeninstruktion 
erhalten, den Pollicarius, wenn er die Aussage verweigere, 
in einem unterirdischen Gefüngnis bei Wasser und Brot fest- 


1) Enders, Beiträge zur bayerischen Kirchengesch. 3, 146f. 
) Zw. RSB. 12. 6. 19,. 
3) Zw. RSB. 36. 8. 14,. 
' 4) Bei der Grausamkeit, die „Vater August“ gegen Peucer, 
Cracow, ferner gegen Wilddiebe betätigt hat, wäre ihm dies aber doch 
zuzutrauen! 


10 10 


zuhalten. Dieser Fall trat ein, und Pollicarius wurde in 
eine finstere, feuchte Hóhle, neun Ellen unter dem Erdboden, 
geworfen. Am 26. Juli wurde er vorübergehend daraus be- 
freit, beichtete in einer Stube des Schlosses den beiden 
Diakonen Augustin Jonas!) und Georg Lysthenius?) und 
empfing darauf die Absolution und das heilige Abendmahl. 
Aber erst 1570 wurde ihm eine etwas mildere Behandlung 
zu teil, und erst am 22. Sept. 1573 verfügte der Kurfürst, 
daß er in ein helles Gemach überführt wurde, wo er lesen 
und meditieren konnte. Seine volle Freiheit erlangte er 
erst 1578 wieder. 

Die confessio des Pollicarius vom 26. Juli 1569 ist außer 
bei Selnecker*) abgedruckt in der „Fortgesetzten Sammlung von 
Alten und Neuen Theologischen Sachen“ 1728, S. 506 —21. 
Lysthenius hat diesen Bericht als „Beichtvater der Frau 
Äbtissin in Weißenfels“ für dieselbe aufgesetzt. Es ist das 
eben die Schwester des Kurfürsten August Sidonia, die mit 
Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg vermählt ge- 
wesen war, auf deren Fürsprache Weise die Milderung in 
dem Verfahren gegen Pollicarias zurückführt. Die beiden 
Diakonen trafen den Unglücklichen in einem ganz elenden 
Zustand: „Da wir denn beyde einen anderen Pollicarium an 
Form und Gestalt mit aufgelaufenem Leibe, als ob er wasser- 
süchtig wäre, auf der rechten Seite ineinandergewachsen und 
gekrümmet, darza verdorret und gar vermattet gefunden.“ 
Und Polliearius selbst schilderte seine Lage: „und obwohl dieser 
mein armer, nichtiger, ausgehungerter, verdorreter, krummer 

) Vgl. über ihn Flemmiug 3.20. Er wurde 1574 Superintendent 
von Weißenfels (Polliearius Nachfolger?), starb aber schon 1575. 

) Vgl. über ihn ADB. 18, 778; Kreißig S. 122. Er wurde 1572 
Superintendent in Liebenwerda, 1573 Hofprediger in Dresden, 1587 
Superintendent in Weißenfels und starb 1596. 

*) Christliche, / Vnd / Sehr Schöne / Trostsprüche, vor engstige, / 
betrübte, vnd verfolgte Christen: /.. . In Leypzig, bey Johan. Beyer. 
1593 / 2. Teil 8. 185—201: „Confessio cuiusdam captivi pastoris ex 
earcete ad absolutionem et communionem accedentis et multis lacrymis 
effusis ita loquentis.^ — Herausgeber der „Trostsprüche“ ist Nikolaus 
Selneckere Sohn Georg, Superintendent in Delitzsch, In der Vorrede 
erwähnt dieser, daß sein Vater den 2. Teil als Flüchtling „in seinem 


dazumal mühseligen Zustande Anno 90 im Kloster Berga vor Magde- 
burg colligiert^ habe. 


71 71 


und vermatteter Leib ... unter die Erden gesteckt, den giftigen 
Würmern, Schlangen und Kröten zur Speise an einer Ketten 
vorgelegt wurde, denn, lieben Brüder, ich hange mit meinem 
Bein an einer Eisenfessel, da setzen mir die giftigen Würmer 
sehr zu, muß mich immer mit ihnen schlagen.. — Aber 
fleischlicher Sünden bekannte er sich nicht schuldig, sondern 
beklagte nur den „verdammten schrecklichen Saufteufel“, 
der ihn „dazu bracht“ hätte. 

Ruft schon diese confessio unser Mitgefühl wach, so erst 
recht noch ein zweites Aktenstück, das uns im Wortlaut 
bekannt geworden ist') Es ist ein Gnadengesuch, das der 
gleichnamige Sohn des Johannes Pollicarius für seinen Vater, 
bald nachdem dieser jene Beichte abgelegt hatte, an die 
Kurfürstin Anna gerichtet hat. Der Bittsteller trügt hier 
zunüchst über seine Personalien folgendes vor: Er habe sich 
vor ungefähr vier Jahren von seinem Vater getrennt und sich 
erstlich nach Rostock auf die Universität zum Studio be- 
geben, hernachmals sei er nach Kopenhagen gezogen und, 
nachdem er dort auch eine Zeit lang studiert, habe er einem 
Rufe auf die dänische Insel Fehmarn Folge geleistet und 
allda Schule und Kirche gedient. Vor kurzem sei nun sein 
jüngerer Bruder zu ihm gekommen mit der Botschaft, daß 
ibr Vater ,in einem thurm vormauert, an eine ketten ge- 
schlossen und den dag nicht sehen kan, ihm auch nicht 
mehr des dages den auf einmal ein wenig trucken brod und 
eine kandel wassers tzur speise und tranck gereichet wurde“. 
Er sei sofort nach Weißenfels abgereist und habe dort die 
Lage seines Vaters noch schlimmer gefunden, als sie ihm 
gemeldet worden sei. Er habe gar nicht zu ihm vordringen, 
kein Wort mit ihm reden können; an dem alten Manne sei 
nicht mehr als Haut und Bein zu sehn, tags und nachts 
müsse er sich mit Schlangen, Kröten und Ratten herum- 
schlagen, „wie mich die leute berichtet, die ihnen gesehen, 
da er seine confessionem oder bekentnus gedan.“ Der Bitt- 
steller fleht nun um Gnade für den alten Vater und schließt 
— ein rührendes Zeugnis opferwilliger Kindesliebe — mit 
dem Erbieten: „so will ich selbest zu erledigung meines 


— — mm 


) Th. Distel, ZKG. 11, 167ff. 


72 ) 72 


armen vaters, da er es verwirket haben sollte, mein leben 
lassen und, so er keine gnade erlangen mag, mich an seine 
stadt, darmit er entlediget, stellen.“ 

Der Bittsteller ist sicher identisch mit dem in Weises 
Briefe erwähnten ältern Sohne Johannes, von dem es dort 
heißt: in causa parentis fuif occupatissimus, zugleich auch 
mit dem ebenda begegnenden angeblich dritten namenlosen 
Sohne, der ecclesiastes in Dania gewesen sein soll. Daß 
Johannes Polliearius iunior Geistlieber in Guhrau in Schlesien 
gewesen sei, ist dagegen wohl eine Verwechslung Weises 
mit einem aus Schlesien stammenden Magister Daumius, von 
dem Thomasius am 10. Juni 1653 an Daum schreibt, daß er 
ihn vor zwölf Jahren in Wittenberg kennen gelernt habe. 

Ganz dunkel sind die Lebensausgünge des einstigen 
Weißenfelser Superintendenten. Einer Nachricht zufolge 
erhielt er nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis aus 
Kommiseration und zur Pönitenz die Pfarre Markwerben !). 
Aus der Vorrede an den Rat zu Regensburg von 1584 zu 
einer mir nicht vorliegenden Druckschrift von ihm von 1586 
(„Zwo erschreckliche Historien erklärt durch Brentium und 
hirnach verdeudschet") scheint sich zu ergeben, daß er 1584 
als exul in Regensburg weilte?). Vielleicht ist er 1588 über 
Rostock nach Kurland gereist, dort Hofprediger der Herzogin- 
witwe Anna geworden und in diesem Amte in hohem Alter 
gestorben). 

Polliearium Weißenfelsensem quod attinet, equidem 
memini Thomasium ex me quaerere, num aliqua mihi de 


viro essent cognita. Sed nesciens talia quaeri in gratiam 
elarissimi viri et tum respondi brevius et in posterum ne 


1) Tob. Schmidt, Chronica Cygnea, Zwickau 1656, S. 484. 

9) Flemming S. 11 Anm. 

*) Davidis Chytraei epistolae, Hanoviae 1614, S.824 (vgl. 
Joachim Feller, Cygni quasimodogeniti, Lipsiae 1686, Fol. C 2a): 
Chytráus an Jeremias Homberger aus Graz, damals in Regensburg 
(wo P. 1584 als exul weilte!), Rostock 22. Sept. 1588: ,Misi in Cur- 
landiam Joh. Pollicarium senem, qui casu ad nos venit, cnm ante 
30 annos Weisenfelsae in Misnia Superintendens fuisset" — Nach 
Theodor Kallmeyer, Die evangelischen Kirchen und Prediger Kur- 
lands, 2. Ausg. v. G. Otto, Riga 1910, S. 576 wurde hier M. Joh. Poll. 
aus Weißenfels, der seit 1567 in Rostock studiert hatte, Hofprediger 


73 73 


quidem fui solicitus, ut accuratiora cognoscerem. Nune, quae 
ex archivo Praefecturae nostrae excerpere potui, hic habe. 
D. 23. Sept. 1568 in custodiam arcis WeiBenfelsensis (quae 
nunc plane aliam induit faciem) missus est. Postea ef pla- 
cide et rigide, fallor? et per torturam de criminibus fuit 
examinatus. Cum autem fateretur quidem se eum tribus 
ancillis, quo tempore fuisset viduus, imo post repetitas nup- 
fias, rem habuisse, quarum una pulchrae Lenae s. Magda- 
lenae, ut arbitror, nomine fuerat celebris, neque tamen, quod 
ob metum torturae affirmaverat, confirmare vellet, se cum 
Lena, quamdiu habuisset maritum, consuevisse, d. 4. Maji 1569 
rescripsit Elector ut muro undique clauderetur, donee fame 
periret. Monitus -interim Praefectus est, talia saltem esse 
seripta in terrorem, ut promptiorem ederet confessionem: 
quod si tamen perseveraret negare, mitteret eum in carcerem 
subterraneum, ibidemque tenui pane et aqua sustentaret. 
Ita coniectus in speluncam novem ulnas profundam cum 
tenebris, cum tentationibus Diabolieis, imo cum lacertis et 
serpentibus est conflietatus. Extractus inde d. 26. Julii 
eiusdem anni, antequam in conclavi arcis sacram indipis- 
ceretur synaxin, confessionem edidit plane singularem, cuius 
copiam a Thomasio tibi factam suspicor. Sed remissus est 
in eustodiam, donec 1570 mansuetiori carceri traderetur, ubi 
tamen lueis usura nondum frui potuit. D. 22. Sept. 1573 
Eleetori demum placuit, ut in lucido conclavi detineretur, 
ubi leetionibus et meditationibus indulgere sine impedimento 
posset. Quo anno fuerit liberatus, in actis non invenio: colligo 
tamen ex circumstantiis infra exponendis faetum 1578. Liberos 
ex priori matrimonio habuit plures. In actis nominantur 
Johannes et Philippus. Johannes postea Magister factus 
functionem Ecclesiasticam Gurae in Silesia impetravit ac in 
eausa Parentis fuit oeccupatissimus. Aliquis etiam dieitur 
Praedicans s. Eeclesiastes in Dania, euius nomen non additur. 
Filiam habuisse inde constat, quod Pastor Karsdorfensis 
eiusdem gener audit. Altera uxor Agnes Mackenrodia 
Franckenhusensis, ut auguror, paulo ante captivitatem ei 
nupsit. Primum enim in vincula coniectus ad lectorem 
scribit Pollicarius gravidam prima vice esse uxorem. Sororem 
ea habuit Pauli Mtüldneri Civis Weissenfelsensis uxorem, qui 


der Herzoginwitwe Anna und war als solcher am 5. u. 6. Nov. 1590 
nebst mehreren anderen kurlündischen Pastoren als geistlicher Richter 
in einem Injurienprozeß auf dem Mitauer Schlosse tätig. Steht die 
Identifizierung des Hofpredigers mit dem Rostocker Studenten quellen- 
müfig fest, dann würe Joh, Pollicarius jun. gemeint, und der Vater 
wäre wohl nur zum Besuche des Sohnes 1588 von Rostock nach Kur- 
land gereist. 


74 T4 


cum Pollicario gravissimas ac atrocissimas habuit contro- 
versias. Ipsa Agnes maritum e custodia dimissum sequi 
noluit eumque in finem e Consistorio Lipsiensi 1578 saepius 
admonita tandem e civitate fuit eiecta. Johannes privignus 
novercae objicit scelera turpissima, consuescere ipsam cum 
juvenibus, ef esse Sartorem, cui quasi maritalem benevo- 
lentiam concederet, unde factum, ut 1579 in exilium missa 
poenas malitiae dederit. Pollicarius senior in libertatem 
redaetus dicitur in popina quadam Martisburgensi ad cantum 
fidieinis ancillas in choream protraxisse, ne quid addam 
amplius. Sed quantum conjicio, fabulae a Muldenero, pessi- 
maque et perfida uxore traxerunt originem. Si enim vel 
maxime proclivis ad libidinem fuisset animus, certe senem 
tot malis et miseriis fractum tam subito rediisse ad castra 
eupidinis vix est probabile. Alii referunt eum, in dicendi 
suavitate incomparabilem, in Churlandia denuo ad cathedram 
Ecelesiasticam fuisse promotum. At sicut de loco certi nihil 
habeo, sie, quousque talia eredi debeant, non video ... 

Iam scripseram literas, ubi amicus antiquitatum Weissen- 
felsensium callentissimus refert Pollicarium ad perpetuos 
earceres destinatum intereessione Sidoniae fuisse liberatum. 
Fuit ea Augusti Electoris soror ac Erico juniori Duci Brunsvic. 
nupta; quod decem annis maritum aetate superaret!) ab 
eodem contempta in coenobio Weissenfelsensi vixit. Sed 
ista iam d. 5. Jan. 1575 diem obiit, ut exinde brevior in- 
carcerationis terminus videatur ponendus. Antea enim augu- 
rabar pene completum fuisse decennium. Sane Acta tempo- 
ribus bellicis nimium mutilata dubium non solvunt. Forte 
etiam Sidonia 1573 impetravit molliorem custodiam. 


t) Sidonia geb. 8. März 1518, Erich 10. Aug. 1528. 


Mitteilungen. 


— —]nn 


Aus Zeitschriften ^. 
(Schluß von Heft 68). 


Beiträge zur Geschichte Kurfürst Friedrichs II von der 
Pfalz (1544—1556) gibt A. Hasenolever in ZGOberrh. NF. 35, 8 
S. 278—812. Im ersten verfolgt er an der Hand der gedruckten 
Auszüge aus den Ordensprotokollen Friedrichs Stellung als Ritter des 
Goldenen Vließes uud zeigt, daß der Pfälzer sich nicht zu einem willen- 
losen Werkzeug der den Orden beherrschenden kaiserlichen Politik 
herabgewürdigt, dafür aber auch als Vliefritter keine bedeutsame 
Rolle gespielt hat. Der zweite Beitrag betrifft Friedrichs Verhalten 
in dem zwischen der kurpfülzischen Regierung und dem kaiserlichen 
Kabinett schwebenden, unerledigt gebliebenen Streitfall um die sog. 
Kirchengliter von Deventer, der zur antikaiserlichen Richtung der 
kurpfälzischen Politik wesentlich beigetragen hat. Zum Schluß stellt 
H. auf Grund des von Bossert in dieser Zeitschr. veröffentlichten 
Melanchthonbriefes (Bd. XVII 8.70) fest, daß der Sekretär und Biograph 
Friedrichs, Hubertus Leodius, seinen Herrn überlebt hat. 

In den Monatsh. f. Rhein. KG. 14. Jahrg. S. 126—187 veröffent- 
licht Th, Wotsehke („Ein Freund Paul Ebers“) aus der Gothaer 
Staatsbibliothek Briefe des Kölner Professors der hebr. Sprache Johann 
Isaak an Paul Eber literarischen Inhalts von 1558, 1562 und 1565 
nebst einem Trostbriefe Ebers an Adolf von Strahlen in Köln von 1568 
(Schlu8 soll folgen). | 

Den Originaldruck der Tabula über 1. Joh. 2 von Johannes 
Mathesius (Loesche I, 689) weist O. Clemen in einem Sammelband 
der Zwickauer Ratsschulbibliothek nach (Nürnberg 1563). Gleichzeitig 
führt er die ebendort befindlichen sonstigen Druckschriften des M. 
auf. Mitt. V. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 58 Heft 1/2 (1919) 
8. 105 f. 

Über Balthasar Merklin aus Waldkirch, Propst dort und Reichs- 
vizekansler unter Karl V., in seiner politischen Wirksamkeit handelt 
auf Grund der gedruckten Literatur Ad. Hasenolever in ZGOberrh. 
NF. 34 8. 485—502 und 35 S, 86—80. Der Schwerpunkt der amtlichen 


1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um 
Zusendung einschlügiger Zeitsehriftenaufsütze zur Anzeige an dieser 
Stelle. 


76 16 


Tätigkeit Merklins liegt in seiner wichtigen Mission naeh Deutsch- 
land 1528, der Hasenclever im einzelnen nachgeht. Damit enden die 
ausführlicheren Nachrichten tiber M., der anscheinend kurz vor seinem 
Tode (+ 28. Mai 1531) vom Kaiser in Ungnaden entlassen worden iet. 
Das Schlußurteil H.'s über M. ist doch wohl, obschon er auch der 
Schwüchen dieses gedenkt, zu günstig gehalten. 

Einen Nendruck der nur in wenigen Abzügen des Originaldrucks 
(von 1528) noch vorhandenen Streitschrift Th. Murners „Des alten 
christlichen Bären Testament“ veranstaltet mit ausführlicher Einleitung 
M. Scherrer im Anz. f. Schweiz. G. Jahrg. 50 (NF. Bd. 17) S. 6—38. 

P. Althaus, Der Verfasser und die ursprüngliche Gestalt des 
Liedes , Aus meines Herzens Grunde" (des angeblichen Lieblingsliedes 
Gustav Adolfs), weist als Verfasser den „frommen Hauptmann“ Georg 
Niege (Nigidius) zu Allendorf (1525—1588) nach und bespricht die 
auf der Berliner Staatsbibliothek befindliche hsl. Hinterlassenschaft 
Nieges an geistlichen Liedern. Theol. Festschrift für G. N. Bonwetsch 
(1918) S. 80—103. 

Eine sorgfältige „Oekolampad- Bibliographie, Verzeichnis der 
im 16. Jahrhundert verfaßten Oekolampad-Drucke" veröffentlicht E. 
Staehelin in Basler Zeitschrift für Gesch. u. A. Bd. 17, 1 (SA., 119 8). 

In einer Abhandlung über die Anfänge der Hildesheimer Stifts- 
fehde würdigt Elsa Varnové auch die Chronik des Luthergeguers 
Johann Oldecop und stellt fest, daß die von O. erst 1561 begonnenen 
Aufzeichnungen nicht nur ungenaue Zeitangaben, sondern auch un- 
richtige Wiedergabe der Tatsachen und falsche Begründung der Er- 
eignisse enthalten: ZHV. Niedersachsen Jahrg. 84 (1919) S. 169—240 
(bes. 224 ff.). 

Das Leben des Gregorius Pauli, eines der bemerkenswertesten 
Theologen der polnischen Reformation, stellt bis zum Jahre 1562, wo 
er nach dem Bruch mit der reformatorischen Kirche eine eigene Ge- 
meinde. die ecclesia minor, bildete, Th. Wotschke in Z. f. Brüder- 
gesch. 14. Jahrg. S. 1—32 dar unter Beigabe von fünf Stücken seines 
Briefwechsels (aus dem Herrnhuter Archiv). 

Auf Grund von Briefen des Weimarer Ges. A., die anhangsweise 
mitgeteilt werden, schildert P. Vetter den gelehrten Pfarrer von 
Oelsnitz und dramatischen Dichter Paul Rebhuhn in den wirtschaft- 
lichen Nóten, in die ihn die Übernahme der Pfarre gestürzt hatte: 
NASG. 41 S. 43—78. 

P. Kalkoff, Wimpfelings letzte lutherfreundliche Kundgebung, 
würdigt die Stellung des Elsüssischen Humanisten im beginnenden 
Glaubensstreit unter besonderer Rücksicht auf die anonym erschienene 
und damals nicht gedruckte Streitschrift , Apologia Christi pro Luthero": 
ZGOberrh. NF. 35, 1 S. 1—35. 


Landschaftliches. Im Jahrgang 22 (1918) S. 3—41 der 
NF. der Bil. f. Württemberg. KG. beendigt Pf. Rentschler die Gesch. 
der „Einführung der Reformation in der Herrschaft Limpurg“. 


77 77 


In den Franziskan. Studien VII, 2 S. 156—165 beschreibt und 
veröffentlicht A. Schaefer die Aufseichnungen des Franziskaner- 
observanten Joh. Ulrich von Kaisersberg über seine Verhandlungen 
mit Konrad Sam vor dem Ulmaer Rat am 5. August 1527 aus einer 
Hs. der Stuttgarter Landesbibliothek. 

Das Freiburger Diözesanarchiv gibt auch in den Bänden 19 
und 20 der Neuen Folge (46. und 47. Bd. der ganzen Reihe) über- 
wiegend „Beiträge zur Reformationsgeschichte Badens“, meist 
aus den Akten geschöpft, leider jedoch nicht unbefangen, sondern 
von einseitig katholischem Standpunkt aus dargestellt. So vor allem 
Bd. 19 S. 1—80 P. Albert, Die reformatorische Bewegung zu Freiburg, 
wo ein der katholischen Sache abgünstiger Bericht eines Augenzeugen 
kurzweg als „in allen Stücken unzutreffend“ bezeichnet wird, während 
was Bürgermeister und Rat an König Ferdinand — offensichtlich 
dessen Wünschen angepaßt — tiber ihre kirchliche Haltung schreiben, 
„um so wahrer“ ist, Daß die Reformation in F. durch Ferdinand nur 
mittels brutaler Gewalt unterdrückt werden konnte, liegt ja ohnehin 
durchaus zu Tage. — Die weiteren Beiträge sind: H. Lauer, Die 
Glaubensneuerung in der Baar (S. 71—119); K. Gröber, Die Refor- 
mation in Konstanz von ibrem Anfang bis zum Tode Hugos von 
Hohenlandenberg 1517—1532 (S. 120—322); Jos. Sauer, Reformation 
und Kunst im Bereich des heutigen Baden (S. 323—506). — Bd. 20: 
K. Fr. Lederle, Zur Geschichte der Reformation uud Gegenreformation 
in der Markgrafschaft Baden-Baden vom Tode Philiberts bis zum Ende 
der kirchlichen Bewegungen (S. 1—45); E. Fleig, Die Aufhebung des 
Klosters Herrenalb (S, 46—112); H. Lauer, Die theologische Bildung 
des Klerus der Diözese Konstanz in der Zeit der Glaubeusneuerung 
(S. 113—164). Vgl. auch Fr. Hefele, Die kirchengeschichtliche Lite- 
ratur Badeng 1914—1918 (S. 181— 19»). 

Die Müngel und Einseitigkeiten des Aufsatzes von K. Rieder zur 
Reformationsgesch. des Dominikanerinnenklosters in Pforzheim (im 
Freiburger Diózesanarchiv, s. diese Zeitschr. Bd. 16 S, 112) ergänzt 
und berichtigt G. Bossert in ZGOberrh. NF. 84 S, 466—484. 

Seine Beiträge „Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum 
Konstanz“ (vgl. diese Ztsch. Bd. 16 S. 112f.) bringt K. Schellhaß 
in 2 weiteren Abschnitten (ZGOberrh. NF. 34 S. 145—171 u. 278—299) 
zu Ende; in der Buchausgabe wird sich jedoch noch ein Schlußkapitel 
anschließen; die beiden Abschnitte behandeln im wesentlichen die 
Schicksale des Abtes Oechsli im Jahre 1581. 

Einen Brief des Peter van Ceulen an Beza über die von Rom 
aus wie durch die Umtriebe der Sektierer gefährdete Lage der Kölner 
Gemeinde vom 8. Mürz 1570 veróffentlicht Th. Wotschke aus der 
Gothaer Staatsbibliothek in Monatsbl. f. Rhein. KG. 14. Jahrg. S. 41—43. 

Aus der Feder eines jungen, im Weltkriege gefallenen Doktoranden 
H. Kessel veröffentlicht das Düsseldorfer Jahrbuch 1918/19 (Beiträge 
z. G. des Niederrheins Bd. 80) S. 1—160 den Abriß einer Geschichte 


78 78 


der Reformation und Gegenreformation im Herzogt. Cleve 
1517—1609, vermehrt um eine nach den einzelnen Ämter und Ge- 
meinden geordnete statistische Übersicht der Verbreitung der Kon- 
fessionen im Herzogt. Cleve von 1609. 

Im Jahrb. d. V. f. die ev. KG. Westfalens 22 (1920) S, 27—30 
stellt Tb, Wotschke die 17 Westfalen susammen, die zwischen 1578 
und 1631 in Wittenberg ordiniert worden sind, mit Vorgeschichte und 
Angabe ibrer Pfarre. 

Am gleichen Orte Jahrg. 20 S. 98—129 gibt Kl. Löffler eine 
kurze ,Reformationsgeschishte der Stadt Münster“. Hauptsächlich 
durch die Wirksamkeit Bernhard Rothmanns wurde Münster zu Anfang 
der 80er Jahre für das Evangelium gewonnen und durch den Vertrag 
mit dem Bischof vom 14. Februar 1588 rechtlich als evangelische 
Stadt anerkannt. Dann hat bekanntlich die Errichtung des Wieder- 
tiuferreichs in M. und die Einnahme der Stadt im Jahre 1585 die 
Herstellung des Katholizismus eingeleitet. 

Aus einem Aktenstücke im Ephoralarchive zu Grimma macht 
G. Müller Mitteilungen über die von Sehling nur sum Teil berück- 
sichtigten Kirchenordnungen für Coldits von 1529 und 1584 ein- 
schließlich der Kirchenordnungen für das Gebiet des Amtes Colditz: 
NASG. 41 S. 296—803. 

Eine Geschichte der Reformation in der Stadt Northeim von 
H. Bartels ist in den Forschungen zur Geschichte Niedersachsens 
(98 S., 1918) erschienen. 

Die „Gestaltung der Reformation in Ostfriesland“ stellt H. 
Reimers im 20. Heft der Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte 
Ostfrieslands dar (VIII, 64 S.). 

Nur wenige Daten, die Th. Wotschke zusammenstellt, geben 
über die Reformation in der Stadt Nakel Auskunft. Ihre Einführung 
um 1522 wurde dem Inhaber der Starostei, Christoph Danaborz ver- 
dankt, der aber schon 1528 starb. Aber erst 1597 wich der letzte 
evangelische Prediger in Nakel der Verfolgung. Auch in der Um- 
gebung Nakels entstanden evangelische Gemeinden, die hernach eben- 
falls der Gegenreformation erlagen. Histor. Monatebil. f. die Prov. 
Posen XX, 6 (Febr./Mürz 1920) S. 81—84. 


Ausland, In Zwingliana 1918 Nr. 1 [Bd. III Nr. 11] 
S. 829—337 beendigt W. Köhler seinen Aufsatz über Martin Seger 
ans Maienfeld, einen eifrigen Mitarbeiter am Werke Zwingli'a (mit 
3 Beilagen aus dem Züricher St. A.) und teilt E, Gagliardi den neu 
aufgefundenen ausführlichen Auszug eines Zuhürers aus der Predigt 
mit, die Zwingli am 12. Mürz 1525 unter dem Eindruck der Schlacht 
von Pavia gegen den Fremdendienst hielt (S. 987—847). — Die folgende 
Doppel-Nr. (1918 Nr. 2 und 1919 Nr. 1 = Bd. III Nr. 19/18) gilt als 
Gedenknummer auf Neujahr 1919 (S. 857—460) und setzt sich aus 
folgenden Beiträgen zusammen: S. 857—370 O. Farner, Zwingli und 
sein Werk; S. 371—384 A. Eckhof (Leiden), Zwingli in Holland; 


79 79 


S. 885—395 K. Gauss, Die Beziehungen Z.'s zu den Pfarren des 
Baselbiets; 8. 396—401 M. v. K., Zur Vorgeschichte der Berner 
Reformation; S. 404—418 E. Bernoulli, 2 vierstimmige Sätze von 
Z.'s Kappeler-Lied („Herr, nun selbst den Wagen halt“); S. 414—417 
W. Köhler, Z. Student in Paris? (hält ein Studium Z.s in Paris 
für mindestens wahrscheinlich); S. 418—435 Joh. Ficker, Z.'s Bildnis 
(mit 2 Abbild.) Am Schluß gedenken G. Anrich der Zwinglifeier in 
Straßburg 1819 (S. 435—487). Th. Häring des Reformationsfestes der 
Schweizer im Tübinger Predigerinstitut 31. Dez. 1818 und 1. Jan. 1819 
(S. 487—441) und Helen Wild des Züricher Reformationsjubiläums 
von 1819 (S. 441—400). 

W. Köhler, Ulrich Zwingli (Rede bei der Zwinglisükularfeier 
der Universität Zürich, 3. Januar 1919) feiert Zw. als denjenigen, bei 
dem die Verbindung Christentum und Antike den Gipfelpunkt ihres 
Wertes erreicht. Internat. Monatschr, XIII (1919) Sp. 362—386. 

In Beitrr. z. vaterl. Gesch. hersg. vom histor.-antiquar. V. des 
Kantons Schaffhausen Heft 9 S. 78—99 schildert H. Werner nach den 
Akten des dortigen Staatsarchivs den Versuch des vom Kaiser und 
Papst unterstützten Propstes im Kloster Sólden (bei Freiburg i. B.), 
Heinrich von Jestetten, i. J. 1555, die vor 2 Jahrzehnten von Schaff- 
hausen säkularisierte Abtei Allerheiligen wieder aufzurichten, einen 
Versuch, den die Stadt mit Hilfe der evangelischen Eidgenossenschaft 
abschlug. 


Am gleichen Orte Heft 9 S. 1—62 gibt J. Wipf ein anschauliches, 
aus den Quellen geschöpftes Bild des Reformators von Schaffhausen 
Sebastian Hofmeister, ehemaligen Frauziskaners, der von 1522 bis 
1525 mit großen Erfolg in seiner Vaterstadt wirkte, dann einer Reak- 
tion erliegend von hier verbaunt wurde und hernach 1528 bis an 
seinen Tod als Pfarrer in Zofingen wesentlich beitrug, diese Stadt für 
die Reformation zu gewinnen. 

Die Reformation im baslerisch-bischöflichen Laufen schildert 
auf Grund der Akten des Staats- und bischöflichen Archivs K. Gauss 
im Basler Jahrbuch 1917 S. 37—95. Erst nachdem Laufen mit Basel 
in ein Burgrecht getreten war und sich dadurch der Gewalt des 
Bischofs entzogen hatte (1525), konnte die Reformation zum Siege 
gelangen; um das Jahr 1536 kam sie zum Abschluß, 

Das Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N. S. Deel 15 
(1919) enthält folgende Beiträge zur Niederländischen Refor- 
mationsgeschichte: S, 49—60 J. C. Overvoorde, Uit. de eerste 
jaren van de Luthersche gemeente te Leiden; S. 115—123 M. van Rhijn, 
Wilhelmus Sagarus (Nachtrag dazu S. 289); S. 124—182 Johanna 
M. Sernée, Bijdrage tot de kennis der finantiéele administratién van 
de geestelijke stichtingen in Delfland na 1573; S. 188—149 G. A. 
Hulsebos, De handelingen van de erste classicale bijeenkomst van 
de. Classis Over-Veluwe gehonden te Harderwijk 15 Juli 1593; 
S. 234—288 J. 8. van Veen, De Geldersche kerkelijke Rekenkamer. 


80 80 

Im NA Veneto NS. a. 17 Tomo 34 p. 1 8. 18—32 bespricht 
A. Serena an der Hand einer bei den Augustinern in Rom auf- 
gefundenen anschaulichen Relation des Ordensgenerals der Augustiner 
Gabriel Veneto eine Augustinersynode in Treviso von 1526, in 


der besonders Maßregeln gegen das Eindringen des Luthertums in 
den Orden getroffen wurden. 


Über 2 wichtige Veröffentlichungen der Norwegischen Theologie 
zum Reformationsjubelfest von 1917?!) referiert eingehend H. Stocks 
in ZKG. NF. I, 9 S. 407—410. 


1) (O. Kolsrud, Utkast til en norsk Kirkeordinants .. for- 
fattend 1604, und A. Brandrud und O. Kolsrud, To og tredive prae- 
dikener holdt i Aarene 1578—1586 av M. Jens Nilssøn. 


broek von C, Schulze 4 Co., G. m. b. H., Gräfenhainiehen, 


Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter 


Aleanders auf dem Wormser Reichstage. 
Von Paul Kalkoff, 


Zu den bedeutenderen Räten Karls V., den Männern 
von militärisch-diplomatischem Rufe, die sich auf dem Reichs- 
tage von 1521 den Nuntien bei ihrem Kampfe gegen Luther 
zur Verfügung stellten, gehört auch ein in der europäischen 
Geschichte vielgenannter Abenteurer, der Bischof von Sitten, 
Kardinal Matthäus Schiner'). Er nimmt eine hervorragende 
Stelle ein in der langen Reihe der kriegerischen Prälaten 
oder Bandenführer im geistlichen Gewande, die von unseren 
kampflustigen Bischöfen in der Zeit des Investiturstreites 
und der Kreuzzüge über die furchtbaren Söldnerhäuptlinge 
des vierzehnten Jahrhunderts, den „baskischen Erzpriester“ 
und den Kardinal Albornoz hinabreicht bis zu dem tollen 
Christian von Halberstadt und dem Werbeoffizier Ludwig XIV, 
dem Bischof Bernhard von Münster. Er zeichnet sich unter 
ihnen aus durch die Vereinigung diplomatischer Talente mit 
volkstümlicher Derbheit und urwüchsiger Leidenschaftlichkeit. 
Man geht wohl zu weit, wenn man ihn als „einen der ge- 
waltigsten Schweizer, die je gelebt haben“ ), feiert, oder als 
„einen der größten Männer, die die Schweiz hervorgebracht 


Abkürzungen: ADB. = Allgem. Deutsche Biographie. DRA. 
— Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Gotha 1896. 
BDB. — Kalkoff, Briefe, Depeschen u. Berichte über Luther. Halle 1898. 
DA. = Derselbe, Depeschen des Nuntius Aleander. Halle 1897, AgL. 
= Ders., Aleander gegen Luther. Leipzig 1908. WE. = Ders., Die 
Entstehung des Wormser Edikts, Leipzig 1918. 

1) Diese Schreibung seines Namens (statt Schinner) verdient den 
Vorzug; sie erklürt sich aus seinem Wappenzeichen, den drei Schienen, 
und er schrieb sich auch selbst so. 

*) H. Escher in der heute noch recht brauchbaren Übersicht seines 
Lebens in der ADB. 38, 735. 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 6 


82 2 


hat"! Seine unermüdliche Tatkraft, seine Gewandtheit in 
Behandlung der Menschen aller Stände, seine kriegerische 
Unersehrockenheit in den schwierigsten Lagen seines wechsel- 
vollen Lebens sicherten ihm einen gewissen Einfluß auf den 
Gang der großen Politik; doch war er immer nur ein Werk- 
zeug erst in der Hand Julius IL, dann Maximilians I. und 
Karl V.; seine „Herrschsucht“ war schwerlich auf höbere Ziele 
gerichtet, als auf die Mehrung seines Besitzes an Land und 
Leuten, an Geld und Gut. Wenn Escher ihm die Absicht zu- 
traut, die Weltmachtstellung der Schweizer durch Befestigung 
ihrer Herrschaft über Oberitalien zu stützen, so übersieht er, 
daß Schiner bei seinen kriegerischen Agitationen sich meist 
in den Dienst jener beiden Mächte und sehr oft in den 


) L. v. Pastor, Gesch. der Päpste III, 647f. Die Literaturangaben 
S, 701 Anm. und bei Joh. Dierauer, Gesch. der Schweizerischen Eid- 
genossenschaft. Gotha 1918. II, 456, Anm. 67 sowie in der Arbeit von 
Alb. Büchi über ,Kard. Sch. u. die Reformbewegung“ in der Ztachr. 
f. Schweiz. Kirchengeschichte, hrsg. von A. Büchi und I. P. Kirsch. 
X. Jahrg. Stans 1916. S.1—24. Letzteres eine nach Tendenz und 
Technik gleich bedenkliche Leistung, die es bedauern läßt, daß der 
Vf. sich die Herausgabe des Briefwechsels Sch.'s und seine Biographie 
zur Aufgabe gemacht hat, beides in nicht weniger als vier Bänden. 
Abgesehen von dem mit größter Unbefangenheit unternommenen Ver- 
such der kirchlichen Idealisierung Schiners gibt er folgende Proben 
seiner Geschichtskenntnisse: er verzeichnet die Schlacht von Bicocca 
(8.2) als Ergebnis der zähen Ausdauer Schiners und verlegt sie in 
das Jahr 1521, während sie am 27. April 1522 ohne jede Mitwirkung 
Sehiners bei diesem Feldzuge geschlagen wurde (H. Baumgarten, Gesch. 
Karls V. II, 1, 35f. 61f). Dagegen war Sch. an der Überrumpelung 
Mailands am 29. Nov. 1521 beteiligt. Die ,Bannbulle* gegen Luther 
verlegt er auf den 15. Januar 1520, während doch erst am 15. Juni 
die Verdammung seiner Lehre erfolgte und diese Bulle durch die 
Begleitschreiben vom 8. und 17, Juli ihm mitgeteilt wurde, die jedoch 
durchaus nicht speziell an den Kardinal Sch., sondern an alle Bischöfe 
gerichtet waren, denen Aleander begegnen würde. Daß dieser schon. 
1521 Kardinal gewesen wäre, trifft ebensowenig zu, wie daß dieser 
hochmütige Italiener „Deutschland wohlgesinnt" gewesen sei (S. 12f). 
Der S. 14 mehrfach zitierte „Ungenaunte“ ist von mir schon in den 
BDB. S. 71f. als der Nuntius Raffael de’ Medici nachgewiesen worden. 
Nach 8. 17 erscbeint Luther am 16. April vor dem Reichstage; ob Sch. 
zugegen war, wissen wir nicht; ehr móchte ich das Gegenteil vermuten, 
áa er nicht mehr als Reichsfürst betrachtet wurde und Aleander sonst 
seine guten Dienste auch bei dieser Gelegenheit hervorheben würde; 


3 83 


sehärfsten Gegensatz zur eidgenössischen Zentralgewalt stellte. 
Auch widerspricht die rohe Gewalttätigkeit, die skrupellose 
Verschlagenheit, die zynische Selbstsucht, die seine Schritte 
kennzeichnen, einer solchen Bewertung seiner Persönlichkeit, 
Riehtig ist es, daß er auch nicht für die weltliche Macht 
der Kirche sich aufopfern wollte, und vollends verfehlt ist 
es, ihn zu einem von reformatorischen Ideen erfüllten Kirchen- 
fürsten, einem Musterbischof zu stempeln, der „von inniger 
Liebe zur Kirche und ihrem Oberhaupt, dem Papste, durch- 
drungen“ gewesen sei. Es wird sich zeigen, daß er auch 
dem Papste mit trotzigem Groll und kirchenfeindlichen De- 
monstrationen begegnen konnte; „seine Strenge in geistlichen 


die Stelle aus dem Bericht Contarinis vom 25. Apri] bezieht sich auf 
dessen an diesem Tage abgehaltene Antrittsaudienz, bei der Sch. als 
kaiserlicher Rat nicht fehlen durfte (DRA. II, 876, 10. BDB. S. 18.). 
Daß das Billet Gattinaras (S. 17. Anm. 6) über die dringliche Bearbei- 
tang des Wormser Edikts (DRA. II, 638) fälschlich auf ihn bezogen 
worden ist, während es an den Erzbischof von Salzburg gerichtet war, 
habe ich schon im AgL. S. 126, Anm. 2 gezeigt. Derselbe ist bei der 
von Spengler geschilderten Szene im Fürstenrate (S. 514, 45) gemeint, in 
dem Sch. nichts zu suchen hatte (S. 16). Die S. 18 erwähnten Drohungen 
der Deutschen waren gegen Aleander gerichtet und von Sch. nur durch 
seine Leute in Erfahrung gebracht worden, wie der Vf. mit leichter 
Mühe hätte festhalten können, wenn er statt des ihm rütselhaften 
italienischen Textes bei Balan S. 104 meine DA. S. 81 und für die 
Stelle ans der Depesche Medicis („man solle nicht dulden, daß Luther 
seine Bücher einpacke [!]^ statt „auf die Bahn bringe, verbreite“) die 
Übersetzung in den BDB. S. 28 benutzt hätte. Zu Aleander verweist 
er S, 20 Anm. auf zwei völlig veraltete Arbeiten, darunter einen 
wertlosen Artikel von Gaß in der ADB., in die dieser Italiener über- 
haupt nicht hätte aufgenommen werden sollen. Das Schlimmste aber 
ist, daB der Aufsatz A. Büchi's im wesentlichen nur eine verwüsserte 
Wiedergabe der in ihrer Art tüchtigen Arbeit Jollers über ,Kardinal 
Sch. als katholischen Kirchenfürsten“ ist, einer „historischen Skizze“ 
in den ,Blüttern aus der Walliser Geschichte" (Sitten 1895. 1, 49— 62. 
65—69). Auch hier waltet die Tendenz vor, den Bischof von der „An- 
Schnldigung' zu retten, daß er nicht nur die ,Reformbetrebungen 
Luthers und Zwinglis begünstigt habe, sondern bei lüngerem Leben 
wahrscheinlich zum Protestantismus übergetreten wäre“; aber hier ist 
wenigstens die ältere Literatur sorgfältig benutzt und die lokale Uber- 
lieferung fleißig gesammelt worden, während Büchi seine Selbständig 
keit fast nur in den oben angeführten und weiter zu rügenden Fehlern 
und Miß verständnissen bekundet. 
6 * 


84 4 


Dingen und sein untadelhafter Wandel“) erklärt sich zur 
Genüge aus seiner beschränkten Bildung und seiner Lust 
am Herrschen und Gewinnen: der Bischof und Kardinal war 
sich wohl bewußt, was die Kirche ihm leisten konnte, und 
seine bäuerliche Erziehung, seine kriegsmäßige Lebensweise 
schützte ihn vor der gewöhnlichen Schwäche genußstichtiger, 
schwelgerischer Priester?). Eine gute Begabung befähigte 
ihn trotz einer nur dürftigen schülmäßigen Ausbildung, sich 
der für sein Handwerk unentbehrlichen Sprachenkenntnis 
zu bemächtigen, auch das landläufige Latein zu schreiben, 
und eine wilde Beredsamkeit ließ ihn die Gemüter seiner 
Reisläufer beherrschen, wie der Wind die Wogen, zumal 
wenn er mit päpstlichem Gold und reicher Beute winken 
konnte — wenn beides ausblieb, mußte auch er oft erfahren, 
wie wandelbar die Gunst seiner Landsleute war. Den 
Venetianern scheute er sich nicht, von der Nationalkrankheit 
der Schweizer zu reden, die durch Geld schnell zu heilen 
sei®), und einen päpstlichen Zahlmeister, der sich mit dem 
Solde verspätet hatte, drohte er, er hätte ihn hängen lassen, 
wenn er nicht zufällig Bischof wäre“). Um zu zeigen, was 
es mit dem kirchlichen Reformeifer dieses Condottiere auf 
sich hat oder gar mit einer ihm gelegentlich angedichteten 
Hinneigung zu Luthers Lehre, genügt es, auf seine Tätigkeit 
in Worms zu verweisen. Indessen müssen, um seine da- 
malige politische Rolle zu verstehen, die Hauptpuukte seines 


) v. Pastor III, 647. „Er sah seine Lebensaufgabe darin, die 
kriegerische Kraft seines Volkes für die Verteidigung des heiligen 
Stuhles za gewinnen“, — so lange dieser zahlte und nicht mit Frank- 
reich verbündet war. 

9) Zu Joller, S. 59. Eine treffende Charakteristik liegt daher in 
dem einen Worte, mit dem A. Burer am 17. November 1519 aus Basel 
meldet, der Kardinal sei beritten bei ihrem Bürgermeister erschienen, 
„miles ad militem divertens“. Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des 
Beatus Rhenanus S. 192, — Es ist ein weit verbreiteter Unfug, jeden, 
der eine Lateinschule durchlaufen hat oder, was bei Schiner nicht einmal 
der Fall ist, ein paar Jahre eine Universität besucht hat, „humanistisch 
gebildet“ za nennen, wie es Büchi in einem Artikel des kirchlichen 
Handlexikons (hrsg. v. M. Buchberger, München 1912. II, 1963) tut. 

*) Dierauer II, 459 Anm. 75. 

*) So geschehen dem Dr. iur. utr. Michael Claudi, Bischof von 
Monopoli. Eubel, Hierarchia catholica III, 265. 295. 


5 85 


Lebensganges und dessen entscheidender Wendepunkt kurz 
geschildert werden. 

Der Aufstieg Schiners ist durch zwei politische Faktoren 
in der Geschichte seiner Heimat bedingt: einmal durch den 
Gegensatz zwischen den Bauerngemeinden des oberen Wallis 
und den mehr im untern Rhönetal gebietenden Herren- 
geschlechtern, die sich beide den in der Mitte des Landes 
belegenen Bischofssitz streitig machten. Schon im Anfang 
des 15. Jahrhunderts war es zu einem Zusammenstoß mit 
dem Hause Raron gekommen, das zugleich die Landeshaupt- 
mannschaft und das Bistum an sich gerissen hatte. Schiners 
ganzes Öffentliches Leben ist beherrscht von dem Kampfe 
gegen die Herren auf der Fltüe (Supersaxo), die von 1457— 82 
den bischöflichen Stuhl innehatten und deren von Jörg auf 
der Flüe, dem Todfeinde Schiners, geführte Partei!) nach 
seinem Tode einen ihrer Anhänger einzusetzen versuchte, 
der dann aber 1529 dem Erwählten ihrer Gegner, Adrian 
von Riedmatten, der als Begleiter Schiners in Worms war)), 
weichen mußte. Diese Kämpfe spielten sich in heftigen Volks- 
erhebungen ab, als deren Sinnbild, ähnlich wie in Deutsch- 
land der Bundschuh, eine phantastisch geschnitzte Keule, 
die Mazza, galt“). Schon unter dem Bichof Walter auf der 
Flue war 1475 ein enger Bund zwischen den oberen Zehnten 
des Wallis und den Urkantonen zu Stande gekommen, deren 
Einfluß nun so weit reichte, daß sie ihren als diplomatischen 
Unterhändler erprobten Landsmann, den Propst Jobst von 
Sillenen, als Bischof von Sitten durchsetzen konnten. Unter 
dessen Regierung machte sich nun die zweite politische 
Verwieklung geltend, die Schiners Lebensgang dauernd 
beherrschen sollte: der Zug Karls VIII. nach Neapel und 
die zunächst auf die Eroberung Mailands gerichtete Politik 

!) Es ist daher zum mindesten sehr mißverständlich, wenn 
v. Pastor von diesem Gegner Schiners als von „dem kühnen Demagogen, 
dem Hochverrüter, dem Aufrührer gegen geistliche und weltliche Ge- 
walt“ redet (III, 701. Anm.) Heute noch ist in Sitten das Haus des 
Landeshauptmanus Georg Supersaxo mit einem schön getäfelten Saale 
von 1505 erhalten. Bei der Vertreibung Sch.'s setzte er seinen eigenen 
Sohn als Administrator ein. 

) DRA. II, 990: als Domkustos und Hofmeister. 

3) Dieraner S. 9. Anm. 9. 


86 6 


Ludwigs XII. führte zu einer jähen Umwälzung auch im 
Bistum Sitten: die kriegslustigen und beutegierigen Bauern 
der obern Zehnten, die schon 1482 einen freilich erfolglosen 
Zug ins Mailändische gewagt hatten !), waren tiber den Wett- 
bewerb Frankreichs erbittert, verjagten 1496 den Bischof 
Jodocus, weil er Karl VIII. unterstützt hatte, und erhoben 
den aus einer Bauernfamilie des Oberwallis stammenden Niko- 
laus Schiner. Wir erfahren aus einer an Papst Alexander VL 
gerichteten Beschwerde Ludwigs XIL, daß dieser Usurpator 
an der Vertreibung seines Schützlings beteiligt gewesen sei; 
der König wünscht, daB der Papst ihn absetze und den von 
Frankreich empfoblenen Dechanten Peter von Hertenstein 
ernenne?) Dies geschah jedoch nicht, sondern die Gegner 
Frankreichs befestigen ihre Stellung im Bistum noch, indem 
schon 1499 der betagte Nikolaus zu Gunsten seines rlistigen 
Neffen Matthäus abdankte, den er bald nach seiner eigenen 
Erhebung zum Dechanten der Marienkirche auf dem Schloß 
Valeria in Sitten gemacht hatte. Selbstverständlich waren 
es nicht die Tugenden des „einfachen Dorfpfarrers“, die die 
Aufmerksamkeit des Bischofs auf diesen gelenkt hatten, so- 
daß er „in der geistlichen Laufbahn“ so erfreulich „empor- 
rückte“®), sondern seine Rührigkeit im Dienste der volks- 
tümliehen Politik, durch deren Überlieferungen auch seiner 
ersten kriegerischen Aktion als Bischof die Wege gewiesen 
waren: im Jahre 1500 erneuerte er den Bund seines 
Bistums mit den Eidgenossen und führte die erste Hilfs- 
truppe nach der Lombardei, um die Herrschaft der Sforza 
gegen Frankreich zu stützen, und im Bellenzer Kriege (1503) 
legte er seine erste Probe als Diplomat ab‘). Infolge des 
Zusammenbruchs der Sforza sah er sich dann zar Anlehnung 
an die kaiserliche Politik genötigt, und so erschien er 1507 


) Dierauer S. 335f. 

*) Schreiben vom 7. Dez. 1498. Eubel II, 257. 

3) Diese naive Auffassung Eschers (a. a. O. S. 729f.) klingt noch 
bei Dierauer S. 456 nach. 7 

4) Ildephons Fuchs, Die mailändischen Feldzüge der Schweizer. 
St. Gallen 1812. II, 17ff. Durch die Fülle charakterischer Züge und 
Mitteilungen aus den ersten Quellen heute noch beachtenswert. Die- 
rauer II, 456. 


7 87 


auf dem Reichstage zu Konstanz als Führer einer eid- 
genössischen Gesandtschaft, die besonders zu einer engeren 
Verbindung zwischen Maximilian I. und Zürich führte. Hin- 
fort war gerade Zürich immer der dankbarste Boden für 
die antifranzösische Werbetätigkeit Schiners ), während sein 
bisheriger Mitarbeiter, der Freiherr Jörg auf der Flüe, sich 
schon damals von Frankreich gewinnen ließ und sich so 
mit dem Bischof tödlich verfeindete. 

Dieser trat jetzt in das Getriebe der großen euro- 
päischen Politik ein und war im Rahmen der gewaltigen Er- 
eignisse, die auf den Abschluß der Liga von Cambrai folgten, 
als Mitarbeiter bald der püpstlichen, bald der kaiserlichen 
Unternehmungen, als Unterhündler bei den Eidgenossen und 
Werbegeneral tätig. Er durfte bald von Rom im Purpur 
der Kardinalswürde und mit den Vollmachten eines Legaten 
zu seinen Landsleuten zurückkehren ?); Julius II. löste sein Stift 
ferner aus dem Verband der franzósischen Metropoliten von 
Tarentaise, was Leo X. bestütigte, und verlieh ihm aus den ein- 
gezogenen Pfründen der schismatischen Kardinäle der, Winkel- 
synode“ von Pisa die Einkünfte der Augustinerpropstei St. Maria 
von Cressenzago im Mailänder Sprengel sowie die Admini- 
stration des Bistums Novara, das ihm 2— 3000 Gulden Ein- 
kommen sicherte“). In der Heimat siegte sein Einfluß über 
den Georgs auf der Fltie, der vertrieben und dem „heiligen 
Vater vom Wallis“, wie er spottete, zu Gefallen in Freiburg 
eingekerkert wurde: seine Flucht kostete den französich 
gesinnten Schultheißen das Leben. Und wenn auch zwei der 
von Schiner geleiteten Züge der Schweizer, der „Chiasser“ Zug 
und die Unternehmung von 1511 kläglich scheiterten, so er- 
reichte er doch den Höhepunkt seines Glücks, als er, soeben 
schimpflich aus seiner Heimat vertrieben und flüchtig, am päpst- 
lichen Hofe erschien, um nun als Legat des heiligen Stuhles und 
diplomatischer Führer des „Pavier Zuges“ die Eroberung von 

2) H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. Stuttgart 1891. II. 823f. 

*) Schon 1508 in petto kreiert, doch erst 1511 promulgiert. 
Eubel ITI, 13. v. Pastor III, 619. 677: Kardinal-Priester vom Titel 
8. Pudentiana, nicht wie in älteren Werken oft zu lesen ist , Potentiana". 

9) Eubel III, 278. Sein Sekretär Dr. Sander erhielt 1515 ein 


Benediktinerkloster bei Bergamo als Kommende. Hergenröther, Regesta 
Leonis X. Nr. 15324, 


88 8 


Mailand (1512) vorzubereiten). Die Sforza sorgten jedoch 
dafür, daß er die Regierungsgewalt nicht dauernd an sich 
reiben konnte, und entschädigten ihn mit der Grafschaft 
Vigevano, deren reiche Einkünfte er durch Erpressungen und 
Unterschlagungen zu ergänzen verstand, die, wie Escher ur- 
teilt, „das Maß des Gewöhnlichen nicht allzusehr tiberschritten 
zu haben scheinen“. 

Als Vertreter des kaiserlichen Gesandten im Konklave 
konnte er eine gewichtige Stimme für die Wahl Leos X. in 
die Wagschale werfen, ohne jedoch selbst Aussicht auf die 
Tiara zu haben. Der Sieg der Schweizer bei Novara (1513) 
befestigte seine Stellung noch mehr, so daß er sich heraus- 
nehmen durfte, dem Neugewählten bei der Aussöhnung mit 
den abgesetzten Kardinälen der französischen Partei trotzige 
Opposition zu machen?); kein Wunder: hatte er sich doch 
an ihren Spolien bereichert. Immerhin war der herrische 
Kriegsmann so unentbehrlich, daB Georg auf der Flüe, der 
als sein Ankläger in Rom erschienen war, in die Engelsburg 
wandern mußte. Es ist nun ein beachtenswertes Zeugnis 
für den staatsmännischen Blick und die unermüdliche Tat- 
kraft Schiners, daß er den seit der Thronbesteigung Franz I. 
immer deutlicher hervortretenden Anschlägen der Franzosen 
auf die Rückeroberung der Lombardei mit allen Kräften 
entgegenarbeitete. Hierin liegt vielleicht das größte Verdienst 
seiner politischen Tätigkeit, die rastlos auf die Vereinigung 
der Kräfte des Kaisers und des Papstes, der Spanier und 
Schweizer gerichtet war, um den Stoß zu parieren. Nur 
schade, daß er die Frucht dieser Bemühungen in seiner allzu 
eigenmächtigen, hitzigen und brutalen Art aufs Spiel setzte, 
als er die in Mailand lagernden Schweizer zu dem schlecht 
vorbereiteten Angriff auf das französische Lager bei Marig- 
nano (13./14. Sept. 1515) verleitete. Schon hatte die Eid- 
genossenschaft am 8. September ihren Frieden mit Frankreich 
gemacht, der, vom Heere verworfen, doch die Zwietracht der 
Führer zur Folge hatte. Unter solchen Umständen war es 
doch ein unerhörter Frevel, wenn der Kardinal es unter- 

1) Dierauer S. 458. 469. 476. v. Pastor III. 700. 713. 718. 


Ulmann S. 458, 
2 v. Pastor IV, 1, 16. 2, 769. 1, 30, 38. 


9 89 


nahm, die Truppen ohne ihren freien Entschluß und ohne 
alle Vorbereitung in einen Entscheidungskampf zu verwickeln: 
indem er den Hauptmann der herzoglichen Garde an- 
stiftete, auf eigene Faust anzugreifen, und ihm persönlich 
mit den päpstlichen Truppen folgte, versetzte er das Haupt- 
heer in die Zwangslage, aus landsmannschaftlichen Rück- 

sichten in das Scharmützel einzugreifen ). | 

Die furchtbare Niederlage der Schweizer hatte zugleich 
den Sturz Schiners zur wohlverdienten Folge: die Schweiz 
schloß mit Frankreich Frieden, und als auch der Papst sich 
in Bologna vor dem Sieger beugte, mußte er sich auch ver- 
pflichten, Schiners Feind aus der Haft zu entlassen; hinfort 
war dieser aus seiner engeren Heimat hoffnungslos verbannt, 
bei den Eidgenossen höchst mißliebig und seiner mailän- 
dischen Güter wie des Bistums Novara beraubt, Auch von 
der Kurie verleugnet, fand er eine Zufluchtstätte bei der 
Regierung in Innsbruck und war fortan nichts weiter als ein. 
von des Kaisers Gnade abhängiger Agent. 

Als solcher machte er sich zunächst nützlich, indem er 
als Gesandter in London an einer antifranzösischen Verbin- 
dung zwischen dem Kaiser und England arbeitete?); aber als 
dann der Kriegszug Maximilians im Jahre 1516, den Schiner 
durch Anwerbung einer stattlichen Schweizertruppe mit eng- 
lischem®) Gelde unterstützt hatte, statt der Eroberung Mai- 
lands nur Zwietracht und Meuterei und endlich einen kläg- 
lichen Mißerfolg brachte*), da war seine Rolle in der großen 
Politik bis auf weiteres ausgespielt. 


1) Dierauer S. 512f., wo nur das Urteil über die frivole Handlungs- 
weise Schiners viel zu milde gehalten ist. Von dem Geschicht- 
schreiber der Päpste wird die ruchlose Tat des Kirchenfürsten mit 
der wohlklingenden Wendung übergangen, daß er „die Schweizer zur 
Schlacht angefeuert habe“. v. Pastor IV, 1, 81f. 97f. 

2, DRA. I, 8f. 11ff. über diese Verhandlungen, die Maximilian 
und „sein vertrauter Rat“, der Kardinal Sch. in den Niederlanden fort- 
setzten. Sch.s Korrespondenz mit Wolsey bei Brewer, Letters and 
Papers II, III. 

) v. Pastor IV. 1, 110. Ulmann II, 565. 667. 678. A. Walther, 
Die Anfänge Karls V. Leipzig 1911. S. 178f. 

*) Dierauer S. 523, Ulmann II, 667. 678. Dabei läßt sich nicht 
lengnen, daß er bei seiner Werbetütigkeit für die Sache des Kaisers 


90 10 


Er machte daher jetzt noch einen verzweifelten Versuch, 
sich in seinem Bistum wieder einzudrüngen. Schon hatte 
dort der offene Kampf begonnen, indem Jörg auf der Flüe 
an der Spitze der französischen Partei gegen die Brüder des 
Bischofs aufgetreten war und ihnen das Schloß Martinach 
entrissen hatte. So wurde der Kardinal im Herbst 1517 aus 
seinem Bistum vertrieben. Gleichzeitig machten seine Gegner 
ihre Klagen bei der Kurie wieder anhüngig, während Sehiner 
die Fürsprache des Kaisers anrief: am 23. August 1518 wurde 
im Konsistorium ein Sehreiben verlesen, in dem Maximilian 
das heilige Kollegium ersuchte“), seinem Mitglied in dessen 
Streitsache mit den Wallisern beizustehen, und am 4. Sep- 
tember forderte er den Papst auf, den Bischof gegen seine 
rebellisehen Untertanen zu schützen und ihm wieder zum 
Genuß seiner Einkünfte zu verhelfen?) aber alles vergebens. 

So blieb ihm als einziger Rückhalt nur sein Verhältnis 
zur kaiserlichen Regierung, das auch tiber den Tod Maxi- 
milians hinaus fortdauerte; denn der aus burgundisch-nieder- 
ländischen Staatsmünnern und alten kaiserlichen Räten 
gebildete Ausschuß zur Betreibung der Wahl Karls I. sicherte 
sich alsbald die Mitwirkung Schiners, der nun unter der be- 
sondern Leitung des bedeutendsten unter jenen Diplomaten, 
des Herrn von Zevenberghen, die Aufgabe erhielt, die 
Schweizer für die habsburgische Kandidatur zu gewinnen oder 
sie wenigstens von einer Unterstützung Frankreichs abzu- 


in der Schweiz mit Umsicht und Weitblick verfuhr. So empfahl er 
am 2. Nov. 1517 von Zürich aus einige Schweizer Studenten ihrem 
Landsmanne Joachim von Watt, damals noch Professor in Wien, damit 
sie nicht nach Paris gehen möchten: „quotquot enim eo vadunt, 
perduntur Caesari". Mitteilg. d. hist. Vereins von St. Gallen (Va- 
dianische Briefsammlung I) XXIV, 200f. 

1) Bei Eubel III, 18. Note 7 dahin mißverstanden, als ob Leo X. 
dem Kaiser die Sache des Kardinals empfohlen hütte: aber das konnte 
der Papst bei seiner damaligen Abhängigkeit von Frankreich gar 
nicht wagen. 

?) Kalkoff, Forschungen zu Luthers röm. Prozeß. Rom 1905. 
S. 126. Im Zusammenhang mit diesen Streitigkeiten ließ Schiner eine 
genaue Aufstellung der Rechte und Einkünfte des Bistums wie seiner 
Privatgüter im Wallis anfertigen, die D. Imesch in der Ztschr. f, Schweiz, 
Kirchengesch. X. Jahrg. S. 162—168, abgedruckt hat. 


11 91 


halten ). Er sollte seinen Landsleuten zu Gemüte führen, daß 
Franz I. sie bei dieser Gelegenheit zu unterjochen gedenke, 
wie es in einer Instruktion der Statthalterin Margarete heißt h). 
Àn diese hat Sehiner auch unmittelbar Bericht erstattet, indem 
er seinen auch in Worms erschienenen Begleiter, den Grafen 
Matthäus von Beecaria, mit mündlichen und schriftlichen Mel- 
dungen an sie abordnete?); diese empfahl ihn dann wieder 
dem Könige als „personnage tr&s-expert“ und „sehr begierig, 
ihm zu dienen und die Franzosen zurückzuweisen“. Während 
die deutschen Kommissare es wohl für ausreichend hielten, 
sich der Hilfe des Schwäbischen Bundes zu versichern, drang 
‚Schiner darauf, daß man die Schweizer durch hohe Pensionen 
gewinnen solle: „der Weise sagt, daß ein Strick aus drei 
Schnuren schwerer zu zerreißen ist, als ein einfacher*)". 
Dazu konnte sich nun freilich die spanisch-habsburgische 
Regierung, die ihr Geld zur Befriedigung der Wahlfürsten 
nötiger brauchte, nicht entschließen; immerhin wurde das 
nächste Ziel erreicht: die Eidgenossen erklärten, daß sie 
keinen Nichtdeutschen als Kaiser dulden würden, ohne freilich 
Karl als den ihnen etwa genehmen Bewerber zu nennen. 
Denn, wie Zevenberghen ganz richtig beobachtete, wünschten 
sie im Grunde ebenso wie der Papst den Machtzuwachs, den 

2) Vgl. die fleißige Arbeit von Joller, Kard. Sch.'s Beziehungen 
zur Wahl Karls V. in den Blättern aus der Walliser Geschichte I, 
128—142, in der die ältere Literatur besonders bei Le Glay, N6gocia- 
tions dipl. entre la France et l'Autriche. Paris 1845 und in den State Papers 
erschöpfend benutzt worden ist. Leider wird sie entwertet durch die 
Tendenz, Sch.’s Persönlichkeit zu idealisieren und die Bedeutung seiner 
Mission zu übertreiben; er habe es verstanden, die Eidgenossen „für 
Kaiser und Reich zu begeistern*. 

3) DRA. I, 114. 181 Anm. 4, 182. 185, Für gewöhnlich berichtete 
Sch. an Zevenberghen. S. 234. 240. 548. 

*) DRA. I, 185. Anm. 1. 278 fl. IT, 960. 

© DRA. I, 860. 278. Anm. 1. 474. In der Denkschrift Schiners 
vom 1. Febr. 1519 heißt es, die schon sehr geschwundene Neigung 
der Schweizer für Habsburg sei „aere et pensionibus“ aufzufrischen. 
F. J. Mone, Anzeiger f. Kunde der Deutschen Vorzeit. Karlsruhe 
1886. V, 18. Joller S. 135. In der sehr verdienstlichen Arbeit von 
W. Gisi, Der Anteil der Eidgenossen au der europüischen Politik 
während der Jahre 1517—1521. Archiv. f. Schweiz, Gesch. Zürich 1871. 
XVII., tritt Sch., wie es den Tatsachen entspricht, durchaus hinter 
Zevenberghen zurück (vgl. z. B. S. 98 fl.). 


92 12 


Frankreich oder Spanien durch die Kaiserwürde gewinnen 
mußten, zu verhindern; und da Frankreich, falls Franz I. 
nicht gewählt würde, entschlossen war, mit dem Papste für 
die Wahl eines Dritten einzutreten, so wollten sich auch die 
Sehweizer nieht dazu hergeben, durch Stellung einer Truppen- 
macht einen Druck auf die Kurfürsten auszuüben, um die 
Erhebung des Spaniers zu sichern!) Für diese bedenklichen 
Anschläge auf die Unabhängigkeit der Wahlberechtigten waren 
die Kommissare somit auf die Hilfe des Schwäbischen Bundes 
und, als dieser versagte, auf den allzeit käuflichen Banden- 
führer Sickingen angewiesen, der ihnen in der Tat in wirk- 
samster Weise half, „die Freiheit der Wahl zu schützen“ ). 

Auch ein anderer Versuch, eine Beeinflussung der Kur- 
fürsten mit Hilfe des Papstes herbeizuführen, bei dem Schiner 
eine Hauptrolle spielen sollte, scheiterte an der geheimen 
Abneigung der Kurie gegen die Wahl des Beherrschers von 
Neapel. Schon im Februar 1519 richtete König Karl I. das 
Ersuchen an den Papst, den Kardinal Schiner zum Legaten 
a latere zu ernennen, um seine Wahl zu fördern; er hoffte, 
daß auch Heinrich VIII. diesen Plan unterstützen werde, 
und auch die Statthalterin war (6. März) sehr davon einge- 
nommen“): der Papst sollte den Kardinal durch eine Bulle 
bevollmächtigen, die Kurfürsten an ihre Pflicht zu mahnen, 
genau nach den Vorschriften der Goldenen Bulle zu wählen 
bei Strafe des Bannes, des Verlustes ihres Wahlrechtes und 
der Ungültigkeit der Wahl; so könne man den Umtrieben 
der Franzosen begegnen, denn Schiner würde schon diese 
Fakultäten zugunsten Karls zu gebrauchen wissen. Aber 
abgesehen davon, daß Leo X. vielmehr daran dachte, die 
Bestimmungen der Goldenen Bulle außer Kraft zu setzen, 
um die Wahl eines Dritten, des Kurfürsten von Sachsen, 
durch eine Minderheit zu ermöglichen‘), durfte er schon aus 


1) Am 16. März weist Karl seine Gesandten an, nach dem Rate 
Schiners über die Stellung von 10—12000 Schweizern zu verhandeln, 
um die Freiheit der Wahl gegen die Franzosen zu schützen, und 
zugleich ein Bündnis vorzubereiten. DRA.I, 481. 

) DRA. I. 702. AgL. S. 78 f. 

) DRA. I, 179. Anm. 1. 226. 340. 860. 392. Joller a. a. O. S. 141. 

) ZKG. XXV, 414. 


13 l 93 


Rücksicht auf den ihm verbündeten König von Frankreich 
nicht daran denken, dessen geschworenen Gegner derartig 
auszuzeichnen. Man hörte denn auch bald aus Rom, daß 
der Papst den Kardinal nicht nach Frankfurt entsenden werde, 
da er neutral zu bleiben wünsche ). 

Immerhin war die spanische Regierung mit den von 
Schiner geleisteten Diensten so zufrieden oder wenigstens 
von seiner Unentbehrlichkeit so überzeugt, daß Karl 1. ihm 
zweimal die Summe von 1000 Gulden anweisen ließ und 
ihm Ende Mai durch Zevenberghen eine Urkunde übermittelte, 
in der ihm bis zur Verleihung einer größeren Pfründe ein 
Jahrgeld von 2000 Gulden verbürgt wurde?) Der Kaiser 
löste dann sein Wort ein, als das Bistum Catania mit einem 
taxmäßigen Einkommen von 3—4000 Gulden durch den Tod 
seines Inhabers erledigt wurde; wenn der Papst am 1. No- 
vember 1520 Schiner als Administrator bestätigte, so ist 
auch darin ein Zeichen seiner grundsätzlich schon kurz vorher 
beschlossenen Lösung von der französischen Vormundschaft 
zu erblicken). 

Als Diener Karls V. wurde er nun bald nach dessen 
Landung im Sommer 1520 an den Hof beschieden, wo er 
Anfang September eintraf, um nun zunächst bei höfischen 
. Anlässen den Glanz der kaiserlichen Umgebung zu erhöhen: 


1) DRA. I, 482 (3. März) 510. Wenn Karl am 31. Mai an Mar- 
garete schreibt, der Papst werde Sch. zur Wahl delegieren, so war 
dies nur eine Finte, um die Stimmung seines Anhangs zu heben. 

*) Die Statthalterin hatte ihm schon beizeiten zugesagt, man 
werde ihn so bezahlen, daß er zufrieden sein werde, DRA. I, 279 
Anm. 1. 226. 360. 481, 735. Dankschreiben Karls vom 18. Juli bei 
Joller S. 181. 

3) Eg ist eine schiefe Auffassung, wenn Escher 8.784 erzählt, „der 
Papst habe Sch. als einen der einflußreichsten Räte des Kaisers ge- 
würdigt, indem er ihn am 1. Nov. 1521 (so!) zum Bischof von Catania 
ernannte“. Aber über die Bistümer des Königreichs beider Sizilien 
verfügte die spanische Krone unbedingt. — Seit seinem Sturz und dem 
Verlust seiner mailändischen Pfründen und Güter scheint der Kardinal 
nicht immer zahlungsfähig gewesen zu sein, denn am 5. Nov. 1520 
bittet er von Köln aus, einen Züricher Bürger, von dem er ein Haus 
gekauft hatte, das dieser wegen Ausbleibens der restlicheu Zahlungen 
zurücknehmen wollte, zu vertrösten. A. P. v. Segesser, Eidgenössische 
Abschiede S. 1268, 


94 mE 14 


so erschien er schon beim Einzug in Antwerpen wie be- 
sonders bei dem in Aachen am 22. Oktober mit zwei andern 
„roten Hütlein“, den Kardinülen M. Lang und W. von Croy, 
oder bei der Leichenfeier des letzteren und bei der Unter- 
zeichnung des Wormser Edikts im Dome zu Worms, wo er 
am 27. Januar bei der Eröffnung des Reichstages auf be- 
sonderen Wunsch des Kaisers die Messe vom heiligen Geist 
singen mußte !). Über seine Teilnahme an den Beratungen 
tiber Luthers Angelegenheit mag vorläufig nur bemerkt werden, 
daß er regelmäßiges Mitglied des Redaktionsausschusses war, 
der über Aleanders Entwürfe zu befinden hatte; auch in 
dieser Stellung fungierte er aber nur als kaiserlicher Rat, 
da diese Körperschaft nicht von den Reichsständen, sondern 
vom burgundischen Kabinett gebildet wurde. Aber so eifrig 
der Kardinal sich den Nuntien zur Bekämpfung der deut- 
schen Ketzerei zur Verfügung stellte, weit mehr lag ihm der 
von Karl V. geplante „Romzug“ am Herzen und die schon 
in. der Proposition vom 27. Januar angekündigte Rücker- 
oberung Mailands. Der „Kardinal von Bellis^, wie Hermann 
von dem Busche den alten Werbegeneral in „Dr. Martin 
Luthers Passion“ mit treffendem Spott bezeichnete?), brannte 
darauf, „nur zwei Monate Sold für ein Schweizer Heer zu 
erhalten, um Mailand zurückzugewinnen und alle Franzosen 
aus Italien zu verjagen“: so berichtete der englische Ge- 
sandte am 9. Februar®). So vermutete man auch gewiß 
nicht mit Unrecht, daß Schiner den Prediger beeinflußt hatte, 
der bei der Leichenfeier des Kardinals von Croy am 22, Fe- 


1) DRA. II, 73. Anm. 5. 94. 157. 800, BDB. S. 91. ADS, 249. 
Ferner erscheint er beim Einzng Erzherzog Ferdinands in Worms am 
3. April, DRA, II, 838. Ende Sept. 1520 übermittelt er von Antwerpen 
aus den Eidgenossen unbedeutende Mitteilungen des Kaisers betr. das 
Ausbleiben ihrer Gesandtschaft bei der Krünung und die Verhandlungen 
seines obersten Kommissars in Deutschland, M. v. Zevenberghen. 
Segesser, Abschiede S. 1263. 

*) AD. S. 168. Anm. 2. 

) DRA. II, 792, 23f. 794, 6f BDB. S. 74, Anm, 75. Die gleich- 
zeitig auftauchende Nachricht, daß bei der Abreise des Kaisers Ferdi- 
nand als Statthalter im Reiche bleiben sollte mit Schiner als Beirat, 
wird nur von einem Italiener berichtet und hat nur geringe Bedeu- 
tung. DRA. II, 801, 1. 


15 95 


bruar die leidenschaftliche Aufforderung zum Kriegszug nach 
Italien an den Kaiser richtete. Wenn dann der Sekretär 
Schiners, Dr. Michael Sander, den Redner getadelt hatte, so 
war es nur geschehen, weil dieser zugleich den Papst wegen 
seiner Freundschaft mit Frankreich angegriffen und eine kon- 


ziliare Entscheidung in Luthers Sache gefordert hatte. Sander, 


ein früherer päpstlicher Zeremonienmeister, beschwerte sich 
nun sofort bei seinem Herrn, den er in der Umgebung des 
Kaisers wußte, uber die Drohungen, die ihm diese Außerung 
von einigen Deutschen eingetragen hatte!): vermutlich wußte 
er schon, daß sich im Geheimen ein völliges Einvernehmen 
zwischen Kaiser und Papst auch in den italienischen Fragen 
vorbereitete ?). 

Die Haltung der Schweizer mußte nun bei der sich so 
deutlich ankündigenden Auseinandersetzung mit Frankreich 
eine große Rolle spielen, und so war die kaiserliche Re- 
gierung beizeiten darauf bedacht, sich auch die Mitwirkung 
der Reichsstände bei der Beschiekung der Eidgenossen zu 
sichern. Da diese ablehnten, ging die Gesandtschaft aus- 
BchlieBlich im Auftrage des Kaisers ab, geführt von Zeven- 
berghen; indessen erlangte sie von der Tagsatzung in Zürich 
nur einen sehr unbefriedigenden Bescheid, und schon Ende 
April erneuerten die Eidgenossen ihren Bund mit Frankreich“). 
Daß man den Kardinal nicht mitgeschickt hatte, erklärt sich 
daraus, daß man, solange die Stellungnahme der Schweizer 
noch nicht entschieden war, sie nicht durch das Auftreten 
eines so ausgesprochenen Feindes der Franzosen stutzig 
machen wollte. Zugleich aber stieg die Mitwirkung des er- 
fahrenen Kriegsmannes für Kaiser und Papst, die sich in 
denselben Tagen zum Bündnis gegen Frankreich vereinigten 
(8. Mai), im Werte. 

Der Kaiser hatte daher in der Instruktion vom 4. April 
nicht unterlassen, die Schweizer zu bitten, gegen Sohiners 
Feinde im Wallis einzuschreiten, die schon in der Acht 
seien“), und schon am 17. März hatte er auch ein dringen- 


1) BDB. S. 18. 28 ff. 

5) ZK G. XXIII, 61 f. 

3) DRA. II, 362. Baumgarten, Gesch. Karls V. II, 1, 30. 
© DRA. II, 880. 


96 16 


des Fürschreiben an den Papst gerichtet!) Denn in Schiners 
Prozess wegen seiner Vertreibung aus dem Bistum Sitten 
und der Vorenthaltung seiner Einkünfte hatte zwar die Rota 
zu seinen Gunsten entschieden, aber solange der französische 
Einfluß an der Kurie maßgebend war, konnte dem Urteil 
keine weitere Folge gegeben werden. Nun ersuchte zwar 
der Kaiser den Papst dringend, die Wiedereinsetzung des 
Bischofs zu bewirken und mit allen pflichtschuldigen Mitteln 
dafür einzutreten, dab dem widerrechtlich beraubten Reichs- 
fürsten Genugtuung widerfahre; doch fehlte auch ihm die 
Macht, in dem tatsächlich jedem Einflusse des Reiches ent- 
rückten Gebiet seinem Schützling wirksam beizustehen. 
Nur dureh die Verdrängung der Franzosen aus Ober- 
italien und die dann zu erwartende Schwächung ihres Ein- 
flusses in der Schweiz konnte der Bischof von Sitten hoffen, 
auch in seiner Heimat wieder das Heft in die Hand zu 
bekommen. Kein Wunder, daB er sich mit dem größten 
Eifer für den von Spanien und Lec X. geplanten Kriegszug 
einsetzte. Er begleitete den Kaiser noch nach den Nieder- 
landen, reiste dann aber am 29. Juni eiligst von Brüssel 
naeh Zürich?), um im Verein mit den dortigen Vertretern der 


! Karl V. an Leo X.: Cum magnis revmi cardinalis Sedu- 
nensis erga Nos meritis tantum moveremur, saepe per literas et per 
oratorem Nostrum illius causam Sanctitati Vestrae commendavimus. 
Accessit postea ratio imperii, in qua cum non tantum de Sedunensi 
quam de existimatione Nostra ageretur, Sanctitatem Vestram obsecravi- 
mus, ut, cum causa iudicibus cognoscenda data esset hique sententias 
-protulissent, Sedunensem pro aequitate in integrum restitui vellet. De 
Sanctitatis Vestrae in hominem voluntate, cum, qua ille in Eam ob- 
servantia sit, non ignoremus, ne tantillum quidem dubitamus; si quid 
autem est, quod obsit, quamquam nihil Sanctitati Vestrae ad conser- 
vandam auctoritatem suam obstare debet, obsecramus, ut apposito studio 
Nostro, qui pro dignitatis Nostrae existimatione cardinali, principi 
imperii iniuriose dispoliato, accurrimus, id faciat, quod a Sanctitate 
Vestra debetur et ab omnibus, qui bene sentiunt, expoctatur. Male 
.enim agetur, si qui erunt, qui sibi, quaecunque libuerint, licere putent. 
Der Gesandte ist instruiert. 

Ex civitate imperiali Vormaciae XVII. Martii MDXXI. 
Carolus. E] rey. G. Argillensis. 
Original, Arch. Vatic., Arm. II, c. 1, Nr. 23, 
) Marino Sanuto, Diarii XXXI, col. 47; nach den Lettere di 
principi I, fol, 94a am 30. Juni. 


17 97 


Kurie die Aufstellung eines Sóldnerbeeres zu betreiben. Es 
kam ihm dabei sehr zu statten, daß Zürich dem Bündnis 
mit Frankreich nicht beigetreten war und nun 2000 Mann 
bewilligte, jedoch nur zur Verteidigung des Kirchenstaates. 
Es war das Meisterstück des alten Werbeoffiziers, daB er 
nun bald ein ansehnliches Heer zusammenbrachte, und bei 
seiner skrupellosen Verschlagenheit war es ihm dann auch 
ein Leichtes, die Hauptleute zur Teilnahme an der gegen 
Mailand gerichteten Offensive zu verleiten, obwohl eidge- 
nössische Gesandte sich die größte Mühe gaben zu verhüten, 
daB Schweizer mit Schweizern handgemein würden). 

Die beiden Legaten, Medici und Schiner, unter deren 
Augen am 19. November Mailand erstürmt wurde, mußten bald 
darauf zur Papstwahl nach Rom eilen. Im Konklave hat 
der erfahrene Staatsmann eine nicht unerhebliche Rolle ge- 
spielt, da er einmal der Vertrauensmann des kaiserlichen 
Gesandten war und als solcher dahin arbeitete, die Wahl 
eines französisch gesinnten Papstes zu verhüten; zugleich war 
er der Korrespondent des ehrgeizigen englischen Ministers, 
der sich Hoffnungen auf die Tiara gemacht hatte; endlich 
erhielt er selbst in mehreren Wahlgängen eine ansehnliche 
Zahl von Stimmen; doch hätte die französische Partei seine 
Erhebung nicht zugelassen“). Wenn nun der Kardinal Kajetan 
in einem bisher noch nicht verwerteten Bericht über seinen 
entscheidenden Anteil an der Wahl Hadrians VI. erzählt, daß 
er sich mit diesem Vorschlag zuerst an einen führenden Kar- 
dinal der kaiserlichen Partei gewendet, von diesem aber eine 
ausweichende Antwort erhalten habe“), so gewinnt es den 
Anschein, als ob Schiner — denn nur dieser kann gemeint 
sein — sich selbst als Papabile gefühlt und deshalb den 
neuen Mitbewerber habe fernhalten wollen. Aber ernste 
Aussichten hat er keinesfalls gehabt*), da das Geplänkel bei 


) v. Pastor IV, 1, 336 ff. Baumgarten II, 1, 35. 61. 

3) v, Pastor IV, 2, 3. 5, 7 Anm. 6, 14 Anm. 1. 15 Anm. 5. 

*) Vgl. meine Untersuchungen ,Zur Geschichte Hadrians VI.* im 
Hist. Jahrbuch 1918, S. 37. 

) Gegen Escher S. 734 und Joller 8.55; auch ist es irrig, daß 
der neue Papst ihm und zwei anderen Kardinülen die interimistische 
Verwaltung des Kirchenstaates übertragen hätte. Selbstverständlich 

Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4, 7 


98 | 18 
den vorbereitenden Abstimmungen für die wirklichen Ab- 
sichten der Wähler wenig za bedeuten hat. Jedenfalls aber 
hat er sich bei seinen Verdiensten um die Sicherung des 
Kirchenstaates gegen die Franzosen und seiner Stellung zum 
Kaiser mit der Absicht getragen, sich unter dem neuen 
Papste eine hervorragende Stellung an der Kurie und einen 
gewichtigen Anteil an der Leitung der päpstlichen Politik 
zu sichern. Denn die Denkschrift vom 1. März 1522, in 
der er nach der Auffassung katholischer Forscher ein „Re- 
formprogramm“ „im Sinne Hadrians VI.“ entworfen haben 
soll ?), ist nur darauf berechnet, die päpstliche Regierung nach 
der verschwenderischen Wirtschaft Leos X. wieder leistangs- 
fähig zu machen: sie handelt also allenfalls von einer Reform 
einiger Behörden der Kurie, nicht aber von einer Besserung 
der Kirche und ist weit davon entfernt, auch nur die von 
den deutschen Reichsständen gertigten Mißbräuche in Recht- 
sprechung und Pfründenvergebung gründlich in Betracht zu 
ziehen. Das überschwengliche Lob, das dem Verfasser gleich- 
wohl von A. Büchi“) wegen der „großen Einsicht und des 
festen Willens zu einschneidenden Maßnahmen“ gespendet 
wird, gipfelt in der Feststellung, daß er „nicht in das rein 
kirchliche Gebiet des Glaubens und der Sittenlehre eingreife“, 
das allerdings „dem ausgesprochenen Diplomaten“ sehr fern 
lip. Dabei wird völlig verschwiegen, daB die erste Hälfte 
des Sehriftstückes nur der angenblicklichen politischen Lage 
gewidmet ist mit der dreisten Zumutung an den neüen Papst, 
sich von vornherein, an Händen und Füßen gebunden, der 
kaiserlichen Mächtegruppe auszuliefern. Hadrian VL soll ein 
Bündnis mit dem Kaiser und mit den Königen von England 
und Portugal schließen, in das der Herzog von Mailand 
aufzunehmen ist. Er soll in dieser Richtung festgelegt 
werden durch ein englisches Darlehen von 200000 Dukaten, 
wodureh die Versehuldung des heiligen Stuhles erleichtert 
und den dringenden Bedürfnissen — d. h. vor allem der 


ist auch Büchi (Kirchl. Handlexicon II, 1968) der Meinung, daß 
Schiner „als Nachfolger Leos X. ernstlich in Frage gekommen sei“. 
1) v. Pastor IV, 2, 61 f. 66 f. 72. 82; abgedruckt S. TERI 
3) Sonderabdruek S. 21 f. 


19 99 


Bezahlung der Schweizer Söldner?) — genügt werden solite. 
Die doppelte Summe könne mit gutem Recht durch Be- 
steurung der getauften Juden (der Marranos?), der Rebellen, 
d. h. der französischen Partei in der Romagna und Emilia, 
und der Spekulanten erzielt werden. Der Papst soll nicht 
nur den König von Frankreich auffordern, auf alle Er- 
oberungspläne in Italien zu verzichten, sondern auch den 
Vasallen der Kirche den Anschluß an Frankreich und die 
Bekämpfung der mit der Kirche verbündeten Mächte — wie 
des Bischofs von Sitten — verbieten. Vor allem suchte er 
den Papst von dem Gedanken an einen baldigen Friedens- 
schluß abzubringen, indem er ihn darauf aufmerksam machte, 
daß ein solcher Friedensschluß die Gefahr in sich berge, 
von den Feinden hintergangen und so geschädigt zu werden, 
daß ein noch heftigerer Krieg unvermeidlich werde. Darauf 
seien die Umtriebe der Franzosen und Venetianer bei der 
Türkei gerichtet, die sie mit Geld unterstützten, um durch 
ihre Angriffe die Westmächte zu einem solchen überstürzten 
Frieden zu nötigen. Bevor aber die Franzosen völlig aus 
Italien vertrieben seien, könne weder dieses Land noch das 
übrige Europa zu einem dauernden Friedenszustand gelangen. 
Seit dem Einbruch Karl VIII. in Italien seien mehr als 
200 000 Menschen im Kampfe gefallen; so lange also Frank- 
reich bei Kräften bleibe, könne man auch den Türken nicht 
mit Erfolg entgegentreten. So viel Wahres nun auch diese 
Sätze enthielten, so waren die übrigen Ratschläge um so 
bedenklicher. 

Denn Schiner suchte den Papst ferner bei der Gewalt- 
politik festzuhalten, die Alexander VL und Leo X. zur Ver- 
größerung des Kirchenstaates und zur Mehrung ihrer Haus- 
macht verfolgt hatten*) und die vor allem zu dem ruchlosen 


1) Leo X. schuldete der Schweiz noch 86000 Dnkaten und Hadrian 
hatte die größte Mühe, wenigstens des Geld für Zürich aufzubringen. 
v. Pastor IV, 2, 101, 

5 Vgl. über diese meine Anfänge der Gegenreformation in den 
Niederlanden. Halle 1908. I. 41ff, 
| 3) Dies spricht sich auch in dem Absatze aus, in dem er den 
Papst dringend beschwört, nicht zu dulden, daß die Kardinäle irgend 
eine der Besitzungen, die unter Leo X. oder seinen Vorgängern ge- 

70 


MP NW 


100 20 


und aufreibenden Kampfe um das Herzogtum Urbino und 
zur Vertreibung des kriegerischen Rovere Francesco Maria 
geführt hatte. Die bedrohten Dynasten hatten sich ge- 
wöhnlich dea Franzosen in die Arme geworfen oder auf 
eigene Faust die Ruhe des Kirchenstaates gestört, Schiner 
suchte nun den Papst mit Argwohn und Furcht vor diesen 
bewaffneten Umtrieben zu erfüllen, indem er ihm vorstellte, 
wie diese „Tyrannen“, die Urbino und — wie die Baglioni — 
Perugia zu unterdrücken bestrebt seien, auch Bologna durch 
Zurückführung der Bentivogli der päpstlichen Herrschaft 
entfremden würden. Abgesehen von dem Wichtigsten, daß 
Hadrian VI. sich keineswegs sofort der kaiserlichen Partei 
anschloß, sondern ehrliche Versuche machte, mit Frankreich 
zum Frieden zu kommen, daß er ferner die Türkengefahr 
sofort und mit allen erreichbaren Mitteln zu bekämpfen sich 
anschickte, kann man auch an diesem Nebenpunkte sehen, 
wie hoch er die politische Weisheit Schiners einschätzte: 
er hat die großen Vasallen der Kirche, die Herzöge von 
Ferrara und Urbino, durch größte Milde und weitgehende 
Zugeständisse versöhnt und so auch den kleinen Fried- 
brechern wie den Bentivogli für den Augenblick die Lust 
zu ferneren Streichen benommen oder sie wie die Baglioni 
durch Wiederaufnahme beschwichtigt !). 

Und so war er erst recht nicht gesonnen, sich diesem 
Mentor zu fügen in dem für die persönliche Geltung des 
Papstes bedenklichsten Punkte, der zugleich die frevelhafte 
Selbstsucht und rohe Machtgier des alten Ränkeschmieds 
enthüllt, Unter dem gleisnerischen Ratschlag, daß Hadrian VI., 
wenn er in Wahrheit der Herr sein wolle, sich keinen 


wonnen wurden, verloren gehen ließen oder dem Kirchenstaate ent- 
fremdeten. Er müsse vielmehr alle Sorge darauf richten, diesen Be- 
stand zu verteidigen, wobei dann freilich Kriegsmünner wie Schiner 
und seine Schweizer unentbehrlich waren. Eine ähnliche Absicht ver- 
birgt sich hinter dem Bate, daß der Papst keinesfalls auf die Vor- 
schläge eingehen möchte, die die Kardinäle ihm wegen der Besatzungen 
der festen Plätze des Kirchenstaates machen könnten. 

1) v. Pastor IV, 2, 110ff, 196. Über das Auftreten der italienischen 
Verbannten in Worms vgl. BDB. S. 13ff. 74f. Die Baglioni stießen 
dort am kaiserlichen Hof auf Mißtrauen (S. 29), wie es ihnen auch 
Schiner hier entgegenbringt. 


21 101 


Kardinal als leitenden Staatsmann — wie Giulio de’ Medici 
im Amte des Vizekanzlers — an die Seite setzen dürfe — 
er müsse vielmehr alle gleichmäßig lieben und nur dem 
Verdienst größeren Einfluß gestatten) —, suchte er zunächst 
dem noch in Spanien weilenden Oberhaupte der Kirche 
die bisher einflußreichsten Staatsmänner der Kurie zu ver- 
dächtigen. Denn die Erläuterung zu diesem Satze sollte 
der mit der Denkschrift entsandte Vertrauensmann mündlich 
geben, weil es zu gefährlich sei, dies alles schriftlich zu 
melden. Sodann suchte er der Möglichkeit zu begegnen, 
daß Hadrian VI. schon in Spanien die wichtigsten Posten 
besetzte, indem er ihm riet, erst nach seiner Ankunft in 
Rom erprobte Männer in diese Ämter zu berufen: die wtr- 
digsten und unbestechlichsten Anwärter würden ihm dort 
der Kardinal von Sitten und der Landsmann Hadrians, 
Wilhelm van Enkevoirt, namhaft machen, mit dem sich also 
Schiner schon verbindet hatte, da das Freundschaftsver- 
hältnis der beiden Niederländer allgemein bekannt war)). 
Auch sorgte Schiner dafür, daß zwei der einflußreichsten 
Stellen, die des Geheimsekretärs und des Subdatars, doch 
womöglich schon von Spanien aus mit von ihm genannten 
Personen besetzt werden möchten. Seine eigentliche Ab- 
sicht aber liegt in dem Vorschlage, der Papst möge, wenn 
er nicht sehr bald in Rom einzutreffen gedenke, einen Le- 
gaten ernennen und dies keinesfalls dem Kollegium der 
Kardinäle überlassen: es ist unverkennbar, daß er selbst 
zunächst bis zur Ankunft des Papstes die Herrschaft tiber 
den Kirchenstaat in die Hand zu bekommen suchte, und 
dann würde der gelehrte Herr schwerlich im Stande ge- 
wesen sein, den neuen Vitelleschi?) wieder abzuschütteln. 


1) Diese schöne Wendung wird von Pastor und von Büchi ge- 
börig unterstrichen, die Tendenz des Ratschlags aber übersehen. 

1) Auch Aleander hat daher sofort nach der Wahl Hadrians den 
Skriptor Enkevoirt umschmeichelt. ZKG. XXVIII, 220 ff. 

5) Die Charakteristik des Kardinals Giov. Vitelleschi, des Bischofs 
von Recanati, der, 1434—40 als Vertreter des abwesenden Eugen IV. 
in Rom bestellt, dort seine Gewaltherrschaft aufrichtete, kann im 
wesentlichen auf den deutschen Condottiere übertragen werden: ,ehr- 
geizig, verschlagen, habsüchtig, grausam, dabei aber entschlossen und 
tapfer", v. Pastor I, 940ff. 


102 22 


Auch die Reformvorschläge des ungebetenen Beraters 
haben ihre bedenkliche Kehrseite. Einige von ihnen waren 
ja zweifellos vernünftig und schon so oft und von so vielen 
Seiten erörtert worden, daß Hadrian VI. wahrlich nicht von 
Sehiner dazu inspiriert zu werden brauchte!) Daß die. 
Herabsetzung der Zahl der Beamten und Hofleute, die er 
dem Papste empfahl, auch die Kardinäle zur Vereinfachung 
ihrer Hofhaltung bestimmen würde, war eine Täuschung, 
die nur um so auffälliger wird, je gründlicher Hadrian VI. 
aus eigenstem Antriebe in dieser Richtung vorging. Daß 
die Auditoren des päpstlichen Schatzes und die Kammer- 
kleriker, also die Beamten der mit umfassender Gerichts- 
barkeit ausgestatteten höchsten Finanzbehörde sowie die 
Abbreviatoren als die wichtigsten Kanzleibeamten ihre Stellen 
nicht mehr durch Kauf erlangen sollten, sondern daß diese 
an kenntnisreiche Personen unentgeltlich vergeben werden 
müßten, damit das Recht nicht käuflich sei, war eine For- 
derung, die längst auch von den deutschen Reichsständen 
erhoben worden war, die aber daran scheitern mußte, daß 
auch diese Ämter nur deshalb vermehrt worden waren, um 
päpstliche Anleihen zu fundieren, d. h. den Geldgebern ihr 
Kapital nebst Zinsen durch die Erträgnisse dieser Behörden 
sicher zu stellen?). Dasselbe galt von Ämtern der Pöni- 
tentiarie und der Rota, die aus demselben Grunde nicht so 
leicht auf die tatsächlich nötige Zahl der Beamten zu be- 
schränken waren. Und wenn Schiner vorschlug, ihnen einen 
festen Gehalt anzuweisen, ihnen und den „Scriptores aposto- 
liói*)^ die Einhaltung der Taxen zur Pflicht zu machen 
und die Annahme der üblichen Geschenke (der „propina“) 
über den Betrag von zwei Dukaten hinaus zu verbieten $, 


! Wie v. Pastor S. 66f bei zwei der von Schiner berührten 
Beamtenklassen annimmt. 

) Zu diesen hier nur andeutungsweise zu behandelnden Ver- 
hältnissen vgl. die gründlichen archivalischen „Forschungen“ von 
W. v. Hofmann, „zur Gesch. der kurialen Behörden“ (Bibl. des Preuß. 
Hist, Institute XII) Rom 1914. 

*) Mit diesem Ausdruck können die Scriptores literarum TN 
liarum ebenso gut wie die Secretarii apostolici gemeint sein. 

*) Über diesen Brauch vgl. v. Hofmann I, 99. 


23 108 


so klingt das sehr verstündig nnd war ebenfalls schon oft 
gefordert worden; aber die Inhaber dieser Ämter, diese 
Vakabilisten, die ansehnliche Summen hergegeben hatten, 
um sie durch derartige Sporteln verzinst zu bekommen, 
empfanden ein solohes Vorgehen als Raub, was auch Schiner 
dadurch anerkannte, daß er vorschlug, die Gehälter aus 
den Einkünften der großen Abteien zu decken, die er also 
den betreffenden Kongregationen einfach wegnehmen wollte. 

Noch radikaler wollte er mit denjenigen Ämtern ver- 
fahren, die nur dem Geldbedürfnis der letzten Päpste ihre 
Entstehung verdankten: so waren die von Leo X. 1514 ge- 
schaffenen 612 „portionarii Ripae“, „überhaupt keine Be- 
amten mehr, sondern nur Rentenempfänger“, die einen An- 
leihebedarf von 281 000 Dukaten gedeckt hatten, und zwar 
in kleineren Anteilen, da auch die kleinen Kapitalisten heran- 
gezogen werden sollten!). Der Ertrag des Flußzolles und 
der Markttaxen mußte daraufhin stark vermehrt werden, 
was natürlich eine drückende Steigerung der Preise der 
notwendigsten Lebensmittel zur Folge hatte. Wenn Schiner 
nun riet, diese auf die Hälfte herabzusetzen, da die dann 
zu erwartende Steigerung der Einfuhr den Ausfall decken 
werde, und die Abgabe nicht mehr verpachtet, sondern durch 
festbesoldete Beamte erhoben wissen wollte, so war diese 
schöne „Reform“ eben nur möglich, wenn man die ver- 
kauften Ämter einfach aufhob, was er denn auch ohne viel 
Federlesens auch für die von Leo X. stark vermehrten 
Stellen der Cubicularii und Seutiferi sowie der Milites S. 
Petri?) vorsehlug. Gerade an dem letzteren Falle erhellt 
deutlich, daß diese Maßregel nichts Anderes bedeutete, als 
einen Staatsbankerott: denn diese 400 Petersritter 
hatten auf Grund einer Bulle vom 29. Juli 1520 für ihren 
Titel je 1000 Dukaten gezahlt, d. h. sie hatten eine auf be- 
stimmte Einkünfte der Kurie angewiesene Leibrente erworben 5), 


1) v. Hofmann I, 160 f, wo auch über die drei folgenden „Ehren- 
chargen“ nähere Angaben gemacht werden. 

5) Hier ist bei v. Pastor IV, 2, 724, Zeile 30 zwischen militam 
scutiferorum ein Komma zu setzen. 

*) Vgl. über diese Gründung Leos X. ZKG. XXXV, 168f und die 
dort angegebene Literatur. 


104 24 


die ihnen nach Schiners Plan kurzweg entzogen werden 
sollte. Die Inhaber der beiden anderen Hofämter hatten bei 
der 1515 erfolgten Neuordnung nicht weniger als 200 000 
Gulden aufgebracht !). 

„Einschneidend“ war also wenigstens die letztere MaBregel 
gewiß, und estraf auch zu, daß die Vezinsung dieser Anleihen fast 
die gesamten Einkünfte des „Patrimoniums Petri“ verschlang“), 
die Schiner gern für die von ihm vorgeschlagene kriegerische 
Aktion freigemacht hätte; aber völlig unerfindlich ist es, 
wie man in diesem wunderlichen Komplex militärischer, 
politischer, finanzieller, administrativer und höchst persönlicher 
Vorschläge einen kirchlichen Reformplan erblicken kann. 
Gewiß war Schiner bei der Ankunft Hadrians VI. in Rom 
eine Persönlichkeit, die wegen ihrer jüngsten kriegerischen 
Verdienste und ihres Verhältnisses zum Kaiser Beachtung 
fordern konnte; doch darf man dem Umstande, daß der 
Papst ihn allein weiter im Vatikan wohnen ließ, während 
die bisherigen „Palastkardinäle“ sich zurückziehen mußten °), 
keine besondere Bedeutung beilegen, da Schiner der einzige 
war, der in Rom keine eigene Wohnung hatte. Bei der 
grundverschiedenen Natur beider Männer war eine Ver- 
frauensstellang Schiners, wie sie Hadrian VI. nur jenem 
Enkevoirt einräumte, von vornherein ausgeschlossen; schon 
die Fragen der auswärtigen Politik würden sich bald als 
Hindernis für die selbstsüchtigen Pläne des alten Kriegs- 
mannes erwiesen haben, der schon einen Monat nach dem 
Einzug des Papstes einer Seuche erlag (1. Oktober 1522). 


, 


) Kalkoff, Miltitziade, Leipzig 1911, S. 60f. Ztschr. f. G. d. Ober- 
rheins XXXII, 308 Anm. 

1) Nach v. Hofmann I, 288 f war die Zahl der käuflichen Ämter 
von 1518 bis 1521 von 986 auf 2982, das darin angelegte Kapital auf 
2½ Millionen und die Rente auf rund 300000 Dukaten gestiegen; 
diese konnte aus kirchenstaatlichen Einnahmen nur zu einem Drittel 
gedeckt werden. | | 

*) Pastor IV, 2, 66. Abgesehen von dem Inhalt der Denkschrift 
kann man auch deshalb, weil sie nur dem Papste bekannt geworden 
ist, kaum sagen, daß schon „Schiners Name ein Reformprogramm 
bedeutete“, 


95 105. 


Auf Grund dieser Ubersicht seines Lebensganges er- 
hellt nun schon zur Genüge, was von der angeblichen Be- 
günstigung Luthers und seiner Lehre zu halten ist, einer 
Auffassung, die in einem älteren Werke in der Formel zu 
Tage tritt, er sei „ein Freund von Erasmus, Luther und 
Zwingli“ gewesen ). Da wir nun unwiderleglich feststellen 
können, daß er zur Zeit des Wormser Reichstags zu den 
schärfsten Gegnern der ketzerischen Bewegung gehört und 
auf die grausame und restlose Ausrottung der Lutheraner 
im engsten Einvernehmen mit den Vertretern des Papstes 
hingearbeitet hat, so könnte es allerdings scheinen, als ob 
die früheren lutherfreundlichen Auslassungen des Kardinals 
auf einen „Gesinnungswechsel“ schließen lleßen. Wenn sein 
künftiger Biograph sich die größte Mühe gibt, ihn von 
diesem Makel zu reinigen“), so heißt das eigentlich, offene 
Türen einrennen. Freilich erschwert er sich diese schöne 
Aufgabe, indem er den Beziehungen Schiners zu Zwingli und 
einigen gelegentlichen Äußerungen über Luther sine ebenso 
übertriebene Bedeutung beilegt wie seinen Reformbestrebungen, 
die ihn zeitweilig sogar als einen „Bewunderer Luthers“ 
hätten erscheinen lassen. Man kann ihm dabei zugeben, 
daß der Umschwung in Schiners Haltung nicht in erster 
Linie auf bloße „Geldverlegenheiten“ zurückzuführen ist?). 


1) E. F. v. Mülinen, Helvetia sucra, Bern 1858, I, 27. Bei 
A. Horawitz u. K. Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus, 
Leipzig 1886. S. 275, Anm. 3, erscheint er 1521 als „früherer Gönner 
Capitos“. 

1) Büchi, S. 11, 18. 23. 

) Ein arger Verstoß ist dem Biographen Schiners (S. 11, Anm. 3.) 
nachzuweisen, wenn er aus einem Briefe Martin Butzers an Beatus 
Rhenanus, der sich mit der Schilderung der Lage auf dem Wormser 
Reichstage in der Zeit kurz vor dem Schlusse beschäftigt — dieser, 
wie ein Brief an Zwingli, sind auf den 22. und 28. Mai anzusetzen; 
vgl. WE. S. 261, Anm. 1 — eine Äußerung über die Todeskrankheit 
des bisher leitenden Staatsmannes anführt, die auch in den Depeschen 
Aleanders ihrer politischen Wichtigkeit entsprechend, wiederholt er- 
wähnt wird; am 26. Mai berichtet der Nuntius (DA. S. 256), daß jener 
bereits seit sechs oder sieben Tagen von den Ärzten aufgegeben worden 
sei, was genau zu der Äußerung Butzers paßt (Horawitz-Hartfelder,. 
.S. 275), daß er dem Tode nahe sein solle, Butzer macht dann die 
völlig zutreffende Bemerkung, daß Wilhelm von Croy schon wegen 


106 26 


Immerhin wurde er durch die Zuwendungen Karls I. und die 
Verleihung des Bistums Catania aus einer sehr drückenden 
Lage befreit, und schon seit dem Frühjahr 1519 sind daher 
keine Äußerungen kirchlichen Mißvergnügens mehr über- 
liefert. Der entscheidende Umstand aber, der den Schlüssel 
zum Verständnis seines bisherigen Verhaltens bietet, ist seine 
Rehabilitierung an der Kurie, die angesichts der unerbitt- 
lichen Feindschaft Frankreichs erst möglich war, als Leo X. 
seinen Übertritt ins kaiserliche Lager vorbereitete. Sie fand 
ihren Ausdruck in der Bestätigung jener Bistumsverleihung ; 
die Hauptsache aber für Schiner war, daß sich ihm nun 
wieder eine glänzende Aussicht im Dienste der vereinigten 
Mächte, des Kaisers und des Papstes, eröffnete. 

Somit erklären sich jene viel erörterten Äußerungen 
als Zeichen der Mißstimmung über seine Zurticksetzung durch 
Leo X., über die Begünstigung seiner Feinde im heimatlichen 
Bistum. Der rohe Söldnerführer reiht sich also einfach der 
Gruppe der mißvergntigten Kirchenfürsten an, die wie Albrecht 
von Mainz oder Matthäus Lang oder Eberhard von der Marck 
die kirchlichen Schwierigkeiten in Deutschland benutzten, 
um dem Papste ihre Unentbehrlichkeit fühlbar zu machen 
und die Erfüllung ihrer selbststichtigen Wünsche zu erpressen. 

Schon das Verhältnis Schiners zu Zwingli läßt sich ohne 
die Annahme einer Hinneigung des Kardinals zu den 
reformatorischen Ideen des Züricher Leutpriesters erklären. 
Zu einem Briefwechsel ist es zwischen beiden nie gekommen); 
wohl aber hat Schiner mit Hilfe seiner vom Papste be- 
soldeten Freunde am Großmünster darauf hingewirkt, dem 
einflußreichen Politiker diese Stelle zu verschaffen, und ist 
mit ihm dann bei ihrer gemeinsamen antifranzösischen 
Richtung Hand in Hand gegangen. Das für Kaiser und 


‚seiner auch von dem venetianischen Botschafter bezeugten Habgier (BDB. S 
24, 69) mitden rümischen Machthabern in Luthers Sache Hand in Hand ge- 
gangen sei. Die Herausgeber haben nun das „Dominus de Schiuer“, die Über- 
setzung seines Titels „Seigneur de Chièvres“, verlesen und „Schiner“ ge- 
druckt; doch mußte Büchi, von allem andern abgesehen, auch von dee 
robusten Gesundheit seines alten Wallisers, wissen, daB dieser nicht dem 
Herrenstande angehörte und also niemals „Dominus de“ genannt wird. 
1) Büchi, a. a. O., S. 8. 


27 107 


Papst gleich günstige Ergebnis ihrer vereinten Bemtihungen, 
das besonders in der Haltung Zürichs beim Ausbruch des 
Krieges: von 1521 zu Tage trat, mußte den Kirchenfürsten 
bestimmen, die damals schon sehr entschieden reformatorische 
Hiehtung Zwinglis zu übersehen. 

Dessen unwillige Äußerungen über den Piacenzer Zug 
(1531) dürften ibm kaum zu Gehür gekommen sein; und 
selbst die Kurie würde gegen ein opportunistisches Ver- 
halten zu dem Züricher Prediger nichts einzuwenden gehabt 
haben, da Hadrian VL noch im April 1523 diesen durch 
ein Schreiben zur Unterstützung seines Nuntius in der 
Bündnisfrage aufforderte und ihm Belohnung dafür in Aus- 
sicht stellte’). Man braucht deshalb aber nicht von „warmer 
Zuneigung Schiners zu seinem Freunde Zwingli“, zu reden 
mit dem er „eines Sinnes^ gewesen sei, oder von „freund- 
schaftlichen Beziehungen, die in ungeteilter Herzlichkeit bis 
zur Verurteilung Luthers auf dem Reichstage in Worms 
(Mai 1520) fortgedauert" hätten“). Die ausgetauschten Höf- 
lichkeiten brauchen keineswegs „im Sinne reformatorischer- 
Neigungen“ des Kardinals gedeutet zu werden, ebensowenig 
wie dessen abfällige Äußerungen über das Papsttum „die 
Deutung eines Abfalls vom Dogma und kirchlicher Lehre“ 
erforderlich machen. 

Zwingli berichtet nämlich i. J. 1525®), er habe sehon 
vor acht Jahren in Gegenwart Schiners nachgewiesen, daß 
die Einrichtung des Papsttums sich aus der Schrift nicht 
begründen lasse; dieser habe dann wiederholt geäußert, er 
werde, wenn ihm Gott wieder zur Macht verhelfe („zum 
Bret“), dafür sorgen, daß „der Übermut und die Falschheit, 
die der römische Bischof brauche, an den Tag komme und 
gebessert werde“. Aber Zwingli gibt gleichzeitig einen 


2) v. Pastor IV, 2, 101. 

*) Büchi, 8. 8f. Abgesehen davon, daß der Reichstag i. J. 1521 
stattfand, wurde Luther auch nicht von den Reichsstünden , verurteilt"; 
das hatte der Papst sich vorbehalten und auch schon ausgeführt; der 
Reichstag aber hat die Ausführung des Urteils wenigstens in der von 
Aleander und Karl V. gewünschten Form beharrlich abgelehnt. 

3) Huldreich Zwinglis sämtl. Werke. Hrsg. von Egli, Finsler 
und Köhler. Leipzig 1915, IV, 50. Büchi, 8. 4. i 


108 28 


Wink, wie derartige Außerungen eines Schiner zu erklären 
seien: er sei damals bei Papst und Kardinälen in Ungnade 
gewesen! Und genau so steht es mit dem zweiten Bericht, 
den wir Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte!) ver- 
danken; wieder geht die Anregung von Zwingli aus, der 
seinen Bischof bestürmt, die Predigt des reinen Gotteswortes 
zu gestatten und die Kirche von den vielen groben Miß- 
bräuchen und Superstitionen befreien zu helfen; er beteuert, 
daß er sich verpflichtet fühle, im Notfalle der Wahrheit die 
Ehre zu geben und den Trug zu bekämpfen. Es war die 
Ankündigung, daß er dem Beispiel Luthers folgen werde, 
wenn ihm in der Schweiz durch ähnliche Vorkommnisse wie 
die Ablaßpredigt Tetzels Anlaß dazu gegeben werden sollte. 
Schiner stimmte nun auch in diesem Falle ein: er werde, 
wenn ihn Gott wieder in sein Bistum Wallis zurückführe, 
dort die Irrtümer abstellen und das Wort Gottes fördern 
helfen. 

Wieder ist es nun ein recht überflüssiges Bemühen, die 
Glaubwürdigkeit Bullingers zu erschüttern, der seine Chronik 
erst sehr viel später abgefaßt habe, oder die zweite Er- 
zühlung als eine bloße „Paraphrase“ der ersten hinzustellen, 
die Zwingli in einer tendenziösen Streitschrift verwerte, in 
der er sich mit der angeblichen Zustimmung zweier Bischöfe 
zu decken suche. Auch dessen bedarf es nicht, um Schiner 
vor dem Verdacht zu schützen, als ob er ein „Gesinnungs- 
genosse“ Zwinglis gewesen sei. Denn wieder gibt der zeit- 
genössische Bericht den für den ultramontanen Historiker 
allerdings nicht ganz angenehmen Fingerzeig, daß damals 
schon niemand an eine „völlige Übereinstimmung“ des 
Kardinals mit dem werdenden Reformator geglaubt habe: 
„Es waren schöne Worte, aber sonst nichts dahinter“. Büchi 
selbst verweist schließlich auf die Warnung, die Beatus 
Rhenanus am 6. Dezember 1518 an Zwingli richtete: Sohiner 
scheine ihm nicht zuverlässig zu sein, da er (in Luthers 
Sache) es doch wohl mit der Gegenpartei halte, wenn nicht 
etwa das Unglück seinen Sinn geändert haben sollte?). Und 

1) Hrsg. von Hottinger uud Vögeli, Frauenfeld 1838. I, 10. 


*) Horawitz-Hartfelder a. a. O., S. 198, Büchi nennt S, 6, Anm. 1 
den 8. Des. als Tag des hl. Nikolaus! Man kann auch nicbt einfach 


29 109 


schließlich trifft er wenigstens annähernd das richtige, wenn 
er sich damit tröstet, daß Schiners Äußerung auch auf „eine 
bloß kirchliche Reformnotwendigkeit^ bezogen oder als 
„Verurteilung der päpstlichen Politik“ aufgefaßt werden könne. 


Im Ärger tiber die franzosenfreundliche Haltung Leos X., 
die ihn zur Armut, Verbannung und Untätigkeit verurteilte, 
konnte es Schiner leicht fertig bringen, Zwingli den Druck 
einer antirömischen Spottschrift zu empfehlen‘), und mehr 
hat es auch mit der angeblichen „Bewunderung“ nicht auf 
sich, die Schiner anfänglich dem Auftreten Luthers gezollt 
haben soll. Wenn Luthers Anhänger gelegentliche Äußer- 
ungen hochgestellter Personen, die in jener Anfangszeit die 
Entwicklung der Dinge natürlich nicht ahnten, zu Luthers 
Gunsten zu verwerten suchten, so will dies für die kirch- 
liche Haltung solcher Machthaber wenig besagen. Besonders 
Erasmus und Capito haben in dieser Hinsicht wiederholt 
mit kluger Berechnung auf die öffentliche Meinung einzu- 
wirken gesucht. So kann Capito an Luther am 18. Februar 
1519 berichten, daß mehrere Schweizer Prälaten, darunter 
der Kardinal, ihm eine Zufluchtstätte und pekuniäre Unter- 
stützung in Aussicht gestellt hätten, falls der Bann gegen 


übersetzen: „da er ein Komödiant sein dürfte“, sondern mit der 
„Comoedia“, die der Kardinal stillschweigend begünstige, sind die Um- 
triebe der Gegner Luthers, insbesondere der von den Dominikanern 
betriebene römische Prozeß gemeint. 


1) A. a. O., S. 142 (März 1519). Büchi S. 8. Ob eine Schrift 
Huttens in Frage kommt, ist sehr zweifelhaft; der Inhalt war „gegen 
den Papst und die geldgierigen Kardinäle“ gerichtet, also der rein 
politischen Opposition Schiners angemessen. — Praktisch völlig be- 
deutungslos war der angebliche Liebesdienst, den Schiner Luthern er- 
wiesen haben soll, indem er bei dem Bischof von Basel ein Druck- 
verbot gegen die Schrift des St. Gallener Augustiners Peter Käs er- 
wirkt habe (Büchi S. 8f). Aber einmal richtete sich die an sich un- 
bedeutende Polemik auch gegen Schiners politischen Freund Zwingli, 
und dann war es von vornherein ausgeschlossen, daB sich ein Drucker 
dazu hergegeben hätte, „diesen Narrenspossen“ (frascas, italienisch 
frasche) gegen Luther seine Presse zur Verfügung zu stellen", wie 
der Franziskaner Conr. Pellican in Basel am 16. März 1520 Luthern 
versicherte. Th. Kolde, Analecta Lutherana, Gotha 1888, S. 13, wo 
die Beziehung der Briefstelle nicht festgestellt ist. 


110 30 


ihn vollstreckt werden sollte ). Aber gerade der landflüchtige 
Bischof von Sitten verfügte damals weder tiber Geld noch 
über ein sicheres Heim, so daß es sich auch in diesem 
Falle nur um eine Äußerung seiner antipäpstlichen Stimmung 
handelt, Und deshalb darf man auch dem von dem Baseler 
Verleger Froben berichteten Worte Schiners keine tiefere 
Bedeutung beilegen, der bei Überreichung der ersten 
Schrift Luthers gesagt habe: „Luther, tu vere es luter“; 
oder vor den Leipziger Tagen: „Eck mag disputieren, so viel 
er wil; Luther schreibt die Wahrheit“). Es folgt daraus 
nieht einmal, daß Schiner Luthers Schriften wirklich gelesen 
hatte. Und vollends das Zeugnis des braven Spalatin, der 
von Augsburg aus im August 1518 die Rechtfertigungsschrift 
Luthers zu den Ablaßthesen an Schiner übersandte und 
diesen Luther gegenüber dann „als warmen Anhänger des 
deutschen Reformators* bezeichnete*), ist für die Gesinnung 
des Kardinals völlig belanglos. Abgesehen davon, daß man 
von weitergehenden reformatorischen Absichten Luthers da- 
mals noch nichts wußte, handelt es sich hier nur um einen 
klug berechneten Schritt des Kurfürsten von Sachsen, der 
eifrig darauf bedacht war, für seinen Schützling gerade in 
der Umgebung des Kaisers, von der die gegen Luther und 
ihn selbst gerichtete Denunziation vom 5. August ausgegangen 
war, hochgestellte Fürsprecher za werben, die dem Kardinal 
Lang in diesem Falle die Wage halten könnten ). 

Er hat sich daher auch nicht erst durch die Verdammungs- 
bulle vom 15. Juni 1520 oder die durch den Nuntius 
Aleander auch ihm tübermittelte päpstliche Aufforderung da- 
von abbringen lassen, ,Luthers Vorgehen zu bewundern, 
Ja, seine Person zu unterstützen“; wenn er auch von theo- 


!) Enders: Luthers Briefwechsel I, 494, 8. Es ist eine arge 
Übertreibung Büchis, wenn er von dieser Gruppe als von „begeisterten 
Anhängern Luthers“ spricht, S. 10. 

) Enders l, 121, 88 fl. 

3) „tui mirum in modum etudioso". Enders I, $39, 85 fl. Mit 
dem Urteil des Herausgebers über Schiner, daß er „den Humanisten 
zugetan und anfangs auch der Reformation scheinbar nicht abgeneigt“ 
gewesen sei. 

) Kalkoff, Forschungen zu Luthers römischem Proseß. G. 128. 148f. 


31 111 


logischen Dingen blutwenig verstand, so hatte er doch da- 
mals schon begreifen müssen, daß Luthers Angriffe auf das. 
Papsttum die weltliche und geistliche Macht der gesamten 
Hierarchie erschüttern mußten. Luthers heftiger Gegner 
Johann Fabri, der damals Generalvikar des Bischofs von 
Konstanz war und bei seinem Aufenthalt in Rom i. J. 1522 
von Schiner lebhaft begünstigt wurde, berichtet), daß dieser 
Luthers Lehre getadelt habe wegen der Verwerfung der Autorität 
der Konzilien und aller kirchlichen Überlieferung: so käme man 
durch Ablehnung der Beschlüsse des Konzils von Nizäa in 
die Gefahr arianischer Irrlehren und, wenn er nun gar nichts 
weiter gelten lasse als das Neue Testament und das 
apostolische Glaubensbekenntnis (novum testamentum et 
essentia in divinis), so müßten alle äußeren Einrichtungen 
der Papstkirche dahinsinken. Es war also wirklich nicht 
nötig, daß der „Appell des Papstes“ ihm erst „die Augen 
öffnete“, und es ist ohne viel Umschweife „mit völliger 
Sicherheit festzustellen“ daß Schiner ganz von selbst den 
„Bruch mit Rom“ vermieden haben würde“). 

Besonders deutlich geht das aus seinen Äußerungen. 
gegenüber dem Nuntius Medici hervor: er sprach am 4. Fe- 
bruar 1521 vor diesem und anderen italienischen Großen 
seine Befürchtung aus, da nach der Abreise des Kaisers. 
diese Bestien, die Deutschen, dem Papste den Gehorsam 
kündigen und über die Priester herfallen würden; er sprach 
damit die infame Verdächtigung nach, die Aleander im ersten 
Entwurf des Wormser Edikts, über den Schiner gerade in 
jenen Tagen im Redaktionsausschuß zu beraten hatte, gegen 
Luther erhob: daß er die Laien allerorten zur Ermordung- 


!) Die Stelle ist wiedergegeben bei Büchi S. 11, Anm. 4. Die 
theologische Formulierung ist das Werk Fabris, 

55 Büchi (S. 18) verwickelt sich dabei in den Widerspruch, daß- 
er gleichzeitig betont, daß dabei „für den aus seimem Bistum ver- 
triebenen, seiner Einkünfte beraubten, auf die Gnade und Pension der- 
Fürsten und das Wohlwollen des Papstes angewiesenen Kardinal weit. 
mehr auf dem Spiele stand" als für arme Teufel wie Luther und 
Zwingli, und doch behauptet, daß die religiösen Motive für Schiner 
ausschlaggebend gewesen seien. Nach ultramontanem Rezept wird. 
dabei die von Luther angestiftete „Revolution“ mit der Erhebung der 
Walliser gegen ihren ehrgeizigen Bischof auf eine Stufa gestellt. 


112 32 


der Priester aufreize, in deren Blute sie ihre Hände waschen 
sollten 1). Er benutzte nun zwar diese Gelegenheit, um 
seinem alten Groll gegen die Kurie Luft zu machen, indem 
er auf die Erbitterung der deutschen Fürsten hinwies, die 
sich tiber das Treiben der Ablaßkrämer beschwerten, die 
mit Hilfe der mönchischen Prediger alles Geld zusammen- 
gerafft hätten. Er tadelte auch die Eingriffe des römischen 
Hofes in die Pfründenbesetzung und die Schwächung der 
bischöflichen Gewalt durch die zahllosen Privilegien der 
Bettelorden, besonders ihre Exemtion von der Gerichtsbar- 
keit des Ordinarius: wenn der Bischof einen Priester fest- 
nehme, um an ihm Gerechtigkeit zu üben, so wüßten ihn 
die Mönche alsbald seiner Hand zu entziehen — offenbar 
eine Erfahrung, die dem gewalttätigen Manne von seinen 
Kämpfen mit der heimatlichen Gegenpartei in schmerzlicher 
Erinnerung geblieben war. Doch ließ er dem Nuntius 
keinen Zweifel daran, daß ihm selbst dieses Gebaren der 
Deutschen sehr mißfalle und daß er die Verzögerung in der 
Fertigstellung des Verfolgungsgesetzes lebhaft bedaure. 
Auch was er nach Luthers Abreise von Worms dem 
neuen venetianischen Gesandten Contarini über Luther mit- 
teilte, läßt darauf schließen, daß von irgend welcher Vor- 
liebe für seine Person oder von Verständnis für seine Lehre 
bei diesem alten Kriegsknecht nie die Rede gewesen sein 
kann?) Er erklärte, daß Luther sich als sehr unklug, un- 
mäßig und unwissend erwiesen habe; er lehre außer andern 
Torheiten, daß die Konzilien irren könnten, das jeder Laie 
das Sakrament des Altars vollziehen könne, daß die Ehe 
auflósbar und Hurerei keine Sünde sei sowie daß alles nach 


1) BDB. S. 38f, Theologische Studien und Kritiken 1917, 
S. 253—259. Im Dezember-Entwurf heißt es, daß Luther das Volk 
in deutschen und lateinischen Schriften „ad rebellionem et odium 
Suae Sanctitatis et sacerdotum provocaret, quos ut armis omnibus 
impeterent et manus in istorum sanguine lavarent laicos omnes ubicunque 
incitavit . . . WE. S. 52—58, 802, 2—7. 

*) DRA, II, 880. AD. S. 172, Anm. BDB. S. 19, 57. WE. S. 
257, Anm. 4 (zu der Depesche Contarinis vom 97. April). Zu der Be- 
bauptung über Luthers Fatalismus s. WE. S. 253ff, zu den andern 
Äußerungen vgl. S. 202f, 2051 und die deutsche Fassung des Wormser 
Edikts DRA. II, 646f, 


33 113 


dem Gesetz der Notwendigkeit vor sich gehe. Diese Kennt- 
nisse verdankte er seiner Mitarbeit an dem kaiserlichen Edikt 
und seinem Verkehr mit Aleander, der, soweit diese Angaben 
nicht schon in den früheren Fassungen vorkamen, sie in 
dem von Karl V. am 8. Mai genehmigten Entwurf unter- 
brachte. Dieselbe ebenso rohe als oberflächliche Beurteilung 
der Lehre Luthers spricht sich denn auch in dem Schreiben 
an Herzog Georg von Sachsen aus, das Schiner am 29. August 
1522 in Rom diktiert und eigenhändig unterzeichnet hat. 
Indem er den Adressaten an ein Gespräch erinnert, das er 
mit ihm auf dem Wormser Reichstage über Luthers Lehre 
geführt habe, beginnt er sogleich mit jenem berüchtigten 
Ausdruck des Wormser Edikts, daß Luther alle längst ver- 
dammten Ketzereien „in eine stinkende Pfütze* 
vereinigt habe!) Nur daß Schiner den Mund dabei recht 
voll nimmt: „Lutheri haeresiarchae impurissima doctrina 
omnium damnatarum, reiectarum et superatarum haeresum 
infernali sentina ac impudentissima suscitatrice, cui a Christi 
ad caelos ascensu truculentior, scelestior et execrabilior 
hactenus vixit nemo. Wenn er erst von den Kümmer- 
nissen der Verbannung erlöst und wieder in den Besitz 
seines verlorenen Bistums gelangt sei, werde er alles daran- 
setzen, um die ,spurcitia haeresis Lutheranae“ ausrotten 
zu helfen?) 

Man braucht also den Kardinal wahrlich nicht gegen 
den Verdacht eines ,Gesinnungswechsels^ zu verteidigen 
oder Zeugnisse für „seine unverdächtig katholische Gesinnung“ 


) „quamplurimorum haereticorum damnatissimas haereses in 
unam sentinam congesserit^ Joh. Cochläus, Commentaria de vita et 
scriptis Lutheri. Moguntiae 1549. p. 381, 83sq. WE. S. 60. Theol. 
Stud. u. Krit. 1917, S. 268. 

*) Fel. Ge8: Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs 
v. S., Leipzig 1905, T, 347. Der Herausgeber hat weitere „rein phrasen- 
hafte Ergüsse über Luthers Schändlichkeiten“ durch Punkte angedeutet; 
Büchi aber hat an dem Mitgeteilten solches Wohlgefallen, daß er 
meint: „Leider sind. die krüftigsten Stellen einfach aus- 
gelassen" (3.19, Anm, 2). Daß Schiner selbst der Verfasser ist, geht 
auch daraus hervor, daß ein Schreiben seines Sekretärs Sander an 
Beatus Rhenanus (Horawitz-Hartfelder S. 145) in elegantem Latein 
gehalten ist. | 
. Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 8 


114 34 


zu häufen, zumal jene Äußerungen aus der Zeit seines 
ärgsten Mißgeschicks schwerlich über den Kreis seiner 
erasmisch gerichteten Landsleute hinausgedrungen waren ). 
Ohne sich über die religiösen Fragen viel Kopfzerbrechens 
zu machen, trat er unbedenklich und rücksichtslos für die 
Aufrechterhaltung der päpstlichen Macht ein, sobald ihm 
durch die Annäherung der Kurie an den Kaiser sich wieder 
Aussicht auf gebührende Berücksichtigung seiner Leistungen 
eröffnete. : 

Er ist in Worms als Mitglied des kaiserlichen Redaktions- 
ausschusses, der gelegentlich in seiner Wohnung fagte, nicht 


1) Auf ein sonderbares Zeugnis für Schiners Glaubenstreue be- 
ruft sich Büchi, wenn er S. 23, Anm. 1 ein Schreiben des General- 
Schatzmeisters der Niederlande (trésorier général des finances; des 
„Pfenningmeisters“ der Statthalterin, den A. Dürer in Antwerpen 
portrütierte; K, Lange und F. Fuhse, Dürers schriftl. Nachlaß. Halle 
1893, S. 124, 7) Jean Marnix, seigneur de Thoulouse, an Schiner mit- 
teilt, in dem jener in vielen diplomatischen Gescháften und so auch in 
dem Wahlfeldzug von 1519 gebrauchte und nach Deutschland ent- 
sandte Beamte (vgl. DRA. T) am 28. Dezember 1519 versichert, daß 
sein Kollege Jean d'Ostin, genannt Hesdin, über die Verdienste des 
Kardinals unterrichtet sei. Dieser Hesdin war ebenfalls Hat .der 
burgundischen Regierung und führte den Titel eines maitre d'hótel 
des Königs Karl I.; er wurde 1522 als „maréchal des logis" des 
Kaisers bestellt mit der Verpflichtung, diesem in den Krieg zu folgen. 
Auch er wird in den diplomatischen Korrespondenzen bei Le Glay, 
Lanz, Brewer sehr oft erwähnt, ganz besonders aber bei Sendungen 
an den englischen Hof, mit dem ja auch Schiner in engen Beziehungen 
stand, und in kriegerischen Angelegenheiten, da er u. a. für die nieder- 
ländische Artillerie zu sorgen (Brewer, Letters und Papers III, 957, 
1007f) und darüber mit Wolsey zu verhandeln hatte. Diese beiden 
Männer hatten also schwerlich eine genauere Vorstellung von dem 
Stande der lutherischen Angelegenheit und erblickten in Schiner eine 
hervorragende diplomatisch-militärische Kraft, deren religiöse Ge- 
sinnung ihnen aufer Frage gestanden hat. Keinesfalls hatten sie 
schon Ende 1519 Kunde von kirchlicher Unzuverlüssigkeit deutscher 
Fürsten, von der auch in der Tat, den einzigen Friedrich von Sachsen 
ausgenommen, noch nicht die Rede sein konnte. Nun schreibt Marnix: 
Hesdin habe von ihm erfahren, wie Schiner sich eifrig bemüht habe, 
wührend geistliche und weltliche Fürsten sich schwierig gezeigt hütten 
(adversis principibus); nichtsdestoweniger habe Schiner sich wie ein 
Fels in seiner „fides catholica“ gezeigt (in f. c. petram firmari), Auf 
diesen Umstand (super quo; von den Personen spricht Marnix als von 


> 


35 115 


besonders hervorgetreten), wozu auch kein Anlaß vorlag, 
da diese von Aleander ausgewählten Vertrauensmänner eigent- 
lich nur die Aufgabe hatten, die Entwürfe des Nuntius mög- 
lichst unverändert zur Vorlegung an die Reichsstände zu 
empfehlen. Aber er hat sich dem Vertreter des Papstes 
durch Erteilung von Auskunft und Warnungen nach Kräften 
gefällig gezeigt und höchst wahrscheinlich ihm auch als 
Übersetzer gedient, als Aleander unmittelbar nach der Krö- 
nung in Aachen zwischen dem 23. und 26. Oktober mit 
seinem Vorentwurf zu dem nachmaligen am 29. Dezember 
von dem Gesamtstaatsrate gutgeheißenen Edikt an das kaiser- 
liehe Kabinett herantrat. Der Nuntius hatte damals noch 
keine Verbindungen mit den deutschen Räten angeknüpft, 
die ihm die Ubertragung der späteren Entwürfe besorgten 
und sich dabei der hochdeutschen Kanzleisprache bedienten. 


der „Excellentia“ Hesdins und der „ Paternitas Rev.“ des Kardinals) werde 
Hesdin bei der Katholischen und Kaiserlichen Majestät sich berufen 
(bildlich gesprochen: „fundamentum suum est factura), in der festen 
Hoffnung, den Kaiser dahin zu bringen, daß es dem Kardinal niemals 
gereuen solle, „fidem catholicam conservasse‘. Da es nun nach dem 
ganzen Sachverbalt und der Stellung der beteiligten Personen völlig 
ausgeschlossen ist, daß es sich um ein Urteil über die religiöse Über- 
zeugung handeln könnte, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß hier 
ein Wortspiel vorliegt mit dem Titel des Königs von Spanien, des 
„rex catholicus“, dessen Wahl Schiner trotz des Widerstrebens vieler 
Fürsten hatte durchsetzen helfen, wofür er nun bemüht war, die schon 
zugesagte Belohnung durch die Fürsprache einflußreicher Finanz- und 
Hofbeamter sich baldigst zu sichern (Hesdin als Korrespondent Schiners 
auch bei Le Glay, Négociations II, 158—165). 

Büchi legt auch einer gesinnungstüchtigen Äußerung Schiners 
vom 24. Juni 1517 (3. 22, Anm. 1) eine allzu idealistische Bedeutung 
bei: wenn dieser da erklärt, daß er allen, die ein Schisma erregen 
oder die Kirche stürzen wollen, entgegentreten werde, so bezieht sich 
dies auf die von Leo X, aus gewinnsüchtigen Absichten stark über- 
triebene Kardinalsverschwörung dieses Frühjahrs, die mit „antikirch- 
lichen Strömungen“ oder auch nur einer politischen Intrige, wie das 
Pisanum von 1511 war, nichts gemein hatte. 

1) Vgl. die Nachweisungen im WE. und DA. nach dem Personen- 
verzeichnis. Daß „die Freunde Luthers“ ihn nicht „insbesondere für 
die scharfe Fassung des Mandats verantwortlich machten", geht auch 
daraus hervor, daß die von Büchi S. 18 mif verstandenen Mitteilungen 
Aleanders über die Drohungen der Deutschen schon vom 8. Februar 
stammen, als noch niemand Näheres von einem Mandat wußte. 


8* 


116 36 


Die Übersetzung des Aachener Entwurfs ist jedoch in der 
schweizerischen Mundart gehalten!) und die ungelenke Hand- 
habung der Sprache?) erinnert an das grobschlächtige Latein 
in dem Briefe Schiners an Herzog Georg. Überdies ist da- 
bei Papier mit schweizerischem Wasserzeichen verwandt 
worden; da nun der Sekretär Schiners, Dr. Michael Sander, 
aus dem Wormser Sprengel stammte“), so dürfte als Ver- 
fasser dieser Übersetzung in erster Linie der Kardinal selbst 
in Betracht kommen. 

Für sein lebhaftes Interesse an der Bekämpfung der 
gefährlichen Sekte zeugt dann auch der Umstand, daß er 
sich eine Abschrift der kaiserlichen Erklärung vom 19. April 
1521 verschafft hatte“) und daß er das kaiserliche Seque- 
strationsmandat vom 10. März dem Vertreter des Papstes in 
der Schweiz übersandte®). Und obwohl seine Beziehungen 


). Vgl. meine Nachweisungen in WE. S. 106, Anm. 2. 

2) J. Kühn in ZKG, XXXV, 389, Anm, 3 und meine Bemerkung 
ARG. XIII, 257, Anm. 1. 

*) Wie Büchi S. 15, Anm. 5, leider ohne Quellenangabe mitteilt. 
Sander erwies sich noch nach dem Tode seines Brotherrn als leiden- 
schaftlicher Gegner der Reformation, der er als Domherr in Konstanz 
(1523) nach Kräften zu wehren suchte. Auch dem Erasmus suchte 
er (1524) in Rom Widerpart zu halten. Förstemann und Günther, 
Briefe an Erasmus v. Rotterdam (Beiheft z. Zentralbl. f, Bibliotheks- 
wesen 27. 1904) S. 93f, 84, 416f. Über seine Lebensumstände vgl. 
BDB. S, 75f. | 

) Ein Hinweis auf diese Vorlage (, ex archetypo cardinalis Sedu- 
nensis,“ DRA. II, 594, 26) ist von Büchi dahin mißverstanden worden, 
daß eine „deutsche Übersetzung davon in der Druckerei des Kar- 
dinals Schiner („ex archetypis“) hergestellt wurde.“ Allerdings sei 
„ihm von einer solchen Druckerei sonst nichts bekannt", und, wie 
wir ihm versichern können, andern auch nicht. Trotzdem ist er mit 
der weitern Folgerung bei der Hand, daß Sch. „auch an der Ab- 
fassung des Originals mehr beteiligt gewesen sein dürfte, als bisher 
angenommen war.“ Bisher aber wurde nur „angenommen“, daß dieses 
Schriftstück die erste völlig selbständige Kundgebung des jungen 
Herrschers gewesen sei. Allenfalls könnte dabei an den Einfluß des 
von Aleander inspirierten Beichtvaters Glapion gedacht werden; keines- 
falls aber stand Sch. dem Monarchen nahe genug, um an der Ent- 
stehung dieser Urkunde beteiligt gewesen zu sein, 

5) Büchi S. 17, Anm. 6 nimmt mit dem Herausgeber der „Akten- 
sammlung zur Schweiz. Reformationsgeschichte“ J. Strickler, irrtüm- 
licherweise an, daß es sich um das Wormser Edikt handelte; aber 


37 — 117 


zu den literarischen Kreisen nur sehr oberflächliche waren, 
bemühte er sich nun auch, Luthers Gegner heranzuziehen 
and zu fördern. Am wenigsten Glück hatte er dabei mit 
Erasmus, der ihn zwar im März 1521 wie andere einfluß- 
reiche Staatsmänner am kaiserlichen Hofe mit einer Zuschrift 
bedacht hatte, um sich gegen die Verdächtigungen Aleanders 
zu decken. Dann hatte er dem Kardinal in Brüssel seine 
Aufwartung gemacht und dabei von seinen Bemühungen um 
die Erläuterung der neutestamentlichen Schriften gesprochen: 
er unterließ nicht, der von Schiner empfangenen Auf- 
munterung zu gedenken, als er im Herbst das Evangelium 
seines Namenspatrons mit Paraphrase dem kaiserlichen Hofe 
übersandte!), Aber er war viel zu klug, um auf die auch 
von Schiner unterstützte Einladung zur Übersiedelung nach 
Rom einzugehen?) 

Dieser hat dann dem bald nach dem Tode Leos X. in 
Rom angelangten Generalvikar von Konstanz Johann Fabri?) 
seine Gunst angedeihen lassen und seine dort erst vollendete 
und am 14. August 1522 aus der Presse gekommene Streit- 


dieses war bei dem eiligen Aufbruche des Hofes Ende Mai auch in 
der in Worms gedruckten deutschen Fassung noch nicht für den Ver- 
sand fertig und die für den Italiener W. de Falconibus wichtigere 
lateinische Fassung wurde erst in Löwen gedruckt. Vgl. zur Ge- 
schichte des Sequestrationsmandats WE. Kap. VI. 

!) Die Nachweise in den Anfängen der Gegenreformation in den 
Niederlanden I, 88. II, 65f., 98. 

3) Büchi S. 19. Die Tätigkeit Schiners beschränkte sich in diesem 
Falle darauf, daß er, wie Fabri am 7. April 1522 an Beatus Rhenanus 
schrieb, den Konstanzer Generalvikar beauftragte, in seinem Namen 
auf Erasmus in diesem Sinne einzuwirken, dem er auf die von Fabri 
geäußerten Bedenken seinen Schutz zusagte. Horawitz-Hartfelder S. 
304f. Die Bedeutung einiger schmeichelhaften Äußerungen des Eras- 
mus bei Widmung der Paraphrase des Jakobusbriefes u. a. wird von 
Joller S. 50 stark übertrieben. 

*) Über dessen Auftreten in Rom vgl. den von mir im ARG. III, 
77ff abgedruckten Bericht des Jakob Ziegler an Erasmus vom 16. Febr. 
1592, dessen bezüglicher Abschnitt S, 78, wie Schottenloher a. a, O. 
V, 81f gezeigt hat, auf Fabri bezogen werden muf; in einem ebenda 
mitgeteilten Aufsatze gibt Ziegler nähere satirisch gefärbte Be- 
obachtungen über die Entstehung der oben erwähnten Schrift und die 
Arbeitsweise Fabris. 


118 38 


schrift, das „Opus adversus nova quaedam dogmata M. Luther!“ 
schon am 29. August mitjenem Schreiben an Herzog Georg von 
Sachsen übersandt. Es fehlt dabei neben dem überschweng- 
lichen Lobe dieser Leistung wiederum nicht an wüsten 
Schimpfereien über Luthers ketzerische Lehre, die als „eine 
höllische Brutstätte der schmutzigsten und verrücktesten Irr- 
tümer“ bezeichnet wird. Der Kardinal wird alle. Kraft 
darauf verwenden, diese jetzt in Deutschland wütende Pest 
zu bekämpfen, wozu das Werk Fabris besonders geeignet 
sei. Der Zweck der Empfehlung ist ebenso durchsichtig, 
wie das Anerbieten Schiners, die etwaigen Anliegen des 
Herzogs bei dem neuen Papste zu vertreten, bei dem er 
alles durchzusetzen hoffe dürfe: eine etwas voreilige Be- 
hauptung, da der Papst erst am Tage vorher in Ostia ge- 
landet war und am 29. August erst seinen Einzug in die 
ewige Stadt hielt!) 

Bei dieser Roheit, die sieh in den Worten des alten 
Kriegsmannes über Luther kundgibt und den abfälligen 
AuBerungen, die er in Worms vor dem venetianischen Bot- 
sehafter über Luthers Unmüfigkeit und seine frivole Be- 
urteilung des Geschlechtslebens getan hatte, ist nun die Ver- 
mutang nicht von der Hand zu weisen, daß „der berühmte 
Bischof“ (,apud magni nominis hominem ex episcoporum 
numero“), an dessen Tafel Jakob Ziegler das Urteil tiber 
Luiher hörte, daß er „ein Hurer und Säufer“ sei?, eben 
unser Kardinal von Sitten war. Bei demselben Gastmahle 
hatte sich auch ein erbitterter Gegner des Erasmus, der 
Spanier Jakob Lopez Zuñiga (Stunica) eingefunden, der 
. dann eine scharfe Kritik der literarischen Tätigkeit des 
Rotterdamers zu Besten gab.?). 

Jedenfalls geht auch aus diesen spärlichen Zeugnissen 
über die Berührung Schiners mit der Gelehrtenwelt hervor, 
dab er bisher zu Unrecht als ein Gónner des Humanismus 


*) v. Pastor IV, 2, 46 fl. Da Schiner bei Erwähnung des Papstes 
berichtet, daß dieser „schon die italienische Küste erreicht habe und 
in vier bis sieben Tagen in Rom erwartet werde", so muß der größte 
Teil des Schreibens einige Tage früher entstanden sein. F. Gef, a. 
a. O. S. 347, 24f, 348. 

*) ARG. III, 70f. 


39 119 


aufgeführt worden ist und daß er bei seiner dürftigen Bildung 
und seinen rein materiellen Interessen den wissenschaftlichen 
Bestrebungen seiner Zeit ebenso gleichgültig gegenüberstand, 
wie er sich in seinen kirchlichen „Reformplänen“ oberfläch- 
lich und eigennützig und der religiösen Bewegung gegen- 
über schlechthin feindselig erwies. Dieses Bild wird auch 
nicht wesentlich gemildert durch den Hinweis auf seine 
Rührigkeit in Wahrnehmung seiner bischöflichen Pflichten 
durch Visitationen, Kirchenbauten und Verwaltungsmaßregeln 2 
Abgesehen davon, daß einige überschwengliche Äußerungen 
der Urkunden über das Wesen der Kirche und die Herr- 
lichkeit der Mutter Gottes ihrem Wortlaut nach das Werk 
des beteiligten Kanzlers oder Generalvikars sind, daß die 
korrekte Umschreibung des Ablasses in den bezüglichen 
Briefen den überlieferten Formeln entspricht, hatten die 
Visitationen doch auch den deutlich erkennbaren Zweck, 
durch Geltendmachung der geistlichen Disziplinargewalt auch 
die fiskalischen Interessen zu fördern?). Seine Bautätigkeit 
wie einige kostspielige Schenkungen entsprechen dem Zuge 
des Renaissancefürsten, durch prunkvolle Denkmäler und 
Stiftungen seines Namens Gedächtnis zu sichern. Es ist be- 
zeichnend, daß man dabei keine Einrichtung zu karitativen 
Zwecken nachzuweisen vermag; und der erbauliche Charakter 
seiner im Dome von Sitten gehaltenen Predigten wird denn 
doch durch ein Werk wie die Elogia des Italieners Paolo 
Giovio (Jovius) nicht glaubwürdig genug bezeugt?) Wenn 
er sich um die Wiederpringung entfremdeten Kirchengutes 
bemtüht, also den Herzog von Mailand bestimmt, die ,dem 
Hochstift Novara widerrechtlich entzogene Herrschaft Vespo- 
late zurückzustellen^*) so handelte er eben nur in nackter 
Habgier zur Mehrung des ihm zugefallenen Beuteanteils. 
Auch läßt sich leicht übersehen, daß ihm selbst für eine 
derartige Erfüllung seiner bischöflichen Pflichten bei seinem 


1) Vgl. die von Joller gesammelten Zeugnisse, Blätter aus d. 
Walliser Gesch. I, 511f, 

2) Vgl. die hohen Buen, die er auf Gotteslästerung, zu frühe 
Öffnung der Wirtshäuser u. dgl. setzte. Joller S. 60. 

5) Joller S. 59. 

*) Joller S. 61. 


120 Ä 40 


unsteten Leben als Heerführer und politischer Unterbändler 
nur wenig Zeit übrig bleiben konnte. | 

So darf denn sowohl die ältere Legende von dem 
lutherfreundlichen, humanistisch angeregten Oberhirten, wie 
die neuere von dem zwar reformeifrigen, aber theologisch 
wohlgertisteten und allzeit loyalen Kirchenfürsten, dem wegen 
seiner vorbildlichen Tugenden und seiner staatsmännischen 
Größe die Tiara angeboten wurde, als beseitigt gelten. Es 
bleibt bei dem Bilde des tatkräftigen und wagemutigen 
Kriegers, des verschlagenen und schlagfertigen Politikers, 
des herrschsüchtigen, rücksichtslosen Parteimannes. Auch 
Schiner war ein Bauernsohn wie Luther und deshalb frei 
von den Lastern der höheren Stände, aber weder durch 
tiefere Geistesbildung noch durch edlere Ziele in der Be- 
tätigung seiner rohen Selbstsucht und seiner urwüchsigen 
Begabung gezügelt oder gemildert. 


Die reformatorischen Kirchenordnungen 
Ober- und Innerösterreichs. 


Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche. 


Schluß!). 


Erinnerung vonderkirchenordnung, dasman 

rechten unterscheidt haltezwischen dem das 

notwendig und dem das nicht notwendig, 
sondern frey ist. 


Also haben wir theologen dieser landschaften, welche, 
wie obgemeldet, zu diesem werckh ordentlich erfordert seindt, 
uns ven unser und unser mitbrieder wegen der lehr halben 
erklehret, darauß unser aller lehr, gleichförmigkeit genug- 
sam erscheinet, darby wir auch durch gottes hülf biß inn 
unsere endte zuverharren gedenckhen, wenn schon nümer 
nichts davon beschrieben würde; den diß ist die einigkeit, 
die da nottwendig und durch auß ganz in alen stückhen 
muß für und für gesucht und erhalten werden; wenn hierin 
auch das aler geringste püinctlin verruokht würde, so wehr 
es schon umb die wahre einigkheit geschehen, darumb ein 
aufrichtig lehrer und bekenner des Evangelions Christi sich 
hierin garab nicht muß bereden lassen, daß er in etwab 
weichen oder nach geben wollt, und wo man die reine lehre 
und wabre einigheit deß Geistes in der khürchen erhaltten 
wil, da sol man sehen, daB einer mitt dem andern allso 
stimme, und, wehr nicht gleich mit zu stymmet, abgesetzt 
werde; dahin auch eigentlich beharret, daB Paulus sagt, ein 
wenig saurteig verseuret den ganzen teig Gal. 5?). Diese 
einigkeit hatt auch Augustinus?) vor zeiten allein von deu 
lehrern erfordert in allen khürchen, in ceremonien aber und 
eusserlicher verwaltung hatt er uf eine gleichförmigkheit 
al ein nottwendige sache gar nicht gedrungen, sonder einer 
jeglichen khürchen ihre weiße frey gelassen, ja auch für 
eine zierde gerechnet, wens schon mancherly weißs ge- 
haltten werdt, nur daß verhuettet würde, ales, wa dem 


» yel Bd. 17 S. 209—230, 277—300, Bd. 18, 35—55. 
.9 


3) (In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas) 


122 42 


wahren glauben und gottseligkeit entgegen wehr, dahin er 
dan den spruch psal. 45!) zeucht: tota pulchritudo filiae 
regis, seu ut nostra habet translatio: omnis gloria filiae regis 
ab intus in fimbriis aureis circumamicta varietatibus, welchs 
uff deutsch also lautet: deb kinigs dochter ist ganz herlich 
innwendig, sie ist mit gülden stückhen bekleidtet, man fieret 
sie in gestickhten kleidern zum keinige, daß ist nach der 
außlegung Augustini?) so viel, die nottwendige einigkeit der 
christlichen kürchen stehet aler Ding im glauben und lehre, 
nemblich in der Norma veritatis, grundtfest und pfeiler der 
Wahrheit, davon wir anfencklich meldung gethan; in cere- 
monien aber und eusserlieher ordnung haltts ein jegkliche 
kürche nach gelegenheit deß ortts, der zeit, der leutt und 
anderer umbstende, wenn nur die Lehre und glaube der- 
massen ist, daß man dardurch die leutt zum künige, dem 
heren Christo, füere, so liegt nichts daran, daß in einer 
kürchen dieße und in der anderen ein andere weiße sey 
Ja, wie es woll stehet, wenn die brautt am gebräm ihres 
rokhs und den eussersten enden der außwendigen bekhleidung 
gollt, sammett, seidten und mancherley farrben hatt, daß sie 
in gulden stückhen und gestückhten mit berrlin und edlin 
gesteinen gezieret kleidern daher zum brüedigam. geftertt 
württ, Also gibts ein zierde der algemeinen christlichen 
kürchen, welche deß herren Christi brautt ist, wenn allent- 
halben ein glaube, ein wortt oder Lehre, ein tauffe?), ein 
geist ist, dardurch sie allein zu Christo ihrem breudtigam 
und nicht beneben hin gefuert würdt und aber nach gelegenheitt 
der mancherley lande und volekher mancherley weiße im eusser- 
lichen wandel und verwaltung der kürchenempter ist, wenn nur 
die brautt zum rechten brüedigam gefiert württ, daB dan allein 
:dureh gesunde lehre und glauben geschieht, so stehetts alent- 
halben woll und ist die eusserliche ungleichformigkeit mehr ein 
zierde dan ein übelstandt; wo man aber auff die eusserliche 
gleichförmigkeit dringt und der innerlichen nicht achtet, wie 
die papisten thun, da stehet die sach gar übel, wan schon 
die eusserliche weiße in ihrer gleichförmigkeit ein prächtigen 
schein hatt und hoch gerühmet würdt; den da würdt die 
brautt nicht dem rechten brüedtigam, sondern seinem feindt, 
dem teuffel, zugefüeret; wehr wollt deB lachen, dan der 
teuffel selbert alein? Dieße lehre hatt Augustinus von Am- 
brosio*) seinem seelhirtten gelernet und derselbige, wie auch 
andere hatts von den vatern, so für im gewesen sein, wie 
dan Eusebius?) Socrates?) und Sozomenos?) viel schreiben, 


1) 45, 14 f. *) Migne, Patr. lat. 86, 512, 3) Ephes. 4, 5. 
) RGG. 1, 496. 5) Ebd. 9, 695. 6) Ebd. 5, 739. 
7) Ebd. 5, 772. 


43 123 


da etliche geister nicht auß gottseligem euffer uff ein gleich- 
förmigkeit in mitel dingen, al uff ein nottwendigkheit sehr 
drungen, großen streitt und lerme hin und wider in der 
khürchen erregten, daß gottförchtige, friedt liebende, ver- 
nünftige bischoffe und lehrer die sache zum friede also 
bracht, das sie nur gerathen, uff den glauben und gesunde 
lehr achtung zu geben und dan einer jegklichen khurchen 
ihre weiße nach dem einer jegklichen Gelegenheit erfordert 
frey liessen und ziehen Ireneum!) und Polycarpum?) an, 
welche solche christliche weißheit und bescheidenheit in 
dem kürchenregiment gebrauchet haben; daher deß Irenaei 
meinung berümpt worden: jeiunii disonantia () fidei conso- 
nantiam minime rumpit, welches von allerley ceremonien 
und eusserlicher kürchenzucht gleichsfalB verstanden würdt, 
und zwahr dieße lehre haben die väter auß gottes wortt 
gelernet, wie dan Polycarpus sein lehre von Johanne dem 
apostel und evangelisten zu Epheso gelernet und härnach 
den Irenaeum gelehret hat; den Paulus sagt von der nott- 
wendigen gleichförmigkeit, so in glauben und gesunder lehr 
stehet, Philiper 38) also: wievill nu unser volkhomme seindt, 
die laet uns alo gesünet sein, und solt ir sonst etwaß 
halten, daB lasset euch gott offenbaren, doch so ferne, dab 
wir nach einer regel, darein wir khommen seindt, wandelen 
und gleich gesünet seyen und zun Ephes, 4: Seyt vleiDig 
zu halten die einigkeit im geist durch das band des friedes; 
ein leyb und ein geist, wie ihr auch beruffen seidt uf einerley 
hoffnug euers beruffs, ein her, ein glaube, ein tauffe, ein 
gott und vatter unser aler, der da ist über euch ale und 
dureh euch ale und in euch alen. Item in 2. Timotheo 1 5: 
half an dem fürbülde der heilsamen wortte, die du von mir 
gehört hast vom glauben und von der liebe in Christo Jesu; 
diesen guten beylag bewahre durch den heiligen geist, der 
in uns wonnet; item 2. Timotheo 35): bleibe in dem, daß 
du gelehrnet hast und dir vertraut ist. 1. Thimothe 69): 
Ich gebiete dir für gott, der ale dinge lebendig machet und 
für Jesu Christo, der under Pontio Pilato bezeuget hat ein 
gutt bekenntnus, daß du haltest diß gebott ohn flecken un- 
vertadelich biß auf die erscheinung unsers heren Jesu 
Christus. Timothee, Bewahre, das dir verthrawet ist und 
meide die ungeistlichen, loßen geschwetze. 1. Timotheo 5?): 
ich bezeuge für Gott und dem herrn Jesu Christo und den 
außerwelten engeln, daß du solches haltest ohn eigen gutí 
dunkhel. 1. Thimotheo 15): diß gebott befellhe ich dir, 
mein son Timothee, nach den vorigen weiDsagung über dir, 


9 Ebd, 3, 670 ) Ebd, 4. 1662. ») V. 15. 
«9 V 5 v. 11. ) V. 1 ) V. 21. 9 V. 18. 


124 44- 


das!) du in denselbigen eine guete riterschaft übest und 
habest den glauben und guet gewissen, in der ander 
Timoth. 4: so bezeuge ich nun fur gott und den herrn 
Jesu Christo, der da zukunftig isí zu richten die lebendigen 
und die todten mit seiner erscheinung und mit seinem reich, 
predige das wort, haldt an, es sey zu rechter zeit oder zur 
unzeit. Gal. 1*5: So auch iemandt evangelium prediget 
andersí dan das ir empfangen habt, der sey verflucht! 
Joan. in epist. 2°): Wer übertritt und bleibet nicht in. der 
lehr Christi, der hat keinen Gott. Wer in der lehr Christi 
bleibet, der hat beide den vatter und den sohn; so iemandt 
zu euch khomet und bringt dise lehr nicht, den nemet nicht 
zuhause und grüesset in auch nit, den wer in grüesset, der 
macht sich theilhaftig seiner losen werke. Auß disen und 
dergleichen sprichen lernen wir die nottwendige gleichformig- 
keit des glaubens und lehre oder bekenntnus, davon auch 
der herr Christus sagt: Luc. am 10.*) Unum est necessarium, 
eins ist vonnötten. Von ceremonien aber und euserlicher 
weise, sagt Paulus zum Colloss. am 2.5: So lasset nun 
niemand euch gewissen machen über speise oder dranck 
oder über bestimbten feiertag oder neumonden oder sabbather, 
welches ist der schatten von dem, das zukunftig war, aber 
der cörper selbst ist in Christo. Lasset euch niemand das 
zill verrucken, der nach eigner wall einher gehet in demuet 
und geistlichkeit der engel; so ir den nun abgestorben seit 
mit Christo den satzungen der welt, waß lasset ir euch den 
fangen mit satzungen, als lebeten ir noch in der welt, die 
do sagen, du sollt das nicht angreifen, du soll das nicht 
kosten, du soll das nicht anruren, welchs sich doch alles 
under handen verzeret und ist menschen gebott und lehre, 
welche haben einen schein der weiDheit durch selb erwölte 
geistlichkeit und demuet und dadurch, das sie des leibes 
nicht verschonen und dem fleisch nicht seine ehre thun zu 
seiner notturft. In der 1. Timoth. 4: Der geist aber saget 
dentlich, das in den letzten zeiten werden etliche von dem 
glauben abtretten und anhangen den verfurischen geistern 
und lehren der teuffel, durch die so in gleisnerei lugenreder 
seint und brandtmall in ihren gewissen haben und verbieten, 
ehlieh zu werden und zu meiden die speise, die gott ge- 
schaffen hatt. Der ungestlichen®) und altvätterischen fablen 
entschlage dich. Auß disen und dergleichen sprüchen lernen 
wir, das Paulus nicht allein die Menschen satzung verwirffet, 
die gottes wort entgegen gein, sondern auch, wenn iemandt 
auf die, so etwa ohn stinde einem andern zur liebe möchten 


1) Von hier an wieder eine andere Hand. 3) V. 9. 5) V. 9. 
*) V. 41. 5) V. 16. *) ungeistlichen. 


45 125 


gehalten werden, als auf notwendige sachen drunge, woll 
ers ganz und gar nicht gestatten, weil solch nötigen der 
christlichen Freiheit zu wider und under dem schein der 
eusserlichen ordnung und gleichformigkeit nichts auders dan 
verdunckelung und vertilgung des reinen evangelii und waren 
seeligmachenden glaubens gesuecht wird. Darumb sagt er 
auch zum Gal. am 2. capitel !): Es werd auch Titus nit ge- 
zwungen sich zu beschneiden, ob er woll ein Grieche war; 
denn da etliche falsche brüeder sich mit eindrungen und 
neben eingschlichen waren zu verkundtschaften unsere frei- 
heit, die wir haben in Christo Jesu, das sie unB gefangen 
nemen, wichen wir denselbigen nicht eine stunde underthan 
zu sein, auf das die wahrheit des evangelii bei euch be- 
stünde. Da aber Petrus gen Antiochiam kam, widerstund 
ich ihm underaugen, denn es war klage über ihn komen. 
Den zuvor, ehe etliche von Jacobo kamen, aß er mit den 
heiden. Da sie aber kamen, entzog er sich und sondert 
sich, daramb das er die von der beschneidung fürchte, und 
heuchelten mit ihm die andern juden, also das auch Barnabas 
verfueret werdt mit ihnen zu heuchlen; aber da ich sahe, 
das sie nicht richtig wandleten nach der wahrheit des evan- 
gelii, sprach ich zu Petro fur allen offentlich: so du, der 
du ein jude bist, heidenisch lebest und nicht judisch, warumb 
zwingest du dan die heiden, judiseh zu leben? 

Ob aber woll der liebe apostel da so ernst gewesen ist, 
weils die nott des evangelions wahrheit zu verteidigen 
forderte, hat er doch anderswo, damit er die schwachen 
nicht ergere, beide, beschneidung und andere weise, willig 
gehalten, damit also auf beiden seitten die christliche frei- 
heit in diesen sachen bestünde, denn hierin weder zur 
rechten noch zur linken ein zwang oder nottwendigkeit ge- 
sucht werden soll; wolle iemandt sagen, es were solch eusser- 
liche weise also und nicht anderst zu halten, notwendig zur 
seeligkeit, der stritte wider den glauben, welchs unzeittige 
geseizprediger das evangelium zu verdunkelen zur apostel- 
zeit understanden. Act. a. 15, Gal. 4, Phil. 3. Wolle aber 
hergegen iemandt sagen, es were zur seeligkeit notwendig, 
solehe dinge allezeit bei iedermann an allem ort, es driege 
sich zu, waß da woll, zu meiden, der süchte?) die liebe an, 
welche mit den schwachen gedult hat und ohn verletzung 
des gewissens ihnen vill zu liebe freiwillig helt; und zwar 
dise seind eben so hardt wider den glauben als die andern, 
weil sie sündt machen, da keine sünde ist, wüllen die ge- 
wissen verstricken in sachen, über welche kein gewissen 
zu nennen ist, wen nur der glauben und glaubens lehre ge- 


1) V. 3. 1) Am Rand: sichte = sehe. 


126 | 46 


sundt und die liebe des nechsten knecht bleibet; diesen un- 
zeittigen gebrauch der freiheit straffet Paulus mit wortten 
‚und thatten villmall; als Act. ap. 16 lest er Timotheum be- 
schneiden, damit er die juden, so noch schwach im glauben 
waren, nicht ergerte. Act. ap. 181) et 21?) bezalet er sein 
gelübte, lest sein haubt bescheren nach der juden gebrauch. 
In der 1.Cor.9®): Den wiewoll ich frei bin von iederman, spricht 
er, hab ich doch mich selbs jedermann zum knecht gemacht, auf 
das ich ihrer vill gewünne. Den juden bin ich worden als ein, 
jude, auf das ich die juden gewunne; deren die under dem gesetz 
sind, bin ich worden als under dem gesetz, auf das ich die, 
so under dem gesetz sind, gewinne; denen die ohn gesetz 
sindt, bin ich als ohne gesetz worden; (so ich doch nit ohn 
gesetz bin für gott, sondern bin in dem gesetze Christi), auf 
das ich die, so ohne gesetz sindt, gewinne. Ich hin ieder- 
mann allerlei worden, auf das ich allenthalben ia etliche 
seelig mache; solchs aber thue ich umb des evangelii willen, 
auf das ich sein teilhaftig werde. Eben diesen rath gibt er 
auch allen anderen Christen, als in derselbig epistel am 8. 
eapitel ) spricht er, die speise fordert) unh nicht for Gott; 
essen wir, so werden wir darumb nicht besser sein; essen 
wir nicht, so werden wir darumb nichts weniger sein; sehet 
aber zue, das dise eure freyheit nicht geradt zu einem an- 
sto der schwachen; wen ir aber also sündiget an den 
brüedern und schlegt ihr schwages?) gewissen, so sündiget 
ir an Christo. Darumb, so die speise meinen brueder ergert, 
wolte ich nimmer mehr fleisch essen, auf das ich meinen 
brueder nicht ergere. Und in der 1. Corintb. 10°) spricht 
er: ich hab es zwar alles macht, aber es frommet nicht 
alles; ich hab es alles macht, aber es bessert nicht alles; 
niemandts sueche, waß sein ist, sonder ein iegklicher, waß 
des andern ist. Ir esset nun oder drinket oder was ir thuet, 
80 thuet es alles zu Gottes ehre; seit nicht ergerlich weder 
den jud noch den griechen noch der gemeine gottes, gleich 
wie ieh auch iedermann in allerlei mich gefellig mache, und 
sueche nicht, waß mir, sondern waß vielen frommet, das sie 
selig werden; seit meine nachfolger, gleich wie ich Christi; 
und denen, so sich unzeittiger freiheit gebrauchen, das sie 
irgendts einer kirchen gemeinen brauch und weise sich 
wegern zu halten, wöllen sonderlinge werden, richten zank 
und unruhe an ohn alle ursachen, antworttet er nichts mehr 
den dif, in der 1. Corinth. 119): Ist aber iemandt under 
euch, der lust zu zanken hat, der wisse, das wir solche 
weise nicht haben, die gemeine gottes auch nicht, Zum 


1) V. 18. 3) V. 26. 5 V. 19. 1) V. 8. 
5) fördert. ) schwaches. ?) V. 23. 8) V. 16. 


47 127 


Röm. 14 et 15: Redet er vill von disen sachen, wie man 
darin der christlichen freiheit recht gebrauchen und nicht 
ein fleislichen mutwillen zu betruebnus der schwachglaubigen 
under dem schönen mandel der christlichen freiheit treiben 
soll. Den schwachen im glauben, spricht er, nemet auf und 
verwirret die gewissen nicht; einer glaubet, der möge allerlei 
essen, weleher aber schwach ist, der isset kraut; welcher 
isset, der verachte den nicht, der da nicht isset, und welcher 
nicht isset, der richte den nicht, der da isset, den Gott hat 
in aufgenommen. Wer bistu, das du ein frembden knecht 
richtest; einer helt einen tag für den andern, der ander aber 
helt alle tag geleich, ein iegklicher sey in seiner meinung 
gewiß; welcher auf die tage helt, der tutß dem herren und 
weleher nicht drauf helt, der thuets auch dem herren; welcher 
isset, der isset dem herren, den er danket Got, welcher nit 
isset, der isset dem herren nieht und danket Gott; den 
unser keiner lebet ihm selber. Du aber, waß richtestu deinen 
Brueder oder du ander, was verachtesta deinen brueder? 
wir werden alle fur den richterstul Christi gestelt werden. 
Darumb lasset unD nicht mer einer den andern richten, 
sondern das richtet vill mehr, daß niemandt seinen brueder 
einen anstoß oder ergernus darstelle. Ich weiß und bins 
gewiß in dem herren Jesu, das nichts gemein ist an im 
selbs, ohn der es rechnet für gemein, demselbigen ists ge- 
mein; so aber dein brueder über deiner speise betrtlebt 
wirdt, so wandelst du schon nieht nach der liebe; lieber, 
verderbe den nicht mit deiner speise, umb welches willen 
Christus gestorben ist. Darumb schaffet, das eur schatz nicht 
verlestert werde, denn das reich Gottes ist nicht essen und 
drinken, sonder gerechtigkeit und Friede in dem heiligen 
geiste; wer darinnen Christo diener, der ist Gott gefellig 
und den menschen werdt, darumb lasset und dem nach- 
streben das zum friede dienet und wab zur besserung unter- 
einander dienet. Lieber, verstere nicht umb der speise 
willen Gottes werk, es ist zwar alles rein, aber es ist nicht 
guet dem, der es isset mit einem anstoD seines gewissens; 
es ist vill besser, du essest kein fleiß () und drinkest kein 
wein oder daß, daran sich dein brueder stosset oder ergert ` 
oder schwach wird. Hastu den glauben, so hab in bei dir 
selbs för Got. Seelig ist, der im selbst kein gewissen macht 
in dem, das er annimmet; wer aber darüber zweifelet und 
isset doch, der ist verdambt, den es get nicht auß den 
glauben; was aber nicht auß dem glauben gehet, das ist 
Sünde; wir aber, die wir stark sind, sollen der schwachen 
gebrechlichkeit tragen, und nicht gefallen an nnB selber 
haben; es stelle sich aber ein iegklicher under unß also, das 


128 48 


er seinen nechsten gefalle zum guetten zur besserung, den 
aueh Christus [nicht] an ihm selber gefallen hatte. Darumb 
nemmet euch undereinander auf gleich, wie auch Christus 
hat aufgenommen zu Gottes lobe. 

Diese lehre und exempel des apostels Pauli sindt alle 
zeit hoch in der kirchen Gottes gehalten, darauß Polycarpus, 
Irenaeus, Ambrosius, Augustinus, Lutherus in gleichen fellen 
gueten radt beide für schwache und starke gegeben haben 
und wie sie die unvernünftigen gesetztreiber auD verange- 
zogenen spruchen gestraft haben, also haben sie nicht we- 
niger die frechen verächter aller schwachen und die so auß 
der ehristeliehen freiheit ein fleischlichen ergerlichen mut- 
willen gemacht haben, hierauß ires gottlosen frevels über- 
wiesen. Lutherus hat zu unser zeit nicht allein der papisten 
notzwang, da sie auf menschen satzung als weren sie zur 
.seeligkeit vonnótten gedrungen, ernstlich gestraffet, und in 
dem die ware seeligmachende gerechtigkeit und christliche 
freiheit erürtert und offenbaret, er hat aber auch nicht we- 
niger ernst gebraucht gegen die bildstürmer und kirchen- 
wuester, als Carlstat!) und seinesgleichen, da er gesehen 
hat, das sie von einem ehrgeitzigen, frechen, frevelen, zün- 
ckischen, unrubigen, aufrurischen geist getrieben wurden, de- 
nen kein kirchrecht reformiert ware, sie wer den wie ein 
verwuesteter stadel oder scheuren zugerichtet, und frevelich 
iederman urteillen, dem teuffel gaben?), die noch ein khor- 
rock oder etliche ander ceremonien dulteten, ob schon solchß . 
mittel dinge?) sind, die außer dem fall der ergernuß weder 
geben noeh nemen, und, do Carlstat die elevation des ca- 
craments für sich selbs wolte für ein gotloß werk und todt- 
sünde aufschreien, ließ er sie ihm zu drutze bleiben noch 
ein zeitlang*), damit auch in solchem fall unser christlichen 
freiheit nichts benommen und Carlstat sampt seinen schwarm 
nicht zum neuen pabst wurde, sünde zu machen, da kein 
sünde ist, und solche grosse ergernuß zugeben; es hat der 
frumme Lutherus wie auch Pomeranus?°), Vitus Dietrich ®) 
gar fein sauberlich und weißlich gefaren in der reformation 
und abgetan der päbstischen greuel; waß mittel ding gewe- 
sen, hat er nicht abgetan umb der schwachen willen, und 
damit will gewunnen wurd, hat er vill dings, das man auch 
entraden kan, ein guette zeit bleiben lassen. Solchs exem- 
pell sollen woll wahrnemen, die auch zu dieser zeit an di- 
sen und anderen ortten, da man noch das pabstumb umb 
sich hat und nicht allenthalben lange zeit die evangelische 
lehre und freiheit geprediget und gnugsam erkläret hat, die 


1) RGG 3, 949. 3) überantworteten. *) RGG 1, 148. 
*) Sehling s. v. Elevation. 5) RGG 1, 1420. *) S. ob. S. 238, 8. 


49 129 


kirchen geschefft anzuordenen beruffen werden. Was nun 
Paulus da in einem fall, nemblich von speise, fasten gesagt, 
kan man auf alle dergleichen fälle ziehen: als, wer den 
chorrock, liechte, westerhembt!), handtauflegen und derglei- 
chen ceremonien nicht braucht, der verachte den nicht, der 
sie brauchet, und hergegeu, wer sie brauchet, der richte die 
nicht, so sie nicht gebrauchen, ein iegklicher sehe, das er 
das reich Gottes durch waren glauben in sich habe und der 
waren gerechtigkeit, die fur Gott gilt, nemblieh der verge- 
bung der stinden durch Christum sich tröste und sein herz 
zufriden stelle, ware freidt im heiligen geist, dessen tempel 
er worden ist, habe und diene dem herren auß diesem wa- 
ren glauben auch in eusserlichen kirchengebreuchen und 
ceremonien, kein unruhe anstifte, dem schwachen kein anstoß 
setze, niemandts ergernuß gebe, gern iedermans knecht sey 
durch die liebe, das viele bekeret und christo gewunnen 
werden. Was aber die formen und ordenung belangt, die 
sacrament zu reichen, den catechismum zu lehren und zu 
examenieren, das wort zu predigen und mit singen und lesen 
zu treiben, das es reichlich under und wohne, ist nicht 
vonnöten, das ein einige weise und masse allen kirchen al- 
lenthalben furgeschriben werden; denn das seint mancher- 
lei farbe von außwendigen gebreme an den guldenstück ?), 
darin Christo dem könig seine braudt fur aller menschen 
augen zugefuert wird, welcher braut herligkeit und schöne 
nur inwendig und allein dem breutigam und ir selbst bekant 
ist, nemblich der glaube, welcher ware gerechtigkeit und 
dardurch friede und freude dem herzen bringt im heilligen 
geiste; zu der außwendigen zierde ist genug, das man die 
regeln sanct Pauli helt, die er hiezu gibt, in der 1.Corinth. 145): 
Lasset es alles geschehen zur besserung; trachtet darnach, 
das ir die gemeine bessert, auf das ihr alles reichlich habt. 
Item: Got ist nicht ein Gott der unornung, sondern des frie- 
des, wie in allen gemeinen der heiligen; darumb, lieben 
brueder, lasset alles ehrlich und ordentlich zu gehen. 

Wo dann einer in ein gemeine kombt, do begere er 
ihm nicht ein sonders zue machen; klügele, maistere, tadtle 
nichts unberuffen, richte oder verachte nicht freuelich $), mach 
kein gezenke noch unruhue über unnötigen sachen, gebe 
kein ergernuß, sondern suche den friede und jage in nach“), 
angesehen das Gott ist ein Gott des friedes; halte sich gern 
an die ornung und weise, die er da findet, wie des Ambrosii 
rath, welchen er Augustino und seiner muetter gab: wen ich 
zu Rom bin, sagt er, so faste ich mit inen am sabbath, wen 


1) Taufkleid. 2) Psalm 45, 10. S, ob. S. 122. 3) V. 33, 40. 
*) freventlich. 5) Ps. 34, 15, 1. Petr. 3, 11. 


Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII 3/4. 9 


130 50 


ich zu Meilandt bin, so faste ich nicht am Sabbath; so thuet 
ihr auch, zu welcher kirchen ir kombt, derselbigen sitten, 
weise und gewonheit haltet, wen ihr anders nicht geergert 
wolt werden oder anderen ergernusse geben. Diß haben die 
Theologen etwaß weitleuffiger wollen vermelden und erinnern, 
damit in disem notwendigen und ganz christlichen furnemen 
wohlbetrachtet werde, waß rechte einigkeit und gleich- 
förmigkeit sey, welche das rechte merkzeichen der waren 
christlichen kirchen ist, und das ia nicht in solchem für- 
nemen der papisten lesterung mehr den sich gebueret 
betrachtet werde, welche nur mit irem eusserlichem meß- 
halten und unnutzen larven grosse einigkeit furgeben und 
wen mans beim liebt besuehet, haben sie weder under 
sich selbs noch mit Gott und seiner waren kirchen frid und 
einigkeit, | 

Dagegen haben die herrn und landleut, so in disen 
dreuen?) landen derreinen A. K. zugethan sein, Gott hoch 
zu danken, das ein wahre christliche einigkeit, die Gott 
allein in der lehre und glauben von seiner kirchen fordert, 
bei inen und in ihren kirchen durchauß ist, obschon in 
eusserlichen ceremonien nicht allenthalben so genau alles 
übereintreffen kan, da man doch in keiner form noch weise 
etwaü dem forbild der lehr Christi zu wider findet. 

Es ist solche erinnerung nicht vergebens, den wen man 
gleichformigkeit anzurichten furnimbt, muß man wol acht 
nemen, warin die notwendige gleichformigkeit stehe, das 
man nicht etwo durch ein schein einer gleichformigkeit die 
hochste ungleicheit und uneinigkeit anrichte, wie oftmals, 
da man an ensserlichen unnötigen Dingen angefangen hat, 
gescheben ist. Damit wir aber doch auch in disen Dingen, 
sovil immer müglich, ein gleicheit haben möchten, haben 
wir gegeneinander die Agenden, derer wir uns bisher ge- 
braucht, gehalten, und waß hierin on ergernuß ein theil dem 
andern zu lieb hat annemen und ablegen?) können, freund- 
lich und auß christlicher liebe getan, doch mit der be- 
dingung, das wir unsern gnedigen herren solch unser christ- 
lichs bedenken underwerfen und I. Gn. bedenken darüber 
hören, das dann, wo es ihren gnaden gefelt, ein gemeiner 
schluß darüber ausgesprochen möcht werden. Web (sich 
nun die theologen)*) nun in Agenden vergliechen, folget iez 
im andern theile dieser kirehenordnung. 


) statt besiehet. | 3) dreien. 3) statt: ablehnen. 
*) Das eingeklammerte ist durchgestrichen, und es sind die Worte 
‚wir uns nn“ darübergeschrieben. 


51 131 


Das Andertheil der Kirchenordenung, darin 
von der Agenden gehandelt. 


Die Agenda begreift furnemblich 6 stuckhe. 

1. Daß erste sein die zusamenkunft am feiertag und 
in der wochen, Gottes wort zu hören und seinen heillig 
namen anzuruffen und zu ehren. 

2. Daß ander ist der catechismus. 

3. Das dritte die beichte und absolutio. 

4. Daß vierde die aufteilung der sacrament, nemb- 
lich der heilligen tauffe und des abentmals unsers herrn 
Christi. 

5. Daß fünfte das einsegen der ehleut. 

6. Daß sechste die begrebnus der tothen. 


Vergleichung in ersten und 2. 


Die feiertage sampt den sambstag werden am abent 
des vorgeenden tags angefangen mit dem abentgebet und 
lobgesang, welche man gemeinklich vesper!) nendt. 


Ordnung der vesper am feierabend in stetten, 
da latinische schuelen sein). 


1. Veni sancte?) oder deus in adiutorium®). Deutsch 
oder latinisch. Ä 

2. Ein psalmen Davids latinisch mit vorgehender Anti- 
phon“), wo es geschehen kan. 

3. Ein deutscher psalm aus D. Luthers sangbuch). 

4. Der hymnus?) deutsch oder lateinisch, nach der zeit. 

5. Darauf liset man ein stuck auß der bibel fur mit 
der summarien Viti Dieterichs?). 

6. Darauf singet man das magnificat deutsch?) oder 
latinisch. 


1) S. ob. 17, 227, 1. 

*) Über die damals in Innerüsterreich in Betracht kommenden 
Schulen vgl. Loserth, die protestantischen Schulen der Steiermark 
im 16 Jahrhundert, 1916. Dazu F. Bischoff, Beiträge zur Geschichte 
der Musikpflege in Steiermark In „Mitteil. d. Historischen-Vereins für 
Steiermark“ 37 (1859), 108. „In protestantischen Schulen und Kirchen 
wurde Choral und volkstümliches Kirchenlied gepflegt. Laut ordo 
lectionum in schola Runensi um 1567 fand hier täglich außer Samstag 
um 12 Uhr exercitium musices statt; dasselbe findet sich auch in den 
Schulplänen der Protestanten. Mit den Protestanten kamen gewiß 
auch protestantische Gesangbücher nach Steiermark, die während der 
Gegenreformation wohl zum größten Teil verbrannten.“ 

) Julian S. 1212. Simrock S. 200, 

) Psalm 76, 2. Herold S. 122. 5) S. ob. 17, 227, 2. 

6) Seit 1524. 7) S. ob. 17, 227,8. 5) S. ob. 17, 228, 8. 

9) S. ob. 17, 227, 4. 


9* 


132 52 


7. Darauf liset oder singet der diener des worts die 
eolleetam nach der zeit, deutsch. 

8. Darauf singet man, Erhalt unß herr bey deinem 
wort), oder das gewöhnliche benedieamus?) teusch oder 
latinisch. Man mag auch wol singen das nune dimittis?) 
Lue. 2 deutsch oder latinisch. 

9. Darnach spricht der Diener des worts den segen 
über das volk auß Num. 6: der Herr segne. 

Nota 1: Hie ist zu merken, das der diener des worts 
mücht fur dem altar stehen, wenn er die lection und das 
gebät verrichtet. Zu Grätz aber thuet ers auf der canzel, 
weil die kirche nicht bequehmlich gebauet, das furm altar 
möcht verrichtet werden. Man könt aber woll beyde, den 
altar und auch die canzl, ins obertheill verruckhen, dann 
khöntz nutzlich und zierlich farm altar verrichtet werden. 

Nota 2: Weiter ist zumerken, das ob schon in dorfen 
und märkten, da keine oder gar kleine und etwa nur teutsche 
schuelen seint, gleichwoll vesper halten kan, also, das nur 
ein psalm und das magnificat teutsch gesungen und mit der 
collecten, vatter unser und segen beschlossen werde. 

Nota 3: Zum dritten wehr rathsam, das das stuck auß 
der bibel zu Grätz von einem stipendiaten‘), so E. E. L.“) 
daselbs helt, gelesen wurde, weil sie sie sich doch sonst 
mit predigen üben, damit sie keck werden und woll und 
verständlich aussprechen lerneten das gebet. Sägen könt 
gleichwoll vom diener des worts furm altar geschehen. Zum 
lesen hat man zu Klagenfurt ein besonderen stuhl unter der 
canzel, könt zu Grätz auch nutzlich geschehen. 

Nota 4: Wo nicht latinische und große schuelen noch 
viel leut seint, die lateinisch verstehen, da soll man alles 
teutsch singen. 


Vergleichung in der ordenung gesenge, gebät, lection 
in den zusammenkönften am Sontag und Feiertagen. 


Am Sontag kombt die gemeine Gottes dreymall zu- 
samen, nemblich in der fruepredig, mittags und abentpredig. 


In der fruepredig wird dise ordenung gehalten. 


1. Kom heilliger Geist®), oder ein ander gesang umb 
ware bekerung und erleuchtung des herzens zu bitten, denn 
niemandt kan sich zu Christo bekeren, ihn ein herren 
nennen") noch Gott dienen, loben ohn durch den heilligen 
Geist, den man hierumb aufs demtitigste anzurufen schuldig ist. 


1) 8.0b.17,228,5. 9 P H 17,227,5. ) Luc. 2, 29. Julian S. 822. 
$) Loserth a. a. O., S. 4 5) Eine ehrsame Landschaft. 
e) Mützell 1, 12. he: P 6. Julian S. 631. ?) 1. Cor. 12, 3. 


53 133 


2. Hierauf spricht der diener des worts die gemeine 
beicht dem ganzen volck fur und darauf die absolution mit 
ernster warnung der unbußfertigen. Denn, weil wir als 
arme sünder an dem suntag zusamenkommen und aber des 
unbueBfertigen stinders gebätt Gott nicht angenemb ist, so 
sollen wir fürs aller erste unsere sünde bekennen und unb 
davon absolvieren lassen, das darnach unser gebät lob und 
Gottesdienst Gott angenemb sey. Und dessen haben wir 
ein fein exempel Jes. 6, und ist der waren kirchen gebrauch 
von anfang her gewesen, wirdt auch zu Nurnberg!) aub 
Luthers anordnung und in andern wolbestelten kirchen also 
gehalten. 

3. Hierauf singt der chor mit dem volke ein kurzen 
lobgesang, als den 117. psalm, oder der engel gesang Luc. 2. 


4. Darauf folget die lection auß dem alten testament oder 
epistel nach alter gewonheit, oder mit ein ander. und mag 
did ein diener des worts thun, oder zu Grätz ein stipendiat, 
wie vorgemeldet. Man möcht auch ein geschickten meßner 
darzubrauchen, wo einer vorhanden. 

5. Hierauf soll der diener des worts die hochzeiten und 
waß sonst furfelt verkündigen und das gemeine gebät forderen. 
Ein collecte nach der zeit und das vatter unser betten. 

6. Nach disem singt der chor figurate?) und die ganze 
gemein schlecht“) ein lobgesang, thuet auch der organiste 
das sein zu Gottes lob, und vor der predig singt man: nun 
bitten wir den heilligen geist“). 

7. Darauf folget die predig, in welcher das verordenet 
evangelium außgelegt wird. 

8. Wenn die predig ein ende hatt, spricht man das gebät 
für alle stende und not sampt dem vatter unser. 

9. Darauf singt die gemeine den glauben?) oder ein 
danck psalm. 

10. Wenn dann communicanten da sein, wirdts gehalten 
- wie an seinem ort folget. 


Nota. Die prediger zu Clagenfort und Laubach®) sprechen 
ein gebät auß der wirttenbergischen Agenden“) fur das 
predigampt, das mögen sie gleich nach der absolution sprechen, 
welche droben mit der zall 2 verzeichnet oder mögens nach 
der epistel lesen. 


1) Nürnberger Kirchenordnung 1ö33f, 1536, 1540, 1543, 1556, 
1564, 1591f. Exemplare auf den Universitäts-Bibliotheken in Erlangen, 
Jena, Leipzig. 2) S. ob. 17, 224, 6. 3). schlicht. 

*) Mützell 1, 13. Fischer 2, 99. Julian S. 821. 

5) S. ob. 17, 223, 2. ©) Laibach. 

?) Württembergische Kirchengeschichte 1893 S. 387 ff. 


134 | 54 


Nota. Die Clagenfurdischen wolten gern beide lection 
halten, erstlich der epistel, darnach der bibel nach Viti 
Dieteriehs ordenung?. Wenn sies nun an der zeit haben, 
können sies thun. Seint doch auch von alters her zwo lection 
vor der predig furm altar gelesen worden, eine der epistel 
und die andere des evangelii latinisch. So mag nun anstat 
des latinischen evangelii die teutsche lection des alten testaments 
genommen werden. 

Nota 3. Wo zweer oder mehr prediger sein, da soll 
billieh der, so nicht die fruepredigt thuet, die gepet furm 
altar verrichten. Und zur lection, wo nieht stipendiaten, so 
allgemachsam zum predigampt angefueret werden, seint, da 
könt der schuelenhelfer einer die lection auf der untern 
canzel lesen. Denn die praeceptores in den schuelen sollen 
ie zum theil auch mit der zeit zum predigampt sich bereitten. 
An vilen ortten wünschete ihm ein praeceptor solche ubung. 

Nota 4. Die verkündigung der hochzeitter, welche mit 
der zall 5 verzeichnet?) wöllen die Kharntischen lieber zu 
endt der predig thuen, das mógen sie nun woll nach irer 
gelegenheit anstellen. In der Grätzer kirchen, weil so groß 
volk zusammen kömet, und wen die predig auß ist, die 
hoffleut hinauseilen, schicket sich's besser vor der predig, wie 
auch von alters her gebráuchlich, und in den grossen stetten 
Nurnberg’), Augsburg“), der jungen Pfalz5) und in vill mehr 
ortten gehalten wird. Es ist auch dem prediger bequehmer, 
weil er sich fast®) müde predigt und ihm das verlesen der 
zetteln beschwerlich, wie auch zwar‘) den zuhürern, die 
auch etwa müde worden und nu nicht gern so lange ver- 
kündigung anhüren. 


Von der Mittagspredig am Sontag. 


Die Mittagspredig am sontag ist furnemblich des cate- 
chismi halben angestelt, es komme dann ein groB fest, als 
ostern, pfingsten, da hat man besondere lectiones außzulegen, 
wie an seinem ort soll gemeldet werden. Mit dem catechismus 
halt maus also. 

1. Zum ersten singt man ein stuck auß dem catechismo. 

2. Liset der Diener des worts die sex haubtstuck der 
christlichen lehre mit D. Luthers worten und nach der form 
und ordenung, die er selbs gestelt und gewisen in seinem 
catechismo. 

3. Legt derselbige prediger ein stück des catechismi 
auß. Die predig soll nicht lenger als ein halbe stund weren. 


1) S. ob, 17, 298, 1, 3) S. ob. S. 138. ) S. ob. S. 138, 1. 
*) 1555. Exemplare in Erlangen und Jena, 

5) 1654. 1556, 1557. Exemplare ebd. 1559 beginnt die jüngere Linie. 
5) sehr. ) in Wahrheit. 


55 135 


4. Sagen zwen schueler ein stuck auß dem kleinen 
catechismo Lutheri mit der außlegung. 

5. Werden darnach die andern kinder und junge leut 
alle verhöret. 

6. Wenn nun die verhörung ganz vollendet, soll man 
fur die kinder das gebät, so im gedruckten agendabuch zu 
Grätz furgeschrieben, sampt dem vater unser sprechen. 

7. Singt man darauf ein kurzen lobgesang. 

8. Spricht der Diener darauf den gewönlichen segen 
Num. 6. | 

. Nota 1. In Khrain und Khürnten!) haben sie auch des 
Brentii?) kleinen catechismum ?), den mugen sie woll behalten, 
doch das sie furnemblieh des Lutheri catechismum vleissig 
treiben und dem volck einbilden. 

Nota 2. Dieselbigen meinen auch, es schick sich bei 
ihnen am besten, das sie die sechs stucke nach der predig 
dem volk furlesen und sein es biß her also gewonet. Daß 
mügen sie woll thuen, bringt kein sonderliche ungleicheit. 

Nota 3. Zu Grätz könt man woll nach dem ersten 
gesang lassen die sechs hauptstück der christlichen lehre 
ein stipendiaten lesen, der sich nun algemachsam zum predigen 
bereittet, wie auch vor zeitten*) in der kirchen die anfahenden 
erstlieh lectores wurden. Anders wo könt auch ein schul- 
maister, so mit der zeit ein prediger zu werden gedechte, 
solche lection verrichten. Darauf singe man: Nun bitten 
wir®), und gienge daun der catechista auf die canzel und 
lese nur das stuck, so er predigen und auBlegen woll. 

Nota 4. Es ist fein, das man die catechumenos in 
elasses theilet. Also haben wir zu Grätz vier classes gemacht. 
In die erste setzen wir die kleinen, so am wenigsten 
künnen; die sollen nur den text der sechs stück blob ohn 
die außlegung aufsagen. In die ander classem setzen wir 
die, welehe den text nun woll gelernet und fertig kónnen. 
Die sollen nu des Luthers außlegung auD seinem kleinen 
catechismo aufsagen. In die dritte classem ordenen wir die, 
welche nu auch die gemelde außlegung können, die sollen 
hinfort die Haustaffel lernen und aufsagen, wie die zu ende 
des catechismi Lutheri gesetzt ist. Der vierde hauf seint 
die, welche die obgemelten stucke alle können und sollen 
nu etliche haubtstuck der christlichen lehre vleissiger lernen, 
betrachten und aufsagen. Solche fragstuck hatJoachimus Mör- 
lin9) bey den catechismum drucken lassen und könt hieher auch 


) „und Khärnten‘“ ist durchgestrichen. ) RGG 1, 1839. 
3) 1527/28; ebd. 3, 986, 996. *) RGG 1, 987. 

5) Von Luther. Mützell 1, 18. Julian S. 821. 

6) RGG 4, 447. Enchiridion Catecheticum 1544. 


136 06 


des Brentii catechismus dienen. Man möcht sie auch spruche 
und psalmen lassen auß der schrift aufsagen. Diese ordenung 
ist sehr nutzlich. Denn so sicht man, wie die kinder zunemen, 
und thun die nicht woll, die die kleinen kindlein oder andere 
einfeltig leut als bald die auBlegung mit dem text anfahen 
zu lernen; denn sie lernen gemeingklich keins volkommen 
und recht, und sonderlich ist vill daran gelegen, das sie die 
blossen wort des Textes recht lernen nachsprechen. Denn, 
wen sies in der jugend nicht recht lernen, so sagen sies fur 
und fur unrecht auf. Drumb haben wir an Straßburg exempel 
genommen und die catechumenos also in classes getheilet. 
Nota 5. Damit die kinder alle möchten verhöret werden, 
wehre guet, das zu Gratz die stipendiaten, so man zue predigern 
machen will, an andern orten aber die deutschen schuhl- 
meister, hülfen verhóren, könt man sie in die classes theilen, 
wie zu Straßburg?) die studenten, so von almusen gehalten, 
solche hulf erzeigen. Darauß vill nutz beyd den kindern 
und den studenten kompt. Denn die kinder werden alle ver- 
höret, das sonst in so kurzer zeit nicht woll müglich, so 
gewonen die studenten, wie sie sich zum ampt sehicken sollen. 
Nota 6. Guet wers, das der pastor seine gewisse zeit 
hette, da er die jhenigen kinder, so von wegen ihres ver- 
standts, den sie auß dem catechismo gelernet, nu zum nacht- 
mall des herren sollen gelassen werden, fur den altar ließ 
fur sich stellen, und dem volck, wie sie zugenommen und 
drumb zur gemeinschaft solches geheymnus solten aufgenommen 
werden, erklerete und darzu das gepet über sie forderte. 
Dadureh wurden die kinder gelocket, vleissig zu lernen, 
könnten auch in der beicht leichtlicher verhöret werden, auch 
wurde verhuettet, das nicht die kinder oder andere, so noch 
zu junck und ungeschickt, sich zu diesem hochwirdigen 
geheymnus eindrungen. In allen soll man vorsichtig und 
ordentlich handeln. Diß hat man bej der ersten kirchen 
die confirmatio?) genennet, das sovil heist als bestettigung. 
weil ein solcher catechumenus verhöret und zu der gemein- 
schaft des hochwirdigen sacraments bestettiget werd. Denn 
ehe durch solche offentliche verhörung fur der gemeine 
bezeuget ward, das er die stücke des catechismi verstunde, 
ward er nicht zu disem hohen geheimnus zugelassen. Disen 
brauch sampt dem ganzen catechismo haben die bäpste fallen 
lassen und dargegen ein unnutze salbung und schmirens 
angerichtet, das sie Gott bessern; wie haben sie so übel 
gehandelt. Wir aber, weil wir die kirche gern also reformiret 
sehen, wie sie zur apostel zeit gewesen und viell iare blieben, 


y) S. unten S. 151. 3) RGG 3, 1642. 


$7 137 


sollen solchen gueten gebrauch wider an die handt nemen, 
wie dann an vielen orten geschehen. 


Von der Abentpredig oder Vesper am Sontag. 


Die Vesper am sontag wird gehalten wie am feierabent, 
allein, das die predig anstadt der lection kompt. In der 
predig soll die lection auß der epistel aufgelegt werden. 

1. Nota von feiertagen. 

An feyertagen, so in der wochen gefallen, sollen nur 
zwo zusamenkonít gehalten werden, eine zur fruepredig, da 
mans helt wie am sontag. Die ander nach mittage; da sol 
nur ein psalm auß dem catechismo gesungen, darauf die 
kinder im catechismo verhöret werden, wie am sontag. Soll 
aber kein predig nach mittag gehalten werden. Von hohen 
festen folget hernach an seinem orte. 

Nota 2. Diß seint aber die feste der heilligen, so man 
mit der evangelischen kirchen feiret. 

Der täg s. Stephani protomartyris!) s. Johannis evan- 
gelistae?). conversionis Pauli’). Matthiae apostoli*). Phi- 
lippi und Jacobi). ^ Joannis Baptistae. Petri und Pauli. 
Jacobi apostoli?)  Bartholomai?) Matthaei evangelistae ). 
Michaelis archangeli?) oder das fest der heilligen und keuschen 
engel. Simonis und Judae 1°). Thomae apostoli!!). s. Andreae!?). 


Der hohen festen, so in evangelischen Kirchen zu halten, 
seint zwölf, wie folget: 


1. Natalis Domini, der heilige christtag, mit beiden- 
nachvolgenden tagen. 

2. Das fest circumcisionis oder der beschneidung Christi, 
so man nent den neuen jarstag; 

3. Das Fest Epiphaniae, das man nennet der heiligen 
drei könig tag. 

2. Das fest purificationis Mariae !“), da Christus zu Jeru- 
salem in tempel dem herrn vorgestellet ward. 

5. Das fest annuneiatiationis Mariae !*) von der empfenknis 
unsers herrn Christi. 

6. Der tag coenae Domini, den man heist antlaß !9) tag. 

7. Der tag passionis Domini von den leiden unsers herrn 
Christi, den man nennet chorfreitag. 

8. Der heillig Ostertag von der auferstehung unsers 
herrn Christi mit den zweien folgenden tagen. 


1) 26. Dez. 2) 27. Dez. *) 25. Jan. *) 24. Febr. 
5) 1. Mai. ?) 25. Juli. 7) 24. Aug. 8) 21. Sept. 
9) 29. Sept. 10) 28. Okt. 11) 21. Dez. 1?) 30. Nov. 


1* 2. Febr. 14) 25, März. 15) Ablaß; Dienstag vor Ostern. 


138 | 58 


9. Das fest ascensionis oder der himelfahrt Christi; 

10. Der heilige Pfingstag mit den zweien nach- 
folgenden tagen; 

11. Das fest trinitatis von der heilligen Dreifaltigkeit; 

19. Das fest visitationis Mariae!), do Maria zu Elisa- 
beth gieng Lucae. 

Auf diese tage helt man den catechismum nicht, sondern 
die geordneten lectiones legt man in predigten auß. 


Nota 2. Bäpstischen Festen. 


Wo in den stetten noch die papisten ihre kirchen haben, 
ist die sorge, wenn wir nicht predigen, das das volk zum 
bäpstischen greueln lauffe, weil sie ohn das feiren müssen; 
wie nu dem unrat zu wehren sey, werden unsere genedige 
herrn sampt unB ein christlichs nachgedenken fürnehmen. 

Zue Grätz haben wir bißher auf dieselbigen tage unsere 
gemein an vorgehenden sontag fur solchen abgöttischen 
festen und greueln gewarnet, und, damit sie nicht ursach 
hetten, anselbigen festen zun papisten zulauffen, haben wir 
an selbigen tagen ein predig vorher verkündiget und sie 
-darzu zu kommen ernstlich vermanet. In derselbigen predig 
haben wir die babstischen abgötterei und greuel auß Gottes 
wort gestraffet und dann etwaß guets unser zuhörer gelehret. 
Und zwar, wenn wir zu Grätz allentag predigten, dürften 
wir unB solcher tag halben nicht fast?) bekummern, weil 
wir obn das zusammen kemen. Sonst hats ein ansehen, als 
hielten wir dieselbigen feste mit den papisten, daran sich 
unser brueder in Kharnten ergern möchten. 

Nota 3. Wo nicht schuelen sein, welche zur vesper 
dienen können, da ist man billig mit dem examen des 


. eatechismi zufriden. 


Von den zusamenkunften in der wochen. 


Vor dem sterben?) zu Grätz hat man zwehn tage zur 
predig in der wochen gehabt, den erichtag*) und den frei- 
‘tag. Aber im werenden sterben haben wir alle tag ge- 
predigt, und stünde sehr woll, das die weise fur und fur 
gehalten wurde, weil der f. Hof und landthauD, auch vill 
stadtlicher®) leut, da seint und allen tag frembd volk hin- 
kompt. Wenn dann allen tag gepredigt wurde, gieng einer 
heut der ander morgen drein, nach dems im gelegen, wehre 


2. Juli, *) sehr. 
2 1561/65, 1572f. 1577, R. Peinlich, Geschichte der Pest in 
‚Steiermark 2, 485. 
4) S. ob. 17, 293, 4. 5) aus der Stadt. 


59 139 


das gepet allen tag für die ganze gemeine. Stunde auch 
woll bey einer so woll bestellten grossen schuele, wie 
dann gemeingklich, wo solche berimpte schulen sein und 
andere treflich leut, allen tag gepredigt!) wird, als zu Jena 
in Duringen, Wittemberg in Sachsen, Marburg?) in Hessen. 


Den erichtag hat man dise ordenung gehalten. 


1. Erstlich singt man das vatter unser?) oder kom 
heiliger Geist‘). 

2. Darnach ein teutschen psalmen?). 

3. Zum dritten: nu bitten wir den heilligen Geist“). 

4. Darauf folget die predige. 

5. Nach der predig ein dankpsalm und 

6. Darauf den segen Num. 6. 

Am freittage singt man vor der predig wie am erichtag 
aber nach der predig die litaniam?) aus Luthers sangbuch, 
also das zwen sehueler vorsingen und die ganze kireh 
antwort. Wenn die litania auß ist, liset der diener des 
worts ein collect furm altar oder auf der canzel, und darauf 
das vatter unser sampt den segen Num. 6. 

Diß wirdt in Kharnten und Khrain gleichfals gehalten, 
allein das sie nach ihrer gelegenheit den mitwochen haben, 
da wir den erichtag zur ersten wochen predig. Wenn aber 
in der Grätzischen kirchen solte allentag gepredigt werden, 
solte man ausser dem freitag nur das einige gebät, nun 
bitten wir den heilligen Geist fur der predig singen und 
nach der predig: den 117. psalmen oder sonst ein Dank psalm, 
der nur ein gesetz?) hat. So wurde niemandt zulange auf- 
gehalten. Es könte sich also auch, wer da woll, allen tag 
speisen lassen mit dem abentmal des herren; das oft sonst 
als im winkel und ohn beysein der gemeine Gottes fast?) 
heimlich geschicht von den hoff leuten und adel, ist ein bóse 
gewonheit. Könte auch die kinder tauffe also allen tag 
für der gemeine gereichet werden, wehre ehrlich und 
besserlich. 


Von den zusamenkunften am werktagen zur vesper. 


Wo schuelen sein, soll billich allen tag ein vesper. von 
zweien lobpsalmen und darzwischen ein collect sampt dem 
vatter unser gelesen werden, das der segen alles beschlosse. 
Es künte zu Gretz durch die schuele solchs gar woll geschehen, 


1) Vgl. dazu Sehling 1, s. v.: Predigt in der Woche und Wochen- 
predigt. *) K. O. 1566, 1574, Exemplare i in Erlangen, Jena, Leipzig. 

` 8) Mützell 1,19. Julian S. 1905. *) S. ob. S. 132, 6. 5) 8 

S. 131, 6. 6) S. ob. S. 136, 6. ?) S. ob. 17, 223, 1. 8) e 

) sehr. 


140 60 


wies dann vor den sterben geschehen ist, und webre solchs 
auch ein ehre der heilligen tauffe, weil umb dieselbige stunde 
die meisten kinder zur tauffe gebracht werden. Am mitt- 
wochen zur vesper soll man auch den catechismum mit den 
kindern halten, wie dann ein weile zu Grätz geschehen, das 
die kinder allein zur kirchen kemen. Und als denn könt 
man auch ein singe schul under ihnen anrichten, wie an 
etlichen orten geschieht, da sonst kein bequehme zeit zu ist. 
Das hat die meinung: Wenn man singt in kirchen, singen 
die meisten nit mit, weil sies nicht können; vill singen gar 
vill wort unrecht, und werden dem lieben Luthero mit der 
zeit seine worte gefelscht, wie am „nu bitten wir“ und in 
mehr psalmen zusehen, das auß der bösen gewonheit durch 
die setzer hernach unrechte wort in den druck gebracht 
werden. Solchen unrath furzukommen und die kirch mit 
gueten lieblichen gesängen zuerfullen und zu zieren, sollen 
nicht allein die schueler in der schuele, sondern auch die 
andern einfaltigen zu weilen in der kirchen, wie zum cate- 
chismo allein versamblet werden, und da soll ihnen einer 
ein gesetzlein nach dem andern furlesen und vorsingen, biß 
so lange, das sies wol könten. Es seint woll unter ung, die 
erfaren haben, waß guets inen solche übung gebracht habe. 


Daß 3. stuck der agenden, welches begreift 
die vergleichung von der besonderen 
beicht und absolutio. 


Wer da begeret zum abentmall zu gehen, der soll sich 
dem (capellenmaister oder meßner zeitlich anzeigen und sein 
namen aufschreiben lassen. Der capellenmeister oder meßner 
soll solche verzeichnuß dem pastori zustellen, das man die 
zall und namen wisse. Wer sich nun also an hat schreiben 
lassen, soll sich)) den feierabent in die vesper verfuegen, 
und sollen nach der vesper alle solche verzeichnete (gegen 
den altar?)) stehen, da soll diener des worts ein kurze ver- 
manung zu ihnen auß einem buch lesen, das sie wissen, was 
inen zubedenken zur wirdigen niessung des abentmals und 
rechtschaffener beichte, Dise vermanung ist darumb in einer 
gewissen algemeinen form an einen ort wie am andern zu 
lesen furgeschrieben, das dureh stettig furlesen die einfeltigen 
und ein iegklicher mit der zeit von wort zu wort aufwendig 
lerne. Darauß kompt vill mehr nutzes, denn wenn alle 


1) Die eingeklammerte Stelle ist durchgestrichen. Darüber 
steht „kürchendiener anzaygen und“; am Rande ist vermerkt: Dis 
stück mag noch bleiben, das die anzeigung den dienern des worts 
geschehe und so dem pastori zu wissen ward. ) Das einge- 
klammerte ist durchgestrichen. Darüber steht „vor der canzel“. 


61 141 


beichtage ein neue predig oder vermanung gemacht wird. 
Denn der einfeltigen ist allweg am meisten und muessen 
aufs aller einfeltigst immer mit einerlei worten unterricht 
werden. Darumb auch Paulus zu Philippern am 4!) spricht, 
es sey ihnen guet, das er inen immer einerlei zuschreibe, 
und diß ist auch Lutheri rat in der vorrede des catechismi: 
weill dann der heillige Geist die herzen erleuchtet durchs 
gehörte wort, ist ie offantwar, wen die leut das wort also 
ins herz fassen, daß sie desto ehr erleuchtet werden. Darumb 
scheme sich kein prediger, solche vermanung immer füzulesen, 
habe auch kein verstendiger daran verdruD, sondern ihm 
selbs und den einfeltigen zu guet höre ers gerne und merke 
vleissig drauf; denn esist hie nicht darumb zuthun, das der 
prediger sein konst beweise oder der zuhörer durch mancherlei 
erlustiget werde, sondern das die einfeltigen aufs beste mügen 
unterrichtet werden. Seint doch sonst predig genug, da beid 
prediger und zuhörer solchen ihren lust mit frucht büssen 
können. Auf solche vermanung weiset der, so die vermanung 
gelesen hat die confitenten zun beichtstull, da soll nun ein 
ieglieher naeh seiner gelegenheit freundlich und wies das 
hirtenampt erfordert verhört, gefragt und unterricht werden. 
Die forme der beicht, so Lutherus gestelt, soll ein ieder 
wissen und brauchen, auch nach desselbigen kurzen frag- 
stacken examiniert werden. Sonderlich aber soll er auch 
außgeforscht werden, ob er die gethone vermanung fur dem 
altar gehört und verstanden und die furnembsten stucke 
darauß behalten hab und vermelden könne. Waß auch weitter 
ein beichtkind zu erinnern, wird ein vernunftiger beichtvatter 
zuthuen wissen. So nun die buse recht erkleret wird, soll 
er in nach der anweisung Lutheri in seinem catechismo von 
sünden absolvieren und entbinden. So aber das beichtkind 
nicht geschickt mit rechtem verstande oder an der buse 
mangel erscheinet, soll er in auf einander zeit wider heissen 
kommen, und so er in sünden halsterrig befunden, ihm des 
bindeschlüssels kraft erkleren, ihn warnen und zur furcht 
Gottes aufmunteren. Es soll aber ein iegklicher beichtvatter 
dem pastori anzeigen und namhaftig machen, wie viel und 
welche er abgeschafet, damit er sie auD der verzeichnus 
sondere und also eigentlich und leichtlich bekant werde, 
wievill jederzeit zuspeisen seien. Hierauß kömbt auch dise 
frucht, das der pastor kan merken, wie sich ein iegliches 
seiner befohlenen schäflein halte und das seine darzu thuen. 
Hierumb soll auch einer bestelt werden,der auf die abgeschaften 
achtung gebe, das sie nicht zu der anderen beichtvatter einem 
gehen, wie die leut dan in der thorheit listig sein und meinen, 


1) 8, 1. 


142 | 62 


sie haben Gott betrogen, wenn sie seinen diener, ia vill mehr 
sich selbs, betrogen haben. 


Das 4, stück der Agenden, welchs begreift die ver- 
gleichung in der außteilung der zweien sacrament. 
Und erstlich von der tauffe. 


In der tauffe ist kein andere ungleicheit zwischen den 
evangelischen kirchen in disen dreien landschaften, dann nur 
in der ordenung, wie eins vor oder nachgesetzt. Denn waß 
wir etwa mitten in der handlung haben, das haben die in 
Khärnten und Khrain im ersten oder andern stuck, wie in 
folgender furbildung zu sehen. 


Der steirischen taufordenung?), wenn das kind 
genand ist von gefattern, folget 


1. Vermanung zur andacht und gebät. 

2. Das erste gebät. 

3. Das ander gebät. 

4. Das evangelium Maro. 10 von den kindlein anzuhören. 

5. Nach solchem exempel Christi und auf seinen befehl 
und zusage, das vatter unser zusprechen mit auflegung des 
taufers hand. 

6. Wunsch, das Gott des kindes eingank und außgang 
behuette. 

7. Verpflichtung des kindts zur absagung den teufel und 
zum glauben an den waren Gott und die frage, ob es darauf 
wolle getauft sein, da als die guattern von des kinds wegen 
antwort geben. 

8. Die Aufgiessung des wassers im namen des vatters etc. 

9, Der wunsch, das Gott das getaufte kindt stercken 
wolle zum ewigen leben. 

10. Vermanung zur danksagung fur die empfangene tauffe. 
11. Die form der danksagung. | 

12. Vermanung an die eltern, gevattern etc. 

13. Der segen Num. 6. 


Der Kharntischen und Khrainischen taufordenung. 


. Evangelium Marci 10 und darauß 
vermanung. 

Gebät. 

Gebät. 

Vatter unser. 

. vermanung zum gevattern. 


M Ot O O 


1) Vgl. Jahrbuch 25, 166, 


63 143- 


7. verpflichtung wie in Steyr. 

8. Die aufgiessung wie in Steyr. 

9. wunsch, das wie in Steyr. 

10. form der danksagung. 

11. Vermanung zum gevattern und eltern. 
12. Der segen. 


Diese kleine ungleicheit kompt daher, das der steyrischen 
taufordenung, so im druck vorhanden, auf anweisung und 
nach dem taufbuchlen Lutheri und Viti Dieterichs!) gestellet 
ist, der Khürnter aber und der Khräner taufordenung ist auß 
der Wirttenbergischen agenden?) Daß aber die wort 
und weise fast übereinstimmen, ist kein ander ursach, daun 
das die Wirtenbergische agenda aus des Luthers und Viti 
Dieterichs genommen und nach des landts gelegenheit gelenket 
ist. Wie woll nun geratten hat mtigen werden, das die eltere, 
nemblieh die nach Viti und Lutheri anweisung von steirischen 
gebrauchet wird, den furzog hett haben mugen, iedoch seint 
andere ursachen, die uns beweget haben, einen igklichen 
fheill sein ordenung zu lassen. Denn einmahl ists und in 
ewigkeit war, das beyde ordenung guet und so woll gestelt, 
das niemandt verbessern kan. furs ander so bezeugen die 
Kharnter und Khrainer, das die Wirttembergisch ordenung 
bey ihnen nun von etlichen pharn her eingewurtzelet sey;. 
dagegen können die Steirischen auch zeugen, das die ihrige, 
so sie von Luthero und Vito haben, auch von villen jaren 
zu Grätz und sonst in Steirmarckht gebraucht sey worden. 
Was kan man dann in disen fall bessers rathen, dann das 
man ein iegklich theill bei seyner ordenung, die an sich 
selbs guet ist, bleiben lasse? Was ist fur ursache, das die 
braut Christi ihres eussersten kleides gebreme*) müsse 
menschen zugefallen mit einer farbe sehmucken, so sie doch 
die freiheit hat, das sie mancherlei farbe daran brauche, 
wann sie nur inwendig am glauben und des herzen heilig- 
keit schön und herlich bleibe, Last uns Gott für die grossen 
wolthat dancken, daß er unß gesunde lehr und glauben geben 
hat, und nicht der christlichen freyheit in eusserlichen. 
seremonien und weisen etwas abbrechen. So ist nun unser 
rath, das man beide taufordenung in die agenden drucke;. 
kans mit der Zeit ohn ergernus in eine gebracht werden, 
ists so vill desto besser; wo nicht, bringts der waren 
einigkeit so gar keinen schaden, das wir wolten gewunschet 
haben, das allenthalben solche einigkeit funden wurde. 


Nota 1. Wir zu Grätz brauchen in der tauffe das auf- 
legen der hende, das die Khernter und Khrainer nicht 


1) S, ob. 17, 298,1. 9 8. ob. 18, 188,7. 9 S. ob. 122. 129,2.. 


144 64 


brauchen; solches soll nicht für ein ungleicheit gerechnet 
werden; denn wir brauchens nicht als ein nottwendig stuck, 
sondern als ein frei mittel Ding, das mag gebraucht oder 
nieht gebraucht werden ohn sünde. Wir habens also funden 


im taufbuchlein Lutheri und Viti Dieterichs, denen wir ge- 


folget, aber niemandt daran verbunden haben wöllen. 

Nota 2. Weill vill unehliche Kinder zur tauffe kommen, 
soll man ‘den vatter solcher kinder erfordern. So man in 
nieht haben kan, soll der pastor von der kirchen wegen das 
Kindt annemen, die so es bringen ausschaffen, für sich 
von der kirchen wegen gottfurchtige leut zu zeugen und 
gevattern bestellen und das kindt getauft ihnen wider zu 
hauß schicken. Dem Magistrat aber solche muetter in ver- 
warung zunehmen vermanen, das das übel gestraffet; und 
sollen solche personen zu den sacramenten nicht gelassen 
werden, sie haben dann Öffentliche busse gethan und bitten, 
unsere genedige herrn wollen doch etwaß ernstlichs in diser 
sach furnemen; dann es lasset sich ansehen, als wöllen diese 
sündn, so bif in himel hinauf schreien, diese lender in 
grundt erseuffen. 

Nota 3. Es ist auch ein elender iamer, das der 
teuflische hoffart so groß ist, das ihnen die höfischen und 
dem adel verwandt, wen sie schon nicht so hohes standts 
sein, gleich woll nur in heussern wollen getauft haben; die 
sollen treulich vermanet sein, das sie die gemeine Gottes nicht 
verschmehen, sondern in die offentlichen Gottesheuser ihre 
kinder tragen lassen. Wenn aber eins krankheit oder 
anderer unvermeidlicher nott halben nicht kan, so ists 
entschuldiget. 

Nota 4. Der gevattern halben ist auch guet, aufsehen 
zu haben, das sie nieht frembder lehre und religion an- 
hengig sein. 

Nota 5. Es soll sich auch daran niemandt ergern, 
das etliche das köpflein des kindts nur entblössen und be- 
gießen, wies za Grätz geschieht, weils lang also gebraucht, 
etliche aber das kindt ganz bloß begießen oder in wasser 
‚hineintauchen, wie von alters her in Sachsen noch gebreuchlich 
und auch Luthero am besten gefelt!) Aber hieran ist 
niemandt verbunden. Den die menge des wassers thuet 
nicht darzu, sondern das wort und der geist Gottes. 

Nota 6. Wenn ein Judt oder Turckh oder heydt zu 


taufen fur keme, kan man sich einer form vergleichen. 
Ist die summa darvon, das mit ihm gehalten werde wie mit 


den Kinden, allein, das er selbs fur sich antworte, drumb 
er zuvor muß unterrichtet werden. 


1) Vgl. RGG 5, 1107. 


à 


ASA mL 


65 145 


Nota 7. In der jachtauf!) halts einer wie der ander 
wie dann die ordenung im truck außweiset. 


Vergleichung in reichung des abentmals unsers herren 
Jesu Christi. 


In austheilung des abentmals des Herren halten wir 
aller ding eine weise und einerley wortte, wie folget. Nach 
der predig und lobgesang tretten die communicanten zum 
altar; daselbs wirdt zum ersten ein vermanung furgelesen 
auß der getruckten agenden. 

2. Folget auf die vermanung die gemeine beicht. 

3. Darauf ein gebät. 

4. Die absolutio, so sonderlich auf die communicanten 
gerichtet ist, wie woll auch sonst niemandt außgeschlossen 
-ist derer, die recht bueDfertig sein. 

5. Das vatter unser umb wirdigen gebrauch und niessung 
des sacraments. 

6. Die wortte der einsatzung Matth. 26, Marei 14, 
Lucae 22, 1. Corinth 2. 

T Nach disen wortten heisset man die, so sich angezeigt 
und zugelassen sein, herzutretten. Indes singt die kirch: 
Jesaia dem propheten?) Jes. 6. Jesus Christus unser hei- 
landt). Got sey gelobet*. O sacram convivium°). Sanc- 
tus). Wo schuelen sein, Mugen auch die musici figurate’) 
singen, wens gelegen ist. 

8. Der prister, so den leib, item der, so das bluet reichet, 
hat sein furgeschriebene wortte, die den glaubigen tröstlich 
sein und den sacramentierern entgegen. 

9. Auf solch communion folget die danksagung und der 
segen Num. 6. 

Nota 1. Die Khernter und Khrainer haben bißher 
zwischen der beicht und absolution kein gebät gebraucht, 
wollens aber nun thun, weils kurtz ist. Hergegen haben sie 
ein gebät umb wirdige niessung des abentmals nach der 
absolution. Das haben die Steirer gern angenommen. Die 
Kharnter und Khrainer haben ein brauch, das sie das vatter 
unser, die worte der einsatzung, die danksagung und den 
segen singen. Die Steirer aber habens bißher gelesen: waß 
ist dran gelegen? weils einerley worte sein, mag ich nicht 
singent also woll bäten als lesent? 

Nota 2. Die Kharnter und Khrainer singen post ora- 
tionem commemoratam. 


1) Über die Jühtaufe vgl. RGG 5, 1108. *) S. ob. 17, 225, 9. 
*) von Luther, Mützell 1, 22. Julian S. 598. *) Mützell 1, 54. 
Fischer 1, 165. Julian S, 441. 5) Antiphon zur 2. Vesper des Fron- 


leichnamsfestes (im Brevier). 6) S. ob. 17, 224. ?) S. ob. 17, 224, 6. 
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 10 


146 66 


Nota 3. Von communion der kranken. In besuechung 
und trost der kranken seint wir gleichformig, wie die ge- 
drucketen agenden, denen bisher gefolget, außweisen. Nur 
das wird tröstlicher geachtet in der steirischen, das die ver- 
manung, gebät, danksagung sampt dem segen auf die kranke 
person in numero singulari gerichtet wird. Ist hie nicht 
sehwer, ein volkommene gleicheit zu treffen. 

Nota 4. Die Steirischen zu Grätz sonderlich haben bißher 
zugesehen, das der eapellenmeister, welchen sie da funden, 
kertzen darzu angezundet hat; waß wir funden, haben wir 
weder gelobet noch gescholten in solchen dingen, die unf 
weder geben noch nemen, ausser dem fal der ergernuß. Do 
aber die brueder in den andern landen gerathen, das mans 
abgehen lasse, weil bei ihnen solche ceremonien nicht sein, 
lassen wirs auch gut sein, doch das mit willen unser herren 
nnd ohn ergernüs mit der zeit abgepredigt werde und von 
sich selbs falle. Welche forsichtigkeit in allen unnotwendigen 
und doch unschedlichen ceremonien zugebrauchen ist. 


Das 5. stück der agenden, welchs ist von dem 
einsegen der ehleut. 

In disem stuck seint wir gar einig, denn das werk 
weisets auß, das die wirttenbergisch ordenung, welcher die 
in Kharnten und Khrain fast in allem folgen, auß Viti 
Dieterichs genommen und zu des wirttenbergischen volcks 
bequehmlichkeit gelenket ist. 

Erstlich werden die ehleut drey sontag nacheinander 
verkündiget und das gemein gebät fur sie begeret. Wenn 
niemandts einredet und sie zur kirchen kommen, geschicht 
das einsegnen wie der truck außweiset, den wir bey handen 
haben. Erstlich wird bey der verwilligung gefragt. 

2. wirdt in Gottes wort furgehalten von der einsatzung, 
Gens. 2); von der kraft und bestendigkeit dieses bundts, 
Matth. 19?); von der pflicht gegen einander, Ephes. 55); von 
den kreutz beyden auferlegt, Gens. 35); von dem trost under 
dem kreuz, Proverb. 18°). 

3. Redt man die ehleut an, das sie mit zeichen, hand 
und mund sich verloben und solchs der priester bestattige 
in der heilligen dreyfaltigkeit namen und gibt sie Gott in 
geinen schutz, das sie niemandt dann derselbige zu scheiden 
habe, weil sie er allein zusamen gefuegt hat. 

4. Darauf folget das gebät für den ehstand. 

5. Der 128. psalm®), welchen man singen oder lesen mag. 
Zu Grütz, weill die hochzeiten am abent gemeinlich zusamen- 
geben werden, pflegt man den psalm vorher zu singen. 

5) 1, 22. 9 v. 6. ) V. 22 f. 2, 16 f. ) v. 22. 
) Von Luther, Mützell 1,31. Julian S. 1291. 


67 147 


6. Der segen schleust die handlung wie alle andere, 

Nota 1. In der wirttenbergischen ordenung ist ange- 
merkt, daß der priester fast alles zu der kürchen!) von den 
ehleuten redet, bib er sie umb ihren willen der pflieht halben 
fraget. Aber in Luthers und Viti, welche von alters her in 
der kirchen gewesen, wirdt alles zu brautt und breuttigam 
geredt fur der gemeine, die zu zeugen darüber genommen 
wird. Solchs ist fur bequehmer geachtet; doch wüllen wir 
auch hie kein nottwendigs machen auß dem, das ein frey 
ding isí und keinem kein ergernus bringen kann. 

Nota 2. Das straffet man billich, das nicht allein die 
herren und landtleuet, sondern auch die hofdiener, wenn 
sie schon nicht so hoch geadelt, nieht wöllen sich aufbieten, 
noch öffentlich in der kirchen zusamen geben lassen. Man 
soll ihnen ihres adels halben auch etwaß besonders machen. 
Solten sie nicht des gebáts mehr achten und der gemeine 
Gottes sich nicht schemen! Ist doch Christus’ reich nicht 
von diser welt, das er mueste ein anders machen mit einem 
edelman, als mit einem beuren. Es wehr bald ein hoher 
christlicher furst zu nennen und wer mit genugsamen zeug- 
nussen zu beweisen, das er nicht hat etwaß in solchem fall 
sonders wüllen haben, sondern mit fleiß gebetten, man soll 
gleicher Agenden und weise mit ihm gebrauchen und ihm 
solchs fur ein grosse ehre gerechnet. 

Nota 3. Die, so sich verloben wollen, sollen auch vorher 
vom pastore gefordert und außgefragt werden, ob sie den 
eatechismum können, zum sacrament sich halten, christlich 
leben. Denn weil sie nun sollen hauß halten, kinder und 
gesinde regieren, gebüert ihnen gottforchtigkeit und die wege 
zu wissen, darauf ehleut gottseligklich wandelen sollen, 
psalm 128. 

Nota 4. In solchem examine möcht auch gestrafet 
werden, wann ein junger gesell ein alts weib gelts halben 
nimpt und sonst etwa nicht gesuecht wird, was furnemblich 
zu bedenken. Item das zweierlei glaubens leut einander umb 
guets willen begeren. Aber diß kan doch nicht so enge 
gespannet werden. Man lest's bey christlicher wolgemeinter 
erinnerung bleiben. Das übrig behielt man einsiegklichen 
gewissen, ia auch der obrigkeit, dem kirchenrath, so einer 
bestelt, und Gottes gericht. Denn wir haben nichts weiter 
mit solchen sachen zu schaffen, denn das wir den gewissen 
durch Gottes genade raten. l 

Nota 5. Die Herrn und Lantleut möchten zu wenigsten 
doch das gemein gebät für ihren fargenommen heyrat in der 


1) d. h. zur Gemeinde, 
10* 


148 68 


gemeine Gottes fordern, dann die aufkundung ist nicht allein 
darzu erfunden, das hinderung furkommen, sondern furnemblich, 
das Gott angeruffen werde umb hülfe und segen, dessen fürwar 
iederman vonnöten, und ie Gott woll werdt ist, das man ihn 
umb seine gaben bitte; so gefelt ihm auch, das einer nicht 
sonderlichs fur sich sueche, sondern sein heilige kirche und 
gemeine groDachte und bei gemeiner weise bleibe. 


Das 6. stück der Agenden, welehs ist von der 
begrebnuß. 

In der weise die leichen zu bestatten ist gar kein un- 
gleicheit, dann das zu Gratz an des ersten und andern 
leuttens die verkindigung in offenen predigen zuvor geschicht, 
da man den verstorbenen nennet und die leut zu beleidt!) 
vermanet, leichpredig verkündet, und wenn man die weise 
allen tag zu predigen behält mag das desto leichter geschehen. 
Das aber nicht so, wie zu Clagenfort geleuttet wird, geschicht 
aul mangel der glocken, denn in stift zu Grätz nur ein 
kleines glócklein ist, das man nicht weit hóret. Wenn aber 
der prediger mit den schuelern die leich holt und zum 
stift sich nahet, so leuttet man, bif sie herzugetragen wird. 
In dem die leich auß dem hause getragen wird, singt man: 
mitten wir im leben?); Auß tiefer not?). So ein leichpredig 
begeret, setzt man die leich in die kirch. Nach der predig 
singt man: mit fridt und freud*) und tregt in des die leich 
nach dem gottesacker. So das lied ein ende hat, hebt man 
ein anders an als: Ich ruef zu dir herr Jesu Christ?), Beym 
grabe, wenn man die leichte (sic!) hinein legt, singt man: 
Nun last uns den leib begraben‘), biß auf die letzten zwei 
gesetze). Da liset der diener des worts ein collectam und 
das vatter unser. Darauf singt man die letzten zwei gesetze: 
Nu lassen wir ihn hie schlaffen. Hierauf spricht der prediger 
den segen. Dann get man zu hause. Die freundschaft 
pflegt auch einen zu bestellen, der den leutten danket der ehr- 
liehen volge. Welehs keinen prediger soll aufgelegt werden, 
wie wir in unserm gedruckten agendt buchlein weittern 
bericht thun. Wenn kein leichpredig begeret, liset man auf 
den gottesacker die vermanung, so im agend büchlein vor 
dem gebät geschrieben stehet. 

Nota 1. Zu Grätz haben die ietzigen predicanten und 
die zu nechst vor denen gewesen ein solche weise funden, 
das man etwa 2, 4, 6, 8, 16 arme knaben aus der leutschuel 
begeret, dieselbige in schwarz kutten gekleidet und iegklichen 


9) Beileid. 2) Mützell 1,38. Fischer 2, 92. Julian S. 1405, 
Mützell 1,32. Fischer 1, 59. Julian S. e *) Mützell 1, 8. 
ischer 2, 91. Julian S. 760. 9) Mützell 1, 87. 9) von Weiße 


(RGG. 5,1879) 1531. Mützeil, 1, 164. Julien 5. 822. ) Strophen. 


69 149 


ein brennend fackel in die hende geben, das sie der leich 
zu beiden seiten giengen. Solche weise haben die predicanten 
woll nicht gern gesehen; doch weil das wort rein gelehret 
wird und sie kein ergernus darauß haben noch zur zeit folgen 
sehen, auch woll dureh unzeittigs abthun der schwachen 
ergernuß besorgen müssen, haben sies also biher gehen 
lassen, als den Chorrock und andere mittel-dinge, die weder 
geben noch nehmen und das so viel desto mehr, weil die 
kutten seint in stift gesamblet und die armen jungen auch 
etwa arme veriagte!) prädicanten und andere, so umb hülfe 
angesuecht, darin seint gekleidet wurden, die sonst bloß und 
nacket hatten gehen und erfrieren müssen. Denn woll etwa 
ein jar mit 50 gulden?) nicht hatte soviel tuchs als gefallen 
könt erzeuget werden. Weil aber die sach in diser zu- 
samenkunft so weit disputieret, das den Grätzern solchs 
umb gleichformigkeit willen, weils die ander lande nicht in 
brauch haben, abgehen zulassen gebtieren wolle, seint sie 
auch nicht darwider, allein das bescheidentlieh und mit 
bewilligung der obrigkeit darin gehandelt und nicht plötzlich, 
sondern allgemachsam und mehr mit predigen und vermanen, 
dan mit zwang und gebieten solehe ceremonien abgethan 
werde: das ist aber der Grätzer bitt, das ihre g. H.“) auf 
andere wege genedigklich bedacht sein wöllen, dadurch der 
abgang an kleidung ersetzt und die armen jungen gleich- 
woll bedecket werden mögen. 


Das 3.theil der Kirchenordenung. 
Welchs begreift die bestallung des heiligen 
ministerii und waß zu der kirchenregierung 

gehöret. 


Das dritte theil der kirchenordenung begreift fürnemblich 
achte stück in sich. Daß erste ist die bestallung des heilligen 
predigampts. Daß ander ein wolgeordente schuele. Das 
dritte bestallung eins kirchenrats. Daß vierde die visitation 
oder besuechung und aufsicht auf kirchen und schuelen, das 
fünfte notwendiger und nutzlicher synoden anstellung. Daß 
sechste die kirchenzucht, so in offentlichem und besonders 
ernstlichem gebrauch des himmelischen schlüssel *) stehet; 
daß sibende von einkommen und almusen, davon kirchen 
und schuelen unterhalten werden; das achte einer recht- 
schaffenen bibliotheken anrichtunge und notwendigen büchern. 

Waß nun dise stuck belangt, können wir kein bessern 
rat geben, dann doctor Chytraeus E. E. L. in Steier’) gehen 

1) Erst stand: verachte; das ist durchgestrichen und veriagte 


darüber geschrieben. ) S. ob. 17, 281. 3) gnädigen Herren. 
*) Matth. 16, 19. 5) d. h. Steiermark. 


150 70 


hat, welche unsere genedige und gepietund herren, wo es 


ihren genaden gefellig, möchten offentlich verlesen lassen, 


das dann, was einem lande zu guet gerathen worden, auch 
den andern nach dem sichs schicken wolt, zum besten 
gereichen möchte. 


Von visitation und synodis. 


Von visitationibus und synodis ist das unsers bedunkens 
fast!) nützlich, wo nicht notwendig, das ein iegklichs 
lant sein generalpastor in der hauptstat oder wo es am 
bequehmbsten ist habe, und dan ein iegklichs land in 
etlich viertel oder theile unterscheiden und einen iegklichen 
viertel sein special aufseher, so etwa viertelsprediger genand, 
furgesetzt sei. Was dann der special in seiner aufsicht 
befünde, kónt er dem general und derselbig, wo es not sein 
würde, den herren inspectoribus und verordenten zu wissen 
machen, das dann gebürlich einsehen geschehe. Es könte 
ein iegklicher special zu bestimbten zeitten etwa einmall 
oder zweimall in seinen viertel sampt einem politico, so ihm 
von der obrigkeit ordentlich zugeben, visitieren und auf- 


merken, vermüg der instruction, so man ihm geben müeste, , 


und könten dann einmal im jar oder, wo es vonnöten, mehr- 
mall die speciales mit dem general ein synodum halten; 
dem die herren inspectores und verordente selbs oder die 
so I. G. auß ihres ordens mittel an ihre stadt ordenten 
praesidieren; darin man von allerhand sachen zu aufnemen 
der kirchen gottes ratschlagen und handelen künte. Weil 
aber A. K.?) zugetone herrn und lantleute in diesen vier 
landen einer christlichen bruederlichen coniunction und zu- 
.samenhaltung in religion sachen sich verwilligt, wehr solche 
coniunction zuerhalten und derselbigen nutzlich zugebrauchen 
gar rathsam, das auf ein bestimbte zeit eines jeden landts 
hauptpastor oder general, mit einem seiner brüeder von 
ihren oberherrn, nemblich den herren inspectoribus und 
verordenten, gesand und die generales allesampt ihnen zu- 
geordenten an ein ort zusammen komen, da ihnen auch die 
herrn inspectores und verordnete oder von ihnen gesandte 
könten beywonen; da möchte dan ein iegklicher bericht 
thun, waß sich in den kirchen seins kreises zugetragen und 
waß sonst notwendig geacht worden und könt viel guets 
außgericht werden und damit solch guet nicht durch aemu- 
lation und eiffer verhindert würde, könte man umbwechslen, 
das man ein jhar in der, das ander jar in iener lantschaft 
hauptstad zusamenkehme und nichts ohn vorwissen und 


1) sehr. ?, Augsb. Konfession. 


* 


71 151 


befeleh der herrn verordneten und inspeetoren fürgenommen 
wurde. Dise bede special- und general-synodi künten auch 
an stadt eines kirchenraths ein zeitlang gehalten werden. 


Vou der schulen). 


Von den schulen ist erstlich bedacht, das vonnöten, 
das ein einige grammatica in allen gebraucht werde, und 
ist darzu erwehlet die zu Straßburg?) in schwange gehet, 
beyde latinisch und griechisch. Darnach ist auch bedacht, 
das die schuelen sollen den kirchen unterworfen sein, das der 
reetor dem ordentlichen aufsehen des pastors eben so woll 
untergeben sey, als ein prediger und die subinspectores, so 
den herrn inspectoribus und verordneten“), so fern diselbigen 
treulich ihrer instruction nachgehen fur augen habe und 
gutem rate villich und gern nachkomme, wie dann noch 
zur zeit, gott lob, kein beschwerung ist. Wie aber nicht 
allein alle schuler, sondern auch die praeceptores und 
oeconomus dem rectori gehorchen, also wird er auch gern 
den hern subinspectoribus, als denen, so in gemessenen 
bevelch an der herren verordneten und inspectorn stadt 
sein, dem gemeinem schulwesen zum pesten folgen. 

Wie aber der rector sambt seinen collegis und oeconomo 
also beyd subinspectores und pastores sampt allen, so der 
kirchen und schuelen furgesetzt sein, erkennen for ihre von 
Gott verordnete obrigkeit E. E. L. Verordnete und inspectores, 
denen sie ieder zeit geburlichen gehorsamb in aller demueth 
zuerzeigen schuldig und willig sein. 


De legibus scholae. 
Erinnerung. 


Waß die leges scholae anlangt, hat Chytraeus die not- 
wendigsten gesetzt, welche die Khärnter und Khrainer auch 
schon als vil ihnen bequehm vorhin in ihren schuelen haben 
und nach gelegenheit ihrer schuelen mehr herauß oder sonsten 
her zuwelen urpietig*) sein, doch als auf bewilligung und 
bevelch ihrer genedigen und gepietunden herrn E. E. L. 
Khärnten und Khrain verordneten. Die landtschule zu Grätz 
hat nu drei jar etliche leges im brauch und nicht ohne frucht 
gehabt. Wird aber für rathsam angesehen, das die subin- 
spectores und wer mehr darzu gehöret oder ordentlich er- 
fordert wirdt, vermog ihrer instruction, alle leges beyde, die, 


) Siehe Loserth, a. a. O. 2) Loserth a. a. O. S. 30 Anm. 
Der Einfluß Straßburgs auf die ev. Kirche in den habsburgischen 
Ländern war sehr groß. S. ob. S. 186. 3) sc. unterworfen sind. 
+) erbötig. 


152 72 


so in gebrauch schon sein und auch die, so noch nicht 
gebraucht worden, gegeneinander vergleichen und das ganz 
schulwesen also mit geburlichen notwendigen legibus fassen 
und umbwicklen, das merklicher nutz darauß könne verhoffet. 
werden. Wenn dann das ganz schulwesen ordentlich be- 
schriben sein wird, das sies dann den herrn verordneten 
und. inspectoribus zu examinieren übergeben und wens dann 
I. G. auch wurde gefallen, das diselbigen dann in ihrem 
beisein und namen fur der ganzen schuel liessen iren secre- 
tarium promulgieren, dann hetten die leges ire volkomene 
autoritet. 


Beschluß. 


Diß ist also unser gehorsambe antwort von der ganzem 
kirehenordnung, als vil wir unß in disem gesprechn haben 
erinnern und darnach zusamen schreiben können, und wehr 
woll gut gewesen, das etliche artickel ausfürlicher hetten 
ercleret können werden; aber weil unß nicht gebüret, unser 
g. H. zulange aufzuhalten, und nur ietzt ein andeuttung ge- 
geben hat sollen werden, wie ein iegklichs stück solcher 
kirchenordnung unsers bedunkens gestelt werden möcht, und 
hernach etwa, so es unsere gn. und gepietunde herrn für 
rathsam achten wurden, alles aufs klarlichste außgefüret 
werden soll, dann die stück, so im andern und drittenteil 
nur kurtzlich beruehret, mussen werden von wort zu wort 
außgefueret werden, habens wir bei disen anzeigungen und 
erinnerungen bleiben lassen. Und wie im anfang also auch 
hie zum beschluß wöllen wir alles dem christlichen hohen 
bedenken unser gn. und gepietunden herren und derselbigen 
g. u. h. unf auch selbs gehorsambist underworfen haben, 
mit demutigster erbietung zu weiterer erelerung, wo es von- 
nöten sein wolt. 

Der almechtige Gott, der da ist ein Gott des friedes 
und aller gueten ordenung, wülle sein werk in disen und 
anderen landen genediglich befordern und ihm beyde 
reglierjenden und underthonen, lehrer und zuhörer ganz vatter- 
lich zu schutzen und mit seinen heilligen geist zu regieren 
getreulich allezeit befolhen sein lassen durch Jesum Christum 
seinen einigen sohn und unsern allergenedigsten herren und 
heiland, welcher ist hochgelobet von ewigkeit zu ewigkeit. 
amen amen. 

Absolutum et theologorum ad hoc opus vocatorum 
subseriptione usque ad Dominorum declaratam censuram 
et approbationem perspicue declaratam ef nostram olim 
recognitionem comprobatam vigesima prima mensis Fe- 
bruarii anno millesimo quingentesimo septuagesimo 
oetavo in oppido Brugg ad Murrcham. 


73 153. 
Es folgen 6 aufgedruckte Siegel. 


Jeremias Homberger!) D. E. E. L. in Steier dieser zeit 
pastor zu Gratz subscripsi manu propria. 


M. Bernhardinus Stainer?). E. E. L. des erzherzogtumbs 
Karnden provisionirter am evangelio diener und der gemaine 
zue Clagenfurt pfarrar manu sua subscripsit. 


Christophorus Freius?). Magister und E. E. L. in Stair 
prediger. 


Philippus Marbachius‘) L. E. E. L. in Steier bestelter 
schulrector zu Grätz. 


M. Jacob Prüntl". E. E. L. in Kärnthen prediger zu 
Klagenfurt, manu sua propria. 


M. Andreas Laborator9) E. E. L. in Karndten bestelter 
schuelrector zu Clagenfurt, weil ich der zeit kein manu pro- 
pria pedtsehaft gehabt, hab ich herrn M. Bernhardi Stainer 
erbetten, daß er an meiner statt gefertigt. 


z 


Bedencken der ordenung halben in die sontäg und 
feiertage früpredig. 


1. Erstlich soll man den heiligen Geist mit einem gar 
kurzen gesang umb hilf anruefen. 


2. Darauf soll ein diener des worts die offene beicht 
sambt der absolution in sehr kurzer form, wie sie gestelt 
auf der canzel, sprechen; folget darauf ein kurzer psalm: 
allein Gott in der höhe’), Dann lieset der diener auf der 
canzel die epistel oder so man will sonst ein stück auß der 
bibel nach der ordenung der bücher. Wen er solches gethan, 

3. verkündet er, waD zuverkündigen ist, al neue ehe- 
leut, feste und deßgleichen und fordert das gebet fur die 
aufgezeichnete kranke und noturftige personen. 


4. Darauf singt man wider in figuris®) oder simplieiter, 
und nach anruefen des heiligen geistes folget die verlesung 
des evangelii und predig daruber, daß nach der predig alß 
bald das gebät gesprochen und ohn lengern aufhalt zur 
administration coenae domini geschritten und damit wie 
biBher gehalten werde. 


T) Loserth 1. c. 8. v. 2) Ebd. 3) Frey, Loserth s. v. 
*) Loserth s. v. 5) ebd. *) ebd, ?) S. ob. 17, 221, 12.. 
6) S. ob. 117, 224, 6. 


154 74 


Ursach zu solchen ordenung bewegent seint diese. 


1. Erstlich ists der uralten kirchen ordenung gemehs, 
wie daB confitemini!) ausweisen. 

9. Furß ander ists ie billich, das man mit bekantnus 
der stinde und absolution den gottesdienst zu verrichten an- 
fange, den die sünder will Gott nicht erhören, sie demtitigen 
sich den und bitten fur allen dingen umb vergebung. 

3. Furß dritte wirds also im wolbestelten kirchen der 
A. K. gehalten, alß in der Neuburgischen Pfalz), zu Ulm®), 
Norimbergae*) und andern vill orten zu sehen. 

4. Zum vierten ists gemhes der kirehen ordenung, so 
mit rath ern Chytraei gestellet^). 

5. Zum funften wird das volk desto zeitlicher zur 
kirchen zu kommen dadurch gelocket und beweget. 

6. Zum sechsten ists ein grosse beforderung, das der 
prediger nach gehabter predig desto schleuniger daß gepät 
verrichten, nichts durch mudigkeit oder eylem vergesse, die 
leutte nicht mit verdrieß aufhalte. 

Letzlich seint woll mehr ursach und nutz, so nicht hie 
vermelt werden mögen, und ist leichtlich anzurichten, wen 
mans nur ein mahl auf der canzl vermeldet daß sich ein 
jeder darnach richten möge. Es möcht auch privatim etwa 
versucht werden, das man sehe, wie es ein gestaldt haben 
und abgehn wolte. 


1) Ps. 118. *) S. ob. S. 184, 5, ) Württemb. K. G. a. a. O. 
S. 319. 713. 9) S. ob. S. 133, 1. 5) Sie ist bisher nicht auf- 
findbar; vgl. ob. 18, 87. 


Nachtrag. 

Soeben erschien: Paul Graff, Geschichte der Auflösung der 
alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutsch- 
lands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. 1921. 
Siehe S. 64f. 


Mitteilungen. 


Neuerscheinungen. 


Alfred Gótzes „Frühneuhochdeutsches Glossar“ ent- 
sprach schon bei seinem ersten Erscheinen im Jahre 1912 einem fühl- 
baren Bedürfnis, indem es zumal dem Anfänger ein Eindringen in den 
reichen hochdeutschen Wortschatz von Ende des 15. bis gegen die 
Mitte des 17. Jahrhunderts sei es überhaupt erst ermöglichte, sei es 
wenigstens ungemein erleichterte. Daß der Verf. aber inzwischen die 
Hände nicht in den Schoß gelegt hat, zeigt die nunmehr vorliegende 
zweite Auflage, die auf nochmaliger sorgfältigster Durcharbeitung des 
gesamten Stoffes beruht und so zahlreiche Ergänzungen gegenüber der 
ersten Ausgabe zeigt, daß deren Umfang sich fast verdoppelt hat. 
Möge das Studium unserer älteren originalen Literatur — Luthers und 
seiner Zeitgenossen sowie der nächstfolgenden Geschlechter — aus der 
Neubearbeitung entsprechenden Nutzen schöpfen! Bonn, A. Marcus 
u. E. Weber 1920. (Kleine Texte usw. hrsg. von H. Lietzmann 101.) 
XII, 240 S. M. 15, geb. M. 20. 


Eine sehr willkommene chronologische Übersicht der gesamten 
Vorlesungstütigkeit Luthers in Wittenberg gibt mit bedeut- 
samer Einführung H. von Schubert in SB. Heidelb. Ak. d. W., phil.- 
hist. Kl. 1920 Nr. 9. Dazu treten Konjekturen und Emendationen 
K. Meissingers zur Veröffentlichung der Galaterbrief-Vorlesung 
1516/1517 durch v. Schubert (s. „Archiv“ Bd. XVI S. 125f.). Heidel- 
berg, Winter 1920. 47 S. M. 4,30. 


Die Abhandlung von Lic. theol Hedwig Thomas, einer 
Schülerin F. Loofs’, „Zur Würdigung der Psalmenvorlesung 
Luthers von 1518—1515* ist ein wichtiger Beitrag zur zeitlichen 
Feststellung des Reformationserlebnisses Luthers. Verfasserin zeigt 
dureh eindringende Untersuchung und Vergleichung, daß in der Aus- 
legung der Psalmen bei Luther zwei Gruppen zu unterscheiden sind: 
in der einen steht er noch vor dem neuen Verständnis von Römer 1, 17, 
wührend die andere diese Erkenntnis schon vortrügt. Num stellt sich 
aber auch heraus, daß Luthers Einleitungs- und Schlußbemerkungen 
zur ersten Kollegstunde auf den neuen Standpunkt gestellt sind. 
Folglich war Luther schon bei Eröffnung der Psalmenvorlesung zur 
neuen Erkenntnis vorgedrungen; er hat letztere während der Vor- 
arbeiten für die Vorlesung gewonnen. So bleibt nur die Frage, wann 


156 76 


Lather die Vorlesung eröffnet habe, worüber völlig Sicheres vorerst 
noch nicht festzustellen ist. Verfasserin nimmt den Juli 1513 an, doch 
ist dies nur der terminus a quo. Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1920. 
X, 51 S. gr. 4. M. 7. 

Zwei wertvolle Beiträge zu Luthers Frühentwicklung 
bietet die Festgabe zum 70. Geburtstag Julius Kaftans, 30. Septb. 1918 
(Tübingen, Mohr): O. Scheel handelt (S. 298—318) über „Taulers 
Mystik und Luthers reformatorische Entdeckung“ (Betonung 
des Neuen, das Luther über den ganz im Gottesgedanken des Katho- 
lizismus stehenden Tauler und die Mystik hinaus darstellte); ebendort 
S. 150—169 beschäftigt sich Em. Hirsch, Initium theologiae 
Lutheri, mit dem Wesen der entscheidenden Entdeckung Luthers 
über Römer 1, 17. — In der gleichen Festschrift S. 170—214 unter 
sucht F. Kaltenbusch den Begriff des Deus absconditus bei. 
Luther; ferner bespricht S. 87—102 E. Förster „Fragen zu Luthers 
Kirchenbegriff aus der Gedankenwelt seines Alters“, an der Hand 
der späteren Schriften L.s die Entwicklung seines Kirchenbegriffs. 
Endlich verfolgt S. 260—272 O. Ritschl das Wort „dogmaticus“ 
in der Geschichte des Sprachgebrauchs bis zum Aufkommen des Aus- 
drucks theologia dogmatica, wobei u. a. gezeigt wird, daß von den 
Reformatoren allein Melanchthon das Wort dogmaticus braucht. 

In einem Festvortrag ,Luther und der 10, Dezember 1520* 
behandelt H. Bóhmer in vielfach neuem Lichte die Fragen: was ist 
am 10. Dezember 1520 eigentlich geschehen? was hat Luther zu dieser 
so vielumstrittenen Tat veranlaßt? was haben die Zeitgenossen zu ihr 
gesagt? und worin besteht die geschichtliche Bedentung jenes Ereig- 
nisses? U. a. zeigt Verf., daß die Verbrennung der Bannbulle eigent- 
lich eine „programmwidrige Improvisation“ war und die Bedeutung 
des Akts wesentlich auf der Verbrennung des kanonischen Rechts be- 
ruhte. Überhaupt legt Böhmer dem „Feuergericht vor dem Elstertore" 
eine hohe Bedeutung bei als einem Flammenzeichen, das unmittelbar 
auf die Phantasie und das Gefühl der Massen wirkte und aus dem 
auch die Ungelehrten ohne weiteres die Botschaft herauslasen: ,Vogt, 
deine Uhr ist abgelaufen!“ Der Vortrag ist aufgenommen in die 
würdig ausgestattete, mit zahlreichen Abbildungen geschmückte Ver- 
öffentlichung „Wittenbergs Feier der Tat Dr. Martin Luthers 
10. Dezember 1520“. Wittenberg, Kommissionsverlag M. Senf 1921. 
87 8. £. 


Richard Wolffs „Studien zu Luthers Weltanschauung“ 
sind Ernst Tröltsch gewidmet und von dessen Geist befruchtet. Sie 
nehmen die These des Meisters wieder auf, wonach die Neuzeit erst 
mit der Ablösung der christlich-supernaturalen Weltordnung durch die 
natürlich-diesseitige im Zeitalter der Aufklärung beginne und Luther 
daher restlos ins Mittelalter gehöre. Daß diese Auffassung durch 
Wolff glaubwürdiger gemacht werde, kann Verf. nicht finden. Es ist 
ja nicht schwer, aus Luthers Aussprüchen solche herauszuheben, die 


77 157 


den Zusammenhang mit der Vergangenheit besonders stark betonen; 
nur übersieht oder unterschätzt man neben den Worten die befreiende, 
in die Zukunft weisende und bis heute fortwirkende Tat des Re- 
formators. So ist auch die Anschauung grundfalsch, als ob im Zeit- 
alter der sog. Aufklärung die christlich-supernaturale Weltanschauung 
alsbald und für immer zum alten Eisen getan worden sei. Richtig 
ist im Grunde nur, daß gewisse Kreise erlesener Geister sie verließen 
und daß das konfessionelle Element aufhörte in der europäischen 
Politik ausschlaggebend zu sein. Historische Bibl. 43. München, 
Oldenbourg 1920. 65 S. M. 10, 


Wie verfehlt alle Versuche sind, zwischen Luther und der Gegen- 
wart einen trennenden Strich zu ziehen, zeigt aufs neue die prächtige, 
gedankenreiche Skizze von Max Lenz über „Luthers Tat in 
Worms“. Diese Tat bedeutet die nicht von L. ausgehende, sondern 
ihm abgenötigte Auflehnung gegen die höchste Staatsgewalt. Daß 
Luther, obschon er den Zusammenhang seines Evangeliums mit den 
nationalen Hoffnungen und Notwendigkeiten damals längst begriffen 
hatte, die antirömische Stimmung, die die ganze deutsche Nation be- 
herrschte, nicht benutzt, sich nicht zum Führer der Nation gegen 
Rom gemacht hat, billigt der Verf, indem er zeigt, wie unter den 
gegebenen Verhültnissen auch das Luthertum eine nationale Monarchie 
in Deutschland im Sinne der Nachbarstaaten zu errichten nicht ver- 
mocht hätte. Trotzdem sind die Staatsgedanken der Reformation 
(beim Luthertum wie beim Calvinismus) politisch von ungleich höherer 
Kraft gewesen, als die in Trient neu zusammengefaßte, nun ganz 
hispanisierte Lehre der römischen Kirche. Ferner aber hat auf der 
Grundlage des Protestantismus der nationale Genius Deutschlands, der 
im Mittelalter in allen seinen Schöpfungen von fremden Kulturelementen 
abhüngig gewesen war, in neuerer Zeit, besonders auf dem Gebiete des 
geistigen Lebens, sich zu Hervorbringungen erhoben, die alles hinter 
sich ließen, was frühere Jahrhunderte hervorgebracht hatten. Und 
noch immer sind, Lenz zufolge, die Grundformen der Weltordnung, 
80 wie Luther sie gesehen und im Geiste gestaltet hat, nach allen 
Wandlungen, allen Katastrophen, auch allen Triumphen des mensch- 
lichen Geistes und seiner sittlichen wie intellektuellen Krüfte unver- 
loren und unerschüttert. Schr. des Vereins f. Ref.-Gesch. Nr. 134. 
Leipzig, in Komm. bei M. Heinsius Nachf. 1921. 45 S. M. 5. 


Indem Joh. Luther, Martin Luthers Auslegung des 
90. Psalms schildert, wie es kam, daß die Wittenberger Theologen 
der Kónigin Dorothea von Dünemark bei ihrem Besuche in Wittenberg 
1548 Luthers Auslegung des 90, Psalms, bereichert um eine Vorrede 
Georg Majors, als literarisches Festgeschenk darbrachten, gibt uns der 
Verf. zugleich ein Bild von den Beziehungen, die sich, besonders seit 
der Thronbesteigung des an den Fortschritten des Evangeliums 
innigsten Anteil nehmenden Königs Christians III, zwischen Dänemark 
und Wittenberg herausgebildet hatten. Reiche Literaturangaben be- 


158 78 


gleiten den Text. Das schön ausgestattete, mit Wiedergabe des 
Titelblattes der angezeigten Schrift ausgestattete Schriftchen bildet 
Heft 9 der „Bibliographien und Studien, herausg. von Martin Bres- 
lauer.“ Berlin, M. Breslauer 1920. 50 S. 49. M. 60. 

Die Wirkung der Geisteswelt Zwinglis hat unter seinem poli- 
tischen Schicksal gelitten. Indem mit Zwinglis Tode Zürich die 
politische Initiativkraft zur Fortführung seines Werkes verlor, rückte 
Genf unter Calvin vor und eroberte sich eine Welt mit der Macht des 
Gedankens und der Kraft des Schwertes. Auf der anderen Seite hielt 
und verfestigte sich das Luthertum. So drohte zwischen Luther und 
Calvin Zwingli hindurchzufallen. Daf gleichwohl des letzteren Geistes- 
art Gegenwartewert besitzt, daß Zwingli neben Luther am Brückenbau 
unserer Kultur mitzuwirken berufen ist, unternimmt Walther Köhler 
in seiner Schrift ,Die Geisteswelt Ulrich Zwinglis. Christen- 
tum und Antike“ (— Brücken, Bd. 8, Gotha, F. A. Perthes 1920. 
158 8. M. 6) zu zeigen, in der er knapp, aber lichtvoll, aus ein- 
gehendster Kenntnis das Wesen und die Eigenart der religiösen Per- 
sönlichkeit des Schweizers vor uns erstehen läßt. Die organische, im 
Innersten der Persünlichkeit vollzogene Verknüpfung von Christentum 
und Antike, wie sie für Zwingli wesenhaft ist, der Hauch antiker 
Sophrosyne über dem christlichen Glauben — schließt der Verfasser — 
kann nicht nur, sondern muß Brücke für unsere Zeit sein. 

Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M. haben nicht 
dazu geführt, die Stadt für seine Lehre zu gewinnen, und in ihr 
seinem reformierten Gesanktprotestantismus ein Ausfallstor nach Deutsch- 
land zu eröffnen; nicht einmal in den Fremdengemeinden hat Calvin 
sein Ziel erreicht Doch bleibt darum die Untersuchung, die K, Bauer 
jenen Beziehungen widmet, nicht ergebnislos, sondern liefert wertvolle 
Beiträge sowohl zur Reformationsgeschichte Frankfurts wie zu dem 
Verhältnis zwischen den evangelischen Kirchen besonders in den fünf- 
ziger Jahren und endlich für Calvins Bestrebungen und Charakter. 
Schr. VRG. 138. Leipzig, Kom.-Verl. Heinsins 1920, 76 S. M. 6. 

Von H. Dechents Kirchengescbichte von Frankfurt a. M. 
seit der Reformation (deren erster, 1913 erschienener Band im „Archiv“ XI 
S. 239 angezeigt wurde) ist der zweite und Schlußband erschienen, 
der, mit gleicher Liebe und Sorgsaukeit wie sein Vorgänger bearbeitet, 
den Zeitraum von 1618 bis zur Gegenwart behandelt. Leipzig und 
Frankfurt a M., Keßelring 1921. VIII, 588 S., mit 54 Illustrationen. 
M. 36.—. 

Das Corpus Catholicorum, Werke katholischer Schriftsteller im Zeit- 
alter der Glaubensspaltung (vgl. „Archiv“ XVI 8.253ff.) eröffnet Dr. 
Johann Ecks Defensio routraamarulentas D. Andreae Boden- 
stein Carolostatini Invectiones von1518, hrag.vonJos. Greving, 
dem eigentlichen Schöpfer des Unternehmens, der die Ausgabe des 
Hefts jedoch nicht mehr erlebt hat (+ 6. Mai 1919). Doch bot ihm 
dieses Gelegenheit, die von ihm mit großer Umsicht ausgearbeiteten 


79 | 159 


Grundsätze für die Herausgabe des C. C. zu erproben und zu 
bewühren. Die ausführlich eingeleitete Ausgabe selbst zeigt auf jeder 
Seite die Hand des sachkundigen und sorgsamen Forschers. Münster, 
Aschendorff 1919. S. 1*—75*, 1—96. M. 9. 


Mit Eck beschäftigt sich auch Heft 2 des C. C., das Joh. 
Metzler S. I. bearbeitet hat. Er vereinigt darin Ecks Epistola 
de ratione studiorum suorum von 1538 (Darstellung des eigenen 
Studienganges) und die Schrift des Kollegen Ecks und Ingolstüdter 
Professors Erasmus Wolph, ,de obitu Joan. Eckii adversus 
calumniam Viti Theodorici". Diese Schrift richtet sich gegen die 
Angaben, die der Nürnberger Professor Veit Dietrich über Ecks Aus- 
gang gemacht hatte. Herausgeber verbreitet sich weitläuftig über 
diese „Verleumdungen“, ohne des Satzes eingedenk zu sein: peccatur 
intra muros et extra! Es herrschte in jenen Zeiten scharfer kon- 
fessioneller Kämpfe auf beiden Seiten die Überzeugung, daß beim Tode 
des Gegners irgendwie zutage treten müsse, daß seine Sache nicht die 
der Wahrheit und Gerechtigkeit, nicht die Sache Gottes sei, Ge- 
fällige Zwischentrüger fanden sich wohl immer und ihre Erfindungen. 
und Entstellungen wurden auf der Gegenseite nur allzu gern geglaubt. 
Münster, Aschendorff 1921. 106 S. M. 12. — Über den Stand der 
Arbeiten zur Herausgabe des C. C. gibt Auskunft der Jahresbericht 
der Gesellschaft für 1920. Münster, Aschendorff 1921. 12 S. 
(mit Liste der erschienenen, in Arbeit befindlichen und in Aussicht ge- 
nommenen Schriften). 

DieBuflehre Ecks behandelt systematisch ein Schüler Grevings, 
H.Schauerte. Er gibt im Hauptteile, von Eck ausgehend, eine Dar- 
legung der sehr verwickelten katholischen Buflehre des endenden 
Mittelalters, ` der er die abweichenden Lehren Luthers und der 
Seinen gegenüberstellt. In den ersten Abschnitten wird eine Ana- 
lyse der einschlägigen Schriften Ecks gegeben und dessen Arbeits- 
weise (Art der Quellenbenutzung, Polemik usw.) geschildert. Am 
Schluß untersucht Verf. Ecks Stellung zu den Mißständen im Buß- 
wesen und den Erfolg, den seine Ausstellungen an diesem gehabt 
haben. Greving, Reformationsgeschichtl. Studien und Texte, Heft 38/39. 
Münster, Aschendorff 1919. XX, 950 S, M. 11,90. 

„Tagebuchaufzeichnungen des Regensburger Weih- 
bischofs Dr. Peter Krafft von 1500—1530“, erhalten in einem 
Druckexemplar des lateinischen Almanachs von Joh. Stöffler und Jakob 
Pflaum von 1499 anf der Münchener Universitätsbibliothek, veröffent- 
licht mit überaus reichen Erläuterungen K. Schottenloher. Die 
Eintragungen des der beginnenden Reformation feindlichen „Fladen- 
weihers^ lassen diesen auf seinen Amtsreisen durch das gesamte Bis- 
tum Regeusburg und bis nach Böhmen hinein verfolgen und geben 
außerdem mancherlei schätzbare Notizen und Betrachtungen zur Zeit- 
geschichte. Greving, Beformationsgeschichtl. Studien und Texte. 
Heft 87, Münster, Aschendorff 1920. VII, 71 S. M. 6. 


160 80 


Von O. Braunsberger, Petrus Canisius, (vgl. „Archiv“ 
Bd, XVII, 8. 70) ist die 2./3. Auflage erschienen, wesentlich ein 
Wiederabdruck der ersten. Nur ist ein Abschnitt über das innere 
Leben des C. hinzugekommen, wodurch der erbauliche Charakter des 


Werkes nur noch verstärkt wird. Freiburg, Herder 1921. XII, 834 8. 
M. 20, geb. M. 26 und Zuschläge. (Bildet einen Teil von K. Kempf, 


S. J., Jesuiten. Lebensbilder großer Gottesstreiter.) 


Johannes Janssens Briefe, hrsg. von L. Frhr. v. Pastor. 
2 Bünde. Freiburg, Herder 1920. Mit einem Bildnis J.s. XV, 411 8. 
und XXXV, 336 S. M. 80, geb. M. 86 (dazu Zuschläge), In den 
Briefen, die in 812 Nr. von 1817 bis 1891 reichen, suchen wir zu- 
nächst nach Angaben über die Entstehung der „Deutschen Geschichte“. 
Wir finden das genaue Datum des entscheidenden Entschlusses zu 
ihrer Abfassung (8. September 1857) und zahlreiche Nachrichten über 
das Fortschreiten des Werks und die steigende Anerkennung, die 68 
in katholischen Kreisen erfuhr. Wichtiger noch ist die durch die 
Briefe uns vermittelte Kenntnis der Umwelt, in der Janssen lebte und 
emporkam. Im übrigen bestätigen die Briefe, was die „Deutsche Ge- 
schichte“ auf jeder Seite lehrt, daß ihr Verfasser zwar ein sehr ge- 
schickter Kompilator, aber nichts weniger als ein Gelehrter war. Be- 
zeichnenderweise hat.J. zu keinem Fachgenossen engere und dauerndere 
Beziehungen unterhalten als zu dem berüchtigten Onno Klopp. Für 
J.s historische Methode sei z, B. auf II, 298 vom Jahre 1890 ver- 
wiesen, wo er mit heißem Bemühen einen Jesuiten ausfindig zu 
machen sucht, der sich mit volkswirtschaftlichen Fragen beschäftigt 
und für das Los der geknechteten Bauern ein Herz gehabt habe, Von 
befremdlicher Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit, selbat für einen J., ist 
-der Ausspruch II, 246 (1888), die wirklich begabten Dichter seien 
doch fast sümtlich Katholiken und der Schmutz sei nirgends auf katho- 
lischer Seite! Goethe scheint freilich nicht zu den „begabten“ Dichtern 
gerechnet zu werden; wettert Janssen doch II, 916 (1877) gegen die 
„Goethefreudigkeit“ katholischer Kreise. So bleibt auch nach dieser 
Veröffentlichung des opus epistolarum J.s noeh immer im Werte, was 
Max Lenz schon vor längerer Zeit über die Persönlichkeit Janssens 
und sein Geschichtswerk ausgeführt hat (Histor, Zeitschr. N. F. 14, 
S. 281—284; Preuß, Jahrbch, 71, 3, 540 — 547). 


Druck von C. Schulse & Oo., G. m. b. H., Gräfenhainichen. 


Von der preussischen Kommission 
zur Erforschung der Reformation und 
Gegenreformation. 


I. Instruktion für die Mitarbeiter 
an der prosopographischen Abteilung. 


1. Die Literatur von 1500 bis 1585 ist biographisch erschöpfend 
durchzuarbeiten. In erster Linie ist die gedruckte Literatur aufzu- 
arbeiten. Das handschriftliche Material wird aushilfsweise und nach 
Bedarf herangezogen, namentlich das mit der Bewegung der Wieder- 
täufer sich befassende Quellenmaterial. Der Leiter der Abteilung gibt 
die Literatur an, die durchgearbeitet werden soll. Er führt ein Ver- 
zeichnis über die verarbeitete Literatur. l 

2. Es wird eine Kartothek angelegt, die alle Namen enthält, die 
sich in der verarbeiteten gedruckten und ungedruckten Literatur finden. 
Die Kartothek befindet sich beim Leiter der Abteilung und wird von 
ihm fortlaufend ergänzt und geordnet. 

3. Die Mitarbeiter ziehen aus der ihnen zugewiesenen Literatur 
alle Namen aus und verzeichnen sie auf den ihnen übergebenen Zetteln. 
Jeder Name erhält einen eigenen Zettel. Das Gleiche gilt von den 
Varianten (z. B. Mayr, Mair, Maier, Meyer, Meier u. &.), den Über- 
setzungen in die gelehrten Sprachen, den Spitznamen, Kosenamen. 
Decknamen, Pseudonymen, den Namensbezeichnungen nach dem Ort 
(z.B. Dr. Islebius) usw. Auch für die Bezeichnung mit Sigeln (z. B. P. M.) 
ist ein besonderes Blatt anzulegen. Bei jeder Namensform wird auf 
die Haupttorm verwiesen. Beispiel: Dr. Gratianus s. Zwingli, Huld- 
reich; Dr. Philippus s. Melanchthon, Philipp; Crasitius s. Mornhinweg. 
Ist die Identifizierung fraglich, so muß das durch ein in Klammern 
gesetztes Fragezeichen kenntlich gemacht werden. Da in den Quellen 
oft bloß der Vorname angegeben ist, so muß die Identifizierung mit 
großer Vorsicht vorgenommen und lieber zu häufig als zu selten das 
Fragezeichen verwendet werden. 

Es sind Leitblätter anzulegen, die an erster Stelle die gebräuch- 
lichste Namensform enthalten, der dann alle übrigen Namensformen 


2* 


folgen. Die MS-Zettel tragen als Stichwort die gebrauchlichste Namens- 
form. Oft wird erst im Laufe der Arbeit sich ergeben, welches die 
gebräuchlichste Form ist. In solchen Fällen kann erst der Leiter der 
Abteilung, dem alle Unterlagen zur Verfügung stehen, das Stichwort 
endgültig feststellen. Der Mitarbeiter darf auf keinen Fall das einmal 
gewählte Stichwort stillschweigend ändern. Meint er, es ändern zu 
müssen, so hat er den Leiter der Abteilung zu benachrichtigen. In 
vielen Fällen wird er sofort oder bald das richtige Stichwort wissen. 
Die Melanchthon betreffenden biographischen Notizen werden natürlich 
nicht unter das Stichwort Schwarzerd, sondern Melanchthon gebracht. 

4. Einrichtung der MS-Zettel. Auf jedem Blatt, das eine bio- 
graphische Notiz enthält, ist über dem Doppelstrich in der linken 
Spalte der Familienname mit dem Vornamen, bzw. den Vornamen ver- 
zeichnet, mit dem Herkuuftsort und Datum der Quelle, bei Briefen, 
wenn möglich, mit dem Aufenthaltsort des Empfängers in Klammern. 
Kann der Aufenthaltsort des Empfängers nicht sicher ermittelt werden, 
so ist der vermutete Aufenthaltsort mit einem Fragezeichen zu ver- 
sehen. Ist die Vermutung zu unsicher, so unterbleibt eine Angabe. 
In der rechten Spalte über dem Doppelstrich wird der Fandort der 
Quelle angegeben, entweder bibliographisch genau oder abgekürzt 
(vgl. Ziffer 9). 


Beispiel: 
ar Ambr. Blarer an Konrad Hubert 
(Konstanz) Tr. Schieß, Briefwechsel der Brüder 
Ambr. u. Th. Blaurer, Bd. 2, 180 
Konstanz - 
1543 Apr. 16 
die Verweise Text 


Unter dem Doppelstrich rechts sind die biographischen Notizen 
einzutragen, links die Verweise (vgl. Schema). Es genügt, auf der 
linken Spalte unter dem Doppelstrich den Namen mit Rufnamen zu 
vermerken. Der Benutzer des Blattes weiß, daß er das Blatt auf- 
zusuchen hat, das den gleichen Orts- und Datunisvermerk trägt. Falls 
auf ein anderes Blatt verwiesen werden soll, so ist neben dem Namen, 
auf den verwiesen wird, der entsprechende Orts- und Datumsvermerk 
anzugeben. Da die Blätter nicht paginiert werden können, müssen 
die Orts- und Datumsangaben an die Stelle der Seitenangaben treten. 
Werden die Verweise sorgfältig vorgenommen, so ist ein Irrtum aus- 
geschlossen, Jedes Blatt, auf das verwiesen wird, kann mühelos ge- 
funden werden. Beispiel: Auf dem Blatt Bullinger, Heinrich Zürich 
1543 März 25 wird verwiesen auf Coccius, Sebastian. Es ist also auf- 
zusuchen das Blatt Coccius, Sebastian Zürich 1548 März 25. Auf dem 
Blatt Bullinger, Heinrich Zürich 1543 Febr. 27 wird verwiesen auf 


3* 


Blarer. Ambrosius Konstanz 1543 Febr. 24. Es ist also aufsusuchen 
das Blatt Blarer, Ambrosius, Konstanz 1543 Febr. 24. 

Wenn ein Exzerpt sich über mehrere Blätter erstreckt, ist auf 
jedem neuen Blatt in der linken Spalte über dem Doppelstrich das 
Stiehwort samt Orts- und Datumsangabe zu wiederholen. Diese 
Blätter sind- auch rechts oben mit arabischen Ziffern fortlaufend zu 
paginieren. Das Datum ist nach den Kalendertagen anzugeben, doch 
ist der Heiligenname mit aufzunehmen, wenn er, was sehr oft der 
Fall sein wird, in der Quelle enthalten ist. 

5. Behandlung des Textes. Aus den Quellen ist alles aufzunehmen, 
was unmittelbare biographische Bedeutung besitzt. Alle Angaben über 
Herkunft, Verwandtschaft, Familie, Erziehung, Unterricht, äußere Er- 
scheinung, Krankheiten, Reisen, Frau, Kinder, Freunde, Gegner u.dgl.m. 
sind sorgfältig zu registrieren. Besonders ist zu achten auf die Bücher, 
die der Betreffende gelesen hat oder in seiner Bibliothek besitzt, die 
er selbst unter der Feder hat oder herausgegeben hat, auf die Gut- 
achten, an denen er beteiligt gewesen ist u. l. Es muß auf Grund 
der MS-Blätter möglich sein, die „Bibliothek“ des Betreffenden fest- 
zustellen. Auch Notizen über nicht beförderte oder nicht angekommene 
Briefe sind aufzunehmen. 

Ebenfalls sind die Urteile zu notieren, die der Betreffende über 
sich selbst und andere Personen füllt, auch die Urteile über Schriften, 
die erschienen sind oder deren Erscheinen erwartet wird. Doch nur 
solche Urteile sind aufzunehmen, die sich auf die reformatorische und 
gegenreformatorische Bewegung beziehen oder den Charakter, das 
Können und Wissen dieser und jener Person zum Gegenstand haben, 
Auch Verleumdungen und die Urteile über Verleumdungen müssen auf- 
geführt werden. Sich wiederholende, banale, selbstverstündliche Urteile 
über führende Persönlichkeiten (z. B. Martin Luther ist ein Gottes- 
mann, ein Werkzeug des Satans) sind nur einmal zu notieren. Die 
individuellen und charakteristischen Urteile müssen vollstündig ver- 
zeichnet werden, auch wenn sie sich wiederholen. Es ist zugleich 
darauf zu achten, ob die Urteile sich gleich bleiben oder schwanken. 

Inhaltsangaben über Schriften, Gutachten, Vorschláge usw. werden 
nicht verlangt. Es muß aber zu erkennen sein, welche Stellung 
dieser und jener zu den dogmatischen und kirchenpolitischen Fragen 
der Zeit eingenommen hat, an welchen Reformen und Gegenreformen 
er sich beteiligt hat (z. B. Säuberung der Kirchen von Nebenaltären, 
Heiligenbildern usw., Schulreformen u. dgl.). Es muß darum auch 
notiert werden, in welche Streitigkeiten er verwickelt worden ist. 
Das Streitthema ist kurz anzugeben und mit den charakteristischen 
Worten der Quelle hinzuzufügen, wie dazu Stellung genommen wurde. 
Für alles weitere wird auf die Quelle verwiesen. 

Berichte über das Sterben dieser oder jener Person sind nicht 
ausführlich abzuschreiben. Liegt ein längerer Sterbebericht vor, 80 
genügt es, auf ihn hinzuweisen. Jedoch sind alle Personen, die zu- 


4* 


gegen waren, unter dem jeweiligen Stichwort aufzuführen, Beispiel: 
Die Berichte über L. Hetzers Hinrichtung in Konstanz. Hier wäre 
für die Einzelheiten auf die Quellen hinzuweisen, dagegen vollstündig 
anzugeben, wer bei der Vorbereitung des Verurteilten auf den Tod und 
bei der Hinrichtung zugegen war und wie die Anwesenden über 
Hetzers Haltung in den letzten Stunden seines Lebens urteilten. 

6. Die Exzerpte müssen möglichst knapp gehalten werden. 
Seitenlange Auszüge müssen Ausnahmen bleiben. Wenn die wört- 
liche Zitierung zu ausführlich sein würde, muß ein zuverlässiges 
Regest gegeben werden. 

Die MS-Blätter dürfen nur einseitig beschrieben werden. Die 
Schrift muß leicht leserlich sein. Die Namen müssen so sorgfältig 
geschrieben sein, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist. 

7, Angaben über Büchertitel, über bekannte oder anonyme Ver- 
fasser von Schriften, kurz bibliographische Angaben, die sich im 
Schrifttum des 16. Jahrhunderts finden, sind auf einem besonderen 
Zettel zu notieren und mit den prosopographischen MS-Blättern dem 
Leiter der biographischen Abteilung einzusenden, der sie an den Leiter 
der bibliographischen Abteilung weiter gibt. 
| 8. Die MS-Blätter sind monatlich alphabetisch geordnet an den 

Leiter der biographischen Abteilung zu schicken. Falls in einem 
Monat keine versendungswerte Ausbeute gewonnen worden ist, muß 
dies dem Leiter der biographischen Abteilung gemeldet werden. 

9. Auf besonderen Kartons, die den Mitarbeitern übergeben werden, 
sind die durchgearbeiteten Qnellen bibliographisch genau zu ver- 
zeichnen. Falls auf den MS-Blättern eine Quelle abgekürzt angeführt 
wird, muß sie in der gleichen Abkürzung auf einem Karton ver- 
zeichnet werden, mit einem Verweis auf die bibliographisch vollständig 
angegebene Quelle. Auch diese Kartons werden an den Leiter der 
biographischen Abteilung geschickt. Der Mitarbeiter kann für seinen 
eigenen Gebrauch ein Exemplar dieser Kartons zurückbehalten, 


0. Scheel. 


Il. Instruktion 
für die Arbeiten der bibliographischen Abteilung, 


im wesentlichen aus den „Instruktionen 
für die alphabetischen Kataloge der Preuß. Bibliotheken“ 
(Berlin 1909) übernommen. 


I. Für das Sehrifttum der Reformation und Gegenreformation. | 


Die Beschreibung der Schriften der Reformation und Gegen- 
reformation hat 5 Teile zu umfassen: 


a) die bibliographische Notiz mit dem Namen des Verfassers, 
dem Sachtitel, Druckort, Drucker und Herausgeber (Verleger), Datum 
und Format; 

b) die Kollation mit Angabe über Blattzahl, Signaturen und 
Ausschmückung; | 

c) die textliche Beschreibung mit genauer Wiedergabe des Titel- 
blattes und der Schlußschrift, mit Kennzeichnung von Widmungen, 
Vorreden und sonstigen Beigaben, mit kurzem Schlagwort des Inhaltes, 
wenn dieser aus dem Titel nicht erschlossen werden kann; 

d) bibliographische oder literarische Belege; 

e) den Fundort mit Angaben über besondere Merkmale (hand- 
schriftliche Einträge, Einbände usw.), 

Beispiel: 

Leo X.: Bulla contra errores Martini Lutheri et sequacium, Rom, 
Jacobus Mazochius [1520]. 4°, 

12 Bl, das letzte leer. Sign. aij—ciij Eine Titeleinfassung. 
Zwei Holzschnitte. 

Bulla contra erroꝛes Martini Lutheri || 2 ſequacium. Holz- 
schnitt: Püpstliches Wappen. Einfassung: Unten Urne mit zwei Füll- 
hórnern. 

Bl. ajj vor dem Textbeginn: Rundbildnis Papst Leos X. Bl. 11b 
21: Q Impreffum Roms per Jacobum Mazochium || De Mandato. 
D. N. Pape. || 

Vgl. Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 9. 2 (1918) S. 206 N. 1 
mit Abb. des Titelblattes. j 

München, Staatsbibl. (4. Hom 487,6 mit amtl. Ausfertigung durch 
Girolamo Ghinucci, Bischof von Ascoli, und Notar Pantaleo). 


Z. 
S. 


6* 


II. Für die Briefe der Reformatoren und ihrer Gegner. 


Das Verzeichnis nimmt auf: 

a) die Namen von Absender und Empfünger, Ort und Datum, 

b) den Textanfang [ohne die Formeln], 

c) die Belege, wo gedruckt oder verwertet, 

d) den Fundort. 

Beispiel: 

Luther Martin an den Hofprediger Wolfgang Stein in Weimar 
Wittenberg, 10. September 1524 

Beginnt: Primum veniam peto pro nostra ... 

Abgedr, v. Flemming in: Theol. Studien und Kritiken 86 (1918) 
S. 288 N. 1. 

Jena, Univ. Bibl. (Rörer). 


III. Für die Literatur über Reformation und Gegenreformation. 


Die Literaturbibliographie bringt Verfasser, Titel, Erscheinungsort, 
Verlag oder Druckerei, Jahr, Seitenzahl und Format, bei Zeitschriften- 
aufsätzen Verfasser, Titel und Hinweis mit „In:“ auf die Zeitschrift 
samt Angabe des Jahrgangs und der Seitenzahl. 


Beispiele: 
a) Keller Ludwig: Die Reformation und die älteren Reform- 
parteien. Leipzig, S. Hirzel, 1885. X, 516 S. 80. 
b) Barge Herm.: Luther und Karlstadt in Wittenberg. In: 
Historische Zeitschrift 99 (1907) S. 256—324. 


K. Schottenloher. 


Von der preussischen Kommission 
zur Erforschung der Reformation und 
Gegenreformation. 


Anweisung für die Herausgabe der 
Widertäuferakten. 


l. Der Verein für Reformationsgeschichte gibt die Akten heraus, 
die sich mit den Widertäufern befassen. Zu berücksichtigen sind alle 
Akten, die sich auf Personen beziehen, die nicht zum offiziellen Pro- 
testantismus oder Katholizismus gehören, aber irgendwie mit der 
täuferischen Bewegung in Verbindung stehen oder zu ihr gehören. 
Die sogenannten Spiritualisten sind darum mit heranzuziehen, auch 
Schwenkfeld. Die „Ungläubigen“, also die Monisten, Naturphilosophen 
u. &. kommen nicht in Betracht. Das Tüufertum bleibt der Mittelpunkt 
des Unternehmens. 

2. Eine zeitliche Abgrenzung zu geben ist kaum möglich. In 
erster Linie ist auf die Akten zu achten, die bis ungefähr 1560 reichen. 
Doch wird man nicht selten genötigt sein, die Bewegung selbst bis 
ins 17. Jahrh. zu verfolgen. Den Mitarbeitern muß überlassen bleiben, 
die Grenzen nach vorwärts so weit auszudehnen, wie der Aktenbefund 
es furdert. Im Zweifelsfall muß mit dem Leiter des Unternehmens 
Rücksprache genommen werden. 

3. Über die örtliche Abgrenzung entscheidet der Vorstand des 
Vereins für Reformationsgeschichte im Einvernehmen mit dem Leiter 
des Unternehmens und dem jeweiligen Mitarbeiter. Zunächst sind die 
Gebiete der deutschen Sprache in Arbeitsprovinzen aufgeteilt, die 
einem Provinzialleiter unterstellt sind. Er ist befugt, sich Mitarbeiter 
nach seinem Ermessen zu suchen. Doch hat er dem Leiter mitzuteilen, 
wer mitarbeitet und was bearbeitet wird. 

4. Zu untersuchen sind vornehmlich die Akten und Protokolle, 
also die Kirchenrats- und Konsistorialakten, die Rats- und Gerichts- 
protokolle, die Stadtrechnungen, die Gutachten und Bedenken der 
Magistrate und Obrigkeiten, die Chroniken der Widertäufer und die 
Stadtchroniken, die Lieder, Briefe, Ordnungen und Mandate. Das 
Schrifttum, das noch nicht ediert ist, soll herausgegeben werden. Das 
schon edierte Schrifttum ist zunächst zu registrieren. Der Fundort 


ist genau anzugeben. Diese Anweisung bezieht sich auch auf die 
Flugschriften. Sind schon Verhöre, Mandate u. dgl. veröffentlicht, so 
genügt es zunächst, den Ort der Veröffentlichung anzugeben und den 
Druck mit dem Original zu vergleichen. Stellt sich heraus, daß der 
Druck unzuverlässig ist, so muß das Original nochmals abgeschrieben 
und die Abschrift für die Herausgabe eingelegt werden. Über die 
Verwertung der zuverlässigen Drucke wird später Weisung ergehen. 

5. Für die Herausgabe sind die Grundsätze der Badischen Histo- 
rischen Kommission maßgebend, 

6. Die Akten sind in Regestenform zu edieren. Zeit, Ort, Per- 
sonen, Verhandlungsgegenstünde, entscheidende Fragen und Antworten 
sind vollständig abzuschreiben, ebenfalls andere wichtige Partien aus 
den Akten. Ein charakteristisches Schema der Prozesse ist als Beispiel 
vollständig wiederzugeben. 


Otto Scheel. 


ARCHIV FÜR. REFORMATIONSGESCHICHTE, 


TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN. 


Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte 


herausgegeben von 


D. Walter Friedensburg. 
Nr. 71/72. m XVIII. Jahrgang. Heft 3/4. 


Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter Aleanders 
auf dem Wormser Reichstage 


von Paul Kalkoff. 


Die reformatorischen Kirchenordnungen 
Ober- und Innerösterreichs IV. 


von Georg Loesche. 


Mitteilungen 


Neuerscheinungen. 


WAAAY OF THE 
cen OF WISCONSIN 


RA^ TWO — 
v Lbs AZ * 


Leipzig 
Verlag von M. Heinsius Nachfolger 
1921. 


Ausgegeben im Oktober 1921. 
Preis für Subskribenten 10.— M., einzeln bezogen 11,— M. 


Kommissionsverlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig. 


Quellen und Forschungen | 


zur Reformationsgeshihte | 
(früher Studien zur Kultur und Geschichte der Reformation) 


Herausgegeben vom 


Verein für Reformationsgescichte 


‘Soeben erschien: 
Band III. 


Die Einführung der Reformation 
in Liv-, Est- und Kurland. 
Im Auftrag der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde 
zu Riga 
bearbeitet von 
Dr. Leonid Arbusow. 
gr.89, XIX, 851 Seiten. Preis 70 Mark. 


Früher sind erschienen: 


Band I. Theodor Wotschke, Geschichte der Reformation in Polen. 
8°. [XII, 316 S] 4 9,—. 


Band lI. Paul Mestwerdt, Die Anfänge des Erasmus, Humanismus 
und „Devotio Moderna“. Mit einer Lebensskizze von 
C. H. Becker, herausgegeben von Hans von Schubert. 8°. 
[XXXII, 343 S] 4 13,50. 


Band IV. Paul Kalkoff, Ulrich von Hutten und die Reformation. 
Eine kritische Geschichte seiner wichtigsten Lebenszeit und 
der Entscheidungsjahre der Reformation.  (1517— 1523.) 
gr. 8°. [XVI, 609 S] A 40,—. 


— —— — 


FLUGSCHRIFTEN 
REFORMATIONSZEIT 
IN nenn | 


44 (7 


as lntereſſe für die gewaltigſte Umfturzbewegung im deutſchen 
Geiſtesleben, die Reformation, ift durch die großen Gebádjt- 
nisfeiern dieſer Jahre, beſonders durch die von Luthers Thejen- 
anſchlag im Oktober 1917 und die des Reichstages zu Worms im 
April 1921, in weiten Kreifen neu belebt worden. licht nur der 
Kirchen- und Kulturhiſtoriker, ſondern jeder Geſchichtsfreund, über- 
haupt jeder, der irgendwie Anteil nimmt an der Geiſtesentwicklung 
des beutídjen Volkes. fühlt fidh immer von neuem angeregt durch 
die Betrachtung der inneren und äußeren Gärungen. Kämpfe und 
Wirrniſſe, in deren Mittelpunkt der große Reformator ſteht. 

Die unterzeichneten Herausgeber und Verleger haben ſich 
daher entſchloſſen, ein Unternehmen, das früher allſeitig freudig 
begrüßt worden ijf, leider aber nach einigen Jahren infolge zu- 
nädjjt unũberwindlicher äußerer Schwierigkeiten fallen gelajjen 
werden mußte, nämlich bie in den Jahren 1907—11 in vier Bänden 
erſchienene Sammlung „Flugſchriften aus den erſten Jahren der 
Reformation“, fortzuſetzen und zwar unter dem Titel: 


Flugſchriften aus der Reformationszeit 


Dieſer Titel der neuen Folge deutet die Erweiterung der 
Grenzen, die gelten ſollen. nach rückwärts und vorwärts an. 
Es ſollen nicht nur Flugſchriften aus den erſten Jahren der 
Reformation, ſondern auch ſolche aus den vorbereitenden huma- 
niſtiſchen Fehden und andererjeits aus der Zeit vom Bauernkrieg 
bis zu Luthers Tode und bis in den Schmalkaldiſchen Krieg 
hinein neu erſcheinen. Für die erſten Nummern find folgende 
intereſſante Schriften ausgewählt worden: 

1. und 2. Ain ſchenes vnd nutzlidjes bũchlin von dem Chriſtlichen 
glauben. — Das biechlin zaiget an wer der lebendig 
martrer fey auff erdtrich ond betrifft den Chriſtenlichen 
glauben. Weller, Repertorium typographicum Tir. 
1996 und 1997. ca. MR. 15.— 

3. (Antonius Corvinus) Cubus Sylvani Heffi in defectionem 
Georgii Wicelii ad Papijtas (1534). ca. MR. 90.— 


4. Epitaphium des ehrwürdigen Herrn und Vaters Martini 
Luthers (1546). Mit drei Holzſchnitten von Lucas Cranach. 
ca. MR. 12.— 


In Vorbereitung find ferner Schriften von Rarlſtadt und dem 
Sozialreformer Jakob Strauß, von Brenz und Butzer, ferner u. a. 
die ben Ausbrud) bes antinomiſtiſchen Streites ſcharf beleuchtende 
Schrift Sepultura Cutheri (1538) und das 1545 bei Cammerlander 
in Straßburg erſchienene Kartenloßbuch“ (fehlt in dem Verzeichnis 
Cammerlanderſcher Drucke bei Gödeke, Gengenbach S. 610, vergl. 
aber Gödeke, Grundriß ll, 9 461). 

Die zuletzt genannte Nummer zeigt. daß auch die nicht eigent- 
lich religióje volkstümliche Literatur berückſichtigt werden foll. 

Eine Teuerung und ein bedeutender Fortſchritt gegenüber 
der erſten Serie der „Flugſchriften“ bedeutet die originaltreue 
Wiedergabe in Manuldruk. Dieſe auf imitiertem alten Bütten- 
papier wiedergegebenen Fakſimile- Reproduktionen geben bie 
Originale in der denkbar treueſten Weiſe wieder und bieten für 
Unterſuchungen der verſchiedenſten Art (außer zu reformations- 
und literargeſchichtlichen, auch zu ſprachlichen, bibliographiſchen 
und kunſtgeſchichtlichen Zwecken) die abſolut ſichere Grundlage. 
Sie eignen ſich daher auch vorzüglich zu Seminarübungen. 

Beſondere Berückſichtigung follen Flugſchriften mit bild- 
neriſchem Schmuck finden. Hierdurch, ſowie durch ihre mujfergülfige 
Ausſtattung werden die Schriften ein geſchätztes Sammelobjekt 
bilden für Bibliophilen, die an der Literatur des 16. Jahrhunderts 
intereſſiert ſind. 

Jedes Heft wird von einer kurzen direkt auf die betreffende 
Flugſchrift binfübrenben Einleitung und kritiſchen Anmerkungen 
begleitet ſein. Herr Univerſitätsprofeſſor Dr. Alfred Goetze in 
Freiburg i. Br. hat bie Güte gehabt, feine ſtändige germaniſtiſche 
Mitarbeit zuzuſagen. 


Profejjor D. Dr. Otto Clemen, Otto Harraſſowitz, 
Zwickau i. Sa. Ceipzig. 


Verlag von Otto Harrajfoqwifz in Leipzig. 


Plugfdyriften aus ben erſten Jahren der Reformation. 
Unter Mitarbeit von H. Barge, G. Boſſert, A. Goetze, W. Koehler, 
K. Sdjoffenlober u. a. mit Einleitungen, Anmerkungen und Er- GE 
läuterungen herausgegeben von O. Clemen. 4 Bände » 27 Hefte 
enthaltend 38 Flugſchritten. 1907—11. 89... . . . . ll. 38— 


Calvinftudien.  Fejtjdrift sum 400. Geburtstage Johann Calvins.” 
Unter Red. von Lic. Dr. J. Dobafec herausgegeben von ber refor- 
mierten Gemeinde Elberfeld. mit Beiträgen von J. Bohatec, 
W. Hollweg, W. Kolfhaus, J. Tleuenbaus u. a. 1909. Gr. 80. . m. 10.— 


Dommer, N. von, cutyerdrucke auf der Hambarge: Stadt- 
bibliothek, 1516—1623. Leipzig 1888. 89 . . . . . m. 10.— 


Kalkoff, P., Rieander gegen Luther. Studien zu ungebrudten 
Aktenſtücken aus Aleanders Hachlaß. 1908. 80. . $- 


Luther, J., Die Titeleinfafjungen der Reformationszeit. 
Ausgabe A. Lieferung I—II. 1909—1913. 49. mit 195 Tafeln. M. 120.— 
Ausgabe B. mit Zufügung der Abzüge auf burdyjidjfigem Papier. M. 180.— 

Alles, was bisher erjdjienen ijt. Ein grunblegenbes Werk für 
ein Spezialgebiet ber älteren deuſſchen Buchilluſtration und für die 
Bibliographie unb fppograpbijdje Beſtimmung der Reformations- 
Flugſchriften von höchſtem Wert und geradezu unentbehrlich. 

Die ber Ausgabe D beigegebenen Abzüge auf durchſichtigem 
Papier bilden ein bequemes unb zuverläffiges Mittel, um burd) 
einfadjes Auflegen auf einen Originaldruk bie Preſſe, aus der 
er hervorgegangen, ſchnell und fider zu beftimmen. 


Müller, Tl, Beiträge zur kirchengeſchichte der Mark pides 
im 16. Jahrhundert. 1. (einz.) Heft. 1907. 80. .M. 5.— 

— Fürft Georgs III. von Anhalt ſchrittſtelleriſche Tätigkeit in den 

Jahren 1530—1538. 1907. 8°. „„ zur N 
bes 16. Jahrhunderts. Band I. Heft 1. s Im. 4&— 


Sieffert, F., Calvins teilen risa unb Le Orunb- 
richtung. 1909. S0. .m 2.— 


P. Ullmann 6. m. b. H., Zwidtau Sa. 


Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig. 


Quellen und Darstellungen aus der Geschichte 


des Reformationsjahrhunderts. 


Herausgegeben von T Dr. Georg Berbig, Pfarrer in Neustadt-Coburg. 


Band 1. 
2 
Lu 
„ 3. 
z 4 
„ 5 
6 


po 


„ 148 
. M 
„ 15 
„ 16 


z um 


„ 18. 


Berbig, Dr. Georg, Georg Spalatin und sein Verhältnis zu Martin 
Luther auf Grund ihres Briefwechsels bis zum Jahre 1525. Mit 2 bisher 
unveróffentlichten Bildnissen Spalatins. M. 10,80. 


. Berbig, Dr. Georg, Acta Comiciorum Augustae ex litteris Phillippi 


Jonae et aliorum ad M. L. Aus dem Veit-Diedrich-Kodex der Rats- 
bibliothek zu Nürnberg herausgegeben Mit 1 Schriftprobe M. 2,90. 


Richter, Dr. Max, Desiderius Erasmus und seine Stellung zu 
Luther auf Grund ihrer Schriften. Mit 1 Schriftprobe M. 3,—. 


. Theobald, Dr. Leonhard, Das Leben und Wirken des Tendenz- 


dramatikers der Reformationszeit Thomas Naogeorgus seit seiner 
Flucht aus Sachsen. M. 4,20 


. Berbig, Dr. Georg, Spalatiniana. M. 4,80. 
. Geisenhof, Georg, Bibliotheca Bugenhagiana. Bibliographie der 


Druckschriften des D. Joh. Bugenhagen. M. 18,—. 


. Albert, Lic. th. Dr. ph. F. R., Der Briefwechsel Heinrichs von 


Einsiedel mit Luther, Melanchthon, Spalatin und anderen. Aus 
Handschriften dargestellt. M. 4,80, 


. Lepp, Friedrich, Schlagwörter der Reformationszeit. M. 5,10. 
. Buchwald, D. Georg, Johann Bugenhagens Katechismuspredigten, 


gehalten 1525 und 1532. Aus den Handschriften zum erstenmal herans- 
gegeben. Mit Einleitung von Lic. Otto Albrecht. M. 8,60, 


. Neukirch, Dr. phil. Albert, Der niedersächsische Kreis und die 


Kreisverfassung bis 1542. M. 8,10 

Heep, Pfarrer Lic. theol. J., Juan de Valdés, seine Religion, sein 
Werden, seine Bedeutung. Ein Beitrag zum Verstündnis des spanischen 
Protestantismus im 16. Jahrhundert. M. 9,60 


. Scherffig, Paul, Friedrich Mekum von Lichtenfels, Ein Lebeus- 


bild aus dem Reformationszeitalter nach den Quellen dargestellt. M. 6,60, 


Buchwald, D. Dr, ns Ungedruckte Predigten Johann Bugen- 


hagens aus den Jahren 1524 bis 1529 Zumeist aus Handschriften der 
Großherzoglichen Universitätsbibliothek zu Jena zum erstenmal veröf- 
fentlicht. M. 13,80. 


Rotscheidt, Wilhelm, Stephan Isaak. Ein Kölner Pfarrer und 
Hessischer Superintendent im Keformationsjahrhundert. Sein Leben, von 
ihm seldst erzählt und aus gleichzeitigen Quellen ergänzt M. 7,20. 


. Körner, Emil, Erasmus Alber. Das Kümpferleben eines Gottesge- 


lehrten aus Luthers Schule. Nach den. Quellen dargestellt. M. 7,80, 


. Tchackert, D. Dr. Paul, Analecta Corviniana. Quellen zur Ge- 


schichte des niedersüchsischen Reformators Antonius Corvinus (+ 1553). 
Gesammelt und mit einer Einleitung versehen. M. 4,80. 

Kipp, Friedrich, Silvester von Schaumberg, der Freund Luthers. 
Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. Mit 4 Tafeln. M. 10,80. 
Buchwald, D. Dr. Georg, Ungedruckte Predigten des Johann 
Sylvins Egranus (gehalten in Zwickau und Joachimstal 1519—1522). 
Zum erstenmal veröffentlicht. M 6, 60. 


Alle 18 Bände, zusammen auf einmal bezogen (statt M. 133,10), nur M. 96,—. “ag 


Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig. 


Barge, Hermann, Fruhprotestantisches Gemeindechristentum in Witten- 
berg und Orlamünde. Zugleich eine Abwehr gegen Karl Müllers „Luther 


und Karlstadt“. M. 12,—, geb. 15,— M. 


„Die sehr fleißige und eingebende Arbeit, der elf erläuternde Kxkurse mit Aktenbel&gen bei- 
gegeben sind, ist fast durchgehende eine überall in sachlichem Tone gehaltene, gegen Karl Müllers 
Luther und Karlstadt‘ gerichtete polemische Beweisführung.“ (Mitt, u. d. histor. Literatur.) 


Berbig, Pfarrer, Dr. Georg, Der Veit-Dietrich-Kodex — Solgeri 38 — zu 
Nürnberg. Rhapsodia seu Concepta in Librum Justificationis aliis obiter ad- 
ditis 1530. M. 2,40. 


„Hier finden wir zunächst sehr wertvolle Äußerungen Luthers über die Rechtfertigung, darunter 
eine ausgezeichnete Erklärung des sermo de poenitentia von 1518.* (Theol. Jahresbericht.) 


Clemen, Prof. D. Dr. Otto, Alexius Chrosner, Herzog Georgs von Sachsen 
evangelischer Hofprediger Preis M. 2,40. 
„Man liest bei C. jetzt eine gründliche, lehrreiche, spannend geschriebene Darstellung jener 


Episode. Das Ganze ist ein meisterhaft gezeichnetes Kulturbild aus der Reformationszeit.“ 
(Theol. Literatarblatt.) 


— Studien zu Melanchtons Reden und Gedichten. M. 2,40. 
„Die kleine, aber inhaltreiche Schrift gewährt uns wertvolle Einblioke einerseits in M'a liebens- 


würdiges Wesen und vielseitige schriftstelleriache Tätigkeit, andrerseits in dns Wittenberger, 
von M. beeinflußte gesamte Universitätsleben.“ (Literar. Zentralblatt ) 


Kalkoff, Paul, Die Miltitziade. Eine kritische Nachlese zur Geschichte des 


Ablaüstreites. M. 2,10. 


„Indem Verfasser Miltitiz’s Leben und seine Beteiligung am Handel Luthers aus vollster Be- 
herrschung des Materials heraus mit eindringender Kritik überblickt, zeigt er, daß M.’s Persön- 
lichkeit und geschichtliche Rolle fast durchweg bedentend überschätzt worden ist." 

(Arch. f. Reformationsgesch.) 


— Die Entstehung des Wormser Edikts. Eine Geschichte des Wormser Reichstags 
vom Standpunkt der lutherischen Frage. M. 9,—. 


„Eine minutióse Detailuntersuchung der Entstehung des Wormser Kdikts und seiner Wirkungen 
so eingehend, wie sie eben nur bei völliger Beherrschung des Stoffes möglich wird. Naturgemäß 
rückt in den perab;jichen Mittelpunkt der päpstliche Nuntius Aleander, dessen Sehlichen K. fast 
wie ein Detektiv nachspürt “ (Theol. Literaturzeitg.) 


Meissinger, Karl August, Luthers Exegese in der Frühzeit. M. 3,30. 
„Mit uneingeschränkter Freude begrüßen wir die Arbeit von M. Es ist eine Fülle von Be- 
obachtungen und Anregungen, die die kleine Arbeit bietet. Ich möchte sie hiermit dem eifrigsten 
Stadium empfehlen.“ (Theologie d. Gegenwart ) 


Müller, Prof. D. Dr. Nikolaus, spp Melanchtons letzte Lebenstage, 
Heimgang und Bestattung, nach gleichzeitigen Berichten der Wittenberger 
Professoren. Mit zwei Tafeln. M. 6,—. 


„Die vorliegende Ausgabe wird besonders wertvoll durch die beigegebeneu Erläuterungen, die 
fast die Hälfte des Buches unsmuchen. Hier sind staunenswerte, bis ins Einzelnste gehende 
Kenntnisse vor allem der Wittenberger Unlversitätsgeschichte niedergelegt.“ 

(Zeitschr. f. Kirchengesch.) 


— Die Wittenberger Bewegung 1511 bis 1522. Die Vorgänge in und um 
Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt. Briefe, Akten u. dgl. und 
Personalien. 2. Auflage. M. 7,20. 


„M. bringt im 1. Teil Briefe u. Akten in chronologischer Reihenfolge, von denen viele noch nicht 
publiziert sind. Die Wiedergabe ist peinlich genau, sachliche Anmerkungen erleichtern das 
Verständnis. Im 2. Teil gibt der Verf. Personalien der wichtigsten Wittenberger Persönlichkeiten 
jener Tage, die dem Reformationshistoriker von größten Wert sind. Auch hier zeigt sich wieder 
die bekannte Stoffbeherrschung und Kxaktheit M/s. Ein ausführliches Personenverzeichnis er- 
leichtert die Benutzung des Buches.“ (Literar. Zentralblatt.) 


Wappler, Dr. Paul, Inquisition und Ketzerprozesse in Zwickau zur 
Reformationszeit. Darg&tellt im Zusammenhang mit der Entwicklung der 
Ansichten Luthers und Melanchthons über Glaubens- und Gewissensfreiheit. 
M. 6,75. l 

„Die Arbeit beruht anf eingeheudem und gewissenhaftem Studium der zum großen Teil noch 
unveröffentlichten Quellen. Sie gibt uns ein anschauliches Bild von dem ungeheuren Glaubens- 
zwang und der großen Unduldsamkeit, die gerade in Sachsen von den Protestanten gegen die 
Andersgläubigen ausgeübt wurden. Eine große Zahl bisher unbekannter Urkunden wird im An- 


hange zugänglich gemacht. Ein gutes Orts- und Personenvorzeichnis erhöht deu Wert des 
Buches.“ (Literar. Zentralblatt.) 


Diesem Heft liegt eine Ankündigung der Buchhandlung Otto Harrassowitz, 
Leipzig, über „Flugschriften aus der Reformationszeit“ bei. 


Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfonhalnichen. 


f 
In 


mu nn ar mare gain 


ren 


alas 


9 
= 
am 
E 
2 
A 


. eee m 9S IT LZ CS iu OT M RU. PIT ade S 
r ole SS DC PELLE PAPE 

LEER. EC ríe Rs ort LS as ome A eum. Fe 4 DW * * 
Y — i 2 = ri} P Ka LAS UN T ua 4 3 42 
KN A f d. »- TO A pr 
ER TE TE A, ET 

— 1 * exe m di. * $ * ` 


A ose mw E D PLA N Dee. 
HP Pe C EOS IE Puno AE das P u^ AE 
F UP EAE SS T EDO EAT . n iD | 
y ra TAS. dit C PU 8 m > ' 


$ Per: E 


wv b ben y 2^7. 5. A. 2j eu > $ m k » A 
x * ` , z^ + %, us F * * : xe - 5. b "i 5 . 


F 
ae AE `$ TER "ir 
. 
Det 142 2x * Mc A x 
dí mA TA 225 HET