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Library
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University of Wisconsin
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ARCH
RERORMATIONSERSCHICHTE.
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
— —À
Im Auftrag
des Vereins für Reformationsgeschichte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
XVII. Jahrgang. 1920.
— oO —- .
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1920.
17-18 Inhaltsübersicht.
G. Kawerau, Oberkonsistorialrat D. Dr., Berlin, Aus dem
Wittenberger Universitütsleben . 1
A. Wahl, Professor Dr., Tübingen, Beitrüge zur Kritik der
Überlieferung von Luthers ee der
Frühzeit .
R. Stölzle, Geh. Hofrat, Universitätsprofessor Dr. in Würz-
burg, Ein unbekanntes deutsches Lied des Panl
Schede Melissus :
Th. Wotschke, Dr., Lic. theol. Pastor in Prata (Bez.
Halle), Johanz Laski und der Abenteurer Heraklid
Basilikus ; 5. o3 x 0: une 0 wow ee
E. Hirsch, Lic. theol, Privatdozent, Bonn, Melanchthon
und das Interim
G. Bossert, D., Pfarrer a. D. in Stuttgart, Drei Briefe
Melanchthons
G. Stuhlfauth, Professor Dr. in Berlin, Zum Passional
Christi und Antichristi .
Joh. Haußleiter, D., Geh. Konsistorialrat, Universitäts-
professor in Greifswald, Ein Stück der Genesis-
vorlesung Luthers in einer Greifswalder Handschrift
G. Buchwald, D., Superintendent in Rochlitz, Bugenhagens
. Katechismuspredigten . .
K. Schornbaum, D. Dr., Pfarrer in n Alfeld bei Horabmek:
Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die
Einigungsbestrebungen der protestantischen Stände
1556—1559 . . . . . . . . 105—131;
Clemen, Professor D. Dr. in ZEE Georg Witzel
und Justus Jonas.
. Buchwald, Georg Helts Wittenberger Predigttagebuch
183—208;
G.Loesche, Hofrat, Professor D. Dr. in Künigssee, Die
reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Inner-
österreichs I. III. . . . 209—230;
G. Bossert, D. Pfarrer a. D. in Stuttgart, Ein Brief.
fragment von Julius Plug . .
E. Kroker, Professor D. Dr., Stadtbibliothekar in TM
Luthers Arbeitsstube
Mitteilungen: G. Bossert, Küngold Bodenstein S. 158.
— Aus Zeitschriften S. 153—160; 816—820, — Neu-
erscheinungen S. 74—80; 286—240.
£
Q
161—182
132—152
241—276
277—300
231—235
301—315
Aus dem Wittenberger Universitätsleben.
Von G. Kawerau (7).
Die Lutherhalle in Wittenberg hat kürzlich eine Hand-
schrift erworben (Papierhandschrift 4°, Titelblatt und 112
jetzt bezifferte Blätter), der auf dem Vorsatzblatte der alte
Titel aufgeklebt ist: Epistolae quaedam D. M. Lutheri, item
Phil. Mel. et aliorum virorum. Petrus Pontanus. 1544. Diese
Zahl kann sich nur auf die Zeit beziehen, zu der der Sammler
mit seinen Abschriften begann, denn im weiteren Verlauf
begegnet man auch Stücken mit der Jahreszahl 1545, späteren
aber nicht. Die Persönlichkeit des Petrus Pontanus fest-
zustellen, ist mir bisher nicht gelungen, denn der Name ist
weder im Wittenberger Album, noch im Verzeichnis der
Baccalaurei und Magistri noch im Ordinanden-Verzeichnis
zu entdecken; wie mir H. D. Kroker mitteilt, auch nicht in
der Leipziger Matrikel. Es läßt sich nur annehmen, daß er
Beziehungen zu Dugenhagen hatte, vielleicht bei diesem
wohnte, da ihm mehrere sonst unbekannte Briefe au diesen
zur Verfügung standen. |
Die Handschrift, wohl längst aus altem Einband
gelöst und seitdem uuge'"v „ hat dureh die mangelhafte
Art der Aufbewahrung . 3 uen Rändern gelitten, auch Blätter
am Anfang und Schluß eingebüßt: jetzt beginnt sie mitten
in einer Abschrift von Bestimmungen für die Studenten
(undatiert) und bricht ab im Briefe eines Lehrers in Branden-
burg?) an seinen väterlichen Freund in Wittenberg, den er
3) Unzweifelhaft Mag. Joh, Lübbicke, der Sohn einer Schwester
Bugenhagens; vgl. Vogt, Bugenhagens Briefwechsel S.315; Joh, Lubke
aus Greifenberg i. P. 14. Okt. 1533 inskrib., Mag. 31. Jan. 1544. Ein
zweiter Brief von ihm au Bugenharen vom 15. April 1514 in unserer
Handschrift S. 107ff. — Bei der Ermittlung und Feststellung der
Personalien verdanke ich wertvolle Hilfe Herrn Professor Flemming
in Pforta.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII, 1. 4
2 2
nieht nur als praeceptor, sondern auch als avuncule perpetua
pietate et fide eolendissime anredet (Bugenhagen). Der ver-
lorene Schluß läßt Briefschreiber und Datum im Ungewissen.
Doch nicht den Briefen dieser Sammlung gilt dieser
Aufsatz — die Briefe von und an Luther sind sämtlich
bekannt —, sondern einem andern Bestandteil, den der
Titel nicht vermuten läßt. Der Sammler hat sieh nämlich
aus den Jahren 1543 und 1544, vereinzelt auch aus 1537
und 1545!) eine größere Anzahl von Anschlägen am
schwarzen Brett der Universität abgeschrieben, durch die
die bekannte Sammlung der Seripta publiee proposita eine
interessante Ergünzung erfährt — soviel ich sche, stehen
die meisten der hier aufbewahrten Stücke nicht in der ge-
druckten Sammlung?) — nur Nr. 29—32. Ich gebe kurze
Inhaltsangaben.
1. Bl. 74: s. d. Melanchthon kündigt Bugenhagens Vor-
lesung über Augustinus de spiritu et litera an, 6 Uhr morgens,
um nicht mit der Vorlesung über Physik zu kollidieren, jeden
Donnerstag und Freitag; Augustins Schrift ist erhältlich bei
dem typographus Josippus (Josef Klug) 3).
2. Bl. 79: s. d. Der Rektor klagt über einen seditiosus
nebulo, der sich in die Sache eines Gefangenen (Studenten)
eingemischt hat. Der Kurfürst hat diesen dem Universitiits-
gericht gnädig überwiesen. Warnung der Studenten vor
tumultus, nocturnae vociferationes, larvatorum) discursiones.
Mahnung zur Nüchternheit.
3. Bl. 80: 3. März 15455. Rektor (G. Major): es sollen
keine errones an der Universität sein, die sich nicht inskribieren
1) Der Bl. 45 mitten unter den Briefen befindliche Anschlag des
Rektors (Blickhard Sindringer) vom 11. Oktober 1537 in Sachen Paul
Heintz ist bereits von Buchwald, Zur Wittenb. Stadt- u. Universitäts-
gesch. 1893 S. 139 f. aus Rörers llinterlassenschaft abgedruckt. Über
den von 1515 s. Nr. 3,
2) Von dieser legt mir die Ausgabe Seripta publice proposita
.. . ab anno 1540 usque ad annum 1553. Witteb. 1553 (in meinem
Besitz) vor. (Erman-lHorn, Bibl. d. d. Univ. II Nr. 19307.)
3) Steht gedruckt Seripta publ. prop. 1553 Bl. R 2b unter den
Schriften von 1545; Corp. Ref. V, 810 vgl. 805.
*) Handschrift: lauatorum.
5) Gedruckt Scripta publ. prop. 1553 Bl. 05; Corp. Ref. V, 685.
3 3
lassen, niemand darf bei sich einen hospitem ignotum auf-
nehmen, kein Stndent darf eine bombarda haben, sonst wird
er relegiert. Die öffentliche Ruhe ist zu schützen. Geschrei
in der Kirche wird ernst bestraft werden. (Nemo avellat
sub poena periurii.)!)
4. Bl. 78: s. d. Paul Eber: wird vom nächsten Gregors-
tage an (17. März) zweimal wöchentlich den liber de anima
vortragen, und zweimal wöchentlich die physica.
5. Bl.82b: s.a. 26. April. Rektor: Klage über Studenten,
die sieh nicht inskribieren lassen: diese sollen die Stadt ver-
lassen oder den Gesetzen gehorchen. Ankündigung der
Rektorwahl am 1. Mai.
6. Bl. 86: s. d. Rektor über einen nächtlichen Skandal:
die Türen am Schloß und Bürgerhäuser sind durch Stein-
würfe angegriffen, mit wildem Geschrei ist die Nachtruhe
gestört. Mahnung der Studenten zu gesittetem Verhalten
und daB sie sich in die Verhaftung soleher Tumultuanten
nieht einmischen.
7. Hl. 87: s. d. Rektor fordert zur Teilnahme am Be-
grübnis des Studenten Kaspar Lochten aus Braunschweig?)
auf. Die Feier beginnt vor dem Hause des Andreas chyrurgus?)
neben dem Sehlosse.
8. Bl. 87b: s. d. Mag. Carolus Figulus wird die ersten
4 Wochentage Isokrates erklären, die beiden letzten Hesiods
%, xal Tuégau, 1 Uhr nachm. Wohnt in aedibus M. Joh.
Iscobii (?).
9. Bl. 88: 3. Juni 1543. Der Dekan der medizinischen
Fakultit ladet zur Doktorpromotion des Mag. Joh. Breth-
schneider“) (Placotomus) ein.
10. Bl. 85b: s. d. Veit Winsheym°) kündigt seine Vor-
lesung über das 18. Buch der Ilias (clipeus Achillis) an.
!) Diese Warnuug felilt im Druck.
?) Casparus Locht Brunsvicensis, imm. 10. März 1543.
) Engelhard, Euders 12, 145; 13, 313. N. Müller, P. Besken-
dorf (in Aus Deutschlands Vergangenheit) 89.
) Vgl. Corp. Ref. X, 342; Enders 15, 194. Bakk. u. Mag. III, 13.
5) Veit Ortel von Windsheim, in Wittenberg inskr. S,-S. 1523,
Doktor der Medizin und Professor der griechischen Sprache; Mag. 1528,
S.-S. 1510 Rektor.
1*
4 | 4
11. Bl. 89: s. a. [1543] 14. Juni. Der Rektor macht den
Tod des Studenten Alexius Hecker!) bekannt, der verun-
glückt sei ex ictu bombardae, quam forte ineautius traetarat.
Versammlung vor dem Hause des chirurgus Michael am Markte
19. Bl. 89b: s. d. Der Rektor zeigt den Tod des Licen-
tiaten der Medizin Jakob Bremser?) an, der seit 4 Jahren
durch schwere Krankheit verhindert gewesen ist, sein Amt
zu versehen. Doktoren, Magister und Studenten werden zur
Teilnahme am Begräbnis aufgefordert.
13. Bl. 90: s. d. Johannes Lemiger aus Innsbruck (Oeni-
pontanus) zeigt den Studenten an, dab er heute mit Vor-
lesungen über die Anfangsgründe der Musik, verbunden mit
exercitia utilia et crebra, beginnen werde. Er wohnt bei
dem Schuster Peter Schliebner penes collegium in postrema
habitatione.
14. Bl. 90b: s. d. Der Rektor teilt den Tod des adligen
Studenten Johannes Tsehernin a Saborsi mit und ladet zur
Teilnahme am Begräbnis ein vom Hause des Dr. Benedikt
Pauli aus (ad muros et aggerem non proeul a superiore
porta oppidi. Im Album fehlt der Name.
15. Bl. 91b: s. d. Der Dekan der Juristenfakultät ladet
Magister und Studenten zur Verleihung des juristischen
Doktors an Ulrieh Mordeysen?) ein.
16. Dl. 92b: s. d. Rektor ladet zur Teilnahme an der
Leichenfeier der nobilis ae plena pietatis foemina Elisabeth
Rabiel*), Sehwester des praefeetus in arce, ein, alle Doktoren,
Magister und Seholastiei mögen sich beteiligen.
1) Doch wohl der am 17. November 1541 inskribierte Alexius
Hecker Schleusingen. (Alb. I 195), obgleich er hier Rheinhistensus oder
Rhemh. genannt wird.
2) Jakobus Premsel aus Torgau, inskribiert 1507; bacc, 11. Oktober
1508, 10. Februar 1512 mag.; receptus in fac. artist. 18, Februar 1516;
1522 art, Decanus (Jacobus Postomius Torgavus) Rektor WS 1529/30
(Jacobus Postomius Torgavus, art. Mag. et medicinorum Licent.).
Enders I 313, 437 (de Wette-Seid. VI 13). Vgl. über Premsel auch
W. Friedensburg, Gesch. d, Universitát Wittenberg (Halle 1917) S. 109,
128, 161, 175.
) Im W.-S, 1535/36 inskr., Lypsensis; als J. U. Doctor S.-S. 1545
Rektor; Friedensburg a. a. O. S. 207.
) Aus adligem Geschlecht, vgl. Alb. Wit. im Register (S. 375f.).
5 5
17. Bl.92b: 23. Juli 1543. Die Universität zitiert finaliter
ac peremptorie die Studenten Theodoricus de Lesbach ),
Georghenningk de Schalei?), Michael Hoffmann ê), Wolfgang
Kunholt*, Martin Pottinger, Georg Egelsberger als beteiligt
bei dem Tumult, der in den Pfingsttagen unter Studenten
und Fisehern in suburbio entstanden ist; darauf sind in arce
und an Bürgerhäusern Fenster eingeworfen; den Kellner
(institor) der Schenke haben sie in den Fluß geworfen,
Trinkgefäße zertrümmert. Die Zitierten haben sich als Teil-
nehmer an dem Unfug verdächtig gemacht, da sie sich
schleunigst aus W. entfernt haben. Daher werden sie zum
ersten-, zweiten- und drittenmal zitiert, jede Zitation mit
14tägiger Dauer, so dab. sie spätestens am 10. September
12 Uhr im Juristen-Kolleg erscheinen und sich rechtfertigen
sollen, andernfalls schuldig erklürt werden und gegen sie
weiter prozediert werden wird. (Nemo citacionem hane
deponat seu auferat sub Relegationis poena!)
18. Bl. 94: s. d. Der Dekan der facultas artium) fordert
die, welche den Magistergrad erwerben wollen, auf, innerhalb
8 Tagen sieh bei ihm anzumelden.
19. Bl. 94: s. d. Der Buchdrueker Georg Rhau kündigt
in lateinischem Anschlag das Erscheinen des Buches Re-
sponsoria an?) (novi authoris atque quantum ego scio in
nostris partibus hactenus incogniti), wichtig für die guber-
natores scholarum, um regulares cantiones zu haben, die sie
mit den Knaben einüben können.
20. Bl. 94b. s.d. Stanislaus Littuanus?) erbietet sich,
) Nicht im Album.
7) Nicht im Album. Ein Georg Henigken wurde schon am
18. August 1531 inskribiert, aber wohl kaum mit dem hier genannten
identisch.
3) 8.-8. 1541: M. H. aus Annaberg.
*) Dieser und die folgenden nicht im Album zu finden, .
5) Wenn chronologische Folge unter den Anschlägen besteht,
dann Andreas Aurifaber. Nächste Magister-Promotion 11. Sept. 1543.
©) Wie Georg Busch, Rhau's Setzer, am 14. Februar 1544 schreibt,
waren die Responsoria in der Druckerei vergriffen, nur noch bei den
Buchführern für 18 Gr. zu haben. Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchh.
XVI, 226.
) 22. März 1542 inskribiert Album 194. Es ist Stanislaus
Rapagebanus; 1544 Lic. und Dr. theol., dann Professor der Theologie
6 6
Studenten hebräischen Unterricht zu erteilen, die Sprache
gei viel leichter als das Griechische und lasse sich in wenigen
Monaten erlernen; er werde die Grammatik des Seb. Münster,
quae Cosmatum opus inseribitur und ad captum discentium
geschrieben sei, zugrunde legen. Anmeldung in der Wohnung
„der Gunglin*!) in der neuen Gasse.
21. Bl.95b: s. d. Der Dekan der Artisten-Fakultät.
Nachdem die Bewerber um den Magistergrad im nicht
öffentlichen Fakultüts-Examen auf ibre Kenntnisse geprüft
seien, soll heute um 12 Uhr noch ein publicam examen
stattfinden, bei dem alle docti viri, besonders die Doctores,
Licentiati und Magistri sich überzeugen können de ingeniis,
eruditione et moribus candidatorum.
29. Bl. 95b: 8. September [1543]. Der Dekan (A. Auri-
faber) ladet zu der am nächsten Dinstag [11. September]
stattfindenden Verleihung des Magistergrades an 29 Be-
werber ein?) |
23. Bl. 96: 7. Oktober 1543. Der Dekan der theologischen
Fakultät (Luther) ladet zur Doktor-Promotion des Erasmus
Alberus auf den Tag Burcardi (11. Oktober) ein?) Sein
Anschlag *) lautet:
Admirandum est opus Dei creatio rerum, sed multo
maius est, quod postea se homini certis testimoniis patefecit,
addidit doetrinam et promissiones suas, ministerium suum
voce instituit, propagandi illa oraeula ad omnem posteritatem,
ut at societatem aeternorum bonorum homines vocet. Si
cogitaremus Deum non frustra ex illa areana sede sua
prodiisse, sed testatum esse, se vere adfici cura generis
humani, ministerium Euangelii magis veneraremur. Sed coeca
natura hominum non aspieit opera Dei nee voluntatem eius
eousiderat. Necesse est tamen, Ecclesiam aliquam Dei esse,
in Kónigsberg; Freytag, Preußen anf der Universität Wittenberg S. 98;
Tschackert, Urkundenk. z. Ref.-G. Preußens I 259ff. u. ö.
1) Wohl die Witwe von Joh. Gunkelin, Enders I 313; Arch. f.
Ref.-G. 12, 19, 20; Friedensburg S. 65 usw. (S. Register.)
2) Vgl. Bakk. u. Mag. III 15, wo die 29 vom 11. September 1513
verzeichnet sind.
3) Lib. Decan. S. 83. Enders 15, 240%,
*) Wohl von Melanchthon verfaßt.
2
7 7
in qua accensa est aliqua harum maximarum rerum noticia,
Hie coetus veneratur ministerium et pia studia. Renunciabimus
autem proxima die Burcardi venerabilem virum Erasmum
Alberum Theologiae doctorem, ut testimonio nostro ministerium
eius suis Ecclesiis commendetur. Quare petimus, ut pii qui
amant ministerium Euangelii, intersint illi renuneiationi et
non solum sint oeiosi spectatores pompae. sed nobiscum
ardenti pectore Deum orent, ut conservet Euangelii lucem
in terris et extrudat in suam messem idoneos ministros, qui
sunt, ut Paulus inquit, Lucernae in mundo, sermonem vitae
retinentes. Huius tanti muneris cura vere adíiei omnes
homines oportebat, Datae die 7. Octobris Anno 1543.
24. Bl. 96b: s. d. Johannes Saxo!) teilt mit, er habe
eigentlieh Horaz' ars poetiea interpretieren wollen, aber da
eben ein Kommentar dazu erschienen sei, gebe er seine
Absicht auf und wähle Melanchthons Epitome philosophiae
moralis?), über die er Mittwoch, Sonnabend und Sonntag um
4 Uhr lesen werde, Aus dieser Schrift könnten die Studenten
in kurzer Fassung die Ethik des Plato, Aristoteles und
Cicero kennen lernen.
25. Bl.97b: s. d. PetrusIlolsatiensis?) kündigt auf Wunsch
eine zweistündige Vorlesung über Melanchthons Dialektik aut),
ebenso zweistündig Rhetorik?) und zweistündig über Ciceros
epp. familiares.
26. Bl. 98: s. d. Der Rektor (Major) ladet zum Begräbnis
von Joh. Prüfer aus Freistadt“) ein, Wohnung am Elsterthor
in der Straße an der Mauer. Prüfer hatte eine Zeitlang an
Schulen gearbeitet, bereitete sich jetzt aufs Predigtamt vor.
In diesem Jahr der dritte Schlesier, den die Universität ver-
) Vgl. Enders XIV, 29; im W.-S. 1525/26 inskribiert; 1531
31. Januar Magister, am 6. April 1530 in senatum artist. receptus;
1533 und 1539 Dekan. Mehrere Jahre Hansgenosse Luthers. Vgl.
Kroker, Katharina v. Bora S. 189; Friedensburg S. 220. 222.
*) Seit 1538 mehrfach überarbeitet, abgedr. Corp. Ref. XVI 21f.
*) Petrus Generanus aus Gjenner, Magister 5, Februar 1510;
Vogt, Bugenh. Briefe 233, Haußleiter, Mel. Compendium S. 55; Enders
14, 180,
*) Vgl. Corp. Ref. XIII, 507.
5) Corp. Rer. XIIT, 413.
e) Inskribiert S.-S. 1536, Alb. I, 160.
8 | 8
liert: Johann Tsehernin (vgl. oben Nr. 14), Sumanus!) und
Prüfer.
27. Bl. 98 b: s.d. Der Rektor schärft allen, qui in Collegiis
habitant, folgende 6 Artikel ein: 1. die Miete rechtzeitig zu
bezahlen, spätestens vor dem nächsten Sonntag ihre Schuld
zu entrichten; 2. ignorante locatore ihre Stube nicht an
andere zu geben; 3. nicht vor Tilgung ihrer Schuld die
Stadt zu verlassen; 4. mit Licht und Feuer vorsichtig um-
zugehen; 5. nicht sordes ante cubicula in ipsis contignationibus
fortzuwerfen, da Stroh und Reisig leicht Feuer fangen;
6. Vorübergehende nieht dureh Ausgießen von Urin zu be-
schmutzen, sondern ante effusionem cireumspiciant, ne quem
conspergant (also das Ausschütten selbst ist nicht verboten!).
Melanchthon hat hinzugefügt: In digestis gravis poena con-
stituta est in eos, qui avellunt decreta ex praetoris tabula;
de hae lege studiosos admonemus ac prohibemus avelli hoc
edictum, quia notum fieri omnibus interest Reipubl.
28. Bl. 100: s. d. Der Rektor macht den Termin der
neuen Rektorwahl bekannt und ladet dazu ein.
29. Bl. 100b: 11. November [1543]. Der Rektor (Meleh.
Fendius)ladet zum Begräbnis des Professors Matth. Aurogallus?)
ein. (Von Melanchthons Hand geschrieben.)
30. Bl, 101: s. d. Melanehthon kündigt seine Vorlesung
‚über das 5. Buch Ethicorum Aristotelis de justitia an)).
31. Bl.101b: Coena Domini [10. April] 1544. Der
Rektor (Melehior Fendius) ladet zum Begrübnis des Magister
Martinus Hegius aus Esens ein)).
32. Bl. 102b: 26. Juli 1544. Der Rektor (Johannes
Saxo) Über die Stipendienordnung des Kurfürsten“).
Die folgenden Blätter enthalten wieder Briefabschriften.
1) Casparus Sumanus Silesius, Magister 8. August 1542; im
Album nicht zu finden.
2) Handschrift Aurigallus. Dieser Anschlag ist gedruckt in
Scripta publ. propos. 1553 Bl. J 6. Vgl. Enders XV, 274.
) Gedruckt in Scripta publ. prop. 1553 Bl. J 6 b. Corp. Ref. V, 228.
4) Gedruckt in Seripta publ. prop. Bl. K 5. Erst am 10. Januar
1543 war Hegius in senatum artist. aufgenommen worden. Wohl der
Martinus Esensis, der im S.-S. 1531 in Wittenberg inskribiert wurde,
Album I 143, Haußleiter, Mel. Kompendium S, 49,
5) Gedruckt in Scripta publ. prop. Bl. L8 b. Vgl. Friedensburg S. 239 ff.
9 9
Die verschiedenartigen Anschläge, die wir hier gesammelt
finden, enthalten Beiträge zur Sittengeschichte der Witten-
berger Studenten, Einblicke in die Vorlesungstätigkeit der
Dozenten, aber auch solcher, die nicht zum Lehrkörper ge-
hörten. Interessant ist, daB ein Dozent auch den Sonntag-
nachmittag zu seiner Vorlesung verwendet. Daß auch Buch-
händler ihre Erzeugnisse den Studenten anzeigten und emp-
fahlen, erfahren wir aus Nr. 19. Häufig ist die Aufforderung
zur Teilnahme an Begräbnissen von Dozenten und Studenten,
doch finden wir auch hier, wie gelegentlich in den Scripta
publ. proposita, die Einladung zum Begräbnis einer Dame
aus den oberen Ständer, der die Universität die letzte Ehre
gibt. Die Artikel bezüglieh der Studentenwohnungen geben
ein trübes Bild von deren Reinlichkeit und der Reinlichkeit
der Straßen. Zwischen Studenten und Fischern besteht
Feindschaft, die zu Tätlichkeiten ausartet. Die Nachtruhe
friedlicher Bürger sieht sich durch wüsten Lärm und Ver-
gnügen am Fenstereinwerfen bedroht, selbst das Schloß ist
vor Angriffen nicht sicher. Doch wird man nicht daraus
schließen dürfen, daß es in Wittenberg schlimmer aussah
als in andern Universitätsstädten. Auffallend ist das Fehlen
zahlreicher Namen von den Studenten im Album der Uni-
versität.
Da der Anfang der Handschrift verloren ist, 80 ist
von den dort enthaltenen Gesetzen für die Studierenden
nur der letzte Abschnitt, die Leges sumptuariae, vollständig
erhalten. Von dem Vorangehenden enthält das jetzige Bl. 1
nur noeh wenige Zeilen. Ich bringe daher nur den voll-
ständig erhaltenen Abschnitt zum Abdruck.
Bl. 1. Leges sumptuariae.
1. Praeceptores qui sub private cura habent discipulos
et labores sumunt legendi et iuterpretandi, repetendi et emen-
dandi seripta, mores denique et studia gubernandi, pro mercede
non amplius 8 flo.: in annum accipiant.
2. Pro institutione et victu et habitatione non aecipiant
summam maiorem triginta florenorum in annuum tempus.
3. Doetores Juris suos discipulos in annum non doceant
amplius quam 12 florenis.
10 10
4. Detur aliquibus ex Magistratu urbis et Academico
negocium inspiciendi habitationes, aestimandi eonstituendique
certum annuae pensionis preeium, quantum aedes. singulae
locari debeant, nee carius Cives locent, quam Inspectores
definierunt. Si aliquid aceipiant ultra definitum, duplo reddatur.
5. Profusio in supervacaneis et immodieis sumptibus
eohereeatur, posthabeantur luxuriosae et sumptuosae com-
potationes, quae die natuli celebrari consueverunt.
6. Seholastiei bono modo se vestiant, veste utantur
modesta oblonga, qua indeeoras aspeetu partes tegant, non
insolenter diseissa, non varie pietas, non praetexta purpurae.
Tibialibus utantur integris, nee foemoralia seriea aut ex alio
panno ex tibialibus deseissis promineant,
7. Interdieetur vestiariis, ne huiusmodi insolentes @uouoo-
tarag vestes faciant. Si quid habent eius generis vestimenta
ad Penthec. usque utantur, post id tempus deponant,
8. Si qui venerint peregrino more insolentius vestiti
quam decet Seholasticum ordinem, [Bl. 2] consilio et mandato
Reetoris mutabuntur aut vendentur!) aut reponentur vestes
et decenter?) se comparabunt.
9. Usus serieae, purpurae, Damascenae et id genus
vestes interdictum esto.
10. Nobilitati serieae vestis usus erit concessus.
11. Aureas cathenas ac monialia?) [ergänze gestare]
prohibitum volumus.
12. Adolescentes non tractent ipsi pecuniam, sed prae-
eeptores in sua habeant eustodia, illique suppeditent et dis-
pensent, ubi res poscit.
13. Convivia et compotationes ultra horam 9 non extra-
hantur neque ferant hospites longius in noctem extendi.
Adolescentes aes alienum clam praeceptoribus et paren-
tibus ne eontrahant. Neque cives sui commodi et lucri eausa
in immoderatos sumptus aut ad luxum pecuniam concedant nee
apud se nomina fieri*) grande aes alienum eonflatum patiantur.
Si fecerint, de sulutione in dubium venerit et periclitentur.
1) Handschrift venditi,
2) Handschrift Decentes.
$) monilia, Halsketten?
5) nomen facere, einen Schuldposten eintragen.
——— —— — —— —— —— — — —
Beiträge zur Kritik der Uberlieferung von
Luthers Tischgesprächen der Frühzeit.
Von Adalbert Wahl.
In den Tischgesprächen liegt ein höchst eigenartiges
Material für die Geschichte von Luthers Leben und Gedanken
vor. Seiner ganzen Art nach steht es zwar an historischem
Wert in mancher Hinsicht etwa hinter Briefen zurück, hat
aber vor einer Quellengattung wie Denkwürdizkeiten, mit
denen es übrigens mancherlei Nachteile gemeinsam hat, doch
auch vieles voraus; es fehlt ihm vollständig das absichtlich
oder unabsichtlich Zurechtgemachte, das vielfach bewußt
oder unbewubt Apologetische, das der Memoirenliteratur an-
haftet. In einem aber stehen die Tischgespräche leider weit
hinter den meisten Denkwürdigkelten zurück: in der Art der‘
Überlieferung.
Erst das Erscheinen der herrlichen vier Tischreden-
bände der Weimarer Lutherausgabe hat eine kritische Durch-
arbeitung dieses Quellenstoffes und seine bequemere Be-
nutzung ermöglicht. Emsiger als vorher hat sich die For-
schung jetzt der Frage nach den einzelnen Nachsehreibern
und dem Datum ihrer Nachschriſten zugewandt. Die Heran-
ziehung der Tischreden, die etwas in Mibkredit geraten
waren!), hat einen bedeutenden Aufschwung genommen.
Aber, ist sie immer ganz einwandfrei? Die Mehrzahl der
Forscher nimmt die „Worte Luihers“, wie sie nunmehr in
gereinigter Überlieferung vorliegen, vertrauensvoll in den
Text oder die Anmerkungen ihrer Werke auf, häufig hinter
den Nummern der Tischreden in Klammern den Namen des
Naehsehreibers hinzufügend. Kritik setzt doch nur da
1) v. Schubert, Luthers Frühentwicklung (Schr. d. Vereins für
Reform.-Gesch. 121) S. 4.
12 19
ein 1), wo etwas nicht stimmt, d. h. wo eine Tischrede mit
einer anderen Quelle in Widerspruch gerät. Aber sind wir
in Wirklichkeit schon so weit? Müssen nicht noch Vor-
arbeiten anderer Art verrichtet werden, als sie in der muster-
haften Weimarer Ausgabe vorliegen, oder durch die oben
angedeutete gelegentliche Kritik geleistet worden sind? Es
genügt nicht, zu wissen, daß z. B. Veit Dietrich eine Tisch-
rede an einem bestimmter, etwa dem erzählten Ereignis
nahen Datum aufgezeichnet hat, um ihr ohne weiteres zu
folgen. Wir müßten vorher unter anderem durch mühsame
Untersuchungen festgestellt haben, ob Veit Dietrich ein guter,
ein auch nur einigermaßen verläßlicher Führer ist oder nicht.
Die Untersuchung dieser Frage kann nun aber nicht in erster
Linie durch einen Vergleich mit anderen Quellen geführt
werden: wir könnten dabei nicht zu einem positiven Resul-
tat gelangen, denn das Vergleichsmaterial ist zu wenig un-
fangreich; aber auch nicht zu einem negativen, indem gezeigt
würde, daß soundso viele Tischreden in Dietrichs Über-
lieferung nicht mit den Tatsachen übereinstimmten; denn der
Irrtum könnte bei Luther selbst liegen?) und Veit Dietrich
trotz allem ein tadelloser Nachschreiber sein. Vielmehr muß
zunächst auf anderem Wege vorgegangen werden. Auf den
folgenden Seiten soll die Frage der objektiven Richtigkeit
oder Unrichtigkeit des Mitgeteilten ganz beiseite gelassen
werden und nur der Versuch gemacht werden, aus inneren
Gründen den Wert der Leistung einiger Nachschreiber fest-
zustellen. Dazu bietet sich in den echten oder wie Kroker
sie nennt, den „ursprünglichen“ Parallelen ), d. h. denjenigen
1) Z. B. in Scheels Luther an zablreichen Stellen; an andern,
nicht minder zahlreichen, zieht auch er Tischreden ohne weiteres heran.
) Der Beweis, daß Luther selbst diese und jene falsche Nach-
richt ,,gar nicht erzählt haben könne“, ist, wenn überhaupt, doch nur
in ganz vereinzelten Ausnahmefällen zu erbringen.
3) Neben ursprünglichen finden sich „abgeleitete“ Parallelen — ein
Tischgenosse oder mehrere haben von einem anderen abgeschrieben —
und „scheinbare“ Parallelen — Luther hat denselben Gegenstand in
verschiedenen Tischreden in ähnlicher Weise behandelt (vgl.
Kroker, Weimarer Ausgabe, Tischreden 1 S. XV.)
Der von Kroker als möglich angenommene Fall der Kombinierung
eigener Notizen oder Erinnerungsstücke durch einzelne Tischgenossen
s — —
s.
— ————— — — — — E — — —
.
13 13
Parallelen, die auf gleichzeitiger Nachschrift desselben Ge-
sprächs durch verschiedene Nachschreiber beruhen, ein einzig-
artiges Material. Nur ein Anfang soll hier gemacht werden;
es sollen nur Nachschreiber aus der Frühzeit der Tischreden
(1531—1533) betrachtet werden und zwar Veit Dietrich,
Schlaginhauffen, Rabe!) und die Nachschreiber der
Sammlung, welche die Weimarer Ausgabe als die „Dietrichs
und Medlers“ bezeichnet. Hierbei ist es auf die Gewinnung
eines Werturteils über Veit Dietrich und Rabe in erster
Linie abgesehen, während die anderen Nachschreiber im
wesentlichen nur zu Vergleichszwecken herangezogen werden.
Es wäre dabei selbstverständlich das erfreulichste Re-
sultat, wenn nachgewiesen werden könnte, daß der eine
oder der andere Nachschreiber häufig Luthers Tischgespräche
im vollen Wortlaut überlieferte. Aber leider, um es gleich
hier zu sagen, dürfte dieser Nachweis immer nur schwer
gelingen und sich ergeben, daß wir nur verhältnismäßig selten
uns darauf verlassen können, ipsissima verba vor uns zu
haben. Im ailgemeinen miissen wir schon sehr zufrieden
sein, wenn uns mit Sicherheit gute Auszüge überliefert sind,
die dann freilich häufig einzelne Worte und Satzteile Lutbers
enthalten. ;
Die Fehlerquellen unserer Überlieferung sind verschiedener
Art: sie können in der Schwierigkeit des Nachschreibens
mit den Nachschriften anderer, wobei sich also „halbechte“ Parallelen
ergeben würden, '^ zum mindésten äußerst selten sein: hatte ein
Naehsehreiber * — .schrede selbst gehört, so hat er sie auch
ausachlieBl: © aur Grund eigener Notizen oder Erinnerung aur-
gezeichuet.
1) Rabe ist tatsächlich selbst Nachschreiber (vgl. unten III).
Über die Nachsehreiber unterrichten jetzt weitaus am besten die Ein-
leitungen in der Weimarer Ausgabe aus der Feder Krokers, von
dessen gesundem Urteil und ungeheurer Sachkenntnis man nur mit
besonders guten Gründen abweichen sollte. Immerhin dürfte A. Frei-
tag in den Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation
(Weimar 1917) S. 182 fl. nachgewiesen baben, daß G. Rörer zu der
Sammlung, die Kroker als die „Dietrichs und Medlers“ bezeichnet,
in sehr naher Beziehung gestanden hat und daß er unter die wich-
tigsten Nachschreiber einzureihen ist. (Den Beweis, daß Rörer die
Tischrede Nr, 157 Veit Dietrich nachgeschrieben, hat Freitag da-
gegen nicht erbracht, wie hier nicht nüher ausgeführt werden soll).
14 14
liegen oder in dem Versagen des Gedüehtnisses!), auf das
gewiß jeder Tischgenosse Luthers sich in vielen Fällen ver-
lassen hat. Sie können aber zweitens in der Vorsicht oder
Diskretion der Nachschreiber ihren Ursprung haben — so
wenn etwa Rörer die unangenehme Eigenschaft hat, möglichst
alle Eigennamen auszumerzen und durch das harmlose quidam
zu ersetzen. Aber auch Schlaginhauffen hat zweifellos aus
Vorsicht Änderungen vorgenommen, um Luther oder sich
selbst nicht zu kompromittieren?) oder um nicht Ärgernis
zu erregen (vgl. unten), während Rabe nicht von Aus-
lassungen und Änderungen in einer bestimmten Tendenz
freigesprochen werden kann. In dieser Hinsicht ist, wie
gleich bier gesagt werden mag, von den auf diesen Blättern
behandelten Tischgenossen Veit Dietrich der beste, der „junge
Geselle“, der zum Glück für den Historiker mit jugendlicher
Rüeksiehtslosigkeit nachschreibt. Eine dritte Fehlerquelle
liegt in der absichtlichen Zurechtmachung der Worte Luthers
unter verschiedenen Gesichtspunkten: z. Be dem der Be-
seitigung von Schwierigkeiten des Verständnisses oder der
Auslegung, vor allem aber unter dem „erbaulichen“ Gesichts-
punkte. Aus diesen Quellen entspringen wahre Verheerungen .
in Aurifabers Veröffentlichung, aber zweifellos auch schon
manche schwerwiegende Textänderung in Cordatus’ Sammlung.
Die Beurteilung der Nachschreiber nach „inneren“
Kriterien ist schwierig, aber man wird, vor allem durch den
Vergleich der echten Parallelen, doch, bei aller Vorsicht,
sehr häufig zu dem sicheren Resultat gelangen, daß dies
) Auch bei dem sicher weit besseren Gedächtnis jener Generation,
als das ist, über das unser Geschlecht verfügt, war ein derartiges
Versagen selbstrerständlich häufig.
*) gewiß haben die Tischgenossen ursprünglich nicht mit der
Ab. ^ der Veröffentlichung nachgeschrieben, wie Kroker mit Recht
g. uüber der harten Kritik bemerkt, die W. Meyer an Lauterbach
übt (Tischreden, Weimarer Ausgabe 3 S. XIX. W. Meyers, im
übrigen höchst wertvolle Arbeit: „Über Lauterbachs und Aurifabers
Sammlungen der Tischreden Luthers.“ Abh. der Kgl. Ges. der Wissen-
schaften zu Göttingen. Hist. Phil. Kl. N. F. 1, 2, Berlin 1896). Allein,
handschriftlich wurden die Nachschriften der Tischreden notorisch
vielfach weitergegeben und da war denn ein Mißbrauch sicher nicht
ausgeschlossen.
— . — — — cwm
15 15
oder jenes von dem, was uns überliefert ist, nicht so von
Luther gesagt worden ist und gar nicht gesagt worden sein
kann. Einem Denker wie Luther, der in der strengen Schule
mittelalterlicher Logik aufgewachsen war, wird man auch
im Gespräch keine groben Denkverstöße zumuten dürfen,
wie er sie nach mancher uns überlieferten Tischrede be-
gangen haben müßte. Freilich ist bei der Anwendung dieses
Maßstabes Vorsicht geboten; es ist nicht schwer nachzuweisen,
daß Luther sich häufig durch irgendeinen der ihm so über-
reich zufließenden Gedanken oder etwa durch einen Vergleich
zu Nebenbemerkungen verleiten läßt, daß er eine neue Reihe
von Gedanken oft recht lose an die vorhergehende anknüpft!).
Der kritische Betrachter muß also immer auf der Hut sein
daß allzu scharf nicht schartig mache,
I.
Zuerst sollen Parallelen verglichen werden, die die Nach-
schriften Veit Dietrichs und Schlaginhauffens bieten, und zwar
sind naturgemäß nur solche Fälle zum Vergleich ausgewählt,
in denen auf Grund sorgfältiger Prüfung, die aber hier im
einzelnen nicht wiedergegeben werden kann, mit Sicherheit
das Vorliegen echter Parallelen angenommen werden darf.
Daß hierbei größte Vorsicht geboten ist, zeigt, wie Kroker
mit Recht betont, das Beispiel 49 Veit Dietrich — 1965
Cordatus. Hier ist bestimmt überliefert, daß Cordatus von
Veit Dietrich abgeschrieben hat; es liegt also eine abgeleitete
Parallele vor und trotzdem weicht Cordatus erheblich von
Veit Dietrich ab. (Zweifellos hat er absichtlich geändert, um
den Anschein zu erwecken, daß er eine eigene ursprüngliche
Nachschrift überliefere.) Ausgeschaltet wurden aus dem Ver-
gleichsmaterial von den Parallelen zwischen Veit Dietrich
und Schlaginhauffen z. B. die Nummern 199 — 204 Veit Dietrich
mit den entsprechenden Nummern Schlaginhauffens. Ihre
Vergleichung erweckt nämlich den Verdacht, daß der eine
von dem andern abhängig sei 1. weil es sich um eine ganze
Serie von Parallelen handelt, 2. wegen des auffallend stark
übereinstimmenden Wortlauts. — Es ist schließlich noch
voraus zu Schicken, dab manche Schwächen der Schlagin—
—
1) J. B. Nr. 271 Veit Dietrich.
16 16
hautfenschen Tischreden auf Fehler der Abschreiber zurück-
zuführen sein können!).
247. V. D. Ego si vellem, possem in tribus sermonibus
totam civitatem hane reducere in pristinum errorem (de
Philippo et aliquot vestrum non dico, sed paucissimos ex-
cipio) et vellem id facere hac ratione: Non vellem damnare
ea, quae haetenus, sed probare et tantum addere hane par-
ticulam: Aber; es ist wohl recht, aber wir mussen hoher
kummen. Hic vellem urgere opera charitatis ete. so fiele
man als bald auch víff die hypocrisin. — Cum dicerem im-
possibilem esse hane eversionem verae doctrinae, aiebat: Si
Satan mihi eam saepius eripere potest, sine dubio ego quoque
aliis eam possem eripere. Warumb konnen sie es so bald et
praesumunt de scientia? Vellem facere sicut ille gladiator,
qui eum diceret antagonistae discipulo: Solus ego non pugnabo
eontra vos duos, et ille respiceret, quis alter esset, abripitur
ei cervix a magistro eum hae voce: das hett ich dieh noch
nit gelernet.
1430. Schl. De gladiatore. Ego adhuc aliquid scio,
quod discipuli mei non sciunt, wie Campanus et ceteri arbi-
trantur se scire. Et facio, wie der fecht meister that, den
sein eigner discipel wolt zu todt schlagen; do er sach, das
es im galt, spricht er: Sich, ich hab gemeint, ich soll mit
einem fechten; so sein euer zwen? Do sach sich der diseipel
vmb, dieweil sehmeist er dar vnd schlecht im den kopf abe.
Hier ist Veit Dietrich nieht nur reichhaltiger, sondern
auch interessanter und besser. Es ist anzunehmen, daß
Schlaginhauffen absichtlich einiges weggelassen hat, um
Argernis zu vermeiden; denn von dem Tischgespräch wie
Veit Dietrich es überliefert, konnte zweierlei in schwachen
Gemütern Zweifel erregen, nämlich der ganze erste Teil und
die Mitteilung, daß der „Teufel Luther seine Lehre oft ent-
reien könne“.
259. V. D. Laureneius Valla ist der best Walh, deu
ich mein Lebtag geschn oder erfaren hab. De libero arbitrio
bene disputat. Quaesivit simplicitatem in pietate et in literis
simul. Erasmus eam tantum in literis quaerit, pietatem ridet.
1470. Schl. Laurentius Valla. Laurentius Ualla ist ein
fromer man gewesen, purus, simplex, dexter, candidus. Plus
fructus fecit, quam omnes Itali unquam fecerunt. Ille vir
omnibus modis voluit consulere iuventuti Italicae et cogitavit
propagare literas. De libero arbitrio bene disputavit. Is
coniunxit pietatem cum literis.
1) Vgl. hierzu Kroker: Archiv f. Ref.Gesch.7 S. 75 ff.
VC
17 17
Veit Dietrich hat die bessere Version. Zunächst ist
das Wortspiel am Anfang unzweifelhaft echt. Dann spricht
für Veit Dietrich im dritten Satz, im Vergleich zum Schluß-
satz Schlaginhauffens die Tatsache, daß die Wendung quaesivit
simplicitatem usw. offenbar Schwierigkeiten bot. Aurifaber
hat wohl deswegen diesen Satz ganz entgegen seiner sonstigen
Gewohnheit nicht übersetzt, sondern auf Lateinisch Überliefert.
Die schwierigere Lesart ist sicher auch hier die bessere.
Die Schlaginhauffensche Überlieferung macht überdies einen
zurechtgemachten, geglätteten Eindruck und ist .mehr im
Schriftstil, als im Redestil, abgefaßt.
261. V. D. Mit den keglen schiben est planissima figura
magistratus, Da nimpt keiner fur ein wurff drey kegel, so
gewiß hat mans, vnd feylt dennoch, das er keinen trifft,
praesertim wenn es junge regenten sind (sicut dicebat meus
prior Erdfurdiae de monachis iuvenibus) die treffen alle wurff
XII Kegel, vnd stehn yhr nur IX auff dem platz.
1494. Schl. Ludus kugelspil. Das bob kugl spil ist ludus
magistratus; den gleich wie einer meinet, der schiebet, er
wol uil Kugel treffen, also meinet magistratus sein sach
hinauszufuren. , Jener felet aber des gantzen platz. Sie gets
magistratui zu zeitten als fels. Sic Erfordie fratres conquesti
sunt de priore et procuratore; dixit procurator: o wehe, ja
die jungen fratres schieDen zwelf kegel, vnd stehn doch nur
nein aufm plan. |
Veit Diefrieh ist besser. Erstens läßt Schlaginhauffen
den Hinweis auf die ,jungen Regenten* weg (sicher aus
Vorsicht) während doch die Jugend der Regenten die not-
wendige Uberleitung zu dem folgenden (junge Mónche) bildet.
Zweitens ist die Motivierung des Ausspruchs des Priors bei
Schlaginhauffen schlecht: Die Worte des Priors wenden sich
nicht gegen Beschwerden der jungen Mönche, sondern gegen
ihren mönchischen Uebereifer.
262. V. D. Eiymologiae. Annibal vir gratiae: Hanno
idem, quod Joannes. Asdrubal plane est Alexander, Bal
enim vir est et Esras adiutorium. Bocchus flebilis, maestus.
Jugurtha peregrinus vel senator, qui congregat populum, a
eongregando, nam terminatio ? tam est familiaris Hebreis
quam Latinis — us. Dido vel mume vel amabilis, erotium.
Amilcar, hine Melchior, rex serenus, òx lumen. Balthassar
puto esse Assyriorum deum, sic enim est in Daniele: Jussit
eum vocare nomine Dei sui, uf sit Bal Assur, Gaspar vel
Jaspar thesaurarius, quaestor, cantzelschreyber.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 1. 2
18 18
1496. Sehl. Annibal Hebraice vocatur vir gratiae. Dido
amabilis, holtselig. Amilcar, Melchior, rex serenus, lucis.
Gaspar ein sehreiber, rendmaister.
Veit Dietrieb ist weit reiehhaltiger. Die Parallele ist
deswegen besonders interessant, weil sie zeigt, wie Schlagin-
hauffen nicht „mitgekommen“ ist. In dem Vorhandenen
stimmen beide, dem Sinn nach überein, doch auch hier
nicht dem Wortlaut nach. Veit Dietrich dürfte den Worten
Luthers am nächsten stehen (,erotium* war kaum zu er-
finden).
271. V. D. ... Ich halte es, es sey Paulo nit ser wol
gewest, cum fuit in illa 'exordoet quod dicit non posse dici
linguis. Verum est. Solch große affectus lassen sich nit reden.
Kan ieh doch nit sagen, wie mir ist, vnd ist vil ein geringer
ding. Quare etiamsi voluisset dicere, tamen non potuisset.
1536. Schl. Affectus erga Christum. Es vermag vnd kan
keiner den affectum aus reden, den einer hatt gegen Christo,
wen er von im reden will was oder wer er sey. Dixit
Doctor: Ich khan meine affectus nicht ausreden; wie wolt
ieh den die hohen von Christo ausreden?
Das bei Veit Dietrich vorausgehende, 'an das unsere
Stelle fraglos anknüpft (Lehren des Paulus), beweist, daB seine
Überlieferung-besser ist. Man hat den Eindruck, daß Schlagin-
hauffen auf Grund eines Stichworts, das er sich notiert hat,
die Tischrede falseh oder schief rekonstruiert hat.
272. V. D. Christus ist in hae carne vnbegreifflich, quia
er lohnet seinen besten ministris so, das ich sagen mus, ich
ways sthir nit, woran ich bin, ob ich recht predig oder
nit. Das ist S. Paulus marter auch gewesen, die er (hallt
ich) nit vilen gesagt hatt oder hatt konnen sagen, denn wer
kan denken, was das heist, das er sagt: Quotidie morior.
Christus hatts auch gehabt, die tentatio. — Haec dicebat
18. May in prandio, cum mane 16. eiusdem mensis Torgae
ex tentatione Satanae spirituali decubuisset. Potest autem
ex his sermonibus colligi, qualis fuerit tentatio.
1534/5. Schl. Deus incomprehensibilis. Christus ist vn-
zuuerstehn, quia est Deus. Er ist vnausgelernt vnd vnbe-
greillieh, weil wir hie leben.
Servire Deo. Wer vnserm Herr Gott dienen will, der
schickh sich dahin: Er muß puff leiden; dann also lonet er
einem, das einer gedenckht: Ich wais nicht, wahran ich bin
mit Gott, ob ich auch recht daran thu oder nicht. Hoc
Christo contigit.
19 19
Veit Dietrich ist wesentlich inhaltreicher und interessanter.
Schlaginhauffen hat wieder Ärgernis vermeiden wollen, indem
er Luthers Zweifel, ob er recht predige, wegläßt oder viel-
mehr nur eine dunkle Andeutung davon beibehält.
283. Veit Dietrich. Hebrei putant Melchisedee fuisse
Sem, vixit enim usque ad natum Isaac, sicut patet ex
13. Genesis. i
1660. Schl. Sem et Isaac. Sem vidit Isaac. Vixit 500
annos. Er wirt haben mussen vil vbels sehn von Kham,
seinem Bruder, vnd andern bosen buben.
Veit Dietrich hat wieder den interessanteren Gedanken
Sem-Melehisedek, dagegen fehlt bei ihm der Schlußsatz
Schlaginhauffens, von dem wir keinen Grund haben anzu-
nehmen, daß Luther ihn nicht gesprochen.
315. V. D. In administratione oeconomiae ef politiae
mus lex seyn, das man es nit haben will, ut aliquid peccetur.
Econtra wenn es geschehen, sol remissio peccatorum dazu
kommen, sonst so verderbt mans. Maritum oportet multa
dissimulare in uxore et liberis, et tamen non obmittere debet
legem. So ists in allen stenden. Remissio peccatorum est
in omnibus creaturis. Die beume wachsen nit all gerad,
die wasser flieBen nit alle gerad, so ists terra nit allenthalb
gleich etc. Vera igitur est sententia: Qui nescit dissimulare,
nescit imperare. Haec est "srıeıxeia. Man mus vertragen
vnd dennoch nit all ding lassen hingehn. Es heißt: Neo
omnia, nec nihil.
1845. Schl. Remissio peccatorum in omnibus statibus. Deus
in omnibus officiis, statibus commisit remissionem peccatorum.
In oeconomia muß remissio peccatorum sein, den wan etwas
geschicht, oportet patrem connivere. Es geht nicht alles
schlecht zu. Die wasser fließen krumb, die baum wachsen
ein theil kramb. Nec omnia, nec nihil muß einer haben,
horen sehen in oeconomia.
Der viel reichhaltigere Veit Dietrich steht Luthers eigenen
Worten näher. Der erste Satz Schlaginhauffens dürfte viel-
leicht sogar eine vou ihm selbst (nicht Luther) stammende
einleitende Bemerkung sein, wie sich solche mehrfach bei
ihm finden. Der zweite Satz ist ein allzu knappes Exzerpt.
So kann Luther nicht gesprochen haben. (Im Schlußsatz muß
das sinnwidrige haben wegfallen.)
Diese Beispiele, nach denen Veit Dietrich eine nach-
weislich bessere Überlieferung bietet, als Schlaginhauffen,
2*
20 20
ließen sich leicht vermehren!) Die Frage ist, ob nunmehr
Veit Dietrich als so vorzüglicher Nachschreiber gelten darf,
daß wir allen seinen Wiedergaben von Luthers Worten,
also auch den sehr zahlreichen, zu denen sich Parallelen
nicht finden, ohne weiteres unbedingtes Vertrauen entgegen-
bringen, das heißt, daß wir in ihnen entweder wörtliche
Nachschriften oder wenigstens durchaus zuverlässige und
ausreichende Auszüge sehen dürfen. Leider ist diese Frage
zu verneinen. So einfach liegen die Dinge nicht. Es finden
sich auch Fälle, in denen Schlaginhauffen gegenüber Veit
Dietrich die bessere Überlieferung hat.
79. V. D. Lernet, yhr habt lang gnug dran zu studirn,
das vnser herrgott fromm sey, ob er sich wol stellet, als
zurne er ein weyl — Dicebat ad eum, cni uxor perierat
in partu una eum filio. Ad. M. Ambrosium.
1361. Schl. Misericordia Dei maior est quam nostra ca-
lamitas. Scito misericordiam Dei maiorem esse quam nostra
calamitas. (Es folgt ein sehr langes Gespräch.)
Schlaginhauffen ist sehr viel reichhaltiger, Veit Dietrich
hat das Gespräch völlig unzureichend nachgeschrieben. Immer-
hin dürfte der eine Satz, den er überliefert, als
charakteristischer und stärker, also wahrscheinlich
echter gelten, als Schlaginhauffens scito-calamitas.
220. V. D. Sehwermerii omnes sunt confidentes contra
mortuas imagines, contra vivas sunt muti.
1) Ähnlich liegen die Dinge z. B. auch in folgenden Fällen:
221. Veit Dietrich — 1412. Schl.
Bei Veit Dietrich viel lebhafter eingeführt. Der einleitende Satz
bei Schlaginhauffen schief. Der letzte Satz bei Veit Dietrich allerdings
offenbar ein Bruchstück aus dem weiteren Verlauf des Gesprüchs.
(Zwischenglieder fehlen.)
258. V. D. — 1469. Schl.
Schlaginhauffen hat, offenbar aus Vorsicht, den von Veit Dietrich
überlieferten Satz weggelassen, wonach die damalige Theologie sogar
„bis zum Urteil über die Apostel und Propheten fortgeschritten sei".
265. V. D. — 1504, Schl.
Letzterer bringt einen viel zu knappen Auszug.
273. V. D. — 1537. Schl.
Veit Dietrich nicht nur weit reichhaltiger, sondern auch besser,
Schlaginhauffen läßt vor allem die Abwehr der Angrite auf Luthers
liechtfertigungslehre weg.
21 21
1411. Schl. Schwermer. Schwermeri, do sie mit den
toden, steiner bildern vmbgiengen vnd zuschlugens, da ge-
wunnen sie; aber da die lebendigen bilder komen, Helvetii
scilicet, do worden sie all geschlagen. Talis quoque erat
Muntzerus.
Der ganz anders als bei Veit Dietrich gewendete Ge-
danke Sehlaginhauffens dürfte unbedingt als besser gelten.
(Cordatus steht, wie in der Regel, Schlaginhauffen ganz nahe,
Veit Dietrich fern. Besonders ist das contra vivas sunt
mutt bei Veit Dietrich ganz schwach und entspricht ja
durchaus nicht der Wahrheit.
222. V. D. Ego non sum in ea sententia ut penitus
damnandos eos censeam, qui se ipsos occidunt; ratio est,
quia sie thun es nit gern, sed superantur Diaboli potentia,
wie einer yn eim walt von einem latrone ermordet wurdt.
Non tamen hoc vulgo docendum est, ne Satanae occasio prae-
beatur caedium faciendarum, et probo, das man die ceremonias
politicas so steiff hellt, das man sie durch die schwell zeucht etc.
Non sunt sui arbitrii neque iuris, sed vnser Herr Got richtet
sie dahin, wie er einen durch einen latronem hinweg richtet.
Magistratus sol gleieh wol streng damit sein, quanquam anima
non sit simplieiter damnata. Fiunt autem huiusmodi exempla,
das vns vnser Herrgott damit weysen wil, das der Teuffel
ein herr sey, item, das man vleißig sol betten. Nisi enim
haec exempla fierent, non timeremus Deum; ergo mus er
vns so lernen. |
1413. Schl. Qui se ipsos suspendunt et occidunt. Ipsi
praedominantur ita a Sathana, scilicet expedit, das Sathan
herr sei Tales homines ita occiduntur a Sathana sicut
per latrones. Isti homines non sunt sui iuris. Non damno
eos neque possum, sed hoe non est dicendum vulgo, sed ad
confessionem pertinet. Wen solche exempel nicht geschehen,
quod se occidunt, so furchteten wir vnsern Herr Gott nicht.
Drumb mussen wir in furcht stehen, Gott bitten; auch
muß man hart mit solchen gehenckthen vmbgehen, sie uer-
brennen etc., ut mundus terreatur, non quod sunt damnati.
Zweifellos ursprüngliche Parallele (verschiedenes Bei-
spiel für die Behandlung der Leiche des Selbstmörders).
Die übrigens allzu knappe Nachschrift Schlaginhauffens kann
schon deswegen als besser gelten, weil Veit Dietrich eine
sicher nieht auf Luther zurückgehende Reduplikation hat,
wobei allerdings einmal der Teufel, das andere Mal Gott
die Selbstmürder „wie durch einen Räuber tötet“. Gut ist
22 22
sicher auch das, zunächst Bedenken erregende sed ad con-
fessionem pertinet, das bei Veit Dietrich fehlt, eben weil
es Schwierigkeiten bietet. (Besonders interessant ist hier Cor-
datus, der die falsche Lesart „gedancken“ ausbaut.)
Im ganzen wiegen aber die Fälle, in denen Veit Dietrichs
Überlieferung gegenüber der Schlaginhauffens entschieden
besser ist, weit vor. |
Größtes Interesse beansprucht schließlich eine Gruppe
von Parallelen, bei denen man zu einem derartig glatten
Resultat nicht gelangt, bei denen vielmehr die Sache so liegt,
daß Veit Dietrich und Schlaginhauffen einen Teil (z. B. den
ersten Satz) einer Tischrede in -— manchmal wörtlicher —
Übereinstimmung bringen, um dannnichtnureinen andern Wort-
laut, sondern andere Gedanken zu geben. Beide haben also
im weiteren Verlauf ihrer Niederschrift verschiedene Teile
von Luthers Bemerkungen festgehalten. In diesen Fällen, und
wohl nurin diesen, haben wir überdies eine so zu sagen ab-
solute Sicherheit, Luthers eigenste Wortezuhören, wenn nämlich
in den übereinstimmenden Sätzen der Wortlaut identisch ist ).
295. V. D. Sodoma fuit paradisus Dei, ubicunque autem
sunt homines, qui sine sudore edunt panem, ibi sic pereunt.
Nune fotus mundus vult esse Sodoma et Gomorrha.
1768. Schl. Sodoma paradisus. Sodoma fuit paradisus
voluptatis; da must es vbel zugehen. Aber wo man sich
mit schwais nehret, da braucht mans ein wenig besser.
Wörtlich gemeinsamer erster Satz: S. f. p. Dann werden
verschiedene Gedanken wiedergegeben. Man ist versucht,
die beiden Versionen zu kombinieren, da man dadurch einen
vollständig logischen Sinn erhält, indem man nämlich nach
Veit Dietrichs pereunt den Schlaginhauffenschen Satz, „Aber-
besser" einschiebt.
321/2. V. D. megt &ÓsÀqov vov Kagolov e eum
nihil boni, nihil veri, nihil entis esse.
Zinglius fuit quidem ens, sed nee verum nee bonum,
so ists auch als hinweg.
1633. Schl. Ferdinandus nihil boni, nihil veri, nihil
entis, Er ist nichts mher, denn das er schilt vnd helm furet
1) In Fällen wörtlicher Übereinstimmung ganzer größerer Tisch-
reden erhebt sich immer der Verdacht, daß ein Nachschreiber von
dem andern abgeschrieben habe.
23 23
vnd muntz schlecht. Man leßt in wol konig bleiben, aber
mortuo fratre Carolo wird er nichts sein werden.
Aus zweier Zeugen Mund steht fest, daß Luther wört-
lich Ferdinand nihil boni, nihil veri, nihil entis genannt hat.
Von dem was Luther weiterhin sprach, überliefern die beiden
Nachschreiber auch gedanklich durchaus Verschiedenes.
Schlaginhauffen läßt ihn weiteres über Ferdinand sagen,
Veit Dietrich übergeht das, um eine anknüpfende Bemerkung
über Zwingli zu geben, die ihrerseits bei Schlaginhauffen
fehlt. Beides ist in hohem Grade interessant und sicher
dem Sinn nach getreu, aber es fehlt die Sicherheit, daß wir
Luthers eigenste Worte vor uns haben.
232. V. D. Cerberum putat esse ex patrum memoria
fabulam, eonvenit enim nomen cum illo Judaieo Sehorabar.
Est figura Satanae, qui habet tria ora, est trifaux, nempe
legem, peccatum et mortem, Eum in lucem produeit Hercu-
les, id est minister verbi etc.
Phaetontem et Icarum puto in fabulis esse, quales sunt
Zinglius et Oecolampadius, die die schrifft meystern wollen,
wie es yhn eben ist.
1414. Schl. Sanherib quid? Senacharib heist ein strauch
dieb, ist ein hartz reitter. Cerberus Graece, Hebraice schor-
phor heist der hellisch hundt: trifaux; die drei meuler sindt
peccatum, lex, mors. Behemoth ist der groB ochß, ut fabu-
lantur Hebraei, der auf ein nacht alles graß auf erden auff
frist. Zu morgest wechst alles wider im thau.
Von einer größeren mythologischen und etymologischen
Rede haben beide Nachschreiber den einen Satz über Cerberus
überliefert, der sie offenbar wegen der symbolischen Deutung
der drei Mäuler besonders interessiert hat. Hierbei ist Veit
Dietrich reichhaltiger und besser; „est figura Satanae“ ist
ein logisch notwendiges Gedankenglied. Sonst haben sie
verschiedene Teile von Luthers Rede aufgezeichnet. (Cor-
datus seinerseits hat wieder einen andern, weder bei Veit
Dietrich noch bei Schlaginhauffen überlieferten Satz — über
den Leviathan.)
370. V. D. Quod verisimile sit manna in deserto fuisse
hoc, quod nos vocamus himmelthaw vel schwaden. Dicit textus
elare, quod ad varios usus valuerit sicut farina, item quod
habuerit saporem similae et mellis; porro man tum primum
non est creatum, cum Judeis de coele datum est, et puto
eis fuisse notum cibum. Sed hoc novum fuit, quod in deserto
24 24
loco inventum est. Sic dedit aquam in deserto, non quod
antea non vidissent aquam, sed quod in eo loco non vidissent;
sic dedit coturniees. Aqua ex petra non est miraculum apud
nos, sed in eo loco fuit miraculum. Quod autem nullum
alium cibum dederit eis praeter man, est ratio: hett cr yhn
gutlich gethan, weren sie ymmer drin bliben.
1396. Schl. De manna. Ego persuasus firmissime credo,
quod schwaden sit himelprot. So eckel ists, wenn man mit
dem finger dran nascht, so ists verdorben, gloria nobilitatis,
vnd muß ein rein dopflein haben, darin man es koch.
Sehwaden colligit man mane cadente rore in ein siebe. Non
erescit, sed de rore coeli venit; est roscidus panis, ut dicit
in hymno Prudentius. Quando venit sol, liquescit. Et omnes
medici appellant manna. Es wechst auf keim zweig et
herba, sed felt im tau. Man bechts, kochts, wie man will,
ut dicitur in textu. Non nascitur neque seminatur neque
crescit, sed venit de rore coeli. Man schuttelt die reis, so
felts ab.
Man, id est, paratum. Sich, bistu da? Find ich dich
hie? Gleich wie der Coriander vnd weis wie der thau.
Manna ist Manna, krambat uogel sind krambat uogel, aqua
est aqua. Sed wie kommen sie hieher? Sed vult creare in
loco, ubi non sunt, ut aqua est aqua, sed ex petra fluit.
Mane iacebat ut ros et meridie incipiebat liquefieri, dieit
Moses, impatiens tactus, non manet sincerum, wenn die magt
etc. Verbum Dei will khein znsaz leiden.
Von dem ersten, dem Sinn nach gemeinsamen Satz aus-
gehend bringen beide Nachschreiber vorwiegend verschiedene
Gedanken Luthers. Beide treffen sich dann wieder in der
Erklärung, worin das Wunder besteht; hierbei ist der sonst
wesentlich reichhaltigere Schlaginhauffen beinahe unverständ-
lich kurz.
Diese Vergleichungen führen weiter auch in bezug auf
die Beurteilung derjenigen Tischreden, welche nur einmal
überliefert sind, also die große Masse. Sicherheit, daß sie
uns vollständig oder auch nur in völlig zuverlässiger Form
vorliegen, haben wir bei ihnen nicht. Bei ihnen wird vor
der Benutzung die „innere Kritik“ rege sein müssen, die
vor allem immer nach der Geschlossenheit des Gedanken-
ganges zu fragen haben wird. Immerhin haben die Ver-
gleichungen gezeigt, daß von den zwei bisher behandelten
Nachschreibern der Sinn von Luthers Worten im großen
und ganzen meist — nicht immer — richtig und leidlich
25 25
vollständig — bei Schlaginhauffen allerdings öfters allzu
knapp — wiedergegeben wird. Von diesen beiden Nach-
schreibern hat sieh Veit Dietrich als der in der Regel, frei-
lich nicht ausnahmslos, bessere erwiesen. Besonders fällt
dabei ins Gewicht, daß er nicht aus Vorsicht ändert oder
wegläßt. Demnach dürfte man in folgendem Falle, in dem
bei einer trotz gewisser Bedenken offenbar echten Parallele
Veit Dietrich und Schlaginhauffen ganz Verschiedenes be-
richten, ohne daß man aus inneren Gründen sich für den
einen oder anderen unbedingt!) entscheiden könnte, die Veit
Dietrichsche Überlieferung vorziehen.
223. V. D. Quidam senex ex Meinigen habuit Erd-
furdiae filium familiarem Luthero; is aliquando ad Lutherum
dixit, eum audiret eum conqueri de adversa valetudine:
Lieber Bacalarie, last Euch nit leyde sein; yhr werdt noch
em groDer man werden. — Lutherus dicebat: da hab ich
auch einen propheten gehoret.
1368. Schl. Ein alter man zu Erfurt hatt zu mir ge-
sagt, weil ich noch ein student war: Es muß ein enderung
werden, vnd die ist groß; es kan also nit bestehen. Ich
mein, es sei geschehen!
Vielleicht hat Schlaginhauffen geändert, um Luther nicht
in den Verdacht der „Unbescheidenheit“ geraten zu lassen.
II.
Im folgenden soll Veit Diefrich mit den Nachschreibern
der Sammlung verglichen werden, die in der Weimarer
Ausgabe als die „Dietrichs und Medlers“ bezeichnet wird“).
373. V. D. Ego quaerebam ex Doctore Luthero: Quod
Paulus facit universalem ex partieulari: Abraham est iusti-
ficatus fide, ergo nos quoque iustificamur fide? Ibi respon-
debat: Primo illud non est scriptum propter Abrahamum,
sicut Paulus argumentatur. Hine fit, quod omnes prophetae
ex particularibus sententiis faciant universales: Qui fecit viam
in mari ete. Similia. Nam omnes historiae et exempla om-
nia sunt universalia. Ratio est, quia unus est Deus et una
fides, vocationes autem differunt. Sic Abraham habet aliam
vocationem quam Dauid, et tamen habent eandem fidem.
Ideo autem una est fides, quia est unus Deus.
t) Doch spricht für Veit Dietrich die verwickeltere Einführung.
*) Abgekürzt: D. M.
26 . 26
750. D. M. Quaesitus Doctor, qui fiat, quod Paulus ex
partieulari Abrahae exemplo uuiversalem iustificationis doc-
trinam faciat, cum tamen dialectice ex particulari non se-
quatur conclusio universalis, respondit Doctor omnes prophe-
ias ex individuis facere generalia, siquidem omnes historiae
fidei sint exempla generalia.
Veit Dietrich ist viel reichhaltiger als Dietrich-Medler,
steht also, da eigene Erfindung ausgeschlossen ist, insofern
Luthers Worten erheblich näher. Dietrich-Medler bietet nur
einen Auszug aus der Antwort, die Luther auf Veit Dietrichs
Frage gab; dieser Auszug ist allerdings sehr gut, logisch
scharf und geschlossen. Wenn Veit Dietrich dagegen, wie
gesagt, mehr bietet, so ist auch seine Wiedergabe doch
offenbar noch durchaus lückenhaft und übrigens auch nicht
ganz klar.
415. V. D. Fide Christi uteunque puto servatum Hie-
ronymum, sed den schaden, den er per suam doctrinam thun
hat, den vergeb yhm Got. Ich weys wohl, das er mir seer
geschadt hat. Ipse vituperat mulieres et loquitur de mulieri-
bus absentibus. Darumb wolt ich yhm gonnen, das er ein
weyb het gehabt; sol vil ding anders geschrieben haben.
Est miraeulum, das in souil buchern kein vers de Christo
steht, et tamen reprehendit idem in Sexto. Ergo nullum
doctorem scio, quem aeque oderim, eum tamen ardentissime
eum amaverim et legerim. In Aesopo eerte plus est erudi-
tionis quam in toto Hieronymo. Si tamen urgeret opera
fidei et fruetus euangelii; tantum dicit de ieiuniis ete. Stau-
pieius meus aliquando dicebg$: Ich wolt gern wissen, wie der
man wer selig worden. Et antecessor eius Doctor Proles dixit:
Ich wolt S. Hieronymum nit gern zum prior haben gehabt.
824. D. M. Hieronymus non debet numerari inter doc-
tores ecclesiae, quia fuit haereticus. Credo tamen ipsum
fide Christi salvatum esse. Nihil loquitur de Christo, nisi
quod saltem nomen Christi in ore habuit. Nullum seio inter
scriptores, quem aeque odi ut Hieronymum. Tantum de
ieiuniis, eibis, virginitate 'scribit. Si urgeret tamen opera
fidei, satis esset, sed neque de fide neque spe neque charitate
neque operibus fidei loquitur. Doctor Staupitius de eo sole-
bat dicere in hunc modum: ich wolt gern wissen, wie
Hieronymus were selig worden. Et eius antecessor Proles:
Ich hette traun Hieronymus nicht mugen haben zu eim prior;
er ist wol so wunderlich gewest.
Veit Dietrich ist entschieden besser und reicher. Den
Passus über den Schaden, den Hieronymus Luther getan,
27 27
hat Dietrich-Medler wohl absichtlich weggelassen, ebenso die
Ausführung über die Frauen. Den einleitenden Satz, wonach
Hieronymus ein Ketzer war, könnte Dietrieh-Medler von sich
aus hinzugefügt haben.
504. V. D. Autoritas Christi docentis non fuit tanta,
quanta hodie nostra est. Sicut ipse dicit: Maiora his facie-
tis. Ipse est granum synapis, nos autem sumus frondes.
Dieit igitur: Me non voluerunt ferre in uno angulo docentem,
vos autem cogentur ferre in toto mundo, Praedicare Christum
est offendere carnem; praedicare carnem est offendere Christum.
687. D. M. Tempore apostolorum et nostro efficacius
praedieatum et fusius sparsum est euangelium quam tempore
Christi. Ideo dicit: Vos maiora facietis. Ego sum solum
granum sinapis, vos eritis eius palmites et rami, in quibus
aves nidulabuntur. Ego in angulo praedieavi, vos in tectis
et plateis et per totum orbem terrarum praedicabitis et
crescetis.
Veit Dietrich ist bei größerer Knappheit der Fassung
inhaltreicher, Die von ihm überlieferten Gedanken stehen
Luther sicher näher, als die, welche Dietrich-Medler bietet.
Der erste Satz ist bei Veit Dietrich echter als bei Dietrich-
Medler; letzterer mag ihn aus Vorsicht verändert haben. Zu
erfinden war der Satz Veit Dietrichs nicht. Veit Dietrich:
„Me- mundo“ ist kräftiger, also sicher lutherischer als
Dietrich-Medlers „ego - erescetis“. Der letzte Satz Veit
Dietrichs allerdings ist dem bisherigen Gedankengang nur
lose angeknüpft. Er mag im weiteren Verlauf der Unter-
haltung ausgesprochen worden sein.
510. V. D. Homo, qui est sine fide, non potest cogi-
tare nisi praesentia; post cum aliquid praeter spem accidit,
dicunt: Non putaram. Darumb mach man die welt, wie man
wil, so sagt si: Non putaram. Quia mundus est ille epulo
apud Lucam, sed christianus est Lasarus. Et tamen haben
wir ein forteyl fur der welt, quia das ampt ist vnser; wenn
si denn nit recht wollen, tune dicimus: So laß es, sed nomen,
saeramentum, baptismum non habebis. Hae ratione ist der
papa auch autf den bann kommen. Den forteyl haben wir
vor der welt vnd dem adel; zornen sie drumb, so mus
man es wagen. Es sol heyßen fraternitas. Nos habemus
ilum, qui dicitur Schef lemini, ipsi autem habent opes et
potentiam.
808. D. M. Mundus habet opinionem, quae est rerum
praesentium, et quidquid inde evenit, dicit: Non putaram.
28 28
Fides autem est rerum futurarum et absentium. Ideo chri-
stianus non dicit: Non putaram. Quidquid est in mundo, est
epulo ille, der gonnet dem Lazaro die Brocken nicht. Lazarus
est Christus.
Dietrich-Medler hat nur den ersten Teil von Veit Dietrich
(der zweite klingt in 807 an). Der Relativsatz „der gönnet
usw.“, ist verdächtig, da er den Gedankengang völlig unter-
bricht, auch im Evangelium keine Stütze hat. Der zweite
Teil Veit Dietrichs ist besonders interessant, schon durch
den sehr treffenden (Dietrich-Medler nicht sympathischen ®)
Hinweis auf die püpstliche Bannpraxis. Die Frage ist, ob
die Überleitung von dem ersten Gedanken zum zweiten bei
Veit Dietrich echt sein kann. Diese Frage ist n. m. A. un-
bedingt zu bejahen; zwar hat der Vergleich mit dem reichen
Mann und armen Lazarus des Evangeliums für den zweiten
Teil eine andere Bedeutung als für den ersten (beim ersten
ist das tertium comparationis die Sorglosigkeit des reichen
Mannes, beim zweiten sein äußerer Reichtum und seine Armut
an inneren Gütern), aber Luther ließ sich eben hier im Ge-
sprüch durch das, was er gesagt hatte, zwanglos weiter-
führen.
518. V. D. — 701/2. D. M.
Dietrich-Medler bietet nur ein paar Bruchstüeke der
sehr langen und für Luthers Biographie besonders wichtigen
Rede).
Entschieden besser als Veit Dietrich ist dagegen Dietrich-
Medler in folgendem Falle.
1) Rörer und die von ihm abhängigen Handschriften lassen ihn
auch bei der Abschrift aus Veit Dietrich aus!
2) Hier ein Beispiel, wie mitunter der Text von Tischreden ver-
derbt werden konnte: an einer Stelle, an der er ein durchaus in den
Zusammenhang gehörendes Wort eines Kardinals zitiert, hat V. D.
den Ausspruch eines andern Kardinals am Rande notiert. Dieser
letztere Ausspruch — es ist der bekannte „mögen die Bestien (d. h.
die Hussiten) essen usw.“ — stört den Gedankengang der Tischrede
empfindlich. Luther hat ihn sicher bei anderer Gelegenheit erzählt
und V. D. ihn nur hier am Rande notiert, um ihn gelegentlich ander-
wärts zu verwenden. Rörer und nach ihm Obenander und Bavarus
aber haben ihn trotz aller Sinn widrigkeit in den Text auf-
genommen; Aurifaber schon hat übrigens diesen Fehler wieder gut
gemacht.
29 | 29
394. V. D. Anima est in qualibet parte corporis tota.
Ex hoe fundamento baptisant nondum plene editum foetum.
Augustinus late hoc tractat. Sie si digitum pungo, totum
corpus sentit, ergo etiam eum baptiso digitum, baptiso totum
corpus. Ego non volo baptisari. De elemento autem non
euro, was man habe. Placet quidem verba diei. Man lasse
die kinder vnserm Herrn Gott befolhen sein. Die selbe tauff
geht mich nit an. Porro verbum est praecipua pars baptismi.
Si non adsit aqua in necessitate, es sey wasser oder bir,
so ligt nit dran.
1030. D. M. An puer manu, pede, capite aut alia
eorporis parte saltem natus debeat in illa parte baptisari?
Respondit: Non, quia oporteat integre nasci hominem, ante-
quam aqua et spiritu renascatur. Quod autem sic a nonnullis
baptisetur, error ille ortus est ex Aristotele, qui dixit animam
esse in qualibet parte corporis totam.
Secundo rogatus, utrum infans ab obstetrice baptisatus
domi debeat denuo baptisari in templo a sacerdote? re-
spondit: Non.
Tertio: Si autem desit aqua pura seu munda aut omnino
nulla haberi possit et vinum aut cerevisia adsit, num ex
alterutro istorum possit baptisari? — Hie diu deliberans
tandem dixit: Hoc ipsum iudicio Dei relinquendum esse, sed
tamen quidquid ad balneum aecommodum est, pro baptismate
etiam adhiberi possit.
Die Parallele zeigt, daß Veit Dietrich einmal auch völlig
versagen kann, nämlich im ‚zweiten Teil seiner Niederschrift,
während er allerdings im ersten Luthers Worten näher stehen
dürfte als Dietrich-Medler!) Er läßt die Frage nach der
Gultigkeit der Taufe durch die Hebammen völlig weg. Ganz
dunkel sind an der Stelle, wo sie stehen, die Worte: „die-
selbe Tauff geht mich nit an“. Sollte hier ein verirrtes
Bruchstück von (auch bei Dietrich-Medler nicht überlieferten)
Bemerkungen Luthers über den baptismus conditionalis vor-
liegen? (vgl. Enders IX S. 11ff.; auch Cordatus gibt hier keinen
Fingerzeig; bei ihm T. R. 2, S. 630 Z. 1 lies natürlich aqua
Statt aliqua). B
Eigenartig liegt der Fall bei dem Vergleich zwischen
412. V. D. und 1044. D. M. — einem der Beispiele, die zeigen,
1) Es ist unverkennbar und ja auch im hóchsten Grade natür-
lich, daß nicht nur V. D., sondern auch andere Tischgenossen, vielleicht
sogar alle, in den ersten Teilen ihrer echten Nachschriften häufig
besser sind, als in den spüteren,
30 3U
daB für manche wichtigste Fragen die Tischreden von ge-
radezu entscheidender Bedeutung sein können.
412. V. D.
officiosum - debet
Mendacium triplex iocosum - potest | feri.
perniciosum - nee debet nec potest
1044. D. M. Quadruplex est mendacium. Primum
iocosum, èin guter, lecherlicher bosse, quo oblectantur homines
vel maesti gaudio afficiuntur. Secundum officiosum, quod
proximo commodat, ein gute, nützliche lugen, et ex chari-
tate fluit, ut proximus eo servetur. Qualis fuit Abrahae,
cum diceret Sarai uxorem esse suam sororem; Michal Dau-
idem liberavit, et quale est Elizei 4. Regum 6.: Non est via
haec neque civitas. Tertium perniciosum, nach weltlichem
lauff liegen, id est, triegen, schaden thun. Quartum impium,
quo Deus blasphematur. Duo priora sunt laudata, quia non
obsunt; posteriora duo non sunt ferenda, quia et homines et
Deum laedunt. Est et aliud mendacii genus, necessarium
videlicet, quanquam non multum a secundo, id est, officioso
differat; et boc fieri sine peccato potest, si non accesserit
iuramentum: warlich, trawen, bey Gott ete.
Es ist mehr als fraglich, ob hier eine echte Parallele
vorliegt, und nicht vielmehr eine scheinbare. Man kann
annehmen, daß Luther die Lehre von der Lüge, die ibn so
viel beschäftigte, nach dem Dezember 1532 (Zeit der Nieder-
schrift Veit Dietrichs). fortgebildet hat und daß eben Dietrich-
Medler das Resultat seines weiteren Nachdenkens darüber
‚bietet. Daß 1044 Dietrich-Medler eine „Erklärung“ von 412
(Veit Dietrich) darstelle, wie Grisar’) und nach ihm
W. Köhler?) annehmen — diese Auffassung ist weit abzu-
weisen, da in den beiden Überlieferungen ganz Verschiedenes
steht. (Auch abgesehen davon, daß die drei Arten der Lüge,
die Veit Dietrich hat, in anderer Reihenfolge aufgeführt
werden, als die drei ersten der fünf, von denen Dietrich-
Medler berichtet.) Wollte man daran festhalten, daß eine
echte Parallele vorliege, so könnte man sich nur durch die
Annahme helfen, Veit Dietrich habe eine derartige Klassi-
fikation der Lüge von Luther schon öfters gehört, deswegen
bei Tisch nicht nachgeschrieben, sondern nach dem Gedächtnis,
1) Historisches Jahrbuch 34, S. 236.
*) Zeitschrift f. K. G. 35, S. 277.
31 | 31
aber nachdem er bei Tisch nicht gut aufgepaßt und so nicht
bemerkt, daß Luther dieses Mal etwas anderes sagte. Wahr-
scheinlich ist das alles nicht.
Auf alle Fälle bleiben sowohl Veit Dietrich wie Dietrich-
Medler wertvolle Quellen. Es ist nicht abzusehen, wie die
Nachschreiber eine so kühne Äußerung wie „debet fieri“
oder die Weiterbildung bei Dietrich-Medler erfunden haben
sollten. Die letztere erhält überdies eine Stütze an Cordatus,
also einem zweiten Zeugen, der eine zweifellos ursprüngliche
Parallele bietet. Nach den beiden Tischreden wäre es an der
Zeit, den Begriff mendacium officiosum bei Luther trotz aller,
auch sprachlicher Bedenken“ als ,Pflichtlüge* aufzufassen
(debet fieri, ef. offieium caritatis, die Notlüge davon ge-
trennt!). Damit verschwindet natürlich jede „Laxheit“ aus
Luthers Lehre von dieser Lüge. Luther zeigt einfach, daß
er auch auf diesem Gebiet tiefer gedacht und ehrlicher ge-
sproehen hat, als andere vor ihm und nach ihm: es liegt
auf der Hand, daß Lüge Pflicht sein kann, nämlich wo das
Nichtlügen in höherem Grade unsittlich wäre, als das Lügen,
z. B. häufig in der Tätigkeit des Staatsmannes, im Kriege,
aber gelegentlich auch in andern Lagen. Es kommt eben
vor, daß der Mensch sich Situationen gegenüber befindet,
in denen sich nur zwei Möglichkeiten des Handelns bieten,
die beide für sich betrachtet als unsittlich erscheinen. Daß
diese Erkenntnis für alle, die nicht über ein lutherisch ge-
schärltes Gewissen verfügen, sehr gefährlich ist, liegt auf
der Hand. Deswegen wird Luther die stärkste Formulierung
seiner Erkenntnis (debet fieri) nur im kleinen Kreise seiner
Tischgenossen gebraucht haben?)
Genau wie der Vergleich Veit Dietrichs mit Schlagin-
bauffen ergibt auch der mit Dietrich-Medler eine ganze An-
zahl von Beispielen, bei denen beide Nachschreiber den einen
1) Die Erklärung mendacium officiosum als „officium caritatis“
dürfte doch mehr sein als ein , Wortspiel^, wie Kóhler, Luther u. die
Lüge (Schriften d. Ver. f. Ref.-Gesch. 109/110) S. 163 sie nennt.
*) Zum Ganzen vgl. Köhlers oben S. 30 Anm. 2 u. S. 81 Anm. 1
zitierte Schriften; Grisar a. a. O. ferner dess. Luther 3 S. 1016 fl.;
A. V. Müller, Luthers theolog. Quellen, 1912, S. 226 ff.; Sodeur,
Luther und die Lüge, Leipzig» 1904.
32 32
oder andern Satz gemeinsam tüberliefern, um dann ganz ver-
schiedenes, nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Ge-
danken nach zu berichten.
443. V. D. Cum aliquando biberet optimum vinum,
dicebat: Wir glauben nit, das vns vnser Herr Got mehr geben
wer denn den bauren, quihus dat tam bonum vinum, fruges,
ova, gallinas ete. immo omnes creaturas. Unum autem non
dat, nempe se ipsum. Possumus autem inde colligere, quid
nobis sit daturus, siquidem improbis et blasphematoribus
suis tanta dona tribuit.
825. D. M. Deus omnes creaturas rusticis donat atque
adeo etiam custodiam Angelorum, saltem se ipsum non, ideo
frustra laboratur rusticis in scribendis libris, hos enim non
legunt.
Von demselben Gedanken ausgehend, der bei Veit Dietrich
lebhafter eingeführt und breiter wiedergegeben wird, bieten
die beiden Nachschreiber verschiedene Fortsetzungen. Man
könnte versucht sein, wie oben S. 22, beide Nachschriften zu
kombinieren, indem man den letzten Satz Veit Dietrichs hinter
den letzten Dietrich-Medlers setzt, als Abschluß des ganzen
Gesprächs.
444. V. D. — 694/7. D. M. |
Hier sind einige Gedanken gemeinsam (Judith ein Ge-
dicht, Tobias ein guter Familienvater usw.) Im übrigen
haben Veit Dietrich und Dietrich-Medler verschiedenes auf-
gezeichnet. Bei letzterem fehlt z. B. die Bemerkung über
Hiob, bei Veit Dietrich die Heranziehung des Beispiels Homers,
die Sätze über Baruch (696) usw. Ähnlich steht die Sache
bei dem Vergleich von 446. V. D. mit 817—823. D. M.
Mehrere Sätze (z. B. die zwei Hexameter) sind beiden Über-
lieferungen gemeinsam. Die Mehrzahl aber ist nur von einem
der beiden Nachschreiber überliefert. Die besonders inter-
essanten Sätze Veit Dietrichs, wonach Luther den Erasmus,
nach Überwindung schwerer Bedenken, mit der Feder zu
töten beschlossen, wie er auch den Müntzer getötet habe,
hat Dietrich-Medler gewiß absichtlich weggelassen (822 hat
davon doch nur eine zarte Andeutung). Auch hier schreibt
Veit Dietrich „rücksichtsloser“, also besser nach. Eine schein-
bare Unstimmigkeit liegt im folgenden vor: Nach Veit Dietrich
hat Luther ihm den Haß gegen Erasmus feierlich anbefohlen
33 33
(doch sagt Luther „vobis“, nicht, tibi“), nach Dietrich-Medler
dagegen dem Jonas und Bucer: Luther wird in Gegenwart
von allen dreien gesprochen haben! Oder sollte Veit Dietrich
eine Aufzeichnung des Jonas abgeschrieben haben?
III.
Vor dem Vergleich von Rabe mit Schlaginhauffen ist
zunächst eine Vorfrage zu beantworten: liegen wirklich ur-
sprüngliche Parallelen vor? Koffmane!) hat angenommen,
daB Sehlaginhauffen von Rabe abhängig sei. Kroker hat
sich mit zunächst vorsichtiger Kritik gegen ihn gewandt
(Arch. f. Ref.-Gesch. 7 S. 88) und die Möglichkeit angedeutet,
daß umgekehrt Rabe von Schlaginhauffen abgeschrieben habe,
um sich dann in der Weimarer Ausgabe (2 S. XIX) ent-
schieden für das Vorliegen einer selbständigen Überlieferung
bei beiden auszusprechen. N. m. A. ist im ganzen zweifellos
dieser letzteren Ansicht Krokers zuzustimmen, freilich viel-
leicht nicht für alle Nachschriften Rabes, die Parallelen zu
Schlaginhauffen bieten. In einigen Fällen dürfte Krokers
frühere Vermutung (Abhängigkeit Rabes von Schlaginhauffen)
zutreffen: eine Anzahl nicht allzu kurzer Stücke?) zeigt eine -
immerhin auffallende wörtliche Übereinstimmung (die kleineren
Abweichungen können in der Überlieferung liegen), so z. B.
1905. R. — 1700. Schl. („eer“ hinter ehr bei Rabe ein be-
kanntes Schreiberversehen). Hier wäre natürlich gegenseitige
Abhängigkeit möglich, dagegen liegt wahrscheinlich Ab-
hängigkeit Rabes von Schlaginhauffen in folgendem Falle vor:
1914. R. Adam non fortior fuit peccando quam Christus
satisfaciendo.
1832. Schl. Collatio Adami et Christi. Adam fortior
fuit peccando quam Christus satisfaciendo. Ista quaestio
aut omnino negetur aut per instantiam solvatur, quia non
potest solvi per interemptionem. Sic solvo: Das Gott so
zornig soll sein, ut non velit plures salvare quam damnare,
1) Die handschriftliche Überlieferung von Werken D. Martin Luthers
{Liegnitz 1907) I, 8. XX. |
*) Bei ganz kurzen Stücken, wie z. B. 1917. R. — 1882 Schl.
(vier Wörter) erweckt natürlich die wörtliche Übereinstimmnu; *, ..n
Verdacht.
Archiv für Beformationsgeschichte. XVII. I. 3
34 34
non est verum, quia misit Filium suum Christum. Ja, dieis,
plures sunt impii quam pii. Hie suspendemus organa nostra;
weiter lab vns nitt disputirn, sondern Gott beuehlen.
Rabe gibt in aller Kürze das Resultat der längeren Er-
ürterungen Luthers, die Sehlaginhauffen überliefert, wonach
der umgekehrte Satz (Adam fortior fuit peccando quam
Christus satisfaciendo) falsch ist. Dabei ist es sehr wahr-
scheinlich, daß er das auf Grund einer schriftlichen Vorlage
getan hat, nicht der Tischrede.
Fast sicher aber hat Rabe in folgendem Falle von
Schlaginhauffen abgeschrieben. In 1920. R. finden wir,
wie in 1845. Schl. „haben, horen, sehen“ (vgl. oben S. 19).
Rabe hat höchstwahrscheinlich das falsche haben von Schlagin-
hauffen übernommen. Schlaginhauffen kann nicht von Rabe
abhängen, da er hier viel mehr bietet als’ letzterer.
Immerhin fehlt der bündige Beweis dafür, daß Rabe
also in einigen Fällen von Schlaginhauffen abhängig ist.
Dagegen läßt sich mit vollkommener Sicherheit nachweisen,
daß echte Parallelen vorliegen z. B. in folgendem Falle.
1912. R. Von herezen bitten vnd armer.leut klagen richten
ein geschrey an, daß es alle Enngel muessen horen im himel.
Winseln, zittern, leben in Gottes beuehl vnd in der noth ist
ein gewiß zeichen einner krannckheitt. Vnser lieber Gott
mues große ohren vnd ein scharpffs gehore haben.
1812. Schl. Gemitus piorum. Gemitus et suspiria cordis
richten ein geschrai ahn, das es alle Engel mussen horen
im himel. Also zage Mose auch, da er ans rote meer kam,
schrei er mit zittern, winslen und bidenen, o Herr, Herr was
sol ich nun thun? wo nun aus? wie kom ich darzu? Ich
werde alles des volckh schuldig werden, das hie ist. Et
Deus respondit: Quid elamas? Als wolt er sagen: Wie uil
geschrei machstu ete. Sed nos legimus, äc si esset mortua
litera. Vnser Herr Gott ist großer denn die welt; noch sagt
er zu Mosen: Quid clamas? Er hatt mussen große gemitus
haben, das er im die ohren also gefüllt hatt. Es ist ja
wider alle vernunft zugangen, das sie durchs rotte mehr sein
zogen, den es ist sinus Arabicus vnd wol so breit als gen
Koburg, XXX milia, aufs wenigest gen Magdeburg; sie haben
auch drinnen mussen futtern vnd essen, denn sechs mal
hundert tausend man an weib vnd kind, wenn sie gleich
zu 50 braitt sein gangen, noch hats mussen weil haben.
Den ersten Satz hat Habe offenbar, ebenso wie Schlagin-
hauffen, mitgeschrieben (mit einer charakteristischen Ande-
35 | 35
rung s. u.). Dann hatte er „winseln und zittern“ notiert
oder im Gedächtnis behalten, um zu Hause etwas dazu
zu phantasieren, was Luther gar nicht gesagt hat; ganz
ebenso ist er auch weiter unten mit dem Bruchstück „große
Ohren“ verfahren, das entstanden ist aus „große gemitus",
„das er ihm die Ohren also gefüllt hat“ („große Ohren“
kommt aber auch bei der Parallele Cordatus 2658a vor).
Hier haben wir schon einen Fingerzeig für daß Maß
der Zuverlässigkeit Rabes.
1915/16. R. Man soll, vnsern Herrgott nichtt fragen:
Quare hoe facis: Wir sollen thun, was vns beuohllen wirdt,
vnd darnach nicht fragen: Quare?
Gott hette dj wellt wol muegen vngeschaffen lasen,
sed ereavit, ut ostenderet gloriam et potentiam suam.
1833. Sehl. Creatio mundi. Gott hett woll die welt
mugen ungeschafen lassen, sed creavit, ut ostenderet gloriam
et potentiam suam. Man soll vnsern Gott nitt fragen: Quare
hoc facis?
Rabe hat die beiden Sätze, die Luther gesprochen,
einzeln notiert und sinnwidrig umgestellt. Den zweiten Satz
von 1915 mag er selbstündig hinzugefügt haben. Ab-
hüngigkeit des einen Nachschreibers vom andern erscheint
ausgeschlossen.
Ganz zweifellos echte Parallelen liegen z. B. ferner vor
bei 1924. R. — 1861. Schl. (einiges gemeinsam, sonst ver-
schiedene Gedanken) und bei 1928. R. — 1747. Schl. Daß
Schlaginhauffen hier selbständig nachgeschrieben, erzählt er
selbst mit allen Einzelheiten; daß Rabe nicht von ihm ab-
hängig ist, ergibt sich daraus, daß er eine andere Wendung
des Gedankens bringt.
Über den vergleichsweisen Wert beider Nachschreiber
ist das Urteil im Grunde schon durch die Beobachtungen
über 1912. R. gesprochen. Allein es bleibt dennoch in-
teressant festzustellen, daß Rabe in einer bestimmten Richtung
Änderungen an Luthers Worten vornimmt. Kroker hat
(T. R. 2 S. XIX und S. 257 Anm. 18) hervorgehoben, daß
Rabe mit Vorliebe diejenigen Äußerungen Luthers aufge-
zeichnet hat, die gegen den Adel — gemeint ist der niedere
Adel, „Junker Scharrhans“ — gerichtet- waren. Allein man
muß weiter gehen: Rabe hat nachweislich in diesem Sinn
EN
e
36 36
Worte Luthers geändert oder ergänzt). Zunächst läßt sich
die Beobachtung allgemeiner fassen: Er schreibt, wenn man
so will, mit „sozialer“ Tendenz nach.
Wenn er in 1912 zunächst denselben Satz überliefert,
wie Schlaginhauffen 1812, so fügt er doch eine charakteristische
Wendung ein: „armer Leut“ klagen. Die Worte passen
durchaus nicht in den Zusammenhang, wie ihn Schlaginhauffen
uns überliefert, und Luther hat sie ganz sicher nicht gesprochen.
In den folgenden Beispielen ist nicht immer die voll-
ständige Sicherheit vorhanden, daß echte Parallelen vorliegen.
Der Nachweis der Tendenz bleibt aber auf alle Fälle inter-
essant.
Sicher beweisen läßt es sich in folgenden Fällen, daß
Rabe in der adelsfeindlichen Richtung Einschiebungen macht.
1904. R. Die pfaffen wissen, das ir Herr Christus sey
ein priester gewesen, vnd wo das die vom adell nit gleuben
so seind sy deb Teuffels.
Cain war ein boswicht; er hatt es aber nicht sein wollen,
vnd do er dj promission erlanget: Quieunque occiderit Cain,
septuplum punietur, die hatt in harrtneckiger gemacht. Er
wird aber ein frumer scheinnender werckheilige gewesen
sein vnd wollen ja nicht impius sein; wie vnser adell.
1690. Schl. Cain ein boswicht. Der Cain war ein bos-
wicht, er hetts aber nitt sein wollen, den do er hatt gehort:
Quieunque occiderit Cain, septuplum punietur, illa promissio
hatt in nur hert neckiger gemacht, vnd wirt also ein feiner
scheinender werkheilig gewesen sein vnd ja nicht wollen
impius sein.
Rabe hat die durchaus nachhinkenden Worte: „wie vnser
Adell“ (die übrigens auch bei Cordatus fehlen) frei hinzu-
gedichtet: Luther hätte einen so sinnlosen Vergleich niemals
angestellt; dem Adel war wohl jede schlechte Eigenschaft
eher nachzusagen, als Scheinheiligkeit.
1910. R. Summa medicina summa infirmitas, summus
theologus esí summus peccator.
!) Bekanntlich hat Luther hüufig sehr scharf auch tiber den
niederen Adel geurteilt (um ein Beispiel zu nennen: T. R. 3535),
ebenso wie über alle andern Stände. Er hat aber nicht,» wie Babe
das glauben macht, sich vorwiegend gegen den Adel gewandt und
vor allem nicht diese Urteile gegen den Adel, ohne jede Rücksicht
auf den gedanklichen Zusammenhang, immer wieder erneuert.
37 37
Ein edelmann lest sich duncken, er verstehe das euan-
gelium besser denn Sanct Paulus.
1779. Sehl. Summa medicina est summa infirmitas,
summum ius summa iniuria, summus theologus est summus
peccator. — Haec dixit ad me, quando dixi me vivere se-
eundum regulam Philippi.
Rabe (der summum ius summa iniuria wegläßt), hat
Luthers Worte vollkommen falsch verstanden: er meint, mit
summus theologus sei ein sozial hochgestellter Theolog ge-
meint. Daraufhin erfindet er seinen zweiten Satz sinnwidrig
hinzu — wieder in adelsfeindlicher Richtung.
1937. R. Juncker scharrhans wurde nicht so stoltziren,
si non audissent magistratum esse a Deo, et a nobis didi-
cerunt, et tamen nos persequuntur. Nun, werden sie vns
verderben, so sollen sie nicht lannge bleiben.
1856. Schl. Hertzog Georg, alii principes vnd Junckherr
Scharhans wurden nicht so stoltz sein, si non didicissent ex
euangelio magistratus officium esse ordinationem Dei ete.
Et tamen persequuntur illud. Nu, werden sie es vertreiben,
so sollen sie nicht lang bleiben, das wil ich inen ein eid
schweren.
Hier läßt Rabe den Herzog Georg und die alii principes
weg, weil er sich ausschließlich für Junker Scharrhans
interessiert.
In folgenden beiden Fällen läßt es sich nicht beweisen
daß Rabe die Bemerkung über den Adel von sich aus ein-
schiebt, aber es ist nach den obigen drei Beispielen doch
sehr wahrscheinlich.
1907/8. R. Dei sedes est eor contritum et humiliatum;
da will er wonen. Vnser Herrgott kann keinnen stolez leideu
vnd mues vbell straffen.
Ferdinandus mus her hallten, Denmarckt ist gestrafit,
der Frennckisch adell ist auch gestrafft, Frannckreich ist ge-
straft, Venedig ist gestraft. So ich vnsern vnd den Meis-
nischen adel auch gestraft sehe, so will es vbell zu gehen,
denn sie wissen alles; es kann nicht außen bleyben.
1771. Schl. Vnser Herr Gott ist ein solcher man, der
kein vbel vngestraít lest. Ferdinandus muß herhalten, Den-
marckh ist gestraft, ist gestraft, ut non supersit heres, Franck-
reich ist gestraft, Venedig ist gestraft.
(Cordatus steht Sehlaginhauffen nahe.)
1922/3. R. Mundus eum principibus ef nobilibus putat
se reguare, sed non regnat. Doctores theologiae non putant
38 38
se regnare, sed regnant. Unam conscientiam erigere plus
est quam centum regna habere,
Nobiles, die junckern, gleuben nicht, das sie die pfaffen
erballten. Wie die Juden meinten: Wann Christus bliebe,
so wurden die Romer kummen. Do aber Christus von ihnen
kam, da kamen die Romer. So wird es vnsern scharr
hannsen auch gehen; wann dj pfaffen von inen komen, so
werden sie vber vnd vber gehen.
1855. Ror. Bos. Unam conscientiam desperabundam
erigere est plus quam multa regna habere. Mundus vocat
iam nos eversores doctrinae, turbatores pacis. Certe erit
sibi ipsi propheta, etsi magno dolore videamus. Sic de
Christo Judaei: Si dimittemus hune, venient Romani et tollent
etc. Da sie aber Christum tod schlugen, da kamen sie
nieht? Ja, ich mein, sie kamen vnd machten ein garaus mit
inen. Sie contemptores et inimici verbi erunt turbatores
paeis et eversores Germaniae, quando sublati fuerimus. Ipsi
sie volunt babere ete.
Luther dürfte auch in diesem Zusammenhang viel eher
von den Feinden des Wortes gesprochen haben, als von den
Scharrhausen! .
Aus dem Vergleich von 1930. R. mit 1810 Schl. ergibt
es sich, daß auch abgesehen von der oben behandelten
Tendenz Rabe mehrfach eine minder gute Nachschrift gibt
als Schlaginhauffen.
1930. R. Gott achtet die konige vnd fursten wie die
kinder das kartenspil. Es ist balt vmb ein menschen gescheen.
1810. Schl. Gott acht die konige, wie ein kartenspiel
die kinder achten. Weil sie spielen, haben sie sie in iren
benden, darnach werffens in ein winekel, vnter die banck
oder ins kerich. Also tut Gott auch mit den potentaten.
Weil sie im regiment sind, helt er sie fur gut, aber so bald
sie es vbermachen, deponit de sede vnd leßt si da ligen ut
regem Daniae etc.
Der zweite Satz bei Rabe ist ganz matt und wohl
sicher von ihm dem ersten, wirklich nachgeschriebenen, frei
hinzugefügt.
Das Gesamturteil über Rabes Tischreden dürfte nach
alledem nicht günstig ausfallen. Der ausgeprägt eigenartige
Stil der von Rabe überlieferten Tischreden ist Rabes Stil,
nicht der Luthers, Ihm gegenüber ist noch weit größere
Vorsicht geboten, als bei den anderen hier behandelten Nach-
schreibern. Immerhin kann trotzdem auf den einen oder
39 39
andern Fall hingewiesen werden, bei dem seine Überlieferung
der Schlaginhauffens vorzuziehen sein dürfte.
1931. R. Dux Joannes Fridericus est dux mirabiliter
iracundus et tamen ita moderatur iram suam, das mich es
verwundert. Ich wollte gern, das er lennger studirt hette
oder vnter einnem scharpffen zuchtmeister gewest were. leh
fürchte seines sinnes meer dann seines glucks.
1556. Schl. Dusz Fridericus sapiens est. Dux Joannes
Friderieus est dux mirabiliter iraeundus et tamen ita mode-
ratur iram suam, quod mirum est. Et est salus Germaniae,
est sapiens et prudens princeps. Er hatt sein funf sinn;
Gott erhaltt in vns lange zeit, amen.
Das, was Schlaginhauffen bietet, macht einen durchaus
zugunsten Johann Friedrichs zurechtgemachten Eindruck.
Est salus Germaniae konnte vor dem Regierungsantritt schwer-
lich gesagt werden. Allerdings kann ursprünglich spes da-
gestanden haben. Es ist kein guter Grund dafür anzuführen,
daß Luther nicht kritische Bemerkungen gemacht haben
sollte, ähnlich wie Rabe sie überliefert (vgl. Rabe 1933).
Schlaginhauffen hat sie wohl aus Vorsicht weggelassen (doch
vgl. allerdings Schlaginhauffen 1564, wo er sehr kritische
Bemerkungen Luthers über Johann Friedrich aus dieser Zeit
mitteilt).
1931. R..Herezog Friederich sas vnd lies im rathen,
thett die augen zu vnd signirt dj rethe, nach einander; zu
leezt sagtt er: der rath kann nicht besteen, der kein guete
vrsach hatt, oder daraus kein guet ende volget. Grund vnd
ennde gehort sich im rath wol zu bedenncken.
1738. Schl. Duces Saxoniae. In disem fursten (Kurfürst
Johann) ist summa elementia gewesen, in Friderico summa
prudentia; wenn die zwen fursten ein person weren gewesen,
so wer es monstrum. Hertzog Friderich saß, lies im ratten,
thet die augen zu vnd signirt die rede an nach einander,
vnd zu letzt sagt er vnd sprach: Also khan diser rat nitt
bestehen: das vnd das kompt draus.
Schlaginhauffen bietet im ganzen sehr viel mehr von
den Worten, die Luther aus Anlaß des Todes des Kurfürsten
Johann gesprochen, Rabe hat nur die Darstellung des Ver-
haltens und der Worte Friedrichs des Weisen beim Vortrag
seiner Räte. Hierbei ist er aber ausführlicher und besser.
Das Ergebnis der obigen Untersuchungen kann in fol-
gende Sätze zusammengefaßt werden: Veit Dietrich schreibt
4) 40
von den hier behandelten Tischgenossen im allgemeinen am
besten nach.
Rabe ist mit besonderer Vorsicht zu benutzen.
Wir können uns nur sehr selten darauf verlassen, in
unseren Überlieferungen Luthers eigene Worte vor uns zu
haben. Aber sehr vielfach bieten die Tischgenossen auch
dem Sinn nach nur Bruchstücke von dem, was er gesagt hat.
Trotzdem bleiben die Tischreden eine überaus wertvolle
Quelle. Nur muß vorsichtig aus ihr geschöpft werden. Die
innere Kritik, die vor allem nach der gedanklichen Ge-
schlossenheit des Überlieferten frägt, muß immer wach bleiben.
kin unbekanntes deutsches Lied
des Paul Schede Melissus.
Von Dr. Remigius Stölzle.
Max Herman Jellinek schreibt in seinem Buch: ,Die
Psalmenübersetzung des Paul Schede Melissus“ ), von ori-
ginellen deutschen Dichtungen des Melissus sei wenig auf
uns gekommen. Er verweist auf die fünf von Zinkgref
in seiner Sammlung abgedruckten Gedichte?) des Melissus
und hält noch an zwei weiteren Gedichten wenigstens einen
Anteil des P. Melissus für wahrscheinlich. Ich glaube ein
unzweifelhaft echtes, und soviel ich sehe, unbekanntes
deutsches religiöses Lied des P. Melissus mitteilen zu
können, auf das ich bei Gelegenheit meiner Forschungen
zur Pädagogik im 16. Jahrhundert stieß. In einem Sammel-
band der Stadtbibliothek zu Danzig, der ich für freundliche
Übersendung des Buches hierher verbindlichen Dank aus-
spreche, findet sich eine Schrift: „Symbolum Jacobi Monawi*).
Ipse faciet Variis Variorum Auctorum Carminibus expressum
et decoratum. Cum nonnullis appendicibus. Gorlicii. Jo-
hannes Rhamba excudebat. MDXCV‘. Der „Appendix
ad tres de symbolo carminum libellos“ hat auf Seite 251
die Anmerkung: ,Libuit at calcem duas cantilenas ab optimis.
1) Herausgegeben v. Max Herman Jellinek. Halle a. S., Max Nie-
meyer 1896 (Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. u. 17. Jahrh.
Nr. 144—148) S. VIII—X,
*) Auserlesene Gedichte deutscher Poeten gesammelt von Julius
Wilhelm Zinkgref 1624 Halle a. S, 1879 (Neudrucke usw. Nr. 15)
S. 4—5; 5—7; 7—8; 11—13; 13—14.
3) Monavius, Jakob (1546—1603), Rat in Liegnitz und Brieg,
bereiste Italien, Frankreich und Holland und starb za Breslau.
1) Signatur Cf 841, —
42 42
Poetis et Musicis factas de sententia germanica frequenter
et libenter usurpata“ und läßt nun folgen:
1. Ein Lied von Paul Melissas mit Noten !).
2. Auf Seite 255 —256: „Cantilena altera,^ Im Thon:
„Ich hab mein Sach zu Gott gestelt^ ete. Oder „Kompt her
zu mir spricht Gottes Sohn ete.^ 6 Strophen über das Thema:
„Ach Gott schick alles zum besten.“ Strophe 1 beginnt mit
Ach, Strophe 2 mit Gott, Strophe 3 mit Schick, Strophe 4
mit Alles, Strophe 5 mit Zum, Strophe 6 mit Besten,
also eine Art Akrostichon. Das Lied trägt S. 256 die Unter-
schrift: Nathan Chytraeus in gratiam amieissimi sui fac. 1588.
Es ist also offenbar für die von Jakob Monaw veranstaltete
Sammlung gedichtet. Wackernagel: „Das deutsche Kirchen-
lied bis zum Anfang des 17. Jahrh. (1864—1871)* A. F. W.
Fischer: „Kirchenliederlexikon“ (Goth: 1878), Eduard Emil
Koch: „Geschichte des Kirehenlieds und Kirchengesangs
der christlichen insbesondere der evangelischen Kirche“
(Bd. II, 297 —298. 3. Aufl. 1866 — 1877) erwähnen das Lied
nicht. Ob es unbekannt ist, habe ich nieht weiter untersucht.
Ich setze die erste Strophe des Liedes von Nathau Chytraeus her:
„Ach herr ich seufftze allein zu dir |
Denn du allein kanst helfen mir
Aus all meinem Eleude:
Und hast mir auch geholffen zwar _
Sehr offt aus Leibs und Seeln gfahr
Wilst helffen auch zu ende.“
3. Ein Lied mit Musiknoten S. 257—263 von Sebastianus
Ambrosius, Diener des göttlichen Worts in der Stadt Keyb-
marck im Zips mit der Aufschrift: „Ein Gebet zu Gott dem
Herren | umb Vergebung der Sünden | und schenkung des
heyligen Geistes, durch welches Regierung diD gegenwertige
Leben im rechten Glauben und desselben warhafftigen Früchten
eines Gottseligen Wandels vollführet | und endtlich mit einem
seligen Stündtlein möge beschlossen werden. Gerichtet auf
den wunderschönen Spruch des 37. Psalms: Devolve super
Jehovam viam tuam, et confide in eo, et Ipse Faciet.^ Das
Lied hat 12 Strophen, die Anfangsbuchstaben jeder Strophe
1) Melissus ist außerdem mit mehreren lateinischen Ge-
dichten an dem Symbolum beteiligt. S. 16. 288. 308. 369.
43 43
ergeben das Akrostichon Jacobus Monaw. Die erste und
letzte Strophe schließen mit den Worten: „Du wirst es alls
wol machen.“ Die erste Strophe lautet: |
„In aller meiner Angst und Noth
Ich meine Seel erhebe |
Allein zu dir mein Herr und Gott |
Dir ich mich ganz ergebe |
Nach deiner Trew |
Steh du mir bey |
Dir bfehl ich all mein sachen |
Auff dich hertzlich |
Verlaß ich mich |
Du wirst es alls wol machen.“
Uber den Autor des Liedes enthalten die oben genannten
Werke von Wackernagel, Fischer und Koch keine Angaben.
Nun zum Liede des Paul Schede Melissus. Ich
finde es in keinem der genannten Werke verzeichnet, weder
bei Jellinek noch bei Zinkgref; auch die Werke von
Wackernagel, Fischer u. Koch kennen es nicht. Auch
Zahn, Evangelischer Liederschatz, kennt das Gedicht nicht,
wie Herr Prof. Friedländer mir mitteilt. Ich teile das Lied .
samt der Melodie mit. Es lautet a. a. O. S. 251—254:
„Ach Gott Schick Alles zum besten“).
l.
„Ach leyder, was unglück
Was grawsam gefar
Ist uns allzeit entgegen?
Stets wird nan gewar
Verschrenckter List und Tück
Di sich mit Trüg erregen.
Allerley müngel und bresten
Man sicht und spürt |
Manch Zwangsal uns berürt |
Ach Gott schikk Alles zum besten.
2.
Gott| der du weyß und klug
Schawst init Augen klar
All ding wie schlimm es geet |
Wie kanst jmmerdar
Gedulden solch unfug
Di so vielfalt entsteet?
1) Dieser Vers kehrt als Refrain am Schluß jeder Strophe wieder.
44
Dern di mit Trang uns belesten
Seint zwar on zal|
Der groest tail tut beifal.
Ach Gott schikk alles zum besten.
8.
Schikk uns Trost| Mut und Herz |
Uff daß angetast
Vom Feind wir nicht erligen:
Sondern aim Palm-ast
Gleich | der getrückt abwerts |
Uns auffwürts gegenbigen.
Da dein Volk Israel presten
Vil tausend Mann
Es dannoch Sieg gewan
Ach Gott schikk alles zum besten.
4.
Alles ist unterton
Herr deiner Volmacht
Du stürtzen kanst Tyrannen
Samt yrm stolz und pracht,
Ob si schon wern hoecher schon
Als stark Alpische Tannen
Kanstu sie wol bald abquesten.
Das dein gewalt
Di Oberhand behalt.
Ach Gott schikk alles zum besten.
5.
Zum ergsten kert die Welt
Was du gut mainest |
Tut es zu boden stauchen.
Drum auch must ainest |
Wis deim urteil gefelt
Di scherfste Rute brauchen.
Unfrid | Teurung und Sterbpesten
Lest gen im schwang |
Frommen ist angst und bang;
Ach Gott schikk alles zam besten.
8.
besten Rat mit gedult
Finden wir bei dir
Zu seiner Zeit bequemlich |
Nach unser hertzgir
Woellest aus gnat und hult
Tun was uns ist annemlich.
44
45 45
Auch uns rings umher befesten
Mit Engelschutz :
Feinden zu wern yrn trutz |
Ach Gott schikk alles zum besten.“
E.—1——1—1—I.- I >
1 2 3
Autore Paulo Melisso, 1578.
24. Aug. Patavij.
Paul Melissus verließ bekanntlich 1577 die Pfalz und
ging nach Italien und wurde 1579 in Padua Comes Palatinus,
Eques auratus und Civis Romanus, wie ich Jellinek a. a. O. S. II
entnehme. Unser Lied stammt aus der Zeit seines Aufent-
halts in Padua.
Das ernste Lied, das auch auf unsere Lage im Weltkriég
gedichtet sein könnte, hat als Kehrreim: „Ach Gott schick
alles zum besten.^ Gleichzeitig verbindet es die sechs
Strophen dureh eine Art Akrostichon, indem die erste Strophe
mit Ach, die zweite mit Gott, die dritte mit Schick, die
vierte mit Alles, die fünfte mit Zum, die sechste mit Besten
beginnt. Diese Anfangsworte der sechs Strophen ergeben
den Vers, der auch als Kehrreim dient: „Ach Gott schick
alles zum besten.“ Über die Melodie des Gedichtes gehen
die Ansichten der Fachleute auseinander. Herr Geheimrat
Dr. Max Friedländer, Professor der Musikwissenschaft an
der Universität in Berlin, hatte die Freundlichkeit, mir da-
rüber folgendes Urteil zur Verfügung zu stellen:
„Ich halte die Melodie für sehr unbedeutend; sie erinnert in
manchen Takten stark an das hölzerne, lederne Meistersingerlied
„ach hülf mir Leyd", das 180 Jahre hindurch `“ Deutschland ver-
breitet und sehr beliebt war (Neudruck u. &. 1. visıencrong Werk:
Deutsches Leben im Volkslied um 1530 v. 147).“
46 | 46
Anders urteilt der bekannte Komponist, Herr Simon
Breu, Professor am Konservatorium der Musik in Würzburg.
Er schreibt:
„Die Weise von Melissus ist unserem modernen melodischen
und tonalen Empfinden zwar fremd, aber wenn man den Text mit
der Melodie vergleichend in Verbindung bringt, so findet man, daß
letztere die ernste Stimmung des Gedichtes treffend wiedergibt“.
Herr Dr. Johannes Wolf, Professor der Musikwissen-
schaft an der Universität Berlin, hatte auf Ersuchen die
Güte, folgendes Urteil über die Melodie zu fällen:
„Die Melodie ist großzügig, rhythmisch reich und ausdrucksvoll.
Das Notenbild läßt eine Mischung von zwei- und dreiteiligem Rhythmus
erkennen. Die Weise enthüllt erst ihre ganze Schönheit nach der Hin-
zufügung jener chromatischen Veränderungen, die jeder gebildete
Musiker der Zeit ohne weiteres hinzufügte.“ (semitonia subintellecta.)
Dazu fügte Herr Prof. Dr. Johannes Wolf die Über-
tragung in moderne Notation. Diese lautet:
WWS
Ach ley- der, was un- glück, Was graw sam gfar Ist
P ^ 4 ^^
— —
uns all- zeit ent- ge- gen! Stets wird mau ge- war Ver-
schrenck-ter List und Tück, Die sich mit Trüg er - re-gen.
2 8 EN 2
Al- ler- lei män-gel und bre-sten Man sicht und spürt. Manch
Zwang- sal uns be-rührt, Ach Gott! schick al- les zum be- sten.
1) b in der Vorlage offenbarer Druck- oder Schreibfehler. (An-
merkung des Herrn Prof. Wolf.)
e
Johann Laski und der Abenteurer
Heraklid Basilikus.
Von Th. Wotschke.
Nach einem vierzehntügigen Aufenthalte in Warschau,
wo Vergerio am 21. Januar 1557 kurz nach Schluß des
Reichstages und nach der Abreise des Königs nach Wilna
eingetroffen war und inmitten der noch versammelten Land-
boten in seinem bekannten Eifer für die Reformation gewirkt
hatte, war er nach Krakau aufgebrochen. Bis zum 23. Fe-
bruar weilte er in der polnischen Königsstadt, um dann nach
Posen sich zu wenden. In dem Hause des bekannten Johann
Boner, dem er soeben die Lowitscher „Formula fidei* mit
der ihr gegenübergestellten Württembergischen Konfession
gewidmet hatte, mag er abgestiegen und mit seines Gast-
freundes Onkel Johann Laski zusammengetroffen sein. Hier
predigte ja dieser, soweit es seine schwache, durch die an-
strengende Heimatfahrt im Spätherbst des vergangenen Jahres
noch mehr geschwächte Gesundheit und dazu seine Arbeit
an der polnischen Bibelübersetzung des Orsatius gestattete,
In seinen Gesprüchen mit Laski wird der ehemalige Bischof
von Capodistria auch jenes griechischen Ritters und Aben-
teurers Jakob Heraklid Basilikus!) gedacht haben, den er
Ende Juni 1556 in Melanchthons Hause getroffen, der in
diesem Monat durch die Dichterkrönung zweier jungen Neu-
lateiner sich einen Namen an der Leukorea gemacht?), der.
ihn vielleicht auf seiner Reise von Wittenberg nach Mecklen-
1) Über ihn vgl. Wotschke, Kirchengeschichtliches vom rumä-
nischen Kriegsschauplatze. Theolog. Literaturbericht 1917, S. 29—84.
*) Vgl. Wotschke a. a. O. S. 29. Das griechische Zeugnis, das
Melanchthon im Namen des Heraklid dem jungen Dichter Zacharias
Prütorius ausstellte, findet sich Corp. Ref. VIII S. 837 Nr. 6006,
48 48
burg begleitet hatte, und der ihm dann im folgenden November
nach seiner Rückkehr aus Wilna in Königsberg wiederbegegnet
war. Wußte er doch, daß dieser Abenteurer soeben auf die
Kunde von dem Aufbruche des Königs von Warschau nach
Wilna nach Lithauens Hauptstadt geeilt war, am 23. Januar
sich vom Herzoge Albrecht an den polnischen Herrscher hatte
empfehlen lassen. Laski, der selbst zur Reise an den könig-
lichen Hof sich anschickte, mußte ihn dort treffen, kannte
ihn gewiß auch schon, zum mindesten aus den Berichten
anderer, etwa des Grafen Volrad von Mansfeld, unter dem
der griechische Ritter gedient hatte.
In der Tat sehen wir den polnischen Reformator, der
am 17. März in Wilna eintraf') und hier einen Monat beim
Fürsten Nikolaus Radziwill ehrenvolle Gastfreundschaft ge-
noD, bald in enger Verbindung mit Heraklid. Das Bekenntnis
zur Reformation, die gemeinsame Verehrung des Herzogs AI-
brecht, die gemeinsame Wertschätzung Melanchthons führte
sie und etliche andere wie Johann Trzecieski, den namhaften
Humanisten, Stanislaus Kossucki?) den königlichen Biblio-
thekar und Übersetzer der Erziehungslehre des Marburger
Lorichius, Johann Maczinski®), den Radziwillschen Geheim-
Sekretür, zusammen. Ein junger Wilnaer Theologe Cyprian,
der in Heraklids Dienste trat, auf seine Fürsprache vom
Könige damals den Adelsbrief erhielt, sich seitdem nach
seinem Gönner Heraklid Basilikus’r ınnte, empfing aus Laskis
oder seines Begleiters Utenhove Hand den ersten Teil der
bekannten Geschichte der Londcr. r Fremdengemeinde, die
Utenhove im nächsten Jahre na-:. der Schweiz schickte, wo
sie Oporin in Basel endlich März 1560 druekte*) Er hat
sie später ins Polnische übersetzt und seinem Märtyrerbuche
1) Über Laskis Reise von Krakau nach Wilna vgl. Kunheims
Briefe vom 26. Februar und 21. März 1557 an Herzog Albrecht bei
Wotschke, Abraham Culvensis. Altpr. Monatsschrift XLII, S. 205f.
*) Vgl. Wotschke, Erasmus Glitzner. Jahrbuch d. Vereins f.
Kirchengesch. Posens 1918, S. 6.
3) Vgl. Wotschke, Vergerios zweite Reise nach Preußen und
Polen. Altpr. Monatsschrift 1911, S. 252 f.
*) Calvin lehnte es ab, die Vorrede zu schreiben, der Genfer
Drucker Crispin, das Buch zu veröffentlichen, Kalisch, den 26. März 1558
‚schrieb darauf Laski die Vorrede.
49 49
beigegeben). Da Cyprian musikalisch interessiert war!),
mag er auch den königlichen Kapellmeister Bakfark aus
Ungarn, der gleichfalls Beziebungen zu Herzog Albrecht hatte,
und seinen Schwager Lorenz Kryszkowski, «den späteren
Unitarier?), in den Kreis um Laski und Heraklid gezogen
biben. Auch Erhard von Kunheim, der Bruder jenes Georg
Kunheim, der Luthers Tochter Margarete heimgeführt hat,
Hofmeister der Königin, von Herzog Albrecht beauftragt,
Heraklids Anliegen beim Kónige zu unterstützen, mag ihm
nicht ferngestanden haben. Interessant ist das Schreiben,
das der griechische Abenteurer dem Herzoge sandte*): '
) Vgl. Wotschke, Geschichte der Reformation in Polen. S. 261.
2) Vgl. sein Schreiben an Herzog Albrecht, da er ihm eine musi-
kalische Komposition schickte: „Ab infantia usque mea semper mihi
hoc erat curae, ut in summorum virorum, eorum potissimum, quos
homines suspiciunt omnes, gratiam devenire possim hoc ipsum collo-
cans magnae felicitatis loco, si iu principum clientela vivens eorum
patrocinio et gratia non contemnenda gauderem. Et cum audirem
Ill. Cels»is V. heroicas virtutes et opera magnifica, quorum fama totum
ferme penetravit orbem, optavi, ut saltem liceret manum Ill. Celsnis V.
cum humillima servitiorum meorum commendatione exosculari, Illa
etiam Ill. Celsris V. vere christiano principe digna pietate atque adeo
erga omnes studiosos gratia singulari fretus induxi in animum III.
Celsni V., domino meo clementissimo, aliquid laboris mei dedicare, nt
eo ipso gratiam Ill. Celsn!s V, mihi conciliare et in numerum clien-
tum Ill. Celgnis V. pervenire possim. Etsi autem huius rei mihi conscius
sim, hoc munusculum meum tanto principe minus dignum esse, credo
enim Ill. Celsnem V, longe meliora ab excellentissimis nostrae aetatis
musieis habere, nihilominus tamen gratiae Ill. Celsnis V. fidens spero
Ill. Celgnem V, tam benignis auribus velle audire corvi strepitum atque
cygni dulcissimum cantum, quandoquidem cygno canente liberum est
corvo crocitare. Quapropter obnixe peto, illustrissime princeps, ut hoc
parvum munusculum a me oblatum placido vultu excipere meque in
eua gratia atque patrocinio clementer conservare dignetur. Dominus
deus Ill. Celgnem V. diu nobis servet incolumem ad reipublicae christianae
utilitatem et ecclesiae suae consolationem. Dat. Vilnae 29. Novembris
anno salutis 1560, III. Celsris V. humillimus servitor Cyprianus Hera-
clides Basilicus,
5) Über Bakfark und Kryszkowski vgl. Wotschke, Vergerios
zweite Reise nach Preußen und Litauen. Altpr. Monatsschrift 1911,
g. 266 ff.
*) Das Schreiben ist wie sämtliche andere Urkunden dem Staats-
archiv in Königsberg entnommen.
Archiv für Reformatiousgeschichte, XVII. 1. 4
50 50
Illustrissime princeps, domine clementissime. Quod su-
perioribus diebus V. C. nullas scripserim literas, causae, quod
nullum adhue a regia maiestate acceperim responsum, ascri-
bere velitis, non meae negligentiae. Nolui itaque intermittere,
quin oblata occasione V. C. de statu omnium rerum mearum,
quarum V. C. solum fuisse promotorem scio, certiorem red-
derem, imprimis vero pro omnibus beneficiis a V. C. mihi
exhibitis similiter pro honesta commendatione gratias quam
maximas habeo, et si non satisfacere possum, ad minimum
pro beneficiis cognoscere possum ac potero. Regiae maiestati
servitiis sum obstrietus et devinetus, imprimis vero dona-
vit me 300 taleris, equum quoque pro mea persona polli-
citus est. Insuper promisit se cum Turca de restitutione
meae patriae aeturum, quo mea duleissima patria potiri pos-
sim, et propter hane solam eausam se missurum proprium
legatum ad Tuream. Praeterea offendi hie legatum patri-
arehae Constantinopolitani, euius frater est episcopus Sami
et agnatus Pari, cui totum negotium commisi. Non dubito
. favente divina clementia me patriam iterum habiturum et
recepturum, Huius tantae spei et solatii principalem causam
fuisse V. C. agnosco. Ab illustrissimo principe palatino Vil-
nensi multis beneficiis sum affectus ac in dies afficior, qui
imprimis ex singulari sua pietate et impulsione marischalchi
reginae, ad quem V. C. scripsit meo nomine, mea negotia
apud s. r. maiestatem tractavit. Rogo itaque V. C. etiam atque
etiam, me apud ill. prineipem palatinum Vilnensem literis
data occasione aliqua commendare meque in numero vestro-
rum ministrorum ae intimorum retinere dignetur, ut sua
celsitudo videat V. C. esse adhuc memorem sui servi.
Fuit et hie, illustrissime princeps, domine clementissime,
diebus superioribus dominus a Lasco, homo multae et ad-
mirandae eruditionis, virtutis ac pietatis, qui ubique pietatem
et alias virtutes V. C. occasione aliqua oblata praedicabat,
imo etiam gloriabatur de multis et ınagnis donis a V. C. sibi
exhibitis. Cum tam bene affectum illum erga V. C. viderem,
interrogavi, utrum nobiscum sentiret de iustificatione. Ille
publice multis praesentibus et audientibus, qui nos haereseos
damnant, dixit se nos omnes et Osiandrum habere pro
fratribus in Christo neque illum suo suffragio ab ecclesia
expellere, imo omnes dicebat, qui vos et Osiandrum hereseos
damnant, pessime facere et horribiliter peccare. „Quicquid
enim“, inquit, „Osiander scripsit, eius habuit legitimam cau-
sam, et qui seribunt contra ilum et tanquam haereticum
damnant, male faciunt.“ „Sed hoc“, inquit, ,possunt dicere
et scribere in usurpatione vocabulorum fuisse errorem, sed
non haeresim". Quod mihi valde placuit itaque haec V.C.
scribere volui. Utinam atque utinam aliquando daretur
51 | 51
occasio, ut a V. C. vocaretur, ut sua authoritate et doc-
trina illos nostros adversarios confunderet. Quantum de
sacramento attinet, dixit mihi et omnino voluit, ut etiam
V. C. scriberem se libenter velle convenire eum omnibus ef
rem in terminos tales constituere, ut omnes conveniamus, ne,
inquit, sit divisio inter evangelicos in gaudium et exultationem
papistarum et scandalum priorum. Non laudavit Philippum
Melanethonem, quod ita in prima epistola Pauli invehatur
in Osiandrum. Vilnae 23. die Aprilis. V*** Celsvis dedi-
tissimus servus Basilicus despotas.
Als Heraklid diesen Brief schrieb, war Laski bereits
aufgebrochen, um ttber Großpolen nach Krakau zurück-
zukehren. Hierher lenkte auch Heraklid nach kurzer Teil-
nahme an dem kampf- und ruhmlosen Kriegszuge gegen den
Ordensmeister Fürstenberg seine Schritte. Sigismund August
hatte ihm Empfehlungsbriefe an den Sultan mitgegeben, der
Abenteurer scheint anfänglich also nach Konstantinopel sich
haben wenden zu wollen, aber Laski und seine Freunde
Stanislaus Lasocki und Hieronymus Philippowski, die Führer
des unternebmungslustigen kleinpolnischen evangelischen
Adels, hielten ihn fest. Er hatte zur reformierten Abend-
mahlslehre sich bekannt und seine Verwandtschaft mit dem
Hospodar der Moldau Alexander „entdeckt“, der mit ihm am
Feldzug gegen Livland teilgenommen. Konnte er nicht viel-
leicht an Alexanders Stelle zum Herrn der Moldau sich auf-
schwingen und dieses Land der Reformation erschließen?
Mit Herzog Albrecht blieb er im Briefwechsel, sandte ihm
auch sein Buch über kriegstechnische Fragen, das er im
Anschluß an die Livlandfahrt, vielleicht unter Benutzung
des Kriegsbuches des Hieronymus Laski, geschrieben und
das Trzecieski mit Versen begrüßt hatte. Als der Hohen-
zoler ihm am 28. Oktober 1557 dankte?), ihm sein Bild
) 1554 lief das Gerücht um, Herzog Albrecht würde Laski zum
Bischof berufen. Wotschke, Herzog Albrechts Briefe an Laski.
Altpr. Monatsschrift S. 45, 459.
5) „Serenissime domine. Binas literas a Dominatione Tua supe-
rioribus his diebus accepimus, alterae Horatium Curionem commen-
dabant, alterae vero de disciplina militari librum sibi habebant con-
iunctum, Utraeque non dubias Domnis T. erga nos veri amoris conti-
nebant significationes, propter quas nobis etiam erant gratiores.
Horatium autem, tum ut Dom»is T. consiliis, qnae amplectebamur,
4*
52 | 52
und eine Geldunterstützung schickte, gab er dem Boten ein
Schreiben an Laski mit. Er war über dessen Aufenthalt
fieret satis, tum quia ex minerva eius elucebat coniuncta cum prudentia
bonitas et pietas, nobis adscivimus. Reditum in sua Domni T. non
invidemus praecamurque deum Dom»is T. coepta consiliaque feliciter
promoveat provehatque. Sed mólestius id ferimus, quod multa adhuc
reliqua habeamus, de quibus cum Domne T. conferre eupiebamus, et
id quidem non tam eo quod militiae terrenae aucupemur gloriolam
affectemusque, ut qui ad coelestem potius aspiremus, quam quod ei
studio a pueritia dediti nobis ipsis nunquam faciamus satis, Et quod
. cupiamus commentationes nostras prodesse posteris aut certe nostris
testatum faciamus, nos de disciplina militari veteri undique premen-
tibus nunc hostibus non abiecisse curam studiumque, remittimus librum,
ut, quae desideramus, suppleantur aciebusque numeri sui addantur, de
quibus coram Horatius noster, Effigiem nostram, quam Domtio T. petiit,
mittimus et viaticum, tenuius id quidem et opinione sua et nostra
voluntate, sed quid faciamus? Tantum non exhausti et quantos hoc
tempore fecerimus sumptus, Domtio T. facile aestimare potest. Hoc
solo Dom»i T. satisfaciemus, quod vestri memoriam nunquam sumus ,
desopituri. Contra postulamus de suis rebus et Turcicis frequentes ad
nos mittat literas, Valeat Domtio T. quam felicius. Konispergae
28. Octobris a 1557."
Heraklid antwortete: „Ill. Celsnis V, literas accepi cum effigie ac
viatico, pro quibus infinitas gratias ago. Mihi enim ista a Celane V.
gratissima sunt sciens animi sui erga me propensionem, et cum mihi
nunc alius modus non sit gratiarum agendarum, humanitatem, benevo-
lentiam, liberalitatem suam ac infinita in me beneficia praedicare vhique
non cessabo. Quod d. Horatium iu suum servitium acceperit. n
mediocriter gaudeo non solum illius causa, quod tanti principis servi-
tium assecutus sit, sed etiam Ill. Celsnis V., quod sciam illam: habi-
turam servum industrium, fidelem atque diligentem et, quo magis eo
utetur, sibi gratiorem. Si mihi experientia notus non fuisset nec
existimassem eum idoneum futurum, profecto nunquam nec ipsum nec
alium quemvis commendassem. Quare rogo Celsnem V. III., gratiosam
illi se praebeat et non facile malevoli cuiusque voluntati credat. Is
quoniam servos suos ae supellectilem hic non invenit, cogitur Schluzcii
usque proficisci ad ducem Sclucensem. Ibi quamprimum fieri potuerit,
se expediet ac ad Ill. Celg"em V, se conferet. Ego iam in ipso discessu
sum sperans me brevi et patria et patrimonio potiturum, de quo gaudeo,
quoniam erit mihi maior occasio demonstrandi benefactoribus ac pa-
tronibus ( meis animi gratitudinem. Librum corrigam ac per d. Hora-
tium mittam. Deus Ill. Celsnem V. cum ill. coniuge et filio ill. in per-
petuum incolumem servet, V. Celsnis humilis servitor BDaoskıxös
Lennòrye.
53 | 53
im unklaren!), schrieb deshalb auch am 30. Oktober an
dessen Neffen Nikolaus Laski, scheint ihn aber in Heraklids
Nähe vermutet zu haben.
Laski arbeitete damals an einer Verschmelzung aller
Evangelischen Polens zu einer einigen polnischen National-
kirche. Für diesen kirchenpolitischen Plan gewann er
Heraklid. Da er nur hoffen konnte unter Zustimmung und
mit Einwilligung des Herzogs Albrecht seinen Plan zu ver-
wirklichen, bestimmte er Heraklid, seinen Einfluß auf ihn in
dieser Richtung geltend zu machen. Er veranlaßte ihn,
Utenhoves Agende dem Herzog zu schicken, diesen und ihn
selbst in zwei Schreiben dem Herzog zu empfehlen, als er
im Verfolg seiner Absichten sich Neujahr 1558 zur Reise
nach Königsberg entschloß).
lllustrissime princeps... Saepe meis literis solitus sum
multos commendare V. Cels, quod non impudentiae, sed
hono animo adscribere dignetur, etiam atque etiam rogo.
Scio enim et ipse V. Celsvis pietatem expertus sum, de qua
minime abutens sed utens soleo bonos et honestos, qui
propter religionem patiuntur persecutionem, commendare.
Num eos ita gratos V. Cels"! esse scio, ut per beneficentiam
vestram re ipsa experiantur. Superioribus diebus eum d.
Curione ad V. Cels"*" miseram una eum meo ministro quan-
dam formam precum ecclesiasticarum a praesentium latore
loanne Utenhovio descriptam una eum testimonio per rev.
d. loannem Alaseho dato sui exilii. Cum iam ipsemet d.
Utemhovius una cum rev. in Christo patre et propheta dei
d. Alasco in aulam V. Celsnis suum iter statuit, volui eum
paucis V. Cels! commendare, quamvis ca est pietate et vir-
tute praeditus, ut nullius indigeat commendatione. Quando-
quidem, ill. princeps, dietus d. Utenhovius ex equestris ordinis
familia prognatus, singulari prudentia, eruditione, pietate et
virtute praeditus est, adeo ut rev. d. Alaseo, ne meum tan-
tum iudicium adferam, non solum eum magnifaciat, verum
etiam, ut ab ipsomet rev. d. Alasco audivi, admiretur, cum
t) Vgl. Wotschke, Herzog Albrechts Brief an Laski. Altpr.
Monatsschrift 45, S. 460.
2) Konin, den 23. März 1558 bittet Laski auch Melanchthon, für
ihn an den Herzog zu schreiben. Daß er in diesem Briefe seines neuen
Freundes, der vor zwei Jahren Melanchthons Wohlwollen erfahren,
nicht gedenkt, kann nicht weiter auffallen. Er wird seit seiner Ab-
reise aus Krakau ohne Nachrichten von ihm gewesen sein.
54 54
vero propter veram, sanctam et catholicam religionem exi-
lium!) eum maxima rerum penuria patiatur, rogo V. Cels»em
obnixe et ut unus ex fidelissimis V. Celsuis servis peto et
obsecro, si propter illum meum animum erga V. Cels"*" fide-
lem aliquem V. Cels"* habeam favorem, ut istum nobilem
eommendatum habere dignetur iuvetque et suam humanitatem
et liberalitatem, quam solita est omnibus extraneis ostendere,
exhibeat, Nam praeterquam est deo gratum tantum virum
nobilem propter Christum dominum exulem iuvare, tanta est
virtus in homine, quod ubilibet terrarum doctissimis viris
reformatoribusque passim ecelesiis, ubi faliniater (!) est notus,
V. Cels”!s pietatem, liberalitatem patefaciet et praedicabit.
Ideo iterum atque iterum obnixe rogo, ut re ipsa illam,
quam ego pietatem, liberalitatem praedicavi et praedico de
V. Cels"*, experiatur singularique amore ac favore suo prose-
quatur. Quantum rev. d. Alasci autoritas adversus maledieos
iuvabit, melius, quam ego scribere possum, intelliget. Quanta
bona praedicat et omnibus de V. Celsne sua rev. dominatio
dicit, seribere non possum, nam ubique, et ipse propriis auribus
audivi, non solum humanitatem, pietatem, liberalitatem,
sincerum erga Christum affectum V. Cels"i* dicit et praedicat,
verum etiam cum maximo affectu animoque benevolo contra
omnes maledicos, qui vel ex invidia vel insania aliquid egur-
gitant, se opponit defenditque. Quod certe signum est
maximae amicitiae et res non levis momenti, tantus vir tantae
autoritatis se malevolis, qua tamen digna est V. Cels@°, oppo-
nere, pluraque ego audivi et interfui. "Vestrae Cels"! sceri-
berem, nisi scirem V. Cels?! iam ante multos annos suam rev.
dominationem notissimam esse. Quod residuum est, rogo
deum, patrem domini nostri Jesu Christi, ut V. Celsnem Nesterios
annos servet incolumem, ut pii habeant aliquod refugium.
Datae Cracoviae, die 2. Januarii 1558. V. III. Cels”! fidelissi-
mus servitor Basilieus despotas Sami.
Etsi non sum bonus scriba, tamen manu propria V. Cels"!
IIl., ut cognoscat, quo affectu commendem istum pium nobi-
lem, scripsi.
Obwohl Heraklid schon in diesem Briefe Laski aufs
wärmste dem Herzog empfohlen hatte, richtete er am folgen-
den Tage für ihn an den Fürsten noch folgende Zeilen:
„Illustrissime princeps et domine domine clementissime. Post
debitam meorum servitiorum oblationem Cels"** V, certiorem
facere volui rev. in Christo patrem et prophetam dei, d.
Johannem Alascum visitandi gratia V. Celsnem accedere. Quo-
1) Sommer 1559 kehrte Utenhove nach England zurück. Am
. Juni dieses Jahres weilte er schon in Frankfurt a. M.
55 55
niam vero, illustrissime princeps, hic dietus d. Alascus, ultra
quam quod est vir admiranda pietate, prudentia, eruditione
et singulari virtute praeditus, tum et V. Cels" fidelissimus et
integerrimus servitor et amicus, imo talis ut V** Cels? vestri
honoris et famae per totam Poloniam, Lithuaniam, taceo
Prussiam et Germaniam, vix habeat studiosiorem, cuius
rei ego ipsemet aliquando sum testis, nam saepissime Vilnae
et in Polonia interfui, ubi Ve Celsnis aliquando aut per me
aut alium quendam V° Celsnis fidelem mentio est faeta, tum
si quidam malevoli suum venenum evomere sunt conati, tum
sua rev. dominatio non solum rationibus seripturarum, sed
etiam obiurgando pro suo solerti ingeuio eos confundebat;
multa alia ego observavi, quae me de singulari affectu erga
Vram Cels”em deditissimum certificarunt, ideo V**" Celsnem ro-
gare volui, ut dictum dominum reverendissimum singulari
humanitate, liberalitate et amore prosequi dignetur. Nam
quantum sua autoritate non solum verbis sed et scriptis suis
poterit obesse ealumniatoribus, V'* Cels? cogitet. Quapropter
supplex rogo V Cels"*», illum tali bonore, quo nunquam prin-
eipem vel comitem aut palatinum aliquem prosecuta est,
prosequi dignetur et ita liberaliter dimittere, ut unquam
aliquis a V Cels"* est dimissus, et, si fieri posset, annuo
stipendio sibi dedicare, quod et Vine III. Cels"'* filio et utile
et honorificum fore non diffido. Si Vre Cels? meis his preci-
bus et consilio locum dederit, non poenitebit et aliquando
pro eo mihi gratias aget. Cum sua rev. dominatione veniet
quidam nobilis, d. Utenhovius, singularis virtutis et pietatis
homo, magnae autoritatis apud rev. suam dominationem et
omnes nostras ecclesias, qui quoque propter evangelium et
confessionem exilium patitur, de cuius statu latius Ve Cels"!
scribam. Rogo obnixe, Vra Cels?» velit esse clemens. Deus
opt. max. Vn Celsnem Nestoreos in annos servet incolumem.
Datae Cracoviae 3. Januarii 1558. V*** III. Cels"* servitor
fidelis Basilieus, Despotas Sami manu propria.
Laski hat Heraklid nicht wiedergesehen, Als er von
seiner Reise nach Großpolen und Preußen zurückkehrte, war
der Abenteurer nach der Moldau zu seinem angeblichen
Verwandten, dem Hospodar Alexander, gegangen!) und als
1) Jassi, den 25. Mai 1558 bittet Heraklid den Herzog um Waffen:
„Confugio ad Vram Celgnem, ut nobis auxilio esse dignetur subministrans
arma aliqua ad includendum sicuti loricas vel squameas vel alterius
generis et aliquot pixides seu sclopetas cum binis levissimis et cam-
pestribus tormentis bellicis ex minimis, qua apud Vram Celsnom reperi-
untur. Res enim nostrae in huiusmodi sunt statu constitutae, ut non
absque aliquo motu bellico in patriam reverti sperem... Quidquid ad
56 | 56
er hier seines Lebens nicht mehr sicher war, zum Woiwoden
von Reußen, Prokopius Sieniawski’), und schließlich zum
Neffen des Reformators, Albrecht Laski, dem. Sohne des
Diplomaten Hieronymus Laski, dem berüchtigten Kondottieri,
nach Kesmark in Ungarn. Am 8. Januar 1560 starb Johann
Laski. Heraklid aber sammelte mit Lasockis, Philippowskis
und Albrecht Laskis Hilfe Ende 1560 Truppen, fiel in die
Moldau ein, schlug den Hospodar Alexander am 18. Nov. 1561
bei Werbia aufs Haupt und machte sich zum Fürsten der
Walachen?). Jetzt zeigte sieh, welchen Eifer für die Re-
formation Laski und seine Freunde in dem Herzen des grie-
chischen Ritters geweckt hatten. Ungeachtet aller entgegen-
stehenden Schwierigkeiten suchte er sie in dem eroberten
Lande einzuführen. In diesem Bestreben lieb er aueh nicht
nach, als er mit Albreeht Laski zerfallen war und ihm das
pfandweise überwiesene Chotin wieder abgenommen hatte“).
me mittere Vrae Celsni visum fuerit, vel per potvodas vel per navim
usque ad Sandomiriam et exinde huc dirigantur in Moldaviam penes
ill. d. Alexandrum, Moldaviae et Valachiae waiwodam.“
) Vgl. Wotschke, St. Lutomirski, Archiv f. Reformationsgesch.
III, 168.
3) Zur Ergänzung der Nachrichten, die jeh hierüber im Theo-
logischen Literaturbericht „egeben habe, verweise ich auf das Schreiben,
das Gabriel Tarlo Wilna, den 6. Januar 1562 dem Herzog Albrecht
sandte: „Daß der Despota den Woywoden aus der Wallachey Alexan-
drum vertrieben und das Landt mit List erobert und eingenuhmen,
werden E. F. D. zweiflelson dauon lengst bereidt I&untschalTt einpfan zen
baben. Und hatt derohalben gemelter Woywoda itzt sein Bottschaft
zu Lomsde, so woll auch der junge Wayda aus Siebenbürgen, boi
welchem er sich. wie man sagt, aufhalten solle. Was aber jre Ge-
werbe, kann man noch alhier nitt wissen, weil sie die Zeitt dieselben
bey der kön. Majt noch nitt abgeleget, die Zeitt aber wird es geben.
In Gemein will man es dafür achten. es werde der Despota schwer-
lich das Regiment lang fürenn, dan sich der türkisch Kayser des ver-
‚ triebeuen Waywoden ernstiichen annehmen vnd gentzlichen des Für-
habeus sein solle, inen widerumb zu restituirenn.“ Der Beglaubigungs-
brief, den Heraklids Kämmerer und Gesandter Leneze dein polnischen
Könige überreichte, vom 12. Dezember 1561 datiert, wie auch seine
Instruktion befinden sich im Königsberger Staatsarchiv.
3) Achill Scipio schreibt Lemberg, den 24. Januar 1563 dem
Herzog Albrecht: „Wie ich mith schwerer Krangheith in der Reyschen
Lembergk mein Krangheith gelegen, hath der walachische Woywoda
57 57
Den kleinpolnischen Geistlichen Johann Lusenski, der in
Zürich und Genf wohlbekannt war, berief er zum evan-
gelischen Bischof des Landes, den Ratschlägen des Laskischen
Sehwiegersohnes Stanislaus Lutomirski lieh er willig Ohr,
den bekannten Lismanino suehte er als Theologen zu ge-
winnen. Sein früher Sturz!) und Tod?) November 1563 aber
ala der Dysspodt das Schloß Chodtin dem Lasko mith Gwalt als mith
funfftan:end Man abwredrungen und eingenomen, welch Slog der wa-
lachische Woywoda dem Lasko zu einem I'fandschillingk vor seinen
darhgesezten Unkosten eingegeben, welchs achte ungeierlich vor Agnetis
gescheen, und das feste Hauß so in der Walachay leith zwo Meylen
von Kamenczen am Nester gelesen. Waß nhue ferner daraus er-
folgen wiell, wirth die Czeitk geben. Omne regnum in se divisum
dissolabitur.“ Über Achill Scipio Sehelleuschmidt, der eine Chronik
des deutschen Ritterordens verfaßt hat. vol. Wotschke, IIerzog Albrecht
uud die preußischen Chroniken. Altpr. Monatsschrift 49, S. 528,
D Wie Achill Seipio unter dem 14. Oktober 1562 aus Wilna te-
richtet, hatte Heraklid, um seine Stellung zu festigen, um die Hand
der Tochter des Fürsten Konstantin von Ostrog geworben. „Den
sy benden September ist die walachische Podschaft nach Kyow an-
komen und ... bey meinem gnedigen Fürsten Konstantino, Herzog zu
Ostrow, umb seine geliebte Tochter mith Namen Elisabeth ansprechen
lassen, das Sein Furstliche Grad. gemelten Welachen (als Dyschpoth)
nach christlicher Ordnung vertrauen. und geben woldt* Da die be-
gehrte Braut aber erst sieben Jahre alt war, lehnte Fürst Konstantin
die Werbung ab. Heraklid hat dann die Tochter des evangelischen
Woiwoden von Krakau Martin Zborowski. Christine, heimgeführt.
1564 warb um die junge Witwe der Ilanptmann von Samogitien Johann
Chodkiewieez. Dieser hatte 1550 in Leipzig studiert, war anfänglich
evangelisch, wurde aber durch Hosius (vel. sein Schreiben vom 30. Ok-
tober 1567, Hosii opera IT, 23) für den Katholizismus gewonnen und
mit ihm der Melanehthonschüler Georg Weigel ans Nürnberg, der
seine Königsberger Stellung aufgegeben hatte und in des Chodkiewitz
Diensten getreten war
2, A!l. Heraklid von den aufständischen Walachen unter Stephan
Tomza in Suczawa belagert wurde, eilte der Kosackenführer. und
Abenteurer Demetrins Wisniowlecki herbei, um ihn zu entsetzen. Er
hatte aber kein Glück. Erhard von Kunheim beriehtet Radom, den
21. September 1565 dem Herzog Albrecht: „Von Zeittungen ist sider
meinem nechsten Schreiben allier bey mir nichts sunderlichs für-
gefallen, allein das viel unbestündige hedenn gehenn, wie es jetzt juu
der Wallachey so wüst und seltzam zugene. Das letzte Geschrey aber
ist das, das man sagt, der Wischnewetzky sey gewislichen gefangen
vonn dem Thomze, welehenn die Wallachen für ein nenen Woywodenn
aufgeworffenn. Wo aber gemelter Wieschnewetzky hinkhowmenn. kann.
58 58
machte seinen verheißungsvollen reformatorischen Bemühungen
und den hohen Hoffnungen, die man in Königsberg und
Wittenberg, in Zürich und Genf für sein Werk hegte, — im
Theologischen Literaturbericht 1917 habe ich sie geschildert,
— ein jähes Ende.
Von den Wittenbergern war, wie schon erwähnt, Me-
lanchthon dem fahrenden Ritter Heraklid befreundet. Gern
batte er sich mit diesem in seinem geliebten Griechisch
unterhalten. Noch näher stand ihm aber Justus Jonas der
Jüngere, seit 1561 Lehrer des Kirchenrechts an der Leucorea,
der Sohn des bekannten Theologen, des besten Freundes
unseres Luther. Wittenberg, den 2. November 1562 schreibt
er dem Herzog Albrecht nach Königsberg'): „Ich kann
man noch nit wissen. Seine zwen Brüder sollenn jnn der Schlacht
blieben sein, den übrigen Polen, so auff seiner Seitten gewesenn, sollen
die Wallachen Nasen und Ohren abgeschnitten uud sie wieder also
jan Polen geschickt haben zum Zaichen, würdenn hinfurt mehr die
Polen wider die Wallachen etwas feindlichs fürnehmen, sollten sie
gleichfalls wie diese wiederumb zu den Ihrigen abgetertigt werden.
Der Despot aber soll vonn dem neuen Weywoden, welcher doch khein
‚Geschütz haben soll, zu Satzow hart belagert sein. Dig schreib ich,
wie man itzt albier dauon redet. Was aber die Zeit hernach gibt,
soll E. F. D. gleichfalls unverhalten bleibenn.“ An Tomza nahm Rache
der Woiwode von Podolien Georg Jazlowiecki, 1561 Gesandter in
Konstantinopel, der Schutzherr des Evangeliums in Jazlowiec südlich
von Buczacz, dessen Sóhne Andreas, Petrus und Jakobus 1568 die
Frankfurter Hochschule bezogen, Petrus 1563 schon die Leipziger, am
1. Oktober 1583 auch noch die Altdorfer, nach dem Tode des Vaters
(T 1575) freilich am 27. September 1585 auch die Ingolstadter, Der
Züricher Simler hat 1568 Georg Jazlowiecki neben anderen polnischen
Großen sein Buch „De aeterno dei filio Jesu Christo“ gewidmet.
1) Unter dem 18. März 1563 empfahl darauf der Herzog unsern
Jonas dem Fürsten Heraklid: „Cum honestus ac eruditus vir doctor
Justus Jonas in quibusdam negotiis in Valachiam Moldaviamque pro-
fecturus obnixe nos rogaret, ut se commendatione nostra, quam pro
amicitia nostra multum sibi profuturam esse confideret, ad Illtem Vram,
quae eum in longinguis ac peregrinis istis regionibus gratia et favore
complecteretur, prosequeremur, tanto facilius id a nobis obtinuit, quod
nobis exponeret Illi Vrae in Galliis, cum ibi cum comite Mansfeldensi
esset, notum fuisse eidemque, cum fortunam adversam haberet, obse-
quia sua animo prompto praestitisse. Illtem itaque Vram amice ro-
gamus, ut hunc doctorem Justum benevolentia prosequi dignetur."
In den Tagen, da Jonas diesen Empfehlungsbrief an Heraklid in
59 | 59
E. F. D. nicht bergen, daB mein gnediger her graff Volrath
von Mansfelt mich in die Walachey an den herren Despot
abzufertigen willens, mir auch zu solcher reise albereit pferde
vnd wagen zugestellt. Bin theglich der volkomlichen ab-
fertigung gewertig. Dieweil aber den herren bisweilen
allerley binderung vorfallen, so stehe ich soleher reise halben
noeh in Zweifel. Wo sie fort gehet, so will ieh meinen
weg stracks aufs landt zu Preußen zunehmen vnd von dannen
vormittels göttlicher hilffe vnd E. F. G. gnedigster furderung
durch land zu Polen in die gedachten lande zihen. Hoffe,
es solle mir aus soleher reise grosse wohlfahrt entstehen.
Dann ich hochgedachten hern Despot auch eine Zeit, als er
in Frankreich zu vufahl kommen, das leben geredt vnd von
dannen in Deutschlandt geholffen, do ihme dann wohlge-
daehter mein gnediger graf Volradt viel ehre vnd freundt-
schaft bewiesen, des er sonder Zweiffel eingedenk vnd mich
geniessen lassen wird. Do sichs aber zutrüge, das mich
wohlgedachte graffen nicht schickten vnd E. F. D. achteten
es dafür, das ich solche reise ohne sonderlich große euDerste
gefahr thun könnte, so were mein vnterthenigste bitt, E. F. G.
wollen mir die gnade erzeigen vnd mich von jhrentwegen
an gedachten hern Despoten abfertigen !). Was nuh E. F. D.
Wittenberg ausgehündigt erhielt, beschwerte sich über den Fürsten
bitter Albrecht Laski bei dem preußischen Gesandten Christoph Jonas
auf dem Petrikauer Reichstage. Petrikau, den 8. April schrieb er auch
dem Herzoge Albrecht kurz: ,Putavi non esse intermittendum, quin
Ill. Dom»! V. quid inter d. despotam, palatinatus Moldavici principem,
et me agatur, planum facerem, praesertim cum cacterjs christianis
principibus, quibus ab illo iniuriis affectus sim, indicaverim. Sed quia
in praesentia literas meas seriis et gravibus Ill. Domnis V, negociis
nolebam esse impedimento, nec fuit admodum ea mihi valetudo, ut
id praestare possem, d. Christophoro Jonae, Ill. Dom"is V, consiliario,
abunde enarrata commisi, ut Ill. Domni V. meo nomine referret."
ı) Vom 12. Dezember 1562 ist die Antwort des Herzogs datiert.
„Was die reyse jnn die Wallachey betrifft, heren wir gerne, daß euch
graff Volradt von Mansfeldt derer ort abzufertigen willens. Dieweyll
jbr aber doch noch in zweiffel stehet, ob solche reyse jren fortgang
gewinne oder nicht vndt vff den fall, das gedachter graffe anders
sinnes würde, bittet, wir euch die gnade erzeygen vndt vor vns hinein
schicken wollten, seint wir jn gnaden zufrieden, wo gemelter graffe
euch nicht schickte, das jhr euch nichts weniger zu vns hereyn be-
gebet, so wollen wir euch jn vnserm namen, dieweyll jhr dadurch
auch vermeint euren nutz zu schaffen, den wir jnn gnaden gerne
ferdern, dahin zum Despota abfertigen, vndt kann solche reyse ohne
gefhar vollendet werden. Der graff schicke euch nhun oder nicht,
ao wollet es also machen, daß jhr von gedachtem grauen werbung
60 oU
disfals jn gnaden vor guth ansehn, bit ich vnterthenigst,
E. F. D. wolten mir bey diesem bothen zuschreiben lassen,
disse dinge aber jn geheim zu balten gnedigst befehlen.
Schicket mich der graf, wie ich hoffe, so “will ich, ob gott
will, jnn kurz selbst bei E. F. D. sein.“
Zwei Monate später, am 10. Januar 1563, lübt sich
Justus Jonas dem Herzog gegenüber vernehmen: „Die reise
jn die Wallachey zu dem herrn Despot geht für sich. Nach-
dem sichs aber vieleicht noch ein wochen oder etlich ver-
ziehen - möchte, als bitt ich EK. F. D. aufs vnterthenigst, sie
wollen mir aulls erst, als es immer möglich sein kann, jn
gnaden vermelden, ob jeh auch bequemlich vnd sicher von
Konisperg aus der orthe kommen möchte. Denn etliche
meinen, es sey durch Siebenbürgen vnd auf die Schlesien
der negste und beste weg. Etliche meinen aber, der weg
durch land zu Polen sev der sicherste“). Ich bitt auis de-
mütigst vnd jn vnterthenigkeit, E. F. D. wollen mir disfalls
jr gnedigst bedenken vermelden lassen?)* Noch im fol-
ahn vns auch haben möget oder euch dermaßen stellen, als ob jhr
ettwas von ihme oder andern ahn vns zu bringen hettet, Jhe che
jhr euch nhun hereyn begebet, jhe besser solches ist, Wollet euch
derhalben selbst nieht säumen.“
1) Unter dem 7. Febrnar 1563 autwortete der Herzog: „So viel
eure walluchische reise belanget, könnet jr dieselbige vnsers erachtens
am fügliehsten vnd sichersten durch Preussen thuu vnd vortstellen,
darzu wir euch dann zu enr ankunfft ferire anleytung geben wollen,
. . . Was aber ener bitten der bewußten summa halben, damit jr vns
verhafft, belanget. das wir vff den fall, jr auff der value hischen reise
bleiben vnd mit tode abgehen soltet, eurem weibe alsdann die helffte
derselbigen erlassen wollten, wollen wir zu gott hoffen, der werde
auf dieser reisen, wie zuuoru auff anderen mehr geschehen, mit seinen
heiligen engeln bei euch sein.“
) Am 19. März 1565 ließ ihm Herzog Albrecht in Beantwortung
von drei weiteren riefen sehreiben: „Wir hätten rerne geschen, daß
solche reyse lengst jreu vortgang 1 well es aber nicht ge-.
schehen können, stellen wir solches nunmehr auch an seinen orth.
Wir weren aber noch woll wie zuuorn genesi, euch vor vnsere per-
son an denselbiren orth zu schicken, so i es aber an dem, das der
herr despot neulieber zeitt seine bottechaft bei vns gehapt, mit welcher
wir unumehr vnsere sachen, so wir bei s. |, auszurichten, vortgestellet,
daß wir dismal nichts bei s. I. zu thun haben und euch also jtziger
zeitt der mühe vberheben vnd die vnkosteu sparen können. Bedanken
vns aber cures vnterthenigen geneigten guiten willens vnd schicken
euch gleichwol vif den fall, das euch der von Mansfelt noch schicken
wirde, eurem bitten nach die vorschrifften an gedachten herrn Despoten.
—
61 61
senden Mai trug sich Jonas mit Reiseplänen. Am 9. dieses
Monats schreibt er dem Herzog aus Leipzig: „Mein gnediger
graf Volrath hat mich anher gen Leipzig beschieden in
meinung, mich in kurz in die Walaehey abzufertigen. Hoffe
bei seinen gnaden zu erhalten, daB ieh meinen weg auf
E F.D. lande zu nehmen möge, als will ich etliche gelegen-
heit vermelden, darob sie sich verwundern werden.* Eine
langwierige sehmerzliehe Krankheit, verbunden mit Kopf-
gicht, zwang Jonas, seine Reise weiter hinauszuschieben.
Dann liefen Nachrichten von Heraklids böser Lage, schließ-
lich von seinem Tode ein und machten sie unnötig.
Nachtrag. Einen Brief des Heraklid an Melanchthon
vom 23. November 1556 aus Brüssel bietet Crusius, Turco-
gräcia.
Anscheinend noch bevor Heraklid zu Albrecht Laski
kam, sandte dieser unter dem 13. November 1559 seinen
Sekretär Erasmus Krossenski zur Ordination nach Witten-
berg. Einen Brief an Melanchthon gab er ihm mit. Archiv VI,
S. 354. Als letzter des Jahres 1559 erhielt Krossenski die
Amtsweihe in der Elbstadt. Buchwald, Wittenberger Ordi-
niertenbuch 1 Nr. 1943, Für „vociert ad d. albertum anas-
eum in Kesmarch“ ist hier natürlich ad d. Albertum Alaseum
zu lesen. Das Ordinationszeugnis Corp. Reform. IX Nr. 6890.
Jener Johann Sommer, der im September 1562 zu Lublin
in Heraklids Dienste getreten war, an der Besitznahme
Chotins im Januar 1563 teilgenommen hatte, dann der Bi-
bliothekar Heraklids, auch Lehrer an der von ihm gegrün-
deten evangelischen Lateiuschule wurde und glücklicher als
der evangelische Bischof der Moldau, Johann Lusenski, Cal-
vins „gelieber Brude1*, der bei dem Aufstande der Walachen
vergiftet, dessen Frau gehenkt wurde, sein Leben zu retteu
wußte, ist nicht ein Sohn des Käsmarker Pfarrers Johann
Sommer, der am 22. Februar 1548 in Wittenberg von Bugen-
hagen die Ordination empfangen hat. Er stammte aus Pirna
und hat sich noch Frühjahr 1562 in Frankfurt einschreiben
lassen. Es ist der bekannte Antitrinitarier, der Clausenburger
Rektor. Wir verdanken ibm eine Lebensbeschreibung Heraklids.
Vgl. Legrand, Deux vies de Jacques Basilicos. Paris 1889. -
— — — — — ————
Melanchthon und das Interim.
Von Emanuel Hirsch.
Die Bonner Universitätsbibliothek besitzt (Sign.: G1 248)
einen Sammelband, der 26 Druckschriften wider das Interim
aus den Jahren 1548—1552 bietet. Vorn und hinten ein-
gefügtes freies Papier enthält z. T. handschriftliche Einträge.
Die Sammlung hat ihre Geschichte. Nicht völlig weg-
geschnittene Reste einer früheren (ersten) Zählung — in
der unteren rechten Ecke der Titelblätter — beweisen, daß
sie einst weniger umfangreich war. Nach der Neubindung,
in ihrem jetzigen Umfang, ist sie — auf der Mitte des
unteren Rands der Titelblätter — mit neuen Stücknummern
versehen (zweite Zählung), auch vollständig durchfoliiert
worden, wobei die freien resp. beschriebenen Blätter am An-
fang und Schluß — hier mit Ausnahme des ersten, das die
Zahl 574 trägt — unberücksichtigt geblieben sind. Der
moderne Bibliothekar hat mit Bleistift eine dritte Zählung
der Stücke hergestellt, welche die zwei Einträge am Anfang
einbezieht, also durchgehend die Nummern um 2 gegen die
zweite Zählung erhöht. Auf dem Titel des nach zweiter
Zählung ersten Stücks!) findet sich die Bemerkung: Ex
Bibliotheca D. Val. Ernesti Löscher Super Intend. Dresdensis
sibi | comparavit Pet. Middeldorff. die 1 Junij 1750.
Als 12. Stück zweiter, 10. erster Zählung findet sich:
» Bedenekc'; auffs | INTERIM | Der Theologen zu | Wittenberg. |
1548.", eine Schrift von vier Bogen, die Hinweise auf Druck-
7) Nr. 3—7 der zweiten Zählung sind als Nr. 2—6 der ersten
deutlich zu erkennen. In der ursprünglichen Sammlung hat also von
Nr. 1 und 2 der zweiten Zählung sicher eins gefehlt. Es liegt nahe,
sich Nr. l ala dem Ganzen vorgesetzt zu denken.
63 ͥ 63
ort oder genauere Druckzeit nicht enthält (das Datum am
Schluß — D3a: Finis Junij 16 —- meint die Abfassungs-
zeit, nicht die Beendung des Drucks). Wir haben in ihr
das C. R. VI 924 ff. wiederholte Gutachten vor uns, und zwar
den dort als archetypi editio secunda bezeichneten Druck.
Genauer Typenvergleich hat mir ergeben, daß er aus der
gleichen Offizin stammt wie Nr. 11 (zweiter Zählung')) der
Sammlung, und in Nr. 11 nennt sich als Drucker M. Lotther
in Magdeburg. Das stimmt zu dem bisher schon Bekannten,
daß die archetypi editio princeps in Mageburg hergestellt ist.
Das in unsre Sammlung geratene Stück des Witten-
berger Bedenkens hat nun den Vorzug, daß Melanchthon
selbst es in Händen gehabt und zu einer bis-
her noch nicht veröffentlichten handschrift-
lichen Eintragung wider das Interim benutzt
hat, wozu die drei leeren Seiten am Schluß [D3b und D 4]
Raum reichlich boten. Ich gebe diese Eintragung im folgenden
möglichst treu, allein unter Auflösung der Abkürzungen,
wieder und beginne dabei mit D 4b.
Oben auf dieser Seite steht, etwas mehr dem Heftrand
zu, zwei Zeilen beanspruchend, die Überschrift:
Responsio | ad Interim
Darunter ist ein Raum von etwa zwei Zeilen leer. Die tbrig- -
bleibenden drei Viertel der Seite zerlegen sieh für das Auge
in zwei etwa gleich große Hälften. Die obere enthält eine
Zeichnung mit Inschrift und seitlicher Beischrift, die untere
ein griechisches Doppeldistichon, dessen letzte Halbzeile jetzt
vom Buchbinder weggeschnitten ist.
Die Zeichnung stellt in ihrem linken größeren Teile
einen mit wenig Strichen roh skizzierten Sarkophag dar,
in dessen unteren Teil hineingeschrieben ist:
Tumulus Lutheri
Neben dem Sarkophag rechts sitzt eine nach Kindermanier
gezeichnete weibliche Gestalt mit klagend hoch-
1) Die Nummern erster Zählung sind bei Nr. 8—11 zweiter Zählung
vollständig weggeschnitten, und eins der vier Stücke ist erst nach der
ersten Zählung hinzugekommen (7 = 6; 129 = 10).
64 61
gehobenen Armen. Stuhl und unterer Teil der Gestalt sind
nur eben angedeutet. Schon über der Gestalt beginnend
und dann sich fortsetzend in dem schmalen Raum zwischen
ihr und dem Heftrande die Beischrift:
veritas
adsidens ; et | con | que | rens
Also die Wahrheit sitzt klagend an Luthers Grab.
Was klagt sie? Das sagt das unter der Zeichnung
stehende Doppeldistichon. Es ist weitlüuftig ge-
schrieben, so daß jede Verszeile auf zwei Schreibzeilen
(einmal sogar wegen einer Durehstreichung auf drei) sich
verteilt. Doch heben sieh die Versanfünge, auch die der
gegen die Hexameter um 2—3 Buchstaben eingerückten
Pentameter, deutlich ab von den übrigen Zeilenanfängen.
Folgendes der Wortlaut:
&' sy & Tlauwy zog!) vr ) tõde | xa9nuat
AovIrgov Tuußp xeıgaudva zÀo|xdpuovg
Yvuov äyeı ueyakw BeBoAnuéva, | oüvexa srokkoiz
å Ödolöpewv náta xgeivrov | [Euoö e ./
Zu der Ergänzung am Schluß bemerke ich: 1. Was von den
vermuteten Worten in Melanchthons Handschrift über den
oberen Rand der Schreiblinie hervorragen muDte — Spiritus,
Akzente, die Spitze des v —, ist beim Wegschneiden er-
halten geblieben und hat genau die erforderlichen Abstände.
Etwa so:
2. Die gleich zu erwähnende lateinische Übersetzung sichert
die Worte vollständig.
Soviel auf B4b. B4a ist leer. B3b enthält, gerade
unter dem Text der Verse, so daß ungefähr Zeile auf Zeile
zu liegen kommt, eine in Verszeilen abgesetzte prosaische
lateinische Übersetzung:
) Für or ist natürlich ein Stigma geschrieben.
2) Zwischen aged und Töde steht noch, wieder ausgestrichen:
tõðE x... wobei das w aus n verbessert und deshalb undeutlich ge-
worden war. :
65 | " 65
[Ha ego?) misera apud hunc sedeo
Lutheri tumulum, lacerata capil|los
In animo dolore magno sauciata, quia | multis
Dolosa deceptio pluris fit quam ego.
Zu dem Eintrag dieser Seite hat eine spütere Hand be-
merkt: Manus Melanchth.
Wie ist das Ganze zu beurteilen? Meines Erachtens
unterliegt es nicht dem geringsten Zweifel, daß Melanch-
thon hier für den — älteren — Knaben einer
verwandten oder befreundeten Familie eine
Unterhaltung gefertigt hat, die unter dem
Anreiz des Spiels Gemüt und Verstand bilden
und in der griechischen Sprache üben sollte.
Allein danach, wer der so bedachte Knabe gewesen seiu
mag, kann man noch fragen. Da hilft vielleicht ein wenig
weiter die Notiz, die eine alte, aber unbcholfene Hand auf
das Titelblatt der Schrift gesetzt hat:
Philippus Melanehthon d d|?) Marco?) pridie Margarethae 1548.
Also, am 12. Juli 1548, als er eben vom Meifener Tage
nach Wittenberg zurückgekehrt war, hat Melanehthon für
einen Marcus sich die Mühe gemacht. Leider ist es mir
nun. nicht gelungen, die Hand, die dies schrieb, und dem
Vater des Knaben gehören muß, durch Benutzung der mir
zugänglichen Hilfsmittel zu benennen, noch auch unter den
Söhnen bekannterer Wittenberger einen Marcus aufzufinden.
So hat mir die Notiz nicht viel Frucht getragen.
Die Einfalt dieser kindlichen Zeichnerei und Vers-
schmiederei läßt uns doch einen recht belehrenden Blick
tun in Melanchthons eigentliche Gesinnung gegenüber dem
Interim. Seine öffentliche Stellungnahme, die teils in un-
glücklicher diplomatischer Berechnung, teils in einem Mangel
an Glauben und persönlichem Mut ihre Wurzel hat, ist für
ihn selbst etwas gewesen, was ihm gegen Gefühl und Ge-
1) Über Illa ego steht noch, wieder durchgestrichen: Hec eg...
*) Ein Teil des zweiteu d und was etwa noch hinter ihm ge-
standen bätte, ist weggeschnitten vom Buchbinder.
*) Die drei mittleren Buchstaben sind nicht eben sehr leslich.
-~
Archiv für Reformution»geschichte. XVII. I. T
66 66
wissen ging, und Luthers Grab erschien, so zweideutig er
an Carlowitz sich über Luther äußerte, seinem Herzen als
letzte Zuflucht der verzweifelnden Wahrheit.
Noch etwas andres lernen wir aus der Eintragung.
Gewöhnlich pflegt man die erste Ausgabe des Wittenberger
Bedenkens, die taktlos Melanchthons Namen auf ihrem Titel-
blatte trug, auf Mitte Juli 1548 zu setzen (C. R. VI 924).
Das ist zu spät. Denn selbst die zweite Ausgabe ist schon
am 12. Juli 1548 zu Wittenberg und in Melanchthons Händen
gewesen. |
Drei Briefe Melanchthons.
Von Gd. Bossert. \
1. Melanchthon an Erzbischof Albrecht von Mainz
1530 Juni 3.
Fol. 272a.] S. D. Illustrissime princeps et reuerendissime domine
episcope, animaduerti ex mullis signis vestram celsitudinem maxime
affici calamitate ecclesie et periculo non solum tocius Germanie, sed
omnino tocius Europe. Ideo sine longiore prefacione miserrimas curas
meas ac solicitudines in sinum vestrum tanquam optimi principis de-
ponam. Si videor esse impudens, ignoscat celsitudo vestra magnitudini
harum curarum, quarum fateor me remedia querere. Hec nusquam
rectius queri possunt, quam apud bonos principes et episcopos. Spiritus
sanctus appellat vos deos. Ego dixi: dii estis, certe hanc ob causam,
vt res diuinas, religionem et publicam disciplinam ac tranquillitatem
conseruetis. Placet et clemencia deo inter virtutes precipue. Quare
oro propter deum, vt clementer has meas querelas accipiatis. Et alio
loco inquit spiritus sanctus psalmo 67: Cum distribuit deus in ea, hoc
est, ecclesia reges, illustrantur obscura!), hoc est, cum contingunt boni
episcopi, — Nam de talibus regibus loquitur — redditur pax et tran-
quillitas ecclesiis et exhilarantur omnia, que antea propter mesticiam
erant atra et tenebrosa. Itaque peto, ut celsitudo vestra, que et
sapientia et autoritate et mansuedudine prestat aliis episcopis, det ope-
ram, ne res deducatur ad arma. Nos pacem petimus anxiis votis et
a deo et a vobis, Qlia ratione autem et quibus modis constitui pax
possit, non est meum prescribere vestre celsitudini. Ego tamen hoo
indicabo. Nos autores sumus, vt iurisdictionem ecclesiasticam et obe-
dienciam ecclesiarum retineatis ac, sicubi videtur adempta, recipiatis,
si concesseritis nostris pauca quedam, videlicet vtramque speciem,
coniugium sacerdotum et missas parochiales, quales nunc habemus.
De aliis rebus non magnopere videntur litigaturi nostri, Fortasse sola
missa habet questionem, verum hie non institui disputationem. Facile
enim?) intelligi missas alibi non posse mutari. Sed quid opus est, cum
de ceremoniis misse et de eucharistia vobiscum [Fol. 272b] sentiamus
eciam, si numerus missarum dissimilis erit, propterea nos condemnare,
propterea totam Germaniam horribili bello funditus perdere? Errant,
qui putant sic consultum fore ecclesiis. Ego bellum metuo non solum
propter corporalia mala, sed multo magis, quiz maior dissipatio ec-
clesiarum impendet. Multi noua dogmata parturiunt. Argentinenses
aliquocies significauerunt, se de diuinitate filii impie et contra catholi-
cam ecclesiam sentire. He pestes adhuc latent erupture, si quod bellum
orietur. Tunc enim plurimum possunt, qui sunt audacissimi, et inuenient
fortasse ducem curioso ingenio preditum et audacem. Hoc sì accideret,
religio tota funditus periret. Scio, qualia consilia nonnülli habeant.
Scio, quibus artibus conentur sibi Antiochum aliquem adiungere . . .?)
1) Ps, 67,15 Vulgata: Dum discernit caelestis reges, super eam,
nive dealbabuntur in Selman.
2) Es fehlt est.
) Die Vorlage hat Eluctu, das keinen Sinn gibt. Sollte Melanch-
thon geschrieben haben: electum, d. h. mit Abkürzung electu? Es würde
wohl passen,
5*
68 68
Quare vos oro propter Christum, ne quid inclementer, de nobis
statuntis. Proderit non solum ad pacem corporalem sed etiam ad
pacem ecclesie, si vobis coniunoti fuerimus, si obedienciam legitimam
vobis reddiderimus, qua recuperata, cum de doctrina non dissenciemus,
nulla debebit videri discordia eciam, si ceremonie alicubi dissimiles
sint. Quando enim fuerunt similes? Neque he pertinent ad vnitatem
ecclesie, sicut scit celsitudo vestra, quam ego nihil dubito satis magnam
cognitiorem doctrine christiane habere. Ego scio Lutherum maxime
cupidum esse pacis, et declarauit sepe iam, cum vnus ipse aut certe
primus a belli consiliis homines importunos retraxit. Heo scripsi sim-
plici animo breuius, quam tanta res postulet. Sed volui tantum rogare
celsitudinem vestram de sarcienda concordia, non volui docere prin-
cipem excellenti ingenio et singulari sapientia preditum. 1530 feria
6 post Exaudi, quae est 3 Junii.
Brentiana IIT, 272a. Ratsarchiv in Schwübisch-Hall.
Die Unterschrift Melanchthons fehlt, ebenso die Adresse. Nur
in der linken Ecke Fol. 272a oben steht: P. Melanch. Ad Archie-
p(iscopu)m Magunti(nense)m, während Fol. 271b zu lesen ist: Sendt-
brieff Herrn Philippi Melanchthons Ahn Erzbischoffen zu Maintz, dar
Inn er Pitt, Ihre Churfr. G. wöllen sich wider die Enangelischen, so
anderst nichts dann den lieben Frieden begeren, mit vngnaden gegen
Ihnen waß furzunehmen nit bewegen lassen. Pie Abschrift, die wohl
dem Ende des sechzehnten Jahrhundert angehört, wie der unsicher
werdende Gebrauch von v und u beweist, stammt von einem sprachlich
nicht geuügend gerüsteten Schreiber. Der Fundort Schwäb. Hall Bren-
tiana macht wahrscheinlich, daß dem Schreiber eine Abschrift des
Briefes von Brenz’ Hand vorlag, der sie wohl aus Augsburg mit-
gebracht hatte. An der Echtheit des Schreibens kann kaum gezweifelt
werden, denn die hier ausgesprochenen Gedanken über die Einigung
der Protestanten mit den Katholiken finden sich in Melanchthons Brief
vom 7. Juli 1530 an den Sekretär des Kardinals Campegius CR2, 172 ft.
Nr. 763 wieder. Es überrascht nur, daß er sie schon am 3. Juni dem
Kardinal Albrecht gegenüber ausgesprochen hat. Wir verstehen auch,
daß es dem Charakter Melanchthons entsprach, daß ihm die Erhaltung
des Friedens und Störung der öffentlichen Wohlfahrt durch einen
Religiunskrieg über alles ging und er zur Erreichung des Friedens
zu den bedeutendsten Opfern auf religiösem Gebiet bereit war. Aber
der ängstliche Mann fürchtet von einem Krieg nicht nur Folgen für
Deutschland, sondern sah einen Weltbrand für ganz Europa kommen.
Auffallend ist, daß er nur Zugeständnisse fordert für dns Abendmahl
unter beiderlei Gestalt, die Ehe der Priester, wozu er am 7. Juli noch
die der Mönche fügt, und die evangelische Messe nach Luthers Ord-
nung. Von dem Recht der evangelischen Predigt und evangelischem
Jugendunterricht schweigt er gauz. Die Verschiedenheit der Zere-
monien, auf deren Einheitlichkeit die römische Kirche bei aller Un-
wöglichkeit, sie bis aufs letzte Tipfelchen durchzuführen, immer streng
dringt, nimmt er dem Erzbischof gegenüber gar zu leicht und vergißt
ganz, welche Gefahr eine Uuterordnung unter die Bischöfe, die doch
durchaus katholisch gesinnt waren, für den Protestantismus bedeutete.
Denn diese konnten amtshalber und überzeugungsgemäß nicht anders,
als alle protestantischen Lebensäußerungen unterdrücken. Noch un-
begreiflicher ist die Hoffnung auf Gewinn für Zucht und Ordnung
durch Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion. Fr muste doch
wissen, wie tief unter der Gleichgültigkeit und dem Mangel an sitt-
lichem Ernst, der auch schwere sittliche Vergehen zum Arger der
Laien nur „mit dem gelinden Fuchsschwanz“ zu strafen pflegte, die
öffentliche Sittlichkeit gelitten hatte. Man darf ja nur au die beweg-
liehen Klagen der Chronik von Zimmern oder den Bericht des baye-
69 69
rischen Rentamts von Burghausen denken!) so daß selbst gut katho-
lische Herren sich genötigt sahen, ohne nach dem Bischof zu fragen,
gegen Priester vorzugehen. Schien es doch, als könnte man um Geld
leicht Nachlaß aller Strafen für Vergehen jeglicher Art erlangen. War
selbst für Mord und Totschlag unschwer mit einigem Opfer an Geld
und Verrichtung von gottesdienstlichen Zeremonien eine volle Sühne
zu erlanzen. i
Schmerzlich berührt es, wie Melanchthon den Teufel an die Wand
malt, indem er die Straßburger in den Verdacht der sch wersten Ketzerei,
der Leugnang der Gottessohnschaft Christi bringt und in einer dem
Kardinal Albrecht sehr leicht verständlichen Weise den Landgrafen
Philipp von Hessen, ohne ihn mit Namen zu nennen, als Führer in
einem Religionskrieg (ducem curioso ingenio preditum et audacem), ja
ala Antiochus, der einst im Religionskrieg die Juden zum Heidentum
zwingen wollte, zeichnet. Unbegreiflich ist, wie Melanchthon dem
Kardinal sagen konnte, Luther sei ebenso, wie er selbst, bereit zum
Frieden mit der katholischen Kirche, als ob Luther all die Zugeständ-
nisse Melanchthons je billigen würde, wenn er auch, was Melanchthon
mit Recht sagen konnte, sehr gegen einen bewaffneten Widerstand von
Seiten des Schmalkaldischen Bundes gegen den Kaiser Einsprache tat,
bis er ihn unter dem Einfluf von Politikern und Juristen unter anderem
Gesichtspunkt als dem religiösen würdigen lernte.
Das Schmerzlichste aber ist die starke Schmeichelei, mit der
Melanchthon an einen so wenig charaktervollen, ernsten und tiefer
denkenden Kirchenfürsten die größten Lobsprüche verschwendete und
ihn als principem excellenti ingenio et singulari sapientia preditum
rühmte, ja von ihm behauptete, er übertreffe die andern Bischöfe an
Weisheit, Ansehen und Milde, und dann auch auf alle Bischófe die
Psalmworte Ps. 67, 5 und 82,6 anwendete, über die doch selbst Janssen
nicht günstig urteilt. Man sieht, wie notwendig die ermutigenden
Briefe Luthers aus Koburg waren, wie notwendig der weiche Pfälzer
einen starken Halt an dem unbeugsamen Sachsen brauchte, und wie
unberechtigt seine Klage über den überwältigenden Einfluß Luthers
gegenüber Chr, v. Carlowitz (CR 6, 879 fl.) in schwacher Stunde war
2. Melanchthon an D. Morschein. 28. August o. J.
Ex autographo ).
Melanchthon klagt über die Uneinigkeit in der Kirche gegenüber seinem
Eintrachtsstreben und empfiehlt seinen Schwiegersohn Peucer.
Clarils(imo) viro eruditione et virtute praestanti D. Morfheimio
amico suo carilsimo in inclyta academia Edelbergensi.
S. D. Carils(ime) Mercuri), Sunt in genere humano multae
triftilsimae dilacerationes, et quae caulsae fint, doctrina ecclesiae osten-
1) Sugenheim, Bayerns Kirchen- und Volkszustinde im sech-
zehnten Jahrhundert, S. 542 ff.
*) Die Abschrift ist mit sehr starken Abkürzungen geschrieben.
Doch ist der ganze Wortlaut sicher mit Ausnahme von perdiu, von
dem nur p mit Abkürzungsstrich unten gebogen, d und u und drüber
Abkürzungsstrich sicher sind.
3) Johann Mercurius von Morsheim, in Heidelberg inskribiert
22. Nov. 1535, Baccalaureus 17. Juli 1539, Magister 16. Juli 1547,
alumnus iuris 15. Jan. 1550, dann Professor der Mathematik. Töpke,
Matrikel der Universität Heidelberg 1,561; 2,458, 492.
70 70
dit, Sed nos, qui cives verae ecclesiae sumus, unum in deo fimus et,
q(uantu)m possumus, coniunctionem tueamur, Quare te a me diligi
non dubites. Volo a te et hunc generum meum Cafparum Peucerum !)
familiariter complecti, cnius virtus digna est tuo et aliorum favore,
Salutem meo nomine reverenter dicas Henrico?) concionatori et aliis
amicis et petes ab eis, ut hunc meum generum ipsi quoque complec-
tantur. Spero eius sermones vobis non ingratos fore. Et fcis eius la-
bores perdiu (?) discentium studiis et eum ornare eruditionem integritate
morum et abhorrere ab his, qui odia et difsidia accendunt. Si istic
est Hupertus secretarius ?), reverenter ei meis verbis falu(tem)*) dicito
et Casparum ei commendato. Bene et feliciter v(aMe*) et rescribe.
Die 28, Augusti Philippus Melanthon.
Verschiedene Wirtembergika 1496 —1595. Mh 761 Fol. 85f. Uni-
versitütsbibliothek Tübingen. Geschenk aus dem Nachlaß Uhlands 1871.
3. Melanehthon empfiehlt einen jungen Johannes
von Morscheim an Rektor und Professoren. (O. T. u. J.)
S. D. Magnifice d. rector, clariss(imi) viri, eximii d. doctores et
praeceptores, Vetus et nobilis familia est Morschemiorum *) in ditione
principis Palatini. Ex ea familia natus est hic Johannes’), novi patrem et
avum, magistrum curiae Palatinae, praestantem virum et imperatori
Maximiliano carum, erat belli tempore, quod tunc cum Palatino Phi-
lippo gerebatur. Et in hoc juvene gentilicium t(antu)m eloquentiae
manet. Fortuna cetera eripuit. Rogo, ut eum iuvetis stipendio ex
legato clarifs(imi) viri d. doc(toris) Henningi?). Philippus Melanthon.
Am Rand: Mihi placet, ut huic adolescenti conferatur stipendium. Rector.
Abschrift mit einigen Abkürzungen und der Überschrift: Philippi
Melanthonis Epla, defcripta a me ex Autographo, etfi sine infcriptione.
Verschiedene Wirtembergika 1496—1595. 49. Mh 761 Fol.85.
Universitütsbibliothek Tübingen. Geschenk aus der Bibliothek Ludwig
Uhlands 1871.
!) Peucer hatte seinen Schwiegervater Melanchthon nach Worms
begleitet, wo er am 28. August ankam. Von dort schickte er Peucer
sogleich nach Heidelberg.
2) Heinrich Stoll, seit 1526 Pfarrer in Heidelberg, später auch
Professor Theol., gestorben 28. September 1557. Vierordt, Geschichte
der Reformation in Baden S. 450,
) Hubert Leodius, Verfasser der Annales de vita et rebus gestis
Friderici II electoris Palatini. libri XIV. Francofurti 1624.
*) Morscheim, Bz.-Amt Kirchheimbolanden in der Pfalz.
5) Johannes kommt nicht in der Wittenberger Matrikel. Sein
Vater war wohl der in Nr. 1 genannte Joh. Merkur Morscheim, der
Großvater ist wohl der 1473 Juni 4 in Heidelberg als Basler Bacca-
laureus inskribierte Joh. v. Morsheim. Töpke, Heidelb. Matr. 1, 310.
6) Wohl der Minorit Ludwig Henning, Professor der Theologie.
*) Das Papier ist zerrissen.
Zum Passional Christi und Antichristi.
Von 6. Stuhlfauth.
1. Es fällt auf, daB in sämtlichen — im ganzen drel-
zehn — Darstellungen des Papstes in dem Passional Christi
und Antichristi, von dem G. Kawerau bekanntlich eine
Faksimile-Ausgabe veröffentlicht hat!) und das Luther so
wohl gefiel und von ihm die Zensur eines bonus pro laicis
liber erhielt? der Papst durchweg als bejahrter Mann
mit feistem glattrasiertem Gesicht erscheint — mit einer ein-
zigen Ausnahme. Sie findet sich auf dem Papstbilde des
achten Bilderpaares, gegenüber der Darstellung der Geburt
Christi im Stalle. Der Papst, durch die dreifache Krone auf
dem Kopfe gekennzeichnet, steht hier vor uns als Feldherr,
mit Brustpanzer, Arm- und Beinschienen und Panzerschurz
bekleidet, inmitten seiner, teilweise berittenen, Generale und
Führer, die sich aufmerksam alle ihm zuwenden und seine
Weisungen empfangen. Links hinter ihm ist eine Feld-
kanone aufgefahren; ein starkes Loch oben in der Mauer
unterhalb der Kirche der anscheinend belagerten und zu
bezwingenden Stadt zeugt bereits von ihrer Arbeit.
Daß der Papst in dieser Situation und nur in dieser
als bärtiger gegeben ist, muß aus bestimmter Absicht und
Anspielung des Künstlers, Cranachs, erklärt werden. Von
1) Passional Christi und Antichristi, Lucas Cranachs Holzschnitte
mit dem Texte von Melanchthon. Nachbildung einer in der Einleitung
sub Al bezeichneten Originalausgabe. Mit einer Einleitung von Prof.
D. G. Kawerau. (Deutsche Drucke älterer Zeit in Nachbildungen
hrsg. von Wilh. Scherer. III.) Berlin, Grote, 1885. Wiederholt (mit
verbesserter Einleitung) in der Weimarer Lutherausgabe Bd. 9, 1893,
8. 677 fl. |
*) Briefäußerungen an Spalatin und Melanchthon, vgl. Kawerau
a, a. O. S. XVII und XIX.
12 | 12
irgendwie genauerer Porträtähnlichkeit kann zwar nicht die
Rede sein, hier so wenig wie bei den anderen Papstdar-
stellungen des Passionals. Immerhin, deutet schon die stete
Wiederkehr des feisten Papstgesichtes darauf, daß diesem
ein bestimmtes Papstgesicht, nämlich das des lebenden Papstes,
Leos X., zugrunde liege, so wird unsere Vermutung be-
kräftigt eben dadurch, daß in der einzigen Komposition, die
den Papst als Feldherrn vergegenwärtigt, jener feiste bart-
lose Typus ersetzt ist durch den des wohl auch schon be-
jahrten, aber wesentlich magereren bärtigen Papstes.
Nun weiß aber die Geschichte nur von einem Papste,
auf den sowohl die Bärtigkeit wie die reichlichste Betätigung
in der Kriegführung paßt: Julius II. (1503 —1513). Und ich
glaube in der Tat, daß er, der „in Laufgräben belagerter
Städte sich mehr heimisch fühlte als an den Altären des
Herrn“ und fast unablässig auf Kriegszügen sich befand, daß
er und gerade er von Lucas Cranach mit unserer Darstellung
im Passional gemeint ist.
2. Im Christusbild des sechsten Bilderpaares hat das
Passional von der mit der lateinischen (Antithesis figurata
vitae | Christi et Anthichristi [sic!]| ete.) einsetzenden zweiten
Ausgabe an eine Veründerung, man darf sagen Verbesserung,
erfahren, sofern der Holzstock mit dem wandernden Christus
dureh die Darstellung des auf dem Wege naeh Golgatha
unter der Kreuzeslast zusammenbrechenden Christus ersetzt
wurde. Diese Neuerung kann man sowohl unter dem künst-
lerischen Gesichtspunkte wie von der inhaltlichen Seite nur
eine sehr glückliche nennen. Denn erstens tritt an die
Stelle einer recht leeren und ohne den untergesetzten Text
kaum verständlichen Komposition eine auf den ersten Blick
klare, überdies ungemein lebendige Darstellung ein, die zu
den bestgezeichneten Kompositionen des ganzen Werkes ge-
hört, und zweitens tritt nun der Gegensatz gegenüber dem
eutsprechenden Antichristusbilde, d. i. dem von vier Mann in
der Sänfte sich tragen und von einem Kanonisten sich be-
gleiten lassenden feisten Papste ganz anders durchschlagend
und kraß hervor wie mit dem ersten Bilde. So bedeutet
der Ersatz des letzteren durch das neue Bild tatsächlich einen
. Gewinn und einen wirklichen Fortschritt im Sinne des Ur-
73 i 73
teils und des Zieles, das Luther dem Werke mit auf den
Weg gegeben hatte, nämlich daß es sei „bonus pro laicis
liber“.
Professor Kawerau möchte in den Vorbemerkungen,
die er dem Abdruck der Textunterschriften und der Wieder
gabe der Bilder im 9. Bande der Weimarer Lutherausgabe
vorausgeschickt hat, die Ersetzung des ersten durch den
zweiten Holzstock, d. h. des sich müde wandernden Christus
durch den unter dem Kreuze zusammengebrochenen Christus
auf einen Zufall zurückführen. „Vermutlich“, schreibt er
(S. 690f.), „war das Bild des wandernden und ermüdenden
Christus beschädigt und mußte daher durch ein anderes er-
setzt werden.“ Diese Erklärung ist möglich. Sie scheint
mir aber nicht die allein mögliche und vor allem nicht die
wahrscheinlichere. Ich möchte vielmehr annehmen, daß man
aus äußeren wie aus inneren Gründen glaubte das ursprüng-
liche Bild durch das neue ersetzen zu sollen und also ab-
sichtlich jenes durch dieses ersetzt hat. Wäre es doch, falls
picht sowohl künstlerische als auch gegenständliche Gründe
gegen die erste Komposition gesprochen hätten, das ein-
fachste und natürlichste gewesen, den etwa beschädigten oder
zerbrochenen Holzstock in derselben Form wieder zu schneiden.
Allein die Tatsache, daß die vermutete Beschädigung zufällig
gerade den nichtssagendsten unter den Christus-Holzschnitten
heimsuchte und ausschied, spricht durchaus dafür, daß Meister
Cranachs neue Zeichnung nicht durch einen Zufall, sondern
durch die Sache selbst veranlaßt ist.
Mitteilungen.
Neuerscheinungen.
Als willkommenen Nachtrag zur Literatur des Jubiläumsjahres
1917 begrüßen wir P. Wernle, Der evangelische Glaube
nach den Hauptschriften der Reformatoren. So
unleugbar es ist, daß wir die Begründer des evangelischen Glaubens
am besten und unmittelbarsten aus ihren Schriften kennen lernen, 80
ist doch für die sachliche Auslegung auch nur der Hauptschriften
eines Luther, Zwingli und Calvin bisher recht wenig getan, so daß
für Theologen wie für Laien der Zugang zu ihnen immer noch
schwierig und nichts weniger als bequem ist. Wernle kommt daher
einem unbestreitbaren Bedürfnis entgegen, wenn er in drei kurz nach-
einander herausgegebenen Bünden, deren jeder einem der, drei Ge-
nannten gewidmet ist, fortlaufende Kommentare zu ihren wichtigsten
Schriften gibt, die in trefflicher Weise in das Verstündnis einführen
und, ohne Neues bieten zu wollen, doch auch von dem Fachmann nicht
unbeachtet gelassen werden dürfen. Eine knappe Einführung über
den allgemeinen Charakter der einzelnen Schrift geht voran, worauf
in längerer oder kürzerer Ausführung die Hauptgedanken, so wie sie
der betreffende Verfasser nacheinander entwickelt, erläutert, die Zu-
sammenhänge klargestellt, Parallelstellen beigebracht werden und die
Bedeutung des einzelnen für das Ganze umrissen wird. Von Luther
(Bd. 1) werden dergestalt abgehandelt: Die 95 Thesen, Die babylon,
Gefangenschaft, Der Sermon von den guten Werken, Von der Freiheit
eines Christenmenschen, Das N.T. und der Römerbrief, Von weltlicher
Obrigkeit, de servo arbitrio, Die Katechismen und Die Bekenntnis-
schriften. Von Zwingli (Bd. 2): Auslegung und Gründe der
Schlußreden, Von göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit, Der Hirt,
Eine kurze christliche Einleitung (1523), Der Kommentar von der
wahren und falschen Religion, Die Predigt von der göttlichen Vor-
sehung, und die Bekenntnisse von 1528, 1530, 1531. Von Calvin
(Bd. 3) wird ausschließlich die Institutio religionis christanae (unter
Berücksichtigung ihrer verschiedenen Fassungen) ausgelegt. Tübingen,
Mohr, 3 Bde, 1918—1919 (VII, 821 S.; XIV, 862 S.; XI, 412 S.
M.8.—, 10.—, 12.—. ;
Auf Wernles Anregung geht auch zurück: Huldrych
Zwinglis Briefe, übersetzt von O. Farner. Erster Bd.
1512—1523, Zürich, Rascher & Co. 1918, XI, 255 S., geb. M. 9.—.
Die Absicht besteht, sümtliche Briefe Zwinglis, auch die deutschen,
im Anschluß an die Ausgabe im Corpus Reformatorum unverkürzt in
15 i 75
der heutigen Schriftsprache wiederzugeben; der vorliegende Band
bietet 76 Briefe, etwa ein Viertel. Die Übersetzung liest sich gut;
nach angestellten Stichproben gibt sie, ohne sich sklavisch an den
Wortlaut der Vorlage zu binden, nur um so sorgfältiger ihren Sinn
wieder. Jedem Briefe ist ein knapper Vermerk vorangesetzt, der das
zum äußeren Verständnis Erforderliche beibringt.
In seiner Schrift, Latherund Tauleraufihrentheo-
logischen Zusammenhang neu untersucht (Bern,
F. Wyss 1918, 168 S, Fr. 6.—) verfolgt A. V. Müller den schon
früher von ihm ausgesprochenen Gedanken, da8 Luther durch die
wesentlich von Augustin beherrschte Frühscholastik auf den Augusti-
nismus gekommen sei, weiter, indem er den Einfluß Taulers, der als
Träger des Augustinismus Luthers Bekanntschaft mit diesem ver-
mittelt habe, auf Luther im einzelnen nach bestimmten theologischen
Gesichtspunkten untersucht. Er findet erhebliche Ähnlichkeit der
Auffassung bei beiden Männern und schließt daraus, daß Luther die
bezüglichen Gedanken Tauler entlehnt haben müsse. Anch wenn das
nun nicht in allen Fällen schlüssig nachgewiesen werden kann, so
hat die Untersuchung doch das Verdienst, auf diese Zusammenhänge
erneut nachdrücklich hingewiesen zu haben. Übrigens bildet vor-
liegende Schrift den Vorläufer einer größeren Arbeit des Verfassers
über „Der Augustinismus des Mittelalters und Luthers“, in der er das
Fortbestehen des Augustinismus bis zum Konzil zu Trient nachzuweisen
und des näheren zu zeigen beabsichtigt, welche Grundlehren jenes
Systems Luther ihm entnommen und wann und wie er mit ihm be-
kannt geworden ist.
Die von P. Merker besorgte, durch den Krieg verzögerte Neu-
ausgabe von „Thomas Murner, Von dem großen Luthe-
rischen Narren“ erhält ihren besonderen Wert ebenso durch
die ausgezeichnete Wiedergabe der Holzschnitte der Erstdrucke wie
durch die Zutaten des Herausgebers: die Einleitung (84 S.), die aus-
führlich von den geschichtlichen Grundlagen, der Druckgeschichte und
der Wirkung der Satire handelt und die leitenden Gesichtspunkte von
Inhalt und Form feststellt, und die an den Schluß (S. 287—427) ge-
setzten sorgfältigen sprachlichen und sachlichen Erläuterungen zum
Text. Fast möchte man wünschen, daß eine so bedeutende und tief-
greifende Arbeit an einen erquicklicheren Gegenstand gewandt worden
würe als es die unflátige Satire des Franziskaners ist, — Der Band
war, obwohl als Bd. 9 bezeichnet, bestimmt, die kritische Ausgabe
von Murners deutschen Schriften zu eröffnen, die die Gesellschaft für
Elsássische Literatur als Teil der „Kritischen Gesamtausgaben Elsäss.
Schriftsteller des Mittelalters und der Reformationszeit* plante. Wie
sich seit Ausgabe des Bandes die politischen Verhältnisse gewandel
haben, ınüssen wir wohl leider zweifeln, ob eine Fortsetzung erfolgen
wird. ‘Straßburg, Trübner 1918, XI, 427 S. 4?.
Den ,Kommunismus im Reformationszeitalter,
Humanisten, Reformatoren, Wiedertäufer“ schildert
76 76
in kurzer Übersicht Herb Schönebaum (Bonn und Leipzig,
K. Schröder 1919, 43 S). Nach einem einleitenden Blick auf den
Kommunismus in der Antike, in der Heil. Schrift und im Mittelalter
betrachtet der Verfasser die gemäßigt liberale Richtung des theore-
tischen Kommunismus der Humanisten, wobei auf die Utopie des
Th. Morus näher eingegangen wird, die den Kommunismus bekämpfende
religiös-reformatorische Richtung der Kirchenreformatoren und — am
eingehendsten — die radikal-revolutionüre Richtung des praktischen
Kommunismus in Stadt und Land. Hier bespricht der Verfasser die
Stellung Seb. Francks und Schwenkfelds, die Wittenberger Bewegung,
Thomas Münzer und die Bauernbewegung, die Züricher Bewegung
unter Konrad Grebel, endlich das Tüufertum. Die Schrift läuft aus
in eine Darstellung der täuferischen Bewegung in Münster; sie ver-
folgt die Entstehung dieser aus verschiedenen Wurzeln, untersucht
den Grad, bis zu dem der Kommunismus in Münster während der
Herrschaft der Wiedertäufer zu wirklicher Durchführung gelangt ist
und zeigt, weshalb der Versuch, die Utopie des Kommunismus in die
Tat umzusetzen, scheitern mußte. Daß der Verfasser die Tiefe der
Probleme, mit denen er sich befaßt, nicht annähernd erschöpfen konnte,
gibt schon der geringe Umfang der Schrift die Hand; auch wird man
sich seine Auffassung kanm in allen Punkten zu eigen machen können.
Davon abgesehen ist sein Versuch, den kommunistischen Regungen
der Gegenwart den Spiegel der Vergangenheit vorzuhalten, sehr zu
begrüßen.
Unvergleichlich tiefer greifend als Schönebaum, in ebenso ge-
lehrter wie geistvoller Weise untersucht H. v. Schubert die
Quellen des Kommunismus der münsterischen
Wiedertäufer. Ausgehend von Rothmann, in dessen Schriften
vom Herbst 1533 die Lehre von der Gütergemeinschaft zuerst in
Münster erscheint, verfolgt er R.s Beweisgründe über Seb. Franck,
Pseudoisidor, die pseudoclementinischen Rekognitionen bis auf den
wahrscheinlich um 230 in Rom entstandenen „Clemensroman“ zurück.
Es handelt sich um den Niederschlag allgemeiner, ursprünglich philo-
sophischer, nämlich pythagoräisch-platonisch-stoischer Auffassungen,
die dann in dem Idealbild eines Gemeinschaftslebens in der ältesten
christlichen Zeit von der Kirche rezipiert werden, jedoch so, daß
daraus nicht sowohl das natürliche und göttliche Recht der Güter-
gemeinschaft, der Gemeinbesitz an allem, als vielmehr nur das Gesamt-
eigentum aller an einigem entnommen werden soll In Münster
kommt dazu dann durch die Melchioriten die Apokalyptik, und die
Männer aus der niederländischen Brüdergemeinde, die Jan von Matys
und Johann von Leyden, bringen den schwärmerischen Glauben an
die Möglichkeit, ja Notwendigkeit der Verwirklichung des Ideals, der
Aufrichtung des Gottesreichs in nächster Zukupft und zwar mittels
Gewalt, mit. Gänzlich verfehlt erweist sich nach den Ergeb-
nissen der Forschung von Schuberts die Auffassung Kautskys
(„Vorläufer des neueren Sozialismus“), als ob die „ursprünlich rein
77 77
ökonomische“ Bewegung sich nur allmählich religiöser Argumente be-
dient und nur scheinbar eine rein religiöse Bewegung geworden sei,
ja daß die Grundlagen der ganzen täuferischen Bewegung die Güter-
gemeinschaft gewesen sei. SBB. der Heidelb, Akad. d. Wiss. Philos.“
histor. Klasse 1919 Abh. 11, 58 S. (Heidelberg, Winter 1919).
In den neueren Bänden von „Voigtländers Quellen-
büchern“ ist das Reformations jahrhundert mehrfach vertreten. In
Bd. 68 legt O. Clemen die bisher nur einmal, nämlich 1715 von
E. S, Cypriau nach der Hs. des Verfassers herausgegebene Refor-
mationsgeschichte des Gothaer Superindendenten Friedrich
Mykonius (Mekum) nach Vergleichuug der Hs. in maßvoll moderni-
siertem Text mit erläuternden Anm. vor (100 S. M. 0,80); weiter gibt
in Bd. 66 K. Schottenloher die Historia der Herreu
Georg und Kaspar von Frundsberg von Ad. Rei&ner
nach der 2. Auflage von 1572, ebenfalls mit Anmerkungen, heraus,
Die allgemein zeitgeschichtlichen Abschnitte der Vorlage, in denen
Reißner die gleichzeitigen Berichte der Italiener auszieht oder nach-
schreibt, sind mit Recht fortgelasseu oder durch kurze Inhaltsangaben
ersetzt worden (154 S., M. 1,20). Endlich erhalten wir in Bd. 59
Felix Platters Tagebuchblätter aus dem Jugendleben
eines deutschen Arztes des 16. Jahrh., besorgt von H. Kohl nach
der Ausgabe von H. Boos (Leipzig, Hirzel 1878), jedoch ans der ale-
mannischen Mundart der Urschrift zum erstenmal ins Neuhochdeutsche
übertragen (195 S., M. 1,50). — Dazu kommen zwei Zusammenstellungen
von Quellenzeugnissen, nämlich „Luther und der Wormser
Reichstag von 1521", von Joh, Kuhn, eine wohlerwogene
Auswahl von 26 Stücken (die deutschen im unverüuderten Originaltext),
jedes mit kurzer Einleitung versehen, die es in den Zusammenhang
der Ereignisse einordnet (Bd.73, 121 S., M.1,—) und „Derdeutsche
Bauernkrieg“, Bd.1Vorspiele, BauernkrieginSchwaben,
ausgewählt von H. B ar ge, chronikalisches und urkundliches Material,
bei dessen Auswahl besonders darauf gesehen wurde, daß die Viel-
gestaltigkeit der Beweggründe der Erhebung zur Erscheinung komme.
(Heft 71, 116 S., M. 1,20). — Die gefälligen Hefte verdienen weiteste
Verbreitung. |
Friedrich Benary, Zur Geschichte der Stadt
und der Universität ErfurtamAusgang des Mittcl-
alters, herausg. von A. Overmann ans dem Nachlaß des schon
1914 vor dem Feinde gefallenen Verfassers, besteht aus deu drei ge-
trennten Aufsätzen: 1. Über die Erfurter Revolution von 1509 und
ihren Einfluß auf die Erfurter Geschichtsschreibung; 2. Die Vorge-
schichte der Erfurter Revolution von 1509; 3. Via antiqua und
via moderna auf den deutschen Hochschulen des Mittelalters niit
besonderer Berücksichtigung der Universität Erfurt (Gotha, Fr. A.
Perthes 1919. VIII, 284 u. 72 S., M. 15.—), Der erste Aufsatz und
ein Teil des zweiten sind in den „Mitteil. des Vereins f. die Gesch. von
Erfurt" schon früher zum Abdruck gekommen; neu ist dagegen der
78 78
umfangreiche und gehaltvolle zweite Teil der zweiten Abhandlung, der
im Hinblick auf die Revolution von 1509 die Finanzverhältnisse und
die Verwaltung der Stadt darstellt, und die ganze dritte Abhandlung.
In dieser setzt sich der Verfasser zunächst (zuweilen wohl mit über-
triebener Schärfe) mit der bisherigen Literatur zur Geschichte der Uni-
versitát Erfurt auseinander, um dann in scharfsinniger Untersuchung
die Begriffe Via antiqua und via moderna in ihrem Verhältnis zu Rea-
lismus und Nominalismus, Thomismus, Skotismus und Okkamismus,
Scholastik und Humanismus klarer herauszuarbeiten und auf diesem
Wege eine bessere Erkenntnis der Grundlagen des Universitäts-
unterrichts am Ausgang des Mittelalters zu gewinnen. Die Schrift
läßt auch einige bemerkenswerte Streiflichter auf Luthers Frühent-
wicklung fallen. |
F. Pijper, Middeleeuwsch Christendom. De Heiligen-Vereering.
's Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1911. VI, 315 8.
J. Lindeboom, Het Bijbelsch Humanisme in Nederland.
Leiden, A. H. Adriani, 1913. VI, 280 S.
J. W. Pont, Geschiedenis van het Lutheranisme in de' Neder-
landen tot 1618, Bekroond door Teyler’s Godgeleerd Genootschap.
Haarlem, De Erven F. Bohn, 1911. XVI, 632 S.
Die Besprechung dieser drei ausgezeichneten hollündischen Werke
hat sich leider durch verschiedene Umstände, zuletzt durch den Krieg,
sehr verzögert. Wir möchten aber doch noch kurz und nachdrücklich
auf sie hinweisen.
Das Buch von Pijper fällt freilich aus dem Rahmen unseres
Archivs heraus. Erst am Schluß, wo der von Friedrich dem Weisen
für die Wittenberger Schloßkirche zusammengetragene Reliquienschatz
erwähnt wird, nähern wir uns der Reformationsgeschichte. P. handelt
vom Alter und Ursprung der Heiligenverehrung, von den Heiligenleben,
besonders der Legenda Aurea, von der modernen Kritik der Hagio-
graphie, von den Funktionen und Lebensüuferungen und den vorbild-
lichen Tugenden der Heiligen, ihrer Wundermacht, dem göttlichen
Schntz, unter dem sie stehen, und der Bestrafung ihrer Widersacher,
zuletzt von der Bilder- und Reliquienverehrung.
Lindeboom hat der auf die fratres de vita communi und die
Windesheimer Kongregation zurückgehenden, von Wessel und Eras-
mus inaugurierten Richtung der Frömmigkeit und der Studien eine
zusammenfassende Untersuchung gewidmet. Gegen 30 Humanisten
führt er uns vor nach Schicksal, Lebensauffassung und Betätigung,
immer auf die Quellen, d. h. in den meisten Fällen auf ibre Schriften,
zurückgreifend. Vollständigkeit hat er dabei nicht angestrebt, viel-
mehr sein Augenmerk darauf gerichtet, typische Vertreter auszusuchen,
Der Kreis ist ziemlich weit gedehut; auch Münster uud Köln sind
einbezogen. Eine erste Gruppe umfaßt die vorreformatorischen Theo-
logen, Pädagogen, Philologen und Dichter: nächst Wessel Rudolf
Agricola, der vergessene Antonius Liber von Soest, Alex, Hegius, Joh-
Murmellius, Ortuin Gratius. In einer zweiten Gruppe sind diejenigen
79 19
Humanisten vereinigt, die zur Reformation in Beziehung getreten
sind: Erasmus, Cornelius Aurelius, dessen Bluts- and Geistesverwandter
Willem Hermansz, Hermann Busch, Gerh. Listrius, Wilh. Gnapheus,
Willem Frederiks, Hauptpastor von St. Martin in Groningen, Gerh.
Geldenhauer, Joh. Sturm. Die dritte Gruppe enthält diejenigen, die
die katholische Kirche in ihren Dienst zog: Cornelius Grapheus, Jakob
Latomus, Alardus von Amsterdam, Martin Dorpius, Konrad Goclenius,
Vives usw. Streckenweise ist ja das Buch überholt, aber was z. B.
gleich Wessel betrifft, so hat dessen neuester Biograph van Rhijn
(Wessel Gansfort, 's Gravenhage 1917, S. 245) sich die Eingliederung
und Beurteilung, die Lindeboom jenem hat angedeihen lassen, im
wesentlichen angeeignet.
Pont, der unermüdlich fleißige Herausgeber des ,Jaarboek der
Vereeniging voor Nederlandsch-Luthersche Kerkgeschiedenis* war wie
kein zweiter berufen, die von Teyler's Goodgeleerd Genootschap ge-
stellte Preisaufgabe zu lösen. Sein Hauptergebnis ist, daß das Luther-
tum, wenigstens das konfessionelle, das genuine, in den Niederlanden
eine recht bescheidene Rolle gespielt hat, daß es als aus Deutschland
importiert durchaus deutsche Farbe trügt. Eine bedeutendere Gemeinde
bildete sich nur in Antwerpen und zwar aus deutschen Kaufleuten, die
sich hier aus geschäftlichen Gründen niedergelassen hatten. Beim
Kommen Herzog Albas 1577 flohen sie zum Teil nach Köln, Aachen
und andere deutsche Städte, wo sie das luthersche Gemeindeideal in
Form von Hauskirchen zu verwirklichen suchten; die Zurückgebliebenen
fügten sich; Märtyrer haben sie nicht gestellt. Als die Verfolgung
nachließ, kehrten die Flüchtlinge zurück; mit den Zurückgebliebenen
gerieten sie, da sie ihre Hauskirchenverfassung beibehielten, in Konflikt.
Als 1585 Antwerpen durch Alexander von Parna eingenommen wurde,
flohen die Lutheraner nach Amsterdam, Middelburg usw. und ver-
pflanzten dorthin ihre Hauskirchen. Besonders in Amsterdam schlossen
sich ihnen Deutsche aus Hamburg und den Ostseestüdten an. Doch
hielten sie die Verbindung mit der alten Antwerpener Gemeinde fest.
Aus dem niederlündischen Volk heraus entstand keine einzige genuin-
lutherische Gemeinde. Von diesem konfessionellen Luthertum scheidet
Pont scharf „de schijnbaar-Lutherschgezinde stroming“ derer, die
sich Anhánger der Augsburger Konfession nannten. Solche Gemeinden
eracheinen in Amsterdam, Deventer, Leiden, Kuilenburg. Nach 1571
geben sie ibre Sonderstellung und -benennung auf und vermischen sich
mit den Reformierten. Aber in den Remonstranten leben sie wieder
auf und fort. So stellt sich ein ziemlich geringer Einfluß Luthers
und der deutschen Reformation auf die Niederlande heraus. Man re-
spektierte Luthers Autorität, ließ sich durch sein Vorgehen ayf der
Bahn Los von Rom! vorwärtsweisen, aber übernahm nicht seine Theo-
logie. Nach 1567 vollends übte das deutsche Luthertum so gut wie
gar keinen EimJuß auf die Niederlande; für die dogmatischen Strei-
tereien hatte man dort, wo alles von der Sehnsucht nach politischer
Freiheit erfüllt war, kein Interesse. O. Clemen.
80 80
Die gut ausgestattete Schrift von Johann J. Wyß,
Vittoria Colonna, Leben, Wirken, Werke (Frauenfeld,
Huber & Co. 1916. 275 S. M.12.—) ist in erster Linie als Beitrag
zur Geschichte der reformatorischen Ansätze und Strömungen zu
werten, die seit dem 4. Jahrzehnt des 16. Jahrh. in Italien auftraten.
Vittorias Bedeutung sieht Verfasser besonders darin, daß sie in ihren
religiösen Sonetten die Gefühle und Gedanken, die die römische Ge-
sellschaft jener Tage bewegten, zu bestimmtem Ausdruck gebracht
und in ein künstlerisches Gewand gekleidet habe. Für Vittorias
innere Entwicklung selbst sei Juan de Valdés bestimmend gewesen,
der in ihr eine völlige Umkehr nach der Seite der Religion hin be-
wirkt habe. Michelangelo andererseits habe die Innigkeit der Be-
ziehungen zwischen sich und der Marchesa sehr aufgebauscht; er habe
sie im Grunde nicht verstanden und sie habe sich, nachdem ihr Be-
mühen, seine Kunst in den Dienst der Religion zu stellen, erfolglos
geblieben war, in der späteren Zeit ihres Lebens von ihm zurück-
gezogen.
O. Brauns berger S. J., Petrus Canisius. Verfasser,
der sich der Herausgabe des Briefwechsels des sogenannten ersten
deutschen Jesuiten, nämlich des Niederländers Peter de Hondt (Caui-
sius) zur wissenschaftlichen Lebensaufgabe gemacht hat, will, che
noch der Briefwechsel abgeschlossen ist, im vorliegenden Buche die
Hauptergebnisse seiner Canisiusforschung zusammenfassen. Das Buch
ist für weitere Kreise bestimmt und sieht daher von Quellennachweisen
ab. Überhaupt beschränkt sich Braunsberger auf die Darstellung des
äußeren Verlaufs der Dinge (wobei manches über die Anfänge des
Jesuitismus in Deutschland mitgeteilt wird); er unterläßt es, den
größeren geschichtlichen Hintergrund, auf dem betrachtet das Wirken
des Canisius doch überhaupt erst Bedeutung und Zusammenhang ge-
winnen kann, zu zeichnen. Ebenso wenig bemüht sich Braunsberger
um kritische Sichtung und Durchdringung seines Stoffes, sondern seine
Darstellung läuft auf eine einseitige Verherrlichung des Canisius, seiner
Gesinnungsgenossen und seiner katholischen Umwelt hinaus. Freiburg,
Herder 1917. XI, 333 S. M. 4.—.
Der von der Herderschen Verlagshandlung in Freiburg i. Rr.
herausgegebene ,Auswahlkatalog 1919“ gibt eine Übersicht über die
Verlagswerke der Handlung, nach Wissensgebieten angeordnet, mit
Sach- und Verfasserregistern versehen und mit 14 Bildnissen hervor-
ragender katholischer Schriftsteller geschmückt, Vorauf geht eine kurze
Einführung „zur Geschichte des Hauses Herder“. Als Übersicht über
die bezügliche katholische Literatur der letzten Jahrzehute ist die Ver-
öffentlichung des hervorragendsten katholisch-wissenschaftlichen Ver-
lags in Deutschland sehr willkommen. XII, 867 Sp. M. 2.50.
Druck von C Schu'ze 4 Co. (J. m. b. H., Gr&fenhaiuichen
Ein Stück der Genesisvorlesung Luthers
in einer Greifswalder Handschrift.
Von Johannes Haußleiter.
Die Handschrift der Greifswalder Universitätsbibliothek,
Ms. Theol. Q 35, hat um der Abschriften von Luther- und
Melanehthon-Briefen willen, die sich in ihr befinden, schon
mehrfach die Forschung beschäftigt (vgl. E. L. Enders,
Luthers Briefwechsel, V 96 Nr. 866; VII 232 Nr. 1602;
XIII 50 Nr. 2851, 310 Nr. 2982; XIV 317 Nr. 3175 usw.). Sie ist
besonders wertvoll dureh einen Absehnitt aus der Genesis-
vorlesung Luthers, in dem eine andere Niederschrift zum
Worte kommt als die für die Druckausgabe der Vorlesung
benützten Handschriften. Ich habe den Abschnitt im Theo-
logischen Literaturblatt 1918 Nr. 7 Sp. 107 —109 vorläufig
mitgeteilt; eine vollständigere Besprechung, bei der der Text
der Druckausgabe zur Vergleichung hinzugefügt wird, soll
an diesem Orte erfolgen.
I.
Das Stück der Handschrift, das uns hier beschäftigt,
befindet sich in ihrem ersten Teil, der aus 58 Blättern (mit
neuer Zählung) besteht; dahinter folgen 20 leere Blätter.
Der Schreiber hat zunächst eine Vorlage abgeschrieben, die
aus 21 Stücken bestand; das erste Stück Bl. la ist mit a,
das zweite Bl. 2a mit b usw. das zwanzigste Bl. 32b mit
u und das letzte Bl. 34b mit x bezeichnet. Keines der
Stücke geht zeitlich über das Jahr 1543 hinaus; das späteste
Stück ist die Abschrift einer Quaestio bei der Wittenberger
Promotion des Johann Marbach aus Lindau zum Doctor der
Theologie am 20. Febr. 1543 (Bl. 13a—14b = Corp. Ref.
X 739—741). Die Abschrift muß also nach dem Febr. 1543
Archiv für Retormationsgeschichte. XVIL 2. 6
82 >
gefertigt sein; andrerseits fällt sie vor den 18. Febr. 1546,
Denn das Bl. 1a, das eine Reihe von Daten aus dem Leben
Luthers aufzählt (1484 natus est Lutherus, 1508 venit pri-
mum Wittenbergam usw.), schließt mit einer Angabe Über
das Jahr 1539 ab, und erst eine spätere Hand hat unten die
Zeilen hinzugefügt: Anno 1546 circiter Bachanalia mortuus
est D. Martinus Lutherus Islebiae, sepultus Wittenbergae.
Die 21 Stüeke der Sammlung, meist Briefe und Gutachten,
rühren von verschiedenen Verfassern her (Erasmus, Bucer,
Caspar Crueiger, Joh. Brentius, Amsdorf, Jonas); der Zahl
nach überwiegen die Briefe Luthers und Melanchthons. Viel-
fach handelt es sich um schwierige Ehefälle und ihre Ent-
scheidung. Die Sammlung schließt Bl. 34b — 35b mit dem
Brief Luthers an Dechant und Domherrn in Zeitz vom
4. Mai 1540 über den Ehefall des Baders Pancratii Fischers
(Enders XIII 50 Nr. 2851); angefügt ist ein Brief des Kur-
fürsten Johann Friedrich und seines Bruders Johannes Ernst
an die gleichen Adressaten vom 8. Juni 1540 (Bl. 35b— 37 a);
Enders hat ein Stück dieses Briefes abgedruckt (S. 51f.).
Nunmehr beginnt eine neue Schicht. Die Stücke werden
nicht mehr fortlaufend gezählt, sondern reihen sich obne
Zählung einzeln aneinander. Man hat den Eindruck, daß.
der Schreiber die Sammlung, die er bisher abgeschrieben
hat, nun seinerseits fortzusetzen und mit neuen Stücken zu
vermehren unternimmt. Und zwar beginnt er mit zwei Er-
zählungen aus den Vorlesungen Melanchthons und Luthers
vom 17. und 16. Okt. 1543. Die Erzählungen sind nicht
unmittelbar in der Vorlesung nachgeschrieben; sonst müßte
die zweite voranstehen. Es sind also Abschriften, die der
Schreiber bucht; ob er die Stücke von andern bekommen
oder selber mit angehört hat, steht dahin. Jedenfalls sind
sie ganz neuen Ursprungs; es mögen wenige Tage zwischen
dem mündlichen Vortrag und dieser Niederschrift in der
Mitte gelegen haben.
Melanchthon las im Jahre 1543 über die drei ersten.
Bücher der Ethik des Aristoteles. In einem nicht datierten.
Anschlag, der in der Sammlung der Seripta publice propo-
sita (1553 Bl. J6—1660 Bl. L— Corp. Ref. V 228) in der
Mitte zwischen einem Anschlag vom Martinstag — 11. Nov.
3 83
und einem solchen vom 3. Dez. 1543 steht, kündigt Melanch-
thon an, daß er, nachdem er bisher die drei ersten Bücher
erläutert habe, sich nunmehr mit Übergehung des vierten
zu dem besonders wichtigen fünften Buch wenden werde.
Damit wird bestätigt, daß die Vorlesung Mitte Oktober noch
in den Ausgängen des dritten Buches stand. Der Eintrag
in der Handschrift lautet:
(Bl. 37a) „Historia de poena adulteri euiusdam narrata
a p: Mel. in lectione Ethices Anno domini 1543, 17. Octobris.
Ad locum Aristotelis pagina 45: üra» sreıvwat, xaigovrag
1Gig T Bowudrwr ócuaic!).
Quidam nobilis non proeul a mea?) patria Bretta ex
illustri familia eyner von Goche, ex qua familia sunt et
hodie multi honesti viri, captivum habuit adulterum, et ipsum
nobilem, (Bl. 37b) quem inelusum carceri miserabili eum
affecit morte. "Quotidie ei demisit in carcerem assas carnes
bellissime instructas, sed ita, ut tantum earum odore frui
posset, et eo diutius sustentaretur, et tandem tamen fame
moreretur, sieut faetum est. Nam undecimo?) captivitatis
mortuus est, cum quidem humeros et quiequid ore attingere
poterat sibi arrosisset. Haee est horribilis poena et ostendit
iram dei adversus libidines, quod non permittit illas impu-
nitas. Darumb wens die leges nicht straffen, so kummt zu
zeiten solch ein heroicum faetum, das es straffet.“
Melanehthon scheint diesen Vorfal! ófters in seinen Vor-
lesungen erwähnt zu haben. Eine kürzere Fassung, die sich
inhaltlich nur dadurch unterscheidet, daß der Hungertod
schon am neunten Tag erfolgt, hat Johannes Manlius im
tom. II seiner Locorum communium collectanea (Basel bei
Oporinus 1563) unter den Erzählungen Melanchthons zum
sechsten Gebot aufbewahrt (p. 190). Sie lautet hier:
„Memini nobilem quendam cepisse moechum et fame
necasse: sed ita, ut quotidie mitteret assaturam optimam,
«quo odore augeret dolorem famis. Ille vero captivus arrosit
utrosque humeros, et vixit usque ad nonum diem.“
) Aristotelis Ethica Nicomachea III 10 8 6: ĝo: ò à» rie xa
toi; dio. Ótav zttivÓOOt, xalpovras rate T Bowudrwr donals, To
de toroútois xalpeıv áxoldotov' tTOoíto yap é7uDvurbuara Tatra (ed.
Bywater, Oxonii 1890, S. 61).
2) In der Handschrift steht me,
) Auf undecimo folgt in der Handschrift ein durchstrichenes post.
"Zu ergänzen ist die.
Gt
84 | | 4
In der Greifswalder Handschrift folgt nun unmittelbar
darauf Bl. 37b —39b der Bericht über den ungewöhnlich selt-
samen und verworrenen Ehefall, den Luther am 16. Okt. 1543
in Anlehnung an Genes. 36, 20—30 aus seelsorgerlichem
Interesse vorgetragen hat, um den künftigen Pastoren ein-
zuschärfen, daß mit erschrockenen Gewissen vorsichtig zu
verfahren sei, und daß keinem reuigen Stinder, er falle so
tief, als er immer wolle, die Pforte der Absolution verschlossen
werden dürfe. Den Anknüpfungspunkt bildet die Zurück-
weisung jüdischer Vorwürfe gegen Ana, den Vater der Oholi-
bama, einer der Frauen Esaus, quod incoestarit suam nurum.
Die folgenden Stücke der Greifswalder Handschrift zeigen
inhaltlich und zeitlich eine bunte Reihe. Zunächst schließt
sich Bl. 39b—41a die Praefatio an, die Caspar Cruciger
der Jüngere bei einer Artisten-Disputation am 17. Juni 1542
vorgetragen hatte. Der Text deckt sich fast wörtlich mit
der Recension, die ich im, Melanchthon-Kompendium"* (Greifs-
wald 1902, S. 159f) aus dem Sammelheft der Gothaer
Bibliothek Ch. B. Nr. 25 veröffentlicht habe. Das nächste
Stück Bl. 41a—43a fällt wieder in den Oktober 1543; es
ist die Antwort Luthers und seiner Kollegen Bugenhagen
und Melanchthon vom 7. Okt. 1543 auf die Einladung der
Leipziger Theologen, der Doctor-Promotion Bernhard Zieglers
beizuwohnen (vgl Enders XV 238—240 Nr. 3322). Das
letzte Stück der ganzen Reihe, Bl. 56a— 58b, ist ain Rande
als Matrimoniale bezeichnet; es enthält einen (ungedruckten)
Brief Melanchthons vom 30. Okt. 1543; Melanehthon beant-
wortet „Domino Joanni Caloandro, docenti evangelium iv
ecclesia Brunswicensi in zragouxía, cui titulus est ad Angelos“
zwei Fragen tiber die Behandlung von ehelichen Verbindungen
„tertii gradus tum consanguinitatis tum adfinitatis“.
Die mittleren Teile des Greifswalder Sammelbandes
sind von einer zweiten, späteren Hand geschrieben. Aber
in der letzten Lage, die aus 34 Blättern besteht, kehrt die
erste Hand und auch das Jahr 1543 wieder: Bl. 1—29
„In (par)tem primam lib: 4" Avicennae de febribus pestilen-
tialibus Doctor Augustinus Schurff de S. Gallo ordinarius
Medicinae in schola Vitebergensi. A^ 1543.“ Nach 3 leereu
Blüttern folgt auf Bl. 33b und 34a ein Verzeichnis der Ver-
5 85
pfändungen, die „Rudolphus Episcopus Herbipolensis eingelöst“
hat. Der haushälterische Bischof Rudolph II von Scherenberg
(1465 —1495) hat zur Ablegung der Schulden des Stiftes
Würzburg mehr denn 500000 Gulden bezahlt. Ein noch
vollständigeres Verzeichnis findet sich bei Joh. Peter Ludewig,
Geschichtschreiber von dem Bischoftum Würzburg Frank-
furt 1713) S. 865. Das Verzeichnis setzt Interesse für die
einzelnen Ortschaften des Würzburger Bistums voraus. Viel-
leicht stammte der Schreiber der Handschrift von dort her.
II.
Greifswalder Handschrift
(Bl. 37b) Casus quidam re-
citatus in lectione Genesis u
Domino Doctore Martino Lu-
tero. Anno 1543, 16. Octobris.
Vere dicitar: De occultis
non iudicat Ecclesia, sed ta-
men pastorem instructum esse
oportet, ut, si quando tale
aliquid accidit et ad illum
dela — (Bl. 38a) tum fuerit,
prudenter agat et conscientiis
perielitantibus opem ferat.
Weimarer Ausgabe Band 44
Vorlesungen über 1. Mos.
Kap. 36, 20—30. Seite 221
Z. 11— 14:
Aliud enim est publicum
testimonium historiae, euius-
modi nullum extat de Ana,
quod incoestarit suam nurum.
Aliud est occulte factum, quod
non debet proferri in lucem.
Sicut dicitur: De occultis non
iudicat Ecclesia): sed mane-
ant illa inter secreta con-
fessionis.
Am Schluß S. 2232.4 — 13:
Legem enim dominari opor-
tet in publieo foro, non in
conscientia. Et porta abso-
lutionis, ut sic dicam, nunquam
elausa esse debet peccatori-
bus. Er falle so tieff, als er
jmmer wólle. Et ego hane
historiam recitavi propter
Theologos iuniores, qui aut
iam funguntur aut aliquando
funeturi sunt ministerio verbi,
ut caute agant cum pertur-
batis conseientiis, nec?) con-
1) Sprichwort, s. Wander, Kirche 27.
2) In der Erlanger Ausgabe Lutheri exegetica opera latina tom. IX
(1841) p. 25: ne.
86
Greifswalder Handschrift
Igitur vobis narrabo histo-
riam quandam, quae Erfor-
diae accidit, eum ibi adhue
essem.
Mulier quaedam fuit dives
et honesto loco. . Filium ea
habuit iuvenem. Is in aedibus
maternis puellam quandam
honestam amare (coepit) !), ac
de stupro appellabat. Illa,
ut erat honesta, recusabat.
Cum vero iuvenis ille petendi-
finem non faceret ac saepius
molestus esset puellae, illa
rem defert ad dominam. Mater
respondit puellae, ut, eum
iterum peteret filius ab ea
coneubitum, assentiretur pe-
titioni ae polliceretur se in
obseuro quodam certo tem-
Weimarer Ausgabe Band 44
fitentibus peccata laqueum
iniielant, neve adflietionem
adtlietis addant. Judicia in
causis occultis sunt ditfieilia,
ideo requiruntur pastores
eruditi et prudentes, qui non
onerent aut involvant, sed
liberent, erigant et sanent
conscientias, quas Diabolus
dementavit et laqueis suis
irretivit.
S. 221 Z. 38— S. 222 2.3:
Praesertim vero iu singu-
laribus et inusitatis casibus,
quales interdum solent acei-
dere, Diabolo impellente hu-
manam naturam et deformante
tetris lapsibus. Qualis olim
Erphordiae contigit, cum ibi
confessor essem, quem audi-
vit quidam ex collegis meis
in privata confessione. Reci-
tabo autem propter eos, qui
aliquando futuri sunt Pastores
et Doctores Eeclesiae.
S. 222 Z. 4— 8. 223 Z. 4:
Erphordiae puella quaedam
ex honesta familia et pudiea
euidam servivit diviti mulieri
viduae, Eius filius adolescens,
captus forma et amore puellae,
sollieitavit eam ad concubi-
tum. Indignum facinus aver-
sans puella (uthonestam docet)
aliquoties a se repulit ado-
lescentem furiosum. Denique
eum quotidie magis magisque
instaret, et in suo illicito in-
stituto perseveraret, puella
rei indignitate impulsa, ut
famae consuleret, suamque
pudieitiam a summa infamia
1) coepit fehlt in der Handschrift.
Greifswalder Handschrift
pore expectaturam eius ad-
ventum. Interim cum puella
ita agit mater, ut indicato
tempore ipsa in proposito loco
filium expectet et virgis eum
et dignis modis excipiat.
Quid fit? Adolescens petit.
ut sibi (Bl. 38b) morem pu-
ella gerat; illa assentitur et
locum destinat, ut convenire
velint. Mater, ut erat actum,
se in puellae leetum collocat,
et iraeunda et aestuans fili-
um eum virgis expeotat. Ve-
nit ad leetum filius, diabolo
cooperante fit, ut mater om-
nis obliviseatur doloris ex
ira concepti!) et omnis sae-
vitiae. Uritur, filium admittit.
llle putans puellam se habere
satis diu matrem tractat. Tan-
dem prae gaudio exultaus
abit.
Mater ex illo concubitu
gravida facta peperit filiam,
eamque clam educandam tra-
dit mulieri cuidam, tandem
adultam ad se recipit, filiam
autem illius esse nemo norat.
Hane igitar etiam iuvenis iam
maturior factus amare coepit,
dat fidem se illam ducturum
coniugem. Et quia eo tem-
pore tanta erat legum ponti-
fiealium autoritas, ut et spon-
salia sine autoritate parentum
faeta (Bl. 39a) rata haberen-
tur, nolente, invita et multum
reclamante matre illam uxo-
rem ducit. Ibi iam epitasis
borum malorum accenditur.
Mater cum se sciret occasio-
87
Weimarer Ausgabe Band 44
vindicaret, matri rem ordine
narrat, monetque, ut filio, sibi
insidias struenti, frenum iuii-
eiat. Mater, re deliberata,
init rationem cum puella
iubetque in filii amorem con-
sentire, et certam horam, qua
convenire et rem perficere
tutissimum videretur, consti-
tuere. Se enim eo ipso tem-
pore constituto eius oecapu-
furam leetum et hae occasione
filium tam indigna conantem
repressuram. Consilium probat
puella, init paetum. Filius
hora noctis praetinita adest
petens ex pacto concubitum
puellae. Mater quae antea
filii furores hae arte cohibere
ae frenare constituerat, vieta
libidine et instinetu Diaboli
filio prostituit eorpus. Nasei-
tur ex indigno et ineoesto ?)
concubitu foemella quam
expositam et ab aliis educa-
tam mater tandem ad se
recepit, mota adfectu materno.
Idem filius harum rerum
omnium ignarus et hanc amare
incipit, sibique uxorem dari
postulat. Mater in summis
angustiis constituta dehortatur
filium et reluctatur quantum
potest eupiditati illieitae. llle,
invita et repugnante matre,
dat fidem puellae ducitque
eam in uxorem (Nam eo tem-
pore usitata et rata erant
elandestina sponsalia) Post
nuptias mater dubia et de-
sperabunda sibi ipsi vult ad-
ferre manus violentas, angitur
!) In der Handschrift stehen die Worte: doloribus ex ira conceptis.
2) Die Drucke bieten irrtümlich das Subst. incoestu statt des
Adj. incoesto.
88
Greifswalder Handschrift
nem his moestis nuptiis prae-
buisse, de suspendio cogitat.
Priusquam tamen in se peccet,
confessorem adit, rem omnem
ordine indicat, petit, num
quod remedium tantorum
malorum sit. Confessor ani-
mi dubius negat se eam ab-
solvere posse, sed ita conso-
latur: iubet bono animo esse,
quamvis se graviter deliquisse
gciat, tamen multa talia acci-
dere, quae ab hominibus dis-
eerni nequeanf, et ea divinae
bonitati remittenda esse. Sie
ille-sed male-consuluit, nam
hoc est conscientiam incertam
relinquere, et si ita mansisset
ineonsolata mulier, diabolus
eam in quodvis malum prae-
eipitasset. Res defertur ad
universum collegium Theo-
logorum (Bl. 39b) Erphurdiae.
Quaeritur, an filius ex se na-
tam illam filiam sciat. Re-
spondet mater: nequaquam.
Et postea!): quomodo inter
illos eonveniat. Cum et hic
‚bene‘ respondisset ‚ac mul-
tum se mutuo amare', defi-
nierunt ?, ut cohabitarent am-
bo et faetum nemini indica-
rent. Matrem quoque, quae
poenitebat, absolverunt.
) Zu ergänzen ist: quaeritur.
8
Weimarer Ausgabe Band 44
enim de incoestu, qui fieret
inter coniuges singulis nocti-
bus, nee poterat coniugium
dirimere. Cum autem sola
eonseia esset, nec sola posset
sustinere amplius dolorem et
angustiam animi, accedit con-
fessorem, negocium exponit et
petit ab eo consilium et con-
solationem. Ille incertus et
attonitus atrocitate rei non
habet, quod consulat. Itaque
Jureconsultis idem casus
offertur, hi quoque de iure
ambigunt, ut in casu inusi-
tato, et censent gommittendum
esse divinae bonitati, Verum
id non satis erat, necdum
liberata erat conseientia a
dubitatione et desperatione.
Tandem ad Theologorum
collegium defertur res, hi
optimam sententiam tulerunt.
Primo quaerebant, an sciret
filius, coniugem suam esse
matris filiam, conceptam ex
suo sanguine. Mater negavit
eum id scire. Solus Deus
inquit et ego conscia sum:
nee puella uxor filii novit se
mariti esse sororem. Deinde
interrogabant, an esset") bo-
num coniugium et quomodo
inter eos conveniret, Optime,
inquit. Deoreverunt ergo ad-
flietae conscientiae matris ab-
solutione consulendum esse.
Filio autem matrimonium iam
diu sponsalibus ac solennita-
tibus nuptiarum copulaque
carnali confirmatum, conce-
dendum. Matrem enim esse
2) In der Handschrift steht Diffinierunt,
) In der Weimarer Ausgabe S. 222 Z. 39 steht irrtümlich essent.
9 89
Greifswalder Handschrift Weimarer Ausgabe Band 44
unicam personam, quae non
posset probare rem, et secu-
tura ingentia mala, distrac-
tionem coniugum.
Et bene pronuneiatum est. Haee sententia et decisio
Theologorum, inter quos
occulte res transacta fuit,
valde laudanda est. Legem
enim usw. (siehe oben S. 85).
III.
Der Vergleich der Darstellung in der Greifswalder Hand-
schriſt mit der Bearbeitung im Druck fällt sehr zu ihren
Gunsten aus. Der Fluß der lebendigen Rede tritt in ihr
viel deutlicher zu Tage. Das zeigt schon der Anfang. Luther
schickt eine kurze Begründung voraus, warum er den selt-
samen Ehefall mitteilt; in dem Druck ist sie zu einer ein-
gehenden Erörterung des Zweckes erweitert, die der Er-
zählung am Schluß angefügt ist. Auf dem Höhepunkt der
Erzählung ist der im Druck unterdrückte Ausdruck: Ibi
iam epitasis horum malorum accenditur gewiß von Luther
gebraucht worden; nach Donatus wurde mit „Anspannung“
der Teil der Komödie bezeichnet, der der Katastrophe vor-
angeht. Es findet sich eine Reihe von Belegstellen in Luthers
Schriften: vgl. z. B. Weimarer Ausgabe 2, 577, 14 und 5, 576, 30;
dann in den Briefen von der Koburg bei Enders VIII 94, 7;
102, 6; 139, 19 (causam ad epitasin pervenisse); Deutsche
Bibel 3, 220 zu Genes.44, 5. Auch das Urteil über den
unzureiehenden Zuspruch des Beichtvaters ist sicher ur-
sprünglich; Luther erzählt ja den ganzen Fall, um Anweisung
zu rechtem Beichtverfahren zu geben. Der Druck bietet.
nur den Satz: Ille incertus et attonitus atrocitate rei non
tabet, quod consulat. Das Urteil: committendum esse divinae
bonitati spricht hier nicht der Beichtvater, sondern das Forum
der Iureconsulti, vor das der Fall zuerst gebracht wird,
bevor dann das Collegium der Theologen das letzte Wort
spricht,” Dieser Instanzengang bei einem Beichtgeheimnis
ist nicht sehr wahrscheinlich. Melanchthons nachher zu er--
wähnender kurzer Bericht weiß nichts von einem Spruch.
90 10
der Rechtsgelehrten; dagegen bestätigt er die Fassung des
Schlußergebnisses als echtes Lutherwort (vgl. Bd. 44, 223
Z. 5 f.: ‚Porta absolutionis, ut sie dicam, nunquam clausa
esse debet peccatoribus‘ mit Corp. Ref. XX 590 und V 393:
Probavit sententiam theologorum Lutherus. Porta enim gratiae
et absolutionis nunquam peccatoribus clausa esse debet).
Ohne die von Melanehthon in seiner Vorrede zum
dritten Teil der Genesis vorlesung stark betonte optima
fides der Herausgeber (Bd. 44, XXV. Z. 11) irgendwie an-
zuzweifeln, wird man nach diesem ersten möglich gewordenen
Beispiel vergleichender Kritik doch den Wunsch nicht unter-
drücken können, es möchten noch andere Nachschriften der
Genesisvorlesung zu Tage treten, die eine Vergleichung
größerer Abschritte ermöglichen. Die für den Druck benutzten
Niederschriften der Vorlesung gehen auf Veit Dietrich,
Cruciger, Georg Rörer, Hieronymus Besold und Johann Stols
zurück (vgl. Bd. 42, IX). Wir werden zufrieden sein müssen,
wenn sich der Inhalt der Druckausgabe im großen und
ganzen als zuverlässig ausweist; aber den Wortlaut der
Bearbeitung werden wir in keiner Weise pressen dürfen.
Wie oft Luther auf den Erfurter Fall zu sprechen ge-
kommen ist, kann man jetzt aus den Tischredenbäuden der
Weimarer Ausgabe ersehen; vgl. außer der Hauptstelle in
Bd. III 501 Nr. 3665 A und B noch Bd. I 82 Nr. 183
(Febr. bis März 1532) und Bd. IV 252 Nr. 4354. Weiter
zu vergleichen ist Gg. Loesche, Analecta Lutherana et Melan-
thoniana (Gotha 1892), S. 200 Nr. 308 und besonders die
ausführliche Darstellung auf S. 397 —400 Nr. 629. Melanchthon
erzühlte den Fall nicht nur gelegentlich in der Vorlesung
(Corp. Ref. XX 589f.) sondern auch in einem Briefe an
M. Andreas Diepolt in Eisleben vom 14. Mai 1544 (Corp.
Ref. V, 392—394; Enders, Luthers Briefwechsel, XV, 353).
Dieser aueh von Johannes Maulius (Locorum communium
eolleetanea, Basileae 1563, tom. I p. 107—111) wiederge-
gebene Brief hängt von der Genesisvorlesung ab, eben-
so der Auszug bei Andreas Hondorff, promtuarium exem-
plorum, ed. II, Francof. ad M. 1586, p. 486. In Haus
Wilhelm Kirehhof's ,Wendunmut* hat die Erzählung ihren
Übergang iu die deutsche Literatur vollzogen (1562; vgl.
ll 91
Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart Bd. 95
Nr. 329). Der Herausgeber, Hermann Oesterley, hat auf die
Zusammenhänge mit einem in der Weltliteratur viel behandelten
Stoff hingewiesen (Bd. 99 S. 57); besonders die durch das
Gedicht Hartmanns von Aue bekannte Legende „vom heiligen
Gregor auf dem Steine“ regt zu Vergleichen an. In dem
gut orientierenden Aufsatz von Adolf Seelisch, die Gregorius-
legende (Zeitschrift für deutsche Philologie, 19. Bd., 1887,
S. 385 421) ist auch der von Luther erzählte Erfurter Fall
erwähnt (S. 393 Anm. 4). Was die Gregoriuslegende von
der antiken Oedipussage unterscheidet, der Hinweis auf die
unergründliche Barmherzigkeit Gottes, die dem Reuigen Ver-
gebung schenkt, das wird in der Erzählung Luthers mit þe-
sonderem Nachdruck hervorgehoben.
Bugenhagens Katechismuspredigten vom
Jahre 1534.
Ein Beitrag zur Geschichte der Katechismuspredigt
in Wittenberg.
Von Georg Buchwald.
Als Luther am 29. November 1528 die dritte Reihe
seiner Katechismuspredigten anktindigte, sagte er: Cousueti
sumus hactenus et ordinavimus quater quolibets anno thiro-
einium et fundamenta Christianae cognicionis et vitae docere,
quolibet quartali duas hebdomadas, in una hebdomade 4 dies
hora 2. pomeridiana praedicari!) Diese vier Predigtreihen
waren, wie die Wittenberger Kirehenordnung von 1533 fest-
legt, zu halten ,in den ersten zweien wochen des advents,
in denen ersten zweien wochen quadragesime, in der creuz-
und nachvolgenden wochen“ und „in den negsten zweien
wochen naeh der ernte, ehe man den hopfen abnimbt, als
am sontag vor Bartholomei mit den zwo volgenden wochen“ ).
Die erste Predigtreihe des Jahres 1529 mußte Luther in-
folge körperlicher Schwäche den Diakonen überlassen. Er
zeigte selbst am Schlusse seiner Invokavitpredigt am
14. Februar 1529 der Gemeinde an: Praedicabitur xarexıouog
more solito sequentibus diebus, quod si ego facere non po-
lero valetudinis causa, facient diaconi?) Diese von Fröschel,
Rörer und Mantel gehaltenen Predigten hat uns Anton Lauter-
) Weim. Ausg. 27, 444,
2) Sehling, Kirchenordnungen J, 701.
*) Weim. Ausg, 29, 52, 10f.
13 | 93
bach!) in dem Nürnberger Cod. Solg. 13 überliefert?). Von
weiteren Katechismuspredigten in Wittenberg kannten wir
aus den nächsten Jahren bisher nur die, die Bugenhagen
im Jahre 1532 gehalten hat’).
Eine weitere Reihe Bugenhagenscher Kaleem:
digten hat Georg Helt in einem ftr die Geschichte der
Predigt in Wittenberg außerordentlich wertvollen Bande ver-
zeichnet. Dieser, der Fürst Georg-Bibliothek in Dessau ge-
hörende, einer Signatur entbehrende Band bildet eine Art
Predigttagebuch, das Helt mit peinlicher Gewissenhaftigkeit
geführt hat. Es soll an anderer Stelle ausführlich geschildert
werden. Wir beschäftigen uns hier nur mit Bugenhagens
Katechismuspredigten. .
Dieselben bilden die zweite Predigtreihe des Jahres 1534,
also die ,in der ereuz- und nachvolgenden wochen*. Sie
sind gehalten — nachmittags 2 Uhr*) — am Montag, Diens-.
tag, Mittwoch, Freitag nach Vocem Jocunditatis und am Mon-
tag, Dienstag, Donnerstag und Freitag nach Exaudi, also
am 1l, 12, 13., 15., 18., 19., 21. und 22. Mai. Die Kirchen-
ordnung von 1533 bestimmt: ,Konnen in solehen wochen
des catechismi die beiden gewonlichen predigten des mitt-
wochs und sonnabents durch den pfarrer oder .caplan ge-
schehen, guet, wo nicht, so mögen sie alsdan nach bleiben,
bis des catechismi wochen aus sind?) Bugenhagen predigte
damals Mittwochs (im Sommer früh 7, im Winter frtih 8 Uhr)
über das Matthüusevangelium, Sonnabends (in der Regel
nachmittags 2 Uhr) über die Psalmen®). Bugenhagen setzte
die Matthäuspredigt am Mittwoch, den 13., aber nicht die
Psalmenpredigt am Sonnabend, den 16. Mai aus. Am Mitt-
woch, den 20. Mai, hielt er aber die Matthäuspredigt und
am Sonnabend, den 23. Mai, auch die Psalmenpredigt.
1) Beitr. zur sächs. Kirchengesch. 29, 283 ff.
; *) Beiträge zur Reformationsgeschichte eat zu Köstlins
70. Geburtstag) Gotha. 1896 S. 49ff.
9) Bugenhagens Katechismuspredigten gehalten 1525 und 1538.
Herausgeg. von Buchwald und Albrecht. Leipzig, 1909 S. 16ff. 81 ff.
*) Vgl. oben.
) Sehling a. a. O.
*) Das erfahren wir aus Helts Predigttagebuch.
94 14
In dieser Predigtreihe behandelt Bugenhagen nicht die
einzelnen Hauptstüeke in ihrer Aufeinanderfolge. Es lag
ihm vor allem daran, ausführlich über das Vaterunser zu
predigen. Am vorhergehenden Sonntag hatte er de precando
. et orando deo gesprochen und besonders darauf hingewiesen,
quod habeamus praeceptum dei ad orandum, unde, si nostram
fidem infirmam experiamur, tamen deberemus praestare deo
hane obedientiam et reverentiam, orantes deum propter eius
praeceptum. Die drohenden politischen Verhältnisse erschienen
ihm als dringende Mahnung zum Gebet pro familia, pro
pace privata et publica: eum iam Hessorum princeps stipatus
magno exercitu proficiscitur ad terram Wirtenbergensem, ex
quo multa mala citari possunt’). So rechtfertigt Bugenhagen
am Anfange seiner ersten Predigt, daß er die übrigen Stücke
des Katechismus beiseite läßt: ut orationem dominicam eo
plenius diseatis. Die zehn Gebote „läuft er“ nieht weniger
als viermal in den Vaterunserpredigten durch?, da er sie
wie schon im Jahre 1525 und 1532 in Verbindung mit dem
Vaterunser setzt?) In der achten Predigt werden ganz kurz
das Symbolum und die Sakramente behandelt.
Deutlich zeigt sich in den vorliegenden Predigten der
Anschluß an Luthers kleinen Katechismus, der bald, auch
in den Wittenberger Predigten, verlassen worden ist*). Die
besonders hervortretenden Stellen sind im Drucke gesperrt
wiedergegeben. Die Eigentümlichkeit, daß Bugenhagen beim
ersten Gebot die Vorrede Ego sum dominus deus tuus an-
führt, findet sich auch in diesen Katechismuspredigten 5).
An der nächsten Predigtreihe über den Katechismus
im August 1534 scheint Bugenhagen sich nicht beteiligt zu
haben. Helt hat uns nichts Näheres Über dieselben über-
liefert). |
1) Vgl. Melanchthon an Spalatin in jenen Tagen: Magna et peri-
culosa res universo orbi terrarum ac praecipue nobis ab illo mota est
(C. R. 2, 728). Vgl. Köstlin-Kawerau, Luther 2, 989,
2) 1., 2, 5., und 7. Predigt.
*) Vgl. Bugeulinsons Katechismuspredigten usw. 8. 72, 7; 92, 11.
1) a. a. O. S. 21f.
5) Vgl. Bugenhagens Katechismuspredigten usw. S. 19.
*) Vgl. BL 211a.
15 95.
l.
Montag, 11. Mai.
[162a! Die lunac post dominivam Vocem jocunditatis post 22"
cepit praedicare catechismi partem, scilicet paternoster d.
Pomeranus.
Praetermissis aliis partibus eatechismi, ut orationem do-
minicam eo plenius diseatis, ubi breviter inicio repetivit,
quae dixerat in concione praecedenti in verba Joannis ‘Amen,
amen dico vobis: si quid petieritis’ c. quae erant ex euangelio
in dominica Joeunditatis lecta et recitata, ut patet ante duo
folia!) Dietum autem, quid orandum sit, seilicet quod pater
sit orandus, non saneti, et in nomine filii. Nemo autem po-
test petere in nomine filii nisi per spiritum sanctum. Ceterum
possit quis esse solicitus, quibus verbis esset deus pater
orandus, et Ro. 8 dieitur: ‘nescimus, quomodo orare debe-
amns’ ꝛc. et potissimum in necessitatibus magnis ita turbamur,
ut non queamus orare aut sentire fidem nostram. Unde et
Christus rogatus a discipulis de forma orandi praescribit
nobis verba, quibus oremus patrem. Ubi sciendum, quod
si oppressi tentationibus non possimus orare, oportet saltem
ut pueri non intelligentes verba oremus ıc. primo precis
proemium dicendo ‘vater unfer eontra consuetum modum
loquendi nostri vernaeuli, Dicimus enim in vernacula ‘unfer
vater’, sieut et postea ‘unfer teglich prot! ꝛc. sed ille, unde
ila orandi vernacula ratio promanavit, proposuit ‘pater et
postposuit ‘unfer, ut venerationi maiori haberetis nomen
patris et ut nobis animus exeitaretur ad honorandum patrem
ilum celestem ic. Tria ergo in illis tribus verbis propo-
nuntur. Primo deeitur ‘pater: ibi est discretio eorum, qui
sunt sub lege constituti. Deus est iudex, quia non implent
illi [162b] legem, quia ergo eis iudex terribilis. Illis autem,
qui sunt sub gratia et reconeiliati sunt eum patre, est pater.
Est autem pater per Jesum Christum. Ibi eciam compre-
henditur primum praeceptum decalogi de non habendis alienis
diis. Qui agnoscit deum patrem, is non colit deos alienos
et sie observat primum praeceptum. In nomine autem patris
magna nobis fiducia aecedendi ad deum commendatur, sieut
et filii nostri cum fiducia accedunt suos patres. Si est pater
noster, ergo sumus filii eius. In ‘unfer significatur eommunio
sanctorum, sanctorum, inquam, per spiritum sanctum et per
sanguinem Christi Jesu, de quo in ps. ‘qui videbunt te, time-
8 Joh. 16,23. 15 Rö. 8, 26. 18 Luk. 11, 1ff.
41 Ps. 119, 74.
1) Bl. 160b, 161a.
40:
45
650
55
60
10
16
20
96 16
bunt me’ x. et ad Ephe. 4. Sequitur ex praedictis, quod
sumus inter nos fratres et sorores. Ergo hic commendatur
nobis charitas alenda mutua, ut alter in alterum sit bene-
ficus, alter alterum non ledat. Hue ergo pertinet 2* tabula
Moisi, quam breviter hic percurrit. Videant ergo, quo nomine
eenseantur, qui ledunt proximos detrahendo, decipiendo, con-
temnendo x. ‘In celi? x. qui es pater celestis, eternus, in-
visibilis, quem non conspicere nobis licet, adsis hie nobis.
Unde et ad Coloss. 3. taque ‘si resurrexistis una cum
Christo, superna quaerite’ ıc. agnoscentes itaque patrem ce-
lestem eciam custodiunt, quae deus pater constituit, ordinavit
et docuit per filium suum, ut est eius verbum et sacramenta,
non audit sacramentarios ꝛc. L. d. s.) de prima concione in
oracionem dominieam.
13 utpatet in concione proxima Pomerani v. 15 Corin, nemo
potest dicere Christus Jesus nisi per spiritum sanctum r. 55 culus
nomine oramus, licet nomen Jesu Christi non exprimatur, tamen
subinditur v. 41 persecutores euangelii non pertinent ad communionem
illam ꝛc. secus de illis, qui peccant simpliciter r. 53 unten am
Seitenrande steht Christianus non terminatur secundum illud, a
quo est Christianus :¢. Mundus illudit Christianos gloriantes de patre
celesti.
2.
Dienstag, 12. Mai.
[163a| Summa concionis 2° in oracionem dominicam ex ore
d. Pomerani.
Inicio repetivit dicta iu priore sermone, quomodo deus
pater noster sit piorum per Jesum Christum i. e. non meritis
ullis, sed per gratiam, qua differunt pii a cateris hominibus
totius mundi. Qui autem agnoscunt deum patrem, observant
primum praeceptum deealogi, fidunt in eum, diligunt eum :e.
et item 2"" praeceptum, ne nomen dei in vanum sumant,
sicut et carnales filii non eque ferunt nomen parentum tra-
duci ef obseurari, immo sepe fiunt ea causa homicidia. Et
iam sequitur impletio 3% praecepti, quod scilicet verbum
eius libenter audiatur ıc. quod fieri debet in sabbatisando.
Et sicut pater carnalis non reiicit filios suos morbidos et
egrotantes, sed illi magis eurantur a patre et matre, item
celestis pater in nos peccatores affectus est, utpatet per patrem,
qui filium prodigum amanter recepit in Luca ıc. sumus itaque
celestes filii, cam habeamus patrem in celis et sic sumus in
regno celorum ef in spirituali regno, quibus omnia, quibus
42 Eph. 4, 4. 50 Kol. 3, 1. 56 1. Kor, 12, 3.
fS Luk. 15, 32.
) d. i. Laus deo semper.
17 97
utimur in hoe mundo, sunt spiritualia. De hoc vide anno-
tationes Pomerani in c. 10. primae ad Corinthios. Sed quo-
modo infantes hune patrem celestem, cum neque terrenum
patrem agnoscant multo tempore ıc. die, quod sicut filii car-
nales nascuntur et fiunt nativitate et generatione, sic et
generatione spirituali per verbum efficiuntur filii patris ce-
lestis. Item cum promissiones, ut scribitur in scriptura
sancta ꝛc. ad filios pertineant, ergo et patres, sed haee non
sunt huius instituti, in quibus verbis significatur communio
sanetorum et sic ecclesia, ubi sumus unum corpus, cuius
caput Christus, ergo sumus mutuo fratres, per quod et cha-
ritas commendata, et sie 2*tabula Moysi :¢. quam iterum
breviter percurrit.
. Sequitur 'sanctificetur nomen tuum’. Nomen significat hie
gotes ehr und preiffe, ut item apud nos dicitur: est magni
nominis, [163b] quod nomen, cet apud deum et in se sit
sanctum, tamen oramus, ut apud nos quoque sanctificetur, Oramus
ergo in hae petitione, ut verbum et euangelium pure prae-
dicetur e& quod dei misericordia divulgetur. In summa ora-
cionis sic oramus, quod diceremus: o pater, fae et dignare,
ut euangelium Jesu Christi divulgetur, ut praedicetur et
retineatur apud illos, qui susceperunt, et qui non habent,
iam suscipiant illud praedicatum et ut impiae doctrinae et
abominandae doctrinae ut papistarum et sacramentariorum
et aliorum obliterentur, ut tuum verbum pure et &yncere prae-
dicetur w. L. d. 8.
17 carnalis] celestis. 34 ut in ps. adiuva nos propter nomen
tuum x. r unten am Rande steht nomine dei utimur aliquando ex
adiumento ... sed hie. . c. Ephe. 1 convivificati sumus cum Christo r.
36 Oben am Rande steht Nomen dei inhonoratur mala doctrina et
mala vita sic eciam ... sanctificatur honesta vita et bona doctrina x.
nomen dei propter nos blasphematur ꝛc. 45 Hiere. 18, 1. 28. 1. 18.1.
quomodo oravit, cum esset in Babylone aliis relictis Hierosolimis :c.
obscure dixit r,
3.
Mittwoch, 13. Mai.
3° concio in catechismum
in vigilia ascensionis dominicae, perrexit autem in catechismo.
Ubi inicio repetivit dicta in prioribus concionibus. Au-
distis, inquit, quid sit orare, ut ‘sanctificetur nomen dev, nempe
ut euangelium et verbum dei pure et sincere praedicetur, ex quo
discitur voluntas patris in nos ex filio suo nobis dato et pro
nobis mortuo 1c. Nune sequitur 'adreniat regnum tuum’, ubi
47 Ps. 79, 9. 49 Eph. 2, 3. 52 Jer. 18, 1ff. 28. Uff.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 2. 7
26
85
10
15
25
80
86
40
98 18
oratur, ut nos, qui verbum et euangelium dei audimus, et
credamus et per fidem suseipiamus per spiritum. sanctum, ut
sic Christus in nobis regnet, de quo regno Christi in Daniele.
Quae petitio quia valde necessaria, ut quam diabolus, mundus
et principes et tyranni oppugnant, petimus itaque, ut credamus
et boni efficiamur. Sequitur ‘fiat voluntas tua’ 1v, quae petitio
eciam est pernecessaria, po mir nuhr gotté wortes haben ıc.
fo felt uns noch vil an der lehr und leben, wir [Bl. 164 a
brechlich an leben ic. Hine rogemus, ut sicut voluntas dei
patris fit in celo, in angelis scilicet ut in ps. praeceptum' et
in celestibus corporibus, sol, luna et stellae et reliqua cor-
pora peragunt suum cursum, sic et nos faciamus orationem.
Potissimum autem voluntatis divinae est, ut credamus in
eum, quem misií dominus pater ut in Joanne, deinde ut
vivamus secundum praecepta dei, unde discitur voluntas dei,
ut per contrarium oremus, ne fiat voluntas retrorsum sacra-
mentariorum, hereticorum :v. Ordines monastici non per-
tinent ad voluntatem dei, quia non habent verbum dei pro
se x. L.d.s. Oramus ergo, ne voluntas nostra, non diaboli
et mundi, sed dei voluntas fiat. Dabitatum est aliquando:
quid si deus nos velit habere pro damnatis, an eciam eam
volantatem oremus fieri? Dic, quod illa quaestio non habet
hie locum. Immo non est digna hac locutione, nam hic
deprecamur patrem nostrum, ergo petimus, ut eius paterna
et gratiosa vel benigna voluntas fiat. Patris enim est defen-
dere, servare sugs liberos ıc, Iterum l. d. s.
9 et ut fides augescat, ut illi, qui non habent, eciam acqui-
rant x. r. 15 per contrarium oremus, ut regnum diaboli et antichristi
aboleatur r. 19 ps. vide si est iniquitas in me :. Item proba cor
meum r. 23 voluntas dei ut verbum eius praedicetur ıc. r. 28 im-
peditus ante concionem fuit per interpellationem "uxoris a magistri
Beher conventoris in Worliczio :. quae in vigilia ascensionis hic
uit mecum propter emendum pannum «x. r,
4.
Freitag, 15. Mai.
[166a] 4. concio in catechismum.
Summa concionis in calechismum domini Fomerani.
Repetendo praedicationem dixit prima petitione orari a
deo, ut recte doceatur de deo, ut euangelium praedicetur.
Nomen enim dei, quod de eo dicitur et praedicatur, sicut
homines habent nomen suum, uf conscientiae recte instruantur
12 Dan. 7, 27. 19 Ps. 148, 6. 23 Joh. 17, 21.
38 Ps. 189, 24. 39 Ps. 189, 23.
19 | 99
et ut impiae doctrinae aboleantur. Nec enim est alia via
perveniendi ad iusticiam, das wir from werden, quam verbum
dei. Hine Adae, Abrahae et ceteris patribus promissiones
datae, quibus iustificati et salvati, sed ratio nostra vult suum
verbum magnum fieri, sed deus hoc non vult, quare deus
misit prophetas, ut verbum suum praedicarent, deinde et per
filiam suum locutus est nobis x. ad Hebre. Per illud ver-
bum sanctificatur nomen dei. Si filii carnales non possunt
ferre nomen patrum suorum conspergi macula, multo magis
patrem nostrum celestem :c. Per verbum dei docamur, quid
de deo sentiendum sit :c.
Sequitur: ‘adveniat regnum tuum’, quo rogamus, ut illud
verbum habentes [166b] fide suscipiamus, per quam deus in
nobis regnat, sine qua fide regnum dei non constitit, ubi
oramus eciam, uf regnum satanae et potestates et magistratus
verbo dei adversantes aboleantur, quo regno eredimus Jesum
Christum esse salutem nostram et illum, per quem remissionem
peccatorum ic.
Sequitur: ‘fat voluntas tua' ıc. quo rogamus, ut vivamus
secundum verbum eius. Das haubtſtuͤck ift, ut credamus in
eum, quem misit pater, ut in Joanne, tune alia sequentur.
Voluntas autem dei exprimitur per eius verbum. Voluntas dei,
ut sanctificetur nomen eius ꝛc. et cetera quae in oratione
dominica petuntur, et oramus per contrarium, ne diaboli et
aliorum contra verbum dei voluntas fiat.
Sequitur 4'* petitio, qua non rogatur pro pane celesti,
ut quidam, nee pro eorpore Christi in sacramento 1c. sed pro
omnibus neeessariis huius vitae, ut cibus, potus, victus, paz,
bona et idonea temperies celi pro frugibus x. Hic paucis in-
vehebatur in avaritiam et incredulitatem nostram, propter
quam non credimus deo ventrem, de quo in ps. exempla
multa, ps. inclina cor meum in verbum fuum, non in avari-
eiam. Dixit autem nostrum panem prohiberi, ne alienum
panem ut furto et rapinis partum edamus 2c. deinde eciam
proprietas rerum admittitur, ut docet praeceptum de non
furando et non concupiscendo ꝛc. L. d. s.
5 Die sabbatino et dominica sequenti non praedicatum est in
catechismo r. 15/f. gloriati sunt alii se fuisse ad sanctum Jacobum vel
Romae, multo magis gloriemur nos in sacra concione fuisse, de quo
refert digressionem de illis peregrinationibus et nobis non dispensa-
bilibus :c, ut in decretalibus legi r. 34 Hactenus de regno dei petitiones
fuerunt r. 42 non prohibetur hic provisio pro futuro, ut monachi
somniarunt, de quo ego legi in B Tho 2 2e?) r,
15 Hebr. 1, 2.
!) Thomas, summa I sec. part. q. 2. art. 1.
7*
16
20
40
50
100 20
oO.
Montaz, 18. Mai.
[169a] Summa concionis er ore d. d. Pomerani die lunae
post. dominicam E.xaudi.
5 Primo repetivit dicta in prioribus concionibus catechismi
et sic hactenus bona spiritualia et temporalia petivimus a
deo. Nune petimus pro evitandis malis. Maximum autem
malum est peccatum vel peccata nostra, quae dieuntur de-
bita nostra, unfer ſchulde. llla debita nostra et peccata, co-
10 gnoscuntur ex lege, hoc est: ex decalogo. Per legem enim
cognitio peccati. Ubi percurrit totum decalogum. Non credi-
mus, diligimus deum, non timemus eum ıc. Deinde debita
nostra ex oratione dominica discimus: non enim sanctificamus
nomen dei, peccamus contra regnum dei :c. dimittuntur autem
15 debita nostra sola dei misericordia per Jesum Christum.
Ps. apud te est propiciatio’ ıc. et sic apud eum est abrogatio
legis, eui dimittuntur debita. Non enim potest eum condem-
nare. Et hie est ille artieulus fidei: eredo remissionem pec-
eatorum, et eredendo in Christum Jesum. Hieremiae: 'pec-
20 catorum eorum [169b] amplius non recordabor. Ergo sequitur.
quod non est satisfactio ulla nec illa opera satisfactionis,
propter quae dimittuntur peccata nee propter contritionem
nostram, ut finxerunt, et sic omnia illa, quibus sub papatu
remissionem volebant consequi, ruunt. Sed quid sequitur?
35 ‘sicut et nos dimittimus debitoribus nostri. Si deus magna
peccata nobis dimittit, quae contra ipsum fecimus, quia maior
est maiestas divina quam nostra persona, in quam peccat
proximus, multo magis, quae contra nos commissa sunt,
dimittere debemus, uf sunt peccata contra 2*" tabulam. Et
so Si non possumus hoc facere, oremus saltem gratiam illam a
deo, ut possimus dimittere proximo nostro :x. L. d. s.
20 unten am Rande steht Adveniat regnum tuum, rogamus,
ut si verbum non praedicatur, ut adsit, fide suscipiamus x.
6.
Dienstag, 19. Mai.
Sexta concio d. Pomerani in catechismum die Martis.
Facta repetitione dictorum, quod videlicet in tribus
s primis petitionibus oraretur fur gotes ehr, regno et impletione
voluntatis eius et in 4'* petitione pro rebüs huius vitae ne-
16 Pas. 130, 4. 19 Jer. 31, 34.
2] 101
cessarlis, pro pane, cibo, potu, pro puce, pro bonu politia ꝛc.
ubi sciamus, quam impotentes simus et miseri, quod omnia
illa temporalia non possumus nostra industria procurare nobis
sine gratia dei, eum neque granulum parvum siliginis pos-
simus producere, nedum panem. Omnia ergo haec ex liberali
manu patris nostri percipimus, multo minus eterna et spiri-
tualia bona ex nobis habemus. Nos ergo utentes illis bonis
vognoscamus habere patrem clementem per Jesum Christum,
a quo illa dona suscipimus. Pro hoc vide tu annotationes
Pomerani in 10. ad Corin. prioris epistolae. Non petitur hic
pro eucharistia seu pro verbo dei. Nam haec in prioribus
petitionibus petita sunt. Nam petendo [170a] pro verbo dei
iam pro sacramento eius, quo conficitur, oratur ıc. Hie di-
gressus est dicendo de mammona et eius servitute, quae esset
idoiolatria ic.
Sequitur: ‘dimitte nobis debita nostra! 1. quod consequimur
tantum gratia per Jesum Christum sine meritis. Propter hoe
Christus natus, passus et mortuus est, ut ipse testatur. Hic
ruunt omnes cultus papistiei et alia excogitata pro remis-
sione peccatorum. Non enim dicitur hie de satisfactionibus
pro peccatis, sed de dimissione et remissione peccatorum, de
qua et in symbolo. Sequitur: ‘sicut et nos dimittimus debi-
toribus nostris. Ibi commendatur charitas nobis, qua nos
dimittimus proximis nostris, quae necessario consequitur
fidem, quae ubi est, non est odium, invidia, rancor, et se-
quitur, ut dimittamus proximo nostro. Sed in regno diaboli
sunt ira, odium, invidia ıc. non in regno Christi. Et haec
partieula non est conditio legis, sed probatio fidei nostrae et
cyn pruffeíteín. Quod nos habere charitatem et fidem in
regno Christo, utcumque deficiamus in illis et illum defectum
conqueramur deo, et sic dimittere oportet nos proximo
nostro, et si non plene, rogemus a deo, ut det gratiam, qua
possimus.
Sequitur: ‘ne nos inducas in tentationem". Cum prae-
dieta assint, utcumque tamen sumus circumdati mundo, diabolo,
carne nostra, quibus sollieitamur, ut a deo et verbo deficiamus,
et sie est tentatio necessaria, quod fit per falsam doctrinam.
Hogamus ergo, uf deus velit nos conservare in fide, sana
doctrina ef aliis, quia ex nobis non possumus perseverare,
quod valde necesse orare, quia Christus dixit omnes electos
decipiendos, licet liberantur ex errore. Sed si contingat mos
«educi et in errores, scandala, peccata, adversitates venire,
petimus, ut liberemur x. Hinc sequitur ultima petitio: ‘sed
ibera nos a malo! sive cognito sive non cognito. ‘Amen’ i. e.
fiet vel verum est, quod dicimus vera fide, in qua fide primo
cepimus orare dicentes pater noster ex fide. L. d. s.
—
5
40
102 99
9 pro hoc multa Lutherus in ps. 15 graduum!) r. 13 Sic non
Turcae neque infideles, quia non habent talem patrem deum, sed
66 iudicem, quia condemnat eos ut transgressores legis, nobis autem filiis
non imputatur peccatum r. 34 non pertinent ad regnum Christi, qui
nolunt dimittere :. r. 38 si] sic. 44 ut sacramentarii, rotenses et si
de fide trinitatis tentamur :c. vel aliis articulis r. 52 unten am
Rande steht non dubitantes, quod exaudiamur.
7.
Donnerstag, 21. Mai.
[171a] Summa concionis er ore d. Fomerani die Jovis in
catechismum, ubi maximum tempus consumpsit in repetendo
6 orationis dominicae.
In prima petitione orationis dominicae oramus, das (eon
ehr gefordert und geſchee, licet apud eum eius honos semper
servetur incolumis, non tamen apud nos. Hine oratur, ut
sanctificetur nomen eius, ut recte praedicetur de eo ıc. quod
10 fit per eius verbum. In 2? petitione ut non verbum, dum
praedicatur, frustra praedicetur, sed ut per spiritum sanctum
suscipiatur et credatur. Deinde oratur: fiat voluntas tua’ ic.
[171b] Nam licet verbum audiamus ef praesto sit et ei
credamus et sana doctrina tradatur, ßo wil es doch nicht mit
15 dem leben hynnach volgen, ut obsistentibus hostibus nostris,
carne, mundo, diabolo, Oramus autem, uf eius gratiosa et
paterna voluntas fiat. Postea petimus, ut panem nostrum
cotidianum tribuat, ubi necessaria vitae petimus contra avari-
tiam, quae inexplebilis est ıc. si non superflua contingent,
ə tamen sufficienter deus tribuit, quibus eum deo et honore
possumus uti cum bona conscientia uf ps. x.
Hactenus petivimus spiritualia et temporalia, nunc de-
preeamur mala, ne aecedant. Primo oramus, ut dimittat
debita nostra i.e. peccata, quod est maximum ' malum ıc.
25 Sequitur: ne nos inducas in tentationem, ubi oramus, ut
deus nos conservet in suo verbo ıc. sed quis non labitur?
Hine ultima oratio: ‘sed libera nos a malo’ i. e. peccato, impia
doctrina ıc. ‘Amen’ i. e. fiet vel verus [I] est 1c. et sie in illa
oratione omnes petitiones necessariae comprehenduntur sive
so in ps. sive alibi continentur tua, si dicimus ad deum: a
her gott, es ſeyn vil ſchwirmer, rotenses, hulff uns, a her,
1) Op. ex, 15, 48 ff. (über die Stufenpsalmen hatte Luther 1531
bis 1533 gelesen).
23 103
es gette ubel zu, hilff ung, ſihe dreyn :. sic si non oramus
integrum, potes saltem unam, saltem unam partem oremus.
Et tantum de oratione dominica.
Deinde breviter pereurrit 10 praecepta. Primo praecepto,
ubi dieitur: ego sum dominus deus tuus :c. non habebis deos
alienos, ubi non ulla opera, sed fides exigitur et in illo
praecepto et in prima tabula solum deus est dominus noster
et nullus homo [172a] sed in 2* tabula sunt domini sub illo
tamen domino sicut et magistri. Non habeas deos alienos,
quibus fidas ut monachi, qui confisi operibus suis ıc. 2? prae-
cepto prohibentur falsae doctrinae i. e. dogmata docentur et
suscipiuntur sub nomine dei, sic nec falso iuremus. Docemur
ergo nomine dei bene uti, scilicet invocare 1. ut verbum dei
pure doceatur ıc. ldem in pater noster, scilicet sanctificetur
nomen tuum :. 3° praecepto, ut cum convenerimus, verbum
dei audiamus, praedicemus et legamus, gratias deo agamus
et audita nostris domi recitemus ıc. In 2* tabula commen-
datur nobis charitas. In primo autem praecepto 2. tabulae
eomprehenditur omnis superioritas et maicritas, ut obediant
inferiores illis superioribus ıc. Reliqua brevissime percurrit
cum symbolo, quia hora praeterierat. L. d. s.
9 Adveniat regnum tuum x. r. 17 De hoc vide tu Cyprianum ) r.
39 Oben am Seitenrande steht Dixit in sermone filios inobedientes
sepe punitos, ut multa exempla testantur x. 41 ff. De hoc vide Powe-
ranum in concionibus in Matthei ca. 23?) r, 51 Pr[aeceptum] ne con-
cupisces r. Nihil ignotum vel insigne adiecit :ıc. r.
1) De oratione dominica.
3) Helt hat im Auge Bl.119a: Hunc textum (Matth. 23, 1ff.)
torserunt pro se papistae in sensu alieno, quasi Christus exegisset a
nobis, ut omnia, quae ipsi praeceperint, nos facere cogeremur, et sic
eorum traditiones, quae in decretis et decretalibus continerentur, ser-
vare teneamur, sed mirum est nos ita excecatos fuisse, cum sedere
super cathedram Moysi sit ea docere, quae Christus docuit ex dei
iussu ut 10 praecepta et cetera, sicut hic suggestus, quando docetur
in eo euangelium Christi, dicitur Christi cathedra, sed quando mo-
nachus in ea praedicaret contra euangelium, tune esset antichristi
cathedra, non Christi. — Bl. 122b zu Matth. 23, 8: Sic consuetudo est
in tota ecelesia, ut patribus et sic singulis sua nomina tribuamus x,
in officiis publicis constitutis. Non est ergo illa senteutia, quam
pbanatici spiritus hinc colligunt volentes abolere magistratus, ut
Munczerus et Nicolaus Storche, licet ipsi revera volebant sibi
arrogare nomen patris et superioris, quia volebant esse superiores suis
rusticis et duces corum x. Sic cuiusdam civitatis magnae senatores
per eiusmodi spiritus seducti scripserunt hinc difer (tatte N. vorweſer
nolentes scribere se buͤrgermeiſter, cum in re idem ait r.
m
0
a
0
8.
Freitag, 22. Mai!).
Octava. concio ec ore d, Pomerani in catechisnuun.
In eatechismi parte et in 10 praeceptis discimus, quod
s sumus natura mali, in altera parte docemur, unde illa pe-
tamus, ut consequamur, nempe in oratione dominica et in
confessione fidei nostrae vel symbolo, quae breviter et sum-
matim repetivit. Deinde in eadem hora de sacramento bap-
tismi et altaris tractavit. Sacramentum est enim gnaden-
10 zeichen uns von gotte bephollen, unde cognoscimus nos deum
habere propicium per Christum Jesum, quod ostendit per
verba baptismi et cenae domini, de baptismo ex Tito et ad
Ephe. Debent autem celebrari sacramenta secundum Christi
institutionem. In nomine’ vel in nomen patris ꝛc. utpatet ex
16 greco i. e. ut ineorporaremur deo patri x. Errant anabap-
tistae, Pueri christiani enim pertinent ad semen Abrahae,
ut et Joannis 8. Hine facit ‘in semine tuo' ıc. Item acto-
rum 2. salus ipsis et filiis eorum promissa ꝛc. ltem si circum-
eisio pueris, ergo et baptismus. ltem 'sinite parvulos venire
20 ad me. Christus ergo habet eos pro fidelibus ic. L. d. s.
4 Hac septimana fuit hic d. magister Hausmannus, venit huc
die lunae post exaudi et abiit in vigilia pentecostes hora 2a deductus
a multis bonis viris ?). 8 Ergo rasura illa et unctio non sunt sacra-
menta ut nos loquimur de sacramento r. 20 Unten am Seiten-
„ rande steht Ego quaesitus a quodam respondi, quod anabaptistae
faciunt in vanum baptisma parvulorum. Item non habent verbum
neque exemplum x.
12 Tit. 3, 5; Eph. 5, 26. 13 Matth, 28, 19.
17 Joh. 8, 33; I. Mos, 22, 18; Apg. 2, 39. 19 Me. 10, 14.
) Das Datum ergibt sich sowohl aus der Stellung der Predigt
zwischen Donnerstag, 21. und Sonnabend, 23. Mai, als auch daraus,
daß Bugenhagen am Sonnabend über den 25. Psalm predigte.
3) Hausmann nahm also Luthers Brief an Fürst Joachim von
Anhalt (De Wette 4, 536f.) mit.
Markgraf Georg Friedrich von Branden-
burg und die Einigungsbestrebungen
der protestantischen Stände 1556—1559.
Von K. Sehornbaum.
I.
Anı 20. Juli 1556 übernahm Markgraf Georg Friedrich
die Regierung seines angestammten Landes). Alsbald suchte
der eifrigste Förderer der Einigungsbestrebungen unter den
evangelischen Fürsten, Herzog Christoph von Württemberg,
Fühlung mit ihm, seinem Schwager, zu gewinnen. Bereits
Ende Juli mußte in seinem Auftrag sein Marschall Wilhelm
von Massenbach beim Kurfürsten von der Pfalz, Ottheinrich,
die Anregung geben, wegen Vergleichung in der Religions-
sache eine Zusammenkunft der evangelischen Stände anzu-
regen; falls Sachsen nicht wolle, sollen doch Herzog Wolfgang,
Simmern, Baden, Hessen, Georg Friedrich zusammengerufen
werden?) Als seine Gesandten Severin von Massenbach
und Lic. Balth. Eislinger am 5. September berichteten, wie
wenig andere Fürsten wie Brandenburg und Sachsen auf die
Pläne von Pfalz und Württemberg vor allem in bezug auf
Aufhebung des geistlichen Vorbehaltes eingehen wollten,
tadelte er besonders, daß die „andern Gutherzigen“ wie
Georg Friedrich nicht zu den Verhandlungen beigezogen
worden waren“). Am markgräflichen Hofe in Ansbach standen
allerdings andere Punkte im Vordergrund des Interesses..
Es handelte sich um die Erhaltung bzw. Wiedergewinnung
) Leop. Bachmann, Kitzinger Chronik des Friedrich Bernbeck.
1899, Kitzingen S, 192.
2) V. Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtem-
berg. Stuttgart 1907. IV, S. 123.
*) ibidem S. 156 Anm.
106 26
der von den Fränkischen Einigungsverwandten besetzten
Kulmbachischen Lande. Die Verhandlungen über den Besitz
-der einst von Markgraf Georg erworbenen schlesischen Fürsten-
tümer waren ebenso trotz aller Bemühungen noch nie zu
einem befriedigenden Abschluß zu bringen gewesen!). Aber
‚dafür, daß man den religiösen Fragen nicht gleichgültig
gegenüberstand, sorgte schon der Einfluß der gut evangelisch
gesinnten Fürstin-Mutter Emilie,
Bereits am 15. Mai 1556 hatte Herzog Johann Friedrich
der Mittlere auch die markgräfliche Regierung ersucht, recht-
zeitig den Regensburger Reichstag zu besuchen. In Ansbach
konnte man darauf hinweisen, daß bereits die branden-
burgischen Räte daselbst angekommen seien; sie wurden
‚aber angewiesen, sofort zu berichten, falls andere evangelische
Stände Theologen absenden würden. M. Georg Karg in Ans-
bach und Anton Colander, Pfarrer zu Schwabach, erhielten
die Weisung, sich zur unverzüglichen Abreise bereit zu halten“).
Die Eröffnung des Reichstages verzögerte sich aber immer
mehr; die brandenburgischen Räte kehrten anscheinend teil-
weise heim; erst im Spätherbst®) erschien neben Heinrich
ı) Dr. Jegel, Die schlesischen Besitzungen der fränkischen
Hohenzollern. Troppau 1916. (Zeitschrift für Geschichte und Kultur-
‚geschichte Österreichisch-Schlesiens.)
) cf. G. Wolf, Zur Geschichte der deutschen Protestanten 1555 bis
1559. Berlin 1888. S. 14. 217. Ernst IV, S. 80 Anm. Pfarramt St. Jo-
hannis in Ansbach: Aktenstücke aus der Reformationszeit 1529—1642.
Produkt Nr. 18 (d. d. 23. VI. 1556). 15, VI. 1556 teilen Massenbach,
Krauß und Eißlinger dem Herzog Christoph mit, daß von Ständen der
A. K. nur die Herzöge von Sachsen, Wolfgang, Georg Friedrich u.
Philipp v. Hessen vertreten seien; diese alle hütten eine Beratung
über die Religion für verfrüht gehalten, weil noch so wenige ev.
Stände angekommen wären, Ernst S. 95, Anm. 4. Am 22. VI. 1556
schicken die Statthalter Hans Wilhelm von Knöringen, Christoph
Tettelbach, Junius das Schreiben Johann Friedrichs von Weimar an
Werner Eisen und Heinrich von Muslohe nach Regensburg mit der
Weisung, bei Ankunft anderer ev. Stünde nach deren Abfertigung
sich zu erkundigen, vor allem sofort mitzuteilen, ob sie ihre Theologen
mitgebracht hätten. Nürnberger Kreisarchiv. Ansb. Rel. Acta Tom.
Suppl. Ib Fol. 211.
3) 26. Sept. 1556 berichten die Württembergischen Gesandten,
daß „Meßler“, der brandenburgische Gesandte, der Zusammenkunft der
Evangelischen vom 24. 9. nicht beigewohnt habe trotz seiner Kenntnis
27 107
von Muslohe, Amtmann von Schwabach, Dr. Werner Eisen als
Vertreter des jungen Markgrafen wieder auf demselben.
Sie blieben nicht unbeachtet. Als es sich darum handelte,
den Religionsausschuß zu bilden, gab es auf Seite der Evan-
gelischen arge Differenzen; dagegen scheint man Über die
Berufung Werner Eisens in denselben gleich einig gewesen
zu sein?) Neben den kurfürstlich brandenburgischen, pfäl-
zischen und sächsischen Räten trat er naturgemäß zurück;
doch unterstützte er entschieden deren Forderung die Religions-
vergleiehung durch ein Kolloquium anbahnen zu lassen; kurz
und bündig verwarf er das katholischerseits vorgeschlagene
Generalkonzil: Papa est, ad quem ommia et a quo nihil;
ideo non debet habere indictionem?). So erscheint denn
aueh unter den für das Wormser Gesprüch benannten evan-
gelischen Colloquenten: Mag. Georg Cargius Superintendens
Onolzbachensis®), Den Nebenabschied der evangelischen
Stände vom 16. März 1557 unterschrieben natürlich auch
die brandenburgischen Räte‘).
Trotzdem seine Bemühungen auf dem Reichstag wenig Er-
folg gehabt hatten, erneuerte Herzog Christoph bald wieder seine
Versuche, eine Einigung der protestantischen Stände herbeizu-
führen; er wußte ja nur zu gut, daß sonst das Wormser Gespräch
nicht nur resultatlos, sondern zum Schaden für die Evangelischen
derselben, weil er erst die Ankunft neuer Räte erwarten müsse; am
1. Oktober, daß er die Reichsräte nicht besuche. Ernst S. 173.
178. cf, 174.
1) Wolf S. 43. (Brandenburg Baireuth!); doch siehe Anm. 3.
Ernst S. 220, H. Heppe, Geschichte des deutschen Protestantismus `
in den Jahren 1555—1581, I. Marburg 1852, S. 136. Kreisarchiv
Bamberg: Bayr. Reichstagsakta 36 S. 50.
2) F. B. von Bucholtz, Geschichte der Regierung Ferdinand
des Ersten, Wien 1836, VII, 361. 363. cf. Ernst S. 226, (die fürstl.
brand. Räte hatten Befehl) S. 230 f.
3) 4. Bedenken der Stände. d. d. 10. III. 1557. Bayr. Reichs-
tagsakta 37, 91. Wolf S. 56. |
) Nürnberger Kreisarchiv: Ansbacher Religionsakta 26, 161;
gedruckt Chr. Fr. Sattler, Geschichte des Herzogtums Würtenberg
unter der Regierung der Herzogen. Tübingen 1771. IV. Beylagen
S. 101 ff. Nr. 37. cf. Ernst S. 283, Heppe I, 140 f. Wolf S. 67f.
Chr. A. Salig, Vollständige Historie der Augsburgischen Confession.
Hale. 1735, III. 77 f.
—
198 | 28
ausgehen würde. Zwar verhielt sich August von Sachsen
ablebnend; Kurfürst Ottheinrich ging dafür um so eifriger
auf seine Pläne, gelegentlich des auf den 13. Juni 1557
zur Schlichtung der Katzenellbogenschen Streitsache zwischen
' Hessen und Nassau angesetzten Tages eine Versammlung
der evangelischen Stände zu veranstalten, ein!). Die Ein-
ladung des Markgrafen Georg Friedrich übernahm er selbst.
Dem markgräflichen Hofe mußte Kenntnis von den Bemühungen
des Landsberger Bundes, auch ihn neben den fränkischen
Einigungsverwandten zum Beitritt zu bewegen, geworden
sein; die dadurch entstandene Verstimmung suchte er zu
beheben?) Das Erscheinen des jungen Markgrafen und seiner
Theologen wünschte er um so mehr, weil er wußte, daß der
bedeutendste unter ihnen, Georg Karg, nach seiner ganzen
Entwicklung nicht nur ein Gegner der unversöhnlichen Jenenser
war, sondern auch seinen Bestrebungen auf Herbeiführung einer
einhelligen Kirchenordnung und Kirchenzucht geneigt gegen-
überstehen würde. Am 13. Mai 1557 ersuchte er ihn mit
„schiedlichen“ Theologen persönlich am 18. Juni in Frank-
furt zu erscheinen. „Wenn die Theologen auf dem Wormser
Gespräch nicht zusammenstimmen würden, würde es den
Katholiken ein großes Frohlocken bereiten. Deshalb habe
ihm und Ottheinrich für gut gedeucht, vor dem Kolloquium
mit andern Ständen im Oberland zusammenzukommen, um
sich über eine einhellige Instruktion für die Theologen und
Räte zu vergleichen; dabei solle auch davon beratschlagt
werden, wie eine einhellige christliche Vergleichung in der
Lehre und anderm unter den Theologen getroffen, auch die
Spaltungen abgestellt werden möchten®).“ Georg Friedrich
war eben wegen der Belehnung mit Jägerndorf in Prag ge-
wesen und krank zurückgekehrt*); er ordnete deshalb am
!) Ernst S. XL. f.
2) W. Götz, Briefe und Akten zur Geschichte des 16. Jahr-
hunderts. München 1898. V, 70 Anm. 1.
) Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 131, gedruckt Ernst IV Nr. 269
S. 329. ef. B. Kugler, Christoph Herzog zu Wirtemberg. Stuttgart 1872.
II, 49. Anm. 81. Ernst IV, 325.
*) G. Fr. an Herzog Christoph von Württemberg d. d. Ansbach
18. V. 1557, A. R. A. 26 Fol. 133. cf. Ernst IV S. 330 A. 1.
29 1609
12. Juni 1557 Georg Karg, den Amtmann von Schwabach
Heinrich von Muslohe und Dr. jur. Werner Eisen nach Frank-
furt ab; sie bekamen die Weisung, mitzuhelfen, daß auf dem
Kolloquium aller Zwiespalt abgestellt würde. Am 17. Juni
kamen sie daselbst an?). Die Akten des Tages sind zwar bis-
her nur höchst unvollständig bekannt geworden; die branden-
burgischen Religionsakten enthalten nichts als die auch sonst
bekannten offiziellen Aktenstücke?); aber auch hier scheinen
die markgräflicben Abgeordneten mehrfach bestimmend in
die Verhandlungen eingegriffen zu haben. Als die Zwei-
brückenschen Gesandten wünschten, daB die Vorschläge von
Pfalz und Württemberg behufs Information der Gesandten
und weiterem Verbandeln in den Religionssachen‘) einem
gemeinsamen Ausschuß von welflichen Räten und Theologen
übergeben werden sollten (22. Juni 1557), setzten die Branden-
burger es durch, daß zuerst eine Beratung sämtlicher Theologen
darüber erfolgen sollte. In dem Ausschuß der Fürsten,
Grafen und Städte, der darnach dartiber zu befinden hatte,
waren sie ebenfalls vertreten"). In einem Nebenmemorial
(30. Juni) nahm man weitere Beratungen der oberlündischen
Stände in Religionssachen in Aussicht; Georg Friedrich wurde
!) Berufung des Amtmanns von Schwabach d. d. 9. VI. 1557
Ansbach. A. R. A. 26, 135. Kredenz für die Abgesandten d. d.
12. VI. 1557, ibidem Fol. 187,
) Ernst IV S, 860 Anm. |
: 3) Außer den noch zu erwühnenden enthält der Band 26 der
Ansbacher Religionsakten: Stadt Magdeburg an die Stünde zu Frank-
furt. d. d. Do. n. Trin. (17. VI) 1557 Fol. 167, Antwort derselben:
d. d. 1. VII. 1557 Fol, 171. cf. Salig III, 260, 278 f. Bittschrift
an den Erzbischof von Salzburg wegen der verjagten Salzburger
1. VII. 57 Fol. 175 ff., gedr. Bucholtz, Urkundenband S. 563. Bittschrift
an den Bischof zu Lüttich wegen eines wegen des Evangeliums ge-
fangenen Untertanen 1. VII. 1557 Fol. 179 ff. cf. Ernst IV S, 365,
Der Abschied: d. d. 30. VI. 1557 Fol. 181 ff., gedr. Sattler IV, Bei-
lagen Nr. 40 S. 109 ff.
*) Die Proposition von Pfalz und Hessen: d. d. 19. VI. 1557.
A. R. A, 26, 189, gedr. Sattler l. c. IV. Beilagen Nr. 39 S. 107 f,
Bedenken und Verzeichnis zu einer Vorbereitung des künftigen Kollo-
quiums gestellt (die endgültige Redaktion) A. R. A. 26, 151. gedr.
Sattler IV. Beilagen S. 119—923.
5) Ernst IV S. 360, 361.
110 30
dazu ausersehen, die evangelischen Stände im fränkischen
Kreise dann zu berufen!) In Karg hatte sich Christoph
gewiD nieht getüuscht; sein Name befindet sich unter den
beiden Gutachten der evangelischen Theologen auf die
württembergisch-pfälzischen Vorschläge“); allem Anschein nach
hatte er sich bemüht, die Einigkeit aufrecht zu erhalten.
Gemäß den Regensburger und Frankfurter Abmachungen
kamen die Abgesandten der Ansbacher Dr. Werner Eisen
und Mag. Georg Karg am 1. August nach Worms; sie trafen
daselbst von andern evangelischen Gesandten nur den Württem-
berger Lie. Balth. Eißlinger und pfälzische Räte’. Die
übrigen ließen sich Zeit. Am 15. August trafen die Weimarer:
Monner, Sehnepf, Strigel und Stöhsel ein“). Wie mit den
kurpfälzischen, württenbergischen und Straßburger Theologen
traten *sie auch mit Karg ins Benehmen, ob er sich ev.
auch für eine namentliche Verurteilung aller vermeintlichen
Irrlehren in der evangelischen Kirche gewinnen ließe. Aber
auch er war der Ansicht: „als sollte man die Artikel, so
unter uns streitig, verbleiben und anstehen lassen bis auf
einen Synodum, da alle Stände der augsburgischen Konfession
zusammenkommen würden und dieselben Irrungen kognos-
zieren und judizieren, aber nichts desto weniger jetzt allhie
wider die Papisten für einen Mann dieweil stehen und mit
ihnen zum Kolloquio greifen?)“. Wenn die Weimarer am
1) d. d. 30. VI. 1557. A. R. A. 26, 157 ff., gedr. Ernst IV
S. 371 ff;. cf. XLII.
2) a) Artikel auf die vier Punkte. Ansb. Rel. Akta 26, 143 fl.,
gedr. Ernst IV S. 866 ff. b) de materia et forma colloquii. Ansb.
Rel. Akta 26 Fol. 147 ff. cf. Salig III, 269 f. Heppe I, 149 f.
*) Berichte Dr. Werner Eisens vom 3. VIII. 1557 u. 10. IX. 1557.
Ansb. Rel. Akta 26, 193. 196, gedruckt Beilage I u. II. Blätter für
württembergische Kirchengeschichte, 1900, IV, 87. Heppe I, 160.
Wolf S. 84. 836. Ph. Küch, Politisches Archiv des Landgrafen
Philipp des Großmütigen von Hessen. Leipzig 1904, I S. 824.
4) Bericht der Weimarer an Johann Friedrich d. d. Worms
16. VIII. 1557, Wolf S. 320, 84.
9) Bericht der Weimarer an Joh. Friedrich d. d. Worms 23. VIII. 1557.
Wolf S. 827. cf. Bericht derselben vom 21. VIII. 1557 bei C. G. Bret-
schneider, Corpus Reformatorum IX, Nr. 6316 Sp.ı236 (Halle 1842)
[cf. Salig III, 297] u. B. F. Hummel, Neue Bibliothek von seltenen
und sehr seltenen Büchern II, 115, Nürnberg 1777, sowie Bericht
31 111
21. August an ihren Herzog Johann Friedrich berichten:
„So sind auch wohl andere mehr unter dem Haufen der
geordneten Personen, die Zwinglium auch im Busen stecken
haben“ möchte man fast meinen, daß sie auch auf ihn zielen
wollten; sollte doch eben in jenen Tagen seine Kontroverse:
mit dem Stiftsprediger Petrus Ketzmann über das Abend-
mahl entschieden werden!) Um so enger wurden die Be-
ziehungen der brandenburgischen Abgeordneten zu den übrigen
evangelischen Ständen, besonders nach dem Eintreffen Melanch--
thons, bei dessen Einholung und ehrfurchtsvollen Begrüßung
auch sie sicherlich nicht fehlten?). Am 1. September 1557
berichtet Eber dem Major von den unaufhörlichen Bemühungen:
der Weimarer, besonders des Dr. Basilius Monner, die evan--
gelischen Theologen zu bewegen, Melanchthon zu einer
namentlichen Verdammung des Adiaphorismus, Majorismus,.
Osiandrismus und Zwinglianismus zu veranlassen?) Sed dei
beneficio, fährt er fort, invenimus Wirtembergenses, Palatinenses,.
HassiacoB, Marchicos, Argentinenses ita animatos, ut palam
dicant, sibi a suis injunetum esse, ne a nobis sejungant
sine necessariis causis, et nullo modo sibi probari illud intem-
pestivum studium impediendi publicam collocutionem propter
quam praecipue accersiti sunt). Und Peucer: Inter reliquos.
des Monner an Joh. Friedrich am gleichen Tage bei Wolf S, 326
u. den Brief Peucers an Milichius vom 1. IX, 1557. Corp. Ref. IX.
Nr. 6326 Sp. 252; an Winshemius Nr. 6327 8. 253.
1) Corpus Ref. IX Sp. 237, — Salig III, 298.
2) Monner an Flacius 31. VIII. 1557: „Quotquot sunt hic theologi:
nostrarum partium, eum honorifice exceperunt, reverenter et quasi:
numen adorant, Nudiustertius a concione cum egressi eramus, omnes
eum salutabant ut praeceptorem.“ Corpus Ref, IX Nr. 6321 Sp. 246..
Salig III, 208. Melanchthon kam am 28. VIII. nach Worms, s.
C. E. Förstemann, liber decanorum facultatis Theologiae Academiae
Vitebergensis Lipsiae 1838, Fol. 43. Corpus Ref. IX Sp. 251, 256..
Wolf S. 87, — Salig III, 298. Anm.
) cf. Bericht des Monner an Job. Friedrich d. d. 28. VIII. 1557.
W olf 8. 238. Bericht Peucers an Winshemius 1. IX. 1557. Corpus Ref.
IX Nr. 6327 Sp. 253. Auch Karg wird Monner seine Schrift betr. die
adiaphoristischen Irrtümer heimlich zugesteckt haben. S. den Brief
Johann Aurifabers vom 13. IX. 1557. Corpus. Ref, IX Sp. 271.
) Eber an Major. Corpus Ref. IX, Nr. 6324, Sp. 24^.
B. F. Hummel, epistolarum Historico—ecelesiasticorum Saeculo XVI
a celeberrimis viris scriptorum semicenturia Halae 1778, S. 24. «f.
112 32
omnes consensus est, qui se a Philippo non discessuros
professi sunt non obscure.
Dies kam auch in dem regen Verkehr der Abgesandten
untereinander zum Ausdruck. Am 15. August hielt Eißlinger
mit Dr. Basilius Monner, Walter Senft und einem branden-
burgischen Gesandten einen Untertrunk; um die gleiche Zeit
machte er mit Brenz, Andreä, Werner Eisen und Karg einen
Ausflug nach Bobenheim; an dem großen Bankett am 17. Ok-
tober nahmen natürlich letztere auch teil. An den Kosten
des Aufenthalts etlicher „vertriebener Genfer“, worunterniemand
anders als Farel, Budäus, Carmel, Beza verstanden werden
können, beteiligten sie sich ebenfalls, wie sie auch 1 fl. 15 xr
zahlten, um einem armen Jüngling mit Rock, Wams, Hosen
versehen zu können. Die Vermutung Bosserts hat viel für
sich, daß sie mit den Württembergern, Pommern, Hessen in
einem Gasthof wohnten ?). |
In Regensburg hatte man beschlossen, daB Brandenburg-
Ansbach zum Wormser Gespräch den Kolloquenten, Kur-
brandenburg den Auditor stellen sollte; offenbar verfügte dieses
über keinen bedeutenderen Theologen; aber es kam auch diesem
Ansinnen nicht nach; im Laufe des Gesprächs lief ein Ent-
schuldigungsschreiben ein. Deshalb ersuchten die evangelischen
Assessoren und Auditoren Dr. Werner Eisen, die Lücke aus-
zufülen, wenn er auch nur zu den in Regensburg und
Frankfurt ins Auge gefaßten Vorverhandlungen Vollmacht
hatte). Sie sollten sich in ihm nicht getäuscht haben. Die
Auditoren oder „politischen Räte“ hatten weniger Gelegenheit
zum Hervortreten; die eigentliche Führung lag iu der Hand
der Assessoren. Aber soviel läßt sich bei dem höchst ltieken-
haften Material über die ganze Tagung doch sagen, Werner
Monner an Flacius 31. VIII. 1557. Corpus Ref, IX Nr. 6821 Sp. 245.
Melanehthon an Joach. Camerarius 1. IX. 1557 ibidem Nr. 6322.
Sp. 247; an P. Vincentius 1. IX. 1557 Nr. 6323 Sp. 248. Peucer an
Vincentius 1. IX. 1557 Nr. 6325 Sp. 251.
1) Peucer an Vincentius 1. IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6325
.Sp. 251; cf. Peucer an Milichius Nr. 6326 Sp. 251.
2) Blätter für Württembergische Kirchengeschichte IV,
49, 43, 45, 46, 47, 53.
3) Bericht des Werner Eisen d. d. Fr. n. Nat. Mariae 1557.
A R. A. 26. 196. Salig III, 339. |
33 113
Eisen hielt treu zur Majorität der evangelischen Stände, mochte
es gelten den Herzoglich Sächsischen Abgesandten!) oder
Katholiken?) entgegenzutreten. Es sind nicht nur Worte,
wenn Melanchthon am 12. Mai 1558 an ihn schreibt: „Fuit
) Verhandlung mit den Weimarern am 5. IX., s. Bericht von
Monner, Schnepf, Strigel, Stößel an Johann Friedrich d. d. 6. IX. 1557.
Wolf S. 330 f. (Politische Räte S. 331, 333, 334.) Bericht von Aurifaber
4. d. 18, IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6341 Sp. 269 ff. (politische
Räte, 270); cf. Sp. 274. Bericht von Melanchthon an Kurfürst August
d. d. 2. X. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6364 Sp. 320; an Philipp
von Hessen d, d. 4. X. 1557. Corpus Ref. IX, Sp. 6367 Sp. 325;
cf. Sp. 453. Melanchthon an Joachim von Anhalt 6, IX. 57: „Legati
principum omnes consentientes mea responsione contenti, hortati sunt
accusatores, ut privatas contentiones ommitterent et ad delibera-
tionem communem de refutandis adversariis procederent.^ Corpus
Ref. IX Nr. 6338 Sp. 260. Sp. 268: ,Obstant etiam politici, qui magis
de retinenda auctoritate et antecellentia quam de asserenda puritate
doctrinae dimicant.^ Sp. 269: „legati omnes censuerunt nunc differen-
das esse eas condemnationes.“ Zum 5, IX. s. vor allem Wolf
S. 89, 90. Verhandlungen am 11. Sept: Bericht des Viktorin Strigel
an J. Friedrich d. d. 14. IX. 1557. Wolf S. 848 (pol. Rüte, 3413).
Bericht des Sarcerius s. B. Fr. Hummel, epist. hist, eccles, Saeculo XVI
scriptorum semicenturia. Halae 1778. S. 42; cf. Wolf S. 92. Ver-
handlungen über die Übergabe einer Protestation s. Bericht von
Schnepf, Strigel u. Stößel an J. Friedrich vom 25. IX. 1557. Wolf
S. 352 f. (Auditorn besonders erwähnt.) of. Ernst S. 422, 449. Wolf
S. 95. Verhandlung vom 22. IX. 1557: 8. Wolf 358. (Auditorn 358f.)
s. Bucholtz S. 890; Wolf 96. Corpus Ref. IX, 402. Verhand-
lungen der ev. Assessoren, Auditoren, Theologen 23., 24. IX.: Wolf
S. 355, 98.
7) Antwort des Julius von Pflug den Assessoren und Auditoren
gegeben wegen der Weimarer A. R. A. 26, 237 gedruckt Fr. Forner,
historia hactenus sepulta Colloquii Wormatiensis. Ingolstadt 1624,
S. 66. Copia D. Chr. G. Neudecker, Neue Beiträge zur Geschichte
der Reformation, Leipzig 1811, I S. 141. Beilage 1; cf. Wolf S. 99;
Heppe I, 203; Bucholtz S. 390. Gemeinsames Auftreten in der
7. Sitzung s. Heppe I, 207 Beilage S. 32. Bittschrift der ev. Au-
ditoren und Adjunkten um Fortsetzung des Gesprächs. Brand. Reichs-
tagsakta Nr. 39, Ansb. Rel. Akta 26 Fol. 273 f. (unterschrieben von
W. Eisen d. d. 25. XI. 1557) gedr. Forner S. 141. Copia T. cf.
Salig III, 8831; Heppe I, 220; Neudecker S. 155. Protestation
der Auditoren gegen die Auflösung des Gesprüches d. d. 30. XI. 1557.
Brand. Reichstagsakta 89, A. R. A. 26, 275, gedr. Forner Beilage Z
5.153. Heppe I, Beilagen Nr. 16 S. 46 ff. (unterschrieben von Eisen);
cf. Heppe I, 222; Salig III, 332.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 2. 8
114 34
mihi pergrata tua consuetudo in urbe Vangionum. Nam et
consilio et animi candore et vero dolorum societate nobis
molestias leniebas. Quare amicitiam inter nos perpetuam
esse volo, qua etiam in coelesti fruemur“ ). Man kann aus
diesen Worten doch entnehmen, daß beide Männer in Worms
einander näher gekommen sind. Nach der Suspension des
Gesprächs wollte Eisen über Heidelberg nach Hause reiten.
Hier lud ihn der Marschall und zweibrückische Hofmeister
an den Hof; Melanchthon teilte ihm mit, daß das Gespräch
nieht mehr lange dauern würde, und bewog ihn, mit ihm
wieder nach Worms zu ziehen?).
Werner Eisen berichtete wenig über die Verhandlungen
nach Ansbach; er hielt sich an den am Beginn des Gesprächs
abgelegten Eid. In einem Brief vom 10. September 1557
drückte er sein Erstaunen aus, daß er bei seinem Eintreffen
so wenig evangelische Stände angetroffen hätte, obwohl man
doch vor dem Kolloquium bätte einig werden sollen; nur
kurz erwähnt er, daß alle Theologen im Beisein der Assessoren
und Auditoren in einem Privatkonvent sich zur Augsburgischen
Konfession, Apologie und Schmalkaldischen Artikeln bekannt
und alles, was denselbigen zuwider wäre, verworfen hätten“).
Etwas mehr macht er seinem Herzen in einem weiteren
Briefe vom 25. Oktober aus Heidelberg Luft. Zu Anfang
des Kolloquiums sei es zu halsstarrigen theologischen Kämpfen
gekommen; die kursächsischen, brandenburgischen, pfälzischen
und württembergischen Theologen hätten aus viel christlichen;
erheblichen und billigen Ursachen die namentliche Ver-
dammung, wie sie die Weimarer wünschten, nicht bewilligen
können, weil sie die von diesen verurteilte Lehre gar nicht
kennen. Trotz aller Bemühungen der Assessoren und Auditoren
haben sie sich von ihrem unzeitigen, mutwilligen Vornehmen
nieht abbringen lassen; sie wollten allein heilig sein und
nicht sündigen. Als sie ihren Privataffekt publice und praesentes
nicht haben vollbringen können, hätten sie dem Präsidenten
einen Brief übergeben mit der Bitte, ihn erst nach ihrer
!) Corpus Ref, IX Nr. 6525, Sp. 547.
2) Bericht Werner Eisens d. d. Heidelberg 25. X. 1557. A. R. A.
26, 208, gedruckt als Beilage III.
) d. d. Fr. n. Nat. Mariae 1557. A. R. A, 26, 196.
35 115
Abreise zu veröffentlichen. Als die Katholiken als der
Jenensium procuratores und patroni ihn den Notaren über-
gaben, seien sie hinausgegangen, weil die ganze Sache nicht
zum Kolloquium gehöre. Als diese nun das Kolloquium
abktindigten, habe man deutsch mit ihnen geredet; all ihr
Beginnen sei darauf gerichtet, das Licht zu scheuen. Philipp
Melanchthon erklärte: „si vultis habere condemnationes nunc a
vobis incipere volumus et condemnamus vestram diabolicam et
idolatricam doctrinam, sed saltem fugitis lucem et miras nobis
a principio struxistis insidias et insuper quoque falsa erimina
affingitis^ ). :
Wer aber hatte wohl den meisten Einfluß auf ihn?
GewiD, sein Begleiter M. Georg Karg. Der war wohl ein
selbständiger Kopf und mochte manche theologische Meinung
der anderen nieht teilen; aber er erkannte das Gebot der
Stunde und hielt unverrückt zusammen mit den andern
Theologen. In den langen Versammlungen mit den Weimarern
war er immer auf der Seite der Wittenberger zu finden?);
1) d, d. Heidelberg 25. X. 1557. A. R. A. 26, 203.
3) Verhandlung am 5. IX, 1557 s. Bericht der Weimarer an
Joh. Friedrich vom 6. IX. 1557. Wolf S. 330 ff. (Theologen S. 831,
332 f., 334); cf. den Bericht derselben vom 8. IX: Inter Theologos
neminem babemus nostrae sententiae suffragatorem . . . Corpus
Ref. IX Sp. 263 Nr, 6336 und In genere sentiebant omnes alii
condemnandos errores, Corpus Ref. IX Sp. 264 Nr. 6337; Bericht
Aurifabers vom 13. IX. 1557 Nr. 6341 Sp. 270; Corpus Ref. IX
Sp. 274, 323, 807 (Bericht Aurifabers) Wolf S. 89f.
Verhandlung am 9. 1X. 1557, s. Bericht Strigels an J. Friedrich
d. d. 14. IX. 1557; Wolf S. 838 f. (Theologen S. 339, 311), 92.
Verhandlung vom 11. IX. 1557 s. Wolf S. 343 ff., 92. 16. IX. 1557,
Wolf S. 76 oben.
Verhandlung vom 21., 22. IX. 1557 s. Bericht der Weimarer
an J. Friedrich d, d. 25. IX. 1557. Wolf S. 352 ff. (Theologen 353);
cf. 858: Sane Philippus Melanchthon cupidus congressus, quique nihil
impedimenti aut morae inferri vellet susceptis actionibus, non repug-
naverat contra postulata damnationum atque has adeo coeperat agitare.
Sed sociis atque collegis magnopere reclamantibus ab hoc consilo
destitit. Jo. Camerarii de vita Philippi Melanehthonis narratio ed
G. Th. Strobel, Halae 1777, S. 847. Artikel der Kollokutoren bei
Heppe I Beilage X, S. 27; cf. Hummel S. 42f. Wolf S. 96. Cor-
pus Ref. IX, Sp. 313. Salig III, 313.
Verhandlungen am 23., 24. IX. 1557. Wolf S. 355. Salig IIT, 314.
gF
116 | 36
ebenso stellte er seinen Mann, als die Bemühungen der Katho-
liken, das Gespräch zu hintertreiben, immer offensichtlicher
wurden!); unter den von den evangelischen Theologen in
dieser Zeit verabfaßten Protestationen?) findet sich sein
Name ebenso wie in derDruckschrift, wodurch dieevangelischen-
Theologen auch der Öffentlichkeit gegenuber sich tiber den
schlimmen Ausgang des Wormser Gespräches rechtfertigten
und zugleich ihre Einigkeit beweisen wollten®). Karg erfreute
1) Bittschrift sämtlicher ev. Theologen um Fortsetzung des Ge-
sprächs vom 28. IX. 1557. Heppe I, 200. — Sitzung vom 6. X, 1557.
Heppe I, 207. Beilagen S. 32 — Beratung vom 18. X. Heppe I, 210.
Bucholtz 891; Neudecker S. 146; Salig III, 825.
2) Protestation vom 21. X. 1557. Brand. Reichstagsakta 39.
bei Forner S. 108, Copia N. Corpus Ref. IX Sp. 349 ff. Nr. 6384.
Joach. Camerarii de vita Philippi Melanchthonis narratio ed. G. Th.
Strobel, Halle 1777, S. 470; cf. Wolf S. 106; Salig III, 326; vom
1. XII. 1557, A. R A. 26, 277 f. Überschrift: „Consensus“. Bayr.
Reichstagsakta 89. Forner S. 151, Copia Y. Corpus Ref. IX.
Nr. 6414 A p. 386. G. Th. Strobel S, 472; eine andre Form Corpus
Ref. IX Nr. 6114 B Sp. 888. Heppe I, Beilagen S. 43, Nr. XV.
Strobel S. 470. Salig III, 332 f., cf. Bucholtz S. 395. Ernst
S. 464. Wolf 387,
5) Von den Drucken verzeichnet die Strobelsche Bibliothek:
Seriptum |; Collocuto- | rum Augustanae Con- || fessionis, qui in urbe Van-
gionum || fuerunt, donec adversarii colloquium || abruperunt, Anno || 1557. |,
Norimbergae, || Apad Joannem Montanum, et | Ulricum Neuberum.
49, 8 8., letztes Blatt weiß, Stadtb. Nürnbg. Bibl. Strob. 1890, Scrip-
tum || Collocutorum Au-||gustanae Confessio- || nis, qui in urbe Vangio-
num fuer- unt, donec adversarii colloquiü | abruperunt, An- | no 1557.
Francofurti Apud || Petrum Bru-||bachium. 4°, 8 S. Die zwei letzten
weiß. Stadtbibl. Nürnberg. Bibl. Strobel 1408. Abſchied || Der ge:
fanbten Aug: ||fpursifchen Confeſſion] jum | Gol:]|loquto inn Wormbs
welche fo || lang alba verharret | biß bie || Widerfacher nicht haben || wenter
darinn Pro: ||cediren möllen. ||| Anno || MDLVII. || 4°, 8 S. Die letzte
weiß; ibidem 1409, ist die bei Forner S. 151. Corpus Ref. IX 6414 A
n. Melchior Goldast, Politische Reichshündel. Frankfurt a. M. 1614.
S. 743 gedruckte Erklärung. cf. J. Hartmann u. K. Jäger, Johann
zrenz II. Hamburg 1842, S. 535. Th. Pressel, anecdota Brentiana,
Tübingen 1868, S. 443. Corpus Ref. IX, 456, 396, 423, 432. 9
Nr. 6417, 6418, 6434, 6437, 6154, 6168. Die Schrift der Evangelischen
greift Staphylus in zwei Flugschriften an, wobei er sie vollständig ab-
druckt: Scriptum colloquutorum augustanae confessionis, qui in urbe
vangionum fuerunt, donec adversarii colloquium diruperunt, Anno MDLVII
cum oppositis annotationibus, quae causam alterius partis declarant.
37 117
sich einer besonderen Wertschätzung unter den übrigen
evangelischen Theologen; von allen evangelischen Kollokutoreu
kam neben Melanchthon eigentlich nur er zu Wort; ihm Über-
trug dieser den Vortrag von verschiedenen Gegenerklärungen
in der 4. und 5. Sitzung). Er hatte gerade am Beginn des
Gesprächs Gelegenheit gehabt, Karg näher kennen zu lernen.
Nicht ohne Absicht hatte man die Entscheidung der zwischen
ibm und dem Stiftsprediger Peter Ketzmann obwaltenden
Streitfrage: „ob der Leib Christi in den Bauch gehe“ bis
zu einer persönlichen Aussprache mit ihm verschoben. Ge-
rade aber diese Unterredung scheint Melanchthon auf ihn
besonders aufmerksam gemacht zu haben?) An ibn wandte
ut ex hac collatione veritas intelligatur et ab aequis lectoribus judice-
tur (MDLVIIT). (Hier auch die Unterschriften der prot. Theologen,
darunter Karg) u. Historia et apologia utriusque partis eatholicae et
confeßionariae de dissolutione colloquii nuper Wormatiae instituti ad
omnes catholicae fidei protectores. Nissae 1558, abgedruckt in
Fr. Staphyli, in causa religiones sparsim editi libri in unum volumen
digesti Ingolstadt 1618, S. 182 ff. u. 198ff. Dr. Johann a Via
schreibt darauf in seiner Schrift: Wathafte und Be: || ftendige Antwort
auff den unge: gruͤndten Abſchied der Gonfeffioniften | dDarinne angezeigt
wirt das nit bie Ca- tholiſchen beflagten | fondern die Gon: || feffioniften
Ankleger ſelbſt urfach find || an zertrennung diſes zú Wormbs || Anno 1557.
gehaltenes || Colloquii Aiijb: „Und soll mir nit unbillich argwönig sein
das unbewert schreiben, deren etliche selbst hieran schuldig seind als
Philippus, Brentius, Marbachius, Pistorius, Kargius und Rungius: et-
liche aber gar nicht wissen, was sie zeugen als Aulberus und Dillerius,
dann je keyner nie in das colloquium komen ist. (Bibl. Strobel 1415.)
1) 15. IX. 1557, s. G. Forner S. 81. Heppe I, 183. Buch-
oltz 373. O. Braunsberger, Petri Canisii epistulae et acta. Frei-
burg 1898, II, S. 795; Brand. Reichstagsakta 39; 16. IX. 1557,
Brauns berger 796. Forner S. 43, Heppe I, S. 188. Bucholtz
S. 375. Salig III. 306, 809, Band. Reichstagsakta. 39.
2) Gorg Friedrich an die Universität in Wittenberg, d. d.
10. VI. 1557. A. R. A. 98. Fasc. I. Pr. 1. Urteil der Theologen
Melanchthon, Brenz, Andreä, Marbach, Pistorius, Andreä, Rungius,
Diller, d. d. Worms 14. IX. 1557. Pr. 10!/, Beilage (geschrieben von
Eber) gedruckt Corpus Ref. IX Sp. 277 Nr. 6844 B. Schreiben
der Theologen an Markgraf Georg Friedrich d. d. 14. IX. 1557,
ibidem Pr. 10, gedr. ibidem Sp. 275 Nr. 6343 (geschrieben von Eber).
Spezialbedenken von Melanchthon und Brenz s. e. d. Corpus Ref. IX.
Sp. 276 f. Nr. 6344 A; cf. Melanchthon an Kurfürst August d. d.
19. X. 1557. Corpus Ref. IX Sp. 344 Nr. 6380 u. Nr. 6408 Sp. 378.
Gg. Wilke, Georg Karg sein Katechismus und doppelter Lehrstreit.
118 38
er sich, als es galt, am 26. September 1557 den 15. p. Trin.
für den Wormser Pfarrer M. Nic. Pulz zu predigen; er hatte
bei Brenz u. a. umsonst darum gebeten; sie waren erztirnt,
daß die Weimarer zuerst die Kanzel in Beschlag genommen
hatten!). Der aus der Markgrafschaft stammende Paul Eber,
der als Notar in Worms weilte, wird wohl auch sein Teil
dazu beigetragen haben, die beiden einander näher zu
bringen“). Während des Wormser Gesprächs gab es noch
manche andere Angelegenheiten für die Theologen; auch da
findet er sich immer an ihrer Seite. Die Erklärung gegen
Schwenkfeld®) und die Wiedertüufer*) hat er ebenso unter-
Scheinfeld 1904, S, 56 ff. Salig III, 303. 1. XI. 1559 schreibt Melanch-
thon an Kurfürst Friedrich: Cum Wormaciae essemus ante biennium,
quaestio ad nos mittebatur ex aula quadem: An corpus Christi
descendat in ventrem? Talibus prodigiosis quaestionibus rejectis utilius
est retineri formam verborum Pauli et de fructu recte doceri homines.
Corpus Ref. IX Sp. 962; cf. 31. VII. 1559 an Joh. Morenberg:
Zu Worms vor zwei Jahren ward uns eine Frage gesandt von den Vätern
zu Ansbach: ob der Leib Christi auch in den Bauch gehe? Dagegen
wir ein ernstlich decretum gemacht. Corpus Ref. IX Sp. 849 Nr. 6791.
C. Mönckeberg, J. Westphal u. J. Calvin. Hamburg 1865, S. 107.
J. Hartmann u. Karl Jüger, Johann Brenz. Hamburg 1812, II, 371.
` Rud. Hospinianus, Historiae sacramentariae pars altera. Tiguri 1602,
Fol. 252, Die Akten im Band 28 der Ansb, Rel. Akten sind wohl
die ,interessanten Akten über Abendmahlsstreitigkeiten im Ansbach-
ischen^, auf die in der ,Historischen Zeitschrift XIX" (1868 München)
S. 308, von ,K" verwiesen wurde.
1) d. d. 25. IX. 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6385 Sp. 355.
Beiträge zur bayr. Kirchengesch, IX, 143; cf. Blätter für württemb.
Kirchengeschichte IV, 47f. Corpus Ref. IX Sp. 272, 274. Salig III
S. 340.
*) Eber schreibt an den Markgrafen G.Fr.: er habe mit G. Karg
alte gute Kundschaft, liebe und ehre ihn auch billig wegen seiner hohen
Gaben und Tugenden. 24 XII. 1563. A. R. A. 28, 184. Wilke S. 27
Beilage.
3) Gedruckt d. d. 4. X, 1557. Corpus Ref. IX Nr. 6368,
Sp. 8283 ff. G. Chr. Neudecker, neue Beiträge I S, 141 Nr. 60;
ef. Heppe I, 224. Salig III, 334.
) Prozeß | wie es foll | gehalten werden mit ben | Widertaͤuffern |.
Getruckt zu Wormbs durch] Paulum und Philippum Köpflein | Gebrüber. |
Lie. W. Köhler, Bibliographia Brentiana. Berlin 1904, S. 154
Nr. 338, Heppe I, 226. Salig III, 336f. Corpus Ref. IX, Sp. 521,
Nr. 6501 (auf Veranlassung des Kurfürsten von der Pfalz).
39 m 119
schrieben wie die Bittschrift für die bedrüngten französischen
Protestanten!) Nur auf die Vorschläge des Kurfürsten von
der Pfalz und des Herzogs von Württemberg, schon jetzt
Beschlüsse tiber eine Synode unter allen Evangelischen
Ständen zu fassen, konnte er mit keiner definitiven Zusage
antworten; er mußte erst Instruktion von Ansbach einholen“).
Wenn Melanchthon eines in den schweren Tagen des Wormser
Gesprächs tröstete, so war es die treue Ergebenheit seiner
Kollegen. Nunc inter nostros collegas non solum dissensio
nulla, sed etiam duleis consuetudo est konnte er am 16. Sep-
tember 1557 an Camerarius schreiben’); das gilt aber auch
in bezug auf Karg. Noch am 15. August 1558 bat er ihn
) Schrift der französischen Gesandten an die ev. Theologen
8. X. 1557, gedr. Rud. Hospinianus, Historiae sacramentariae pars altera.
Tiguri 1602, Fol. 252. Corpus Ref. IX Nr. 6374 Sp. 332 f. Schrift der
Theologen an Ottheinrich u. Wolfgang von der Pfalz, Christoph von
Württemberg und Philipp von Hessen. Grundliche Warhafftige Historia
von der Augsburgischen Confession, Leipzig 1584, Fol. 392. Grund-
. liche Warhaftige Historia von der Augsburgischen Confession. Magde-
burg 1584, p. 277b f. Corpus Ref. IX Nr. 6375 Sp. 334 u. 44, 662.
Neudecker I, S. 148 Nr. 61; cf. Hummel S. 28 (Eber an Bugen-
hagen 8. X, 1557). Ernst S. 434 A. 5. Corpus Ref. IX, Sp. 330,
945. Sattler S. 120 S 70. C. Schmidt, Philipp Melanchthon
S. 615 ff. Elberfeld 1861. Salig III, 320f. Joach. Camerarii de
vita Philippi Melanchthonis narratio ed. G. Th. Strobel. Hallae 1777,
S. 169.
3) Beratung ain 1. XI. 1557 s. Joh. Pistorius und Fr. v. d. Tann an
Philipp. Neudecker I, S. 148 Nr. 68. Kugler II, 63. Beratung
am 9. XI. 1557 s. Fr. v. d. Tann an Philipp Ch. G. Neudecker,
Urkunden aus der Reformationazeit. Kassel 1836, S. 808. Spätere
Beratungen s. Fr. v. d. Tann u. Joh. Pistorius an Philipp 31. XI. 1557.
Neudecker, neue Beiträge S. 151 ff. Nr. 64. Kugler II S. 78 f.
Wolf S. 110 fl. Ernst S. 432 Anm. 4.
. » Corpus Ref. IX Nr. 6846 Sp. 282; cf. am 30. IX. au
P. Vincentius: Dei beneficio inter nostros collegas concordia erat.
Sp. 805 Nr. 6857; am 15. XI. 1557 an Chr. Mordeisen: Inter collegas,
«qui adsunt, si procedet doctrinae collatio, spero pium consensum fore.
Corpus Ref. IX Sp. 874 Nr. 6401; am 1. II. 1558 an Paul von
Eizen: gratam vobis fuisse editionem pagellae de consensu eorum,
qui in urbe Vangionum nomina sua addideriat, gaudeo, quae quidem
` bono consilio ab iis scripta et edita est, qui et sententiis et voluntatibus
conjuncti sunt. Corpus Ref. IX Sp. 489 Nr. 6454.
120 | 40
um sein Urteil über die Streitschriften des Staphylus und
Sehwenkfeld !).
Bedeutungsvoll wurde die Wormser Tagung für Karg
vor allem dadurch, daß sie ihm einen tiefen Einblick in die
zwischen den Theologen herrschenden Meinungsverschieden-
heiten gewährte). Auch ktünftighin wirkte er für Einig-
keit unter ihnen; an dem Streit zwischen Philippisten und:
Gnesiolutheranern hat er sich kaum beteiligt; aber ein ge-
wisser resignierter Zng ist bei ihm unverkennbar; er glaubt
nicht, daß es so leicht eine Einigkeit im evangelischen Lager
geben würde. Gleich das nächste Jahr sollte das deutlich
erkennen lassen.
Der Ausgang des Wormser Gesprächs bedeutete eine
Niederlage für den Protestantismus. Weithin war man des-
wegen in evangelischen Kreisen von der Notwendigkeit über-
zeugt, daß etwas unternommen werden müßte, um diesem,
ungünstigen Eindruck zu begeguen. Die Gedanken Christophs
von Württembergs fanden eine bessere Aufnahme als früher.
Gelegentlich der Kaiserkrönung Ferdinand I. berieten sich
August von Sachsen, Joachim lI. von Brandenburg und Ott-
heinrich von der Pfalz mit ihm und Pfalzgraf Wolfgang zu
Frankfurt. Sie erklärten, bei der augsburgischen Konfession
1) Corpus Ref. IX Nr. 6575 Sp. 593. Responsio || Ad Crimi-
nationes | Staphyli et Avii || edita || A Philippo Melan- || thone. || Wite-
bergae || 1558. | Strobel. Mel. 1411 mit eigenhündiger Widmung Me-
lanchthons: Clariss. viro Hieronymo Bomgartnero. Et ipsi (defensores
Aug. Conf) inter se cum priore necessitudine confirmata, tum nova
societate inita domum suam quisque reversi fuerunt. Camerarius
. 353.
) Karg nahm auch an dem Konvent teil, in dem Brenz den
Ausführungen Melanchthons über Osiander nicht zustimmte. S. Corpus
Ref. IX Nr. 6437 Sp. 432; cf. 411. Wolf S. 113 f. Chr. G. Neu-
decker S, 152. A. Heidenhain, Die Unionspolitik Landgraf Philipps
von Hessen 1557 — 1562. Halle 1890, S. 23. Ernst IV S. 456. In,
der Instruktion f. Gg. Krackau heißt es: „Wir wollen aber nicht
zweifeln, seine L. wurde das mit uns und andern Chur- und fursten
einig sein, weil wir berichtet, daß seiner L. theologi die lateinische
Artikel von Philippo Melanchthon jtzt auf gehaltenen Tage zu Worms
gestalt, so mit diesem deutschen in der substanz ganz und gar uber-
einstimmeten, zu unterschreiben und von S. L. wegen anzunemen kein
bedenken gehabt." A. R. A. 26, Fol. 858. Die Artikel zu Worms.
Corpus Ref, IX, 365 ff. Nr. 5399. Ernst 464.
41 | 121
und Apologie beständig bleiben zu wollen; in bezug auf
die streitig gewordenen Punkte: Rechtfertigung, gute Werke,
heiliges Abendmahl, Mitteldinge schlossen sie sich an eine
von Melanchthon verfaßte gemäßigte Erklärung an; auch:
einigten sie sich, Vorkehrungen gegen neue Streitigkeiten:
zu treffen und nahmen die Unterzeichnung durch weitere
evangelische Stände in Aussicht (18. März 1558) ).
Kurfürst August übernahm es, Georg Friedrich zum Bei-
tritt „zum Frankfurter Rezeß“ zu veranlassen?) Entweder
bestand noch die alte Mißstimmung zwischen den Höfen zu
Ansbach und Stuttgart, oder Sachsen wollte auf den jungen
Markgrafen Einfluß gewinnen, um Christophs Plänen auch
in Stiddeutschland ein Gegengewicht bieten zu können.
Denn trotz der Frankfurter Abmachungen bestand zwischen.
ihnen beiden immer ein mehr oder weniger offen zutage
tretender Gegensatz. Offenbar aber wollte er abwarten, ob
es diesmal gelingen würde, Johann Friedrich von Weimar
zum Anschluß zu bewegen und verschob deshalb die Ver-
handlungen mit seinem Neffen ).
Johann Fr. zögerte aber nicht lange, die Bemühungen der
Majorität der evangelischen Stände zu durchkreuzen; er
faßte selbst die Berufung einer großen Anzahl evangelischer
Stände nach Magdeburg auf den 16. Mai 1558 ins Auge, um eine
neue Bekenntnisschrift auf Grund der Augsburger Konfession,
der Apologie und der Schmalkaldischen Artikel nebst einer
Konfutation der vorhandenen Sekten und Irrlehren zu ver-
fassen. Auch Georg Friedrich wurde von ihm am 3. April
1558 aufgefordert, seihe Theologen auf diesen Tag mitzu-
) Frankfurter Rezeß. Ansb. Rel. Akta 26, 279 ff. u. 301 ff.,
gedr. z. B. Corpus Ref. IX Sp. 489 ff, 6483. Sattler, Beilagen
S. 129 ff. Nr. 44; cf. auch die Ausführungen W. Maurenbrechers
in Historische Zeitschrift. München u. Leipzig 1883. 50 S. 55f.
1) Corpus Ref. IX Sp. 505 Nr. 6483. Heppe I, 276.
Salig III, 868.
*) In den Jahren 1557 u. 1558 finden sich nur wenige Spuren
einer Korrespondenz zwischen Christoph von Württemberg und Georg
Friedrich. 9. XII. 1557 ersucht letzterer um Rat, ob er die Türken-
hilfe bezablen soll; Ernst IV Nr. 362 S. 455. 1. VIII. 1558 er-
sucht er Christoph Babinger von Heinrich Widekind in dem Blasen
der Posaune, Zwergpfeife und anderer Instrumente unterrichten zu.
122 | 42
nehmen!) In Ansbach war man in großer Verlegenheit,
was man tun sollte. Anscheinend hatte man noch gar keine
genaue Kunde von den Frankfurter Verhandlungen; der Mark-
graf sowohl als seine Räte fühlten die Tragweite ihrer Ent-
schlüsse; darum beschloß man nach längerem Zögern, die
-Obervormünder August von Sachsen, Joachim von Branden-
burg und Hans von Küstrin um ihren Rat zu ersuchen; man
‘wies darauf hin, daß der Markgraf sich von den Vormtündern
und andren Ständen der Augsburgischen Konfession nicht
trennen wolle (30. April 1558)?. Dem Herzog gab man
kurz Kenntnis, daß man in so wichtigen Sachen die Kuratoren
unbedingt zu Hate ziehen müsse (29. 4. 1558). Und als
dieser unterm 30. April 1558 zwar den Tag zu Magdeburg
abkündigte, aber um das Gutachten der Ansbacher Theologen
bat“), verwies man kurz darauf, daß die Obervormtünder
noch keine Stellung zu ihrem Antrag genommen hätten.
(6. Mai 15658)". Wenige Tage drauf traf Dr. Georg Krackau,
den ja die Ansbacher schon von Worms her kannten, mit
einer Werbung im Auftrage Kursachsens in Ansbach ein.
Die Mitteilungen Kurfürst Joachim II. über die Bemühungen
des Herzogs Friedrich einen Tag zu Magdeburg zustande
zu bringen, über die Zusage, die u. a. auch sein Bruder Hans
diesem schon gemacht hatte, erregten am sächsischen Hofe
große Bestürzung. Da die Beziehungen zwischen letzterem
und dem jungen Markgrafen sich immer enger gestalteten —
noch im gleichen Jahre ward er sein Schwiegersohn —
fürehtete man, er könnte diesen zu einem gleichen Vor-
gehen veranlassen; deshalb beeilte nfan sich, die in Frank-
furt übernommene Gewinnung desselben zur Unterschrift
unter den Frankfurter Rezeß nunmehr zur Ausführung zu
lassen, Nr. 447, 543. Ferner als Gerüchte auftauchten, Georg
Friedrich wolle gegen Bayern ziehen. W. Götz, Briefe und Akten,
S. 114 Nr. 81. Anm.
) d. d. Weimar, Sonntags Palmarum 1558. A. R. A. 26, 3 25 fl.;
ef. Wolf S. 181, 401. |
3) d, d. Ansbach A. R. A. 26, 335.
3) d, d. Ansbach 29. IV. 1558. A. R. A. 96, 329.
) A. R. A. 26, 331; praesent 4. V. 1558.
*) A. R. A. 26, 333. 6. V. 1558. Ansbach.
43 123
bringen?) Am 17. April erhielt Dr. Georg Krackau seine
Kredenz zur Werbung in Ansbach?) Inzwischen war man
allerdings in Ansbach zur Klarheit gekommen; man hatte
Karg, der von Öttingen, wo er sich an den Beratungen über
die Ordnung des evangelischen Kirchenwesens beteiligt hatte ),
heimgekehrt war, um sein Gutdünken ersucht. Trotzdem er
nan dem Lehrgehalt des Frankfurter Rezesses zustimmen
zu Sollen glaubte, gab er sich doch nieht der Hoffnung hin,
daß dadurch die Einigkeit unter den Evangelischen befördert
würde; er befürchtete vielmehr — wie Melanchthon —, daß
er nur der Anstoß zu neuer Trennung werden würde, und
die Punkte zeigte er nun kurz auf, die am ersten dazu An-
laß geben würden. So gewiß alle in der Ablehnung der
Lehre Osianders tiber die Rechtfertigung einig wären, so un-
eins wäre man über den Inhalt seiner Lehre, so uneins,
ob man ihn verdammen oder die Sache in Güte beilegen
sollte. Ebenso bestünden etliche auf der Forderung eines
fórmlichen Widerrufs von Seite des Major; andere hielten
dies für unnötig, da er ja immer seine Proposition genugend
erklärt hätte. Im dritten Punkt seien etliche unnötige und tiber-
flüssige Fragen und ungereimte Meinungen übergangen worden;
aber gerade sie würden das stärkste Hindernis einer Ver-
gleichung bilden. Da bezüglich der Adiaphora etliche auf
1) August von Sachsen an Christoph und Ottheinrich d. d.
21. IV. 1558, Ernst IV S. 507, 510 Nr. 410; s. Melanchthon an
Mordeisen 20. IV. 1558: Credo per Marchionem electorem agendum
esse cum marchione Johanne et cum Anspachensi aut etiam cum duci-
bus Pomeraniae, ut pro communi salute cogitent, ne majores fiant
distractiones. Corpus Ref. IX Sp. 527 Nr. 6507; an Hier. Baum-
gartner 1. V. 1558: proficiscitur legatus ad marchionem vobis vicinum,
propterea quod oí uedwvaroı oúvoðov nso Óoyuávo» àv vf napds-
vónņ ovyxoatjoa: o7ztovüáGovos Sp. 538 Nr. 6514; an Karg 10. V. 1558:
Spero Georgium Cracovium feliciter ad vos pervenisse et opto, ut Deus
eum honestissimae conjugi suae et nobis omnibus incolumem restituat,
quem quidem et literas tuas nobis adferre velim. Causam legationis
deo commendo, quem oro, ut majores distractiones ecclesiarum nostrarum `
non sinat fieri, Sp. 515 Nr. 6523.
*) Kredenz d. d. Dresden 17, IV. 58. A. R. A. 26, 351; cf.
H. E. Bindseil, Philippi Melanchthonis epistolae, judicia, consilia.
Halis Sax. 1874, S. 595.
) Ernst IV, 500. Sattler IV, 123.
124 44
einem förmlichen Widerruf der Fürsten und Theologen
beständen, könnte man nie auf Einigkeit hoffen; es würden
auch die, welche ihre Unterschrift geben würden, sich nicht.
von allen Zeremonien, die dem Worte Gottes und der Augs-
burgischen Konfession ungemäß wären, trennen. Trotz dem
allen riet er zur Unterschrift des Rezesses mit dem Erbieteu,
auch in künftiger Zeit für die Einigkeit unter den Evangelischen
sorgen zu wollen. Er verschloß sich nicht Ger Tatsache,
daß nur ein besonderes Gespräch der rechte Platz zu einer
Beratung der vier Punkte sei; aber er hoffte davon wohl
ebensowenig einen Erfolg, wie von dem Rezeß selbst).
Seinem Rate folgte man. Nachdem Georg Krackau am
11. Mai seine Kredenz tibergeben?) und am 12. Mai seinen Auf-
trag ausgerichtet?) hatte, wurde ihm gleich eröffnet, daB der
Markgraf dem Ansinnen Sachsens willfahren, den Frankfurter
RezeB unterschreiben und auch die Nachbarn dazu be-
wegen werde).
Nach wenig Tagen trafen auch die Antworten auf das
Schreiben vom 30. April 1558 ein. August meinte, Georg
Friedrich werde wohl die allein richtige Antwort, daß er
sich von den andern Ständen nicht trennen werde, Johann
Friedrich bei einer erneuten Anfrage zu geben wissen“);
Joachim riet ihm, sich in keine unnötige Disputation einzu-
lassen und jede weitere Zusammenkunft als unnötig zu be-
zeichnen ?). Auch Johann von Küstrins Meinung ließ sich
damit vereinigen, wenn er auch noch manches an dem
vierten Punkte des Rezesses auszusetzen hatte“). Sofort setzte
h original A. R. A. 26, 398 f.; cf. Beilage V.
*) A. R. A. 26, 851.
*) Instruktion A. R. A. 26, 853. Werbung 26, 359.
*) A. R. A. 26, 361; cf. Wolf S. 450, |
5) d. d, Dresden, 10. v. 1558, praes. 20. V. 1558. A. R. A. 26, 337.
*) d. d. Köln an der Spree. Fr. n. Cantate 18. V. 1558. A. R. A. 26,
310, pr. 6. VI. 1558.
7) d. d. Warmborn. Di. n. Exaudi (24. V. 1558) A. R. A. 26,
343, pr. 6. VI. 1558. Er sandte G. Friedrich die Frklärung, die er
am 12. V. Joachim II. wegen des Frankfurter Rezesses gegeben hatte.
d. d. Warmborn Do. n. Cantate 1558. A. R. A. 26, 345; abg. als
Beilage VI. Nahm den Frankfurter Rezeß vielleicht erst 1559 zu
Augsburg auf dem Reichstag an. Ernst IV, 656. Heppe I, 336.
W olf S, 450.
45 125
sich nun Georg Friedrich mit einer Reihe von Ständen des
fränkischen Kreises ins Benehmen ). Mit den meisten hatten
schon Christoph von Württemberg oder Ottheinrich von der
Pfalz Schriften deswegen gewechselt. Etliche, wie Ludwig
Kasimir zu Hohenlohe’), Konrad von Kastell’), Ludwig von
Wertheim 5, die Reichsstädte Rothenburg?) und Schweinfurt 9)
beriefen sich auf ihre früheren Erklärungen; andere wie
Weißenburg“) a. Nordgau und Windsheim?) übersandten Kopien
der an Christoph ergangenen Antworten; die beiden Herren
von Limpurg, Karl und Christoph, erklürten dagegen nur
kurz noch einmal ihre Willensmeinung?) Alle aber ant-
worteten zustimmend. Außerdem zeigte sich Friedrich von
Schwarzenberg gerne bereit, dem Ansinnen Folge zu leisten
(19. Juni 1558) 0. Dagegen erklärte Wilhelm von Henne-
berg, er habe schon dureh seine Theologen eine Schrift be-
raten lassen, in der Hoffnung, in Magdeburg zur Einigung
1) d, d. Ansbach 7. VI. 1558. A. R. A. 26, 365.
) d. d. Neuenstein Di. n. Corp. Christi (14. VI.) 1558, pr.
16. VI, 1558. A. R. A. 26, 870. J. Chr. Wibel, Hohenlohische
Kyrchen- und Reformationshistorie. Onolzbach 1752. I, 377 IV,
Codex dipl. S. 107. Ernst IV, 514.
*) d. d. Castell auf Sonntag den 12. VI. 1558, pr. 24. VI.
A. R. A. 26, 871, s. Ernst IV, 514.
*) d, d. Stolberg 18. VII. 1558, pr. 2. VIII. 1558. A. R. A. 26,
373. Empfangsbestätigung der Befehlshaber zu Wertheim d. d.
18. VI. 1558. A. R. A. 26, 408.
5) d. d. Rothenburg 11. VI. 1558, pr. Do. 18. VI. 1558. A. R. A. 26,
383, s. Ernst IV, 514.
) d. d. Schweinfurt 18. VI. 1558, pr. 24. VI. 1558. A. R. A. 26,
391, s. Ernst IV, 514.
) Weißenburg an Georg Friedrich d. d. 17. VI. 1558, pr.
18. VIII. 1558; an Christoph d. d. 17. VI. 1558, A. R. A. 26, 388
u. 389, s. Ernst IV, 514, 522,
5) An Georg Friedrich d. d. Windsheim 20, VI. 1558, A. R. A. 26,
387, pr. 22. VI. 1558; an Christoph d. d. 15. VI. 1558. A. R. A. 26,
385. Ernst IV, 514, 522. Empfangs bestätigung des Schreibens vom
7. VI. 1558 durch Jacob Endfelder am 11. VI. 1558. A. R. A. 26, 404.
) Christoph d. d. 23. VI. 1558. A. R. A. 26, 881 (pr. 24. VI.).
Karl d. d. Speckfeld, 12. au 1558. A. R. A. 26, 879, pr. 24. VI. 1558.
Ernst IV, 514.
10) Empfangsbestütigung d. d. Schwarzenberg 12. VI. 1558.
.A. R. A. 26, 375, pr. 24. VI. Definitive Antwort. A. R. A. 26, 377,
pr. 26. VI. 1558.
126 46
zu kommen und damit die Fürsten zu Frankfurt zur Gentige
beantworten zu können. Wenn auch dieser Tag nicht statt-
finde, so glaube er doch, daß sich Johann Friedrich mit
seinen Theologen einer einhelligen Resolution verglichen
habe; diese wolle er sofort zusenden (16. Juni 1558)!) Et-
liche, wie Poppo von Henneberg, Erbach, Rieneck und Eber-
hard von Hohenlohe antworteten vorerst gar nicht. Eine
Mahnung vom 18. Oktober 1558?) hatte nur bei Eberhard
von Hohenlohe einen günstigen Erfolg 5); Erbach *) und Rieneck °)
hüllten sich auch daraufhin in Stillschweigen; und Poppo von
Henneberg verwies am 3. November 1558 auf die schon
lángst erfolgte Antwort seines Vaters und sein eigens schon
am 2. Juli abgesandtes aber anscheinend verloren gegangenes
Schreiben, das trotz seiner Kürze genug sagte. Er habe den
Abschied von Frankfurt erhalten; ebenso eine Sehrift Johann
Friedrichs; bei der von seinem Vater gegebenen Antwort
lasse er es bewenden?) Die bis zum 18. Oktober einge-
laufenen, sämtlich zustimmenden Erklärungen hatte man
inzwischen August von Sachsen übersendet“). Nur an Nürn-
berg hatte man sich nicht gewandt; der Differenzen mit
einem Hauptglied der fränkischen Einigungsverwandten waren
noch zu viele.
1) d. d. Masfeld. A. R. A. 26, 367, pr. 24. VI. 1558, s. Ernst IV, 514.
*) d. d. Onolzbach 18. X, 1558. A. R. A. 26, 396.
3) d. d. Waldenburg. Sa. n. Martini 12. XI. 1558. A. R. A. 26,
398, Empfangsbestätigung auf So. n. Corp. Christi durch die hohen-
lohische Kanzlei 11. VI. 1558. A. R. A. 26, 407 (Bote Kaspar Blum),
8. Ernst IV, 514.
) Empfangsbestütigung über das Schreiben vom 7. VI. durch
den Boten Jakob Endfelder von Seite der Schreibstube zu Erbach auf
Sonntag, den 19, VI. 1558. A. R. A. 26, 409; auf Mittwoch, den
19. XI, 1558, Empfangsbestütigung der Schreiberei zu Fürstenau, 407;
cf. Ernst IV, 657.
5) Bestütigungen der Rieneckischen Schreiberei vom 17. VI. u.
7. XI. über den Empfang des Schreibens durch Jacob Endfelder.
A. R. A. 26, 408 u. 402.
9) d. d. Ilmenau. Vis. Mariae (2. VII. 1558). A. R. A. 26, 401.
d. d. Ilmenau Do. n. Omn. Sanct. (3. XI.) 1558. A. R. A. 26, 401, 399.
) A. R. A. 20, 398. Empfangsbestätigung der kursächsischen
Kanzlei. Dresden, 10. XI. 1558. A. R. A, 26, 395; s. zu den Beitritts-
erklärungen Ch. G. Nendecker, Neue Beiträge S. 171 ff,
Ro 07.
47 | 127
Die Bemühungen der markgräflichen Regierung hatten-
wenig Wert. Vonallen bedeutenderen evangelischen Fürsten kam
in den nächsten Zeiten nur August von Sachsen immer wieder
auf den Frankfurter Rezeß zurück. Den Einigungsbestre-
bungen auf evangelischen Seiten wollte er erst dann näher treten,
wenn man ihn allseitig unterzeichnet hätte, wenn auch da-
durch die weitgehenden Pläne Philipps von Hessen und
Christophs von Württemberg zum Schutz des Protestantismus
scheitern mußten. Die Besorgnis vor den Weimarer Vettern,
als ob sie immer darauf sännen, ihm die Kur zu entreißen,
die Abneigung Melanchthons gegen alle Synoden und Kon-
vente, die Rücksicht auf das Kaiserhaus, mit dem man.
möglichst in Frieden leben wollte, waren die Triebfedern.
dieser Politik. Welche Haltung man dann nun in Ansbach:
einschlagen würde, war ziemlich klar. Georg Friedrich:
bedurfte der Unterstützung seiner sächsischen und branden-
burgischen Verwandten in den Auseinandersetzungen mit
den fränkischen Einigungsverwandten; die Gunst des Kaisers .
wollte man auf keinen Fall verscherzen, nicht nur weil es
zur traditionellen Politik der fränkischen Margrafen gehörte,
sondern weil man auch in der Regelung der schlesischen
und fränkischen!) Angelegenheiten auf dessen Entgegen-
kommen immer angewiesen war. Und die Theologen dachten.
äbnlich wie Melanchthon. Karg war sicher jedem Aufleben
von tbeoL Streitigkeiten abgeneigt. Der melanchthonianische:
Geist mit seiner Abneigung gegen alles Kondemnieren und
Verketzern war weithin durehgedrungen. Staphylus, ein.
scharfer Beobachter der zerrütteten Lage des Protestantismus
schreibt 1561: „aber die Melanthonischen waichling herrschen
unverborgens in Meißen, im größern thail des Frankenlandes
und zu Nurnberg“?). Die Supplik der Flacianer um Abhaltung
einer evangelischen Synode vom Jahre 1559 wurde von keinem
1) Im Oktober 1558 gelang es Ferdinand, eine Versöhnung
zwischen den Brandenburgern und den frünkischen Einzugsverwandten.
anzubabnen. Historische Zeitschrift 50, S. 61. A. Beck, Johann
Friedrich der Mittlere. Weimar 1858. I, 44.
) Fr. Staphylus, Christlicher gegenbericht an den Gottseligen
gemaynen Layen. 1561 ciiijb; Fr. Staphylus, in causa religionis-
sparsim editi libri in unum volumen digesti. Ingolstadt 1618. S. 889..
128 48
einzigen Geistlichen aus der Markgrafschaft unterschrieben !).
Vor allem darf aber auch nicht der Einfluß unterschätzt
werden, den Markgraf Johann von Küstrin immer mehr auf
seinen Schwiegersohn gewann.
Der Augsburger Reichstag 1559 sah die Protestauten
im Unterschied vom Wormser Kolloquium einig; den kur-
pfülzischen Gesandten gelang es sogar, die herzoglich säch-
sischen Abgeordneten zum Zusammenhalten mit den andern
Evangelischen zu bewegen. In den drei großen Angelegen-
heiten: Beilegung des religiósen Zwiespaltes im Reiche, Auf-
hebung des geistlichen Vorbehalts, Abstellung ihrer Gravamina
gingen sie geschlossen vor; wohl gab es manchmal ver-
schiedene Anschauungen, aber nach außen hin war es nicht
bemerkbar. Wer war froher als der brandenburgische De-
putierte, der bewührte Dr. Werner Eisen?); die Ansbacher
Regierung hatte sich ja seit Jahren angelegen sein lassen,
für die Einigkeit unter den Protestanten einzutreten. Nur
wenig trat er infolgedessen hervor. Bei der ersten Versamm-
lung der evangelischen Stände am 21. März 1559 beteiligte er
sich nicht; offenbar war er wie Nürnberg bei der Einladung
vergessen worden®). Dagegen ist uns noch sein Votum in
-der großen Sitzung vom 25. April 1559 aufgezeichnet. Der
'württembergische Kanzler Dr. Hi. Gerhard hat notiert:
„Markgraf Georg Friedrich: Keine Vergleichung mehr zu
‚suchen; Freistellung weiter zu treiben; Supplikationes und
Gravamina in den Ausschuß“). Er vertrat also die Ansichten,
die auch sonst allgemein unter den Evangelischen verbreitet
waren, daß neue Versuche, den religiösen Zwiespalt im Reiche
‚auszugleichen unnötig seien, daß aber andrerseits die Lebens-
interessen des Protestantismus unbedingt die Aufhebung des
1 W. Preger, Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit. Er-
langen 1861 II, 87. Salig III, 568 f. Heppe I, 356f. A. Beck,
.Johann Friedrich der Mittlere. Weimar 1858. J, 3585.
2) Erwähnt in dem Schreiben der Nürnberger Deputierten vom
30. V. u. 18. VI. 1559. Nürnb. Reichstagsakta 81.
) A. Kluckhohn, Briefe Friedrich des Frommen. Braun-
-chweig 1868, I, 40. Sebald Haller und Jörg Volkemar'an die Herrn
‚Eltern zu Nürnberg, Nürnb, Reichstagsakta Nr. 31, d, d. 25. IIT. 1559.
*) Ernst IV, 641.
49 129
reservatum ecclesiasticam erforderten. Am 31. Mai erschien
der Markgraf persönlich in Augsburg, um sich vom Kaiser
mit seinen Landen belehnen zu lassen ). Schon am 10. Juni
reiste er wieder heim; so fand er wenig Gelegenheit hervor-
zutreten*. Doch nahm er gleich am 2. Juni in der Her-
berge des Herzog Christoph von Württemberg an einer Ver-
sammlung der evangelischen Stände teil, was sofort die Nürn-
berger Gesandten nach Hause berichteten®); und für den
Herzog von Liegnitz, der sich geweigert hatte, bei der Fron-
leichnamsprozession den Thronhimmel mit zu tragen, legte
er mit Herzog Christoph und Johann Albrecht von Mecklen-
burg beim Kaiser Ferdinand I. Fürbitte ein; er hatte wohl
nicht die „ernstlichen Worte, daß sie nicht nur die ihrigen,
sondern auch des Kaisers und anderer katholischen Stände Unter-
tanen zum Abfall von ihrem Glauben verführten“, erwartet‘).
Nach seiner Abreise führte Dr. Werner Eisen die Geschäfte
in gewohnter Weise weiter“). Die Einigkeit unter den
Evangelischen hielt an. Nur als Eberhard von der Tann
in unkluger Weise gegen die Ernennung des Merseburger
Bischofs Michael Helding zum Präsidenten des Reichskammer-
gerichts®) mit den schärfsten Ausdrücken protestierte, konnten
sich die Evangelischen nicht sogleich einigen. Während
Kurpfalz ihm möglichst beispringen wollte, verlangte Kur-
hessen, er solle sich demtütigen und bei den alten Ständen
entschuldigen; während es aber doch noch eine Fürbitte zu-
sagte, erklärte Kurbrandenburg, in dieser Sache gar nichts
) Ernst IV, 662. K. H. Lang, Neuere Geschichte des Fürsten-
tums Baireuth. Nürnberg 1811. III, 23. Corpus Ref. IX, 1012.
Salig III, 418. Bericht des Sebald und Joachim Haller und Thomas
Lóffelholz vom 1. VI. 1559. Nürnberger Reichstagsakta 31.
2) Bericht von Joachim Haller und Thomas Löffelholz, 10. VI. 1559.
Nürnberger Reichstagsakta 31. . l
5) Nürnberger Reichstagsakta 32. (Die Verhandlungen bei
Wolf 196, Ernst 659, Kluckhohn I, 94.)
4) Ernst IV, 662, 665. Kugler II, 129. Heidenhain S. 104f.
5) Erwähnt im Bericht der Nürnberger Gesandteu vom 13. VI. 1559.
Nürnb. Reichstagsakta 31.
) Der Katholik. 74. Jahrgang. Mainz 1894. (3. Folge X. Band
8. 192 f)
Archiv für Reformationsgeschichte, XVII. 2. 9
130 90
handeln zu können: die alten Stände seien seine guten
Freunde; die Majoritit, darunter auch Dr. Werner Eisen
und Berthold von Mandelsloe, der Vertreter Johanns von
Küstrin, stimmten für Kursachsen. Erst als die herzoglich
sächsischen Gesandten gegen dieses Imstichlassen protestierten,
gelang es die evangelischen Stände wieder zu einigen).
Diese Einigkeit der Protestanten war um so erfreulicher,
als es genug Momente gab, die trennend hätten wirken
können. Fanden doch auch während des Reichstages manche
Verhandlungen über die Beilegung der religiösen Zwistig-
keiten unter den Protestanten selbst statt August von
Sachsen ließ wiederholt die Unterzeichnung und Publikation
des Frankfurter Rezesses als der endgültigen Glaubensnorm
der Evangelischen in Anregung bringen. Es erforderte alle
Geschicklichkeit des pfälzischen Kurfürsten, um die Ver-
schiebung dieser Sache bis zum Schlusse des Reichstages
zu erreichen und damit die Einigkeit unter den Evangelischen
zu bewahren. Gewiß wurden auch in ihren Kreisen diese
Fragen lebhaft besprochen. Am 12. Juli wußten die Nürn-
berger Gesandten nach Hause zu berichten, daß nach dem
Reichstagschluß die sächsischen Wünsche ins Werk gesetzt
werden sollten*). Herzog Christoph, der zweimal den Reichs-
tag besuchte, erkannte bald, wes man sich von Ansbach in
dieser Sache zu versehen hätte. Der Instruktion für Hans
Ungnad, der bei Pfalz und Hessen nach dem Schluß des Reichs-
tages auf die Notwendigkeit einer Zusammenkunft der evange-
lischen Stände hinzuweisen hatte, fügte er bei dem Schlußsatz:
„Nota! Dieweil die churfursten Pfalz und Sachsen von wegen
der jungen Herrn von Saxsen, auch das Pfalz in die publi-
cation und in truck ausgeen zu lassen, den Frankfortischen
abschid nit bewilligen wellen, in was misverstand seind,
das m. gn. herr zu Hessen sich bemubet hette, solches ab-
zuwenden und beide churfursten in ein christenlich, aufrecht
vertrauen zu bringen, wie dann pfalzgraf Wolfgang und
Wurtemberg solches auch mit allen treuen allerseits helfen
abzustellen und gutes vertrauen zu befordern sich gern be-
1) Wolf S. 204, Nürnberger Reichstagsakta 82 (26. VI. 1559).
2) Nürnberger Reichstagsakta 81.
51 131
muehen wollen“ eigenhändig bei: „nota dass Saxen und
Brandenburg, Pommern, Meckelburg, Anhalt, Lunenburg,
marggraf Hansen, marggraf Jorg Friderichen, Holstein auch
zu der Zusammenkunft vermocht hetten*!) In Ansbach
war man gewillt, die Fühlung mit August von Sachsen nicht
zu verlieren. Beider Politik hatte zuviel Berührungspunkte,
als daß sie nicht auch in der Religionssache zusammen-
gehen sollten.
!) Ernst IV, 698.
97
Georg Witzel und Justus Jonas.
Von Otto Clemen.
Martin Spahn hat seinem vortrefflichen Buche über
Johannes Cochläus (Berlin 1898) ein „Verzeichnis der Schriften
Cochläus’ von 1522 bis 1550“ angefügt. Die einzelnen Schriften
und Ausgaben sind zwar nicht bibliographisch-genau an-
geführt; daß das Verzeichnis aber vollständig ist, ergab sich
mir bei einem Vergleiche der zahlreichen Cochläusdrucke,
die die Zwickauer Ratsschulbibliothek (Zw. R. S. B.) besitzt;
alle diese Drucke habe ich dort wiedergefunden!) Neben
Cochläus steht, an Eifer und Fruchtbarkeit ihm fast gleich-
kommend, Georg Witzel. „Die Schriften Georg Witzels bib-
liographisch verarbeitet“ — so ist eine dankenswerte Arbeit
von Gregor Richter (Fulda 1913) betitelt. Auch hier ergab
der Vergleich der Zwickauer Witzeldrucke keinerlei Er-
gänzung?). Die einzige kleine Berichtigung, die ich an den
beiden Verzeichnissen vorzunehmen habe, besteht in der Ein-
reihung eines Briefes des Cochläus an Witzel, datiert:
Dresden 15. August 1534, der Justus Jonas in die Hände
fiel und alsbald von diesem in Wittenberg herausgegeben
wurde. Spahn hat den Druck nur einmal im Vorübergehen
erwähnt (S. 183 Anm. 4), Richter ihn „als eine satirische Ver-
öffentlichung“ — er scheint den Brief als fingiert anzusehen —
!) Folgende Cochläusdrucke sind in Zwickau vorhanden: 2. 3. 16.
28. 86b. 43. 48. 51. 57a. 58a. 59. 61a. 63. 65. 66. 70. 71. 72. 78. 74a
u. b. 77 (2 Ex.). 82. 83. 84. 86a. 87 (2 Ex). 91 a. 96. 105. 106, 11%
(2 Ex). 114, 115. 116. 119. 120. 121. 122. 123. 124 a. 127. 129 b. 132.
185. 147. 148. 151. 159. 158. 155. 157. 159. 162. 163. 183. 189b.
Köln 1568.
3) Zwickau besitzt folgende Witzeldrucke: 1 (3 Ex.). 2, 1. 8, 4. 1
(2 Ex). 5, 1. 6, 1. 7, 1. 11. 12, 1. 16, 5. 18. 19, 1. 23, 2. 24, 1 (2 Ex).
25,2. 98. 30,1. 86,1. 38. 39, 3. 41 (2 Ex). 49, 1. 54,1. 58. 61,1.
403. 125.
53 133
außerhalb des Verzeichnisses nachgetragen (S. 190 unten).
Da er für die Biographie der beiden katholischen Polemiker
recht ergiebig ist, habe ich ihn am Schlusse mit den nótigen
Erläuterungen aus dem Wittenberger Originaldrucke !)
wiederholt, :
Der Druck versetzt uns mitten hinein in den heftigen
Streitschriftenwechsel, der zwischen Witzel und Jonas ent-
brannt war. Wir machen aber am besten schon vorher ein-
mal Station bei einem gleichfalls bisher wenig beachteten
Briefe aus jener Fehdezeit, einem Briefe Witzels an Jonas,
datiert: Erfurt, 25. Juni 1532, den jener unter der Über-
sehrift Expostulatio de gravissima iniuria hostis Jonae mit
zwei anderen Beschwerdeschriften im Oktober 1534 von
Eisleben aus in Leipzig bei Nikolaus Wolrab®) in Druck
gab?) Jonas kannte Witzel schon von dessen Erfurter
Studentenzeit her, war ihm später, als Witzel evangelischer
Pfarrer von Niemeek war*), als Visitator des Kreises Belzig
entgegengetreten und hatte endlich in Erfurt in persönlicher
) EPISTOLA | D. COCLEI AD GEORGIVM || Vuicelium ne
tristetur, propter||abnegatum coniugium sa-||cerdotale, & hactenus ||
frustra expectatos | XXX. argente-||os Judae Is- || carioth. || Cum prae-
fatione cuiusdam Lutherani || Vittembergae. || 1534 || 12 ff, 4°. 1b weiß.
Zw. R. S. B. Lz Der Brief des Cochläus erschien dann auch,
aber ohne das Vor- u. Nachwort, in deutscher Übersetzung: Ein Brieff
Johan || Coclei, An Georgen Witzel, | Darjan er jn leret vnuerschempt
sein || offentlich zu liegen, das ist, seinen || bekandten Ehestand zuuer- ||
leucken, Vnd vertróstet|| jn von Prebenden || vnd Judas- || pfennigen. ||
Wittemberg. | 1535. || 4 ff. 49. 1b u. 4b weiß. 4a: Gedrügt zu
Wittemberg durch || Nickel Schirlentz. | Zw. R. S. B. 1722, vgl.
auch Bibliothek I. K. F. Knaake III (Auktionskatalog N. F. 6 von
Oswald Weigel in Leipzig) Nr. 245.
| 3) Vgl. über ihn Simon Widmann, Eine Mainzer Presse der Re-
formationszeit im Dienste der katholischen Literatur, Paderborn 1889,
S. 54 ff.
9 Richter S. 20 Nr. 18. Zw. R. S. B. (defekt). Biblio-
thek Knaake III Nr. 1106. — Die drei Schriftstücke wurden in der-
selben Reihenfolge wieder abgedruckt im 4. Buche der 1587 gleichfalls bei
Wolrab erschienenen Epistolae, quae inter aliquot centurias videbantur
partim profuturae . . . (Richter S. 35 f. Nr. 37 S. 186).
) CR. II 678. RE?, 21, 402.
134 54
Anwesenheit gegen Witzel agitiert, der im Herbst 1531
Niemeck verlassen, sich, „von lutherischen Pfarren und Sekten
gänzlich gewendet“, zunächst zwei Jahre in seiner Heimat
Vacha an der Werra zugebracht hatte und sich nun in Er-
furt um eine «hebräische Professur bewarb. Über diese
fortgesetzten Feindseligkeiten beschwert sich nun Witzel in
unserm Briefe in beweglicher Weise. Warum Jonas ihn,
den Unschuldigen, unaufhörlich verfolge? Ob er glaube,
am Ziele all seiner Wünsche zu sein, wenn er ihn (W.) dem
Untergang preisgegeben hätte? Was habe er (W.) denn
gegen Jonas und die Seinen verdrochen? Habe er sie auch
nur mit einem Worte beleidigt? Er (W.) habe Jonas früher
jahrelang verehrt wegen seiner Gelehrsamkeit, Lauterkeit,
Hochherzigkeit und Freundlichkeit. Woher der jähe Wechsel?
Weil er zum Katechismus zurückgekehrt sei? „Cur in me
unum saevis, cum tot milia ubique sapere incipiant et Ecele-
siam, quae ipsos sacro lavaero donavit regenuitque, tempestive
repetant? Nec desunt ex his viri docti, e£ quos nemo queat
sine pudore incessare. Attraxit me primum in partem vestram
plausus ille orbis maximus, pellexit praeproperus erudi-
torum assensus, incitavit novitas, ut plerique natura huius
cupidine ducimur, perculit Ecclesiae foeda facies, potissimum
invitavit spes magna omnia fore purius Christiana. Calcar
ad id ingens erant Erasmi vigiliae, quas qui legerat, is non
potuit non favere ceptis istis, quantumcunque reclamante
una portione orbis.“ Während seiner pfarramtlichen Tätig-
keit in Niemeck habe er unermüdlich und gewissenhaft seine
Pflicht getan; das könnten ihm seine Pfarrkinder bezeugen
und ebenso die Schriften, die er den Wittenberger Theologen
zur Begutachtung zugesandt hätte — es waren zwei Auf-
sätze, in denen er Reformen auf den verschiedensten Ge-
bieten beantragt hatte; Melanchthon hatte ihm freundlich
geantwortet, Jonas überhaupt nicht darauf reagiert. Jetzt
sei er älter und besonnener und mit den alten Kirchen-
vätern vertraut geworden, um- und zurückgekehrt, aber nicht
plötzlich, sondern nach langer und reiflicher Überlegung.
Damit habe er einfach von seiner Gewissensfreiheit Gebrauch
gemacht, die er sich nicht verkümmern lasse. „Nam ut dii
mei non estis, ita nec domini. Imperium vestrum posthac
non agnosco, quale utinam vobis ipsis non arrogassetis ...
Vobis me meamque salutem ad quinquennium credidi ut
55 135
magistris, non ut satrapis, nune re penitissime cognita re-
trahor, ut aliis nempe certioribus, solidioribus et fidelioribus
Magistris in posterum utar, qui magistri, licet non coram
pareant, reliquerunt tamen nobis pietatis suae nobilia scripta.
Proinde me satrapia vestra, rogo, ne prematis, quem disci-
pulum habuistis, non habetis.“ Nun setzt er sich speziell
mit Jonas auseinander. Dieser habe ihm seine Schrift über
die guten Werke verübelt, wie ja überhaupt die Witten-
berger Theologen gegnerische Meinungsäußerungen nicht
ertragen könnten. „Ad vestras aeditiones totum orbem gaudio
exilire cupitis, ad aliorum vero aeditiones non item. Vestra
legi debent, lecta laudari, laudata vorari, defendi, asservari
ceu e cería tripode. Si quae alius scribit, ea vultis tegi,
vetatis distrahi, iubetis eiei ceu indigna luce. Et ubi vox
illa, qua dicere solebatis aequum esse, ut cuiusvis sententia
audiretur?* Er wisse, daß seine Schrift viele Fromme er-
baut habe. Wenn sie den Wittenbergern nicht schmecke,
sollten sie sie mit Gegenschriften, aber nicht mit Gewalt
bekämpfen. Dann wirft er Jonas seine Erfurter Umtriebe
vor: „Du wußtest recht wohl, daß ich im Goldenen Lamm
wohnte. Warum hast du mich da nicht aufgesucht, wenn
du etwas gegen mich hattest? Das Haus deines Wirts, des
Predigers Johann Lang, ist dem unsern fast benachbart, und
das des Johann v. Milwitz — eines Erfurter Patriziers!),
bei dem Jonas oft zu Gaste gewesen sein muß — von diesem
nur ein paar Schritt entfernt.“ Schmerzlich entrüstet ist
Witzel daruber, daß Jonas ihn als Anhänger des Johann
Campanus (der im Sommer 1529 einige Wochen in Niemeck
mit ihm zusammengewesen war) und als Antitrinitarier ver-
dächtigt hatte. „Exclamandi hie loeus est, sed prae doloris
magnitudine non video, qua voce potissimum exclamem.
Jona, heu nimium! Heu nimium, Jona! Quae tibi mens,
quae frons, quae conscientia, Jona, Jona? Hoceine euange-
lium? Heecine charitas proximi? Estne illud exemplum
prineipis euangelistae, quod videlicet eaeteri imitentur? Est
haec progenies eius doctrinae, quae sola ex deo est, sola
Christiana?“ Da hätte er ihn doch lieber gleich zum Mame-
1) Vielleicht ist hier der bei Krause, Helius Eobanus Hessus,
Gotha 1879, II 159 erwühnte Joh. v. Milwitz gemeint. Vgl. aber
auch die Stammtafeln der Familie am Schlusse des 30, u. 31. Heftes
der Mitteilungen des Vereins für die Geschichts- u. Altertumskunde
von Erfurt.
136 56
lueken oder Mohammedaner oder Juden stempeln können!
Mit allem Nachdruck betont Witzel seine Orthodoxie. ,Scis,
seis, inquam, ex apologiis meis et ex confessione Beltziana
mihi nihil rei esse cum Campano, quem ignotum hospitem
quondam excepi, sed emoriar, si mihi vel unicum iota sua
de fide aperuerit.“ (Im März 1530 war Witzel ins Schloß
von Belzig ins Gefängnis abgeführt worden, doch stellte sich
seine Unschuld bald heraus!) Ihr wollt mit dieser Ver-
leumdung nur euern Haß an mir auslassen wegen meiner
Rückkehr zum Katholizismus, den ihr Abfall nennt. „Hoc
vel inde liquet, quod Luderus ipse, cui secundum hominem
bene volo, discedentem me rogavit, ut suppetias ferrem contra
sectas, maxime Campani. Et idem lectis excusatricibus
literis meis ad ducem Saxoniae illustrissimum satisfactionem
accepit, praesertim cum verbis quoque sacrilegum errorem
eoram ipso a me detergerem.“ Ganz aus der Luft gegriffen
und grundlos sei auch die Beschuldigung, daß er in Erfurt
Irrlehre und Verwirrung verbreite. „Turbo ego civitatem,
in qua neque 60ncionor neque profiteor, qui in nullius aedes
penetro, sed vel in Agno aureo vel in bibliothecis mona-
ehorum versor, nemini plane obstrepens?* Seitdem Jonas
ihn hier so verleumdet habe, sei ihm die Stadt zur Hölle
geworden. Alle belauschen ihn. Die von Jonas gegen ihn
aufgehetzten Prüdikanten hätten ihn beim Rate verklagt
und seine Ausweisung verlangt; dieser habe die Sache den
Universitätstheologen zur Entscheidung überwiesen. Endlich
erinnert er Jonas an seine Pflicht und Ehre als Prediger
. des Evangeliums: er solle seinen Haß zurückdämmen und
aufhören, ihn zu verleumden und zu verfolgen. „Nosti ex
Daniele mutari tempora et regna; poterit fieri, ut fortunae
quoque tuae vertantur. Eadem Lutero dieta velim, pro quo
libens ad Deum oro. Opto vobis bonum et eausae felicem
exitum. Amicus fuus proximus eerte et caro tua sum velis
nolis. Vale in Christo servatore, qui tranquillet motus huius
tempestatis!^ — |
Wenn wir jetzt die Fortsetzung des Streites zwischen
Witzel und Jonas in seinen Hauptstadien verfolgen wollen,
so knüpfen wir am besten an die Stelle in dem eben ana-
lysierten Briefe Witzels an, wo er die erste Ursache von
Jonas Haß aufdeckt: ,Seriptam mihi lucubratiunculam de
1) Vgl. RE? 21, 408.
57 137
bonis operibus evulgavit Joannes Crotus, theologiae doctor.
Hine illae lacrimae!“ Es handelt sich um die Schrift: Pro
defensione bonorum operum adversus novos evangelistas.
auctore Agricola [Griechisch: Georg] Phago [aus Vacha],
Lipsiae, Michael Blum, 1532!) Witzel sagt hier also, daB.
Crotus Rubianus (der seit Frühjahr 1531 im Dienste des.
Kardinalerzbischofs Albrecht von Mainz stand und eine:
Domherrnpfründe in Halle innehatte)?), seine Schrift habe
drucken und erscheinen lassen. Es ist uns auch noch sein
Brief an Crotus erhalten, mit dem er diesem das Manuskript zu-
gesandt hat mit der Bitte: „Si consultum videbitur, Lipsiae excu- -
sum in publicum emittas, sed emendate?).^ Am 20. Mai 1532
erhielt Witzel in Erfurt die ersten Druckexemplare aus
Leipzig!). Jonas antwortete mit einer höhnischen Gegen-
schrift: Contra tres pagellas Agri. Phagi Georgii Witzel,.
quibus pene Lutheranismus prostratus et voratus esset,
J. Jonae responsio, Witebergae, Georg Rhaw, 15329. Am-
2b. Juni 1532, als Witzel die oben behandelte Epistola ex-
postulatoria gegen Jonas sehrieb, kannte er diese Gegen--
schrift offenbar noch nicht. Auch Ende August war sie
noch nicht erschienen“). Als Ende November Jonas dem
Fürsten Georg von Anhalt ein Exemplar sandte), konnte:
9 Richter S. 6 Nr. 2, 1. Zw. R. S. B. E,
9) Enders, Luthers Briefwechsel 9, 112°; Walter Brecht, Die
Verfasser der Epistolae obscurorum virorum, Straßburg 1904, S. 244 ff..
5) Epistolae, quae inter aliquot centurias videbantur partim pro-
futurae . . . fol. S. 1b, zitiert bei Strobel, Beiträge zur Literatur,
besonders des 16. Jahrhunderts I] 1 (Nürnberg und Altdorf 1786),
S. 230. — Die Gegner dichteten dann Witzel an, er habe die Ver-
antwortung für sein „unverschämtes Schandbüchlein^ auf Crotus ab-
wülzen wollen und habe ,bey etlichen zu Vach mit auffgerichten fingern.
einen eid gethan, das der obgemelte schmehe vnd schandwort etliche
vnd ein grosser teil von einem groben hochgelerten [eben Crotus] an
seinen wissen vnd willen jnn sein büchlein gesetzt sind worden, ehe-
es denn jnn die Drückerey geschickt sey worden* (Gegenschrift des.
Hersfelder Pfarrers Balthasar Raida, zitiert W. A. 88, 82°),
) Enders 9, 207°.
*) Richter 8. 9 A . Zw. R. S. B. LU 5
*) Veit Dietrich an Justus Menius, Wittenberg, 31. Aug. 1532:
„Jonas nescio cur aeditionem sui operis differat“ (Kolde, Analecta.
Lutherana, Gotha 1883, S. 181).
7 Kawerau, Der Briefwechsel des Justus Jonas 1, 187.
138 58
sie immer noch als Neuigkeit gelten. Damals weilte Witzel,
der sich von Erfurt zunächst nach Frankfurt a. M. gewandt
hatte, wieder in seiner hessischen Heimat Vacha). Hier
beendete er bereits am 8. November 1532 eine Erwiderung,
die hinter seinem Rücken, ohne daß er das Manuscript noch-
mals hätte durchsehen und Korrektur lesen können, Anfang
des nächsten Jahres im Druck erschien: Confutatio calum-
niosissimae responsionis Justi Jonae, id est Jodoci Koch,
una cum assertione bonorum operum per Georgium Vuice-
lium, 1533, Lipsiae, Nikolaus Faber). Jonas’ Gegenschrift
tat aber erst jetzt recht ihre Wirkung. Am 21. Dezember 1532
klagt Witzel in einem Briefe, daß sie, in mehr als 1000
Exemplaren verbreitet, in aller Ketzer Händen sei. „Veneunt
passim in Hessia, in Thuringia et ipsum adeo Rhenum tra-
narunt“ ). Nun aber trat in der Fehde eine mehrmonatliche
Pause ein. Wohl im August 1533 folgte Witzel einem Rufe
des im Gegensatz zu seinen Brüdern katholisch gebliebenen
Grafen Hoyer von Mansfeld als Prediger an die Andreas-
kirche in Eisleben“). Erst zur Ostermesse erschien wieder
eine gegen ihn gerichtete — sehr ausführliche und sehr grobe
— Streitschrift des Jonas: Wilch die rechte Kirche, und da-
gegen wilch die falsche Kirch ist, christlich Antwort und
tröstliche Unterricht wider das pharisäisch Gewäsch Georgii
Witzels, Justus Jonas D., Wittenberg, Georg Rhaw, 1534?)
Völlig diskreditieren sollte Witzel der Anhang, seine Lebens-
geschichte bis zu seiner Übersiedelung nach Eisleben, in der
er in der boshaftesten Weise nicht nur wieder zum Anhünger
des Campanus und Antitrinitarier, sondern auch zum Zwing-
lianer und Sakramentschwürmer und vor allem zum Genossen
) Enders 9, 206*.
9 Richter S. 9 Nr. 5,1. Zw. R. S. B. 5. Das Exemplar
-der Fuldaer Landesbibliothek trägt den Vermerk von Witzels Hand:
„Me nesciente excusus liber, non emendatus.“
*) Kawerau 1, 187. l.
) Enders 9, .358*.
5) Richter S. 16 Anm. 1. Zw. R. S. B. E s a= 2, Jonas an
Fürst Georg von Anhalt 9. April 1534: „Contra Vitzelium, hominem lo-
(uacem et phanaticum, ...proximis nundinis edam germanicum scrip-
tum de vera et falsa ecclesia^ (Kawerau 1, 205).
59 139
des radikalen Jakob Strauß in Eisenach und Münzers und
zum Bauernaufwiegler gestempelt wird. Die Überschrift
lautet: „Görg Witzels historia, von glaubwirdigen mir new-
lich jnn den worten wie volget zugeschrieben“ !). Der
Eisenacher Superintendent Justus Menius
hattediese „historia“ schon vor längerer Zeit
verfaßt; die Wittenberger hatten ihn ver-
gebens zur Fortsetzung angestachelt?°). Witzel
erwiderte: „Von der christlichen Kirchen wider Jodocum
Koch, der sich nennet Justum Jonam, durch Georgium Wice-
lium, 1534, Leipzig, Nickel Schmidt“). Gleichzeitig aber
führte Jonas kurz hintereinander zwei Schläge gegen ihn,
auf die hin er nur ohnmächtig protestieren konnte.
Der „Ludus Sylvani Hessi in defectionem Georgii Vuicelii
ad Papistas'*) hat die Reformations- und Literaturhistoriker°)
schon gelegentlich beschäftigt. Der Verfasser war bisher
nicht zu ermitteln“). Es ist aber niemand anderes
7) Abgedruckt bei Strobel a. a. O. S. 213—229.
) Veit Dietrich an Justus Menius, Wittenberg, 31. Aug. 1532
(Kolde, Analecta Lutherana S. 181): „...ita vicissim te quoque cupio
pergere in libello contra Wizelium virum suscepto.“ Derselbe an den-
selben, 23. Mürz 1583 (ebd. S. 185): ,Contra Wicelii errores nihil tuum
vidi. Fortasse ad D. Philippum transmisisti,^ Melanchthon an Joh.
Agricola, 22. Okt, 1583 (CR II 679): ,Duxi scribendum esse ad Justum
Menium, ut mihi historiam tumultus Strutiani, quem audio magna ex
parte ortam esse a Wicelio, totam perscribat." Derselbe an Friedrich
Myconius 12. Mürz 1534 (CR II 709): ,Illud vero molestissimum est,
quod Menius tantopere rogatus non misit mihi historiam Maustelae.
Hanc velim te flagitare ab eo et mihi quam primum mittere.^ Sehr
bald darauf wird Menius sein Manuskript, das er aber nicht weiter
fortgesetzt hatte, Melanchthon geschickt haben, der es Jonas zum
Abdruck überlieferte.
3) Richter S. 16 Nr. 18.
) Richter S. 20 Anm. 1. Zw. R. S. B. DEN Die Vorrede von
Jonas ist abgedruckt bei Kawerau 1, 214ff. Nr. 258.
5 Vgl. : zuletzt Brecht S. 246 Anm.
©) Kawerau 1, 211* äußert sich noch: „Wer jener Sylvanus
Hessus war, darüber fehlt, so viel wir wissen, jeder Aufschluß.“
2, XXXVIIIf. vermutet er dann, daß Justus Menius, derselbe, der die
„Ad apologiam Joh, Croti Rubeani responsio! verfaßt hat (vgl. En-
ders 9, 113°), der Autor sei. Er beruft sich dabei auf den oben vou
140 60
als Antonius Corvinus, seit 1529 Pfarrer in Witzen-
hausen an der Werra’). Das beweist klipp und klar ein
Brief Melanchthons an ihn, in dem es heißt: „Dialogum legi
et placet. Sed Croto parcendum est. Etsi non tractatur
aspere, tamen habeo causam, cur eum magis irritari nolim*?).
Es gibt aus jener Zeit keinen anderen Dialogus, in dem
Crotus „etsi non aspere“ mitgenommen wird?) Außerdem
paßt das Pseudonym Sylvanus Hessus trefflich auf den da-
maligen Aufenthalts- und Tätigkeitsort Corvins und ist dieser
als Verfasser einer wenig späteren, stilistisch ganz ver-
wandten Satire, des „Pasquilli de concilio Mantuano iudicium *
festgestellt“).
Das Drama beginnt mit einem Monologe Witzels, in
dem er seinen Entschluß kundgibt, um zu Berühmtheit, zu
Ehren und Reichtum zu gelangen, zum Katholizismus zurück-
zutreten. Er schwankt, wem er sich anschließen solle. Jo-
hann Fabri? Der ist, in Konstanz zu weit entfernt. Eck?
Der werde ihn nicht neben sich aufkommen lassen. Bleibt
Cochläus übrig. Dem will er sich anvertrauen, dem sich
zu Füßen werfen. Seine Gattin, die herbeieilt, bereitet er
darauf vor, daß er sie künftig nicht mehr als seine Ehefrau,
sondern nur noch als seine Konkubine oder Köcbin oder
uns herangezogenen Brief Veit Dietrichs an Menius vom 81. Aug. 1532.
Den dort erwähnten libellus contra Wizelium virum haben wir aber
ja bereits anderwärts untergebracht.
1) Enders 10, 861.
3) CR II 621. Vgl. schon W. A. 38, 494*. Der Brief ist un-
datiert, gehört aber weder ins Jahr 1532, wohin ihn das CR versetzt,
noch in die ersten Monate des Jahres 1535 (Enders 10, 87°), noch
ins Jahr 1533 (Paul Tschackert, Briefwechsel des Antonius Corvinus,
Hannover und Leipzig 1900, S. 7 Nr. 11), sondern in den Oktober 1534,
in dem der Ludüs Sylvani Hessi erschienen ist.
3) Geisenhof, Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische
Kirchengeschichte 5 (1900), 18! bezieht unsre Stelle auf eine andere
Schrift Corvins, die allerdings gleichfalls in Dialogform abgefaßt ist:
Quatenus expediat aeditam recens Erasmi de sarcienda Beclesia ratio-
nem sequi" (vgl. W. A. 38, 273 ER Aber in dieser wird Crotus über-
haupt nicht erwähnt.
*) Clemen, Beiträge zur ReformaNonsgeschichte 1, Berlin 1900, 24.
Tschackert, Neue kirchliche Zeitschrift 3, 213 ff., und: Analecta Cor-
viniana, Leipzig 1910, 8.26. Zw. R S. BW. 1
61 141
Magd ansehen dürfe. Vergebens erinnert sie ihn an ihre
oft bewiesene Treue und Opferwilligkeit, an ihre Kinder —
er spottet ihrer Beschwörungen und Wehklagen und redet
sich mit Sprichwörtern, Zitaten und philosophischen Be-
trachtungen in eine abgründige Verachtung des weiblichen
Geschlechts und der Ehe hinein. Im Nu werden wir dann
nach Leipzig versetzt. Witzel will sich bei dem Buchdrucker
Nikolaus Faber nach seinen gelehrten Freunden erkundigen.
Sogleich eröffnet er diesem, daß er „wieder vernünftig ge-
worden sei“, und erlebt nun die Genugtuung, daß Faber ihn
daraufhin als den gelehrtesten Mann unter der Sonne begrüßt.
Witzel frohlockt: „O me foelicem! Vocor nunc doctissimus,
eui antea nihil praeter haereseos nomen impingebatur. Quos
isti titulos addent in Lutherum aliquando scribenti! O me
foelicem! Bene babent principia.“ Faber weist ihn zuerst
an Crotus, der gerade in Geschäften seines Erzbischofs in
Leipzig weile. Crotus bereitet ihm aber einen sehr kühlen
Empfang — als Jurist sei er an den theologischen Streitig-
keiten wenig interessiert —, warnt ihn vor Überstürzung
und erinnert ihn daran, daß die Überläufer bei allen Nationen
übel beleumundet seien. Als dann Cochläus erscheint, bittet
Witzel diesen sogleich, seine Beichte entgegenzunehmen und
ihn zu absolvieren. Crotus geht unterdessen hinaus. Dieses
Zwiegespräch zwischen Witzel und Cochläus ist für den
Dunkelmännerbriefstiel, in dem die Satire z. T. verfaßt ist,
so charakteristisch, daß ich es hier einfügen möchte:
W.: Egregie domine doctor et spiritualis pater, rogo
dignitatem vestram, quatenus velitis mihi audire confessionem
eausa Dei.
C.: Libenter.
W.: Confiteor Deo omnipotenti et beatae Mariae virgini
et omnibus sanctis et vobis, egregie domine doctor, quod
ego miser peceator peccavi nimis in vita mea contra legem
Dei mei, sanctissimi domini nostri Papae, cogitatione, locu-
tione, opere etc.; praesertim confiteor, quod fui Lutheranus,
quod fui cum rusticis, qui volebant omnes sacerdotes et
monachos mortuos percutere [tot schlagen], quod praedicavi
contra sanctissimum, quod non invocavi sanctos, quod non
servavi missam et eanonem, quod non legi horas canonicas,
quod non habui concubinam, sed uxorem, quod non benedixi
cineres, palmás, sal, aquam, ignem, fladenses et schinckenses,
142 62
sicut solitum est fieri in vigilia paschae, quod etiam saepe
dixi, quod vellem (cum supportatione) in ista omnia merdare.
Ideo precor vos, quatenus velitis me absolvere et orare pro
me misero peccatore,
C.: Domine Baccalaurie, vos peccastis valde enormiter,
et si mansissetis apud Lutheranos, finaliter tunc esset pecca-
tum in spiritum sanctum. Quia humanum est errare, sed
diabolicum perseverare, propterea, si non vultis plus facere,
tunc volo vos absolvere et vobis more solito penitentiam
iniungere.
W.: Nunquam in aeternum volo plus facere.
C.: Apostolica igitur potestate, quam mihi Sanctissimus
in hac parte concessit, absolvo vos in nomine patris et filii
et spiritus saneti.
W.: Amen.
C.: Tamen.in recompensationem peccatorum vestrorum
et pro debita satisfactione debetis per integrum annum
sextis feriis induere cilicium et ieiunare in pane ef aqua.
Et quia vos mei adhuc non potestis celebrare, debetis om-
nibus septimanis mittere vobis legere [lesen lassen] unam
missam in honorem S. Bennonis!) quod velit vos praecon-
servare in posterum ab omnibus erroribus. Etiam debetis
singulis diebus per unum annum orare tria rosaria ef ora-
tiones sanctae Brigittae?). Nune surgatis et oretis etiam
pro me!
Witzel fühlt sich kórperlich und geistig wunderbar er-
frischt und dürstet danach, an den Lutheranern sein Mütchen
zu kühlen. Crotus, der wieder eingetreten ist, fragt ihn, ob
er nicht zuvor Kriegsherolde schicken, Verhandlungen an-
knüpfen und denen, die vor den nächsten Iden des März
das lutherische Lager verlassen wollen, Gnade anbieten wolle.
Witzel antwortet hochmütig: „Eam clementiam tametsi haere-
ticus homo non mereatur, tamen, ut aequitatis opinionem
apud vulgum nobis conciliemus, fiet.“ Er bittet darauf Crotus,
ihn seinem Mainzer Herrn empfehlen zu wollen. Crotus:
„Fiet! (dazu für sich:) Quasi vero is in sua ditione huiusmodi
morionum non plus satis habeat!“ Cochläus erklärt sich bereit,
Witzel beim Papst, den Kardinälen und Prälaten einen guten
Staud und einige fette Pfründen zu erwirken, eilt aber dann
zum Essen. Crotus präzisiert beim Abschied nochmals seinen
1) Am 31. Ma. 1523 heilig gesprochen, am 16. Mai 1524 in Meißen
„erhoben“ (RE? 2, 602).
9) Vgl. z. B. Enders 7, 272 76; W. A. 101, 3331,
63 143
neutralen Standpunkt: „Valebo, sed a Papismo perinde atque
a Lutheranismo, id quod iurisperitum decet, alienus.“
Im Vergleiche mit dieser witzigen Satire wirkt die von
Jonas als dem Herausgeber vorangestellte Vorrede saft- und
kraftlos. In ermüdender Weitschweifigkeit wiederholt er hier
gegen Witzel den alten Vorwurf, daß dieser keine andern
Motive habe als Ehrgeiz, Privatneid und -haß; zuletzt be-
schuldigt er ihn in pathetischen Ausdrücken unmenschlicher
Grausamkeit gegen seine Familie: „Non Medea tam crudelis
fuit, non Progne, non Atreus aut quisquam alius in tragoediis.
Nam ii tantum vitam suis ademerunt, quod quidem crudelissi-
mum est, sed illa nostra Medea nomen et famam uxoris et
liberorum suorum obscurare conatur, deformat eos et detur-
pat, quantum in ipso est. Quod est carissimum et quavis
vita praestantius, hoc uxori et liberis detrahere non dubitat."
Am 18. Oktober 1534 schrieb Witzel: „Futilissima bla-
teramenta . .. Sylvani Hessi non legi, imo nee eminus
vidi ... . Forte respondebo prologo Jonae, quem ludo illi
praefixisse dieitur“!). Die Satire wird also kurz vorher er-
Schienen sein. Sein Versprechen, sich besonders gegen die l
Vorrede an Jonas zu wenden, hat Witzel wahr gemacht in
der zweiten der unter dem Titel „De raptu epistolae privatae“
gedruckten drei Beschwerdeschriften. Wir merken’s ihm an,
daß er tief erregt ist über die Satire und die ihm unterge-
schobenen schlechten Motive. Nur scheinbar ist die Ruhe,
mit der er feststellt, daß der hinter dem Pseudonym Deckung
suchende Verfasser ein „vir malus“ gewesen ist und daß
die Satire nach dem Geschmack des lutherischen Pöbels sei:
„Gratificatus est delusor ei multitudini, quae nisi aleretur
istiusmodi lenociniis, actutum recideret a schismate. Nam in
eam assuejudinem abiit multitudo, ut aut crebris conviciis
in eeclesiam, in synodos, in patres, in ceremonias sustinenda
sit, aut confirmanda immanibus mendaeiis aut reficienda novis
rumoribus aut delectanda scurrilibus facetiis aut demulcenda
fastuosis gloriis. llluc libellos vanissimos desudant, nec alio
spectant cunctae conciones adeo futiles, adeo eaedem semper,
adeo sine potentiae nervis, adeo sine aedificationis fructu,
adeo mobiles et sibi ipsis contrariae, adeo vacuae spiritu
bono (sed contra in maledicendo aeres, in asseverando audaces
et in refutando infirmae, quas quidem ipse audivi legique),
1) Epistolae fol. R r iij, citiert bei Kawerau 1, 2143,
144 64
nt satis mirari nunquam possim, quo eas animo, qua patientia,
quo pudore audire sustineant literati atque honesti eives . . .“
Kurz darauf!) lieb Jonas eine Veröffentlichung gegen
Witzel vom Stapel, die diesen noeh härter treffen mußte.
.Es war das der oben schon erwähnte Brief des Cochläus
:an Witzel, Dresden, 15. August 1534, in dem jener diesem
sein inniges Bedauern aussprach zu den jetzt über ihn aus-
gebrochenen Verfolgungen, durch die er sich aber nicht ent-
mutigen lassen sollte, ihm den Rat gab, sich in keine Dis-
kussionen über seine Ehe einzulassen, diese vielmehr mög-
lichst zu verheimlichen, und ihm endlich noch eine ganze
Reihe weiterer vertraulicher Mitteilungen machte. Jonas
schreibt in der Vorrede, daB ein Papist, zelotischer noch als
-Cochläus selbst, ihm trotz seines Widerstrebens den Brief
aufgedrängt habe, wahrscheinlich in der Absicht, ihn durch
die in dem Cochläusbriefe begegnende Ankündigung von
nicht weniger als vier gegen Melanchthon geplanten Bücher
einzuschüchtern und von weiterer antikatholischer Schrift-
.Stellerei abzuschrecken. Am Schlusse findet sich ein Nach-
wort, ein fingierter Brief eben jenes Papisten an Witzel.
. datiert: 1. Oktober 1534, in dem jener erzählt, wie der
Cochläusbrief in seine Hände gekommen sei: Als er am
.24. August in Leipzig mit Witzel zusammen gewesen sei —
diese Zusammenkunft ist natürlich auch erdichtet, wohl zu
. dem Zwecke, den in dem Ludus Sylvani Hessi angenommenen
Besuch Witzels in Leipzig bei Nikolaus Faber, Crotus und
'Cochlüus zu bestätigen — und tags darauf nach Eisleben
zurückgefahren und in seiner Herberge abgestiegen sei, da
habe sich plötzlich ein gewaltiger Sturmwind erhoben; ein
Knabe habe ihm einen erbrochenen Brief gebracht, den er
1) Schon am 28. Okt. 1534 weiß Cochläus von der Veröffentlichung
seines Briefs durch die Gegner. Aus Dresden an Joh. Faber in Wien:
„Nuper cum incidisset in manus eorum epistola mea, quam 15. Augusti
ad Vicelium scripsi, miris conviciorum et calumniarum acerbitatibus
me flagellant et contemptibilem facere satagunt“ (ZKG 18, 260 f.).
Wenn daher Jonas am 20. Dez. 1534 an Fürst Georg von Anhalt
schreibt: „Interim quamvis valetudinarius (quis enim aliter quam per
febrim scriberet contra Coch. et Vitz.?) lusi illam praefationem epistolae
Coclei, quam T. C. misi . , .* (Kawerau 1, 219f.), so ist das „interim“
mehrere Wochen zuirückzuverlegen.
65 145
wie einen Vogel aus einem vom Sturm aufgerissenen Fenster |
habe flattern und dann zu Boden sinken sehen; er habe
dann erforscht, daß der Brief aus Witzels Hause komme,
die Unterschrift „Cochläus“ gelesen und schicke ihn nun
zurück. Eine Abschrift habe er nur einem aus der Zahl
der Lutheraner gegeben „idque eo consilio, ut videant
minas terrificas Coclei Jonas et alii, deinde uf terrore etiam
(si illi libeat) exanimetur Melanchthon, quem Cocleus Phi- :
lippiearum tribus libris evertet totum".
Gegen diese Veröffentlichung ist die erste der drei Be-
schwerdeschriften gerichtet, die Witzel unter dem Gesamttitel
„De raptu epistolae privatae“ hat erscheinen lassen. Witzel
erzühlt hier, daB er den Brief eines Abends gleich nach
Empfang auf dem Fensterbrette habe liegen lassen und dab
er in der Dunkelheit durch den Ellenbogen eines Hinaus-
sehauenden beiseite geschoben worden und ins Nachbar-
grundstück gefallen sei. So sei er seinen Feinden zuge-
kommen; einen geheimnisvollen Wind brauche man hier
nicht erst noch herbeizurufen. Von Feinden und Laurern
sei er ja in Eisleben umringt: ,Habito miser nescio inter
hominesne an inter spelaea ferarum, et is est situs harum
aedium, ut, quaquaversum prospiciam, metuenda sint multa,
cavenda omnia. Captatur in nos, auscultant, observant, riman-
tur nostra, idque tanta solicitudine, uf, si nobis imprudentibus
nescio quid humanum excidat, eupide inhiantes glutiant. Si
recluduntur fores, vicini inhiant, praetereuntes resistunt et
in aedes intro defigunt curiosos oculos. Si aperiuntur fenestrae,
vieint inhiascunt, dixeris esurienfes lupos apud Plautum. Si
domo eximus, non dico in publieum, sed in ipsa septa vici-
niae conspicua, protinus iaciuntur in nos oculi, reboat mur-
mur ..." i
Auffällig ist, daB Witzel nicht den Nachbar nennt, der
den Brief erbeutet und naeh Wittenberg gesandt hat. Er
kann aber dabei nur Johann Agricola im Auge haben. Witzel
wohnte in Eisleben in dem alten Pfarrhofe von St. Andreas,
der jetzigen Superintendentur, Apricolas Wohnung ,lag in
gleicher Flucht mit der Superintendentur“ ). Für die Einge-
weihten ist freilich das Agricolasche Haus zur Genüge ge-
kennzeichnet, wenn von den häufig dort stattfindenden Zech-
1) Mansfelder Blätter 19 (1905), 40, |
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 9 10
146 66
gelagen die Rede ist. Apricola liebte ja die „Krappelkanne“
(Krappel ein altberühmtes Eislebener Bier) mehr, als ihm
gut war!) Zum Überfluß haben wir nun aber auch noch
einen Brief Luthers an Agricola vom 7. September 1534,
aus dem folgt, daß dieser der angebliche papistische Brief-
vermittler gewesen ist. Luther schreibt ihm: „Gratum nobis
fecisti, mi Agricola, quod literas Cochlei miseris . . . Ede-
mus eas cum scholiis, quia non furto ablatae, ... sed flante
spiritu ad nos perlatae“ ). Ob Luther dann die Herausgabe
ganz Jonas überlassen hat oder ob wenigstens die spöttischen
Randbemerkungen zu dem lateinischen oder dem deutschen
Texte oder zu beiden von ihm herrührten, steht dahin. Jeden-
falls ist es gerechtfertigt, wenn wir nun noch den Cochläus-
brief im lateinischen Originaltext und in der gleichzeitigen
deutschen Übersetzung, beide Male mit den Marginalglossen,
wiedergeben.
[Fol. Biijb]
Epistola D. Coclei ad
Georgium Wicelium.
S
Eruditissime domine Wiceli,
nunc recte cognosces proprio
experimento (ni fallor) mili-
tiam esse vitam hominis super
terram*) et omnes, qui pie
vivere volunt in Christo, per-
secutionem pati **).
Non possunt mentiri divina
oracula ***),
Videamus igitur, ne obli-
viscamur illud salutare ver-
bum domini: ,In patientia
vesträ possidebitis animas
vestras ***)
!) Mansfelder Blätter 10, 27.
[Bl. Aij]
Ein Brieff Doct. Johan
Coclei an Georgen Witzel.
Wolgelerter, lieber Witzel?
Nu erst wirst du recht ver-
stehen durch eigen erfarunge
(wie ich achte), das des men-
schen leben ein Ritterschafft
ist auff erden, U. das alle, so
Gottselig wollen leben jn»
Christo, verfolgung leiden
müssen.
Die Göttlichen worte können
nicht liegen.
Darümb, lieber, las uns zu-
sehen, das wir nicht vergessen
das selige wort des Herren:
„Inn ewer gedult werdet jr
ewr Seelen besitzen.“
*) Vgl. Enders 10, 70; Kawerau, Joh. Agricola von Eisleben,
Berlin 1881, S. 160; Felician Geß, Johannes Cochläus, der Gegner
Luthera, Oppeln 1886, S. 42.
*) Hiob 7, I.
**^*) Luc. 91, 19.
**) 9, Tim. 3, 12.
***) Hebr, 6, 18.
67
Gravis!) tibi (non dubito)
per Diaboli Satellites ingeri-
tur tentatio de uxore tum
latine tum teuthonice.
Quid facias? Si defendis
iustum esse coniugium, laeti-
ficabis inimicos et contristabis
Catholicos. Hoc enim quae-
runt Satanae ministri. Si
neges iustum esse coniugium,
illos amplius irritabis et apud
Catholieos per hoc parum
proficies, cum videaris corde
et facto comprobare.
[Fol. B 4]
Vide, obsecro, rem bene
consideres et expendas.
Ego, si res mea esset, ne-
gocium istud de coniugio to-
tum dissimularem?) in res-
ponsis aut dicerem breviter:
eum ad solidas scripturas et
rationes meas respondere nihil
1) (Gravis) Nota hic verbum
S. Augustini: Iussisti, domine, et
factum est ita, ut poena sui ip-
sius sit omnis animus inordinatus,
Hic vides, quam sint impii sibi
ipeis furiae et Diaboli in conscien-
cia sua, quam misere in seipsis
turbentur et agitentur. Sic Veri-
tatem impugnatam ipsimet in se-
ipsis ulciscuntur tam praesente
poena.
5) (Dissimularem) Et sic nemo
intelleget, quid vexet miserum
Wicelium in conscientia.
147
Ich zweivel nicht, dir brin-
gen schwere anfechtungen
deiner priesterehe u. deins
Eheweibes halben von die [!]
diener des teuffels beide jnn
Deudschen u. Lateinischen
schrifften.
Ja dencke aber hie: was
solt du jmer thun? Vortei-
dingst du den Ehestand u.
sagst, das die Priesterehe recht
sey, 80 erfrewestu unser feinde
u. betrübst die Catholicos,
denn das suchen die diener
des teuffels!). Wirdest du denn
Sagen, die Priesterehe sey
nicht recht, so wirst du jhenes
teil mehr erreitzen u. bey den
Catholicis des Bapst teil we-
nig ausrichten, denn sie fassen
doch gedancken, du habst ein
anders im hertzen, u. dein that
u. Priesterehe ist vor augen.
O lieber Witzel, ich bit umb
Gottes willen, sihe ja zu, das
du dieser sache wol war-
nemest u. die wol bedenckest!
Wenn dieser Handel von
dem Ehestand mein were, so
wolt. ich jnn allen schrifften
u.antworten den selbigen gantz
stilschweigend ubergehen u.
mich stellen, als dórffts keiner
antwort, oder wolt kurtz da
von reden also: weil die
Luterischen auff mein ge-
gründte schriffte u. ursachen
nichts antworten. können,
-werffen sie mir den schleyer
für, davon jnn Artiekeln des
1) Siehe, wie macht den Heuch-
lern jr eigen gewissen so bange,
wolten gern u. kónnen nicht die
warheit verbergen.
10*
148
possint, peplo!) me vexare
satagunt*), de quo in arfi-
culis fidei, pro quibus dimico,
nihil prorsus habetur.
Periculosa sunt haec tem-
pora**), in quibus nobis maxi-
me opus est patientia***). Sed
noli dubitare: dabit Deus his
quoque finem ). Diu?) quidem
deserimur, pauci considerant
labores nostros, et tanto me-
lius considerabit ipse Domi-
nus, si oculus noster fuerit
simplex ff), ut esse debet.
Certe, si qua fortuna me
mitius respexerit, non obli-
viscar Wicelij. Et spes est
brevi futurum esse, ut tui
meminisse efficaciter queam,
non sane, quod ambiam ullam
dignitatem, sed quod expec-
tem fortunae largitatem.
!) (Peplo) Vide consilium tali-
bus amicis dignum. Scilicet veri-
tatem tacere hoc est respondere
haereticis.
*) (Diu) Perdat Deus istos Mi-
sergos [Werkhasser] Papistns, qui
sic deserunt philergos et anthro-
podoulos Nai Kor. 7, 28] suos nec
ullum syllabum auri eis donant ex
sua Cohala vel Adada Caioscha
Nadada etc.
68
Glaubens (umb welche ich
kempfte) nichts stehet!).
Es sind ferliche zeiten u.
bedürffen gedult, uns ist ge-
dult hoch von nöten, aber
habe ja kein zweivel, Gott
wird des auch ein ende
machen. Wir werden warlich
bisanher u. lange verlassen,
wenig leute bedencken unser
arbeit, aber so viel mehr wird
sie Gott ansehen, so unser
auge (wie es sein sol) ein-
feltig sein wird.
Warlich, wird mich etwa
das glück freundlich ansehen
u. milde gegen mir sein, so
wil ich Witzels nicht ver-
gessen, U. ich stehe jnn hoff-
nunge, es solle bald geschehen,
das ich Witzels mit der that
u. [Bl. Aiij] dem werck ge-
dencken möge, nicht das ich
prebenden odder prelaturn
gros begere odder suche), son-
!) Des Christlichen Ehestandes
schleyer sind die Heuchler nicht
werd. wie viel tausent hurn schleyer
aber zu Würtzburg, Halberstadt.
Mentz, Cöllen u. der gleichen Stiff-
ten sein, da wil Doctor Cocleus
ein eigen vesper von schreiben De
Msi, Shine denn Hom ist eitel
teutfel uber alle menschen unzucht.
*) Da sihet man, das die fromen
gesellen gern Prebenden hetten u.
grosse zinse, es bleibe Gottes wort,
warheit u. Gottes dienst, wo es
wolle. O wie sinds buben, erger
denn Curtisan odder der barfussen
Münche!
..) peplum = Unterrock. Vgl. in dem angehängten fingierten
Drief eines Papisten an Witzel: ,Codeus noster permittit tum sibi ipsi,
tum aliis sacerdotibus peplum, sine quo (facile ipsis episcopis faven-
tibus) non est gaudium.
**) Vgl. Eph. 5, 16.
vr: Matth. 6, 92.
*) Hebr. 10, 36.
T) Verg. Aen. 1, 199.
69
Nemo enim seit, quanto sub
pondere laborum et expen-
sarum (uf omnia alia molesta
dissimulem) gemam!) et an-
belem in occulto.
Redijt unus nunciorum me-
orum ex Anglia omnino in-
anis, quia non licuit ullas
mearum ad magnates °) episto-
larum reddere propter novum
Regis coniugium. Alter inde
in Seotiam navigaturus nihil
literarum?) inde ad me de-
dit*). An putas leve hoc esse
curarum et impensarum onus?
Nune erga Polonos a simili-
bus insidijs praemonendos si-
mile mihi curarum et impen-
sarum onus incumbit.
De convicijs adversariorum
non oportef solicitos nos esse;
apud Catholicos enim pro
margaritis?) nobis sunt, ut
non euremus, quid coeci et
p, (Gemam) Isti sunt gemitus
ineffabiles Roma. 8 [v. 26]. Et
tamen neque spiritus auri nec Deus
Mammon adiuvat istam infirmi-
tätem, praesertim in Anglia.
agnates) Nota, quod Coc-
leus multas Epistolas ad magnates
mittit frustra, quod est dolendum
valde.
5) (Nihil literarum) Das mocht
ein stein erbarmen, Lapides cla-
mabunt: O Veh!
argaritis) Idest valent ad
praebendas et dignitates prome-
rendas, si papistae non essent
Misergi.
149
dern ich warte des glücks, wie
milde es gegen mir sein wil.
Denn wiewol ich verbeisse
u. mich stelle, als sey mir
viel dinges nicht beschwerlich,
glaubt doch niemands, wie
grosse arbeit u. unkost mir
obligt, darunter ich heimlich
seufftze u. lechtze.
Es ist einer meiner boten
aus Engeland widderkomen,
gar ledig, denn er hat meiner
brieve keinen überantworten
dórffen den Magnaten der
newen ehe halben des kónigs.
Der ander bote, welcher von
dann yn Schottenland hat
wolt schiffen, hat nichts zu
mir geschrieben. Meinst du,
das solehs alles ein geringe
bürde sey, so viel sorge u.
unkosst?
Nu weiter, die Polen von
gleicher list der Lutherischen
zu verwarnen, trage ich gros
Sorge u. unkost.
Der scheldwort halben der
widdersacher sollen wir uns
nicht kümern, denn bey den
Catholicis sind es uns perlen),
das wir nicht dórffen darumb
Sorgen, was die blinden u.
tollen ketzer von uns urteilen
odder schreiben.
N) Solche perlen schencken teg-
lich Doctor Cocleo viel Edelleut
zu hofe, viel redliche Bürger auch
zu Leiptzig, Freyberg u. Dresden,
*) Vgl. Spahn, Cochläns S. 186f.
150
furiosi haeretici de nobis
iudicent aut scribant.
Librum tuum de Ecclesia !)
eontra Jonam*) nondum per-
legi totum, quia sex ultimos
quaterniones semel tantum
accepi et mox Principi tra-
didi, qui altero die hinc abi-
furus erat.
Opus certe necessarium hoc
tempore, quo tam superbe no-
biscum contendunt de Eeclesia
haeretici, qui eam nobis eri-
pere conantur. Sic olim La-
pithae (si non fallit memoria)
sponsam Jasoni**).
Ego quoque ea de re breve
adieci libello meo capitulum.
Vellem et tuum librum ali-
quanto breviorem esse. Quid
enim opus [Fol. C] est ad
singulas calumnias respon-
dere?
Mallem te quoque certa
pertraetare capita, in quibus
multum momenti est. Nam
et ipsi pauca ex nostris ex-
cerpunt, in quibus putant iuste
nos reprehendi posse.
Lector enim fit fessus pro-
lixis?) et multitudo librorum
! (De Ecclesia) Da steckts!
Haec est illa Helena. Hinc illae
lachrymae!
3) (Prolixis) Id eat, tam apertis
mendacijs et continuis calumniis,
quibus papyrum perdimus et lec-
tori odium movemus contra nos
ipsos. i
*) S. oben S. 189.
70
Dein buch von der kirche
wider Jonam hab ich nicht
gantz gelesen, denn die letzten
vj quatern hab ich nur ein
mal entpfangen u. als bald
meinem Fürsten gegeben,
welcher den andern tag hin-
weg zog.
Es ist warlich ein nótig
werck dieser zeit, da die
ketzer so hoffertiglich mit uns
zancken von der kirchen u.
wollen sie uns nemen. also
haben die Lapithe (wo ichs
recht gemerckt) dem Jasoni
die brawt sich unterstanden
zu nemen.
Ich habe von dem selbigen
jon meinem büchelein auch
ein kurtz Capitel gemacht u.
wolt, das dein buch auch ein
wenig kürtzer were. Denn
was ists nof, auff alle jr un-
recht schrifft antworten?
Ich wolt lieber, das du et-
liche stücke handeltest, daran
viel gelegen. Denn sie nemen
auch aus unsern schrifften et-
liche stücke, do sie meinen,
das wir billich mügen ange-
strafft werden.
Denn die leser werden mit
lügen büchern müde, u. so
gar lange schrifften machen
ein verdrossenen leser.
**) Hier hat das Gedächtnis dem Cochlüus doch einen Streich ge-
spielt: der Centaur Eurytion oder Eurytus raubte dem Lapithenkönig
Pirithous die Hippodameia!
71
fastidiosum iam reddit lecto-
rem.
Prodibunt in Philip. Me-
lancht. libelli quatuor*), in
quibus saevus ille gigantum
fraterculus acriter impetitur.
Non feret, consurget, credo,
in me totis viribus, ut uno
me conterat ictu.
Sed si Deus et veritas pro
nobis, quis contra nos **)?
Ego certe sciens prudens-
que contra veritatem nun-
quam scribere intendo!), quan-
tumvis me calumniatorem
dicant Lutherani.
Quaeruntur nunc in Dialogo
Corvini***) me Sycophanticum,
sedieiosum ac sanguinarium
aedidisse librum pro defen-
sione Ducis Georgij, ubi ta-
men prineipis fama et inno-
centia exigebat, ne facerem
ad tam graves et seditiosas
Lutheri calumnias, quas prior
emiserat.
ı) Nisi quod omissa veritate
consulo, quod certa pertractemus,
sive sint vera, sive falsa, modo
contra Lutherum.
151
Ich werde vier bücher lassen
ausgehen widder Philip. Me-
lanchton, darjn der grausam
Gygant wird hefftig ange-
griffen,
Er wirds nicht leiden wollen,
sondern mit allen krefften
sich widder mich setzen, das
er mich mit einem schlage
vertilge !).
Aber wenn Gott u. die war-
heit vor uns ist, wer wil
widder uns sein?
Warlich, ich gedencke nicht
willig odder wissentlich widder
die warheit zu schreiben, eb
mich wol die Lutherischen. u.
mein schriffte als unrecht
hart schelden.
Sie klagen jtzund im dia-
logo Corvini, das [Bl. A 3] ich
ein leichtfertig u. geschwinde
buch gemacht habe, Hertzog
Jórgen zu verteidigen, do doch
die unschuld u. gut gerücht
des Fürsten erfodert, das ich
auff soleh auffrürisch u. be-
schwerlich Luthers schrifft
nicht schweigen solte, welche
er der erst hat lassen aus-
gehen.
1) Förcht dich nicht, es hat
nicht not. Was solt tantus vir
solchen geuchen u. narren ant-
worten?
) Spahn S. 357 Nr. 104. Vorrede vom 8. August 1534. Melanch-
thon an Spalatin s. d. (CRII 701): , Vidimus hic Cochlaei insulsissimas
Philippicas et prolixe risimus.“
Der Brief ist also zu datieren: nach
August 1534 (vgl. schon Theolog. Studien und Kritiken 1912, 554).
**) Röm. 8, 31,
***) Quatenus expediat (s. S. 140 A. 3) fol. B4a: „Vel nuper quam
sycophanticus, quam seditiosus, quam sanguinarius libellus prodiit a
Cocleo in Georgii Saxoniae ducis defensionem conscriptus!^ Vgl. über
Cochlüus! „Hertzog Georgens zu Sachssen Ehrlich vnd grundtliche ent-
Schuldigung,...^ Spahn S. 355 Nr. 86a. W. A. 38, 136f,
—
152 x
Ita omnem eulpam in nos
reiiciunt.
Et in suo libello*) Eras-
mus!) videtur nobis imputare
nescio quas culpas huius in-
cendii.
Sed videamus nos, uf Deo
eor ef intentionem nostram
probemus, ef parum sit curae
nobis, quomodo iudicet nos
humana dies**).
Bene vale, doctissime Wi-
celi, confortare ad patientiam,
memor illius: qui persevera-
verit in finem ***), Ex Dresda
XV. Aug. in festo Assump-
tionis 1534.
Tuus Joannes Cochleus.
Eruditissimo viro domino
Georgio Wicelio, Theologo
eximio et acerrimo Ecclesiae
propugnatori, amico plurimum
reverendo.
1) Etiam Erasmum devorat unus
Cocleus post Lutherum et Phi-
lippum devoratos. O Cyclopen
tribus Polyphemis Saeviorem!
72
Also legen sie alle schuld
auff uns.
U. Erasmus jnn seinem buch
legt auch etlich schuld auff
uns (weis nicht wie), das wir
das fewer auffgeblasen ).
Aber las uns sehen, das
unser hertz u. meinung vor
Gott recht stehe, u. las uns
wenig darnach fragen, was
menschen von uns richten
odder urteilen,
Gehab dich wol, gelerter
Witzel, u. stercke dich zu
gedult! Dencke: Wer da be-
harret bis an das Ende, wird
selig werden. Geben aus
Dresda, den xv. Aug. in festo
Assumptionis 1534.
1) Es ist doch gut, das du selbst
hie bekennest, das du Erasmus
auch vor narren helt, ich dacht,
wir sehen es allein.
*) De amabili ecelesiae concordia 1533. Vgl. W. A. 38, 273.
**) 1. Kor. 4, 3. ***) Matth. 10, 22. z
Nachträge: Zu S. 185. Herrn Gymnasialdirektor Dr. Joh.
Biereye in Erfurt verdanke ich die Nachricht, daß das Haus zum
güldenen Schaf, in dem Witzel wohnte, in der Augustinerstr. (Nr. 26,
neben der Georgenbörse) lag und daß das Haus zum Steinbock, in
dem nach dem Verrechtsbuch von 1580 Joh. Lang wohnte, nur durch
den „Rosenbaum“ davon getrennt, um die Ecke herum in der Michaelisstr.
(Nr. 29) sich befand, Vgl. den Plan Nr. 1 zu Biereye's Beschreibung
in den Jahrbüchern der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften
zu Erfurt N. F. 48 (1917). — Zu S.189. Eine deutsche Übersetsung
des „Ludus Sylvani Hessi“ besorgte 1539 Erasmus Alberus. Vgl. Emil
Körner, E. A., Leipzig 1910, S. 50f. Zw. R. S. B. 7^.
—
Mitteilungen.
Küngold Bodenstein. Barge sagt in seinem Andreas
Bodenstein von Karlstadt 2, 497: Bei der Taufe seines Sohnes Küngold
stehen vornehme Basler Paten, und beruft sich dabei auf einen Ein-
trag im Taufregister des Basler Kirchenarchivs. Ebenso behauptet
er S, 518, Karlstadt habe vier Söhne Adam, Jakob, David und Kün-
gold und ein Mädchen Gertrud hinterlassen. Nun aber weiß jeder,
der mit Schweizer Urkunden zu tun hatte, daß Küngold ein weiblicher
Name, nämlich so viel als Kunigunde, ist. Vgl. z. B. Egli, Akten-
sammlung zur Geschichte der Züricher Reformation 594, 1581. Quellen
zur Schweizer Ref.-Geschichte 8, 44, 326. In der Urkunde S. 517, wo
die fünf Kinder mit Namen genannt sind, ist der Genitiv der Namen.
der drei Söhne mit s gebildet, der der zwei Töchter mit en, Kungelten
und Gertruden. Das Taufregister ist verloren, aber das Register dazu
besagt, wie mir Herr Lic. E. Stähelin mitteilte: Carolstat: Andreas,
Doctor vnd pastor Ecclesiae pet(rinae) fil.» Küngold An.o 1537 Junij 1.
Es steht also deutlich filia da. Leider hat Kawerau in Enders, Luthers.
Briefwechsel 15, 155 Barges Angabe übernommen. So wird der Irrtum
noch weiter fortleben. G. Bossert.
Aus Zeitschriften ).
Allgemeines. Das dreifache Erbe der Reformation er-
blickt H. Scholz in der Empfindung des Göttlichen und der Deutung
des Glaubens, die sie uns überliefert hat, und der Fähigkeit, in der-
Ehrfurcht?) zwar im Sinne des göttlichen Waltens, uns frei und souverän
zu fühlen. Z. f. Philos. u. philos. Kritik Bd. 164, 2 S, 159 — 106.
Von der Anekdote der Beraubung des Ablaßpredigers Tetzer
durch einen Ritter, der sich vorher bei ihm Ablaß für eine beabsichtigte-
Freveltat erkaufte, weist E. Kroker in NASG. 40 S. 154—161 nach,.
daß diese Geschichte, ähnlich schon vor 1500 von irgendeinem Ablaß-
prediger in Italien erzählt, in Deutschland durch Tetzels Auftreten zu
neuem Leben erweckt und schließlich in Wittenberg mit Tetzel selbst
in Verbindung und durch Melanchthon in die Fassung gebracht wird,.
in der sie dauernd lebendig geblieben ist.
1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um
Zusendung einschlägiger Zeitschriftenaufsätze zur Anzeige an dieser
Stelle.
2) (Ehrfurcht) vor dem was über uns ist, und (zwar).
154 T4
N. Paulus, Zur Geschichte des Wormser Reichstages von
1521 (H. Jb. 39 S. 269—276) bemüht sich mit allerlei Gründen, die
einer unbefangenen Betrachtung kaum standhalten, die Gesetzlichkeit
des Wormser Edikts nachzuweisen sowie Aleander von dem Bestreben,
die Deutschen gegeneinander verhetzen zu wollen, reinzuwaschen,
‘Unter dem Titel „Forschungen zur Vorgeschichte des Bauern-
krieges verfolgt O. Schiff zunächst (1) die Fäden, die sich seit Án-
fang des 15. Jahrhunderts von der Eidgenossenschaft nach den ober-
deutschen Landschaften hinüberspannen (Appenzeller Freiheitskampf
und folgende Bewegungen), behandelt dann (2) den angeblichen, durch
einen Augsburger Prediger entzündeten Bauernaufstand von 1476, der
sich als Erfindung eines augsburgischen Chronisten herausstellt, um
sich endlich (3) mit der sog. Reformation Kaiser Friedrichs III. zu
beschäftigen und gegen H. Werner, der die Schrift auf ritterliche
Kreise zurückführt und in Hartmut von Cronberg den Verfasser ver-
mutet, wahrscheinlich zu machen, daß die Reformation in Nürnberg
entstanden sei; als den Verfasser denkt er an den berüchtigten Rüxner,
den Verfasser des „Turnierbuchs“, was denn freilich nur den Wert
-einer Vermutung hat. HVjSchr. 19, 1 und 2 S. 179—219,
Aus der unljngst im Magdeburger Staatsarchiv zum Vorachein
gekommenen Matricula ordinatorum des Hochstifts Merseburg ver-
-óffentlicht P. Flemming die in den Jahren 1545—1548 in Merse-
burg vorgenommenen Ordinationen von evangelischen Geistlichen
mit wertvollen Erläuterungen, Personen- und Ortsverzeichnis. ZVKG.
Prov. Sachsen 16, 1 S. 1—25.
Persönliches. Zahlreiche Urteile hervorragender Eng-
länder (und vergleichend auch Amerikaner über Luther vom
16. Jahrhundert bis zur Gegenwart stellt zusammen und erörtert
Preserved Smith in The Harvard Theol. Review vol. X, April 1917
S. 129—158. U. a. zeigt sich, daB in den letzten Zeiten der Deutschen-
haß das englische Urteil über Luther stark beeinflußt hat. Bezeichnend
ist andererseits das Urteil des Englünders E. S. Buchanan-Oxford von
1915, der das völlige Fehlen von Heuchelei, worin Luther unter den
großen Kirchenmünnern wohl einzig dastehe, am höchsten stellt.
In The Lutheran Quartaly (Gettysburg U. S.) April 1917 fórdert
L. H. Humphrey, French Estimates of Luther, aus der fran-
zösischen Literatur vom 16. Jahrhundet bis zur Gegenwart eine größere
Anzahl von tadelnden und lobenden Urteilen über Luther und sein
Werk von Theologen, Geschichtschreibern und Philosophen zutage.
Er gedenkt dabei auch der verbreiteten Ansicht, daß der Geist Luthers
für den Weltkrieg gleichsam verantwortlich sei.
Im Anschluß an die v. Schubertsche Veröffentlichung der Vor-
lesung Luthers über den Galaterbrief (s. ds. Zeitschr. XVI. S. 125f.)
behandelt K. Holl in ZKG. 88 (= NF. I) 1 S. 23—40 den Streit
zwischen Petrus und Paulus zu Antiochien (Gal. 2, 11ff.) in seiner
Bedeutung für Luthers innere Entwicklung, indem er zeigt, wie sich
75 155
daran ebenso Luthers Anschauung von der Kirche mitbildete wie sein
Verständnis der Geschichte und seine Auslegungskunst sich daran
schulte.
F. Pijper, Hoe Luther los wordt van de Roomsch katholieke
kerk (Nederl. Arch. voor Kerkgesch. NS. 14 S. 97—125) verfolgt, be-
sonders an der Hand der Schriften Luthers, den Verlauf der Lösung
dieses von der katholischen Kirche von der Leipziger Dispulation bis
zur Verbrennung der Bannbulle (1519/20).
Fr. Meinecke, Luther über christliches Gemeinwesen und
christlichen Staat, unterzieht die viel umstrittenen Stellen in den
Schriften an den christlichen Adel deutscher Nation von 1520 und
von weltlicher Obrigkeit 1528 einer erneutem Untersuchung, um zu
zeigen, daß über den Beruf der weltlichen Obrigkeit bei Luther zwei
verschiedene Gedankenreihen vorhanden seien, die zuweilen in seiner
Ausdrucksweise so ineinanderlaufen, daß man nicht mit Sicherheit zu
erkennen vermöge, welche von ihnen gemeint sei oder vorherrsche.
Man kann daher Luthers Ansichten nicht restlos auf einen Nenner
bringen. Dadurch daß man dies versucht hat, erklärt es sich, daß über
die in Rede stehenden Fragen von den Forschern so abweichende Auf-
fassungen vertreten worden sind wie einerseits von Scheel, Rieker,
K. Müller und Troeltsch, andererseits von Holl und Brandenburg.
Hist. Zeitschr. 121, 1 S. 1—22.
Im Reformationsheft der Zeitschr. f. Philosophie und Philo-
sophische Kritik (Bd. 164 Heft 2) äußert sich R. Seeberg „zur
Religionsphilosophie Luthers“ (S. 72—115); ebendort erörtert Br.
Bauch „unser philosophisches Interesse an Luther" (S. 128—148),
wobei er zeigt, daß Luthers Geist und Tat wie in unserer ganzen
neuen Geisteskultur, so besonders auch im Leben unserer Philosophie
fortlebt; endlich behandelt A. W. Hunzinger Luther und die Mystik
(S. 166—179); H. sieht in Luthers Berührung mit der Mystik ein Er-
eignis von epochemachender Bedeutung für seine Entwicklung; durch
die Mystik hat Luther den Augustinismus weitergebildet und zu einem
unveräußerlichen Ferment der Reformation gemacht.
G. Kawerau, Zu Luthers Briefwechsel, teilt einen noch un-
gedruckten Brief A. Osianders an Luther über die Leviratsehe, nach
Abschrift Bugenhagens auf der Staatsbibl. Berlin (von c. Januar 1536)
mit, gibt einige Winke über die Entstehungsgeschichte von Luthers
Schrift: von dem gefangenen Herzog zu Braunschweig, deren Ab-
fassungszeit er zwischen dem 28. Nov. bis 5. Dez. 1545 begrenzt, und
erörtert die Verlegung des Briefes an den Dresdener Rat für Joh.
Crato (Enders-Kawerau 15 n. 3264), der von Luthers Hand das Jahres-
datum 1541 trägt, in das Jahr 1543. ThStK. 91 (1918) S. 293—304,
Von der Wiederauffindung des Originals des Briefes Luthers
an die Stadt Regensburg vom 8. Mai 1525, in der er auf die Bitte,
der Stadt einen gelehrten und sittigen Prediger des Evangelii zu
verschaffen, antwortet (Enders 5 n. 922), in Gemeiners hsl. Nachlaß im
*
156 76
Reichsarchiv zu München gibt Th. Trenkle in BBK. 25, 2 S. 78 zu-
gleich mit Abdruck des Briefes Kunde.
„Randglossen zu Luthertexten“, nämlich zur Dispulatio de
viribus et voluntate hominis sine gratia 1516 und zur sog. Explicatio
conclusionis sextae der Heidelberger Dispulation (W. A. 1, 365—374)
bietet Em. Hirsch in ThStK. 91 (1918) S. 108—137. Die Glossen
bringen ebensowohl Verbesserungen zu den überlieferten Texten wie
bedeutsame sachliche Erläuterungen.
Eine auf die neu zutage gekommenen Quellen gestützte Unter-
suchung über Wert und Bedeutung der Bibel 1546 (L) führt O. Reichert
zu dem Ergebnis, daß L., nicht 1545 (K) die authentische Luther-
bibel letzter Hand ist und deshalb für die Textkritik der Lutherbibel
bei Entscheidungen tiber Echtheitsfragen des Lutherbibeltextes fortan
die letzte ausschlaggebende Stimme beanspruchen darf, während sie
in der Praxis über kurz oder lang dazu nötigen wird, die Anschauung
über den Grundtext der Lutherischen Übersetzung zu revidieren.
ThStK. 91 (1918 S. 193—297.
Die ,Biblia latina cum 'autographis Lutheri der Leipziger
Stadtbibliothek Rep. II 146“ weist E. Thiele in ThStK. 91 (1918)
S. 138—148 als aus Luthers Bücherei stammend nach. Doch finden
sich im Innern keine Eintragungen von Luther.
Aus dem Festheft, das 1917 die Zeitschr. f. d. ev. Religions-
unterricht an höheren Lehranstalten zur Reformationsfeier veröffent-
lichte (Jahrg. 29 Heft 1/2), sei im besonderen hingewiesen auf K.
Knokes „einige sprachliche Bemerkungen zu Luthers kleinem
Katechismus“ (8. 87—45; 88—98). Verfasser untersucht hier den
Ursprung und die Tragweite der Bezeichnung Enchiridion (rührt nicht
von L., sondern von dem Drucker Schirlentz her und bezeichnet an-
fangs das ganze Agendbüchlein), ferner die Worte „einerlei Gestalt“
in L.’s Vorrede zum Katechismus, und entscheidet sich dafür, daß L.
in seiner Erklärung zur fünften Bitte nicht „zwarten“, sondern „zwar
den“ (d. i. zwar denen) geschrieben hat. — Auf L. beziehen sich ferner
die Aufsätze von Alvermann, Luther und der deutsche Geist (S. 4
bis 12) und H. Stier, L.'s Verdienst um die deutsche Einheit (S. 13—30).
R. Sillib, Luthers Enchiridion Heidelberg 1560 (ZblBiblw.
84 S. 473—279) weist in Fragmenten eines Enchiridion, die in einem
Buchdrnck als Makulatur verklebt 1914 der Heidelberger Universitüts-
bibliothek geschenkt wurden, einen kleinen lutherischen Katechismus
nach und zwar den ültesten bekannten kurpfülzischen Katechismus,
ein bibliographisches Unikum.
Als Ergebnis einer eindringenden Untersuchung ,zur Geschichte
der evangelischen Gesangbücher bis zu Luthers Tode“ scheidet
K. Knoke die zu Luthers Lebzeiten erschienenen Sammlungen, die
seine Lieder enthalten, in solche, die ihre Entstehung mehr oder
minder allein buchhündlerischer Spekulation verdanken, und solche,
die ihren Ausgang von einer Sammlung von Liedern nehmen, bei
77 157
deren Zusammenstellung für den Gebrauch im Gemeindegottesdienste,
and zwar zunächst in Wittenberg, Luther selbst mittätig gewesen ist.
Letztere haben durchweg den Titel „geistliche Lieder“, während jene
sich vorwiegend als „Enchiridion“ bezeichnen. Zwischen beiden Reihen
tauchen noch einige andere Liedersammlungen auf, die Verfasser einer
besonderen Untersuchung an anderer Stelle zu unterziehen beabsichtigt.
ThStK. 91 (1918) S. 228—976, 307—387.
In Monatsschrift für Pastoraltheologie XIV S. 174—181, 218—226
untersucht H. Gommel das Passionale Luthers von 1529 (heraus-
gegeben von Cohrs in WA. X, 2 S. 45811) auf seine religions-
pádagogische Bedeutung im Zusammenhang mit der Frage, welche
Bedeutang Luther für den Unterricht in der biblischen Geschichte
zukomme, Gommel sleht in dem Passionale ein wirklich reforma-
torisches Werk von weittragender pädagogischer Bedeutung und be-
dauert, daß Luther Zeit und Kraft gefehlt hat, seinen im Passionale
niedergelegten Gedanken dieselbe Vollendung zu geben, wie seine
sonstigen katechetischen Vorarbeiten im Katechismus von 1529 ge-
funden haben, und daß Luthers Anregungen im Passionale auch her-
nach keine kongeniale Fortbildung zuteil geworden ist.
Joh. Luther, Studien zur Bibliographie des Reformations-
jahrhunderts I (Zbl. Biblw. 84 S. 279—281) untersucht Luthers Kom-
mentar zu den fünfzehn psalmi graduum in einem englischen Doppel-
druck von 1577.
Im Jahrb. f. Brandenb. KG. 14 S. 89—100 gibt G. Kawerau
wertvolle Beitráge zur Lebensgeschichte des Alexander Alesius,
der u. a. von 1540—1542 an der Frankfurter Universität lehrte, und
veröffentlicht die „Apologie“, die A. zur Erklärung seines Fortgangs
ans Frankfurt dort 1542 niederschrieb, aus einer Wernigeroder Hs.
Als Heft 20 der Freiburger theol. Studien, herausgegeben von
Hoberg und Pfeilschifter, ist erschienen Fr. J. Brand, Die Katechismen
des Edmundus Augerius S. J. in historischer, dogmatisch-moralischer
und kstechetischer Bearbeitung (186 S.); darin ein Rückblick auf die
älteren Katechismen bis Mitte 16. Jahrhunderts.
Unter der Aufschrift ,Bugenhagen und der Krieg" schildert
Haß in Z. f. d. ev. Religionsunterr. usw. Jahrg. 29 Heft 1/2 S. 188—900
Bugenhagens Verhalten bei der Belagerung von Wittenberg im
Schmalkaldischen Kriege auf Grund seiner eigenen Schilderung (Wie
es uns zu Wittenberg ... gegangen ist... warhaftige Historie).
In seiner Untersuchung über die Frage, wie Calvin über Luther
gedacht habe, kommt A. Eekhof zu dem Ergebnis, daß Calvin zwar
für Luthers Mängel und die Unvollkommenheiten seines Werkes ein
offenes Auge gehabt, auch von einer „Vergötterung“ Luthers nichts
habe wissen wollen, wohl aber in ihm den von Gott berufenen Refor-
mator erkannt und sein eigenes Werk als Fortsetzung des Beginnens
jenes aufgefaßt habe. Nederl. Archief voor Kerkgesch. NS, 14 (1918)
S. 273 — 296.
158 78
Aus einem ehemals Conrad Cordatus gehörigen Bande der
Zwickauer Ratsschulbibliothek teilt O. Clemen eine kurze Disposition
des Römerbriefes von Cordatus’ Hand mit. ZVKG. Prov. Sachsen
16, 2 S. 117—119.
In BBK. 26,1 S. 29— 38 zeigt O. Clemen (Melanchthon und
Dürer), ‚daß Melanchthon sich bis in seine letzten Lebensjahre eine
überraschende Fülle von Erinnerungen an sein persönliches Zusammen-
sein mit Dürer (besonders im Mai 1526) bewahrt und nicht nur ein-
zelne Bilder des Künstlers studiert, sondern sich in dessen ganze
Kunst versenkt hat, was schwerlich geschehen würe, wenn Melanch-
thon in Dürer nicht auch den Gesinnungs- und Konfessionsverwandten
erblickt hütte. Gleichzeitig bezweifelt Clemen, daB sich auf dem von
H. Preuß (Lutherisches in Dürers Kunst, in Festschrift für Hauck 1916)
eingeschlagenen Wege, vornehmlich von dem Stimmungs- und Gedanken-
gehalt der Bilder Dürers ausgehend, dessen religiós-konfessioneller
Standpunkt mit einiger Sicherheit bestimmen lasse.
Über eine Korrespondenz zwischen Fürst Georg von Anhalt und
Bischof Mathias von Jagow von Brandenburg in Ordinationsfragen ans
den Jahren 1589 und 1540 macht G. Kawerau in Jahrb. f. Brandenb.
KG. 18 S. 56—62 nach Abschriften des Nachlasses Nik. Müllers (aus
dem Zerbster Archiv) Mitteilung; dazu als Anlage ein Schreiben
Georgs an Luther vom 22 April und ein Ordinationszeugnis der Witten-
berger vom 27. April 1539.
Einen Ausschnitt aus der Kirchenpolitik der deutschen evan-
gelischen Fürsten in den Jahren 1561 und 1562 bietet K. Schorn-
baum, ,Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg und die Tage
von Nürnberg und Fulda" in BBK. 25, 3 S. 118—184, mit Abdruck
einer ausführlichen Relation über die Fuldaer Tagfahrt (aus dem
Nürnberger Kreisarchiv).
In Zeitschr. f. bild. Kunst Jahrg. 54 (N. F. 30) S. 809—816 handelt
M. Friedeberg über Crispin Hersanth, Hofmaler Herzog Albrechts
von Preußen, und veröffentlicht von ihm ein ca. 1546— 49 entstandenes
Gemälde in der Universitütsbibliothek zu Königsberg mit den Bild-
nissen Luthers und Melanchthons und ein im eignen Besitz befindliches
schöner Porträt des Melanchthonschülers, Historiographen und Astro-
logen Joh. Carion, dessen Lebensnachrichten zusammengestellt werden.
„Neues zu Alexis Krosners Lebensgeschichte“ bietet P. Vetter
in NASG. 40 S. 161—170 insbesondere auf Grund von zwei Akten-
stücken des Weimarer Gesamtarchivs vom Jahre 1535 über sein Lebens-
ende, die auch über sgine Familien- und Vermögensverhältnisse Aus-
kunít geben. Im weiteren erürtert Vetter nochmals Krosners kirchliche
Haltung und sucht zu erklären, wie Kr. von Herzog Georg zum Hof-
prediger angenommen werden und sich in dieser Stellung drei Jahre
lang behaupten konnte. -
Im Anschluß an drei nach einem Druck von 1544 (in Sammelbd.
Zwickau) mitgeteilte Gebete, die nach seiner Vermutung von der
79 15%
Fürstin Margarete von Anbalt-Dessau herrühren, bespricht 0.
Clemen erneut die kirchliche Stellung dieser Fürstin. Mitt. V. Anh.
G. u. A. XIII, 2 S. 1—6.
Den Einfluß des Aristotelismus auf die Theologie Melanch-
thons und deren Entwicklung untersucht P, Petersen in Z. f. Philos.
und philos. Kritik Bd, 161, 2 S. 149—158.
Sieben Briefe des zum Freundeskreis Crato's von Crafftheim ge-
hörenden Breslauer Patriziers Jakob Monau über geschichtliche und
theologische Gegenstände an seinen Lehrer Beza und einen Brief
Cratos an den nämlichen teilt Th. Wotschke aus dem Cod. Goth.
A 405 in CorrBl. d. V. f. G. d. evangel. Kirche Schlesiens XVI, 2
8. 814—848 mit.
Zu dem Nachweis K. Schottenlohers, daß Th. Münzers Schrift
„Außgetrückte emplössung“ usw. von 1524 nicht in Mühlhausen, sondern
in Nürnberg gedruckt ist, gibt R. Jordan(+) in Thür. Sächs. Zeitschr.
f. G. a. Kunst 9, 1 S. 53—57 aus dem Nürnberger Kreisarchiv einige
Ergünzungen, die z. T. auch auf die uad der ,Scbutzrede*
Münzers Bezug haben.
Die „Freiburger Erinnerungen an Thomas Murner“ von P. A.
Albert in Franziskan. Studien VI, 3 S. 225—247 suchen Murner von-
verschiedenen Vorwürfen und Anklagen reinzuwaschen, die sich, von
Protestanten wie auch von Katholiken erhoben, an dessen Verweilen
in Freiburg knüpfen.
In Schweizer theol. Zeitschrift 33 (1916) 8. 57—91 beini
E. Staehelin „die Vätertibersetzungen Oekolampads“, wobei er be-
sonderes Gepicht darauf legt, zu zeigen, wie diese Übersetzungs--
arbeiten, die Oekolampad als Humanist begann, ihm zur reformatorischen.
Tat wurden.
Einen Brief des Amtmanns (Stadthauptmanns) Georg von Ben-
dorf in Leipzig an Herzog Albrecht von Preußen und dessen ab-
lehnende Antwort inbetreff der Unterbringung des von Luther des
Antinomismus verdüchtigten Jakob Schenk im Dienste des Herzogs
veröffentlicht Th. Wotschke in Jahrb. f. Brandenb. KG. 11/12 S. 839-
bis 842 aus dem Königsberger Staatsarchiv.
A. Büchi veröffentlicht einen in der dritten Vereinsschrift der:
Görresgesellschaft von 1914 als Vortrag ohne Belege abgedruckten,.
wenig tiefgreifenden Aufsatz über „Kardinal Schiner und die Reform-
bewegung“ in erweiterter Gestalt in ZSchweizer. KG. X, 1 S, 1—24. —
Berichte über zwei von Schiner vorgenommene Visitationen in vor--
reformatorischer Zeit druckt derselbe ebenda Bd. XI, 1 S. 45—54 ab.
Aus dem Dresdener Hauptstaatsarchiv teilt G. Loesche Primus.
Trubers Kirchenordnung für die Stadt Kempten nebst zwei anderen
Stücken aus der Zeit der Amtszeit Trubers in Kempten mit. BBK..
26,1 8. 17—25. &
P. Castelberg, „Ludovieus Vives, ein Reformer des Armen-
wesens im Ausgang des Mittelalters" (in Schweiz. theol. Z. 33 S, 4— 22,
160 80
110—122) zeigt besonders an der Hand der von C. Hedion ver-
‚deutschten und eingeleiteten Schrift des V, „über das Almosengeben“,
wie sich in Vives nicht nur die gesamte Opposition der beginnenden
Neuzeit gegen die pädagogischen, sondern auch gegen die Mißbräuche
im Armenwesen des späteren Mittelalters zusammenfaßt.
In Schriften des Hennebergischen GV. Nr. 1] behandelt W.Stück
auf Grund der sorgfültig herangezogenen Literatur den Grafen Wil-
helm IV. von Henneberg (1485—1559). Er gibt eine Gesamtdarstellung
der Politik Wilhelms, in der das kirchliche Moment, die Einführung
der Reformation, eine Hauptrolle spielt. IX, 67 S. (1919).
Zwei Briefe des Grafen Johann IV. von Henneberg, Abts (Ad-
ministrators) zu Fulda vom Augsburger Reichstage 1530 an seinen
Vater Graf Wilhelm IV., die für dessen Stellung zur Reformation
sowie die Verwaltung der Abtei Fulda durch Johann beachtenswert sind,
veröffentlicht W. Dersch aus dem Gemeinschaftl. Henneb. Archiv zu
Meiningen in N. Beitr. z. G. d. Altert. hersg. von d. Henneb. Altertums-
forsch. V. zu Meiningen 29 S. 72—77.
Landschaftliches. In Bil. f. Württ. KG., N. F. 21. Jahrg.
(1917) schildert Rentschler auf aktenmäßiger Grundlage die Refor-
mation im Bezirk Nagold (162 S.).
Aus den Religionsakten des bayerischen Reichsarchivs zu München
veröffentlicht und erläutert E. Dorn in BBK. 25, 8 S. 107—117 ein
Verwendungsschreiben des Markgrafen Georg Friedrich von Branden-
"burg und eine Fürbitte der Stadt Kaufbeuren wider gegenreformatorische
Maßnahmen der Regierung Herzog Albrechts V. von Bayern nebst
zugehörigen Stücken (1571).
Einige Briefe des Johann Brenz und Erhard Schnepf aus dem
Jahre 1552, die sich auf den Versuch des Regensburger Rats be-
ziehen, sie als Geistliche zu gewinnen, nebst einem Briefwechsel zwischen
Nikolaus Gallus und Schnepf aus den Tagen des Wormser Kolloquiums
von 1557 veröffentlicht Th. Trenkle in BBQ. 25, 4 S. 162—172 aus
dem Regensburger Stadtarchiv.
Aus den hsl. im Regensburger Stadtarchiv befindlichen Denk-
würdigkeiten des Regensburger Stadthauptmanns Heinrich Schmidt
-teilt H. Hainisch in BBK. 25, 1 S. 17—31 die kirchengeschichtlichen
Stellen aus d. Jahren 1552—1597 mit, die besonders wegen der leiden-
schaftlichen Hingabe des Verfassers, eines welterfahrenen Mannes, an
den evangelischen Glauben bemerkenswert sind.
K. Schottenloher, Handschriftenschätze zu Regensburg im
Dienste der Zenturiatoren (Zbl. Biblw. 84 S. 65 — 82) untersucht 1. Kaspar
Nidbrucks Bücherablage in Regensburg, 2. die Reichenbacher Hss. iu
der Flaciusbibliothek.
— U — —
Drack von C Sohulze 4 Co., G. m. b. H., Gräfenbhalulohen.
Markgraf Georg Friedrich von Branden-
burg und die Einigungsbestrebungen der
protestantischen Stände 1556—1559. II.
Von K. Schornbaum.
I.
Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich.
d. d. Worms, 3. August 1557.
Durchleuchtiger hochgeborner furst! Eur F. G. seien
mein ganz undertenige gehorsame willige dienst jederzeit
zuvor. Gnediger herr. Eurn f. g. gib ich underteniger mai-
nung zuerkennen, daß ich eur f. g. gegebnen bevel nach
den penfall am kaiserlichen Cammergericht den halben tail
Jacob Huckeln fiscal und den andern halben tail licentiat
Reicharten, der in abwesen des Ottingischen Anwalts
solehen ime zuzustellen uf sich genumen; wie dann Eur F. G.
aus hiebeiligenden quittungen genediglich zuvernemen; welche
funf mark, jedes fur zwen und sibenzig goldgulden und den
goldgulden zu achtzehn batzen gerechnet an munz vierhundert
zwen und dreiDigk gulden ton; doch haben sie den taler
nicht hoher dann fur sibenzehn batzen nemen wollen.
Zum andern, gnediger furst und herr, sovil das collo-
quium belangt, gib ich eur f. g. underteniger mainung zu-
erkennen, daß außerhalb Pfaltz!) und Wirttemberg?)
(dessen theologi doch noch uf ankunft der sechsischen
warten) noeh niemand, so zum Colloquio unsersteils ver-
ordnet, einkommeu ist; es ist auch aus allerhand ursachen
zuvermuten, daB sie noch alsbald nit ankommen werden.
Zum Dritten haben wir dem furmann von Anhausen
mit den furpferden widerum anbaim reiten laßen, auch bei
1!) Dr. Friedrich von Thieve. Heppe I, 174 oder Dr. Walter
Senft Blätter für Württemb. Kirchengesch. IV, 49.
2) Lic, Balthaßar Eiülinger Blätter für Württemb. Kirchengesch.
IV, 39.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIL 8. 11
162 2
Jorgen Drunklein des Herrn canzlers') zelter hinauf
geschickt, welehs ich eur f. g. underteniger mainung nicht
sollen verhalten und tue mich eur f. g. als meinem genedigen
f. und herrn ganz undertenig bevelendt. Datum Wurmbs
den 3. Augusti Anno 1557.
E. F. G. vnderteniger
Wernher Eysen D. scripsit.
Adresse: dem durchleuchtigen hochgebornen fursten
und herrn, herrn Georgen Friderichen Marggraven zu Branden-
burg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden auch
in Schlesien, zu Jegerndorf und ete. herzog, burggraf zu
Nurnberg und furst zu Rugen meinem genedigen fursten
und herren.
Original in den Ansbacher Religionsakten im Kreisarchiv Nürn-
berg 26, 192f. |
II.
Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich.
Worms, 10. September 1557.
Durchleuchtiger hochgeborner furst, gnediger herr. E.
F. G. seien mein ganz undertenig gehorsam schuldig willig
dienst jeder zeit zuvor. Genediger furst und herr. Eur f.
g. gib ich underteniger maynung zuerkennen, daß, als wir
den ersten Augusti alhie ankomen, verhoffend, der neben-
abschied zu Regenspurg durch die gesandten dazumal
abgered und die zu Frankfurt darauf ervolgte berat-
schlagung und handlung sollt in beisein der sechsischen
stend vor anfang des colloquii zu einer guten vorbereitung,
damit desto eindrechtiger zu demselbigen man schreiten mocht,
furgenomen worden sein. so sein doch die churfurstlichen
sechsischen Gesanten allererst Sampstags naeh Bartholomei
28. August]? desgleichen die Pommerischen Gesandten“)
) Dr. Christoph Tetelbach.
2) Graf Ludwig von Eberstein, Assessor; Heinrich von Einsiedel,
Adjunkt; Dr. Gg. Cracovius; Melanchthon, Peucer, Eber. Vgl. Wolf
S, 87. — Eber an Major. 1. September 1557. Corpus Ref. IX Sp. 249
Nr. 6321. Peucer an Milichius d. d. 1. September 1557. Corpus Ref.
IX, 251 Nr. 6326. Monner an Flacius 31. August 1557. Corpus Ref. IX
Sp. 216 Nr. 6321. Salig III, 298.
) M. Jac. Runge, Sup. zu Greifswald. S. Salig IIT, 292, Nach
Heppe I, 180 kam der andere pommerische Gesandte Christian
von Kußow erst Mitte September.
8 163
sampt andern mer allhie einkomen, also das man die hand-
lung vermog des frankfurtischen abschieds von wegen ver-
fliebung der zeit nicht mer furnemen konnen; jedoch haben
sich alle theologen unsersteils in beisein unserer aßeßorn
und auditorn in gehaltnem privatconvent einmutiglich zu der
Augspurgischen Confeßion, derselben apologi und schmal-
kaldisehen articuln bekent, dieselbigen aus h. gottlicher
apostolischer und prophetiseher schrift zu defendiren, ver-
werfen auch alles anders, so derselbigen zuwider ist!).
Zum andern kann ich E. F. G. auch nicht verhalten, daß
der reichsabschied dem chur- und furstlichen haus Branden-
burg uferlegt ein politicum als auditoren zum colloquio zu
geben. haben wir die marggrevischen gesandten zu Regens-
burg uns verglichen, dieweil E. F. G. ein colloquenten geben,
daß der eburfurst zu Brandenburg ein auditorem zum collo-
quio verordnen soll. So haben doch sein churf. gu. noch
niemand zu auditoren anhero geschickt, also daß von wegen
des haus Brandenburgs solche person mangelt. Dieweil ich
aber von E. F. G. wegen allein zu der nebenhandlung, so
vor eingang des colloquii, den 1. Augusti, solt furgenommen
und gehandlet worden sein, abgefertigt und aber dieselbig
tractation aus obberurter ursach jetziger zeit eingestellt
worden, hab ich den herren aßessoribus und andern personen
zum colloquio verordnet in unserm privatconvent eur f. g.
colloquenten?) presentirt und verner angezaiget, daß der
Churfurst zu Brandenburg den abwesenden auditorem von
wegen des haus Brandenburg geben soll, welcher verhoffent-
lich noch werd ankomen. Darauf sie geantwort, daß der
abschied lauter vermog, dass von wegen des haus Branden-
burgs ein auditor soll gegeben werden. Dieweil aber sein
churf. gnad noch niemands deshalber anhero geschickt, da-
mit dem abschiede geburliche volziehung geschehe und der
mangel des colloquii von wegen des haus Brandenburgs
nicht erscheine, so muß solcher auditor durch andere marg-
graven zu Brandenburg ersetzt werden, so lang bis sein
churf. gn. hieher ordnen. Dieweil ich dann vor der hand
und uf konftigen Sampstag [11. September] die proposition
des colloquii bescheen werde, kann ich mich in kraft des
reichsabschied und damit der mangel von wegen des haus
Brandenburg nicht erscheine, solches nicht waigern. Die-
weil ich dann gnediger furst und herr, soleh der stend
embsig anhalten, erinnern und begeren nicht wol umgehen
oder waigern, noch auch one eur f. g. vorgeenden bevel
1) Sitzung vom 5. September 1557, s. Wolf S. 89.
*) Georg Karg.
11*
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allerdings eingeen und bewilligen konnen, habe ich mich
erboten, solehen auditorn von wegen des chur- und furst-
lichen haus Brandenburgs solang zuvertreten, bis ich vernern
bevel von E. F. G., wes ich mich hierin verhalten soll, be-
komen mog, der undertenigen ungezweifelten hofnung, eur
f.g. werde solches nicht zu ungnaden gereichen. Dieweil
ich aber mit des herrn Pfarhers und Dechants handlung
noch nicht abgefertigt und in hofnung stehe, der churfurst
zu Braudenburg soll innerhalb 8 tagen hieher verordnen),
will ich derselben zeit noch erwarten; im fall sein ch. f. g.
inmittels nicht schicken werden und ich lenger verharren
sollt, will ich den bei mir habenden einspennigen an eur
f g. underteniglich anhaim abfertigen, dem herrn pfarrer
mer zerung herab zuordnen mit underteniger bitt, mich als-
dann gnediglich zuverstendigen, im fall der churfurst gar
nicht schicken werd, wes ich mich alsdann verhalten sollt.
Welches ich eur f.g. underthenigen schuldigen gehorsam
nach zu berichten nicht underlaßen sollen und tue mich
eur f. G. underteniglich bevelend. Datum Wurmbs Freitags
nach Nativitatis Marie anno 1557.
Euer furstlich Gnaden
vnderteniger gehorsamer diener
Wernher Eisen Dr.
Adresse: dem durchleuchtigen usw.
Original in den Ansbacher Religionsakten 26, Fol. 196 ff.
III.
Dr. Werner Eisen an Markgraf Georg Friedrich.
Heidelberg, 25. Oktober 1557.
Durchleuchtiger hochgeborner furst. Eur f. g. seien mein
ganz untertenig schuldig gehorsom willig dienst jederzeit
zuvor. Genediger furst und her, E. F. G. werden zweifelsone
noch genedigs wissen tragen, aus was beweglichen und un-
verwaigerlichen ursachen ich jezwerendem colloquio zu
Wurmbs als auditor nicht mit geringen beschwerungen bis
uf des churfurstlichen brandenburgischen auditors ankonft,
damit dem reichsabschied entgegen und zuwider dem chur-
und furstlichen Haus Brandenburg ainiche verhinderung hierin
ufgelegt verden moge, uf begern der herrn assessorn unsers-
teils beigewonet, verhoffent, mein genedigster her, der Chur-
1) Schickte nur ein Entschuldigungsschreiben. Salig III, 339.
5 165
furst zu Brandenburg hette vermog dero zu Regenspurg
sunder uns der rete bescheener und verglichener abrede irer
churfurstlichen gnaden auditorn inmittels anhero verordnet;
welche schickung aber bis anhero nicht allaiu des auditors,
sunder auch irer churf. g. adjuncten als des Musculi zu Frank-
furt verbliben und nicht hoffentlich, daß ir Churf. g. hierzu
verner ordnen werden.
Und wiewol, genediger furst und her, wir vermog des
Regenspurgischen reichsabschieds an ayds statt angelobeu
müßen, nichts, so im colloquio gehandlet werdet, jemand,
wer auch der sei, weder schriftlich noch mundlich zu offen-
baren, so kann ich doch Eur f. g. underteniger meinung nit
bergen, daß gleich zu eingang, doch außerhalb des colloquii
ein halssterriger theologischer kampf und Streit zwischen
unsern theologis der augspurgischen confession entstanden,
dergestalt, daß die fürstlichen sechsischen theologi als
Schnepfius, Vietorinus, Stoßelius auch deren
politieus doctor Basilius sampt Joachimo Mörlino
und Sarcerio ernstlich uf etlicher personen und dero
lehr verdammung und condemnation vor eingang des colloquii
und zuvor und ehe man auf die articul kommen, gedrungen,
dieselben auch publice in gegenwurtigkeit der papisten ton
wollen, welches die andern theologi als cburfurstliche
Sechsische, pfeltzische, Brandenburgische,
Wirttenbergische, Pommerische, Heßische,
Straßburgische aus vilen christlichen erheblichen und
billichen, auch vernunftigen ursachen nicht ton wollen, fur-
nemblich aber, dieweil inen solche lehr, die sie die Weyn-
marischen theologi samt irem anhang verdammen wollten,
nicht bekannt, auch hetten sie dero buecher nicht verlesen;
so were man vermoge des reichsabschied nicht beysammen
in solcher geringer anzal die leut, die nicht eitirt oder ver-
hort weren, zuverdammen und solchs uf kunftigen sinodum
verschoben. Hierauf haben unsers tails assessores und au-
ditores mit den furstlichen sechsischen theologis und irem
anhang zum vleißigsten underhandlung gepflogen, sie von irem
unzeitigem mutwilligen vorhaben abzuwenden. Was dann
in soleher vnderhandlung allenthalben furgelaufen und wie
sich die Weynmarischen Theologi in solcher sach und privat-
affect erzaigt, das haben Eur f. g. aus hiebey verwarter
relation mit numero 1 signirt!) gnediglich abzunemen. Dann
1) Relation, was mit den furstlichen sechsischen theologen, so
mit den andern der Augsp. confeßionverwandten Theologen nicht ein-
trechtiglich zum colloquio schreiten wollen, durch unserstails aßessorn
uud auditorn gehandelt worden. Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 209 ff.
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sie allain heiligen sein wollen, die niemals gesundiget. Die-
weil dann sie die furstlichen sechsischen, wie Eur F. G. aus
der relation der underhandlung genediglieh abzunemen, mit
keinem billichen mittel zufriden, sondern straks dem reichs-
abschied zuwider, zuvor und ehe man uf die articul komen,
publicam condemnationem ton wollen, und aber baide chur-
und furstliche aßessores Sachsen und Wirttemberg
von iren genedigsten und genedigen herren ausdrückliche
instructiones in kain condemnation zuwilligen noch der-
selbigen beyzuwonen gehabt, ist also ein absonderung
unserstails theologorum ervolget, das die Weynmarischen
vermog der hern aßessorn instruction von wegen irer vor-
habenden eondemnation abgesundert worden, welche alsbald
an den herrn presidenten suplicirt und rat gesucht (doch alles
extra colloquium) wie eur f. g. aus hiebeyligender schrift mit
numero 2 signirt!) gnediglich zuersehen. Aus welcher supli-
cation der kö. president etzliche artieul unsers tails aDessori-
bus zuberatschlagen und seiner f. g. hieruf zu antwurten
forgehalten, darauf die assessores dan sampt andern der
augsp. confeßion stenden nach gehabtem bedacht dem k.
presidenten beantwurt, wie eur f. g. in beiligender schrift
mit numero 3 signirt?^ genediglich zusehen. Was dann uber
solche der augsp. confeßionsverwanten stende antwort der
kö. president sich verner in antwurt vernemen laßen, auch
was uber das alles von uns um befurderung des colloquii
(der sächsische Bericht) In den Akten liegt auch noch ein ver-
vollstindigter vom 10. November 1557, unterschrieben von Ludwig
von Eberstein, Balthasar von Gültlingen, Heinrich von Einsiedel, Georg
Cracau, Philipp von Dinheim, Werner Eisen, Christian von Kussow,
Friedrich von der Tann, Dan. Knebel, Joh. Krauß, Fol. 2531f.
1) Protestatio exhibita assessoribus, auditoribus et theologis
nostrae partis 21. Septembris anno 1557 Wormatiae. Ansbacher Reli-
gionsakta 26, 2191f., gedruckt Forner S. 75 Copia H. Corpus Ref. IX,
Sp. 284 ff. Nr. 6350. Heppe I Beilage VI S. 12 ff. Berufung Schnepfs,
Mórlins, Striegels und Stóssels an den Prüsidenten des Gesprüchs (d.
d. 23. September 1557). Ansbacher Religionsakta 26, 299a, gedruckt
Forner S. 64, Copia A. Heppe I Beilage 7 S. 25. Bekenntnis und
Protestation derselben. Ansbacher Religionsakta 26, 229b, gedruckt
Forner S. 65, Copia B. Heppe I Beilage 8 S. 26. Zustimmung des
Sarcerius. Ansbacher Religionsakta 26 Fol. 230, gedruckt Forner
S. 65, Copia C. Heppe I Beilage 9 S. 27.
*) Verzeichnete Articul, welche uf der Weynmarischen gesanten
an den herren praesidenten bescheen supplicirn durch den praesi-
denten den herren aßesseribus zu beratschlagen furgehalten worden.
Ansbacher Religionsakta 26, 231—236 s, unten. Bisher ganz unbekannt,
T 167
bei dem presidenten weiter angesucht worden, das haben
eur f. g. aus beiverwarten copien mit numero 4!) und 5?)
verzeichnet genediglich zuversehen.
Als nun die Weinmarischen directe solchen iren
privataffect publice und presentes in colloquio nicht volln-
bringen mogen, haben sie haimlich ainen versigelten brieve -
allain an die papisten lautend uherantwurt mit bitt, den-
selbigen nach irem abraisen in consessu colloquii zuverlesen.
Als nun die bapisten (als der Jenensium procuratores
und patroni) solehen den notariis uberantwurt mit ver-
schweigung der namen, woher oder von wem die brief
kommen, daß sie also oblique ir vermainte condemnationes
hinein bringen mochten, sind wir der augspurgischen Con-
febion steed hinausgangen und dabei als bei einem actu, 80
ins eolloquium nicht gehorig, nieht sein wollen und ein
groDen kampf mit den bapisten darob gehabt, welche
solchs Missiv (des inhalt uns nicht bewußt) ad acta collo-
quii registriren wollen; aber solehs ist inen nicht gestattet
worden?).
Volgends haben sich die papisten understanden und
solche absonderung unserer theologen als ein andern wege
der verhinderung fur die hand genummen und dardurch das
colloquium zu abrumpiren understanden, deshalben auch ein
protestation im colloquio (dann wir solchen Keib und Streit
fur kain actum des colloquii jemals erkant, auch dem presi-
denten angezeigt, dass wir ire faule griff von in schreiben
und sagen wollen) ubergeben, aus was vermainten nichtigen
ursachen sie mit uns nach bescheener aussehlieBung zu
colloquieren nicht schuldig, wie E. F. G. aus hiebei ligender
schrift mit numero 69) signirt genediglieh zuvernemen.
Uf welche protestation wir naeh lengs geantwortet und
alle ursachen widerlegt und Teutsch mit den bapisten gered:
wir seben wol, daß all ir intent dahin gerichtet sei, damit
sie das licht scheuen und gern von dem colloquio weren,
und soleniter wider sie protestirt, das ainieher mangel an
unsern theologis nicht erscheinte, sundern erbieten sich zum
colloquio zum hochsten. Was dann die condemnationes, da-
1) Antwort des Präsidenten. Ansbacher Religionsakta 26, 237
gedruckt Forner S. 66. Copia D. Chr. Gotthold Neudecker,
Neue Beiträge zur Geschichte der Reformation. Leipzig 1811, I S. 141
Beilage. Vgl. Heppe I, 203.
*) Ansbacher Religionsakta 26 Fol, 239 s. unten.
3) Verhandlungen vom 6. Oktober 1557; s. Heppe I S. 205f,
) Protestatio Papistarum. Ansbacher Religionsakta 26, 250f.
gedruckt Forner S. 96, Copia K.
168 8
rauf sie so heftig drungen, anlangen tet, wurden sie in. pro-
greDu articulorum wol horen, das wir allain die augsp.
Confeßion vertaidigten, verwurfen alles, so derselben zuwider,
wie dan D. Philippus inen auch mit diesen worten antwurt
gab: Si vultis habere condemnationes, tunc a vobis incipere
volumus et condemnamus vestram diabolicam et. idolatricam
doctrinam, sed saltem fugitis lucem et miras nobis a prin-
cipio struxistis insidias et insuper quoque falsa crimina
affingitis. Auf sollehen Streit der kó. president geantwurtet,
daß er solchen streit vor der zeit an die kö. majestet ge-
langen laßen; darauf im ir Mjt. widerum bevolen, gutliche
handlung zwischen den parteien zu pflegen; wover sein f. g.
sie nicht verainigen konnen, so sollte er solches alles an ir
Mjt. widerum gelangen laen und dero resolution hieruber
gewarten; inmittels den personen des colloquii injungiren,
alda zuverharren und nicht zu verrucken. hieruber wir mit
kurz replieirt, daß solch colloquium durch ein algemeinen
reichsabschied decretirt, wie darin procedirt werden solt.
und stund bei der k. Mjt. gar nicht, in abwesen der stend
verner daruber was zu decretiren, konten auch in solche
resolution on vorwiDen unserer gn. und gn. h. mit nichten
willigen. Darauf ich mich alsbald anhaim zu reiten und
relation aller handlung zutun erhoben. als ich gen haidel-
berg kome und gen hof durch den Marsehalken!) und
zwaibruekischen Hofmaister?) geladen wurd, find ich Phi-
lippum Melanchthonem one alles geverd do. haben
sie sovil mit mir gehandlet und vertrostung geton, es werde
nicht lang mehr weren, daß ich wider mit Philippo gleich
wol wider meinen willen gen Wurms gezogen bin. Dieweil
dann der churfurst zu Braudenburg ein auditorem zu-
geben sehuldig und eur f. g. dero colloquenten anhero ver-
ordnet, bitt ich e. F. G. undertenig, mich von solchem col-
loquio abzufordern. Im fall aber ich je solchem colloquio
und streit (darum mich dann unsersteils aBessores ersucht)
vollend auswarten solle, bitte ich E. F. G. ganz untertenig,
mir genedigen bevel zukomen zulaßen, wes ich mich hierin
berurts streits halber verhalten solle. Dann bei mir gar
nicht verhoffentlich, das was fruchtbarlichs auf gegenwurtigem
colloquio ausgericht werde, wie dann E. F. G. deßen ich
vernern berieht der papisten unbillichen ungestumen und un-
christlichen furgebens ton konte, wo es die sachen und
personen gelegenhait leiden mochten. Welches alles ich
E. F. G. underteniger mainung nicht sollen verhalten. tue
1) Pleicker Landschad.
*) Christoph Arnold.
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mich auch hiemit E. F. G. zu gnaden bevelend. Datum
Haidelberg, den 25. Octobris anno etc. 57.
E. F. G.
underteniger gehorsamer diener
Wernher Eysen D.
Adresse: Dem Durchleuchtigen hochgebornen fursten
und herren, herren Georgen Friderichen usw.
praesentatum 28. Octobris 1557.
Cedula: Auch genediger furst und herr, haben wir
nicht allain kain zerung mehr, sonder sind dem wirt uber
hundert taler schuldig. derohalben mein undertenig bitt, uns
bei eur f.g. einhennigen Hansen Brennern mehr geld
zu abzalung der schulden und zu verner zerung gnediglich
herab zu ordnen. datum ut in litteris.
Ansbacher Religionsakta Tom. 26 Fol. 203 ff. und 252.
1. Beilage zu III.
Verhandlungen der Evangelischen mit dem Präsidenten
am 24.(?) und 25. September 1557.
Verzeichnete articul, welche uf der weinmarischen ge-
santen an den herrn presidenten bescheen supplieirn durch
den presidenten den herrn assessoribus zuberatschlagen fur-
gehalten worden:
Erstlich ob sein f. gn. sie die supplieanten auszuschließen
oder ob solches die assessores als s. f. gn. allain zugegebene
rate oder die auditores, welche nur testes praesentis actus,
sie amoviren mogen;
Zum andern, wan audienz gehalten werd, ob nit sein
f. gn. den supplicanten auch ansagen laßen soll;
zum dritten, da sie die suplicanten publieam audientiam
begeren wurden ob in das abzuschlagen sein mocht;
zum vierten, wan den suplicanten die confeßion ab-
geschlagen wurde, mochten alsdan die alten religions-
verwandten sagen, die supplicanten hetten ein billieh fur-
bringen geton und die warhait bekennen wollen und were
doch dem reichsabschied zuwider in solchs verboten worden,
was sein f. gn. darauf den alten religionstenden zur antwurt
geben mocht;
zum funften mochten sich die aßessores hierin partei-
lich machen;
zum sechsten das auch die theologi hieruber gehort wurden.
170 10
und haben gleich alsbald dazumal sein f. g. bei dem ersten
artikel, das ir f. g. die suplicanten nieht wol ausschließen
konen, etliche ursachen furge wendet, nemlich, das sie nam-
haftig von allen stenden der augspurgischen confeßion als
eolloquenten und adjuneten den alten religionsverwandten
verzeichnet angegeben auch alhie iren f. g. presentirt worden.
und haben bei dem dritten articul und andern sein f.
gn. auch die ursach furgewendet, dieweil in etlich mal schon
angesagt, sie auch an aidsstatt angelobt. werden sein f. g. ir
begeren in publicam audientiam nieht wol abschlagen konnen.
Darauf haben die herren aßeBores den 25 septembris
dem herrn presidenten uf obberurte articul nachfolgende ant-
wurt geben:
und erstlich sich ire gnaden und strengkeit des verzugs
entschuldigen und verner anbringen laßen, das sie iren f. g.
vorgehaltene artieul und consultation, so aus der Weyn-
marischen und andern supplicationen hergefloßen, ganz wol-
mainend verstanden und hetten ire gnaden und strenekait
uf gebetene erlaubnus nicht underlaßen, solehes den andern
potschaften und reten der augspurgischen confeDion anzu-
bringen und sich mit inen hiruber notdurftiglich zuberat-
schlagen;
und geben ire gnaden und strengkait sampt andern der
augspurgischen confeßion verwandten reten und potschaften
seiner f. gn. auf den 1. articul diese antwurt: Nach dem die
supplicanten bei seiner f. g. allain die untertenige ansuchung
getan, ob wir der augspurgischen confeßions stende macht
haben, sie von dem colloquio: abzuwechseln, haben sich sein
f. gn. nicht zubeladen noch damit zubemuhen, obs ir f. g. fur
ir person ausschließen moge. dann, dieweil ir f, g. die supli-
eanten zum colloquio nicht geordnet oder gesetzt, so kon
sie die auch nit entsetzen.
es gebe auch der reiehsabschied jedem tail ausdruck-
lich maß uf den fall ehaftiger furfallender verhinderung, wie
die ersatzung geschehen solt, nemlich nach eins jeden teils
gutbedunken und gutachten und hab also in ersetzung und
abwechslung der colloquenten und adjuneten kain tail dem
andern maß zu geben. und sonderlich dieweil es zu gut-
beduncken baider tail stet, ist nicht vonnoten, das ain tail
dem andern ursachen der abwechslung anzaige.
zudem so were es je und allwegen in vorigen collo-
quiis also gehalten worden, das jeder tail die abwechslung
seines gefallens gethon.
so hetten auch uber das die rete und potschaften der
augspurgischen confeßion von,iren genedigsten und gnedigen
herren sonderlich instructionen in privatas condemnationes
11 171
nicht zu willigen, welchen unsern instructionen auch dem
reichsabschied zuwider die supplicanten etliche personen
sampt iren leren on vorgeende citation, verhorung und er-
kantnus publice zu eondemnirn vorhabens, defen wir dann
inen aus angeregten ursaehen mit nichten gestatten noch
darein willigen konnen. wir der augspurgischen eonfeßions-
verwandte stende, rate und potschaften wolten uns aueh zu
ir f. g. undertenig getrosten, die wurden uns dieser abwechs-
lung halb kain maß noch zil geben, in maben dann auch
unsere gnedige und genedige herren, so sie aigner person
hie weren, inen kain maß geben laßen wurden. do aber
ermelte supplieanten hierin von uns wider die billiehait be-
schwert zu sein vermeinen, haben sie sich solches niergend
anders dan bei unsern genedigsten und g. herrn zu beclagen,
da sie notturftiglich beantwurt werden, aber bei der ersten
frage sein f. gn. vermelden laßen, als sollten die aDessores
allain seiner f. gn. zugegebne rat sein, das wißen ir gnaden
. und strengkait iren f. gn. mit nichten einzureumen, dann der
reichsabschied ein anders inhielt und auswise, nemlich das
sie die aDessores copulative gleiehs gewalts mit ime dem
herren presidenten weren und nichts weniger quö ad direc-
tionem colloquii sollten geaehtet werden.
aus welchem allem eur f.g. gnugsamlich gnedig zu-
versten, das der augspurgischen eonfefions verwandte stende,
rete und potschaften die supplicanten aus gegenwurtigem
colloquio wolbefugter und gegrundter weys absondern mogen.
es hinderten auch die von ir f. g. angezogene ursachen,
al das sie sein f. g. verzeichnet ubergeben, inen ansag be-
scheen aueh darauf alsbald an aidsstatt angelobt hetten, gar
mit nichten, dann aus furfallenden verhinderungen jeder tail
im anfang, mittel und ende des colloquii nach ausweisung
des abschieds abwechslung ton moge.
und ist auch die funfte frage der angezogenen partei-
liehkeit hiebei mit grund bestendiger weys nach lengs ab-
gelaint worden.
uf die andern frage, ob inen den supplieanten anzusagen.
und uf die dritt frage, wo sie um offentliche audientz bei
iren f. g. anhalten wurden, ob in die abzuschlagen, ist ge-
antwurt worden, dieweil wir sie nicht mer fur colloquenten
und adjuncten und also fur personen des colloquii unsers
tails erkennen und bei der ersten frag nottarftiglich aus.
gefurt, das kain tail dem andern in abwechslung der person
maß zu geben, so kann sein f. gn. inen nicht ansagen laben,
aueh da sie sehon umb offentliche audienz anhalten wurden,
und hett also sein f. g. mit inen nichts zu disputirn, sondern
mochten aus erzelten ursachen inen solchs stracks abschlagen.
172 12
auf die vierd frage, was sein f. gn. den personen der
alten religion hieruber, das die warheit zu bekennen ver-
boten worden, antworten sollten, haben der augsburgischen
eonfeßion stend ir f. g. dergestalt beantwurt, das die warheit
zubekennen und zu confitirn in den supplicanten niemals
gewaigert oder abgeschlagen worden. wie dann der augsp.
eonfeDionsverwandten colloquenten und adjuncten zum collo-
quio anhero verordnet vermittels gottlicher gnaden die lautern
gottlichen warhait rein bekennen und nicht verschweigen
wollen. und wollten aber die supplicanten allerlai beschwer-
liche condemnationes im colloquio zuvor und ehe man zur
tractation articulorum kommen furnemen, welches dem reichs-
abschied ganz und gar entgegen und zuwider, welcher kein
deeision vil weniger condemnation zuleßt, auch von kainer
seeten sondern allain zwischen der augsburgischen confeßion
und der alten religion den colloquenten zu colloquirn uf-
erleget, konten also sein f. gn. mit grund den alten religions-
verwandten stenden antwurten.
uf die sechst frage die theologos auch hieruber zuhoren,
ist s. f. g. daruber geantwurt worden, was der theologorum
bedenken dieser verzaichnus und condemnation halben sei,
das werden sein f. g. aus irer schriften in konftiger audienz
genugsam anhoren und vernemen.
dieweil dan die sachen also wie allenthalben vermelt
geschaffen und vermog des reichsabschied alle unnotige,
uberflußige gezenk sollen abgeschafft und abgeschnitten
werden, und wir unserstails oftgemelte supplicanten nicht
mehr fur colloquenten erkennten und damit das hochehrist-
lich werk, darauf sovil augen sehen, von wegen vierer per-
sonen (die sovil die eolloquenten anlangt schon aller ding
ersatzt sein) nicht lenger aufgehalten und dem reichsabschied
hierin geburliche vollziehung geschehe und das colloquium
ins werk gericht werde, so ist an E. f. Gn. der augspurgischen
confeBionstend underthenige bitte, inen furderliche audienz
genediglich zuernennen und anzusetzen, damit sie geburlicher
weys zu vernerer handlung schreiten mogen, dan sie ires
tails, was zu schleuniger befurderung des colloquii immer
dienstlich sein mag, an irem muglichen und hochsten vleis
nichts erwinden zulaDen; so werden sich auch E, f. g. mit
absehlegiger antwurt gegen den ansuchenden supplieanten
zu verhalten wißen, nemlich das in E. F. G. macht nieht
stehe, uns solcher abwechslung ordnung oder maß zu geben.
da sie deDen ein beschwert, mochten sie sich deßen bei
unsern gnedigsten und gnedigen herrn uber uns beclagen.
Were nochmals unser hochste bitt, termin zuernennen und
das colloguium ferner nicht aufzuhalten.
13 173
darauf sein f. gn. ein claines entwichen und nach clainem
gehabten bedacht durch Doctor Selden antwurten laßen,
ir f. g. hetten der augsp. confeßion stende antwurt genedig
angehort, dieweil dieselbig uf vil puncten gestellet, wollt ir
f. g. notturft erfordern, sich mit des andern tails der alten
religion assessoren zu unterreden. es sehen auch ir f. gn.
ganz ungern diesen streit und uneinigkait, dardurch die sach
verzogen wurd. dann irer f. g. gelegenheit als wol der andern
nicht were, in die leng alhie zuverharren.
aber ains konten sie nicht unterlaßen zuvermelden, das
nachdem im fortrage der parteilichkeit meldung gescheen,
entschuldigen sie ire f. g. zum hochsten, das sie die herrn
aDessores nicht anders dann die irem ampt treulich aus-
warten, erkannt und habens nicht also gemeint, wie solchs
etwa mocht eingenommen werden sein. ire f. g. haben sich
auch ercleret, sie wollen eur gnaden und sírengkait kain
maß geben, sich auch der sach anders nicht anzunemen,
dann sich fur ir person zu exonerirn. darauf ir f. g. allain
gefraget, ob auch die aDeDores sich in dieser sach fur part
achten, beten derowegen ir f. g. sich hierin endschuldigt zu
halten. das aber die aDessores oder andere sondere in-
structiones zuverrichten hetten, darinnen wüßten sein f. g.
niemand zuverdenken. Es wollten auch ir f.g. uns ver-
treulich nicht verhalten, das die suplicanten ungestumb umb
antwort anhielten und was sie teten, teten sie nicht fur sich
selbs sondern aus bevel irer gn. fursten, herren und oberen.
auch so wer ir gnediger furst und herr nicht weit von
hinnen, darumb sie gern bald antwurt haben wollten.
sie heiten auch letzlich vermeld, wo sie je nicht sollten
zugelaßen werden, beten sie umb audienz, damit man sehen
und spuren mocht, das sie die augspurgischen confeDion
hielten und davon nicht gewichen weren.
Ansbacher Religionsakta 26, 231—236.
2. Beilage zu III.
Antwort der Evangelischen Stünde an den Prüsidenten.
28, September 1557.
den 28. Septembris haben der augspurgischen confeßions-
verwandte stend dem herrn presidenten mit unterteniger
danksagung nachvolgends anbringen geton, das sie seiner f.
gn.jungst gegebne antwort in beratschlagung gezogen und
laBens also beiderselbigen wenden und bleiben. beten dero-
wegen, Ir. f. g. wollt hierauf den colloquenten der augs-
purgischen confeßion vermog des verzeichneten zettuls an-
174 14
sagen laßen und das gemein werk des christlichen colloquii
verner oder lenger nicht verziehen noch ufhalten.
darauf sein f. gn. geantwurt, das sie die supplicanten
und sich seiner f. gn. gegebner antwurt gemeß gegen inen
den theologen erzaigen wollten. Was iren f. g. ferner be-
gegnet, wollten sie solehs der augspurgischen confeßions
stenden widerumb furhalten laßen.
Ansbacher Religionsakta 26, 239.
N
IV.
Statthalter zu Ansbach an Werner Eisen.
Ansbach, 29. Oktober 1557.
Hochgelerter und erbar lieber Herr Doktor. Wir haben
Eur jtzigs schreyben dem durchleuchtigen, hochgebornen fursten
unserm gn. h. Marggraf Georg Friedrichen zu Brandenburg
undertenig gethan und in demselben ausgefurtem bericht
auch daneben ubersandten schriften, was in sachen das gein
Wurmbs angestelte colloquium bisanhero fur handlung allent-
halben forgeloffen bey briefzeigern empfangen und seins
langen inhalt vernomen und die zwischen der Augspurgischen
Confeßion verwandten Churfursten, Fursten und Stende zu
berurtem colloquio verordneten botschaften rete und theo-
logen entstandene zwispalt und sonderung, in warheit ganz
ungerne gehört und wünschen, das Gott der almechtige die
anschlage und furnemen, dadurch zuverhindern understanden
werden will, damit die raine und wahre Lehre des heyligen
evangelii nit weiter ausgebreitet werden soll, gnediglich
brechen und zu nichte machen und die mittel in handel
schicken, uf daß solch christlich werk nit zuruckgehe, sondern
dardurch viel guts gestift und geschafft werde. Was aber
eur entschuldigung belangt, daß ir euch bei dem colloquio
dieweyl von unserm gnedigsten herrn, dem churfursten zu
Brandenburg kain auditor verordnet worden, an desselben
statt uf ander stende der Augsburgischen Confeßion ver-
wandten botschaften und rete anhalten als auditor eingelassen,
haben wir gleichwol solchen euren bericht und irer churf.
gnaden halben furgefallenen mangel an hochgedachten unsern
g. h. undertenig gelangen laßen!), darauf. ire f. g. neben
unserm auch g. h. marggraf Johannsen zu Brandenburg hoch-
gedachten churfursten in schriften ersucht, solchen auditorn
1) Konzept der Religionsakta 26, 241 (cedula).
=
15 | 175
irer churf. gn. tails nochmals zuverordnen. Ob solchs aber
geschehen werde, kunnen wir nicht wißen. Doch hat sich
hochgedachter unser gn. h. marggraf Georg Friedrich gegen
uns in schriften dahin eröffnet, das ir von des Churf. Hauses
Brandenburg wegen obberurtem «colloquio als ein auditor
bis uf ankunft ains andern auditorn noch lenger beiwonen
solle. Demselben wollet auch also nachkommen und euch
in aller handlung solch colloquium betr. neben dem ehr-
widrigen herrn Magistro Georgio Kargen, pfarrern und
superintendenten allhie, nach der churf. sæchsischen, churf.
Brandenburgischen und furstlichen Wirtembergischen, auch
anderer fursten und -stende der Augspurgischen Confeßion
verwanten verordneten auditorn und colloquenten nicht allain
in jzigem eingefallenem zwiespalt, sondern auch in kunftigen
tractationen in allwege richten und von denselben nielft
sondern, und auch hernach, ob solch colloquium seinen vor-
gang erreicht oder nieht, und was ferner fur handlung ge-
pflogen wurdet, so viel sich laiden wyl, in schriften hieher
zu wien machen. Daneben kunnen wir euch freundlicher
maynung nit verhalten: nachdeme der landfriedbrecher Wolf
Offner von Rotemburgk von ehe hochgedachts unsers gn.
b. wegen verschiner zeit nidergeworfen und auch noch zu
Schwebischen Hall in verhaft enthalten und von irer f. g.
wegen wider denselben mit peinliehen rechten verfahren
wurdet, daB uns dennach glaublich angelangt, wie sich des
Offners und dan auch des Eustachius Goldleins
geselschaft und verwandten mit straifen und durch andere
practiken um eine gegenpfandung jemands, sonderlich so
irer f. gn. zugehorig oder verwand emsig bearbaiten sollen,
sonder zweifel in maynung und hoffnung, den verhaften
Offner dergestalt ledig zumachen. Dieweil dann meniglich
im ganzen Róm. Reich wol wißend, von welchen Chur- und
fursten zu ehegemelten jzo zu Wurms werendem colloquio
persouen verordnet, so haben wir euch dieser ding zur war-
nung guter maynung zuberichten nit unterlafen wollen, da-
mit, ob sich begeben sollte, daß ihr oder der herr pfarrer
doniden hinweg und anhaims verraisen wurde, damit ir die
sachen in desto besser achtung habet, und, damit ir nun
unbeschwert desto eher wider anhero kommen muget, be-
denket, wie auch am besten und sichersten sein, daß ir im
hierauf ziehen den weg nicht eben der gemainen landstraßen
nach, sondern etwo durch andere sichere gegenden und ort-
richtet und furnemet auch im fall der not bei der nacht
dureh-schlaifet. Und sonderlich auch allenthalben lebendig
glait zuordnen laßen, so stark ir dessen forfallender gelegen-
heit nach notturitig sein werdet und hierinnen keinen not-
wendigen costen sparen. Welchs wir euch erhaischender
176 16
notturft nach im besten nit wollten unangezeigt laen und
sind euch zu freundlichen willen und diensten geneigt. Datum
Onolzbach den 29. Octobris Anno 1557. Statthalter.
Schedula: Als auch von Euch begert wurdet, euch
mehr zehrung hinach zuverordnen, so haben wir briefszaigern,
Hansen Brennern ainspennigen, drithalbhundert gulden
zu munz gerechnet alhie zustellen laßen. Die werdet ir von
ime wissen zu empfahen. Actum ut in litteris.
Konzept in den Ansbacher Religionsakten 26, 200 f,
V
e .
Bedenken Kargs über den Frankfurter Abschied 1558.
Durchleuchtiger hochgeborner gnediger furst und herr.
Diese bekantnis der Chur- und fursten von vier artikeln
unserer waren christlichen religion, so auch iu der Augs-
purgischen ConfeDion begriffen und jtzt etlicher maßen strittig.
nemlich von des sunders rechtfertigung vor Gott, von not-
wendigkeit guter werk in den gerechtfertigten, von des herrn
christi Abendmal unu von Mitteln Dingen oder mittelmeßigen
cermonien in der kirchen, hab ich mit vleiß gelesen und
sage nach meinem geringen verstand, das nichts unechts
darinnen ist, sonder recht und wol damit explieirt und
erclert, was die Augspurgisch confeßion setzt und lerit im
4ten, 10, 15 und 20 ten articul.
Das aber zwitracht unter den Theologen oder auch
unter fursten und gewaltigen damit oder dadurch aufgehoben
und einigkeit gemacht sei, ist soweit fel, das vil mer größere
zwitracht derowegen zu besorgen. (Gott woll, das zu christ-
licher vergleichung und einigkeit nur ein zugang und vor-
bereitung sein moge.) Denn im artikel von der rechtfertigung.
wie wol sie alle bekennen, das Osiander unrecht gelert und
davon geredet habe, sind sie doch seiner meinung halben
noch nicht gar eins und wollen etliche die Osiandrischeu
zum Widerruf treiben, etliche aber wollens sonst in der gute
hinlegen und vergeßen sein laDen. Und erhelt sich demnach
der streit nicht dieses artikels halben an ime selbs, wie von
der rechtfertigung soll gelert werden, sonder allein des
osiander halben, wie er davon geleret habe, und ob er darum
verdamt sey oder nicht.
Im andern artikel von notwendigkeit guter werk in deu
gerechtfertigten dringen etliche gleicher weise auf D. Georg
17 177
Major, das er widerrufen soll, welchs die andern unbillich
achten, weil D. Major sein proposition je und alwegen wol
erclert haben, die er doch auch nicht mehr zu brauchen sich
gnugsam erpoten.
bei dem dritten articul vom h. Abendmal unsers herru
Jesu Christi sind noch etliche unnotige uberflußige fragn
und ungereympte meinungen, so in diser bekantnis nicht
angereget, deren vergleichung ich schwerlich hoffen kann.
Im vierten von mittelmeDigen ceremonien fodern etliche
auch ein offentlichen widerruf von denen, so zur Zeit des
Interims etwas gewancket, der aber beede bei chur- und
fursten und auch bei den theologen nicht zu erheben. Und
ist zu besorgen, das nicht alle, so sich hiezu unterschrieben,
diesem articul volge tun, sonder mer ceremonien dann dem
wort gottes und der augspurgischen Confeßion gemeß halten.
Darumb meines bedenkens der sicherste weg sein wird,
das E. F. G. zu dieser confeßion und erelerung von Chur-
und fursten gestelt, sich bekennen und unterschreiben mit
dem erpieten, wie auch hiebey angehenckt, das, da in kunf-
tiger Zeit obgemelter artikel halben durch andere disputa-
tionen. erregt werden, wolten E. F. G. mit andern christlicher
confeüion verwandten fursten und stenden gerne durch ge-
burliche mittel und wege zur vergleichung und einigkeit
helfen und dieselbigen sovil immer muglich und christlich
befordern.
Weitleuftiger von angezogenen vier strittigen artickeln
. zu reden gehort in ein sonder gesprech und unterrede, dar-
innen die mancherlei opinionen und meinungen der lerer
mußen gehort und geurteilt, indes aber nicht desto weniger
reine lere aus h. Schrift der Augs. confebion gemeß gefurt
werden. d
Soleh mein einfeltig bedenken E. F. G. in schriften fur-
zubringen hab ich nieht unterlnDen sollen, untertenig bitten,
E. F. G. wollens nicht anders denn in gnaden von mir auf-
nemen und was sie in rat aus angeben des allmechtigen
finden mögen, hierinnen tun und handlen.
E. F. G.
unterteniger und gehorsamer
Georg Karg.
Original in den Ansbacher Religionsakten 26, 323 f.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII 3 12
178 18
VI.
Johann von Küstrin an Kurfürst Joachim von Branden-
burg. Warmbrunn bei Hirschberg, 12. Mai 1558.
Hochgeborner furst, freundlicher lieber her Bruder und
Gefatter. Unserm jungsten zuschreiben naeh, daß wir uns
gegen E. L. auf die vier verfaßten Artikel zu Frang-
fort am Main aufgericht freundlich ereleren wolten, wollen
wir derselben dorauf nicht verhalten, daß wir bei uns noch-
mals nit verstehen mugen, worzu wir den zugestelten und
von uns erforderten revers von uns geben solten. Dann hette
es mit solcher vorgleichung diese gestalt, daß euer allerseits
Liebden sich deßen entlichen entschloßen, solche bekentnus
als fur die ire alleine offentlich ausgehen zu laDen, domit
also den andern die meuler gestupft, die uns mit allerlei
trennung belegeten, so achteten wir auf solchen fall unnótig
daß wir den revers, inmaBen er von uns gefordert, von uns
geben sollten. Hette es aber die meinung, daß man unser
bekentnus von uns auf folgende maß forderte, daB wir uns
ereleren wolten, ob wir gesonnen, bei der Augspurgischen
ConfeDion und derselben dorauf erfolgten Apologia zubeharren,
und solehs neben andern offentlich bekennen und in aller
unser namen ausgehen zu laßen entschloßen, so erkenneten
wir uns solchs zu tun schuldig, weren es auch willig. und
auf den fall, so achten wir abermals nicht notig, do solchen
weg auf uns alle, die wir uns dazu bekenneten, solte ge-
richtet werden und ausgehen, daß wir daruber weiter einigen
revers von uns geben sollten. Hette es aber auch die mei-
nung nicht, daß man gesonnen, solchs offentlich in drug aus-
gehen zulaßen, um welcher ursachen willen dan solchen
buch aufgericht td verglichen, so konnten wir abermals
nicht achten, worzue solcher unser revers auf solchen fall
ersprießlich sein mochte. denn soll es ein bekentnis heißen,
so muß sie offenlich geschehen oder aber gar underlaßen
werden. Eur L. wißen auch sonder zweifel, wiewol one
einigen rum zureden, daß wir durch gnedigen und veter-
lieben des alleweldigen willen und verleihung bei der ein-
mal angenommenen und bekanten Augspurgischen ConfeDion,
die aus den prophetischen und apostolischen schriften ge-
nomen, auch den alten symbolis gemeß gestellt und uber-
geben, unverrugt und unangesehen alles dreuen und mensch-
licher furcht bis daher bestendiglich geblieben auch fortbaß
dureh gotshilf zu beharren gedenken. Dermaßen seint weder
wir noch auch unsere theologen des artikels von der justi-
fieation noeh von den worten: gute werg seint nótig doch
nicht zur seligkeit, item vom sacrament des leibs und bluts
19 179
christi nie streitig noch irrig gewesen. Dorumb wir sovil
desto leichter, wann und so oft unser bekentnus von uns
gefordert, dasselbige ungescheut tun und von uns geben
konten. Weil wir dann E. allerseits Liebden vorfaßung der
augspurgischen confeßion in obgemelten artikeln gleichformig
befinden, so haben wir auch sovil desto minder ursach uns
von E. Liebden und den andern in vorgeschriebenen puncten
abzusundern. Was aber den vierten artikel die mitteldinge
und ceremonien anlanget, weil dieselbigen einem jeden frei-
gelaßen und dahin verglichen, daß man auch in zeit der
verfolgung auch in solchen mitteldingen nicht weichen sollte,
so haben wir fur unser person an solchen artikel auch
keinen mangel, und vornemlich und dieweil die vorfolgung
der kirchendiener, die sich nicht wolten ermahnen oder aber
durch die schrift weisen laßen, nicht auf die mitteldinge,
sondern auf die lehre gerichtet, und dahin solte zuverstehen
sein gemeinet, mit solchem vorstande weren wir einig, achtens
auch, daß er nötig und zu solchen wegen christlich und wol
bedacht were. So weit nue E.L. der sachen halben auf
vorgesetzte maßen, daß solch bekentnus auf die Augs-
purgische Confeßion inmaßen die erelerung der vier artikel
vorfaßt und itzo in unser aller namen offentlich ausgeen
solte, wie dan die Augspurgische confeßion auch in aller
erer namen, so sich zu jener £eit dazu bekent haben,
übergeben und ausgangen, mit uns ainig und das in einer
benannten zeit von E. L. uns solchs izo zugeschrieben werde,
so wollen wir hiemit E. L. hinwiderumb und auf den fall
freundlich und bruderlich zugeschrieben und bewilligt haben,
daß wir solcher vergleichung mit E. L. und den andern chur-
und fursten einig und uns dero gemeß vorhalten wollen.
jedoch daB der vierte artikel, do er nicht genugsam auf
solchen verstand ercleret were, nochmals dahin zu ercleren
sein mochte. Und was nue dorauf E. L. Wille und gemuet
sei, des bitten wir von E. L. bei zeigern richtige antwort.
das wolten wir E. L. als unserm herrn und Brudern freund-
lieber meinung nit verhalten, dero wir uns hiemit zu aller
bruederlichen freundschaft und dienst tun bevelen. Datum
Warmborn bei Hirschberg in Schlesien. Dornstags nach
Cantate. Anno etc. 58
von Gottsgnaden Johans marggraf zu
Brandenburg.
Cedula.
Do es nu freundlicher lieber Herr Bruder und gefatter
zu solchem weg geraichen solte, daß solchen bedenken in
unser aller namen gestellet und also dasselbige werk mußte
12*
180 20
im eingang und beschluß verandert werden, so haben wir
gleich sere nicht vnderlaßen wollen, E. L. unser bedenken
des vierten artikels halben von den adiaphoris, wie der zu-
ercleren sein mochte, zuzuschicken, nicht der mainung, dab
wir E. L. und den andern chur- und fursten, welche merers
verstands sein dan wir, in deme ubergreifen wolten, sondern
alleine zu unserer nottorft unsers gewißens, do wir dieses
artikels mit E. L. und den andern einig sein sollten, anderer
gestalt nicht willigen mochten. was nue E. L. bedenken in
dem, das stellen wir zu derselben selbst gefallen. wir zweifeln
aber mit nicbte, es werde E. L. und der andern verstand
eben so wol zu solchem ziel gerichtet sein als der unser
und sovil weniger wurde man auch bedenken haben mugen,
diese zusetze und auslaßung etlicher wort zudulden, weil es
doeh der substanz nichts nimt, sondern allein den effect
erclert.
Der vierd artikel von den adiaphoris oder
mittelmeDigen ceremonien in kirchen.
Von mittelmeDigen Ceremonien soll also geleret werden,
daß dieselbigen mugen irer selbst halben one sunde ge-
braucht und underlaDen werden, und, so die rechte christ-
liche lehre des heiligen-evangelions reeht und reine gefur$
wird, mugen die bemelten ceremonien one schaden und
nachtail gehalten werden. Do aber die rechte christliche
leer des heiligen evangelions verunreinigt oder verfolget
wurde, so seint nicht alleine die mittelmeDigen, sondern auch
andere ceremonien schedlich und nachteilig, wie Paulus sagt:
den unreinen ist alles unrein. Derhalben soll man dem
widerteil zugefallen sich auserhalb irer bekerung und nach-
gebung der reinen leer in heuptartikeln mit inen in mittel-
dingen so wenig vergleichen, so wenig man solchs auch in
verfolgung der leer ton soll.
Dann obwol soleher artikel, in maDen er von E.L.
allerseits gestelt, in seinen verstand nicht unrecht als nem-
lich: ist die lere unrein, daß auch alle ceremonien an inen
selbs nichts tuechten oder gulten, so konte doch das wider-
teil daraus ursache haben und nemen, sovil heftiger in uns
zu dringen, ire ceremonien an uns zunemen. dann were die
lere bei uns reine, so mußen solche der papisten ceremonien
bei uns auch reine sein, und wurden also die ceremonien
bei uns auch reine sein, so hiebevor aus gutem bedenken
abgeton widerum aufgerichtet, dadureh dem gegenteil die
tuer geoffnet und ire halsstarrigkeit gesterkt.
Wiewol wir nun wißen, daß dieser verstand bei aller-
seits Eur L. nicht ist, oder sein kan dem widertail ausser
21 181
irer bekerung hinfort baz am wenigsten zu weichen, so
mochten doch unsere widersacher sich des zu irem vorteil
nutze machen, item den andern dadurch ursache gegeben
werden, die sonst lust zum gezenk hetten, sich des sovil
meher zugebrauchen und zu sagen, do unser einer, der die
lere rein hette, auch die bepstliche ceremonien anneme und
hielte, daß alle derselbigen lerern durch solche unsere ver-
gleiehung verboten, solehs nicht zu strafen, und do sie es
doruber teten, daf sie ins elend gingen und von niemands,
so in solcher unser vergleichung weren, mußte hinfortbaß
underhalten werden.
Nun wiDen E. L. gleich sere, was fur ergernus und
groDe uneinigkeit solche adiaphern bis doher in unsern
kirchen eingefurt, wir wollen der verfolgung, die sie nicht
wenig gesterkt und generet, alhier geschweigen, dadurch
schulen und predigtstüle an vilen orten entbloßet und allerlei
jammer doraus erfolget, des dan one not zuerzelen, weil das
werk selbs solchs an vielen orten offenlich bezeuget; durch
solchen anhang die dinge aber dahin ereleret, daß dem wider-
teil so wol als denen, die do lust zu zanken hetten, dadurch
die ursache benomen.
Hierauf folget der ander punet dem anhengig:
Und soll also rechter verstand von den ceremonien in
der kirehen dem volk vleißig eingebildet werden auch dem-
selbigen nach einitzlicher stand der Augspurgischen Confeßion
verwant in seinen landen und kirchen die ceremonien also
anstellen, domit sie dem wort gottes und also der Augs-
purgisehen ConfeBion, so auf das wort gottes gegrundet,
nieht zuwider sein, auch zu guter ordnung dienen. Und soll
kein stand den andern der mittelceremonien halben, obschon
dieselbigen allenthalben nit gleich seint, und was derwegen
bishero in eines jeden landen dermaßen und in dem ver-
stand, wie obgemelt, geordnet oder nachgeordnet werden
mochte beschweren, anfechten, damniren oder in nachrede
sezen oder den seinen zetun gestatten. Aus diesem punct
seint nachfolgende wort ausgelaßen als nemlich (wie sonsten
an seinem ort nottorftiglichen erclert). Welche wort diesen
artikel fast vertunkeln. Dann solte er bleiben, so mußte
der ort ausgedrugt werden, wo der were, darinnen solche
ceremonien nottorftiglich ercleret. Dann sollte es auf die
Augspurgische ConfeDion zuvorstehen sein, so were one nof,
diese wort dazu zusetzen, weil der artikel an ime selbs
außerhalb derer wort lauter auf die Augspurgische ConfeDion -
zeiget. Wolte es aber auf eins jeden chur- und fursten
ordnung gemeint sein, so were es abermals unsers erachtens
182 22
nicht nötig, dieweil einem jedem zugelaßen, wie er es izo
hat oder inskunftig in seinen landen verordnen wurde, der
Augspurgischen Confeßion gemeß aufzurichten. Und derent-
halben, so hielten wir es dafur, daß die wort um merer
erelerung willen wol auszulaBen oder aber dabei der ort in
welehem man solche erelerung suchen und finden solte,
ausgedrugt wurde. ltem daß die verfolgung der kirchen-
diener auf die lere auch erclert und gerichtet.
Actum ut supra.
Kopie in den Ansbacher Religionsakten. Tom 26, 345 ff.
Georg Helt’s
Wittenberger Predigttagebuch.
Von Georg Buchwald.
Am 6. März 1545 verschied auf dem Schlosse zu Dessau
in Gegenwart des Fürsten Georg von Anhalt dessen treuer
Lehrer und vertrauter Freund, Magister Georg Helt’). In
seinem Testament hatte der an seinem fürstlichen Schüler
mit innigster Hingabe hängende Gelehrte seine reiche Biblio-
thek jenem vermacht. Damit gingen auch Helts wertvolle
Handschriftenbände in den Besitz des Fürsten über, und dem
ist es gewiß zu danken, daß sie sicher verwahrt geblieben
sind. Sie scheinen allerdings — vielleicht mit infolge der
Schwierigkeit Helts Handschrift zu entziffern — bisher wenig
durchforscht worden zu sein. Zuletzt hat sich der vor einigen
Jahren der Wissenschaft entrissene, unendlich fleißige D. Niko-
laus Müller mit ihnen beschäftigt. Die Aufzeichnungen, die
er sich insbesondere tiber Nachschriften von Predigten Luthers
aus Helts handschriftlicher Hinterlassenschaft gemacht hat,
lenkten meine Aufmerksamkeit auf dieselben, da ich ver-
muten mußte, dort mancherlei zu finden, was die Rörerschen
Nachschriften der Predigten Luthers ergänzen würde.
Meine Vermutung hat mich nicht getäuscht. Dank der
großen Liebenswtürdigkeit des Herrn Geheimrat Prof. Dr. Weyhe,
der mir den zunächst in Betracht kommenden wichtigsten
Band zur Durchsicht übersandte, konnte ich feststellen, daß
Helts Aufzeichnungen für die Erforschung der Predigttätigkeit
Luthers, ja der Predigttätigkeit in der Lutherstadt überhaupt,
mancherlei neues, wertvolles Material enthalten.
! Westphal, Zur Erinnerung an Fürst Georg den Gottseligen zu
Anhalt. Leipzig 1907. S. 52.
184 34
Das gilt insbesondere von einem Bande, den man als
ein Predigttagebuch Georg Helts bezeichnen könnte, Es ist
ein 370 Blätter enthaltender, in Schweinslederschale gehefteter
Quartband, ohne Signatur, mit der Versalinschrift Conciones
ex ore D. Lutheri exceptae. Abgesehen von Notizen auf Bl. 2
und Aufzeichnungen über eine Amosvorlesung?!) Bl. 31 bis 50
stellt sich der Band als das Tagebuch dar, das Helt über
den Besuch der Gottesdienste geführt hat, und zwar fast aus-
schließlich in Wittenberg. Es umfaßt die Zeiten 25. Mai 1533
bis 27. Juni 1535, 17. Dezember 1541 bis 19. März 1542.
1. Juli 1543 bis 2. Februar 1545. Die letzte Wittenberger
Aufzeichnung stammt vom 29. Oktober 1544. Helt begab
sich dann nach Merseburg. Die weiteren, am 16. November
beginnenden, im Dezember aussetzenden Notizen beziehen
sich sämtlich auf Predigten Anton Musas?).
Wir haben hier nicht wie bei Stephan Roth?) und Georg
Rörer*) unmittelbare Nachschriften. Helt machte sich gewiß
kurze Notizen, die er dann daheim schleunigst in sein Tage-
buch eintrug. Als er zwischen dem 25. und 26. Juli 1534
eine von Luther am 7. Juni 1534 in Dessau gehaltene Predigt
verzeichnen wollte, vermochte er nur dürftige Notizen zu
machen; literae exoluerunt obliteratae in tabella non poterant
a me legi.
Mit größtem Eifer besuchte Helt die Gottesdienste, und
zwar nieht nur, wenn Luther predigte. Wir finden ihn früh
und nachmittags in der Kirche. Predigt Luther in der
Schloßkirche, so eilt er dorthin aus der Stadtkirche, in der
er Bugenhagens Predigt angehört hat. Kommt er zu spät,
so vermerkt er den Grund. Er versäumt auch nicht zu ver-
zeichnen, wenn ein schlechter Platz das Zuhören erschwerte.
Die Abwesenheit von Wittenberg infolge eines Rufes zu Fürst
! Die mit B bezeichnete Bogenlage ist offenbar versehentlich
hier eingeheftet. Die Vorlesung gehört ins Jahr 1535, da eine der-
selben die Randbemerkung hat: aderat et Anthonius ex Anglia (vgl..
Köstlin-Kawerau 2, 866).
7) Vgl. Westphal S. 45.
) Poachs handschr. Sammlung ungedr. Predigten Luthers. 1884.
S. XXXII. |
9 Realenzykl. f. prot. Th. u. K.* 24, 426 ff.
25 185
Georg, sowie der Grund der Behinderung am Besuche des
Gottesdienstes wird notiert. Sogar der Ausfall der Nach-
mittagspredigt infolge des Wittenberger Schützenfestes!) wird
verzeichnet.
Man darf wohl annehmen, daß Helt seine Summas con-
cionum für seinen fürstlichen Schüler bestimmt gehabt hat
Das geht aus den zahlreichen Notizen hervor mit der An-
rede Georgi, in denen der Angeredete noch auf das oder
jenes verwiesen wird. Daß darunter Fürst Georg zu ver-
Stehen ist, ergibt sich aus dem Hinweis auf die gemeinsam
gehörten Predigten Luthers in Schmalkalden“)
Helt hat aber nicht nur in diesem Band Predigtnach-
schriften eingetragen. Es finden sich solche auch in den
Bänden 6, 9, 9a und 10. Mehrfach verweist er selbst auf
einen dieser Bände. Deshalb macht es sich nötig auch diese
heranzuziehen. Von ihrem sonstigen Inhalt braucht hier
nicht die Rede zu sein. Nur das sei bemerkt, daß sich in
ihnen auch zahlreiche Sonntagslektionen Melanchthons finden.
Soweit sie die Evangelien betreffen, dürfte wohl ein Zu-
sammenhang zwischen diesen Aufzeichnungen und den Anno-
tationes bestehen, die 1544 aus Nachschriften herausgegeben
worden sind. Melanchthon, der den Druck nicht gern sah,
begleitete ihn mit einer an Georg Helt gerichteten Widmung‘).
Diese Sonntagslektionen, die keineswegs nur über die Evan-
gelien, sondern auch tiber biblische Bücher (z. B. Genesis,
Daniel), über den Katechismus, ja sogar de gradibus affini-
tatis gehalten wurden, bedürfen eingehender Sonderunter-
suchung. Hier sei nur erwähnt, daß Melanchthon bei diesen
Sonn- und Feiertags früh 6 Uhr (vgl. 17. August 1533;
7. April 1534), einmal, wenn die Angabe richtig ist, sogar
früh 4 Uhr (1. Juni 1544) in seinem Hause gehaltenen Lek-
tionen zunächst einen puer — einmal wird er mit Namen
genannt — die betreffende Bibelstelle vorlesen. ließ, daß er
1) Bl. 330 a.
1) Bl. 246 b.
5) Vgl. Westphal S, 35.
*) C. R. XIV, 161; V, 560,
186 26
fleißig wiederholte, Fragen stellte, erklärte. und diktierte.
Einmal hören wir (12. Oktober 1544), daß Cruciger für ihn
die Lektion übernahm. Wiederholt bemerkt Helt, daß Me-
lanchthon bereits vor dem Schlage die Lektion begonnen
hatte — ein Zeichen für den Eifer, mit dem der praeceptor
Germaniae sich auch dieser Tätigkeit widmete. Da der Be-
such dieser Lektionen gewissermaßen — sicher für Helt —
auch zur Wittenberger Sonntagsfeier gehört, sind dieselben
mit in die folgende Übersicht aufgenommen. Sie sind außer-
dem wichtig für die Feststellung der Anwesenheit Melanch-
thons an den betreffenden Tagen in Wittenberg. Notizen,
die den Ausfall der Lektion mit einer Reise Melanchthons
begründen, sind beigegeben.
Über Luthers Predigttütigkeit ergeben sich aus Helts
Aufzeichnungen mancherlei neue wertvolle Aufschlüsse. Das
Wichtigste ist das, was wir bezüglich der Predigten über
Job. 15 und 16 erfahren. Bisher wurde — allerdings ohne
einigermaßen genügende Begründung — angenommen, daß
zwischen Ostern und Pfingsten 1537 Luther eine Reihe
Predigten über Joh. 14 bis 16 gehalten habe!). Im Frühjahr
1538 erschienen die über Joh. 14 und 15 im Jahre 1539
die tiber Joh. 16 im Druck)), bearbeitet von Caspar Cruciger.
Wir erfahren nun von Helt, daß Luther vom 28. September
1533 bis Mitte oder Ende September 1534 in 26 Predigten
Joh. 15,5 bis 16 Ende behandelt hat. Er hielt diese Pre-
digten zumeist an den Sonntagen, an denen er vormittags
im Hause gepredigt hatte, und zwar nachmittags zwei Uhr.
Eine einzige Predigt (25. Oktober 1533) ist Sonnabends ge-
halten. Luther trat an diesem Tage für den erkrankten
Bugenhagen ein. Wenn wir nun annehmen dürfen, dab
Kap. 14 und der Anfang von Kap. 15 in etwa 14 Predigten
behandelt und daß diese 14 Predigten gleichfalls an den
Nachmittagen der Sonntage gehalten worden sind, an denen
Luther vormittags im Hause gepredigt hatte, so würde der
Anfang dieser Predigten etwa in die Zeit kurz nach Ostern
1533 zu setzen sein.
1) Köstlin-Kawerau, Luther 2, 426. — Weim. Ausg. 45, XXXIX.
23) Weim. Ausg. 45, XL; 46, VII.
27 187
Nach Helts Aufzeichnungen ergeben sich folgende be-
stimmte Daten:
o
1538. 1534.
1. 28. Sept. Joh. 15, 5 15. 1. März Joh. 16, 4—7
2. 5. Okt. Joh. 15, 5 16. 15. „ Joh. 16, 8—11
3. 12. „ Joh. 15, 6—9 17. 19. April Joh. 16, 12
4. 19. „ Joh. 15, 10-14 18. 26. „ Job. 16, 8—11
5. 25. „ Joh. 15, 15 19. 10. Mai Joh. 16, 13
6. 26. „ Joh. 15, 16 20. 17. „ Joh. 16, 13ff.
7. 2. Nov. Joh. 15, 17 21. 21. Juni Joh. 16, 16 fl.
78. 9. „ Joh. 15, 18fl. 22. 28. „ Joh. 16, 20ff.
9. 16. „ Joh. 15, 21ffl. 23. 12. Juli Joh. 16, 23
10. 23. „ Joh. 15, 26 24. 16. Aug. Joh. 16, 23
11. 30. „ Joh. 15, 26f. 25. 6. Sept. Joh. 16, 23 ff.
12. 7. Dez. Joh. 16, 1 26. 7 „ Job. 16, 28
13. 14. „ Joh. 16, 2
14. 21. „ Joh. 16, 3
Die vorletzte Predigt ist am 6. September 1534 gehalten.
Die letzte Predigt ist undatiert. Da aber ihr Eingang keine
repetitio der vorangehenden Predigt enthält, ist wohl an-
zunehmen, daß sie am 13. oder 20. September gehalten
worden ist.
In einer Tischrede!) deutet Luther an, daß Cruciger bei
der Herausgabe dieser Predigten sich nicht streng an die
Nachschrift gehalten hat. Er sagt sogar: „Ich habs nicht
gemacht, sondern Creutziger.“ „D. Caspar Creutziger hat
sein grossen verstand und hohen fleyß dran beweyset“ ).
Wenn nun auch Helt den Inhalt der Predigten nur sum-
marisch wiedergibt, so läßt sich doch, insbesondere auch aus
seiner Aufzeichnung über die letzte Predigt deutlich erkennen,
wie frei und selbständig Cruciger bei seiner Arbeit verfahren
ist. Andererseits spiegeln Helts Aufzeichnungen sehr oft das
wirklich gesprochene deutsche Wort Luthers wieder, so daß
wohl nichts anderes übrig bleibt, als diese Aufzeichnungen
noch in extenso zum Abdruck zu bringen.
1) Weim. Ausg. 45, XL.
) A. a. O.
188 28
Außer jenen Predigten tiber das Johannesevangelium
hat Helt noch eine lange Reihe vgn Predigten Luthers ver-
zeichnet. Sie sind bis auf eine (7. Juni 1534 in Dessau)
bereits sämtlich in der Weimarer Ausgabe abgedruckt. Aber
durch Helt erfahren wir doch noch mancherlei Neues über
diese Predigten, die wir übersichtlich im folgenden zusammen-
stellen.
W. A. 37, 183. 1. November 1533. Nachmittags 2 Uhr für
den erkrankten Pfarrer Bugenhagen ge-
halten. Luther trat, wie W. A. 37, XXVII
richtig vermutet, in Bugenhagens Reihen-
predigten über den Psalter ein.
— 37,190. 8. November 1533. Wiederum für Bugen-
hagen in derselben Reihe gehalten. Schluß:
Sed non prosequar haec, ne nimium me
defatigem, dixit d. Lutherus, et sie cessavit
a praedicando. |
— 37, 322. 25. Dezember 1533.
— 37, 240. 26. - "
Zwischen dem 28. Dezember!) 1533 und dem 5. Januar
1534?) hat Luther nicht gepredigt. Wir erfahren von Helt,
daß ein heftiger Katarrh, von dem wir bisher nichts wuDten,
ihn am Predigen hinderte.
W. A. 37, 258. 18. Januar 1534 nachmittags 3 bis 4 Uhr.
— 37, 263. 25. „
— 37, 270. 1. Februar
— 37, 278. 2. „
— 37,288. 8. „ "
— 37,317. 8. März in arce praesente principe.
— 37, 322. 22. post prandium.
— 37,330. 25. „ sicher nachmittags.
— 37, 338. 29. „
— 37, 347. 2. April
— 237, 352. 3. „
— 37, 358. 5. „
— 37, 363. 6. 5„
3 3 3 3
d d 3S 3
3 3
d s
» 77
mane hora octava.
post prandium.
» n
3 3 & X 3 3
77 »
1) Vgl. Weim. Ausg. 37, 245.
7) Vgl. Weim. Ausg. 37, 249.
29 189
. W. A. 37, 367. 7. April 1534 vesperi.
— 37, 374. 8 „ „ in arce ante prandium.
— 37, 381. 17. „ „ in arce praesente principe.
Rörer gibt als Tag dieser
Predigt den 16. April an
Helt wird, da er den Wochen-
tag angibt, das richtige
Datum haben.
— 37,387. 20. „ „ in arce praesentibus comi-
tibus.
— 37, 393. 14. Mai „ a prandio.
— 37,399. 24. „ wa
— 37,405. 25. „ * „ Am Schluß: Erat
hie maximus estus in tem-
plo, ergo non diu protraxit
sermonem suum.
— 37, 414. 31. „ „ à prandio.
— 37, 419. 1. Juni „ in arce ante prandium.
Neues erfahren wir über Luthers Reise nach Dessau im
Juni und Juli 1534. Daß Luther. bestimmt am 7. Juni
(1. Sonnt. n. Trin.) in Dessau gewesen ist, bestätigt die uns
für diesen Tag von Helt bezeugte Predigt. Luther ist dann
entweder am 7. Juni nachmittags oder am 8. Juni nach
Wittenberg zurückgekehrt). Bisher mußten wir annehmen,
daß der Dessauer Aufenthalt Luthers im Juli / August 1534
sich begrenzte durch die Predigten, die derselbe am 12. Juli
und am 9. August in Wittenberg gehalten hat. Wir er-
fahren nun von Helt, daß Luther Mittwoch, den 15. Juli mit
Helt, Bugenhagen und Cruciger nach Dessau reiste und dort
bis zum folgenden Sonntag, 19. Juli, blieb. Sie verließen,
naehdem Luther früh gepredigt hatte?), Dessau gegen drei
Uhr und erreichten abends um die achte Stunde Wittenberg.
Luther ist dann einige Tage später nochmals nach Dessau
gereist’).
1) Vgl. Weim, Ausg. 87, XXXIV.
*) Vgl. Weim. Ausg. 87, 484 ff.
- > Vgl. Weim. Ausg. 37, XXXVI.
190
W. A. 37, 506.
37, 520.
57, 564.
37, 571.
37, 577.
37, 583.
37, 605.
37, 621.
41, 33.
41, 60.
41, 338.
41, 350.
41, 355.
41, 361.
41, 368.
49, 233.
49, 308.
49, 318.
49, 353.
49, 441.
49, 449.
49, 456.
49, 464.
49, 471.
49, 479.
49, 488.
49, 492.
90
23. August 1534 in arce ante prandium.
94. „
»
27. Oktober ,
31. „
1. Novbr.
8. ,
15. ,
25. Dezbr.
31. Januar 1535
»
13. April
l. Juni
2. „
3. „
8. „
22. y
24.
29. „
2. Juli
Kawerau, Luther 2, 412.
Vgl. Westphal a. a. O.
3) Margarethe.
n
»
n
»
77
n »
25. Dezbr. 1541
13. Januar 1544
S d$ 33 33 3 3
3 3
in arce praesentibus duce
electore et duce Henrico
fratre germano ducis Ge-
orgii.
in arce.
in arce praesente princi-
pissa uxore de Braun-
schweige!) ete. hora nona
ante prandium.
in arce.
a prandio.
in arce praesente uxore d.
principis Joannis Anhal-
tini 7).
a prandio.
» »
» 77
77 77
» »
n »
n »
77 77
9 »
77 n
7 »
” »
» n
» »
79 77
» »
1) Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Calenberg. Vgl, Köstlin-
31 E 191
W. A. 49, 499. 6. Juli 1544 a prandio praesente d.
principe Georgio Anhaltino.
— 49, 511. 230. „ „ a prandio.
— 49, 520. 27. „ „ 5„y.
— 49, 525. 3. August „ „ s
— 49, 534. 10. „ : >
— 49,547. 7. Septbr. S s
— 49, 554. l4. , , „ „
— 49,562. 91. , „ „ „
— 49, 570. 29. „ „ „ „
— 49, 620. 12. Oktober „ „ „ Am Schluß: Hic
statim cessavit, forsitan
propter vertiginem ).
Am 8. August 1532 hat Luther in Niemegk eine Pre-
digt über- die Taufe gehalten“). W. A. 36, X ist die Ver-
mutung ausgesprochen worden, daß diese Predigt durch eine
Taufe im Hause des Cordatus veranlaßt worden sei. Daß
diese Vermutung richtig ist, bestätigt uns Helt, der auf die
Predigt verweist“), quam doctor Martinus habuit aliquando
in Nemeck in baptismo licentiati Cordati filii.
Endlich sei noch auf eins hingewiesen. Viele der
Nachmittagspredigten Luthers beginnen mit Hodie audivimus
oder Hodie audistis. Man könnte geneigt sein anzunehmen,
daß damit nur an das der kirchlichen Ordnung nach im
Vormittagsgottesdienst behandelte Evangelium erinnert
werden soll Es erscheint aber, nun wir an der Hand der
Aufzeichnungen Helts in der Lage sind, den Hinweis Luthers
auf die Frühpredigt (in der Regel Bugenhagens) mit dieser
zu prüfen, als richtiger, darin eine Erinnerung an die ge-
haltene Predigt zu erblicken. Das aber setzt voraus, dab
Luther dem Vormittagsgottesdienst beiwohnte, auch wenn er
selbst am Nachmittag zu predigen hatte. Das ergibt sich
1) Helt erwähnt ausdrücklich, daß Bugenhagen am Vormittag
über das euangelium de muliere peccatrice gepredigt habe. Dazu
stimmt Weim. Ausg. 49, 520 n. 2. Diese Predigt ist also dem 27.,
nicht dem 22. Juli zuzuweisen.
2) Vgl. Weim. Ausg. 49, XI.
» Weim. Ausg. 36, 228 ff.
4) Bl. 308a. ,
199 32
mit Sicherheit aus der Predigt am 27. Juli 1544!) Hier
bezieht sich Luther auf die Vormittagspredigt Bugenhagens
Er hätte aber wohl kaum wissen können, daß dieser nicht-
über das Sonntagsevangelium, sondern über das Evangelium
des Tages Mariä Magdalenä gepredigt hatte, wenn er nicht
selbst der Predigt beigewohnt hätte. Die Predigt am Trini-
tatisfest (31. Mai) 1534?) beginnt: Hodie audistis, quod quo-
tannis praedicandum de articulo, quem fatemur de Sancta
Trinitate, ut illa doctrina conservetur ete. Tatsächlich hatte
Bugenhagen in seiner Predigt vornehmlich die Bibelstellen
alten und neuen Testaments behandelt, die als Beweisstellen
für die Trinität dienen sollten ).
Dankenswerte Erweiterung unserer Kenntnisse gibt uns
Helt auch über die Predigttätigkeit Bugenhagens. Wie
wundersam klingt es heute, was vor noch nicht 35 Jahren
geschrieben wurde: „Es hat sich seltsam gefügt, daß wir
nur wenige Predigten von dem Manne besitzen, der mit
Luther die Kanzel der Wittenberger Pfarrkirche geteilt, mit
ihm das Bedeutendste für die Kultus-Reform an der Ausgangs-
stätte der Reformation geleistet hat“ ). Zahlreiche Predigten
des Genannten sind inzwischen ans Licht gezogen und ver-
öffentlicht worden?) Und hierzu kommen nun die Auf-
zeichnungen Helts tiber spätere Predigten Bugenhagens.
Abgesehen von zahlreichen Sonn- und Festtagspredigten
bietet uns Helt viele der von Bugenhagen gehaltenen Reihen-
predigten. Wir erfahren, daß er Mittwochspredigten über
das Mattháusevangelium hielt. Das ist noch dieselbe Reihe h,
die er vermutlich etwa nach Ostern 1530 begonnen hat)
1) Weim. Ausg. 49, 520.
2) Weim. Ausg. 37, 411.
) Ebenso war Bugenhagen früh in der Kirche, wenn Luther
predigte, vgl. Ungedruckte Predigten Bugenhagens usw. S. XIII.
) Osterprogramm der Universität Halle-Wittenberg. 1885. S. 3.
5) Bugenhagens Katechismuspredigten, gehalten 1525 und 1532.
Zum erstenmal herausgegeben von Buchwald. Mit Einleitung von
Albrecht. Leipzig 1909. — Ungedruckte Predigten Bugenhagens aus
den Jahren 1524 bis 1529, Herausgegeben von Buchwald. Leipzig 1910.
6) Über die vorhergehende Reihe von Wochenpredigten über das
Matthüusevangelium vgl. Weim. Ausg. 28, I ff.
) Weim. Ausg. 32, LXXV. i
33 193
und in die Luther während Bugenhagens Abwesenheit (Ende
Oktober 1530 bis Ende April 1532) eingetreten ist!). Luther
behandelte in dieser Zeit die Bergpredigt. Nach seiner
Rückkehr übernahm Bugenbagen die einst von ihm begonnene
Arbeit wieder. In Helts Aufzeichnungen begegnet uns die
erste dieser Reihenpredigten unter dem 28. Mai 1533. Bugen-
hagen begann an diesem Tage das 18. Kapitel. Er predigte
über Matthäus im Sommer früh sieben, im Winter früh acht
Uhr. Am 19. August 1534 stand er bei Kapitel 25, 3 Uff.
Die bald darnach beginnende Katechismuspredigt, die den
Sonnabend besetzt hielt, veranlaßte ihn, seine Wochenpredigt
über den Psalter (siehe weiter unten) vom Sonnabend auf
den Mittwoch zu legen (26. August, 2. September). Danu
verhinderte ihn eine Augenkrankheit am Predigen. In der
„weiten Hälfte des September brechen Helts Aufzeichnungen
ab, um erst im Dezember 1541 wieder einzusetzen. Wir
können also nicht feststellen, wann diese Wochenpredigten
beendet worden sind.
Zum Teil parallel mit jenen Mittwochspredigten liefeu
Sonnabendpredigten, in der Regel nachmittags zwei Uhr über
den Psalter, Am 19. Juli 1633 stand Bugenhagen bei Psalm 5,
ain 5. September 1534 bei Psalm 36. Wir hórten bereits
oben, daß zweimal Luther für ihn einsprang.
Im Jahre 1543 hielt Bugenhagen Mittwochspredigten
über das Johannesevangelium; am 4. Juli steht er im 5. Kapitel,
die letzte von Helt verzeichnete Predigt, voin 29. Oktober 1544
behandelt Joh. 10, 12. — Endlich finden wir auch einige Kate-
chismuspredigten, nachmittags zwei Uhr gehalten. Im Jahre
1534 Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag nach Vocem
Joeunditatis und Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag nach
Exaudi behandelt Bugenhagen das Vaterunser’).
Bugenhagens Gepflogenheit, übermäßig lange zu predigen,
finden wir auch durch Helt bestätigt). Es klingt doch wie
eine leise Klage, wenn er uns berichtet*), daß Bugenhageu
in seiner Osterpredigt den „größeren Teil einer Stunde* dazu
1) A. a. O.
2, Abgedruckt oben S. 92 ff.
) Vgl. Ungedruckte Predigten Bugenhagens usw. S. XIV.
) Bl. 115a.
Archiv für Reformations geschichte. XVII. 3. 13
194 34
brauchte, valde prolixe die Ostergeschichte nach „allen
Evangelisten* zu erzáühlen.
Helt gewährt uns auch einen Einblick in die Predigt-
tätigkeit der Wittenberger Diakonen. Am fleißigsten predigt
Sebastian Fróschel!. Von ihm besaßen wir bereits
einige Predigten in der Nachschrift Anton Lauterbachs?).
. Georg Rörer war uns bisher in erster Linie als Nach-
schreiber der Predigten Luthers bekannt und geschätzt?).
Hier finden wir eine reiche Zahl seiner Predigten“). Auch
von der Predigttütigkeit Johann Mantels*) liegen uns
einige Zeugnisse in Helts Aufzeichnungen vor. Er war wohl
ein recht bescheidener Prediger. Die Nachmittagspredigt am
4. Januar 1534 entnahm er Luthers Postile. Auch von
Andreas Hügel) und Friedrich Backofen) finden
wir hier einige Predigten. Zunächst fiel die Predigt in der
Stadtkirche Bugenhagen und Lutber zu. Nur wenn diese
behindert waren, sei es durch Krankheit oder Reisen, traten
die Diakonen für sie ein.
AuDer Caspar Cruciger, Justus Jonas und
Georg Major begegnen uns noeh mehrere Prediger, die
nur vorübergehend sich in Wittenberg aufhielten. So Theodor
Fabricius?) und Aegidius Faber?) die wir dann
beide in Dessau finden. Letzterer ging Anfang Oktober 1543
nach Dessau!?^). Endlich Erasmus Alberus, der am
12. August 1543 in Wittenberg gepredigt hat, knapp vierzebn
Tage vor seiner Promotion zum Lizentiaten der Theologie 1).
1) Beitr. f. sáchs. Kirchengesch. 14, 1ff.
2) A. a. O. S. 114 ff. Vgl. Bd. 29, 233f.
2) Realenc.? 24, 426 ff.
) Vgl. Buchwald, Zur Wittenberger Stadt- und Universitäts-
geschichte. S. 44.
5) Vgl. a. a. O. (Register).
) Vgl. Enders, Briefwechsel 12, 40f.
?) Vgl. a. a. O. S. 312. Buchwald, Zur Wittenberger usw. S. 164.
Mitt; der deutschen Gesellschaft in Leipzig. IX. 1. S.77.
8) Vgl. Enders 16, 29; Westphal a. a. O. S. 31.
A. a. O. S. 30.
10) Bl. 278 b.
11) Vgl. Körner, Alberus. S. 74.
€
54b [„ 19]
[ » 20]
55 b
9a. 24 Aug. 17
195
Contiones anni 1533 exceptae aestate
post Ascenstonis dominicae per Geor-
gium Heltum, sed propter negocia et
egritudinem meam aliquas non excepi eto.
Cum venerit paracletus. Summa contionis
ex d Pomerano post septiman boram.
Summa concionis ex Po meran o feria 4a
in c. 18. Matthei. In illo tempore acces-
serunt discipuli dicentes quis maximus
est in regno celorum etc.“)
Summa concionis ex Pomerano ante
prandium 2? penthecostes recitato euan-
gelio Joannis 3? rediit ad euangelium
recitatum in die pentecostes Jo. 14. Si
quis diligit me, sed — —
Summa eoneionis ex Pomeran o 4 feria.
Si ita est causa hominis eum uxore
Matthei 19. Impeditus fui hic propter res-
ponsum dandum contra papistam, quominus
signarem conciones per aliquot septimanas.
Summa concionis Pomerani dominica
2 post pentecosten. Homo faciens cenam
est deus —- —
Neglexi aliquas conciones propter malum
pedem. |
Summa concionis Pomerani ex euan-
gelio Luce e. 5. de captura piscium.
Concio Pomerani in ps. 5tem,
Summa concionis ex Pomerano ex euan-
gelio nisi abundaverit iustitia vestra ete.
Summa concionis Pomerani in ps. 6tum
die sabbati.
Summa coneionis ex ore Pomerani
in ps. 8°",
Annotationes ex d. philip. Melanchthone in
Danielem inchoatae mane hora sexta 17. Au-
gustiquae erat dominica dies anno domini1533.
1) Unten am Rande: fui occupatus scribendo contra fraterculum.
Hinc non excepi omnes conciones per hanc estatem anni 1533 sed
tamen interfui eis. Vermutlich handelte es sich um eine Widerlegung
der Schrift des bis zum Sommer 1532 in Dessau als Prediger wirkenden
Dominikaners Petrus Rauch „Antithesis der Lutherischen Bekenthniß“
(erschienen 1533). Vgl. Paulus, Die deutschen Dominikaner im Kampfe
gegen Luther, 1903.
S. 47.
13*
196
1533
9a. 4a [Aug. 24]
9a. 5b [ , 31
56a [ , 31]
56b (Sept. 3]
57a „ 6]
Ha. 6b [| „ 7]
57a [„ 7
ga. 8b [ „ 14]
57b („ 14
57b [ , 17]
9a. 10a | „ 21]
58a 21
58 b „ 24
59b [„ 27
60a | „ 28]
60b | „ 28]
9a. 11a 29
7
36
Melanchthon (2. lectio in Danielem).
Melanchthon (3. lectio in Danielem).
Summa coneionis ex Pomerano) ante
prandium in Euangelium ex Marei 7"?
eapite de surdo et muto.
Concio ex Pomerano 4 feria in c. 19.
Matthei. Si vis ad vitam ingredi.
Summa coneionis ex Po,merano sab-
bato ex ps. 8.
Melanchthon (4. lectio in Danielem).
Dominica die ante prandium summa con-
eionis ex Pomerano Luce 10. de legis-
perito quaerente Jesum.
Melanchthon (5. lectio in Danielem).
Summa concionis ex Pomerano do-
minica ante prandium. Dixit in euan-
gelio Luce c. 17. de 10 leprosis.
Sermonis summa ex Pomeran o 4. feria
in e. 19. Matthei. Dixit de divitibus — .—
Am Rande: Sermones multos non
signavi impeditus labore quid scribendi
contra quosdam etc.
Melanchthon (6. lectio in Danielem).
Summa coneionis ex ore Pomerani
dominica die ante prandium in euan-
gelium nemo potest duobus dominis ser-
vire.
Summa concionis ex ore d Pomerani
4 feria hora 7* 24 septembris in c. 19.
Matthei. |
Summa coneionis ex d Pomerano die
sabbatino in ps. 11. in domino confide ete.
Summa concionis ex Pomerano do-
minica in euangelium Luce de filio unieo
viduae suscitato per Jesum.
Summa concionis d D Lutheri a pran-
dio eadem dominica die in baec verba
Joannis. Ego sum vitis vos palmites eto.
Melanchthon (7. lectio in Danielem).
1) Genau notiert sind Melanchthons Lektionen am 17. August und
am 29. September.
Die vom 29. September ist die siebente. Mithin
hat Melanchthon an einem der zwischenliegenden Sonntage ausgesetzt;
an welchem, läßt sich nicht feststellen.
1533
61b Sept. 29
62a „ 29
62 b Okt. 1]
63b („ 4]
9a.19b | „ 5]
64b [| „ 5]
65a [ „ 6]
65b [ „ 8]
662 [ , 1l]
9a.14a | „ 12]
66b ( „ 12]
66b | , 12]
67b [„ 15]
67b | , 18]
68a „ 19
9a. 16a | „ 19]
197
Summa eoneionis ante prandium ex
Pomerano in die S. Michaelis.
Summa coneionis eodem die Michaelis a
prandio ex ore d Pomerani in 0,12,
Apoealypsis.
Summa concionis 4 feria ex ore Pome-
rani in e. 19. Matthei. Ascendens Jesus
Hierosolyma ete.
Summa coneionis ex d Pomeran o sab-
' bathino die in ps. 12. Salvum me fac
domine.
Melanchthon (8. lectio in Danielem).
Summa coneionis ex Pomerano do-
minica die de hydropico Luce 14.
Summa coneionis a prandio eadem do-
minica ex d doctore Luthero in c. 15.
Johannis. Qui manet in me et ego — —
Summa concionis 4* feria ex Pomerano
in e. 20 Matthei de duobus cecis.
Sabbatino die sequenti non praedicavit
dominus Pomeranus, sed magister
Froschle traustulit autem euangelium
quod est II] habente demonium ex Luca e. 11.
Melanchthon (9. lectio in Danielem).
Dominica die ubi recitatur euangelium
ex c. 22. Matthei euius filius sit Christus
Pomeranus non praedicavit, sed sa-
cellanus Joannes.
Eadem dominica summa ceoneionis ex
d Luthero in e. 15. Joannis.
S. e. feria 4 ex d. Joanne sacellano
egrotante domino Pomeran o. 1. Cor. 1.
gratias ago deo meo.
S. e. die sabbatino ex eodem domino
Joanne sacellano egrotante domino
Pomerano. Primo recitavit verba ex
Paulo 1. Corin, 1. expectantes revela-
tionem.
S.c.ex Pomerano dominica die post
diem Luce. Primo recitato euangelio de
bydropico c. 9. Matthei.
Melanchthon (10. lectio in Danielem).
198
70b
71a
|
[
9a. 17b |
76a
1533
69b Okt. 19 S.c. eadem dominica post prandium ex
»
77
22
25
26]
26)
26]
2]
5]
38
d doctore Luthero in c. 15. Joannis.
S. c. ex ore domini magistri Georgii
4 feria ubi repetivit euangelium ex c. 9.
Matthei prioris dominicao quia dominus
Pomeranus ipsum non ad plenum
fractasset propter locum de novissimo
iudicio.
S. c. die sabbatino hora 2* ex ore domini
doctoris Lutheri egrotante adhue do-
mino Pomerano. Dictum est supra,
quod Christus nos ad dilectionem mutuam
multis cohortatus sit, ut alter in alter-
um — —
Melanchthon (11. lectio in Danielem).
Dominica die egrotante d Pomerano
concionatus est mane magister Frosch -
lebinus — — ex euangelio Matthei
e. 22. de similitudine regni celorum cum
homine rege.
S. c. a prandio ex ore domini d Lutheri
eadem dominica die in c. 15. Joannis.
Am Schluß: ego fui aliquantulum di-
stractus in sermone nescio quare, deus
misereatur mei.
S. e. 4 feria ex ore domini magistri
Froschlebius. — — euangelium ha-
bitum dominica die ex c. 22. Matthei.
S. c. die sabbatino hora 2* ex ore domini
Martini egrotante adhue d Pomerano
ex ps. 13 her wie lange wiltu meyn so
gar vergessen.
Melanchthon (12. lectio in Danielem).
S. c. dominica die ante prandium ex ore
domini magistri Georgii egrotante d.
Pomerano. Hic regulus non multum dis-
putavit — —
S. c. dominica die ex ore domini doctoris
Martini intra 2 et 3. Joannis 15. Haec
mando vobis, uf diligatis invicem.
S. c. 4 feria ex domino Joanne. Trac-
tans verba epistolae ad Ephe. c. 6. de
armatura nostra. l
39
1533
76a Nov. 8
9a. 22a | „ 9)
71a M 9
77b > 9
78a » 1.2
78a » 16
9a.23b [ „ 16]
78b [ „ 16]
79b | „ 16]
80a [„ 19]
81a [ „ 22]
9a. 25b „ 23]
81b [ „ 23]
82b [ „ 23]
199
S. c. ex dd Luthero die sabbatino qui
erat octava Novembris in ps. 14.
Am Schlusse: Sed non prosequar haec,
ne nimium me defatigem, dixit d Lutherus
et sie cessavit a praedicando,
Melanchthon (13. lectio in Danielem).
S. c. ex d. Pomerano dominica die
quae erat 9. Novembris in euangelium
Mathei c. 18 assimilatum regnum celi
homini regi etc.
S. e. eodem dominico die a prandio in
tra 2 et 3 ex ore domini doctoris Mar-
tini in c. 15. Joannis.
S. c. feria 4. ex Pomerano. Breviter
percurrit euangelium ex c. 21. Matthei,
quia illud euangelium alio quoque tem-
pore solet in ecclesia recitari, per totam
autem sermonem urgebat haec verba.
Hoc autem factum est, ut impleretur — —
S. c. die sabbatino circiter horam 3 ex
Pomerano. Repetivit primo versus ex
ps. 14. quos ante octiduum tractaverat
dominus doctor Lutherus.
Melanchthon (14. lectio in Danielem).
S. e. die dominica ex ore d. Pomerani
mane post octavam. [Matth. 22, 15 ff]
S. c. ex Luthero a prandio eadem
dominica die ex c. 15. Joannis.
S. c. ex ore d. Pomerani feria 4. post
8vam horam in verba Matthei c. 21.
relictis illis abiit foras etc. usque haec
verba omnia quaecumque in oratione
petiveritis — —
S. c. sabbatino die a prandio ex ore d.
Pomerani. Primo repetivit ps. dixit
insipiens in corde suo etc.
Melanchthon (15. lectio in Danielem).
S. e. ex ore domini doctoris Pomerani
dominiea die ante prandium in euan-
gelium Matthei c.9. de puella suscitata eto.
S.c. a prandio eadem dominica die ex
d d Martino in c. 15. Joannis. Repe-
tivit primo paucis dieta ante octiduum,
quanto odio persequatur mundus Christum.
200
1533
83a [Nov. 26]
84b [ , 29]
ga. 27b [„ 30)
85b „ 30
86a „ 30
86a [Dez. 3]
86b [ „ 6]
ga. 29b | „ 7]
87b » 7
87b " 7
88b | , 10]
89a [ , 14]
40
S. c. ex ore d d Pomerani 4 feria
ante prandium in haec verba Matthei
c. 21. Et cum veniret in templum, ac-
cesserunt ad eum usque ad haec verba.
Homo quidam habebat duos filios eto.
S. c. ex ore domini Pomerani die sab-
batino in ps. domine, quis habitabit in
tabernaculo tuo.
Melanchthon (16. lectio in Danielem).
S. c. dominica 1. adventus ex ore domini
Joannis capellani, quia d. Pome-
ranus rursum cepit egrotare.
S. c. eadem dominica cirea 3 et 4 ex
ore dd Lutheri in haec verba Joannis
c. 15. Cum autem venerit paracletus
Spiritus veritatis usque ad finem capitis.
S. c. ex ore d. Pomerani quarta feria
in c. 21. Matthei in haec verba. Homo
quidam habebat duos filios usque ad
haec verba aliam parabolam.
S. c. die sabbatino ex ore Pomeranı
in ps. 16. Bewar mich, her.
Bl. 87a: Dixit de quodam Torgensi
aurifabro qui errore anabaptistarum vor-
reptus cepit insanire in Torgaw eto.
Am Ende: fac ut tibi sermonem huius
diei transcribi facias, quia non potui bene
singula verba pereipere, habui enim in-
iquum loeum standi.
Melanchthon (17. lectio in Danielem).
S. e. dominiea die ex Pomeran o vide-
licet 2* adventus.
S. c. a prandio eadem dominica die ex
ore domini doctoris Lutheri in e 16.
Joannis. Haec locutus sum vobis.
S. c. ex d. Pomerano 4. feria in
e. 21. Matthei homo erat paterfamilias
qui plantavit — — usque ad finem ca-
pitis.
S. c. dominica die ante prandium ex ore
magistri Georgii Pomerano visi-
tante ecclesias in c. 11. Matthei de dis-
. eipulis Joannis missis ad Christum.
4l
1533 |
89b Dez. 14 S. e. dominica die a prandio ex ore
90a 5
91a "
9a. 31b 5„
91b "
92a »
9a.32b 5„
93a 8
93 b »
95a 5
21
24
25
25
25
26
26
26
27
. 201
D D Lutheri qui erat 14. Decembris
in quo sermone repetivit tum praedicta
in priore concione, quomodo scilicet der
her Christus zuvor gesagt hatte, wie es
yhn wurde gehn propter ipsum, das man
sye wurde ihn pan thun — —
Em Ende: Reliqui Witenbergam die
Jovis post Luciae vocatus a domino meo
praepotenti et redii tertia hora die do-
minico sequenti ef statim ut descendi de
eurrieulo intravi templum ad audiendam
concionem etc. sed sermo inceptus erat.
Summa illius concionis ex ore domini
doctoris Martini est in caput 16. Jo-
hannis, ubi repetivit praedicta in prae-
cedenti sermone in haee verba haec
praedixi vobis, ut non scandalizemini eto.
S. e. ex ore d. Pomerani in sacra
vigilia nativitatis Christi post prandium
in euangelium Matthei c. 1. cum mater
eius Maria desponsa esset Joseph etc.
Alia lectio die natalis Christi in Danielem
ez ore domini Philippi cum rediisset de visi-
tatione!) in vigilia sancti natalis Christiani
et primum iussit puerum legere m caput
Lucae.
S. c. ante prandium ipso die sancto na-
talis Christiani ex ore Pomerani in
c. 2. Lucae eriit edictum — —
S. e. ex ore d d M post prandium in
eodem die sancto.
Melanchthon.
S. c. ex ore d Pomerani ante pran-
dium in die S. Stephani. Euangelium
erat: et pastores loquebantur inter se
transeamus iam Bethleem etc. "
S. c. eodem die S. Stephani post prandium
ex ore d Lutheri.
S. e. in die Sancti Joannis quae inciderat
in diem sabbati ex ore d. Pomerani
Vgl. C. R. II, 691.
202:
1533
9a.34b Dez. 28
95b „ 28
1534
9a. 36a |Januar 1]
uf 98b „ 1
99a " 1
42
in qua primo recitabat euangelium Jo-
annis eiusdem c. 1. In principio erat — —
Am Ende: Die Saneti Johannis post
prandium non est praedicatum, quia
scholastici solent abequitare.
Melanchthon?).
S. e. ex ore d. Pomerani in die inno-
centium recitato euangelio Ecce angelus
domini apparuit — —
Am Ende: in iis locis [Wegführung
der Juden durch Nebukadnezar] potis-
simum eonsumpsit concionem suam Pome-
ranus.
Summa concionis eodem die a prandio
ex ore magistri Froschel. in verba
euangelii erant pater et mater admirantes
super iis etc.
S. c. ex Pomerano invigilia circumcisionis
domini i. e. feria quarta post prandium,
nam ante prandium non solet praedicari
in vigilia circumcisionis, ubi retraetavit
ps. 16 quem antea inchoavit.
Melanchthon.
S. ce. ex ore d. Pomerani die circum-
eisionis domini ante prandium. Primo
recitavit euangelium Lucae 2, deinde
locum adduxit ex genesi de circumcisione.
S. c. eodem die a prandio ex ore d ma-
gistri Georgii, quia d d. Lutherus
laborabat catharro. In quo sermone
paucis repetitis quae mane dicta essent
de festo instituit sermonem de nomine
Jesu.
S. e. ex ore d. Pomerani sabbatino
die post diem circumcisionis domini in
ps. 17. Exaudi domine iustitiam.
Melanchthon.
S. c, ex ore d. Pomerani dominica
proxima post diem eircumeisionis hoc est
in octava innocentium. Euangelium erat
Et erant pater eius et mater eius mi-
rantes super his, quae dicebantur — —
1) 9a. 84b die Johannis non praelegit dominus Philippus.
=
43
1534
101b Januar 4
101b -
9a.40b ,
103a
104a à
104b "
106a 5
9a. 42a ] „
106 b 5
107 b
n
11
203
~
S. c. ex domino Joanne eodem die
vesperi, quia doctor Lutherus labora-
bat ex catharro etc. versabatur in epistola
ad gall. quae lecta est eodem die de
lege pedagogo ad Christum et quomodo
Christus nos redemit a lege, ut totum
scribitur in postilla Lutheri, ex qua
omnia desumpsit.
S. e. ex ore domini d. Pomerani in
vigilia trium regum post prandium in
ps. 17. antea inchoatum.
Melanchthon,
S. c. ex ore d d Pomerani in die epi-
phanias domini. Prius recitavit euan-
gelium Matthei 2. de magis, deinde
postillavit euangelium recitatum.
S. e. ex ore magistri Froschleb a
prandio eodem die saneto trium regum,
quia hodierno die eciam Christus bapti-
gatus est.
Am Ende: His consumpsit concionem
suam magister Froschlebius, quia
doctor Martinus laborabat catharro
S. e. ex ore d. doctoris Pomerani
4. feria epiphanias dominieae in ca. 22.
Matthei. Simile factum est regnum ce-
lorum homini regi usque ad haec verba
multi sunt vocati, pauci electi.
C. s. ex ore Pomerani in ps. 18. die
sabbatino hora 3.
Melanchthon (Schluß der lectiones in Da-
nielem ).
S. e. dominiea post trium regum quae
erat 11 Januarii ex ore domini Pome-
rani in euangelium Luce 2. Cum esset
factus annorum 12 ete.
S. c. ex ore d. magistri Georgii eodem
die a prandio, quia dominus d. Luthgrus
laborabat catharro etc. in epistolam lectam
eadem die dominica ad Ho. 12. obseero
itaque vos, fratres ete.
1) Die beiden hier auf den 11. und 18. Januar gelegten Lektionen ,
lassen sich nicht genau bestimmen. Sie gehüren auf die Sonntage vom
11. Januar bis 1. Februar.
44
S. c. ex ore d. Pomerani feria 4** ante
prandium in c. 22. Matthei tuno abeuntes
eonsilium inierunt etc.
S. c. die sabbatino ex ore Pomerani
intra horam 3 et 4 in ps. 18. secundum
numerum hebreorum.
Melanchthon (in proverbia Salomonis’).
18] S.c. ex ore Pomerani dominica die
204
1534
107b Jan. 14
108b „ 17
9a. 43b ( „ 18]
109a [ ,
109b „ 18
110b „ 2l
111a „ 24
112a [ „ 25]
113a „ 25
113b „ 28
11442 „31
115a Febr. 1
116b „ 1
9a. 455 5„ 2
®
117b 2
77
ante prandium in euangelium nuptiae
factae sunt — —
S. e. ex ore domini doctoris Lutheri
eadem dominica die a prandio inter 3
et 4 horas.
S. e. ex ore domini d. Pomerani
feria 4'* ante prandium in c. 22. Matthei
In illo die accesserunt ad eum sadducei ete
S.e. die sabbatino ex ore Pomerani
in ps. 18.
S. e. ex ore domini d. Pomerani do-
minica die in euangelium Matthei c. 8.
de leproso curato — —
S.c. ex ore d. d. Lutheri a prandio
eadem dominica die.
S. e. ex ore d. Pomerani 4. feria in
c. 27. Matthei. Pharisei autem audientes,
quia silentium — —
S. c. ex d. Pomerano die sabbatiuo
in ps. 18. ubi incepit a versu bey den
heiligen bistu heylig ete.
S. c. ex ore domini Pomerani dominica
die ante prandium in c. 20. Matthei simile
est regnum celorum patri familias, qui
exiit — — l
S. c. ex ore domini doctoris Lutheri
eadem dominica die a prandio.
Melanchthon (2. lectio in proverbiorum
libellum). |
S. c. ex ore domini Pomerani ante
prandium in die purificationis Mariae etc.
primo recitato Euangelio repetivit de
gestis circa Christum — —
1) 8. Anm. S, 203.
45
1534
118a Febr. 2
119a » 4
119b á 7
9a.46a| „ 6
120b á 8
121a - 8
122a "EE
123a „ 14
9a. 48a [| „ 15]
124a [„ 15]
125b [ „ 15]
125 b „ 18
128 b 28
205
S. c. ex ore dd MLutheri eodem festo
purificationis de baptismo.
S. c. ex ore d. Pomerani feria 4 in
e. 23. Matthei. Tune Jesus locutus est
eum turbis etc.
S. c. ex ore domini doctoris Pomerani
die sabbatino in ps. 18.
Melanchthon ).
S. c. ex domino doctore Pomeran o dic
dominiea in euangelium de seminante
ea. 8 Luce.
S. c. eadem dominica die ex ore domini
d.Lutheri a prandio.
S. e. ex ore domini doctoris Pomerani
feria 4? in c. 23. Matthei in haec verba:
vos nolite vocari rabi — —
S. e. ex ore d d Pomerani die sab-
batino in ps. Celi enarrant gloriam dei etc.
Melanchthon ). Am Ende: Abfui hinc
Dessaviae.
S. e. ex ore domini doctoris Pomerani
dominica die in euangelium Ecce as-
cendimus Hierosolymam.
S. c. eadem dominica post prandium ex
d magistro Froschlebe in epistolam
Pauli ad Corinth. ea. 13. de charitate.
S. e. ex ore domini Pomerani die
einerum feria quarta in haec verba Vae
vobis scribae, pharisei — —
Am Ende: Concessi hine Dessaviam
voeatus sabbato post Estomihi et redii
die Jovis post Matthiae Hine conciones
aliquas neglexi tempore quo abfui Audivi
seriam concionem Dessaviae ex
Hausmanno dominica invocavit.
S. e. ex ore domini d. Pomerani.
Inicio repetivit dicta in enarratione psalmi
Celi enarrant — —
) Zwischen dem 8. Februar und 22. März schrieb Helt vier
Lektionen Melanchthons nach, deren Tage sich nicht genau bestimmen
lassen. Am 22. Februar war Helt nicht in Wittenberg. Die vier
Lektionen verteilen sich also auf den 8., 15. Februar, 1., 8. und 15. März.
1534
1
14
15]
15
15
18
21
22
22
206
9a. 515 [März 1
128 b »
129a »
130a "
130a =
9a. 53b | „
131a »
131a »
132a 5
132a 5
9a.55a y
133a 5
1) S. Anm. S. 205.
46
Melanchthon 1). Alia lectio quam incepit
ante signum horae.
S. c. ex ore d d Pomerani dominica
Reminiseere in Euangelium de muliere
Chananea Matthei 15.
S. c. ex dd Luthero a prandio eadem
die dominica. Hactenus audistis, quam
magnifice debeatis sentire de baptismo
nostro contra hostes baptismi etc. nunc
revertamur ad euangelium Joannis — —
Sequitur in textu expedit vobis, ut
vadam ete.
Dominico Oculi in arce praedicavit domi-
nus doctor Lutherus praesente prin-
cipe euangelium Luce 11 de demonio
eiecto et die sequenti de tentationibus
Christi ex Mattheo c. 3. quas non signare
potui propter pressuram populi quas
transeripsi ex Forsthemio.
Am Rande: Abfuerunt hine per octi-
duum visitatores. Hine non collegi con-
ciones ex Pomerano quia Pomeranus
rediit die Veneris post oculi eto.
S. c. ex ore d Pomerani in ps. 20 die
sabbati vel in vigilia letare.
Melanchthon).
S. c. ex ore domini Pomerani dominica
letare recitato euangelio — —
S. c. ex d d Luthero eadem die do-
minica in caput 16. — — Nunc audiamus
de3, quod iudicabit mundum de iudicio — —
S.c. ex ore d d Pomerani 4. feria
post letare. Ecce ego mitto ad vos
prophetas et sapientes usque ad finem
capitis 23.
C. s. ex ore d Pomerani die sabbatino
post letare in ps. 21.
Melanchthon.
S. c. ex d Pomerano dominica Judica ?
in euangelium Joannis 8.
2) Darüber: fac ut transcribas hunc sermonem, quia tarde veni.
47
1534
133b März 22
134b „ 24
9a.56a „ 25
135b „ 25
1364 „ 25
207
S. e. ex ore d d Lutheri eadem do-
minica post prandium. Omittamus nune
per hos dies futuros traetationem Joannis,
sed pro temporis exigentia de Christi
passione concionabimur.
S. c. ex ore d d Pomerani in vigilia
annunciationis Mariae a prandio recitata
epistola ex c. 7. Esaiae pete tibi signum
a domino etc.
Melanchthon.
S. c. in die et festo annunciationis Mariae
ex ore domini doctoris Jonae ubi reci-
tato euangelio.
S. e. eodem festo annunciationis Mariae
ex oredd Lutheri de passione Christi.
Darnaeh steht Bl. 136b am Rande:
In vigilia Palmarum neglexi concionis
partem primam propter nobilem Rho-
derum?) erat autem sermo de convivio
in quo accubuit Christus et Lazarus ubi
docebat de officiis illis externis charitatis
et familiaritatis quae praestanda aliis et
illa placere deo.
Dominica palmarum dominus d. Pome-
ranus porrexit in recensenda passione
Christi secundum ordinem historiae gestae.
Brevis summa concionis ex ore d d
Lutheri eodem die palmarum.
S. e. 4. feria post palmarum ex ore do-
mini Pomerani. Primo repetivit, quae
dixerat praecedenti sermone, deinde re-
censuit gesta die lunae, Martis et Mer-
curii — —
S. c. eadem 4. feria post palmarum repe-
tivit inicio quae dixerat d d Lutherus
in sua concione.
Melanchthon.
Summa concionis ex ore domini doctoris
Lutheri in die coenae domini mane
hora octava.
1) Oswald Röder vgl. Clemen, Helt S. 15.
2) Könnte auch auf den Palmsonntag, 29. März, zu legen sein.
208
141a
9a. 61a
142a
143a
143b
144b
9a. 63a
145a
9a. 64a
146a
1534
April
2
48
Am Rande: Hoc die eciam passio
domini solet praedicari in arce et tune
Hieronymus Weller praedicavit eam.
S. e. in coena domini ex ore de Pome-
rani a prandio. Incepit primo recitare
euangelium ex Joanne 13 usque ad haec
verba postquam autem lavit pedes
eorum — —
Melanchthon. Mane hora sezta.
S. e. in bona 6. feria mane ex ore domini
Pomerani hHeeitavit passionem in-
eipiendo ab iis quae Christus passus est
in Caiphae domo.
S. e. eadem sexta bona feria a prandio
ex ore d d Lutheri.
S. e. ex ore domini doctoris Pomerani
in saneta vigilia paschatis. Recitato euan-
gelio quod ineipit Convenerunt principes
sacerdotum ct pharisei ad Pilatum — -—
S. c. a prandio eadem sacra vigilia pas-
eatis. Lecta epistola ad Cor. ca. 5. de
fermento — —
Melanchthon.
S. e. ex ore d. Pomerani ipso die
pasehatis ante prandium. Primo recitavit
historiam de festo pro maiore parte horae
valde prolixe ex omnibus euangelistis,
ut videri licet in libello Pomerani.
impresso de passione et resurrectione
Christi etc. deinde dixit de usu resur-
rectionis — —
Summa brevis coneionis domini doctoris
Lutheri a prandio eodem die festo.
Melanchthon.
S. c. ex d. Pomerano 2. pascae ante
prandium primo reeitato euangelio Lucae.
(Fortsetzung im nächsten Heft.)
Die reformatorischen Kirchenordnungen
Ober- und Innerösterreichs.
Mitgeteilt, eingeleitet und erlüutert von Georg Loesche.
Verzeichnis der Abkürzungen.
GPrÓ, = Loesche, Geschichte des Protestantismus in Österreich. 1909.
Fischer — Fischer, Kirchenlieder-Lexikon. 1878f.
Herold — Herold, Alt-Nürnberg in seinen Gottesdiensten. 1890.
Jahrbuch — Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Pro-
testantismus in Österreich. Seit 1880,
Julian — Julian, A dictionary of hymnology. 1892.
Mützel = Mützell, Geistliche Lieder der ev. Kirche aus dem
16. Jahrh. 1855. |
Sehling = Sehling, Die ev. Kirchenordnungen d. XVI. Jahrh. 1902.
Simrock — Simrock, Lauda Sion. 1868.
RGG. = Die Religion in Geschichte und Gegenwart. 1909.
Die erläuternden Anmerkungen sind auch auf Nichttheologen
berechnet.
Vor der Kenntnisnahme der bisher ungedruckten Un-
kunden wird ein Überblick über die bereits veröffentlichten
deutschen Kirchenordnungen Alt-Osterreiehs willkommen sein.
Böhmen.
Elbogen, 1522. Sommer, Das Königreich Böhmen,
statistisch - topographisch 15 (1847), 1. 12. Loesche,
Mathesius 1895 s. v. A. Horčička, das geistige Leben
in Elbogen zur Zeit der Reformation, 1895. (Vgl. Jahrbuch
17, 235.) Über dem reichen archivalischem Befund im Stadt-
archiv zu Elbogen hat ein Unstern gewaltet; hoffentlich wird
ihn Prof. Dr. J. Weiss daselbst nun auswerten. Abdruck
von K. Reißenberger, Jahrbuch 2, 61—64, mit einigen
sprachlichen Erklärungen. O.Clemen, Zeitschrift für Kirchen-
geschichte 26, 82—94, bespricht sie, vergleicht sie mit den
Archiv für Reformationsgeschichte, XVII 14
210 50
Reformen in Wittenberg, beleuchtet die dem Auftrage des
Prager Domkapitels gemäß ergangene Entgegnung des Admini-
strators Dr. Zack und die Rechtfertigung durch W. Rappolt.
Sie enthält 17 Punkte: Der Messe soll die Predigt voran-
gehen; Abschaffung der Prozession, des geweihten Wassers
und Salzes; werktüglieh statt der Frühmesse Lesung des
Evangeliums und dann gegebenenfalls Messe; Abendmahl
unter einer Gestalt oder beiden; Ohrenbeichte steht frci;
Sonntags soll der Prediger vorsprechen: Zehngebot, Glauben,
Vaterunser, Ave Maria; Predigt des reinen Evangeliums;
Abstellung des Begüngnisses der Toten und des Seelen-
gedüchtnisses; Begleitung der Leiche; Freiheit des Kirchhofs;
Taufe in deutscher Sprache; Vespern, Metten u. s. w. nach
Belieben des Pfarrers; der Pfarrer empfängt den Zehnten,
Opferpfennig und Mühlzins, soll einen Kaplan halten und
dem Schulmeister den Tisch geben.
Sct. Joachimsthal, 1551. Ausführlich behandelt und
erläutert von Loesche, l. c. 1, 259—330; abgedruckt von
demselben im Jahrbuch 15, 1— 14.
Prag, 1611. Die deutsche Salvatorkirche richtete sich
nach sächsischem Vorbilde.
Vgl. über sie mein demnächst erscheinendes Werk:
Die böhmischen Exulanten in Sachsen.
Schlesien.
. Jügerndorf, 1561. Eheordnung. G. Biermann, Geschichte
des Protestantismus in Österreichisch-Schlesien, 1897 s. v.
Sehling 3, 448. Abdruck: Notizenblatt der histor.-statistischen
Sektion der K.-K. mährisch-schlesischen Gesellschaft zur
Beförderung des Ackerbaues u.s. w. 1871 7, 59—62. Jahr-
buch 13, 11—16. Sehling 3, 450. (Vgl. dazu Jahrbuch 31,
396.)
Freudenthal und Goldstein, 1584, 1591, 1592. Bier-
mann a. a. O. s. v., Sehling 3, 475. Abgedruckt: Schriften
der histor.-stat. Sektion l. e. 9, 342—354. Sehling 3, 476.
Teschen. G. A. Skalský, Jahrbuch 22, 1—17.
Sehling 3, 458—463. Bei beiden Abdruck.
51 l 211
Mähren.
Iglau, 1569, 1570, 1575, 1576, 1604. Wurzinger,
Bilder aus Iglaus Vergangenheit, 1904. Derselbe, Chronik
der Stadt Iglau, 1919. Trautenberger, die Kirchenord-
nungen von Iglau im 16. Jahrh. Jahrbuch 2, 143—177.
Vgl. ebd. 6, 141. 13, 55. 15, 178. 22, 187. 24, 283. 34,
237. Die Abhandlungen von F. Schenner: Ztschr. d. deut-
schen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens
2, 1. 15, 222. 16, 84, 374. 17, 114.
Abdruck der ersten vier bei Trautenberger, l. c.;
Sternberg, 1614. Wolny, Kirchliche Topographie von
Mähren 1855 f., 2,54. Trautenberger, die Münsterberger und
das Evangelium in Sternberg. Jahrbuch 11, 79—112.
Skalsky, Die Kirchenordnung von Sternberg. Jahrbuch 28,
78—122, hier auch Abdruck. Sehling 3, 464.
Niederösterreich.
1571. GPrÖ. S.32f. Böhl, Beiträge zur Geschichte
der Reformation in Österreich, 1902. Vgl. Jahrbuch 10, 48.
24, 270. 26, 201. 29,178. Druck: Christliche Kirchen
Agenda: Wie die von den zweyen Ständen der Herrn vnd
Ritterschaft / im Ertzhertzogthumb Oesterreich vnter der
Enns / gebraucht wird. s. l. [Stein] 1571. (4 Bl. CCXIIII
gez. Bl. 3 Bl), 4° (Ex. in Berlin, Kgl*Bibl.; Wien, Bibl. d.
Ev.-theol. Fakultät, während sie in tausenden gedruckt war).
Prächtiger Druck!
Die Vorrede nimmt Bezug auf die Augsb. Konfession
v. 1530. Der Inhalt gliedert sich in 13 Abteilungen.
I. Ordnung der Predigten. Grundlagen sind die h.
Schrift und die Augsb. Konfession. Anweisung zum rechten
Predigen. Zwei Predigten an den Sonn- und Feiertagen,
zwei in der Woche, nämlich am Mittwoch und Freitag.
Genaue Vorschriften für alle Predigtthemata; alle Sonntag-
Nachmittag im Winter und Sommer ist stets der Katechis-
mus za predigen; Mittwochs Erklärung der Sonntagsepistel,
Freitags die eines Evangelisten oder eines Briefes Pauli.
An dem alljährlichen Wahltage von Richtern und Rat Pre-
14 *
212 62
digt vom Amt der Oberkeit. Von Ostern bis Michaelis
wöchentlich ein Bettag für die Ernte; bei Teuerung, Pesti-
lenz, Krieg Mittwochs und Freitags Bußpredigten.
U. Von der Heiligen Tauffe. Zeremonien sind zu-
lässig, auch Gevattern, am besten drei; Taufe am geeignetsten
vor der ganzen Gemeinde; Exorzismus steht frei). Tauf-
ansprache, Gebete. Ermahnung und Fragen an die Gefattern?).
Taufformel. Gebet. Nottaufe. Nachträgliche Feier in der
Kirche, wenn das Kind am Leben blieb. Sollten die Be-
treffenden tiber die Nottaufe unbestimmte Antwort geben,
so faufe man wie ungetaufte Kinder?) Über Taufe alter
Personen, die bei Wiedertäufern erzogen sind, von Juden,
gefangener Türken ), mit geschichtlicher Einleitung °). In die
öffentliche Versammlung ist ein Bottich voll Wasser zu
stellen, um und um mit schönen Tüchern und Teppichen
umhängt; nachdem alle Dinge mit Predigten, Examen und
Gebeten verrichtet sind, weist man den Täufling unter die
Teppiche, wo er sich auszieht und ein langes weißes Hemd
anzieht und in die Wanne gesetzt wird; dann werden die
Teppiche aufgezogen und der Täufling wird dreimal mit
dem Haupt ins Wasser getaucht; die Gevattern ziehen ihn
jedesmal bei den Armen heraus; dann wird ihm das Wester-
bemd angezogen, die Teppiche ziebt man zusammen, und
der Täufling zieht sich an und begibt sich an seinen Platz.
Form des catechisn#, das ist, des Unterrichts, Vermahnens
und Befragens an den Catechumenum und seine Paten, mit
Unterstützung von Chorgesang.
III. Vom Catechismo. Über seine Wichtigkeit, auch
in Schule und Haus; die Pastores sollen dabei lieblich, freund-
gelig und holdselig mit den Kinderp fahren, damit sie nicht
abgeschreckt werden. Folgt der kleine Katechismus mit
Erklärungen, wesentlich nach Luther.
1) Über diese Frage: RGG. 2, 790.
*) Ebd. 4, 1256.
3) Vgl. Sehling 1, 1, 268.
€) Vgl. ebd. 2, 365.
5) Vgl. dazu RGG. 5, 1086f.
53 213
IV. Von der Confirmation!) Dieser Abschnitt ist
von einer für diese Handlung ungewöhnlichen Ausführlichkeit,
reich mit Ansprachen, Gesängen und Gebeten ausgestattet.
V. Von der Beicht vnnd Absolvtion. Die Einleitung
streitet u. A. gegen die Novatianar?), die denen, so nach
der Taufe sündigen, die Absolution versagen und gegen die
„zu unseren zeiten vnbedächtig vnd leichtfertig wider diese
priuatam Absolutionem disputieren: Ein Mensch könne die
Sünde nicht vergeben'.“
VI. Von Christlicher Kirchenzucht / Vnd daß der
Bann rechtmässig / vnd mit gebürlicher Bescheidenheit ge-
braucht werde.
Kein Pastor soll aus eigener AnmaDung die Leute
öffentlich in den Bann tuen oder mit Namen von der Kanzel
strafen, es sei denn, daß er nach vergeblicher Vermahnung
solehes zuvor hat an die gelangen lassen, welehe von den
zweien Stünden zu den Religionshandlungen deputiert sind
und von ihnen Befehl empfangen. Die Öffentliche Publi-
kation geschieht an einem Sonntag; nur die Teilnahme an
der Predigt bleibt dem Betreffenden gewährt®). Die Depu-
tierten haben auch über Wiederaufnahme zu entscheiden,
die wieder, während der Reuige vor dem Altar steht, öffent-
lich erfolgt, eingerahmt von Chorgesängen. Er kommuniziert
als letzter, indem zwei Kirchenväter ihn aufheben und zum
Sakrament führen. Solche Kirchenzucht ist Niemandem an
seinen Ehren verweislich. Von weltlichen Strafen ist nicht
die Rede. Solche Form der Buße wird auch u. a. mit
Frauen vorgenommen, die ihre Kinder etwa im Bette er-
liegen oder ersticken, wie leider oft geschieht.
VII. Ordnung der h. Christlichen Meß; in den Zu-
hörern bekannter Sprache, unter Zulassung lateinischer Ge-
sänge an Orten, wo Lateinschulen sind. Zu Ende der Pre-
digt soll der Pastor für die Stände und besonderlich, die-
weil diese Länder mit den Türken grenzen, für den Kaiser
1) Vgl. RGG. 8, 1642. Sehling 1, 1, 2. s. v.
N RGG. 4, 843.
*) Vgl. Sehling 1, 1, 206.
214 54
Glück und Sieg wider den Türken und alle Notdurft der
Kirche das gemeine Gebet tuen.
VIII. Von Festen vnd Feyertagen. Weihnachten an
drei Tagen; Beschneidung; Epiphanias; LichtmeD; Empfäng-
nis Christi; Tag Coenae Domini; Karfreitag; Ostern an drei
Tagen; Himmelfahrt; Pfingsten; Trinitatis; Mariä Heim-
suchung; Stephan.; Joh. Evang.; Bekehrung Pauli; Matthias;
Philippi und Jakobi; Täufer; Peter-Paul; Jakobus; Bartholo-
mäus; Matthäus; Michaelis; Simon Judä; Andreas. Die Ver-
ächter von Predigt und Sakrament soll man strafen; die
während des Gottesdienstes spazieren, etliche Tage in den
Turm setzen!) Auch die Oberkeit soll den Feiertag hei-
ligen. Marlae Magdalenae, Enthauptung Johannis, Marci,
Lucae etc. Evangelien soll man am nächsten Sonntag oder
zur Wochenpredigt lesen.
IX. Ordnung der Lection / Gesängen vnd Kirchen-
übungen / So täglich zur Metten / Vesper / Item vor und
nach der Predigt / am Sonntag vnd sonst die gantze Wochen
durch / gehalten sollen werden; dazu gehört auch das
Athanasianum®). Verweisung auf das Gesangbuch. Auch
wenn nur zwei oder drei Personen zu den Wochen-Gottes-
diensten kommen, sollen die Pastoren sie nicht aus Faulheit
unterlassen.
X. Von Gemeinen Gebetten /.Versickeln / Collecten /
vnnd Litanien. Ihre Wichtigkeit und rechte Verrichtung.
Verzeiehnis und Mitteilung.
XI. Vom heiligen Ehestande. (Wechsel der Ringe,
„wo sie die haben*.)
XII. Von besuchung der Krancken.
XIII. Vom Begräbnus der Todten. Auf Begehren
Leichenpredigt; Kreuz und Liechter nach Belieben,
Beschluß. Unterscheidung von Gott geordneter und von
Menschen dazu getaner Ceremonien; letztere wollen die zwei
Stände keines Menschen Gewissen aufdringen noch damit
den Feinden heucheln. Aber auch nicht hoffen, daß ver-
ständige Prediger gute und nützliche Ordnung als Menschen-
) Vgl. Sehling 1, 1, 228, 214.
*) RGG. 1, 719.
55 215
satzung durch tolles Schreien bei dem Pöbel verhindern oder
ja verächtlich zu machen, sich unterstehen werden. Gleich-
förmigkeit würde zum Strick des Gewissens und Aufhebung
christlicher Freiheit geraten; man bleibt bei dem Rat der
Augsburgischen Konfession.
Viele Stücke dieser Kirchenordnung wurden aufge-
nommen in dem sehr viel kürzeren und bescheiden aus-
gestatteten (360 Bl. kl. 8°) Werk von S. 177 an: Der
Fürnembsten Heubtstück Christlicher Lehr Nutzliche und
kurze Erklerung. Sampt einer Christlichen Kirehen Agenda.
Rostock. Gedruckt durch Jacobum Lucium. Anno MDLXXVIII.
(Exemplar in Rostock, Univ.-Bibliothek !).)
Dabei ist Folgendes sehr merkwürdig: Die Vorrede
von 1578 ist viel lünger als in dem Buch von 1571 und
enthält mehrere Hinweise auf die löbl. Stände, die man im
letzteren geradezu vermißt, und die nur auf N.-Österreich
passen (s. 178 f.): „Dieweil K. Maj . . auf der löbl. Stände
vielseitiges. Suchen . . Die reine Lehr . . den Ständen
offentlieh in ihren Sehlóssern, Heusern und Gebieten pre-
digen zu lassen .. vergönnet hat .. so ist diese Ordnung.
wie dieselbe bisher viel Jahr in dieser Land Euangelischen
Kirchen im brauch den meren teil gewest, schriftlich ver-
fasset und ausgangen, damit christliche eintrechtigkeit und
Gleichheit . . möge angerichtet werden.“ Das deutet aber
auf N.-Öst.?), während die Jahreszahl auf Inner- Osterreich
weist’). i
1) Inhalt: Dem Christlichen Leser. Summa der Christlichen
Lehre. 1. Wahre Erkenntnis und Anrufung Gottes. 2. Erschaffung
aller Creaturen. 8. Gesetz Gottes. 4, Sünde wider Gottes Gesetz
5. Verheißung und Vergebung der Sünden. |
Menschwerdung etc. Rechtfertigung. Erneuerung des h. Geistes,
Von der christlichen Kirche und h. Predigtamt. Sakramente. Buße.
Trost. Ceremonien. Weltliche Obrigkeit und Ehestand. Vom freien
Willen. Anferstehung.
Von S. 177 an: Agenda, Vorrede. Ordnung der Predigten.
Taufe. Katechismus. Konfirmation. Messe — Abendmahl. Von
Fasten und Feiertagen. Von Gesängen. Litaneien und Kollekten.
Beichte. Kirchenzucht. Ehestand. Kranke und Gefangene. Begräbnis.
Bestellung des Predigtamtes,
Y GPrÜ. S. 32 f.
3) S. unt.
216 56
Oberósterreich. — 1. Steyr.
Zur Literatur: Der Märkische Bote des ev. Gustav
Adolf-Vereins. 28 (1878), 45—48, 54—57. Pritz, Ge-
schichte von Steyr. 1837. A. Czerny, Die Anfänge der
Reformation der Stadt Steyr 1520—27. 1894. F. Selle,
Eine Bekenntnisschrift der Stadt Steyr vom Jahre 1597.
Jahrbuch 25, 165 fl. A. Hackel, Zur Geschichte der luther.
Stadtschulen in Steyr. 1903. (Fr. Selle, Eine österr. ev.
Parochie. 1903). (L. Kathner, Kurzer Auszug aus der
Geschichte Steyrs. 1905).
K. Schiffmann, Die Annalen (1590—1622) des Wolf-
gang Lindner. 1910. S. Jahrbuch 32. Nachtrag S. 9f.
A. Rolleder, die Schulen der Stadt Steyr in der Reformations-
zeit. Bearbeitet von E. Pillewitzer. 1918!)
Die dureh Eisen- und Stahl-Gewerbe seit fast tausend
Jahren berühmte Stadt beherbergte im 14. Jahrhundert viele
Waldesier, daher auch ein Inquisitionsgericht. Die Refor-
mation faßte hier festen Fuß. Das vor den Toren gelegene
Benediktiner-Kloster Garsten wurde fast ein evangelisches
Prediger-Seminar, von wo evangelische Geistliche ausgesendet
wurden; um so tätiger waren dann dessen Äbte für die im
Jahre 1598 einsetzende Gegenreformation. Unsere mund-
artlich merkwürdige Kirchenordnung ist außerordentlich ein-
gehend und sehr sozial gerichtet, aber auch voll Ergebenheit
gegenüber dem Stadtrat. Sie verweist auf Luther, Veit Dietrich,
Sachsen, Meißen und St. Joachimsthal. Eigenartig nimmt
sich der katholische Kantor in Ischl aus, der die evangelischen
Kinder nach Luthers Katechismus verhört, wie in der Auf-
klärungszeit das sogar bei Geistlichen vorkam.
1) Nicht unerwähnt sei der dreibändige ebenso hervorragende als
gegen alles Evangelische sehr gehüssige, das Geschichtliche geflissent-
lich verdrehende Roman der Freiin Erika von Handel-Mazzetti:
Stephana Schwerdtner, 31. Aufl. 1918. VgL meine Besprechung:
„Die Christliche Welt“ 1919 Nr. 17.
57 217
1. Von der christlichen Messe und anderen Kirchenbräuchen 1566.
2. Von der Christen begrebnis, 1567.
8. Instruktion für den Kantor und Organisten in Ischl 1597.
4. Instruktion für das ev. Ministerium in Steyr 1613?).
Wie es mit der christlichen messe oder ambt der heiligen
communion, auch mit etlichen anderen gebreuchen in
der Kirchen zu Steyr geordnet unnd gehalten
werden solle.
Vortrage
an einen ersamen raht daselbs durch ihre ordenliche Kirchen-
diener, beschehen den 6. novembris anno im 66 isten?).
Wenn die communion des heyligen abentmals allein
auff den sontagen und an anderen gewohnlichen feyrtagen
und festen des jars uber offentlich in der Kirche gehalten
wierdt, ists genug und ist unnott, dieselbige in der wochen
auf den wercktagen (ausser der gefahr in den sterbensleuffen,
wenn pestis regieret) anzustellen, und sol das volek zum
offtermalen auf der cantzel vermanet werden, das sie durichs
gantz iar offt und fleyssig zum heiligen sacrament ghen aus
villen ursachen, die ein verstendiger lerer wol wiert wissen
anzuzeigen, und das sie ir sacrament nemen nit sparen, nach
alter büpstlicher gewonheitt, allein auf die marterwochen uud
osterfest, da man mehr aus gewonheitt, dan auss rechter
glaubiger andacht hinzughet. Dan uber das, das solicher
zuelauff auff dieselbig zeitt den bäpstlichen falschen wohn
mit sich fueret, als sei das sacrament nemen sunderlich auf
dieselbig zeytt gebunden (wie im altem testament die niessung
des jüdischen osterlambs, so doch Christus seines leibs und
bluets abentmal offt im iar wil genossen haben, wie er spricht,
so offt ir das thuett etc.), so ist auch nit müglich, allem
volekh auf dieselbig zeytt auff einmal notturfftige ausrichtung
zu thun mit beicht hören und berichtigung des ungesiekten 8)
jungen und gemeinen volcks in der beicht, weliches doch
hoch vone nötten thuett.
) Stadtarchiv Steyr. Kasten II. Lade 29; aufgefunden von
Pfarrer D. Dr. Selle (in Aussee). Vgl. Preuenhuber, Annales
Styrenses 1740 S. 234f. Pritz a. a. O. S. 216. Nur die Zeichen-
setzung wurde im Abdruck geregelt.
) Sie wurde genehmigt.
*) Ungeschickten; wohl nur Schreibfehler.
218 58
Derhalben, obgleich das volck mit dicken zulauffen sein
alte gewonheit auf die fasten und osterliche zeitt halten
wolte, sol man doch mer nit zulassen, dan man mit behörung
undt examinirung eines yedlichen (nach gelegenheitt der
personen insunderheit), sunderlieh aber des jungen und. ge-
meinen voleks, weliches zu der zaitt am maysten komen,
und mittheyllung der privatt-absolution, notturfftigklich unter-
richten und abfertigen kan. Die andern solln auff volgende
tegen, da man die communion helt, verschoben und wider
zu komen beschieden werden.
Worinen aber die einfeltigen beichtkhinder zu fragen
und zu examiniren, auch zum heiligen sacrament nit zuzu-
lassen sindt, sie haben den derselben gefragten artickln ires
glaubens ainen zimliehen verstand, wöllen wir uns unter
einander einer eintrechtigen und christlichen form, so dem
catechismo gemess sey, vereingen und mit den albern!) und
schwachen in der erst ein zeitlang gedult tragen, bis sie
durichs wortt besser unterrichtet werden.
Und aus disen bedencken, das das sacrament niemandt
sol gereicht werden, der nit insunderheitt zuvor verhöret,
besickt?) befunden und absolviret ist, (wie soliches die
Augspurisch confession deutlich ornet*), im artickl von der
beicht) solln alle leutt, so des volgenden tages communiciren
wollen, am abent zuvor, nemlich am sambstag oder an den
feyerabendt, wen man zur vesper leittet, zur beicht komen
und sieh in der beicht aaf demutige bekentnus irer sindt,
rechten glauben und guetten vorsatz mit gottes wortt un-
terichten und mit der absolution trösten lassen. Den die
privat peicht*) mit nichten aus der kirichen sol abgethan
werden umb der tröstlichen absolution und nützlichen exa-
minis willen, darin auch die seelsorger innen kónen werden,
in welichen artickln die leutt unterrichts am maysten be-
dürffen, das sie dieselbigen hernach in iren predigen mit
grüDern vleiss treiben.
Es were aüch seer nützlich, das zur vesper am sambs-
tag und andern feyerabent, da die confitenten in der kirche
zusamenkomen, kurtze vermanungen an sie gehalten wurden
von der buess, von der beicht, von der absolution, von abent-
mal des herren, vom gebet und dergleichen christlichen haubt-
artickln, daraufs die beichtkinder seilige®) gedancken, herz-
1) Einfältigen.
) S. ob. 8. 217, 3.
3) Ordnet.
*) Vgl. Loesche, Mathesius 1, 272. E
5) Selige.
59 219
liche andacht, ware rheie, lebendigen frost, guetten vorsatz
uud brinstige lieb zur anrieffung und aller gottseiligkheitt
schöpffen und auch andere leutte dardurich zu derselben
stundt in die kürich zu ghen gereitztt wurden.
Soliche vermanungen möchte ein fleissiger diener zu-
samen klauben aus den schriefften Lutheri, und so ers aus-
wendig nach seiner gab nit thun wolte oder khante, die-
selbigen von wortt zu wortt aus dem Luthero dem gegen-
wertigen volcklein vorlesen. Man kundt auch anstatt diser
vereinungen unterweillen gebrauchen die sieben buesspsalmen')
und auf einmal ein vers oder zwen den zuhörern kürtzlich
erkleren. Den soliche vermanungen sollen uber ein halbe
viertl oder aufs lengest ein viert! stundt nit weren und sollen
nit auf der cantzel sunder vor dem mitl altar beschehen,
auff das man nit gantze predigten darauss mache.
An den heyligen abenden aber der grossen festen, ais
weinnachten, beschneidung ?), offenbarung ?), aufopferung, emp-
fenekhnus*) Christi, ostern, himelfartt, pfingsten, heylige drei-
faltigkheitt, Johannis des teuffers®), haimsuchung Mariae “),
Michaelis?) ete. möchte man auf ein halbe stundt zur vesper
ein predig thun von der cantzel und ein lection erkleren,
wie es im Wittenbergischen register?) bey dem neuen testa-
ment ist geornet, auch die leute des nechsten suntags zuvor
vernemen, das sie zu soleher predig in die kirichen khemen.
Durich dise ornung, wen die leut auf den abent ire
beicht thun, wiert man sie zue einer feinen christlichen ge-
wonheitt bringen, das sie ire gebette zu gott und betrachtung
seines göttlichen willens und wolthat desto besser haben
werden und also des heiligen sacraments recht und seiligk-
lieh brauchen. Den, wo man den abent zuvor nicht darzu-
nimmt, ist der ernst des andern morgens auch nit sehr grob.
Derwegen man auf den morgen one grosse nott und ursach
niemand hören sol, der auf den abendt nit khomen ist. Denn
auch die priester der zeitt zu morgen frue bedierffen zu irer
meditation auf die predigten und verichtung anderer dienst
in iren khirchenambt.
. Auff den morgen were guett, das man alle feyrtegen
frue ein predigt hielte, im summer umb 4 uhr, im winter
1) 6. 52. 38. 51. 102. 130. 143.
*) 1. Januar.
*) Epiphanias. 6. Januar.
*) 25. März.
5) 24. Juni.
*) 2, Juli.
?) 29. September.
5) Sehling 1, 164 (Visitatoren-Unterricht 1528).
220 60
umb 5 uhr fir das gemein handwerckes volckh und haus-
gesindt, weliches sunst in der selbigen stundt eintweder
schleffet oder spaciren ghet, und weren soliche predigten
sunderlich von nötten für das gesindt, so zwischen dem ampt
daheim bleiben miessen in den heusern, damit sie vormittag
nit on gottes wortt blieben. Zu solicher predigt würden sich
an zweifl auch die communicanten finden; man konte in
diser stund die evangelia predigen umb des gesindes willen,
das hernach nicht darzukommen kan, oder aber die episteln,
und sol im summer balt nach 5, im windter umb 6 auf sein.
Wen es nun ghet auf die 7. stund, sol der mesner zu
khirichen leutten und dan den altar mit saubern leien!) und
seidenen (wie sie one zweifl noeh vorhanden sein werden)
altartichern fein zierlich bedecken. Und weyl das liecht
in der schriefft vil schöner deuttung hat vom göttlichen trost,
wortt und heyligen geyst, als da der prophet?) am 7. eap.
spricht: so ich im finster sitze, so ist der herr mein liecht,
das ist, wan ich in triebsal bin, so ist gott mein trost; ltem
psal. 1199), dein wortt ist meines fusses leuchte und ein
liecht auf meinem weg; desgleichen hatt der heylig geyst
in feurigen flammen sich sehen lassen am Pfingstag, (daher
der alte fein khirichengebrauch ist khomen, welichen auch
D. Luther‘) in den sechsischen und meisnischen khirichen
nie hätt abthun wóllen, auff dem altar unter der mess liechter
zu halten) so mag man zwey grosse brennende wachsliechter
auf messingen leuchtern aufgesteckt, wie vor alters breuchig,
auf den altar setzen und bis zum endt der communion brenen
lassen.
Und wiewol der priesterlich ornat oder mesgewandt cin
zeitlang in diser khiriche (doch mit kheinen gemainen orden-
lieben consens oder abschaffung) ungebraucht blieben ist, so
wöllen wir doch in disem stückh, was die khirichenkleider“)
belanget, ghern aus lieb und von wegen gleichformigkheit
mit den reien®) evangelischen khirichen, auch zu merer
eusserlicher eher des hochwiertigen gottlichen ampts und
zu verhüttung pösser nachredt disen khirchen, den gewon-
lichen ornat fir dem altar wider anzichen, sintemal es auch
an im selbs sich geziemen wil, das ein khirichen diener
1) Leinen.
3) Micha 7, 8.
*) V. 105.
*) Sehling 1, 14.
) Caspari, Die geschichtliche Grundlage des gegenwärtigen
evang. Gemeindelebens, 1894 S. 121. Sehling 1, 1 s. v. Chorrock.
RGG. 1, 446. ~
*) Rein.
61 221
anders in der khürich stee und ghe, wen er gottes ambt
verweset, denn er sunst auf der gassen oder in dem hauss
ghet. Und S. Paulus selber sagt, cor. 14!), es soll alles in
der khirichen eherlich und ordenlich zughen. Gleicher weiss
haben die heiligen patriarchen ire besunderen priesterlichen
kleider gehabt, wie gene. 27°) zu sehen, das wir der kleider
Aaronis®) im levitischen priesterthumb geschweigen.
Da man aber sorg hette, es wurden sich etliehe in der
gemeinden ergern, da doch hieran sich zu ergern niemand
ursach genug haben khan, khonte soliches durich einen
guetten bericht auf der cantzel leicht vorkomen*) und ab-
geleinet^) werden. Unverstendiger und leichtfertiger leut
rede mus man herinen nit achten.
Nach zuberaittung des altars, wen die schul in den
chor getreten und hernach auch der priester fir den altar
in seinen ornat, und mag eintweder der chor das ambt an-
fangen mit dem introitu?) de dominica oder festo oder die
orgl?) wie bisher gebrauchlich, oder aber der chor mag vor
der orgl singen den deuschen?) lobsang Zachariae?) Gelobt
sey der herr, der gott Israhel etc., oder einen andern
geistlichen gesang, und dan nach der orgl den introit, darauf
das kirie eleison!^) gloria in excelsis!) et in terra pax
oder das teusch, allein got in der hóche sey ehre 1).
Darnach lesse der priester fir dem altar ein collecta
deusch, fein hell, deutlich und langsam, damit die gantz
khiriehe soliche wortt hören und vernemen und im hertzen
dieweil auch also gedenckhen und betten möge. Und zum
selbigen fleissigen aufmercken und betrachtung im hertzen
solln die prediger auch das volckh in iren predigten zu
gelegner zeit vernemen.
1) I, 14, 40,
9) 28, 2.
*) (Exodus 31, 10, 35, 19.) Levit. 8, 7f.
*) zuvor gekommen.
5) Abgelehnt, verhindert.
6) Weim. A. 19, 208. Sehling 1,1 s. v. Gesang. Kümmerle,
Encyklopüdie der ev. Kirchenmusik. 1 (1888), 683f, v. Liliencron,
Liturgisch-musikalische Geschichte der ev. Gottesdienste von 1523— 1700.
1893 S. 13. RGG. 8, 574.
?) G. Rietschel, Die Aufgabe der Orgel bis ins 18. Jahrhundert.
1893 8. 25. Sehling 1, 1 s. v. RGG. 4, 1010,
8) So durchweg in der Handschrift, wohl Schreibfehler.
) Luk. 1, 68.
10) Sehling 1, 14.
H) Luk. 2, 14. Kümmerle 1, 485.
13) Mützell 1, 231.
999 62
Was aber fir colleeten solln gelessen werden, wiert den
khirichen diener allerwege die zeit und gegenwertige nott
erinnern. Dan auf ein igliches christliches fest im iar ist
ein besundere collecten geornet!) So hat man auch allent-
halben in den christlichen agenden unterschiedliche collecten
fir geystliche oder leibleiche gaben zu bitten, als umb ver-
gabung der sinden, umb den heiligen geist, umb sterckung
im glauben und gehorsam, umb friede, schön wetter, regen,
feichte auf dem lande, wider den tirkhen?) und andere
feindt und verfoliger des wortts. Die wirt ein khirichen
diener jeder zeit nach erforderung der not zu gebrauchen
wissen. Itziger zeit?) sol die collecta wider den tirckhen
gelessen werden.
Weil die collecte fir dem altar gelessen wirt, sol der
ander gesellpriester*) auf die cantzel ghen, und dan, wen
der chor das Amen auf die collecta gesungen hatt, die
epistl des selbigen sontags oder festes dem volckh laut und
langsam firlessen.
Darauff sing man im chor einen lateinischen sequeptz ?)
oder andere geistliche gesang deusch, oder es kan unter-
weillen der chor dem lateinnisch sequentz also singen, das
alzeit ein lateinisch vers vom chor und ein gsetz*) eines
deuschen geystlichen gesangs von der gemein umb einanderr
gesungen werden, und khan dennoch der organist entzwischen
schlagen“). Den man sol die gesang in bayderlay sprachen
in der khürichen erhalten und uben, die lateinischen, weliche
rain?) sindt und auss der heiligen schriefft genumen, umb
der jugent willen in der schule, und die deuschen umb des
gemeinen voleks willen. Doch weil dem grössern tail der
khirichen allein die deusche sprach bekhand, were guett,
das auch der merer tayl der gesangs, wen die gemain an
feyrtagen beysamen ist, deusch verichtet wurde. Den vor
der predig singet man itzundt zu wenig deusch, und sollen
die khirichen diener das volekh ermanen, das sie die ver-
1) Vgl. Schling 1, 1, 274f,
N) Sehling 1, 1 s. v. Cosack, Zur Geschichte der ev.-asket.
Literatur 1871. S. 163—242. 202. Loesche, Mathesius 1, 306,
) 13. Kriegszug Suleimans nach Ungarn als Schutzherr Zapolyas.
Suleiman 4. Sept, und Zriny 7. Sept. tot.
4) = Hilfspriester.
5 RGG. 5, 602.
9) Strophe. 7
7) Da der Orgelbau damals schon vervollkommnet war, ist schlagen
nicht mehr wörtlich im Sinne des MA. zu verstehen. Kümmerle
2, 582f. 608.
5) D. h. nicht katholisch.
63 223
ordenten gesang lernen und mit gemainen khirichengesang
unsern herrgott helffen loben.
Wen gemaine fahr vorhanden ist, mit dem Tirckhen,
sterbenslauffen, theuerzeit oder andern landplagen, mag man
auf die epistl die deusch litaney!) singen.
Darnach lese der priester, welicher- vor?) die epistl
gelesen hatt, in gleicher gestalt das evangelium de dominica
oder festo, widerumb auf der cantzel deusch gegen dem
volek. Und so personen, so zur ehe greiffen wöllen, auf-
zubietten sind, sol soliche aufbott stracks damals nach dem
verlesenen evangelio beschehen, drei sontag nach einander,
wie sichs gebiret und nit nur ein oder zweimal ete. Dann
singe der priester für dem altar: Credo in unum deum?).
Darauff der chor: patrem omnipotentem, nach gewonlichen
notten, fein langsam. Darauf die gemein: Wier glauben..
deusch. Es khan auch der organist zwischen dem latei-
nischen patrem und deuschen glauben schlagen. So es aber
wil zu lang werden, mag das schlagen nach*) bleiben, die
gesenge aber solln fir sich ghen.
Darauf voliget die gewonliche predigt, ein stundt lang
ungeferlich sambt dem gemainen gebette. Und damit das
volek nit von stund an nach der predigt heuffig aus der
khirich lauffe, wie es bisher in gewonheit gehabt, sol der
prediger die leutt offt vermanen, bei der heiligen communion, -
so nach der predigt gehalten wiert, zu bleiben und alda das
grosse gnadenwerkh zu betrachten, das in der austeilung des
leibs und bluds Christi gehandelt wiert, auff das durich
soliche anschauung und betrachtung ein ider“) christ zum
offtern gebrauche des heyligen sacramente gereitzt werde und
grössere andacht fache )).
Wen die predigt geendet, sol man ein deusch liedt im
chor singen, damit die, so communiciren wöllen, unter solichen
singen sich hinfir fir den altar versamlen mügen. Daselbs
solln sie fein andechtig niderkhien, die manspersonen an
einen und die junckfrauen und frauen an einen andern ortt,
wie dan der chor zur solichen brauch gereinnef") und mit
einen feien®) gelender unterschieden werden sol. Nach dem
) RGG 3, 2173. 3) Vorher.
*) Oder ,Patrem', also das nicäno — konstantinopolitan. Gikabeuse
bekenntnis, aus dem Luthers: Wir glauben all'; Mützell 1, 18. Fischer
2,999. Julian S. 1287.
4, Fort.
5) Jeder.
*) Intransitiv: anfange.
) Geraint, abgegrenzt.
*) Feinen.
234 64
liedt mag der priester (weil es die khirich alhie also ge-
wohnet) ein vermanung und unterricht von hochwierdigen
sacrament dem volckh vorlesen, oder weliches wier fir be-
quemer achten, dieweil es sich mit disen vermanungen eben
lang verzeucht und one das die confitenten auf den abent
vor der beicht soliche vermanungen hören soln. Wie oben
angezeigt, möchten soliche vermanungen vor der commanion
abgestelt werden, wie sie auch anderer ortten in den christ-
lichen khirichen wenig im brauch sind, damit das volckh
nit mit uberdrues werde aufgehalten. Derhalben mag der
priester, wen das liedt vom chor ausgesungen, von stundt
an anfangen zu singen das vater unser!) und darauf die
wortt des testaments deusch nach feinen lieblichen noten,
wie sie in den christlichen, agenden?) verzeichnet sind.
Auf den hohen festen lass man das deusch liedt nach
der predig aus und sing vor der communion die prefation ê)
de festo, deusch oder lateinisch anzufangen mit disen wortten:
dominus vobiscum oder der herr sei mit euch ete. Darauf
sing’ der chor: sanctus, deusch*) oder lateinisch’), figurate),
und khan der organist auch etwas khurtz darauff schlagen.
Dan sing’ der priester allererst das vatter unser und die wort
vom abentmal *). |
Hierauff communicir man das volekh mit dem leib und
blud christi im abentmal in baider gestalt, wie es unser herr
Christus selber eingesetzt und geornet hat. Auf der ainen
seitten reich der priester, so das ambt halt, den leib Christi,
auf der andern seitten reiche der ander priester im chor-
roekh das blud Christi aus dem kheliche.
Und sollen die leutt fein zichtig und orndenlich mit
hertzlicher andacht hinzughen, erstlich die manspersonen,
darnach die junckfrauen, letzlich die frauen, und dan, wen
sie gespeist sein, sich widerumb sittlich an ir voriges ortt
stellen, niderkhnien und ir gebettlein heimlich zu gott sprechen.
Es sol auch das weiber volekh an den tagen, wen sie
zum sacrament gehn, des uberigen schmucks sich enthalten.
1) Mützell 1, 19. Fischer 2, 292. Julian S. 1205.
3) Sehling 1, 1, 14b.
) Kümmerle a. a. O. 2, 718. Loesche, Mathesius 2, 302.
*) Gott sei gelobet. Mützell 1, 24. Fischer 2,234. Julian S. 411.
5) H.R. Köstlin, Geschichte des christl. Gottesdienstes. 1887. S. 175.
) Figuralmusik oder Mensuralmusik, mehrstimmiger Satz. Küm-
merle 1, 589. Wolfrum, Die Entstehung und erste Entwickelung des
deutsch. ev. Kirchenliedes in musik. Beziehung. 1890. S.98. v. Lilien-
cron a. a. O. S. 26, 87.
7 Weim. A. 12, 212. Sebling 1, 1, 6. 15.
65 225
Die jungfrauen sollen ane!) khrentze?) oder mit bedeckhten
heubtern*) sein. Das ınansvolckh sel leichtfertiger geberd«
und klaydung sich euthalten, als die mäntl uber die achsel
schlagen und dergleichen. Damit bey disem hochwierdigen
werckh rechte gottsforicht, demuet und andacht an allen
leutten gespiret werde. Weliche eltern ire khinder zum
sacrament füren, sollen sie fein ziehtig vor inen lassen her-
ghen und sie christliche anweissen.
Es ist auch an andern christlichen ortten bei der aus-
teilung des hern abentmal gebreuchlich, das zwo oder vier
personen grine seidene tüchlein des priesters hende unter-
halten und gebogen auf der comunicanten brust geschlagen,
damit, wo sich unrath (welichen doch die diener mit höchster
sorg verhietten sollen) zutruge, das eintweder das gesegnete
brod entfille oder eiu tröpfflein aus dem kelich verschittet
wurde, soliches in dem tichlein aufgefangen und die unehre
des heiligen sacraments so vil möglich verhiettet werde“).
Und zu solichen dienst pflegt man gottsforichtig namhafftige
menner zu verordnen in eherlichen khleidungen, gemeinkliclı
aus dem mitl des raths. Im Joachinstal thuett es alzeit der
burgermayster und richter selbs°). Unter der Communion
sol man singen: Jesus Christus unser hailland$). Item:
gott sey gelobet?. Agnus dei?) Isaia dem propheten?).
Ich danekh dem herren von gantzen hertzen ete. eines
oder mer diser gesang, nach dem der communicanten vil
oder wenig sein. Und zum beschluss: Christe, du lamb
gottes 100. Man khan in denn geferlichen zeitten zwischen
der communion auch die litanei singen, so man sie vor der
predig nit gesungen hatt. Und soln die leut in der predig
vermanet werden, das sie dabei bleiben und mit andechtigen
singen aus glaubigen hertzen gemaine nott gott helffen fir-
tragen.
) Ohne.
1) Kränze; vgl. Loesche, Mathesius 1, 277.
3) Als nach paulinischer Vorschrift. I. Kor. 11, 5.
*) Solcher Brauch reicht bis in die neuere Zeit; vgl. das Gemälde
von H. Vogel, Museum Hannover.
) Loesche, Mathesius 1, 277.
© Von Luther. Mützell 1, 22.
7) S. oben S. 224, 4.
*) Julian S. 30.
?) das geschach, das er im Geist den Herren sitzen sach.
Jesaias 6, I. Sehling 1, 1, 16.
10) Fischer 1, 71.
Arehiv für Reformationsgesohichte XVII. 8. 15
226 66
Nach der communion lieset der priester die danckh-
sagung fir dem altar, darauf der chor das Amen singet. Den
wendet sich der priester umb und spricht den segen Mosi
uber das volckh numeri 6: Der herr segne dich und behiett
dich, und ghe darnach jederman in friede heim.
Wen es nun alles zu khirichen aus ist, wer erst zeit,
das die pfeiffer auff dem Turm ir hoffrecht maheten oder
zu tisch bliessen, und sol nit vor oder unter der communion
gestattet werden, wie bis anher.
Diss ist die christlich weyss in dene evangelischen
khirichen, die heilige communion im offentlichen ambt zu
administrieren, wie wirs dan von nun an auch alhie in diser
khirichen, weliche gott aus genaden mit seinen wortt hat
haimgesucht, aufzurichten und bestendcklich zu halten ent-
schlossen sein. Und bitten einen ersamen und weyssen rath
zu Steyr, unsere christliche und gebietunde herren, sie wöllen
soliche ordnung im namen Christi ihnen gunstcklich gefallen
lassen und dieselbige wegen ires tragenden ampts, als ein
christlicher magistratt durich publieirung fir irer gantzen
gemain ratificiren und bestettigen lassen, mit iren christ-
liehen schutz fest darob halten, auch mif eigenen exempl
und vleissigen baisein all zayt ehren und schmukhen und
dran sein, damit soliche christliche ordnung zum ehisten
möcht fir die hand genumen undt in ganghafftiges werkh
gesetzt werden, darbei wir dan das unser; sovil uns geburet
und muglich, mit höchsten fleyss thun wöllen. Gott der ewige
vatter im himel verleiche darzu seine gnad und segen, das
es hie und an villen ortten, die villeicht unsern exempl
voligen móchten, zu seines namens lob, eher und preyss ge-
reiche und erhelt dise khiriche bei dem rainen wortt und
christlichen Ceremonien wider alle, die es anfechten möchten.
Hilff, herr Jesu Christe, das wir dein wortt bescheidenlich
handin und treulich pflantzen mögen. Amen.
Wie es nach mittag am feyertagen sol gehalten werden.
Nachmittag an den feirtagen sol die predig bleiben, wie
sie itzund gehalten wierdt, umb 12 hora; doch das man
zwischen 11 und 12 leutte, damit die leut hinein khomen
und etliche psalmen singen vor der predigt, die der cantor
mit seinen schulern auf dem Chor anfachen und regiren sol,
und sol in diser stundt zum meren tail vor der predigt das
deusch te deum laudamus gesungen werden, herr gott dich
loben wir!) etc. Umb 12 schleg sol der prediger auf der
) Von Luther. Mützell 1, 39.
67 | 297
oantzel sein und uber 3 viertl stund nit predigen, damit es
umb eins ghar aus sey, und wer guet, das zu diser stund
durichs gantz iar nits anders den der Chatechismus geprediget
wurde, weil dise predigt firnemlich fir das gemaine gesinde
ist angestellet, so vormittag in die predigt nicht hat khumen
mögen. Allein an den festen sol man die hisforia des fests
handin und in der fasten die heilige passion, auf das das
gesinde, so in der wochen nit in die khiriche mag khumen,
auch etwas davon höre und lerne, und solln die hausvätter
von den predigern vermanet werden, das sie ir gesind vleissig
in dise predigten ghen lassen. Die suntags epistln möcht
man in der wochen auf einen fag predigen, so sie am suntag
frü nicht geprediget werden.
Nach der predig, wen man erstlich einen khurtzen
deuschen gesang gesungen hatt, sol der cantor die vesper!)
anfangen mit psalmen und antiphen?) wie sichs gebiret.
Darauff sol ein khnab dem volck fir dem mitlaltar ein lection
vorlessen aus der bibel, wie es der mittag prediger ornet,
die sich etlichermassen mit seine predig reime, als etwan
ein historien, die er in seine predig hatt eingefiret und der-
gleichen. Hierauf singe der cantor den hymnum) und
magnifficat‘), jhe deusch ye lateinisch. Dan less der priester
ein deusch collecten, und der chor beschliesse darauff mit
dem benedieamus*) eto.
Wen die vesper in der pharr aus ist, sol alsdan die
khinderlehr im kloster khirichlein anghen, 'ungeferlich umb
2 uhr und umb 3 aus sein. Darvon wils gott aufs nechst
ein verzeihnus einem ersamen raht sol ubergeben werden,
wen ein l. r.“) zuvor notturfftige bestallung mit der schulen
hatt gethan, sunderlich mit der meidlschul, weliche in alweg
zuvor muss ins werckli khumen.
Am werckhtagen.
In der wochen an den wercktagen, daran man pfleget
zu predigen, sol man ein viertl vor 7 leutten und das volckh
vermanen, das es zeitlich hinein khume, damit der prediger
umb 7 schlege möge auf der cantzl sein. Da sol die predigt
ein halbe stund oder aufs lengst drei viertl weren und nit
!) RGG. 4, 717.
3) Ebd. 8, 2330. Loesche, Mathesius 1, 808.
3) sc. de tempore (vom Kirchenjahr); RGG. 1, 1350.
) Mariens Lobgesang Luk.1,46—55. Kümmerle 2,768 Anm., 724 f.
5) Loesche l. c. 1, 304, 3.
$) Lóblicher Rat.
15*
228 68
lenger, auf das es mit dem singen zu achten aus sey und
ein yeder wideramb mög an sein arbait ghen. Den an
werekhtagen sol man die leut nit mit langen predigten auf-
ziehen), auf das sie alle tage desto lieber in die Khirichen
ghen. Vor und nach der predigt sollen geistliche deusche
lieder gesungen werden, die der cantor mit etlichen seiner
khnaben sol anfahen. Wiewol an den werckhtagen bei den
predigten billich sol der sehule versehonet werden, damit den
khnaben an iren lectionen desto weniger hindernus geschehe,
und sol soliche ambt des mesners sein, die deuschen lieder
an den werckhtagen deme volekh vorzusingen, es sey dan,
das man die litaney singen wil, wie dan itzt billich alle weg
nach der predigt besthen sol; da soln ein, 2, 3 oder 4 khnaben
darzu verornet werden. Und soliche khnaben, die der khirichen
dienen, solln von der khirichen uud vermöglichen bürgern ir
brodt oder etwas zu irer unterhaltung haben. Auf die litanei?)
oder deuschen psalmen sol ein deusch collecten von dem
priester gelessen werden fir dem mitl altar und darauf der
segen. Dan ghe das volckh haim!
Von metten*) und vespern*).
Man sol auen durichs gantze iar alle tage zu gewön-
licher zeitt metten und vesper singen, die metten im summer
umb 5, im winter umb 6 uhr. Zum beschluss der metten
sol die betglockhen geleuttet werden, weil die khnaben nach
in der khirichen sind; da solln die khnaben in der khirichen
auf die khnie niderfallen und mit andacht langsam singen:
Erhalt uns herr bei deinen wort"), item: verleich uns frieden
gnedigklich®). Die vesper alle zeit umb zwei nachmittag in
solicher ordnung, wie mans in den christlichen agenden’)
verzeichnet findet, dabei alweg ein capitl aus dem alten oder
neuen testament ordenlich nach den büchern der bibel sol
. glessen werden, non einen lateinisch, von dem andern deusch.
Und zu dem deuschen sol man auch die summarien Veitt
Dietrichs®) lesen. Darauf volget der hymnus?) und magni-
1). Aufhalten.
*) S. oben S. 228, 1.
5$ RGG. 1, 1350.
4) S. oben S. 227,1.
5) Mützell 1, 34.
5) Von Luther 1529, nach der Antiphone: Da pacem (2. Reg. 20,19).
7) S. oben S. 224, 2.
9) 1541 u. 1514, sind noch im 17. Jahrh. neu aufgelegt; RGG. 2, 78.
*) sc. de tempore, s. S. 227,8.
69 229
ficat!), zulezt lese der priester ein lateinische collecten und
der chor benedicamus domino).
Zu diser metten und vesper werden ane zweifl etliche
frame leuttlein hineinghen, wen man sie darzu vermanet,
sunderliche umb der biblischen lection willen. Wen nur ein
ersamer rath denen auf der schul erstlichen befelich thuett,
das sie solich teglich singen nith verseumen. Und der
pfarher sol herinen ein fleissig aufsehen haben. Es ist auch
von nötten, das zu solichen werckh zwe bibeln grobes truckh
lateiniseh und deusche in die khiriche gekhaufft oder ge
geben werden.
Es miste auch dem cantori auferlegt werden, das er die
khirichen geseng, beide choral und figurat?) unterweilen
auch die deuschen gesenge, die dem khnaben unbekhand
sindt, alle tag ein stundt mit den khnaben in der schul
durich die gantze wochen ubersunge, als nemlich von 12 bis
auf 1 uhr, damit sie an dem sontag iu der khirich drin ge-
übet und dieselbigen fertig singen khonten.
Und damit der pfarher oder prediger ein wissentschafft
habe, was man in der khirichen singen werde, item ob die
lateinischen gesenge rain sein, auch wie man die deuschen
lieder fein ordlichen in alle sontage des iars und andere
fest vor ünd nachmittag austheilen und singen solte, damit
sie der gemaine bekhant und leuffig gemacht wurden, so sol
der cantor alle weg, ehe ehr die gesenge anfahet in der
schul zu ubersingen, sich zeitlich bey dem pfarherr oder
prediger angeben, den text des chorals ubersehen lassen, und
wess er sich hierinen verhalten sol, erkhundigen; desgleichen
sol er thun- mit dem metten und vesper gesengen von wochen
zu wochen, biss mans ein gantz iar uber versuchef und in
ein gwisse ordnung gebracht hatt.
Wolfgangus Prenner, pastor.
Basilius Camerhofer.
Johannes Schreyer.
Johannes Mülwalder.
Wolfgangus Agnellus.
Anmerkungen zu den Unterschriften von Dr. Friedrich
Koch-Gmunden, Vgl. Jahrbuch 24, 209.
Wolfgang Brenner aus Plauen war Schulmeister zu Falken-
stein, berufen unter Caspar Pflugk als Pfarrer nach Neudorf, ordiniert
am 12. April 1542 in Wittenberg, erscheint 1567 in Steyr gelegentlich
der Kirchen- und Schulordnung, als Stadtpfarrer daselbst am 19. August
1576 gestorben.
1) S. S. 997, 4. *) S. S. 297, 5. *) S. 8. 224, 6.
230 70
Basilius Kammerhof er (, Camerhover“ im Ordiniertenbuche)
aus Aflenz in Steiermark gebürtig, wurde am 30. April 1559 in Witten-
berg ordiniert für Freiberg in Meissen; er wurde 1566 öffentlich auf
der Kanzel der Pfarrkirche in Steyr der Gemeinde vorgestellt und
in sein Amt als Diakonus eingesetzt, Für seine dem Rat in Steyr
gewidmete „Kinderbibel“ 1570 erhielt er 50 Dukaten. Streitigkeiten
mit dem Schloßprediger des Burggrafen daselbst, dem 1567 aus Erfurt
berufenen M. Amarus Gotter. Kammerhofer starb am 10. Mai 1572.
M. Johannes Schreyer (,Schreier^ im Ordiniertenbuch) war
ein Tischlerssohn aus Steyr. Hatte vier Jahre lang Andr. Cydonius,
zwei Jahre lang M. Thom. Pegüus zu Lehrern, studierte vier Jahre
lang in Wittenberg, wohin von Steyr Stipendien gestiftet worden waren,
kehrte dann aus Geldmangel zurück, half ein Jahr lang dem Präzeptor
M. Th. Pegáus, wurde Prediger im Spital und an der Stadtpfarrkirche,
in Wittenberg am 25. Juli 1565 von Paul Eber ordiniert. Er starb 1583.
Johannes Mülwalder. Seit 1559 Kaplan in Steyr; gestorben
1598 (aus dem Kloster Garsten).
An Brenners Statt wurde zum Stadtpfarrer gewählt: Wolfgang
Lempel (so hat er selbst sich geschrieben) (Agnellus) Er war
erst Conventual in Garsten, 1567 Kaplan an der Stadtpfarrkirche in
Steyr und wurde 1576 Stadtpfarrer. 1599 (Jänner) mußten die Geist-
lichen aus Steyr fort. Lempel ging nach Wittenberg. Er starb am
28. März 1614 in Freiberg in Meissen.
(Fortsetzung im nächsten Heft.)
Ein Brieffragment von J ulius Pflug.
Von 6. Bossert.
Die große Sammlung der Landesbibliothek in Stuttgart
von Geh. Rat Frommann aus dem 18. Jabrhundet enthält ein
ansehnliches Stück eines Briefes von Julius Pflug, dem da-
maligen Domdechanten in Zeitz, das mitten in einem Satz
beginnt. Der ganze Drief bestand ursprünglich aus 2 Folio-
bogen, von welchen das erste Blatt doppelseitig beschrieben
war, während das letzte Blatt auf der Seite a leer war und
auf der Seite b die Adresse enthielt. Dieser Bogen fehlt,
so daB wir die'Adresse nicht kennen, an welche der Brief
gerichtet ist. Dieselbe wird sich aber wohl feststellen lassen
mit Hilfe der eingehenden Ausführungen Pflugs über Eugu-
binus. Das ist kein anderer als Augustinus Steuchus, der
sich nach seiner Vaterstadt Eugubium d. h. Gubbio in den
Apenninen, Eugubinus nannte, der aber nie Bischof daselbst
war, wie RE. 10, 8, 4 und im Register 22, 413 angenommen
ist. Er war vielmehr Bischof in Chissamen auf der Insel
Kreta, aber päpstlicher Bibliothekar in Rom!) Er war
schon 1531 mit Erasmus in Briefwechsel getreten, als er
noch Superior in Reggio war. Erasmus schrieb ibm über
seine Adnotationes in Pentateuchum am 27. März 1531 und
hielt ihm sein ungerechtes Urteil über Nikolaus von Lyra
und Paulus von Middelburg, Bischof von Fossombrone, vor,
der an Geistreichtum Reuchlin nicht nachstehe und ihm an
mathematischen Kenntnissen überlegen sei (Op. Lugd. Bat.
1706. 2 Tl. Briefe Nr. CXXV, S. 1375), worauf Steuchus am
25. Juli antwortete (a. a. O. Nr. DXVIf. 1919—31). Leider
steht mir seine Ausgabe des 18. und 138. Psalms Lugd. 15334
1) Eubel in der Hierarchia catholica 8, 182 nennt ihn de Bononia.
232 12
welche er Julius Pflug widmete, nicht zur Verfügung. Wenn
in Wetzer und Weltes Kirchenlexikon 11, 783 gesagt ist, an
diese Schrift habe sich ein Briefwechsel zwischen Erasmus
und Steuchus angeknüpft, so ist das nicht richtig, wie sich
aus den Briefen von 1531 erkennen läßt. Aber so viel ist
klar, daß der Inhalt des Brieffragments von Pflug auf die
Verhandlungen von Erasmus und Steuchus Bezug nimmt.
Es wird sich nur fragen, ob Pflug schon die Widmung des
Steuchus kannte, diese also schon Anfang 1533 geschrieben
worden®:ist. Das wird sich im Notfall mit Hilfe der zwei-
bändigen Gesamtausgabe von Steuchus Werken Paris 1578
eststellen lassen, die mir leider nicht erreichbar ist. Auch
was Pflug über Wilhelm Bude (Budeus) schreibt, für den er
warm spricht, dürfte dafür sprechen, daß der Brief an Erasmus
gerichtet ist. Er fehlt aber in den Ausgaben der Briefe an
Erasmus, auch in den neuesten von Fürstemann und Günther
und Enthoven. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die erste :
Hälfte des Briefes sich noch irgendwo findet, ohne daß der
Schreiber des Briefes aus dem Manuskript erkennbar sein
dürfte. Schön ist der warme vaterlündische Geist, der in
dem Brief sich ausspricht, und die feine Art, wie Pflug
Steuchus, wie das schwäbische Sprichwort sagt, die Laibe
heimgibt und ihm vorhält, wie die Deutschen auch das Recht
hätten, über andere Volkscharaktere zu klagen. Ebenso schön
ist der versöhnliche Geist, der alles Herbe und Bittere ver-
abscheut und ganz zu Pflugs bekannter Art stimmt.
Eine Frage ist, wen Pflug mit denen meint, welche den
innigen Zusammenhang von Beredsamkeit mit klarer Er-
kenntnis der Dinge leugnen. Aber der rasche Übergang zu
Steuchus und zu des Erasmus Brief an ihn läßt vermuten,
daß er auch Steuchus neben andern damit meint, die er
gewonnen und von ihrer Meinung abgebracht wissen wollte.
Man müßte die Schrift des Steuchus De perenni philosophia,
in welcher er nach dem Kirchenlexikon von Wetzer und
Welte 11, 785ff. den Nachweis liefern wollte, daß sapientia
und pietas in ihrem Ursprung eins seien und zu demselben
Ziel führen, darauf ansehen, ob hier nieht der von Pflug
genannte Gedanke von gegenseitiger Bedingtheit der Bered-
samkeit und Erkenntnis der Dinge sich angedeutet findet,
73 | 238
wenn die Schrift auch vielleicht erst später erschienen sein
sollte.
Die Nachricht von dem Sehwarmgeist, der lehrte, die Ein-
setzungsworte des Herrn seien bei der Weihe der Eucharistin
nicht notwendig, und darüber ins Gefängnis geworfen wurde,
^rdient weitere Nachforschung in der Geschichte des Bistums.
Unklar bleibt, was mit camillam abiicere gemeint ist.
Daß abiicere nicht zuläßt, camilla im klassischen Sinn als
Dienerin beim Opfer, proministra sacrorum, zu fassen, dürfte
unzweifelhaft sein. Vielmehr wird man camilla als vestis
episcopalis zu betrachten haben, wenn auch diese Bedeutung
bei Du Cange 2,51 nicht völlig sicher gestellt ist. Von
wem die Zumutung, die Bischofskleidung abzutun, ausgeht,
wird sich erst feststellen lassen, wenn auch der vorangehende
Text gefunden ist. An wen die Zumutung gestellt wird, ist
ebensowenig sicher, aber es ist möglich daß sie Pflug galt,
der die Wahl zum Bischof ablehnen sollte. Das im Nach-
stebenden gegebene Stück ermutigt zur Nachforschung nach
cem fehlenden Stück.
Jalius Pflug an N. N., wohl Erasmus, 1533 Mai 5.
Camillam illam ad pedes tuos abijcere, sed illi potius
placandi fuerunt, qui negant cum eloquentia cognitionem rerum
conjungi posse, quasi uero inquinate loqui sit sapere. lam
uero tuam ad Eugubinum epistolam iam dudum legi. In
qua tu illum amanter sane et singulari eum grauitate mones.
Qui vtinam obtemperasset tibi! Nam sie fere fit, ut quam
quisquam uoluptatem male dicendo eapit, eam male audiendo
amittat. Qua in re eueulus cum ipsa iustitiae aequabilitate
bellissime dongruit. Quo magis miror, quid homini uenerit
in mentem cunctam nationem nostram tanta contumelia af-
ficere. Quod si te optima monentem audire noluisset, suam
tum ipsius nationem), Si adhibuisset in consilium, virus
illud in nos tam turpiter non euomuisset. Sunt certe in
singulis nationibus, qui sub figura hominum immanitatem
gerunt belluarum. Sunt item, qui cum ingenio, tum uero
etiam uirtute excellunt. Hoc qui negat, nae is aut rudis est
in eognitione rerum humanarum, aut plane imprudens. Qui
1j Die ersten zwei Buchstaben siad verwischt, auch n ist in r
korrigiert, so könnte renationem zu lesen sein, aber es paßt allein
nationem.
234 74
igitur vniuersae alicui nationi in opprobrijs obijeit, quae sunt
certorum ciuium labes, qua id tandem fronte faeit! Cur non
potius laudat ob certorum eiuium virtutes! id quod cum of-
fitio boni uiri multo est coniunctius. Nonne qui ita repre-
hendit, idem sentit ), patriam quoque suam, eum in eodem uel
simili sit crimine, premere et tacita quasi sententia sua
damnare. Sed quid, si non fam vitia exprobrat, quam
uirtutes in finitima uitia detorquet! vt cum omnium altitudo
hominum nostrorum atque uirtus, quae in periculis contem-
nendis lucere solet, feritati tribuitur. Quod si quis Germa-
norum, quibus [ille]?) ingenia / BL 1340 / Eugubinus adimit,
uellet in hoc genere ingeniosus esse, nonne, quae iu illo uel
praestantissima sunt, ea ad spetiem turpem facile orationis
ui conuertere posset! nulla enim uirtus est, cui non uitium
aliquod sit finitimum. Quo facilius id, quod honestum est
atque bonum, dicendo eo potest traduci, vt malum esse uide-
atur. Recte igitur tu contra prudentiam Eugubini requiris.
Cum praesertim multi sint nostrorum hominum, qui si com-
moueant sese, sentiat ille Germanis neque ingenia neque
facultatem orationis neque maximarum rerum scientiam deesse.
Quoniamque res ipsa pro hominibus nostris loquitur, etiamsi
nullum faciant uerbum, quam multa iam extant signa, caque
illustria, non solum ingenii illorum, sed etiam eximiae doc-
frinae. Adde, quod ipsum Eugubini institutum ei acerbitatem
istam exprobrare uidetur. Quid enin ab offitio hominis
Christiani*) Sacerdotis et Theologi alienius esse potest, quam
in eo, quo se profitetur religionem defendere, tantum acerbi-
tatis effundere, et contra quod lex mutui amoris sancit, multos
bonos uiros de se nihil tale merentes tam insigni iniuria
afficere? Sed de his Eugubinus ipse uiderit; ego, quod ad
me attinet, mallem illum isto maledicendi genere supersedisse.
faueo enim hominis honori. Quod si fecisset, maiorem pro-
cul dubio fructum industriae suae coepisset, nec eam, ad
quam se excitauit bene audiendi rationem, ipse in dubium
uocasset, De Guilhelmo Budaeo quae scripsisti, ea me singu-
lari affecerunt uoluptate. llle enim ita se gerit et ea nobis
afferí, vt mihi uideatur natus esse ad lucem rectis studiis
inferendam; laetor igitur uirum illum in eo etiamnune cursu
esse, quem iam dudum / Bl 136 / magna sua cum gloria
tenet. Hie si tantum apud suos authoritate ualet, quantum
excellens eius doctrina et uirtus, quae uno omnium ore cele-
1) Nach sentit folgen zwei Buchstaben am Schluß der Zeile, die
nicht lesbar sind und von Pflug nicht deutlich geschrieben sind, weil
er mit der folgenden Zeile sie nicht mehr bedurfte,
) ille ist gestrichen.
5) et ist gestrichen.
75 | 235
bratur, postulat, et gaudendum est certe omnibus bonis et
praeclare cum Gallijs ipsis agitur. !) Haec fere ad epistolam
fuam. lam uero, ne te fugiat, quo loci sint res nostrae, sic
habeto, religionem aliquanto perturbatiorem esse, quam fuit
antehae, et ortus est nuper, nescio quis, terrae filius, qui
conatur nouum malum inuehere; negat enim necessaria esse
ad eucharistiam uerba Christi, quibus ea consecretur. quin
nee spetiem panis aut vini necessariam esse, sed satis esse,
si motu interiori cordis eucharistia capiatur. Ita cum hic
ad spiritalem manducationem referat omnia, id agit, uf possit
saeramentum ipsum funditus tollere. Sed Deus tum pro sua
misericordia nos respexit, euius diuino benefitio effectum est,
vt authore in uincula coniecto haee haeresis oppressa sit
antea, quam in vulgus proferretur. Noui praeterea, quod
scribam, nihil sane est, et arbitror satis multa esse haec
praesertim ad te uirum nunquam satis uacuum. Sed malui
tum multus esse, quam non declarare ijs, quae scripsisti,
ualde delectari, de quibus certe tecum quasi loquens quanta
uoluptate perfusus sim, inde perspitias facile, quod finem
dicendi aegre fecerim. Non igitur mihi uisus es garrire,
qua ta uoce uteris, sed aptissime grauissimeque loqui et
tanto me vehementius amare, quanto longiores fuerunt literae
tuae. Quare iam me tibi benefitio obstrictum esse sentio, d)“)
quam maxime, cumque nihil mihi esse possit antiquius, quam
ut gratitudinem meam / Bl. 136b / erga te esse, quibuseunque
possim rebus, testificer, magnum mihi beneficium dederis, si
ostenderis, in qua re offitium meum tibi prestare uelis, Vale.
Citij iij Non. Maij anno MDXXXiij.
Julius Pflug.
Frommann, Stamm, Wappen und Handschriften Buch 41, 184
und 186, f. 185 ist eine Abschrift des 18. Jahrhunderts, die bis
Blatt 136 negat enim necessaria geht, sie gibt im ganzen gute Lesungen,
aber hat doch manche Fehler, z. B. den Namen Eugubinus, der erst
bei der dritten Stelle ganz klar zu lesen ist, hat sie nicht verstanden.
!) Hier hat Pflug zwei Wörtchen durch Feuchtigkeit getilgt,
wahrscheinlich Hec fere.
) Vor quam steht ein q mit senkrechter Klammer was sonst
que bedeutet, aber hier nicht paßt.
Mitteilungen.
—
Neuerscheinungen.
Dem 2. Bande seiner „Kleinen historischen Schriften“
gibt M. Lenz den Untertitel „Von Luther zu Bismarck“. Die
Auswahl ist unter dem leitenden Gedanken getroffen, die innere Ein-
heit der Periode der deutschen Geschichte, die von Luther bis Bis-
marck reicht und den Kampf um das evangelische Kaiserreich deutscher
Nation zum Inhalt hat, festzuhalten. Von den sechzehn Aufsätzen
gehören vier der Reformationsgeschichte an, darunter die Gelegenheits-
schrift von 1917 „Luther und der deutsche Geist“ und die aus der
Historischen Zeitschrift von 1883 unter verändertem Titel und Fort-
lassung der reichhaltigen erläuternden und kritischen Anmerkungen
wieder abgedruckte Abhandlung „Der Ausbruch des Schmalkaldischen
Krieges“ (früher: der Donau-Feldzug der Schmalkaldener) München
und Leipzig 1920, R. Oldenbourg. VII, 356 S. 24 M, geb. 28 M, und
Zuschläge. |
Die von dem Lyzealdirektor B. Schremmer in Berlin-Reinjcken-
dorf zusammengestellten „Lebensbilder aus der Kirchen-
geschichte“ verfolgen keine wissenschaftlichen Zwecke, sondern
wollen dem Lehrer der Kirchengeschichte in den oberen Schulklassen
Stoff zum Erzählen geben und ihn der „blutleeren Kompendienweisheit"
entheben. Die einzelnen Abschnitte sind den einschlügigen darstellenden
Werken und Monographien großenteils wörtlich entnommen; sie führen
uns in etwa 100 Bildern, die meist je eine einzelne Parsönlichkeit in
den Mittelpunkt stellen, von Papias von Hierapolis und Ignatius von
Antiochien bis zu Alban Stolz, den Mormonen und F. von Bodel-
schwingh. Das 16. Jahrhundert kommt in den wichtigsten Püpsten,
den führenden Reformatoren, den Wiedertäufern, Carlo Borromeo und
Loyol& zur Darstellung. Eine Literaturübersicht über allgemeine und
monographische Darstellungen geht vorauf. Tübingen, Mohr. VIT,
381 S. 15 M, geb. 18,76 M.
„Luthers religionsgeschichtliche Bedeutung“ erkennt
der aus einem Katholiken zum Protestanten gewordene Fr. Heiler
~ jn seiner vielbemerkten, unverändert abgedruckten Münchener Probe-
vorlesung darin, daß er gegenüber dem Synkretismus des katholischen
Kirchensystems, in dem das primitive Kultwesen und die sublime
Mystik die beiden wichtigsten und lebenskräftigsten Elemente bilden,
TT 287
den prophetisch-biblischen, israelitiach -urchristlichen Beligionstypus
erneuert und das Evangelium, das im großen katholischen Dom nur
einen Quaderstein bildet, zum Grund- und Eckstein gemacht hat.
Keineswegs handelt es sich bei Luther, wie E. Troeltsch behauptet,
um eine blode Umformung mittelalterlicher Probleme, sondern um eine
auf ganz anderer Grundlage erfolgte Neuschópfung. Luther hat den
alt- und nentestamentlichen Religionstypus, der innerhalb der semi-
tischen Welt entstanden und durch Paulus und Johannes leise helleni-
siert worden war, mit den unerschöpflichen Geistes- und Gemütskräften
des Germanentums durchdrungen. Hier, in dieser Erneuerung der
biblischen Religion und ihrer Verschmelzung mit dem germanischen
Geist liegt Luthers religionsgeschichtliche Bedeutung. ,Luther,^ so
schließt der gedankentiefe Vortrag, „gehört zu den wenigen Größten
der Religionsgeschichte, die unmittelbaren Gegenwartswert besitzen.
Aus den unerschöpflichen Schätzen seines gewaltigen Schrifttums
werden aber auch die künftigen Generationen religiöse Kraft und
Freudigkeit gewinnen.“ München, E. Reinhardt 1918. 31 S. 1,50 M.
Paul Kalkoff, Ulrich von Hutten und die Reformation.
Eine kritische Geschichte seiner wichtigsten Lebenszeit und der Ent-
scheidungsjahre der Reformation (1517—1523).
Das Ergebnis dieser Studie, die Hutten auf Grund der gesamten
literarischen, politischen und religiösen Verhältnisse, unter denen sein
Lebensgang sich abgespielt hat, zu würdigen versucht, ist dem Ritter
nicht günstig. Kalkoff zeigt, daß Huttens antirömische Polemik durch
Standesinteressen beeinflußt ist und an der Oberfläche haftet, daß sein
Refosmprogramm dürftig ist, daß er den politischen Vorgängen in dem
Maße verständnislos gegenüber steht, daß er sich zeitweise sogar an den
Umtrieben des kaiserlichen Kabinetts beteiligen konnte, die Luther vom
Wege nach Worms abziehen und nach der Eberburg — und damit in
sein Verderben — zu locken gedachten. Der von Hutten aber so un-
gestüm gepredigte Pfaffenkrieg wäre nur geeignet gewesen, den Gang
der reformatorischen Bewegung zu stören und zu beeintrüchtigen.
Hutten kann demzufolge nicht mehr als eine der ausschlaggebenden
Persönlichkeiten jener Zeit oder als Vorkämpfer protestantischer Geistes- -
freiheit oder Herold des nationalen Gedankens gelten. Aber die
Reformationsgeschichte verliert dadurch nicht an Schwung und Glanz.
Nur um so großartiger steht Luther da: weder hat er sich die Waffen
zu seiner wuchtigsten antirömischen Streitschrift aus dem Magariu
Huttens geholt noch sich durch die ritterlichen Machenschaften auch
nur um eine Linie breit von seiner Bahn abdrüngen lassen; sein an-
geblicher revolutionärer Hadikalismus besteht nur in der Einbildung
seiner Gegner. Auch Männern wie Erasmus, Herniann von dem Busche,
Butzer, deren richtigen Einschätzung die herkömmliche Überschützung
Huttens im Wege stand, gibt Kalkoffs an letzterem geübte Kritik
vermehrte Bedeutung für die Anfangsjahre der Reformation. — Der
Darstellung folgen die Exkurse „Martin Butzer als Verfasser des
238 78
Neu-Karthans“ und „Eberlin von Günzburg als Verfasser der beiden
Huttenlieder“. Der umfangreiche, mit Kalkoffscher Gründlichkeit und
Sachkenntnis abgefaßte Band bildet den 4. Teil der vom Verein f. RG.
herausgegebenen „Quellen und Forschungen zur Reformationsgesch.“.
Leipzig, Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger 1920. XIV, 601 S. 40 M,
Eine zweite Abhandlung Kalkofís, „Erasmus, Luther und
Friedrich der Weise“ (Schriften des Vereins f. RG. 132) bildet den
Abschluß der Untersuchungen des Verfassers über die Stellung des
großen Humanisten zur Reformation, unter deren Fórderern — wenigstens
in den Anfangsjahren — Kalkoff jenem bekanntlich einen der vor-
nehmsten Plütze einráumt. Das ihm vorschwebende Ziel erblickt
Kalkoff darin, daß Erasmus die Summe seiner gelehrten Arbeit, die
quellenmäßige Befestigung, Reinigung und Vertiefung der christlichen
Religion, den widerstrebenden Mächten der Scholastik und der roma-
nischen Hierarchie gegenüber zu breitester Wirkung zu führen suchte
durch Verbindung mit dem kühnen und volkstümlichen Wirken Luthers,
wobei er die aus der Eigenart seines Verbündeten sich ergebenden
Gefahren durch kluge Beeinflussung der Machthaber mit Hilfe der
öffentlichen Meinung aus dem Wege zu räumen suchte. Haupt-
gegenstände der Untersuchung bilden die durch Johann Lang und eine
kurfürstliche Gesandtschaft vermittelte Annäherung zwischen Erasmus
und Luther angesichts der Leipziger Disputation, der Aufruf des
Erasmus an die deutschen Humanisten für eine Entscheidung in
Luthers Sache durch die Universitäten unter Niederschlagung des
päpstlichen Urteils, endlich die erneute Verständigung zwischen Eras-
mus und dem Kurfürsten Friedrich angesichts der Verdammungsbulle
von 1520 zur Herbeiführung eines gelehrten Schiedsgerichts. Leipzig,
Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger. XVIII, 113 S. 4 M.
In seiner Studie , Wolter von Plettenberg und der Unter-
gang des Deutschen Ordens in Preußen“ beleuchtet L. Ar-
busow die Sachlage in den Ordenslanden nach der Umwandlung
Preußens in ein weltliches Herzogtum und verfolgt die Bestrebungen
des Meisters des Ordens in Livland, Plettenberg, auf der einen und
: des Deutschmeisters (erst Kleen, dann Kronberg) auf der anderen
Seite, die Nachfolge des Hochmeisters anzutreten. Indem dann Pletten-
berg im Jahre 1528 seine Ansprüche denen des Deutschmeisters unter-
orduete, wurde der weiteren Zersplitterung des schwer ringenden
Ordens zwar ein Riegel vorgeschoben, der Orden selbst aber nicht
ins Leben zurückgeführt. Für Livland mißt der Verfasser (ohne es
näher darzulegen) der Politik Plettenbergs, „des größten Meisters,
den Livland je gehabt hat“ (11535), das Verdienst zu, den Untergang
des altliviándischen Ordensstaates so lange hinausgeschoben zu haben,
bis sich die Grundlagen und zukünftigen Sicherungen seiner evan-
gelischen Landeskirche und seiner deutschen Kultur ausbilden uud
festigen konnten. Leipzig, Komm. Verlag M. Heinsius Nachfolger 1919.
858. 3 M. (Schriften des Vereins f. RG. 181.)
79 239
Die Abhandlung von Wilh. Hotzelt über „Veit IT. von Würtz-
burg, Fürstbischof von Bamberg 1561—1577“ (Stud. u. Darstell.
a. d, Gebiet der Gesch. IX, 3/1. Freiburg, Herder, 1919. XVI, 238 8.
7 M.) ist ein beachtenswerter Beitrag zur Gescb. der beginnenden
Gegenreformation in Deutschland. Der genannte Bischof gehört nicht
zu den hervorragenden Münnern seiner Zeit, er war weder sittenrein
noch von Glaubenseifer beseelt, eine Durchschnittspersónlichkeit, die
ihre Richtung von den Strómungen ihrer Zeit erhielt. Da ist es denn
entscheidend, daß Veits Regierungsbeginn der Zeit angehört, in der
das große Werk des Tridentinum zum Abschluß kam, und seine End-
jahre mit den Anfängen des Pontifikats Gregors XIII. zusammenfielen,
der als erster der Päpste durch Schaffung der deutschen Kongregation
und andere Maßnahmen mit der Gegenreformation in Deutschland
Ernst machte. Durch diese Ereignisse hat die bischöfliche Regierung
Veita von Bamberg ihre bestimmenden Antriebe in kirchlicher Be-
ziehung erhalten; sie hat dazu beigetragen, daß das Hochstift der
katholischen Kirche erhalten blieb. Veits Hauptverdienst jedoch liegt
auf dem Gebiet der Verwaltung: er hat in dem unter den Nach-
wirkungen der Bauernunruhen und des Markgrafenkriegs zerrütteten
Bistum die innere Ordnung hergestellt und die Finanzen in besseren
Stand gebracht. Die fleißige Abhandlung beruht in der Hauptsache
auf den Akten des Bamberger Kreisarchivs.
Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittel-
alters. Mit Benutzung des päpstlichen Geheimarchivs und vieler
anderer Archive bearbeitet von Ludwig Freiherrn von Pastor.
7. Bd.: Geschichte der Püpste im Zeitalter der katholischen Reformation
und Restauration: Pius IV. (1559—1565) 1.—4. Aufl. XL, 706 S.
Freiburg i. Br., Herder, 1920. 36 M., geb. 41 M. und Zuschläge. —
Ursprünglich sollten die eng zusammenhüngenden Pontifikate Pius IV.
und Pius V. in einem Bande zusammengefaßt werden, doch wuchs der
Stoff so an, daß eine Teilung vorgenommen werden mußte, so daß der
vorliegende 7, Band nur den Pontifikat Pius IV. umspannt, Ein licht-
voller Überblick über die beiden Pontiflkate ist aber als Eiuleitung
zu diesem Bande stehen geblieben, Der Pius V. behandelnde Band,
sowie die Bünde über Gregor XIII., Sixtus V., Clemens VIII., Paul V.
und Gregor XV. sollen rasch einander folgen, so daß mit einem baldigen
Abschluß des gewaltigen Werks gerechnet werden darf. |
Der Name Pius’ IV. ist verknüpft mit der Wiedereröffnung und
Beendigung des Konzils von Trient und der Bestätigung und Durch-
führung seiner Beschlüsse, der Neubearbeitung des Index, der Heraus-
gabe des Römischen Katechismus, der Revision des Breviers und
Missales, der Fortführung und Reform der Kurie, der Tribunale und
Unterrichtsanstalten in Rom. Der Widerstand, den dieser Papst den
Fortschritten des Protestantismus in Deutschland, Polen, Frankreich,
England, Irland, Schottland, freieren Regungen in Italien und dem
Staatskirchentum Philipps II. von Spanien entgegensetzte, wird gleich-
240 80
falle eingehend geschildert, Ebenso die Förderung, die der Papst
Kunst und Wissenschaft angedeihen ließ, besonders seine mit einer
wahren Leidenschaft betriebene Bautätigkeit. Mit welcher Gründlichkeit
und Genauigkeit von Pastor auch Einzelheiten erforscht hat, zeigt
z.B. in diesem Kapitel die Beschreibung der von Pius IV. erbauten
Villa Pia im südlichen Teil des vatikanischen Gartens, deren schou
von den Zeitgenossen selten gedacht worden ist. Die „weltlichen
Neigungen“ des Papstes werden nicht verschwiegen. Daß gleichwohl
unter ihm im wesentlichen die strengen Bahnen Pauls IV. eingehalten
wurden, dafür gebührt das Hauptverdienst dem Neffen und Staats-
sekretär Carlo Borromeo, der „bis zuletzt gleichsam der gute Genius
des 4. Pius war.“
Die Vorzüge des Werks sind dieselben geblieben: umfassendste
Quellen- und Literaturkenntnis (das Hauptquellenmaterial mußte für
diesen Band' erst aus den Archiven herbeigeschafft werden), souverüne
Stoffbeherrschung, Darstellungsgeschick. Daß auch die Schranken
dieselben geblieben sind, zeigt z. B. das Unvermügen des Verfassers,
einer Persönlichkeit wie Jobn Knox gerecht zu werden.
O. Clemen.
Druck von U Gehuise A Co., G. m. b. H., Griienbaltuichen,
Georg Helt’s
Wittenberger Predigttagebuch II.)
1534
146b April 6
9a.6ia „ 7
147b - 7
148b » 7
149a : 8
150a „ 11
9a. 65b | „ 12
150b 12
7
151b „ 12
1) S. S. 183ff.
Von Georg Buchwald.
S. c. in eodem festo die a prandio ex
domino d. Luthero.
In 3a paschatis Philippus non legit.
S. e. pascae ex ore d. 'omerani ante-
prandium. Recitato euangelio dixit per
hoc euangelium omnem papatum everti.
S. e. eodem die vesperi ex ore domini
doctoris Lutheri.
Am Rande: Hoc die fuit mecum minister
domini praepoteutis Caspar, unde im-
peditus non omnia accurate signavi Nec
erat tempus.
S. e. ex ore domini Lutheri 4. die
pasehatos in aree ante prandium.
S. e. die sabbatino post paschatis ubi
tractavit euangelium Joannis 21. postea
manifestavit se iterum Jesus — —
Àm Rande: tarde propter Wilhelmum
Hoffmannum de Hallis. :
In epistolum Pauli ad Coloss. Num inter-
mint Philippus lectionem | proverbiorum
Salomonis, in qua lectione proverbiorum
non porrexit.
Summa concionis dominica quasi modo
geniti ex ore d. Pomerani in euan-
gelium Joannis c. 20. Thomas autem
unus ex 12 ete.
Summa brevis coneionis eadem dominiea
ex ore domini magistri Georgii non
Archiv für Reformationsgeschichte, XVII. 4. 16
242
1534
152a April
152h
153 h
9d. 68 u | J
153b -
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156b =
17
18
19
19
19
20
22
26
26
2
prucdieante domino doctore Luthero
in haee verba epistolae Joannis c. 5.
epistolae primae Omne quod natum
est — —-
S. e. die mercurii post quasimodogeniti
ex ore Pomerani. -— Ibi Aber dv
eylffe Jungeren gingen in Galileam auff
eynen bergk dohin Jesus — — usque
ad finem historiae, ubi potissimum trac-
tavit hune loeum mibi est tradita omnis
potestas — —
N. e. ex ore domini doctoris Lutheri
die veneris post quasi modo geniti in
aree praesente principe electore.
S. e. ex ore Pomerani die sabbato
post quasi modo geniti primo recitato
psalmo deus, deus meus, respice in me etc.
Melanchthon.
S. e. in dominica misericordia domini ex
ore d. Pomerani in euangelium ego
sum pastor bonus ete.
N. e. eadem dominica post prandium ex
oreddLutheriin baec verba Joannis
ad haec multa habeo vobis dicere, sed
uon potestis portare. — Im Texte die
Bemerkung: ego enim fere medium con-
cionis neglexi, quia clauso vaporario per
venti impetum non patebat mihi ingressus
ad induendam tunicam eto.
S. e. ex ore d. Lutheri in arce prae-
sentibus comitibus die lunae post miseri-
eordias domini.
S. e. ex ore domini Pomerani die
Mercurii in caput 24. Matthei in quo
eapite dixit praedicare Christum de ex-
eidio Hieroso: — —
S. e. ex ore domini Pomerani die sab-
bati i. e. vigilia dominieae Jubilate. Se-
quitur altera pars psalmi scilicet de regno
ef resurrectione Christi — —
Melanchthon.
S. e. ex domino d. Pomerano dominica
Jubilate. Primo recitavit euangelium — —
157b April
158 a
1534
158a Mai
159b
9a. 70a |
160b
161a
162a
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163b
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9a. 71b
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*
0
29
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10)
10
11
12
13
14
14
243
5. c. cadem dominica Jubilate a prandio
ex ore domini d M in haee verba Joannis,
quod spiritus sanctus arguet mundum de
peccato, iustitia et iudicio ete.
Am Ende: Voeatus sum hine Dessaviam
die lunae post Jubilate et illie mansi
usque Cantate, ubi rursus hue veni, hine
eoneiones saeras aliquot hie neglexi eadem
septimana.
S. e. in die Mercurii ex orePomerani post
dominieam Cantate in caput 24. Matthei.
S. e. die sabbatino post Cantate ex ore
Pomerani ps. ex.
Melanchthon.
S. e. ex ore Po merani dominica vocem
iocunditatis quae dicitur eciam ultimum
pascha. Reeitato euangelio dixit de pre-
cando et orando deo — --
S. c. eadem dominica a prandio ex ore
dd Lutheri. Inicio sermonis repetivit
paueis, quae antea pro eoneione dixerat
in haee verba: adhuc multa habeo vobis
dicere ete. usque hue: non enim loquetur
a se ipso ete.
Die lunae post dominicam voeem iocuu-
ditatis post 2 cepit praedicare cate-
chismi partem scilicet pater noster etc.
Pomeranus praetermissis aliis partibus
eateehismi — —
S. C. 2% in oracionem dominicam ex ore
d. Pomerani.
3" concio in eateehismum. S. e. ex ore
d d Pomerani in vigilia aseensionis
dominicae perrexit autem in catechismo.
Am Rande: impeditus ante concionem
fui per interpellationem uxoris d. magistri
Beher eonventoris in Worlitz ete, quae
in vigilia ascensionis hie fuit mecum
propter emendum pannum.
Melanchthon. |
S. e. ipso die dominicae asceusionis ante
prandium ex ore d. Pomerani in eu-
angelium novissime autem recumbentibus
illis etc.
16*
X
244
165a
166a [„ [15]
167a
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Mai
|
1534
”
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17
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21
22]
23
24
24
24
4
S. c. in prandio eodem festo ascensionis
Christi ex ore domini d M.
4. concio in catechismum. S. c. in ca-
techismum domini Pomerani.
Am Rande: die sabbatino et dominica
sequenti non est praedicatum in cate-
chismum.
S. e. ex ore d. Pomerani in sabbato
ante d. exaudi in ps. 25.
Melanchthon,
S. c. in dominica Exaudi aute prandium
ex ore d. Pomerani in euangelium
Cum venerit paracletus eto.
S. e. ex ore d d Butheri eadem do-
miniea a prandio in caput 16 Joannis
Concio quinta in eatechismum. S. c. ex
ore d d Pomerani die lunae post
dominieam exaudi.
Sexta coneio d Pomerani in catechismum
die martis.
S. c. ex ore d d Pomerani die mer-
carii ante prandium post dominicam
exaudi in Matthei c. 24.
7° concio in catechismum. S. c. ex ore
d. Pomerani die Jovis in catechismum,
ubi maximum tempus consumpsit repe-
tendo orationem dominicam.
Octava concio ex ore d. Pomerani
in eatechismum,
Àm Rande: Hac septimana fuit hic d
magister Hausmannus, venit huc die
lunae post exaudi et abiit in vigilia pen-
tecostes hora de ductus a multis bonis
viris.
S. e. ex ore domini d Pomerani in
vigilia pentecostes in ps. 25 ultimam
partem wer ist der der den herren furcht.
Melanchthon.
S. e. ex d. d. Pomerano ante pran-
dium in die pentecostes primo recitabat
historiam de festo ex 2 capite actorum.
S. e. eodem die ex ore d d M a prandio.
5
1534
9a. 76a Mai 25
174a „ 25
174b „ 25
175b „ 26
176b . 27
176b „ 30
ga. 77 „ 31
1774 31
178 a „ 31
179a Juni 1
180a " 3
181b „ 6
245
Melanchthon.
S. e. ex ore d d Pomerani 22 pen-
tecostes ante prandium recitato euangelio
Joannis 3.
8. e. ex d d Luthero eadem 24 pen-
tecostes a prandio ubi tractavit verba
b. Petri ex Joele in 2. ea. actorum Viri
Judei — —
Am Ende: Erat hie maximus estus in
templo, ergo non diu protraxit sermonem
suum.
S. c. ex ore d. Pomerani 3 pente-
eostes ante prandium in euangelium do-
minieae Amen dico vobis ete.
S. e. ex ore domini Pomerani +. feria
post pentecosten in aliquot verba Matthei
capitis 24. Tune siquis dixerit ete.
S. e. ex ore d. Pomerani die sabba-
tino post pentecosten in ps. 26.
Melanchthon.
5. €. ex ore d. Pomerani ante pran-
dium in die trinitatis benedictae in secula
seeulorum. Euangelium erat homo ex
Phariseis Nicodemus nomine ete.
S. C. eodem die trinitatis a prandio ex
ore d d M.
8. e. die lunae post trinitatis in aree
ante prandium ex ore domini d M in ps.
eredidi propter quod locutus sum.
Ss. e. ex ore diPomerani 4 feria post
trinitatis in ca. 24. Matthei.
s. e. ex ore dd Pomerani die sabba-
tieio quae erat 27!) Junii in ps. 27.
Am Rande: Tune temporis iam fuit
: Dessaviae d Lutherus etd Phi-
lippus. Vocatus sum Dessaviam
propter aegrotum principem Joachimum
die 13 Junii et illie mansi usque 27 Junii.
Hine neglexi sacras hie conciones sed
conciones sacras audivi Dessaviae.
1) Schreibfehler tür 6,
246
9a. 81b | Juni 21) Melanchthon.
1534
182h „ 21l
182b „ 21
183 a » 23
9a. 83 0 - 24
183bisa , 94
183bisb „ 94
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9a. 86 % ¶ „ 28
184 b 28
185a . 28
185b Juli 1
9a. 566 5„ 2
168 b 2
S. c. ex ore domini Pomerani domi-
nica 3* post pentecosten in Euangelium
Lucae 15 Erant appropinquantes publi-
cani et peccatores etc.
summam coneionis eadem dominica 3. ex
ore d d Lutheri non signavi, quia
habui iniquum locum standi ete. sed
tamen audivi summam concionis in
16. Joannis in verbum modieum et non
videbitis me, ubi de tentationibus omnium
statuum breviter dixit — —
S. c. in vigilia 8. Joannis Captistae intra
2 et 3 ex ore d. Pomerani. Primo
recitavit euangelium ex c. 1 Lucae de
eoneeptione Joannis -— —
Melanchthon.
S. e. in ipso die Joannis ante prandium
ex ore d. Pomerani. Primo recitato
euangelio — —
S. c. ex ore d d Lutheri eodem die
festo s. Joannis a prandio.
S. e. ex ore d Pomerani die sabba-
tino post Joannis Baptistae in ps. Afferte
domino — --
Melanchthon.
S. e. dominiea 4'^ post pentecosten ex
ore d d Pomerani in Euangelium Estote
misericordes — —
Am Rande: veni recitato euangelio
propter laborem alium in literis sacris.
S. c. a prandio eadem dominiea ex ore
domini d Lutheri in Joannis c 16 ubi
dixit de impedientibus praedicationem
verbi — —
Am Rande: habui iniquum locum standi.
S. C. feria 4. quae erat vigilia visitationis
Mariae vesperi hora 3* ex ore domini
d. Pomerani in ps. 30.
Am Rande: festus dies est Witem-
bergae hoc scilicet die visitationis Mariae.
Melanchthon.
S. e. ex ore dd Pomerani in die
visitationis Mariae in euangelium Lueae
1. Exurgens Maria etc.
187b
188h
9a. SS b |
189a
190a
190a
193a
194b
195a
1534
Juli
»
»
9.
b d
n
»
y.
»
2
4
11
12
12
12
15
247
5. €. brevis et compendiaria eodem die
vesperi ex ore d d Lutheri.
S. c. die sabbatino post visitationis Mariae
ex ore d Pomerani in ps. 31. Herr
auff dieh trau ieh ete. |
Melanchthon.
5. e. dominiea die post visitationis; Mariae
in euangelium Cum turbae irruerent in
eum — —
S. e. eadem dominica a prandio ex ore
d magistri Froschel in verba Petri c. 3
primaeepistolae Omnessitis unanimes — —
S. c. feria 4. post visitationis Mariae ex
ore domini d Pomerani in c. 24. in
Christi verba Quis putes est fidelis ser-
vus — —
Uuten am Seitenrande: neglexi forsitan
duas conciones in Mattheum quia abfui
hine Dessaviae per 14 dies egrotante
domino prineipe Joachimo.
S. e. ex ore d d Pomerani sabbatino
die post octavam Petri et Pauli aposto-
lorum in psalmum Beati quorum remissae
sunt iniquitates etc.
Melanchthon.
S. e. dominica proxima post 8˙ Petri
et Pauli ex ored Pomerani in Euan-
gelium nisi abundaverit iustitia vestra etc.
S. c. ex ored d Lutheri eadem do-
minica post prandium in ec. 16. Joannis
Amen amen quiequid petieritis patrem in
nomine meo ete. ^
S. e. ex ore d Pomerani feria quarta
in e. 25. Matthei de 10 virginibus.
Oben steht: Abfui hine Dessaviai
quo concessi eadem feria 4 et mansimus
illie usque ad dominieam diem in qua circa
horam 3*™ reliquimus Dessaviam et
venimus cirea octavam Wittenbergam,
fuimus autem simul d d M, Pome-
ranus, Cruciger et ego, quare
neglexi per illud spacium conciones
248
1534
195a Juli 22
155025
196a [Juni 7]
9«. 91a Juli 263)
196a „ 26
197a - 26
197b Aug 1
200 a 5 5
201a " 8
9a. 92b | „ 9|
201b x 9
nn
8
sacras Witeberg quas tamen audivi
Dessaviae?)
S. e. 4. feria ex ore concionis [so] in c.
25. Mathei de 10 virginibus, in qua re-
petitis dietis in priore goucione — —
S. c. die sabbati hac in die S. Jacobi
apostoli et vigilia Annae ex ore domini
Pomerani in alteram partem psalmi 32.
S. e. ex ore dd Lutheri in Dessau
in Lucam de divite epulone — —
Am Schluß: literae exoluerunt ob-
literatae in tabella non poterant a me
legi ete.
Melanchthon.
S. e. ex ore domini Pomerani dominica
die post S. Jacobi in euangelium Attendite
a falsis prophetis.
5. e. eadem dominiea a prandio ex ore do-
mini sacellani Joannis, nam dd Luth erus
erat Dessaviae eum dominis Jona et
Philippo, in epistolam ad Ro. c. 8.
S. e. ex ore d. Pomerani +. feria in
Matth. e. 25. de talentis etc.
S. c. ex ore d. Pomerani die sabbatino
quae erat dies ad vincula Petri in ps. 33.
s. e. ex ore d. Pomerani dominica die
in euangelium Lucae 16. Homo quidam
erat dives — —
S. e. eadem dominica die ex ore Frosch-
lebii, Nim doctor Lutherus aberat
Dessaviae, in 1. Corin. 10. caput
Haee in figura faeta sunt.
S. e. ex ore domini Pomerani 4. feria
in c. 25. Matthei.
J. c. die sabbati ex ore d d Pomerani.
Melanchthon ).
S. e. ex ore domini Pomerani parochi
decima dominica post trinitatisin Lucae 19.
de Christo flente super civitate Hieru-
salem.
1) X 216b. Magister Rorer dixit doctorem Martinum tres dies
in hoc sermone de falsis prophetis huius euangelii consumpsisse Dee-
saviae quos sermones et Crucigerus et magister Rorer exceperunt, sed
nondum excusi sunt.
(cf. W. A. 37, 486 ff.)
!) Diese Lektion kónnte auch auf den 2. August fallen.
209a
202b
203b
9a. 94b
203b
204b
205b
206b
9a. 95a
207 b
208a
209 b
o
210a
1534
Aug. 9 S. e. eadem dominica a prandio ex ore
12
15
10
16
16
19
23
23
23
23
24
249
magistri Georgii, quia doctor Lutherus
non praedicabat, ex 12 capite primi Corin,
in qua epistola apostolus obiurgat Co-
rinthios, quod donis a deo datis non abu-
tantur:
S. c. ex ore d d Pomerani feria 4'*
in eaput 25. Matthei.
S. e. ex ore domini Po merani sabbatino
die post prandium in ps. 34.
Am Rande: non erat faeultas seribendi
in libro propter loeum iniquum standi,
tamen signavi, quae dixit.
Melanchthon.
S. e. ex ore d. Pomerani dominica 11
post trinitatis in euangelium Lucae 18.
de duobus hominibus aseendentibus — —
Concio a prandio eadem dominica ex
ore d. Lutheri in Joannis. Potissimum
opus orare et praedieare.
S. e. ex ore domini Pomerani 4. feria
in e. 25 Matthei de hedis et ovibus
secretis.
Concio ex ore d d Pomerani die
sabbatino post prandium in ps. 34.
Melanchthon.
S. e. ex ore d Pomerani dominica 12
post trinitatis in euangelium Marci 7. de
muto et surdo. |
Am Ende: His consumpsit concionem,
quia brevis erat propter concionem d
Martini futuram in aree propter prin-
eipes.
S. e. d Lutheri in aree eadem dominiea
ante prandium in idem euangelium
Marci c. 7.
S. eoneionis eadem dominica a prandio
ex ore d magistri Frosehlebii in
epistolam 2 ad Corinthi. e. 3. fiduciam
autem talem habemus eto.
S. e. ex ore d d Martini in ps. De
profundis in aree praesentibus duce eleetore
et duce Henrico fratre germano ducis
Georgii ete.
Am Rande: die lunae qua erat dic-
Bartholomei.
250
211a
2124
9a, tiia |
212h
213b
214a Sept.
214b |
9a. 97b |
215b |
217a |
217b
218a
9a, 99a |
218a
218a
1534
Aug. 26
se
bd
y
3e
7
»
»
y.
”
»
29
30
30
12
13)
13
13
10
5. €. 4. feria ex ore d Pomerani in
ps. 35. non in Matheum, quia tune prae-
dicabatur catechismus.
Coneio in posteriorem partem prioris ps.
die sabbati ex ore d Pomerani.
Am Rande: eo die enim fuit principissa
uxor principis Johannis cum d can-
cellario ete. clanculum et nobilis Bucho
eum aliis etc.
Melanchthon.
S. c. ex ore d Pomerani dominica
post Bartholomei apostoli ete. euangelium
Lueae 10 de dilectione dei et proximi
C. s. ex ore d magistri Georgii a pran-
dio eadem dominica [Róm. 4].
C. s. ex ore d Pomerani in ps. 36
feria 4. durante concione catechismi.
|Predigt über den 2. Teil des 36. Psalm.]
Melanchthon.
C. s. ex ore d Pomerani die dominica
de decem leprosis mundatis a Christo
Lucae 17.
S. c. ex ore domini d M a prandio in
haec verba Joanuis Amen amen dico
vobis, si quid petieritis in nomine meo ete.
S. e. 4 feria ex domino Joanne egro-
tante Pomerano propter oculos. Antea
monuit Galatas per persisticiam in liber-
tate — —
Die sabbato hora 3 coneionatus dominus
Joannes laborante ex oculis domino
Pomerano, ubi tractavit ex c. 5. ad
gala. de operibus carnalibus et fructibus
Spiritus — —
Melanchthon.
S. e. ex ore Froschle magistri don
minica die egrotante Pomerano i-
euangelium nemo potest duobus dominis
servire — —
o
S. c. ex ore domini magistri Georgii
eadem dominica a prandio in epistolam
Pauli lectam in missa gal. 6.
11
1534
218 b Sept.
219a :
224a |.
9d. 101 a | »
ya.120a „
Ya.l2la „
4
”
9u.102a „
9a. 104« | .
94. 105b [Okt
94d. 107 4 „
5. 377 [Okt.
6. 379 m
22a 5
19
23
26
27]
29|
4|
11
25]
27
31
351
S. c. 4 feria ex ore d magistri Frosch-
lebii in Lucam de homine nobili pro-
ficiscente in longinquam regionem d
Pomerano nondum satis restituto etc.
C. s. ex Froschlebio die sabbato in.
partem prioris euangelii ex Luca de nobili :
viro ete. Pomerano adhue male affecto — —
Ohne Überschrift. Predigt Luthers tiber
Joh. 16, 28ff. Vgl. W. A. 46. 98 fl.
Melanchthon.
? Bugenhagen.
Post concionem praedictam de filio unico
viduae resuscitato Pomeranus non prae-
dicavit forsitan impeditus neque Luthe-
rus eadem dominica die a prandio, sed
dominus Joannes praedieavit eadem
dominiea vesperi ex epistola lecta eadem
dominica in missa, sed 4. feria prac-
dicavit Froschle magister — — quas
coneiones non excepi, sed exaudivi laus
deo. sed die sabbatino rursus cepit prae-
dicare in psalmo ‘noli emulari in mali-
suantibus’ PS. 37.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon. Accessit ad epistolam ad
Timotheum primam — — et incepit illam
epistolam 11. Octobris anno 1534.
Conciones dominicales ex d d Pomerano
ceptae conscribi dominica ubi euange-
lium de regulo Joannis 4'° recitatur.
Concio ex ore domini doctoris Lutheri in
arce praesente quadam domina peregrina
in vigilia Simonis et Judae anno 1534
in ps. 145.
Conciones exceptae ex ore d d Lutheri
inceptae scribi in vigilia omnium sanct-
orum anno 1534 per me Georgium
Heltum Forchemium.
Summa concionis ex ore domini Mar-
tini Lutheri in vigilia omnium sanc-
torum in euangelium Matthei c. 12. In
eo tempore ibat Jesus — —.
252
1534
23b Nov.
6.381 | ,
6.384 | „
384 -
9a, 1105 „
25Db5
27 b -
9a. 112b „
6. 384 ,
6. 387 t
6.391 | ,
6. 393 »
1
1j
l |
15
12
Concionis summa ex d d Luthero in
die omnium sanctorum in arce prae-
rente principissa uxore de braun-
schweige ete.
Am Rande: hora nona ante prandium.
8. c. ex d. Pomerano dominica die in
Euangelium e. 18. Assimilatum est reg-
num celorum homini regi — —.
Dominus Pomeranus non praedieavit
dominiea post omnium Sanctorum quoniam
tum.
/
visitabat eeelesias. Prima dominica post
omnium sanctorum praedieavit dominus
doctor Martinus. Require illas conciones
in eoneionibus d. doetoris Martini ete.
Melanchthon, Beginn der lectiones in (re-
„u,. Am Rande: Abfiwt Philippus per
14 dies hine legit.
Summa coneionis dominica post omnium
sanetorum ex oredd Lutheri domino
Pomerano in visitatione ecclesiarum
eonstituto etc. euangelium Matthei de
reddendo Cesari quae sunt Cesari etc.
eadem dominiea post prandium non prae-
dieavit d Lutherus, sed magister
Froschlebe in euangelium ad Phi-
lippenses 3. estote mei imitatores etc.
Melanchthon. Ubi $nquisivit primo ordinem
huius epistolae ad Timotheum.
5. e. dominica post S. Martini ex ore d.
Pomerani ante prandium in c. 9. Matthei
de filia mortua principis synagogae.
Eadem dominica die ante prandium con-
eionatus est in aree d. M. propter filiam
Marehionis in euangelium idem domini-
cale, sed ex Luca.
Ohne Überschrift. Über Matth. 24, 151.
S. e. in prima dominica adventus domini
ex ore domini doctoris Jonae in euan-
gelium Matthei 21.
Am Hand: Abfuit Pomeranus in
Pomerania.
13
1534
6. 393 Dez.6.13.20 Ceteris diebus adventus dominicalibus
6. 394 „ 24
6.394 „ 25
6,397 „ 25
6. 399 „ 26
1535
ga. 123b Jan. 10
9a. 12550 , 17
9a. 127 bl „ 24
6a s, 31
7b „ 3l
8a Febr 1
9a.130b , 2
8b
In
2]
4e
253
praedicaverunt sacellani.
In saneta vigilia praedicavit magister
Froschle euangeliu mmatthei 2 de festo.
S. c. ex ore d. Jonae festo die nativitatis
Christi ante prandium Lucae secundo.
S. c. eodem festo natali Christiani a pran-
dio ex ore d d Lutheri.
Coneiones in die Stephani quaere in con-
cionibus exceptis ex sacellanis.
Alia leclio dominiculis die post trium regum,
quia dominus Philippus dominica die ante
Thomae petivit mecum Dessaviam!), post
quam dominicam die Jovis cepit. proficisci
ad principem Hessorum et rediit in sabbato
post trium regum. Incepit paulo ante horam
lectionem, priusquam venirem.
Melanchthon.
Melanchthon ?).
Summa concionis ex ore dd Lutheri
praesente uxore d principis Joannis
Anhaltini in arce dominica post con-
versionis saneti Pauli.
Summa coneionis eodem dominicae die
ante prandium ex ore magistri Georgii
in euangelium de seminante semen suum.
Am Schlusse: Veni tarde in hane con-
cionem propter concionem d d Lutheri
habitam in arce.
A prandio praedieavit d magister
Froschle euangelium idem de semi-
nante, ubi dicitur de quadruplicibus audi-
toribus verbi dei etc.
Summa coneionis ex ore d Crucigeri
in vigilia purificationis in ea. 2. Matthei.
Melanchthon.
Predigt ohne Angabe des Tages und des
Predigers.
1) Vgl. Clemen, Helt S. 83; Enders 10, 81.
*) Die Lektionen am 17, und 24. Januar verteilen sich auf die
Sonntage bis zum 31, Januar. Es kann also auch dieser letztgenannte
Tag in Betracht kommen.
14
2] Vesperi eodem die praedicavit Johannes
1535
9b Febr.
10a 3
10a x 6
lla : 7
11 b " 7
9a. 1330 „ 14
12a » 14
— 14
94. 1360 „ 21]
12b x. 2i
13a „ 24
27
9a. 1394 5 28
6. 3999 „ 28
j
de euangelio.
Summa concionis feria 4t* post purifica-
tionis Mariae ex ore domini magistri
Georgij epistola Pauli ad Corin. nbi
commemorat sua pericula etc.
Summa concionis ex d d Crucigero
proximo sabbato die in euangelium Mat-
thei c. 2. ubi agitur de interfectione in-
fantium et fuga Christi in Aegiptum.
Am Schlusse: Compatiamur cum illis,
qui iam in Scotia et alibi patiuntur
pro euangelio ete.
Summa coneionis dominica esto mihi ex
ore d Joannis saeellani luce c. 18.
Summa concionis eadem dominica a pran-
dio ex ore d magistri Georgii in epistolam
Pauli ad Corin. Si linguis hominum io-
querer.
Melanchthon. — Estomihi non legit, quio d.
Philippus abiit ad principe: Marchionrm.
Dominica invocavit mane praedicabat d
Jonas de tribus tentationibus Christi.
quas applicavit postea ad ipsam ecelesiam
— sed non seripsi, quia non habebam
locum idoneum etc. Philippus ante
annum fere eadem dixit in leetione do-
minica, sed
vesperi praedicavit Froschle ex epis-
tola Pauli.
Melanchthon.
Mane ante prandium etc. Summa con-
cionis ex magistro Froschlebio do-
minica Reminiscere de muliere Chananea.
Samma contionis 4 feria et die sabbatino
post Reminiscere ex ore d Crucigeri
in 2? eaput.
Matthei.
Melanchthon.
Coneionem dominicam Oculi non excepi
ex domino Jona, sed tamen interfui,
et plerumque omnia ex postilla Lutheri
seripsit.
15
6. 399
9a. 144« |
9a. 140 u
9a. 145 C
9«. 130%
9a. 154 u
1535
Ha. 1410 [März 7
77
77
”
”
9a.150b| „
13b April
9a. 160b
13b
21b
14a
28a
9a. 165«
29b
9a. 168 0
9a. 1700
9a. 1720
77
oder Mat
”
"^
9a.176a | ,
) Diese Predigt
í
18
18
25
1
6
d
16]
255
Melanchthon.
C. s. in dominiea Letare ex ore domini
doctoris Jonae.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon
Die sabbatiuo post Pascha praedicavit
magister Froschlebi a prandio ex
epistola Petri e. 2 — deponentes omnem
malitiam.
Melanchthon.
S. e. dominica quasimodogeniti ex ore
domini Joannis, ubi dixit de duobus,
primo de pace, quam Christus suis
donat. — 2° de missione diseipulorum
ad praedicationis officium.
S. e. ipso die quasimodogeniti anno ete.
35 a prandio ex ore magistri Georgil
in euangelium Joannis 20. recitatum
mane ete.
S. e. feria 4% post quasimodogeniti ex
ore domini Joannis in c. 5. epistolae
Joannis omnis, qui credit Jesum esse
Christum ete.
Dominica secunda: Ego sum pastor
bonus ete. Joan: 10, |
Catechismus sequitur quem. cepit. Philippus
dominica Jubilate.
S. e. dominica die Jubilate a prandio ex
ore d Lutheri in c. 2. Petri lectum
in missa.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon,
ist von einer anderen Hand geschrieber.
256
1535
16
6. 401 Juni 24!) S. e. in S. die Joannis baptistae a prandio
19a s 27
6. 402 Juli
9a.177a „ 2
6. 403 " 9
6 404 „ 2
9a.179a [„ 4)
6.407 „ 4
6.408 „ 4
9u.180b[ „ 11)
1541
X 52u [Dez. 11]
226a |? 17
X 4a
226b „ 18
227 a „ 24
X 58a „ 25
ex d. M. .
S. e. ex ore domini doctoris Jonae
dominica die post Joannis baptistae
c. 6. Luce de captura piscium.
S. e. ex ore d. d. Lutheri in vigilia
visitationis Mariae.
Melanchthon.
S. e, ex ored d Lutheri in die visi-
tationis Mariae.
S. c. eadem festo a prandio ex ore d. d. M.
Melanchthon.
S. e. dominica mane ex ore d. d. Jonae.
S. e. eadem dominica post prandium
ex d. d. M.
Melanchthon ?).
Melanchthon.
1541 Witenbergae (In natali Christiana)
Summa concionis ex ore domini magistri
euiusdam sabbatino die vesperi inter
2 et 3m. Prior pars erat de coniugio
quid esset coniugium et quomodo in-
stitutum esset a deo. — —
Melanchthon.
Quarta dominica adventus ante prandium
dominus Pomeranus. Recitato Eu-
angelio docuit constantiam hominis in
confessione Christi — —
Dominica 4. adventus domini 1541 D. Pome-
ranus commonitus est ut oraretur in suggestu
pro imperatore in afflictione aliqua consti-
tuto, qualis autem esset, dixit se nescire,
Vespere praedicavit Froschlebius.
S. c. in vigilia sancta ex ca. 1. Matthei
cum mater eius praedicante magistro
Andrea — —
Melanchthon.
1) Vorher war Helt (nach X. 33b. 37a) zweimal von Wittenberg
abwesend, einmal etwa vierzehn Tage, das zweitemal sieben Wochen.
Daher die Lücken.
) Datum fraglich.
17
227 a
228 4
X 61b
228 5
X 64a
299b
X 67a
231b
232b
234a
234a
236a
X 69b
336b
938a
|
1541
Dez. 25
^
15
15]
22
257
S. e. die saneto ex ore d Pomerani.
Primo recitavit Euangelium deinde de
domino nostro Jesu — — —
A prandio d d Martinus.
Melanchthon.
N. e. die Stephani ex ore doctoris Pome-
rani Primo recitavit Euangelium ex
ca. 2. Lucae Et pastores erant in regione
eadem eto.
Melanchthon,
S. e. ex ore d. Pomerani die S. Joannis
\
Melanchthon.
S. e. di Pomerani die circumcisionis
domini. Recitato Euangelio dixit paulum
de nomine Jes
Oben am Rande: Hactenus non potui
audire conciones omnes, quia non erat
locus aptus audiendi.
S. o. ex ore d Pomerani Die epiphaniae
domini. Primo recitato Euangelio dixit,
quod male illi papistae vocarent illos
magos reges — —
Eodem die sancto vespera concionis
summa ex ore magistri Andreae. Primo
recitavit epistolam ex ca. 60. Esaiae — —
S. e. ante prandium ex ore d Pomerani
dominica post epiphanias domini. Primo
recitato Euangelio ex Matthei ea. 3 de
baptismo domini nostri — —
S. e. a prandio eodem die ex magistro
Backoffen qui iussus pergere de bap-
tismo loqui rursus legit epistolam ex Tito
eiusdem e. 3 at postquam apparuit bo-
nitas etc.
Melanchthon!) .
S. c. ex ore d doctoris Pomerani do-
minica die ubi recitatum est euangelium
de nupciis in Cana Galilaeae.
S. e. ex d d Pomerano in Euangelium
Matthei ca. 8. de leproso et centurione,
ubi primo recitato euangelio — —
1) Anfaug Januar war M. in Leipzig CR IV, 752.
Archiv für Reformationsgeschichte, XVII 4. 17
258
1542
239a | Jan. 25j N. e. ex d Pomerano feria 4 in e. 9.
X 72a | „
241b | „
243a | Fehr.
X 740 Febr.
243b b
X 7Sa | 5
244b |
246a
246b
246b -
*
X O | ,
246 b 5
X 83a »
216b -
29!
29
LÀ
1|
2
2
18
Marei Respondit ei Joannes dicens prae-
ceptor, vidimus quendam ete. usque ibi
et abiiceretur in mare ete.
Melanchthon.
Ex ore d Pomerani concio dominica
die. ubi recitato Euangelio de navi pe-
rielitante in mari ex e. 8. Matthei — —
In vigilia purifieationis praedicavit ma-
gister Froschlebius ex propheta ^.
Melanchthon.
S. e. ex d Pomerano ipso die puri-
ficationis. Primo recitato Euangelio de
festo e. 2. Lucae — —.
Melanchthon.
S. e. ex ore d. Pomerani dominiea die
de Euangelio ex Matt. 20. de operariis
conductis in vineam — —.
S. e. ex ore Pomerani 4. feria in Mar-
eum Si manus tua ete.
Oben am Rande: D doctor Pomeranus
accersitus a rege Daniae abiit hine 4 feria
post septuagesimam 1542.
Dominica 6 a ante prandium coneionatus
magister Froschlebius ex euangelio
de seminante quod euangelium quoniam
a domino nostro exponitur, non egit
exponente et attente expendente, quod
seilieet eeclesia et Christianus sit minima
pars et eontemptissimus coetus — —.
Melanchthon,
Dominica Esthomihi Froschlebius
recitato euangelio dixit de variis audito-
ribus verbi dei sicut in priori Euangelio.
Melanchthon.
Dominica invocavit. Primo quod vita
piorum esset perpetua pugna et militia
in castris diaboli — —.
Am Ende: Vide ta Georgi conci-
ones Lutheri quas audivimus Schmal-
kaldiae ex ore doctoris Martini.
1) Jede nähere Angabe fehlt. Von der Predigt selbst ist nichts
verzeichnet.
‚1542
X S März 5 Melanchthon.
247b „ 5 Dominica Reminiscere ex ore magistri
Froschlebii. Hecitato euangelio dixit
de oratione vera: quantus thesaurus est
et refugium omnium piorum — —.
X 86b . 12 Melanchthon.
247 b „ 12 Domini Oculi, Neglexi contionem propter
seribendas literas.
X 87b „ 19 Melanchthon.
248a „ 19 Dominiea Laetare Magister Frosch-
lebius reeitavit euangelium. l
X 89b „ 235 Negleri lectionea relectas die annunciationis
Mariae et
„ 26 dominica Judica, quia Dessariam vocatis
eram a P. Georgio Anhaltino.
X 89b Apri 2 In ipso die dominico palinarum 1542 ex
ore d Philip.
X Jla „ „ Alia lectio er Philippo de passione domini
dir Joris post palmarum.
X 93a —
X 940 Postea cepti sunt tumultus inter. principes
Mauricium et electorem quare posteu coactus
m Vvitebergam relinquere et venire ad
. * Y d . Lj
principem. Georgium. praepositum Anhalti-
num ubi aliquanto tempore mansi, tandem
redii Witebergenn die veneris post pente-
costen 1543. [bi expectavi Philippum re-
versum ex Bellico vel er inferiori (rer-
mania.
9. 236b Mai 28 Melanchthon.
9. 228b Juni 11 Melanchthon.
9. 229a . „ 24 Melanchthon.
9. 232b „ 25 Melanchthon.
1543
250a Juli 1 Dominica 6. post trinitatis mane circa
6 et 7 horas ex ore d Crueigeri
concio ubi recitato Euangelio ex Matth. 5
Nisi iusticia vestra etc.
Unten am Rande: In die et vigilia
S. Joannis omnes tres |darüber: 4.] con-
ciones de S. Joanne erant ex Luca et
ex Marco quas non significavi impeditus.
17*
Alia lecto die purasceues.
"T
-
260
1543
251a
9. 220b Jul 2
251 b ” 2
253a „ 2
253b 8]
254b | „ 8]
255b „ 4
256a | , 11]
257a 15
20
Pomerzanus, ad cuius concionem sero
veni, etiam addidit in sua coneione de
nostra natura corrupta ex Paulo ad Ro.
de qua Paulus conqueritur — —.
Alia lectio dominicalis die visitationis Mariae
ez d. Philippo, ubi porrexit de gradibus.
Festo visitationis Mariae Ex ore magistri
Georgii Maioris ubi recitato euan-
gelio dixit repetendo ex concione habita
in parochia praecedenti dominica — —.
Deinde post 7 horam eadem dominica
magister quidam Egidius Faber de
Lignecia [am Rand: quem hominem
conveni] veniens hue habuit in parochia
concionem, quando d. Pomeranus can-
tabat summam missam, ubi recitato euan-
gelio de festo et etiam verbis inultis prae-
cedentibus euangelium de festo accessit ad
tractationem euangelii Exurgens Maria etc.
Am Schluß: non potui satis percipere,
quia non habui aptum locum standi.
Mane hora 6. S. e. ex ore doctoris Cru-
eigeri in euangelium Marci 8.
Eodem die intra 7 et 8 Doetor Pome-
ranus recitato Euangelio dixit de affectu
impii mundi, qui verbum dei et quae offert
deus beneficia salutis nostrae, negligat, ut
patet in parabola de cena magna — —.
S. e. ex ore d Pomerani 4 feria post
dominicam 6 post trinitatis Multi sunt
volentes etiam haberi Christiani — —.
Àm Rande: Non dabatur ocium con-
seribendi hane concionem propter Wor-
lizcenses hie comparentes propter
nupcias.
S. c. feria 4. ex ore doctoris Pomerani,
ubi repetivit dieta aliqua ante octiduum
— — Rediit tandem ad textum Johannis
pater meus usque hue operatur et ego
operor eto.
Am Schlusse: Vide tu Georgi Episto-
lam Hieronymi de hae re ubi de felicitate
Christiani aliquid pulchre dieit.
S. c. ex ore d. Cruci ger i. in arce mane
hora 6 recitato euangelio dixit — —
21
258a
259a
260a
261b
264b
265b
966b
266b
267 b
1543
Juli
15
22
29
29
12
12
261
Deinde sub horam septimam doctor
Pomeranus recitato euangelio dixit — —
Die Mercurii. S. e. ex ore d. Pomerani
in Johannem — -— Nune pergit dicens
Amen amen dico vobis qui verbum meum
audit ete. — —
Dominiea 9. post trinitatis hora 6. in arce.
5. c. ex ore d. Crueigeri in ca. 7. Lucae
de Maria Magdalena — —
Eadem dominica sub horam 8. concio-
natus est magister Egidius Faber
in paroehia de eodem euangelio, ubi
recitato Euangelio — —
Abfui die mereurii avocatus hinc Des-
saviam.
Dominiea 10. post trinitatis d. Cruci-
gerus recitato euangelio dixit — —
Eadem dominiea doctor Pomeranus
recitato euangelio dixit — —
Samma duarum concionum habitarum ex
d Pomerano duabus 4 feriis. Dixit
in duabus eoncionibus d Pomeranus,
quod tria in primis noscenda essent
Christianis — —
Coneio dominicae 11 post trinitatis
Lucae 18, ex ore domini doetoris Cruci-
geri — —
S. C. ex Pomerano qui recitato euan-
gelio dixit nos edoceri ex hoc euangelio,
quomodo iusti et boni coram deo red-
damur, nempe sola gratia et misericordia
dei — —
S. c. ex d Pomerano quaere huc feria
4 quia complexus sum in una concione
duas eius conciones habitas die mereurii
12. dominica post trinitatis. S. c. mane
intra horam 6 et 7 in aree ex ore
d Crucigeri in euangelium Marci
e. 7 ubi recitato euangelio dixit — --
Hora octava in parochia. Quidam ma-
gister Alberus recitato euangelio
Marci — —
Am Rande: qui fuit in Branden-
berg.
262 22
1543
268b Unten am Rande: Desunt aliquae con-
ciones, quia avocatus sum hine Des-
saviam.
X 95a Auy. 19 Dominica 15 post Trinitatis 1543 ex
ore d magistri Philippi reversi ex Ubiis
de inferioribus Germanis.
X 96a . 26 Melanchthon.
269a „ 26 8. c. ex ore d Pomerani 14 dominica
post trinitatis. Recitato euangelio dixit — —
269b „ 29 Die Mercurii d. Pomeranus perrexit
in Joanne tractanda haee verba Amen
Amen dico vobis, quod venit hora ete.
Am Rande: Ante octiduum abfui hinc
Dessaviae.
X 9b |Sepl. 2| Melanchthon.
970a " 2 Dominica 15 post trinitatis ex ore d
Pomerani. Recitato Euangelio nemo
potest duobus dominis servire ete.
210b : 5 Die Mereurii ex ore Pomerani. Paucis
repetivit Si ego testimonium perhiberem
de me — —
X 99b | „ 9| Melanchthon.
271a : 9 Dominica 16 ex ore d Pomerani.
Hecitato euangelio de filio viduae sus-
citato — —
272b Ex d Jonae concione in aree summaria.
272h „ 12 Die Mercurii ex ore d Po merani. Reci-
tato euangelio ex c 5 Joannis Seruta-
mini scripturas etc. ;
X Wla| „ 16| In euangelium Luce Id de curatione
huydropii dictata a Philippo post reci-
tatum euangelium per peerum. nobilem
a Werder.
373a „ 16 Ex ore Pomerani in euangelium
Lueae 14. de hydropico curato.
274b „ 19 Ex ore d Pomerani die Mercurii. Ego
veni in nomine meo |!] etc. usque in
finem capitis.
X 104b | „ 23] Melanchthon.
270a
-0
, 23 Dominica ex ore d Pomerani in Euan-
gelium magister, quod est maximum
mandatum ete.
23
| 1543
274 Sept. 26
X Wa „ 29
976b , 29
277a » 9
X 110a | . 30
277b » 30
X 111b Ot. 7|
278a 2 7
X I/IHb|,„ 14
279a „ 14
279b „ 17
X 715b „ 21
280a » 21
981b „ 24
X IIa „ 28
263
Ex ore d Pomerani die Mereurii.
Primo recitavit ca. 6. Joannis usque ad
secessum Christi in montem.
Melanchthon. "
In die 8. Michaelis Ex ore domini ma-
gistri Theodori Fabricii recitato
euaugelio ete. e. 18. Matthei — — _
Eodem die vesperi concionatus Pome-
ranus ultra 14 horam, quem propter
lectionem Pauli neglexi, quia nescieram
eum eoneionaturum.
Dazu am Rande: Fae ut eam habeas
concionem, magister Egidius parochus
Dessavianus collegit.
Melanchthon.
Ex ore Pomerani in euangelium
Matth. 9 de paralytico.
Melanchthon. |
Dominiea ex ore d Pomerani in euan-
gelium e 22 Matthei de rege faciente
nuptias.
Am Rande: Tarde veni propter exer-
cieium puerorum meorum.
Ex ore d Pomerani in c 6 Joannis
Hie est vere propheta ete. 4. feria.
Am Rande: Ante octiduum neglexi
sermonem propter abitionem magistri
Egidii ad Dessaviam.
M elanchthon. |
Ex ore Pomerani in euangelium Jo-
annis 4. de Regulo.
Ex ore d Pomerani 4 feria in Jo-
annis 6. Postero die turba quae stabat etc.
Melanchthon.
Ex ore domini d Pomerani dominica
22. post trinitatis.
Ex ore d Pomerani quarta feria in
Joannis e. 6. Amen, Amen, quaeritis
me etc.
M elanchthon.
283b Nov.
X 120b | „
284b — „
| 285a »
X 122b „
285 b a
286 a »
X 126a „
286b "
287b Dez.
=]
11
11
14
18
21
21
25
25
24
Ex ore d Pomerani in euangelium
date Cesari, quae sunt Cesaris etc.
Am Schlusse: Avocatus sum hine ad
Warmdorff!) et abfui 8 dies. [Ebenso
X 120a.)
Ex ore d Pomerani feria 4 quae erat
7 novembris in haec verba Joannis
Operemini non cibum qui perit —
M elanchthon.
Ex ore doctoris Powerani dominica
in Euangelium de excidiis Hiere: propter
literas seribendas sero veni. — —
Unten am Rande: Ut habeas hane
concionem integram, quia non steti loco
idoneo ad omnia audienda. ltem cou-
cionem de angelis in die Michaelis.
Quarta feria ex ore d Pomerani in
e 6 Joannis Omne quod dat meus
pater — —
Melanchthon in euangelium | Joannis
c. 6 de quinque milibus pastis etc.
Dominica 26 post trinitatis d doctor
Pomeranus perrexit tractare locum
de novissimo die — — ,
Ex ore d Pom erani + feria in Jo-
annis ca. 6. lectis ex euangelio paucis
verbis ef repetitis dietis in priore con-
eione dixit de ecelesia vera et falsa — —
M elanchthon.
Dominiea proxima ante adventum quia
aliquot dominieae supererant solito more
dominiearum post trinitatis perrexit do-
minus d Pomeranus in loeo de no-
vissimo iudicio, recitavit ergo textum de
decem virginibus — -—
Am Schluß: Adierunt me aliquot boni
viri a quibus impeditus reliqua describere.
Ex ore d Pomerani sexta feria. Reci-
tato textu Ego sum panis vivus, qui de
celo descendit, si quis ederit ex hoe
pane — —
) Vgl. Justus Jonas Briefwechsel 2,376. — Den Brief Luthers
(Enders 15, 258f.) an Fürst Georg nahm Helt also mit.
25
1543
X 129a Dez. 2
288a 1 2
X Ila „ 9
288 b T 9
. 289a x J2
X 133b | „ 16
259b > I9
291b
X 136b | „
X 138b | , 22]
X 140b „ 26
X 142b „ 27
X la „ 30
291b „ 30
1544
X 144b Jan. 1
292a x 2
293a " 6
294a á 9
Melanchthon.
Dominica 1. adventus concionabatur ma-
gister Theodorus Fabricius, qui
recitato Euangelio — —
Ex ore domini Philippi in 2. dominicam
adventus domini, sed fuit brevis, quia
ante annum lla latius tractavit.
2 dominica adventus idem magister Fa-
bricius recitato euangelio Lucae 21 —
Quarta feria ex ore d Pomerani in
Joannis 6. Durus est hie sermo etc.
Melanchthon.
Ex ore d. Pomerani feria 4 post 3
dominicam adventus domini. Initio repe-
tivit dieta ante octiduum eum exhorta-
tione — —-
Oben am Rande: Impeditus variis negociis,
temporis brevitate et soribendis literis
non potui describere canciones in festo
natalis domini usque ad euangelium do-
minieae post natalem domini, tamen eas
audivi auribus meis.
M elunchthon.
M elauchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Melanchthon.
Ohne Überschrift. Erant pater et mater
eius admirantes etc.
M slanchthon.
Ex ore Pomerani die Mereurii post
diem circumcisionis domini recitato euan-
gelio ex capite 2 Matthei incipiendo ibi
digressis antem illis — —
Ex ore domini Pomerani in die epi-
phanias domini Recitato euangelio de
magis — —
S. c. ex d Pomerano 4 feria ubi reci-
tato euangelio de domino nostro reperto
in templo, quia proxima dominica er:
266
1544
X II |Jan. 15]
294b
205b
9964
A 15 u
296 b
297 a
297b
298h
X 1550 Febr.
299a
X 158b
77
»
—
13
13
3
26
tractaturus euangelium de baptismo
Christi — —
Am Rande: Extat sermo Lutheri
de hoc euangelio editus ante postillam
Lutheri quem habuit magister Deli-
tianus felicis recordationis ').
Melanchthon.
Ex ore d Pomerani dominica post
epiphanias domini Recitato euangelio de
haptismo Christi — — —
Am Schlusse: Tandem remisit nos
ad concionem d Martini post prandium
habendam.
A prandio eadem dominica d Martinus
Lutherus dixit de baptismo Christi.
Ex ore d Pomerani 4. feria. Primo
recitavit euangeliam Joannis ca. 7. quo-
modo seit hie literas — —
Melanchthon.
Ex ore domini d Pomerani dominica.
prima post octavam epiphaniae in euan-
gelium nuptiae factae sunt — —
A prandio praedicavit d Lutherus
contra clandestina coniugia, quem audivi,
sed non excepi contionem.
Ex ore d Pomerani feria 4 post do-
minicam primam post octavam epiphaniae
in caput 7 Joannis. Veni aliquantulum
tarde ad contionem.
Melunchthon.
Dominiea die. Ex ore Pomerani in
Euangelium Matthei ca. 8. de leproso.
Ex ore d Pomerani 4 feria Repetitis
verbis Joannis ca. 7. ubi occasione horum
verborum tempus meum nondum adest — —
M elanchthon.
In die purifieationis B. Virginis ex ore
doctoris Pomerani Recitato Euangelio
Lueae 2 — —
Melanchthon.
!) Vgl. Enders 13, 39. Hiernach ist Gore vor Januar 1544 bereits
xestorben.
*
300a Febr.
300b
X 160a
300b
30la
X 162b
290b
301b
302a
3020
303b März
304a
X IIIa
304b
X 172b
305a
X 1736
305b
1544
10
ho
~]
267
Dominica in euangelium Matthei 8. de
Christo dormiente in navi — —
Quarta feria d Pomeranus repetivit
contextum euangelii et fere omnia quae
dixerat — —
Melanchthon.
Dominica proxima in euangelium de con-
ductis in vineam.
Qüarta feria ex ore d Pomerani,
Traetavit haee verba Joannis 7. Mea
doctrina non est mea ete.
Melanchthon.
Ex ore domini doctoris Pomerani in
c. 8. Lucae de seminante.
Quarta feria post sexagesimam ex ore
d Pomerani. Primo recitatis verbis
ex e. 7. Euangelii usque ad haee verha
nolite iudicare secundum faciem — —
Dominica Esto mihi ex ore dd Pome-
rani, Primo recitato euangelio — —
Quarta feria ex ore Pomerani Reei-
tato euangelio incipiendo ubi Dicebant
ergo quidam ex Hierosolymis usque ad
verba de turba autem multi erediderunt
in eum ete. z
Unten am Rande: Neglexi sermonem
dominica Invocavit propter salutivum re-
ceptum contra seabiem.
Quarta feria post Invocavit etc. Recitato
textu Joannis de turba multi erediderunt
in eum — —
Melanchthon. Davor: Neglexi aliquot
lectiones vocatus hinc Dessaviam ete.
Dominica Letare ex magistro Fabricio.
Recitato euangelio dixit — —
Melanchihon.
Ex ore d Pomerani in die annuncia-
tionis B. Mariae recitato euangelio — —
Melanchthon.
Ex ore domini Pomerani dominica
Judica recitato euangelio dixit de pec-
cato in spiritum sanctum — —
268
1544
306a April 2
X 174b „ 6
X 177 „ 1
307a „ 10
307 b
X 179a „ 11
307b ; 12
307b „ 12
X 183b „ 13
307b „ 13
308a » 13
308b
X 184b 14
28
Ex ore domini Pomerani 4 feria post
Judica, ubi cepit legere euangelium Jo-
annis de passione Christi — —
Oben am Rande: Ante octiduum propter
evacuationem non interfui concioni.
Melanchthon.
Melanchthon.
Ex ore d Pomerani die Jovis post
palmarum recitato passionis parte ex
libello usque ad caput Joannis 14.
Deinde per dies post palmarum usque
ad diem pascae praedicavit d doctor
Pomeranus ex libello in |quo] conti-
netur passio Christi collecta ab eo et
plerumque praedicavit ante prandium et
vesperi ex eodem libello adiectis brevibus
scoliis, tamen bis praedicavit eisdem
diebus.
Melanchthon.
Froschlein magister qui in sacra
vigilia pascae tractavit primam partem
psalmi Conserva.
Magister auten Andreas praedicavit
eadem vigilia de sepultura Christi, in qua
vigilia d Pomeranus non praedicavit.
Melanchthon.
Die ipso sanctae pascae d Pome-
ranus recitavit prolixam historiam de
resurreetione domini — —
Am Rande: magister Andreas, fere
omnia dixit ex Brentio.
A prandio praedicavit d Martinus.
Am Rande: pro hoe facit concio quam
doetor Martinus habuit aliquando in
Nemech in baptismo licentiati Cordati
filii, quam habet magister Schlahen-
heuffen et dominus Georgius prae-
positus Magdeburgensis princeps
Georgius Anhaltinus.
lieliquis diebus pascae usque ad quasi-
modogeniti praedieaverunt d Pome-
ranus, Crucigerus ante prandium
et d Martinus bis a prandio.
Melanchthon.
29
1544
X 186b April 15
X 188a „ 20
309a „ 20
309b „5 23
X 190b „ 27
309 b „ 27
3100
X 192 Juni
310b ,
311b „
X 192b ,
3122 „
312b „
X 194a „
319b „
314b o „
X 196a „
1
M elanchthon.
Melanchthon.
Dominica quasimodogeniti recitato euan-
gelio dixit iterum de iucunda resurrectione
Christi — —
Die Mercurii post quasimodogeniti in
euangelium Joannis ego sum lux mundi ete.
Melanchthon.
Ex ore domini doctoris Pomerani
misericordias domini in euangeliam ego
sum pastor bonus. —
Abfui a Witeberga 4 septimanas, itaque
neglexi aliquas conciones.
In die pentecostes cum abfuissem 4 sep-
ina nas hinc apud principem Georgium
Anhaltinum revers ts 4. feria post Exaudi
audivi ex ore Philippi ante ianuam con-
sistens quia non patebat mihi ingressus
in eius vaporarium mane post 4. horam
audivi ha^c sequentia ex ore domini
Philipp: M elanchthonis.
Am Rande: Veni aliquanto posi
inceptionem lectionis.
In die pentecostes ex ore magistri G e>
orgii Maioris concio. Primo reci-
tavit euangelium — — |
A prandio eodem die pentecostes ex ore
d Martini qui recitato 2. capite ac-
forum — —
Melanchthon (qui fecit adolescentem
legere c. 2"" actorum).
2a pentecostes ex ore d Pomerani,
qui recitato euangelio dixit de festo
pentecostes — —
Ex ore Lutheri a prandio recitato
contextu ex 2 capitulo actorum — —
M elanchthon.
Ex ore d Pomerani 3 pentecostes
qui recitato euangelio ex Joannis 10.
Amen amen ete.
À prandio eodem die ex ored Martini
qui recitavit ca. 3. actorum.
M elanchthon.
210
315a
315b
316a
X 197 b
316 b
X 198b
317 b
318 a
319 a
X 20la
319 b
330b
1544
Juni
”
79
77
8
30
In die S. trinitatis ex ore d Pomerani.
Primo recitavit ex c. 15. cirea finem
Joannis de spiritu sancto non ex c. 3.
11
29
de Nicodemo.
A prandio eodem die trinitatis ex ore
d Martini.
Quarta feria post trinitatis ex ore d
Pomerani cepit tractare et repetere,
quae dixit in caput 8. Joannis nempe
haee verba si vos manseritis in sermone
meo — —
Melanchthon.
Ex ore, d Pomerani in Euangelium
de Lazaro et divite.
Melanchthon.
Quarta feria ex ore d Pomerani qui
lectos|!] ex Joanne incipiendo vos ex patre
diabolo estis usque hue propterea vos
non auditis — —
2. dominica post Trinitatis ex ore
d Pomerani qui primo recitato euan-
gelii textu — —
Eadem dominica ex ore d Martini in
epistolam Joannis 1 eiusdem 3.
Melanchthon.
In d. S. Joannis baptistae. Ex ore
d. Pomerani qui recitato euangelio
Lucae 1. dixit — —
Eadem d. S. Joannis ex ored Lutheri.
qui recitato contextu ex Luca, Mattheo
et etiam quadam parte Marci .— —
Quarta feria post Joannis ex ore domini
doetoris Pomerani qui recitatis aliquibus
verbis ex capite 8 Joannis de diabolo etc.
Melanchthon.
Ex ore d Pomerani in die Petri et
Pauli quae erat dominica dies, qui reci-
tato euangelio ex Luc. 15. de ove erra-
bunda — —
Eadem dominica ex ore d Martini in
epistolam Petri. i
Ju
323b Juli
324b
325b
X 204b
326a
326a
X 209a
327a |
327b
X 210b
328b
329b
330a
330b
X 212b
1544
2
7
1) X 209b.
2
—
13
9|
23
271
Die visitationis Mariae ex ore domini
doctoris Crucigeri ubi recitato euan-
gelio ex e. 1. Lucae — —
Eodem festo ex ore d Pomerani qui
recitato euangelio — —
Ex ore d. Martini eodem festo die.
Melanchthon.
Euangelium Estote misericordes sicut et
pater vester ete. audivi ex doctore Martino
praesente d. principe Georgio Anhal-
tino et non ex Pomerano. Item trac-
tationem euangelio sequenti dominica
ex Luca e. 5. faeta est, eum turba ir-
rueret ete. auditam ex d. Jona signavi
per errorem in libro ubi eontinentur
lectiones dominicales Philippi).
Am Rande: magister Rorer excepit
cum d. Crucigero et aliis.
Melanchthon.
Quarta feria ex ore d Pomerani in
caput 8. Joannis.
Quarta feria post quintam dominicam
post trinitatis ex ore d Pomerani, ubi
iterum praedicta verba ex 8 e. Joannis
traetavit.
Melanchthon.
Sexta dominica post trinitatis ex ore d
Pomerani. Primo recitavit euangelium —
Eadem dominica post prandium in
epistolam ad Ro. e. 6. An ignoratis,
quod quicunque baptizati sumus ete. ex
ore d Martini.
Oben am Rande: Ante octiduum non
praedicatum fuit vesperi, quia sagittis
certatum est pro deiicienda ave.
Quarta feria ex ore d Pomerani in
Joannem. Primo recitavit verba Joannis
aliqua, non tamen usque ad finen
eapitis 8.
Melanchthon.
272
1544
33la Juli 27
331b „ 27
332 a „ 30
X 2130 Auy. 3
332b „ 3
X 216a „ 3
333a 6
10
333b „ 10
334d „ 10
335a „ 13
X 7906 „ 17
336a „ 20
X 2234 „ 24
336b „ 24
32
Dominica 7 ex ore Pomerani ubi prae-
termisso euangelio de 7 panibus etc.
tractavit euangelium de muliere peceatrice.
Eadem dominica a prandio ex ore d
Martini. Primo recitavit epistolam ex
apostoli 1 Timo. 1.
Quarta feria ex ore Pomerani in verba
Joannis 8. e. ego glorifico — —
M elanchthon.
Octava dominica post Trinitatis praedicavit
hie d doetor Fabricius, cuius sermoni
interfui, qui sermo signatus est per me
forsitan, ubi sunt lectiones dominicales
domini magistri Philippi), quia eo die
fui impeditus per aliquos viros, qui me-
cum prandebant etc.
Ex ore d. d. Martini a prandio.
Ex ore d Pomerani 4 feria post do-
minicam 8 post trinitatis. Primo iterum
legit verba euangelii Joannis ex ca.
eiusdem 8. quae ante octiduum tracta-
verat. |
Melanchthon.
Dominica 9 post trinitatis ex ore d. Pome-
rani primo recitato euangelio — —
A prandio ex d Luthero in e. 10. ad
Corinth. epistolae 1.
Quarta feria ex ore d. Pomerani in
c. ultima verba Joannis: Abraham pater
vester etc.
Am Rande: Veni aliquando tardius,
M elanchthon.
Dominica 10. post trinitatis ex -ore
d Pomerani primo recitato euangelio
Lueae 19.
Quarta feria ex ore d. Pomerani.
Recitatis aliquot verbis ex ca 9. Joannis
repetivit dicta ante octiduum — —
M elanchthon.
Ex ore Pomerani in c. 18. Lucae de
phariseo et publicano ete.
33
1544
337a Aug. 27
X 225b „ 617
338a » 31
339 b Sept.
X 228b „
340 a à
341h 5
342 4 z
X 230a „
342 b s
343b i
343b =
9a. 309a „
X 232a „
344a x
345b T
346a "
3
*
uq N
10
14
14
14
17
17
21
21
21
24
273
Quarta feria ex ore d Pomerani in
ca. 9. Joannis, ubi repetivit inicio ferme
omnia, quae ante octiduum praedicavit
et fere totam horam consumpsit repe-
tendo —
M elanchthon.
Ex ore d. Pom erani 12. dominica post
trinitatis recitato euangelio -— —
Quarta feria ex ore d. Pomerani iu
haee verba me oportet operari etc.
Melanchthon.
Concio ex ore d. Pomerani in euan-
gelium Lucae 10. Beati oculi etc.
Ex d.Luthero in epistolam ad gal.
c. 3.
Quarta feria ex ore d Pomerani in
caput 9. Joannis, ubi inicio repetivit dicta
ante oetiduum — —
M elanchthon.
Dominica 14. post trinitatis primo reci-
tato euangelio — —
Eadem dominica ex ore d. Pomerani!)
in epistolam ad gal. c. 5.
Am Ende: Hane concionem late habetis
in libro concionum exceptarum me ab-
sente et agente Mersburgii?), sunt
ibi sincere, quare potui omnia describere
quae audivi.
Sermo feria 4'* Alibi descripsi.
Ex ore domini d. Pomerani 4. feria.
Am Rande: Sepe conciones hue perti-
nentes alibi descripsi propter incogitatum
et festinatum.
Melanchthon.
Sermo dominica 14 vel 15 ex ore
d. Pomerani, ubi recitato Euangelio — —
À prandio ex ore d Martini in epistola
ad gala. c. 6.
Quarta feria ex ore d. Pomerani.
Collegit aliquot doctrinas ex hae historiu
ceci nati, — —
) Vou Luther, W. A. 49, 554 ff. N Vgl. Westphal, a. a. O. S. 16.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVII. 4. 18
274
346a
347 u
X 235b
347a
348a
348a
X 234b
348b
349a
X 240a
350a
350b
) Schreibfehler für 16.
1544
X 234b Sept. 28
r
97
0
28
28
12
12
34
M cdanchthon.
Dominica 17.') post trinitatis de viduae
unieo filio.
Eadem dominica quae erat vigilia
Michaelis magister Andreas (quia
d. Lutherus male habuit propter in-
quietam noctem) primo recitavit historiam
ex 4. regum 6. de Heliseo vidente igneos
equos — —
Am Ende: Ante annum in vigilia
Michaelis coneionatus est d. Pome-
ranus, sed neglexi eum sermonem.
quia neseivi eum praedicaturum, sed eum
sermonem habet ^ dominus magister
Aegidius parochus Dessavianus.
M elanchthon.
Die Michaelis ex ore Pomerani primo
recitato euangelio.
À prandio eodem die Michaelis doctor
Martinus tractavit epistolam ex c. 12.
apocalypsis.
Quarta feria post Michaelis ex ore d.
Pomerani in Euangelium Joannis In
iudicium veni in hune mundum etc.
Melanchthon.
Dominica post Michaelis in e. 14. Lucae
d. Martino et Pomerano eonstitutis
Torgae in dedieatione templi coneionatus
est magister Froschle.
Ex ore d. Pomerani feria 4. pos
S. Francisci in caput 10. Joannis ubi
recitato euaugelio dixit de praecipuis,
quae in hoc capite continentur.
Duabus dominicis diebus non legi d.
Philip quia fuit Lipsiae tempore nun-
dinarum et nuptiarum D. Mordeysen?).
Dominiea 18 ex ore Crucigeri quia
dominus Philippus erat tune Lipsiae
in e. 22. Matthei de magno mandato.
Eadem dominiea ex ore d. Pomerani.
Primo recitato Euangelio — —
3) Vgl. CR. V, 515.
352 2
353 a
354 a
354 a
355b
X 240a
356a
356b
1544
Okt. 12
„ 15
. 19
19
— 22
26
„ 286
29
20
X 24da Nov. 2
357b
—
275
Eadem dominica a prandio ex domino
doetore Luthero I. Corin. 1.
Am Ende: hie statim cessavit forsitan
propter vertiginem ete.
Ex ore Pomerani feria 4. ubi plurimum
temporis consumpsit in repetitione eon-
cionis aute oetiduum -- —
Am Ende: fuit hie vehementer inter-
turbatus per d et Heetorem ete. mea
maxima molestia, quia in meo vaporario
expeetabant nuptialem pompam ete.
Dominica 19. post trinitatis ex ore
Pomeranidominiea 19. in e, 9. Matthei.
Vesperi praedieavit magister Froschel,
quia d. Lutherus vexabatur caleulo.
Quarta feria ex ore d. Pomerani,
ubi iterum recitato euanzelio ea. Joannis
10. dixit — —- |
Melanchthon j
Dominica 20. post trinitatis in caput
22. Matthei ex ore d. Pomerani.
Quarta feria ex ore d. Pomerani in
ea. 10. Joannis Ego sum pastor bonus ete.
Dominica post Simonis el Judae d.
magister. Philip tractavit c. 3. Malthe:
de beatictwlinibus, sed ego abfui propler
pwrgation.m. Doctor Pomeranus
eadem «dominica die pracdiaril de peni-
tculia et fiie et aliis et in postilla
philippi continentur, sed non potui
interesse propter purgationem.
Anno domini 1545') Mersburgae.
|Nov. 16] Coneio ex domino licentiato Musa in
Euangelium Matthei 22. Tune abeuntes
pharisei — —
A prandio percurrit idem M usa 10 prae-
cepta
Concio ex ore d. Licentiati Musae in
templo basilico Martipolensi 1544
in Euangelium Matthei e. 9. de primate
svuagogae — —
1) Soll 1544 heißen.
276
1544
36
358b [Nov. 23] A prandio idem in catechismo perrexit.
358b [„ 25] Die Martis ex ore domini Musae.
1545
359a [Jan. 11]
359b. „ 295
360 a „ 25
360b [„ 25]
361a Februar 1
361b 5 1
362a e 2
362b " 2
Summa concionis in epistolam prioris
dominieae quae seribitur Coloss. 1.
Ex ore domini licentiati Musae Antonii
in epistolam Pauli Ro. 12. Quemadmodum
in uno eorpore — —
In die conversionis Pauli qui erat dies
dominica proxima post Agnetis ex ore
domini licentiati Antonii Musae.
Primo recitavit ex ca, 9. Aetorum — —
Eodem die a prandio tractavit 2” prae-
ceptum deealogi — —
Ex domino licentiato Musa in epistolam
Ro. 12. Ne sitis arrocantes ete.
Ex ore L. Musae in c. 20. Matthei de
operaris conductis in vineam ete.
À prandio eodem die ex ore Antonii
Musae. tractavit 10 praecepta et prae-
cipue 2°= praeceptum tractavit — —
Die purificationis ex Antonio Li.Musa
recitato Euangelio Lueae 2.
Eodem die a prandio hora 12. ibi per-
eurri 10 praecepta et repetivit omnia,
quae dixit cirea 2 praeceptum.
Die reformatorischen Kirchenordnungen
Ober- und Innerösterreichs.
Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche.
Fortsetzung?!)
Von der christen begrebnus in der stadt Steyr ).
Gestelt anno im 67'*" den 26. Maii.
Es ist in diser khirche nicht zu loben, das nicht alle
verstorbne christen ehrlicb mit gebürlichem conduct und
christlichen gesengen zu grabe beleitet werden, sondern solchs
nur dennen allain widerferet, die etwo an zeitlichen gtletern
vermügiger sein, dann andere; die armen, so nicht sovil gelt
auf das begrebnus zuwennden, müessen one alle christliche
eeremonien und ehre dahin getragen werden, wie die heiden,
oder als die, so in die christgläubigen gemaine nicht ge-
hóreten ).
Deßgleichen werden solcher christlicher solenniteten und
grabgeprenngs auch die lieben jungen khinderlein beraubet,
die doch dem Herrn Christo in der tauff zuegetragen und
dureh sein Wort des ewigen himelreiehs vergwisset, auch
sovil mit desto merer reverenz zur erden zu bestetten weren.
Solches geschicht nicht allain den cörpern nnd leiben der
verstorbnen ehristen, so im glauben eingeschlaffen und irer
khünfftigen aufersteheung zur unehre, sondern es ist auch
der hinderlassnen lebendigen gemein verheblich für der
gannzen christenhait und ein zeichen, als wenn sie von der
auferstheung der Todten wenig hielten, das sie so viler irer
brüeder und schwester leibe, wenn sie verscheiden, so gar
1) Siehe oben S. 209 fl.
2) Stadtarchiv. Kasten II Lade 29. 26. Mai 1567.
,Diese vollstándige Friedhofsordnung ist auch durch den in
Punkt 6 ersichtlichen Nachweis wertvoll, daß der neue Friedhof auf
Tabor seine Entstehnug den Evangelischen verdankt“ (Selle). Vgl.
Seuling 1, 1, siehe oben Begräbnis.
* Also viel sozialer als z. B. in Meissen 1533. Sehling J, 1, 195.
218 : 38
one alle ehre, christlich geseng und gepreng lassen in die
erden legen. Oder man mueB daraus ahnemen ein sonder-
liche unbarmherzigkait gegen den verstorbnen gliedern Christi,
weil man allain darumb, das sies mit gelt nicht zu bezallen,
inen solche christliche Dienst versaget.
Derhalben auf das hierinen allen verstorbnen christen,
so im waren bekhenntnus und berueffung unnsers einigen
mitlers Christi Jhesu einschlaffen, möge gebürliche grabsehre
widerfaren, auch niemandt über neue aufseze, die ein schein
aignes genüesses hetten, billich zu elagen habe. ist hierinnen
unser einfaltig bedenckhen (doch auf pessere verordnung
eines ersamen wolweisen raths) also:
Erstlich sol khain leich begraben werden. es werde den
zuvor der pfarherr umb das begrebnus ersuechet und ime
angezeiget, wasmassen abgeleibete person verschieden, und ob
jemanndt aus den khirehendiennern dieselbe in der kranck-
hait besuechet, auch ob sie das hochwirdig sacrament des
leibs und pluets Christi in der khrannekhait oder khurz zu-
vor emphaungen. Waserlay gestallt mans mit dem begrebnus
begere zu halten, ob man darzue ain leichpredigt wil haben
oder nicht. darnach sich der pfarherr zu richten.
Unnd were guet, das der pfarherr ein sonderlich leich-
buch hielte, darein er alle, so in diser khirche von frembden
und einheimischen durchs gannze jar in gott verschaiden
mit namen und zu weilen auch, wie einer gestorben (sonder-
lich so sich etwo ein neuer casus mit einem begeben) ver-
zeiehnete. Daraus man sich hernach allerlay zu ersehen
und auch an fremde orth von wegen auslenndischer bey
unns abgeleibter personen, da es not thet unnd begeret
wurde, möchte gewisse khuudtsehafft gegeben werden.
Zum andern sol man ordnungshalben für und für (außer
der geschwinnden sterbensleuffen, da es nieht wol geschehen
khan) ein gewiße stundt zum begrebnus halten, nachmittag
umb zway uhr, und ob gleich der leichen mer sein denn
eine, von diser stund an eine nach der aundern holen, wie
es die notturfft und gelegenhait der leute erfordert. AuBer-
halb dere leichen, die am sambstag gefallen, die sol man
umb 12 hora tragen, damit man umb eines bey der vesper
sein und beicht sizen möge. So aber die leiche in die pfar-
khirche geleget wirdt und man begeret ein leichpredigt, mag
dieselbig austat der vesper und der gewohnliehen beicht-
vermanung gethan werden. Also auch an den sontügen oder
andern feyrtagen, so leichen verhannden, die man desselben
tags zu legen und darzue ein leichpredigt in der pfarr be-
geret, sol die leiche umb 12 hora getragen, und anstatt der
mittagspredigt die leiehpredigt gethan werden, damit khaines
39 279
dem anndern hinderlich sey. Wo aber khain predigt darff
geschehen, dieselbe leiebe trage man gegen zwaien. wenn
die mittags predigt aus ist.
Zum driten. weil es in diser khirche von alters ge-
breuehig, den verstorbnen ehristen, ehedann man sie zu grab
treget, mit drey pulsen zuvor aufzuleiten, eintweder vormittag
umb acht oder nachmittag umb aindlif!) uhr, mag solche ge-
wonhait, damit ein offenlich zeichen ires ableibens gegeben
und zugleich die lebendigen irer sterblichkheit und lezten
stündleins sich dabev erinnern khönnen, geduldet werden.
Doeh sol es einem veden frey gelassen sein, solch geleite zu
prauehen oder nicht zu prauchen. Wil es aber ein ersamer
rath abgestellet haben, sindt wir unserstheils auch nieht
darwider.
Wenn man aber die leichen zu grab tragen wil umb
2 uhr, ist not, das man zuvor einen gutten langen pulß thue
mit einer oder merer glockhen, (wie es einem ersamen rath
gefellet zu ordnen). damit die, so zu grab gehn wöllen, ein
zeichen haben, wenn sie sich zur leiehe versamblen sollen.
Es sollen auch die schuler nach der leiche ehe nicht aus-
gehn, bis soleher pulB angefanngen. Unnd damit mans
khennen móge, das soleh leuten eine leiche bedeutte, sol
der mesner alle zeit zuvor, ehe er die leichglockhen anziehet.
mit der khlienesten gloekhen dreimal klenngeln.
Leget man die leiche auf den gottsackher beim brueder-
hause, sol daselbs auch das zeichen mit der glockhen ge-
geben werden.
Das leuten aber, so man bisheer hat gepflegen zu thun,
wenn man mit der leiche schon zum khirhofe khommen ist,
ist gar übrig und unnot, dieweil es den lebendigen nichts
mer, das nuz werr, bedeuten khan; khumbt auch heer aus
einem lautern abgöttischen misprauch, das man vor zeiten
die todten damit hat eingesegnet unnd darauf vigilien?) ge-
sungen.
Zum vierten sollen alle leichen der verstorbnen christen,
reich und arm, jung und alt, herr und khnecht, taglohner
und betler, auch der khleinen khinder (ausgenumen deren
menschen, so ruchloß in offentlichen groben lastern oder in
verachtung des worts und der heiligen sacramenten oder -
aber im falschen glauben der verfürischen secten bis an ir
ende in unbußfertigkheit beharret haben) ehrlich mit christ-
licher procession und gesengen?) dadurch die menschen irer
sterblikhait und des jungesten gerichts, auch der frölichen
| ) = elt.
*) RGG. 5, 1673.
) Vgl. Loesche Mathesiua 1, 288.
YRO 40
auferstehung von den todten und des khünfftigen ewigen lebens
erindert, zu erden bestättet werden, zu welchem christlichen
leichganng khirche und sambt den schulern nach eines jeden
begere und vermögen gefordert sollen werden.
Auch sol man die leichen mit leinen ehrlichen tüchern
bedekhen und solcher ehre auch die khleinen khindleiu
nieht berauben, sintemal es gewiß, das daß grösste tail des
himelreichs ir ist Math. 18, und sie am jüngesten tag in
iren zarten, elarifieierten leiblein zue ewigen ehren und freiden
werdeu auferstehn. Wo erbare leute auch iren abgeleibten
khindern wollen leiehpredigten thun lassen, hat man in der
schrifft vil schöner und nuzer text, die man darzue brauchen
khan. `
Die khindlein, so one die heilige tauff verscheiden oder
todt aus mutterleibe khomen, so solches nicht durch muet-
willige verwarlosung oder verseumung der eltern zueganngen
und die eltern bekhennen, das sie treulich für solche khind-
lein, weil sie noch in mutterleibe lagen, damit sie die eusser-
liche heilige tauff erreichen khunden, gebettet haben oder,
wo solehs gott nach seinem verborgnen willen nicht zuegeben
wurde, das er sie doch inwendig mit dem heiligen geist
tauffen und zu seinen gnaden aufnemen wolle, mag man deu
betrüebten eltern zu trost mit obbemelten ceremonien wol
zur erden bestätten.
Welche aber mutwillig durch ire eltern verwarloset oder
an irer tauff verseumet sindt worden, denen sol man zum
abseheu und schreckhen den anndern eltern solche christliche
beleittung irer kbindlein nicht gestatten, sonndern man sol
sie one ceremonien allain durch den todtengraber lassen
hinaustragen. Doch mag man sie lassen auf den gemeinen
khirchofe etwo in ein winckhelein begraben, dieweil man auch
manchem alten menschen, der der heiligen tauff nicht fast“
gemef) bis an sein ende gelebet hat, den khirchoff vergonnet.
So aber personnen sturben (unangesehen in was wierden
sie auf diser welt gehalten sind worden), die in offenlichen
sünden one buD bis an ir ende beharret, oder vor irem todt
in vilen jaren das sacrament des heiligen abentmals nach
Christi einsezung aueh zulezt in irer khrannkbait nieht ge-
nossen oder auch unser waren reinen und christlichen religion
nieht anhenngig gewesen unnd also im unglauben one be-
kherung ir leben geendet, dern cörper und leibe sol man
nicht zu den andern christen in den gemainen gottsackher
begraben, vil weniger mit christlichen ceremonien beleitten.
sondern mit unehre lassen dahin tragen und begraben an
ein besonnder orth, das von der christen begrebnus abge-
1) = sehr.
4] 281
sondert sey. andern zum abscheulichen exempl, damit sie
für solchen sünden und verruchtem leben sich hütten und
offenlich dadurch zu bezeugen, das, die one ware bu, bc-
khentnus und anrueffung Christi sterben, am jungesten tag
nicht zu ewigen ehren, sonndern zu l ewigen schanden werden
auferstehn.
Zum fünfften mag man die ceremonien und beleitung
der leichen in nachvolgender underschiedlicher ordnung halten
und derselben nach den khirch- unnd schuldienern ir verord-
nete gebüre, so hieunden aus uberschlagung!) und etlicher-
massen mit minderung der alten?), sovil die khirchdienner
anlannget (doch einem ersamen rath hierinnen nichts vor-
gegriffen, noch maf oder ordnung gegeben) verzeichnet ist,
reichen.
Wer mit allen glockhen lesset ausleuten, der sol zum
leichganng auch das gannze ministerium oder priesterschafft
und die gannze Schul fordern.
So die leiche in die pfarrkhirche geleget wirdt, gebüret
erstlich zur khirehe zu geben . . II fla)
Wirdt sie aber ausser der kbirche in item khirehoffe
pelga E O3 x dece" E wh ee E E ep dd
0 Überschlag.
2) sc, Gebühren.
5 Der Gulden hatte damals ungefähr den Wert von 15 Reichs-
mark im Frielen. Für die Preise ist es unabkömmlich, sich eine Vor-
stellung von der damaligen Kaufkraft des Geldes in Oberösterreich
zu machen. Im Puchheimer Urbarium von 1564, also aus der hier
in Betracht kommenden Zeit, findet sich z. B.: 1 Henne 84; 40 Eier
20 à; 2 junge Hühner 12 5; 120 Eier 18 18 5: 2 ,Hünndl" 16 0. Zu
Fasching eine Heune 164. „Madtag“ (ein Tag Mähen) 104. 50 Eier
20 4. 40 Eier 15 9. 100 Eier zu Ostern 1 $ 5 à. Martinigans 1ß.
1 Semellaib Brot 18 25. Brot zu Weihnachten 85. Aus „K. Ober-
leitner, Die Finanzlage Niederósterreichs im 16. Jahrhundert":
‚ 1514 1506 1598
1 Æ Rindfleisch 2 6 63 . . 83
1 & Käse 3 5 3 Kr
1 Gans 6 „ 12 -,
1 Henne 4 „ 4 „
1 Haß Wein 4, 6 „
5 Eier 1 „ 3 5
1 Laib Brot er 2
1 & Butter 7 „ 10
Löhne: Maurer, Siroliichne den Holzhädker: Weingartenknechte:
stiegen von 14 4, 20 0 auf 6, 7, 9, 10 Kr.; Beginn des 17. Jahrhunderts
12,713. 15, 17 und 33 Kreuzer. (Dr. Koch.)
232 42
Dem Dn man lege sie in oder ausser der
khirehe. . =- 3845 — 0
Dafür soll er schuldig sein ein . E thun
oder dureh einen andern an seiner stat zu bestellen.
Den beiden gselpristern?) jedem . 68 — à
Dem schulmaister einen halben taller?).
Dem mesner, so er zuvor mit allen did pd mal
ausleiten muß . . — 3
Lesset man aber nicht aubleuten und er ar = einen
pulü zum begrebnus . s 256 — 3
Dem cantori . . . .. ..4f — 3
Den anndern EM oder collaboratorn, so mit-
gehnn, was ein jeder seinem vermögen und ehren nach selbs
guetwilligklich geben wil, doch das mans nicht gar unbe-
gabet lasse. Deßgleichen ein almosen geltlein für die armen
khinder und astanten*) auf der schul, welchs dem schul-
maister sol uberanntwort werden, inen nach eines jeden
vleiß und notdurfft auszuteillen, darunder man auch den
armen bürgerskhindern, so aus der schule mit der leiche
mitgehn, ire pfenniglein geben soll. Oder wer da wil, mag
den sehülern das ire vor seiner thür. da die leiehe gezalet
wird. lassen austeilen.
Über das. weil es gewohnlich und christlich, das man
bei vermügiger leute leichen ein stuckh tuch auf der bar
treget, so man armen leuten zur khleidung austeilet und der
schulmeister zu zeiten für etliche arme schüler bitten wurde,
inen ein gannz oder halbs stuckh, oder aber etliche eln nach
not und gelegenhait dere, so es dürffen“), widerfaren zu lassen,
sol man hiermit die armen schüler auch nicht lassen ô).
Wer die prediger so außer der ordenlichen pfardienner
von einem ersamen rhat angenomen und gehalten werden,
zu seiner leiche (wie sichs wol in veneralibus funeribus
gebüren wil) fordern unnd inen was geben wil, sol einem
jeden frey stehn.
1) f ist Schilling, der 8. Teil eines Ptundes = 210 c (Pfennige),
also 305 (Das gezählte Pfund z. B. Kraut hatte 240 Stücke. Ein
Schilling Kraut = 30 Köpfe. Da der fl = 60 Kr = 240 3 hatte,
wurde dies noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts gern zum Kopf-
rechnen verwendet.)
2) Hilfsgeistlicher, Kaplan.
3») — ungefähr 1 Gulden.
4) Oder Diskantisten hießen die armen Schulknaben, die zum
irchen- und Chordienst verwendet wurden.
5) bedürfen.
6) d. h. auslassen.
43 283
Begeret man aber von derselben einem in sonderhait
die leichpredigt, sol dem, der es thut, ein dannekhbarliche
verehrung ohne abbrueh des pfarherrs und gesellpriester
gebüre gethan werden.
So aber zur leiche das mitter!) geleite begeret wirdt,
beide zum außBleiten und begrebnus, ist unot, das daselbs
die gannze schule mitgehe, sonndern allein der cantor mit
allen astannten, so sich auf der schule aufenthalten, sambt
etlichen andern armer burgersleute khindern, die in die
schul gehn, sollen naeh solchen leichen gehn und die ge-
senge verrichten.
Davon gebüret erstlieh dem pfarherr, so er khain leich-
predigt thun darf?) . . . 9f — G.
Begeret man aber ein leichpredigt . . 656 — N.
Den Penn so man khein thut,
jedem .. .18 — 5.
Thuet man aber ein leichpredigt, jedem . 3 6 — N
Unnd sollen der pfarherr sambt seinen gesellpriestern
auch schuldig sein, mit der leiche zu gehn, man predige
oder predige niebt, one, welcher predigen sol. mag daheim
dieweil seiner meditation warten.
Des mesners gebüre ist hie. . . . . 2 — ,
so er zuvor dreimal ausleitet.
Lesset man aber nicht ausleuten und er thut nur einen
pulb zum begrebnus mit der mittern gloekhen, n 5 ui im
ordnen .. i — 8.
Geschicht aber der pulb mit der grossen poa
auch . 28 — 6.
Also auch, wenn er zuvor ausgeleitet und hernach mit der
großen glockhen den pulß thut, gibet man im billig 3 8 — ^5.
Dem cantor mag gleichesfals geordnet werden 3 fj — à.
Und was sonst ein jeder von guetem willen auf die
sehul wil geben oder für seiner thür austailen lassen den
armen schulern, so die leiche beleiten unnd singen heltfen.
Unnd da nun hie etwas ain gelt auf die schul ge-
schiekhet wurde für die armen schüler, sollen in derselben
austaillung, wie obgemeldet, auch die armen bürgerskhinder-
lein, so der cantor zu den leichgengen brauchet, begabet
werden.
Die übrigen und geringen leichen, so von armen un-
vermügigen leuten nur mit dem khleinen geleit bestellet
werden, sol der cantor allein mit den astanten holen. Be-
— —
1) mittlere.
2) d. h braucht.
254 44
geret man aber, das die gesellpriester sollen mitgehnn, soi
man einem jeden geselpriester geben . . kr. )
Wil man auch den pfarrer haben, gebe man im 6 kr.
Doch stehet es den leuten frey, die priester zu fordern
oder nicht zu fordern; da man nun ires beleitens nieht be-
geret, darff? man inen auch nichts geben.
Dem mesner gebe man für dib leiten, wie bisher, sein
ordentliche gebür . . b Wh RE
Doch so er nieht außleitet und er thut nur ein pulß zu
grabe mit der mittern glockhen . . . xx.
Wil man die groß glockhen haben, auch .. . 8kr.
ohne das vorgehennde ausleitten.
Wer aber zugleich das vorgehunde ausleiten und den
pulb zu grab mit der großen glockhen haben wil. der
gebe „ a I2 RE
Dem 'eantor- von einem solchen funere 8 kr.
Also das ein solch funus zum högsten in ehrlicher
proceß mag ausgerichtet werden (außerhalb des todtengraber
,, Dune
zum wenigsten mit. . . . .. . . 12 kr.
So nun jemand auch N 12 kr UT vermöchte dran-
zuwendten, ist es christlich, das ein ersamer rath verordnung
thue, damit solch geltlein halb oder gannz nach augen-
scheinlicher not und gelegenheit der personen von dem
almosen aus dem bruderhause für die armenleute dargeleget
werde, damit sy von wegen armuets nicht dürffen der christ-
lichen ehre zum begrebnus beraubet werden.
Damit aber aber auch solche ausgabe dem bruederhause
widerumben möge einkhomen, sol man by allen leichen, so
beide in der pfarr uud im bruderhause begraben werden
ısonuderlich da leichpredigten geschehen) in der khirche
oder auf dem khirchoffe undter dem thor, da man die leiche
hat hineingetragen, ein offen messingen beckhen sezen, auf
ein dreufüssichten stul, darein die thrauersleute und andere
christen, so mit zu grab gangen, am herausgehn ir almosen
sollen legen, in das bruderhause zu samblen, darzue denu
die prediger die leute zu zeiten in der-leichpredigt vermanen
soln. Das wirdt one zweifel des jars sovil tragen, das man
den gar armen leuten zu irem begrebuuß one schaden wird
aus dem bruderhauß khonnen hilff und steuer thun.
Also khónte es geschehen, das alle auch unnser armeste
mitglider in Christo, wenn sie im herrn einschlaffen würden.
mit christlichen ceremonien one jemandts große besehweruug
1) Kreuzer.
^) braucht,
45 285
zur erden bestättet, damit man sehe, das wir den todt der
heiligen werde hielten und ein tröstliche hoffnung unser auf-
erstehung undter unns erbielten.
Was aber hierinnen von unns zu wenig bedacht, das
auf bessere mit! khonnte geordnet werden, wollen von einem
ersamen wohlweisen rhat, unsern günstigen herrnen wir unns
gern weisen lassen.
Unnd wiewol es bisher gebreuchig gewesen, das man
alles gelt, so auf khirehe und schul von der leiche gebüret,
in einer suma hat dem pfarherr überantwortet, so sehen wir
doch für bequemer und richtiger an, das solche verordnete
gebüre einem jeden, iusonderheit von denen selbs, so div
leiche bestellen, mit guettem willen zuhauß geschiekht würde.
Unnd im fal, da solehs an einem oder dem andern verblihe,
das ein jeder das seine selbs einzumanen habe, die priester
dureh den mesner, die schuldiener durch ire schulboten.
Doeh so es jemaudt dem pfarherr alles miteinauder zu
treuen hennden überanntworten wil und thut solches ohne
abbruch, ist der pfarberr auch unbeschweret, solches an-
zunemen unnd jedes an sein orth zu verschaffen.
Da es auch sich zuetrüge, das etliche leute solche
ordentliche praesenz für khirche und schule eintweder nicht
volkhomen oder sich gannz und gar (wie unndter weilen
auch von reichen leuten geschicht) dieselbe zu geben wegerten
und hetten doch der khirche und schuldienst zum begrebnub
der iren gebrauchet, ist an einen ersamen rath unnser bitlich
ansinen, zu ordnen, so solches dem herrn burgermaister an-
gezeiget wurde, die leute dahin zu halten, das einem jeden
khireh- oder schuldiener das seinig mit dannekh und one
abbruch werde zuegestellet.
Die brennenden windliechter oder fackheln, so vermügige
leute bey den leichen tragen lassen, fechten wir nicht an,
wie etliche die liechter in der khirchen, so one superstition
und aberglauben khonnten gebrennet werden, anfechten.
Doch so man auf solche und dergleichen ceremonien, so
zum pracht dienen, unkossten wennden und daneben deu
khirch- und sehuldienern das irige abbrechen oder den
armen schulern desto kherkhlicher geben wolte, were solches,
als das wider die liebe strebet, nicht zu loben. Man solte
es ehe an fackheln unnd glockhenleuten mangln lassen,
ehe mans an ehrlicher begabung der lebendigen dienner
in khirehe und schul, so das christliche conduct mit gesengen
und predigten halten helffen, solte erwinden lassen.
Damit auch die leute diser obgeschribnen bestallung,
wenn sie das begrebnus suchen, darnach sie sich zu richten
290 46
ein gründliche wissenschafft mögen haben. sol inen der
pfarherr auf ir begern solches zuvor deutlich anzeigen, wie
es allenthalben mit dem vollen, mittern oder khleinem ge-
leite, auch mit dem cantor ein ordnung habe, auf das sie,
nach irem vermögen das begrebnuß wissen anzustellen.
Das große geleite sol man allain zu den alten, wenn
es die leute begern, zu den khindern aber das mitter oder
khlein geleite brauchen, nachdem man viel oder wenig aufs
' begrebnus wennden wil.
So auch für gemaine leute, die kheiner sonnderlichen
zeche oder hanndwerchszunfft verwohnet sindt, khein be-
sonnder leichtuche, damit die leiehe khonten ehrlich be-
deckht werden, verhannden were. möchte man eines aus
dem bruderhause lassen machen und denen, so es begern.
aufleichen umb einen benannten zinBphening. Nemblich, so
es ein leiche were, unter vollem geleite getragen, die gebe
davon 12 kr, undter dem mittern geleite 6 kr.. unnder dem
khleinesten 3 kr. Wolte man dann noch eines darzue von
sehlechtem tuech lassen machen für gar arme, das man
umbsonst auslihe, were aueh wolgethan.
Sovill den todtengraber antrifft, gebüret einem ersamen
rath, auch einsehen zu haben, das er on seinem bestimbten
lhon ime lasse bemücgen und die armen leute uicht seines
gefallens uberseze, ime auch ernstlich bevehlen, das er die
leichen wegen des über sich steigenden schödlichen todten-
dampis tief genug in die erden lege.
Zum sechsten unnd lezten, dieweil es aus heiliger, gött-
licher schrifft beide aus dem alten und neuen testamennt'),
clar zu ersehen. das gottes volekh jhe und alwege luftige
orth zum begrebuus auDerhalb der stadt von der leute ge-
tümel abgesondert gehabt, darin die verstorbnen christen, so
am jüngesten tag von Christo auferweckhet und selig gemacht
werden sollen, im fride und rhue schlaffen theten, unnd aber
alhie, bei diser großen gemein ein solch ehrlich, still und
geraumes begrebnus mangelt — (denn der enge khirchoffe
bey der pfarr zu khleinen raum, auch nieht rhatsam, noch
den einwohnern gesundt, sonnderlichen in sterbenszeiten
meniklich dahin uber einen hauffen zu begraben, gleicher
mangl auch am khirehofe beim bruederhause gespüret wird,
annderer ungelegenhaiten zu geschweigen) — demnach an einen
ersamen wolweisen raht als an unsere liebe obrigkait unser
christliches erinnern und bitten, dieselben unsere günstige
herrn wollen christliches gemtietbs dahin bedacht sein, das
!) Vgl. RGG. 1, 1005 ff.
47 287
mit der zeit und in zueter befürdernus ein fein gelegen,
still, geraumes und luftiges orth zum gemeinen christlichen
gottsackher alhie erkhaufft, verordnet, mit mauren und thüren
eingefanngen und zuegeriehtet werden möge, darin die ver-
storbnen mitglieder Christi aus diser gemeine abgefordert,
als in einem stilen schlafhause rhuen unnd bis auf ire frö-
liche auferstheung verwaret mögen sein!). Der uncosten, 80
darauf verlauffen wurde, khan in khurzer zeyt leicht und
reichlich durch gutte und niemaundt beschwerliche mitl
widerumb hereingebracht werden. Davon wir denn unnser
einhellig bedennekhen, (wie wol dessen ein ersamer wolweiser
rath von unns nieht bedarff,) so es von unns begeret wird,
gern wollen anzaigen.
Wolfgangus Prenner, Pfarrer m. p.
Basilius Camerhofer m. p.
M. Johannes Sehreier m. p.
Johannes Mülwalder m. p.
Wolfgangus Agnellus m. p.).
LI
Instruktion für den Kantor und Organisten Simon
Landtsperger zu Ischl?) (1597).
Zu vernemen, das die erwirdigen. edlen und besten,
herr Wolfgangus Khlainsdrätl®), pharrer zu Ischl, herr Geörg
Spiller zu Mitterperg, Röm. Khay. Mt. pfleger der herrsehafft
Wildenstain, herr Isac Phändler, ir Kay. Mt. verweser zu
Ischl, sambt und neben hernach benenten, ainer ersamen
!) Siehe oben S. 249.
7) Oberösterreich. Landesarchiv. Gemeindearchiv Pad Ischl Bd. 95.
26. Jan. 1597. Ungewöhnlich ausführlich; vgl. Sehling I, 1 s. v. Der
Kantor ist katholisch.
) Wolfgang ,Clainstrádel* „Klainsdrädl“ wurde am
3. April 1582 in Regensburg ordiniert und kam als Diakonus zu Pfarrer
Martin Waldner nach Ischl. (Martin Waldner war ein Sohn des
Pfarrers Wolfgang Waldner in Steyr, der spüter 1567 nach Regens-
burg kam.) Klainsdrätl („Khleinsdrätl“; war ein Sohn des Wolf-
gang ,Klainsdrütl^ (so hat der Vater seinen Namen geschrieben)
Predigers an der Spitalkirche in Wels, der am 13. März 1582 an
Sup. Rosinus in Regensburg schrieb und seinen Sohn zur Ordination
eınpfahl. Dieser Sohn sei von vielen allein übrig geblieben. Er kam
nach Regensburg in die Schule, später nach Amberg und dann 1 Jakr
laug nach Straßburg. Vorgänger im Amte in Ischl war 1591 Prediger
Sebastian Haisl. (Dr. Koch.)
288 48
pbarrmenig iner und aussers marckhts Ischl verorndten Aus-
schtissen, ala den ernvesten, fürsichtig und weisen, auch er-
bar und beschaidnen Hannsen Hueber, derzeit marceklrtrichter,
Christoffen Ferher, Joachimen Schwärzl, Wolfen Reicher, all
ratsburger und salzferttiger, Eliasen Seybalder, burger und
zechmeister, Petern Stiedl, auch burger, Sebastian Khern,
khueffenmaister, Hannsen Hueber beim khreuz, beede inwaner
alla zu Ischl, Leonharden Stadler, mällner im Khaldten-
paeh!), auch zechmaister, Hannsen Sulzpacher am Sulzpach,
Hannsen Khradtwoll zu Hindterstain?), Geórgen Retupacher,
Wolfen Haischperger und Abraham Reicher, all sechs under
der herrschafft Wildenstain sesshafft, anstat und in namen
obgedachter ganzen pharrmenig, mit dem ernwolgeachten
und khunzterfahrnen Simon Landtsperger, organisten von
Matigkhofen?), alss er zum cantor und organisten alhie auf-
genommen worden, hernachvolgunde instruction und bestallung
gemacht und beschlossen haben:
Erstlichen; nachdem er, Landtsperger, sich so weit er-
elert, das er der romanischen oder papistischen religion an-
hengig und derhalben begert, ine in derselben frei und un-
bedrüebt zu lassen, ist ime solches zu halten zuegesagt
worden, doch dergstalt, das er sich entgegen alhie auch
fridlich verhalten und mit zänckhischen, unnuzen und ver-
weisslichen disputationen oder verächtlichen und schimpflichen
reden wider die Augspurgerisehen confessionsverwonten zu
ainieher ergernuss oder unglimpf ursach nit geben, sonder
iederman bei seiner bekhandtnuss mit frid und rue unangetast
verbleiben lassen soll, insonderhait aber soll er sich in den
khirchen-cerenionien (weil er neben solchem seinem organisten-
dienst auch aines cantors stel vertretten soll), auf die her-
nachvolgunde weiss, wie es bei dem articl solchen seinen
cantor-standt betreffend, mit mehrem aussgefüert wirdt, ver-
halten.
Zum andern hat mann sich auch mit ime, Landtsperger,
dahin entlichen verglichen, das er dem schuelmaister in der
schuel bey der iugent alle guete hilff und beistant erzaigen,
die khnaben und Maidlein in iren lectionibus, wie sie der
schuelmaister in der schuel fürgeben wirdet, mit allem fleiss
und zu den gewissen ordinäri stunden und zeitten ordent-
lichen verhörn, sie aber sonderliehen in dem Cathechismo
Lutheri rain und lautter, wie er an ime selbs ist, one ai-
nischen abgang und zuesaz, fleissig und dreulichen under-
1) Kaltenbach.
) Hinterstein. .
3) Mattighofen (Braunau a. Inn).
49 289
waisen und lernen und also neben ime, sehuelmaister, der
ugent stetigs beywonen, dieselb in gueter christlicher vorcht,
zucht und ordnung erhalten und vortphlanzen helffen und
nei derselben khain verwirrung noch ergernuss verursachen,
noch sie auf andere mainungen, alss die so in der aposto-
ischen christlichen und in heyliger schrifft wolgegründten
iugspurgischen confession verfasst zu weisen understehn und
auch sonst mit dem sehuelmaister jederzeit fridlieh und ainig
sein und leben und in albeg!) verhuetten, das seines thailss
kain irung oder zwispalt zwischen inen erwacsen müg, wie
sich dann auch er, der schuelmaister, diss orts gegen ime
unverweisslieh verhalten, auch ime, Landtsperger, bevor-
stehen solle, zum faal ime dureh jemandt ainiche unbillichait
zuegefüegt wirdt, sich dessen bei seiner ordenlichen obrig-
khait zu beschwären. Darauf ime dann auch iederzeit aller
billieher und gebürlicher sehuz gehalten und guete aus-
richtung gethan werden solt.
Dritten ist beredt worden, wann bissweilen frembte
herrn hieher khämen und dieselben oder ander guete erliche
leutt sein, des Landtspergers, mit seinem instrument begeren
und ine* berueffen wurden, das ime auss der schuel abzu-
tretten und sich zu denselben zu verfüegen, unverwört sein
solle, iedoch, das er zu solchen fälln ime, schuelmaister,
dasselbe zuvorhero anzaig, auf das er entzwischen die schuel
in seinen abwesen zu bestellen wiss.
Viertten soll er auch in der khirchen am chor, wann
er die orgl nit sehlahen?) darft?), dem schuelmaister mit den
khnaben die christlichen psalbın, wie es der schuelmaister
iederzeit anordnen wirdt, unwaigerlieh singen beltfen, auch
was er ime sonst in der schuel und khirchen für gesang in
der musica exercirn zu helffen und auf der org! zu schlahen
fürzaigen wirdet, demselben willig naehkhomen, und guete
volg laisten, darzue auch in den conducten der verstorbnen
iederzeit neben dem sehuelmaister und den schuelern, wie
die vorigen cantores, mitgeen, die gewenlichen gsang auf
der gassen und in der khirchen singen und verrichten helffen
und sieh also weder den ceremonien, wie sie bei hiesiger
khirehen gehalten werden, noch dem herrn pharrer oder
seinen gselpriester*) widersezen, dieselben verachten oder
verspotten, noch sonsten was fürnemben soll, daraus man
ainische verschimpfung zu spürn und man sich wider ine
) aliwez.
2) F. ob. S. 2227)
5) braucht. N
S. ob. S. 2224),
Archiv fur Reformations geschichte. XVII 4. 19
290 30
zu beschwärn ursach hab, welcbes ime fürnemblichen auch
darumben nit gestatet werden khont, weil sich der gmaine
man darüber ergern und zue ungedult bewegt werden mecht,
daher er sich dann discret uud unverweislich in disem punct
zu verhalten wird wissen.
Fünfften haben sich er, Landtsperger, und der schuel-
maister miteinander dahin guetwillig verglichen, das er,
Landtsperger, ime, schuelmaister, seine recordationes auf den
versprocheu hochzeiten und andern gasstreien bei erlichen
leuten, auch sonst zu Martini, weinachten und der heiligen
drei khünigen tag iederzeit, wie die vorgwesten cautores
gethan, neben dem schuelmaister und den schuelkhnaben,
so er hierzu gebraucht, verrichten helffen solle. Dagegen
der schuelmaister ime, Landtsperger, versprochen hat, das
er ime albeg den vierten pfening davon ervolgeu lassen
welle, was aber albeg zu Khatarina!) anlangt. dasselb gehört
dem eantor und schuelkhnaben allein zue.
Seclisten, was bei der khirchen das leuten andrifft, ob-
wol dasselb zuvor albeg ain cantor verricht, sohat sich doch
der Landtsperger desselben verwaigert, wie er auch dessen
ganz entlassen?) worden, iedoch aber, weil der schuelmaister
zuvor ainem cantor wegen solches leutten alle iar 4 fl geben,
soll er hinfüro solche 4 fl dem schlosser, alss der one das
di khirehenuhr richten mues, iürlich raichen, das er darfür
neben dem uhrrichten auch das leutten albeg verrichten thue.
Sibenten, sovil aber insonderhait das in der khirchen
neu zuegerichte werekh oder die orgl belangt, da soll er.
Landtsperger, weil er auch insonderhait zum organisten auf-
genomen worden, dieselb also fleissig bewaren, versehen
und drauf achtung geben,. damit solche, wann es ime nach
genuegsamer probation eingeantwort wirdet, nit beslich ver-
derbt oder verwahrlost und manglhafft gemacht werde, und
da er diss orts ainichen mangl spürn würdt, das er den-
selben alspalt anzaig, damit zeitlichen auf die verbósserung
gedacht und also mehrer schaden und unkhosten zeitlichen
verhuet werden müg.
Achten, dieweil dann mergededachter Landtsperger also
zum cantor und zugleich auch zum organisten, solche bede
stell nebeneinander in der schuel und zu khirchen vor-
erzeltermassen mit dem schuelmaister zu verrichten aufge-
nomen und bestelt worden, 80 ist ime dagegen zuegsagt und
versprochen worden, das ime auf sein und der seinigen not-
wendige underhaltung ierlichen durch ain pharrmenig inner
und aussers marekhts zur bsöldung in barem geldt geraicht
!) 25. Nor.
*) enthoben.
—1 291
uud geben werden solle benendtlichen fünffzig gulden reiniseb,
ieden per fünfzehen pazen oder sechzig kbreizer zu rechnen,
darzue man ine auch mit ainer herberg, sovil und wie man
glegenhait haben müge, versehen wölle, neben diser ver-
tröstung, das mit! fürgwendt werden sollen, auf das man
ine auch mit der notdurfft premvid!) versehen müge.
Zum neundten und schlieslich ist beredt und gschlossen
worden, da offtgedaehter Landtsperger sich in religionssachen
wider vorangedeuten sehluss also widerwertig erzaigen und
verhalten wurde, daran man sonders beschwürt were und
solches nit gedulden mechte, so soll gegen ime, Landtsperger,
dise instruction und bestallung, wann und zu welcher zeit
solches durch ine beschähe, iren ausgang und endtschafft
erraicht haben und mag also dann er, Landtsperger, anderer
orten verrer?) seinen frumen suechen, wohin und wie ine
verlusst®).
Zu ürkhundt sein diser beschribnen instruction und
bstalungen zwo gleiches inhalts aufgericht und iede durch
vor wolgedachte herrn pfleger zu Wildenstain, berrn ver-
Weser zu Ischl, dann herrn marekhtrichter und herrn Eliasen
Seybalder als zechmaister alda zu Ischl mit iren aigenen
hiefürgedruckhten pedschirn anstat und in namen ainer ganzen
Pfarrmenig verferttigt worden, doch inen den herrn sament-
lich und jedem besonder, iren erben und pedschirn genzlichen
one schaden, wie auch vorofftermelter Landtsperger sein
aigen pedschir hieneben gstelt hat, dereu beschreibungen
aine bei der pfarrmenig zechladt verbliben und die ander
der Landtsperger zuhanndten empfange. Beschehen den
sechs und zwainzigisten Januari im ain tausent fünf hundert
siben und neunzigisten iar.
Als nach der ersten Gegenreformation wieder einige
Jahre der Erleichterung kamen, war auch Steyr wieder
rüstig am Werk. Die Instruktion für das evange-
lische Ministerium daselbst vom 2. Januar 1613 erfreut
sich zunächst an der Wiederaufrichtung des Exerzitiums auf
Grund der Invariata, Apologia und Concordienformel. Im
Einvernehmen mit den zwei oberen evangelischen Ständen
und dem Ministerium zu Linz hat der Rat von Steyr vier
Geistliche berufen, Primarius, Prediger und zwei Diakonen,
— —
) Brennholz.
2) — ferner.
) gelüstet. TT
292 52
die für die reine Lehre verantwortlich sind. Es bleibt bei
der bisherigen Kirchenorduung. Bei Anderungswunschen
haben die Geistlichen sie an die Kirchenberren, und diese an
den Rat gelangen zu lassen. Mit Bezug auf das Über-
einkommen vom 30. August 1608 sind alle persönlichen An-
tastungen auf den Kanzelu zu unterlassen. Bei einem Zwie-
spalt im Kollegium oder Ärgernis durch ein Mitglied soll der
Primarius sieh dessen Beilegung befleißigen, gegebenenfalls
wieder die Kirehherren bzw. den Rat hinzuziehen. Der
Primarius Herr Johann Isinger. der mit der Schulinspektion
neben den anderen Scholarchen betraut ist, darf bei der
Musik auf dem Chor auf eigene Hand nichts willkürlich
ändern. Sollte künftig in den Frühpredigten an hohen Festen
nicht abgewechselt werden können, wie jetzt zwischen Ising
und Bayr, so soll sie der Primarius allein verrichten. Pri-
marius darf nieht ohne Erlaubnis der Kirehherrn und Rat,
Prediger oder Diakonen dürfen nicht ohne Bewilligung von
Primarius uud Kirehherrn oder Rates an fremde Orte reisen.
Der Rat behält sieh vor. diese Instruktion zu ändern
oder aufzubeben. Die Geistlichen haben sich schriftlich auf
sie zu verpflichten; ihre Bestallung war jährlich. Es unter-
schrieben: Joh. Isingius, M. Joh. Bayer, Tobias Schaidhauff,
Georgius Thomas).
2.
Kaiser Maximilian II. wünschte iu seinem Eiuheitsstreben
jene Kirchenordnung für Niederösterreich?) auch in Ober-
österreich eingeführt zu sehen; aber die beiden evangelischen
oberósterreiehisehen Stüude, denen jene allerdings sehr um-
ständliche Agenda unnötige und nicht allenthalben einzu-
fübrende Bräuche zu enthalten schien“), bestanden kurz-
sichtig auf einer eigenen, statt sich mit einem Auszuge zu
begnügen (um 1576). Linz ging mit den Ständen, während
Steyr und besonders die andern Städte im „Landi“ bei ihren
eigenen Ordnungen bleiben wollten. Die von den Ständen
veranlaßte Agenda ist bisher im Verborgenen geblieben‘),
) Siehe S. 299 Nachtrag.
*) Im folgenden abgekürzt mit NO.
) Raupach, Evangelisches Osterreich. 1, Fortsetzung 1736 S. 257.
3. Fortsetzung 1740 S. 5639. Otto, Jahrbuch 10, 56.
*) Verzeichnet unter den Handschriften der Hofbiblisthek 5, 441.
53 : 2953
befindet sich aber unter den Handschriften der Wiener
Hofbibliothek !), unter dem Titel: Agenda der Christ.
lichen Kirchen im Ertzherzogthumb Osterreich ob der Euns.
1. Corinth. 14, |33. 40]. 1. Corinth. 11, [17]. Der Haupt-
‚unterschied gegenüber der sehr viel reicheren NÖ. besteht
in der Kürze, obschon zuweilen große und kleine Zusätze
hervortreten; von den in NÖ. zur Auswahl gestellten Gebeten
sind fast ausnahmslos nur die kürzesten übernommen. Es
muğ hier genügen, auf die Eigentümlichkeiten hinzuweisen.
Die Vorrede verbreitet sich über die Pflicht, sich zur Kirche
zu halten, die drei Kennzeichen der reinen Lehre, des rechten
Brauchs dcr Zeremonien, des Gehorsams gegen das Ministerium
in göttlichen Geboten. Der siebenfache biblisch begründete
Zweck der Kirchenordnung nimmt ihr nicht den Stempel als
Mittelding, das die Gewissen nicht bindet. Trotz anderer
Agenden empfahl es sich, um den vielen Unordnungen im
Lande zu steuern, ein Kompendium zu verfassen, wofür den
hochberühmten Landesständen gedankt wird.
IJ. Ordnung der Predigten. Außer der Augustana
und Corpus doctrinae Philippieum?) wird den jungen Predigern
besonders Nicolaus Hemmingii*) empfohlen. Man befindet
sich also im philippistischen Lager, während mau früher an
der Invariata festhielt. Beim Gottesdienst wird wie von NÖ.
ein Chor vorausgesetzt. In der Woche wird Mittwoch oder
Erichtag*) mit Freitag festgelegt, an welchem letzteren Tage
zu den Stücken in NO. ein kleiner Prophet oder Psalter hin-
zugefügt wird. Die christlichen Schulen sollen mit Lehrern
yon lutherischen Universitäten bestellt werden. Für die Auf-
bringung der Kosten sind tüchtige Personen (Lichtmeister,
Zechpröpste) zu wählen, die jährlich dem Pastor und der
Obrigkeit Rechnung legen. Zum „Gotteskasten“ miissen
Beiträge von Wohlhabenden und Testamente treten.
—— — ———
) Cod, 8044. Fol. 32: 23: 2½ Cm. VI BN. u. 166 num. BIL
ohne Jahr, Ort und Verfasser; bewertet mit 20000 Kronen.
) 1560f.
9) Niels Hemmingsen, 1513 — 1600, RGG. 2, 2099.
) Erich d. H., König von Schweden 1150—1160, National heiliger.
18. Mai.
294 l 54
Il. Von der Heiligen Tauffe. Der Vater soll
ihr anwohnen. Bei unehelichen Kindern sind dic Eltern
vor der Taufe zur Bestrafung anzuzeigeu. Bei der Nottaufe
sind die Fragen an die Hebamme unmittelbar und ausführlicher.
Bei der Taufe von alten Personen — merkwürdigerweise
wird weder hier noch von NÖ. an Frauen gedacht — soll
der Täufling zwecks der Untertauchungstaufe Wams und
Hosen daheim lassen und dann Rock und Sehuhe ausziehen.
III. Vom Catechismo. Auf dessen Einprägung bei
Jungen und Alten, an Sonn- und Wochentagen, in der Kirche
und daheim wird wieder hóchstes Gewicht gelegt. In den
größeren Märkten soll außer Sonntags noch an einem Wochen-
tage die Jugend aus allen Schulen und Häusern in die Kirche
geführt und vor ihnen zwei Schüler oder Schülerinnen auf-
gestellt werden, die aneinander Frage und Antwort aus dem
Katechismus richten, darauf ist auch das andere Häuflein
zu examinieren. Die rier besonderen Katechismuspredigten
im Jahre sind bei Strafe zu besuchen. NÖ. Abschnitt IV
von der Konfirmation fehlt.
IV. Von der Beieht und Absolution. Anführung
der verschiedenen Bezeichnungen für das Abendmahl bei
Griechen, Lateinern und Deutschen. Gründe für dessen
öfteren Gebrauch, und wie die Hindernisse zu bekämpfen
seien? In der Beichte sind verborgene Sünden nicht zu
extorquieren, ganz Unwissende vorläufig nicht zuzulassen;
jeder ist einzeln zu absolvieren.
V. Von dem Bann. Er muß ohne Ansehn der Person
verhängt werden. Auch der in Todesgefahr wieder Auf-
zunehmende möge wenigstens vor Nachbarn öffentlich Buße
tuen. Der Bußfertige wird an drei Sonntagen in einem be-
sonderen Stuhl der Gemeinde vorgestellt; am vierten muß er
vom Frühamt bis zum Schluß der Predigt am Altare knieen.
Die Absolution erfolgt mit Auflegen der Hünde seitens der
Geistlichen; er empfängt das Abendmahl als erster, allein,
kniet darauf, „bis alles zur Kirchen aus ist“.
Vl. Ordnung der Administration des Hoch-
würdigen Saeraments des leibs und bluts Jhesu
Cliristi. Der Priester mag die gemeinsame Beichte knieeud
55 395
oder stehend sprechen. Die Psalmodie ist verschieden von
NO. Wenn das Singen dem Kantoribus zuviel wird, mag
der Organist inzwischen schlagen!
VIL Von festen vnd Feiertagen / die man
das Jar vber heiligen vnd halten soll, Von
den in NÖ. vorgeschriebenen fehlt Stephanus und Johannes
Gngelista, während Thomas hinzutritt. NÖ. IX fehlt.
VIII. Von gemeinen gebeten und kollekten
(41); sie sind zu lesen oder zu singen. 31 Seiten Noten,
je eine Zeile mit Text; Fünf lateinische praefationes') nach
der Predigt vor der Kommunion; zehn deutsche.
IX. Vom heiligen Ehestand. Bei Unwissenheit
der Brautleute im Katechismus werden sie zwar aufgeboten,
aber nicht eher getraut, als bis sie mindestens die Gebote,
Glauben und Vaterunser können. Sie sollen auch gefragt
werden, ob sie ohne Zwang heiraten. Zu der geschlossenen
Zeit gehören auch die Vorabende der hohen Feiertage. Bei
der stillen Trauung wegen vorehelichen Verkehrs dürfen nur
zwei Männer und Frauen die Begleitung bilden. Im ge-
gebenen Falle ist ein Entlassungsschreiben des betreffenden
Geistlichen nötig. Auf mehr Als 15 Seiten werden die Ehe-
hindernisse behandelt, die sogar jährlich von der Kanzel
verlesen werden sollen. In lächerlichen Folgerungen werden
die albernsten Möglichkeiten von blutsverwandtschaftlichen
Verbindungen verpönt; aber auch gar nicht wirklich ge-
wordene Vereinigungen werden zu Hemmungen, so darf mit
des Bräutigams Vater oder der Mutter Bräutigam keine
Ehe geschlossen werden.
X. Wie man die kraneken und gefangenen
Leute berichten vnd trösten sol. Bei großer
Sebwäche soll man den Kranken lieber wenig Brot und
Wein geben, als es ganz entziehen. Die abstemii sollen
wenigstens ein Tröpflein genießen; der Seelen Angst muß
den Leibesekel aufheben. Irrgewordenen reicht man das
Mahl nicht. |
XL Vom Begrebnus der Todten. Gottlose sind
ohne Begleitung und Bräuche abgesondert zu begraben.
—
) 8. vorn S. 224°).
296 l 56
All. Von hospitalen vnd Almosen für die Armen.
Feblt in NÖ. Bei jeder Gemeinde und Pfarre soll ein Hospital
sein; in größeren mindestens zwei, nämlich je für Kranke und
Gebrechliche, mit Kastenmeistern. Von den Spitalstiftungen
sollten auch arme Schüler ernährt werden. Sammlungen in
den Kirchen. Wöchentliche Besuche seitens der Prediger,
Beschluß. Die Agende ist nach dem Grundsatz de
Athanasius!) zu behandeln: Utiles sunt ceremoniae, ,»
eum cognitione veritatis et mediocritate. Bitte für den Kaiser
und die Landesstände. Psalm 122.
Nach dem Tod des Kaisers?) wagten es die Stände.
mit einem kleinen Interim, Linz 5. September 1578. Ge-
druckt bei K. Oberleitner, Die evangelischen Stände im Land
ob der Enns. 1862 S. 80 — 91, das trotz der Kürze einige.
genaue Einzelheiten bringt.
Es nimmt auf die eben geschilderten gar keinen Be-
zug, berührt aber gelegentlich die Vorbilder von Wien,
Graz, Klagenfurt und Laibach; sie gilt zunächst für den
Landhaussaal in Linz und ist wesentlich auf Pfarrer Georg
Khuen?) zugeschnitten; sie nimmt entschieden Stellung gegen
die Flazianer, zugunsten der conf. Aug. inv., Apologie uud
Schmalkaldischen Artikel; für den betr. Revers sind deputiert:
Khuen, M, Gallus Staininger‘), Prädikant zu Peuerbach.
) Gest. 373.
2) 12. Oktober 1576.
) GPrO, S. 63.
) M. Gallus Staininger, von Gundacker von Starhemberg
1566 zum Prediger nach Peuerbach berufen. Er stammte aus Bayern.
war verehelicht, hatte Kinder und hinterließ seiner Witwe und seinen
Kindern ein Haus mit Gärtchen in Peuerbach. Wann er gestorben ist.
ist nicht bekannt, jedenfalls lebte er 1593 nicht mehr.
Am 5. September 1578 wurde er von den oberösterreichischen
Ständen gleich M. Georg Khuen in Liuz, M. Joachim Ziller in Sterr,
Vitus Mangk in Wels und Matthäus Hoffmann in Kirchdorf zur Exa-
minierung der im Lande aufznnehmenden Prediger und Schulmeister
bestimmt,
Yon ihm sind: „Von der Erbsünde... wider die Flacianische
Neuerung. Tübingen 1584. 4°“ 2 Leichenpredigten (I. u. 3.) beim
Begräbnis des 9. September 1585 in Linz verstorbenen Gundacker von
57 297
M. J. Müller ), Prädikant der Stadt Steyer (s. u.), Veit
Mannkh, Prädikant von Wels ?), Matth. Hofmandl. Pfarrer zu
Kirchdorf’).
Starhemberg. Tübingen 1586. 4%. Hochzeitspredigt: Górz Achaz
Herr v. Starhemberg auf Peuerbach — Elisabeth von Schreffenberg,
2. Juni 1586. Tübingen bei Alex. Hook, 1586. 4°,“
Im M.S. vorhanden 2 Bde. fol. Papier. 1585 (Nr. 14) (aus der
Kreisbibliothek in Regensburg nach München geschafft vor ca. 30 Jahren,
nach Bericht vor ca. 15 Jahren waren dort die Kisten mit M. S. gar
nicht ausgepackt wurden). „Loci communes ex omnibns libris M, Luther
collecti.^ Dr. Koch. Gmunden.)
) Jahrbuch 24, 219,
*, (Ebd. 24, 224).
3) Matthäus Hofmandl war zuerst au verschiedenen Orten
Schulmeister, zuletzt in Spital a. Pyhrn, wurde hierauf 1550 von Bischof
Nausea in Wien ordiniert, kam als kathol. Pfarrer nach Windischgarsten
und nach etlichen Jahren nach Freistadt in Oberösterreich. 1560 scheint
er noch dort gewesen zu sein, mußte von dort fort, war eine Zeit lang
ohne Stelle, wurde dann als Prüdikant nach Spital berufen. von wo er
ea. 1562 als Pfarrer nach Kirchdorf kam.
Sein Grabstein aus Boxrucker Marmor hat folgende Inschrift:
HIC EGO MAT.EUS TVMVLI SORTITVS HONOREM
Kirchdorffi inter oves post mea fata cubo
Pastor vbi totos ter septem fervidus annos
Proposui tenero pabula sana greyi.
Tertia pars vitae mihi quae fuit, insuper annum
Si totum, et quinas iunxeris hebdomadas.
Hanc ego, quod par est, studui traducere caste
Jura thorique vagis ignibus antetuli.
Primus et alter amor mitri singula pignora lecti
Ter quater at coniunx tertia sola dedit.
Pars quorum superat vivit pars altera coelo
Quae mecum fruitur jam sine fine Deo.
~
(Zu deutsch für die Leser in Neukematen :)
Hier zu Kirchdorf ruh ich, Mathäus, ein Ehrengrab ward mir
Nach des Lebens Geschick bei den Schafen als Hirt.
Dreimal sieben der Jahre hab ich voll Eifer der jungen
Herde die nahrhafte Kost góttlichen Wortes gereicht.
Diese Jahre umfaßten den dritten Teil meines Lebens,
*o du noch eines daran reihst und fünf Wochen dazu.
Wührend der Zeit hier geziemend beflissen in Züchten zu leben
Zog ich den Ehestand vor zügellos brennender Gier.
Je ein Liebespfand gab mir der Gattinnen erste und zweite,
.
7
298 88
Da der allergnädigste Kaiser die überreichte Kirchen-
ordnung bisher nicht bewilligt, die zwei Stände mit denen
unter der Enns über eine gemeinsame Agenda noch nicht
verglichen, soll inzwischen Veit Dietrichs Agenda!) und
Kirchenordnung gebraucht werden.
Vier Jahrzehnte später, als schon die Totenvögel
schwärmten, nahmen die Oberösterreicher eine neue Kirchen-
ordnung an. Sie ist nun keineswegs, wie man gemeint hat)),
die Drucklegung jener geschilderten um 1576, sondern eine
allgemein?) für lutherische Gemeinden aufgestellte, mit Vor-
reden der theologischen Fakultäten in Wittenberg und Tübingen
ausgeetattet, in Tübingen verlegt, 1617. Man hat sie aber
auch für Ober-Österreich gedacht und sie ist hier wirklich
eingeführt worden‘): Christliche Kirehen- Agenda so bey
öffentlichen Gottesdienst der Gemeinden Augsburgischer Con-
feBion nützlich gebraucht werden kann. Gedruckt im Jar
Christi MDCXVII. 4°. 340 num. Seiten. 8 S. Register, 9 S.
Errata. Gedruckt zu Tübingen bey Dietrich Werlin. / Im
Jahr Christi MDCXVII. Der Inhalt in 37 Abschnitten, sehr
reich mit Bibelstellen am Rande belegt, ist bei Raupach
3. Fortsetzuug S. 339 und Jahrbuch 10, 57 verzeichnet. Er
ist sehr allgemein und kurz gehalten, mit wiederholtem Hin-
weis auf andere Bücher und das eigene Urteil des Geist-
lichen. Einen Abdruck besitzt die „Gesellschaft für die
Aber die dritte allein hat mich mit zwölfen beschenkt,
Deren ein Teil noch am Leben, der andere aber im Himmel,
Wo er mit mir sich an Gott ewiglich droben ergötzt. —
Dieser Grabstein diente mit seiner Rückseite als Gasthaustisch im
Kirchdorf. Ein Antiquar kaufte ihn. Später kam er in den Besitz
des Herzogs von Cumberland, der ihn der Gemeinde Gmunden schenkte
und auf mein Ersuchen gern einwilligte, daß er der evang. Gemeinde
Neukematen, in deren Sprengel Kirchdorf liegt, überlassen wurde.
Dort ist der Stein in der offenen Turmhalle eingemauert worden.
Nach der Grabinschrift starb Hofmandl, 64 Jahre 5 Wochen alt. Sein
Todestag war der 5. November 1583. (Dr. Koch.)
J) 1543; sie blieb zwei Jahrhunderte in Kraft RGG. 2, 73.
*) Otto, Jahrbuch 10, 57.
) Beim Kirchengebet ist ein Raum freigelassen zur näheren Be-
zeichnung für die Obrigkeit.
) Raupach, 3. Fortsetzung S. 339.
59 299
Geschichte des Protestantismus in Osterreich*!) mit einem
nur geschriebenen Titelblatt, einen durch stürkere Beschnei-
dung kleineren die Hof-Bibliothek in Wien?) in dem aber
die Seiten 183—206 (Abschnitt XIX bis XXI) mit dem Ver-
zeichnis der Perikopen ausgeschnitten sind.
Die Taufordnung ist fast dieselbe wie die jener Hand-
schrift; abweichend von ihr soll der Täufer die rechte Hand
auf des Täuflings Haupt oder Herz legen; es fehlt die An-
weisung für ihn, das Kind auf die Hand zu nehmen, ftür
die Gevattern, es bei Händlein und Kopf zu halten. Sehr
verschieden ist die Vorschrift für die Taufe Erwachsener;
die peinliche Untertauchung ist verschwunden; die Taufe
erlolgt am Taufstein, indem die Gevattern den Kopf halten.
Beim Morgen- und Abendsegen fällt der Mahnruf auf, sich
mit dem Kreuz zu bezeichnen. Familienglieder mögen zu-
sammen beichten. In einigen Gebeten beim Abendmahl und
Eheschließung und in allgemeinen Kollekten gibt es Über-
einstimmung. Die Stticke vom Bann und vom Hospital und
Almosen fehlen.
Nachtrag zu 8. 292 von Dr. Koch.
1. M. Joh. Isingius, 1608 vom Rat der Stadt Steyr aus
Wittenberg verschrieben (Preuenhuber a. a. O. S. 336, Raupach, Pres-
byterologie S, 73). Am 25. Dezember 1624 wurde ein Sohn von ihm,
dem „gew. Stattbrediger zu Steior, ietzund aber Exnl Chrj* in Regens-
bnrg getauft ,Johann Friedrich.“ Seine Ehegattin hieß Ursula.
Am 28. Dez. 1624 wurde zu St. Peter in Regensburg ein vier-
jähriger Sohn von ihm namens Friedrich begraben.
Ein Johann Ising (wohl derselbe) war 1629—1687 Pfarrer in
Fürth bei Nürnberg und starb daselbst. (Andr. Würfel, Diptycha
ecclesiarum etc. II. S. 163.)
Am 26. Okt. 1632 wurde bei St. Peter in Regensburg begraben
der ehrnvest und wohlgelerte Herr Andreas Ising. Bürger uaw. Im
Regensburger Bürgerbuche ist er am 1. August 1628 verzeichnet als
gewesener collega scolae in Steyr.
2. M. Johannes Bayer, Pfarrer zu Losdorf, schrieb ain
30. August 1612 aus Linz an M. Joh. Caementarius, Pfarrer und Super-
intendent in Regensburg, seinen Gevatter, daß die Herren von Steyr
ihm „die ander Stell bei Ihrem Ministerio zu Steir nit allein angetragen,
sondern auch durch Herrn Landtshaubtman ohn meinem gnädigen
Herrn meiner person vergünstigung außgebracht.“ Im Advent hat er
in Steyr aufzuziehen.
1) Jahrbuch 10, 57, 134. 1) Signatur 21. R. 91.
300 60
Er kam an Stelle des Matthäus Schmoll, der mit Taing Mit-
helligkeiten hatte und im März 1612 auf sein Verlangen entlassen wurd».
M. Joh. Bayer war, bevor er nach Losdorf kam, Prediger im
Landhause in Linz und auf dem Schlosse Losensteinleiten, „ein be-
redter Mann und guter Prediger“. (Preuenhuber S. 350.)
Bayer schrieb aus Linz am 18. April 1613 an Caementarius iu
Regensburg und empfahl ihm einen M. Sebastian Knogler, dessen
verstorbener Vater auch im Ministerium in Österreich gewesen sei.
zur Ordination. Er habe bei ihm (Bayer) den Winter über locum
subsistendi gehabt, auch 8—10 mal in Dorf bei Steyr, wohin er als
Schloßprediger kommen solle, gepredigt.
Wolf Sesmund Herr zu Losenstein schreibt aus Gschwendt am
29. Okt. 1616, daß M. Joh. Bayer, Stadtprediger zu Steyr, beauftragt
wurde, für die Pfarrstelle in Stein bei Steyr jemand vorzuschlagen.
Es war nämlich ohngeführ drei Wochen vorher M. Henricus Raiger,
Pfarrer daselbst, gestorben. Bayer schlug Johannes Hiller aus Hiuz-
heim in der Pfalz vor.
8. Tobias Schaidthauf war erst unter Nimrod Khölnpeckh
Herrn zu Niderwalsee in Niederwallsee. Khölnpeckh schreibt am
11. Juli 1609 nach Regensburg „daß der Magistrat in Steyr seinen
(Khälnpeckschen) Diakon in Sindelburg als gewesenen Stipendiaten zu
derselben Kirchen zum Ministerio berufen und abgelordert hat. Er
ging 1624 als Exulant nach Regensburg, woselbst er starb und am
7. Nov. 1634 zu St. Peter begraben wurde. Seine im 84. Lebensjahre
stehende Witwe wurde am 12, März 1648 begraben. Eine Tochter
von ihm, Maria Magdalena, heiratete in Regensburg am 8. Juni 1635
den ehrbaren frommen und wohlgelehrten Herrn M. Joh. Christoph
Zimmermann, Gymnasii poetici Conrector in Regensburg, einen Sohn
des Joh. Zimmermann, gew. evang. Predigers zu Regenstauff in der
fürstlichen Pfalz Neuburg.
Ein Georg Schaidthauf, aus Eus gebürtig, wurde 1576 nach
Steyr berufen. Er unterschrieb sich am 1. August 1581 zugleich mit
„Wolgangus Lempel, pastor, M. Joachimus Mollerus, Georgius Schaidt-
hanf, Andreus Remnan, Ministri Eclesiae Stirensjs in Austria Superiore"
in einem Briefe an M. Barth. Rosinus, Suptdten, und an die Regen--
burger Geistlichen; in diesem Schreiben wurde um Ordination des
Stephan T. Wenger gebeten, der als Lazarettgeistlicher nach Steyr
kommen sollte. Dieser Wenger war ein Nachkomme des D. Laurentius
J. Wenger, des seinerzeitigen Mitarbeiters und Amtsnacbfolgers Wolf-
gang Waldners.
4. Georg Thomas wurde 1609 als ordentlicher Prediger nach
Steyr berufen, Ain 25. Jänner 1617 schrieb Sigmund Adam, Herr von
der Traun, an den Superintendenten M. Caementarius in Regensburg.
daß Georg Thomas als Hofprediger in Traun „kurtz verflosner Zeit
Todes verblichen“ Wann Thomas nach Traun gekommen ist, ist nicht
angegeben, (Fortsetzung folgt.)
— ——— U ˖ — — 5
Luthers Arbeitsstube.
Von Ernst Kroker.
Luther selbst erwähnt seine Arbeitsstube öfter ).
Im November 1527, als die Pest auch ins Schwarze
Kloster eingefallen war, schrieb Luther an Justus Jonas?)
„Inclusi eam (Margarete von Mochau) hybernaculo nostro
usitato, nos in anteriore magna aula versamur, Henschen
in meo hypocausto, Augustini uxor in suo.*
Im Frühjahr 1532, als die vom Kurfürsten angeordueten
Wallarbeiten®) dem Schwarzen Kloster bedenklich nahe
kamen, sprach Luther im Kreise seiner Tischgenossen ®):
„Lebe ich noch ein jar, Bo mus mein armes stublin hinweg,
daraus ich doch das bapstumb gesturmet habe. propter
quam causam dignum esset perpetua memoria.“
Im Sommer 1542, als bei Tisch einmal von dem Frank-
furter Juristen Christoph von der Straßen und seinem un-
sittlichen Leben die Rede war, sagte Luther“): „Das hatt
er mitt aus Italia bracht! Quamvis a puero fuit parentum
contemptor; denn ich hab in ein mal dar oben?) in meinen.
1) Auch Ratzeberger spricht von Luthers ,scehreibstublin*, Vgl.
Chr. Gotth. Neudecker, Die handschriftliche Geschichte Ratzeberger's
über Luther und seine Zeit (1850), 58 f. u. 62. An Ausstattungs-
stücken nennt Luther einen Tisch, Bänke, Schemel, Fensterbretter
(pulpita fenestrae) und Bücherbretter (asseres). E. L. Enders, Dr.
Martin Luthers Briefwechsel 7, 120.
2) Enders 6, 117,
3) Weimarer Ausgabe von D. Martin’ Luthers Werken, Tisch-
reden 2000 und 2466; Enders 9, 23f.: Archiv für Reiormationsge-
schichte 6 (1908f.), 340 fl.
*) Tischr. 2510.
5, Tischr. 5470.
5$) Zwei Parallelen und Aurifaber haben: droben.
302 62
etublein gehabt: Ibi pater non potuit enm persuadere. ut
audiret praeceptorem, quem ipse vellet."
Am 14. Februar 1546, als die Verhandlungen mit den
Mansfeldern in Eisleben ihrem Abschluß endlich nahe waren,
schrieb Luther an Melanehthon und bat ihn, das Ätzmittel,
das er für sein Bein zu gebrauchen pflegte, und das er auf
dieser Reise mitzunehmen vergessen hatte, ihm aus Witten-
berg entgegenzusenden!): ,Ketha mea novit, quo loco in
hypocausto meo positum est.“
Außerdem erwähnt Luther dreimal ein vaporarium in
seinem Hause. Im Frühjahr 1537?) spricht er von einem
Besucher, der ihn ante hoe vaporarium mit Tränen in den
Augen beschworen habe, weiter gegen das Papsttum vor-
zugehen.
Im Sommer 1542?) erzählt er von einem, der ihm nach
dem Leben gestellt habe: ,Ego duxi eum in meum vapo-
rarium“, aber hier habe der Fremde so wunderliche Reden
geführt, daß er schließlich seinen Diener Wolfgang Sieberger
zu Hilfe gerufen habe. Und in einer dritten Tischrede, die
uns ohne Datum in Lauterbachs Sammlung B. überliefert
ist“), spricht er von der Wohnungsnot der Juden, die in
engen Häusern beisammen steckten, „ut fere 50 personae
iu tali vaporario cohabitarent^, oder wie Aurifaber frei
übersetzt: „Ich wollte ihr fünfzig in diese Stube nehmen.“
Dieser Raum, den Luther dreimal vaporarium nennt, ist aber
nicht derselbe Raum; den Luther zweimal sein hypocaustum
und zweimal sein Stüblein nennt. Das vaporarium ist viel-
mehr die gewöhnliche Wohnstube, die jetzt noch den Be-
suchern im Schwarzen Kloster als Lutherstube gezeigt wird.
Denn die Worte, die Luther im Frühjahr 1537 gesprochen
hat: ante hoc vaporarium, beziehen sich offenbar auf den
Raum, in dem Luther damals mit seinen Tischgenossen saß,
und das war nicht sein Arbeitsstüblein, sondern die Wohn-
stube. Ebenso ist das vaporarium, in das Luther den
Freinden führt, die Wohnstube und nicht die Arbeitsstube
) W. M. L. De Wette, Dr. Martin Luthers Briefe 5, 791.
3) Tischr. 3593.
*) Tischr, 5369.
*) Tischr. 6196.
63 303
gewesen, denn die Arbeitsstube hat, wie wir nachweisen
können, ganz abseits von den übrigen Wohnräumen gelegen,
so daß es Luther da garnicht möglich gewesen wäre, bei
den wunderlichen Reden des Fremden rasch seinen Diener
Wolf herbeizurufen. Und ebenso ist das vaporarium,
in dem nach Luthers Meinung fünfzig Juden zusammen-
gepfercht werden könnten, nicht das Arbeitsstüblein mit deu
Schemeln, Truhen und Bücherbrettern, sondern die geräumige
Wohnstube, in der Luther damals mit seinen Tischgenossen
neben dem Kachelofen an dem großen Tisch gesessen hat).
‘Übrigens geben uns diese drei Stellen, in denen das vapo-
rarium erwähnt wird, wenig mehr als die Tatsache, daß die
Wohnstube heizbar gewesen ist, und daß Luther seine Wohn-
stube vaporarium zu nennen pflegt, während er seine Arbeits-
stabe hypocaustum oder Stüblein nennt. Um so wichtiger
sind die Stellen von 1527, 1532, 1542 und 1546 für die
Lage von Luthers Arbeitsstube.
In der Briefstelle von 1527 werden vier Räume im
Schwarzen Kloster erwähnt, und drei davon werden durch
die lateinische Bezeichnung hypocaustum oder hibernaculum
als heizbare Räume bezeugt, aber auch der vierte Raum,
anterior magna aula, muß heizbar gewesen sein, da Luther
und ‚Käthe, die ihrer Niederkunft entgegensah, hier im
November und Dezember wohnten; es wird der Raum ge-
wesen sein, der in dem Grundriß des Lutherhauses?) mit
den Buchstaben aa als Vorlesungssaal bezeichnet ist, denn in
dessen nordwestlicher Ecke ist ein Feuerungsraum x ange-
geben?) Wo das hypocaustum gelegen hat, in dem die
Gattin des Mediziners Augustin Schurff untergebracht war,
das ist nicht nachzuweisen. Die beiden anderen Räume aber —
hibernaeulum nostrum usitatum, in dem Margarete von Lochau
lag, und die Stube, die Luther meum hypocaustum nennt,
und die er seinem Hänschen überlassen hat — sind in
) Sehr ähnlich ist Tischr. 5896; auch da ist die Stube, „da wir
ein Tisch einsetzen,* Luthers Wohnstube.
) Hermann Stein, Geschichte des Lutherhauses (1883), 23; Georg
Rietschel, Luther nnd sein Haus (1917), 12. Bei Albrecht Thoma,
Katharina von Bora (1900), 289 ist der Raum mit A. bezeichnet.
) Die große Aula, ab im Grundriß, ist nicht heizbar.
304 64
Luthers Briefe so deutlieh bezeichnet, daß es schwer zu ver-
stehen ist, wie Hartmann Grisar!) zu der Annahme gekommen
ist. das bypocaustum Hänschens sei „die mit dem Kachel-
ofen versehene gewöhnliche Familienstube. die man nach der
Überlieferung heute als Lutberstube bezeichnet.“ In der
gewöhnlichen Familienstube?) lag doch nach Luthers klaren
Worten (hybernaeulo nostro usitato) Margarete von Lochau,
also kann das hypocaustum, in dem Häuschen lag, und das
Luther ausdrücklich scin eigenes hypocaustum nennt, nicht
die gewöhnliche Wohnstube sein; es ist vielmehr Luthers
Arbeitsstube, derselbe Raum, den Luther 1522 ,mein armes
stublin“ und 1542 „mein stublein*?) und 1546 wiederum
hypocaustam meum nennt.
Wo hat diese Arbeitsstube Luthers gelegen?
Aus den Worten. die Luther im Frühjahr 1532 bei
Tische gesprochen hat, geht hervor, daB Luthers armes
Stüblein überhaupt nicht in dem eigentlichen Lutherhause
gesucht werden darf. Die Wallarbeiten, von deren Fortgang
Luther 1532 die Zerstörung seiner Arbeitsstube befürchtet,
zwangen allerdings dazu, das Erdgeschoß des großen Hauses
auf der Südseite zuzuschütten; 1541 spricht Luther selbst
davon, dab das mit seiner Einwilligung geschehen seit).
Im Erdgeschoß des Schwarzen Klosters kann aber Luthers
Arbeitsstube nicht gelegen haben. denn da wäre sie ja mit
den übrigen Räumen auf der Südseite des Klosters zuge-
sehüttet worden, während sie doch noch 1546 von Luther
als hypocaustum meum erwähnt wird. Auch wird uns dureh
Valentin Ickelsamer 1525 bezeugt, Luther habe in einem
hübschen Gemach „ober dem Wasser“ mit andern Gelehrten
und vornehmen Herren fröhlich getrunken). Die Worte
I) Luther 3, 985.
2) Im (iruudriß des Lutherhauses mit dem Buchstaben v bezeichnet
* Als Stüblein wird es von Luther auch noch erwähnt de
Wette 2. 543 und 4, 490; Tischr. Bd. 1, 287 Z. 18 und Tischr. 1206;
Weim. A. Bd. 51, 137 Z. Vif.
) Enders 14, 129 Z. 5f.
5) Valentin Ickelsamer, Clag etlicher brüder (Ilallische Neudrucke,
118, Heft, 1893), 18. Von Luthers späterer Wohnstube kann Ickel-
samer nicht sprechen, denn diese hat nicht den Blick auf den Strom,
sondern nach Norden auf den Klosterhof.
65 305
„vber dem Wasser“ können nur bedeuten „tiber der Elbe“
oder „nach der Elbe zu.“ Im Erdgeschoß wäre aber der
Blick auf den Strom schon durch den alten, niedrigeren Wall
versperrt gewesen. Luthers Arbeitsstube muĝ demnach in
einem oberen Geschoß gelegen haben. Das geht auch aus
den Worten hervor, die Luther im Sommer 1542 gesprochen
hat: „Droben in meinem Stüblein !).“ In dem ersten Ober-
gescho des Lutherhauses kann Luthers Arbeitsstube aber
nicht gelegen haben, denn dieses wurde erst 1541 durch
die Wallarbeiten bedroht, obgleich der Kurfürst verboten
hatte, Luther zu nahe oder zum Schaden zu bauen?), und
da war Luther keineswegs gesonnen, sich die Übergriffe des
Zeugmeisters gefallen zu lassen?) Das zweite Obergeschoß
und das Dachgeschoß des Lutberhauses sind überhaupt nie-
mals durch die Wallarbeiten bedroht gewesen; im zweiten
Obergeschoß oder im Dachgeschoß kann Luthers Arbeits-
stube also auch nicht gelegen haben. Kurz, in dem eigent-
lichen Lutherhaus ist die Stube, deren Vernichtung durch
die Wallarbeiten Luther 1532 befürchtet, nirgends unter-
zubringen.
Nun hat aber Luther in demselben Jahre 1532 bei
Tisch einmal von seiner Erleuchtung über die iustitia Dei
gesprochen, und mehrere Tischgenossen, die uns Luthers
Worte überliefern, geben uns einen wichtigen Hinweis auf
die Lage von Luthers Arbeitsstube und bezeugen uns, dab
dieses Stüblein in der Tat nicht in dem eigentlichen Luther-
hause gelegen hat, sondern in einem Turm. Es ist die be-
kannte oder bertichtigte Tischrede, in der Luther nach der
besten, auf Rörer zurückgehenden Niederschrift Schlagin-
haufens gesagt haben soll*): „Diese Kunst hat mir der Geist
Gottes auf dieser cloaca eingeben.“ Mit abweichendem Text
steht diese Tischrede auch bei Cordatus, Khummer und
Lauterbach?) Ich habe unsre Überlieferung über die
) Auch Ratzeberger a. a. O. 58f. bezeugt, daß Luthers Schreib-
stüblein oben gelegen hat.
®) Enders 14, 129 Z. 4f.
) Enders a. a. O.
) Tischr. 1681 Anm. 1.
5) Tischr. 3232.
Archiv für Reformatlons geschichte. XVII. 4. 20
306 66
„Entdeckung auf dem Klosterturm“ an anderer Stelle!) aus-
führlicher behandelt; ich glaube nachweisen zu können, wie
Schlaginhaufen zu dem törichten Mißverständnis gekommen
ist, Luther habe seine Erleuchtung auf dem Abort gehabt.
Nicht auf den Abort führen uns Luthers Worte, sondern in
seine Arbeitsstube, diese hat aber allerdings nach den über-
einstimmenden Angaben der Tischgenossen in einem Turm
gelegen, in dem früher, wie Cordatus erwähnt, auch der
Abort der Augustiner gewesen ist. Schlaginhaufen selbst
hat die Örtlichkeit des Turms nicht näher bezeichnet, aber
Rörer?) ftthrt uns durch die Worte, die er über cloaca
übergeschrieben hat: in horto, nach dem Klostergürtehen;
Cordatus?) schreibt: Sed cum semel in hae turri (in qua
secretus locus erat monachorum) specularer; ähnlich schreibt
Khummer‘): Sed cum semel in hae turri speculabar, und
wiederum ähnlich schreibt Lauterbach’): Sed Dei gratia cum
semel in bae turri et hypocausto speculabar, und auch in
den Schlußworten sprechen Cordatus, Kbummer und Lauter-
bach nochmals tibereinstimmend von dem Turm, in dem
Luther seine Erleuchtung gehabt hat.
Drei Türme sind uns beim Schwarzen Kloster bekannt.
Der erste Turm steht noch jetzt mitten an der Nord-
seite des Lutherhauses. Es ist der Turm, in dem die
Wendeltreppe zu den Wohnräumen des ersten Obergeschosses
und den Kammern des zweiten Obergeschosses und des
Dachgeschosses in die Höhe führt. Dieser Treppenturm
kann Luthers Arbeitsstube nicht umsehlossen haben, schon
deshalb nicht, weil er eben nur ein Treppenturm ist‘), und
weil die ganze Nordseite des Klosters von den Wallarbeiten
niemals berührt worden ist; auch geht der Blick aus den
Turmfenstern nach Norden auf den Klosterhof, während
1) Jahrbuch der Luther-Gesellschaft 1 (1919), Hem
2) Tischr. 1681 Anm. 1.
*) Tischr. 3239 a,
*) Tischr. 3232 b.
) Tischr. 3232 c,
9) Nach neueren Feststellungen gehört dieser Turm auch garnicht
zu den <eren Bauteilen; er ist wohl erst nach Luthers Tod angebaut
worden (1566). Vgl. Julius Jordan in der Zeitschrift Luther. Mit-
teilungen der Luther-Gesellschaft, 1919, S. 44; Stein a. a. O. 86,
67 307
nach lekelsamers Zeugnis Luthers Gäste den Blick aus
seinem Gemach auf die Elbe, also nach Süden hatten.
Ein zweiter Turm wird 1526 bei den Wallarbeiten er-
wühnt. Dieser „Thorm Neben dem schwartzen Kloster“,
der um vier Ellen höher gemauert werden soll, und zu
dessen Seiten zwei Streichwehren angelegt werden sollen,
hat offenbar nicht zum Schwarzen Kloster gehört, sondern
er ist ebenso wie der runde Turm gegenüber dem Barfüßer-
kloster!) ein Bestandteil der Befestigungsanlagen der Stadt
gewesen. Auch in diesem Turm kann Luthers Arbeitsstube
nieht gelegen haben.
Ein dritter turmähnlicher Bau ist auf alten Ansichten
von Wittenberg an der Südwestecke des Schwarzen Klosters
als Verbindungsbau zwischen dem eigentlichen Lutherhaus
und dem westlich davon gelegenen Brauhaus zu sehen.
Der viereckige Turın, der etwas nach Süden in das Kloster-
gürtchen vorsprang, hat sicherlich zu den ältesten Anlagen
des Klosters gehört, denn er hat ja, wie wir von Cordatus
erfahren, den Abort der Mönche enthalten, und auch das
Brauhaus isí von Anfang an mit dem Kloster, das die Brau-
gerechtigkeit für zwölf Gebräude hatte?), verbunden gewesen.
Diese aneinanderstoßenden Bauten des großen Haupthauses,
des Gartenturms und des Brauhauses trennten im Norden
den Klosterhof, in dem das alte, kleine Kirchlein und der
Friedhof der Mönche lagen, von dem Klostergürtchen im
Süden“). Unter dem Turm soll ein Durchgang aus dem
Klosterhof ins Klostergärtchen geführt haben, und über
) Archiv für Reformationsgeschichte 6 (1908f.), 342,
) J. Chr. A. Grohmann, Annalen der Unniversität zu Witten-
berg 1 (1801), 84f.
3) Klosterhof und Klostergarten werden in der Schenkungsurkunde
des Schwarzen Klosters (Enders 9, 149) erwähnt. Der Klosterhof, in
dem ein Birnbaum stand, wird einmal auch hortus genannt (Tischr.
2255 b), sonst richtiger curia (Tischr. 2255 a) oder area (Tischr. 5319
und 5371). Der Klostergarten (hortus) war früher wohl von dem
guten Gärtner Er Heinrich (de Wette 3, 164) versorgt worden; seit
1526 nahm sich Luther selbst seiner an (Enders 5,360) Erst am
19, April 1582 kaufte Luther Klaus Bildenhauers Garten (Enders
15, 834 Anm. 4); wird vorher ein Garten erwähnt, so handelt es sich
stets um das Klostergürtchen.
90*
308 68
diesem Durchgang soll das erste Obergeschoß des Turms
durch eine Tür mit dem Hauptgebäude verbunden gewesen
sein!) Hier ist in dem Grundriß des Lutherhauses Luthers
Arbeitsstube mit dem Buchstaben m eingezeichnet,
Nun war zwar auch mitten auf der langen Südseite
des Lutherhauses ein Vorbau, der auf dem Grundriß zwischen
den Buchstaben q und ın eingezeichnet ist, aber dieser
Vor- oder Anbau, der auch auf alten Stadtansichten von
Wittenberg deutlich zu sehen ist, kann unmöglich als Turm
bezeichnet werden, denn sein Dach reichte nur bis an das
zweite Obergeschoß des Hauptgebäudes. Wahrscheinlich ent-
hielt dieser Anbau das „Gemach,“ zu dessen Erbauung
Luther 1519 die Genehmigung seines Landesherrn nachsucht.
Im Frühjahr 1519 schreibt Luther im Namen seiner
Klosterbrüder an Friedrich den Weisen?) Notdurft zwinge
sie, ein Gemach „aus der Mauren auf den Graben“ zu
bauen; auf ihre Bitte hätten ihnen die Herren des Rats zu
Wittenberg keine Antwort gegeben, darum richtet Luther
nun an den Kurfürsten die Bitte, ihnen diesen Notbau zu
gestatten. Daß es sich in Luthers Brief um einen Abort
handelt, daran ist wirklich nicht zu zweifeln) Wo wir in
andern Städten bei Klöstern, die ebenfalls an der Stadtmauer
gelegen sind, ein solches Gemach finden, das aus der Mauer
auf den Graben hinausgebaut ist, da ist es nachweislich
fast stets ein „heimlich“ Gemach, ein secretus locus, der
Abort. Auch spricht Luther ausdrücklich von der Notdurft,
die sie zu diesem Notbau zwinge. Für jedes andere Gemach
wäre in dem Kloster selbst, das noch gar nicht völlig aus-
gebaut war‘), Raum genug gewesen; nur die Anlage eines
heimlichen Gemachs konnte es notwendig erscheinen lassen,
aus den vier Mauern des Klosters hinaus auf den Graben
3) H. Stein a. a. O. 24 und 26f,
7) de Wette 1, 283.
) H. Stein a. a. O. 19 Anm. 1. Das von Ickelsamer erwähnte
hübsche Gemach kann nicht, wie Grisar a.a. O. 3, 985 vermutet, das
Gemach über der Mauer sein. Der An- oder Vorbau, den wir auf den
Stadtansichten sehen, war nicht hoch genug, um über den Wall hin-
weg den Blick auf die Elbe zu gestatten.
*) Enders 14, 215 Z. 27.
69 309
zu bauen. Man hat gemeint, dieser Bau, dem die Ge-
nehmigung des Kurfürsten nicht versagt geblieben sein wird,
möge auf der östlichen Schmalseite des Schwarzen Klosters
gelegen haben, denn hier ging der Stadtgraben am nächsten
ans Kloster heran, und hier sollen noch in neuerer Zeit
jetzt abgebrocbene Kloaken gewesen sein!) Aber Wilhelm
Dilieh, dessen eine Ansicht von Wittenberg den kleinen
Vorbau in der Mitte der stidlichen Langseite des Klosters
deutlich zeigt?, läßt auf einem zweiten Blatt?) eben so
deutlich erkennen, daß auf der östlichen Schmalseite des
Klosters kein solcher Vorbau gewesen ist. Wir dürfen des-
halb den Vorbau auf der südlichen Langseite des Klosters
für den Notbau halten, in den die Augustiner 1519 ihren
Abort verlegten‘). |
Vorher war der Abort der Mönche, wie Cordatus be-
zeugt, in demselben Turm, in dem, wie Lauterbach bezeugt,
auch ein hypocaustum war. Diese Angaben sind sicherlich
wahr. Cordatus und Lauterbach haben viele Jahre lang
als Luthers Tischgenossen im Schwarzen Kloster gewohnt
und haben dessen Räumlichkeiten genau gekannt. Und
beide haben an Luthers Tische nur für sich selbst nach-
geschrieben; der Verdacht, sie könnten etwas erfunden haben,
um durch ihre Niederschrift auf andere einzuwirken, ist ganz
ausgeschlossen. Aus dem Wortlaut ihrer Niederschrift er-
gibt sich ferner, daß zu der Zeit, da sie schrieben, der Ab-
ort der Mönche nicht mehr in dem Turme war“), wohl aber
das hypocaustum. Das gibt auch Grisar zu9), wenn auch
Y Enders 2, 35 Anm. 2.
?) Wilhelm Dilichs Federzeichnungen Kursüchsischer und Meig-
nischer Ortschaften aus den Jahren 1626—1629. Herausgegeben von
Paul Emil Richter und Christian Krollmann (1907) Blatt 4.
3) Ebenda Blatt 36.
*) Ein Abort kann trotzdem auch auf der östlichen Schmalseite
gelegen haben, also an der Stelle, wo noch in neuerer Zeit Kloaken
gefunden worden sind. Wie das große Haus zwei Treppenaufgünge
hatte (im Grundriß s und ac), so kann es auch zwei Abortanlagen
gehabt haben, Nicht nur Luther, auch die spütere Zeit hat an dem
Hause viel bauen müssen. Vgl. E. Stein a. a. O. 36.
5$) Der Abort war ja schon 1519 in den Anbau auf der Südseite
des Klosters verlegt worden.
© A. a. O. 3, 985.
310 | 70
mit der Einschränkung, dieses hypocaustum brauche nicht
Luthers Arbeitsstube zu sein; es könne irgendein anderer
heizbarer Raum in dem Turme gewesen sein. Aber der
hier in Frage kommende Turm hat wirklich nicht für mehrere.
heizbare Räume Platz gehabt. Das von Lauterbach erwähnte
hypocaustum in dem Turme, in dem Luther nach langem
Lesen, Forschen und Grübeln seine Erleuchtung über die
iustitia Dei gehabt hat, ist sicherlich eben das hypocaustum,
das Luther zweimal sein hypocaustum und öfter sein Stüblein
nennt, seine Arbeitsstube.
Und der Turm, in dem diese Arbeitsstube gelegen hat,
kann nur der Turm an der Südwestecke des Schwarzen Klosters
gewesen sein. Dahin führen uns auch Rörers Worte: in
horto. Der Turm an der Südwestecke des Hauptgebäudes
stand wirklich an und über dem Klostergärtchen.
Da Luther, wie er 1532 sagt, aus seinem armer Stüb-
lein das Papsttum gestürmt hat, so muD er diesen heizbaren
Raum im Obergeschoß des Gartentums schon 1517 bewohnt
haben. Das geht auch aus einer andern Tischrede hervor,
die wahrscheinlich ins Jahr 1540 zu datieren ist!); Luther
spricht da von Teufelsspuk und Teufelserscheinungen und
erzählt: „Zeum dritten, kam ich ein mal aus der metten
und kucket zu meiner zcellen aus in den garten, da sahe
ich eine große schwartze sawe vmbher im garten lauffen,
so doch an selben ort kein saw kommen kont, und balt
verschwandt sie; das war auch der Teuffel.“ Luther hatte
also schon als Mönch eine Zelle mit dem Blick auf den
Klostergarten. Vielleicht hatte er schon damals das hypo-
caustum in dem Gartenturm inne. Grisar meint zwar?) „In
seiner Zelle hatte Luther keinen Ofen“, und weiter“): „Als
Mönch bekam Luther doch wohl keine geheizte Zelle; er
mußte mit dem gemeinsamen Würmeraum des Klosters vor-
lieb nehmen. Er selbst spricht von seinem Frieren und
sagt, er habe (als angehender Professor) zur Nachtzeit im
(gewärmten) Refektorium an seiner Lektion geschrieben, als
— -
) Tischr. 5358 b.
N A. a. O. 1, 324.
5 A. a. O. 3,995,
71 311
er den Teufel jiu der Hüllen‘ dreimal rauschen hörte.“ Als
Mönch durfte Luther keine besonderen Ansprüche erheben,
darin hat Grisar recht, aber als Doktor der Theologie, Sub-
prior und Distrikfsvikar der Augustiner hat Luther doch
schon jahrelang vor 1517 seine eigene heizbare Stube im
Kloster gehabt. Das bezeugt er uns selbst. Er sagt):
„Doctor creatus mihi ipsi fui calefactor.“ Auf das Hefek-
torium oder einen andern gemeinsamen Wärmeraum im
Kloster können diese Worte nicht gedeutet werden, denn
hätte Luther da eigenhändig geheizt, so hätte er nicht nur
für sich, sondern auch für die andern geheizt; er sagt aber
ausdrücklich: „mihi ipsi fui calefactor.“ Wahrscheinlich hat
Staupitz Luther zu derselben Zeit, da er ihm einen Diener
gab?, auch die heizbare Arbeitsstube angewiesen. Daß diese
abseits von den übrigen Klosterräumen in dem Gartenturm
lag, das hing jedenfalls auch damit zusammen, daß das
große Hauptgebäude, obgleich es nur zu zwei Dritteilen
ausgebaut war?) doch zahlreiche Insassen beherbergen
mußte. Die Räume, die Luther und Käthe später bewohnten,
wurden wohl von dem Prior in Anspruch genommen; die
zweiundzwanzig Klosterbrüder, die 1516 im Schwarzen Kloster .
lebten, mußten ihre Zellen haben, und außerdem mußten
zwölf iuvenes und sechs oder sieben Laienbrüder unter-
gebracht werden‘). So wurde Luther, als er ausnahmsweise
eine eigene heizbare Arbeitsstube zugewiesen erhielt, in den
Gartentarm verwiesen. Der Raum, den er hier erhielt, war
wohl ein recht bescheidener Raum, denn er nennt ihn sein
armes Stüblein, aber dieser Raum hatte den großen Vorzug
der Abgelegenheit und Stille. Als das Schwarze Kloster
später manchmal einem Krankenhaus und oft einem Gast-
haus glich, da mochte Luther die stile Abgeschiedenheit
seines Turmstübleins doppelt willkommen sein.
1) Tischr. 5875.
5 Tischr. 5375. Das geschah, cum legeret Doctor Psalterium,
also 1513. .Vgl. Tischr. 4323 und Köstlin-Kawerau 1, 104.
) Enders 14, 215 Z. 27f.
) Enders 1,67 Z. 34 ff. Die zwölf iuvenes waren wohl die
Brüder, die aus andern Klöstern zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung
nach Wittenberg abgeordnet waren.
312 72
Wie die älteren Stadtansichten von Wittenberg er-
kennen lassen!), sprang der Gartenturm zwischen dem Haupt-
gebäude und dem Brauhaus etwas nach Süden vor, Er
war deshalb den Wallarbeiten, die hier die große Bastion
verstärken sollten, besonders hinderlich, so daß Luther 1532
befürchten mußte, sein arm Stüblein werde auch noch fallen.
Diese Gefahr wurde jedoch abgewendet, ja Luther konnte
in den nächsten Jahren hier zwischen dem Gartenturm und
dem Wall sogar noch ein neues Haus bauen. Luther selbst
nennt es 1541 „das hindere newe haus“?) und 1542 „das
newe haus“, und er berechnet die Ausgaben für den Bau
auf 400 Gulden?) Der Bau fällt wohl in die Jahre 1535
bis 1540. In diesen Jahren sind in den Wittenbergischen
Kämmereirechnungen mehrfach größere Lieferungen von
Kalk, Backsteinen und Dachziegeln für die Um- und Neu-
bauten im Schwarzen Kloster gebucht“). Diese Baustoffe
lieferte der Rat der Stadt um Gottes Willen. Das Bauholz
aber mußte Luther kaufen; in seiner Hausrechnung vom
Jahre 1542 steht die Ausgabe): 400 Gulden „Gedielet
breter". Auf den Ansichten von Wittenberg ist auch das
Neue Hans erkennbar.
Dürfen wir den Stadtansichten bis in kleinere Einzel-
heiten trauen, so müssen wir annehmen, daß Luthers Arbeits-
stube nicht in dem ersten, sondern in dem zweiten Ober-
geschoß des Gartenturms gelegen hat. Darauf deutet Übrigens
schon jene Tischrede hin, in der Luther im Sommer 1542
erzählt, er habe den jungen Christoph von der Straßen
einmal droben in seinem Stüblein gehabt. Da Luther diese
Worte in der Wohnstube, also in dem ersten Obergeschoß
des Schwarzen Klosters gesprochen hat, so muß seine Arbeits-
stube in einem noch höheren Geschoß gelegen haben. Und
mit diesem schriftlichen Zeugnis stimmen die bildlichen
) Vgl. auch den Grundriß der Stadt Wittenberg bei Otto Scheel,
Martin Luther 2 (1917), 164,
7) Enders 14, 180,
*) Enders 15, 60 Z. 120.
t) Neue Mitteilungen aus dem Gebiet historisch-antiquarischer
Forschungen 3 (1887), 118 fl.
5) Enders 16, 60 Z. 117.
73 i 313
Zeugnisse überein; auch aus ihnen geht hervor, daß der
Gartenturm nur im zweiten Obergeschoß einen bewohnbaren
Raum gehabt hat. Der Cranachsche Holzschnitt von Witten-
berg mit der Taufe Christi und der Familie des Kurfürsten
Johann Friedrich im Vordergrunde!) läßt leider die Einzel-
heiten gerade an dieser Stelle nicht deutlich erkennen, aber
der große Holzschnitt von 1611), das eine Dilichsche Blatt
aus den Jahren 1626 bis 1629°) und eine in der Leipziger
Stadtbibliothek befindliehe Federzeiehnung von Johann August
Richter aus den Jahren 1720 bis 1730*) zeigen überein-
stimmend auí der Südseite des Gartenturms im ersten Ober-
geschoß nur eine Luke, im zweiten Obergeschoß aber zwei
Fenster. Darüber erhebt sich noch das Dachgeschoß mit
einem Fenster.
Hier im Dachgeschoß war vielleicht Karlstadt unter-
gebracht, als er im Sommer 1525 im Schwarzen Kloster
eine Zufluehtsstütte fand, in der er von Luther wochenlang
vor allen heimlich gehalten wurde. Nach Erasmus Alberus
wußte nur Luthers treuer Diener Wolfgang Sieberger um
Karlstadts Anwesenheit; er brachte ihm das Essen?) Daß
auch Luthers junge Frau darum gewußt hat, das folgert
Barge) wohl richtig daraus, daß Karlstadt in diesen
Wochen Luther brieflich einen Gruß an Käthe aufträgt).
Von Karlstadts Anwesenheit in seinem Hause hat Luther
seinen Tischgenossen im Sommer 1531 ausführlicher er-
zählt®); er spricht von Menschen, die im Glück übermütig,
in der Not aber scheu und verzagt sind, und fährt fort:
1) Abgebildet bei Friedrich von Bezold, Geschichte der deutschen
Heformation (1890), 826,
2) Abgebildet bei Paul Schreekenbach und Franz Neubert, Martin
Luther (1916), Blatt 54. Eine Wiederholung des großen Blattes aus
dem Jahre 1691 ist in der Leipziger Stadtbibliothek (H. Sax. Fol. 178).
) A. a. O. Blatt 4.
) H. Sax. Fol. 178. Vgl. Gustav Wustmann in der Leipziger
Zeitung, Wissenschaftliche Beilage, 1909, Nr. 20 (15. Mai), 85f.
) Enders 5, 240 Anm.
© Hermann Barge, Andreas Bodenstein von Karlstadt 2 (1905) 366
Anm, 105.
) Enders 5, 239.
) Tischr. 2064. Barge a. a. O. hat diese Stelle übersehen.
314 l 74
„Cuius timoris horrendum exemplum vidi in Carolostadio-
Qui cum in aedibus meis tempore relegationis suae plures
quam octo septimanas insciis omnibus hominibus habitaret?!)
et veniente ad nos electore nostro per pontem Albis ipse
fenestram adibat et me praesente spectabat versus pontem
per fractum triangulum, qui erat intra vitra omnia integra,
sed obiter abibat. Cui cum dixissem, cur abiret? respon-
debat pallens et tremens: Ne a quoquam videretur.“ Der
Besuch des Kurfürsten Hans, den Karlstadt aus seinem Ver-
steck im Schwarzen Kloster durch eine zerbrochene Butzen-
scheibe im Fenster über die Elbbrücke reiten sah, fällt auf
den 14. Juli 15252), und am 17. September 1525 gab der
Kurfürst in Torgau auf Luthers schriftliche Fürbitte vom
12. September?) seine Einwilligung dazu, daß sich Karl-
stadt in der Nähe von Wittenberg, jedoch nicht in Kemberg
niederlassen dürfe‘); mindestens bis zum 18. September ist
Karlstadt also bei Luther geblieben, und da er nach Luthers
Erzählung mehr als acht Wochen, also vielleicht neun,
höchstens zehn Wochen im Schwarzen Kloster verborgen
gewesen ist, so wird er tiberhaupt erst kurz vor dem 14. Jali’)
aus Frankfurt am Main bei Luther eingetroffen sein. Und
in dem großen Schwarzen Kloster, in dem schon zahlreiche
flüchtige Mönche und Nonnen Aufnahme gefunden hatten“)
und viele Fremde ein- und ausgingen, konnte er wohl
nirgends mit größerer Sicherheit vor allen Mitbewohnern und
Besuchern verborgen gehalten werden als in dem Garten-
turm über Luthers Arbeitsstube.
Wann der Gartenturm abgebrochen worden ist, das
vermag ich nicht nachzuweisen. Nach der Richterschen
Zeichnung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat
der Turm damals noch gestanden; Richters Ansichten säch-
1) Cordatus fällt im folgenden aus der Konstruktion.
2) C. A. H. Burkhardt, Ernestinische Landtagsakten (Thüringische
Geschichtsquellen, 8. Bd., 1902), 172f.
*) Enders 5, 240.
*) Enders 5, 241ff.
5) Jedenfalls nicht schon Ende Juni, wie Barge a. a. O. meint,
*) de Wette 2, 582; Felician Geß, Akten und Briefe zur Kirchen-
politik Herzog Georgs von Sachsen 2 (1917), 474.
75 315
sischer Städte sind sämtlich nach der Natur aufgenommen,
ohne Anlehnung an ältere Zeichnungen. Vielleicht ist der
Turm erst in der bösen Zeit des Siebenjährigen Krieges
gefallen. Aber die Erinnerung daran, daß in diesem Turme
Luthers Arbeitsstube gelegen hat, scheint in Wittenberg
schon früh geschwunden zu sein. Aus dem Jahre 1671
wird uns zwar berichtet, Luthers Arbeitsstube (musaeum)
werde noch als Sehenswürdigkeit gezeigt!) doch das ist
sicher ein Irrtum. Was den Fremden gezeigt wurde, das
war die Wohnstube Luthers und Käthes. Sie wird auch
später noch zuweilen irrtümlich als Luthers Studierstube
bezeichnet. Wo Luthers Arbeitsstube wirklich gewesen war,
das wußte man bald nicht mehr, denn diesen Raum hatten
wohl nur Luthers nächste Angehörige und Freunde betreten,
und mit ihrem Hinweggang schwand auch die Erinnerung.
*) Johannes Kern, De Witteberga (1671). Blatt B,b.
Mitteilungen.
Aus Zeitschriften’).
Allgemeines, Karl Bauermeister gibt im Histor. Jahrb.
1918/19 S. 731—740 nach Würzburger Archivalien vorläufige Bei-
träge zur Territorialpolitik des Erzbischofs von Mainz Berthold
von Henneberg, über den er eine Monographie vorbereitet.
K. Müller, Zur „Deutschen Theologie“, in SB. der preuß.
Ak. d. W. Bd. 36 S. 631—658 weist darauf hin, daß von der viel ge-
druckten und behandelten „Deutschen Theologie“ noch heute weder
ein zuverlässiger Text bestehe noch ihr Verständnis gesichert sei. Er
bemüht sich in scharfsinniger textkritischer Untersuchung, in Polemik
besonders gegen Hermeling (Festschrift zu Th. Briegers 70. Geburts-
tag, 1912) den ursprünglichen Text herzustellen. Zum Schluß zeigt
er, daß die D. Th. mit der modernen pantheistischen Mystik nichts zu
tan hat; sie stellt nicht den Gegensatz gegen die reformatorische
Heilslehre dar, indem sie das religiöse Heil von der kirchlichen Ver-
mittlung unabhängig macht, sondern hält an der kirchlichen Heils-
vermittlung und Autorität und an der Bedeutung des geschichtlichen
Lebens Jesu fest und verteidigt gegen die Mystik der Brüder des
freien Geistes die kirchlichen und geschichtlichen Grundlagen aller
Mystik.
E. Reichel entwickelt in Theol. Arbb. aus d. Rhein. wissensch.
Predigerverein NF. 18 S. 1—17 die Vorstellungen der Münsterschen
Wiedertäufer zur Welt und ihren Mitmenschen, zum Staat und zur
Gesellschaft, um zu zeigen, wie sich hier die ganze Entwicklung von
der Unzufriedenheit mit sozialen Zuständen zum Abfall von der alten
Kirche, bis hin zur Ausprägung eines religiösen Subjektivismus, inner-
halb eines räumlich und zeitlich eng begrenzten Gebietes vollzieht.
Die Bündnisbestrebungen der deutschen evangelischen
Fürsten von 1566—1570 unter Betonung des maßgebenden Anteils,
den Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach daran hatte,
schildert auf Grund der Ansbachischen Religionsakten des Nürnb.
Kr.-A. K.Schornbaum in ZKG. NF. I, 2 S. 262—282 mit Abdruck
von 2 Denkschriften G. Kargs (erster Artikel).
1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um
Zusendung einschlägiger Zeitschriftenaufsätze zur Anzeige an dieser
Stelle.
77 317
Fréd. Gardy, Les livres de Pierre Martyr Vermigli con-
servés à la bibliothéque de Genève, schildert die Erwerbung dieser
Bücher für die von Calvin 1559 begründete Bücherei nach V.'s Tode
1565 und stellt nach dem Verzeichnis der letzteren von 1572 den
Bestand her. Anz. f. Schweiz. G. Jahrg. 50 (NF. Bd. 17) S. 1—6.
Luther. Ein zweites ,Lutherheft" geben die ThStKr. heraus
(— Jahrg. 1919 Heft 3/4, 201—373). An die zwei gehaltvollen Ab-
bandlungen von A.Hardeland, Luthers Erklärung des ersten Gebots
im Lichte seiner Rechtfertigungslehre (S. 201—261) und Joh, Meyer,
„In Gott“ und „an Gott glauben“ als Verdeutschung des credere in
deum bei Luther (S. 262—978) schließt sich an O. Albrecht, Quellen-
kritisches zu Aurifabers und Rórers Sammlungen der Buch- und Bibel-
einzeichnungen Luthers (S. 279—306), weitere Ausführungen zu des
Verf. Abhandlung in unserer Zeitschrift 1917 S. 161—186, Es folgen
„Gedanken und Bemerkungen": Em. Hirsch, Luthers Eintritt ins
Kloster (S. 307—314), setzt sich mit Scheel und Müller über dies
Ereignis auseinander; A. Hardeland, Luthers Darstellung des Recht-
fertigungsbewußtseins als eines Mittleren im Sinne des Aristoteles
(S. 315—821); K. Franke, Luthers Fabel vom Löwen und Esel und
ihre politische Bedeutung (S. 322—326), Veranschaulichung des Kampfs
um die Oberherrschaft zwischen Kaiser (Lówe) und Papst (Esel);
G. Kawerau (+), Eine Bannordnung von 1543 mit Luthers Appro-
bation (S. 327—334), veröffentlicht eine solche bisher unbekannte von
Mórlin aus Ms. Boruss. Fol. 21 der Berliner Staatsbibl. Daran schließen
sich Rezensionen: O. Albrecht bringt wertvolle Berichtigungen und
Ergänzungen zu den Berichten über Luthera Tod in Anschluß an
Schubarts Sammlung (S. 835—353); P. Flemming äußert sich zu den
„Lutherstudien“ der Mitarbeiter der Weimarer Lutherausgabe (S. 854
bis 362) und F. Kattenbusch zu A. V. Müllers ,Luthers Werdegang
bis zum Thurmerlebnis“ (S. 363 — 369; vgl. 372). Endlich bringt
Loofs zwei Miszellen: Zur Frage nach dem Zeitpunkt des Durch-
bruchs evangelischer Erkenntnis bei Luther (im Anschluß an eine
Untersuchnng seiner Schülerin H. Thomas über die Psalmenvorlesung
1518— 1515) und: Aus der Dresdener He. der ältesten Psalmen-
vorlesung Luthers (S. 870—372). |
Der erste Jahrgang des „Jahrbuchs der Luthergesellschaft“
zu Wittenberg (1919) ist erschienen. Es bringt 1. die in den Tagungen
der Gesellschaft gehaltenen Ansprachen und Vorträge, nämlich B.
Eucken, Weshalb bedürfen wir einer Luthergesellschaft? und: Luther
und die geistige Erneuerung des deutschen Volkes; Joh. Luther,
Die Bedeutung Luthers für seine und unsere Zeit, und A. E. Berger,
Luther und der deutsche Staatsgedanke. 2. Aus Luthers Zeit — für
unsere Zeit, nämlich: O. Clemen, Gedichte auf Luthers Tod; Jul.
Boehmer, Luther im Vaterhaus, Vaterstadt und Vaterland und E.
Kroker, Luthers Tischreden als geschichtliche Quelle. Dieser Beitrag
fällt ein wenig aus dem Rahmen des übrigen heraus; wir würden ihn
318 78
lieber an anderer, streng wissenschaftlicher Stelle sehen. 3. Aus der
Lutberhalle. Hier gibt J. Jordan Erläuterungen zu nen erworbenen
oder sonst bemerkenswerten Stücken der Sammlungen. 157 S. 4°,
. Die ,Lutheranalekten" H. Grisars im Histor. Jahrb. 39
S. 487—5]5 betreffen Luthers Romfahrt (nähere Bestimmung des Rück-
weges z. T. aus bisher unverwerteten Dokumenten), die vermeintliche
Lutherbibel der Vaticana (die vielmehr eine vorlutherische deutsche
Übersetzung ist), die Unterschrift unter dem Lutherbrief des Cad.
Ottobon, 3029 (nicht plenus, auch nicht plures, sondern Johannes,
gemeiut der kleine Hans Luther) und „Luther im Urteile von neu-
gläubigen Gegnern“, als Ergänzung zu Kolde Anal. Luth. S. 202ff.
Den 17, Jahrg. der ZVKGProv. Sachsen füllt ein ebenso fesselnder
wie tief eindringender Vortrag Joh. Fickers über älteste Bildnisse
Luthers (bis zum Wormser Reichstag), wobei die Verdienste L. Cranachs
um die Festhaltung des Lutherbildes besonders deutlich hervortreten
(50 S.) Beigegeben sind 16 Tafeln mit den behandelten Abbildungen.
In Nkirchl. Zeitschr, Jahrg. XXX Heft 7 S. 862—867 und Heft 9
3. 479—483 setzt O. Brenner seine Studien zu Luthers Bibel-
übersetzung fort. Er behandelt Luthers Anteil an den Neudrucken
und gibt Fingerzeige zur Methode der literarischen Stammbanm-
forschung insbesondere bei Lutherdrucken.
Auf eine in Kolocsa (Ungarn) befindliche Vulgata, die Rand-
bemerkungen von Luthers Hand tragen sollte, aufmerksam gemacht,
hat O. Clemen feststellen kónnen, daf die Bibel (eine Vulgata von 1519)
keine Spuren von Luthers Hand trügt, aber einem Zeitgenossen und
guten Freunde des Reformators, Johann von Riedesel (s. Enders 9, 223),
gehört hat. Zum Schluß stellt Clemen die echten Lutherhss. zu-
sammen, die nach Ungarn gelangt sind. Nkirchl. Zeitschr. Jahrg. XXX
Heft 10 S. 533—536,
In der Theologischen Festschrift für G. N. Bonwetsch (1918)
S. 72—79 untersucht J. Meyer die ältesten niederdeutschen Drucke
des kleinen Katechismus textgeschichtlich; seine Untersuchung
zeigt, wie früh und stark Luthers Kl. K. auf niederdeutschem Sprach-
gebiet wirksam geworden ist.
Zwei der von Degering in ZKG. 37 S. 220—234 zum erstenmal
abgedruckten, aber für Fälschungen erklärten Briefe Luthers nu
M. Nicolaus Boie in Meldorf von 1523 und 1527 druckt C. Rolfs in
Schriften des V. f. Schlesw.-Holstein. KG. 2. Reibe (Beitrr. u. Mitteil.
Bd. 7 Heft 2) 1918 S. 129 ff. aufs neue ab, indem er mit sehr ge-
wichtigen inneren Gründen für ihre Echtheit eintritt als bedeutsamen
Dokk. der Schlesw. Holst. Reformationsgesch. Jedenfalls ist Luthers
tatsächlicher Irrtum über Schwenkfeld in dem Briefe von 1527 kein
unbedingter Beweis für die Fälschung; ähnliche Irrtümer Luthers
zeigt Rolfs in unbeanstandeten Briefen jenes.
O. Clemen, Eine Heliandhandschrift in Luthers Besitz, stellt
die bezüglichen gleichzeitigen Nachrichten zusammen. Er hält nicht
19 319
für unmöglich, daß die Sprache des Heliand Luther verständlich
gewesen sei: Zentralbl. f. Biblw. Jahrg. 36.
In Nkirchl. Zeitschr. Jahrg. XXX Heft 2 S. 135—156 entwickelt
N. Bonwetsch, wie sich Luthers Verständnis von Römer 7, 14 ff.
(von dem Widerstreit im Menschen) zu dem in der Kirche des Alter-
tums herrschenden verhält.
St. Ehses, Luthers Appellation an ein allgemeines Konzil,
sucht L. in dessen Kundgebungen zur Konzilsfrage mit sich selbst
in Widerspruch zu setzen, indem er ihm vorschreiben will, wie er
logischerweise hätte handeln müssen — als ob bei Luthers Weltkampf
gegen den Romanismus die äußere Folgerichtigkeit die Hauptsache
gewesen wäre! Histor. Jahrbuch 39 (1918/19) Heft 3/4 S. 740—748.
In Jahrb. d. V. f. die Ev. KG. Westfalens XIX S. 1—48 geht
H. Rothert an der Hand der Beziehungen, die Luther zu einer
Anzahl geborener Westfalen und zu den wichtigsten westfälischen
Städten unterhielt, den Einwirkungen jenes auf Westfalen nach.
Als „neugefundene Reliquie aus dem Reformationsjahre 1520“
weist in der Schles. Zeitung vom 3. Oktober 1920 (Unterhaltungs-
beilage) P, Kalkoíf auf das von ihm im Stuttgarter Staatsarchiv auf-
gespürte, bisher ganz unbeachtet gebliebene, wohlerhaltene Original
der Bannandrobungsbulle Exsurge domine hin. Es ist wohl
zweifellos diejenige Ausfertigung, die Eck nach Deutschland mitnahm.
Bisher war die berüchtigte Bulle uns nur in Abschriften bekannt.
In einer „Miszelle“ „Erasmus und Hutten in ihrem Ver-
bülnis zu Luther“ (in HZ. 122, 2 S. 260—267) betont P. Kalkoff
aufs neue, wie in den Anfangsjahren der Reformation dieser nichts
mehr geschadet als die ,rohen und rabiaten (so!) Ritter von der
Ebernburg“, wogegen Erasmus den Reformator damals unterstützt,
wie Luther überhaupt an Stelle der ,frivolen Literaten" (Hutten!) die
bumanistisch gebildeten Theologen und die theologisch interessierten
Humanisten zu Mitstreitern gewonnen habe.
G. Bossert, Luthers Bedeutung für die Vólkerkunde, stellt
aus den Tischreden Äußerungen L.s über Deutschland und dessen
einzelne St&mme und Landschaften nebst den vergleichenden Urteilen
des Reformators über die Eigenschaften der wichtigsten Nationen
Europas zusammen; Staats-Anzeiger für Württemberg, Besondere Bei-
lage 1920 Nr. 11 (31. Oktober) S. 241—250.
In einem Aufsatz „Goethe und Luther“ untersucht P. Ben-
rath ersteren in seiner Beeinflussung durch Luther und das Luthertum,
um neben der Konvergenz der Lebensrichtungen der beiden Münner
die Divergenz des Ganzen der Lebens- und Weltanschauung hervor-
zuheben. Doch werden, von Goethe aus gesehen, die Unterschiede
von einer hóheren Einheit zusammengehalten und zu einem Ganzen
des Lebens verbunden, das jene nicht nur ertrügt, sondern geradezu
zu fordern scheint, um sich durch sie hindurch zu gestalten und zu
vollenden. Theol. Arbb. a. d. Rhein. Wiss, PredV., NF. 18 S. 76—96.
230 80
Persönliches. Den von K. Müller neuerdings gleichsam
aus dem Dunkel der Vergessenheit hervorgezogenen Jakobus Acontius
(geb. nach 1500, gest. um 1566), den seiner Zeit weit voraneilenden
Apostel der Denkfreiheit und Duldung, behandelt unter besonderer
Hervorhebung dieser Seite Ad. Matthaei in Xkirchl. Zeitschr,
Jahrg. XXX Heft 6 S. 293—807.
Hinweise und Erläuterungen zu Briefen Martin Baumgarts,
Zwickauer Franziskaners, hernach Pfarrers zu Schlema bei Schneeberg,
aus den Jahren 1522—1544 gibt G. Sommerfeldt in NSAG. 41
S. 133—180. Die Briefe befinden sich teils auf der Landesbibl. zu
Dresden, teils in der Zwickauer Ratsschulbibl. Ebendaselbst S. 276
bis 296 folgen von dem Nämlichen „Nachträge zum Briefwechsel
M. Baumgarts 1522—1544 und zu Peter Albinus".
Die wechselvollen Schicksale des M, Georg besserer, ersten
reformierten Inspektors im,Herzogt. Simmern (+ 1604), verfolgt A.
Zillessen auf Grund einer Leichenpredigt und sonstigen Materials
in Theol. Arbeiten aus d. Rhein. Wissensch. Predigerverein NF. 17
S. 63—74.
Über das von dem verstorbenen altkatholischen Hymnologen
A. Thürling entdeckte Gesangbuch Ambrosius Blaurers, dem Mittel-
gliede zwischen dem Gesangbuch von Johannes Zwick und den
Schweizer Gesangbüchern der 2. Hülfte des 16. Jahrhunderts, handelt
eingehend Fr. Spitta in ZKG. NF. I, 2 S. 288—261, Nach Sp. steht
das Gesangbuch Bl.'s dem Luthers nicht unebenbürtig gegenüber und
setzt den herkömmlichen Wendungen über die Gesanglosigkeit der
reformierten Kirche einen schlagenden Tatbeweis entgegen.
Aus der Sammlung von Briefen an Stephan Roth auf der
Zwickauer Ratschulbibliothek teilt O. Clemen 14 Briefe des nach-
maligen Propsts von Berlin Georg Buchholzer aus den Jahren 1526
und 1527 mit. Sie behandeln teils Lebensverhältnisse Buchholzers,
teils sind sie literarischen Inhalts. Jahrb. f. Brandenb. KG. 18 S. 1—19,
Die Untersuchung von H. Ernst über „die Frömmigkeit des
Erasmus“ hat das Ergebnis: Die Frömmigkeit des E. war Moralismus,
genährt von der Hoffnung auf jenseitige Belohnung. Sie war nicht
weltfreudig im modernen Sinn. Seine Ethik steht dem mittelalterlich-
asketischen Ideal näher als die Luthers. Es liegt ein selbständiger
Typus christlicher Frömmigkeit vor, mit der katholischen wie der
evangelischen Frömmigkeit im Kampf; dort geht der Kampf zwischen
selbständiger und kirchlich vermittelter Frömmigkeit, hier zwischen
einer auf Selbsterlósung und eiüer auf Erlösung allein aus Gnaden
beruhenden Frömmigkeit. Zu seiner Zeit erdrückt kam der Frömmigkeits-
typus des E, später zu neuer Entfaltung, ja zur Herrschaft im Ratio-
nalismus und auch heute strebt er modifiziert wieder an die Ober-
fläche. ThStKr. 1919 (Jahrg. 92) S. 46—77.
— — — — aum ——— ———
Druok vou C. Sohulse & Co., G. m. b. H., Gräfenhaiuichen
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MUT |
NEFORMATIONSGESCHICHTE
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
Im Auftrag
des Vereins für Reformationsgeschichte
heransgegeben von
D. Walter Friedensburg.
XVIII. Jahrgang. 1921.
— PME - -——oQo- ES war, he
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1921.
Inhaltsübersicht.
A. V. Müller, Rom, Der Augustiner-Observantismus und
die Kritik und Psychologie Luthers .
G. Loesche, Hofrat, Professor D. Dr. in Königssee, Die
reformatorischen Kirchenordnungen Ober- und Inner-
österreichs III. IV. . . . . . . . . 85—02;
0. Clemen, Professor D. Dr. in Zwickau, Der Prozeß des
Johannes Pollicarius "racer
P. Kalkoff, Professor D. Dr. in Breslau, Kardinal
Schiner, Ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser
Reichstage
Mitteilungen: Aus Zeitschriften S. 75—80. — Neu-
erscheinungen S. 155—160.
Von der preußischen Kommission zur Erforschung
der Geschichte der Reformation und Gegenreformation
S. 1*— 6*.
Seite
1—84
121—154
63—74
81—120
Der Augustiner-Observantismus und die
Kritik und Psychologie Luthers.
Von Alphons Victor Müller.
Dem Observantenstreit im Augustinereremitenorden zur
Zeit Luthers wird seit einigen Jahren von den Forschern
eine gewisse Bedeutung beigelegt für die Beurteilung der
Psychologie und des Charakters von Luther. Leider ist sich
aber die Lutherforschung bis heute nicht klar genug geworden
über Ziele und Eigentümlichkeiten dieser Obser-
vauzbewegung, um gewisse Kritiken Luthers richtig verstehen
zu können. Luther macht zwar abschätzige Bemerkungen
über die übertriebene Bedeutung, die die Observanten gewissen
Außerlichkeiten beilegen uud tadelt eine solche Richtung
mit fast denselben Worten, die Tauler längst vor ihm gegen
die Observanten seiner Zeit gebraucht hat, wie ich in meinem
Luther und Tauler (Bern 1917, S. 130) gezeigt habe. Luther
macht aber auch den Observanten seiner Zeit und seines Ordens
den Vorwurf , Sehismatiker* zu sein, d. h. zu ver-
suchen sich dem sehuldigen Ordeusgehorsam
durch „Privilegien“ und ,FEremptionen^ zu entziehen.
Bisher haben die Forscher gerade: dieser Eigentümlichkeit
in der Augustinerobservauzbewegung fast keine Aufmerk-
samkeit geschenkt und diese Vorwürfe Luthers kurz auf den
Streit zwischen den’ „sieben Konventen“ und Staupitz
bezogen, was erstens nicht zutrifft und zweitens
Luther in den Verdacht briugen mußte weiter nichts als ein
Parteigünger von Staupitz zu sein, der pre domo et Domino
gesprochen habe.
Die drei Hauptstellen gegen die Unbotmäßigkeit der
Observanten lauten: Quaecumque ergo, quantaeumque, qua-
liacumque quis fecerit opera, si oboedientiam alibi
Archiv für Beformationsyeschichte. XVIII. I. 1
2 | 2
debitam relinquit, huie dicitur bie: Non intelligit
opera Domini sed sentit opera sua inflata sensu carnis
suae. Tales hodie esse timendum est omnes observantes
et exemptos sive privilegiatos. Qui quid noceant Ecclesiae
nondum apparuit, licet factum sit. Apparebit autem tempore
suo. Quaerimus autem cur sie eximi (sic!) sibi et dispensari
(sic!) in oboedientia velint? Dicunt propter vitam
regularem. Sed praeest lux angeli Sathanae. Quia cum
oboedientia sit simpliciter indispensabilis et non eximibilis,
quam magnam quaeso causam esse necesse est ut dispensetur
indispensabile? (WA. III, 155) . . . Sie etiam omnibus
superbis contingit et perfinaeibus, superstitiosis et inoboedi-
entibus atque ut timeo Observantibus nostris, qui
sub specie regularis vitae inourruntinoboedientiam
et rebellionem... (WA. IV, 83) Similiter et Super-
stitiosi et Schismatici abiciunt per singularitatem suum
praelatum in quo Christus eis praeficitur, quorum Aodie est
major numerus . . . (WA, III 17.)
Wie aus dem „hodie“ in der ersten und dritten Stelle
zu ersehen ist und ebenso aus dem Indikativ-Praesens der
Zeitform, schildert Luther Zustände, die, als er diese .Worte
sprach, noch andauerten. Um diese Anspielungen Luthers
besser zu begreifen, müssen wir in ganz kurzen Zügen Ent-
stehung und Entwicklung des Observantismus im Augustiner-
eremitenorden schildern.
Als gegen Ende des vierzebnten Jahrhunderts der
Augustinereremitenorden von der genauen Befolgung seiner
Regel und seiner Konstitutionen abgewichen war, suchten
die Ordeusgenerüle die Eiferer für eine genaue Befolgung
der alten Vorschriften in einzelnen Konventen zu sammeln,
und damit die Insassen dieser reformierten Klöster ganz un-
behindert und unvermischt mit den nicht reformierten
Elementen ihrem Ideale dienen könnten, entzogen die Ordens-
generäle diese Klöster der Jurisdiktion der gewöhnlichen
Provinzoberen und“ unterstellten sie direkt sich selbst oder,
wenn sie zahlreich waren, einem Vikar, der nicht vom
Provinzial sondern von ihnen direkt abhing. Auf diese Weise
entstanden im Augustinerorden die „Kongregationen“
der „Observanten“, denen die „Provinzen“ der
3 3
„Konventualen“ gegenüberstanden. Um die Hälfte des
XV. Jahrhunderts herum finden wir in Italien bereits mehrere
dieser Kongregationen, nämlich diejenigen von Lecceto
(Toscana), S. Giovanni in Carbonaria (Neapel), S. Maria del
Popolo in Rom, später naeh dem Hauptkloster in Perugia
benannt, Monte Ortona (Venezien), diejenige von Genua,
und endlich die bedeutendste von allen, diejenige der
Lombardei, die sich über einen großen Teil von Nord-
und auch von Mittelitalien erstreckte. Bei Beginn des XVI.
Jahrhunderts zählte sie weit über 1000 Mitglieder und hatte
bei der hohen Geistlichkeit wie beim Adel einen derartigen
Einfluß, daß sie, wie wir sehen werden, sogar den päpstlichen
Befehlen trotzen konnte, bis sie zurückgenommen worden
waren. Als einzige Auslandskongregation figuriert gegen
Ende des XV. Jahrhunderts nur diejenige ,des Andreas
Proles in Deutschland“, wie sie noch lange nach Proles'
Tod auch in offiziellen Aktenstücken der Kurie genannt wurde.
Um die Mitte des XV. Jahrhunderts war der Versuch
gemacht worden die damals schon bestehenden italienischen
Kongregrationen zu vereinigen unter einem gemeinsamen
Generalvikar wie unter einem gemeinsamen Generalkapitel.
Doch es fanden nur zwei Generalkapitel 1446 und 1449
statt, dann ging diese Union wieder auseinander. Es wurde
nun beschlossen, daß in Zukunft jede Kongregation unter
einem eigenen Generalvikar selbstherrlich sein-sollte. Damit
hatte die Entwicklung begonnen, die uns hier interessiert.
Jede Kongregation suchte jetzt ein Orden im Orden
zu werden und ließ sich durch Fürsprache seiner Gönner
von der Kurie Privilegien auf Privilegien und
Exemptionen auf Exemptionen erteilen. Ja, auf
Grund kurialer Erlasse tauschten sogar die Kongregationen
diese Privilegien unter sich aus, so daß bald die Autorität
des Ordensgenerals „de facto“ fast ganz ausgeschaltet war.
So sehen wir z. B. Eugen IV. der Kongregation von Iliceto
(Leeceto bei Siena in Toscana) folgende Privilegien erteilen:
Dem Generalvikar der Kongregation wird durchaus tiber
alle Klöster und Brüder seiner Kongregation dieselbe
Gewalt erteilt, die der General über Klöster und Brüder
des ganzen Ordens hat. Damit war doch indirekt gesagt,
1*
4 4
daß sich innerhalb der Kongregation die Gewalt des
GeneralsunddesGeneralvikarsgleich waren,
daß der General nicht mit seinen Befehlen denjenigen des
Generalvikars zuwiderlaufen durfte. Ja, dem Generalvikar
wurden sogar Befugnisse erteilt, die der General anscheinend
nicht hatte, denn der Generalvikar konnte gemeinsam mit
den Visitatoren von Statuten und Ordinationen dispensieren,
selbst wenn sie kraftApostolischer Autorität
bestätigt worden waren. Auch direkt wurde die
Gewalt des Generals stark eingeschränkt. So wurde dem
General die Befugnis entzogen, irgend jemand in die Kon-
gregation zu versetzen oder irgend ein Mitglied der Kon-
gregation nach auswärts zu versetzen. Selbst wenn
Mitglieder der Kongregation sich außerhalb derselben
vergangen hatten, durfte sie der General nicht strafen.
Ohne schriftliche Erlaubnis des Generalvikars .durfte der
General kein Mitglied der Kongregation zu irgend einem
Amt in der Ordensleitung berufen. Ein Kongregationsmitglied,
das sich ohne schriftliche Erlaubnis des Generalvikars durch
den General aus der Kongregation herausnehmen ließ, ver-
fiel der Exkommunikation! Auf Grund derselben Privilegien
wurde die Autorität der Generalkapitel über die Kongrega-
tion zum großen Teil abgelehnt. Als ferner der General
Aegidius 1512 in Viterbo das Generalkapitel abhalten wollte,
mußte er, der doch gerade zu dieser Kongregation von
Iliceto gehörte, vom Generalvikar derselben die schrift-
liehe Erlaubnis hierzu erbitten. Diese Privilegien
durfte die Kongregation ohne Erlaubnis des Generals an
andere Kongregationen mitteilen. So sehen wir denn auch
1487, 1493, 1510 die Kongregation von lliceto mit den
Lombarden Gemeinschaft eingehen. 1506 hatte lliceto
gleich den Lombarden, die schon früher dieses Privileg besessen
hatten, einen eigenen Generalprokurator an der Kurie
ernannt, so daß der General über das Treiben an der Kurie
dieser Kongregationen keine Kontrolle mehr hatte. (Ambr.
Landucci: Sacra llicetana Silva . . . Siena 1653. S. 50 ff.)
Bald erstreckte sich die Autorität des Ordensgenerals
nur noch auf die Konventualen, die zwar die Mehrheit des
Ordens ausmachten aber weit weniger angesehen
5 5
und einflußreich waren. Um die Observanten zu
fördern, hatten die Päpste die Autorität des Generals durch
ihre Privilegienkonzessinonen geschädigt. Später suchten sie
diesen Irrtum dadurch wieder gut zu machen, daß sie unter
großem Druck auf die Wähler eifrige Anhänger der Observanz
za Ordensgenerälen zu machen suchten. So wurde unter
Sixtus IV. den Generalswählern unter Strafe der Ex-
kommunikation am 2. Mai 1482 befohlen, den
bisherigen General im Amtzubestätigen und ja
keinen neuen zn wählen, und damit der Erfolg um so sicherer
eintrete, erhielt der General die Vollmacht nach Bedürfnis
das Wählerkollegium zu seinen Gunsten zu „ergänzen“.
Als so unter päpstlichem Druck 1497 in Rom ein
'energischer General, Mariano von Genazzano gewählt wurde,
der die Einheit des Ordens und seine Autoritát wieder herstellen
wollte. da war die Kriegserklürung der Ordensleitung an
die Observanten unausbleiblich. Die — im Juniheft der
Analecta Augustiniana 1919 nun veröffentlichten — Akten
dieses Generalkapitels sind eine Kampfansage an
die Kongregationen und werden auf Jahrzehnte hinaus
das Programm bilden, das die Generäle zu verwirklichen
suchen werden. Diese hochwichtigen Akten zeigen uns
diejenigen Privilegien, die am meisten bei der Ordensleitung
anstießen und auf Grund derer die Kongregationen sich
selbstherrlich gemacht hatten.
Zuerst befiehlt das Kapitel, daß der General des
Ordens, der gegenwärtige wie der zukünftige, volle Autorität
haben muß gemäß der Verfassung des Ordens und gemäß
der Profeßformel über alle Ordensbrüder wie über alle
Klöster, mögen sie nun der Observanz oder den Konventualen
angehören, und mögen die Observanten innerhalb oder
außerhalb Italiens sein (sic)! . . . Damit wird ausdrücklich
gefordert, daß der General nieht nur Jurisdiktion über den
Generalvikar der Kongregationen hat, sondern auch und
zwar unmittelbar über alle Brüder und Klóster, so
daß er ihnen direkt, ohne sich an den Generalvikar zu .
wenden, befehlen kann. Wir werden bald sehen wie Staupitz
sich durch die Bulle des päpstlichen Legaten an dieser
Forderung vorbeidrücken wollte.
6 6
Zweitens schärft das Generalkapitel die Vorschrift
der Konstitutionen ein, wonach die Provinzangehörigen ihrem
Provinzoberen immer nur zu gehorchen haben unter Wah-
rung der Rechte des Generals und erklärt, daß
wer dem General nicht gehoreht als ein Sohn der Verderbnis
und als faules Glied am Ordenskörper auszustoßen ist,
möge er nun Konventuale oder Observant sein, in
Italien oder außerhalb! . . Diese Forderung geht gegen
die Aufstellung der meisten Kongregationen wonach der
Kongregationsvikar in seiner Kongregation dieselbe Gewalt
hat wie der General im ganzen Orden, was alsdann wie
aus diesem Kapitelbefehl hervorgeht so ausgelegt wurde,
daß wenn der Generalvikar einen Befehl erteilt hatte, der
General ihn nicht widerrufen konnte.
Drittens betont das Kapitel, daB der General
seine Autorität unmittelbar vom Papste erhält, während
dagegen die Provinziale und Kongregationsvikare
ihre Autorität dureh den General erhalten. . . .
Das ist wiederum ein Protest gegen die Behauptung der
Observanten, ihre Vikare amtierten „Auctoritate Apostolica“.
Viertens gebraucht das Generalkapitel sehr scharfe
Ausdrüeke gegen diejenigen, die neue Konstitutionen
und ein neues Ordinarium einführen. Einige — so
heißt es — sind durch Unwissenheit derartig verblendet
oder mehr noch von Herrschsucht derartig entflammt, daß
sie das hl. Kleid Augustins zu spalten und zu
teilen suchen (Schismatiker!), dadurch daß sie sich
nicht gescheut haben, sowohl im Ordinarium wie in den
Konstitutionen Widerspruchvolles zusammenzuflicken. In
geradezu unverschümter Weise (nefarium et impudentissimum)
hätten sie ohne irgend eine Ordenserlaubnis die Konstitutionen
geändert und zwar so geändert, daß sie sich der ei-
gentlichen Ordenskonstitutionen nicht mehr
bedienen. „Wir befehlen daher allen Provinzialen, allen
Generalvikaren aller beliebigen Kongregationen, allen Lokal-
prioren und einzelnen Brüdern, daß sie nater Strafe der
Rebellion alle Konstitutionstexte, die nicht wörtlich vom alten
Konstitutionstext abgeschrieben sind, sofort ins Feuer
werfen, damit sie ewig untergehen“... Das
7 | 7
richtete sieb gegen alle Observanten! Diesem Befehl zum
Trotz führte (siehe unten S. 9) Staupitz neue Konstitutionen
und ein neues Ordinarium ein.
Fünftens werden die von Sixtus IV den Observanten
gestatteten Änderungen am Ordinarium „reverenter“ zurück-
genommen. Das Ordinarium enthielt die Zeremonieen und
den Cantus des Ordens. | :
Sechstens wird befohlen, daB sich kein Kongrega-
tionsvikar als Generalvikar titulieren darf. Sie sollen
sich einfach unter Angabe ihrer Kongregation z. B. so nennen:
Vikar der Kongregation von Lecceto, Vikar der Lombardi-
dischen Kongregation usw. . . Die Observanten und
namentlich die Lombarden nannten sogar ihre Kongregations-
kapitel: Generalkapitel.
Siebentens werden diese Kongregationsvikare ver-
pflichtet, den Generalkapiteln des Ordens beizuwohnen . . .
Wenn sie das aber getan hätten, würden sie damit die Ver-
bindliehkeit der Bestimmungen, die auf diesen Versamm-
lungen getroffen wurden, auch für ihre Kongregationen aner-
kannt haben. Daher haben, wie aus den wenigen Akten,
die erhalten sind, hervorgeht, die Kongregationsvikare um
diese Zeit die Generalkapitel gemieden.
Achtens wird, um die Autorität des Generals zu stär-
ken befohlen, daß es dem General zusteht, den Präsidenten
der Kongregationskapitel zu ernennen, wenn er nicht selbst
präsidiert . .. Wir werden unten sehen, wie die Lombar-
den auf Grund der Privilegiengemeinschaft mit Lecceto auch
diese Forderung abgelehnt haben.
Neuntens müssen die Kongregationskapitel dem Gene-
ral zur Bestätigung eingeschickt werden .. Auch diese For-
derung mußte später zum großen Teil fallen gelassen werden.
Zehntens dürfen ohne Erlaubnis des Generals keine
Veräußerungen von beweglichen und unbeweglichen Gütern
vorgenommen werden.
Elftens: Ohne Erlaubnis des Generals dürfen die
Observanten keine Klöster der Konventualen sich angliedern,
keinen Bruder aus einer Provinz in die Kongregation auf-
nehmen und auch keinen Bruder aus der eigenen Kongre-
gation ausstoßen.
8 8
Zwölftens wird endlich bestimmt, daß in Rom nur
ein einziger allgemeiner Ordensprokurator die Geschäfte an
der Kurie besorgen darf. Keine Kongregation darf
sich einen eigenen Prokurator halten. Wer
ohne Erlaubnis des allgemeinen Ordensprokurators etwas an
der Kurie zu erreichen sucht, kann mit Kerkerstrafe bis zu
einem Jahre bestraft werden. Die Observanten sollen in
Rom in S. Maria del Popolo, die Konventualen in S. Ago-
stino oder anderswo absteigen. Wir werden bald auf
den diesbezüglichen Versuch von Staupitz einen anderen
Procurator an der Kurie zu halten, zu reden kommen.
Alle diese Aufstellungen des Generalkapitels von 1497
bedeuteten nattirlich eine Stärkung der Ordenszentralgewalt,
mußten aber bei den Kongregationen auf starken Widerstand
stoßen. Unter dem 26. Mai bestätigte Alexander VI. den
„gewählten“ Ordensgeneral Mariano von Genazzano und
ordnete an, daß alle Kongregationen, auch
diejenige des Andreas Proles, die genannten Vor-
schriften des Kapitels zu befolgen hätten. Die Lombardische
Kongregation nahm diesen Befehl nicht ohne weiteres hin.
Ihr Generalvikar Lucchino von Bergamo schickte Bartholo-
mäus von Palazzolo, den einflußreichen Beichtvater der
Gebieterin von Mailand und anderer Fürstlichkeiten sowie
Augustin von Bergamo nach Rom, damit sie durch die Für-
sprache von Kardinälen und Fürsten das päpstliche Schreiben
rückgüngig machen könnten. Die anderen Kongregationen
werden nicht mtßig abseits gestanden haben, da es sich
im Sinne der Observanten um Sein oder Nichtsein handelte.
So konnte der Erfolg nicht ausbleiben. Durch ein neues
Schreiben von 26. Januar 1498 nahm Alexander VI. sein
erstes Schreiben zurück, da er keine Beunruhigung unter
den Observanten hervorrufen wollte.
Trotz dieser Niederlage betrachtete die Ordensleitung,
wie aus den päpstlichen Akten der folgenden Jahre hervor-
geht, die Forderungen des Kapitels von Rom als Programm
und suchte nicht nur an ihrer Hand den verlorenen Boden wie-
derzugewinnen, sondern auch jede weitere Absplitte-
rung vonderZentralemitallerEnergiefernzu-
halten. So entstand der Konflikt mit der deutschen Kongregation.
9 9
Im Jahre 1503 war Staupitz in der Leitung der „Kon-
gregation des Andreas Proles“ dem Proles gefolgt und ent-
wickelte sofort eine Tätigkeit, die vom General nicht gern
gesehen sein konnie Während wir nämlich von seinem
Vorgänger wissen (Comp. ex reg. Ms. lat Monac. Ang. 123.
Kolde: Z. f. Kgsch. II. S.467ff.), dab er seine Wahl zum Vikar 1497
dureh den General Mariano von Genazzano und 1500 durch
dessen Nachfolger Gratianus Fulgineo bestätigen ließ, wissen
wir von Staupitz nicht, daß er um die Bestätigung
seiner Wahl nachgesucht hätte. Es ist auch nicht
wahrscheinlich, daß er es getan hat, weil er ein Jahr später
in seine Konstitutionen den Passus aufnehmen ließ (Kap. 32),
daB der Vikar sofort nach seiner Proklama-
mation ipso facto auctoritate Apostolica als
bestütigt gilt. Auf Grund welcher Privilegienkommu-
nikation die deutsche Observanz vom bisherigen Brauche
abwich, ist noch nicht klargestellt. Dem General konnte
das aber keine Freude machen. Alsdann gab Staupitz gegen
Punkt vier und fünf des oben erwühnten Ordensprogrammes
einen neuen Konstitutionstext und ein neues
Ordinarium heraus. Wenn aueh der Text der neuen
Konstitutionen sehr vorsichtig abgefaBt ist, so tritt er doch
aus Äußeren und inneren Gründen der Autorität des Gene-
rals zu nahe, wenn auch nur in indirekter Weise, so daß
profane Augen kaum etwas merken werden. Aber bezuglich
der Punkte eins, zwei und drei des sogenannten Ordens-
programmes erfüllen die Staupitzkonstitutionen weder die
Anordnungen des Generalkapitels von 1497 noch diejenigen,
die Leo X, wie wir sehen werden, bald aufstellen wird. Er-
sehen wir doch aus dem Schreiben des Nürnberger Magi-
strats an Staupitz vom 19. September 1511, daß die deut-
schen Observanten dem General nur gehorchen wollten, wenn
er „ziemlichs“ gebiete und was der geistlichen
ZuchtundObservanz „fürträglich“ sei. Sie wei-
gern sich, dem General zu gehorchen, es sei denn, daß er
gemäß den Privilegien unter Achtung der Ob-
zervanz befehle
Noch unangenehmer mußte es in Rom empfunden wer-
den, daß Staupitz 1505 (nicht 1506) seinen Vertrauensmann
10 10
Besler nach Italien schickte, um über eine „Union“
mit der lombardischen Kongregation zu. verhandeln, die nach
Besler nur den Zweck haben sollte, eine Privilegienkommu-
nikation mit den Lombarden zu veranlassen und zu erreichen,
daB der lombardische Prokurator in Rom die Geschüfte der
deutschen Kongregation an der Kurie gleichfalls vertreten
sollte. In Wirklichkeit war aber die Sache nicht so harm-
los, wie sie Besler nachträglich schildern möchte, denn da
die lombardische Kongregation dem b. Stuhl unmittelbar
unterstellt war, bandelte es sich darum, die deutsche Kon-
gregation gleichfalls vollständig und faktisch
vom General unabhängig zu machen. Daß Stau-
pitz gerade diese Unabhängigkeit durchsetzen wollte, geht
aus dem bald zu zitierenden päpstlichen Schreiben mit Deut-
lichkeit hervor. Die Lombarden nahmen in Vercelli im
April 1505 den deutschen Vorschlag an. Schon am
1 2. Maihatte die Ordensleitung in Rom, noch bevor der Papst
diese Union gebilligt hatte, Wind von der Sache bekommen.
Wie sehr man darüber aufgebracht war, geht aus der Notiz
hervor (Generalregest: bei Böhmer S.51, Anm. 4), daß der inter-
emistische Leiter des Ordens und spätere General Augustinus
von Interamna (Terni) am 12. Mai, als er das Generalkapitel
fur den ersten Sonntag im September nach Interamna(?)
ausschrieb — es fand jedenfalls in Perugia statt — zugleich
öffentlich der deutschen Kongregation das Erscheinen
auf demselben verbot, offenbar weil man sie als
„schismatisch* betrachtete. Erst am 21. Juni wurde das
päpstliche Bestätigungsschreiben für die Union ausgestellt
und am 15. März 1506 beauftragte Julius II. die Erzbischöfe
von Mainz, Magdeburg und Salzburg mit der Exekution
dieser Bulle (Milensius bei Böhmer: Luthers Romfahrt S. 20).
Wie der Orden tiber diesen Schritt von Staupitz geur-
teilt hat, ist auch aus verschiedenen anderen Zeugnissen zu
ersehen. Die bis zum Jahre 1550 ergänzte Ordenschronik
des Ordensgenerals Seripandus, die sich gewöhnlich als
Anhängsel zu seinen Konstitutionen findet, schreibt zum Jahre
1505: Hoc anno Congregatio Alemaniae, quae efiam Andreae
Proles dieta est, occulte, inscioque Generali Bullam obtinuit
qua immediate subesset Summo Pontifici, eoque colore
11 11
ab uniome ordinis separata est, quae quidem
separatio pessimum in ecclessia fructum fecit, ut cirea annum
Domini 1517 videbitur. Zu dem letzgenannten Jahre heißt
es alsdann: Annus nostro ordini gravissimus ae pestilentissi-
mus, quo Martini Lutheri haeresiarchae omnium qui fuere;
quique futuri sunt scelestissimi infandum nomen ex Andreae
Proles sive Alemaniae Congregatione audiri coeptum est,
qua in re illa dumtaxat utimur consolatione, quod ea
Congregatio longe priusquam hoc monstrum
pareret ab Unione Ordinis subreptiis se Bullis
segregaverat exemeraítque.
Diese Behauptungen und Entschuldigungen des Seri-
pandus sind etwas übertrieben und treffen auch das Ziel
nicht, weil sich gerade Luther gegen dieses
„Sehisma“ seiner Kongregation, längst bevor
er sich von der Kirche trennte, ganz ent-
schieden ausgesprochen hat
Die „schismatischen“ Bestrebungen von Staupitz bleiben
aber Tatsache. Das geht zuerst hervor aus den Absichten,
die er bei der Union mit den Lombarden verfolgte, wie aus
dem Breve Julius II. vom 26. März 1506 erhellt. Die
Ordensleitung hatte sich nämlich nicht mit dem Verbot die
deutschen Observanten zum Generalkapitel zuzulassen be-
gnügt, sondern war auch beim Papst wegen dieses Privilegs
vorstellig geworden. Aus der Antwort des Papstes, die
nur zehn Tage später als die vorhin erwähnte Exekutions-
bulle erfolgte, geht nun hervor, welchen Gebrauch Staupitz
von dieser Privilegienkommunikation machte. Der Papst
schreibt dem Ordensgeneral: Cum autem sicut Nobis nuper
exponi fecisti Congregatio praedictaLombardiae
Sedi Apostolicae immediate subsit et dicti
Íoannes Vicarius Generalis et alii Provinciales Vicarii, Visi-
tatores et Diffinitores dicti Ordinis qui literas praedictas
absque licentia seu scientia Proteetoris aut
Prioris seu Procuratoris Generalis dicti
Ordinis impetrarunt, praetextu confirmationis,
extensionis et concessionis huiusmodi se a Superioritate
tua et pro tempore existentis Prioris Gene-
ralis praefati Ordinis (exemptos?) et Sedi
12 12
praedictae immediate sesubiectos praeten-
dant, quod si foret in grave dispendium dieti Ordinis tam
de Observantia quam Conventualium Fratrum
dieti Ordinis etiam in Alemania existentium
cederet, cum ipsi se a dicto Priore Generali totius Ordinis
exemptos et Sedi praedictae subiectos praetendentes,
reliquos Fratres favore Principum saecularium, et
alias multipliciter molestarent pro parte tua Nobis fuit
humiliter supplieatum, ut in praemissis oportune providere
paterna diligentia curaremus... Der Papst erklärt alsdann,
daß die deutschen Observanten nicht „eximiert“ worden
sind von der ,obedientia", „superioritas“ und
„subiectio“ gegenüber dem General und seinen Nach-
folgern (siehe oben Luthers Vorwurf S. 2). Man beachte, wie
der Papst hier bezüglich dieser Unterordnung unter den
General nicht nur vom Generalvikar spricht. Hoehn
(S. 135.) glaubt, daß Sigfridus Calciator, der Provinzial der
Provinz „Rhein und Schwaben“, der Ende 1505 oder An-
fang 1506 nach Rom gegangen war, um die Interessen seiner
Provinz gegen Staupitz und seine Leute zu verteidigen, ein
Mitverdienst an der Erlangung dieses Breve gehabt hat.
Der Hinweis im Text auf die Stänkereien der Obsvervanten
gegen die Konventualen in Deutschland bestätigt diese Auf-
fassung. Auch war Calciator der richtige Mann, um die
Praktiken des Staupitz und seiner Observanten zu schildern,
wie sie sich dureh Vermittlung des Adels in den Besitz der
Klöster der Konventualen setzten.
Hat Staupitz sich dieser päpstlichen Entscheidung ge-
fügt? Es ist nicht wahrscheinlich, daß er seine vom Ehr-
geiz eingegebenen Unabhängigkeitsbestrebungen aufgab, um
so weniger als er die Lombarden auf seiner Seite hatte.
die ihm gezeigt hatten, wie man päpstliche Entscheidungen
rückgängig macht. Der offizielle Geschichtsschreiber der
lombardischen Kongregation Calvi erzählt nämlich, daß die
Verbindung (sic!) zwischen der deutschen und seiner Kongre-
gation ungefähr sechs Jahre lang Wirkungen her-
vorgebracht hat, also ungefähr bis 1510/11. Merken wir
uns vorläufig dieses Datum, weil es ziemlich genau den
Zeitpunkt angibt zu dem die deutsche Kongregation sich
13 13
wieder unter das „Joch“ des Generals begeben hat. Qui
si trattò e conchiuse (Vercelli 1505) /wwone della Congre-
gazione Sassonica d' Andrea Proles con la nostra di Lom-
bardia benche solo per sei anni in circa se ne vedessero
gl'effetti, stante la distanza, de' climi e diversità di
genii. (Calvi: Memorie etc. Mailand 1669 S. 182.)
Daß Staupitz bei seinen ehrgeizigen Plänen verharrte
und auf Umwegen das wieder zu erreichen suchte, was der
Papst zurückgenommen hatte, zeigt sein ganzes weiteres
Verhalten. Kolde (S. 232) möchte, ohne eine Quelle zur
Verfügung zu haben, annehmen, daß Staupitz 1507 nach
Rom gekommen sei und der Wahl des Agidius von Viterbo
auf dem Generalkapitel von Neapel am 23. Mai beigewohnt
habe. Wie gesagt, beruft sich Kolde hierfür auf keine
Quelle. Aber Besler, der Vertrauensmann und Vertreter
von Staupitz in Rom, der damals in der Ewigen Stadt weilte
und zwar bis zum Jahre 1509, schließt einen Besuch von
Staupitz in Rom in diesem Jahre indirekt dadurch aus, dab
er uns berichtet, Staupitz sei im Januar 1507 in Bologna,
{wo gerade damals die Kurie war) gewesen und habe
ihn dorthin kommen lassen um ihm Aufträge
zugeben. Wäre Staupitz nach Neapel gegangen, hätte
Besler, der sonst über jedes Zus:unmentreffen mit ihm getreu
berichtet, dieser Begegnung Erwähnung getan, und Staupitz
wäre nicht nach Neapel gegangen ohne auf der Hin- oder
Rückreise Rom zu berühren. Auch hätte er in diesem Falle
Besler nicht nach Bologna kommen zu lassen brauchen,
und endlich pflegten die Kongregationsvi-
kare geradeindiesenJahren diesen General-
kapitelu nicht beizuwohneu. (Siehe oben S. 7)
Staupitz hatte auch ein zu böses Gewissen, um sich bei der
Ordensleitung blicken zu lassen; trug er sich doch mit
Plänen, die ihre Billigung nicht finden konnten. Möglich
wäre es schon gewesen, daB Staupitz, wenn er sich länger
in Italien aufgehalten hätte, dem sogenannten General-
kapitel der Lombarden beigewohnt hätte, aber so
kurz nach der ,Union* konnte er unmöglich eine von der
lombardischen verschiedene Marschroute einschlagen, und
die führte nicht nach Neapel aufs Kapitel.
14 14
Hatte sich Staupitz bisher direkt an die Kurie und an
die Observanten gewandt, um sich vom General unabhängig
zu machen, so versuchte er jetzt sein Glück auf anderem
Wege. Er unterhandelte mit dem im August 1507 nach
Deutschland als Legaten geschickten Kardinal Carvajal und
schlug ihm eine neue Union seiner Kongregation mit den
Konventualen der Provinz Sachsen vor. Jedes
Mittel war ihm recht, wenn es ihn zu seinem Ziel führte.
Er versuchte nämlich durch die von ihm beeinflußte Unions-
urkunde, wie wir sehen werden, sich seine Machtstellung
neuerdings garantieren zu lassen, ahnte aber in seinem blin-
den Ehrgeiz nicht, daß er gerade damit sowohl den General
wie seine Observanten herausfordern mußte.
Einige Historiker haben sich bemüht, auch bei dieser
Gelegenheit den Reformeifer von Staupitz zu preisen.
Man muß aber über Observanzfragan nicht gut unterrichtet
sein, um in dem Staupitzschen Projekt keine Gefahr für
die Observanz zu erblicken. Die Aggregation von 23 bez.
25 neuen Konventen, d. h. die Vereinigung von fast eben-
sovielen Nichtobservanten mit den Observanten entsprach
nieht dem Prinzip, aus dem sich die Observanten in Kon-
gregationen abgesondert hatten. Wenn man ferner ge-
nau zusieht, waren in dem Unionsdokument vom 15. De-
zember 1507 keine ernsten Garantien für das Weiterbe-
stehen der intakten Observanz gegeben. Es wurde darin
wohl angeordnet, daß keine plötzliche (sic!) Vermischung
von Brüdern aus der Kongregation mit denen aus der Pro-
vinz stattfinden sollte, aber damit war — abgesehen davon,
daß „plötzlich“ hier ziemlichzusammenschrumpfen konnte — die
Vermischung im Prinzip bereits zugegeben,
und wurde zudem noch besonders dadurch nahe gerückt, daß in
demselben Satze indirekt zugestanden wurde, daß in der
Provinz Sachsen genügend reformierte Konvente existierten,
mit denen natürlich eine Vermischung keine Gefahr für die
Observanz verbunden sein konnte, wenigstens im Sinne des
Hintermannes dieses Dokumentes. Ebenso gewollt zwei-
deutig ist der Satz liber den Observantismus des Unions-
leiter. Manche Forscher haben auf Grund einer flüchtigen
Betraebtung des Textes geglaubt, daß dieser Leiter immer
15 15
der Kongregation zu entnehmen sei, ohne zu bedenken,
daß die Sachsen doch niemals einer solchen Bedingung zu-
gestimmt hätten! Das steht aber auch durchaus nicht im
Text, der nur bestimmt, daß der Unionsleiter in der „re gu-
lären Observanz genährt sein müsse“ und nicht in „irgend
einer Weise die Observanz geringgeschätzt haben dürfe“. Die
Observanz der Kongregation wird aber unmittelbar
darauf die „privilegierte Observanz“ genannt, während
es später auch von den Sachsen heißt, daß sie in Zu-
kunft ungestört in der „regulären Observanz“ leben
sollen. Am meisten mußten aber die Observanten sich da-
durch abgestoßen fühlen, daß ihr Generalvikar ihnen durch
das neue Unionsdekret eine neue Verfassung aufhalste, die
ihm persönlich das Heft in die Hand gab. Da nämlich die
Sachsen je zwei und die Observanten je zwei Diffini-
toren bei der ständigen Regierung der Union stellen sollten,
hätte der Unionsleiter dadurch, daß er von einer Gruppe
zur anderen pendelte, stets die Entscheidung in
seiner Hand gehabt, was Staupitz ja bezweckte. Daß
sieh in der Kongregation ein Widerstand gegen dieses Pro-
jekt regte, ist begreiflich.
Noch mehr mußte sich die Ordensleitung in Rom gegen
dieses Projekt auflehnen, und es ist geradezu unbegreiflich
daß neuere Forscher sich zu der Behauptung versteigen
konnten, Staupitz habe mit dem General die Einzelheiten
dieser Union durchgesprochen! Das Dokument erwähnt
nämlich nicht ein einziges Mal irgendwie die Zustimmung
des Generals, die doch als diejenige eines Hauptbeteiligten
notwendig gewesen wäre. Wie konnte man ohne diese Zu-
stimmung eine dem General zweifellos unmittelbar
unterstellte Provinz, wie die Saxonia, mit einer privilegierten
Kongregation vereinigen, besonders wenn dadurch, wie wir:
sehen werden, die Jurisdiktion des Generals empfindlich
leiden mußte? Allerdings schreibt das Dokument mit
nichtswürdiger Zweideutigkeit vor, daß sich der General-
vikar unter keinem Vorwand der Obódienz des Generals
entziehen, sondern ihn als Haupt des ganzen Ordens „ehren“
und „pflegen“, ibm die Kontributionen zahlen und ihm
wenn er Erlaubtes (!) befehle ehrerbistigst gehorchen.
16 16
solle. Welch eine raffinierte Frechheit! Man beachte, daß
hier an dieser Stelle und auch sonstwo nirgends im Doku-
ment auch nur mit einem Wort die Rede ist von der Ge-
horsamspflicht und Untergebenheit aller anderen
Unionsmitglieder, sondern nur von derjenigen des
Unionsleiters, während von den Unionsmitgliedern anderswo nur
gefordert wird, daß sie „sub obedienta“ des Unions-
leiters leben sollen. Damit wird indirekt die oben S. 5
von der Ordensleitung verworfene These aufgestellt, wonach
der General nicht unmittelbarer Oberer der einzelnen
Brüder ist und ihnen daher nur durch die Vermitt-
lung des Unionsleiters befehlen kann, und
zwar auch dann nur, wenn er Erlaubtes be-
fiehlt Welch eine Zweideutigkeit! Das kann nämlich
heißen, dab der Unionleiter zu gehorchen gehalten ist, wenn
der General nichts gegen die Gebote Gottes oder der Kirche
befiehlt, aber es kann auch heißen, daß der Geueral nichts
gegen die Observanz der Konstitutionen und Privilegien der
Union befehlen darf, und jedenfalls bleibt dem subjektiven
Gewissen des Unionleiters die Befolgung der Befehle über-
lassen (siehe oben S. 6).
Mißfallen mußte es ferner der Ordensleitung, daD ohne
ihre Zustimmung die Bestütigung des Provinzials der Saxonia
ihr durch dieses Dokument entzogen wurde, denn in Zukunft
sollte der Provinzial dieser Provinz durch seine Wahl kraft
apostolischer Autorität bestätigt sein und wohl
auch sein Amt ausüben kraft derselben Autorität, da vom
General überhaupt keine Rede ist. Mißfallen mußte es end-
lich auch der Ordeusleitung, daB die Konstitutionen der
Kongregation nun auch in der Provinz Saxonia ein-
geführt werden sollten. Alle diese Anordnungen der Unions-
urkunde verstoßen nämlich gegen die obenerwähnten Punkte
1—4 des Ordensprogrammes! Bezeichnend ist es
auch für Staupitz, daß er durch den päpstlichen Legaten in
diesem Dokument seiner Kongregation alle durch Julius ll.
verliehenen Privilegien der Lombarden (exemptioues,
immunitates,libertates etc.) nochmals „bestätigen“
läbt, ohne jedoch des oben besprochenen Widerrufes Er-
wähnung zu tun. Der Text des Dokumentes ist offenbar
17 17
von Staupitz oder von einem seiner Vertrauten stark beein-
filat worden, wenn er nicht in den interessierten Partieen
von ihnen direkt hergestellt worden ist. So klingt beson-
ders der Satz über die Koustitutionen, dort wo er von der
„sinceritas Regulae“ redet und sagt, daß man das alles
bei Seite lassen solle, was der Orden mehr duldet als be-
fiehlt (dimissis eis quae potius Ordo tolerando patitur
quam fieri iubeat) stark an die Einleitung zu den
Staupitzkonstitutionen an. Daß jedoch der für dieses Schrift-
stück verantwortliche Legat ein Haar in dieser ihm von
Staupitz eingebrockten Suppe gefunden hat und sich durch
vier Worte davor bewahrt hat, sie ganz auslöffeln zu müssen,
ist bisher nicht beachtet worden. Er vollzieht nämlich die
Aggregation nur: sine praeiudicio dicti Genera-
lis! Durch diese Klausel wird auch ein vorheriger Konsens
des Generals, den gewisse Forscher angenommen haben,
ausgeschlossen.
Staupitz hat fast drei Jahre lang diese Urkunde, wenn
man Hoehn (S. 141) glauben darf, nicht veröffentlicht. Er
wollte offenbar den Boden für sie in der Kongregation, in
Sachsen und eventuell auch in Rom beim General vorbe-
reiten. Trotz seiner Nichtveröffentlichung konnte ein solches
Dokument nicht geheim gebalten werden. Wie Böhmer
unter Berufung auf die Nürnberger Ratserlasse (S. 55) mit-
teilt, wußte man schon 1508 in Nürnberg, daß eine Ver-
fassungsänderung in der Kongregation bevorstehe, und der
Rat entzog darauf den Augustinern das Trinkwasser und
gewührte es ibnen auf Widerruf nur unter der Bedingung
wieder, daß sie sich mit der Erlaubnis des Staupitz in Rom
um den Bestand der Freiheiten ihres Klosters bemühten,
Wir wissen zwar nichts über einen etwaigen Widerstand
der Sachsen, aber der sächsische Provinzial konnte einer
solchen Union, die für ihn einer Amtsabtretung an Staupitz
gleichkam, nicht zustimmen. Mit vollem Recht haben Kolde
und Böhmer angenommen, daß der in der Urkunde erwähnte
einmütige Konsens der Sachsen von Staupitz nur vor-
gegeben worden ist, denn man kann nicht gut annehmen,
daß eine ganze Provinz, von der vorher zugegeben wird.
daB manche ihrer Konveute noch reformbedürftig seien
Archiv für Heformationrgosehiehte XIII. 1 2
18 18
und zur Reform eventuell gezwungen werden könnten, ein-
mütig den Wunsch nach einer solchen Union ausgesprochen
habe, die im Grunde zur Abschaffung ihres Provinzialates
und ibrer Selbständigkeit führen mußte. Es ist sogar sehr
wahrscheinlich, daß der durch die Unionsurkunde bloßge-
stellte Provinzial, dem die Sache nicht verborgen bleiben
konnte, nach Rom berichtete, um sich zu rechtfertigen. Stau-
pitzens Plan war wiederum vereitelt worden!
Bevor wir nun die weitere Haltung von Staupitz schil-
dern, müssen wir eine Untersuchung über gewisse Quellen
anstellen, die die modernen Forscher bisher gutgläubig tiber-
nommen und benutzt haben, ohne irgendwie ein Bedenken
zu äußern. Ich meine damit die Regesten aus den
Generalregistern des Augustinerordens. Diese Regesten
(siehe Böhmer S. 25 ff.) sind in zweifacher Form auf uns
gekommen. Die einen sind Fragmente des „Manual-
registers“ des Agidius von Viterbo aus den Jahren 1508 bis
1509, 1512.— 1513 und befinden sich heute noch im General-
archiv des Ordens, die anderen dagegen sind uns nur durcb
zwei späte Abschriften, von denen die eine, verschiedene
Jahre umfassend, in München liegt und die andere, die
Jahre 1510—1513 betreffend, heute in Berlin auf der Staats-
bibliothek sich befindet, tiberliefert worden.
Über die Paläographie dieses vorgeblichen Manualregisters,
die Hände oder die Hand, den Duetus und Charakter der
einzelnen Eintragungen im Vergleich zu den vorhergehenden
und folgenden, sagt uns sogar Böhmer weiter nichts, obschon
dieses zur kritischen Würdigung dieser Quelle sehr not-
wendig gewesen wäre. Wenn wir es nämlich mit Eintra-
gungen zu tun hätten, die sofort, von Fall zu Fall,
und an der Hand der Urdokumente, so lange diese
noch nicht abgeschickt waren, sorgfältig ausgezogen und
eingetragen worden wären, dann hätten wir eine
Quelle ersten Ranges vor uns. Anders würde die
Sache sich verhalten, wenn diese Eintragungen erst nach
geraumer Zeit, auf Grund von flüchtigen Notizen
und nicht auf Grund der bereits abgesandten Urdokumente,
haufenweise, hintereinander eingetragen worden wären.
Was ist nun in Wirklichkeit geschehen? Keinem Forscher
19 19
ist es bisher in den Sinn gekommen, dieser Frage nach-
zugehen.
Zuerst habe ich meine Bedenken bezüglich der Jahres-
daten dieser Regesten.
Unter dem 5. Juli 1508 (Bóhmer S. 27) wird dem
Provinzial der Kölner Provinz aufgetragen, den Observanten,
die den Kölner Konvent angenommen hatten, zu befehlen, unter
Androhung der „excommunicatio latae sententiae", ihn innerhalb
zebn Tagen zu verlassen. Nun ist aber das Schreiben des
Kölner Rates an Staupitz, in dem dieser gebeten wird, den
Kólner Konvent zu übernehmen und zu reformieren, voin
37. Januar 1509 und nicht 1508, und wir wissen aus einer
anderen Quelle, daß Staupitz den Konvent nach Pfingsten
1509 persönlich übernommen hat (vgl. Kolde S. 236). Die
von Kolde angerufenen Urkunden dürften über die Jahres-
zahl keinen Zweifel lassen. Ferner: Die Regesten melden
unter demselben Jahre 1508 (Böhmer S. 27) am 28. Oktober:
Bruder Siegfried von Speier wird als Provinzial der Rhein-
ischen Provinz bestätigt unter der Bedingung, daß er die
Provinz reformiert und die Akten des (Provinzial)-Kapitels
einschickt. Nun wissen wir aber dureh Höhn (Chrono-
logia Provinciae Rheno Suevicae Würzburg 1774 S. 140.)
daB Sigfridus Caleiator von Speyer auf dem Provinzial-
Kapitel von Hagenau wiedergewühlt worden ist, das aber
nicht 1508 sondern 1509 stattgefunden hat. Drittens: Zum
25. Mai 1509 bemerkt unser Regest (Böhmer S. 29): Hor-
tamur Fratres Congregationis Alemaniae ad pacem et chari-
tatem mandamusque ut dum Vicarius et Romae
nihil innovetur. Böhmer S. 29, Anm. 1 bemerkt dazu: Also
beabsichtigte Staupitz wohl schon im Frübjabr 1509 nach
Rom zu gehen. Wenn Staupitz erst nach Rom hätte reisen
wollen, dann hätte es doch, streng genommen, heißen müssen:
dum erit Romae. Dagegen verlangt der strenge Wortlaut
dum est Romae, daß Staupitz bereits an diesem 25. Mai
sich in Rom befand. Das war aber ganz genau 1510 der
Fall. Er wurde nämlich 1510 Anfang Mai, wie wir unten
sehen werden, erwartet und war am 26. Juni noch immer
in der Nähe von Rom in Soriano bei Viterbo. Wäre Stau-
pitz bei der Abfertigung dieses Schreibens in Deutschland
2*
30 20
gewesen — und das war 1509 der Fall — dann wäre das
Schriftstück auch an ihn als den Oberen gerichtet worden,
wührend seine vollstándige AuBerachtlassung dafür spricht,
dab er nicht dort war. Wenn ferner im Monat Mai 1509
der Gerneral ein Schreiben dieser Art nach Deutschland zu
befördern gehabt hätte, würde er sich der beiden Vertrauens-
leute von Staupitz bedient haben, die aber bereits am
5. Mai die ewige Stadt verlassen haben (siehe weiter unten
S. 21). Auffällig ist es auch, daß der Befehl an Staupitz
vom 30. Juli 1509, seine Leute aus den Provinzen zurück-
zurufen, und der Befehl an die Provinziale vom Rhein und
von Bayern, sie nicht aufzunehmen oder richtiger gesagt,
nicht zurückzubehalten, von Calciator, wie Höhn S. 140 be-
richtet, bereits durch Dekret 1508 ausgeführt worden war.
Zweitens bestehen Bedenken bezüglich der sachlichen
Genauigkeit bei den Eintragungen. So heißt es unter dem
25. Juni 1509: Confirmamus (sic!) in Vicarium Congrega-
tionis Alemaniae et Provincialem Rheni (sic!) Magi-
stram Johannem Staupitz. Lassen wir vorläufig bei Seite,
daß Staupitz, wie wir sehen werden, am 26. Juni, aber
nicht 1509 sondern 1510 zum Generalvikar der Kongregation
und Provinzial von Sachsen ,dezerniert" worden ist, und
achten wir jetzt nur auf die Textungenanigkeiten. Wie
konnte Staupitz 1509 vom General als Vikar seiner Kon-
gregation „konfirmiert“ werden, da doch diese Vikare
kraft Apostolischer Autorität durch die Proklamation ihrer
Wahl konfirmiert waren, wie aus den Staupitzkonstitutionen
klar hervorgeht. Noch weniger konnte Staupitz 1509 zum
Provinzial von Rhein und Schwaben „konfirmiert“
werden, da er nachweislich niemals zu diesem Provinzialat
gewählt oder auch nur ernannt worden ist, da Calciator von
1503—1514 ununterbrochen Provinzial geblieben ist. (Höhn
S. 137.) Unter dem 29. Januar 1513 wird dann Staupitz
sogar als „Vikar“ von Rhein uud Schwaben be-
zeichnet! Ebenso wird von Staupitz unter dem 14. Juni
1510 behauptet: Magister Johannes Staupitz Vicarius
iterum (sic!) creatur tam Congregationis tam Saxonum,
wührend wir doch aus der erhaltenen Bestallungsurkunde
wissen, dab er am 26. Juni nicht zum Vikar, sondern zum
21 2 1
zum Provinzial der Sachsen bestimmt worden ist uud
zwar nicht „iterum“ sondern zum ersten Mal (siehe weiter
unten 3. 23). Das möge genügen, um zu zeigen, daß bei
den Eintragungen der Inhalt der Urkunden sehr flüchtig be-
achtet worden ist.
Welche Schritte Staupitz unternommen hat, nachdem
sein Unionsplan sowohl durch den Widerstand eines Teiles
der Observanz als auch durch denjenigen des Generals und
der Sachsen ins Stocken gekommen war, entzieht sich eine
Zeit lang unserer Nachforschung. Anfang 1510 trifft einer
seiner Vertauensleute, der Münchener Prior Georg Mayr, in
Rom ein. Über seine Mission schweigt sich Besler, der uns
die Nachricht gibt, vollständig aus. Vielleicht sollte Mayr
zuerst versuchen, die Lombarden, die ja die Interessen der
deutschen Kongregation jetzt an der Kurie zu vertreten
hatten, für Stauqitz' Plan zu gewinnen. Aller Voraussicht
nach mußten jedoch die Lombarden gegen eine solche Ver-
misehung von Observanten mit Konventualen eingenommen
sein. Hat natürlich alsdann Mayr die Politik bereits einge-
leitet, die wir Staupitz im nächsten Jahre treiben sehen?
Hat Mayr versucht, wieder mit dem General
anzubändeln? Wenn der General wirklich — was ich
allerdings, wie gesagt, aus versehiedenen Gründen nicht an-
nehmen kann — bereits im Mai 1509 mit dem Hinweis auf
die Reise von Staupitz, die deutschen Observanten zum
Frieden ermahnt hätte, dann würde ich mit Sicherheit an-
nehmen, daß Mayr beim General einen Fühler ausgestreckt
habe. So können wir nur mit Sicherheit feststellen, daß
nicht nur Mayr, sondern auch Besler am 5. Mai 150%
aus Rom abgereißt ist (Vita Bésleri a. a. O.) so daB die
deutsche Kongregation keinen Vertreter mehr bei den
Lombarden hatte. Bedeutete das schon den Bruch mit den
Lombarden oder bereitete es ihn nur vor? Sicher wissen
wir auch, daß Staupitz Anfang Mai 1510 in Rom eintraf.
Das äußerst wichtige Regest über diese Ankunft ist aber
bis jetzt, was eine darin erwähnte Einzelheit betrifff, von
der Forschung nicht gebührend beachtet worden. Unter dem
1. Mai 1510 heißt es in der Berliner Abschrift aus dem
sogenannten Manualregister: Germanicae Congregationis Vica-
a. 22
rius Romam se confert Congregationis colla Reli-
gionis jugo subiecturus. Sehr deutlich wird also
mit diesen Worten gesagt, daß Staupitz seine Kongregation
wieder, soweit es an ihm lag, der Ordenszentralleitang
unterstellte. Das Schisma, von dem wir oben gesprochen
haben, hätte damit aufhören sollen. Auf welche Privilegien
und Exemptionen Staupitz verzichtet hat, wissen wir leider
nicht genau, aber auf Grund des eingangs erwähnten Ordens-
programmes und der weiter unten noch näher anzuführenden
Dokumente können wir sie folgendermaßen charakterisieren;
Anerkennung des Generals und seiner vollen Konstitutions-
gewalt über den Vikar und die einzelnen Kongregationsmit-
glieder wie sie oben S. 5 gefordert wurde, wie sie Leo X
in dem weiter unten zu erwähnenden Schreiben fordern wird
(siehe S. 31), und wie sie der General in den Regesten von
den Renitenten fordern wird, nämlich vollen Gehorsam
gegenüber dem Orden und seinem Leiter. Ferner:
Anerkennung der Generalkapitel und Verpflichtung der
Kongregation, sich darauf vertreten zu lassen und deren
Befehlen nachzukommen, endlich Verzicht auf einen beson-
deren Ordensprokurator in Rom. Wenigstens diese Zu-
geständnisse wird Staupitz gemacht haben.
Für die Ordenszentralleitung war das ein großer Erfolg
und ihn muß man vor Augen haben, wenn man begreifen
will, warum der General dafür im Rahmen seines Programmes
Staupitz große Gegenzugeständnisse machte
und sie mit seiner ganzen Autorität gegen die Observanten
durchdrücken wollte.
Warum Staupitz wieder unter das „Joch“ des Ordens-
generals kroch, ist nicht schwer zu begreifen. Für nichts
hat er dieses Opfer nicht gebracht. Durch die Memminger
Unionsurkunde hatte Staupitz nicht nur den Widerstand eines
Teiles der Observanz, der Sachsen und des Generals hervor-
gerufen, sondern sich auch stark blamiert. Um sich zu
retten, verschacherte er wieder die Unabhängigkeit seiner
Kongregation an den General unter der Bedingung, daß der
General ihn dazu mache wozu die Unionsbulle ihn vergeblich
zu machen gesucht hatte, nämlich zum Provinzial ven
Sachsen.
23 23
Das Bestallungsschreiben ist uns noch zum größten
Teil erhalten. Es ist datiert aus Soriano bei Viterbo vom
26. Juni 1510 (Höhn S. 154). Auf die einleitenden Freund-
lichkeitsfloskeln ist kein großer Wert zu legen. Staupitz
wird darin gerühmt, daß er um „Alles“ (Was?) zu ordnen
und zu schlichten den unbequemen Weg nach Rom nicht ge-
scheut habe und dort eine sehr große Bereitwilligkeit gezeigt
habe, alles zu tun, was zum Frieden und zur Ruhe aller
führen könne. Damit er diese Aufgabe um so leichter lösen
könne, ernennt ihn der General zum Provinzial von Sachsen
und zwar in folgender Form:. . . per has litteras
nostras te Provincialem Saxoniae et Vicarium Con-
gregationis Alemaniae decernimus, declarantes te potiri
utraque auctoritate ae potestate sicut hactenus tam Pro-
vineialis praedictae Provinciae quam Vicarius praedictae
Congregationis potiti sant ..... mandantes omnibus tam
Provinciae quam Congregationis eiusdem Patribus ac Fratribus
sub poena rebellionis ac privationis activae et passivae vocis
in perpetuum ut (cie) iis omnibus quae tibi ad pacem quietem
salutem et religionis honorem pertinere videbuntur, fanquam
personae nostrae oboediant . . . Man beachte, wie
hier der General Staupitz nicht zum Vikar „ernennt“,
sondern nur „bestimmt“, daß er Provinzial von Sachsen und
Vikar sei. Durch diese juristische Feinheit maßt sich der
General nicht das Recht an den Vikar ernennen zu können.
Er bestimmt nur, daß Staupitz Provinzial und Vikar sein
soll; woher er Vikar ist, bleibt dahingestellt. Man vergleiche
mit dieser feinen juristischen Schattierung die klotzige Aus-
drucksweise der Hegesten, die den General Staupitz bald
zum Vikar „kreieren“ lassen, bald ihn als Vikar „be-
stätigen“ lassen, beides Ausdrücke, die einer Heraus-
forderung der Observanten gleichgekommen wären, weil
sie direkt gegen Kap. 32 ihrer Konstitutionen
verstoßen, wonach die Wahl des Generalvikars ihnen
zusteht und keiner anderen Konfirmation bedarf. Man
beachte ferner, daß Staupitz „durch dieses Schreiben“
zum Provinzial und Vikar bestimmt wird. Wenn er es
vorher schon gewesen wäre, wtirde das hier in irgend einer
Weise zum Ausdruck gekommen sein. Wir können daher
24 24
auch aus diesem Grunde die oben erwähnten Regesten fallen
lassen. Wenn ferner Staupitz zu derselben Zeit auch noch
Provinzial oder gar Vikar von Rhein und Schwaben
gewesen wäre, dann hätte doch der General hier dieser
Eigenschaft irgendwie gleichfalls Erwäbnung getan, weil sie
sonst dadurch hätte verfallen können. Bezüglich der Voll-
machten, die Staupitz durch die Bestallungsurkunde des
Generals gewährt werden, kann ich nicht umbin der Meinung
Ausdruck zu geben, daß eine gewollte Zweideutig-
keit in ibrer Formulierung herrscht. Anscheinend werden
nur die Vollmachten des Provinzials (in der Provinz?) und
die Vollmachten des Vikars (in der Kongregation ?) und
zwar immer nur die bisherigen Vollmaehten in der
Person von Staupitz vereinigt ohne vermischt zu
werden. So könnte man den betreffenden Passus der
Urkunde auslegen, wenu der darauffolgende Satz
nicht wäre, in dem Staupitz soweit Ruhe, Frieden,
Heil und Ehre des Ordens in Frage kommen, die
Vollmachten des Generals übertragen werden oder
doch wenigstens sowohl von den Vikarianern wie von den
Provinzlern verlangt wird, daß sie ihm wie dem General
in Person gehorchen müssen: tamquam personae nostrae-
Angesichts einer solchen Formel war nun doch der Verdacht
am Platze, daß Staupitz auf Grund dieser Vollmacht Ver-
Betzungen aus dem Vikariat in die Provinz und aus der
Provinz ins Vikariat, hätte vornehmen können, was gegen
die Privilegien der Observanten verstieß (siehe S. 4). Be-
sonders mußte die vom General gebrauchte Formel bei den
Observanten anstoßen, weil sie, wenn auch nur indirekt.
aber dennoch ziemlich deutlich dartut, daß der General un-
mittelbarer Oberer aller Brüder, der Provinzler wie
der Vikarianer ist und daß die Provinzoberen, mögen
sie nun Provinziale oder Kongregationsvikare
sein, ihre Gewalt vom General und nicht
direkt vom Papste haben. Welch eine Tragikomödie.
daß derselbe Staupitz, der aus Ehrgeiz dieses Prinzip jahre-
lang bekämpft hatte, nun wiederum aus Ehrgeiz sich zum
Instrument des Generals hergibt, um es gerade dort durch-
zuführen, wo er es bekämpft hatte! Noch in der Memminger
25 95
Unionsurkunde hatte Staupitz dieses Prinzip, wie wir S. 15/16
gesehen haben, wegzudeuten gesucht!
Dieses berüchtigte Dokument wird übrigens in der Be-
stallungsurkunde des Generals mit keinem Wort erwähnt.
Im Gegensatz zu ihm behält der General die fünf süd-
deutschen Konvente, um die sich die Kongregation und dic
rheinsehwübische Provinz stritten, und die das Memminger
Instrument in die neue Organisation einbezogen hatte, vor-
láufig sich selbst vor.
Wann Staupitz Jtalien verlassen hat, entzieht sich unserer
Kenntnis. Am 30. September muß er aber wieder in Deutsch-
land gewesen sein, denn unter diesem Datum des Jahres 1510
veröffentlichte er von Wittenberg aus (nach Höhn a. a. O.
S. 141) die Unionsbulle von Memmingen und wie ich als
selbstverständlich annehme, die Bestallungsurkunde des
Generals.
Zweek und Tragweite der Veröffentlichung des
Memminger Dokumentes sind leider von den Forscher bis-
her stark verkannt worden. Man hat die Sache so dar-
stellen wollen, als hätte sich Staupitz damit auf das ganze
Dokument berufen wollen, um eine Union mit den Sachsen
nach dem Wortlaut dieser Memminger Ur-
kunde herzustellen. Das ist aber schon aus Rechtsgründen
ausgeschlossen gewesen! Wir haben oben gezeigt, dab eine
solehe Union der Ordensleitung widerstreben mußte und
daß diese Union in dem genannten Dokument nur vorge-
nommen wurde unter Wahrung der Rechte des
Generals. Wir haben ferner gezeigt, daß Staupitz
aus der Hand der Ordensleitung eine ganz
andere Art Union mit den Sachsen ange-
nommen hat als sie die Memminger Urkunde vorsab.
In ihren Hauptbestimmungen widersprechen sich nämlich
die beiden Unionsprojekte. Durch die Annahme eines „wider-
sprechenden“ Projektes verzichtete aber Staupitz gemäß den
Bestimmungen über die Privilegien rechtlich auf den
Unionsteil der Memminger Urkunde, so daß er sich nicht
mehr darauf berufen konnte.
Trotzdem war es angebracht, das Memminger Privileg
zu veröffentlichen. Bei solchen Urkunden kann nämlich der
26 26
eine Teil ungültig werden unbeschadet der anderen Teile
So war es auch hier der Fall. Durch den Verzicht auf
den Unionsteil verlor der erste Teil der Urkunde, der eine
neue Aufzählung und neue Bestätigung aller Privi-
legien der Kongregation enthielt, keineswegs seine Gültigkeit.
Staupitz konnte also sehr gut, wahrscheinlich gedrängt darch
die Observanz, dieses Memminger Privileg zugleich mit der
Bestallungsurkunde des Generals veröffentlichen, weil alsdann
für keinen Rechtskenner eine Konfusion zu befürchten war.
Nur würe es jetzt ein groDer Fehler, wenn man Luther und
seine Freunde gegen Windmühlen,dasheißtgegen
den UnionsteilderMemminger Urkunde statt
zegendasBestallungssehreiben des Generals
und die Preisgabe verschiedener Kongre-
gationsprivilegien durch Staupitz kämpfen
ließe. Die Opposition in Observantenkreisen gegen das
Memminger Unionsprojekt hatte zwar bestanden, war aber
nun, - nachdem dieses aufgegeben worden war und einem
anderen Platz gemacht hatte, abgelöst worden durch die
neue Opposition gegen das neue vom General gebilligte
Projekt des Staupitz und den damit verbundenen Privilegien-
verzicht. Daß es sich um dieses neue Projekt handelt, geht
auch daraus hervor, daB, wie wir aus den Akten des Streites
erkennen können, der General auf Seiten von
Staupitz gegen die Renitenten stand. Für die
Memminger Union hätte aber der General niemals eintreten
kónnen, wie wir oben gezeigt haben.
Sieben Konvente der Observanz, darunter auch der
Erfurter und der Nürnberger erhoben sich gegen diese An-
ordnung des Generals. Innerhalb von zehn Tagen nach
Zustellung des Dokumentes mubten die Apellanten, da der
„iudex a quo“, nämlich der General nicht zu erreichen war,
ihre ,apellatio extra iudicialis“ öffentlich bekanntgeben oder
die Reise nach Rom antreten. Martin Luther war einer der
beiden Abgesandten. Bevor jedoch Luther die Romreise
antrat, begab er sich nach Halle zusammen mit dem Magister
Nathin, um vom dortigen Domprobst Adolf von Anhalt eine
Empfehlung an den Erzbischof von Magdeburg zu
erhalten. War doch der Magdeburger Erzbischof nicht nur
27 27
durch die Memminger Urkunde zum Exekutor aller ihrer
einzelnen Teile, also auch der darin enthaltenen Bestätigung
der Kongregationsprivilegien bestellt worden, sondern
auch durch Papst Julius II. (siehe oben S. 10) zum
Exekutor der Bulle, die der Kongregation die
Privilegien der Lombarden gewährte, er-
nannt worden. Die sieben Konvente sahen also offenbar
in der Anordnung des Generals einen Eingriff in die Privi-
legien ihrer Kongregation. Jedenfalls noch im Oktober
wird Luther alsdann nach Rom aufgebrochen sein, wo die
lombardische Kongregation ihm gegen Staupitz und den
General beigestanden haben wird. Aus einem Regest des
„Manualregisters“ vom 11. Januar 1511 wissen wir, daß
diese Apellation „verboten“ wurde. Es heißt nämlich
darin, daß: Appellare ex legibus Germani prohibentur.
Böhmer (S. 57) hat das auf die Klausel „appellatione post-
posita“ in der Memminger Urkunde beziehen wollen. Eine
solche Klausel hätte aber erstens nicht jede, sondern
höchstens eine „appellatio frivola“ unmöglich gemacht, und
zweitens handelte es sich in unserem Falle nicht um eine
Appellation gegen die Memminger Urkunde, sondern gegen
die Generalsurkunde und den damit zusammen-
hängenden Privilegienverzicht durch Staupitz. Aus welchem
Grunde wurde aber die Appellation „verboten“? Welche
„leges“ haben dabei die „Germani“ außer Acht gelassen?
Da wenigstens für die „sieben Konvente" die Union mit
den Lombarden noch andauerte, wird sich Luther nicht an
den allgemeinen Ordensprokurator, sondern an den speziellen
Prokurator der Lombarden gewandt haben, und der wird
die Angelegenheit auf Grund ihrer gemeinsamen Privilegien
zu denen auch (siehe Höhn S. 139) das direkte Rekurs-
recht an den Papst gehürte, dem sie ja auch unmittelbar
unterstanden, betrieben haben. Nach den allgemeinen
Vorschriften hátten dagegen die Deutschen zuerst die Apell-
ationserlaubnis beim „judex a quo“ d. h. beim General
nachsuchen müssen und dann hätten sie an den ,judex ad
quem" aber „gradatim“ ohne Überspringung einer Instanz
herantreten müssen. In unserem Falle wäre das aber noch
nieht der Papst gewesen sondern der Kardinalprotektor des
28 ` EE 28
Ordens! Sollte sich also, wie man mit ziemlicber Sicherheit
annehmen kann, der lombardische Prokurator direkt auf
Grund der Privilegien an den Papst gewandt haben, obschon
Julius ll wie wir oben S. 12 gesehen haben erklärt hatte,
daß die deutsche Kongregation dem General so untertan
sein müsse als sei die Mitteilung der lombar-
dischen Privilegien durch ihn niemals er-
folgt, dann hätte der General Grund genug gehabt, Ein-
spruch gegen die Apellation zn erheben. Daß es wirklich
der General gewesen ist, der Einspruch gegen die
Appellation erhoben hat, geht auch aus dem Umstand her-
vor, daß der Nürnberger Magistrat, wie wir bald sehen
werden, sich an den General wenden wird mit der Bitte,
den Appellanten den Rechtsweg nicht zu ver-
sperren. Nur drei Jahre später erleben wir einen ähn- -
lichen Fall. Im Jahre 1514 befiehlt ein Kommissar des
Generals dem Generalvikar der Kongregation von lliceto
(Lecceto) das Kloster von Viterbo zu räumen. Der General-
vikar erklärt diesen Befehl für null und nichtig und
appelliert direkt an den Papst. Der Magistrat
von Viterbo schreibt daraufhin einen sehr ernsten Brief an
den Ordensgeneral Aegidius zu Gunsten dieser
Appellation. (Landucci A. Sacra Ilicetana Silva, Siena
1653. S. 61.) |
Luther kehrte im Frühjahr 1511 nach Deutschland zu-
rück. Sehr wahrscheinlich wird der General in seinen
Gesprüchen mit ibm denselben Standpunkt vertreten haben,
den er zu derselben Zeit als Luther noch in Rom war.
nämlich Januar 151) (Berl. Regestabschrit.) nach Deutschland
durch den Abgesandten des Staupitz übermitteln ließ, näm-
lich, daß die deutsche Angelegenheit zwar in Liebe aber
unter Achtung des vollen Gehorsams zu erledigen sei. Das
nennt man suaviter in modo sed fortiter in re. Auf Luther
muß das großen Eindruck gemacht haben. Er kehrte aus
Rom als ein anderer zurtiek. |
Es hatte sieh in ihm eine Ánderung insofern vollzogen,
als er sieh von nun an, wie das auch bei einem Skrupulanten
leicht begreiflich ist, auf die Seite der Autorität stellte, weil
dadurch sein infolge des bitteren Streites geüngstigtes Gewissen
29 29
auch eine äußere Sicherheit einen äußeren Halt erhielt
und da die oberste Autorität im Orden für
Staupitz war, so entschied auch er sich für
Staupitz. Die sieben Konvente, die ihn nach Rom geschickt
hatten, verbarrten in ihrer Opposition und schickten bereits
im April 1511 eine neue Gesandschaft nach Rom, wie aus
einem Schreiben des Nürnberger Magistrates vom 2. April
dieses Jahres hervorgeht. (Vgl. Böhmer S. 166.) Die nenen
Abgesandten sollten sich zuerst an den General wenden
und (wenn er es gestatte) mitihm die Angelegenheit
diskutieren. Jedenfalls sollte der General
den Apellanten nicht den Rechtsweg ver-
sperren. Aus diesem Briefe ist ersichtlicb, woran die
erste Gesandschaft mit ihrem Appell gescheitert ist, nämlich
am Widerstand des Generals. Die zweite Gesandtschaft
konnte keinen besseren Erfolg als die erste haben, weil der
General, wie wir aus der Berliner Regestabschrift ersehen,
bereits am 11. Januar, als Luther noch in Rom war, ent-
schlossen war den „vollen Gehorsam“ (integra
oboedientia) durchzusetzen. Er bestand auch noch im
März auf diesem Standpunkt und wandte sich an den Kaiser,
damit dieser die Renitenten dazu bringe, dem Orden und
seinem Leiter zu gehorchen. Die zweite Gesandt-
schaft hat also noch weniger erreichen können als die erste,
weil es dem General darauf ankam, die Absplitterung
vom Ordenszentrum energisch zu bekämpfen.
Im Hochsommer 1511 fand in Jena eine neue Versammlung
zwischen den streitenden Parteien statt, über deren Verlauf
wir einigermaDen durch einen Brief des Nürnberger Magistrats
vom 19. September unterrichtet sind. Die sieben Konvente
behielten sich vor, die Vorschlüge von Jena ihren einzelnen
Kommunitüten zu unterbreiten und innerhalb zweier Monate
eine Antwort daranf zu geben. Die Vorschläge waren
schriftlich gegeben worden, ihr Inhalt jedoch ist uns aus
der Antwort des genannten Magistrats an Staupitz nur an-
nähernd bekannt. Erstens will der Nürnberger Magistrat
daß „in keinerlei Weise“ der Nürnberger Konvent
einem Provinzial von Sachsen unterstellt werde. Danach
müssen verschiedene Weisen einer Unterstellung
30 30
unter den Provinzial von Sachsen zur Sprache gekommen
sein. Was die Nürnberger dann weiter vorbringen, geht
gegen die vom General befohlene Union. So
wird auf Grund der Privilegien gegen die Unterstellung von
Observanten unter Obere, die der Observanz nicht an-
gehören, protestiert, was nämlich geschehen wäre durch
Versetzungen aus der Kongregation in die Provinz. (Siehe
oben S. 24.) Zweitens protestieren die Nürnberger ebenso
energisch gegen die Befehlsgewaltdes Generals
(siehe oben S. 9). In Hom war man entschlossen nicht
nachzugeben, und der General soll sogar am 1. Oktober
Staupitz beauftragt haben, die Widerspenstigen zu
exkommunizieren. (Vgl. Böhmer S. 166.) Nun scheint
aber Staupitz nachgegeben zu haben. Der Vorschlag des
Generals, durch ein Observantenkapitel die Frage
lösen zu lassen, wurde angenommen unter der Bedin-
gung, daß dieses Kapitel gemäß den Privi-
legien derKongregation tagen würde, zu denen
wahrscheinlich auch der Auspruch gehörte, daß dieses
Kapitel vom General nicht gutgeheißen zu
werden brauchte. Dieses Kapitel fand im Mai 1512
in Köln statt, nachdem Staupitz durch Johann von Mecheln
mit dem General über die Lösung unterhandelt hatte. Wir
wissen nichts näheres tiber die Beschlüsse dieses Kapitels,
aber angesichts der Folgen, die es gehabt hat, stehen folgende
Punkte für uns fest: Staupitz muß auf alle seine Unions-
projekte verzichtet haben, denn von ihnen ist nicht mehr
die Rede. Er wurde daher zum Vikar wiedergewählt. Er
muĝ aber auch die Zugeständnisse an den General teilweise
zurückgenommen haben, wie wir aus einer bald zu zitierenden
Auferung des Generals Gabriel Venetus sehen werden
Meiner Ansicht nach gab Staupitz klein bei und kehrte
zum „status quo ante“ zurück, d. h. zur Lage
der Kongregation. wie er sie vor seinen
Unionsprojekten vorgefunden hatte Wenn
nämlich die Kongregation unter dem „Joch“ des Generals
geblieben wäre, hätte Gabriel Venetus nicht am 25. August
1518 an den Provinvial von Sachsen sehreiben künnen:
Cum vero is de Congregatione illa sit, quae ab
31 31
oboedientia nostra se exemptam putat...
Damals also behauptete die Kongregation noch vom General
exempt zu sein!!! Staupitz wird 1512 vor dem Kölner Kapitel
den General Überzeugt haben, daß sie beide nachgeben und
sich mit der Hoffnung einer Besserung in der Zukunft
begnügen mußten
Was Luther nach seiner Rückkehr aus Rom im Früh-
jahr 1511 während dieser Wirren gemacht hat, wissen wir
leider nicht. Er wurde nach Wittenberg versetzt und
seine Erfurter nahmen ihm noch im Herbst 1512, also noch
mehr als ein Jahr später, seine Stellung im Observantenstreit
so übel, daß sie ihm wie bekannt Schikanen bei seiner
Doktorpromotion in Wittenberg za machen suchten und
sich bei der Feier nicht vertreten ließen. Das dürfte auch
ein Beweis dafür sein, daß sie über den Ausgang des Streites
nicht ganz zufrieden gewesen sind. Luthers Stellung zu den
Observanten hat seitdem keine Änderung mehr erfahren.
Auf die kleinen Heiligen ist er niemals mehr gut zu sprechen
gewesen.
Gegenüber den anderen Kongregationen hatte die
Ordensleitung keinen leichteren Stand. Beständig suchten
jedoch die Generäle durch Inanspruchnahme der Hilfe des
Papstes die Wiederspenstigen zu zähmen. So erwirkte
Aegidius von Viterbo am 10. Juni 1513 ein Schreiben Leo X.,
in dem dieser dem General apostolische Vollmacht
über den ganzen Orden und auch über die Kongre-
gationen erteilt. Die Bestimmungen .des General-
kapitels von Neapel, auf dem Agidius gewühlt wurde, sollen,
wie auch seine eigenen Erlasse, im ganzen Orden
befolgt werden, auch von der Kongregation des
Andreas Proles, der Spanischen, derjenigen von Lecceto,
derjenigen der Lombardei, von Monte Ortona, von Perugia
Genua und Carbonaria. Der ganze Orden müsse ihm
plene, simpliciter, in omnibus et per omnia
untertan sein. Das ist nun doch ein anderer Gehorsam,
als ihn das Memminger Instrument vorsah und eine offene
und klare Verurteilung des „licita praecipienti". Ferner
gewährte Leo X. unter dem 10. Juni 1515 dem General,
daß alle „Impetrationes“ gegen die Rechte und Kon-
32 32
stitutionen des Ordens ohne Zustimmung des Generals null
und nichtig seien.
Trotzdem gaben die Kongregationen den Kampf nicht
für verloren. Am 30. Januar 1551 suchte Julius III. wieder
energisch einzugreifen und verordnete: Der Eremitenorden
umfaßt Konventuale und Observanten, die alle dem
General zum Gehorsam verpflichtet sind. Die Konstitutionen des
Gesamtordens, die in Rom 1543 und in Recanati 1547 gut-
geheißen wurden, sind allein und ausschließlich
von allen im ganzen Orden als Konstitutionen zu be-
betrachten. Die Beschlüsse der Observantenkapitel dürfen
nicht als Konstitutionen bezeicbnet werden, sondern nur
noch als Definitionen. Die Definitionen der Observanten,
die Wahl ihrer Vikare, die Akten ihrer Kongregationskapitel
haben nur insofern Gültigkeit, als sie vom General
gutgeheißen sind. Diese Gutheißung muß innerhalb
eines Monates nachgesucht werden und der General muß
sie nach Eintreffen des Gesuches innerhalb von zehn Tagen
erteilen oder verweigern. Im Weigerungsfalle hat er die
Gründe anzugeben. Den Abgewiesenen steht das Rekurs-
recht an den Papst oder an den Kardinalprotektor zu. So-
lange der General einem Kongregationsvikar die Bestätigung
nicht erteilt hat, kann der Vorgänger weiter amtieren. Unter
Strafe des Bannes darf sich kein Kongregationsvikar kurz
General nennen, sondern nur Vikar der Kongregation so
und so. Keine Kongregation darf ihre Kapitel General-
kapitel nennen. Die Pflicht, auf den Generalkapiteln zu
erscheinen, gilt auch für die observanten Kongregationen ...
Hierob erhoben die Lombarden — sie stehen immer an der
Spitze der Unabhüngigkeitsbewegung — derartigen Wider-
stand, daß bereits am 27. Februar desselben Jahres die
Vertreter des Generals, der damals Seripandus war, eine
Vergleichsurkunde unterzeichneten, in der sie den Lombarden
eine Reihe Konzessionen machen mußten.
Für die Charakteristik der Observantenbewegung im
Augustiner-Orden, nämlich für ihre Exemptions- und Privi-
legiensucht gegenüber dem General, genügen die vorge-
brachten Dokumente und Taisachen. Es erübrigt uns nur
noch an der Hand dieser Charakteristik den Charakter und
33 | 33
die Haltung Luthers in diesen Kämpfen näher zu würdigen.
Über Staupitz wollen wir kein Wort weiter verlieren. Sein
ehrgeiziger aber schwacher Charakter ist uns genügend
durch seine Bestrebungen geschildert worden. Hätte er
gegen Ende seines Lebens nicht einen Helfer und rück-
sichtslosen Machtmenschen wie Kardinal Lang gefunden, er
wäre niemals Benediktinerabt von S. Peter in Salzburg ge-
worden. Es ist aber bezeichnend für Staupitz, daß er sich
zu einer solchen „Wahl“ hergegeben hat!
Anders liegt die Sache bei Lutber. Während Staupitz
seinen Ehrgeiz zu befriedigen suchte, sehen wir Luther aus
diesem Kampfe mit einer verstärkten Hochachtung vor der
Autorität hervorgehen. Manche seiner Mitbrüder mögen bei
diesem Streit ihre Achtung vor der geistlichen Obrigkeit
verloren haben. Bei ihm jedoch ging sie erneut und gestärkt
hervor, und das ist für mich der beste Beweis für die bona
fides und die Ehrlichkeit, mit denen er diesen Kampf geführt
hat. Wenn wir jetzt noch einmal uns die eingangs an-
geführten Stellen Luthers tiber die Observanten ansehen,
werden wir sie in einem ganz neuen Lichte betrachten
können. Vergessen wir dabei nicht, daß sie gefallen sind,
zwar zwei oder drei Jahre nach dem heftigen Streit, aber
dennoch zu einer Zeit, als die Bestrebungen, gegen die sie
sich richten und vor denen sie warnen sollen, in Deutsch-
land noch existierten, wenn sie auch dort
nicht vollzum Durchbruch kommen konnten,
wie in Italien. Luther hätte pflichtwidrig gehandelt,
wenn er seine Zuhörer nicht nachdrücklichst gewarnt hätte.
In der ersten Stelle tadelt Luther die „Observanten“,
„Exempten“ oder „Privilegierten“, die sich vom
schuldigen Gehorsam „eximieren“ und „dis-
pensieren lassen wollen unter dem trügerischen Vorgeben,
dadurch das Ordensleben zu fördern. Luther findet, daß solche
Bestrebungen der Kirche höchst schädlich sind, denn er ist der
Meinung, daß man von diesem Gehorsam uberhaupt nieht
dispensiert werden könne. An derzweiten Stelle
spricht Luther direkt von „unseren“ Observanten, die
unter dem Scheine des Ordenslebens in ihrem Hochmut, in
ihrer Dickköpfigkeit und in ihrem Afterkult in Ungehorsam
Archiv für RBeformationsgeschichte. XVIII, I. 3
34 34
und Rebellion verfallen. Auch der dritte Satz klagt tiber
jene dem Afterkult ergebenen „Schismatiker“, die aus
Absonderungsbestrebungen ihrem Prälaten den Gehorsam
aufkündigen, deren Zahl heute groß ist.
Alle drei Stellen Luthers, besonders aber die erste und
die dritte, treten ein für den General und die Zen-
tralordensleitung. Sie können nicht auf Staupitz be-
zogen werden, weil die „sieben Konvente“ sich nicht von
ihm ,eximieren* und von seinem Gehorsam „dis-
pensieren* lassen wollten. Besonders der Ausdruck
„Schismatiker“ zeigt, daß es sich um Bestrebungen
gegen die Ordenseinheit, also gegen den
General handelt, die Luther hier bekämpft. Staupitz
und seine Bestrebungen, wie wir sie kennen gelernt haben,
werden gerade durch diese Stellen verurteilt. Mit weit
größerem Rechte hätte daher Cochlaeus sagen müssen, daß
Luther zu seinem General statt zu „seinem Staupitz*
abgefallen sei. Wer unseren Ausführungen gefolgt ist, kennt
jetzt in- und außerhalb Italiens im Augustiner-
orden die Exemptions- und Privilegiensucht sowie die Be-
strebungen, sich vom General unabhängig zu machen.
Luthers Stellung zur Observanz während der Zeit der
Psalmenvorlesung läßt sich kurz so zeichnen, daß Luther
für die „Reguläre Observanz* gegen die
„Exempte und Privilegierte Observanz" war.
Er war für eine genaue Befolgung der Regel und der Kon-
stitutionen und gerade darum war er gegen die Absonderungs-
bestrebungen gegenüber der Ordensleitung. Er will von einer
Trennung von der Zentralleitung des Ordens aus Observanz-
gründen nichts wissen und verurteilt entschieden solche Be-
strebungen. Der Versuch gewisser Historiker, auf Grund des
Observantenstreites Luther als einen lauen Befolger seiner
Ordensgesetze und als einen balben Rebell zu schildern, um
alsdann hieraus das Werden des „Haeresiarchen“ psycho-
logisch zu erklären, wird durch das Studium der Quellen
„ad absurdum“ geführt; denn aus ihnen geht hervor, daß
der zukünftige „Rebell“ in diesem Streite ein entschie-
dener Verfechter der Autorität des Generals
und der ,Regulüren Observanz“ gewesen ist.
Die reformatorischen Kirchenordnungen
Ober- und Innerüsterreichs.
Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche.
Fortsetzung!)
Inner-Üsterreich. 21. Februar 1578.
E. A. Doleschall, Die Kirchenordnung Inneröster-
reiebs im 16. Jahrhundert. Jahrbuch 5, 164—183.
J. Loserth, Die steirische Religionspazifikation
1572—78. 1896. 8. 65—77. Dazu: Derselbe, Die Refor-
mation und Gegenreformation in den innerösterr. Ländern
1898. S. 279 f. Ed. Böhl, S. 330 (s. ob. S. 211).
Doleschall gibt einen Teil einer durch die Erzherzogin
Maria Dorothea?) in das Archiv des Generalkonvents der
evang. Kirehe A. C. in Ungarn nach Budapest gekommenen
Handschrift, die einen Auszug aus steirischen Religions-
schriften von 1578 enthält. Loserth druckt den Anfang der
KO ab und gibt ihr den geschichtlichen Rahmen.
Im Folgenden ist die ganze KO aus dem Original im
Landesarchiv zu Graz Fasc. 519 zum erstenmal ganz ver-
öffentlicht; Loserth benutzte den jüngeren Codex A 56b, der
in der Rechtschreibung von jenem abweicht.
Auf die Vorrede folgt der erste Teil über die Wahr-
heitsnorm der christlichen Lehre mit Ablehnung von Flacius
and einer eingehenden Darlegung der Lehre von der Erbstinde;
darauf eine Erinnerung, daß man rechten Unterschied zwischen
dem Notwendigen und dem nicht Notwendigen halten soll. Der
zweite Teil handelt von den Agenden, der dritte vom Kirchen-
ministerium und der Kirchenregierung.
) Vgl. Jahrg. 17 S. 209 fl., 277 ff.
1) Über sie Jahrbuch 25, 41f.
3*
36 36
Die KO. ist durchaus keine ursprüngliche, bodenständige
Schöpfung, sondern aus verschiedenen zusammengesetzt; sie
bezieht sich auf Augsburg, Graz, Jena, Klagenfurt, Laibach,
Marburg, Nürnberg, Pfalz, Steyr, Straßburg i. E., Thüringen,
Wittenberg, Württemberg.
Sie gibt sich in der damals beliebten Form!) eines
„Berichtes“ von Vertretern des Kirchen- und Schulministeriums
von Steiermark und Kärnten an die Verordneten Inner-
österreichs. Er wurde genehmigt. Krain?) erklärte sich
diesen Abmachungen auszuschließen.
Vorredt,
Nachdem der Augsburgischen confession verwandte herrn
vnd landleüth der lande Steir, Khrain und Khernten sambt
der fürstlichen grafschaft Görtz, so beneben anderen in dem
ausschuß dieses 1578'*" iares zu Pruckh an der Muhr von
dem durchletchthigisten hochgebornen fürsten und herrn, herrn
Carolo erzherzogen zu Oesterreich etc., iren guedigisten herrn
und Landsfürsten versamblet, nach verrichten anderen den
gemainen nuz belangenden geschefften, auch der pacifikation
halben, welcher sich J. F. Dt. hiebevor in der religion mit woler-
melten stenden genedigist verglichen, wider aufs neue vom
J. F. Dt. genedigist antwort und genugsame versicherung
bekhommen, das sie nemblich mögen prediger und lehrer
halten, so in darzu erlangten und bestellten khirchen und
schuelen der Augsburgischen confession gemäß lehren und
den wahren gottesdienst sambt allem, was zur aufbauung
evangelischer kirchen notwendig und nutzlich ist, friedlich
und ordentlich ohn jedmanns schaden verrichten, doch mit
den condition, das sie nirgends kainer rotten, ketzerei oder
secten, ermelter confession zu wider, noch einigen ergerlichen
gezenk und spaltung, nach einiger solchen unruege raum
geben, sondern ein guete ordnung, wolstehende und frid-
liche gleichformigkheit in lehren und aller notwendigen ver-
waltung des evangelischen predig- und lehrambts allenthalben
anrichten und halten, so haben wolermelte herrn und land-
leute uns, welcher namen zu end dieses schreibens unter-
zeichnet, gnediglich auferlegt, daß wir dem vertrauen nach,
so ire gnaden und herrn in uns gesetzt, die gleichformig-
) Z. B. Luther, Erl. A. XXX, 778. Köstlin, M. Lather 1883?
2,646. Anm. zu S. 150. Loesche, Mathesius 1, 264.
3) Vgl. dazu: Erzherzog Karl zu Österreich an die Landstände
von Krain; betr. Kirchenordnung in den windischen Landen. Kopie 28.
Wien 6. Sept. 1564. Stadtarchiv Regensburg. Eccl. I. XXIII. 19.
37 37
khait, so wir aus irem bevelch im predig- und lehrampt
hieher und auch hinfort und allezeit zu halten verpflichtet,
beschreiben geben, und was zu soleher bestendigen gleich-
formigkait und gueter ordnung in kirchen und schuelen vor
dieser zeit Doctor Chyträus!) darzu in Steyr erfordert und
andern geraten und wie noch rathsam und diesen landen
bequem und dienstlich achteten, in ermelten schreiben ein-
brüchten, das dann ihre gnaden mit guetem, zeitigem rath
und nachdenkhen erwiegen und mit gemeiner verwilligung
einer solchen kirchen- und sebuelordnung sich vergleichen
und dieselbige in druckh verfertigen möchten, damit der
unterthenigiste gehorsam, welchen sie allezeit beidt in andern
und auch in dieser sachen der F. Df. als ihren genedigisten
und von. gott selbs verordneten herrn und landsfürsten zu
erzeigen sich bevlissen und hinfurt allezeit in rechter gottes-
fureht bevlejssen wöllen, soviel desto mer erschine und
J. F. Dt. so oft es von nötten, ihrer lehre, khirchen- und
schuelwesens halben, gehorsambste antwort geben, auch so
etwa unbilliche verleumbdung und unbegründet angeben,
irer selbs oder der lehrer halben forbracht oder ausgebreitt
wurden, sie sich dagegen desto leichter verantworten und
gebürlieherweise schützen. desgleichen die noch anzunemen
sein wolten, in schuel- und kirchenämptern desto besser
verpflichten und auf sie alle und alle kirchen und schuelen,
denen sie fürgestellt, desto vleiDiger aufsehen, und beyde,
lehrer und zuhürer desto bequemer sich darnach richten
khönten und also der lauf des hl. evangeli mit mehrer frucht
befördert, auch weiter und auf die lieben nachkömbling
gebracht und also auch in diesen lendern dem herrn Christo
durch desselbigen gnadenreichen geist und segen, so er ver-
heißen, und di werkh allen menschen und sonderlich dem
lehr- und regierampt befollen, ein ewige kirch versamblet,
gepflanzet und bì zu seiner herrlichen zukhunft erhalten
werden möchte. Hierauf und diesem christlichen und wol-
gemainten bewelch gehorsamblich nachzukhomen, haben wir,
ermelte lerer, welcher namen unterzeichnet, sambt den zuge-
ordneten herrn beysitzern uns nach anruffung gottes mit
einem freundlichen und christlichen gespräch, darin wir
auch ermeltes Chyträi und anderer bedenkhen gar wol er-
wogen, vleßiig und in rechter forcht gottes unterredt und
endlich befunden, das bisbeer ein gottselige ainigkait für-
nemblich in lehr und dann auch in anderer der lehrampts
verwaltung bei allen der Ausburgischen Confession zugethanen
kirchen und schuelen in diesen ländern, so vil immer in
dieser schwachhait und manicherlei beschwärlichait und
1) RGG. 1, 1816,
38 38
gefahr, so diesen zarten kaum aufgehenden unsers herrn
Christi würtsgärtlein zugestanden, möglich gewesen, gehalten
ist, und sollen in Gott hochen Dankh allezeit dafür sagen,
daß er sein werk in disen vom erzfeind der Christen hoch-
bedrangten landen so wunderbarlich angefangen und geför-
dert, da wol an etlichen orten im reich, ob man schon ge-
lerte leut genueg und leichlich bekhommen und des obste-
henden stadt zu ersetzen hat, kaum eine solche einigkheit
zu erhalten gewesen.
Damit aber auch, wolermelter vnsrer genedigen herrn
bevälch nach, solche gleichformige lehre und ordnung bayde
in kirchen und schuehlen mit der zeit schriftlich verfasset
und durch den druckh zu vorgemeltem nutz außgebracht werden
möchte, haben wir auß unserem und anderer guetbedunkhen,
gleich als ein modelle solcher gemainen kirchen- und schuell-
ordnung entworfen. Welches wir hiemit ihren gnaden und
herren gehorsamblich und nach ihrem hochen christlichen
bedenkhen zu erwegen, zu endern, zu vermehren oder zu
khürzen oder gar einzustellen übergeben, der gewissen zu-
versicht, daß ihre gnaden an unserem gehorsamb und treu-
herziger wolmainung ein gnedigs gefallen haben und auch
anders nicht von uns erfordern werden, denn was wir in
warer furcht und liebe Gottes fürnemen oder verwilligen
khönnen, wolleu uns hiemit in iren gnedigen schutz mit
demuttiger erpietung alles christlichen gehorsambs befohlen
haben.
Ende der vorred.
Kirchenordnung.
Nachdem ein christliche wohlgestellte kirchenordnung
fürnemblich in drey stugh verfasset kan werden, also das
das erste die lehrpunkte, das ander die agenden, wie es
gemainghlich genent wirdt, nemblich die form und weise,
die sacrament zu raichen und desgleichen sachen in der
kirchen zu verrichten, das dritte die bestallung des ministerii
sampt aller zugehörenden billigs zucht und ordnung begreiffe,
so thuen der lehre halben wir theologen und colloquenten
diesen gehorsamen bericht, wie folget:
Das erste thail der kirchenordnung.
De norma veritatis, das ist von der regel oder richt-
schnur, vom grunde und gewissen probierstain, alle lehre
zu richten, die reine lehre zu erhalten und sich für falsche
lehre zu hüetten notwendig.
Die ware christliche lehre gesundt und ganz allent-
halben unverfelschet zu erhalten und sich fur allen irthumben,
39 39
teuscherei und verfüerungen zu hüetten, ist fur allen dingen
von nötten, das man die rechte, gewisse, genuegsame, un-
widerlegliche normam veritatis, das ist, den grundt und
regel der warheit, die gewise richtschnuer und unbetruglichen
pruefstain woll lerne erkhennen und allezeit zur handt und
in stettiger Uebung habe, damit und darnach man alle
predig, glauben und lebre, baidt in schuelen und kirchen
recht urteln und richten, die gesunde lehre behalten und
die falsche verwerfen khönne, denn solches gott nicbt allein
vou den predigern, sondern auch von der obrigkheit und
regenten, ja von einem jegkhlichen menschen haben will,
nach dem gebot Christi Matthäi VII: Hüetet euch fur den
falschen propheten und l. Joh. IV: Glaubt nicht einem jegkh-
lichen geist, sondern probiert die Geister, ob sie auß Gott
seien!) vnd gotes. So wir oder ein engel vom Himel euch
anders predigen wurden, dann wir euch schon gepredigt
haben, der sei verfluecht.?) Demnach ist die einige gewise
unuberwintliche norma veritatis und unbetruegliche richtschnur
und prüfstein, unbeweglicher pfeiler und grundfest der war-
heit das heilige Wort Gottes, nemblich die gewissen und
mit göttlichen unwidersprechlichen zeugnissen bestettigte
schriffle der Propheten und Apostel, welehe in ein buech
vom heilligen geiste durch ermelte Propheten und Apostel
zusammengebracht und in zwey theill unterschieden, also
das das erste so der Propheten schriffte begreifet, das Neue
Testament und das gantze buch, so baide testament zusammen-
fasset, mit dem griechischen namen, so bey jederman in
gebrauch khommen ist, die Bibel genennt wierdt.
Antithesis.
Hiewider ist, das die Papisten die Menschensatzung, so
sie der kirchen zueschreiben, ebenso hoch und höher wollen
gehalten haben als gottes wortt und heissen die heilige
schrifft ein ketzerbuch.
Erinnerung der sprachen halben.
Daß man nun dieser richtschnur desto besser gebrauchen
müge, soll man verschaffen, das die hebraische und grie-
ehische sprachen vleißig in den größeren schuelen gelehrt-
und zum wenigsten den furnemen hirtten und lehrern, bei
welchen man sich etwa raths und verstands erholet, wol
bekhant seien: denn das alte testament ist anfengkhlich mit
hebraischer und das neue mit griechischer sprache gepredigt
1) 1. Joh. 4, 1.
*) Galat. 1,8.
40 40
uud beschrieben. Darauf das heilige wort gottes den leutten,
so nicht hebraisch und griechisch verstehen, muß treulich
verdolmetschet werden, welches unmüglich, denen ermelte
zwo sprachen nicht wol bekhant seint.
Matthaeus hat sein evangelium auch erstlich mit hebra-
ischer sprache geschrieben, wie dann aucb zu unseren zeiten
dasselbig evangelium Munsterus!) hat ausgehen lassen; aber
weill Munsterus selbs bekennet, er habs zurissen bey den
juden funden und an vill orten erstatten?) müssen, so ist
dem griechischen, welches mit genugsamen zeugnissen
befestiget, besser zu vertrauen.
Erinnerung der Dolmetschung halben.
Wiewoll alle Dolmetschung und der ursprunkhlichen
sprache inn der rechten meinung zutreffen solte, jedoch mueß
man der alten kirchen Dolmetschung, ob sie gleich nicht
allenthalben mit den ursprunklichen texten stimmen, nicht
verwerffen, sondern damit zufrieden sein, daß sie fast alles
also verdolmetschet baben, daß es nicht ist wider die Artikel
des glaubens, so auß den klaren und jedermann verstendlichen
spruchen der Schrift gestellet sein.
Darumb man die griechische und alte lateinische Dol-
metschung, weil von den beiden uralten kirchen kein andere
vorhanden, gern annemen, auch in offentlichen lectionen und
von man lateinisch das Wort Gottes verlehren®) mus, furlesen
und brauchen soll, damit die kirch etwa gewisses habe,
doch das erlaubt sey aus den originalsprachen den rechten
eigentlichen sinn, wo es not ist zu erklehren.
Der neuen lateinischen Dolmetschung sonderlich dar
berumpten als Erasmi*) des neuen testaments, Vatabli°)
des alten, mag ein jekhlicher fur sich gebrauchen, das er
durch vergleichung und zusammenhaltung der dolmetschung
den sinn des göttlichen worts desto besser verstehen müge.
1) Sebastian Münster, 1489—1552, Franziskaner, dann reformiert,
seit 1529 das Hebrüische an der Universität Basel lehrend, Reuchlin
fast ebenbürtig, ließ 1535 eine Ausgabe der hebräischen Bibel mit
vollständiger Übersetzung erscheinen. RGG. 4, 562.
?) ergänzen.
3) erklären bei Loserth.
4) 1616 Ausgabe des griechischen Urtextes, „trotz der Flüchtig-
keit und unsoliden Grundlage seine größte Tat“, mit Annotationen und
später angeschlossenen Paraphrasen. RGG. 2, 425.
5) Franc. Vatablus (Watebled), aus der Pikardie, gest. 1547;
1580 Prof. der hebr. Sprache am Collège de France. Biblia Vatabli.
Paris 1645. RE“. 20, 431, |
41 41
Ion deutscher sprache ist khein besseren denn des D.
Martini Lutheri, welche so eigentlich den sinn des gotlichen
worts gibt, das man schier kheiner außlegung daruber bedarti
und darumb in der Augspurgischen confession verwanten
kirchen billieh khein andere inn deutscher sprache furgelesen
und gebrauchet werden soll.
Was aber in Windischer!) und andern frembden sprachen
gedolmetschet, sagt man, das auß Luthers gedolmetschet
worden, welchs auch das Rathsamste gewesen ist. Die
gewiBe Versicherung, das ainer nicht durch mancherlay
dolmetschung oder auch unbequehme anziehung des Original-
textes irre gemacht werde, ist die analogia fidei, so auch
corpus doctrinae auf Lateinisch genandt wird, das ist die
Summa der Christlichen lehre, ordenlich auß den klaren
und jederman verstendlichen sprachen zusammengefueget, wo
derselbigen zuwider irgents etwaß verdolmetscht oder an-
gezogen wurde, das webre zu verwerffen.
Antithesis, das ist gegenlehr.
Wieder obgemelte meinung ist, daß das Tridentinische
concilium khein andere Dolmetschung als die alte lateinische ja
auch den originaltext selbs nicht gelten lassen will*), dann
wo er mit der alten lateinischen Dolmetschung zutrifft, und
hierin suchen sie nichts andres denn etliche grobe irthumb
als von heiligen anruffen*) und dergleichen zu beschutzen.
Erinnerung von dem underscheidt der
buecher, so in der Bibel begriffen.
Man soll auch merkhenp, das die Bibel zwaierley bucher
hat, etliche und die meisten, welche in allen stückhen und
wortten ohn alles bedenkhen angenommen, ettlich aber, welche
aus den gemelten sollen verlehret werden und in etlichen
wenig worten einer solchen auflegung bedurffen, das die
lehre so in vorigen gegeben ist, nicht verdunkhelt werde.
Als dan sonderlich im Neuen Testament S. Jacobi brief ist,
in welchem etliche wortte des Pauli lebr zum Römern wider-
werttig lauten), vm diesen underschaidt der Bucher in
heiliger schrifft werden nützlich gelesen die Vorreden Lutheri’),
) Primus Trubers slovenische Übersetzung des N. T. 1. Teil war
1557 erschienen, Th. Elze, Jahrbuch 14, 121; 16, 15f.
?) Über deren Entwicklung RGG. 4, 2137 (5, 1031).
3) Sessio 4. Pastor, Geschichte d. Püpste 5 (1909), 546.
1) Über sie im Tridentinum sessio 25.
) Über die ganze Frage: RGG. 3, 1022.
*) Sie wurden später fortgelassen.
42 42
so er fur einen jekhlichen buch gethan und mit der alten
lehrer zeugnus bewiesen hat.
Antithesis, gegenlehre.
Wiederobgemelte lehre ist des Tridentinischen coneiliiums
meinung), das die buecher, welche bey den alten bedenkhens
gewesen, nicht aus den ersten erkhleren lasset, sondern
denselbigen in allem gleichwirdig gehalten will haben, damit
sie anders nichts suchen, dann etlich grobe irthumb zu
vertheidigen, das sie doch nicht hilffet.
Von dem eorpore doctrinae, das ist, furbilde
der rainen lehre.
Weil oben gemelt ist, das ein corpus doctrinae gemacht
sey, das ist, wie's Paulus Rom. VI?) deutschet?), ein furbildt
der lehre, welehes die haubtstuekh der christlichen lehre
auß hellen, unleugbaren zeugnussen der heiligen schrifft
fein ordentlich zusammen verfasset furtregt, dadurch man
sich durch hülffe gottes hueten khan, das unzeittige anziehung
der schrifft und ungeschickhte dolmetschung einen nicht
verfuehren, ists nun an dem, das solche furbilde der reinen
lehre namhafftig gemacht werden: so haben wir nun von
den alten gottseligen lehrern die drey symbola: Apostolicum‘),
Nieenum5) und Athanasii, dazu auch nicht unbillig gesetzt
wirdt der Hymnus Te Deum laudamus, welchen Ambrosius
und Augustinus sollen gemacht haben’); in diesen symbolis
wirdt die ewige gottliche maiestet in der allerheiligisten drey-
einigkeit sampt den wohltaten, so uns von ihr erzeigt
werden, khürzlich bekent und gerühmet, darnach haben wir
von unser kirehen den kleinen Catechismum Lutheri und zu
desselbigen weiterer Erkhlerung seine zween großen?). Zwar
für die einfeltigen ist khein besser buch geschrieben denn
der kleine katechismus Lutheri, welchen man billich in allen
kirchen behalten soll. Darauf soll billich gesetzt werden
1) Sessio IV.
?) V. 17.
3) wohl statt: deutet, oder „Paulus Rom. VI“ ist als Zitatform
gemeint, ,wie es die Stelle P. R. VI* usw.
*) Näheres RGG. 1, 599.
5) Ebd. 4, 767.
©) Ebd. 1, 749.
?) Vgl. Buchberger, Kirchl. Handlexikon 2, 2314. "
) Über Luthers Katechismen: RGG. 8, 985. Luthers Werke,
Weimar. Ausgabe 30a, 426—665. „seine zween großen“ ist eine selt-
same Entgleisung.
43 43
die Augspurgische confession sampt derselbigen apologia!),
welche also genanndt ist, weil sie von den stenden des
Romischen Reichs, welche ihre kirchen hatten von dem
bapstumb reformieren lassen, auf dem reichstag zu Augspurg
anno 1530 kayser Carolo Quinto in beysein aller Stende
des Reichs mündlich und schriftlich, deutsch und lateinisch,
furbracht worden ist, welche symbolum und bekbantnus
keine pforten der hellen?) umbstoBen khönnen und dergleichen
nicht von der Apostelzeit an noch 80 volkhomen erfurkhommen,
drumb man sich billich darauff beruetfet. Und haben diesen
Lande Theologen solche exemplaria, wie sie zu Augsburg
übergeben seint, darauf guet achtung zu geben ist, sintemall
im nachtrug offtmals gefehlet wirdt.
Weil aber der satan mit den sacramentierern wolt
schaden thuen und furgeben, als lehreten dieselbigen der
Augsburgischen Confession nicht zuwider. und gegen die
Papisten etliehe artikhel mit ernst auf dem concilio zu
Mantua?) sollten vertedigt werden, wurden die schmalkal-
dischen artikhel*) anno 1537 gestellet, darauff man sich auch
billig berueffet. Da nun Lutherus von dieser welt abgeschieden
war, meinte der Teuffel, er wollte die Augsburgsche confession
gar vertulgen, brachte das Interim?) herfur, machte viel
Gezenkh und rotten, welche doch etlich nicht wolten den
namen haben, daß sie der Augsburgschen confession entgegen
wahren; darumb die Theologen und kirchen, denen die
wahrheit mehr denn aller menschen gunst oder ungunst, ja
mehr dann alles guet und ehre angelegen war, sich dawider
satzten, und rathen die Theologen, daß man in diesen
landen under die Schriften der richtschnur sunderlich das
bucblein der Duringischen Theologen, auno 155990 auß-
gangen, setze, weill darin die corruptelen, so ctliche listigk-
lich eingefuert hatten, kürzlich und aus gewissem grunde
der heiligen schrifft widerlegt werden, welches buchlein
hierumb von den kirchen, so der Augsburgischen confession
auffrichtig zugethan sein, hochgeruhmet und werdt gehalten
wirdt.
Das buch Philippi Melanchthonis loci communes’), das
ist hauptstuckh der christlichen lehre genanndt, ist ein sehr
) RGG. 1, 587.
*j Ev. Matth. 16, 18.
©) Am 2. Juni 1536 auf den 23. Mai 1537 einberufen; Köstlin
1. c. 2, 870.
*) RGG. 5, 339.
) Ebd. 3, 573.
©) Das Weimarer Konfutationsbuch, von Flacius und Genossen.
?) Seit 1520/91, bzw. 1535; RGG. 4, 250f.
44 44
edler schatz und soll vleißig von denen, so die heilige
schrift lernen und andern etwo erkhleren wollen, gelesen
werden, aber weils zu funfmahlen ausgangen und in dem
Artikhel von freien willen im letzten nachdrukh nicht on
ursach angefochten worden, kans nicht ad normam veritatis
gerechnet werden. Er ist uns ja ein lieber praeceptor und
hat sich nach Luthero keiner so woll umb die Christenhait
verdienet, aber doch muessen wir Christum höher halten
und menschliche schwacheit auch an dem lieben preceptor
seligen erkhennen, wie man alle patres nach der Norma
veritatis urteilen muß. Und bricht Ihnen doch damit an
Ihren ehren nichts ab. In der ersten edition des gemelten
buchs Philippi ist vom selbigen artickbel nichts unsers
wissens unrecht gelehret; darau möcht man auch die
folgenden editiones corrigieren, denn so solche warnung
stadt hat, ist es fürwar ein nutzlich und notwendig buch zu
lesen dem, der ein gueter Theologus zu werden wünschet.
Das ist also von der norma veritatis gesagt, und khan
niemandt mit warheit sagen, das die evangelischen ein vil-
feltige und weitleuffige normam veritatis haben. Denn wie
vor zeiten die Ketzer Arius!) und andere machten, daß aus
der schrift symbola wider sie, die warheit zu beschtüizen,
gemacht worden, und doch Ihr einiger grundt die hl. schrifft
blieben ist, also auch zu unsern zeiten haben die Papisten
und secten ursach geben, das bekenntnuß und confutationes
errorum gemacht sein, darin man auB der hl. schrifft alle
irthumb widerlegt; und bleibt doch die hl. schrifft der einige
Pfeiler und grundfest der warheit in der kirchen gottes
und ist die einige norma veritatis.
Antithesis, das ist gegenlehre.
Au obgemelten buchern der Richtschnur lassen ung
die Papisten nichts mehr dann die symbola und die bibel;
sie lassen auch die Bibel nicht in anderer als nur in der
alten Lateinischen Dolmetschung,?) auch in den Original-
sprachen nicht anders, dann wofern sie sich mit ermelter
Dolmetschung reimet, gelten; darzu lassen sie der schrifft
khein andern verstandt denn der kirchen, welche sie an
Römischen Bapst und Cardinal binden“), gefallen, als zum
Exempel Matthai XVI*: Du bist Petrus vnd auf diesen
fels wil ich meine kirehen bauen. Das legen sie allso auß,
!) RGG. 1, 679.
*) S. oben 8.41. RGG. 5, 1810.
) Ebd. 1, 1170.
*) V. 18.
45 45
das damit der Römische Bapst zum haupt der cristenheit
soll bestelt sein!). Weill solche meinung dem Bapst und
seinem anhang gefelí, muß Ihnen alle andern außlegung
ein verdampte ketzerei sein, ob man schon auß gewissem
grunde die Außlegung der falscheit uberzeuget und die
rechte außlegung anzeiget, wöllen sie doch recht behalten,
also gehen sie fast allenthalben mit der hl. gottlichen schrifft
umb, daß sie entweder mueß unaußgelegt und unverstanden
bleiben oder auff ire verkherte meinung gezwungen werden,
welchs zwar nichts anders ist denn das liecht scheuhen,
damit Ihre bösen werkh nicht offenbar werden. Summa
sie geben nicht zue, das die hl. schrifft sey norma veritatis,
darnach man alle lehre richten und allen streit, so sich über
der religion erhebet, schlichten soll, sondern sprechen, die
Bibel sey materia litis, ein Zankhbuch, sey dunkhel, hab
zweifelrede, da es nur an einem gueten ausleger stehe.
Dagegen geben sie khein ander normam veritatis, denn die
kirche, welche sie an Rom binden, nennen dieselbige den
Pfeiler und grundtfest der warheit und wenn man sólche
Lhermeinung grundlich erwiget, fueren sie die leutt nirgent
anders hin denn ad scrinium pectoris pontificii, zum schrein
des Bapstischen herzens, darin alle rechte sollen verborgen
ligen; was der redet, das muß vom Himmel geredt sein,
was er mit seinen Cardinälen, Jesuitern, Mönchen und Pfaffen
auf conciliis und sonst beschleust und recht oder unrecht
heißet, das muß also sein und bleiben, doch auch nicht
lenger dans Ihm gefellet. Heist das nicht ein greuliche
Tyranney in der kirchen geübet under dem Prächtigen
namen und schein der kirchen? Darumb, wer seelig werden
will, muß sich vor dieser gottlosen rotten als von der
grundtsuppen aller lügen, verfuerung und gottlichs namens
lesterung absondern, wie Paulus II Timothei 11?) rathet, da
er spricht: Discedat ab iniquitate omnis, qui nominat nomen
Christi, es weiche von der ungerechtigkheit ein jegkhlicher,
der den Namen Christi nennet, und Apocalypsis XVIII“):
Exite de illa populus meus, ut ne participes sitis delictorum
eius et de plagis eius non accipiatis usque ad coelum et
recordatus est Deus iniquitatum eius. Gehet auß von Ihr
mein Volekh, daß ir nicht teilhaftig werdet Ihrer sünden,
auf daß ihr nicht empfahet etwas von ihren Plagen, denn
1) Über die Ungeschichtlichkeit des Ausspruches RGG. 4, 1410,
Neueste Auslegung von A. Harnack in den Abhandlungen der Preuß.
Akademie der Wissenschaften 1919.
s) V.19. Seltsam, den lateinischen Wortlaut zu benutzen,
8
) V.4.
46 46
Ihre sunde reichen biß an den himel und Gott gedenkht an
Ihren freuel.
Mit diesen wortten wirdt allen christen bey verlust
ihrer seelen seligkheit gebotten, das sie sich von dem Anti-
ehristischen Reich absondern; wer khan aber ein besser
khennzaichen haben, daran der Antichristische greuel müge
bekhannt werden, als diß ist, das er das wort Christi nicht
gelten lest, sondern dasselbig und alles dem gutdunkhen
seines gottlosen herzens unterwirfft und spricht: Wens
gleich Christo so gefelt, so will ichs doch anders haben,
wie im Tridentischen!) und Costnitzer concilio*) die wortt
vom Nachtmall des herrn klar außweisen. So böse hats
noch khein khetzer nie gemacht; denn die haben doch
gemeinigkhlich als noch die schrifft für die normam veritatis
gerühmet, ob sie Ihrer schon mißbraucht haben; aber der bapst
will nieht allein die concilila sondern auch die heilige
schrifft unter einer gewalt haben und heist bei Ihm kurzumb:
Sie volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas?), welehs woll die
ehristen in weltlichen sachen wie alle Truebsal und verfolgung
geduldig leiden, aber in Religions- glaubens- und gewissens-
sachen gantz und garnicht vertragen sollen, sie wollten dann
nicht mehr Christen und gottes diener sein.
Von den hauptstuekhen der Christlichen lehre kurze
erinnerung. Nachdem wir nun unsere normam veritatis an-
gezeigt, achten wirs nicht für notwendig oder rathsam, von
allen artickheln der Christlichen lehre eine ausfuehrlich
bekhantnuß alhie zu beschreiben und der kirchenordnung
einverleiben, obschon solchs etliche hin und wider gethan
haben. Sondern das achten wir genugsam und fürs aller-
rathsambste, das bücher in Norma veritatis genandt zu-
sammengefasset und Treulich nachgedruckth werden, darauff
man sich jederzeit zu referieren habe und darumb auch bey
einer jegklichen kirchen neben der Agenden ein besonders
exemplar niderleg und dem predicanten als in einer Biblio-
theken zu verwahren und bei der kirchen zu lassen als einem
getreuen depositario gebueret beföhle; dieß ist vill rath-
samer, das man also bey einerlay form und wortten der
bekhentnus bleibe, denn das ein jegkhliche kirche Ihr eigen
bekhentnus habe, wenn schon die meinung tibereintrifft, denn
es ist baldt in solcher verentrung geschehen, das etwa ein
dunkbele rede, ungewönlich wortt unbekhante form etwas
verdacht macht oder in zweiffel setzt, darumb in den meisten
sachsischen, preußischen und andern wollbestelten kirchen
!) Communio sub una, sessio 21, doch vgl. sessio 22, RGG. B, 1056.
) Sessio 18. RGG. 1. c.
*) Juvenal, Satir. 6, 223.
47 47
nicht gestattet worden, neue confessiones zu schreiben, sondern
nur die alte, nemblich die Augsburgische sambt den Schmal-
khaldischen zu widerhollen, mit vermeldung und manhaffiger!)
verdammung deren Ihrtumb und verfuerung, so unterdes
der Teuffl erweckhet hat, die einfeltigen zu betrueben; so
haben auch vor zeiten die vetter nicht neue symbola gemacht,
sondern die alten immer widerbolet und die Irthumb da-
wider entstanden verfluchet.
Diesem exempel nach gebuerts sich auch in dieser
Landtkirchen, die alte eonfession als normam veritatis zu be-
halten und was teuscherey und Verfelschung daran und
darwider der Satan versuecht hat, austruckhlich zu vermelden
und die einfeltigen warnen, das sie das zill nicht verruckhen
und durch verkherte rede die bekhantnus nicht verdunkhelen
noch aufschrauben und in zweiffel setzen lassen. Diß ist
auch gottes gebott als I. Joh. II?): Brüder, ich schreib euch
nieht ein neue gebott, sondern das alte.
Von den irthumben so der reinen Augsburgischen con-
fession als veritatis normae zuwider sind und von corruptelen,
damit der teuffel ermelte confession zu verfelschen unter-
standen. Was dann nun belangt die Irthumb, so der Teufel
der reinen Augsburgiscben confession zuwider erweckhet hat, als
Serveti?)) Arianismum, Swenkfeldii*) enthusiasmum, Antino-
morum") vaesaniam, der widerteuffer®) und sacramentierer’)
lesterung, Osianders?) und Stankhers?) widerwertige verkherung
des ampts und wolthat Christi und andere dergleichen
Teuscherey und Teufelische verfuerung. ltem die coruptelen,
das ist die verkherte vergifte reden, damit der Teufel die
Augsburgische confession bat unterstanden zu verdunkheln
und zu verfelschen, alsdann ist das leidige Interim!?) gewesen,
welchs darnach bat die ergerlichen gezenkhe von gueten
werkhen und mitteldingen, von freien willen, von der genade und
rechtfertigung für Gott erweckhet und die einfeltigen irre
gemacht und die kirche jemerlich zurissen und betruebet,
da doch unterdeß der guetige heylandt Jesus Christi (sie!)
durch dreue werkhzeuge gesteuert und das zurissen wider
— — — —— —
1) Loserth: nambhaftigen, wohl richtiger.
? V. 7.
) RGG. 6, 610.
*) Ebd. 5, 510.
5) Ebd. 1, 501.
*) Ebd. 5, 2016.
*) Ebd. 5, 217.
*) Ebd. 4, 1069.
*) Ebd, 5, 888.
10) S. oben 8. 48, 5.
48 48
geheilet. Solche irthumb und verfelschung all miteinander
werden kurz und gründlich widerleget in den Duringschen
buch, dessen oben!) sub norma veritatis gedacht wirdt,
darumb nicht von nöten ist, das hier ein besondere refutatio
solcher irthumben ausfuerlich geschrieben werde, ist genueg,
das wir, dieser Landschafften Theologen und kirchen, un
erkhleren, das wir solcher irthumben unß nicht theilbafftig
gemacht noch machen wöllen, sondern dieselbige verwerffen
und verdammen mit der waren kirchen. So aber jemandt
weiter davon lesen will, ist sehr nutzlich, das er die
6 predige doctoris Jacobi Andreae?), so von solchen irthumben
gepredigt und geschrieben, vleiDig lese, und in methodis
Simonis Pauli?) werden aus gewissen grundt alle dermassen
irthumb widerleget, da auch dieselbigen sampt ihrem ursprung
entdeckht und offenbar bekhant gemacht werden.
Doctor Jacobs predige sein auch darzue nutze, das
man den irthumb erkbenne der Calvinisten, welche in
Sachsen wolten einschleichen und gaben nicht zu Realem
communicationem Idiomatum, damit sie der menscheit Christi
die Maiestet, derer sie durch persönliche Vereinigung mit
der gottlichen Natar teilhaftig werden, entziehen wollten, dar-
gegen man sich auch für Sehwenkfelds*) alzu hoch fliegenden
geist hüeten soll, welcher nach der Eutychianer°) irthumb,
so auß beiden Naturen ein machten, die exequation beyder
Naturen in Christo hat erstreiten wóllen. Wie aber vor
zeiten die heilige christliche Kirche nicht allein die Nesto-
rianer?) welche die Naturen christi als zwo Personen von
einander zogen, sondern auch die Eutychianer, welche die-
selbigen zwo Naturen also vermischten, das nur eine darauf
wardt, verdammet, also geburet auch jetzt der waren
kirchen gottes eben als woll der Schwenkhfeldischen exe-
quation, als der Zwinglianer und Calvinisten spaltung und
trennung der Naturen in Christo zu verwerfen und zu ver-
dammen; denn wie die Zwinglianer Nestorium also die
Schwenkhfeldianer weckhen und fueren Eutychem gleich als
auß der hellen wider in die kirchen und schuelen, auf die
Kanzel und Cathedram. Von diesem irthumb soll man mit
vleif lesen der Wirtembergischen?) und Braunschweigischen?)
1) S. oben S. 43, 6.
*) RGG 1, 471.
5) RE s. v.
) RGG 5, 510.
5 RGG 2. 699,
© Ebd. 4, 730.
7) 1551. RGG 5, 2131.
°) corpus doctrinae Julium 1576. RGG 1, 1332,
49 49
offentlich außgangene bekhantnuß, item Komnitii buch
von beiden Naturen’) in Christo. Hie ist genug, das solche
irthumb berueret und namhaftig gemacht werden, damit
offentlich bekhant werde, das diser Lande evangelische
kirchen der Augsburgischen confession inne behalten und
solche irthumbe und verfelschung offentlich mit der waren
kirchen gottes verwerffen und verdammen.
Von Mathiae Flacii) und etlicher mehr
irthumb von der erbstünde.
M. Matthias Flacius Illyricuus, da er als ein hochgelerter
scharfsinniger eyfriger man wider Victorini?) Synergiam ge-
stritten, des gueten willens, daB er den erbschaden nicht
verkhleinern, der genade gottes und verdienst Christi nichts
entziehen, den knechtischen zum guet erstorbenen willen des
menschens nicht als frey hat rühmen und sich dardurch
sicher machen und aller hoffnung der seeligkheit berauben
lassen wöllen, ist er zu weit auf die ander seiten hinauf
gefallen und mit aller macht erstreiten wöllen, der mensch
oder des menschen Natur und Substanz oder sein fehle und
vernunft sei selbs die erbsünde, und weil er sonst vil guets
geschrieben, auch in einer gueten sach wider Victorinum
stundt, da er in diesen irthumb heraus fiel, kriegt er baldt
ein großen anhang von trefflichen umb die kirch wol ver-
dienten mennern, darüber im das Herz wuchs, das er sich
nicht hat der treuherzigen warnung und vermanung, von Nicolao
Gallo*) und anderen vielen geschehen, weißen lassen wollen,
sondern hat gern jedermann in seinen irthumb gezogen, wie
er dann mit wunderbarlichen listen viele zu sich gelockhet,
verdechtig gemacht und wenn sie der sachen noch ungewiß,
etwaß an Ihn besonders geschrieben oder sunst etwa von
der sach in utramque partem disputieret hatten, wo er nur
etwas, das ein schein eins beifals hatte, kont erwischen,
bracht ers flugs durch den druckh unter die Leute, darumb
viel gueter herziger Theologen als Simon Musaeus°), Jere-
mias Homberger?) uud andere mehr ursach gehabt, offentlich
von Ihrer Unschuld oder wie sie betrogen und verfüert, zu
protestieren. Er aber ist in seinem irthumb, wie leider zu
1) de duabus naturis in Christo 1570, RGG 1, 1662.
2) RGG 2, 905.
2) Strigel, RGG 5, 962.
*) RGG 2, 1125.
^) RGG 4, 577.
6) 8. u.
Arohiv für Reformatlonsgeschlehte. XVIII. I. 4
50 | 50
besorgen, gestorben; wiewoll Mathias Ritther!) an etliche
geschrieben, er habe sich den abent zuvor etwas bessers
vernemen lassen, das eins widerruefs zu hoffen gewesen,
wo er nicht mit dem Todt tbereilet werden.
Od aber nun woll viell hoch erlauchte menner als
Johannes Wigandus?), Tilemannus Hesshusius?, Jacobus
Andreas“) (sic), diesen ‚Manicheischen®) irthumb gewaltig
aus gewissem grundte der heiligen schrifft widerlegt haben,
und man an derselbigen schrifften genug hat, jedoch weill
etliche unruige wilde geister auch in disen Landen“) mit
solcher seiten die einfeltigen irre gemacht und etliche ver-
fueret, aufrichtig Lehrer verdechtig gemacht und in Gefahr
leibs und lebens gebracht und zarten kirchen jemerlich
betruebet, so sollen alhie die furnembsten gründe gesetzt
werden, durch welche solche ketzerei auß der kirchen
gottes verstoßen wirdt und damit niemandts sich bekhlagen
künne, die sache sey ime zu hoch, er kóns nicht verstehn,
so sollen die grunde nur in unserm hl. catechismo gezeiget
werden. Den ersten findestu inn den zehen geboten, da
gott spricht zum menschen: Du solst nicht andere gotter
haben, nieht begeren. Ich bin ein eyferiger gott, der die
sunde der Vatter heimsucht an den khindern. Hir hörestu
ja von gott selbs den unterscheidt der stinde und des
menschen, denn den menschen nennet er mit seinem Naturlichen
leib und seele, da er spricht: Nicht andere gotter haben.
nicht begeren, item die sunde der Väter an den khindern.
Denn ob hie jemandt wolt furwenden, der herr redete
nicht von der Erbsünde, sondern nur von den wurkhlichen,
wird er nicht bestehen, denn wir wissen, das das gesetze
aller meist die erbsunde strafet, die von den Vätern in die
khinder fortgepflanzt wirdt sampt dem Todt und ver-
damnis, wie Paulus bezeiget Röm. V^) und David Ps.
518), 149), 5619)
So uns dann unsere norma veritatis ganz bleiben soll.
nemblich der liebe catechismus, muessen wir fürwar diesen
Irthumb verwerfen und verdammen und die beschreibung
der erbstinde also lassen wir sie in der Augspurgischen
Konfession und Schmalkaldischen artikeln gesetzt ist.
1) In Frankfurt; Ed. Böhl, l. c. S. 887.
2) RGG 5, 2029.
) Ebd. 8, 1.
*) 8. ob. S. 48, 2.
5) RGG 4, 121.
*) Vgl. Ed. Böhl, I. c. 8. 96 f.
7) V. 19. 9 V. 7.
9) V. 8. ”) 68, 24.
51 51
Nun ist ie die erbsünde nicbt nur!) ein schult frembder
sunden, sondern ist fürnemblich die böse art, neygung, be-
gierde, sucht und lust zusündigen, weliche der her rueret
und aufweckt, wie das wasser das feuer im kalck auf-
wekhet, da er spricht, nicht begeren, welchs uns Paulus auch
also ausleget Röm. 7. So spricht auch Christus Johan 16?):
Der heilige geist wirdt die welt straffen umb die stinde, das
sie nicht glauben an mich, da ia die welt heisset alle
menschen und der angeborne unglaube die stinde. Solchs
wirdt auch bestetiget au den wortten Christi Joh. 39): Also
hat gott die welt geliebet, das ist alle menschen. Wer wolt.
aber so verkheret sein, das er den 5 Psalmen*) entgegenspreche,
gott wehre ein liebhaber der sunde und boßheit. Den an-
dern grundt zeuget und das bekhantnus unsers christlichen
glaubens Symbolum Apostolicum genandt; denn im ersten
artickhel bekhennen wir, daß unB Gott geschaffen habe und
den leib mit allen geliedern, die sehle mit all ihren nattr-
lichen krefften, vernunft, sinnen, willen gemacht und gegeben
habe, auch erhalte auß vätterlicher guete, dafur wir ihm
danekhen und soleher gaben und gelieder zu seinem wol-
gefelligen dienst gebrauchen. Nun ist aber offentwar, daß
Gott die sünde nicht geschaffen oder gemacht und gegeben
noch dagegen ein vatterliche liebe hat. Denn er hat sie ie
verbotten Gen. 2°), zurnet druber Gen. 3, hat khein gefallen
daran Ps. 5, und wie solt iemandt für die stinde als ein
guet geschenckhe des schöpffers dankhen oder wie soll einer
mit der sünde Gott dienen und gefallen khönnen? Weil
. den Gott den menschen mit allen natürlichen beyd inner-
lichen und eusserlichen Krefften geschaffen und aber die
stinde nicht geschaffen hat, so mueD ie folgen, das der mensch
oder sein natürlich vernunft nicht selb die sünde sey.
Wir wissen auß dem 3. Capitel Geneseos, das die stinde
durchs teuffels verfuerung ins menschen seele und substanz
erweckht und angezündet ist. Solt nun die sunde nichts
anders dann der mensch oder des menschen seel, vernunft
und sinne selbert sein, so müßte der teuffel den menschen
geschaffen und ihm die vernünftige seele und natürliche
sinne gegeben haben; wehr aber das nicht ein schrecklich
ding, das wir den teuffel für unsern schöpffer solten erkhennen
und da wir zuvor gesagt, ich glaube, das mich gott geschaffen,
solten wir nun sprechen, ich glaub, das mich der teuffel
geschaffen, mir leib und seel, augen und ohren mit allen
) o A 56 b, b hat statt nur: mehr.
2) V. 3) V. 16.
4) In € anderen Hdschrft: fünften Psalm; V. 5.
) V
4e
!
52 : 52
geliedern, vernunfft und alle sinne gegeben hatt und noch
erhelt!. Jesus, Jesus, Jesus! Der grausamen lesterung
wolte das sein! Das durffen die ehlenden verblendeten laut
sprechen, der teufel hab Adams und Euen substanz und
naturlich wesen in ein ander wesen verwandelt, als wenn
einer auf einem menschen einen affen machete, der darnach
andere affen durch naturliche geburt zeugete. Pfui der
schande! soll einer so grob anlauffen, Gott erkhent ie noch
den Adam für sein geschöpff, da er in suechet und spricht:
Adam, wo bistu? er findet ie auch denselbigen Adam, den
er geschaffen hatte und zeucht ihn unter den buschen her-
fur zu seinem richterstuell; so saget ie unser artickhel anstat
eins ieglichen aueh sündhafftigen menschens: Ich glaub,
das mich Gott geschaffen hat sampt allen oreaturen?), das
isí£ wie er andere creaturen geschaffen hat, also auch mich
und hat doch die sünde nicht geschaften, sondern die ist
vom teufel und meineidigen willen der ersten menschen und
ist darnach durch die zwei menschen khommen in die welt,
das ist in alle andere menschen, so naturlieh von ihnen
gezeuget werden, Röm. 5°) darauß offenbar, daß der teuffel
weder dureh verwandelung der wesentlichen gestalt noch
auf einige andere weise ein neue substanz im menschen
gemacht hat, sondern hat ihn am geist gethötet, des waren
göttlichen liechts und lebens beraubet und was an ihn über-
blieben von Gott zu sich gewendet, ihm anhengig und dienst-
bar gemacht mit Ketten der finsternus*), die niemandts dann
Gott auflösen khan, an sich gebunden, das er sein mancipium
und jumentum, leibeigen knecht und esell worden, zuthuen
mit herzlicher lust nach all seinem (des teuffels) willen
und gefallen. Solcher geistlicher todt sampt allem jamer,
zeitlichen todt und hellischer ewiger verdamnis ist aus dem
gerechten urt| Gottes erfolget tiber den meineydigen ab-
gefallenen menschen, welchs Genes. 2 und Genes. 3 be-
schrieben ist.
Ob aber woll durch einen menschen in die andern die
sünde fortgepflanzet wirdt, so ist doch derselbig mensch
nicht der anderen menschen schöpffer, der sie mache. Es
ist vil ein anders Vatter, dann sehüpffer. Adam hat Seth
gezeuget, aber Gott hat den Seth geschaffen und gemacht
auß Adams samen in muetter leibe. Also ists umb alle
menschen. So hat demnach Seth allein von Adam die
sünde, aber sein leib und seel hat er nicht allein von ihm,
1) Worte aus Luthers Katechismus.
*) Luthers Katechismus,
3) V. 12.
*) 2. Petr. 2, 4.
53 53
sonder von der schöpffung Gottes, ohn welche Adams same
nicht wer zum persönlichen menschen worden. So soll
einer doch schier greiffen, das ein großer undterscheidt
zwischen des menschen substanz und der stünden ist.
Es wehre ie erschröckhlich zugedencken, das Gott ein
wesentliche gestalt, so des teuffels werkh solte sein, fort-
pflanzete, noch viel erschröckhlicher, das man halten soll,
er liese den teufel mit der fortpflanzung des menschen
seines gefallens walten; wie wolte sich das mit Jobs be-
khentnus am X capitel mit Dauides ps. 119 item 139
reimen? In dem andern artickhel unsers christlichen glaubens
bekhennen wir!) das Jesus Christus warer Gott vom vatter
in ewigkheit geborn auch warer mensch von Maria der
Jungfrauen geboren sey. Waß heist aber ein mensch?
Aller ding wie Cain, Saul, Judas, Arins und wir alle, auß-
genommen die stinde, denn Christus ist volkhommener mensch
worden ohn stinde, Heb. 4°), Phil. 2 darauss unwiderleglich
folget, das substantia hominis quantumvis corrupti non sit
peccatum, das die substanz des menschen, ob er schon gar
verderbet ist, nicht selbs die sünde sey.
Es seint gar klare zeugnis vorhanden, das christus
kein sunde gehabt noch gethan 2. Cor. 5°) Jes. 53*) Johan. 8°)
und aber gleichwol warer mensch worden sey, und armen
Bündern in allem gleich, ohn das er nicht sunder ist oder sunde in.
sich hat. So khan ie warlich ein iegklicher hierauß schliessen,
das sunde und mensche nicht ein Ding sey. Waß sich doch
die®), welche sagen, der Sohn Gottes hab ein ander fleisch
und bluet an sich genommen, das nemblich dem ersten
fleisch, so Adam vor dem Fall gehabt, gleich sey; sagt doch
der Heillig geist Heb. 2°): Er hab den samen Abrahams
angenommen; ist dann Abraham nicht Adams bluet und
fleich? Lutherus in Genes. 38°) sagt, auß Judae lenden
sei khommen die natur, die christus hab an sich genommen:
aber er habe sie von sünden gereiniget und die sünde nicht
angenommen. Lieber, wer ist doch der gewest, den christus
der sohn Gottes mit seinem bluet erlöst hat auß des teufels
gewalt, auf das er sein (des herrn christi) eygen sey und
unter ihm in seinem reich lebe und ibm diene in ewiger
gerechtigkheit, unschuldt und seeligkheit, gleich wie er ist
aufferstanden, lebt und regiert in ewigkheit, das ist gewis-
— —
1) in Luthers Katechismus,
?) V. 15. » V. 21.
*) V. 9. 5) V. 46.
*) sc. merken müssen.
) V. 16.
) Weimar, Ausg. 43, 811.
54 | mE 54
lich war?!) Ist die sünde erlöst auß des teuffels gewalt,
ist dann der teuffel nicht mehr derjenige, der zur stinden
reitzet, ist die stinde des herren christi also eigen worden,
das sie unter ihm lebe und ihm diene in ewiger gerechtig-
kheit, unschult und seeligkheit, Jesus, was will darauB
werden? Khan die stinde Gott dienen, under christi reich
leben, unschuldig und seelig sein in ewigkbeit? Es soll
sich doch einer entsetzen vor solcher blindheit, 2. Corinth. 4.
Ich meine, der teuffel beweise sich als ein Gott diser welt,
der die hertzen derer, so ihrem freien willen nachgehen,
blenden khan. lch meine, Gott sey ein ernster richter über
die, so halstarrig sein und sich nicht weisen lassen wollen.
Jobannes 1 Epist. 1 sagt, das bluet Jesu christi seines
sohnes macht uns rein von allen unsern sünden. Der engel
Gabriel sagt Matth. 1:?) Er wirdt sein volekh seelig machen
von ihren sünden. Lieber, waD. ist das gesagt? wirdt er
den menschen ausfegen, das er nicht mehr mensche sey
und menschliche substanz habe? Das sei ferne! Er will
das silber reinigen Mal. 39), nicht gar zu nichte machen.
Im 3. artickhel“) bekennen wir, der heillig geist hab uns
durchs wortt erleuchtet, mit seinen gaben geheiliget und
erhalten. Sollt er woll die stünde erleuchten, mit seinen
gaben heiligen und erhalten? O heilliger geist, öffne doch
die augen der verblendeten, die in solcher finsternis sitzen,
handele nicht mit uns nach unserer undankbbarkeit verdienst,
sondern nach deiner grossen barmherzigkheit, öffne uns die
augen des herzens, das doch auch die verftiereten sehen,
wie gar in grobe irthumb sie sich versenkhen. Der heillige
geist samblet ihm ein kirche und gemeinschaft der heilligen,
samblet er ihm dan ein hauffen sünde? seint vill sünde ein
gemeinschaft der heilligen? bekhombt sünde vergebung der
Bünde? wirdt stinde auferstehen vom todt und ewigs leben
haben? wer hat gemeinet, das der teuffel auch hoche leutte
also verblenden solte? darumb last uns in furcht und zittern
für Gott wandelen, dann er ists, der in und wirckhen mues
beyd das wollen und das volbringen°); ohn ihn khönnen
wir nichts guets thun. Job sagt cap. 199): ich weiß, das
mein erlöser lebet und er wirdt mich hernach auß der erden
aufferweckhen, und werde darnach mit diser meiner haut
umbgeben werden und werde in meinem fleische Gott sehen:
denselbigen werde ich mir sehen und meine augen werden
!) Aus Luthers Katechismus.
) V. 21. ) V. 3.
) Luthers Katechismus.
5 Philipp. 2, 13.
*) V. 25.
55 ö 55
in schauen und khein frembder. Wer disen spruch vleissig
erwiget, der sollt in verstehen, das stinde vill einanders sey,
denn des menschen substanz oder wesen, nemblieh leib und
geel; denn der glaubig mensch, wie Job ist gewesen, wirdt
ganz aufferstehen, ohn alle stinde.. Wie khann dann die
sünde sein substanz sein? denn das einer sagen wolt, Gott
würde dem menschen, den er will seelig machen, ein neuen
leib und seel machen, das ist nichts, weil hie Job’) sagt,
das er eben in dem fleische, so er jetzt hab, Gott sehen
werde, und wir glauben ein aufferstehung des fleisches, das
wir ietzunder am halse tragen.
Den dritten grundt zeigt uns das heillig gebet Vatter
unser. Seint sie stinde, die also Gott anreden, so mues gott
ein vatter der. sünden sein. Wolte einer sagen, weil sie
wider geboren seint, so seint sie nicht sünde, so weisen
wir denselbigen leib und seele, welche sie vor der wider-
geburt gehabt; und der da spricht, vatter unser, der spricht
auch, vergib und unser schuldt und David ps. 51: tilg ab
meine missethat. Er bitt aber ie nicht, das er ihm sein
substanz vertilge, das er nicht mehr ein mensch sey. Also
sagt er, erlóse ünß vom übel, das ist freilich auch von der
erbstinde, welche das allergroste übell und alles andern
übels ein ursprunckh und quel ist. Soll nun die sünde von
und abgesondert und wir dieselbigen menschen ohn stinde
werden und bleiben, so muß ie sünde nicht des menschen
substanz sein. Solchs folget auch auß der absolution, Item
auß der tauff und abentmall des herren; denn ie die sünde
nieht loßgesprochen wirdt, sondern der mensch von den
sünden. So wirdt ie die sünde nicht getauffet noch mit
dem leib und bluet unsers herrn ebristi gespeiset, das sie
khrefftig sey und ewig lebe, sondern der mensch waschet
seine sünde ab durch die tauffe, und tröst sein gewissen
mit vergebung der stünden, sterkht sich am inwendigen
menschen mit des herren christi leib und bluet. Auß dem
allen erscheint khlerer als der mittag, das die menschliche
substanz nicht selbst sei die erbsünde. So unß dann nun
unser Norma veritatis ganz bleiben soll, nemblich der liebe
Catechismus, müssen wir fürwar diesen irthumb verwerffen
und verdammen und die besehreibung der erbsünde also
lassen, wie sie in der Augsburgischen Confession und
Schmalkhaldischen artickheln gesetzt wird °).
1) 19, 26, nach dem Grundtext vielmehr: „Und ledig meines
Fleisches werde ich Gott schauen.“
*) Von hier an eine andere Hand.
(Schluß folgt.)
— 0. fi]-————- - — -
Eine noch unveröffentlichte Vorarbeit
Luthers zu seiner Schrift: „Dass diese
Worte Christi ‚das ist mein Leib‘ noch
fest stehn.“
Von d. Buchwald.
Die Lutherhandschrift, von der im Folgenden die Rede
sein soll, ist Eigentum der Stadt Baden-Baden, wo sie seit
1895 in den Stadtgeschichtlichen Sammlungen aufbewahrt wird.
Vorbesitzer war der am 13. Dez. 1893 zu Baden-Baden
verstorbene Musikdirektor a. D. Franz Pechatscheck!) aus
dessen Nachlaß die Handschrift im Jahre 1895 in den Besitz
der Stadt gelangte. Die früheren Schicksale des Dokuments
kennen wir leider nicht; es isí namentlich auch unbekannt,
wann und auf welchem Wege es in den Besitz des Pechatscheck
gekommen ist.
Nach ihrer Uebergabe an die Stadtgeschichtliohen
Sammlungen wurde die Lutherhandschrift der Autographen-
sammlung einverleibt, deren Neuordnung Ende 1919 durch
den Konservator Dr. O. Schmitz zur genaueren Prüfung des
wertvollen Stückes Anlaf gab.
Ende Januar 1525 erschien der zweite Teil der Schrift
Luthers ,Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern
und Sakrament“ ), in der er ausführlich Sinn und Bedeutung
der Schriftstellen, die vom Abendmahl handeln, erläutert.
) Franz Willibald Schmidt, gen. Pechatscheck, geb. in Wien am
1. April 1820, hatte sich anfangs der 70 er Jahre in Baden-Baden
niedergelassen, wo er bis zu seinem Tode als Tonkünstler tätig war.
9) Weim, Ausg. 18, 44.
57 57
Dabei wird Luther der Wunsch gekommen sein, auch die
Meinungen der Alten tiber das Abendmahl festzustellen. In
demselben Briefe (vom 2. Februar 1525), in dem er Nikolaus
Hausmann von der Vollendung seiner Streitschrift berichtet,
schreibt er: Negotium dedimus aliquibus nostrum eruditis,
ut non modo, quid Tertullianus, sed omnes veteres de
Sacramento isto senserint, colligendi, ut obstruatur os
loquentium iniqua!. Noch besonders aber wurde Luther
veranlaßt, sich mit den Aussagen der Väter über das Abend-
mahl zu beschäftigen, durch Ökolampads Mitte September
1525 erschienene Schrift De genuina verborum domini Hoc
est corpus meum iuxta vetustissimos authores expositione
liber’). Ökolampad behandelt hier die Aussagen von
Augustin, Cyprian, Ambrosius, Chrysostomus, Basilius,
Tertullian, Origenes, Ignatius, Irenäus, Cyrill, Hilarius,
Gratian, Hieronymus. |
Darauf geht Luther in seiner im April 1527 im Druck
vollendeten Streitschrift: Daß diese Worte Christi „Das ist
mein Leib“ noch fest stehen?) ein. „Am letzten wollen wir
auch der veter sprüch ein oder zween handeln, zu besehen,
wie sie D. Ecolampad bhandelt*).* Er beschäftigt sich
insbesondere mit Augustin, Tertullian, Irenäus, Hilarius
und Cyprian. |
In der hier zum ersten Male mitgeteilten Niederschrift
Luthers haben wir dessen Vorarbeit für Weim. Ausg. 229, 21
bis S. 237, 7 vor uns. Luther setzt sich mit Ökolampads
Aussagen tiber Irenäus°) auseinander.
. Die drei Stellen aus Irenäus sind folgende:
1. Lib. IV. 29. 4. (Gr. IV. 32)? — suis discipulis dans
consilium, primitias Deo offerre ex suis creaturis, non quasi
indigenti, sed ut ipsi nec infructuosi, nec ingrati sint, eum
qui ex creatura est panis, accepit, et gratias egit, dicens:
Hoc est meum corpus. Et calieem similiter, qui est ex ea
1) Enders 5, 115.
) Vgl. Weim. Ausg. 19, 447.
*) Weim. Ausg. 28, 38 ff.
) A. a. O. S. 209, 28.
) De gennina expositione Bl. Giij a ff.
©) Zitiert nach der Ausgabe von Harvey (Cantabr. 1857).
58 | Er 58
creatura, quae est secundum nos, suum sanguinem confessus
est, et novi Testamenti novam docuit oblationem, quam
Ecclesia ab Apostolis accipiens, in univero mundo offert
Deo ei qui alimenta nobis praestat primitias suorum munerum.
. 2. Lib. IV. 31. 3. (Gr. IV. 34): Quomodo autem constabit
eis, eum panem, in quo gratiae actae sint, corpus esse
Domini sui, et calicem sanguinis eius, si non ipsum fabricatoris
mundi Filium dicant id est, Verbum eius, per quod lignum
fructificat, et effluunt fontes, et terra dat primum quidem
foenum, post deinde spicam, deinde plenum triticum in spica?
Quomodo autem rursus dicant carnem in corruptionem devenire
et non percipere vitam, quae a corpore Domini et sanguine
alitur? — Quemadmodum enim qui est a terra panis,
pereipiens invocationem Dei, iam non communis panis est,
sed Eucharistiá ex duabus rebus consistens, terrena et
coelesti: sic et corpora nostra pereipientia Eucharistiam iam
` non sunt corruptibilia, spem resurrectionis habentia.
3. Lib. V. 2. 1 (Gr. V. 2: Et quoniam membra eius
sumus, et per creaturam nutrimur; creaturam autem ipse
nobis praestat, solem suum oriri faciens et pluens, quem
admodum vult, eum ealicem, qui est creatura, suum sanguinem,
qui effusus est, ex quo auget nostrum sauguinem; et eum
panem, qui est a ereatura, suum corpus confirmavit, ex quo
nostra auget corpora. Quando ergo et mixtus calix et factus
panis pereipit Verbum Dei, et fit Eucharistia sanguinis et
eorporis Christi, ex quibus augetur et consistit carnis nostrae
substantia; quomodo carnem negant capacem esse donationis
Dei, quae est vita aeterna, quae sanguine et corpore Christi
nutritur e£ membrum eius est?
Zum Teil hat Luther diese Vorarbeit wörtlich in seine
Schrift übernommen. Nur den ersten Spruch hat er unver-
wertet gelassen, da das, was er darüber sagt, sich vornehm-
lich gegen die Papisten richtet.
Noch sei bemerkt, daß das Papier, das Luther benutzt
hat, 31,4 em lang und 21 em breit ist und als Wasser-
zeichen die Sehlange hat. |
Unsere Handschrift bietet eine Ergänzung zu der dankens-
werten Zusammenstellung der Originalhandschriften Luthers
in ,Lutherstudien zur 4. Jahrhundertfeier der Reformation
veröffentlicht von den Mitarbeitern der Weimarer Luther-
ausgabe. Weimar 1917“. S. 256 ff.
59 99
Drey spruche stehen ym Ireneo, welche vom Sacrament /
lauten, .. . schlecht von sich macht bose gedancken / kriegen)
Der Erst Lib 4 cap 32, laut also
Vnser Herr (gab) da er seinen iungern radgab, das
eie von seinen ereaturn / solten erstlinge Gott optfern (nicht
als durfft ers sondern auff das/sie nicht vn-
fruchtbar noch.vndanekbar weren) Nam er das
brod / welchs eine creatur ist, vnd danck vnd sprach,
das ist mein leib / Desselbigen gleichen den kelch,
welcher auch ist eine creatur vnsers dinges [vnsers dinges
über (fur vns) /bekandte er das sein blut sey/
vnd lerete [lerete über (hat)] damit eine [damit über eine]
new opffer ym newen testa / ment (damit gelert), Welchs
die Christenheit von den Aposteln angenomen / hat, vnd
opfert ynn der gantzen welt, Gott, der vns neeret, die
erstlin / ge yhrer gaben,
Dieser spruch (get? laut auffs erst, als sey die messe
ein papisten opffer [papisten ü ber opffer], (vnd) das lassen /
wir gleuben wer do wil. Wir gleubens nicht, vnd halten.
das Ireneus / meynung sey, das brod vnd wein (das Chr)
welche Christus ynn sein /fleisch vnd blut segenet, werde
Gott also geopffert Nicht das ers bedurff / odder wir damit
vergebung der sunden erlangen solten, wie die Papisten /
yhre messe opffern, denn Ireneus streit an dem selbigen ort
hart, /das gott nichts gebiete odder fodder von vns, als
bedurfte ers, sondern / vmb vnser willen, das wir sollen vns
danckbar vnd fruchtbar beweisen / wie seine eigen [eigen am
Rande zugefügt] wort auch ynn diesem spruch da stehen
Nicht als/duríft ers, Sondern das sie nicht
vndanekbar noch vn/fruchtbar seyen, weil
denn seine eigen wort stehen, mussen / wir den spruch
auch naeh den selbigen seinen worten vnd nicht nach /
vnsern gedanckn richten, Das opffern bey yhm nichts anders
sein / kan denn (lere) Gott dancken durch das sacrament
brods vnd weins / welchs doch Christus leib vnd blut ist,
Denn er spricht, man opffere / odder dancke damit dem
Gott der vns neeret, das ist, brod vnd wein / ist vnser
speise von gott geben drumb opffert man es ym sacrament /
zu(m) daneken unserm Gott der vns neeret, Wenn die
Papisten auff / die weise das opffer liessen bleiben, das es
pur zu dancken, (vnd als ein) / geschehe, so hette es nicht
hadder, Aber nu machen sie ein solch werck / draus damit
sie gott versunen vnd den hymel verdienen” vnd andern /
erwerben /
Item zum andern laut er, als sey das sacrament eitel
brod vnd wein / weil er spricht, Christus habe die Jungern
60 60
gelert von den creaturn / opffern vnd das brod vnd der
kelch seyen Creaturn / Aber hie / ist aber mal seinen eigen
worten zu folgen, da er spricht, das Christus / habe das
brod, welehs eine Creatur ist (vnd) nach dem er gedanckt
bat / dasselbige brod, seinen leib genennet, vnd den selbigen
kelch sein blut / bekennet / Denn da stehen aber mal seine
wort durr vnd klerlich / [Seite 2] Calicem similiter
sanguinem suum confessus est, Et (Pane) Gratias egit /
dicens, hoc est meum corpus, Denn wir leucken nicht, das
brod vnd / wein ym sacrament [ym sacrament am Rand e
zugefügt] Creatur sind, aber gleichwol der leib vnd blut
Christi, wie Ireneus / hie auch sagt Diesen spruch wird
niemand anders mugen deuten / vnd ist der schwermer-
geister glosen nichts, Denn er ist zu klar, /
Der ander spruch lib 4 cap. 34
Wie wollen sie wissen, das, das brod, daruber man
danck, yhres herrn leib sey / vnd der kelch sein blut wenn
sie nicht bekennen (den son des schepffers) / das er sey
der son des schepffers der wellt? Diser spruch ist seer /
starck vnd fest, Das ym sacrament Christus leib vnd blut
sey Denn / er spricht Wenn (sie) die ketzer [die ketzer am
Rande für (sie)] Christum nicht lassen Gotts son (seyn)
vnd vnsern / herrn sein, so kennen sie viel weniger gleuben,
das (g) das brod vnd / kelch sein leib vnd blut sey, also sey
solehs von Christo geordent / vnd von den ketzern gehalten
vnd sie doch [sie über doch] Christum nicht lassen herrn
noch / Gotts son sein /
Item Gleich wie das brod [corr a us bros] von der erden,
wenn es (empfehet b» vberkomt / das nennen (d) von Gott,
so ists nicht mehr (ge) schlicht brod, sondern / sacrament
(vnd be) welches [welches t ber (vnd be)] steht ynn zweyen
dingen, einem yrdischen vnd einem / hymlisschen Also auch
wenn vnser leibe das sacrament empfahen / sind sie (al)
alsdenn nicht mehr verweselich weil sie die hoffnung / der
aufferstehung haben, / Hie spricht er, wenn Got das yr/
dissche brod nennet odder namen gibt, ists nicht mehr schlecht
brod,/ wo nennet ers aber? Da er spricht, Das ist mein
leib, da nennet / ers seinen leib(t) / Item das Sacrament
bestehet ynn zwey dingen / yrdisschem vnd hymlisschen,
/ Oecolampadius (sp) deutet das also / Die zwey ding sind
brod vnd wort, Aber man heisst nicht verbum / res Ireneus
spricht aber, duabus rebus constat Eucharistia, Vnd /
Eucharistia constans illis duabus rebus [constans bis rebus
am Rande zugefügt] fit vocatione dei [dei oben nach
vocatione] ./. verbo, vt verbum sit efficiens Eucha / ristiam
constantem duabus rebus celesti & terrena. Der spruch/
61 61
steht auch gewaltig Item (ym) am (am über (ym)] selbigen
ort, spricht Irenęus / Wie sagen sie, das, das fleisch musse
vergehen, vnd muge das leben / nicht bekomen, So es doch vom
leibe vnd blut des HErn gespeyset wird. / Da sihestu das
ym sacrament Christus leib vnd blut ist, weil vnser / fleisch
vom leib vnd blut Christi geneert wird, Das isí noch mehr
/ gesagt, denn das wir leiblich Christus leib vnd blut ym
sacrament essen / vnd trincken Die ketzer hielten, das alleine
die seele selig wurde / der leib müste vergehen, daraufft
sagt Ireneus, wie solt der leib nicht/ auch selig werden,
geneusst er doch hie auff erden einer ewigen lebendigen /
speise, das ist des leibs vnd bluts Christi? /
[Seite 3] Der dritte spruch Lib. 5. cap 5.
Gleich wie er auch den kelch (welcher ein creatur ist,)
(se) bekennet, das/sein leib ist, durch welchen er unser
leibe (mehret) stercket [stercket über (mehret)], Wenn nu /
der eingeschencke kelch, vnd das gemachte brod (das) gotts
wort. [wort gotts| (s0) bekomet / so wirds das sacrament
des leibs vnd blats Christi Durch welche / vnsers leibs natur
(wechst) zu nympt vnd erhalten wird Wie thuren / sie denn
leucken, das der leib nicht solte (der gottlichen gaben gotts) /
febig sein der gaben Gotts, welche ist das ewige leben, so
er doch vom/leibe vnd blut (das her) Christi gemeeret
wird vnd sein gelied ist /
Hie sagt er ia auch durre eraus, Das vnser leib ge-
mestet wird, dureh / den leib vnd blut Christi, ym sacrament
empfangen, Welehs doch gar/ein vngehorte rede ist Zu
vnsern Zeiten, Ja auch Za Augustius Zeiten / welcher spricht,
Es sey eine speyse nicht fur den bauch, sondern fur / die-
seele, Aber Gott hatt wollen Ireneum vnd seins gleichen so /
grob (wollen) dauon reden lassen, auff das die zakünfltig\
ketzer musten / greiffen, wie die veter habens gewis gehalten,
Das Christus leib / vnd blut leiblich wurde genomen ym
sacrament, Denn freylich / der leib vnd blut Christi nicht
verdawet wird ym bauch noch / den leib mestet, Aber gleich
wol spricht Ireneus, das das brod / welchs eine Creatur ist
vnd durchs wort gotts Christus leib wird / vnser narung sey
vnd [vnser narung sey vnd am Rande zugefügt] So [So
über (So)] wird der leib damit gespeyset, nicht allein mit
dem brod natur /lich, sondern auch mit dem leibe Christi
geistlich, also, das (der) vnser/leib solle unsterblich sein
vnd werden, vmb des vnsterblichen leibs / Christi willen, den
er Zu sich nympt vnd sampt dem brod isset,/ Das ist
Ireneus meynunge, das geben seine wort gewaltiglich /
Hierumb konnen vnd sollen vns die wort [reneus nicht
yrren, da er / den kelch vnd brod Creatur nennet, (Abe)
62 62
Denn er unterscheidet 7 brod vnd keleh, wenn sie on Gotts
wort sind, vnd wenn Gotts wort dazu kompt, On Gotts wort
(spricht er) (spricht er) am Rande zugefügt] ists schlecht
brod, Aber durch gotts/ wort, wirds Christus leib, Er gibt
Gotts wort die allmechtickeit / (wie billich) denn Gen primo
(da) alle ding von yhn selbs nichts / waren, Als aber Gotts
wort dazu kam vnd sprach, Es sey liecht ıc. / da war es
so bald liecht, wie das wort laut, Also hie auch, ehe / denn
Gotts wort (dazu k) da ist, so ists schlecht brod, Aber
wenn /das wort (da) Gotts dazu kompt vnd spricht, das ist
mein leib, so ists / also bald sein leib, denn solch wort ist
nicht vnser wort, das wir /sprechen, sondern Gotts wort,
vnd Gott sprichts durch vns, .Denn / wir habens nicht erdacht
noch erfunden, sondern ist vns von yhm befolhen /
Der Prozeß des Johannes Pollicarius.
Von Otto Clemen.
Zu den zahlreichen Korrespondenten des Zwickauer
Hektors Christian Daum!) gehürt Jakob Thomasius, der Vater
des Christian Th., 1650 Konrektor, 1670 Rektor der Nikolai-
schule in Leipzig, daneben Universitátsprofessor?). 53 Original-
briefe von ihm an Daum befinden sieh in des letzteren
Briefsammlung auf der Zwickauer Ratsschulbibliothek; dazu
kommen Daums Antworten in dessen Konzeptbüchern. Die
in flüssigem und durchsichtigem, nur manchmal etwas künst-
lichem Latein abgefaBten Briefe gewühren eine anziehende
Lektüre, und es macht Spaß, zu verfolgen, wie die beiden
Gelehrten sich mit grammatisch-lexikalischen und literar-
historischen Fragen bombardieren und sich gegenseitig auf
allerlei in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam machen,
was den anderen interessieren könnte, — mitunter freilich
scheinbar nur zu dem Zwecke, dem anderen mit den eigenen
ausgebreiteten Kenntnissen zu imponieren. So weist z. B.
Thomasius einmal. (10. Juni 1653) den Zwickauer Rektor auf
einen „Johannes Pollicarius Cygneus^ hin, ,cuius extat
historia de vita Lutheri", und fragt jenen, ob dieser Polli-
carius — das ist ja die Latinisierung von „Daum“ — ein
Verwandter von ihm wäre. Daum beeilt sich, zu antworten:
(29. Juni 1653): ,Polliearius ille Cygneus, pastor Weißen-
felsensis“, babe nicht nur eine vita Lutheri verfaßt, sondern
habe sich auch in deutscher Sprache gegen den Naumburger
1) Vgl. sein von R. Beck gezeichnetes Lebensbild in den Mit-
teilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend, Heft 3,
Zwickau 1891, S. 1ff.
1) Vgl. Beck, M. Christian Daums Beziehungen zur Leipziger
gelehrten Welt wührend der sechziger Jahre des 17. Jahrh., 9. Teil,
Zwiekauer Gymnasialprogramm 1894, S. 1ff.
64 64
Bischof Julius von Pflug schriftstellerisch betätigt, er sei aber
nur weitläufig mit ihm verwandt: ,fuit vel propatrui mei
vel abpatrui filius“ ).
Zu den beiden Briefstellen macht sich ein kleiner Kom-
mentar nötig. Daß Pollicarius eine Lutherbiographie ver-
faßt babe, ist ein Irrtum beider Gelehrten. P. hat nur unter
dem Titel „Historia de vita et actis reverendissimi viri
D. Mart. Lutheri^ Melanchthons bekannte Vorrede zu dem
„Tom. Il omnium operum M. Lutheri“ herausgegeben und
„Carmina quaedam de beneficiis, quae Deus per Lutherum
orbi terrarum contulit. Item disticha aliquot de actis Lutheri“
beigeftigt. Das Werkchen erschien erstmalig 1548 bei Ger-
vasius Stürmer in Erfurt?). Voraus geht eine Widmung an
Fürst Georg von Anhalt vom 20. Okt. 1547. Das Auftreten
des Pollicarius gegen Pflug, auf das Daum Bezug nimmt,
fällt ins Jahr 1557. Zuerst erschien von ihm folgende
Schrift: Antwort / Auff das vergiffte büch / des Bischoffs
zů Naumburg, welchs erst / lich blind, hernachmals aber
vnder seinem na-/ men, zü Erffurd im offentlichen truck
ist auß / gangen, wider vnsere Lehr vnd / Kirchen. / Durch
. / Johannem Pollicarium, Pre- / diger zů WeissenfelB. /...
Getruckt zů Straßburg / durch Samuel Emmel. / M.D.LVII.*) /
Von Pflugs Schrift, die Pollicarius auf den Plan rief, besitzt
die Zwickauer Ratsschulbibliothek folgenden Druck: Christ-
liche er- /innerung vn ermanung Herrn Julij, Bisch- / offen
zur Naumburgk: / an sein Volck*). / Als dann in Mainz
„unter dem Namen Martini Venatorii“ eine Verteidigung jenes
Hirtenbriefs erschien, erließ Pollicarius folgende Entgegnung:
Von der Kirchen / Wider die zwey Bücher, des Bischoffs /
z;ür Naumburg, vn Martini Venatorij, zu / Mentz vnd Erffurd
im Truck außgangen, / wider vnsere Lehr vnnd / Kirchen, ꝛc. /
Andere Antwort. / Magistri Johannis Pollicarij, Predigers /
1) Beck, Daums Beziehungen 3. 14.
n Ex. Zw. RSB. 11, 9. 44. Vgl. Karl Hartfelder, Philipp
Melanchthon als Praeceptor Germaniae, Berlin 1899, S. 604 Nr. 480;
Christof Schubart, Die Berichte über Luthers Tod und Begrübnis,
Weimar 1917, S. 92f, 132.
*; Zw. RSB. 8. 6. 6,.
) Zw. RSB. 9. 6. 5,.
zů Weissenfelß, im Churfürstenthumb / Sachssen. /. . Gedruckt
zů Straßburg, bey Samuel Emmel, im Jar / M. D. LVIIY. 7
Zum Schluß Abdruck eines Abschnitts aus Luthers „Wider
Hans Worst“ 1541, der 1543 fl. unter dem Titel „Von der
alten, rechten Kirchen, was, wo u. wer sie sei a. warbei man
sie erkennen soll“ u. „Von der neuen, falschen Kirchen.“
erschienen ist?).
Unter den Druckschriften des Polliearius ist noch manches
interessante Stück. Ein Zeugnis von ungewöhnlicher Ver-
trautheit mit den altklassischen Autoren ist seine Ausgabe
der Declamatio des Zacharias Lilius von Vicenza?) de fuga-
citate, miseria ef inconstantia vitae et omnium rerum hu-
manarum mit zwei Anhängen: Eiusdem generis aliquot
sapientum apophthegmata et Errıypduuara Graeca una cum
interpretatione Latina, erschienen 1553 bei Georg Hautzsch
in Leipzig‘), Voraus geht ein Widmungsschreiben an den
kursüchsischen Kanzler Hieronymus Kiesewetter vom 3. Juni
1553. Pollicarius bittet darin den Kanzler, einstweilen mit
dieser Schrift verlieb zu nehmen, bis er ein großes auf
fünf Bände berechnetes Geschichtswerk, an dem er seit fünf
Jahren arbeite, vollendet habe. Noch erstaunlicher ist der
Sammelfleid und die Vertrautheit mit der Bibel und den
Vätern, die Pollicarius in folgender 1560 gleichfalls bei
Hantzsch erschienenen Schrift offenbart: ENCHIRI DION. /
Von den vor- / nemesten Stücken vnd Ar- / tickeln Christ-
licher Lahr, grund / vnd beweis, aus heiliger Schrifft, /
vnd den alten bewerten Patri- / bus vnd Concilien, ... Der
Verfasser hat sie dem Rate seiner Vaterstadt gewidmet; das
sehr schön gebundene Dedikationsexemplar verwahrt die
Ratsschulbibliothek ). Pollicarius hat auch ein Gesangbuchs-
lied gedichtet: Ein naw andechtigs Lied vom ende der Welt
1) Zw. RSB. 8. 6. 6,.
2) Vgl. W. A. 51, 466, wo aber die Bezugnahme auf obige Ver-
öffentlichung des Pollicarius fehlt.
3) Vgl. über ihn Hurter, Nomenclator literarius theologiae
catholicae t. II, Oeniponte 1906, col. l061sq. Hier wird von diesem
Regularkanoniker nur angeführt: Breviarium orbis, Florenz 1493.
*) Zw. RSB. 6. 10. 49, = 17. 9. 35,.
5 1. 7. 1.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII I. 5
66 66
vnd Jüngsten tage, Vnd wie die Gotlosen sollen doran ge-
strafft werden,...in dem er tiber die sittlichen Schäden
der Zeit klagt und immer wieder mit dem Refrain schlieBt:
Wenn will ein end draus werden?!) Wir können uns jedoch
hier nicht weiter mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit?)
befassen — sein Erstlingswerk wird unten noch zu erwähnen
sein —, sondern müssen zu der Korrespondenz Thomasius-
Daum zurückkehren.
Ogleich Daum für den Sohn seines Urgroßonkels kein
sonderliches Interesse bekundet hatte, behielt Thomasius den
Weißenfelser Pastor weiter im Auge und übersandte zunächst
am 4. Oktober 1653 dem Zwickauer Freunde einiges Quellen-
material über seinen Ahnen. Darunter befand sich eine
Beichte, die Pollicarius am 26. Juli 1569 abgelegt hat und
die uns unten noch beschäftigen wird. Am 17. Dez. 1653
trug Thomasius dazu noch nach, daß diese confessio, die er
aus einer Handschrift abgeschrieben hütte, im zweiten Teile
der , Trostsprüche* des Nikolaus Selnecker gedruckt stände,
„sed dempto Polliearii nomine". Die Abschrift und die
übrigen Notizen von der Hand des Thomasius sind jetzt in
der Daumschen Briefsammlung nicht zu finden, jedoch ist
der Verlust nicht weiter schmerzlich, da außer dem Abdruck
) Wackernagel, Bibliographie zur Geschichte des deutschen
Kirchenliedes, Frankfurt a. M. 1855, Nr. 748. Das Lied des Pollicarius
ist abgedruckt bei Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied 3,
Leipzig 1870, Nr. 1257.
*) Vgl. Rolermund, Fortsetzung und Ergänzungen zu Jöchers
Allgemeinem Gelehrtenlexikon 10, Bremen 1819, Sp. 532 und Gödeke,
Grundriß 2*, 190f. 98. — Der libellus egi owuooívnc a pastore
Leucopetraeo scriptus, den Melanchthon am 6. April 1552 nach Nürn-
berg schickt (CR 7,977), ist des Pollicarius. „Antwort auf das Buch
Osiandri von der Rechtfertigung des Menschen", erschienen bei Veit
Creutzer in Wittenberg (Bibliothek K. F. Knaake Abt. 8 — Oswald
Weigel, Leipzig, Auktionskatalog N. F. 6 Nr. 858; W. Möller, Andreas
Osiander, Elberfeld 1870, S. 491). — Über Übersetzungen Brenzscher
Schriften von P. vgl. P. Flemming in der Zeitschrift des Vereins f.
Kirchengesch. der Provinz Schsen 16, 11 Anm. Eine Schulpredigt des
Joh. Mathesius („Von der schule Elise, des großen Propheten Gottes, II,
Regum III... .“; Zw. RSB. 20. 7. 11) hat P. 1560 bei Georg Hantzsch in
Weißenfels erscheinen lassen (Georg Loesche, Johannes Mathesius 2,
Gotha 1895, S. 395 Nr. XIV 1).
67 67
bei Selnecker noch ein zweiter Abdruck der confessio vor-
liegt und ein späteres Schreiben in der Daumschen Brief-
sammlung für die übrigen verloren gegangenen Notizen reich-
lich Ersatz bietet, Thomasius suchte nämlich auch noch
spüter Daum bei dessen genealogischen Studien gefüllig zu
sein und bat Christian Weise, den nachmaligen Zwickauer
Rektor und bekannten Püdagogen und Dramatiker, als dieser
Professor für Politik, Eloquenz und Poesie am Weißenfelser
Gymnasium Augusteum geworden war!) nach dem einstigen
dortigen Superintendenten archivalische Nachforschungen an-
zustellen. Weise, der nicht wußte, daß Thomasius diese
Anfrage Daum zuliebe an ihn gerichtet hatte, antwortete
zunächst kurz, vertiefte sich aber dann in die Akten und
teilte das wichtigste daraus Daum unterm 3. Aug. 1676 mit.
Dieses Stück, die Hauptquelle für die interessanteste Episode
aus dem Leben des Pollicarius, da er vielleicht gar nicht so
schlimme sittlicheVerfehlangen mit unverhältnismäßigschwerer
und langer Kerkerhaft büßen mußte, ist im Anhang abgedruckt.
Ehe wir jedoch auf diese mit dem Jahre 1569 einsetzende
Episode eingehen, müssen wir einfügen, was sich tiber die
vorausgehenden Lebensschicksale des Pollicarius ermitteln läßt.
Er wird 1524 geboren sein °). Im Winter 1542 wurde
er in Leipzig, am 21. Jan. 1545 in Wittenberg immatrikuliert;
am 1. Sept. 1545 wurde er hier magister artium. Zwischen
seiner Leipziger und Wittenberger Studentenzeit war er an
der Schule in Rochlitz tätig. Wir besitzen nämlich eine
1544 bei Joh. Oporinus in Basel erschienene Schrift von ihm:
De recta et ordinata vocum compositione libri IIL Joannis
Polliearii Cygnaei opera in studiosorum gratiam collecti
nuneque primum in lucem editi*). Das an den Zwickauer
Bürgermeister Oswald Lasan gerichtete Widmungsschreiben
ist datiert: Rochlieii ex schola nostra 1544 in ipsis feriis
Johannis Baptistae, hoc est VIII idus Junij (24. Juni). Der
Verfasser bezeichnet sieh darin als Schüler des Petrus Pla-
teanus und des Joachim Camerarius; er wird also auf dem
2) Vgl. über Weise ADB 41, 593 fl.
2) In der bei Flemming a. a. O. zitierten Vorrede von 1584
schreibt er: ,Meins Alters im 60.* l
3) Zw. RSB. 4. 10. 18,.
bs
68 68
Zwickauer Gymnasium, das unter dem Rektorate des Plateanus
seine höchste Blüte erreichte !), für die Leipziger Universität
vorgebildet worden sein. Gleich nach seiner Magisterpromotion
richtete er an Antonius Musa, Superintendenten in Merseburg,
ein Gesuch um Anstellung in dessen Ephorie; Musa gab das
Gesuch unterm 20. Sept. 1545 an Fürst Georg von Anhalt,
den neugeweihten Bischof, weiter °); am 20. Dez. wurde er
von diesem für das Diakonat in Laucha (Ephorie Freiburg
an der Unstrut) ordiniert®). Von hier siedelte er bald als
Diakonus nach Weißenfels über. Schon am Schlusse des
oben erwähnten Widmungsschreibens an Fürst Georg vom
20. Okt. 1547 nennt er sich „apud Weisenfelsenses verbi
Dei minister“. Desgleichen erscheint er in einer mir un-
bekannt gebliebenen Druckschrift mit Vorrede vom 16. Jan. 1548
(„Etzliche Bußpredigten Brentii verdeutschet“) als „Prediger
zu Weißenfels“). Hiermit ist schwer zu vereinigen, daß er
unterm 6. Mai 1548 eine Vorladung vor das Merseburger
Konsistorium erhielt, „weil er das Pastorat von Querfurt
aufgegeben habe und das Diakonat von Weißenfels, über
das er vorher so oft wegen der vielen Arbeit und des ge-
ringen Einkommens Klage geführt hatte, wiederzubekommen
wünsche“. 5) |
Auch tiber der weiteren geistlichen Laufbahn des Polli-
carius liegt ein Schleier. Nach dem Weißenfelser Chronisten
Heydenreich®) wurde er am 24. März 1561 vom Kurfürst
) Herzog, Gesch. des Zwickauer Gymnasiums, Zwickau 1869,
S.8.17.76f. E. Fabian, M. Petrus Plateauus, Zwickauer Gymnasial-
programm 1878, S. 8ff,
9) O. Clemen, Archiv für Reformationsgesch. 9, 49. Musa schreibt
ausdrücklich: „Est doctas et bonus, sed in ministerio Euangelioo
hactenus non est versatus, quare nihil gravaretur diaconi vices
interim subire.^ Schon hieraus folgt, daB er nicht schon 1540 Pfarrer
zu St. Afra in Meißen gewesen sein kann, wie Kreyßig, Album der
evangelisch-lutherischen Geistlichen im Königreiche Sachsen?*, Crim-
mitschau 1898, 8. 3 meint.
) Flemming a. a. O. S. 10,
*) Flemming 8. 11 Anm.
5) Ebd.
*) G. H. Heydenreich, Kirchen- und Schulchronik der Stadt
und Ephorie Weißenfels seit 1539, Weißenfels 1810, S. 167.
69 69
August zum Superintendenten von Weißenfels und Freiburg
bestellt. Dem widerspricht, daß er sich schon im Titel der
oben erwähnten, wohl im März 1552 erschienen „Antwort
auf das Buch Osiandri^ Pfarrer und Superintendent zu
Weißenfels nennt. Dagegen stimmt zu Heydenreichs Angabe
ein Brief des Pollicarius vom 2. Juli 1555, adressiert: „Jacobo
Wigando, Pastori ac Superintendenti Weißenfelsensi“, in dem
er diesem einen Verwandten ftir das Pfarramt in Weischütz
(Ephorie Freiburg) empfiehlt!) Auffällig ist nun aber wieder
an dem Briefe, daB er datiert ist: ,Fryburgi ...* War
Polliearius vertretungsweise oder sonst vorübergehend dort
tätig? In Verüffentlichungen von 1554 (Historia von der
Himmelfahrt unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, Vor-
rede vom 19. Nov. 1553) 2), 1556 (Trostspiegel der armen
Stinder, Vorrede vom 12. April 1556)*), den Streitschriften
gegen Pflug von 1557 und der Ausgabe von Mathesius’
Sehulpredigt von 1560 (s. o. nennt er sich einfach, wie
schon 1548, darum freilich vom Merseburger Konsistorium
zur Rede gestellt, „Prediger zu Weißenfels“.
Sicher war er Superintendent, als er wegen ärgerlichen
Lebenswandels abgesetzt und am 23. Sept. 1568 auf das
Weißenfelser Schloß abgeführt wurde. Wir folgen nun den
Nachrichten, die wir Christian Weise verdanken. Als er
sich weigerte, Ángaben über den Verkehr mit einer Dirne,
die er aus Furcht vor der Tortur getan hatte, zu wieder-
holen, befahl Kurfürst August unterm 4. Mai 1569 dem
Hauptmann, ihn einmauern zu lassen, bis er verhungere.
Weise meint, das Gebot sei nicht ernst gemeint“), sondern
darauf berechnet gewesen, Pollicarius zu erschrecken und das
Schuldbekenntnis, das man von ihm hören wollte, aus ihm
herauszupressen; der Hauptmann habe die Nebeninstruktion
erhalten, den Pollicarius, wenn er die Aussage verweigere,
in einem unterirdischen Gefüngnis bei Wasser und Brot fest-
1) Enders, Beiträge zur bayerischen Kirchengesch. 3, 146f.
) Zw. RSB. 12. 6. 19,.
3) Zw. RSB. 36. 8. 14,.
' 4) Bei der Grausamkeit, die „Vater August“ gegen Peucer,
Cracow, ferner gegen Wilddiebe betätigt hat, wäre ihm dies aber doch
zuzutrauen!
10 10
zuhalten. Dieser Fall trat ein, und Pollicarius wurde in
eine finstere, feuchte Hóhle, neun Ellen unter dem Erdboden,
geworfen. Am 26. Juli wurde er vorübergehend daraus be-
freit, beichtete in einer Stube des Schlosses den beiden
Diakonen Augustin Jonas!) und Georg Lysthenius?) und
empfing darauf die Absolution und das heilige Abendmahl.
Aber erst 1570 wurde ihm eine etwas mildere Behandlung
zu teil, und erst am 22. Sept. 1573 verfügte der Kurfürst,
daß er in ein helles Gemach überführt wurde, wo er lesen
und meditieren konnte. Seine volle Freiheit erlangte er
erst 1578 wieder.
Die confessio des Pollicarius vom 26. Juli 1569 ist außer
bei Selnecker*) abgedruckt in der „Fortgesetzten Sammlung von
Alten und Neuen Theologischen Sachen“ 1728, S. 506 —21.
Lysthenius hat diesen Bericht als „Beichtvater der Frau
Äbtissin in Weißenfels“ für dieselbe aufgesetzt. Es ist das
eben die Schwester des Kurfürsten August Sidonia, die mit
Herzog Erich II. von Braunschweig-Calenberg vermählt ge-
wesen war, auf deren Fürsprache Weise die Milderung in
dem Verfahren gegen Pollicarias zurückführt. Die beiden
Diakonen trafen den Unglücklichen in einem ganz elenden
Zustand: „Da wir denn beyde einen anderen Pollicarium an
Form und Gestalt mit aufgelaufenem Leibe, als ob er wasser-
süchtig wäre, auf der rechten Seite ineinandergewachsen und
gekrümmet, darza verdorret und gar vermattet gefunden.“
Und Polliearius selbst schilderte seine Lage: „und obwohl dieser
mein armer, nichtiger, ausgehungerter, verdorreter, krummer
) Vgl. über ihn Flemmiug 3.20. Er wurde 1574 Superintendent
von Weißenfels (Polliearius Nachfolger?), starb aber schon 1575.
) Vgl. über ihn ADB. 18, 778; Kreißig S. 122. Er wurde 1572
Superintendent in Liebenwerda, 1573 Hofprediger in Dresden, 1587
Superintendent in Weißenfels und starb 1596.
*) Christliche, / Vnd / Sehr Schöne / Trostsprüche, vor engstige, /
betrübte, vnd verfolgte Christen: /.. . In Leypzig, bey Johan. Beyer.
1593 / 2. Teil 8. 185—201: „Confessio cuiusdam captivi pastoris ex
earcete ad absolutionem et communionem accedentis et multis lacrymis
effusis ita loquentis.^ — Herausgeber der „Trostsprüche“ ist Nikolaus
Selneckere Sohn Georg, Superintendent in Delitzsch, In der Vorrede
erwähnt dieser, daß sein Vater den 2. Teil als Flüchtling „in seinem
dazumal mühseligen Zustande Anno 90 im Kloster Berga vor Magde-
burg colligiert^ habe.
71 71
und vermatteter Leib ... unter die Erden gesteckt, den giftigen
Würmern, Schlangen und Kröten zur Speise an einer Ketten
vorgelegt wurde, denn, lieben Brüder, ich hange mit meinem
Bein an einer Eisenfessel, da setzen mir die giftigen Würmer
sehr zu, muß mich immer mit ihnen schlagen.. — Aber
fleischlicher Sünden bekannte er sich nicht schuldig, sondern
beklagte nur den „verdammten schrecklichen Saufteufel“,
der ihn „dazu bracht“ hätte.
Ruft schon diese confessio unser Mitgefühl wach, so erst
recht noch ein zweites Aktenstück, das uns im Wortlaut
bekannt geworden ist') Es ist ein Gnadengesuch, das der
gleichnamige Sohn des Johannes Pollicarius für seinen Vater,
bald nachdem dieser jene Beichte abgelegt hatte, an die
Kurfürstin Anna gerichtet hat. Der Bittsteller trügt hier
zunüchst über seine Personalien folgendes vor: Er habe sich
vor ungefähr vier Jahren von seinem Vater getrennt und sich
erstlich nach Rostock auf die Universität zum Studio be-
geben, hernachmals sei er nach Kopenhagen gezogen und,
nachdem er dort auch eine Zeit lang studiert, habe er einem
Rufe auf die dänische Insel Fehmarn Folge geleistet und
allda Schule und Kirche gedient. Vor kurzem sei nun sein
jüngerer Bruder zu ihm gekommen mit der Botschaft, daß
ibr Vater ,in einem thurm vormauert, an eine ketten ge-
schlossen und den dag nicht sehen kan, ihm auch nicht
mehr des dages den auf einmal ein wenig trucken brod und
eine kandel wassers tzur speise und tranck gereichet wurde“.
Er sei sofort nach Weißenfels abgereist und habe dort die
Lage seines Vaters noch schlimmer gefunden, als sie ihm
gemeldet worden sei. Er habe gar nicht zu ihm vordringen,
kein Wort mit ihm reden können; an dem alten Manne sei
nicht mehr als Haut und Bein zu sehn, tags und nachts
müsse er sich mit Schlangen, Kröten und Ratten herum-
schlagen, „wie mich die leute berichtet, die ihnen gesehen,
da er seine confessionem oder bekentnus gedan.“ Der Bitt-
steller fleht nun um Gnade für den alten Vater und schließt
— ein rührendes Zeugnis opferwilliger Kindesliebe — mit
dem Erbieten: „so will ich selbest zu erledigung meines
— — mm
) Th. Distel, ZKG. 11, 167ff.
72 ) 72
armen vaters, da er es verwirket haben sollte, mein leben
lassen und, so er keine gnade erlangen mag, mich an seine
stadt, darmit er entlediget, stellen.“
Der Bittsteller ist sicher identisch mit dem in Weises
Briefe erwähnten ältern Sohne Johannes, von dem es dort
heißt: in causa parentis fuif occupatissimus, zugleich auch
mit dem ebenda begegnenden angeblich dritten namenlosen
Sohne, der ecclesiastes in Dania gewesen sein soll. Daß
Johannes Polliearius iunior Geistlieber in Guhrau in Schlesien
gewesen sei, ist dagegen wohl eine Verwechslung Weises
mit einem aus Schlesien stammenden Magister Daumius, von
dem Thomasius am 10. Juni 1653 an Daum schreibt, daß er
ihn vor zwölf Jahren in Wittenberg kennen gelernt habe.
Ganz dunkel sind die Lebensausgünge des einstigen
Weißenfelser Superintendenten. Einer Nachricht zufolge
erhielt er nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis aus
Kommiseration und zur Pönitenz die Pfarre Markwerben !).
Aus der Vorrede an den Rat zu Regensburg von 1584 zu
einer mir nicht vorliegenden Druckschrift von ihm von 1586
(„Zwo erschreckliche Historien erklärt durch Brentium und
hirnach verdeudschet") scheint sich zu ergeben, daß er 1584
als exul in Regensburg weilte?). Vielleicht ist er 1588 über
Rostock nach Kurland gereist, dort Hofprediger der Herzogin-
witwe Anna geworden und in diesem Amte in hohem Alter
gestorben).
Polliearium Weißenfelsensem quod attinet, equidem
memini Thomasium ex me quaerere, num aliqua mihi de
viro essent cognita. Sed nesciens talia quaeri in gratiam
elarissimi viri et tum respondi brevius et in posterum ne
1) Tob. Schmidt, Chronica Cygnea, Zwickau 1656, S. 484.
9) Flemming S. 11 Anm.
*) Davidis Chytraei epistolae, Hanoviae 1614, S.824 (vgl.
Joachim Feller, Cygni quasimodogeniti, Lipsiae 1686, Fol. C 2a):
Chytráus an Jeremias Homberger aus Graz, damals in Regensburg
(wo P. 1584 als exul weilte!), Rostock 22. Sept. 1588: ,Misi in Cur-
landiam Joh. Pollicarium senem, qui casu ad nos venit, cnm ante
30 annos Weisenfelsae in Misnia Superintendens fuisset" — Nach
Theodor Kallmeyer, Die evangelischen Kirchen und Prediger Kur-
lands, 2. Ausg. v. G. Otto, Riga 1910, S. 576 wurde hier M. Joh. Poll.
aus Weißenfels, der seit 1567 in Rostock studiert hatte, Hofprediger
73 73
quidem fui solicitus, ut accuratiora cognoscerem. Nune, quae
ex archivo Praefecturae nostrae excerpere potui, hic habe.
D. 23. Sept. 1568 in custodiam arcis WeiBenfelsensis (quae
nunc plane aliam induit faciem) missus est. Postea ef pla-
cide et rigide, fallor? et per torturam de criminibus fuit
examinatus. Cum autem fateretur quidem se eum tribus
ancillis, quo tempore fuisset viduus, imo post repetitas nup-
fias, rem habuisse, quarum una pulchrae Lenae s. Magda-
lenae, ut arbitror, nomine fuerat celebris, neque tamen, quod
ob metum torturae affirmaverat, confirmare vellet, se cum
Lena, quamdiu habuisset maritum, consuevisse, d. 4. Maji 1569
rescripsit Elector ut muro undique clauderetur, donee fame
periret. Monitus -interim Praefectus est, talia saltem esse
seripta in terrorem, ut promptiorem ederet confessionem:
quod si tamen perseveraret negare, mitteret eum in carcerem
subterraneum, ibidemque tenui pane et aqua sustentaret.
Ita coniectus in speluncam novem ulnas profundam cum
tenebris, cum tentationibus Diabolieis, imo cum lacertis et
serpentibus est conflietatus. Extractus inde d. 26. Julii
eiusdem anni, antequam in conclavi arcis sacram indipis-
ceretur synaxin, confessionem edidit plane singularem, cuius
copiam a Thomasio tibi factam suspicor. Sed remissus est
in eustodiam, donec 1570 mansuetiori carceri traderetur, ubi
tamen lueis usura nondum frui potuit. D. 22. Sept. 1573
Eleetori demum placuit, ut in lucido conclavi detineretur,
ubi leetionibus et meditationibus indulgere sine impedimento
posset. Quo anno fuerit liberatus, in actis non invenio: colligo
tamen ex circumstantiis infra exponendis faetum 1578. Liberos
ex priori matrimonio habuit plures. In actis nominantur
Johannes et Philippus. Johannes postea Magister factus
functionem Ecclesiasticam Gurae in Silesia impetravit ac in
eausa Parentis fuit oeccupatissimus. Aliquis etiam dieitur
Praedicans s. Eeclesiastes in Dania, euius nomen non additur.
Filiam habuisse inde constat, quod Pastor Karsdorfensis
eiusdem gener audit. Altera uxor Agnes Mackenrodia
Franckenhusensis, ut auguror, paulo ante captivitatem ei
nupsit. Primum enim in vincula coniectus ad lectorem
scribit Pollicarius gravidam prima vice esse uxorem. Sororem
ea habuit Pauli Mtüldneri Civis Weissenfelsensis uxorem, qui
der Herzoginwitwe Anna und war als solcher am 5. u. 6. Nov. 1590
nebst mehreren anderen kurlündischen Pastoren als geistlicher Richter
in einem Injurienprozeß auf dem Mitauer Schlosse tätig. Steht die
Identifizierung des Hofpredigers mit dem Rostocker Studenten quellen-
müfig fest, dann würe Joh, Pollicarius jun. gemeint, und der Vater
wäre wohl nur zum Besuche des Sohnes 1588 von Rostock nach Kur-
land gereist.
74 T4
cum Pollicario gravissimas ac atrocissimas habuit contro-
versias. Ipsa Agnes maritum e custodia dimissum sequi
noluit eumque in finem e Consistorio Lipsiensi 1578 saepius
admonita tandem e civitate fuit eiecta. Johannes privignus
novercae objicit scelera turpissima, consuescere ipsam cum
juvenibus, ef esse Sartorem, cui quasi maritalem benevo-
lentiam concederet, unde factum, ut 1579 in exilium missa
poenas malitiae dederit. Pollicarius senior in libertatem
redaetus dicitur in popina quadam Martisburgensi ad cantum
fidieinis ancillas in choream protraxisse, ne quid addam
amplius. Sed quantum conjicio, fabulae a Muldenero, pessi-
maque et perfida uxore traxerunt originem. Si enim vel
maxime proclivis ad libidinem fuisset animus, certe senem
tot malis et miseriis fractum tam subito rediisse ad castra
eupidinis vix est probabile. Alii referunt eum, in dicendi
suavitate incomparabilem, in Churlandia denuo ad cathedram
Ecelesiasticam fuisse promotum. At sicut de loco certi nihil
habeo, sie, quousque talia eredi debeant, non video ...
Iam scripseram literas, ubi amicus antiquitatum Weissen-
felsensium callentissimus refert Pollicarium ad perpetuos
earceres destinatum intereessione Sidoniae fuisse liberatum.
Fuit ea Augusti Electoris soror ac Erico juniori Duci Brunsvic.
nupta; quod decem annis maritum aetate superaret!) ab
eodem contempta in coenobio Weissenfelsensi vixit. Sed
ista iam d. 5. Jan. 1575 diem obiit, ut exinde brevior in-
carcerationis terminus videatur ponendus. Antea enim augu-
rabar pene completum fuisse decennium. Sane Acta tempo-
ribus bellicis nimium mutilata dubium non solvunt. Forte
etiam Sidonia 1573 impetravit molliorem custodiam.
t) Sidonia geb. 8. März 1518, Erich 10. Aug. 1528.
Mitteilungen.
— —]nn
Aus Zeitschriften ^.
(Schluß von Heft 68).
Beiträge zur Geschichte Kurfürst Friedrichs II von der
Pfalz (1544—1556) gibt A. Hasenolever in ZGOberrh. NF. 35, 8
S. 278—812. Im ersten verfolgt er an der Hand der gedruckten
Auszüge aus den Ordensprotokollen Friedrichs Stellung als Ritter des
Goldenen Vließes uud zeigt, daß der Pfälzer sich nicht zu einem willen-
losen Werkzeug der den Orden beherrschenden kaiserlichen Politik
herabgewürdigt, dafür aber auch als Vliefritter keine bedeutsame
Rolle gespielt hat. Der zweite Beitrag betrifft Friedrichs Verhalten
in dem zwischen der kurpfülzischen Regierung und dem kaiserlichen
Kabinett schwebenden, unerledigt gebliebenen Streitfall um die sog.
Kirchengliter von Deventer, der zur antikaiserlichen Richtung der
kurpfälzischen Politik wesentlich beigetragen hat. Zum Schluß stellt
H. auf Grund des von Bossert in dieser Zeitschr. veröffentlichten
Melanchthonbriefes (Bd. XVII 8.70) fest, daß der Sekretär und Biograph
Friedrichs, Hubertus Leodius, seinen Herrn überlebt hat.
In den Monatsh. f. Rhein. KG. 14. Jahrg. S. 126—187 veröffent-
licht Th, Wotsehke („Ein Freund Paul Ebers“) aus der Gothaer
Staatsbibliothek Briefe des Kölner Professors der hebr. Sprache Johann
Isaak an Paul Eber literarischen Inhalts von 1558, 1562 und 1565
nebst einem Trostbriefe Ebers an Adolf von Strahlen in Köln von 1568
(Schlu8 soll folgen). |
Den Originaldruck der Tabula über 1. Joh. 2 von Johannes
Mathesius (Loesche I, 689) weist O. Clemen in einem Sammelband
der Zwickauer Ratsschulbibliothek nach (Nürnberg 1563). Gleichzeitig
führt er die ebendort befindlichen sonstigen Druckschriften des M.
auf. Mitt. V. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen 58 Heft 1/2 (1919)
8. 105 f.
Über Balthasar Merklin aus Waldkirch, Propst dort und Reichs-
vizekansler unter Karl V., in seiner politischen Wirksamkeit handelt
auf Grund der gedruckten Literatur Ad. Hasenolever in ZGOberrh.
NF. 34 8. 485—502 und 35 S, 86—80. Der Schwerpunkt der amtlichen
1) Die Schriftleitung ersucht die Herren Verfasser höflichst um
Zusendung einschlügiger Zeitsehriftenaufsütze zur Anzeige an dieser
Stelle.
76 16
Tätigkeit Merklins liegt in seiner wichtigen Mission naeh Deutsch-
land 1528, der Hasenclever im einzelnen nachgeht. Damit enden die
ausführlicheren Nachrichten tiber M., der anscheinend kurz vor seinem
Tode (+ 28. Mai 1531) vom Kaiser in Ungnaden entlassen worden iet.
Das Schlußurteil H.'s über M. ist doch wohl, obschon er auch der
Schwüchen dieses gedenkt, zu günstig gehalten.
Einen Nendruck der nur in wenigen Abzügen des Originaldrucks
(von 1528) noch vorhandenen Streitschrift Th. Murners „Des alten
christlichen Bären Testament“ veranstaltet mit ausführlicher Einleitung
M. Scherrer im Anz. f. Schweiz. G. Jahrg. 50 (NF. Bd. 17) S. 6—38.
P. Althaus, Der Verfasser und die ursprüngliche Gestalt des
Liedes , Aus meines Herzens Grunde" (des angeblichen Lieblingsliedes
Gustav Adolfs), weist als Verfasser den „frommen Hauptmann“ Georg
Niege (Nigidius) zu Allendorf (1525—1588) nach und bespricht die
auf der Berliner Staatsbibliothek befindliche hsl. Hinterlassenschaft
Nieges an geistlichen Liedern. Theol. Festschrift für G. N. Bonwetsch
(1918) S. 80—103.
Eine sorgfältige „Oekolampad- Bibliographie, Verzeichnis der
im 16. Jahrhundert verfaßten Oekolampad-Drucke" veröffentlicht E.
Staehelin in Basler Zeitschrift für Gesch. u. A. Bd. 17, 1 (SA., 119 8).
In einer Abhandlung über die Anfänge der Hildesheimer Stifts-
fehde würdigt Elsa Varnové auch die Chronik des Luthergeguers
Johann Oldecop und stellt fest, daß die von O. erst 1561 begonnenen
Aufzeichnungen nicht nur ungenaue Zeitangaben, sondern auch un-
richtige Wiedergabe der Tatsachen und falsche Begründung der Er-
eignisse enthalten: ZHV. Niedersachsen Jahrg. 84 (1919) S. 169—240
(bes. 224 ff.).
Das Leben des Gregorius Pauli, eines der bemerkenswertesten
Theologen der polnischen Reformation, stellt bis zum Jahre 1562, wo
er nach dem Bruch mit der reformatorischen Kirche eine eigene Ge-
meinde. die ecclesia minor, bildete, Th. Wotschke in Z. f. Brüder-
gesch. 14. Jahrg. S. 1—32 dar unter Beigabe von fünf Stücken seines
Briefwechsels (aus dem Herrnhuter Archiv).
Auf Grund von Briefen des Weimarer Ges. A., die anhangsweise
mitgeteilt werden, schildert P. Vetter den gelehrten Pfarrer von
Oelsnitz und dramatischen Dichter Paul Rebhuhn in den wirtschaft-
lichen Nóten, in die ihn die Übernahme der Pfarre gestürzt hatte:
NASG. 41 S. 43—78.
P. Kalkoff, Wimpfelings letzte lutherfreundliche Kundgebung,
würdigt die Stellung des Elsüssischen Humanisten im beginnenden
Glaubensstreit unter besonderer Rücksicht auf die anonym erschienene
und damals nicht gedruckte Streitschrift , Apologia Christi pro Luthero":
ZGOberrh. NF. 35, 1 S. 1—35.
Landschaftliches. Im Jahrgang 22 (1918) S. 3—41 der
NF. der Bil. f. Württemberg. KG. beendigt Pf. Rentschler die Gesch.
der „Einführung der Reformation in der Herrschaft Limpurg“.
77 77
In den Franziskan. Studien VII, 2 S. 156—165 beschreibt und
veröffentlicht A. Schaefer die Aufseichnungen des Franziskaner-
observanten Joh. Ulrich von Kaisersberg über seine Verhandlungen
mit Konrad Sam vor dem Ulmaer Rat am 5. August 1527 aus einer
Hs. der Stuttgarter Landesbibliothek.
Das Freiburger Diözesanarchiv gibt auch in den Bänden 19
und 20 der Neuen Folge (46. und 47. Bd. der ganzen Reihe) über-
wiegend „Beiträge zur Reformationsgeschichte Badens“, meist
aus den Akten geschöpft, leider jedoch nicht unbefangen, sondern
von einseitig katholischem Standpunkt aus dargestellt. So vor allem
Bd. 19 S. 1—80 P. Albert, Die reformatorische Bewegung zu Freiburg,
wo ein der katholischen Sache abgünstiger Bericht eines Augenzeugen
kurzweg als „in allen Stücken unzutreffend“ bezeichnet wird, während
was Bürgermeister und Rat an König Ferdinand — offensichtlich
dessen Wünschen angepaßt — tiber ihre kirchliche Haltung schreiben,
„um so wahrer“ ist, Daß die Reformation in F. durch Ferdinand nur
mittels brutaler Gewalt unterdrückt werden konnte, liegt ja ohnehin
durchaus zu Tage. — Die weiteren Beiträge sind: H. Lauer, Die
Glaubensneuerung in der Baar (S. 71—119); K. Gröber, Die Refor-
mation in Konstanz von ibrem Anfang bis zum Tode Hugos von
Hohenlandenberg 1517—1532 (S. 120—322); Jos. Sauer, Reformation
und Kunst im Bereich des heutigen Baden (S. 323—506). — Bd. 20:
K. Fr. Lederle, Zur Geschichte der Reformation uud Gegenreformation
in der Markgrafschaft Baden-Baden vom Tode Philiberts bis zum Ende
der kirchlichen Bewegungen (S. 1—45); E. Fleig, Die Aufhebung des
Klosters Herrenalb (S, 46—112); H. Lauer, Die theologische Bildung
des Klerus der Diözese Konstanz in der Zeit der Glaubeusneuerung
(S. 113—164). Vgl. auch Fr. Hefele, Die kirchengeschichtliche Lite-
ratur Badeng 1914—1918 (S. 181— 19»).
Die Müngel und Einseitigkeiten des Aufsatzes von K. Rieder zur
Reformationsgesch. des Dominikanerinnenklosters in Pforzheim (im
Freiburger Diózesanarchiv, s. diese Zeitschr. Bd. 16 S, 112) ergänzt
und berichtigt G. Bossert in ZGOberrh. NF. 84 S, 466—484.
Seine Beiträge „Zur Geschichte der Gegenreformation im Bistum
Konstanz“ (vgl. diese Ztsch. Bd. 16 S. 112f.) bringt K. Schellhaß
in 2 weiteren Abschnitten (ZGOberrh. NF. 34 S. 145—171 u. 278—299)
zu Ende; in der Buchausgabe wird sich jedoch noch ein Schlußkapitel
anschließen; die beiden Abschnitte behandeln im wesentlichen die
Schicksale des Abtes Oechsli im Jahre 1581.
Einen Brief des Peter van Ceulen an Beza über die von Rom
aus wie durch die Umtriebe der Sektierer gefährdete Lage der Kölner
Gemeinde vom 8. Mürz 1570 veróffentlicht Th. Wotschke aus der
Gothaer Staatsbibliothek in Monatsbl. f. Rhein. KG. 14. Jahrg. S. 41—43.
Aus der Feder eines jungen, im Weltkriege gefallenen Doktoranden
H. Kessel veröffentlicht das Düsseldorfer Jahrbuch 1918/19 (Beiträge
z. G. des Niederrheins Bd. 80) S. 1—160 den Abriß einer Geschichte
78 78
der Reformation und Gegenreformation im Herzogt. Cleve
1517—1609, vermehrt um eine nach den einzelnen Ämter und Ge-
meinden geordnete statistische Übersicht der Verbreitung der Kon-
fessionen im Herzogt. Cleve von 1609.
Im Jahrb. d. V. f. die ev. KG. Westfalens 22 (1920) S, 27—30
stellt Tb, Wotschke die 17 Westfalen susammen, die zwischen 1578
und 1631 in Wittenberg ordiniert worden sind, mit Vorgeschichte und
Angabe ibrer Pfarre.
Am gleichen Orte Jahrg. 20 S. 98—129 gibt Kl. Löffler eine
kurze ,Reformationsgeschishte der Stadt Münster“. Hauptsächlich
durch die Wirksamkeit Bernhard Rothmanns wurde Münster zu Anfang
der 80er Jahre für das Evangelium gewonnen und durch den Vertrag
mit dem Bischof vom 14. Februar 1588 rechtlich als evangelische
Stadt anerkannt. Dann hat bekanntlich die Errichtung des Wieder-
tiuferreichs in M. und die Einnahme der Stadt im Jahre 1585 die
Herstellung des Katholizismus eingeleitet.
Aus einem Aktenstücke im Ephoralarchive zu Grimma macht
G. Müller Mitteilungen über die von Sehling nur sum Teil berück-
sichtigten Kirchenordnungen für Coldits von 1529 und 1584 ein-
schließlich der Kirchenordnungen für das Gebiet des Amtes Colditz:
NASG. 41 S. 296—803.
Eine Geschichte der Reformation in der Stadt Northeim von
H. Bartels ist in den Forschungen zur Geschichte Niedersachsens
(98 S., 1918) erschienen.
Die „Gestaltung der Reformation in Ostfriesland“ stellt H.
Reimers im 20. Heft der Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte
Ostfrieslands dar (VIII, 64 S.).
Nur wenige Daten, die Th. Wotschke zusammenstellt, geben
über die Reformation in der Stadt Nakel Auskunft. Ihre Einführung
um 1522 wurde dem Inhaber der Starostei, Christoph Danaborz ver-
dankt, der aber schon 1528 starb. Aber erst 1597 wich der letzte
evangelische Prediger in Nakel der Verfolgung. Auch in der Um-
gebung Nakels entstanden evangelische Gemeinden, die hernach eben-
falls der Gegenreformation erlagen. Histor. Monatebil. f. die Prov.
Posen XX, 6 (Febr./Mürz 1920) S. 81—84.
Ausland, In Zwingliana 1918 Nr. 1 [Bd. III Nr. 11]
S. 829—337 beendigt W. Köhler seinen Aufsatz über Martin Seger
ans Maienfeld, einen eifrigen Mitarbeiter am Werke Zwingli'a (mit
3 Beilagen aus dem Züricher St. A.) und teilt E, Gagliardi den neu
aufgefundenen ausführlichen Auszug eines Zuhürers aus der Predigt
mit, die Zwingli am 12. Mürz 1525 unter dem Eindruck der Schlacht
von Pavia gegen den Fremdendienst hielt (S. 987—847). — Die folgende
Doppel-Nr. (1918 Nr. 2 und 1919 Nr. 1 = Bd. III Nr. 19/18) gilt als
Gedenknummer auf Neujahr 1919 (S. 857—460) und setzt sich aus
folgenden Beiträgen zusammen: S. 857—370 O. Farner, Zwingli und
sein Werk; S. 371—384 A. Eckhof (Leiden), Zwingli in Holland;
79 79
S. 885—395 K. Gauss, Die Beziehungen Z.'s zu den Pfarren des
Baselbiets; 8. 396—401 M. v. K., Zur Vorgeschichte der Berner
Reformation; S. 404—418 E. Bernoulli, 2 vierstimmige Sätze von
Z.'s Kappeler-Lied („Herr, nun selbst den Wagen halt“); S. 414—417
W. Köhler, Z. Student in Paris? (hält ein Studium Z.s in Paris
für mindestens wahrscheinlich); S. 418—435 Joh. Ficker, Z.'s Bildnis
(mit 2 Abbild.) Am Schluß gedenken G. Anrich der Zwinglifeier in
Straßburg 1819 (S. 435—487). Th. Häring des Reformationsfestes der
Schweizer im Tübinger Predigerinstitut 31. Dez. 1818 und 1. Jan. 1819
(S. 487—441) und Helen Wild des Züricher Reformationsjubiläums
von 1819 (S. 441—400).
W. Köhler, Ulrich Zwingli (Rede bei der Zwinglisükularfeier
der Universität Zürich, 3. Januar 1919) feiert Zw. als denjenigen, bei
dem die Verbindung Christentum und Antike den Gipfelpunkt ihres
Wertes erreicht. Internat. Monatschr, XIII (1919) Sp. 362—386.
In Beitrr. z. vaterl. Gesch. hersg. vom histor.-antiquar. V. des
Kantons Schaffhausen Heft 9 S. 78—99 schildert H. Werner nach den
Akten des dortigen Staatsarchivs den Versuch des vom Kaiser und
Papst unterstützten Propstes im Kloster Sólden (bei Freiburg i. B.),
Heinrich von Jestetten, i. J. 1555, die vor 2 Jahrzehnten von Schaff-
hausen säkularisierte Abtei Allerheiligen wieder aufzurichten, einen
Versuch, den die Stadt mit Hilfe der evangelischen Eidgenossenschaft
abschlug.
Am gleichen Orte Heft 9 S. 1—62 gibt J. Wipf ein anschauliches,
aus den Quellen geschöpftes Bild des Reformators von Schaffhausen
Sebastian Hofmeister, ehemaligen Frauziskaners, der von 1522 bis
1525 mit großen Erfolg in seiner Vaterstadt wirkte, dann einer Reak-
tion erliegend von hier verbaunt wurde und hernach 1528 bis an
seinen Tod als Pfarrer in Zofingen wesentlich beitrug, diese Stadt für
die Reformation zu gewinnen.
Die Reformation im baslerisch-bischöflichen Laufen schildert
auf Grund der Akten des Staats- und bischöflichen Archivs K. Gauss
im Basler Jahrbuch 1917 S. 37—95. Erst nachdem Laufen mit Basel
in ein Burgrecht getreten war und sich dadurch der Gewalt des
Bischofs entzogen hatte (1525), konnte die Reformation zum Siege
gelangen; um das Jahr 1536 kam sie zum Abschluß,
Das Nederlandsch Archief voor Kerkgeschiedenis N. S. Deel 15
(1919) enthält folgende Beiträge zur Niederländischen Refor-
mationsgeschichte: S, 49—60 J. C. Overvoorde, Uit. de eerste
jaren van de Luthersche gemeente te Leiden; S. 115—123 M. van Rhijn,
Wilhelmus Sagarus (Nachtrag dazu S. 289); S. 124—182 Johanna
M. Sernée, Bijdrage tot de kennis der finantiéele administratién van
de geestelijke stichtingen in Delfland na 1573; S. 188—149 G. A.
Hulsebos, De handelingen van de erste classicale bijeenkomst van
de. Classis Over-Veluwe gehonden te Harderwijk 15 Juli 1593;
S. 234—288 J. 8. van Veen, De Geldersche kerkelijke Rekenkamer.
80 80
Im NA Veneto NS. a. 17 Tomo 34 p. 1 8. 18—32 bespricht
A. Serena an der Hand einer bei den Augustinern in Rom auf-
gefundenen anschaulichen Relation des Ordensgenerals der Augustiner
Gabriel Veneto eine Augustinersynode in Treviso von 1526, in
der besonders Maßregeln gegen das Eindringen des Luthertums in
den Orden getroffen wurden.
Über 2 wichtige Veröffentlichungen der Norwegischen Theologie
zum Reformationsjubelfest von 1917?!) referiert eingehend H. Stocks
in ZKG. NF. I, 9 S. 407—410.
1) (O. Kolsrud, Utkast til en norsk Kirkeordinants .. for-
fattend 1604, und A. Brandrud und O. Kolsrud, To og tredive prae-
dikener holdt i Aarene 1578—1586 av M. Jens Nilssøn.
broek von C, Schulze 4 Co., G. m. b. H., Gräfenhainiehen,
Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter
Aleanders auf dem Wormser Reichstage.
Von Paul Kalkoff,
Zu den bedeutenderen Räten Karls V., den Männern
von militärisch-diplomatischem Rufe, die sich auf dem Reichs-
tage von 1521 den Nuntien bei ihrem Kampfe gegen Luther
zur Verfügung stellten, gehört auch ein in der europäischen
Geschichte vielgenannter Abenteurer, der Bischof von Sitten,
Kardinal Matthäus Schiner'). Er nimmt eine hervorragende
Stelle ein in der langen Reihe der kriegerischen Prälaten
oder Bandenführer im geistlichen Gewande, die von unseren
kampflustigen Bischöfen in der Zeit des Investiturstreites
und der Kreuzzüge über die furchtbaren Söldnerhäuptlinge
des vierzehnten Jahrhunderts, den „baskischen Erzpriester“
und den Kardinal Albornoz hinabreicht bis zu dem tollen
Christian von Halberstadt und dem Werbeoffizier Ludwig XIV,
dem Bischof Bernhard von Münster. Er zeichnet sich unter
ihnen aus durch die Vereinigung diplomatischer Talente mit
volkstümlicher Derbheit und urwüchsiger Leidenschaftlichkeit.
Man geht wohl zu weit, wenn man ihn als „einen der ge-
waltigsten Schweizer, die je gelebt haben“ ), feiert, oder als
„einen der größten Männer, die die Schweiz hervorgebracht
Abkürzungen: ADB. = Allgem. Deutsche Biographie. DRA.
— Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Gotha 1896.
BDB. — Kalkoff, Briefe, Depeschen u. Berichte über Luther. Halle 1898.
DA. = Derselbe, Depeschen des Nuntius Aleander. Halle 1897, AgL.
= Ders., Aleander gegen Luther. Leipzig 1908. WE. = Ders., Die
Entstehung des Wormser Edikts, Leipzig 1918.
1) Diese Schreibung seines Namens (statt Schinner) verdient den
Vorzug; sie erklürt sich aus seinem Wappenzeichen, den drei Schienen,
und er schrieb sich auch selbst so.
*) H. Escher in der heute noch recht brauchbaren Übersicht seines
Lebens in der ADB. 38, 735.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 6
82 2
hat"! Seine unermüdliche Tatkraft, seine Gewandtheit in
Behandlung der Menschen aller Stände, seine kriegerische
Unersehrockenheit in den schwierigsten Lagen seines wechsel-
vollen Lebens sicherten ihm einen gewissen Einfluß auf den
Gang der großen Politik; doch war er immer nur ein Werk-
zeug erst in der Hand Julius IL, dann Maximilians I. und
Karl V.; seine „Herrschsucht“ war schwerlich auf höbere Ziele
gerichtet, als auf die Mehrung seines Besitzes an Land und
Leuten, an Geld und Gut. Wenn Escher ihm die Absicht zu-
traut, die Weltmachtstellung der Schweizer durch Befestigung
ihrer Herrschaft über Oberitalien zu stützen, so übersieht er,
daß Schiner bei seinen kriegerischen Agitationen sich meist
in den Dienst jener beiden Mächte und sehr oft in den
) L. v. Pastor, Gesch. der Päpste III, 647f. Die Literaturangaben
S, 701 Anm. und bei Joh. Dierauer, Gesch. der Schweizerischen Eid-
genossenschaft. Gotha 1918. II, 456, Anm. 67 sowie in der Arbeit von
Alb. Büchi über ,Kard. Sch. u. die Reformbewegung“ in der Ztachr.
f. Schweiz. Kirchengeschichte, hrsg. von A. Büchi und I. P. Kirsch.
X. Jahrg. Stans 1916. S.1—24. Letzteres eine nach Tendenz und
Technik gleich bedenkliche Leistung, die es bedauern läßt, daß der
Vf. sich die Herausgabe des Briefwechsels Sch.'s und seine Biographie
zur Aufgabe gemacht hat, beides in nicht weniger als vier Bänden.
Abgesehen von dem mit größter Unbefangenheit unternommenen Ver-
such der kirchlichen Idealisierung Schiners gibt er folgende Proben
seiner Geschichtskenntnisse: er verzeichnet die Schlacht von Bicocca
(8.2) als Ergebnis der zähen Ausdauer Schiners und verlegt sie in
das Jahr 1521, während sie am 27. April 1522 ohne jede Mitwirkung
Sehiners bei diesem Feldzuge geschlagen wurde (H. Baumgarten, Gesch.
Karls V. II, 1, 35f. 61f). Dagegen war Sch. an der Überrumpelung
Mailands am 29. Nov. 1521 beteiligt. Die ,Bannbulle* gegen Luther
verlegt er auf den 15. Januar 1520, während doch erst am 15. Juni
die Verdammung seiner Lehre erfolgte und diese Bulle durch die
Begleitschreiben vom 8. und 17, Juli ihm mitgeteilt wurde, die jedoch
durchaus nicht speziell an den Kardinal Sch., sondern an alle Bischöfe
gerichtet waren, denen Aleander begegnen würde. Daß dieser schon.
1521 Kardinal gewesen wäre, trifft ebensowenig zu, wie daß dieser
hochmütige Italiener „Deutschland wohlgesinnt" gewesen sei (S. 12f).
Der S. 14 mehrfach zitierte „Ungenaunte“ ist von mir schon in den
BDB. S. 71f. als der Nuntius Raffael de’ Medici nachgewiesen worden.
Nach 8. 17 erscbeint Luther am 16. April vor dem Reichstage; ob Sch.
zugegen war, wissen wir nicht; ehr móchte ich das Gegenteil vermuten,
áa er nicht mehr als Reichsfürst betrachtet wurde und Aleander sonst
seine guten Dienste auch bei dieser Gelegenheit hervorheben würde;
3 83
sehärfsten Gegensatz zur eidgenössischen Zentralgewalt stellte.
Auch widerspricht die rohe Gewalttätigkeit, die skrupellose
Verschlagenheit, die zynische Selbstsucht, die seine Schritte
kennzeichnen, einer solchen Bewertung seiner Persönlichkeit,
Riehtig ist es, daß er auch nicht für die weltliche Macht
der Kirche sich aufopfern wollte, und vollends verfehlt ist
es, ihn zu einem von reformatorischen Ideen erfüllten Kirchen-
fürsten, einem Musterbischof zu stempeln, der „von inniger
Liebe zur Kirche und ihrem Oberhaupt, dem Papste, durch-
drungen“ gewesen sei. Es wird sich zeigen, daß er auch
dem Papste mit trotzigem Groll und kirchenfeindlichen De-
monstrationen begegnen konnte; „seine Strenge in geistlichen
die Stelle aus dem Bericht Contarinis vom 25. Apri] bezieht sich auf
dessen an diesem Tage abgehaltene Antrittsaudienz, bei der Sch. als
kaiserlicher Rat nicht fehlen durfte (DRA. II, 876, 10. BDB. S. 18.).
Daß das Billet Gattinaras (S. 17. Anm. 6) über die dringliche Bearbei-
tang des Wormser Edikts (DRA. II, 638) fälschlich auf ihn bezogen
worden ist, während es an den Erzbischof von Salzburg gerichtet war,
habe ich schon im AgL. S. 126, Anm. 2 gezeigt. Derselbe ist bei der
von Spengler geschilderten Szene im Fürstenrate (S. 514, 45) gemeint, in
dem Sch. nichts zu suchen hatte (S. 16). Die S. 18 erwähnten Drohungen
der Deutschen waren gegen Aleander gerichtet und von Sch. nur durch
seine Leute in Erfahrung gebracht worden, wie der Vf. mit leichter
Mühe hätte festhalten können, wenn er statt des ihm rütselhaften
italienischen Textes bei Balan S. 104 meine DA. S. 81 und für die
Stelle ans der Depesche Medicis („man solle nicht dulden, daß Luther
seine Bücher einpacke [!]^ statt „auf die Bahn bringe, verbreite“) die
Übersetzung in den BDB. S. 28 benutzt hätte. Zu Aleander verweist
er S, 20 Anm. auf zwei völlig veraltete Arbeiten, darunter einen
wertlosen Artikel von Gaß in der ADB., in die dieser Italiener über-
haupt nicht hätte aufgenommen werden sollen. Das Schlimmste aber
ist, daB der Aufsatz A. Büchi's im wesentlichen nur eine verwüsserte
Wiedergabe der in ihrer Art tüchtigen Arbeit Jollers über ,Kardinal
Sch. als katholischen Kirchenfürsten“ ist, einer „historischen Skizze“
in den ,Blüttern aus der Walliser Geschichte" (Sitten 1895. 1, 49— 62.
65—69). Auch hier waltet die Tendenz vor, den Bischof von der „An-
Schnldigung' zu retten, daß er nicht nur die ,Reformbetrebungen
Luthers und Zwinglis begünstigt habe, sondern bei lüngerem Leben
wahrscheinlich zum Protestantismus übergetreten wäre“; aber hier ist
wenigstens die ältere Literatur sorgfältig benutzt und die lokale Uber-
lieferung fleißig gesammelt worden, während Büchi seine Selbständig
keit fast nur in den oben angeführten und weiter zu rügenden Fehlern
und Miß verständnissen bekundet.
6 *
84 4
Dingen und sein untadelhafter Wandel“) erklärt sich zur
Genüge aus seiner beschränkten Bildung und seiner Lust
am Herrschen und Gewinnen: der Bischof und Kardinal war
sich wohl bewußt, was die Kirche ihm leisten konnte, und
seine bäuerliche Erziehung, seine kriegsmäßige Lebensweise
schützte ihn vor der gewöhnlichen Schwäche genußstichtiger,
schwelgerischer Priester?). Eine gute Begabung befähigte
ihn trotz einer nur dürftigen schülmäßigen Ausbildung, sich
der für sein Handwerk unentbehrlichen Sprachenkenntnis
zu bemächtigen, auch das landläufige Latein zu schreiben,
und eine wilde Beredsamkeit ließ ihn die Gemüter seiner
Reisläufer beherrschen, wie der Wind die Wogen, zumal
wenn er mit päpstlichem Gold und reicher Beute winken
konnte — wenn beides ausblieb, mußte auch er oft erfahren,
wie wandelbar die Gunst seiner Landsleute war. Den
Venetianern scheute er sich nicht, von der Nationalkrankheit
der Schweizer zu reden, die durch Geld schnell zu heilen
sei®), und einen päpstlichen Zahlmeister, der sich mit dem
Solde verspätet hatte, drohte er, er hätte ihn hängen lassen,
wenn er nicht zufällig Bischof wäre“). Um zu zeigen, was
es mit dem kirchlichen Reformeifer dieses Condottiere auf
sich hat oder gar mit einer ihm gelegentlich angedichteten
Hinneigung zu Luthers Lehre, genügt es, auf seine Tätigkeit
in Worms zu verweisen. Indessen müssen, um seine da-
malige politische Rolle zu verstehen, die Hauptpuukte seines
) v. Pastor III, 647. „Er sah seine Lebensaufgabe darin, die
kriegerische Kraft seines Volkes für die Verteidigung des heiligen
Stuhles za gewinnen“, — so lange dieser zahlte und nicht mit Frank-
reich verbündet war.
9) Zu Joller, S. 59. Eine treffende Charakteristik liegt daher in
dem einen Worte, mit dem A. Burer am 17. November 1519 aus Basel
meldet, der Kardinal sei beritten bei ihrem Bürgermeister erschienen,
„miles ad militem divertens“. Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des
Beatus Rhenanus S. 192, — Es ist ein weit verbreiteter Unfug, jeden,
der eine Lateinschule durchlaufen hat oder, was bei Schiner nicht einmal
der Fall ist, ein paar Jahre eine Universität besucht hat, „humanistisch
gebildet“ za nennen, wie es Büchi in einem Artikel des kirchlichen
Handlexikons (hrsg. v. M. Buchberger, München 1912. II, 1963) tut.
*) Dierauer II, 459 Anm. 75.
*) So geschehen dem Dr. iur. utr. Michael Claudi, Bischof von
Monopoli. Eubel, Hierarchia catholica III, 265. 295.
5 85
Lebensganges und dessen entscheidender Wendepunkt kurz
geschildert werden.
Der Aufstieg Schiners ist durch zwei politische Faktoren
in der Geschichte seiner Heimat bedingt: einmal durch den
Gegensatz zwischen den Bauerngemeinden des oberen Wallis
und den mehr im untern Rhönetal gebietenden Herren-
geschlechtern, die sich beide den in der Mitte des Landes
belegenen Bischofssitz streitig machten. Schon im Anfang
des 15. Jahrhunderts war es zu einem Zusammenstoß mit
dem Hause Raron gekommen, das zugleich die Landeshaupt-
mannschaft und das Bistum an sich gerissen hatte. Schiners
ganzes Öffentliches Leben ist beherrscht von dem Kampfe
gegen die Herren auf der Fltüe (Supersaxo), die von 1457— 82
den bischöflichen Stuhl innehatten und deren von Jörg auf
der Flüe, dem Todfeinde Schiners, geführte Partei!) nach
seinem Tode einen ihrer Anhänger einzusetzen versuchte,
der dann aber 1529 dem Erwählten ihrer Gegner, Adrian
von Riedmatten, der als Begleiter Schiners in Worms war)),
weichen mußte. Diese Kämpfe spielten sich in heftigen Volks-
erhebungen ab, als deren Sinnbild, ähnlich wie in Deutsch-
land der Bundschuh, eine phantastisch geschnitzte Keule,
die Mazza, galt“). Schon unter dem Bichof Walter auf der
Flue war 1475 ein enger Bund zwischen den oberen Zehnten
des Wallis und den Urkantonen zu Stande gekommen, deren
Einfluß nun so weit reichte, daß sie ihren als diplomatischen
Unterhändler erprobten Landsmann, den Propst Jobst von
Sillenen, als Bischof von Sitten durchsetzen konnten. Unter
dessen Regierung machte sich nun die zweite politische
Verwieklung geltend, die Schiners Lebensgang dauernd
beherrschen sollte: der Zug Karls VIII. nach Neapel und
die zunächst auf die Eroberung Mailands gerichtete Politik
!) Es ist daher zum mindesten sehr mißverständlich, wenn
v. Pastor von diesem Gegner Schiners als von „dem kühnen Demagogen,
dem Hochverrüter, dem Aufrührer gegen geistliche und weltliche Ge-
walt“ redet (III, 701. Anm.) Heute noch ist in Sitten das Haus des
Landeshauptmanus Georg Supersaxo mit einem schön getäfelten Saale
von 1505 erhalten. Bei der Vertreibung Sch.'s setzte er seinen eigenen
Sohn als Administrator ein.
) DRA. II, 990: als Domkustos und Hofmeister.
3) Dieraner S. 9. Anm. 9.
86 6
Ludwigs XII. führte zu einer jähen Umwälzung auch im
Bistum Sitten: die kriegslustigen und beutegierigen Bauern
der obern Zehnten, die schon 1482 einen freilich erfolglosen
Zug ins Mailändische gewagt hatten !), waren tiber den Wett-
bewerb Frankreichs erbittert, verjagten 1496 den Bischof
Jodocus, weil er Karl VIII. unterstützt hatte, und erhoben
den aus einer Bauernfamilie des Oberwallis stammenden Niko-
laus Schiner. Wir erfahren aus einer an Papst Alexander VL
gerichteten Beschwerde Ludwigs XIL, daß dieser Usurpator
an der Vertreibung seines Schützlings beteiligt gewesen sei;
der König wünscht, daB der Papst ihn absetze und den von
Frankreich empfoblenen Dechanten Peter von Hertenstein
ernenne?) Dies geschah jedoch nicht, sondern die Gegner
Frankreichs befestigen ihre Stellung im Bistum noch, indem
schon 1499 der betagte Nikolaus zu Gunsten seines rlistigen
Neffen Matthäus abdankte, den er bald nach seiner eigenen
Erhebung zum Dechanten der Marienkirche auf dem Schloß
Valeria in Sitten gemacht hatte. Selbstverständlich waren
es nicht die Tugenden des „einfachen Dorfpfarrers“, die die
Aufmerksamkeit des Bischofs auf diesen gelenkt hatten, so-
daß er „in der geistlichen Laufbahn“ so erfreulich „empor-
rückte“®), sondern seine Rührigkeit im Dienste der volks-
tümliehen Politik, durch deren Überlieferungen auch seiner
ersten kriegerischen Aktion als Bischof die Wege gewiesen
waren: im Jahre 1500 erneuerte er den Bund seines
Bistums mit den Eidgenossen und führte die erste Hilfs-
truppe nach der Lombardei, um die Herrschaft der Sforza
gegen Frankreich zu stützen, und im Bellenzer Kriege (1503)
legte er seine erste Probe als Diplomat ab‘). Infolge des
Zusammenbruchs der Sforza sah er sich dann zar Anlehnung
an die kaiserliche Politik genötigt, und so erschien er 1507
) Dierauer S. 335f.
*) Schreiben vom 7. Dez. 1498. Eubel II, 257.
3) Diese naive Auffassung Eschers (a. a. O. S. 729f.) klingt noch
bei Dierauer S. 456 nach. 7
4) Ildephons Fuchs, Die mailändischen Feldzüge der Schweizer.
St. Gallen 1812. II, 17ff. Durch die Fülle charakterischer Züge und
Mitteilungen aus den ersten Quellen heute noch beachtenswert. Die-
rauer II, 456.
7 87
auf dem Reichstage zu Konstanz als Führer einer eid-
genössischen Gesandtschaft, die besonders zu einer engeren
Verbindung zwischen Maximilian I. und Zürich führte. Hin-
fort war gerade Zürich immer der dankbarste Boden für
die antifranzösische Werbetätigkeit Schiners ), während sein
bisheriger Mitarbeiter, der Freiherr Jörg auf der Flüe, sich
schon damals von Frankreich gewinnen ließ und sich so
mit dem Bischof tödlich verfeindete.
Dieser trat jetzt in das Getriebe der großen euro-
päischen Politik ein und war im Rahmen der gewaltigen Er-
eignisse, die auf den Abschluß der Liga von Cambrai folgten,
als Mitarbeiter bald der püpstlichen, bald der kaiserlichen
Unternehmungen, als Unterhündler bei den Eidgenossen und
Werbegeneral tätig. Er durfte bald von Rom im Purpur
der Kardinalswürde und mit den Vollmachten eines Legaten
zu seinen Landsleuten zurückkehren ?); Julius II. löste sein Stift
ferner aus dem Verband der franzósischen Metropoliten von
Tarentaise, was Leo X. bestütigte, und verlieh ihm aus den ein-
gezogenen Pfründen der schismatischen Kardinäle der, Winkel-
synode“ von Pisa die Einkünfte der Augustinerpropstei St. Maria
von Cressenzago im Mailänder Sprengel sowie die Admini-
stration des Bistums Novara, das ihm 2— 3000 Gulden Ein-
kommen sicherte“). In der Heimat siegte sein Einfluß über
den Georgs auf der Fltie, der vertrieben und dem „heiligen
Vater vom Wallis“, wie er spottete, zu Gefallen in Freiburg
eingekerkert wurde: seine Flucht kostete den französich
gesinnten Schultheißen das Leben. Und wenn auch zwei der
von Schiner geleiteten Züge der Schweizer, der „Chiasser“ Zug
und die Unternehmung von 1511 kläglich scheiterten, so er-
reichte er doch den Höhepunkt seines Glücks, als er, soeben
schimpflich aus seiner Heimat vertrieben und flüchtig, am päpst-
lichen Hofe erschien, um nun als Legat des heiligen Stuhles und
diplomatischer Führer des „Pavier Zuges“ die Eroberung von
2) H. Ulmann, Kaiser Maximilian I. Stuttgart 1891. II. 823f.
*) Schon 1508 in petto kreiert, doch erst 1511 promulgiert.
Eubel ITI, 13. v. Pastor III, 619. 677: Kardinal-Priester vom Titel
8. Pudentiana, nicht wie in älteren Werken oft zu lesen ist , Potentiana".
9) Eubel III, 278. Sein Sekretär Dr. Sander erhielt 1515 ein
Benediktinerkloster bei Bergamo als Kommende. Hergenröther, Regesta
Leonis X. Nr. 15324,
88 8
Mailand (1512) vorzubereiten). Die Sforza sorgten jedoch
dafür, daß er die Regierungsgewalt nicht dauernd an sich
reiben konnte, und entschädigten ihn mit der Grafschaft
Vigevano, deren reiche Einkünfte er durch Erpressungen und
Unterschlagungen zu ergänzen verstand, die, wie Escher ur-
teilt, „das Maß des Gewöhnlichen nicht allzusehr tiberschritten
zu haben scheinen“.
Als Vertreter des kaiserlichen Gesandten im Konklave
konnte er eine gewichtige Stimme für die Wahl Leos X. in
die Wagschale werfen, ohne jedoch selbst Aussicht auf die
Tiara zu haben. Der Sieg der Schweizer bei Novara (1513)
befestigte seine Stellung noch mehr, so daß er sich heraus-
nehmen durfte, dem Neugewählten bei der Aussöhnung mit
den abgesetzten Kardinälen der französischen Partei trotzige
Opposition zu machen?); kein Wunder: hatte er sich doch
an ihren Spolien bereichert. Immerhin war der herrische
Kriegsmann so unentbehrlich, daB Georg auf der Flüe, der
als sein Ankläger in Rom erschienen war, in die Engelsburg
wandern mußte. Es ist nun ein beachtenswertes Zeugnis
für den staatsmännischen Blick und die unermüdliche Tat-
kraft Schiners, daß er den seit der Thronbesteigung Franz I.
immer deutlicher hervortretenden Anschlägen der Franzosen
auf die Rückeroberung der Lombardei mit allen Kräften
entgegenarbeitete. Hierin liegt vielleicht das größte Verdienst
seiner politischen Tätigkeit, die rastlos auf die Vereinigung
der Kräfte des Kaisers und des Papstes, der Spanier und
Schweizer gerichtet war, um den Stoß zu parieren. Nur
schade, daß er die Frucht dieser Bemühungen in seiner allzu
eigenmächtigen, hitzigen und brutalen Art aufs Spiel setzte,
als er die in Mailand lagernden Schweizer zu dem schlecht
vorbereiteten Angriff auf das französische Lager bei Marig-
nano (13./14. Sept. 1515) verleitete. Schon hatte die Eid-
genossenschaft am 8. September ihren Frieden mit Frankreich
gemacht, der, vom Heere verworfen, doch die Zwietracht der
Führer zur Folge hatte. Unter solchen Umständen war es
doch ein unerhörter Frevel, wenn der Kardinal es unter-
1) Dierauer S. 458. 469. 476. v. Pastor III. 700. 713. 718.
Ulmann S. 458,
2 v. Pastor IV, 1, 16. 2, 769. 1, 30, 38.
9 89
nahm, die Truppen ohne ihren freien Entschluß und ohne
alle Vorbereitung in einen Entscheidungskampf zu verwickeln:
indem er den Hauptmann der herzoglichen Garde an-
stiftete, auf eigene Faust anzugreifen, und ihm persönlich
mit den päpstlichen Truppen folgte, versetzte er das Haupt-
heer in die Zwangslage, aus landsmannschaftlichen Rück-
sichten in das Scharmützel einzugreifen ). |
Die furchtbare Niederlage der Schweizer hatte zugleich
den Sturz Schiners zur wohlverdienten Folge: die Schweiz
schloß mit Frankreich Frieden, und als auch der Papst sich
in Bologna vor dem Sieger beugte, mußte er sich auch ver-
pflichten, Schiners Feind aus der Haft zu entlassen; hinfort
war dieser aus seiner engeren Heimat hoffnungslos verbannt,
bei den Eidgenossen höchst mißliebig und seiner mailän-
dischen Güter wie des Bistums Novara beraubt, Auch von
der Kurie verleugnet, fand er eine Zufluchtstätte bei der
Regierung in Innsbruck und war fortan nichts weiter als ein.
von des Kaisers Gnade abhängiger Agent.
Als solcher machte er sich zunächst nützlich, indem er
als Gesandter in London an einer antifranzösischen Verbin-
dung zwischen dem Kaiser und England arbeitete?); aber als
dann der Kriegszug Maximilians im Jahre 1516, den Schiner
durch Anwerbung einer stattlichen Schweizertruppe mit eng-
lischem®) Gelde unterstützt hatte, statt der Eroberung Mai-
lands nur Zwietracht und Meuterei und endlich einen kläg-
lichen Mißerfolg brachte*), da war seine Rolle in der großen
Politik bis auf weiteres ausgespielt.
1) Dierauer S. 512f., wo nur das Urteil über die frivole Handlungs-
weise Schiners viel zu milde gehalten ist. Von dem Geschicht-
schreiber der Päpste wird die ruchlose Tat des Kirchenfürsten mit
der wohlklingenden Wendung übergangen, daß er „die Schweizer zur
Schlacht angefeuert habe“. v. Pastor IV, 1, 81f. 97f.
2, DRA. I, 8f. 11ff. über diese Verhandlungen, die Maximilian
und „sein vertrauter Rat“, der Kardinal Sch. in den Niederlanden fort-
setzten. Sch.s Korrespondenz mit Wolsey bei Brewer, Letters and
Papers II, III.
) v. Pastor IV. 1, 110. Ulmann II, 565. 667. 678. A. Walther,
Die Anfänge Karls V. Leipzig 1911. S. 178f.
*) Dierauer S. 523, Ulmann II, 667. 678. Dabei läßt sich nicht
lengnen, daß er bei seiner Werbetütigkeit für die Sache des Kaisers
90 10
Er machte daher jetzt noch einen verzweifelten Versuch,
sich in seinem Bistum wieder einzudrüngen. Schon hatte
dort der offene Kampf begonnen, indem Jörg auf der Flüe
an der Spitze der französischen Partei gegen die Brüder des
Bischofs aufgetreten war und ihnen das Schloß Martinach
entrissen hatte. So wurde der Kardinal im Herbst 1517 aus
seinem Bistum vertrieben. Gleichzeitig machten seine Gegner
ihre Klagen bei der Kurie wieder anhüngig, während Sehiner
die Fürsprache des Kaisers anrief: am 23. August 1518 wurde
im Konsistorium ein Sehreiben verlesen, in dem Maximilian
das heilige Kollegium ersuchte“), seinem Mitglied in dessen
Streitsache mit den Wallisern beizustehen, und am 4. Sep-
tember forderte er den Papst auf, den Bischof gegen seine
rebellisehen Untertanen zu schützen und ihm wieder zum
Genuß seiner Einkünfte zu verhelfen?) aber alles vergebens.
So blieb ihm als einziger Rückhalt nur sein Verhältnis
zur kaiserlichen Regierung, das auch tiber den Tod Maxi-
milians hinaus fortdauerte; denn der aus burgundisch-nieder-
ländischen Staatsmünnern und alten kaiserlichen Räten
gebildete Ausschuß zur Betreibung der Wahl Karls I. sicherte
sich alsbald die Mitwirkung Schiners, der nun unter der be-
sondern Leitung des bedeutendsten unter jenen Diplomaten,
des Herrn von Zevenberghen, die Aufgabe erhielt, die
Schweizer für die habsburgische Kandidatur zu gewinnen oder
sie wenigstens von einer Unterstützung Frankreichs abzu-
in der Schweiz mit Umsicht und Weitblick verfuhr. So empfahl er
am 2. Nov. 1517 von Zürich aus einige Schweizer Studenten ihrem
Landsmanne Joachim von Watt, damals noch Professor in Wien, damit
sie nicht nach Paris gehen möchten: „quotquot enim eo vadunt,
perduntur Caesari". Mitteilg. d. hist. Vereins von St. Gallen (Va-
dianische Briefsammlung I) XXIV, 200f.
1) Bei Eubel III, 18. Note 7 dahin mißverstanden, als ob Leo X.
dem Kaiser die Sache des Kardinals empfohlen hütte: aber das konnte
der Papst bei seiner damaligen Abhängigkeit von Frankreich gar
nicht wagen.
?) Kalkoff, Forschungen zu Luthers röm. Prozeß. Rom 1905.
S. 126. Im Zusammenhang mit diesen Streitigkeiten ließ Schiner eine
genaue Aufstellung der Rechte und Einkünfte des Bistums wie seiner
Privatgüter im Wallis anfertigen, die D. Imesch in der Ztschr. f, Schweiz,
Kirchengesch. X. Jahrg. S. 162—168, abgedruckt hat.
11 91
halten ). Er sollte seinen Landsleuten zu Gemüte führen, daß
Franz I. sie bei dieser Gelegenheit zu unterjochen gedenke,
wie es in einer Instruktion der Statthalterin Margarete heißt h).
Àn diese hat Sehiner auch unmittelbar Bericht erstattet, indem
er seinen auch in Worms erschienenen Begleiter, den Grafen
Matthäus von Beecaria, mit mündlichen und schriftlichen Mel-
dungen an sie abordnete?); diese empfahl ihn dann wieder
dem Könige als „personnage tr&s-expert“ und „sehr begierig,
ihm zu dienen und die Franzosen zurückzuweisen“. Während
die deutschen Kommissare es wohl für ausreichend hielten,
sich der Hilfe des Schwäbischen Bundes zu versichern, drang
‚Schiner darauf, daß man die Schweizer durch hohe Pensionen
gewinnen solle: „der Weise sagt, daß ein Strick aus drei
Schnuren schwerer zu zerreißen ist, als ein einfacher*)".
Dazu konnte sich nun freilich die spanisch-habsburgische
Regierung, die ihr Geld zur Befriedigung der Wahlfürsten
nötiger brauchte, nicht entschließen; immerhin wurde das
nächste Ziel erreicht: die Eidgenossen erklärten, daß sie
keinen Nichtdeutschen als Kaiser dulden würden, ohne freilich
Karl als den ihnen etwa genehmen Bewerber zu nennen.
Denn, wie Zevenberghen ganz richtig beobachtete, wünschten
sie im Grunde ebenso wie der Papst den Machtzuwachs, den
2) Vgl. die fleißige Arbeit von Joller, Kard. Sch.'s Beziehungen
zur Wahl Karls V. in den Blättern aus der Walliser Geschichte I,
128—142, in der die ältere Literatur besonders bei Le Glay, N6gocia-
tions dipl. entre la France et l'Autriche. Paris 1845 und in den State Papers
erschöpfend benutzt worden ist. Leider wird sie entwertet durch die
Tendenz, Sch.’s Persönlichkeit zu idealisieren und die Bedeutung seiner
Mission zu übertreiben; er habe es verstanden, die Eidgenossen „für
Kaiser und Reich zu begeistern*.
3) DRA. I, 114. 181 Anm. 4, 182. 185, Für gewöhnlich berichtete
Sch. an Zevenberghen. S. 234. 240. 548.
*) DRA. I, 185. Anm. 1. 278 fl. IT, 960.
© DRA. I, 860. 278. Anm. 1. 474. In der Denkschrift Schiners
vom 1. Febr. 1519 heißt es, die schon sehr geschwundene Neigung
der Schweizer für Habsburg sei „aere et pensionibus“ aufzufrischen.
F. J. Mone, Anzeiger f. Kunde der Deutschen Vorzeit. Karlsruhe
1886. V, 18. Joller S. 135. In der sehr verdienstlichen Arbeit von
W. Gisi, Der Anteil der Eidgenossen au der europüischen Politik
während der Jahre 1517—1521. Archiv. f. Schweiz, Gesch. Zürich 1871.
XVII., tritt Sch., wie es den Tatsachen entspricht, durchaus hinter
Zevenberghen zurück (vgl. z. B. S. 98 fl.).
92 12
Frankreich oder Spanien durch die Kaiserwürde gewinnen
mußten, zu verhindern; und da Frankreich, falls Franz I.
nicht gewählt würde, entschlossen war, mit dem Papste für
die Wahl eines Dritten einzutreten, so wollten sich auch die
Sehweizer nieht dazu hergeben, durch Stellung einer Truppen-
macht einen Druck auf die Kurfürsten auszuüben, um die
Erhebung des Spaniers zu sichern!) Für diese bedenklichen
Anschläge auf die Unabhängigkeit der Wahlberechtigten waren
die Kommissare somit auf die Hilfe des Schwäbischen Bundes
und, als dieser versagte, auf den allzeit käuflichen Banden-
führer Sickingen angewiesen, der ihnen in der Tat in wirk-
samster Weise half, „die Freiheit der Wahl zu schützen“ ).
Auch ein anderer Versuch, eine Beeinflussung der Kur-
fürsten mit Hilfe des Papstes herbeizuführen, bei dem Schiner
eine Hauptrolle spielen sollte, scheiterte an der geheimen
Abneigung der Kurie gegen die Wahl des Beherrschers von
Neapel. Schon im Februar 1519 richtete König Karl I. das
Ersuchen an den Papst, den Kardinal Schiner zum Legaten
a latere zu ernennen, um seine Wahl zu fördern; er hoffte,
daß auch Heinrich VIII. diesen Plan unterstützen werde,
und auch die Statthalterin war (6. März) sehr davon einge-
nommen“): der Papst sollte den Kardinal durch eine Bulle
bevollmächtigen, die Kurfürsten an ihre Pflicht zu mahnen,
genau nach den Vorschriften der Goldenen Bulle zu wählen
bei Strafe des Bannes, des Verlustes ihres Wahlrechtes und
der Ungültigkeit der Wahl; so könne man den Umtrieben
der Franzosen begegnen, denn Schiner würde schon diese
Fakultäten zugunsten Karls zu gebrauchen wissen. Aber
abgesehen davon, daß Leo X. vielmehr daran dachte, die
Bestimmungen der Goldenen Bulle außer Kraft zu setzen,
um die Wahl eines Dritten, des Kurfürsten von Sachsen,
durch eine Minderheit zu ermöglichen‘), durfte er schon aus
1) Am 16. März weist Karl seine Gesandten an, nach dem Rate
Schiners über die Stellung von 10—12000 Schweizern zu verhandeln,
um die Freiheit der Wahl gegen die Franzosen zu schützen, und
zugleich ein Bündnis vorzubereiten. DRA.I, 481.
) DRA. I. 702. AgL. S. 78 f.
) DRA. I, 179. Anm. 1. 226. 340. 860. 392. Joller a. a. O. S. 141.
) ZKG. XXV, 414.
13 l 93
Rücksicht auf den ihm verbündeten König von Frankreich
nicht daran denken, dessen geschworenen Gegner derartig
auszuzeichnen. Man hörte denn auch bald aus Rom, daß
der Papst den Kardinal nicht nach Frankfurt entsenden werde,
da er neutral zu bleiben wünsche ).
Immerhin war die spanische Regierung mit den von
Schiner geleisteten Diensten so zufrieden oder wenigstens
von seiner Unentbehrlichkeit so überzeugt, daß Karl 1. ihm
zweimal die Summe von 1000 Gulden anweisen ließ und
ihm Ende Mai durch Zevenberghen eine Urkunde übermittelte,
in der ihm bis zur Verleihung einer größeren Pfründe ein
Jahrgeld von 2000 Gulden verbürgt wurde?) Der Kaiser
löste dann sein Wort ein, als das Bistum Catania mit einem
taxmäßigen Einkommen von 3—4000 Gulden durch den Tod
seines Inhabers erledigt wurde; wenn der Papst am 1. No-
vember 1520 Schiner als Administrator bestätigte, so ist
auch darin ein Zeichen seiner grundsätzlich schon kurz vorher
beschlossenen Lösung von der französischen Vormundschaft
zu erblicken).
Als Diener Karls V. wurde er nun bald nach dessen
Landung im Sommer 1520 an den Hof beschieden, wo er
Anfang September eintraf, um nun zunächst bei höfischen
. Anlässen den Glanz der kaiserlichen Umgebung zu erhöhen:
1) DRA. I, 482 (3. März) 510. Wenn Karl am 31. Mai an Mar-
garete schreibt, der Papst werde Sch. zur Wahl delegieren, so war
dies nur eine Finte, um die Stimmung seines Anhangs zu heben.
*) Die Statthalterin hatte ihm schon beizeiten zugesagt, man
werde ihn so bezahlen, daß er zufrieden sein werde, DRA. I, 279
Anm. 1. 226. 360. 481, 735. Dankschreiben Karls vom 18. Juli bei
Joller S. 181.
3) Eg ist eine schiefe Auffassung, wenn Escher 8.784 erzählt, „der
Papst habe Sch. als einen der einflußreichsten Räte des Kaisers ge-
würdigt, indem er ihn am 1. Nov. 1521 (so!) zum Bischof von Catania
ernannte“. Aber über die Bistümer des Königreichs beider Sizilien
verfügte die spanische Krone unbedingt. — Seit seinem Sturz und dem
Verlust seiner mailändischen Pfründen und Güter scheint der Kardinal
nicht immer zahlungsfähig gewesen zu sein, denn am 5. Nov. 1520
bittet er von Köln aus, einen Züricher Bürger, von dem er ein Haus
gekauft hatte, das dieser wegen Ausbleibens der restlicheu Zahlungen
zurücknehmen wollte, zu vertrösten. A. P. v. Segesser, Eidgenössische
Abschiede S. 1268,
94 mE 14
so erschien er schon beim Einzug in Antwerpen wie be-
sonders bei dem in Aachen am 22. Oktober mit zwei andern
„roten Hütlein“, den Kardinülen M. Lang und W. von Croy,
oder bei der Leichenfeier des letzteren und bei der Unter-
zeichnung des Wormser Edikts im Dome zu Worms, wo er
am 27. Januar bei der Eröffnung des Reichstages auf be-
sonderen Wunsch des Kaisers die Messe vom heiligen Geist
singen mußte !). Über seine Teilnahme an den Beratungen
tiber Luthers Angelegenheit mag vorläufig nur bemerkt werden,
daß er regelmäßiges Mitglied des Redaktionsausschusses war,
der über Aleanders Entwürfe zu befinden hatte; auch in
dieser Stellung fungierte er aber nur als kaiserlicher Rat,
da diese Körperschaft nicht von den Reichsständen, sondern
vom burgundischen Kabinett gebildet wurde. Aber so eifrig
der Kardinal sich den Nuntien zur Bekämpfung der deut-
schen Ketzerei zur Verfügung stellte, weit mehr lag ihm der
von Karl V. geplante „Romzug“ am Herzen und die schon
in. der Proposition vom 27. Januar angekündigte Rücker-
oberung Mailands. Der „Kardinal von Bellis^, wie Hermann
von dem Busche den alten Werbegeneral in „Dr. Martin
Luthers Passion“ mit treffendem Spott bezeichnete?), brannte
darauf, „nur zwei Monate Sold für ein Schweizer Heer zu
erhalten, um Mailand zurückzugewinnen und alle Franzosen
aus Italien zu verjagen“: so berichtete der englische Ge-
sandte am 9. Februar®). So vermutete man auch gewiß
nicht mit Unrecht, daß Schiner den Prediger beeinflußt hatte,
der bei der Leichenfeier des Kardinals von Croy am 22, Fe-
1) DRA. II, 73. Anm. 5. 94. 157. 800, BDB. S. 91. ADS, 249.
Ferner erscheint er beim Einzng Erzherzog Ferdinands in Worms am
3. April, DRA, II, 838. Ende Sept. 1520 übermittelt er von Antwerpen
aus den Eidgenossen unbedeutende Mitteilungen des Kaisers betr. das
Ausbleiben ihrer Gesandtschaft bei der Krünung und die Verhandlungen
seines obersten Kommissars in Deutschland, M. v. Zevenberghen.
Segesser, Abschiede S. 1263.
*) AD. S. 168. Anm. 2.
) DRA. II, 792, 23f. 794, 6f BDB. S. 74, Anm, 75. Die gleich-
zeitig auftauchende Nachricht, daß bei der Abreise des Kaisers Ferdi-
nand als Statthalter im Reiche bleiben sollte mit Schiner als Beirat,
wird nur von einem Italiener berichtet und hat nur geringe Bedeu-
tung. DRA. II, 801, 1.
15 95
bruar die leidenschaftliche Aufforderung zum Kriegszug nach
Italien an den Kaiser richtete. Wenn dann der Sekretär
Schiners, Dr. Michael Sander, den Redner getadelt hatte, so
war es nur geschehen, weil dieser zugleich den Papst wegen
seiner Freundschaft mit Frankreich angegriffen und eine kon-
ziliare Entscheidung in Luthers Sache gefordert hatte. Sander,
ein früherer päpstlicher Zeremonienmeister, beschwerte sich
nun sofort bei seinem Herrn, den er in der Umgebung des
Kaisers wußte, uber die Drohungen, die ihm diese Außerung
von einigen Deutschen eingetragen hatte!): vermutlich wußte
er schon, daß sich im Geheimen ein völliges Einvernehmen
zwischen Kaiser und Papst auch in den italienischen Fragen
vorbereitete ?).
Die Haltung der Schweizer mußte nun bei der sich so
deutlich ankündigenden Auseinandersetzung mit Frankreich
eine große Rolle spielen, und so war die kaiserliche Re-
gierung beizeiten darauf bedacht, sich auch die Mitwirkung
der Reichsstände bei der Beschiekung der Eidgenossen zu
sichern. Da diese ablehnten, ging die Gesandtschaft aus-
BchlieBlich im Auftrage des Kaisers ab, geführt von Zeven-
berghen; indessen erlangte sie von der Tagsatzung in Zürich
nur einen sehr unbefriedigenden Bescheid, und schon Ende
April erneuerten die Eidgenossen ihren Bund mit Frankreich“).
Daß man den Kardinal nicht mitgeschickt hatte, erklärt sich
daraus, daß man, solange die Stellungnahme der Schweizer
noch nicht entschieden war, sie nicht durch das Auftreten
eines so ausgesprochenen Feindes der Franzosen stutzig
machen wollte. Zugleich aber stieg die Mitwirkung des er-
fahrenen Kriegsmannes für Kaiser und Papst, die sich in
denselben Tagen zum Bündnis gegen Frankreich vereinigten
(8. Mai), im Werte.
Der Kaiser hatte daher in der Instruktion vom 4. April
nicht unterlassen, die Schweizer zu bitten, gegen Sohiners
Feinde im Wallis einzuschreiten, die schon in der Acht
seien“), und schon am 17. März hatte er auch ein dringen-
1) BDB. S. 18. 28 ff.
5) ZK G. XXIII, 61 f.
3) DRA. II, 362. Baumgarten, Gesch. Karls V. II, 1, 30.
© DRA. II, 880.
96 16
des Fürschreiben an den Papst gerichtet!) Denn in Schiners
Prozess wegen seiner Vertreibung aus dem Bistum Sitten
und der Vorenthaltung seiner Einkünfte hatte zwar die Rota
zu seinen Gunsten entschieden, aber solange der französische
Einfluß an der Kurie maßgebend war, konnte dem Urteil
keine weitere Folge gegeben werden. Nun ersuchte zwar
der Kaiser den Papst dringend, die Wiedereinsetzung des
Bischofs zu bewirken und mit allen pflichtschuldigen Mitteln
dafür einzutreten, dab dem widerrechtlich beraubten Reichs-
fürsten Genugtuung widerfahre; doch fehlte auch ihm die
Macht, in dem tatsächlich jedem Einflusse des Reiches ent-
rückten Gebiet seinem Schützling wirksam beizustehen.
Nur dureh die Verdrängung der Franzosen aus Ober-
italien und die dann zu erwartende Schwächung ihres Ein-
flusses in der Schweiz konnte der Bischof von Sitten hoffen,
auch in seiner Heimat wieder das Heft in die Hand zu
bekommen. Kein Wunder, daB er sich mit dem größten
Eifer für den von Spanien und Lec X. geplanten Kriegszug
einsetzte. Er begleitete den Kaiser noch nach den Nieder-
landen, reiste dann aber am 29. Juni eiligst von Brüssel
naeh Zürich?), um im Verein mit den dortigen Vertretern der
! Karl V. an Leo X.: Cum magnis revmi cardinalis Sedu-
nensis erga Nos meritis tantum moveremur, saepe per literas et per
oratorem Nostrum illius causam Sanctitati Vestrae commendavimus.
Accessit postea ratio imperii, in qua cum non tantum de Sedunensi
quam de existimatione Nostra ageretur, Sanctitatem Vestram obsecravi-
mus, ut, cum causa iudicibus cognoscenda data esset hique sententias
-protulissent, Sedunensem pro aequitate in integrum restitui vellet. De
Sanctitatis Vestrae in hominem voluntate, cum, qua ille in Eam ob-
servantia sit, non ignoremus, ne tantillum quidem dubitamus; si quid
autem est, quod obsit, quamquam nihil Sanctitati Vestrae ad conser-
vandam auctoritatem suam obstare debet, obsecramus, ut apposito studio
Nostro, qui pro dignitatis Nostrae existimatione cardinali, principi
imperii iniuriose dispoliato, accurrimus, id faciat, quod a Sanctitate
Vestra debetur et ab omnibus, qui bene sentiunt, expoctatur. Male
.enim agetur, si qui erunt, qui sibi, quaecunque libuerint, licere putent.
Der Gesandte ist instruiert.
Ex civitate imperiali Vormaciae XVII. Martii MDXXI.
Carolus. E] rey. G. Argillensis.
Original, Arch. Vatic., Arm. II, c. 1, Nr. 23,
) Marino Sanuto, Diarii XXXI, col. 47; nach den Lettere di
principi I, fol, 94a am 30. Juni.
17 97
Kurie die Aufstellung eines Sóldnerbeeres zu betreiben. Es
kam ihm dabei sehr zu statten, daß Zürich dem Bündnis
mit Frankreich nicht beigetreten war und nun 2000 Mann
bewilligte, jedoch nur zur Verteidigung des Kirchenstaates.
Es war das Meisterstück des alten Werbeoffiziers, daB er
nun bald ein ansehnliches Heer zusammenbrachte, und bei
seiner skrupellosen Verschlagenheit war es ihm dann auch
ein Leichtes, die Hauptleute zur Teilnahme an der gegen
Mailand gerichteten Offensive zu verleiten, obwohl eidge-
nössische Gesandte sich die größte Mühe gaben zu verhüten,
daB Schweizer mit Schweizern handgemein würden).
Die beiden Legaten, Medici und Schiner, unter deren
Augen am 19. November Mailand erstürmt wurde, mußten bald
darauf zur Papstwahl nach Rom eilen. Im Konklave hat
der erfahrene Staatsmann eine nicht unerhebliche Rolle ge-
spielt, da er einmal der Vertrauensmann des kaiserlichen
Gesandten war und als solcher dahin arbeitete, die Wahl
eines französisch gesinnten Papstes zu verhüten; zugleich war
er der Korrespondent des ehrgeizigen englischen Ministers,
der sich Hoffnungen auf die Tiara gemacht hatte; endlich
erhielt er selbst in mehreren Wahlgängen eine ansehnliche
Zahl von Stimmen; doch hätte die französische Partei seine
Erhebung nicht zugelassen“). Wenn nun der Kardinal Kajetan
in einem bisher noch nicht verwerteten Bericht über seinen
entscheidenden Anteil an der Wahl Hadrians VI. erzählt, daß
er sich mit diesem Vorschlag zuerst an einen führenden Kar-
dinal der kaiserlichen Partei gewendet, von diesem aber eine
ausweichende Antwort erhalten habe“), so gewinnt es den
Anschein, als ob Schiner — denn nur dieser kann gemeint
sein — sich selbst als Papabile gefühlt und deshalb den
neuen Mitbewerber habe fernhalten wollen. Aber ernste
Aussichten hat er keinesfalls gehabt*), da das Geplänkel bei
) v. Pastor IV, 1, 336 ff. Baumgarten II, 1, 35. 61.
3) v, Pastor IV, 2, 3. 5, 7 Anm. 6, 14 Anm. 1. 15 Anm. 5.
*) Vgl. meine Untersuchungen ,Zur Geschichte Hadrians VI.* im
Hist. Jahrbuch 1918, S. 37.
) Gegen Escher S. 734 und Joller 8.55; auch ist es irrig, daß
der neue Papst ihm und zwei anderen Kardinülen die interimistische
Verwaltung des Kirchenstaates übertragen hätte. Selbstverständlich
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4, 7
98 | 18
den vorbereitenden Abstimmungen für die wirklichen Ab-
sichten der Wähler wenig za bedeuten hat. Jedenfalls aber
hat er sich bei seinen Verdiensten um die Sicherung des
Kirchenstaates gegen die Franzosen und seiner Stellung zum
Kaiser mit der Absicht getragen, sich unter dem neuen
Papste eine hervorragende Stellung an der Kurie und einen
gewichtigen Anteil an der Leitung der päpstlichen Politik
zu sichern. Denn die Denkschrift vom 1. März 1522, in
der er nach der Auffassung katholischer Forscher ein „Re-
formprogramm“ „im Sinne Hadrians VI.“ entworfen haben
soll ?), ist nur darauf berechnet, die päpstliche Regierung nach
der verschwenderischen Wirtschaft Leos X. wieder leistangs-
fähig zu machen: sie handelt also allenfalls von einer Reform
einiger Behörden der Kurie, nicht aber von einer Besserung
der Kirche und ist weit davon entfernt, auch nur die von
den deutschen Reichsständen gertigten Mißbräuche in Recht-
sprechung und Pfründenvergebung gründlich in Betracht zu
ziehen. Das überschwengliche Lob, das dem Verfasser gleich-
wohl von A. Büchi“) wegen der „großen Einsicht und des
festen Willens zu einschneidenden Maßnahmen“ gespendet
wird, gipfelt in der Feststellung, daß er „nicht in das rein
kirchliche Gebiet des Glaubens und der Sittenlehre eingreife“,
das allerdings „dem ausgesprochenen Diplomaten“ sehr fern
lip. Dabei wird völlig verschwiegen, daB die erste Hälfte
des Sehriftstückes nur der angenblicklichen politischen Lage
gewidmet ist mit der dreisten Zumutung an den neüen Papst,
sich von vornherein, an Händen und Füßen gebunden, der
kaiserlichen Mächtegruppe auszuliefern. Hadrian VL soll ein
Bündnis mit dem Kaiser und mit den Königen von England
und Portugal schließen, in das der Herzog von Mailand
aufzunehmen ist. Er soll in dieser Richtung festgelegt
werden durch ein englisches Darlehen von 200000 Dukaten,
wodureh die Versehuldung des heiligen Stuhles erleichtert
und den dringenden Bedürfnissen — d. h. vor allem der
ist auch Büchi (Kirchl. Handlexicon II, 1968) der Meinung, daß
Schiner „als Nachfolger Leos X. ernstlich in Frage gekommen sei“.
1) v. Pastor IV, 2, 61 f. 66 f. 72. 82; abgedruckt S. TERI
3) Sonderabdruek S. 21 f.
19 99
Bezahlung der Schweizer Söldner?) — genügt werden solite.
Die doppelte Summe könne mit gutem Recht durch Be-
steurung der getauften Juden (der Marranos?), der Rebellen,
d. h. der französischen Partei in der Romagna und Emilia,
und der Spekulanten erzielt werden. Der Papst soll nicht
nur den König von Frankreich auffordern, auf alle Er-
oberungspläne in Italien zu verzichten, sondern auch den
Vasallen der Kirche den Anschluß an Frankreich und die
Bekämpfung der mit der Kirche verbündeten Mächte — wie
des Bischofs von Sitten — verbieten. Vor allem suchte er
den Papst von dem Gedanken an einen baldigen Friedens-
schluß abzubringen, indem er ihn darauf aufmerksam machte,
daß ein solcher Friedensschluß die Gefahr in sich berge,
von den Feinden hintergangen und so geschädigt zu werden,
daß ein noch heftigerer Krieg unvermeidlich werde. Darauf
seien die Umtriebe der Franzosen und Venetianer bei der
Türkei gerichtet, die sie mit Geld unterstützten, um durch
ihre Angriffe die Westmächte zu einem solchen überstürzten
Frieden zu nötigen. Bevor aber die Franzosen völlig aus
Italien vertrieben seien, könne weder dieses Land noch das
übrige Europa zu einem dauernden Friedenszustand gelangen.
Seit dem Einbruch Karl VIII. in Italien seien mehr als
200 000 Menschen im Kampfe gefallen; so lange also Frank-
reich bei Kräften bleibe, könne man auch den Türken nicht
mit Erfolg entgegentreten. So viel Wahres nun auch diese
Sätze enthielten, so waren die übrigen Ratschläge um so
bedenklicher.
Denn Schiner suchte den Papst ferner bei der Gewalt-
politik festzuhalten, die Alexander VL und Leo X. zur Ver-
größerung des Kirchenstaates und zur Mehrung ihrer Haus-
macht verfolgt hatten*) und die vor allem zu dem ruchlosen
1) Leo X. schuldete der Schweiz noch 86000 Dnkaten und Hadrian
hatte die größte Mühe, wenigstens des Geld für Zürich aufzubringen.
v. Pastor IV, 2, 101,
5 Vgl. über diese meine Anfänge der Gegenreformation in den
Niederlanden. Halle 1908. I. 41ff,
| 3) Dies spricht sich auch in dem Absatze aus, in dem er den
Papst dringend beschwört, nicht zu dulden, daß die Kardinäle irgend
eine der Besitzungen, die unter Leo X. oder seinen Vorgängern ge-
70
MP NW
100 20
und aufreibenden Kampfe um das Herzogtum Urbino und
zur Vertreibung des kriegerischen Rovere Francesco Maria
geführt hatte. Die bedrohten Dynasten hatten sich ge-
wöhnlich dea Franzosen in die Arme geworfen oder auf
eigene Faust die Ruhe des Kirchenstaates gestört, Schiner
suchte nun den Papst mit Argwohn und Furcht vor diesen
bewaffneten Umtrieben zu erfüllen, indem er ihm vorstellte,
wie diese „Tyrannen“, die Urbino und — wie die Baglioni —
Perugia zu unterdrücken bestrebt seien, auch Bologna durch
Zurückführung der Bentivogli der päpstlichen Herrschaft
entfremden würden. Abgesehen von dem Wichtigsten, daß
Hadrian VI. sich keineswegs sofort der kaiserlichen Partei
anschloß, sondern ehrliche Versuche machte, mit Frankreich
zum Frieden zu kommen, daß er ferner die Türkengefahr
sofort und mit allen erreichbaren Mitteln zu bekämpfen sich
anschickte, kann man auch an diesem Nebenpunkte sehen,
wie hoch er die politische Weisheit Schiners einschätzte:
er hat die großen Vasallen der Kirche, die Herzöge von
Ferrara und Urbino, durch größte Milde und weitgehende
Zugeständisse versöhnt und so auch den kleinen Fried-
brechern wie den Bentivogli für den Augenblick die Lust
zu ferneren Streichen benommen oder sie wie die Baglioni
durch Wiederaufnahme beschwichtigt !).
Und so war er erst recht nicht gesonnen, sich diesem
Mentor zu fügen in dem für die persönliche Geltung des
Papstes bedenklichsten Punkte, der zugleich die frevelhafte
Selbstsucht und rohe Machtgier des alten Ränkeschmieds
enthüllt, Unter dem gleisnerischen Ratschlag, daß Hadrian VI.,
wenn er in Wahrheit der Herr sein wolle, sich keinen
wonnen wurden, verloren gehen ließen oder dem Kirchenstaate ent-
fremdeten. Er müsse vielmehr alle Sorge darauf richten, diesen Be-
stand zu verteidigen, wobei dann freilich Kriegsmünner wie Schiner
und seine Schweizer unentbehrlich waren. Eine ähnliche Absicht ver-
birgt sich hinter dem Bate, daß der Papst keinesfalls auf die Vor-
schläge eingehen möchte, die die Kardinäle ihm wegen der Besatzungen
der festen Plätze des Kirchenstaates machen könnten.
1) v. Pastor IV, 2, 110ff, 196. Über das Auftreten der italienischen
Verbannten in Worms vgl. BDB. S. 13ff. 74f. Die Baglioni stießen
dort am kaiserlichen Hof auf Mißtrauen (S. 29), wie es ihnen auch
Schiner hier entgegenbringt.
21 101
Kardinal als leitenden Staatsmann — wie Giulio de’ Medici
im Amte des Vizekanzlers — an die Seite setzen dürfe —
er müsse vielmehr alle gleichmäßig lieben und nur dem
Verdienst größeren Einfluß gestatten) —, suchte er zunächst
dem noch in Spanien weilenden Oberhaupte der Kirche
die bisher einflußreichsten Staatsmänner der Kurie zu ver-
dächtigen. Denn die Erläuterung zu diesem Satze sollte
der mit der Denkschrift entsandte Vertrauensmann mündlich
geben, weil es zu gefährlich sei, dies alles schriftlich zu
melden. Sodann suchte er der Möglichkeit zu begegnen,
daß Hadrian VI. schon in Spanien die wichtigsten Posten
besetzte, indem er ihm riet, erst nach seiner Ankunft in
Rom erprobte Männer in diese Ämter zu berufen: die wtr-
digsten und unbestechlichsten Anwärter würden ihm dort
der Kardinal von Sitten und der Landsmann Hadrians,
Wilhelm van Enkevoirt, namhaft machen, mit dem sich also
Schiner schon verbindet hatte, da das Freundschaftsver-
hältnis der beiden Niederländer allgemein bekannt war)).
Auch sorgte Schiner dafür, daß zwei der einflußreichsten
Stellen, die des Geheimsekretärs und des Subdatars, doch
womöglich schon von Spanien aus mit von ihm genannten
Personen besetzt werden möchten. Seine eigentliche Ab-
sicht aber liegt in dem Vorschlage, der Papst möge, wenn
er nicht sehr bald in Rom einzutreffen gedenke, einen Le-
gaten ernennen und dies keinesfalls dem Kollegium der
Kardinäle überlassen: es ist unverkennbar, daß er selbst
zunächst bis zur Ankunft des Papstes die Herrschaft tiber
den Kirchenstaat in die Hand zu bekommen suchte, und
dann würde der gelehrte Herr schwerlich im Stande ge-
wesen sein, den neuen Vitelleschi?) wieder abzuschütteln.
1) Diese schöne Wendung wird von Pastor und von Büchi ge-
börig unterstrichen, die Tendenz des Ratschlags aber übersehen.
1) Auch Aleander hat daher sofort nach der Wahl Hadrians den
Skriptor Enkevoirt umschmeichelt. ZKG. XXVIII, 220 ff.
5) Die Charakteristik des Kardinals Giov. Vitelleschi, des Bischofs
von Recanati, der, 1434—40 als Vertreter des abwesenden Eugen IV.
in Rom bestellt, dort seine Gewaltherrschaft aufrichtete, kann im
wesentlichen auf den deutschen Condottiere übertragen werden: ,ehr-
geizig, verschlagen, habsüchtig, grausam, dabei aber entschlossen und
tapfer", v. Pastor I, 940ff.
102 22
Auch die Reformvorschläge des ungebetenen Beraters
haben ihre bedenkliche Kehrseite. Einige von ihnen waren
ja zweifellos vernünftig und schon so oft und von so vielen
Seiten erörtert worden, daß Hadrian VI. wahrlich nicht von
Sehiner dazu inspiriert zu werden brauchte!) Daß die.
Herabsetzung der Zahl der Beamten und Hofleute, die er
dem Papste empfahl, auch die Kardinäle zur Vereinfachung
ihrer Hofhaltung bestimmen würde, war eine Täuschung,
die nur um so auffälliger wird, je gründlicher Hadrian VI.
aus eigenstem Antriebe in dieser Richtung vorging. Daß
die Auditoren des päpstlichen Schatzes und die Kammer-
kleriker, also die Beamten der mit umfassender Gerichts-
barkeit ausgestatteten höchsten Finanzbehörde sowie die
Abbreviatoren als die wichtigsten Kanzleibeamten ihre Stellen
nicht mehr durch Kauf erlangen sollten, sondern daß diese
an kenntnisreiche Personen unentgeltlich vergeben werden
müßten, damit das Recht nicht käuflich sei, war eine For-
derung, die längst auch von den deutschen Reichsständen
erhoben worden war, die aber daran scheitern mußte, daß
auch diese Ämter nur deshalb vermehrt worden waren, um
päpstliche Anleihen zu fundieren, d. h. den Geldgebern ihr
Kapital nebst Zinsen durch die Erträgnisse dieser Behörden
sicher zu stellen?). Dasselbe galt von Ämtern der Pöni-
tentiarie und der Rota, die aus demselben Grunde nicht so
leicht auf die tatsächlich nötige Zahl der Beamten zu be-
schränken waren. Und wenn Schiner vorschlug, ihnen einen
festen Gehalt anzuweisen, ihnen und den „Scriptores aposto-
liói*)^ die Einhaltung der Taxen zur Pflicht zu machen
und die Annahme der üblichen Geschenke (der „propina“)
über den Betrag von zwei Dukaten hinaus zu verbieten $,
! Wie v. Pastor S. 66f bei zwei der von Schiner berührten
Beamtenklassen annimmt.
) Zu diesen hier nur andeutungsweise zu behandelnden Ver-
hältnissen vgl. die gründlichen archivalischen „Forschungen“ von
W. v. Hofmann, „zur Gesch. der kurialen Behörden“ (Bibl. des Preuß.
Hist, Institute XII) Rom 1914.
*) Mit diesem Ausdruck können die Scriptores literarum TN
liarum ebenso gut wie die Secretarii apostolici gemeint sein.
*) Über diesen Brauch vgl. v. Hofmann I, 99.
23 108
so klingt das sehr verstündig nnd war ebenfalls schon oft
gefordert worden; aber die Inhaber dieser Ämter, diese
Vakabilisten, die ansehnliche Summen hergegeben hatten,
um sie durch derartige Sporteln verzinst zu bekommen,
empfanden ein solohes Vorgehen als Raub, was auch Schiner
dadurch anerkannte, daß er vorschlug, die Gehälter aus
den Einkünften der großen Abteien zu decken, die er also
den betreffenden Kongregationen einfach wegnehmen wollte.
Noch radikaler wollte er mit denjenigen Ämtern ver-
fahren, die nur dem Geldbedürfnis der letzten Päpste ihre
Entstehung verdankten: so waren die von Leo X. 1514 ge-
schaffenen 612 „portionarii Ripae“, „überhaupt keine Be-
amten mehr, sondern nur Rentenempfänger“, die einen An-
leihebedarf von 281 000 Dukaten gedeckt hatten, und zwar
in kleineren Anteilen, da auch die kleinen Kapitalisten heran-
gezogen werden sollten!). Der Ertrag des Flußzolles und
der Markttaxen mußte daraufhin stark vermehrt werden,
was natürlich eine drückende Steigerung der Preise der
notwendigsten Lebensmittel zur Folge hatte. Wenn Schiner
nun riet, diese auf die Hälfte herabzusetzen, da die dann
zu erwartende Steigerung der Einfuhr den Ausfall decken
werde, und die Abgabe nicht mehr verpachtet, sondern durch
festbesoldete Beamte erhoben wissen wollte, so war diese
schöne „Reform“ eben nur möglich, wenn man die ver-
kauften Ämter einfach aufhob, was er denn auch ohne viel
Federlesens auch für die von Leo X. stark vermehrten
Stellen der Cubicularii und Seutiferi sowie der Milites S.
Petri?) vorsehlug. Gerade an dem letzteren Falle erhellt
deutlich, daß diese Maßregel nichts Anderes bedeutete, als
einen Staatsbankerott: denn diese 400 Petersritter
hatten auf Grund einer Bulle vom 29. Juli 1520 für ihren
Titel je 1000 Dukaten gezahlt, d. h. sie hatten eine auf be-
stimmte Einkünfte der Kurie angewiesene Leibrente erworben 5),
1) v. Hofmann I, 160 f, wo auch über die drei folgenden „Ehren-
chargen“ nähere Angaben gemacht werden.
5) Hier ist bei v. Pastor IV, 2, 724, Zeile 30 zwischen militam
scutiferorum ein Komma zu setzen.
*) Vgl. über diese Gründung Leos X. ZKG. XXXV, 168f und die
dort angegebene Literatur.
104 24
die ihnen nach Schiners Plan kurzweg entzogen werden
sollte. Die Inhaber der beiden anderen Hofämter hatten bei
der 1515 erfolgten Neuordnung nicht weniger als 200 000
Gulden aufgebracht !).
„Einschneidend“ war also wenigstens die letztere MaBregel
gewiß, und estraf auch zu, daß die Vezinsung dieser Anleihen fast
die gesamten Einkünfte des „Patrimoniums Petri“ verschlang“),
die Schiner gern für die von ihm vorgeschlagene kriegerische
Aktion freigemacht hätte; aber völlig unerfindlich ist es,
wie man in diesem wunderlichen Komplex militärischer,
politischer, finanzieller, administrativer und höchst persönlicher
Vorschläge einen kirchlichen Reformplan erblicken kann.
Gewiß war Schiner bei der Ankunft Hadrians VI. in Rom
eine Persönlichkeit, die wegen ihrer jüngsten kriegerischen
Verdienste und ihres Verhältnisses zum Kaiser Beachtung
fordern konnte; doch darf man dem Umstande, daß der
Papst ihn allein weiter im Vatikan wohnen ließ, während
die bisherigen „Palastkardinäle“ sich zurückziehen mußten °),
keine besondere Bedeutung beilegen, da Schiner der einzige
war, der in Rom keine eigene Wohnung hatte. Bei der
grundverschiedenen Natur beider Männer war eine Ver-
frauensstellang Schiners, wie sie Hadrian VI. nur jenem
Enkevoirt einräumte, von vornherein ausgeschlossen; schon
die Fragen der auswärtigen Politik würden sich bald als
Hindernis für die selbstsüchtigen Pläne des alten Kriegs-
mannes erwiesen haben, der schon einen Monat nach dem
Einzug des Papstes einer Seuche erlag (1. Oktober 1522).
,
) Kalkoff, Miltitziade, Leipzig 1911, S. 60f. Ztschr. f. G. d. Ober-
rheins XXXII, 308 Anm.
1) Nach v. Hofmann I, 288 f war die Zahl der käuflichen Ämter
von 1518 bis 1521 von 986 auf 2982, das darin angelegte Kapital auf
2½ Millionen und die Rente auf rund 300000 Dukaten gestiegen;
diese konnte aus kirchenstaatlichen Einnahmen nur zu einem Drittel
gedeckt werden. | |
*) Pastor IV, 2, 66. Abgesehen von dem Inhalt der Denkschrift
kann man auch deshalb, weil sie nur dem Papste bekannt geworden
ist, kaum sagen, daß schon „Schiners Name ein Reformprogramm
bedeutete“,
95 105.
Auf Grund dieser Ubersicht seines Lebensganges er-
hellt nun schon zur Genüge, was von der angeblichen Be-
günstigung Luthers und seiner Lehre zu halten ist, einer
Auffassung, die in einem älteren Werke in der Formel zu
Tage tritt, er sei „ein Freund von Erasmus, Luther und
Zwingli“ gewesen ). Da wir nun unwiderleglich feststellen
können, daß er zur Zeit des Wormser Reichstags zu den
schärfsten Gegnern der ketzerischen Bewegung gehört und
auf die grausame und restlose Ausrottung der Lutheraner
im engsten Einvernehmen mit den Vertretern des Papstes
hingearbeitet hat, so könnte es allerdings scheinen, als ob
die früheren lutherfreundlichen Auslassungen des Kardinals
auf einen „Gesinnungswechsel“ schließen lleßen. Wenn sein
künftiger Biograph sich die größte Mühe gibt, ihn von
diesem Makel zu reinigen“), so heißt das eigentlich, offene
Türen einrennen. Freilich erschwert er sich diese schöne
Aufgabe, indem er den Beziehungen Schiners zu Zwingli und
einigen gelegentlichen Äußerungen über Luther sine ebenso
übertriebene Bedeutung beilegt wie seinen Reformbestrebungen,
die ihn zeitweilig sogar als einen „Bewunderer Luthers“
hätten erscheinen lassen. Man kann ihm dabei zugeben,
daß der Umschwung in Schiners Haltung nicht in erster
Linie auf bloße „Geldverlegenheiten“ zurückzuführen ist?).
1) E. F. v. Mülinen, Helvetia sucra, Bern 1858, I, 27. Bei
A. Horawitz u. K. Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus,
Leipzig 1886. S. 275, Anm. 3, erscheint er 1521 als „früherer Gönner
Capitos“.
1) Büchi, S. 11, 18. 23.
) Ein arger Verstoß ist dem Biographen Schiners (S. 11, Anm. 3.)
nachzuweisen, wenn er aus einem Briefe Martin Butzers an Beatus
Rhenanus, der sich mit der Schilderung der Lage auf dem Wormser
Reichstage in der Zeit kurz vor dem Schlusse beschäftigt — dieser,
wie ein Brief an Zwingli, sind auf den 22. und 28. Mai anzusetzen;
vgl. WE. S. 261, Anm. 1 — eine Äußerung über die Todeskrankheit
des bisher leitenden Staatsmannes anführt, die auch in den Depeschen
Aleanders ihrer politischen Wichtigkeit entsprechend, wiederholt er-
wähnt wird; am 26. Mai berichtet der Nuntius (DA. S. 256), daß jener
bereits seit sechs oder sieben Tagen von den Ärzten aufgegeben worden
sei, was genau zu der Äußerung Butzers paßt (Horawitz-Hartfelder,.
.S. 275), daß er dem Tode nahe sein solle, Butzer macht dann die
völlig zutreffende Bemerkung, daß Wilhelm von Croy schon wegen
106 26
Immerhin wurde er durch die Zuwendungen Karls I. und die
Verleihung des Bistums Catania aus einer sehr drückenden
Lage befreit, und schon seit dem Frühjahr 1519 sind daher
keine Äußerungen kirchlichen Mißvergnügens mehr über-
liefert. Der entscheidende Umstand aber, der den Schlüssel
zum Verständnis seines bisherigen Verhaltens bietet, ist seine
Rehabilitierung an der Kurie, die angesichts der unerbitt-
lichen Feindschaft Frankreichs erst möglich war, als Leo X.
seinen Übertritt ins kaiserliche Lager vorbereitete. Sie fand
ihren Ausdruck in der Bestätigung jener Bistumsverleihung ;
die Hauptsache aber für Schiner war, daß sich ihm nun
wieder eine glänzende Aussicht im Dienste der vereinigten
Mächte, des Kaisers und des Papstes, eröffnete.
Somit erklären sich jene viel erörterten Äußerungen
als Zeichen der Mißstimmung über seine Zurticksetzung durch
Leo X., über die Begünstigung seiner Feinde im heimatlichen
Bistum. Der rohe Söldnerführer reiht sich also einfach der
Gruppe der mißvergntigten Kirchenfürsten an, die wie Albrecht
von Mainz oder Matthäus Lang oder Eberhard von der Marck
die kirchlichen Schwierigkeiten in Deutschland benutzten,
um dem Papste ihre Unentbehrlichkeit fühlbar zu machen
und die Erfüllung ihrer selbststichtigen Wünsche zu erpressen.
Schon das Verhältnis Schiners zu Zwingli läßt sich ohne
die Annahme einer Hinneigung des Kardinals zu den
reformatorischen Ideen des Züricher Leutpriesters erklären.
Zu einem Briefwechsel ist es zwischen beiden nie gekommen);
wohl aber hat Schiner mit Hilfe seiner vom Papste be-
soldeten Freunde am Großmünster darauf hingewirkt, dem
einflußreichen Politiker diese Stelle zu verschaffen, und ist
mit ihm dann bei ihrer gemeinsamen antifranzösischen
Richtung Hand in Hand gegangen. Das für Kaiser und
‚seiner auch von dem venetianischen Botschafter bezeugten Habgier (BDB. S
24, 69) mitden rümischen Machthabern in Luthers Sache Hand in Hand ge-
gangen sei. Die Herausgeber haben nun das „Dominus de Schiuer“, die Über-
setzung seines Titels „Seigneur de Chièvres“, verlesen und „Schiner“ ge-
druckt; doch mußte Büchi, von allem andern abgesehen, auch von dee
robusten Gesundheit seines alten Wallisers, wissen, daB dieser nicht dem
Herrenstande angehörte und also niemals „Dominus de“ genannt wird.
1) Büchi, a. a. O., S. 8.
27 107
Papst gleich günstige Ergebnis ihrer vereinten Bemtihungen,
das besonders in der Haltung Zürichs beim Ausbruch des
Krieges: von 1521 zu Tage trat, mußte den Kirchenfürsten
bestimmen, die damals schon sehr entschieden reformatorische
Hiehtung Zwinglis zu übersehen.
Dessen unwillige Äußerungen über den Piacenzer Zug
(1531) dürften ibm kaum zu Gehür gekommen sein; und
selbst die Kurie würde gegen ein opportunistisches Ver-
halten zu dem Züricher Prediger nichts einzuwenden gehabt
haben, da Hadrian VL noch im April 1523 diesen durch
ein Schreiben zur Unterstützung seines Nuntius in der
Bündnisfrage aufforderte und ihm Belohnung dafür in Aus-
sicht stellte’). Man braucht deshalb aber nicht von „warmer
Zuneigung Schiners zu seinem Freunde Zwingli“, zu reden
mit dem er „eines Sinnes^ gewesen sei, oder von „freund-
schaftlichen Beziehungen, die in ungeteilter Herzlichkeit bis
zur Verurteilung Luthers auf dem Reichstage in Worms
(Mai 1520) fortgedauert" hätten“). Die ausgetauschten Höf-
lichkeiten brauchen keineswegs „im Sinne reformatorischer-
Neigungen“ des Kardinals gedeutet zu werden, ebensowenig
wie dessen abfällige Äußerungen über das Papsttum „die
Deutung eines Abfalls vom Dogma und kirchlicher Lehre“
erforderlich machen.
Zwingli berichtet nämlich i. J. 1525®), er habe sehon
vor acht Jahren in Gegenwart Schiners nachgewiesen, daß
die Einrichtung des Papsttums sich aus der Schrift nicht
begründen lasse; dieser habe dann wiederholt geäußert, er
werde, wenn ihm Gott wieder zur Macht verhelfe („zum
Bret“), dafür sorgen, daß „der Übermut und die Falschheit,
die der römische Bischof brauche, an den Tag komme und
gebessert werde“. Aber Zwingli gibt gleichzeitig einen
2) v. Pastor IV, 2, 101.
*) Büchi, 8. 8f. Abgesehen davon, daß der Reichstag i. J. 1521
stattfand, wurde Luther auch nicht von den Reichsstünden , verurteilt";
das hatte der Papst sich vorbehalten und auch schon ausgeführt; der
Reichstag aber hat die Ausführung des Urteils wenigstens in der von
Aleander und Karl V. gewünschten Form beharrlich abgelehnt.
3) Huldreich Zwinglis sämtl. Werke. Hrsg. von Egli, Finsler
und Köhler. Leipzig 1915, IV, 50. Büchi, 8. 4. i
108 28
Wink, wie derartige Außerungen eines Schiner zu erklären
seien: er sei damals bei Papst und Kardinälen in Ungnade
gewesen! Und genau so steht es mit dem zweiten Bericht,
den wir Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte!) ver-
danken; wieder geht die Anregung von Zwingli aus, der
seinen Bischof bestürmt, die Predigt des reinen Gotteswortes
zu gestatten und die Kirche von den vielen groben Miß-
bräuchen und Superstitionen befreien zu helfen; er beteuert,
daß er sich verpflichtet fühle, im Notfalle der Wahrheit die
Ehre zu geben und den Trug zu bekämpfen. Es war die
Ankündigung, daß er dem Beispiel Luthers folgen werde,
wenn ihm in der Schweiz durch ähnliche Vorkommnisse wie
die Ablaßpredigt Tetzels Anlaß dazu gegeben werden sollte.
Schiner stimmte nun auch in diesem Falle ein: er werde,
wenn ihn Gott wieder in sein Bistum Wallis zurückführe,
dort die Irrtümer abstellen und das Wort Gottes fördern
helfen.
Wieder ist es nun ein recht überflüssiges Bemühen, die
Glaubwürdigkeit Bullingers zu erschüttern, der seine Chronik
erst sehr viel später abgefaßt habe, oder die zweite Er-
zühlung als eine bloße „Paraphrase“ der ersten hinzustellen,
die Zwingli in einer tendenziösen Streitschrift verwerte, in
der er sich mit der angeblichen Zustimmung zweier Bischöfe
zu decken suche. Auch dessen bedarf es nicht, um Schiner
vor dem Verdacht zu schützen, als ob er ein „Gesinnungs-
genosse“ Zwinglis gewesen sei. Denn wieder gibt der zeit-
genössische Bericht den für den ultramontanen Historiker
allerdings nicht ganz angenehmen Fingerzeig, daß damals
schon niemand an eine „völlige Übereinstimmung“ des
Kardinals mit dem werdenden Reformator geglaubt habe:
„Es waren schöne Worte, aber sonst nichts dahinter“. Büchi
selbst verweist schließlich auf die Warnung, die Beatus
Rhenanus am 6. Dezember 1518 an Zwingli richtete: Sohiner
scheine ihm nicht zuverlässig zu sein, da er (in Luthers
Sache) es doch wohl mit der Gegenpartei halte, wenn nicht
etwa das Unglück seinen Sinn geändert haben sollte?). Und
1) Hrsg. von Hottinger uud Vögeli, Frauenfeld 1838. I, 10.
*) Horawitz-Hartfelder a. a. O., S. 198, Büchi nennt S, 6, Anm. 1
den 8. Des. als Tag des hl. Nikolaus! Man kann auch nicbt einfach
29 109
schließlich trifft er wenigstens annähernd das richtige, wenn
er sich damit tröstet, daß Schiners Äußerung auch auf „eine
bloß kirchliche Reformnotwendigkeit^ bezogen oder als
„Verurteilung der päpstlichen Politik“ aufgefaßt werden könne.
Im Ärger tiber die franzosenfreundliche Haltung Leos X.,
die ihn zur Armut, Verbannung und Untätigkeit verurteilte,
konnte es Schiner leicht fertig bringen, Zwingli den Druck
einer antirömischen Spottschrift zu empfehlen‘), und mehr
hat es auch mit der angeblichen „Bewunderung“ nicht auf
sich, die Schiner anfänglich dem Auftreten Luthers gezollt
haben soll. Wenn Luthers Anhänger gelegentliche Äußer-
ungen hochgestellter Personen, die in jener Anfangszeit die
Entwicklung der Dinge natürlich nicht ahnten, zu Luthers
Gunsten zu verwerten suchten, so will dies für die kirch-
liche Haltung solcher Machthaber wenig besagen. Besonders
Erasmus und Capito haben in dieser Hinsicht wiederholt
mit kluger Berechnung auf die öffentliche Meinung einzu-
wirken gesucht. So kann Capito an Luther am 18. Februar
1519 berichten, daß mehrere Schweizer Prälaten, darunter
der Kardinal, ihm eine Zufluchtstätte und pekuniäre Unter-
stützung in Aussicht gestellt hätten, falls der Bann gegen
übersetzen: „da er ein Komödiant sein dürfte“, sondern mit der
„Comoedia“, die der Kardinal stillschweigend begünstige, sind die Um-
triebe der Gegner Luthers, insbesondere der von den Dominikanern
betriebene römische Prozeß gemeint.
1) A. a. O., S. 142 (März 1519). Büchi S. 8. Ob eine Schrift
Huttens in Frage kommt, ist sehr zweifelhaft; der Inhalt war „gegen
den Papst und die geldgierigen Kardinäle“ gerichtet, also der rein
politischen Opposition Schiners angemessen. — Praktisch völlig be-
deutungslos war der angebliche Liebesdienst, den Schiner Luthern er-
wiesen haben soll, indem er bei dem Bischof von Basel ein Druck-
verbot gegen die Schrift des St. Gallener Augustiners Peter Käs er-
wirkt habe (Büchi S. 8f). Aber einmal richtete sich die an sich un-
bedeutende Polemik auch gegen Schiners politischen Freund Zwingli,
und dann war es von vornherein ausgeschlossen, daB sich ein Drucker
dazu hergegeben hätte, „diesen Narrenspossen“ (frascas, italienisch
frasche) gegen Luther seine Presse zur Verfügung zu stellen", wie
der Franziskaner Conr. Pellican in Basel am 16. März 1520 Luthern
versicherte. Th. Kolde, Analecta Lutherana, Gotha 1888, S. 13, wo
die Beziehung der Briefstelle nicht festgestellt ist.
110 30
ihn vollstreckt werden sollte ). Aber gerade der landflüchtige
Bischof von Sitten verfügte damals weder tiber Geld noch
über ein sicheres Heim, so daß es sich auch in diesem
Falle nur um eine Äußerung seiner antipäpstlichen Stimmung
handelt, Und deshalb darf man auch dem von dem Baseler
Verleger Froben berichteten Worte Schiners keine tiefere
Bedeutung beilegen, der bei Überreichung der ersten
Schrift Luthers gesagt habe: „Luther, tu vere es luter“;
oder vor den Leipziger Tagen: „Eck mag disputieren, so viel
er wil; Luther schreibt die Wahrheit“). Es folgt daraus
nieht einmal, daß Schiner Luthers Schriften wirklich gelesen
hatte. Und vollends das Zeugnis des braven Spalatin, der
von Augsburg aus im August 1518 die Rechtfertigungsschrift
Luthers zu den Ablaßthesen an Schiner übersandte und
diesen Luther gegenüber dann „als warmen Anhänger des
deutschen Reformators* bezeichnete*), ist für die Gesinnung
des Kardinals völlig belanglos. Abgesehen davon, daß man
von weitergehenden reformatorischen Absichten Luthers da-
mals noch nichts wußte, handelt es sich hier nur um einen
klug berechneten Schritt des Kurfürsten von Sachsen, der
eifrig darauf bedacht war, für seinen Schützling gerade in
der Umgebung des Kaisers, von der die gegen Luther und
ihn selbst gerichtete Denunziation vom 5. August ausgegangen
war, hochgestellte Fürsprecher za werben, die dem Kardinal
Lang in diesem Falle die Wage halten könnten ).
Er hat sich daher auch nicht erst durch die Verdammungs-
bulle vom 15. Juni 1520 oder die durch den Nuntius
Aleander auch ihm tübermittelte päpstliche Aufforderung da-
von abbringen lassen, ,Luthers Vorgehen zu bewundern,
Ja, seine Person zu unterstützen“; wenn er auch von theo-
!) Enders: Luthers Briefwechsel I, 494, 8. Es ist eine arge
Übertreibung Büchis, wenn er von dieser Gruppe als von „begeisterten
Anhängern Luthers“ spricht, S. 10.
) Enders l, 121, 88 fl.
3) „tui mirum in modum etudioso". Enders I, $39, 85 fl. Mit
dem Urteil des Herausgebers über Schiner, daß er „den Humanisten
zugetan und anfangs auch der Reformation scheinbar nicht abgeneigt“
gewesen sei.
) Kalkoff, Forschungen zu Luthers römischem Proseß. G. 128. 148f.
31 111
logischen Dingen blutwenig verstand, so hatte er doch da-
mals schon begreifen müssen, daß Luthers Angriffe auf das.
Papsttum die weltliche und geistliche Macht der gesamten
Hierarchie erschüttern mußten. Luthers heftiger Gegner
Johann Fabri, der damals Generalvikar des Bischofs von
Konstanz war und bei seinem Aufenthalt in Rom i. J. 1522
von Schiner lebhaft begünstigt wurde, berichtet), daß dieser
Luthers Lehre getadelt habe wegen der Verwerfung der Autorität
der Konzilien und aller kirchlichen Überlieferung: so käme man
durch Ablehnung der Beschlüsse des Konzils von Nizäa in
die Gefahr arianischer Irrlehren und, wenn er nun gar nichts
weiter gelten lasse als das Neue Testament und das
apostolische Glaubensbekenntnis (novum testamentum et
essentia in divinis), so müßten alle äußeren Einrichtungen
der Papstkirche dahinsinken. Es war also wirklich nicht
nötig, daß der „Appell des Papstes“ ihm erst „die Augen
öffnete“, und es ist ohne viel Umschweife „mit völliger
Sicherheit festzustellen“ daß Schiner ganz von selbst den
„Bruch mit Rom“ vermieden haben würde“).
Besonders deutlich geht das aus seinen Äußerungen.
gegenüber dem Nuntius Medici hervor: er sprach am 4. Fe-
bruar 1521 vor diesem und anderen italienischen Großen
seine Befürchtung aus, da nach der Abreise des Kaisers.
diese Bestien, die Deutschen, dem Papste den Gehorsam
kündigen und über die Priester herfallen würden; er sprach
damit die infame Verdächtigung nach, die Aleander im ersten
Entwurf des Wormser Edikts, über den Schiner gerade in
jenen Tagen im Redaktionsausschuß zu beraten hatte, gegen
Luther erhob: daß er die Laien allerorten zur Ermordung-
!) Die Stelle ist wiedergegeben bei Büchi S. 11, Anm. 4. Die
theologische Formulierung ist das Werk Fabris,
55 Büchi (S. 18) verwickelt sich dabei in den Widerspruch, daß-
er gleichzeitig betont, daß dabei „für den aus seimem Bistum ver-
triebenen, seiner Einkünfte beraubten, auf die Gnade und Pension der-
Fürsten und das Wohlwollen des Papstes angewiesenen Kardinal weit.
mehr auf dem Spiele stand" als für arme Teufel wie Luther und
Zwingli, und doch behauptet, daß die religiösen Motive für Schiner
ausschlaggebend gewesen seien. Nach ultramontanem Rezept wird.
dabei die von Luther angestiftete „Revolution“ mit der Erhebung der
Walliser gegen ihren ehrgeizigen Bischof auf eine Stufa gestellt.
112 32
der Priester aufreize, in deren Blute sie ihre Hände waschen
sollten 1). Er benutzte nun zwar diese Gelegenheit, um
seinem alten Groll gegen die Kurie Luft zu machen, indem
er auf die Erbitterung der deutschen Fürsten hinwies, die
sich tiber das Treiben der Ablaßkrämer beschwerten, die
mit Hilfe der mönchischen Prediger alles Geld zusammen-
gerafft hätten. Er tadelte auch die Eingriffe des römischen
Hofes in die Pfründenbesetzung und die Schwächung der
bischöflichen Gewalt durch die zahllosen Privilegien der
Bettelorden, besonders ihre Exemtion von der Gerichtsbar-
keit des Ordinarius: wenn der Bischof einen Priester fest-
nehme, um an ihm Gerechtigkeit zu üben, so wüßten ihn
die Mönche alsbald seiner Hand zu entziehen — offenbar
eine Erfahrung, die dem gewalttätigen Manne von seinen
Kämpfen mit der heimatlichen Gegenpartei in schmerzlicher
Erinnerung geblieben war. Doch ließ er dem Nuntius
keinen Zweifel daran, daß ihm selbst dieses Gebaren der
Deutschen sehr mißfalle und daß er die Verzögerung in der
Fertigstellung des Verfolgungsgesetzes lebhaft bedaure.
Auch was er nach Luthers Abreise von Worms dem
neuen venetianischen Gesandten Contarini über Luther mit-
teilte, läßt darauf schließen, daß von irgend welcher Vor-
liebe für seine Person oder von Verständnis für seine Lehre
bei diesem alten Kriegsknecht nie die Rede gewesen sein
kann?) Er erklärte, daß Luther sich als sehr unklug, un-
mäßig und unwissend erwiesen habe; er lehre außer andern
Torheiten, daß die Konzilien irren könnten, das jeder Laie
das Sakrament des Altars vollziehen könne, daß die Ehe
auflósbar und Hurerei keine Sünde sei sowie daß alles nach
1) BDB. S. 38f, Theologische Studien und Kritiken 1917,
S. 253—259. Im Dezember-Entwurf heißt es, daß Luther das Volk
in deutschen und lateinischen Schriften „ad rebellionem et odium
Suae Sanctitatis et sacerdotum provocaret, quos ut armis omnibus
impeterent et manus in istorum sanguine lavarent laicos omnes ubicunque
incitavit . . . WE. S. 52—58, 802, 2—7.
*) DRA, II, 880. AD. S. 172, Anm. BDB. S. 19, 57. WE. S.
257, Anm. 4 (zu der Depesche Contarinis vom 97. April). Zu der Be-
bauptung über Luthers Fatalismus s. WE. S. 253ff, zu den andern
Äußerungen vgl. S. 202f, 2051 und die deutsche Fassung des Wormser
Edikts DRA. II, 646f,
33 113
dem Gesetz der Notwendigkeit vor sich gehe. Diese Kennt-
nisse verdankte er seiner Mitarbeit an dem kaiserlichen Edikt
und seinem Verkehr mit Aleander, der, soweit diese Angaben
nicht schon in den früheren Fassungen vorkamen, sie in
dem von Karl V. am 8. Mai genehmigten Entwurf unter-
brachte. Dieselbe ebenso rohe als oberflächliche Beurteilung
der Lehre Luthers spricht sich denn auch in dem Schreiben
an Herzog Georg von Sachsen aus, das Schiner am 29. August
1522 in Rom diktiert und eigenhändig unterzeichnet hat.
Indem er den Adressaten an ein Gespräch erinnert, das er
mit ihm auf dem Wormser Reichstage über Luthers Lehre
geführt habe, beginnt er sogleich mit jenem berüchtigten
Ausdruck des Wormser Edikts, daß Luther alle längst ver-
dammten Ketzereien „in eine stinkende Pfütze*
vereinigt habe!) Nur daß Schiner den Mund dabei recht
voll nimmt: „Lutheri haeresiarchae impurissima doctrina
omnium damnatarum, reiectarum et superatarum haeresum
infernali sentina ac impudentissima suscitatrice, cui a Christi
ad caelos ascensu truculentior, scelestior et execrabilior
hactenus vixit nemo. Wenn er erst von den Kümmer-
nissen der Verbannung erlöst und wieder in den Besitz
seines verlorenen Bistums gelangt sei, werde er alles daran-
setzen, um die ,spurcitia haeresis Lutheranae“ ausrotten
zu helfen?)
Man braucht also den Kardinal wahrlich nicht gegen
den Verdacht eines ,Gesinnungswechsels^ zu verteidigen
oder Zeugnisse für „seine unverdächtig katholische Gesinnung“
) „quamplurimorum haereticorum damnatissimas haereses in
unam sentinam congesserit^ Joh. Cochläus, Commentaria de vita et
scriptis Lutheri. Moguntiae 1549. p. 381, 83sq. WE. S. 60. Theol.
Stud. u. Krit. 1917, S. 268.
*) Fel. Ge8: Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs
v. S., Leipzig 1905, T, 347. Der Herausgeber hat weitere „rein phrasen-
hafte Ergüsse über Luthers Schändlichkeiten“ durch Punkte angedeutet;
Büchi aber hat an dem Mitgeteilten solches Wohlgefallen, daß er
meint: „Leider sind. die krüftigsten Stellen einfach aus-
gelassen" (3.19, Anm, 2). Daß Schiner selbst der Verfasser ist, geht
auch daraus hervor, daß ein Schreiben seines Sekretärs Sander an
Beatus Rhenanus (Horawitz-Hartfelder S. 145) in elegantem Latein
gehalten ist. |
. Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 8
114 34
zu häufen, zumal jene Äußerungen aus der Zeit seines
ärgsten Mißgeschicks schwerlich über den Kreis seiner
erasmisch gerichteten Landsleute hinausgedrungen waren ).
Ohne sich über die religiösen Fragen viel Kopfzerbrechens
zu machen, trat er unbedenklich und rücksichtslos für die
Aufrechterhaltung der päpstlichen Macht ein, sobald ihm
durch die Annäherung der Kurie an den Kaiser sich wieder
Aussicht auf gebührende Berücksichtigung seiner Leistungen
eröffnete. :
Er ist in Worms als Mitglied des kaiserlichen Redaktions-
ausschusses, der gelegentlich in seiner Wohnung fagte, nicht
1) Auf ein sonderbares Zeugnis für Schiners Glaubenstreue be-
ruft sich Büchi, wenn er S. 23, Anm. 1 ein Schreiben des General-
Schatzmeisters der Niederlande (trésorier général des finances; des
„Pfenningmeisters“ der Statthalterin, den A. Dürer in Antwerpen
portrütierte; K, Lange und F. Fuhse, Dürers schriftl. Nachlaß. Halle
1893, S. 124, 7) Jean Marnix, seigneur de Thoulouse, an Schiner mit-
teilt, in dem jener in vielen diplomatischen Gescháften und so auch in
dem Wahlfeldzug von 1519 gebrauchte und nach Deutschland ent-
sandte Beamte (vgl. DRA. T) am 28. Dezember 1519 versichert, daß
sein Kollege Jean d'Ostin, genannt Hesdin, über die Verdienste des
Kardinals unterrichtet sei. Dieser Hesdin war ebenfalls Hat .der
burgundischen Regierung und führte den Titel eines maitre d'hótel
des Königs Karl I.; er wurde 1522 als „maréchal des logis" des
Kaisers bestellt mit der Verpflichtung, diesem in den Krieg zu folgen.
Auch er wird in den diplomatischen Korrespondenzen bei Le Glay,
Lanz, Brewer sehr oft erwähnt, ganz besonders aber bei Sendungen
an den englischen Hof, mit dem ja auch Schiner in engen Beziehungen
stand, und in kriegerischen Angelegenheiten, da er u. a. für die nieder-
ländische Artillerie zu sorgen (Brewer, Letters und Papers III, 957,
1007f) und darüber mit Wolsey zu verhandeln hatte. Diese beiden
Männer hatten also schwerlich eine genauere Vorstellung von dem
Stande der lutherischen Angelegenheit und erblickten in Schiner eine
hervorragende diplomatisch-militärische Kraft, deren religiöse Ge-
sinnung ihnen aufer Frage gestanden hat. Keinesfalls hatten sie
schon Ende 1519 Kunde von kirchlicher Unzuverlüssigkeit deutscher
Fürsten, von der auch in der Tat, den einzigen Friedrich von Sachsen
ausgenommen, noch nicht die Rede sein konnte. Nun schreibt Marnix:
Hesdin habe von ihm erfahren, wie Schiner sich eifrig bemüht habe,
wührend geistliche und weltliche Fürsten sich schwierig gezeigt hütten
(adversis principibus); nichtsdestoweniger habe Schiner sich wie ein
Fels in seiner „fides catholica“ gezeigt (in f. c. petram firmari), Auf
diesen Umstand (super quo; von den Personen spricht Marnix als von
>
35 115
besonders hervorgetreten), wozu auch kein Anlaß vorlag,
da diese von Aleander ausgewählten Vertrauensmänner eigent-
lich nur die Aufgabe hatten, die Entwürfe des Nuntius mög-
lichst unverändert zur Vorlegung an die Reichsstände zu
empfehlen. Aber er hat sich dem Vertreter des Papstes
durch Erteilung von Auskunft und Warnungen nach Kräften
gefällig gezeigt und höchst wahrscheinlich ihm auch als
Übersetzer gedient, als Aleander unmittelbar nach der Krö-
nung in Aachen zwischen dem 23. und 26. Oktober mit
seinem Vorentwurf zu dem nachmaligen am 29. Dezember
von dem Gesamtstaatsrate gutgeheißenen Edikt an das kaiser-
liehe Kabinett herantrat. Der Nuntius hatte damals noch
keine Verbindungen mit den deutschen Räten angeknüpft,
die ihm die Ubertragung der späteren Entwürfe besorgten
und sich dabei der hochdeutschen Kanzleisprache bedienten.
der „Excellentia“ Hesdins und der „ Paternitas Rev.“ des Kardinals) werde
Hesdin bei der Katholischen und Kaiserlichen Majestät sich berufen
(bildlich gesprochen: „fundamentum suum est factura), in der festen
Hoffnung, den Kaiser dahin zu bringen, daß es dem Kardinal niemals
gereuen solle, „fidem catholicam conservasse‘. Da es nun nach dem
ganzen Sachverbalt und der Stellung der beteiligten Personen völlig
ausgeschlossen ist, daß es sich um ein Urteil über die religiöse Über-
zeugung handeln könnte, so bleibt nur die Erklärung übrig, daß hier
ein Wortspiel vorliegt mit dem Titel des Königs von Spanien, des
„rex catholicus“, dessen Wahl Schiner trotz des Widerstrebens vieler
Fürsten hatte durchsetzen helfen, wofür er nun bemüht war, die schon
zugesagte Belohnung durch die Fürsprache einflußreicher Finanz- und
Hofbeamter sich baldigst zu sichern (Hesdin als Korrespondent Schiners
auch bei Le Glay, Négociations II, 158—165).
Büchi legt auch einer gesinnungstüchtigen Äußerung Schiners
vom 24. Juni 1517 (3. 22, Anm. 1) eine allzu idealistische Bedeutung
bei: wenn dieser da erklärt, daß er allen, die ein Schisma erregen
oder die Kirche stürzen wollen, entgegentreten werde, so bezieht sich
dies auf die von Leo X, aus gewinnsüchtigen Absichten stark über-
triebene Kardinalsverschwörung dieses Frühjahrs, die mit „antikirch-
lichen Strömungen“ oder auch nur einer politischen Intrige, wie das
Pisanum von 1511 war, nichts gemein hatte.
1) Vgl. die Nachweisungen im WE. und DA. nach dem Personen-
verzeichnis. Daß „die Freunde Luthers“ ihn nicht „insbesondere für
die scharfe Fassung des Mandats verantwortlich machten", geht auch
daraus hervor, daß die von Büchi S. 18 mif verstandenen Mitteilungen
Aleanders über die Drohungen der Deutschen schon vom 8. Februar
stammen, als noch niemand Näheres von einem Mandat wußte.
8*
116 36
Die Übersetzung des Aachener Entwurfs ist jedoch in der
schweizerischen Mundart gehalten!) und die ungelenke Hand-
habung der Sprache?) erinnert an das grobschlächtige Latein
in dem Briefe Schiners an Herzog Georg. Überdies ist da-
bei Papier mit schweizerischem Wasserzeichen verwandt
worden; da nun der Sekretär Schiners, Dr. Michael Sander,
aus dem Wormser Sprengel stammte“), so dürfte als Ver-
fasser dieser Übersetzung in erster Linie der Kardinal selbst
in Betracht kommen.
Für sein lebhaftes Interesse an der Bekämpfung der
gefährlichen Sekte zeugt dann auch der Umstand, daß er
sich eine Abschrift der kaiserlichen Erklärung vom 19. April
1521 verschafft hatte“) und daß er das kaiserliche Seque-
strationsmandat vom 10. März dem Vertreter des Papstes in
der Schweiz übersandte®). Und obwohl seine Beziehungen
). Vgl. meine Nachweisungen in WE. S. 106, Anm. 2.
2) J. Kühn in ZKG, XXXV, 389, Anm, 3 und meine Bemerkung
ARG. XIII, 257, Anm. 1.
*) Wie Büchi S. 15, Anm. 5, leider ohne Quellenangabe mitteilt.
Sander erwies sich noch nach dem Tode seines Brotherrn als leiden-
schaftlicher Gegner der Reformation, der er als Domherr in Konstanz
(1523) nach Kräften zu wehren suchte. Auch dem Erasmus suchte
er (1524) in Rom Widerpart zu halten. Förstemann und Günther,
Briefe an Erasmus v. Rotterdam (Beiheft z. Zentralbl. f, Bibliotheks-
wesen 27. 1904) S. 93f, 84, 416f. Über seine Lebensumstände vgl.
BDB. S, 75f. |
) Ein Hinweis auf diese Vorlage (, ex archetypo cardinalis Sedu-
nensis,“ DRA. II, 594, 26) ist von Büchi dahin mißverstanden worden,
daß eine „deutsche Übersetzung davon in der Druckerei des Kar-
dinals Schiner („ex archetypis“) hergestellt wurde.“ Allerdings sei
„ihm von einer solchen Druckerei sonst nichts bekannt", und, wie
wir ihm versichern können, andern auch nicht. Trotzdem ist er mit
der weitern Folgerung bei der Hand, daß Sch. „auch an der Ab-
fassung des Originals mehr beteiligt gewesen sein dürfte, als bisher
angenommen war.“ Bisher aber wurde nur „angenommen“, daß dieses
Schriftstück die erste völlig selbständige Kundgebung des jungen
Herrschers gewesen sei. Allenfalls könnte dabei an den Einfluß des
von Aleander inspirierten Beichtvaters Glapion gedacht werden; keines-
falls aber stand Sch. dem Monarchen nahe genug, um an der Ent-
stehung dieser Urkunde beteiligt gewesen zu sein,
5) Büchi S. 17, Anm. 6 nimmt mit dem Herausgeber der „Akten-
sammlung zur Schweiz. Reformationsgeschichte“ J. Strickler, irrtüm-
licherweise an, daß es sich um das Wormser Edikt handelte; aber
37 — 117
zu den literarischen Kreisen nur sehr oberflächliche waren,
bemühte er sich nun auch, Luthers Gegner heranzuziehen
and zu fördern. Am wenigsten Glück hatte er dabei mit
Erasmus, der ihn zwar im März 1521 wie andere einfluß-
reiche Staatsmänner am kaiserlichen Hofe mit einer Zuschrift
bedacht hatte, um sich gegen die Verdächtigungen Aleanders
zu decken. Dann hatte er dem Kardinal in Brüssel seine
Aufwartung gemacht und dabei von seinen Bemühungen um
die Erläuterung der neutestamentlichen Schriften gesprochen:
er unterließ nicht, der von Schiner empfangenen Auf-
munterung zu gedenken, als er im Herbst das Evangelium
seines Namenspatrons mit Paraphrase dem kaiserlichen Hofe
übersandte!), Aber er war viel zu klug, um auf die auch
von Schiner unterstützte Einladung zur Übersiedelung nach
Rom einzugehen?)
Dieser hat dann dem bald nach dem Tode Leos X. in
Rom angelangten Generalvikar von Konstanz Johann Fabri?)
seine Gunst angedeihen lassen und seine dort erst vollendete
und am 14. August 1522 aus der Presse gekommene Streit-
dieses war bei dem eiligen Aufbruche des Hofes Ende Mai auch in
der in Worms gedruckten deutschen Fassung noch nicht für den Ver-
sand fertig und die für den Italiener W. de Falconibus wichtigere
lateinische Fassung wurde erst in Löwen gedruckt. Vgl. zur Ge-
schichte des Sequestrationsmandats WE. Kap. VI.
!) Die Nachweise in den Anfängen der Gegenreformation in den
Niederlanden I, 88. II, 65f., 98.
3) Büchi S. 19. Die Tätigkeit Schiners beschränkte sich in diesem
Falle darauf, daß er, wie Fabri am 7. April 1522 an Beatus Rhenanus
schrieb, den Konstanzer Generalvikar beauftragte, in seinem Namen
auf Erasmus in diesem Sinne einzuwirken, dem er auf die von Fabri
geäußerten Bedenken seinen Schutz zusagte. Horawitz-Hartfelder S.
304f. Die Bedeutung einiger schmeichelhaften Äußerungen des Eras-
mus bei Widmung der Paraphrase des Jakobusbriefes u. a. wird von
Joller S. 50 stark übertrieben.
*) Über dessen Auftreten in Rom vgl. den von mir im ARG. III,
77ff abgedruckten Bericht des Jakob Ziegler an Erasmus vom 16. Febr.
1592, dessen bezüglicher Abschnitt S, 78, wie Schottenloher a. a, O.
V, 81f gezeigt hat, auf Fabri bezogen werden muf; in einem ebenda
mitgeteilten Aufsatze gibt Ziegler nähere satirisch gefärbte Be-
obachtungen über die Entstehung der oben erwähnten Schrift und die
Arbeitsweise Fabris.
118 38
schrift, das „Opus adversus nova quaedam dogmata M. Luther!“
schon am 29. August mitjenem Schreiben an Herzog Georg von
Sachsen übersandt. Es fehlt dabei neben dem überschweng-
lichen Lobe dieser Leistung wiederum nicht an wüsten
Schimpfereien über Luthers ketzerische Lehre, die als „eine
höllische Brutstätte der schmutzigsten und verrücktesten Irr-
tümer“ bezeichnet wird. Der Kardinal wird alle. Kraft
darauf verwenden, diese jetzt in Deutschland wütende Pest
zu bekämpfen, wozu das Werk Fabris besonders geeignet
sei. Der Zweck der Empfehlung ist ebenso durchsichtig,
wie das Anerbieten Schiners, die etwaigen Anliegen des
Herzogs bei dem neuen Papste zu vertreten, bei dem er
alles durchzusetzen hoffe dürfe: eine etwas voreilige Be-
hauptung, da der Papst erst am Tage vorher in Ostia ge-
landet war und am 29. August erst seinen Einzug in die
ewige Stadt hielt!)
Bei dieser Roheit, die sieh in den Worten des alten
Kriegsmannes über Luther kundgibt und den abfälligen
AuBerungen, die er in Worms vor dem venetianischen Bot-
sehafter über Luthers Unmüfigkeit und seine frivole Be-
urteilung des Geschlechtslebens getan hatte, ist nun die Ver-
mutang nicht von der Hand zu weisen, daß „der berühmte
Bischof“ (,apud magni nominis hominem ex episcoporum
numero“), an dessen Tafel Jakob Ziegler das Urteil tiber
Luiher hörte, daß er „ein Hurer und Säufer“ sei?, eben
unser Kardinal von Sitten war. Bei demselben Gastmahle
hatte sich auch ein erbitterter Gegner des Erasmus, der
Spanier Jakob Lopez Zuñiga (Stunica) eingefunden, der
. dann eine scharfe Kritik der literarischen Tätigkeit des
Rotterdamers zu Besten gab.?).
Jedenfalls geht auch aus diesen spärlichen Zeugnissen
über die Berührung Schiners mit der Gelehrtenwelt hervor,
dab er bisher zu Unrecht als ein Gónner des Humanismus
*) v. Pastor IV, 2, 46 fl. Da Schiner bei Erwähnung des Papstes
berichtet, daß dieser „schon die italienische Küste erreicht habe und
in vier bis sieben Tagen in Rom erwartet werde", so muß der größte
Teil des Schreibens einige Tage früher entstanden sein. F. Gef, a.
a. O. S. 347, 24f, 348.
*) ARG. III, 70f.
39 119
aufgeführt worden ist und daß er bei seiner dürftigen Bildung
und seinen rein materiellen Interessen den wissenschaftlichen
Bestrebungen seiner Zeit ebenso gleichgültig gegenüberstand,
wie er sich in seinen kirchlichen „Reformplänen“ oberfläch-
lich und eigennützig und der religiösen Bewegung gegen-
über schlechthin feindselig erwies. Dieses Bild wird auch
nicht wesentlich gemildert durch den Hinweis auf seine
Rührigkeit in Wahrnehmung seiner bischöflichen Pflichten
durch Visitationen, Kirchenbauten und Verwaltungsmaßregeln 2
Abgesehen davon, daß einige überschwengliche Äußerungen
der Urkunden über das Wesen der Kirche und die Herr-
lichkeit der Mutter Gottes ihrem Wortlaut nach das Werk
des beteiligten Kanzlers oder Generalvikars sind, daß die
korrekte Umschreibung des Ablasses in den bezüglichen
Briefen den überlieferten Formeln entspricht, hatten die
Visitationen doch auch den deutlich erkennbaren Zweck,
durch Geltendmachung der geistlichen Disziplinargewalt auch
die fiskalischen Interessen zu fördern?). Seine Bautätigkeit
wie einige kostspielige Schenkungen entsprechen dem Zuge
des Renaissancefürsten, durch prunkvolle Denkmäler und
Stiftungen seines Namens Gedächtnis zu sichern. Es ist be-
zeichnend, daß man dabei keine Einrichtung zu karitativen
Zwecken nachzuweisen vermag; und der erbauliche Charakter
seiner im Dome von Sitten gehaltenen Predigten wird denn
doch durch ein Werk wie die Elogia des Italieners Paolo
Giovio (Jovius) nicht glaubwürdig genug bezeugt?) Wenn
er sich um die Wiederpringung entfremdeten Kirchengutes
bemtüht, also den Herzog von Mailand bestimmt, die ,dem
Hochstift Novara widerrechtlich entzogene Herrschaft Vespo-
late zurückzustellen^*) so handelte er eben nur in nackter
Habgier zur Mehrung des ihm zugefallenen Beuteanteils.
Auch läßt sich leicht übersehen, daß ihm selbst für eine
derartige Erfüllung seiner bischöflichen Pflichten bei seinem
1) Vgl. die von Joller gesammelten Zeugnisse, Blätter aus d.
Walliser Gesch. I, 511f,
2) Vgl. die hohen Buen, die er auf Gotteslästerung, zu frühe
Öffnung der Wirtshäuser u. dgl. setzte. Joller S. 60.
5) Joller S. 59.
*) Joller S. 61.
120 Ä 40
unsteten Leben als Heerführer und politischer Unterbändler
nur wenig Zeit übrig bleiben konnte. |
So darf denn sowohl die ältere Legende von dem
lutherfreundlichen, humanistisch angeregten Oberhirten, wie
die neuere von dem zwar reformeifrigen, aber theologisch
wohlgertisteten und allzeit loyalen Kirchenfürsten, dem wegen
seiner vorbildlichen Tugenden und seiner staatsmännischen
Größe die Tiara angeboten wurde, als beseitigt gelten. Es
bleibt bei dem Bilde des tatkräftigen und wagemutigen
Kriegers, des verschlagenen und schlagfertigen Politikers,
des herrschsüchtigen, rücksichtslosen Parteimannes. Auch
Schiner war ein Bauernsohn wie Luther und deshalb frei
von den Lastern der höheren Stände, aber weder durch
tiefere Geistesbildung noch durch edlere Ziele in der Be-
tätigung seiner rohen Selbstsucht und seiner urwüchsigen
Begabung gezügelt oder gemildert.
Die reformatorischen Kirchenordnungen
Ober- und Innerösterreichs.
Mitgeteilt, eingeleitet und erläutert von Georg Loesche.
Schluß!).
Erinnerung vonderkirchenordnung, dasman
rechten unterscheidt haltezwischen dem das
notwendig und dem das nicht notwendig,
sondern frey ist.
Also haben wir theologen dieser landschaften, welche,
wie obgemeldet, zu diesem werckh ordentlich erfordert seindt,
uns ven unser und unser mitbrieder wegen der lehr halben
erklehret, darauß unser aller lehr, gleichförmigkeit genug-
sam erscheinet, darby wir auch durch gottes hülf biß inn
unsere endte zuverharren gedenckhen, wenn schon nümer
nichts davon beschrieben würde; den diß ist die einigkeit,
die da nottwendig und durch auß ganz in alen stückhen
muß für und für gesucht und erhalten werden; wenn hierin
auch das aler geringste püinctlin verruokht würde, so wehr
es schon umb die wahre einigkheit geschehen, darumb ein
aufrichtig lehrer und bekenner des Evangelions Christi sich
hierin garab nicht muß bereden lassen, daß er in etwab
weichen oder nach geben wollt, und wo man die reine lehre
und wabre einigheit deß Geistes in der khürchen erhaltten
wil, da sol man sehen, daB einer mitt dem andern allso
stimme, und, wehr nicht gleich mit zu stymmet, abgesetzt
werde; dahin auch eigentlich beharret, daB Paulus sagt, ein
wenig saurteig verseuret den ganzen teig Gal. 5?). Diese
einigkeit hatt auch Augustinus?) vor zeiten allein von deu
lehrern erfordert in allen khürchen, in ceremonien aber und
eusserlicher verwaltung hatt er uf eine gleichförmigkheit
al ein nottwendige sache gar nicht gedrungen, sonder einer
jeglichen khürchen ihre weiße frey gelassen, ja auch für
eine zierde gerechnet, wens schon mancherly weißs ge-
haltten werdt, nur daß verhuettet würde, ales, wa dem
» yel Bd. 17 S. 209—230, 277—300, Bd. 18, 35—55.
.9
3) (In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas)
122 42
wahren glauben und gottseligkeit entgegen wehr, dahin er
dan den spruch psal. 45!) zeucht: tota pulchritudo filiae
regis, seu ut nostra habet translatio: omnis gloria filiae regis
ab intus in fimbriis aureis circumamicta varietatibus, welchs
uff deutsch also lautet: deb kinigs dochter ist ganz herlich
innwendig, sie ist mit gülden stückhen bekleidtet, man fieret
sie in gestickhten kleidern zum keinige, daß ist nach der
außlegung Augustini?) so viel, die nottwendige einigkeit der
christlichen kürchen stehet aler Ding im glauben und lehre,
nemblich in der Norma veritatis, grundtfest und pfeiler der
Wahrheit, davon wir anfencklich meldung gethan; in cere-
monien aber und eusserlieher ordnung haltts ein jegkliche
kürche nach gelegenheit deß ortts, der zeit, der leutt und
anderer umbstende, wenn nur die Lehre und glaube der-
massen ist, daß man dardurch die leutt zum künige, dem
heren Christo, füere, so liegt nichts daran, daß in einer
kürchen dieße und in der anderen ein andere weiße sey
Ja, wie es woll stehet, wenn die brautt am gebräm ihres
rokhs und den eussersten enden der außwendigen bekhleidung
gollt, sammett, seidten und mancherley farrben hatt, daß sie
in gulden stückhen und gestückhten mit berrlin und edlin
gesteinen gezieret kleidern daher zum brüedigam. geftertt
württ, Also gibts ein zierde der algemeinen christlichen
kürchen, welche deß herren Christi brautt ist, wenn allent-
halben ein glaube, ein wortt oder Lehre, ein tauffe?), ein
geist ist, dardurch sie allein zu Christo ihrem breudtigam
und nicht beneben hin gefuert würdt und aber nach gelegenheitt
der mancherley lande und volekher mancherley weiße im eusser-
lichen wandel und verwaltung der kürchenempter ist, wenn nur
die brautt zum rechten brüedigam gefiert württ, daB dan allein
:dureh gesunde lehre und glauben geschieht, so stehetts alent-
halben woll und ist die eusserliche ungleichformigkeit mehr ein
zierde dan ein übelstandt; wo man aber auff die eusserliche
gleichförmigkeit dringt und der innerlichen nicht achtet, wie
die papisten thun, da stehet die sach gar übel, wan schon
die eusserliche weiße in ihrer gleichförmigkeit ein prächtigen
schein hatt und hoch gerühmet würdt; den da würdt die
brautt nicht dem rechten brüedtigam, sondern seinem feindt,
dem teuffel, zugefüeret; wehr wollt deB lachen, dan der
teuffel selbert alein? Dieße lehre hatt Augustinus von Am-
brosio*) seinem seelhirtten gelernet und derselbige, wie auch
andere hatts von den vatern, so für im gewesen sein, wie
dan Eusebius?) Socrates?) und Sozomenos?) viel schreiben,
1) 45, 14 f. *) Migne, Patr. lat. 86, 512, 3) Ephes. 4, 5.
) RGG. 1, 496. 5) Ebd. 9, 695. 6) Ebd. 5, 739.
7) Ebd. 5, 772.
43 123
da etliche geister nicht auß gottseligem euffer uff ein gleich-
förmigkeit in mitel dingen, al uff ein nottwendigkheit sehr
drungen, großen streitt und lerme hin und wider in der
khürchen erregten, daß gottförchtige, friedt liebende, ver-
nünftige bischoffe und lehrer die sache zum friede also
bracht, das sie nur gerathen, uff den glauben und gesunde
lehr achtung zu geben und dan einer jegklichen khurchen
ihre weiße nach dem einer jegklichen Gelegenheit erfordert
frey liessen und ziehen Ireneum!) und Polycarpum?) an,
welche solche christliche weißheit und bescheidenheit in
dem kürchenregiment gebrauchet haben; daher deß Irenaei
meinung berümpt worden: jeiunii disonantia () fidei conso-
nantiam minime rumpit, welches von allerley ceremonien
und eusserlicher kürchenzucht gleichsfalB verstanden würdt,
und zwahr dieße lehre haben die väter auß gottes wortt
gelernet, wie dan Polycarpus sein lehre von Johanne dem
apostel und evangelisten zu Epheso gelernet und härnach
den Irenaeum gelehret hat; den Paulus sagt von der nott-
wendigen gleichförmigkeit, so in glauben und gesunder lehr
stehet, Philiper 38) also: wievill nu unser volkhomme seindt,
die laet uns alo gesünet sein, und solt ir sonst etwaß
halten, daB lasset euch gott offenbaren, doch so ferne, dab
wir nach einer regel, darein wir khommen seindt, wandelen
und gleich gesünet seyen und zun Ephes, 4: Seyt vleiDig
zu halten die einigkeit im geist durch das band des friedes;
ein leyb und ein geist, wie ihr auch beruffen seidt uf einerley
hoffnug euers beruffs, ein her, ein glaube, ein tauffe, ein
gott und vatter unser aler, der da ist über euch ale und
dureh euch ale und in euch alen. Item in 2. Timotheo 1 5:
half an dem fürbülde der heilsamen wortte, die du von mir
gehört hast vom glauben und von der liebe in Christo Jesu;
diesen guten beylag bewahre durch den heiligen geist, der
in uns wonnet; item 2. Timotheo 35): bleibe in dem, daß
du gelehrnet hast und dir vertraut ist. 1. Thimothe 69):
Ich gebiete dir für gott, der ale dinge lebendig machet und
für Jesu Christo, der under Pontio Pilato bezeuget hat ein
gutt bekenntnus, daß du haltest diß gebott ohn flecken un-
vertadelich biß auf die erscheinung unsers heren Jesu
Christus. Timothee, Bewahre, das dir verthrawet ist und
meide die ungeistlichen, loßen geschwetze. 1. Timotheo 5?):
ich bezeuge für Gott und dem herrn Jesu Christo und den
außerwelten engeln, daß du solches haltest ohn eigen gutí
dunkhel. 1. Thimotheo 15): diß gebott befellhe ich dir,
mein son Timothee, nach den vorigen weiDsagung über dir,
9 Ebd, 3, 670 ) Ebd, 4. 1662. ») V. 15.
«9 V 5 v. 11. ) V. 1 ) V. 21. 9 V. 18.
124 44-
das!) du in denselbigen eine guete riterschaft übest und
habest den glauben und guet gewissen, in der ander
Timoth. 4: so bezeuge ich nun fur gott und den herrn
Jesu Christo, der da zukunftig isí zu richten die lebendigen
und die todten mit seiner erscheinung und mit seinem reich,
predige das wort, haldt an, es sey zu rechter zeit oder zur
unzeit. Gal. 1*5: So auch iemandt evangelium prediget
andersí dan das ir empfangen habt, der sey verflucht!
Joan. in epist. 2°): Wer übertritt und bleibet nicht in. der
lehr Christi, der hat keinen Gott. Wer in der lehr Christi
bleibet, der hat beide den vatter und den sohn; so iemandt
zu euch khomet und bringt dise lehr nicht, den nemet nicht
zuhause und grüesset in auch nit, den wer in grüesset, der
macht sich theilhaftig seiner losen werke. Auß disen und
dergleichen sprichen lernen wir die nottwendige gleichformig-
keit des glaubens und lehre oder bekenntnus, davon auch
der herr Christus sagt: Luc. am 10.*) Unum est necessarium,
eins ist vonnötten. Von ceremonien aber und euserlicher
weise, sagt Paulus zum Colloss. am 2.5: So lasset nun
niemand euch gewissen machen über speise oder dranck
oder über bestimbten feiertag oder neumonden oder sabbather,
welches ist der schatten von dem, das zukunftig war, aber
der cörper selbst ist in Christo. Lasset euch niemand das
zill verrucken, der nach eigner wall einher gehet in demuet
und geistlichkeit der engel; so ir den nun abgestorben seit
mit Christo den satzungen der welt, waß lasset ir euch den
fangen mit satzungen, als lebeten ir noch in der welt, die
do sagen, du sollt das nicht angreifen, du soll das nicht
kosten, du soll das nicht anruren, welchs sich doch alles
under handen verzeret und ist menschen gebott und lehre,
welche haben einen schein der weiDheit durch selb erwölte
geistlichkeit und demuet und dadurch, das sie des leibes
nicht verschonen und dem fleisch nicht seine ehre thun zu
seiner notturft. In der 1. Timoth. 4: Der geist aber saget
dentlich, das in den letzten zeiten werden etliche von dem
glauben abtretten und anhangen den verfurischen geistern
und lehren der teuffel, durch die so in gleisnerei lugenreder
seint und brandtmall in ihren gewissen haben und verbieten,
ehlieh zu werden und zu meiden die speise, die gott ge-
schaffen hatt. Der ungestlichen®) und altvätterischen fablen
entschlage dich. Auß disen und dergleichen sprüchen lernen
wir, das Paulus nicht allein die Menschen satzung verwirffet,
die gottes wort entgegen gein, sondern auch, wenn iemandt
auf die, so etwa ohn stinde einem andern zur liebe möchten
1) Von hier an wieder eine andere Hand. 3) V. 9. 5) V. 9.
*) V. 41. 5) V. 16. *) ungeistlichen.
45 125
gehalten werden, als auf notwendige sachen drunge, woll
ers ganz und gar nicht gestatten, weil solch nötigen der
christlichen Freiheit zu wider und under dem schein der
eusserlichen ordnung und gleichformigkeit nichts auders dan
verdunckelung und vertilgung des reinen evangelii und waren
seeligmachenden glaubens gesuecht wird. Darumb sagt er
auch zum Gal. am 2. capitel !): Es werd auch Titus nit ge-
zwungen sich zu beschneiden, ob er woll ein Grieche war;
denn da etliche falsche brüeder sich mit eindrungen und
neben eingschlichen waren zu verkundtschaften unsere frei-
heit, die wir haben in Christo Jesu, das sie unB gefangen
nemen, wichen wir denselbigen nicht eine stunde underthan
zu sein, auf das die wahrheit des evangelii bei euch be-
stünde. Da aber Petrus gen Antiochiam kam, widerstund
ich ihm underaugen, denn es war klage über ihn komen.
Den zuvor, ehe etliche von Jacobo kamen, aß er mit den
heiden. Da sie aber kamen, entzog er sich und sondert
sich, daramb das er die von der beschneidung fürchte, und
heuchelten mit ihm die andern juden, also das auch Barnabas
verfueret werdt mit ihnen zu heuchlen; aber da ich sahe,
das sie nicht richtig wandleten nach der wahrheit des evan-
gelii, sprach ich zu Petro fur allen offentlich: so du, der
du ein jude bist, heidenisch lebest und nicht judisch, warumb
zwingest du dan die heiden, judiseh zu leben?
Ob aber woll der liebe apostel da so ernst gewesen ist,
weils die nott des evangelions wahrheit zu verteidigen
forderte, hat er doch anderswo, damit er die schwachen
nicht ergere, beide, beschneidung und andere weise, willig
gehalten, damit also auf beiden seitten die christliche frei-
heit in diesen sachen bestünde, denn hierin weder zur
rechten noch zur linken ein zwang oder nottwendigkeit ge-
sucht werden soll; wolle iemandt sagen, es were solch eusser-
liche weise also und nicht anderst zu halten, notwendig zur
seeligkeit, der stritte wider den glauben, welchs unzeittige
geseizprediger das evangelium zu verdunkelen zur apostel-
zeit understanden. Act. a. 15, Gal. 4, Phil. 3. Wolle aber
hergegen iemandt sagen, es were zur seeligkeit notwendig,
solehe dinge allezeit bei iedermann an allem ort, es driege
sich zu, waß da woll, zu meiden, der süchte?) die liebe an,
welche mit den schwachen gedult hat und ohn verletzung
des gewissens ihnen vill zu liebe freiwillig helt; und zwar
dise seind eben so hardt wider den glauben als die andern,
weil sie sündt machen, da keine sünde ist, wüllen die ge-
wissen verstricken in sachen, über welche kein gewissen
zu nennen ist, wen nur der glauben und glaubens lehre ge-
1) V. 3. 1) Am Rand: sichte = sehe.
126 | 46
sundt und die liebe des nechsten knecht bleibet; diesen un-
zeittigen gebrauch der freiheit straffet Paulus mit wortten
‚und thatten villmall; als Act. ap. 16 lest er Timotheum be-
schneiden, damit er die juden, so noch schwach im glauben
waren, nicht ergerte. Act. ap. 181) et 21?) bezalet er sein
gelübte, lest sein haubt bescheren nach der juden gebrauch.
In der 1.Cor.9®): Den wiewoll ich frei bin von iederman, spricht
er, hab ich doch mich selbs jedermann zum knecht gemacht, auf
das ich ihrer vill gewünne. Den juden bin ich worden als ein,
jude, auf das ich die juden gewunne; deren die under dem gesetz
sind, bin ich worden als under dem gesetz, auf das ich die,
so under dem gesetz sind, gewinne; denen die ohn gesetz
sindt, bin ich als ohne gesetz worden; (so ich doch nit ohn
gesetz bin für gott, sondern bin in dem gesetze Christi), auf
das ich die, so ohne gesetz sindt, gewinne. Ich hin ieder-
mann allerlei worden, auf das ich allenthalben ia etliche
seelig mache; solchs aber thue ich umb des evangelii willen,
auf das ich sein teilhaftig werde. Eben diesen rath gibt er
auch allen anderen Christen, als in derselbig epistel am 8.
eapitel ) spricht er, die speise fordert) unh nicht for Gott;
essen wir, so werden wir darumb nicht besser sein; essen
wir nicht, so werden wir darumb nichts weniger sein; sehet
aber zue, das dise eure freyheit nicht geradt zu einem an-
sto der schwachen; wen ir aber also sündiget an den
brüedern und schlegt ihr schwages?) gewissen, so sündiget
ir an Christo. Darumb, so die speise meinen brueder ergert,
wolte ich nimmer mehr fleisch essen, auf das ich meinen
brueder nicht ergere. Und in der 1. Corintb. 10°) spricht
er: ich hab es zwar alles macht, aber es frommet nicht
alles; ich hab es alles macht, aber es bessert nicht alles;
niemandts sueche, waß sein ist, sonder ein iegklicher, waß
des andern ist. Ir esset nun oder drinket oder was ir thuet,
80 thuet es alles zu Gottes ehre; seit nicht ergerlich weder
den jud noch den griechen noch der gemeine gottes, gleich
wie ieh auch iedermann in allerlei mich gefellig mache, und
sueche nicht, waß mir, sondern waß vielen frommet, das sie
selig werden; seit meine nachfolger, gleich wie ich Christi;
und denen, so sich unzeittiger freiheit gebrauchen, das sie
irgendts einer kirchen gemeinen brauch und weise sich
wegern zu halten, wöllen sonderlinge werden, richten zank
und unruhe an ohn alle ursachen, antworttet er nichts mehr
den dif, in der 1. Corinth. 119): Ist aber iemandt under
euch, der lust zu zanken hat, der wisse, das wir solche
weise nicht haben, die gemeine gottes auch nicht, Zum
1) V. 18. 3) V. 26. 5 V. 19. 1) V. 8.
5) fördert. ) schwaches. ?) V. 23. 8) V. 16.
47 127
Röm. 14 et 15: Redet er vill von disen sachen, wie man
darin der christlichen freiheit recht gebrauchen und nicht
ein fleislichen mutwillen zu betruebnus der schwachglaubigen
under dem schönen mandel der christlichen freiheit treiben
soll. Den schwachen im glauben, spricht er, nemet auf und
verwirret die gewissen nicht; einer glaubet, der möge allerlei
essen, weleher aber schwach ist, der isset kraut; welcher
isset, der verachte den nicht, der da nicht isset, und welcher
nicht isset, der richte den nicht, der da isset, den Gott hat
in aufgenommen. Wer bistu, das du ein frembden knecht
richtest; einer helt einen tag für den andern, der ander aber
helt alle tag geleich, ein iegklicher sey in seiner meinung
gewiß; welcher auf die tage helt, der tutß dem herren und
weleher nicht drauf helt, der thuets auch dem herren; welcher
isset, der isset dem herren, den er danket Got, welcher nit
isset, der isset dem herren nieht und danket Gott; den
unser keiner lebet ihm selber. Du aber, waß richtestu deinen
Brueder oder du ander, was verachtesta deinen brueder?
wir werden alle fur den richterstul Christi gestelt werden.
Darumb lasset unD nicht mer einer den andern richten,
sondern das richtet vill mehr, daß niemandt seinen brueder
einen anstoß oder ergernus darstelle. Ich weiß und bins
gewiß in dem herren Jesu, das nichts gemein ist an im
selbs, ohn der es rechnet für gemein, demselbigen ists ge-
mein; so aber dein brueder über deiner speise betrtlebt
wirdt, so wandelst du schon nieht nach der liebe; lieber,
verderbe den nicht mit deiner speise, umb welches willen
Christus gestorben ist. Darumb schaffet, das eur schatz nicht
verlestert werde, denn das reich Gottes ist nicht essen und
drinken, sonder gerechtigkeit und Friede in dem heiligen
geiste; wer darinnen Christo diener, der ist Gott gefellig
und den menschen werdt, darumb lasset und dem nach-
streben das zum friede dienet und wab zur besserung unter-
einander dienet. Lieber, verstere nicht umb der speise
willen Gottes werk, es ist zwar alles rein, aber es ist nicht
guet dem, der es isset mit einem anstoD seines gewissens;
es ist vill besser, du essest kein fleiß () und drinkest kein
wein oder daß, daran sich dein brueder stosset oder ergert `
oder schwach wird. Hastu den glauben, so hab in bei dir
selbs för Got. Seelig ist, der im selbst kein gewissen macht
in dem, das er annimmet; wer aber darüber zweifelet und
isset doch, der ist verdambt, den es get nicht auß den
glauben; was aber nicht auß dem glauben gehet, das ist
Sünde; wir aber, die wir stark sind, sollen der schwachen
gebrechlichkeit tragen, und nicht gefallen an nnB selber
haben; es stelle sich aber ein iegklicher under unß also, das
128 48
er seinen nechsten gefalle zum guetten zur besserung, den
aueh Christus [nicht] an ihm selber gefallen hatte. Darumb
nemmet euch undereinander auf gleich, wie auch Christus
hat aufgenommen zu Gottes lobe.
Diese lehre und exempel des apostels Pauli sindt alle
zeit hoch in der kirchen Gottes gehalten, darauß Polycarpus,
Irenaeus, Ambrosius, Augustinus, Lutherus in gleichen fellen
gueten radt beide für schwache und starke gegeben haben
und wie sie die unvernünftigen gesetztreiber auD verange-
zogenen spruchen gestraft haben, also haben sie nicht we-
niger die frechen verächter aller schwachen und die so auß
der ehristeliehen freiheit ein fleischlichen ergerlichen mut-
willen gemacht haben, hierauß ires gottlosen frevels über-
wiesen. Lutherus hat zu unser zeit nicht allein der papisten
notzwang, da sie auf menschen satzung als weren sie zur
.seeligkeit vonnótten gedrungen, ernstlich gestraffet, und in
dem die ware seeligmachende gerechtigkeit und christliche
freiheit erürtert und offenbaret, er hat aber auch nicht we-
niger ernst gebraucht gegen die bildstürmer und kirchen-
wuester, als Carlstat!) und seinesgleichen, da er gesehen
hat, das sie von einem ehrgeitzigen, frechen, frevelen, zün-
ckischen, unrubigen, aufrurischen geist getrieben wurden, de-
nen kein kirchrecht reformiert ware, sie wer den wie ein
verwuesteter stadel oder scheuren zugerichtet, und frevelich
iederman urteillen, dem teuffel gaben?), die noch ein khor-
rock oder etliche ander ceremonien dulteten, ob schon solchß .
mittel dinge?) sind, die außer dem fall der ergernuß weder
geben noeh nemen, und, do Carlstat die elevation des ca-
craments für sich selbs wolte für ein gotloß werk und todt-
sünde aufschreien, ließ er sie ihm zu drutze bleiben noch
ein zeitlang*), damit auch in solchem fall unser christlichen
freiheit nichts benommen und Carlstat sampt seinen schwarm
nicht zum neuen pabst wurde, sünde zu machen, da kein
sünde ist, und solche grosse ergernuß zugeben; es hat der
frumme Lutherus wie auch Pomeranus?°), Vitus Dietrich ®)
gar fein sauberlich und weißlich gefaren in der reformation
und abgetan der päbstischen greuel; waß mittel ding gewe-
sen, hat er nicht abgetan umb der schwachen willen, und
damit will gewunnen wurd, hat er vill dings, das man auch
entraden kan, ein guette zeit bleiben lassen. Solchs exem-
pell sollen woll wahrnemen, die auch zu dieser zeit an di-
sen und anderen ortten, da man noch das pabstumb umb
sich hat und nicht allenthalben lange zeit die evangelische
lehre und freiheit geprediget und gnugsam erkläret hat, die
1) RGG 3, 949. 3) überantworteten. *) RGG 1, 148.
*) Sehling s. v. Elevation. 5) RGG 1, 1420. *) S. ob. S. 238, 8.
49 129
kirchen geschefft anzuordenen beruffen werden. Was nun
Paulus da in einem fall, nemblich von speise, fasten gesagt,
kan man auf alle dergleichen fälle ziehen: als, wer den
chorrock, liechte, westerhembt!), handtauflegen und derglei-
chen ceremonien nicht braucht, der verachte den nicht, der
sie brauchet, und hergegeu, wer sie brauchet, der richte die
nicht, so sie nicht gebrauchen, ein iegklicher sehe, das er
das reich Gottes durch waren glauben in sich habe und der
waren gerechtigkeit, die fur Gott gilt, nemblieh der verge-
bung der stinden durch Christum sich tröste und sein herz
zufriden stelle, ware freidt im heiligen geist, dessen tempel
er worden ist, habe und diene dem herren auß diesem wa-
ren glauben auch in eusserlichen kirchengebreuchen und
ceremonien, kein unruhe anstifte, dem schwachen kein anstoß
setze, niemandts ergernuß gebe, gern iedermans knecht sey
durch die liebe, das viele bekeret und christo gewunnen
werden. Was aber die formen und ordenung belangt, die
sacrament zu reichen, den catechismum zu lehren und zu
examenieren, das wort zu predigen und mit singen und lesen
zu treiben, das es reichlich under und wohne, ist nicht
vonnöten, das ein einige weise und masse allen kirchen al-
lenthalben furgeschriben werden; denn das seint mancher-
lei farbe von außwendigen gebreme an den guldenstück ?),
darin Christo dem könig seine braudt fur aller menschen
augen zugefuert wird, welcher braut herligkeit und schöne
nur inwendig und allein dem breutigam und ir selbst bekant
ist, nemblich der glaube, welcher ware gerechtigkeit und
dardurch friede und freude dem herzen bringt im heilligen
geiste; zu der außwendigen zierde ist genug, das man die
regeln sanct Pauli helt, die er hiezu gibt, in der 1.Corinth. 145):
Lasset es alles geschehen zur besserung; trachtet darnach,
das ir die gemeine bessert, auf das ihr alles reichlich habt.
Item: Got ist nicht ein Gott der unornung, sondern des frie-
des, wie in allen gemeinen der heiligen; darumb, lieben
brueder, lasset alles ehrlich und ordentlich zu gehen.
Wo dann einer in ein gemeine kombt, do begere er
ihm nicht ein sonders zue machen; klügele, maistere, tadtle
nichts unberuffen, richte oder verachte nicht freuelich $), mach
kein gezenke noch unruhue über unnötigen sachen, gebe
kein ergernuß, sondern suche den friede und jage in nach“),
angesehen das Gott ist ein Gott des friedes; halte sich gern
an die ornung und weise, die er da findet, wie des Ambrosii
rath, welchen er Augustino und seiner muetter gab: wen ich
zu Rom bin, sagt er, so faste ich mit inen am sabbath, wen
1) Taufkleid. 2) Psalm 45, 10. S, ob. S. 122. 3) V. 33, 40.
*) freventlich. 5) Ps. 34, 15, 1. Petr. 3, 11.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII 3/4. 9
130 50
ich zu Meilandt bin, so faste ich nicht am Sabbath; so thuet
ihr auch, zu welcher kirchen ir kombt, derselbigen sitten,
weise und gewonheit haltet, wen ihr anders nicht geergert
wolt werden oder anderen ergernusse geben. Diß haben die
Theologen etwaß weitleuffiger wollen vermelden und erinnern,
damit in disem notwendigen und ganz christlichen furnemen
wohlbetrachtet werde, waß rechte einigkeit und gleich-
förmigkeit sey, welche das rechte merkzeichen der waren
christlichen kirchen ist, und das ia nicht in solchem für-
nemen der papisten lesterung mehr den sich gebueret
betrachtet werde, welche nur mit irem eusserlichem meß-
halten und unnutzen larven grosse einigkeit furgeben und
wen mans beim liebt besuehet, haben sie weder under
sich selbs noch mit Gott und seiner waren kirchen frid und
einigkeit, |
Dagegen haben die herrn und landleut, so in disen
dreuen?) landen derreinen A. K. zugethan sein, Gott hoch
zu danken, das ein wahre christliche einigkeit, die Gott
allein in der lehre und glauben von seiner kirchen fordert,
bei inen und in ihren kirchen durchauß ist, obschon in
eusserlichen ceremonien nicht allenthalben so genau alles
übereintreffen kan, da man doch in keiner form noch weise
etwaü dem forbild der lehr Christi zu wider findet.
Es ist solche erinnerung nicht vergebens, den wen man
gleichformigkeit anzurichten furnimbt, muß man wol acht
nemen, warin die notwendige gleichformigkeit stehe, das
man nicht etwo durch ein schein einer gleichformigkeit die
hochste ungleicheit und uneinigkeit anrichte, wie oftmals,
da man an ensserlichen unnötigen Dingen angefangen hat,
gescheben ist. Damit wir aber doch auch in disen Dingen,
sovil immer müglich, ein gleicheit haben möchten, haben
wir gegeneinander die Agenden, derer wir uns bisher ge-
braucht, gehalten, und waß hierin on ergernuß ein theil dem
andern zu lieb hat annemen und ablegen?) können, freund-
lich und auß christlicher liebe getan, doch mit der be-
dingung, das wir unsern gnedigen herren solch unser christ-
lichs bedenken underwerfen und I. Gn. bedenken darüber
hören, das dann, wo es ihren gnaden gefelt, ein gemeiner
schluß darüber ausgesprochen möcht werden. Web (sich
nun die theologen)*) nun in Agenden vergliechen, folget iez
im andern theile dieser kirehenordnung.
) statt besiehet. | 3) dreien. 3) statt: ablehnen.
*) Das eingeklammerte ist durchgestrichen, und es sind die Worte
‚wir uns nn“ darübergeschrieben.
51 131
Das Andertheil der Kirchenordenung, darin
von der Agenden gehandelt.
Die Agenda begreift furnemblich 6 stuckhe.
1. Daß erste sein die zusamenkunft am feiertag und
in der wochen, Gottes wort zu hören und seinen heillig
namen anzuruffen und zu ehren.
2. Daß ander ist der catechismus.
3. Das dritte die beichte und absolutio.
4. Daß vierde die aufteilung der sacrament, nemb-
lich der heilligen tauffe und des abentmals unsers herrn
Christi.
5. Daß fünfte das einsegen der ehleut.
6. Daß sechste die begrebnus der tothen.
Vergleichung in ersten und 2.
Die feiertage sampt den sambstag werden am abent
des vorgeenden tags angefangen mit dem abentgebet und
lobgesang, welche man gemeinklich vesper!) nendt.
Ordnung der vesper am feierabend in stetten,
da latinische schuelen sein).
1. Veni sancte?) oder deus in adiutorium®). Deutsch
oder latinisch. Ä
2. Ein psalmen Davids latinisch mit vorgehender Anti-
phon“), wo es geschehen kan.
3. Ein deutscher psalm aus D. Luthers sangbuch).
4. Der hymnus?) deutsch oder lateinisch, nach der zeit.
5. Darauf liset man ein stuck auß der bibel fur mit
der summarien Viti Dieterichs?).
6. Darauf singet man das magnificat deutsch?) oder
latinisch.
1) S. ob. 17, 227, 1.
*) Über die damals in Innerüsterreich in Betracht kommenden
Schulen vgl. Loserth, die protestantischen Schulen der Steiermark
im 16 Jahrhundert, 1916. Dazu F. Bischoff, Beiträge zur Geschichte
der Musikpflege in Steiermark In „Mitteil. d. Historischen-Vereins für
Steiermark“ 37 (1859), 108. „In protestantischen Schulen und Kirchen
wurde Choral und volkstümliches Kirchenlied gepflegt. Laut ordo
lectionum in schola Runensi um 1567 fand hier täglich außer Samstag
um 12 Uhr exercitium musices statt; dasselbe findet sich auch in den
Schulplänen der Protestanten. Mit den Protestanten kamen gewiß
auch protestantische Gesangbücher nach Steiermark, die während der
Gegenreformation wohl zum größten Teil verbrannten.“
) Julian S. 1212. Simrock S. 200,
) Psalm 76, 2. Herold S. 122. 5) S. ob. 17, 227, 2.
6) Seit 1524. 7) S. ob. 17, 227,8. 5) S. ob. 17, 228, 8.
9) S. ob. 17, 227, 4.
9*
132 52
7. Darauf liset oder singet der diener des worts die
eolleetam nach der zeit, deutsch.
8. Darauf singet man, Erhalt unß herr bey deinem
wort), oder das gewöhnliche benedieamus?) teusch oder
latinisch. Man mag auch wol singen das nune dimittis?)
Lue. 2 deutsch oder latinisch.
9. Darnach spricht der Diener des worts den segen
über das volk auß Num. 6: der Herr segne.
Nota 1: Hie ist zu merken, das der diener des worts
mücht fur dem altar stehen, wenn er die lection und das
gebät verrichtet. Zu Grätz aber thuet ers auf der canzel,
weil die kirche nicht bequehmlich gebauet, das furm altar
möcht verrichtet werden. Man könt aber woll beyde, den
altar und auch die canzl, ins obertheill verruckhen, dann
khöntz nutzlich und zierlich farm altar verrichtet werden.
Nota 2: Weiter ist zumerken, das ob schon in dorfen
und märkten, da keine oder gar kleine und etwa nur teutsche
schuelen seint, gleichwoll vesper halten kan, also, das nur
ein psalm und das magnificat teutsch gesungen und mit der
collecten, vatter unser und segen beschlossen werde.
Nota 3: Zum dritten wehr rathsam, das das stuck auß
der bibel zu Grätz von einem stipendiaten‘), so E. E. L.“)
daselbs helt, gelesen wurde, weil sie sie sich doch sonst
mit predigen üben, damit sie keck werden und woll und
verständlich aussprechen lerneten das gebet. Sägen könt
gleichwoll vom diener des worts furm altar geschehen. Zum
lesen hat man zu Klagenfurt ein besonderen stuhl unter der
canzel, könt zu Grätz auch nutzlich geschehen.
Nota 4: Wo nicht latinische und große schuelen noch
viel leut seint, die lateinisch verstehen, da soll man alles
teutsch singen.
Vergleichung in der ordenung gesenge, gebät, lection
in den zusammenkönften am Sontag und Feiertagen.
Am Sontag kombt die gemeine Gottes dreymall zu-
samen, nemblich in der fruepredig, mittags und abentpredig.
In der fruepredig wird dise ordenung gehalten.
1. Kom heilliger Geist®), oder ein ander gesang umb
ware bekerung und erleuchtung des herzens zu bitten, denn
niemandt kan sich zu Christo bekeren, ihn ein herren
nennen") noch Gott dienen, loben ohn durch den heilligen
Geist, den man hierumb aufs demtitigste anzurufen schuldig ist.
1) 8.0b.17,228,5. 9 P H 17,227,5. ) Luc. 2, 29. Julian S. 822.
$) Loserth a. a. O., S. 4 5) Eine ehrsame Landschaft.
e) Mützell 1, 12. he: P 6. Julian S. 631. ?) 1. Cor. 12, 3.
53 133
2. Hierauf spricht der diener des worts die gemeine
beicht dem ganzen volck fur und darauf die absolution mit
ernster warnung der unbußfertigen. Denn, weil wir als
arme sünder an dem suntag zusamenkommen und aber des
unbueBfertigen stinders gebätt Gott nicht angenemb ist, so
sollen wir fürs aller erste unsere sünde bekennen und unb
davon absolvieren lassen, das darnach unser gebät lob und
Gottesdienst Gott angenemb sey. Und dessen haben wir
ein fein exempel Jes. 6, und ist der waren kirchen gebrauch
von anfang her gewesen, wirdt auch zu Nurnberg!) aub
Luthers anordnung und in andern wolbestelten kirchen also
gehalten.
3. Hierauf singt der chor mit dem volke ein kurzen
lobgesang, als den 117. psalm, oder der engel gesang Luc. 2.
4. Darauf folget die lection auß dem alten testament oder
epistel nach alter gewonheit, oder mit ein ander. und mag
did ein diener des worts thun, oder zu Grätz ein stipendiat,
wie vorgemeldet. Man möcht auch ein geschickten meßner
darzubrauchen, wo einer vorhanden.
5. Hierauf soll der diener des worts die hochzeiten und
waß sonst furfelt verkündigen und das gemeine gebät forderen.
Ein collecte nach der zeit und das vatter unser betten.
6. Nach disem singt der chor figurate?) und die ganze
gemein schlecht“) ein lobgesang, thuet auch der organiste
das sein zu Gottes lob, und vor der predig singt man: nun
bitten wir den heilligen geist“).
7. Darauf folget die predig, in welcher das verordenet
evangelium außgelegt wird.
8. Wenn die predig ein ende hatt, spricht man das gebät
für alle stende und not sampt dem vatter unser.
9. Darauf singt die gemeine den glauben?) oder ein
danck psalm.
10. Wenn dann communicanten da sein, wirdts gehalten
- wie an seinem ort folget.
Nota. Die prediger zu Clagenfort und Laubach®) sprechen
ein gebät auß der wirttenbergischen Agenden“) fur das
predigampt, das mögen sie gleich nach der absolution sprechen,
welche droben mit der zall 2 verzeichnet oder mögens nach
der epistel lesen.
1) Nürnberger Kirchenordnung 1ö33f, 1536, 1540, 1543, 1556,
1564, 1591f. Exemplare auf den Universitäts-Bibliotheken in Erlangen,
Jena, Leipzig. 2) S. ob. 17, 224, 6. 3). schlicht.
*) Mützell 1, 13. Fischer 2, 99. Julian S. 821.
5) S. ob. 17, 223, 2. ©) Laibach.
?) Württembergische Kirchengeschichte 1893 S. 387 ff.
134 | 54
Nota. Die Clagenfurdischen wolten gern beide lection
halten, erstlich der epistel, darnach der bibel nach Viti
Dieteriehs ordenung?. Wenn sies nun an der zeit haben,
können sies thun. Seint doch auch von alters her zwo lection
vor der predig furm altar gelesen worden, eine der epistel
und die andere des evangelii latinisch. So mag nun anstat
des latinischen evangelii die teutsche lection des alten testaments
genommen werden.
Nota 3. Wo zweer oder mehr prediger sein, da soll
billieh der, so nicht die fruepredigt thuet, die gepet furm
altar verrichten. Und zur lection, wo nieht stipendiaten, so
allgemachsam zum predigampt angefueret werden, seint, da
könt der schuelenhelfer einer die lection auf der untern
canzel lesen. Denn die praeceptores in den schuelen sollen
ie zum theil auch mit der zeit zum predigampt sich bereitten.
An vilen ortten wünschete ihm ein praeceptor solche ubung.
Nota 4. Die verkündigung der hochzeitter, welche mit
der zall 5 verzeichnet?) wöllen die Kharntischen lieber zu
endt der predig thuen, das mógen sie nun woll nach irer
gelegenheit anstellen. In der Grätzer kirchen, weil so groß
volk zusammen kömet, und wen die predig auß ist, die
hoffleut hinauseilen, schicket sich's besser vor der predig, wie
auch von alters her gebráuchlich, und in den grossen stetten
Nurnberg’), Augsburg“), der jungen Pfalz5) und in vill mehr
ortten gehalten wird. Es ist auch dem prediger bequehmer,
weil er sich fast®) müde predigt und ihm das verlesen der
zetteln beschwerlich, wie auch zwar‘) den zuhürern, die
auch etwa müde worden und nu nicht gern so lange ver-
kündigung anhüren.
Von der Mittagspredig am Sontag.
Die Mittagspredig am sontag ist furnemblich des cate-
chismi halben angestelt, es komme dann ein groB fest, als
ostern, pfingsten, da hat man besondere lectiones außzulegen,
wie an seinem ort soll gemeldet werden. Mit dem catechismus
halt maus also.
1. Zum ersten singt man ein stuck auß dem catechismo.
2. Liset der Diener des worts die sex haubtstuck der
christlichen lehre mit D. Luthers worten und nach der form
und ordenung, die er selbs gestelt und gewisen in seinem
catechismo.
3. Legt derselbige prediger ein stück des catechismi
auß. Die predig soll nicht lenger als ein halbe stund weren.
1) S. ob, 17, 298, 1, 3) S. ob. S. 138. ) S. ob. S. 138, 1.
*) 1555. Exemplare in Erlangen und Jena,
5) 1654. 1556, 1557. Exemplare ebd. 1559 beginnt die jüngere Linie.
5) sehr. ) in Wahrheit.
55 135
4. Sagen zwen schueler ein stuck auß dem kleinen
catechismo Lutheri mit der außlegung.
5. Werden darnach die andern kinder und junge leut
alle verhöret.
6. Wenn nun die verhörung ganz vollendet, soll man
fur die kinder das gebät, so im gedruckten agendabuch zu
Grätz furgeschrieben, sampt dem vater unser sprechen.
7. Singt man darauf ein kurzen lobgesang.
8. Spricht der Diener darauf den gewönlichen segen
Num. 6. |
. Nota 1. In Khrain und Khürnten!) haben sie auch des
Brentii?) kleinen catechismum ?), den mugen sie woll behalten,
doch das sie furnemblieh des Lutheri catechismum vleissig
treiben und dem volck einbilden.
Nota 2. Dieselbigen meinen auch, es schick sich bei
ihnen am besten, das sie die sechs stucke nach der predig
dem volk furlesen und sein es biß her also gewonet. Daß
mügen sie woll thuen, bringt kein sonderliche ungleicheit.
Nota 3. Zu Grätz könt man woll nach dem ersten
gesang lassen die sechs hauptstück der christlichen lehre
ein stipendiaten lesen, der sich nun algemachsam zum predigen
bereittet, wie auch vor zeitten*) in der kirchen die anfahenden
erstlieh lectores wurden. Anders wo könt auch ein schul-
maister, so mit der zeit ein prediger zu werden gedechte,
solche lection verrichten. Darauf singe man: Nun bitten
wir®), und gienge daun der catechista auf die canzel und
lese nur das stuck, so er predigen und auBlegen woll.
Nota 4. Es ist fein, das man die catechumenos in
elasses theilet. Also haben wir zu Grätz vier classes gemacht.
In die erste setzen wir die kleinen, so am wenigsten
künnen; die sollen nur den text der sechs stück blob ohn
die außlegung aufsagen. In die ander classem setzen wir
die, welehe den text nun woll gelernet und fertig kónnen.
Die sollen nu des Luthers außlegung auD seinem kleinen
catechismo aufsagen. In die dritte classem ordenen wir die,
welche nu auch die gemelde außlegung können, die sollen
hinfort die Haustaffel lernen und aufsagen, wie die zu ende
des catechismi Lutheri gesetzt ist. Der vierde hauf seint
die, welche die obgemelten stucke alle können und sollen
nu etliche haubtstuck der christlichen lehre vleissiger lernen,
betrachten und aufsagen. Solche fragstuck hatJoachimus Mör-
lin9) bey den catechismum drucken lassen und könt hieher auch
) „und Khärnten‘“ ist durchgestrichen. ) RGG 1, 1839.
3) 1527/28; ebd. 3, 986, 996. *) RGG 1, 987.
5) Von Luther. Mützell 1, 18. Julian S. 821.
6) RGG 4, 447. Enchiridion Catecheticum 1544.
136 06
des Brentii catechismus dienen. Man möcht sie auch spruche
und psalmen lassen auß der schrift aufsagen. Diese ordenung
ist sehr nutzlich. Denn so sicht man, wie die kinder zunemen,
und thun die nicht woll, die die kleinen kindlein oder andere
einfeltig leut als bald die auBlegung mit dem text anfahen
zu lernen; denn sie lernen gemeingklich keins volkommen
und recht, und sonderlich ist vill daran gelegen, das sie die
blossen wort des Textes recht lernen nachsprechen. Denn,
wen sies in der jugend nicht recht lernen, so sagen sies fur
und fur unrecht auf. Drumb haben wir an Straßburg exempel
genommen und die catechumenos also in classes getheilet.
Nota 5. Damit die kinder alle möchten verhöret werden,
wehre guet, das zu Gratz die stipendiaten, so man zue predigern
machen will, an andern orten aber die deutschen schuhl-
meister, hülfen verhóren, könt man sie in die classes theilen,
wie zu Straßburg?) die studenten, so von almusen gehalten,
solche hulf erzeigen. Darauß vill nutz beyd den kindern
und den studenten kompt. Denn die kinder werden alle ver-
höret, das sonst in so kurzer zeit nicht woll müglich, so
gewonen die studenten, wie sie sich zum ampt sehicken sollen.
Nota 6. Guet wers, das der pastor seine gewisse zeit
hette, da er die jhenigen kinder, so von wegen ihres ver-
standts, den sie auß dem catechismo gelernet, nu zum nacht-
mall des herren sollen gelassen werden, fur den altar ließ
fur sich stellen, und dem volck, wie sie zugenommen und
drumb zur gemeinschaft solches geheymnus solten aufgenommen
werden, erklerete und darzu das gepet über sie forderte.
Dadureh wurden die kinder gelocket, vleissig zu lernen,
könnten auch in der beicht leichtlicher verhöret werden, auch
wurde verhuettet, das nicht die kinder oder andere, so noch
zu junck und ungeschickt, sich zu diesem hochwirdigen
geheymnus eindrungen. In allen soll man vorsichtig und
ordentlich handeln. Diß hat man bej der ersten kirchen
die confirmatio?) genennet, das sovil heist als bestettigung.
weil ein solcher catechumenus verhöret und zu der gemein-
schaft des hochwirdigen sacraments bestettiget werd. Denn
ehe durch solche offentliche verhörung fur der gemeine
bezeuget ward, das er die stücke des catechismi verstunde,
ward er nicht zu disem hohen geheimnus zugelassen. Disen
brauch sampt dem ganzen catechismo haben die bäpste fallen
lassen und dargegen ein unnutze salbung und schmirens
angerichtet, das sie Gott bessern; wie haben sie so übel
gehandelt. Wir aber, weil wir die kirche gern also reformiret
sehen, wie sie zur apostel zeit gewesen und viell iare blieben,
y) S. unten S. 151. 3) RGG 3, 1642.
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sollen solchen gueten gebrauch wider an die handt nemen,
wie dann an vielen orten geschehen.
Von der Abentpredig oder Vesper am Sontag.
Die Vesper am sontag wird gehalten wie am feierabent,
allein, das die predig anstadt der lection kompt. In der
predig soll die lection auß der epistel aufgelegt werden.
1. Nota von feiertagen.
An feyertagen, so in der wochen gefallen, sollen nur
zwo zusamenkonít gehalten werden, eine zur fruepredig, da
mans helt wie am sontag. Die ander nach mittage; da sol
nur ein psalm auß dem catechismo gesungen, darauf die
kinder im catechismo verhöret werden, wie am sontag. Soll
aber kein predig nach mittag gehalten werden. Von hohen
festen folget hernach an seinem orte.
Nota 2. Diß seint aber die feste der heilligen, so man
mit der evangelischen kirchen feiret.
Der täg s. Stephani protomartyris!) s. Johannis evan-
gelistae?). conversionis Pauli’). Matthiae apostoli*). Phi-
lippi und Jacobi). ^ Joannis Baptistae. Petri und Pauli.
Jacobi apostoli?) Bartholomai?) Matthaei evangelistae ).
Michaelis archangeli?) oder das fest der heilligen und keuschen
engel. Simonis und Judae 1°). Thomae apostoli!!). s. Andreae!?).
Der hohen festen, so in evangelischen Kirchen zu halten,
seint zwölf, wie folget:
1. Natalis Domini, der heilige christtag, mit beiden-
nachvolgenden tagen.
2. Das fest circumcisionis oder der beschneidung Christi,
so man nent den neuen jarstag;
3. Das Fest Epiphaniae, das man nennet der heiligen
drei könig tag.
2. Das fest purificationis Mariae !“), da Christus zu Jeru-
salem in tempel dem herrn vorgestellet ward.
5. Das fest annuneiatiationis Mariae !*) von der empfenknis
unsers herrn Christi.
6. Der tag coenae Domini, den man heist antlaß !9) tag.
7. Der tag passionis Domini von den leiden unsers herrn
Christi, den man nennet chorfreitag.
8. Der heillig Ostertag von der auferstehung unsers
herrn Christi mit den zweien folgenden tagen.
1) 26. Dez. 2) 27. Dez. *) 25. Jan. *) 24. Febr.
5) 1. Mai. ?) 25. Juli. 7) 24. Aug. 8) 21. Sept.
9) 29. Sept. 10) 28. Okt. 11) 21. Dez. 1?) 30. Nov.
1* 2. Febr. 14) 25, März. 15) Ablaß; Dienstag vor Ostern.
138 | 58
9. Das fest ascensionis oder der himelfahrt Christi;
10. Der heilige Pfingstag mit den zweien nach-
folgenden tagen;
11. Das fest trinitatis von der heilligen Dreifaltigkeit;
19. Das fest visitationis Mariae!), do Maria zu Elisa-
beth gieng Lucae.
Auf diese tage helt man den catechismum nicht, sondern
die geordneten lectiones legt man in predigten auß.
Nota 2. Bäpstischen Festen.
Wo in den stetten noch die papisten ihre kirchen haben,
ist die sorge, wenn wir nicht predigen, das das volk zum
bäpstischen greueln lauffe, weil sie ohn das feiren müssen;
wie nu dem unrat zu wehren sey, werden unsere genedige
herrn sampt unB ein christlichs nachgedenken fürnehmen.
Zue Grätz haben wir bißher auf dieselbigen tage unsere
gemein an vorgehenden sontag fur solchen abgöttischen
festen und greueln gewarnet, und, damit sie nicht ursach
hetten, anselbigen festen zun papisten zulauffen, haben wir
an selbigen tagen ein predig vorher verkündiget und sie
-darzu zu kommen ernstlich vermanet. In derselbigen predig
haben wir die babstischen abgötterei und greuel auß Gottes
wort gestraffet und dann etwaß guets unser zuhörer gelehret.
Und zwar, wenn wir zu Grätz allentag predigten, dürften
wir unB solcher tag halben nicht fast?) bekummern, weil
wir obn das zusammen kemen. Sonst hats ein ansehen, als
hielten wir dieselbigen feste mit den papisten, daran sich
unser brueder in Kharnten ergern möchten.
Nota 3. Wo nicht schuelen sein, welche zur vesper
dienen können, da ist man billig mit dem examen des
. eatechismi zufriden.
Von den zusamenkunften in der wochen.
Vor dem sterben?) zu Grätz hat man zwehn tage zur
predig in der wochen gehabt, den erichtag*) und den frei-
‘tag. Aber im werenden sterben haben wir alle tag ge-
predigt, und stünde sehr woll, das die weise fur und fur
gehalten wurde, weil der f. Hof und landthauD, auch vill
stadtlicher®) leut, da seint und allen tag frembd volk hin-
kompt. Wenn dann allen tag gepredigt wurde, gieng einer
heut der ander morgen drein, nach dems im gelegen, wehre
2. Juli, *) sehr.
2 1561/65, 1572f. 1577, R. Peinlich, Geschichte der Pest in
‚Steiermark 2, 485.
4) S. ob. 17, 293, 4. 5) aus der Stadt.
59 139
das gepet allen tag für die ganze gemeine. Stunde auch
woll bey einer so woll bestellten grossen schuele, wie
dann gemeingklich, wo solche berimpte schulen sein und
andere treflich leut, allen tag gepredigt!) wird, als zu Jena
in Duringen, Wittemberg in Sachsen, Marburg?) in Hessen.
Den erichtag hat man dise ordenung gehalten.
1. Erstlich singt man das vatter unser?) oder kom
heiliger Geist‘).
2. Darnach ein teutschen psalmen?).
3. Zum dritten: nu bitten wir den heilligen Geist“).
4. Darauf folget die predige.
5. Nach der predig ein dankpsalm und
6. Darauf den segen Num. 6.
Am freittage singt man vor der predig wie am erichtag
aber nach der predig die litaniam?) aus Luthers sangbuch,
also das zwen sehueler vorsingen und die ganze kireh
antwort. Wenn die litania auß ist, liset der diener des
worts ein collect furm altar oder auf der canzel, und darauf
das vatter unser sampt den segen Num. 6.
Diß wirdt in Kharnten und Khrain gleichfals gehalten,
allein das sie nach ihrer gelegenheit den mitwochen haben,
da wir den erichtag zur ersten wochen predig. Wenn aber
in der Grätzischen kirchen solte allentag gepredigt werden,
solte man ausser dem freitag nur das einige gebät, nun
bitten wir den heilligen Geist fur der predig singen und
nach der predig: den 117. psalmen oder sonst ein Dank psalm,
der nur ein gesetz?) hat. So wurde niemandt zulange auf-
gehalten. Es könte sich also auch, wer da woll, allen tag
speisen lassen mit dem abentmal des herren; das oft sonst
als im winkel und ohn beysein der gemeine Gottes fast?)
heimlich geschicht von den hoff leuten und adel, ist ein bóse
gewonheit. Könte auch die kinder tauffe also allen tag
für der gemeine gereichet werden, wehre ehrlich und
besserlich.
Von den zusamenkunften am werktagen zur vesper.
Wo schuelen sein, soll billich allen tag ein vesper. von
zweien lobpsalmen und darzwischen ein collect sampt dem
vatter unser gelesen werden, das der segen alles beschlosse.
Es künte zu Gretz durch die schuele solchs gar woll geschehen,
1) Vgl. dazu Sehling 1, s. v.: Predigt in der Woche und Wochen-
predigt. *) K. O. 1566, 1574, Exemplare i in Erlangen, Jena, Leipzig.
` 8) Mützell 1,19. Julian S. 1905. *) S. ob. S. 132, 6. 5) 8
S. 131, 6. 6) S. ob. S. 136, 6. ?) S. ob. 17, 223, 1. 8) e
) sehr.
140 60
wies dann vor den sterben geschehen ist, und webre solchs
auch ein ehre der heilligen tauffe, weil umb dieselbige stunde
die meisten kinder zur tauffe gebracht werden. Am mitt-
wochen zur vesper soll man auch den catechismum mit den
kindern halten, wie dann ein weile zu Grätz geschehen, das
die kinder allein zur kirchen kemen. Und als denn könt
man auch ein singe schul under ihnen anrichten, wie an
etlichen orten geschieht, da sonst kein bequehme zeit zu ist.
Das hat die meinung: Wenn man singt in kirchen, singen
die meisten nit mit, weil sies nicht können; vill singen gar
vill wort unrecht, und werden dem lieben Luthero mit der
zeit seine worte gefelscht, wie am „nu bitten wir“ und in
mehr psalmen zusehen, das auß der bösen gewonheit durch
die setzer hernach unrechte wort in den druck gebracht
werden. Solchen unrath furzukommen und die kirch mit
gueten lieblichen gesängen zuerfullen und zu zieren, sollen
nicht allein die schueler in der schuele, sondern auch die
andern einfaltigen zu weilen in der kirchen, wie zum cate-
chismo allein versamblet werden, und da soll ihnen einer
ein gesetzlein nach dem andern furlesen und vorsingen, biß
so lange, das sies wol könten. Es seint woll unter ung, die
erfaren haben, waß guets inen solche übung gebracht habe.
Daß 3. stuck der agenden, welches begreift
die vergleichung von der besonderen
beicht und absolutio.
Wer da begeret zum abentmall zu gehen, der soll sich
dem (capellenmaister oder meßner zeitlich anzeigen und sein
namen aufschreiben lassen. Der capellenmeister oder meßner
soll solche verzeichnuß dem pastori zustellen, das man die
zall und namen wisse. Wer sich nun also an hat schreiben
lassen, soll sich)) den feierabent in die vesper verfuegen,
und sollen nach der vesper alle solche verzeichnete (gegen
den altar?)) stehen, da soll diener des worts ein kurze ver-
manung zu ihnen auß einem buch lesen, das sie wissen, was
inen zubedenken zur wirdigen niessung des abentmals und
rechtschaffener beichte, Dise vermanung ist darumb in einer
gewissen algemeinen form an einen ort wie am andern zu
lesen furgeschrieben, das dureh stettig furlesen die einfeltigen
und ein iegklicher mit der zeit von wort zu wort aufwendig
lerne. Darauß kompt vill mehr nutzes, denn wenn alle
1) Die eingeklammerte Stelle ist durchgestrichen. Darüber
steht „kürchendiener anzaygen und“; am Rande ist vermerkt: Dis
stück mag noch bleiben, das die anzeigung den dienern des worts
geschehe und so dem pastori zu wissen ward. ) Das einge-
klammerte ist durchgestrichen. Darüber steht „vor der canzel“.
61 141
beichtage ein neue predig oder vermanung gemacht wird.
Denn der einfeltigen ist allweg am meisten und muessen
aufs aller einfeltigst immer mit einerlei worten unterricht
werden. Darumb auch Paulus zu Philippern am 4!) spricht,
es sey ihnen guet, das er inen immer einerlei zuschreibe,
und diß ist auch Lutheri rat in der vorrede des catechismi:
weill dann der heillige Geist die herzen erleuchtet durchs
gehörte wort, ist ie offantwar, wen die leut das wort also
ins herz fassen, daß sie desto ehr erleuchtet werden. Darumb
scheme sich kein prediger, solche vermanung immer füzulesen,
habe auch kein verstendiger daran verdruD, sondern ihm
selbs und den einfeltigen zu guet höre ers gerne und merke
vleissig drauf; denn esist hie nicht darumb zuthun, das der
prediger sein konst beweise oder der zuhörer durch mancherlei
erlustiget werde, sondern das die einfeltigen aufs beste mügen
unterrichtet werden. Seint doch sonst predig genug, da beid
prediger und zuhörer solchen ihren lust mit frucht büssen
können. Auf solche vermanung weiset der, so die vermanung
gelesen hat die confitenten zun beichtstull, da soll nun ein
ieglieher naeh seiner gelegenheit freundlich und wies das
hirtenampt erfordert verhört, gefragt und unterricht werden.
Die forme der beicht, so Lutherus gestelt, soll ein ieder
wissen und brauchen, auch nach desselbigen kurzen frag-
stacken examiniert werden. Sonderlich aber soll er auch
außgeforscht werden, ob er die gethone vermanung fur dem
altar gehört und verstanden und die furnembsten stucke
darauß behalten hab und vermelden könne. Waß auch weitter
ein beichtkind zu erinnern, wird ein vernunftiger beichtvatter
zuthuen wissen. So nun die buse recht erkleret wird, soll
er in nach der anweisung Lutheri in seinem catechismo von
sünden absolvieren und entbinden. So aber das beichtkind
nicht geschickt mit rechtem verstande oder an der buse
mangel erscheinet, soll er in auf einander zeit wider heissen
kommen, und so er in sünden halsterrig befunden, ihm des
bindeschlüssels kraft erkleren, ihn warnen und zur furcht
Gottes aufmunteren. Es soll aber ein iegklicher beichtvatter
dem pastori anzeigen und namhaftig machen, wie viel und
welche er abgeschafet, damit er sie auD der verzeichnus
sondere und also eigentlich und leichtlich bekant werde,
wievill jederzeit zuspeisen seien. Hierauß kömbt auch dise
frucht, das der pastor kan merken, wie sich ein iegliches
seiner befohlenen schäflein halte und das seine darzu thuen.
Hierumb soll auch einer bestelt werden,der auf die abgeschaften
achtung gebe, das sie nicht zu der anderen beichtvatter einem
gehen, wie die leut dan in der thorheit listig sein und meinen,
1) 8, 1.
142 | 62
sie haben Gott betrogen, wenn sie seinen diener, ia vill mehr
sich selbs, betrogen haben.
Das 4, stück der Agenden, welchs begreift die ver-
gleichung in der außteilung der zweien sacrament.
Und erstlich von der tauffe.
In der tauffe ist kein andere ungleicheit zwischen den
evangelischen kirchen in disen dreien landschaften, dann nur
in der ordenung, wie eins vor oder nachgesetzt. Denn waß
wir etwa mitten in der handlung haben, das haben die in
Khärnten und Khrain im ersten oder andern stuck, wie in
folgender furbildung zu sehen.
Der steirischen taufordenung?), wenn das kind
genand ist von gefattern, folget
1. Vermanung zur andacht und gebät.
2. Das erste gebät.
3. Das ander gebät.
4. Das evangelium Maro. 10 von den kindlein anzuhören.
5. Nach solchem exempel Christi und auf seinen befehl
und zusage, das vatter unser zusprechen mit auflegung des
taufers hand.
6. Wunsch, das Gott des kindes eingank und außgang
behuette.
7. Verpflichtung des kindts zur absagung den teufel und
zum glauben an den waren Gott und die frage, ob es darauf
wolle getauft sein, da als die guattern von des kinds wegen
antwort geben.
8. Die Aufgiessung des wassers im namen des vatters etc.
9, Der wunsch, das Gott das getaufte kindt stercken
wolle zum ewigen leben.
10. Vermanung zur danksagung fur die empfangene tauffe.
11. Die form der danksagung. |
12. Vermanung an die eltern, gevattern etc.
13. Der segen Num. 6.
Der Kharntischen und Khrainischen taufordenung.
. Evangelium Marci 10 und darauß
vermanung.
Gebät.
Gebät.
Vatter unser.
. vermanung zum gevattern.
M Ot O O
1) Vgl. Jahrbuch 25, 166,
63 143-
7. verpflichtung wie in Steyr.
8. Die aufgiessung wie in Steyr.
9. wunsch, das wie in Steyr.
10. form der danksagung.
11. Vermanung zum gevattern und eltern.
12. Der segen.
Diese kleine ungleicheit kompt daher, das der steyrischen
taufordenung, so im druck vorhanden, auf anweisung und
nach dem taufbuchlen Lutheri und Viti Dieterichs!) gestellet
ist, der Khürnter aber und der Khräner taufordenung ist auß
der Wirttenbergischen agenden?) Daß aber die wort
und weise fast übereinstimmen, ist kein ander ursach, daun
das die Wirtenbergische agenda aus des Luthers und Viti
Dieterichs genommen und nach des landts gelegenheit gelenket
ist. Wie woll nun geratten hat mtigen werden, das die eltere,
nemblieh die nach Viti und Lutheri anweisung von steirischen
gebrauchet wird, den furzog hett haben mugen, iedoch seint
andere ursachen, die uns beweget haben, einen igklichen
fheill sein ordenung zu lassen. Denn einmahl ists und in
ewigkeit war, das beyde ordenung guet und so woll gestelt,
das niemandt verbessern kan. furs ander so bezeugen die
Kharnter und Khrainer, das die Wirttembergisch ordenung
bey ihnen nun von etlichen pharn her eingewurtzelet sey;.
dagegen können die Steirischen auch zeugen, das die ihrige,
so sie von Luthero und Vito haben, auch von villen jaren
zu Grätz und sonst in Steirmarckht gebraucht sey worden.
Was kan man dann in disen fall bessers rathen, dann das
man ein iegklich theill bei seyner ordenung, die an sich
selbs guet ist, bleiben lasse? Was ist fur ursache, das die
braut Christi ihres eussersten kleides gebreme*) müsse
menschen zugefallen mit einer farbe sehmucken, so sie doch
die freiheit hat, das sie mancherlei farbe daran brauche,
wann sie nur inwendig am glauben und des herzen heilig-
keit schön und herlich bleibe, Last uns Gott für die grossen
wolthat dancken, daß er unß gesunde lehr und glauben geben
hat, und nicht der christlichen freyheit in eusserlichen.
seremonien und weisen etwas abbrechen. So ist nun unser
rath, das man beide taufordenung in die agenden drucke;.
kans mit der Zeit ohn ergernus in eine gebracht werden,
ists so vill desto besser; wo nicht, bringts der waren
einigkeit so gar keinen schaden, das wir wolten gewunschet
haben, das allenthalben solche einigkeit funden wurde.
Nota 1. Wir zu Grätz brauchen in der tauffe das auf-
legen der hende, das die Khernter und Khrainer nicht
1) S, ob. 17, 298,1. 9 8. ob. 18, 188,7. 9 S. ob. 122. 129,2..
144 64
brauchen; solches soll nicht für ein ungleicheit gerechnet
werden; denn wir brauchens nicht als ein nottwendig stuck,
sondern als ein frei mittel Ding, das mag gebraucht oder
nieht gebraucht werden ohn sünde. Wir habens also funden
im taufbuchlein Lutheri und Viti Dieterichs, denen wir ge-
folget, aber niemandt daran verbunden haben wöllen.
Nota 2. Weill vill unehliche Kinder zur tauffe kommen,
soll man ‘den vatter solcher kinder erfordern. So man in
nieht haben kan, soll der pastor von der kirchen wegen das
Kindt annemen, die so es bringen ausschaffen, für sich
von der kirchen wegen gottfurchtige leut zu zeugen und
gevattern bestellen und das kindt getauft ihnen wider zu
hauß schicken. Dem Magistrat aber solche muetter in ver-
warung zunehmen vermanen, das das übel gestraffet; und
sollen solche personen zu den sacramenten nicht gelassen
werden, sie haben dann Öffentliche busse gethan und bitten,
unsere genedige herrn wollen doch etwaß ernstlichs in diser
sach furnemen; dann es lasset sich ansehen, als wöllen diese
sündn, so bif in himel hinauf schreien, diese lender in
grundt erseuffen.
Nota 3. Es ist auch ein elender iamer, das der
teuflische hoffart so groß ist, das ihnen die höfischen und
dem adel verwandt, wen sie schon nicht so hohes standts
sein, gleich woll nur in heussern wollen getauft haben; die
sollen treulich vermanet sein, das sie die gemeine Gottes nicht
verschmehen, sondern in die offentlichen Gottesheuser ihre
kinder tragen lassen. Wenn aber eins krankheit oder
anderer unvermeidlicher nott halben nicht kan, so ists
entschuldiget.
Nota 4. Der gevattern halben ist auch guet, aufsehen
zu haben, das sie nieht frembder lehre und religion an-
hengig sein.
Nota 5. Es soll sich auch daran niemandt ergern,
das etliche das köpflein des kindts nur entblössen und be-
gießen, wies za Grätz geschieht, weils lang also gebraucht,
etliche aber das kindt ganz bloß begießen oder in wasser
‚hineintauchen, wie von alters her in Sachsen noch gebreuchlich
und auch Luthero am besten gefelt!) Aber hieran ist
niemandt verbunden. Den die menge des wassers thuet
nicht darzu, sondern das wort und der geist Gottes.
Nota 6. Wenn ein Judt oder Turckh oder heydt zu
taufen fur keme, kan man sich einer form vergleichen.
Ist die summa darvon, das mit ihm gehalten werde wie mit
den Kinden, allein, das er selbs fur sich antworte, drumb
er zuvor muß unterrichtet werden.
1) Vgl. RGG 5, 1107.
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ASA mL
65 145
Nota 7. In der jachtauf!) halts einer wie der ander
wie dann die ordenung im truck außweiset.
Vergleichung in reichung des abentmals unsers herren
Jesu Christi.
In austheilung des abentmals des Herren halten wir
aller ding eine weise und einerley wortte, wie folget. Nach
der predig und lobgesang tretten die communicanten zum
altar; daselbs wirdt zum ersten ein vermanung furgelesen
auß der getruckten agenden.
2. Folget auf die vermanung die gemeine beicht.
3. Darauf ein gebät.
4. Die absolutio, so sonderlich auf die communicanten
gerichtet ist, wie woll auch sonst niemandt außgeschlossen
-ist derer, die recht bueDfertig sein.
5. Das vatter unser umb wirdigen gebrauch und niessung
des sacraments.
6. Die wortte der einsatzung Matth. 26, Marei 14,
Lucae 22, 1. Corinth 2.
T Nach disen wortten heisset man die, so sich angezeigt
und zugelassen sein, herzutretten. Indes singt die kirch:
Jesaia dem propheten?) Jes. 6. Jesus Christus unser hei-
landt). Got sey gelobet*. O sacram convivium°). Sanc-
tus). Wo schuelen sein, Mugen auch die musici figurate’)
singen, wens gelegen ist.
8. Der prister, so den leib, item der, so das bluet reichet,
hat sein furgeschriebene wortte, die den glaubigen tröstlich
sein und den sacramentierern entgegen.
9. Auf solch communion folget die danksagung und der
segen Num. 6.
Nota 1. Die Khernter und Khrainer haben bißher
zwischen der beicht und absolution kein gebät gebraucht,
wollens aber nun thun, weils kurtz ist. Hergegen haben sie
ein gebät umb wirdige niessung des abentmals nach der
absolution. Das haben die Steirer gern angenommen. Die
Kharnter und Khrainer haben ein brauch, das sie das vatter
unser, die worte der einsatzung, die danksagung und den
segen singen. Die Steirer aber habens bißher gelesen: waß
ist dran gelegen? weils einerley worte sein, mag ich nicht
singent also woll bäten als lesent?
Nota 2. Die Kharnter und Khrainer singen post ora-
tionem commemoratam.
1) Über die Jühtaufe vgl. RGG 5, 1108. *) S. ob. 17, 225, 9.
*) von Luther, Mützell 1, 22. Julian S. 598. *) Mützell 1, 54.
Fischer 1, 165. Julian S, 441. 5) Antiphon zur 2. Vesper des Fron-
leichnamsfestes (im Brevier). 6) S. ob. 17, 224. ?) S. ob. 17, 224, 6.
Archiv für Reformationsgeschichte. XVIII. 8/4. 10
146 66
Nota 3. Von communion der kranken. In besuechung
und trost der kranken seint wir gleichformig, wie die ge-
drucketen agenden, denen bisher gefolget, außweisen. Nur
das wird tröstlicher geachtet in der steirischen, das die ver-
manung, gebät, danksagung sampt dem segen auf die kranke
person in numero singulari gerichtet wird. Ist hie nicht
sehwer, ein volkommene gleicheit zu treffen.
Nota 4. Die Steirischen zu Grätz sonderlich haben bißher
zugesehen, das der eapellenmeister, welchen sie da funden,
kertzen darzu angezundet hat; waß wir funden, haben wir
weder gelobet noch gescholten in solchen dingen, die unf
weder geben noch nemen, ausser dem fal der ergernuß. Do
aber die brueder in den andern landen gerathen, das mans
abgehen lasse, weil bei ihnen solche ceremonien nicht sein,
lassen wirs auch gut sein, doch das mit willen unser herren
nnd ohn ergernüs mit der zeit abgepredigt werde und von
sich selbs falle. Welche forsichtigkeit in allen unnotwendigen
und doch unschedlichen ceremonien zugebrauchen ist.
Das 5. stück der agenden, welchs ist von dem
einsegen der ehleut.
In disem stuck seint wir gar einig, denn das werk
weisets auß, das die wirttenbergisch ordenung, welcher die
in Kharnten und Khrain fast in allem folgen, auß Viti
Dieterichs genommen und zu des wirttenbergischen volcks
bequehmlichkeit gelenket ist.
Erstlich werden die ehleut drey sontag nacheinander
verkündiget und das gemein gebät fur sie begeret. Wenn
niemandts einredet und sie zur kirchen kommen, geschicht
das einsegnen wie der truck außweiset, den wir bey handen
haben. Erstlich wird bey der verwilligung gefragt.
2. wirdt in Gottes wort furgehalten von der einsatzung,
Gens. 2); von der kraft und bestendigkeit dieses bundts,
Matth. 19?); von der pflicht gegen einander, Ephes. 55); von
den kreutz beyden auferlegt, Gens. 35); von dem trost under
dem kreuz, Proverb. 18°).
3. Redt man die ehleut an, das sie mit zeichen, hand
und mund sich verloben und solchs der priester bestattige
in der heilligen dreyfaltigkeit namen und gibt sie Gott in
geinen schutz, das sie niemandt dann derselbige zu scheiden
habe, weil sie er allein zusamen gefuegt hat.
4. Darauf folget das gebät für den ehstand.
5. Der 128. psalm®), welchen man singen oder lesen mag.
Zu Grütz, weill die hochzeiten am abent gemeinlich zusamen-
geben werden, pflegt man den psalm vorher zu singen.
5) 1, 22. 9 v. 6. ) V. 22 f. 2, 16 f. ) v. 22.
) Von Luther, Mützell 1,31. Julian S. 1291.
67 147
6. Der segen schleust die handlung wie alle andere,
Nota 1. In der wirttenbergischen ordenung ist ange-
merkt, daß der priester fast alles zu der kürchen!) von den
ehleuten redet, bib er sie umb ihren willen der pflieht halben
fraget. Aber in Luthers und Viti, welche von alters her in
der kirchen gewesen, wirdt alles zu brautt und breuttigam
geredt fur der gemeine, die zu zeugen darüber genommen
wird. Solchs ist fur bequehmer geachtet; doch wüllen wir
auch hie kein nottwendigs machen auß dem, das ein frey
ding isí und keinem kein ergernus bringen kann.
Nota 2. Das straffet man billich, das nicht allein die
herren und landtleuet, sondern auch die hofdiener, wenn
sie schon nicht so hoch geadelt, nieht wöllen sich aufbieten,
noch öffentlich in der kirchen zusamen geben lassen. Man
soll ihnen ihres adels halben auch etwaß besonders machen.
Solten sie nicht des gebáts mehr achten und der gemeine
Gottes sich nicht schemen! Ist doch Christus’ reich nicht
von diser welt, das er mueste ein anders machen mit einem
edelman, als mit einem beuren. Es wehr bald ein hoher
christlicher furst zu nennen und wer mit genugsamen zeug-
nussen zu beweisen, das er nicht hat etwaß in solchem fall
sonders wüllen haben, sondern mit fleiß gebetten, man soll
gleicher Agenden und weise mit ihm gebrauchen und ihm
solchs fur ein grosse ehre gerechnet.
Nota 3. Die, so sich verloben wollen, sollen auch vorher
vom pastore gefordert und außgefragt werden, ob sie den
eatechismum können, zum sacrament sich halten, christlich
leben. Denn weil sie nun sollen hauß halten, kinder und
gesinde regieren, gebüert ihnen gottforchtigkeit und die wege
zu wissen, darauf ehleut gottseligklich wandelen sollen,
psalm 128.
Nota 4. In solchem examine möcht auch gestrafet
werden, wann ein junger gesell ein alts weib gelts halben
nimpt und sonst etwa nicht gesuecht wird, was furnemblich
zu bedenken. Item das zweierlei glaubens leut einander umb
guets willen begeren. Aber diß kan doch nicht so enge
gespannet werden. Man lest's bey christlicher wolgemeinter
erinnerung bleiben. Das übrig behielt man einsiegklichen
gewissen, ia auch der obrigkeit, dem kirchenrath, so einer
bestelt, und Gottes gericht. Denn wir haben nichts weiter
mit solchen sachen zu schaffen, denn das wir den gewissen
durch Gottes genade raten. l
Nota 5. Die Herrn und Lantleut möchten zu wenigsten
doch das gemein gebät für ihren fargenommen heyrat in der
1) d. h. zur Gemeinde,
10*
148 68
gemeine Gottes fordern, dann die aufkundung ist nicht allein
darzu erfunden, das hinderung furkommen, sondern furnemblich,
das Gott angeruffen werde umb hülfe und segen, dessen fürwar
iederman vonnöten, und ie Gott woll werdt ist, das man ihn
umb seine gaben bitte; so gefelt ihm auch, das einer nicht
sonderlichs fur sich sueche, sondern sein heilige kirche und
gemeine groDachte und bei gemeiner weise bleibe.
Das 6. stück der Agenden, welehs ist von der
begrebnuß.
In der weise die leichen zu bestatten ist gar kein un-
gleicheit, dann das zu Gratz an des ersten und andern
leuttens die verkindigung in offenen predigen zuvor geschicht,
da man den verstorbenen nennet und die leut zu beleidt!)
vermanet, leichpredig verkündet, und wenn man die weise
allen tag zu predigen behält mag das desto leichter geschehen.
Das aber nicht so, wie zu Clagenfort geleuttet wird, geschicht
aul mangel der glocken, denn in stift zu Grätz nur ein
kleines glócklein ist, das man nicht weit hóret. Wenn aber
der prediger mit den schuelern die leich holt und zum
stift sich nahet, so leuttet man, bif sie herzugetragen wird.
In dem die leich auß dem hause getragen wird, singt man:
mitten wir im leben?); Auß tiefer not?). So ein leichpredig
begeret, setzt man die leich in die kirch. Nach der predig
singt man: mit fridt und freud*) und tregt in des die leich
nach dem gottesacker. So das lied ein ende hat, hebt man
ein anders an als: Ich ruef zu dir herr Jesu Christ?), Beym
grabe, wenn man die leichte (sic!) hinein legt, singt man:
Nun last uns den leib begraben‘), biß auf die letzten zwei
gesetze). Da liset der diener des worts ein collectam und
das vatter unser. Darauf singt man die letzten zwei gesetze:
Nu lassen wir ihn hie schlaffen. Hierauf spricht der prediger
den segen. Dann get man zu hause. Die freundschaft
pflegt auch einen zu bestellen, der den leutten danket der ehr-
liehen volge. Welehs keinen prediger soll aufgelegt werden,
wie wir in unserm gedruckten agendt buchlein weittern
bericht thun. Wenn kein leichpredig begeret, liset man auf
den gottesacker die vermanung, so im agend büchlein vor
dem gebät geschrieben stehet.
Nota 1. Zu Grätz haben die ietzigen predicanten und
die zu nechst vor denen gewesen ein solche weise funden,
das man etwa 2, 4, 6, 8, 16 arme knaben aus der leutschuel
begeret, dieselbige in schwarz kutten gekleidet und iegklichen
9) Beileid. 2) Mützell 1,38. Fischer 2, 92. Julian S. 1405,
Mützell 1,32. Fischer 1, 59. Julian S. e *) Mützell 1, 8.
ischer 2, 91. Julian S. 760. 9) Mützell 1, 87. 9) von Weiße
(RGG. 5,1879) 1531. Mützeil, 1, 164. Julien 5. 822. ) Strophen.
69 149
ein brennend fackel in die hende geben, das sie der leich
zu beiden seiten giengen. Solche weise haben die predicanten
woll nicht gern gesehen; doch weil das wort rein gelehret
wird und sie kein ergernus darauß haben noch zur zeit folgen
sehen, auch woll dureh unzeittigs abthun der schwachen
ergernuß besorgen müssen, haben sies also biher gehen
lassen, als den Chorrock und andere mittel-dinge, die weder
geben noch nehmen und das so viel desto mehr, weil die
kutten seint in stift gesamblet und die armen jungen auch
etwa arme veriagte!) prädicanten und andere, so umb hülfe
angesuecht, darin seint gekleidet wurden, die sonst bloß und
nacket hatten gehen und erfrieren müssen. Denn woll etwa
ein jar mit 50 gulden?) nicht hatte soviel tuchs als gefallen
könt erzeuget werden. Weil aber die sach in diser zu-
samenkunft so weit disputieret, das den Grätzern solchs
umb gleichformigkeit willen, weils die ander lande nicht in
brauch haben, abgehen zulassen gebtieren wolle, seint sie
auch nicht darwider, allein das bescheidentlieh und mit
bewilligung der obrigkeit darin gehandelt und nicht plötzlich,
sondern allgemachsam und mehr mit predigen und vermanen,
dan mit zwang und gebieten solehe ceremonien abgethan
werde: das ist aber der Grätzer bitt, das ihre g. H.“) auf
andere wege genedigklich bedacht sein wöllen, dadurch der
abgang an kleidung ersetzt und die armen jungen gleich-
woll bedecket werden mögen.
Das 3.theil der Kirchenordenung.
Welchs begreift die bestallung des heiligen
ministerii und waß zu der kirchenregierung
gehöret.
Das dritte theil der kirchenordenung begreift fürnemblich
achte stück in sich. Daß erste ist die bestallung des heilligen
predigampts. Daß ander ein wolgeordente schuele. Das
dritte bestallung eins kirchenrats. Daß vierde die visitation
oder besuechung und aufsicht auf kirchen und schuelen, das
fünfte notwendiger und nutzlicher synoden anstellung. Daß
sechste die kirchenzucht, so in offentlichem und besonders
ernstlichem gebrauch des himmelischen schlüssel *) stehet;
daß sibende von einkommen und almusen, davon kirchen
und schuelen unterhalten werden; das achte einer recht-
schaffenen bibliotheken anrichtunge und notwendigen büchern.
Waß nun dise stuck belangt, können wir kein bessern
rat geben, dann doctor Chytraeus E. E. L. in Steier’) gehen
1) Erst stand: verachte; das ist durchgestrichen und veriagte
darüber geschrieben. ) S. ob. 17, 281. 3) gnädigen Herren.
*) Matth. 16, 19. 5) d. h. Steiermark.
150 70
hat, welche unsere genedige und gepietund herren, wo es
ihren genaden gefellig, möchten offentlich verlesen lassen,
das dann, was einem lande zu guet gerathen worden, auch
den andern nach dem sichs schicken wolt, zum besten
gereichen möchte.
Von visitation und synodis.
Von visitationibus und synodis ist das unsers bedunkens
fast!) nützlich, wo nicht notwendig, das ein iegklichs
lant sein generalpastor in der hauptstat oder wo es am
bequehmbsten ist habe, und dan ein iegklichs land in
etlich viertel oder theile unterscheiden und einen iegklichen
viertel sein special aufseher, so etwa viertelsprediger genand,
furgesetzt sei. Was dann der special in seiner aufsicht
befünde, kónt er dem general und derselbig, wo es not sein
würde, den herren inspectoribus und verordenten zu wissen
machen, das dann gebürlich einsehen geschehe. Es könte
ein iegklicher special zu bestimbten zeitten etwa einmall
oder zweimall in seinen viertel sampt einem politico, so ihm
von der obrigkeit ordentlich zugeben, visitieren und auf-
merken, vermüg der instruction, so man ihm geben müeste, ,
und könten dann einmal im jar oder, wo es vonnöten, mehr-
mall die speciales mit dem general ein synodum halten;
dem die herren inspectores und verordente selbs oder die
so I. G. auß ihres ordens mittel an ihre stadt ordenten
praesidieren; darin man von allerhand sachen zu aufnemen
der kirchen gottes ratschlagen und handelen künte. Weil
aber A. K.?) zugetone herrn und lantleute in diesen vier
landen einer christlichen bruederlichen coniunction und zu-
.samenhaltung in religion sachen sich verwilligt, wehr solche
coniunction zuerhalten und derselbigen nutzlich zugebrauchen
gar rathsam, das auf ein bestimbte zeit eines jeden landts
hauptpastor oder general, mit einem seiner brüeder von
ihren oberherrn, nemblich den herren inspectoribus und
verordenten, gesand und die generales allesampt ihnen zu-
geordenten an ein ort zusammen komen, da ihnen auch die
herrn inspectores und verordnete oder von ihnen gesandte
könten beywonen; da möchte dan ein iegklicher bericht
thun, waß sich in den kirchen seins kreises zugetragen und
waß sonst notwendig geacht worden und könt viel guets
außgericht werden und damit solch guet nicht durch aemu-
lation und eiffer verhindert würde, könte man umbwechslen,
das man ein jhar in der, das ander jar in iener lantschaft
hauptstad zusamenkehme und nichts ohn vorwissen und
1) sehr. ?, Augsb. Konfession.
*
71 151
befeleh der herrn verordneten und inspeetoren fürgenommen
wurde. Dise bede special- und general-synodi künten auch
an stadt eines kirchenraths ein zeitlang gehalten werden.
Vou der schulen).
Von den schulen ist erstlich bedacht, das vonnöten,
das ein einige grammatica in allen gebraucht werde, und
ist darzu erwehlet die zu Straßburg?) in schwange gehet,
beyde latinisch und griechisch. Darnach ist auch bedacht,
das die schuelen sollen den kirchen unterworfen sein, das der
reetor dem ordentlichen aufsehen des pastors eben so woll
untergeben sey, als ein prediger und die subinspectores, so
den herrn inspectoribus und verordneten“), so fern diselbigen
treulich ihrer instruction nachgehen fur augen habe und
gutem rate villich und gern nachkomme, wie dann noch
zur zeit, gott lob, kein beschwerung ist. Wie aber nicht
allein alle schuler, sondern auch die praeceptores und
oeconomus dem rectori gehorchen, also wird er auch gern
den hern subinspectoribus, als denen, so in gemessenen
bevelch an der herren verordneten und inspectorn stadt
sein, dem gemeinem schulwesen zum pesten folgen.
Wie aber der rector sambt seinen collegis und oeconomo
also beyd subinspectores und pastores sampt allen, so der
kirchen und schuelen furgesetzt sein, erkennen for ihre von
Gott verordnete obrigkeit E. E. L. Verordnete und inspectores,
denen sie ieder zeit geburlichen gehorsamb in aller demueth
zuerzeigen schuldig und willig sein.
De legibus scholae.
Erinnerung.
Waß die leges scholae anlangt, hat Chytraeus die not-
wendigsten gesetzt, welche die Khärnter und Khrainer auch
schon als vil ihnen bequehm vorhin in ihren schuelen haben
und nach gelegenheit ihrer schuelen mehr herauß oder sonsten
her zuwelen urpietig*) sein, doch als auf bewilligung und
bevelch ihrer genedigen und gepietunden herrn E. E. L.
Khärnten und Khrain verordneten. Die landtschule zu Grätz
hat nu drei jar etliche leges im brauch und nicht ohne frucht
gehabt. Wird aber für rathsam angesehen, das die subin-
spectores und wer mehr darzu gehöret oder ordentlich er-
fordert wirdt, vermog ihrer instruction, alle leges beyde, die,
) Siehe Loserth, a. a. O. 2) Loserth a. a. O. S. 30 Anm.
Der Einfluß Straßburgs auf die ev. Kirche in den habsburgischen
Ländern war sehr groß. S. ob. S. 186. 3) sc. unterworfen sind.
+) erbötig.
152 72
so in gebrauch schon sein und auch die, so noch nicht
gebraucht worden, gegeneinander vergleichen und das ganz
schulwesen also mit geburlichen notwendigen legibus fassen
und umbwicklen, das merklicher nutz darauß könne verhoffet.
werden. Wenn dann das ganz schulwesen ordentlich be-
schriben sein wird, das sies dann den herrn verordneten
und. inspectoribus zu examinieren übergeben und wens dann
I. G. auch wurde gefallen, das diselbigen dann in ihrem
beisein und namen fur der ganzen schuel liessen iren secre-
tarium promulgieren, dann hetten die leges ire volkomene
autoritet.
Beschluß.
Diß ist also unser gehorsambe antwort von der ganzem
kirehenordnung, als vil wir unß in disem gesprechn haben
erinnern und darnach zusamen schreiben können, und wehr
woll gut gewesen, das etliche artickel ausfürlicher hetten
ercleret können werden; aber weil unß nicht gebüret, unser
g. H. zulange aufzuhalten, und nur ietzt ein andeuttung ge-
geben hat sollen werden, wie ein iegklichs stück solcher
kirchenordnung unsers bedunkens gestelt werden möcht, und
hernach etwa, so es unsere gn. und gepietunde herrn für
rathsam achten wurden, alles aufs klarlichste außgefüret
werden soll, dann die stück, so im andern und drittenteil
nur kurtzlich beruehret, mussen werden von wort zu wort
außgefueret werden, habens wir bei disen anzeigungen und
erinnerungen bleiben lassen. Und wie im anfang also auch
hie zum beschluß wöllen wir alles dem christlichen hohen
bedenken unser gn. und gepietunden herren und derselbigen
g. u. h. unf auch selbs gehorsambist underworfen haben,
mit demutigster erbietung zu weiterer erelerung, wo es von-
nöten sein wolt.
Der almechtige Gott, der da ist ein Gott des friedes
und aller gueten ordenung, wülle sein werk in disen und
anderen landen genediglich befordern und ihm beyde
reglierjenden und underthonen, lehrer und zuhörer ganz vatter-
lich zu schutzen und mit seinen heilligen geist zu regieren
getreulich allezeit befolhen sein lassen durch Jesum Christum
seinen einigen sohn und unsern allergenedigsten herren und
heiland, welcher ist hochgelobet von ewigkeit zu ewigkeit.
amen amen.
Absolutum et theologorum ad hoc opus vocatorum
subseriptione usque ad Dominorum declaratam censuram
et approbationem perspicue declaratam ef nostram olim
recognitionem comprobatam vigesima prima mensis Fe-
bruarii anno millesimo quingentesimo septuagesimo
oetavo in oppido Brugg ad Murrcham.
73 153.
Es folgen 6 aufgedruckte Siegel.
Jeremias Homberger!) D. E. E. L. in Steier dieser zeit
pastor zu Gratz subscripsi manu propria.
M. Bernhardinus Stainer?). E. E. L. des erzherzogtumbs
Karnden provisionirter am evangelio diener und der gemaine
zue Clagenfurt pfarrar manu sua subscripsit.
Christophorus Freius?). Magister und E. E. L. in Stair
prediger.
Philippus Marbachius‘) L. E. E. L. in Steier bestelter
schulrector zu Grätz.
M. Jacob Prüntl". E. E. L. in Kärnthen prediger zu
Klagenfurt, manu sua propria.
M. Andreas Laborator9) E. E. L. in Karndten bestelter
schuelrector zu Clagenfurt, weil ich der zeit kein manu pro-
pria pedtsehaft gehabt, hab ich herrn M. Bernhardi Stainer
erbetten, daß er an meiner statt gefertigt.
z
Bedencken der ordenung halben in die sontäg und
feiertage früpredig.
1. Erstlich soll man den heiligen Geist mit einem gar
kurzen gesang umb hilf anruefen.
2. Darauf soll ein diener des worts die offene beicht
sambt der absolution in sehr kurzer form, wie sie gestelt
auf der canzel, sprechen; folget darauf ein kurzer psalm:
allein Gott in der höhe’), Dann lieset der diener auf der
canzel die epistel oder so man will sonst ein stück auß der
bibel nach der ordenung der bücher. Wen er solches gethan,
3. verkündet er, waD zuverkündigen ist, al neue ehe-
leut, feste und deßgleichen und fordert das gebet fur die
aufgezeichnete kranke und noturftige personen.
4. Darauf singt man wider in figuris®) oder simplieiter,
und nach anruefen des heiligen geistes folget die verlesung
des evangelii und predig daruber, daß nach der predig alß
bald das gebät gesprochen und ohn lengern aufhalt zur
administration coenae domini geschritten und damit wie
biBher gehalten werde.
T) Loserth 1. c. 8. v. 2) Ebd. 3) Frey, Loserth s. v.
*) Loserth s. v. 5) ebd. *) ebd, ?) S. ob. 17, 221, 12..
6) S. ob. 117, 224, 6.
154 74
Ursach zu solchen ordenung bewegent seint diese.
1. Erstlich ists der uralten kirchen ordenung gemehs,
wie daB confitemini!) ausweisen.
9. Furß ander ists ie billich, das man mit bekantnus
der stinde und absolution den gottesdienst zu verrichten an-
fange, den die sünder will Gott nicht erhören, sie demtitigen
sich den und bitten fur allen dingen umb vergebung.
3. Furß dritte wirds also im wolbestelten kirchen der
A. K. gehalten, alß in der Neuburgischen Pfalz), zu Ulm®),
Norimbergae*) und andern vill orten zu sehen.
4. Zum vierten ists gemhes der kirehen ordenung, so
mit rath ern Chytraei gestellet^).
5. Zum funften wird das volk desto zeitlicher zur
kirchen zu kommen dadurch gelocket und beweget.
6. Zum sechsten ists ein grosse beforderung, das der
prediger nach gehabter predig desto schleuniger daß gepät
verrichten, nichts durch mudigkeit oder eylem vergesse, die
leutte nicht mit verdrieß aufhalte.
Letzlich seint woll mehr ursach und nutz, so nicht hie
vermelt werden mögen, und ist leichtlich anzurichten, wen
mans nur ein mahl auf der canzl vermeldet daß sich ein
jeder darnach richten möge. Es möcht auch privatim etwa
versucht werden, das man sehe, wie es ein gestaldt haben
und abgehn wolte.
1) Ps. 118. *) S. ob. S. 184, 5, ) Württemb. K. G. a. a. O.
S. 319. 713. 9) S. ob. S. 133, 1. 5) Sie ist bisher nicht auf-
findbar; vgl. ob. 18, 87.
Nachtrag.
Soeben erschien: Paul Graff, Geschichte der Auflösung der
alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutsch-
lands bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus. 1921.
Siehe S. 64f.
Mitteilungen.
Neuerscheinungen.
Alfred Gótzes „Frühneuhochdeutsches Glossar“ ent-
sprach schon bei seinem ersten Erscheinen im Jahre 1912 einem fühl-
baren Bedürfnis, indem es zumal dem Anfänger ein Eindringen in den
reichen hochdeutschen Wortschatz von Ende des 15. bis gegen die
Mitte des 17. Jahrhunderts sei es überhaupt erst ermöglichte, sei es
wenigstens ungemein erleichterte. Daß der Verf. aber inzwischen die
Hände nicht in den Schoß gelegt hat, zeigt die nunmehr vorliegende
zweite Auflage, die auf nochmaliger sorgfältigster Durcharbeitung des
gesamten Stoffes beruht und so zahlreiche Ergänzungen gegenüber der
ersten Ausgabe zeigt, daß deren Umfang sich fast verdoppelt hat.
Möge das Studium unserer älteren originalen Literatur — Luthers und
seiner Zeitgenossen sowie der nächstfolgenden Geschlechter — aus der
Neubearbeitung entsprechenden Nutzen schöpfen! Bonn, A. Marcus
u. E. Weber 1920. (Kleine Texte usw. hrsg. von H. Lietzmann 101.)
XII, 240 S. M. 15, geb. M. 20.
Eine sehr willkommene chronologische Übersicht der gesamten
Vorlesungstütigkeit Luthers in Wittenberg gibt mit bedeut-
samer Einführung H. von Schubert in SB. Heidelb. Ak. d. W., phil.-
hist. Kl. 1920 Nr. 9. Dazu treten Konjekturen und Emendationen
K. Meissingers zur Veröffentlichung der Galaterbrief-Vorlesung
1516/1517 durch v. Schubert (s. „Archiv“ Bd. XVI S. 125f.). Heidel-
berg, Winter 1920. 47 S. M. 4,30.
Die Abhandlung von Lic. theol Hedwig Thomas, einer
Schülerin F. Loofs’, „Zur Würdigung der Psalmenvorlesung
Luthers von 1518—1515* ist ein wichtiger Beitrag zur zeitlichen
Feststellung des Reformationserlebnisses Luthers. Verfasserin zeigt
dureh eindringende Untersuchung und Vergleichung, daß in der Aus-
legung der Psalmen bei Luther zwei Gruppen zu unterscheiden sind:
in der einen steht er noch vor dem neuen Verständnis von Römer 1, 17,
wührend die andere diese Erkenntnis schon vortrügt. Num stellt sich
aber auch heraus, daß Luthers Einleitungs- und Schlußbemerkungen
zur ersten Kollegstunde auf den neuen Standpunkt gestellt sind.
Folglich war Luther schon bei Eröffnung der Psalmenvorlesung zur
neuen Erkenntnis vorgedrungen; er hat letztere während der Vor-
arbeiten für die Vorlesung gewonnen. So bleibt nur die Frage, wann
156 76
Lather die Vorlesung eröffnet habe, worüber völlig Sicheres vorerst
noch nicht festzustellen ist. Verfasserin nimmt den Juli 1513 an, doch
ist dies nur der terminus a quo. Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1920.
X, 51 S. gr. 4. M. 7.
Zwei wertvolle Beiträge zu Luthers Frühentwicklung
bietet die Festgabe zum 70. Geburtstag Julius Kaftans, 30. Septb. 1918
(Tübingen, Mohr): O. Scheel handelt (S. 298—318) über „Taulers
Mystik und Luthers reformatorische Entdeckung“ (Betonung
des Neuen, das Luther über den ganz im Gottesgedanken des Katho-
lizismus stehenden Tauler und die Mystik hinaus darstellte); ebendort
S. 150—169 beschäftigt sich Em. Hirsch, Initium theologiae
Lutheri, mit dem Wesen der entscheidenden Entdeckung Luthers
über Römer 1, 17. — In der gleichen Festschrift S. 170—214 unter
sucht F. Kaltenbusch den Begriff des Deus absconditus bei.
Luther; ferner bespricht S. 87—102 E. Förster „Fragen zu Luthers
Kirchenbegriff aus der Gedankenwelt seines Alters“, an der Hand
der späteren Schriften L.s die Entwicklung seines Kirchenbegriffs.
Endlich verfolgt S. 260—272 O. Ritschl das Wort „dogmaticus“
in der Geschichte des Sprachgebrauchs bis zum Aufkommen des Aus-
drucks theologia dogmatica, wobei u. a. gezeigt wird, daß von den
Reformatoren allein Melanchthon das Wort dogmaticus braucht.
In einem Festvortrag ,Luther und der 10, Dezember 1520*
behandelt H. Bóhmer in vielfach neuem Lichte die Fragen: was ist
am 10. Dezember 1520 eigentlich geschehen? was hat Luther zu dieser
so vielumstrittenen Tat veranlaßt? was haben die Zeitgenossen zu ihr
gesagt? und worin besteht die geschichtliche Bedentung jenes Ereig-
nisses? U. a. zeigt Verf., daß die Verbrennung der Bannbulle eigent-
lich eine „programmwidrige Improvisation“ war und die Bedeutung
des Akts wesentlich auf der Verbrennung des kanonischen Rechts be-
ruhte. Überhaupt legt Böhmer dem „Feuergericht vor dem Elstertore"
eine hohe Bedeutung bei als einem Flammenzeichen, das unmittelbar
auf die Phantasie und das Gefühl der Massen wirkte und aus dem
auch die Ungelehrten ohne weiteres die Botschaft herauslasen: ,Vogt,
deine Uhr ist abgelaufen!“ Der Vortrag ist aufgenommen in die
würdig ausgestattete, mit zahlreichen Abbildungen geschmückte Ver-
öffentlichung „Wittenbergs Feier der Tat Dr. Martin Luthers
10. Dezember 1520“. Wittenberg, Kommissionsverlag M. Senf 1921.
87 8. £.
Richard Wolffs „Studien zu Luthers Weltanschauung“
sind Ernst Tröltsch gewidmet und von dessen Geist befruchtet. Sie
nehmen die These des Meisters wieder auf, wonach die Neuzeit erst
mit der Ablösung der christlich-supernaturalen Weltordnung durch die
natürlich-diesseitige im Zeitalter der Aufklärung beginne und Luther
daher restlos ins Mittelalter gehöre. Daß diese Auffassung durch
Wolff glaubwürdiger gemacht werde, kann Verf. nicht finden. Es ist
ja nicht schwer, aus Luthers Aussprüchen solche herauszuheben, die
77 157
den Zusammenhang mit der Vergangenheit besonders stark betonen;
nur übersieht oder unterschätzt man neben den Worten die befreiende,
in die Zukunft weisende und bis heute fortwirkende Tat des Re-
formators. So ist auch die Anschauung grundfalsch, als ob im Zeit-
alter der sog. Aufklärung die christlich-supernaturale Weltanschauung
alsbald und für immer zum alten Eisen getan worden sei. Richtig
ist im Grunde nur, daß gewisse Kreise erlesener Geister sie verließen
und daß das konfessionelle Element aufhörte in der europäischen
Politik ausschlaggebend zu sein. Historische Bibl. 43. München,
Oldenbourg 1920. 65 S. M. 10,
Wie verfehlt alle Versuche sind, zwischen Luther und der Gegen-
wart einen trennenden Strich zu ziehen, zeigt aufs neue die prächtige,
gedankenreiche Skizze von Max Lenz über „Luthers Tat in
Worms“. Diese Tat bedeutet die nicht von L. ausgehende, sondern
ihm abgenötigte Auflehnung gegen die höchste Staatsgewalt. Daß
Luther, obschon er den Zusammenhang seines Evangeliums mit den
nationalen Hoffnungen und Notwendigkeiten damals längst begriffen
hatte, die antirömische Stimmung, die die ganze deutsche Nation be-
herrschte, nicht benutzt, sich nicht zum Führer der Nation gegen
Rom gemacht hat, billigt der Verf, indem er zeigt, wie unter den
gegebenen Verhültnissen auch das Luthertum eine nationale Monarchie
in Deutschland im Sinne der Nachbarstaaten zu errichten nicht ver-
mocht hätte. Trotzdem sind die Staatsgedanken der Reformation
(beim Luthertum wie beim Calvinismus) politisch von ungleich höherer
Kraft gewesen, als die in Trient neu zusammengefaßte, nun ganz
hispanisierte Lehre der römischen Kirche. Ferner aber hat auf der
Grundlage des Protestantismus der nationale Genius Deutschlands, der
im Mittelalter in allen seinen Schöpfungen von fremden Kulturelementen
abhüngig gewesen war, in neuerer Zeit, besonders auf dem Gebiete des
geistigen Lebens, sich zu Hervorbringungen erhoben, die alles hinter
sich ließen, was frühere Jahrhunderte hervorgebracht hatten. Und
noch immer sind, Lenz zufolge, die Grundformen der Weltordnung,
80 wie Luther sie gesehen und im Geiste gestaltet hat, nach allen
Wandlungen, allen Katastrophen, auch allen Triumphen des mensch-
lichen Geistes und seiner sittlichen wie intellektuellen Krüfte unver-
loren und unerschüttert. Schr. des Vereins f. Ref.-Gesch. Nr. 134.
Leipzig, in Komm. bei M. Heinsius Nachf. 1921. 45 S. M. 5.
Indem Joh. Luther, Martin Luthers Auslegung des
90. Psalms schildert, wie es kam, daß die Wittenberger Theologen
der Kónigin Dorothea von Dünemark bei ihrem Besuche in Wittenberg
1548 Luthers Auslegung des 90, Psalms, bereichert um eine Vorrede
Georg Majors, als literarisches Festgeschenk darbrachten, gibt uns der
Verf. zugleich ein Bild von den Beziehungen, die sich, besonders seit
der Thronbesteigung des an den Fortschritten des Evangeliums
innigsten Anteil nehmenden Königs Christians III, zwischen Dänemark
und Wittenberg herausgebildet hatten. Reiche Literaturangaben be-
158 78
gleiten den Text. Das schön ausgestattete, mit Wiedergabe des
Titelblattes der angezeigten Schrift ausgestattete Schriftchen bildet
Heft 9 der „Bibliographien und Studien, herausg. von Martin Bres-
lauer.“ Berlin, M. Breslauer 1920. 50 S. 49. M. 60.
Die Wirkung der Geisteswelt Zwinglis hat unter seinem poli-
tischen Schicksal gelitten. Indem mit Zwinglis Tode Zürich die
politische Initiativkraft zur Fortführung seines Werkes verlor, rückte
Genf unter Calvin vor und eroberte sich eine Welt mit der Macht des
Gedankens und der Kraft des Schwertes. Auf der anderen Seite hielt
und verfestigte sich das Luthertum. So drohte zwischen Luther und
Calvin Zwingli hindurchzufallen. Daf gleichwohl des letzteren Geistes-
art Gegenwartewert besitzt, daß Zwingli neben Luther am Brückenbau
unserer Kultur mitzuwirken berufen ist, unternimmt Walther Köhler
in seiner Schrift ,Die Geisteswelt Ulrich Zwinglis. Christen-
tum und Antike“ (— Brücken, Bd. 8, Gotha, F. A. Perthes 1920.
158 8. M. 6) zu zeigen, in der er knapp, aber lichtvoll, aus ein-
gehendster Kenntnis das Wesen und die Eigenart der religiösen Per-
sönlichkeit des Schweizers vor uns erstehen läßt. Die organische, im
Innersten der Persünlichkeit vollzogene Verknüpfung von Christentum
und Antike, wie sie für Zwingli wesenhaft ist, der Hauch antiker
Sophrosyne über dem christlichen Glauben — schließt der Verfasser —
kann nicht nur, sondern muß Brücke für unsere Zeit sein.
Die Beziehungen Calvins zu Frankfurt a. M. haben nicht
dazu geführt, die Stadt für seine Lehre zu gewinnen, und in ihr
seinem reformierten Gesanktprotestantismus ein Ausfallstor nach Deutsch-
land zu eröffnen; nicht einmal in den Fremdengemeinden hat Calvin
sein Ziel erreicht Doch bleibt darum die Untersuchung, die K, Bauer
jenen Beziehungen widmet, nicht ergebnislos, sondern liefert wertvolle
Beiträge sowohl zur Reformationsgeschichte Frankfurts wie zu dem
Verhältnis zwischen den evangelischen Kirchen besonders in den fünf-
ziger Jahren und endlich für Calvins Bestrebungen und Charakter.
Schr. VRG. 138. Leipzig, Kom.-Verl. Heinsins 1920, 76 S. M. 6.
Von H. Dechents Kirchengescbichte von Frankfurt a. M.
seit der Reformation (deren erster, 1913 erschienener Band im „Archiv“ XI
S. 239 angezeigt wurde) ist der zweite und Schlußband erschienen,
der, mit gleicher Liebe und Sorgsaukeit wie sein Vorgänger bearbeitet,
den Zeitraum von 1618 bis zur Gegenwart behandelt. Leipzig und
Frankfurt a M., Keßelring 1921. VIII, 588 S., mit 54 Illustrationen.
M. 36.—.
Das Corpus Catholicorum, Werke katholischer Schriftsteller im Zeit-
alter der Glaubensspaltung (vgl. „Archiv“ XVI 8.253ff.) eröffnet Dr.
Johann Ecks Defensio routraamarulentas D. Andreae Boden-
stein Carolostatini Invectiones von1518, hrag.vonJos. Greving,
dem eigentlichen Schöpfer des Unternehmens, der die Ausgabe des
Hefts jedoch nicht mehr erlebt hat (+ 6. Mai 1919). Doch bot ihm
dieses Gelegenheit, die von ihm mit großer Umsicht ausgearbeiteten
79 | 159
Grundsätze für die Herausgabe des C. C. zu erproben und zu
bewühren. Die ausführlich eingeleitete Ausgabe selbst zeigt auf jeder
Seite die Hand des sachkundigen und sorgsamen Forschers. Münster,
Aschendorff 1919. S. 1*—75*, 1—96. M. 9.
Mit Eck beschäftigt sich auch Heft 2 des C. C., das Joh.
Metzler S. I. bearbeitet hat. Er vereinigt darin Ecks Epistola
de ratione studiorum suorum von 1538 (Darstellung des eigenen
Studienganges) und die Schrift des Kollegen Ecks und Ingolstüdter
Professors Erasmus Wolph, ,de obitu Joan. Eckii adversus
calumniam Viti Theodorici". Diese Schrift richtet sich gegen die
Angaben, die der Nürnberger Professor Veit Dietrich über Ecks Aus-
gang gemacht hatte. Herausgeber verbreitet sich weitläuftig über
diese „Verleumdungen“, ohne des Satzes eingedenk zu sein: peccatur
intra muros et extra! Es herrschte in jenen Zeiten scharfer kon-
fessioneller Kämpfe auf beiden Seiten die Überzeugung, daß beim Tode
des Gegners irgendwie zutage treten müsse, daß seine Sache nicht die
der Wahrheit und Gerechtigkeit, nicht die Sache Gottes sei, Ge-
fällige Zwischentrüger fanden sich wohl immer und ihre Erfindungen.
und Entstellungen wurden auf der Gegenseite nur allzu gern geglaubt.
Münster, Aschendorff 1921. 106 S. M. 12. — Über den Stand der
Arbeiten zur Herausgabe des C. C. gibt Auskunft der Jahresbericht
der Gesellschaft für 1920. Münster, Aschendorff 1921. 12 S.
(mit Liste der erschienenen, in Arbeit befindlichen und in Aussicht ge-
nommenen Schriften).
DieBuflehre Ecks behandelt systematisch ein Schüler Grevings,
H.Schauerte. Er gibt im Hauptteile, von Eck ausgehend, eine Dar-
legung der sehr verwickelten katholischen Buflehre des endenden
Mittelalters, ` der er die abweichenden Lehren Luthers und der
Seinen gegenüberstellt. In den ersten Abschnitten wird eine Ana-
lyse der einschlägigen Schriften Ecks gegeben und dessen Arbeits-
weise (Art der Quellenbenutzung, Polemik usw.) geschildert. Am
Schluß untersucht Verf. Ecks Stellung zu den Mißständen im Buß-
wesen und den Erfolg, den seine Ausstellungen an diesem gehabt
haben. Greving, Reformationsgeschichtl. Studien und Texte, Heft 38/39.
Münster, Aschendorff 1919. XX, 950 S, M. 11,90.
„Tagebuchaufzeichnungen des Regensburger Weih-
bischofs Dr. Peter Krafft von 1500—1530“, erhalten in einem
Druckexemplar des lateinischen Almanachs von Joh. Stöffler und Jakob
Pflaum von 1499 anf der Münchener Universitätsbibliothek, veröffent-
licht mit überaus reichen Erläuterungen K. Schottenloher. Die
Eintragungen des der beginnenden Reformation feindlichen „Fladen-
weihers^ lassen diesen auf seinen Amtsreisen durch das gesamte Bis-
tum Regeusburg und bis nach Böhmen hinein verfolgen und geben
außerdem mancherlei schätzbare Notizen und Betrachtungen zur Zeit-
geschichte. Greving, Beformationsgeschichtl. Studien und Texte.
Heft 87, Münster, Aschendorff 1920. VII, 71 S. M. 6.
160 80
Von O. Braunsberger, Petrus Canisius, (vgl. „Archiv“
Bd, XVII, 8. 70) ist die 2./3. Auflage erschienen, wesentlich ein
Wiederabdruck der ersten. Nur ist ein Abschnitt über das innere
Leben des C. hinzugekommen, wodurch der erbauliche Charakter des
Werkes nur noch verstärkt wird. Freiburg, Herder 1921. XII, 834 8.
M. 20, geb. M. 26 und Zuschläge. (Bildet einen Teil von K. Kempf,
S. J., Jesuiten. Lebensbilder großer Gottesstreiter.)
Johannes Janssens Briefe, hrsg. von L. Frhr. v. Pastor.
2 Bünde. Freiburg, Herder 1920. Mit einem Bildnis J.s. XV, 411 8.
und XXXV, 336 S. M. 80, geb. M. 86 (dazu Zuschläge), In den
Briefen, die in 812 Nr. von 1817 bis 1891 reichen, suchen wir zu-
nächst nach Angaben über die Entstehung der „Deutschen Geschichte“.
Wir finden das genaue Datum des entscheidenden Entschlusses zu
ihrer Abfassung (8. September 1857) und zahlreiche Nachrichten über
das Fortschreiten des Werks und die steigende Anerkennung, die 68
in katholischen Kreisen erfuhr. Wichtiger noch ist die durch die
Briefe uns vermittelte Kenntnis der Umwelt, in der Janssen lebte und
emporkam. Im übrigen bestätigen die Briefe, was die „Deutsche Ge-
schichte“ auf jeder Seite lehrt, daß ihr Verfasser zwar ein sehr ge-
schickter Kompilator, aber nichts weniger als ein Gelehrter war. Be-
zeichnenderweise hat.J. zu keinem Fachgenossen engere und dauerndere
Beziehungen unterhalten als zu dem berüchtigten Onno Klopp. Für
J.s historische Methode sei z, B. auf II, 298 vom Jahre 1890 ver-
wiesen, wo er mit heißem Bemühen einen Jesuiten ausfindig zu
machen sucht, der sich mit volkswirtschaftlichen Fragen beschäftigt
und für das Los der geknechteten Bauern ein Herz gehabt habe, Von
befremdlicher Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit, selbat für einen J., ist
-der Ausspruch II, 246 (1888), die wirklich begabten Dichter seien
doch fast sümtlich Katholiken und der Schmutz sei nirgends auf katho-
lischer Seite! Goethe scheint freilich nicht zu den „begabten“ Dichtern
gerechnet zu werden; wettert Janssen doch II, 916 (1877) gegen die
„Goethefreudigkeit“ katholischer Kreise. So bleibt auch nach dieser
Veröffentlichung des opus epistolarum J.s noeh immer im Werte, was
Max Lenz schon vor längerer Zeit über die Persönlichkeit Janssens
und sein Geschichtswerk ausgeführt hat (Histor, Zeitschr. N. F. 14,
S. 281—284; Preuß, Jahrbch, 71, 3, 540 — 547).
Druck von C. Schulse & Oo., G. m. b. H., Gräfenhainichen.
Von der preussischen Kommission
zur Erforschung der Reformation und
Gegenreformation.
I. Instruktion für die Mitarbeiter
an der prosopographischen Abteilung.
1. Die Literatur von 1500 bis 1585 ist biographisch erschöpfend
durchzuarbeiten. In erster Linie ist die gedruckte Literatur aufzu-
arbeiten. Das handschriftliche Material wird aushilfsweise und nach
Bedarf herangezogen, namentlich das mit der Bewegung der Wieder-
täufer sich befassende Quellenmaterial. Der Leiter der Abteilung gibt
die Literatur an, die durchgearbeitet werden soll. Er führt ein Ver-
zeichnis über die verarbeitete Literatur. l
2. Es wird eine Kartothek angelegt, die alle Namen enthält, die
sich in der verarbeiteten gedruckten und ungedruckten Literatur finden.
Die Kartothek befindet sich beim Leiter der Abteilung und wird von
ihm fortlaufend ergänzt und geordnet.
3. Die Mitarbeiter ziehen aus der ihnen zugewiesenen Literatur
alle Namen aus und verzeichnen sie auf den ihnen übergebenen Zetteln.
Jeder Name erhält einen eigenen Zettel. Das Gleiche gilt von den
Varianten (z. B. Mayr, Mair, Maier, Meyer, Meier u. &.), den Über-
setzungen in die gelehrten Sprachen, den Spitznamen, Kosenamen.
Decknamen, Pseudonymen, den Namensbezeichnungen nach dem Ort
(z.B. Dr. Islebius) usw. Auch für die Bezeichnung mit Sigeln (z. B. P. M.)
ist ein besonderes Blatt anzulegen. Bei jeder Namensform wird auf
die Haupttorm verwiesen. Beispiel: Dr. Gratianus s. Zwingli, Huld-
reich; Dr. Philippus s. Melanchthon, Philipp; Crasitius s. Mornhinweg.
Ist die Identifizierung fraglich, so muß das durch ein in Klammern
gesetztes Fragezeichen kenntlich gemacht werden. Da in den Quellen
oft bloß der Vorname angegeben ist, so muß die Identifizierung mit
großer Vorsicht vorgenommen und lieber zu häufig als zu selten das
Fragezeichen verwendet werden.
Es sind Leitblätter anzulegen, die an erster Stelle die gebräuch-
lichste Namensform enthalten, der dann alle übrigen Namensformen
2*
folgen. Die MS-Zettel tragen als Stichwort die gebrauchlichste Namens-
form. Oft wird erst im Laufe der Arbeit sich ergeben, welches die
gebräuchlichste Form ist. In solchen Fällen kann erst der Leiter der
Abteilung, dem alle Unterlagen zur Verfügung stehen, das Stichwort
endgültig feststellen. Der Mitarbeiter darf auf keinen Fall das einmal
gewählte Stichwort stillschweigend ändern. Meint er, es ändern zu
müssen, so hat er den Leiter der Abteilung zu benachrichtigen. In
vielen Fällen wird er sofort oder bald das richtige Stichwort wissen.
Die Melanchthon betreffenden biographischen Notizen werden natürlich
nicht unter das Stichwort Schwarzerd, sondern Melanchthon gebracht.
4. Einrichtung der MS-Zettel. Auf jedem Blatt, das eine bio-
graphische Notiz enthält, ist über dem Doppelstrich in der linken
Spalte der Familienname mit dem Vornamen, bzw. den Vornamen ver-
zeichnet, mit dem Herkuuftsort und Datum der Quelle, bei Briefen,
wenn möglich, mit dem Aufenthaltsort des Empfängers in Klammern.
Kann der Aufenthaltsort des Empfängers nicht sicher ermittelt werden,
so ist der vermutete Aufenthaltsort mit einem Fragezeichen zu ver-
sehen. Ist die Vermutung zu unsicher, so unterbleibt eine Angabe.
In der rechten Spalte über dem Doppelstrich wird der Fandort der
Quelle angegeben, entweder bibliographisch genau oder abgekürzt
(vgl. Ziffer 9).
Beispiel:
ar Ambr. Blarer an Konrad Hubert
(Konstanz) Tr. Schieß, Briefwechsel der Brüder
Ambr. u. Th. Blaurer, Bd. 2, 180
Konstanz -
1543 Apr. 16
die Verweise Text
Unter dem Doppelstrich rechts sind die biographischen Notizen
einzutragen, links die Verweise (vgl. Schema). Es genügt, auf der
linken Spalte unter dem Doppelstrich den Namen mit Rufnamen zu
vermerken. Der Benutzer des Blattes weiß, daß er das Blatt auf-
zusuchen hat, das den gleichen Orts- und Datunisvermerk trägt. Falls
auf ein anderes Blatt verwiesen werden soll, so ist neben dem Namen,
auf den verwiesen wird, der entsprechende Orts- und Datumsvermerk
anzugeben. Da die Blätter nicht paginiert werden können, müssen
die Orts- und Datumsangaben an die Stelle der Seitenangaben treten.
Werden die Verweise sorgfältig vorgenommen, so ist ein Irrtum aus-
geschlossen, Jedes Blatt, auf das verwiesen wird, kann mühelos ge-
funden werden. Beispiel: Auf dem Blatt Bullinger, Heinrich Zürich
1543 März 25 wird verwiesen auf Coccius, Sebastian. Es ist also auf-
zusuchen das Blatt Coccius, Sebastian Zürich 1548 März 25. Auf dem
Blatt Bullinger, Heinrich Zürich 1543 Febr. 27 wird verwiesen auf
3*
Blarer. Ambrosius Konstanz 1543 Febr. 24. Es ist also aufsusuchen
das Blatt Blarer, Ambrosius, Konstanz 1543 Febr. 24.
Wenn ein Exzerpt sich über mehrere Blätter erstreckt, ist auf
jedem neuen Blatt in der linken Spalte über dem Doppelstrich das
Stiehwort samt Orts- und Datumsangabe zu wiederholen. Diese
Blätter sind- auch rechts oben mit arabischen Ziffern fortlaufend zu
paginieren. Das Datum ist nach den Kalendertagen anzugeben, doch
ist der Heiligenname mit aufzunehmen, wenn er, was sehr oft der
Fall sein wird, in der Quelle enthalten ist.
5. Behandlung des Textes. Aus den Quellen ist alles aufzunehmen,
was unmittelbare biographische Bedeutung besitzt. Alle Angaben über
Herkunft, Verwandtschaft, Familie, Erziehung, Unterricht, äußere Er-
scheinung, Krankheiten, Reisen, Frau, Kinder, Freunde, Gegner u.dgl.m.
sind sorgfältig zu registrieren. Besonders ist zu achten auf die Bücher,
die der Betreffende gelesen hat oder in seiner Bibliothek besitzt, die
er selbst unter der Feder hat oder herausgegeben hat, auf die Gut-
achten, an denen er beteiligt gewesen ist u. l. Es muß auf Grund
der MS-Blätter möglich sein, die „Bibliothek“ des Betreffenden fest-
zustellen. Auch Notizen über nicht beförderte oder nicht angekommene
Briefe sind aufzunehmen.
Ebenfalls sind die Urteile zu notieren, die der Betreffende über
sich selbst und andere Personen füllt, auch die Urteile über Schriften,
die erschienen sind oder deren Erscheinen erwartet wird. Doch nur
solche Urteile sind aufzunehmen, die sich auf die reformatorische und
gegenreformatorische Bewegung beziehen oder den Charakter, das
Können und Wissen dieser und jener Person zum Gegenstand haben,
Auch Verleumdungen und die Urteile über Verleumdungen müssen auf-
geführt werden. Sich wiederholende, banale, selbstverstündliche Urteile
über führende Persönlichkeiten (z. B. Martin Luther ist ein Gottes-
mann, ein Werkzeug des Satans) sind nur einmal zu notieren. Die
individuellen und charakteristischen Urteile müssen vollstündig ver-
zeichnet werden, auch wenn sie sich wiederholen. Es ist zugleich
darauf zu achten, ob die Urteile sich gleich bleiben oder schwanken.
Inhaltsangaben über Schriften, Gutachten, Vorschláge usw. werden
nicht verlangt. Es muß aber zu erkennen sein, welche Stellung
dieser und jener zu den dogmatischen und kirchenpolitischen Fragen
der Zeit eingenommen hat, an welchen Reformen und Gegenreformen
er sich beteiligt hat (z. B. Säuberung der Kirchen von Nebenaltären,
Heiligenbildern usw., Schulreformen u. dgl.). Es muß darum auch
notiert werden, in welche Streitigkeiten er verwickelt worden ist.
Das Streitthema ist kurz anzugeben und mit den charakteristischen
Worten der Quelle hinzuzufügen, wie dazu Stellung genommen wurde.
Für alles weitere wird auf die Quelle verwiesen.
Berichte über das Sterben dieser oder jener Person sind nicht
ausführlich abzuschreiben. Liegt ein längerer Sterbebericht vor, 80
genügt es, auf ihn hinzuweisen. Jedoch sind alle Personen, die zu-
4*
gegen waren, unter dem jeweiligen Stichwort aufzuführen, Beispiel:
Die Berichte über L. Hetzers Hinrichtung in Konstanz. Hier wäre
für die Einzelheiten auf die Quellen hinzuweisen, dagegen vollstündig
anzugeben, wer bei der Vorbereitung des Verurteilten auf den Tod und
bei der Hinrichtung zugegen war und wie die Anwesenden über
Hetzers Haltung in den letzten Stunden seines Lebens urteilten.
6. Die Exzerpte müssen möglichst knapp gehalten werden.
Seitenlange Auszüge müssen Ausnahmen bleiben. Wenn die wört-
liche Zitierung zu ausführlich sein würde, muß ein zuverlässiges
Regest gegeben werden.
Die MS-Blätter dürfen nur einseitig beschrieben werden. Die
Schrift muß leicht leserlich sein. Die Namen müssen so sorgfältig
geschrieben sein, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist.
7, Angaben über Büchertitel, über bekannte oder anonyme Ver-
fasser von Schriften, kurz bibliographische Angaben, die sich im
Schrifttum des 16. Jahrhunderts finden, sind auf einem besonderen
Zettel zu notieren und mit den prosopographischen MS-Blättern dem
Leiter der biographischen Abteilung einzusenden, der sie an den Leiter
der bibliographischen Abteilung weiter gibt.
| 8. Die MS-Blätter sind monatlich alphabetisch geordnet an den
Leiter der biographischen Abteilung zu schicken. Falls in einem
Monat keine versendungswerte Ausbeute gewonnen worden ist, muß
dies dem Leiter der biographischen Abteilung gemeldet werden.
9. Auf besonderen Kartons, die den Mitarbeitern übergeben werden,
sind die durchgearbeiteten Qnellen bibliographisch genau zu ver-
zeichnen. Falls auf den MS-Blättern eine Quelle abgekürzt angeführt
wird, muß sie in der gleichen Abkürzung auf einem Karton ver-
zeichnet werden, mit einem Verweis auf die bibliographisch vollständig
angegebene Quelle. Auch diese Kartons werden an den Leiter der
biographischen Abteilung geschickt. Der Mitarbeiter kann für seinen
eigenen Gebrauch ein Exemplar dieser Kartons zurückbehalten,
0. Scheel.
Il. Instruktion
für die Arbeiten der bibliographischen Abteilung,
im wesentlichen aus den „Instruktionen
für die alphabetischen Kataloge der Preuß. Bibliotheken“
(Berlin 1909) übernommen.
I. Für das Sehrifttum der Reformation und Gegenreformation. |
Die Beschreibung der Schriften der Reformation und Gegen-
reformation hat 5 Teile zu umfassen:
a) die bibliographische Notiz mit dem Namen des Verfassers,
dem Sachtitel, Druckort, Drucker und Herausgeber (Verleger), Datum
und Format;
b) die Kollation mit Angabe über Blattzahl, Signaturen und
Ausschmückung; |
c) die textliche Beschreibung mit genauer Wiedergabe des Titel-
blattes und der Schlußschrift, mit Kennzeichnung von Widmungen,
Vorreden und sonstigen Beigaben, mit kurzem Schlagwort des Inhaltes,
wenn dieser aus dem Titel nicht erschlossen werden kann;
d) bibliographische oder literarische Belege;
e) den Fundort mit Angaben über besondere Merkmale (hand-
schriftliche Einträge, Einbände usw.),
Beispiel:
Leo X.: Bulla contra errores Martini Lutheri et sequacium, Rom,
Jacobus Mazochius [1520]. 4°,
12 Bl, das letzte leer. Sign. aij—ciij Eine Titeleinfassung.
Zwei Holzschnitte.
Bulla contra erroꝛes Martini Lutheri || 2 ſequacium. Holz-
schnitt: Püpstliches Wappen. Einfassung: Unten Urne mit zwei Füll-
hórnern.
Bl. ajj vor dem Textbeginn: Rundbildnis Papst Leos X. Bl. 11b
21: Q Impreffum Roms per Jacobum Mazochium || De Mandato.
D. N. Pape. ||
Vgl. Zeitschrift für Bücherfreunde N. F. 9. 2 (1918) S. 206 N. 1
mit Abb. des Titelblattes. j
München, Staatsbibl. (4. Hom 487,6 mit amtl. Ausfertigung durch
Girolamo Ghinucci, Bischof von Ascoli, und Notar Pantaleo).
Z.
S.
6*
II. Für die Briefe der Reformatoren und ihrer Gegner.
Das Verzeichnis nimmt auf:
a) die Namen von Absender und Empfünger, Ort und Datum,
b) den Textanfang [ohne die Formeln],
c) die Belege, wo gedruckt oder verwertet,
d) den Fundort.
Beispiel:
Luther Martin an den Hofprediger Wolfgang Stein in Weimar
Wittenberg, 10. September 1524
Beginnt: Primum veniam peto pro nostra ...
Abgedr, v. Flemming in: Theol. Studien und Kritiken 86 (1918)
S. 288 N. 1.
Jena, Univ. Bibl. (Rörer).
III. Für die Literatur über Reformation und Gegenreformation.
Die Literaturbibliographie bringt Verfasser, Titel, Erscheinungsort,
Verlag oder Druckerei, Jahr, Seitenzahl und Format, bei Zeitschriften-
aufsätzen Verfasser, Titel und Hinweis mit „In:“ auf die Zeitschrift
samt Angabe des Jahrgangs und der Seitenzahl.
Beispiele:
a) Keller Ludwig: Die Reformation und die älteren Reform-
parteien. Leipzig, S. Hirzel, 1885. X, 516 S. 80.
b) Barge Herm.: Luther und Karlstadt in Wittenberg. In:
Historische Zeitschrift 99 (1907) S. 256—324.
K. Schottenloher.
Von der preussischen Kommission
zur Erforschung der Reformation und
Gegenreformation.
Anweisung für die Herausgabe der
Widertäuferakten.
l. Der Verein für Reformationsgeschichte gibt die Akten heraus,
die sich mit den Widertäufern befassen. Zu berücksichtigen sind alle
Akten, die sich auf Personen beziehen, die nicht zum offiziellen Pro-
testantismus oder Katholizismus gehören, aber irgendwie mit der
täuferischen Bewegung in Verbindung stehen oder zu ihr gehören.
Die sogenannten Spiritualisten sind darum mit heranzuziehen, auch
Schwenkfeld. Die „Ungläubigen“, also die Monisten, Naturphilosophen
u. &. kommen nicht in Betracht. Das Tüufertum bleibt der Mittelpunkt
des Unternehmens.
2. Eine zeitliche Abgrenzung zu geben ist kaum möglich. In
erster Linie ist auf die Akten zu achten, die bis ungefähr 1560 reichen.
Doch wird man nicht selten genötigt sein, die Bewegung selbst bis
ins 17. Jahrh. zu verfolgen. Den Mitarbeitern muß überlassen bleiben,
die Grenzen nach vorwärts so weit auszudehnen, wie der Aktenbefund
es furdert. Im Zweifelsfall muß mit dem Leiter des Unternehmens
Rücksprache genommen werden.
3. Über die örtliche Abgrenzung entscheidet der Vorstand des
Vereins für Reformationsgeschichte im Einvernehmen mit dem Leiter
des Unternehmens und dem jeweiligen Mitarbeiter. Zunächst sind die
Gebiete der deutschen Sprache in Arbeitsprovinzen aufgeteilt, die
einem Provinzialleiter unterstellt sind. Er ist befugt, sich Mitarbeiter
nach seinem Ermessen zu suchen. Doch hat er dem Leiter mitzuteilen,
wer mitarbeitet und was bearbeitet wird.
4. Zu untersuchen sind vornehmlich die Akten und Protokolle,
also die Kirchenrats- und Konsistorialakten, die Rats- und Gerichts-
protokolle, die Stadtrechnungen, die Gutachten und Bedenken der
Magistrate und Obrigkeiten, die Chroniken der Widertäufer und die
Stadtchroniken, die Lieder, Briefe, Ordnungen und Mandate. Das
Schrifttum, das noch nicht ediert ist, soll herausgegeben werden. Das
schon edierte Schrifttum ist zunächst zu registrieren. Der Fundort
ist genau anzugeben. Diese Anweisung bezieht sich auch auf die
Flugschriften. Sind schon Verhöre, Mandate u. dgl. veröffentlicht, so
genügt es zunächst, den Ort der Veröffentlichung anzugeben und den
Druck mit dem Original zu vergleichen. Stellt sich heraus, daß der
Druck unzuverlässig ist, so muß das Original nochmals abgeschrieben
und die Abschrift für die Herausgabe eingelegt werden. Über die
Verwertung der zuverlässigen Drucke wird später Weisung ergehen.
5. Für die Herausgabe sind die Grundsätze der Badischen Histo-
rischen Kommission maßgebend,
6. Die Akten sind in Regestenform zu edieren. Zeit, Ort, Per-
sonen, Verhandlungsgegenstünde, entscheidende Fragen und Antworten
sind vollständig abzuschreiben, ebenfalls andere wichtige Partien aus
den Akten. Ein charakteristisches Schema der Prozesse ist als Beispiel
vollständig wiederzugeben.
Otto Scheel.
ARCHIV FÜR. REFORMATIONSGESCHICHTE,
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
Im Auftrag des Vereins für Reformationsgeschichte
herausgegeben von
D. Walter Friedensburg.
Nr. 71/72. m XVIII. Jahrgang. Heft 3/4.
Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter Aleanders
auf dem Wormser Reichstage
von Paul Kalkoff.
Die reformatorischen Kirchenordnungen
Ober- und Innerösterreichs IV.
von Georg Loesche.
Mitteilungen
Neuerscheinungen.
WAAAY OF THE
cen OF WISCONSIN
RA^ TWO —
v Lbs AZ *
Leipzig
Verlag von M. Heinsius Nachfolger
1921.
Ausgegeben im Oktober 1921.
Preis für Subskribenten 10.— M., einzeln bezogen 11,— M.
Kommissionsverlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.
Quellen und Forschungen |
zur Reformationsgeshihte |
(früher Studien zur Kultur und Geschichte der Reformation)
Herausgegeben vom
Verein für Reformationsgescichte
‘Soeben erschien:
Band III.
Die Einführung der Reformation
in Liv-, Est- und Kurland.
Im Auftrag der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde
zu Riga
bearbeitet von
Dr. Leonid Arbusow.
gr.89, XIX, 851 Seiten. Preis 70 Mark.
Früher sind erschienen:
Band I. Theodor Wotschke, Geschichte der Reformation in Polen.
8°. [XII, 316 S] 4 9,—.
Band lI. Paul Mestwerdt, Die Anfänge des Erasmus, Humanismus
und „Devotio Moderna“. Mit einer Lebensskizze von
C. H. Becker, herausgegeben von Hans von Schubert. 8°.
[XXXII, 343 S] 4 13,50.
Band IV. Paul Kalkoff, Ulrich von Hutten und die Reformation.
Eine kritische Geschichte seiner wichtigsten Lebenszeit und
der Entscheidungsjahre der Reformation. (1517— 1523.)
gr. 8°. [XVI, 609 S] A 40,—.
— —— —
FLUGSCHRIFTEN
REFORMATIONSZEIT
IN nenn |
44 (7
as lntereſſe für die gewaltigſte Umfturzbewegung im deutſchen
Geiſtesleben, die Reformation, ift durch die großen Gebádjt-
nisfeiern dieſer Jahre, beſonders durch die von Luthers Thejen-
anſchlag im Oktober 1917 und die des Reichstages zu Worms im
April 1921, in weiten Kreifen neu belebt worden. licht nur der
Kirchen- und Kulturhiſtoriker, ſondern jeder Geſchichtsfreund, über-
haupt jeder, der irgendwie Anteil nimmt an der Geiſtesentwicklung
des beutídjen Volkes. fühlt fidh immer von neuem angeregt durch
die Betrachtung der inneren und äußeren Gärungen. Kämpfe und
Wirrniſſe, in deren Mittelpunkt der große Reformator ſteht.
Die unterzeichneten Herausgeber und Verleger haben ſich
daher entſchloſſen, ein Unternehmen, das früher allſeitig freudig
begrüßt worden ijf, leider aber nach einigen Jahren infolge zu-
nädjjt unũberwindlicher äußerer Schwierigkeiten fallen gelajjen
werden mußte, nämlich bie in den Jahren 1907—11 in vier Bänden
erſchienene Sammlung „Flugſchriften aus den erſten Jahren der
Reformation“, fortzuſetzen und zwar unter dem Titel:
Flugſchriften aus der Reformationszeit
Dieſer Titel der neuen Folge deutet die Erweiterung der
Grenzen, die gelten ſollen. nach rückwärts und vorwärts an.
Es ſollen nicht nur Flugſchriften aus den erſten Jahren der
Reformation, ſondern auch ſolche aus den vorbereitenden huma-
niſtiſchen Fehden und andererjeits aus der Zeit vom Bauernkrieg
bis zu Luthers Tode und bis in den Schmalkaldiſchen Krieg
hinein neu erſcheinen. Für die erſten Nummern find folgende
intereſſante Schriften ausgewählt worden:
1. und 2. Ain ſchenes vnd nutzlidjes bũchlin von dem Chriſtlichen
glauben. — Das biechlin zaiget an wer der lebendig
martrer fey auff erdtrich ond betrifft den Chriſtenlichen
glauben. Weller, Repertorium typographicum Tir.
1996 und 1997. ca. MR. 15.—
3. (Antonius Corvinus) Cubus Sylvani Heffi in defectionem
Georgii Wicelii ad Papijtas (1534). ca. MR. 90.—
4. Epitaphium des ehrwürdigen Herrn und Vaters Martini
Luthers (1546). Mit drei Holzſchnitten von Lucas Cranach.
ca. MR. 12.—
In Vorbereitung find ferner Schriften von Rarlſtadt und dem
Sozialreformer Jakob Strauß, von Brenz und Butzer, ferner u. a.
die ben Ausbrud) bes antinomiſtiſchen Streites ſcharf beleuchtende
Schrift Sepultura Cutheri (1538) und das 1545 bei Cammerlander
in Straßburg erſchienene Kartenloßbuch“ (fehlt in dem Verzeichnis
Cammerlanderſcher Drucke bei Gödeke, Gengenbach S. 610, vergl.
aber Gödeke, Grundriß ll, 9 461).
Die zuletzt genannte Nummer zeigt. daß auch die nicht eigent-
lich religióje volkstümliche Literatur berückſichtigt werden foll.
Eine Teuerung und ein bedeutender Fortſchritt gegenüber
der erſten Serie der „Flugſchriften“ bedeutet die originaltreue
Wiedergabe in Manuldruk. Dieſe auf imitiertem alten Bütten-
papier wiedergegebenen Fakſimile- Reproduktionen geben bie
Originale in der denkbar treueſten Weiſe wieder und bieten für
Unterſuchungen der verſchiedenſten Art (außer zu reformations-
und literargeſchichtlichen, auch zu ſprachlichen, bibliographiſchen
und kunſtgeſchichtlichen Zwecken) die abſolut ſichere Grundlage.
Sie eignen ſich daher auch vorzüglich zu Seminarübungen.
Beſondere Berückſichtigung follen Flugſchriften mit bild-
neriſchem Schmuck finden. Hierdurch, ſowie durch ihre mujfergülfige
Ausſtattung werden die Schriften ein geſchätztes Sammelobjekt
bilden für Bibliophilen, die an der Literatur des 16. Jahrhunderts
intereſſiert ſind.
Jedes Heft wird von einer kurzen direkt auf die betreffende
Flugſchrift binfübrenben Einleitung und kritiſchen Anmerkungen
begleitet ſein. Herr Univerſitätsprofeſſor Dr. Alfred Goetze in
Freiburg i. Br. hat bie Güte gehabt, feine ſtändige germaniſtiſche
Mitarbeit zuzuſagen.
Profejjor D. Dr. Otto Clemen, Otto Harraſſowitz,
Zwickau i. Sa. Ceipzig.
Verlag von Otto Harrajfoqwifz in Leipzig.
Plugfdyriften aus ben erſten Jahren der Reformation.
Unter Mitarbeit von H. Barge, G. Boſſert, A. Goetze, W. Koehler,
K. Sdjoffenlober u. a. mit Einleitungen, Anmerkungen und Er- GE
läuterungen herausgegeben von O. Clemen. 4 Bände » 27 Hefte
enthaltend 38 Flugſchritten. 1907—11. 89... . . . . ll. 38—
Calvinftudien. Fejtjdrift sum 400. Geburtstage Johann Calvins.”
Unter Red. von Lic. Dr. J. Dobafec herausgegeben von ber refor-
mierten Gemeinde Elberfeld. mit Beiträgen von J. Bohatec,
W. Hollweg, W. Kolfhaus, J. Tleuenbaus u. a. 1909. Gr. 80. . m. 10.—
Dommer, N. von, cutyerdrucke auf der Hambarge: Stadt-
bibliothek, 1516—1623. Leipzig 1888. 89 . . . . . m. 10.—
Kalkoff, P., Rieander gegen Luther. Studien zu ungebrudten
Aktenſtücken aus Aleanders Hachlaß. 1908. 80. . $-
Luther, J., Die Titeleinfafjungen der Reformationszeit.
Ausgabe A. Lieferung I—II. 1909—1913. 49. mit 195 Tafeln. M. 120.—
Ausgabe B. mit Zufügung der Abzüge auf burdyjidjfigem Papier. M. 180.—
Alles, was bisher erjdjienen ijt. Ein grunblegenbes Werk für
ein Spezialgebiet ber älteren deuſſchen Buchilluſtration und für die
Bibliographie unb fppograpbijdje Beſtimmung der Reformations-
Flugſchriften von höchſtem Wert und geradezu unentbehrlich.
Die ber Ausgabe D beigegebenen Abzüge auf durchſichtigem
Papier bilden ein bequemes unb zuverläffiges Mittel, um burd)
einfadjes Auflegen auf einen Originaldruk bie Preſſe, aus der
er hervorgegangen, ſchnell und fider zu beftimmen.
Müller, Tl, Beiträge zur kirchengeſchichte der Mark pides
im 16. Jahrhundert. 1. (einz.) Heft. 1907. 80. .M. 5.—
— Fürft Georgs III. von Anhalt ſchrittſtelleriſche Tätigkeit in den
Jahren 1530—1538. 1907. 8°. „„ zur N
bes 16. Jahrhunderts. Band I. Heft 1. s Im. 4&—
Sieffert, F., Calvins teilen risa unb Le Orunb-
richtung. 1909. S0. .m 2.—
P. Ullmann 6. m. b. H., Zwidtau Sa.
Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.
Quellen und Darstellungen aus der Geschichte
des Reformationsjahrhunderts.
Herausgegeben von T Dr. Georg Berbig, Pfarrer in Neustadt-Coburg.
Band 1.
2
Lu
„ 3.
z 4
„ 5
6
po
„ 148
. M
„ 15
„ 16
z um
„ 18.
Berbig, Dr. Georg, Georg Spalatin und sein Verhältnis zu Martin
Luther auf Grund ihres Briefwechsels bis zum Jahre 1525. Mit 2 bisher
unveróffentlichten Bildnissen Spalatins. M. 10,80.
. Berbig, Dr. Georg, Acta Comiciorum Augustae ex litteris Phillippi
Jonae et aliorum ad M. L. Aus dem Veit-Diedrich-Kodex der Rats-
bibliothek zu Nürnberg herausgegeben Mit 1 Schriftprobe M. 2,90.
Richter, Dr. Max, Desiderius Erasmus und seine Stellung zu
Luther auf Grund ihrer Schriften. Mit 1 Schriftprobe M. 3,—.
. Theobald, Dr. Leonhard, Das Leben und Wirken des Tendenz-
dramatikers der Reformationszeit Thomas Naogeorgus seit seiner
Flucht aus Sachsen. M. 4,20
. Berbig, Dr. Georg, Spalatiniana. M. 4,80.
. Geisenhof, Georg, Bibliotheca Bugenhagiana. Bibliographie der
Druckschriften des D. Joh. Bugenhagen. M. 18,—.
. Albert, Lic. th. Dr. ph. F. R., Der Briefwechsel Heinrichs von
Einsiedel mit Luther, Melanchthon, Spalatin und anderen. Aus
Handschriften dargestellt. M. 4,80,
. Lepp, Friedrich, Schlagwörter der Reformationszeit. M. 5,10.
. Buchwald, D. Georg, Johann Bugenhagens Katechismuspredigten,
gehalten 1525 und 1532. Aus den Handschriften zum erstenmal herans-
gegeben. Mit Einleitung von Lic. Otto Albrecht. M. 8,60,
. Neukirch, Dr. phil. Albert, Der niedersächsische Kreis und die
Kreisverfassung bis 1542. M. 8,10
Heep, Pfarrer Lic. theol. J., Juan de Valdés, seine Religion, sein
Werden, seine Bedeutung. Ein Beitrag zum Verstündnis des spanischen
Protestantismus im 16. Jahrhundert. M. 9,60
. Scherffig, Paul, Friedrich Mekum von Lichtenfels, Ein Lebeus-
bild aus dem Reformationszeitalter nach den Quellen dargestellt. M. 6,60,
Buchwald, D. Dr, ns Ungedruckte Predigten Johann Bugen-
hagens aus den Jahren 1524 bis 1529 Zumeist aus Handschriften der
Großherzoglichen Universitätsbibliothek zu Jena zum erstenmal veröf-
fentlicht. M. 13,80.
Rotscheidt, Wilhelm, Stephan Isaak. Ein Kölner Pfarrer und
Hessischer Superintendent im Keformationsjahrhundert. Sein Leben, von
ihm seldst erzählt und aus gleichzeitigen Quellen ergänzt M. 7,20.
. Körner, Emil, Erasmus Alber. Das Kümpferleben eines Gottesge-
lehrten aus Luthers Schule. Nach den. Quellen dargestellt. M. 7,80,
. Tchackert, D. Dr. Paul, Analecta Corviniana. Quellen zur Ge-
schichte des niedersüchsischen Reformators Antonius Corvinus (+ 1553).
Gesammelt und mit einer Einleitung versehen. M. 4,80.
Kipp, Friedrich, Silvester von Schaumberg, der Freund Luthers.
Ein Lebensbild aus der Reformationszeit. Mit 4 Tafeln. M. 10,80.
Buchwald, D. Dr. Georg, Ungedruckte Predigten des Johann
Sylvins Egranus (gehalten in Zwickau und Joachimstal 1519—1522).
Zum erstenmal veröffentlicht. M 6, 60.
Alle 18 Bände, zusammen auf einmal bezogen (statt M. 133,10), nur M. 96,—. “ag
Verlag von M. Heinsius Nachfolger in Leipzig.
Barge, Hermann, Fruhprotestantisches Gemeindechristentum in Witten-
berg und Orlamünde. Zugleich eine Abwehr gegen Karl Müllers „Luther
und Karlstadt“. M. 12,—, geb. 15,— M.
„Die sehr fleißige und eingebende Arbeit, der elf erläuternde Kxkurse mit Aktenbel&gen bei-
gegeben sind, ist fast durchgehende eine überall in sachlichem Tone gehaltene, gegen Karl Müllers
Luther und Karlstadt‘ gerichtete polemische Beweisführung.“ (Mitt, u. d. histor. Literatur.)
Berbig, Pfarrer, Dr. Georg, Der Veit-Dietrich-Kodex — Solgeri 38 — zu
Nürnberg. Rhapsodia seu Concepta in Librum Justificationis aliis obiter ad-
ditis 1530. M. 2,40.
„Hier finden wir zunächst sehr wertvolle Äußerungen Luthers über die Rechtfertigung, darunter
eine ausgezeichnete Erklärung des sermo de poenitentia von 1518.* (Theol. Jahresbericht.)
Clemen, Prof. D. Dr. Otto, Alexius Chrosner, Herzog Georgs von Sachsen
evangelischer Hofprediger Preis M. 2,40.
„Man liest bei C. jetzt eine gründliche, lehrreiche, spannend geschriebene Darstellung jener
Episode. Das Ganze ist ein meisterhaft gezeichnetes Kulturbild aus der Reformationszeit.“
(Theol. Literatarblatt.)
— Studien zu Melanchtons Reden und Gedichten. M. 2,40.
„Die kleine, aber inhaltreiche Schrift gewährt uns wertvolle Einblioke einerseits in M'a liebens-
würdiges Wesen und vielseitige schriftstelleriache Tätigkeit, andrerseits in dns Wittenberger,
von M. beeinflußte gesamte Universitätsleben.“ (Literar. Zentralblatt )
Kalkoff, Paul, Die Miltitziade. Eine kritische Nachlese zur Geschichte des
Ablaüstreites. M. 2,10.
„Indem Verfasser Miltitiz’s Leben und seine Beteiligung am Handel Luthers aus vollster Be-
herrschung des Materials heraus mit eindringender Kritik überblickt, zeigt er, daß M.’s Persön-
lichkeit und geschichtliche Rolle fast durchweg bedentend überschätzt worden ist."
(Arch. f. Reformationsgesch.)
— Die Entstehung des Wormser Edikts. Eine Geschichte des Wormser Reichstags
vom Standpunkt der lutherischen Frage. M. 9,—.
„Eine minutióse Detailuntersuchung der Entstehung des Wormser Kdikts und seiner Wirkungen
so eingehend, wie sie eben nur bei völliger Beherrschung des Stoffes möglich wird. Naturgemäß
rückt in den perab;jichen Mittelpunkt der päpstliche Nuntius Aleander, dessen Sehlichen K. fast
wie ein Detektiv nachspürt “ (Theol. Literaturzeitg.)
Meissinger, Karl August, Luthers Exegese in der Frühzeit. M. 3,30.
„Mit uneingeschränkter Freude begrüßen wir die Arbeit von M. Es ist eine Fülle von Be-
obachtungen und Anregungen, die die kleine Arbeit bietet. Ich möchte sie hiermit dem eifrigsten
Stadium empfehlen.“ (Theologie d. Gegenwart )
Müller, Prof. D. Dr. Nikolaus, spp Melanchtons letzte Lebenstage,
Heimgang und Bestattung, nach gleichzeitigen Berichten der Wittenberger
Professoren. Mit zwei Tafeln. M. 6,—.
„Die vorliegende Ausgabe wird besonders wertvoll durch die beigegebeneu Erläuterungen, die
fast die Hälfte des Buches unsmuchen. Hier sind staunenswerte, bis ins Einzelnste gehende
Kenntnisse vor allem der Wittenberger Unlversitätsgeschichte niedergelegt.“
(Zeitschr. f. Kirchengesch.)
— Die Wittenberger Bewegung 1511 bis 1522. Die Vorgänge in und um
Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt. Briefe, Akten u. dgl. und
Personalien. 2. Auflage. M. 7,20.
„M. bringt im 1. Teil Briefe u. Akten in chronologischer Reihenfolge, von denen viele noch nicht
publiziert sind. Die Wiedergabe ist peinlich genau, sachliche Anmerkungen erleichtern das
Verständnis. Im 2. Teil gibt der Verf. Personalien der wichtigsten Wittenberger Persönlichkeiten
jener Tage, die dem Reformationshistoriker von größten Wert sind. Auch hier zeigt sich wieder
die bekannte Stoffbeherrschung und Kxaktheit M/s. Ein ausführliches Personenverzeichnis er-
leichtert die Benutzung des Buches.“ (Literar. Zentralblatt.)
Wappler, Dr. Paul, Inquisition und Ketzerprozesse in Zwickau zur
Reformationszeit. Darg&tellt im Zusammenhang mit der Entwicklung der
Ansichten Luthers und Melanchthons über Glaubens- und Gewissensfreiheit.
M. 6,75. l
„Die Arbeit beruht anf eingeheudem und gewissenhaftem Studium der zum großen Teil noch
unveröffentlichten Quellen. Sie gibt uns ein anschauliches Bild von dem ungeheuren Glaubens-
zwang und der großen Unduldsamkeit, die gerade in Sachsen von den Protestanten gegen die
Andersgläubigen ausgeübt wurden. Eine große Zahl bisher unbekannter Urkunden wird im An-
hange zugänglich gemacht. Ein gutes Orts- und Personenvorzeichnis erhöht deu Wert des
Buches.“ (Literar. Zentralblatt.)
Diesem Heft liegt eine Ankündigung der Buchhandlung Otto Harrassowitz,
Leipzig, über „Flugschriften aus der Reformationszeit“ bei.
Druck von C. Schulze & Co., G. m. b. H., Gräfonhalnichen.
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